The Project Gutenberg eBook of Das Bildnis bei den altdeutschen Meistern bis auf Dürer This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Das Bildnis bei den altdeutschen Meistern bis auf Dürer Author: Alfred Lehmann Release date: December 8, 2025 [eBook #77422] Language: German Original publication: Leipzig: Verlag von W. Hiersemann, 1900 Credits: Peter Becker, Alpo Tiilikka and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive) *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS BILDNIS BEI DEN ALTDEUTSCHEN MEISTERN BIS AUF DÜRER *** Anmerkungen zur Transkription Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der folgenden Symbole gekennzeichnet: ~Gesperrt~ _Kursiv_ +Fett+ Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert. Das Buchformatzeichen (wie eine hochgestellte Null z.B. 4° für die Quartformat,) in den Buchdarstellungen am Ende des Buches, ist als Gradzeichen (°) dargestellt. Das Ornament auf den Seiten VIII, X, 48, 49 ist durch [ornament] ersetzt. Die Berichtigungen auf Seite XIV sind im Text korrigiert. Seite 117, Zeile 1: unter ihnen der Bürgermeister selbst und seine drei Frauen -> »unter ihnen der Bürgermeister, sein Sohn Ulrich und dessen drei Frauen. Seite 149, Zeile 12: »Aus der Mitte des 15. Jahrhunderts -> »Aus der Mitte des 14. Jahrhunderts DAS BILDNIS BEI DEN ALTDEUTSCHEN MEISTERN BIS AUF DÜRER VON ALFRED LEHMANN MIT 72 ABBILDUNGEN [Illustration] VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN LEIPZIG 1900 Vorwort. Diese Studie ist der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg als Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde eingereicht worden; ich lege sie hiermit, wesentlich erweitert und berichtigt, der Oeffentlichkeit vor. Die bildlichen Darstellungsformen des Menschen bis zur Renaissance sind ihr wesentlicher Inhalt. Ursprünglich war es meine Absicht gewesen, mich bei der Durchforschung dieses ausgedehnten Gebietes auf die eigentliche Porträtkunst zu beschränken, aber im Laufe meiner Untersuchungen habe ich erkannt, wie das Werden des ~Teiles~ — denn Porträt ist eine engere Begrenzung des Bildnisbegriffes — nur im Entwickelungsgange des ~Ganzen~ verstanden werden kann, und ich habe deshalb meine Arbeit auf das Bildnis im weitesten Sinne des Wortes ausgedehnt. Den Darstellungen der menschlichen Erscheinung bin ich bis zu ihren typischen Anfängen in der Karolingerzeit nachgegangen, denn wenn auch die Kunst, gleichwie die Kultur dieser Epoche auf römischer Grundlage beruht, so ist doch das Neue in ihren Werken germanischen Geistes, und sein gesetzmässiges Wachstum in Deutschland, nicht in Frankreich zu finden. Von seiner fernen Geburtsstätte aus habe ich das Bildnis durch die wichtigsten Denkmäler der Buchmalerei bis zur allgemeinen Verbreitung der Formenschneidekunst verfolgt, das ist etwa bis zur zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, wo der Bilddruck die Feder- und Pinselzeichnung zu verdrängen beginnt. Gleichzeitig habe ich das Auftreten der Menschen und die Belebung seiner Erscheinungsform in der monumentalen Wanddekoration beobachtet und schliesslich seine Verkörperung durch die Bildhauerkunst und seine Darstellung auf Schaumünze, im Holzschnitt und Kupferstich, wenn auch nur flüchtig, in das Blickfeld meiner Betrachtungen gezogen. Bei der Schilderung des Menschenbildnisses auf der Malertafel brauchte ich bei den Inkunabeln nicht zu verweilen, denn ihre kindlichen Ausdrucksformen sind denen der Buch- und Wandmalerei nahe verwandt, ich habe vielmehr sogleich die in reicher Fülle auf uns gekommenen Werke von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts an bis mit dem 15. zum Gegenstand meiner Untersuchungen gemacht. In dieser eigenartigen Periode deutschen Kunstschaffens, in welcher neben einem langsamen Absterben alter Ideale und Formen die Keime neuer Bildungen sich zu regen beginnen und an deren stürmisch bewegtem Ende der grösste Genius auf dem gesamten Gebiete der bildenden Kunst in Deutschland sich erhebt, erscheinen zum ersten Male, von vereinzelten Vorläufern abgesehen, die eigentlichen Porträts und zwar ~in Gestalt heiliger oder profaner Personen im Rahmen des Altarbildes, als Stifter und als unabhängige Einzelbildnisse~. Die Aufzählung und Beschreibung dieser drei Porträtgattungen, in denen die Bildniswelt des deutschen Quattrocento enthalten ist, beansprucht den grössten Raum in meiner Arbeit. Die Gliederung des Stoffes habe ich in der Weise vorgenommen, dass im ersten Teile das Menschenbildnis in allen Kunstgebieten mit Ausnahme dem der Tafelmalerei kurz zusammengefasst und unabhängig von seiner Verteilung auf die verschiedenen deutschen Stammesgruppen besprochen wird, während im zweiten sein Werden und Wandeln auf der Malertafel eine eingehendere und nach Schulen gesonderte Betrachtung erfährt. Es stellt sich somit der erste Teil gleichsam als ein Querschnitt durch die deutsche mittelaltrige Bildniskunst dar, jedoch ohne Berücksichtigung der Tafelmalerei, welche im zweiten Teile in einer Gruppe von Querschnitten durch die Malerschulen des 15. bezw. des 14. Jahrhunderts vorgeführt wird. Ein dritter und letzter Teil versucht den Porträtinhalt der deutschen Bildnismalerei vor der Renaissance zu einem Gesamtbild zu vereinigen und behandelt eine Reihe sich hieran knüpfender kunst- und kulturgeschichtlicher Betrachtungen und Fragen. — Eine Geschichte des deutschen Bildnisses ist noch nicht geschrieben. Gleichwohl darf ich nicht den Anspruch erheben, diesen Teilversuch ohne fremde Leitbilder unternommen zu haben. Vor allem ist es Jacob Burckhardts Arbeit über das Porträt in der italienischen Malerei, die mir als allgemeiner Wegweiser gedient hat. Was ich an wohlverarbeitetem Material den Forschungen Janitscheks, Lamprechts, Lichtwarks, Thodes Vischers, Woermanns und vieler Anderer entnommen habe, wird man aus den einzelnen Abschnitten ersehen. Die überwiegende Mehrzahl der besprochenen Kunstwerke ist mir selbstverständlich durch eigene und zumeist wiederholte Anschauung bekannt. Abbildungen vermag ich dem gedruckten Worte nur in einer verhältnismässig geringen Anzahl zur Seite zu stellen, leider, denn »um von Kunstwerken eigentlich und mit wahrem Nutzen für sich und andere zu sprechen, sollte es freilich nur in Gegenwart derselben geschehen«. (Goethe.) So muss ich mich in der Hauptsache auf das Gedächtnis des Lesers und seine Bildersammlung verlassen. Um mich in der Arbeit selbst so wenig wie möglich zu wiederholen, gebe ich hier die Erläuterung einiger im Text mehrfach gebrauchter sprachlichen Bezeichnungen: Unter dem Namen ~Mittelalter~ umfasse ich den gesamten Zeitraum zwischen klassischem Altertum und der Wende des 15. Jahrhunderts. Die Wörter ~Bildnis~ und ~bildnisartig~ verwende ich in ihrem weiten, landläufigen Sinne, ~typisch~, ~individuell~, ~individuell-charakteristisch~, ~porträtartig~ und ~Porträt~ dagegen für die plastische, zeichnerische oder malerische Darstellung eines menschlichen Kopfes, um mit ihnen das Folgende auszudrücken: Typisch 1. wenn von dem Ganzen und den einzelnen Gesichtsteilen nur das Allernotwendigste, nur die ihnen zu Grunde liegende ideale Form wiedergegeben ist, also gewissermassen für das Symbol eines Menschenkopfes. Unter männlichen und weiblichen, Alters- und Standes-Typus verstehe ich engere, sich selbst erklärende Begrenzungen einer vorgeschrittenen Art dieser primitivsten Bildnisgattung; 2. wenn sich für bestimmte und in den Darstellungen häufig wiederkehrende heilige oder profane Persönlichkeiten (Repräsentanten) innerhalb einer Kunstperiode die gleichen Erscheinungsformen ausgebildet haben und diese während eines längeren Zeitraums mit unwesentlichen Veränderungen in den Kunstwerken erscheinen; 3. wenn für derartige Persönlichkeiten (Repräsentanten) eine bestimmte Malerschule oder auch ein einzelner Meister annähernd die nämlichen Erscheinungsformen verwendet. Individuell wenn der Umriss eines Kopfes, sein Knochenbau und die Gesichtsteile nach dem unmittelbaren Vorbilde eines Lebenden oder nach dem lebhaften Erinnerungsbilde von einem solchen geschaffen zu sein scheinen. Individuell-charakteristisch wenn in einem individuellen Kopfe etwas von dem bleibenden inneren Leben des Dargestellten ausgeprägt ist, d. h. wenn er von der Wesenseigentümlichkeit der betreffenden Persönlichkeit Kunde giebt. Man wolle beachten, dass ich unter individuell im allgemeinen die physische, unter charakteristisch die seelische und geistige Durchbildung eines Kopfes begreife. Porträtartig wenn ich von einem individuellen oder individuell-charakteristischen Kopfe die Empfindung habe, dass der Künstler ihn als den einer ganz bestimmten Persönlichkeit hat wiedergeben wollen, ohne dass ihm jedoch seine Absicht in höherem Sinne gelungen ist. Zu dieser Gruppe zähle ich auch solche Bildnisse, bei denen das Wollen des Künstlers lediglich aus einem begleitenden Nebenumstand, wie Wappen, Namen oder dergleichen zu erkennen ist. Porträt wenn eine Fülle von Einzelheiten eines individuell-charakteristischen Kopfes und seine Gesamterscheinung so nach dem wirklichen Leben gebildet ist, dass ich den Eindruck von einer vollkommenen und in sich abgeschlossenen Einzelexistenz erhalte. Ich weiss recht wohl, dass diese hier voneinander geschiedenen Begriffe häufig oder beinahe stets ineinander verlaufen und miteinander verschwimmen, und dass es in der Praxis ganz unmöglich ist, scharfe Trennungslinien zwischen ihnen zu ziehen, ebensowenig wie etwa zwischen den Farben des Sonnenspektrums oder den Tonnuancen eines Rembrandtschen Gemäldes, aber angesichts der weiten Kreise, welche jene Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauche umschliessen, schien es mir wünschenswert, sie in dem meinigen nach Möglichkeit zu verengen. — Allen, die mir bei Beschaffung des Abbildungsmaterials behilflich gewesen sind, spreche ich hiermit meinen Dank für ihre Unterstützung aus. ~Dresden~, Sommer 1900. +Alfred Lehmann+ Inhaltsübersicht. Seite: Vorwort III Meisterliste VII Verzeichnis der Dargestellten IX Einleitung 1 Erster Teil. 1. Die Anfänge des Bildnisses 15 2. Das Bildnis in der Buchmalerei 19 3. Das Bildnis in der Wandmalerei 29 4. Das plastische Bildnis 34 5. Die Schaumünze 40 6. Der Holzschnitt und der Kupferstich 43 Zweiter Teil. 1. Allgemeine Betrachtungen über das Werden und Wandeln des Bildnisses in der Tafelmalerei 51 2. Die Schule von Prag 58 3. Alt-Köln und seine Einflusssphäre 63 4. Oberrhein, Schwaben, Schweiz 95 5. Baiern, Oestreich, Tirol 130 6. Sachsen und Schlesien 143 7. Franken 147 Dritter Teil. 1. Die Auftraggeber 191 2. Das Porträt im Rahmen des Altarbildes (Assistenzbild) 194 3. Das Stifterbildnis 201 4. Das Rosenkranzbild und die Mater Misericordiä 208 5. Das Porträt als Totendenkmal und die Reihenporträts 214 6. Das unabhängige Einzelporträt 219 a) Vorläufer 219 b) Aeusserlichkeiten des Porträts. Form, Grösse, Tracht, Geschmeide, Hintergrund 221 c) Künstlerische Auffassung. — Die gleichzeitige italienische und niederländische Porträtkunst. — Malweise. — Porträtsammlungen 229 d) Physiognomisches Gesamtbild der Porträts des 15. Jahrhunderts 241 Rückschau und Ausblick 245 Abbildungen. Seite: Perikles, Büste, London 18 Euripides, Büste, Neapel 19 Der Schreiber Wandelgarius, Handschriftillustration 20 Kaiser Lothar, Handschriftillustration 22 Kaiser Heinrich II., Handschriftillustration 24 Gottesurteil, Handschriftillustration 27 Wandgemälde in Oberzell 30 Ekkehard und Uta, Naumburger Stifterfiguren 35 Kopf des Reiters, Bamberger Dom 37 Peter Parler von Gmünd, Büste, Prag 38 Der sog. Tiroler Thaler 41 Mohammed II., Holzschnitt 44 »Der türgisch Kayser«, Holzschnitt 46 Junge Frau vom Meister W. [ornament] B. Kupferstich 49 Votivbild aus Raudnitz 61 Kölner Dombild 66 Erzbischöfliche Madonna von Lochner 70 Altarbild des Meisters der heiligen Sippe 74 Weibliches Bildnis vom Meister von Severin 78 Niederrheinisches Bildnis in Heidelberg 80 Kalvarienberg vom Meister des Amsterdamer Kabinets 83 Das Liebespaar in Gotha 86 Von Meister Franckes Thomas-Altar 92 Desgleichen 93 Von Mosers Magdalenenaltar 96 Altarbild von Konrad Witz 100 Passionsbild von Isenmann 102 Schongauers Selbstbildnis, Kopie von Burgkmair 105 Von dem Multscherschen Altarwerk 108 Zeitbloms Selbstbildnis 110 Silberstiftzeichnung von Holbein d. Ä. 112 S. Pauls-Basilika, von Holbein d. Ä. 114 Epitaphbild von Holbein d. Ä. 117 Geiler von Kaisersberg, von Burgkmair 120 Von Herlins Georgsaltar 122 Männliches Porträt von Herlin (?) 124 Von einer Stiftung des Rosenkranzordens 126 Von einer Kreuzigung aus Benediktbeuren 131 Herzog Sigmund, von Olmendorfer (?) 133 Von einem Altar des Meisters von Neustift 142 Meissner Dombild 145 Schmerzensmann, fränkisch 149 Hohenzollernsche Votivtafel 151 Vom tucherschen Altar 154 Maria als Himmelskönigin, fränkisch 155 Kreuzigung von H. Pleydenwurff 159 Kanonikus Schönborn, von H. Pleydenwurff 161 Vom Zwickauer Altar 166 Vom Peringsdörffer Altar 169 Vom Schwanenaltar in Ansbach 171 Ehepaar in Dessau, von Wolgemut (?) 174 Porträt des Perckmeister, von Wolgemut (?) 175 Hans Tucher, von Dürer 178 Konrad Imhof, fränkisch 180 Doppelbildnis, fränkisch 181 Jörg Ketzler, von Elsner 182 Bildnis eines jungen Mannes, fränkisch 184 Porträt einer Patrizierin, fränkisch (?) 186 Porträt des Pacimondanus, fränkisch (?) 188 Männliches Porträt von Dürer (?) 189 Weltgericht von Lochner 195 Der h. Bernhardin von Siena, Kupferstich 199 Rosenkranzbild 209 Mater Misericordiä, Skulptur 212 Adolf von Schauenburg, von Francke (?) 215 Gruppenbild aus Hoflach 217 Konrad Kyeser, Miniatur 220 Wohnraum mit Porträt 222 Gruppe aus dem Thomas-Altar 226 Giovanni Arnolfini, von J. von Eyck 230 Luigi Scarampi, von Mantegna 231 Anbetung der Könige, vom Meister der h. Sippe 235 Meisterliste. Bernward von Hildesheim, 34. Berthold, 152. Bertram von Minden, 91. Breslauer Meister von 1447, 146, 158. Burgkmair, Hans, 105, 119. Dietrich von Prag s. Theodorich. Dürer 21 Anm., 42, 43, 45, 144. Elsner, Jakob, 183. Francke 91, 215, Anm. Frass, Leo, 119. Fries, Hans, 130. Frühauf, Rueland, 137. Fuetrer, Uelrich, 132. Funhof, Hinrik, 91. Fyoll, Konrad, 88. Giltlinger, Gumbold, 119. Herbst, Hans, 129. Herlin, Friedrich, 121. Herrad von Landsberg, 26. Hirtz, Hans, 97. Holbein, Ambrosius, 118. Holbein d. Ä., 111. Holbein d. J., 118. Isenmann, Kaspar, 102. Konrad von Soest, 81. Lauwlin, 96. Lochner, Stephan, 67. Mächselkircher, Gabriel, 131. Meister des Amsterdamer Kabinets, 48, 83. " " h. Bartholomäus, 76. Meister des Clarenaltars, 63. " " Donaueschinger Bildes, 98. " E. S., 47. " von Frankfurt, 89 Anm. " des Georg- und Hippolytaltars, 73. " von Grossgmain, 137. " der Kreuzigung in der Frauenkirche, 158. " des Liebespaares in Gotha, 87. " von Liesborn, 82. " des Mainzer Marienlebens, 85. " " Marienlebens, 68, 71. " " Meissner Dombildes, 144. " N. D., 138. " des Neustifts, 143. " " Altars der Reglerkirche, 157. " " Schwabacher Altars, 170. " " Seeligstädter Altars, 84. " von S. Severin, 76, 199, 212. " " Sigmaringen, 125. " der h. Sippe, 73, 236. " mit dem Skorpion, 140. " der Spielkarten, 47. " des tucherschen Altars, 156. " der Verherrlichung Mariä, 73, 199. " W. [ornament] B., 48. " von Wittingau, 62, 135. " des Wolfgang Altars, 153. Mittelrheinischer Meister, 89 Anm. Moser, Lukas, 97, 248. Multscher, Hans, 107. Olmendorfer, Hans, 132. Pacher, Friedrich, 143. Pacher, Michael, 140. Pfenning, 138, (156). Pleydenwurff, Hans, 159. Pleydenwurff, Wilhelm, 44, 168. Ratgeb, Jerg, 128. Rueland, Wolfgang, 138. Schit, Nikolaus, 85. Schongauer, Martin, 47, 103. Schühlein, Hans, 109. Strigel, Claus, 125. Sunter, Jakob, 140. Theodorich von Prag, 59. Tieffental, Hans Heinrich, 96. Traut, Hans, 170. Wertinger, Hans, 135. Wilhelm von Herle, (94) 65. Witz, Konrad, 99. Wolgemut, 44, 163. Wurmser, Nikolaus, 33, 59. Wynrich, Hermann, (64) 65. Zeitblom, Bartholomäus, 109. Verzeichnis der Dargestellten. Aich, von. 75. Albrecht Achilles, Kurfürst von Brandenburg, † 1486. 172. Albrecht III., Herzog von Baiern-München, Gemahl der Agnes Bernauerin, † 1460. 136. Albrecht IV., der Weise, Herzog von Baiern, Pfalzgraf bei Rhein † 1508. 132, 135. Anna, Gemahlin des Kurfürsten Albrecht Achilles, † 1512. 172. Anna von Schweidnitz, 3. Gemahlin Karls IV., Tochter des Herzogs Heinrich von Jauer. 33. Artzt, Bürgermeister von Augsburg. 112. Baccharach, Nyclaes, Ritter von. 79. Bernhardin von Siena, † 1444 (heilig gesprochen 1450). 199. Berthold, Bischof von Eichstädt, Burggraf von Nürnberg, † 1364. 150, 205. Brogny, Jan Allarmet de, geb. 1342, † in Rom 1426. Präsidierte dem Konstanzer Konzil zur Zeit der Verbrennung des Huss. Das S. 101 erwähnte Bild kann erst nach seinem Tode gemalt sein. 101. Brun, Greda, gen. Faut von Monsberg, Gattin des Claus Humbracht, † 1501. 89. Conreshem, Christian, gen. Jisenmenger (Eisenmenger). 77. Cusanus, Nikolaus, Kardinal, † 1464. 73. Diethelm (?). 125. Dietner. 163. Dietrich, Bischof von Salzburg. 32. Eberhard, Bürger von Prag. 60. Ehingen, oberschwäbisches Geschlecht. 111. Ehingen, Burkhard von, zu Diessen, »mit dem Zopf«, † 1407. 127. Ehingen, Georg, Ritter von, Enkel des vorigen, † 1508. 111. Ekkehard, Markgraf von Meissen. 35, 36 Anm., 37. Elisabeth von Hohenzollern, Gemahlin Ruprechts von der Pfalz, † 1411. 151. Elisabeth, Gemahlin des Burggrafen Friedrich V. von Nürnberg, † 1375. 151. Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, Gemahlin des Landgrafen Ludwig IV., † 1231. 26. Ensinger (Entzinger), Moritz, Baumeister, † 1482. 128. Ernst, Herzog zu Baiern-München, Vater Albrechts III., schuldig des Justizmordes an der Bernauerin. † 1438. 136. Falkenstein, Cuno von, Erzbischof von Trier. 65. Ferin, Gehraus (Wildbret?). 153 Frey, Agnes, Dürers Gattin, † 1538. 42. Friedberg s. Pacimondanus. Friedrich III., Kaiser, † 1493. 139, 213. Friedrich V., Burggraf von Nürnberg, † 1398. 151. Friedrich VI., Burggraf von Nürnberg, seit 1415 Markgraf, dann Kurfürst von Brandenburg, † 1440. 151. Friedrich IV., Markgraf zu Ansbach und Bayreuth, 2. Sohn des Kurfürsten Albrecht Achilles, † 1536. 170. Friedrich I., der Siegreiche, Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Baiern, † 1476. 126, 129. Fries, Anna, Gattin des Ulrich Schwarz, vielleicht eine Tochter des Malers Hans Fries, der in Augsburg thätig gewesen sein soll. 117. Fuchshart, Jakob, Bürger von Nördlingen. 121. Fugger, Augsburger Geschlecht. 112. Fugger, Anton. 119. Fugger, Jakob, † 1525. 42. Ganghofer, Jörg, von Haselbach, Baumeister d. Frauenkirche. † 1488. 185. Geiler, Johannes, von Kaisersberg, † 1510. 119. Genger, Hans. 123. Georg zu Kaisheim, Abt. 116. Gerhardus, Professor zu Köln. 73. Glockenton, Hans, † 1433. 153. Graden, Ritter von. 138. Groland. 167. Hackenay, Johann. 75. Haimendorf. 185. Haller, Nürnberger Patrizierfamilie. 157, 167. Hallerin, Margareth Wilhelm. 167. Hanau, Graf von. 88. Heiligenberg-Wardenberg. 107. Heimeran, Zimmermeister der Frauenkirche, † 1488 (?). 185. Heinrich II., Kaiser, † 1024. 23, 37, 157. Heinrich der Löwe, Herzog von Baiern und Sachsen, † 1194. 34, 36 Anm. Heinrich von Plauen, Hochmeister, † 1429. 216, 220. Heinrich der Reiche, Herzog von Baiern-Landshut, † 1450. 135. Herbst, Hans, Maler, † gegen 1550. 129. Herlin, Friedrich, Maler, † 1500. 123. Hermann, Landgraf von Thüringen, † 1217. 26. Hirzlach, Friedrich von, Abt. 149. Hoferin. 186. Hohenlandenberg, Hugo von, Bischof zu Konstanz. 107. Holbein d. Ä., † etwa 1524. 115. Holbein, Ambrosius, ältester Sohn des vorigen, † nach 1518. 115. Holbein d. J., † 1543. 114, 115. Holzschuherin, Clara. 150. Humbracht, Claus, † 1505. 89. Imhof, in Schwaben, Franken und Italien ansässiges Geschlecht. 152, 153. Imhof, Anton Christian, † 1449. 153. Imhof, Konrad. 179. Johann III., Burggraf von Nürnberg, † 1420. 151. Johann V. von Weissbach, Bischof von Meissen. 144. Juditha von Flandern. 127. Jungen, Heinrich zum. 90. Kannegiesser, Peter. 73. Karl der Grosse, † 814. 21, 66. Karl II., der Kahle, Kaiser der Westfranken, † 888. 23. Karl IV., König von Böhmen, † 1378. 33, 60, 62, 63, 219. Ketzler, Jörg. 183. Ketzler (Ketzel), Ulrich, † 1463. 227. Konrad von Jungingen, Hochmeister, † 1407. 216. Koler. 157. Kraft. 111. Kress. 163. Kunigunde, Gemahlin Kaiser Heinrichs II, † 1038. 157. Kunigunde von Oestreich, Tochter Kaiser Friedrichs III., Gemahlin Albrechts IV. von Baiern, † 1520. 132. Kyeser, Konrad. 221. Lambert, Professor. 73. Landauer. 162. Leonore, Gemahlin Kaisers Friedrich III. 213. Leopold der Heilige, Markgraf von Oestreich, † 1136. 138. Leopold III., Herzog von Oestreich, † 1386. 139. Leyckmann, Hans. 107. Löffelholz, aus Sachsen eingewanderte Nürnberger Patrizierfamilie. 163. Auf dem Löffelholzaltar sollen dargestellt sein: Fritz, Hans der Alte und Wilhelm L. († 1475), des letzteren Frauen Kunigunde, Tochter des Konrad Paumgärtner, Witwe des Hieronymus Ebner, und Barbara, Tochter des Walther Hirschvogel und der Witwe Sebald Tucher, sowie die sämtlichen Kinder des Wilhelm L. Lothar, Kaiser, † 855. 22. Märkel, Wigand, von Grünau. 89 Anm. Martin, Truchsess von Wetzhausen. 220. Mathilde, 2. Gemahlin Heinrichs des Löwen, † 1189. 34, 36 Anm. Maximilian, Kaiser, † 1519. 45, 87, 112, 213. Meister des Bossweileraltars. 85. " " Löffelholzaltars. 163. " " Mainzer Marienlebens. 85. " R. F. 169. " der h. Sippe. 75. Mengotus, Magister. 150. Mohammed II., Sultan, † 1481. 44. Monspurg, von. 79. Monte, Johannes de, Kanonikus. 73. Müller. 123. Neuenar, Gumprecht Graf von. 75. Neuneck, Barbara von. 127. Neithart. 111. Nesselrode-Hugenpoet, Johann von. 77. Nicolaus von Kues s. Cusanus. Očko von Wlaschim, Erzbischof. 60. Orlinc, Johann, Präceptor von Isenheim. 106. Otto, Domprobst von Gurk. 32. Pacimondanus. 188. Papen, Johann, Bürgermeister von Goslar. 170. Parler, Peter, von Gmünd, Baumeister, † 1398. 38. Perckmeister, Hans. 174. Philipp der Schöne, Sohn Maximilians und Marias von Burgund, † 1506. 87. Pleydenwurff, Wilhelm, † 1494. 169. Polani, Barbara. 205. Prczecislaus, Bischof von Breslau, † 1376. 146. Prockendorf. 147. Prünsterer. 153. Prussy, polnische Familie. 163. Questenberg. 75. Rauchenberger, Johannes, Domprobst von Salzburg. 137. Ravenpurger. 197. Rehlinger, Dorothea, aus bairischem Adelsgeschlecht. 114. Reichenstein, Elisabeth von, Aebtissin, † 1485. 69. Reinhard von Mühlhausen. 60. Reyda, Bernhardus de, Kanonikus. 73. Riedler, Barbara geb. 116. Römer, Martin, Amt- und Hauptmann von Zwickau und Werdau, † 1483. 165. Rosen, Kunz von der, Günstling Kaiser Maximilians, † 1519. 112. Rudolf IV., Herzog von Oestreich, † 1365. 139. Sachsen. 163. Sagner, Caspar, Bürgermeister von Zwickau. 165. Schauenburg, Adolf von. 215. Schlüsselfeld. 185. Schönborn, Kanonikus von Würzburg. 160. Schongauer, Martin, † 1491. 106. Schwarz-Hirtz, Ritter. 73. Schwarz, Ulrich, Bürgermeister von Augsburg, † 1478. 116. Seckendorf. 157. Sigmund, Herzog zu Baiern-München, Bruder Albrechts IV., † 1501. 133. Sigmund, Erzherzog von Oestreich, Graf von Tirol, † 1496. 41. Sigmund, Herzog zu Sachsen, Fürstbischof von Würzburg, † 1463. 146. Sixtus IV., Papst. 213. Sophie, Gemahlin des Markgrafen Friedrich IV. zu Ansbach und Bayreuth, † 1512. 170. Spengler, Leonhard, † 1484. 167. Stabius, Johann, Humanist, † 1522. 21 Anm. Stalburg, Claus, Bürgermeister von Frankfurt a. M., † 1524. 128. Stalburgerin, Margarethe, † 1550. 128. Stauffenberg. 102. Stephan von Sierndorf, Probst. 139. Strobel, Nikolaus, Stadtrichter. 218. Strödel, Pavel, Ratsherr von Zwickau. 165. Stromer, Nürnberger Familie. 163. Stromer, Paulus, † 1406. 150. Talberg, Jörg Rottel Freiherr von. 139. Tucher, Nürnberger Patriziergeschlecht. 185. Tucher, Hans, † 1528. 177. Tucher, Elisabeth Niclas. 177. Tucher, Felicitas. 177. Tucher, Ursula Hans, geb. Harsdörfer, † 1504. 176. Udemann, Jakob, von Erchelenz, Vikar, Pastor zu Wailhorn. 72. Ulricus, gen. Kötzler von Volkersan. 157. Ulrich V., der Vielgeliebte, Graf von Württemberg, † 1480. 127. Uta, Gemahlin des Markgrafen Ekkehard von Meissen. 35, 36 Anm., 37. Valzner. 157. Vetter, Veronika, Walpurga und Christina. 113. Vilberer, Thomas. 165. Volkamer, Nürnberger Patrizierfamilie. 153, 167. Wagner, Lienhard, Mönch von S. Ulrich. 112. Waldeck, Barbara, gen. von Ybm. 86. Walter, Ulrich. 115, 116. Wartenberg, Peter von. 146. Welser, Veronika, Tochter des Bartholomäus Welser, Bürgermeister von Augsburg (?), seit 1503 oder 1504 Priorin des Katharinenklosters, † 1530 oder 1531. 115. Welser, geb. Ungelter. 129. Wenzel, deutscher König und König von Böhmen, † 1419. 33, 60. Wenk, Johann, Abt von Heilsbronn, † 1529(?). 170. Wernigerode, Heinrich Graf von, aus niedersächsischem Geschlecht. 144. Wilhelm III., Herzog von Baiern-München, † 1435. 136. Wolf, Herzog von Schwaben. 127, 207. Wolfskehlen, Junker Philipp von. 85. Wolgemut, Michel, † 1519. 42, 164, 165. Zabka, Stanislaus. 163. Zingel. 163. Zeitblom, Bartholomäus, † gegen 1518. 109. Abkürzungen. Wo bei einem Citat nicht der volle Titel des Buches angegeben ist, sondern nur der Autorname, so bezieht sich der Hinweis auf folgende Schriftstücke: Burckhardt: Das Porträt in der Malerei. Beiträge zur Kunstgeschichte in Italien. Basel 1898. Janitschek: Geschichte der deutschen Malerei. Berlin 1890. Kraus: Geschichte der christlichen Kunst. Freiburg i. Br. 1897. Merlo: Kölnische Künstler in alter und neuer Zeit. Herausgegeben von Firmenich-Richartz. Düsseldorf 1895. Schultz: Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrhundert. Grosse Ausgabe. Wien und Prag 1892. Sighart: Geschichte der bildenden Kunst im Königreich Baiern. München 1862. Thode: Die Malerschule von Nürnberg. Frankfurt a. M. 1891. Vischer: Studien zur Kunstgeschichte. Stuttgart 1886. Woltmann: Holbein und seine Zeit. 2. Auflage. Leipzig 1874. Ein Ortsname neben einem Gemälde bedeutet, dass sich das betreffende Werk in der wichtigsten Sammlung oder der einzigen Kirche des genannten Ortes befindet, anderenfalls wird die Aufbewahrungsstelle besonders bezeichnet. Der Hinweis »Klass. Bilderschatz« bezieht sich auf die bekannte Bruckmannsche Publikation. (München; Reber und Bayersdorfer.) Berichtigungen. Seite 117, Zeile 1: »unter ihnen der Bürgermeister, sein Sohn Ulrich und dessen drei Frauen.« Seite 149, Zeile 12: »Aus der Mitte des 14. Jahrhunderts.« Zur Einleitung. Der bei aller Lust am Fabulieren den Völkern germanischer Abstammung tief eingewurzelte Wirklichkeitssinn kommt in der deutschen Malerei als das Bestreben zum Ausdruck, allen Dingen der Erscheinungswelt ihr wesenseigenes Gepräge zu geben: der Landschaft, dem Innenraum und demjenigen Objekte, das aller Dinge Mass ist, dem Menschen, — ~Individualisierung und Charakterisierung ist die treibende Grund- und Urkraft der deutschen malenden Kunst~. Männertypen und, mit einem gewissen zeitlichen Abstand folgend, auch Frauentypen, in den frühesten Tagen der Schilderkunst den antiken Prachthandschriften naiv und getreulich nachgebildet, erhalten bald zum mindesten einen Hauch germanischen Wesens; das in ihnen nur ganz allgemein angedeutete gewinnt durch das Korrektiv der Wirklichkeit seine besondere Gestaltung, und selbst dem bereits in scharf ausgeprägter Gattungsform aus der Fremde übernommenen wird nach eigenem Bilde eine neue Erscheinungsform gegeben. So wandelt sich der runde Römerkopf in ein zartes Oval, und auf germanisches Vorbild deutet das gewellte Haar, der kleine und zierliche Mund, dessen Unterlippe oft stark hervorgehoben wird, die langgezogene Nase und die grossen runden Augen. Aber nur langsam und nicht mit gleichmässig zunehmender Kraft wachsen Beobachtung und Wiedergabe der Wirklichkeit. »Auf dem eingeschränkten düsteren Pfaffenschauplatz des medii aevi« konnte das Auge des Künstlers nicht weltsichtig werden; um es weit und hell zu öffnen, bedurfte es des gewaltigen Umschwunges aller wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse, wie er mit dem Ausgange des Mittelalters hereinbrach. Nun erst erscheinen im Buch und auf der Malertafel, anfangs noch schüchtern, dann mit immer grösserer Sicherheit, Landschaft, Innenraum und Menschen in ihrer ästhetischen Realität, so wie sie durch das Medium der deutschen Künstlerseele erschaut und von ihr nachempfunden wird, — und nun beginnt auch die eigentliche ~Geschichte des Porträts~. Die tausendjährige Kunst eines Volkes lässt sich freilich nicht mit einer Generalsentenz abfertigen: der Grundzug der Individualisierung der Erscheinungswelt ist einer deutschen Schule während der Jahre ihrer herrlichsten Blütezeit überhaupt nicht zu eigen gewesen, und das Wollen und die Fähigkeit, das aus fremdem Volkstum Entlehnte mit Geist vom eigenen Geiste zu beleben, hat die gesamte deutsche Malerei, von Adam Elsheimer und einer Anzahl gut bürgerlicher Porträtmaler absehen, in den zwei Jahrhunderten, die auf Dürers und Holbeins Tode folgten, entbehrt. Dass die zarten Seelenmaler von Alt-Köln bis auf den Meister des Marienlebens sich von der nüchternen Wirklichkeit fern hielten, ist aus der Stimmung der Zeit und des Ortes zu erklären, in der sie ihre Werke schufen. In Köln schlug das Herz der deutschen Mystik. Nicht umsonst hatte hier Tauler und seine Schülerschar gelehrt, der Weg zu Gott gehe durch die Empfindung, nicht durch den Verstand, durch stilles Beharren, nicht durch Handeln, und die Befriedigung des irdischen Daseins sei in demutsvoller Entsagung und Entselbstung zu suchen, nicht in verzehrendem und nutzlosem Kampfe. Der behagliche Wohlstand der Stadt und die sorglos heitere Gemütsart seiner Bewohner — das Ergebnis einer glücklichen Mischung romanischer und germanischer Elemente und bis auf den heutigen Tag in mancher Aeusserung des Volkslebens erkennbar — kamen der allgemeinen Verbreitung einer solchen Weltanschauung zu statten, und so ist es nicht zu verwundern, dass aus dieser Grundstimmung heraus Werke geschaffen wurden, die uns wie in einen geheimnisvollen Charfreitagszauber hineinführen, die aber mit der Alltäglichkeit und herben Realität der Dinge nichts zu thun haben. Weniger einfach ist die Erklärung des allgemeinen Verschwindens jeder Individualisierungskraft nach dem goldenen Zeitalter der deutschen Malerei, nach der Mitte des 16. Jahrhunderts. Das Wort von der »Erschöpfung« darf man füglich nicht gelten lassen, denn es setzt einen Kraftaufwand voraus, der nicht vorhanden war, wenigstens nicht bei einer Mehrheit der Künstlerschaft. Auch das Gesetz von der psychischen Ermüdung ist in dem gegebenen Falle nicht anwendbar. Das Verlangen nach Abwechselung, dessen nervöse Heftigkeit unser modernes Kunstschaffen so stark beeinflusst, stellte sich in jenen Zeiten erst dann ein, wenn alle Ausdruckmöglichkeiten einer Kunstweise thatsächlich erschöpft waren, und so gut in Italien auf Michelangelo ein Bernini folgen konnte und folgen musste, so gut hätte man erwarten müssen, dass der Dürersche Realismus — oder richtiger Idealismus, denn so darf man ihn wie jede hohe Kunstweise nennen — noch eine zweite Blüte ansetzen, noch eine Steigerung, und bestehe sie auch in einer Uebertreibung nach Seite des Manierierten oder selbst des Grotesken, erfahren werde. Ich vermag in dem Absterben des nationalen Wirklichkeitssinns und der an seine Stelle tretenden Fremdländerei nichts anderes zu sehen, als eine ~pathologische Erscheinung~, wie sie zu Zeiten auch in dem Kunstschaffen anderer Völker zu beobachten ist und die ein Analogon in der Kleinwelt des Individuums hat: gleichwie im Leben des Einzelnen Stimmungen auftauchen, in denen sein Denken und Fühlen durch Einflüsse, welche seinem inneren Wesen durchaus unangemessen sind, aber die starke Kraft der Anziehung besitzen, vorübergehend aus der ursprünglichen Bahn geworfen wird, so wenden sich auch ganze Volksgemeinschaften mitsamt ihrem künstlerischen Gestalten kürzere oder längere Zeiträume hindurch willenlos von ihrem eigenen Wesen ab und geben sich ohne Widerstand fremdem Geiste hin. Gefeit gegen die Sucht der Nachahmung ist kein Volk, hat doch selbst die so bodenwüchsige italienische Kunst ihre »flämische Zeit« gehabt. Warum aber, so muss man sich auch nach diesem Erklärungsversuch fragen, hat bei uns der kranke Körper, um in dem einmal gewählten Bilde zu bleiben, so langer Zeit bedurft, den Krankheitsstoff wieder auszuscheiden? Warum währte gerade in Deutschland fast zwei Jahrhunderte lang der fremde Götzendienst, wo Schönheit und Pathos romanischer Formen- und Farbengebung erstrebt und doch nicht im entferntesten erreicht wurde, wo der angeborene Sinn für Lebenswahrheit und Charakteristik in tiefen Schlaf versunken schien und wo schliesslich das in seiner Wirkung so verheerende Beispiel Michelangelos und noch mehr das seiner Nachfolger in romanischen und flämischen Landen mit ihrer aufgebauschten, aber innerlich hohlen Rhetorik die letzten Reste einer ruhigen und sachlichen Wirklichkeitsdarstellung erstickte? Eine tendenziös-katholische Geschichtsschreibung sieht die Ursache des traurigen Niedergangs und seiner Dauer in der reformatorischen Glaubensbewegung und der ihr folgenden Glaubensspaltung. Gewiss, nachdem das Wort von der Rechtfertigung durch den Glauben einmal den Rahmen des »Mönchsgezänks« überwachsen und ganz Deutschland zu einer Stellungnahme für oder wider gezwungen hatte, musste naturgemäss der nun entbrennende, in der Geschichte bisher unerhörte Geisteswaffenkampf kunstfreundliche Bestrebungen in den Hintergrund drängen. Zugegeben also, dass der ~Beginn~ des Niedergangs in einem gewissen ursächlichen Zusammenhang mit der grundstürzenden Lehre des Erfurter Augustinermönches steht, dass aber für die ~Dauer~ desselben andere Umstände entscheidend gewesen sein müssen, das beweist ein Blick auf den Werdegang der benachbarten und so nahe verwandten holländischen Kunst, die durch die nämlichen Glaubenskämpfe und gleichfalls durch »antikisch-welsche Art« hindurch aus schliesslich siegreichem protestantischen Geiste heraus das Kunstideal aller germanischen Stämme zur höchsten Vollendung geführt hat. Welcher Art in Deutschland auf dem Gebiete der Malerei thatsächlich die inneren Hemmungsfaktoren waren, wird der rückschauende Blick wohl nicht eher klar erkennen, als bis wir nach dem Entwickelungs-Sturm und -Drang der Gegenwart wirklich zu einer grossen neudeutschen Malkunst gelangt sein werden, denn erst auf der Höhe übersieht man den zurückgelegten Weg. Deutlicher als die inneren, liegen die äusseren Umstände zu Tage, die für das lange Darniederliegen der Malerei verantwortlich gemacht werden müssen: noch im 16. Jahrhundert die Zusammenbrüche der grossen oberdeutschen Handelshäuser, der Ausschluss Niederdeutschlands vom Weltverkehr und die im Gefolge der Reformation und Gegenreformation wütenden Kriegsstürme, welche die Nachfrage nach Bildern auf ein geringes Mass herabdrückten und auch nicht das bescheidenste Mäcenatentum aufkommen liessen, dessen die Kunst zu allen Zeiten bedarf, und im 17. Jahrhundert der mit einer allgemeinen Verwüstung, einer grenzenlosen Verarmung und Verrohung endigende dreissigjährige Krieg, nach welchem nun abermals, wie durch einen gebrochenen Damm hindurch, eine fremde Kultur, diesmal vom Westen her, sich über Deutschland ergoss. Aber alle diese gewaltsamen Störungen sind nicht imstande gewesen, die Urkraft der deutschen malenden Kunst zu vernichten. Leise schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts — Chodowiecki, Anton Graff, Christian Leberecht Vogel —, mitten in einer klassizistischen Reaktion, die im Wechsel der Leitbilder ihr Heil zu finden wähnte und von der lärmenden Aufdringlichkeit und gespreizten Unnatur der Welschen zur »edlen Einfalt und stillen Grösse« der Hellenen geflüchtet war, vernehmlicher am Anfange des neunzehnten, klingt uns wieder ein altvertrauter Laut aus deutschen Bildern entgegen. In den Werken der Nazarener hebt er an, und in denen Alfred Rethels einerseits und Moriz Schwinds andererseits tritt der deutsche Genius aus seiner zweihundertjährigen Verfinsterung hervor, die Ausländerei ist überwunden und die Quellen der Kunst entströmen von neuem der heimischen Erde. Und wie steht es heute? Die Namen Menzel, Thoma, Böcklin sind in Aller Munde und zeugen laut dafür, dass unser Kunstideal, trotz aller zeitweiligen und mächtigen Gegenströmungen, seine Wurzeln tief in das eigene Volkstum gesenkt hat. Wenn wir die Säle unserer modernen Riesenausstellungen durchwandern, dürfen wir es freudig bekennen: in der Fülle dieser Werke, so stark auch fremde Kunstgedanken das ruhige Schaffen unserer Meister durchkreuzen und ihnen infolge eines unerhörten Austausches von Kunstschöpfungen aller Nationen von Amerika bis Japan, in Originalen und Nachbildungen, immer neue Farben-, Licht- und Formempfindungen vor die Augen geführt werden und so mächtig auch die alle Welt umspannende, aufs höchste gesteigerte und komplizierte Arbeit am Webstuhle des Gedankens ihre Phantasie zu neuen, noch nie dagewesenen Gebilden reizen muss, — in diesen schier unübersehbaren Gemäldescharen kommt die ~deutsche Art~, hier stärker, dort schwächer, hier mit ihren guten, dort mit ihren minder guten Eigenschaften, immer und immer wieder zum Durchbruch. Freilich, was ist deutsche Art? Es giebt Begriffe, die verstandesmässig zu erklären das Wort versagt. Kann man den Geist in Dürers Marienleben durch die Retorte treiben oder den Holbeins Darmstädter Madonna zerlegen wie den Sonnenstrahl durch das Prisma? Und dennoch sei der Versuch gewagt, das wahre Wesen deutscher Art in seine Grundstoffe aufzulösen, sei es selbst auf die recht nahe liegende Gefahr hin, dass, während wir die Teile in der Hand haben, uns das geistige Band entschwindet. Die Hauptschwierigkeit unserer Analyse besteht in der auffälligen Verschiedenheit der deutschen Stämme nach Geistes-, Charakter- und Gemütsbeanlagung und in den Schwankungen, denen auch diese wiederum im Laufe der Jahrhunderte unterworfen waren, vor allem aber in der Auswahl derjenigen Volksschicht, auf welche wir, als der jeweiligen Trägerin der echten deutschen Art, unseren Urteilsspruch begründen wollen. Beim besten Willen kann ein solcher nicht anders als im höchsten Grade subjektiv sein, und auch abgesehen von diesem Mangel, ist es schlechterdings nicht zu vermeiden, dass Einzelzüge der zu gebenden Begriffsbestimmung nicht für ~alle~ Gaue und nicht für ~alle~ Zeiten, noch weniger für ~alle~ Gesellschaftsklassen zutreffend erscheinen. Ein Bild von deutscher Art kann daher nur einen beschränkten Aehnlichkeitsanspruch erheben, etwa wie ein modernes »Sammelbild«, das durch Uebereinanderphotographieren von Individuen einer Gattung auf ein und derselben lichtempfänglichen Platte entstanden ist, und von dem man ja auch nur die grossen und allgemeinen Züge in Uebereinstimmung mit denen jedes Einzelnen erwarten wird. Um mit dem, was ~nicht~ deutsche Art ist, zu beginnen, — so vereinfachen wir uns die Arbeit der Zergliederung, indem wir zunächst die das Objekt verhüllenden Schalen entfernen, — deutsch ist nicht alles, was jemals innerhalb der Reichs- und Sprachgrenzen von einem Deutschen geschaffen worden ist, auch wenn es uns aus diesem oder jenem Grunde recht wohlgefallen mag. Deutsch ist jedenfalls nicht, was schablonenhaft und unverarbeitet fremder Kunst entnommen ist, — das Brandenburger Thor, die Propyläen, die Glyptothek. Auch das fremdem Geiste Nachempfundene, sofern es nicht zuvor durch das belebende Stahlbad heimischen Wirklichkeitssinnes gegangen ist, kann nicht deutsch genannt werden, selbst wenn Generationen, die unter dem bannenden Einfluss eines grossen fremdländischen Kunstschaffens gestanden, es als eigene Kunst betrachtet haben — die Werke eines Raphael Mengs, eines Carstens und seiner Nachfolger —, oder wenn einzelne Individuen oder eine Mehrheit solcher, in denen ein undeutscher Sinn für das Prächtige und Prunkende das feine Gefühl für den heimlichen Reiz des Schlichtheimischen verwischt hat, das, was doch nur ein tönendes Erz und eine klingende Schelle ist, als den Gipfel alles Künstlerischen preisen, — so manches Heroendenkmal unserer Tage. Ein positives Kennzeichen deutscher Art, wie sie in der bildenden Kunst zum Ausdruck kommt oder doch zum mindesten nach Ausdruck ringt, ist ~die Kraft der Individualisierung und Charakterisierung~ aller Dinge der Erscheinungswelt, der »Wesensausdruck«, wie das von Henry Thode für diese beiden Elemente geprägte Wort lautet. Ein jeder deutscher Künstler ist gewissermassen ein Akkumulator dieser beiden Kräfte: was je von den Karolingerzeiten bis auf den heutigen Tag mit Feder, Stift oder Pinsel geschaffen worden ist, findet durch sie seine Erklärung, seine Rechtfertigung oder seine Entschuldigung, sie sind die bedeutsamsten aller Triebe, weil sie nicht erworben, sondern angeboren sind, sie sind das Thema, von dem die nun folgenden Einzelmerkmale die Variationen sind.[1] Da ist zunächst ~Innerlichkeit~ und ~Schlichtheit~ zu nennen. Sein, nicht Scheinen, Natur, nicht Attitüde, Gehalt, nicht Gehaben, Wahrheit, nicht erheucheltes Wesen. Wie der Deutsche das Leben zu führen wünscht, das spiegelt sich wieder in den Werken seiner Kunst, in allen Schöpfungen der echten Meister, von jenem Unbekannten an, der die Tristanbilder an die Wände des Schlosses Runkelstein malte, bis zu Lucas Cranach, in Elsheimers gemalten Poesien und in den Tafeln der Nazarener bis zu denen Spitzwegs, Uhdes, Thomas, Steinhausens, Haiders und wie die Neudeutschen alle heissen. In lebender und lebloser Staffage wollen sie nichts anderes geben, als die rein sachliche Verwirklichung eines künstlerischen Gedankens. Das sind einfache, schlichte Leute, die uns dort begegnen, nicht über die Natur in eine unverständliche Sphäre hinausgehobene Uebermenschen, sie schauspielern nicht in der Bewegung und sie posieren nicht in der Ruhe, ihre Gebärden entsprechen just dem, was sie mit ihnen ausdrücken wollen. Aber diese Schlichtheit schliesst ~Reichtum der Formen und des Inhalts~ nicht aus. Die stoffliche Ueberlastung des deutschen Bildes hat bekanntlich Michelangelo bei Dürer und dessen Landsleuten getadelt, und soweit diese Bemängelung sich auf die grossen Tafeln bezieht, muss man ihr zustimmen, anderseits jedoch verdanken wir auf Nebengebieten der Malerei gerade dieser nie versiegenden Gestalten- und Gedankenfülle die herrlichsten Schöpfungen. Welch ein unermesslicher Reichtum an entzückenden Ideen und köstlichen Einfällen ist allein in Initialen und Randzeichnungen des deutschen Buches niedergelegt, und wie wären ohne jenen Ueberschuss an persönlichem Gefühl und Phantasie die tausende und abertausende von Handzeichnungen, Holzschnitten, Kupfern und Drucken entstanden, in denen uns eine ganze Welt der tiefsten und eigenartigsten Gedanken entgegentritt, reichhaltiger als sie das Kunstschaffen irgend eines anderen Volkes hervorgebracht hat? Meister in der Beschränkung der Erscheinung wie der Italiener bis zu den Tagen des Manierismus, ist der Deutsche allerdings nicht, und was ihm in Ornament und graphischen Künsten zum Vorteil war, das wird ihm auf dem farbigen Tafelbild zum Verderben. Sein so leicht erregbares Gefühlsleben lässt ihn hier die von dem Sinn für das Edle und Schöne gezogenen Schranken rücksichtslos durchbrechen, und eine überströmende Phantasie, verbunden mit einem Uebermass von Gestaltungskraft, treibt ihn nur all zu oft, auf einer einzigen Tafel zu geben, was ihn zur Stunde bewegt, — eine verschwenderische Summe von Einzelheiten, die recht wohl den Stoff zu einem Dutzend Bildern geben konnten. Man denke nur, um ein Beispiel anzuführen, für welches Michelangelos Tadel gewiss berechtigt ist, an die deutschen Darstellungen der Passionsszenen: wie oft verwirrt hier nicht die stoffliche Menge die Klarheit und Uebersichtlichkeit des Vorganges und wie häufig vernichtet die jeder gesetzmässigen Ausdrucksform spottende Anordnung der Figurenmassen die malerische Wirkung der Bilder. Die Tafel, und sei sie noch so gross, ist zu klein für das, was die Meister auf ihr erzählen wollen, denn nicht nur Dürer, sondern auch alle die anderen, die Burgkmair, Altdorfer, Cranach, Spitzweg, Richter, Klinger, Böcklin, inwendig ist ein jeder »voller Figur«. Dieselbe im Gehirn des Künstlers unaufhörlich nach schöpferischer Gestaltung drängende Kraft erklärt auch die Vorliebe der deutschen Maler für ~dramatische Bewegung~ ihrer Stoffe und daher — im Gegensatz zu den Italiern, die sich ihnen nur selten zuwandten — die Bevorzugung solcher Scenen aus der christlichen Heilsgeschichte und der Legende, in denen sich starke Affekte zum Ausdruck bringen liessen und wo nun gar oft, in farbiger Realität wiederum störender als in der gemilderteren, noch mehr abstrakten Uebertragung auf Holzschnitt oder Kupfer, der Vorgang ins Masslos-Leidenschaftliche, Stürmische, Gewaltsame, Graussige, ja ins Aesthetisch-Unmögliche gesteigert erscheint. Man muss diesen Bildern Mangel an Stil vorwerfen, aber im Grunde genommen sind sie, von erschreckenden Uebertreibungen wie sie namentlich die bairische Kunst zeigt abgesehen, dem naiven Empfinden des deutschen Volkes doch entsprechender, als die vornehmkühlen und abgemessenen, wenn auch so unendlich formvollendeteren und harmonischer verlaufenden, deshalb ästhetisch viel höher zu bewertenden Darstellungen derselben Motive in italienischer Kunst. Aehnlich ergeht es übrigens dem unberührten Volkssinn mit den Prachtbauten der Renaissance gegenüber seinen heimischen zum Himmel emporstrebenden Domen, die mitsamt ihrem Reichtum an krausen, spielenden, lustigen Zierformen schliesslich dasselbe Ausdrucksmittel eines übersprudelnden, tiefinnerlichen Gefühls- und Phantasielebens sind, das selbst dem toten Steine Seele und Bewegung, ja Gebärde, Sprache und Ton verleihen möchte. ~Bewegung~ und ~Fülle~, ein und derselben Triebkraft entsprossen und in allen Werken deutscher bildender Kunst sich offenbarend, sie scheinen thatsächlich ein inneres Bedürfnis unseres Volkes zu befriedigen. Man beobachte die Besucher unserer öffentlichen Kunstsammlungen und achte darauf, welchen Bildwerken sie ihre Aufmerksamkeit zuwenden: unter den Gemälden sind jedenfalls die dramatisch bewegten und die stofflich reichen die grössten Magnete. In Köln vor Lochners jüngstem Gericht drängen sich allsonntäglich die Beschauer, während desselben Meisters »Madonna im Rosenhag«, schräg über, einsam, nur von ihrer kleinen Engelschar bewundert, in all ihrer himmlischen Herrlichkeit thront. Solange der Betrachter der Bilder sich von der Vision des Künstlers mit fortreissen lässt und die alte Schwiegermutter Weisheit das zarte Seelchen Phantasie noch nicht beleidigt, ist jenes Bedürfnis nach einem bewegten und reichen Stoff noch nicht geradezu als unkünstlerisch zu bezeichnen, aber es steht bereits hart an der Grenze, wo der Weg hinüber zum Kunstwidrigen führt; in unserm Kölner Beispiel, das vertausendfacht werden könnte, ist die Scheidelinie schon überschritten: das Motiv des Interesses entspringt hier nicht ästhetischem Geniessen, sondern einer Befriedigung des Intellekts, der Neugier, der Lust am Wunderlichen, — einer Schwäche, die Goethe so hübsch in die Worte der gefangenen Trojanerinnen zusammenfasst: »Hören möchten wir am liebsten, was wir gar nicht glauben können.« Und nun müssen wir verallgemeinern: der Germane, der Holländer ausdrücklich ausgenommen, betrachtet ein Bild gar zu häufig lediglich mit dem Verstande, dem er als Gehilfen das Gefühl und allenfalls die Empfindung beigestellt, nicht, wie der Romane, mit dem für das Schauen doch in erster Linie geschaffenen Organ, dem Auge. Eine Funktion aber, die nicht geübt wird, verkümmert, und die Folge ist, dass die Kraft des Formen- und Farbensinnes der Deutschen und der ihnen blutsverwandten Völker schwächer ist, als die der Romanen. Doch mit einer verstandsmässigen Durchforschung des Bildes und aller seiner Einzelheiten begnügt sich der Germane noch nicht, er verlangt auch, dass der Inhalt des Gemäldes sein Wissen bereichere, ihn womöglich belehre. Vor lauter faustischem Erkenntnistrieb sieht er oft das Bild als solches überhaupt nicht mehr, er wird ihm gegenüber zum Bildungsfanatiker oder zum Moralisten, je nach dem Stoff, in den er sich hineingewühlt hat, und — auch der Künstler ist ein Teil des Volkes — in Zeiten, wo solch ein Insektengeist herrscht, um ein Wort des so schnell vergessenen Rembrandt-Deutschen zu gebrauchen, entstehen jene »Richtungen«, lehrhafte, novellistische, ethnographische, tendenziöse, moralisierende, die mit der Kunst wenig mehr als den Namen gemein haben. Das ist die Kehrseite der Medaille, die auf ihrer Schauseite den stolzen Namen Phantasie trägt. Ein anderes Kennzeichen deutscher Art ist die herzliche ~Freude an der Natur~, die sich schon frühzeitig, nachdem einmal der Gold- oder einfarbige Grund überwunden war, in der intimen und liebevollen Behandlung der Landschaft im Bilde ausspricht. Gewiss klingt uns auch aus den Werken der niederländischen und der italienischen Quattrocentisten eine der deutschen verwandte Lust an all der goldenen Herrlichkeit der Natur entgegen, aber ein feiner Unterschied besteht doch. Ganz so kindlich und naiv wie die alten deutschen Meister sind sie nicht. Schon in den Anfängen der Landschaft, schon bei van Eyck und Botticelli, ist zu beobachten, wie ein angeborener Sinn für die malerische Wirkung und das künstlerisch Abgeklärte, der den Deutschen in minderem Grade zu eigen ist, sie zu einem gewissen Komponieren und zu einer wenn auch nur geringen Steigerung der Effekte führt, die man bei den Altkölnern und den frühen Oberdeutschen vergeblich suchen wird. Der Deutsche, und hier sei wiederum eine Abschweifung vom Künstler zu seinem Volke gestattet, betrachtet von vornherein die Natur mit andern Augen als der Romane, selbst mit andern, als sein nächster germanischer Verwandter an den Rheinmündungen und der Schelde. Aufmerksamer als dieser beobachtet er das Naheliegende, nicht das Ferne. Wohl machen auch auf ihn die grossen Linienzüge der Landschaft, die weiten Fernen, die Gebirgsmassen und die über ihnen sich aufbauende Architektur der Wolken ihren gewaltigen Eindruck, aber im Grunde genommen ergötzt er sich doch mehr an dem ~Kleinkram~ der Natur, der am Rande des Weges, den er tritt, sich ausbreitet, an dem goldenen Käfer, der am grünen Halme emporstrebt, der wogenden Alge im krystallhellen Bächlein, der Eidechse, die im Sonnenstrahle schillert und blitzt, und an dem unerschöpflichen Farben- und Gestaltenreichtum der Blumenwelt — eine Fähigkeit des Genusses, die Alfred Lichtwark einmal als das köstliche Erbteil einer endlosen Reihe von Generationen bezeichnet. Dieses Naheleben ist es, das sein Auge von jeher entzückt hat, und mit ihm vor allem beschäftigt er sich auf seinen Spaziergängen, die ihn vom lärmenden Treiben der Stadt hinwegführen und die ihm heimlichere Freuden gewähren als den andern ihre Promenade, Passegiata oder walking tour. Auch der deutsche Handwerksbursche, der Bruder Straubinger, der mit seinem Wanderstock und Ranzen auf allen Strassen der bewohnten Erde zu finden ist, vertieft sich ja bekanntlich gar so gern in alles Wunderliche, das in seiner Nähe kreucht und fleucht, und selbst die typische Figur des Knaben mit der grünen Trommel und dem Schmetterlingsnetz verdankt dem gleichen Interesse ihr Dasein. Ganz besonders aber ist es der deutsche Wald mit allem Organischen, das geheimnisvoll in ihm lebt und webt, dessen Zauber es dem Deutschen angethan hat und den er einst so gern, bevor noch nüchterne Forschung der Märchenherrlichkeit ein Ende gemacht hatte, mit redenden Tieren, Zauberern, Zwergen und Feen belebte, mit Schätze bewachenden Drachen und Land und Leuten verderblichen Lindwürmern. Und was der Maler aus den deutschen Wäldern mit heimgebracht hat, das klingt uns wieder aus den Werken der grossen Koloristen des 16. Jahrhunderts — von den Neudeutschen, vor allem Böcklin, ganz zu schweigen —, aus den phantastischen Busch- und Baumgebilden Grünewalds, aus Altdorfers romantischen Waldeinsamkeiten und Cranachs träumerischen Hainen. Ja man darf wohl Robert Vischer Recht geben, wenn er den tiefgehenden Einfluss des Waldes sogar »in der Welt von ausdrucksvollen Fältchen um die alten Augen, in all den holprigen, zwizerlichen Formen« der Greisenköpfe Dürers erkennt. Gewiss finden wir in der Landschaft der deutschen Malerei nicht nur ein Gefühl für das Kleine und Nahe, sondern auch für die Wirkung der grossen majestätischen Linie, für die weite, den Blick ins Unendliche führende Ferne und seit den letztvergangenen Dezennien auch für die feinen Reize der Luft- und Lichtstimmungen, aber es ist dieses Gefühl weder ein angeborenes, wie es etwa die Kraft der Charakterisierung ist, noch ist es unmittelbar aus dem Anschauen der Natur geboren, wie das für die Kleinwelt auf Wiese und im Wald, sondern es hat sich auf einem mittelbaren Wege entwickelt: durch das Studium fremden Kunstschaffens. Dort, bei den Italienern und den Holländern, lernte der deutsche Maler, den ihm so lieben Kleinkram der Natur zu Gunsten der Gesamtwirkung des Bildes zu beschränken, das Nebensächliche dem Wesentlichen unterzuordnen und die Summe aller Einzelerscheinungen zu einer einzigen Harmonie zusammenzuschliessen; das wunderbare Geheimnis des paysage intime, »das zarteste Kind unseres Jahrhunderts«, wurde ihm aus dem Walde von Barbizon offenbart, was er dann alledem aus eigenem deutschen Geiste hinzugegeben hat, das bleibt natürlich sein ungeschmälertes Verdienst. Aber um das Wesen einer Kunst ganz zu verstehen, muss man sie in ihren Anfängen belauschen, und die kostbaren Dokumente aus dem Kindesalter unserer Malerei scheinen im Vergleich mit den Erstlingen der niederländischen und italienischen, auf einen treuherzig-ehrlichen, aber etwas kleinlichen Sinn (das herabsetzende Beiwort nicht absolut, sondern relativ genommen) der deutschen Meister in der Auffassung der Landschaft hinzudeuten. Den Mangel eines grossen Zuges, ja die Spur einer fast das Pfahlbürgerliche streifenden Gesinnung, ist auch bei den altdeutschen Meistern des ~Porträts~ nicht zu verkennen, und seine Wandlung nach Seite des Grossartigen und Grossen scheint sich noch langsamer zu vollziehen, als bei den Landschaftern. Von den beiden grössten deutschen Bildnismalern konzentriert der eine, Dürer, alle seine unvergleichliche Kraft der Charakteristik fast ausschliesslich in den Köpfen und auch diesen, selbst aus seiner besten Zeit nach der niederländischen Reise, haftet noch ein wenig die peinlich-objektive Naturbeobachtung an, die einer freien, gleichsam in die Ferne gerückten Auffassung der ganzen Persönlichkeit hinderlich ist, und der andere, Holbein, von dem man wohl sagen kann, dass auch er das Porträt zu einem der »Phänomene des Weltganzen« erhoben habe, steht innerhalb der deutschen Malerei auf so einsamer Höhe, dass eine allgemeine Betrachtung auf ihn nur als auf eine Ausnahme von der Regel hinweisen kann; zudem hat er bei seiner im wesentlichen englischen Klientenschaft das deutsche Porträtwerk nicht bereichert. Thatsächlich besitzen wir von unsern grössten Männern, weder von Luther, noch von Goethe, noch von Wagner, noch von Bismarck, ein diesen kraftvollen, kerndeutschen Persönlichkeiten wirklich entsprechendes Bildnis. Doch das Bekenntnis dieses Mangels greift bereits weit über das Ziel dieser Studie hinaus. Es war lediglich die Absicht, in der Einleitung zu einer Arbeit, die das deutsche Bildnis zum Gegenstand hat und in deren Verlauf das Beiwort ~deutsch~ mit den unterschiedlichsten kunstbegrifflichen Hauptwörtern verbunden erscheint, eine Erklärung dieses so bedeutungsvollen Epithetons zu geben. Erschöpfen lässt es sich nicht, das letzte Wort muss das Kunstwerk selber sagen. Aber Klarheit darüber, was volkseigen ist und was fremdem Empfinden sein Dasein verdankt, muss ein jeder sich verschaffen, wenn anders er zu einem richtigen Verhältnis nicht nur zur altdeutschen Malerei, sondern vor allen Dingen auch zu den Meistern unserer eigenen Zeit gelangen will. Erster Teil. 1. Die Anfänge des Bildnisses. Die Anfangstermini bestimmter Kunstbestrebungen entziehen sich einer genauen Fixierung. Abgesehen davon, dass die weitaus grösste Anzahl der für die Entwickelung einer jeden Kunst notwendigen Dokumente, wenn deren Geburtsstunde von unseren Tagen durch einen längeren Zeitraum getrennt ist, unseren Blicken verborgen bleibt, ist es unmöglich, das erste Auftauchen eines Kunstgedankens zeitlich mit Sicherheit zu bezeichnen, weil, ehe eine künstlerische Neuerung klar und deutlich, in greifbar zwingender Gestalt in einem Werke erscheint, sie meist schon in einem oder mehreren der vorangegangenen leise angedeutet, gleichsam präludierend, enthalten ist. Omne vivum e vivo, auch in der Kunst fallen die Ideen nicht fix und fertig vom Himmel herab wie das Palladium auf die Burg von Athen, sondern sie reifen langsam im Laufe der Jahre vom Keime der Frucht entgegen. Und besonders die Wandlung des Menschenbildnisses vom Symbol durch den Typus zur lebensgleichen Erscheinung vollzieht sich so allmählich, dass der über Jahrhunderte rückwärts schauende Blick die sanft verschwimmenden Uebergänge kaum zu erkennen vermag. Aber die Schwierigkeit der Forschung nach dem Protoplasma einer künstlerischen Idee wird noch durch einen anderen Umstand ganz erheblich verstärkt. Um die ein Objekt belebenden Gedanken herauszufühlen — und nur so können wir über ihre chronologische Rangordnung urteilen —, müssen wir uns in die seelischen Empfindungen und die ästhetischen Anschauungen hinein versetzen, die das Zeitalter beherrschten, welches das betreffende Werk geschaffen hat. Wollen wir die uns völlig fremde Sprache verstehen lernen, in der beispielsweise ein an religiöser und bildnerisch gestaltender Kraft und an Naivität so reiches Jahrhundert wie das fünfzehnte sich künstlerisch ausdrückt, so gilt es nicht nur unsere ethischen und ästhetischen Ueberzeugungen bei Seite zu werfen, sondern auch sich der Intensität des modernen Blickes zu entäussern. Wir haben uns nachdrücklich zu vergegenwärtigen, um bei dem Beispiel aus dem Quattrocento zu bleiben, dass der frühmittelaltrige Künstler so gut wie der spätmittelaltrige nicht im entferntesten daran gedacht hat, sich in seinen Darstellungen naturgetreu mit dem wirklichen Leben messen zu wollen, sondern dass er nur bemüht gewesen ist, allerdings mit einer gegen die Renaissancezeit hin von Generation zu Generation steigenden Kraft der Beobachtung, die Sprache seiner Kunst und die der Wirklichkeit einander zu ~nähern~, — sie zu ~identifizieren~, wie das der französische Naturalismus mit Gustav Courbet an der Spitze gewagt oder wie es bereits vor mehr als zwei Jahrtausenden Zeuxis mit seinem Traubenkunststück und Apelles mit dem Streitross Alexanders unternommen hat, das hat ihm wahrlich fern gelegen. Auch dem spätmittelaltrigen Künstler war das Studium der Natur nichts anderes, als ein Mittel zu dem Zwecke, sich klarer und verständlicher als seine stammelnden Vorgänger auszusprechen, und hätte Goethe in dem Zeitalter Meister Wilhelms von Köln gelebt, das bekannte Wort von den beiden Möpsen wäre niemals gefallen. Die Unzulänglichkeit der Dokumente, das langsame Reifen einer künstlerischen Idee und die Schwierigkeit eines objektiven Wertmessers für vergangene Kunstschöpfungen, das sind die Gründe, aus welchen man sich auch bei der zeitlichen Bestimmung des ~ersten Bildnisses~ mit einem nur annähernden Terminus a quo begnügen muss, und einen noch grösseren Spielraum wird man walten lassen müssen, wenn es sich um das erste Auftreten des ~Bildnisartigen~ handelt. Je nach dem der Einzelne Bildnis und Bildnisartiges scharf oder weniger scharf unterscheidet, werden jene beiden Termini näher oder ferner beieinander stehen. — Jedes Kunstschaffen beginnt mit Typenbildung. Langsam ringt es sich zum Besonderen hindurch. Die Bildwerke assyrischer, griechischer und etruskischer Kunst, sowie die der sogenannten Naturvölker sprechen für diesen Werdegang. Von der ältesten Kunst allerdings, von der ägyptischen, haben uns die Ausgrabungen bisher noch nichts aus jener Zeit zu Tage gefördert, die man bei anderen Völkern die archaische zu nennen pflegt, denn die ersten plastischen Menschenbildungen, aus dem vierten Jahrtausend, führen uns bereits in den vollendeten Stil hinein? Aber dass der »Dorfschulze« im Museum von Gise und der »Schreiber« im Louvre eine unermessliche Reihe von Vorgängern gehabt haben, an deren Spitze eine typische Figur gestanden hat, das ist nach Analogie des Werdens alles anderen Kunstschaffens mit Sicherheit anzunehmen. Die Entwickelungsgeschichte der Ahnen, so lehrt uns die biologische Wissenschaft, wiederholt sich in der jedes einzelnen Menschen: auch ihm beginnt die Reihe der Lebendigen mit Typen. Dem Kinde sind die in sein eng begrenztes Gesichtsfeld eintretenden Menschen nichts anderes als allgemeine Grundbilder der Erscheinungen — noch vermag es nicht den Vater von der männlichen Gattung überhaupt zu sondern —, erst mit fortschreitender Entwickelung des Apperceptionsvermögens und mit Häufung der Erfahrungsfälle verdichten und klären sich diese von ihm gewissermassen stilisierten Menschengestalten zu bestimmten Persönlichkeiten. Der langsame Gang von der primären Handlung des Typisierens zu der des Individualisierens lässt sich auch noch auf höheren Lebensstufen beobachten: wenn fremde und ferne Volksangehörige — Chinesen, Malayen, Südsee-Insulaner oder dergleichen, — zum ersten Male und flüchtig seinem Blicke sich darbieten, macht sich der Mensch in seiner Vorstellung ein Grundbild, d. h. einen Typus, von jenen seinem Auge ungewohnten Erscheinungen, und erst wenn er diese wiederholt und in grösserer Anzahl in seiner Umgebung sieht, wird sein Blick für das Individuelle eines jeden dieser Einzelwesen geschärft, die er schliesslich ebenso gut zu unterscheiden lernt, wie die Angehörigen seiner eigenen Rasse. Nicht anders ergeht es ihm, wenn jene Fremden im Bilde ihm entgegen treten, und es gehört beispielsweise schon ein recht langer Verkehr mit Utámaros entzückenden Japanerinnen dazu, die einzelnen liebenswürdigen Geishas voneinander zu unterscheiden. Aber die Entwickelung des Menschenbildnisses und die des Menschen zeigt noch eine zweite Uebereinstimmung: ~das Kind, wie es dort in der Wiege sein animalisches Dasein führt, ist selbst ein Typus~. Lang, unendlich lang im Verhältnis zu der Kürze seines Erdenlebens, ist der Weg, den es bis zur physischen Persönlichkeit zurückzulegen hat, bis eine Welt von seelischen Erregungen, bis Lachen und Weinen, Liebe, Eifersucht, Verdacht, Missgunst, Neid, Erstaunen, Erkennen und Nachdenken ihre Spuren dauernd in sein Antlitz eingegraben haben und ihm sein individuelles Gepräge geben. Wenn die Kunst einmal auf jener Stufe angelangt ist, wo ihr das allgemein Menschliche nicht mehr genügt, so beginnen ihre Differenzierungsversuche bei denjenigen Gliedern oder Teilen der menschlichen Gestalt, welche ihrem noch schwachen technischen Können den geringsten Widerstand entgegensetzen. Der für den besonderen Ausdruck der menschlichen Physiognomie bedeutsamste Teil ist das Auge und seine nächste Umgebung, aber er ist gleichzeitig der am schwierigsten zu bildende. Deshalb hebt nicht bei ihm die individualisierende Arbeit des Künstlers an, sondern bei den für den Gesamteindruck erst in zweiter Linie wichtigen Teilen, bei dem Mund, demnächst bei der Nase und dem Kinn.[2] In dem berühmten Hermenkopf des Perikles, nach einem Original des Kresilas, von dem sich das beste Exemplar in London befindet, mit Unrecht oft als das erste griechische Porträt bezeichnet, ist das Auge noch ganz allgemein behandelt und unterscheidet sich nicht von dem der früheren Götter- und Heldentypen, wohl aber ist die Bildung des Mundes eine ganz individuelle; erst ein Bildnis vom Ende des 5. Jahrhunderts, aus der Zeit und nach der Art des Demetrius von Alopeke, das des Euripides, darf ein Porträt im eigentlichen Sinne genannt werden, weil hier zum ersten Male auch das Auge und der in diesem Organe sich vollziehende Lebensvorgang, das, was wir mit dem Namen Blick bezeichnen, neben einer Fülle von anderen Einzelheiten, eminent persönlich und gleichzeitig auch charakteristisch erscheint. [Illustration: ~Perikles.~ London, British Museum. Nach Photographie.] Denselben Werdegang wie das plastische hat auch das auf die Fläche projizierte, das gemalte Bildnis genommen. Auf die ältesten der uns erhaltenen Denkmale darf hier nicht exemplifiziert werden, nicht auf die gräco-italischen Bildnistafeln und nicht auf die in grosser Anzahl in Pompeji gefundenen Porträts, denn beide Gruppen zeigen nicht das Entstehen, sondern das Ausleben einer bereits hoch entwickelten Kunst. Stellt man sich jedoch eine Bildnisreihe zusammen wie etwa die folgende: die Herrschergestalten in den karolingischen Handschriften, das Bild Richards II. in der Westminsterabtei, Roger van der Weydens angeblichen Karl den Kühnen im Museum zu Brüssel, die frühen Bildnisse Dürers und am Ende desselben Meisters Holzschuher in Berlin, so wird man erkennen, dass in der Malerei die Individualisierung der Gesichtsteile denselben Weg genommen hat, wie in der Plastik. [Illustration: ~Euripides.~ Neapel. Nach Sybel, Weltgesch. der Kunst.] 2. Das Bildnis in der Buchmalerei. Die Anfänge bildnisartiger Schöpfungen auf dem Gebiete der deutschen Malerei sind in den Handschriften zu finden. Bereits die ältesten der uns bekannten Buchillustrationen enthalten figürliche Darstellungen. Anfangs vereinzelt und in roher und kindlicher Auffassung, später, in seltsamen Verschnörkelungen und Verzopfungen, sind sie nichts anderes als ein häufig wiederkehrendes, rein ornamentales Schema, das Symbol einer menschlichen Gestalt, und selbst da, wo in den besseren Arbeiten aus charakteristischen Attributen oder einem beigeschriebenen Namen ersichtlich ist, dass mit diesem Symbol eine ganz bestimmte Persönlichkeit gemeint ist (Dedikationsbild, Autoren- und Schreiberporträt), kann von einem menschlich-individuellen Zug noch nicht gesprochen werden. So hat sich, um nur eines der zahlreichen Beispiele aus früher Zeit zu nennen, in einer Handschrift des achten Jahrhunderts, (St. Gallen, Stiftsbibl., Hs. 731) der Schreiber derselben, Wandelgarius, abkonterfeit, aber die Linien, welche seine Physiognomie bezeichnen sollen, unterscheiden sich schlechterdings nicht von denen der anderen Köpfe dieser Handschrift.[3] [Illustration: Selbstbildnis des Schreibers Wandelgarius. St. Gallen, Stiftsbibliothek. Nach Museum 3. Jahrg.] Einen grossartigen Aufschwung nimmt die Buchmalerei zu Beginn des ~karolingischen Zeitalters~,[4] dem Bildnis allerdings kommt er zunächst noch nicht zu Gute. War auch der runde Römerkopf nach lebendem Muster in ein zartes Oval gewandelt worden, ein Oval, das übrigens seinerseits gar bald zur Manier werden sollte, war auch schon in einigen Aeusserlichkeiten, und zwar nicht nur in der Tracht und den Attributen, sondern auch in der ungefähren Kenntlichmachung des Lebensalters und in Farbe und Schnitt des Bart- und Haupthaares, das Bestreben ersichtlich, die einzelnen Persönlichkeiten voneinander zu unterscheiden, so erscheinen die Dargestellten doch noch immer ohne irgend eine individuelle Bildung in den einzelnen Gesichtsteilen und sind schliesslich doch den Typen der frühchristlichen Kunst noch recht nahe verwandt. Aber noch in die Lebenszeit Karls des Grossen fallen die ersten schüchternen Versuche, der Realität der Physiognomie ein wenig näher zu kommen, so z. B. in den kleinen Profilköpfen der ~Alcuinbibel~ in Bamberg, und augenfälliger wird der Fortschritt in den Bildnissen der ~leges Barbarorum~, die in prächtig ausgestatteten Handschriften die kurz nach dem Tode des Kaisers gesammelten, im karolingischen Reiche geltenden Volksrechte enthalten. In dem ihnen beigegebenen Bilderschmuck sind die einzelnen Gesetzgeber in grossen Vollbildern dargestellt, unter ihnen auch Karl der Grosse selbst in authentischem Porträt. In den ältesten dieser Handschriften, in der 829 bis 832 in einer Schreibstube zu Fulda angefertigten Sammlung, stimmt das Bildnis des Kaisers — wie aus einer im Cod. 84 der herzoglichen Bibliothek zu Gotha befindlichen Kopie hervorgeht —, in der freilich nur ganz allgemein angedeuteten Aussen- und Innenzeichnung, mit der ausführlichen Personalbeschreibung Einhards überein: ein runder dicker Kopf, glattes Kinn und Schnurrbart, auffällige Merkmale, die in noch schärferer Ausprägung die berühmte Reiterstatuette im Museum Carnavalet zu Paris zeigt.[5] In der bald nach 840 ausgeführten Darstellung ~Kaiser Lothars~ in dem Evangeliar in Paris, Bibl. Nat. Ms. lat. 266, abgebildet bei Bastard, peintures et ornements des Manuscrits etc., Paris 1832–69, erinnert allerdings Gestalt und Haltung des mit gespreizten Knien thronenden, auf das Szepter gestützten Kaisers an die zum starren Schema gewordenen frühchristlichen, in letzter Linie römischen Vorbilder, auch ist das Auge noch übergross gebildet und von ganz allgemeiner Formengebung, aber die kräftige Nase und der energische Mund mit den ein wenig in die Höhe gezogenen Winkeln geben der Physiognomie etwas persönliches, den leisen Schimmer eines besonderen Lebensausdruckes, der den Fürsten doch ein wenig von seiner Umgebung, einem typisch gebildeten Wappenträgerpaar, unterscheidet. [Illustration: Kaiser ~Lothar~. Paris, Bibl. Nat. Nach Bastard.] Auch das Bildnis ~Karls des Kahlen~ auf dem Widmungsblatt der etwa um dieselbe Zeit entstandenen Bibel dieses Kaisers, Paris, Bibl. Nat. Ms. lat. 1, abgebildet bei Janitschek, »die reifste Frucht karolingischen Kunstgeistes« (ebenda S. 40) scheint zum mindesten in der Bildung des Untergesichts etwas dem Originale eigentümliches geben zu wollen. Lothar und Karl der Kahle sind uns noch in einigen anderen Handschriftbildern erhalten und stets soll, nach Lamprecht, der Beschauer ihre Persönlichkeit wiedererkennen, — ein Beweis, dass hier der Kreis des Typischen nach der Richtung des Individuellen überschritten ist und wir uns thatsächlich in der Morgendämmerung einer Porträtkunst befinden. Auf einer erheblich höheren Stufe als in den karolingischen Bildnissen sehen wir die Miniaturmalerei auf dem Gebiete des porträtartigen auch während der folgenden, von byzantinischer Kunst mehr oder minder beeinflussten Jahrhunderte nicht. Unter der Herrschaft der ~Ottonen~ setzt sich wohl der Aufsaugungsprozess der frühchristlichen Typen fort und auch bei den Nebenpersonen ist ein schwacher Versuch der Individualisierung zu bemerken, aber dieses Individualisieren wird mehr in energischen und ausdrucksvollen Gebärden gesucht, als in der Differenzierung der Gesichtszüge, ja diese werden häufig wieder beinahe ornamental behandelt.[6] Wohl das bedeutendste Bildnis dieser Kaiserreihe, dessen Porträtgehalt sich mit den besten der Karolingerzeit messen darf und das sie alle an feiner künstlerischer Ausführung übertrifft, das des letzten, ~Heinrichs II.~, besitzt die Hof- und Staatsbibliothek zu München in einer aus dem Bamberger Dom stammenden, der Regensburger Schule zugeschriebenen Handschrift, Cod. lat. 4456 Cimelia 60.[7] Der bärtige Kaiser, von ungewöhnlich vornehmer Haltung, ist in ganzer Figur stehend dargestellt, zu seiner Seite je ein Heiliger, über ihm der krönende Christus. [Illustration: ~Heinrich II.~ München, Hof- und Staatsbibliothek. Nach besonderer Aufnahme.] Im Uebrigen sind die verhältnismässig besten Bildnisse aus dieser Zeit in den aus Reichenauer und Trierer Kunstbestrebungen hervorgegangenen Handschriften enthalten. In den ersten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts beginnt, bei steigender Produktion, der Verfall der künstlerischen Buchillustration. Die fränkischen Kaiser erscheinen bei ganz schwacher Individualisierung als derbe, leidenschaftliche, aber recht plumpe und ungeschlachte Gestalten, fast ohne eine Spur der alten Imperatorenwürde, und selbst in der Zeit des abermaligen Aufschwunges der Buchmalerei nach der Mitte des 12. Jahrhunderts, der dem neuerwachten geistigen Leben auf dem Fusse folgte, wo die Heldensagen germanischer Vorzeit gesammelt und zu dem mächtigen Sange der Nibelungen vereinigt wurden, wo die Blüte des Volksepos und der höfischen Dichtung sich zu entfalten begann, schreitet die Entwickelung des Bildnisses nur wenig vorwärts. Aber dennoch darf diese Periode der Buchmalerei in unseren Betrachtungen nicht übergangen werden. Wir sind mit ihr bei jener für das gesamte Mittelalter so bedeutungsvollen Zeit angelangt, wo die starre Gebundenheit der Geister einer freieren Gestaltung des Kulturlebens weicht, bei jenem Scheidepunkt, der das Mittelalter in zwei Hälften gliedert, von denen die zweite in ihren künstlerischen Darstellungen »gleichsam die Mitte hält zwischen der massiven Typik der Vergangenheit und dem ausgeprägten Individualismus des 16. Jahrhunderts«.[8] Und wenn auch, wie gesagt, das eigentliche Bildnis in dieser Epoche, keine wesentliche Förderung erfährt, so wird doch von nun an der Gesamteindruck der Handschriften-Illustration ein ganz anderer, indem in den schlanken Figuren, den jetzt wieder mehr rundlich werdenden, nicht mehr manierirt ovalen Köpfen, dem kleinen Mund mit den vollen Lippen und dem hellblonden, bis auf die Schultern herabwallendem Haupthaar, wenigstens scheinbar, eine ganz entschiedene, bisher unerhörte Zuwendung der Maler zur Naturbeobachtung zum Ausdruck kommt. Auch in der Technik tritt eine bemerkenswerte Wandlung ein: neben der Deckfarbenmalerei kommt von jetzt an wieder mehr und mehr die mit Wasserfarben arbeitende Federzeichnungsmanier, die seit dem 11. Jahrhundert vernachlässigte Gouachetechnik, in Aufnahme, aus der sich später die deutsch-nationale Richtung, wie sie Janitschek nennt — ob mit Recht oder Unrecht, sei dahin gestellt —, entwickeln sollte.[9] Alle diese Züge, Deckfarbenmalerei noch neben der Federzeichnung hergehend, sind in der berühmtesten Handschrift dieser neuen Zeit, in dem wohl 1175 entstandenen ~Lustgarten der Herrad von Landsberg~ zu finden. Das Manuskript ist bei dem Brande der Strassburger Universität vor nunmehr dreissig Jahren zu Grunde gegangen, doch sind Abbildungen und Bausen erhalten.[10] Ein Fortschritt in der Differenzierung der Physiognomien ist allerdings auch hier noch kaum erkennbar. Einige der männlichen Köpfe, Petrus, Paulus, Herodes, Pilatus, streifen zwar beinahe schon das Individuell-Charakteristische, aber die weiblichen, mit ihrem einförmigen und ältlichen Ausdruck, der durch eine grünliche Schattierung noch verstärkt wird, und den starren, leblosen Augen, machen den Eindruck einer grenzenlosen Leere. Sehr bedeutungsvoll sind die Hände, ganz schematisch dagegen die Füsse behandelt. Die porträtartig gemeinte Darstellung der congregatio religiosa auf dem letzten Blatte der Handschrift entbehrt jeglicher individueller Züge: die 46 Stiftsfrauen und die 12 Laienschwestern sind thatsächlich nur durch die beigefügten Namen voneinander zu unterscheiden, kaum dass man eine Verschiedenheit des Lebensalters erkennen kann. Auch die oft als früheste Bildnisse bezeichneten Landgrafen und Landgräfinnen von Thüringen, Könige und Königinnen von Ungarn und Böhmen, nebst zwei Erzbischöfen, in dem im folgenden Jahrhundert entstandenen berühmten ~Psalterium des Landgrafen Hermann~, Stuttgart, Hofbibl. Bibl. fol. No. 24, und dem der ~heiligen Elisabeth~, Cividale, Museum — eine »Mischung von eindringendem Naturalismus und veredeltem überkommenen Stil« (Janitschek S. 141), — sind nicht im entferntesten Porträts in unserm Sinne.[11] Kaum mehr des Bildnisartigen ist in den Handschriften der folgenden Zeit zu entdecken, weder in derjenigen Richtung, welche ich mit Janitschek als die deutsch-nationale bezeichnet habe, noch in der höfisch-französischen. Von den bekannteren der ersteren Gruppe seien erwähnt: die wohl noch am Ende des 13. oder am Anfange des 14. Jahrhunderts begonnene ~Wellislausbibel~, fürstlich Lobkowitzische Bibliothek zu Prag, die Bilderchronik der ~Romfahrt Kaiser Heinrichs VII.~ und seines Bruders ~Balduin~, Koblenz, Staatsarchiv, aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, und die in mehreren Abschriften aus demselben Jahrhundert erhaltene ~Weltchronik des Rudolf von Hohenems~. Von den letzteren kenne ich nur das in Donaueschingen aufbewahrte Exemplar. Es ist in Deckfarbenmalerei auf Goldgrund ausgeführt, wird aber trotzdem aus technischen und stilistischen Gründen von Janitschek der deutsch-nationalen Richtung zugeteilt. [Illustration: ~Gottesurteil.~ Aus einem Benediktionale des Presbyters Haeimo. Lambach. Nach besonderer Aufnahme.] Im Physiognomischen ist hier wie in dieser ganzen Gruppe wenig mehr als der Altersunterschied gegeben, aber innerhalb der Altersklassen gleichen sich die Gesichter ausserordentlich. Eine seelische Belebung ist nirgends zu finden, — derselbe konventionelle freundliche Ausdruck bei dem, der gespiesst oder gehenkt, wie bei dem, der liebevoll begrüsst oder umarmt wird.[12] Die von der französischen Illustrationstechnik ausgehende Manier, am besten repräsentiert durch die ~Weingartnersche Liederchronik~ im Besitze der Könige von Würtemberg, nach 1280 entstanden, und der grossen ~Heidelberger Liederhandschrift~, sogenannte »Manessische Handschrift« in der Heidelberger Bibliothek, etwa aus derselben Zeit, bietet kein wesentlich anderes Bild: es sind dieselben regelmässig ovalen, schematisch gebildeten Kopfformen und derselbe weichliche, nichtssagende Ausdruck, — in der Heidelberger Handschrift allerdings wenigstens mit einem Hauche individuellen Lebens. — Wir haben gesehen, dass von den Karolingertagen bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in der Kunst des Menschenbildnisses kein erheblicher Fortschritt gemacht worden ist. Eine gründliche Untersuchung der zahllosen Handschriften historischen Inhalts, welche porträtartig gemeinte Darstellungen enthalten, würde zweifellos das Ergebnis unseres flüchtigen Ueberblickes bestätigen. Es würde sich hierbei hauptsächlich um zwei Gruppen handeln, um diejenigen Chroniken, welchen Brustbildnisse der Könige oder der fürstlichen Aussteller der Urkunden in kleinen Medaillons beigegeben sind, und um solche, in denen derartige Medaillonbildchen durch verbindende Linien zu Stammbäumen vereinigt erscheinen. Ganze Einzelfiguren kommen nur selten vor,[13] die Ausbildung dieses Darstellungsmotivs bleibt der englischen Buchmalerei überlassen. Clemen kommt in seiner vortrefflichen Monographie der Bildnisse Karls des Grossen in einem Exkurs wohl mit Recht zu dem Resultat, dass es sich bei allen diesen mittelaltrigen Porträtdarstellungen in der Hauptsache um die Ausbildung eines allen mehr oder weniger gemeinsamen Schemas handelt. Erst gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts gewinnt das Persönliche in den Gesichtern der Handschriften das Uebergewicht über das Schematische und über den Typus, ja schon seit etwa 1410, in burgundisch-französischen Handschriften sogar noch einige Dezennien früher, ist der Beginn der neuen Richtung zu beobachten. Sie verbreitet sich mit einer erstaunlichen Schnelligkeit über alle deutschen Schreibstuben, und in kurzer Zeit wird eine solche bildnisartige Lebendigkeit der Köpfe erreicht, dass man nun von einem wirklichen Abbild des Lebens, nicht mehr von einer konventionellen Bildersprache reden darf. Aber mitten in diesen grundstürzenden Wandel der künstlerischen Anschauung, der in der Tafelmalerei ein oder zwei Jahrzehnte später eintritt und dort des Nähern behandelt werden soll, fällt die allgemeiner werdende Verbreitung des Holzschnittes und Kupferstichs, jener beiden Künste, die in Verbindung mit dem Buchdruck der mühsamen Deckfarbenmalerei und auch der flotteren Federzeichnung bald ein Ende bereiteten. 3. Das Bildnis in der Wandmalerei. Ebensowenig wie in der im Grunde genommen doch handwerklichen Kunst der deutschen Illuministen bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts werden wir in den uns erhaltenen Bildnissen der mittelaltrigen Wandmalerei eigentlichen Porträts begegnen. Im Zwange altchristlicher und byzantinischer Ueberlieferung und ohne anregendere Muster als die winzigen Figürchen in den Büchern der Klostermönche, treten uns die frühsten menschlichen Gestalten an den Wänden heiliger und profaner Gebäude gleich einer körperlosen, rein flächenhaften Verzierung entgegen, »überbügelt, als planimetrische Ornamentalisierung« (Vischer). Die ältesten Zeugnisse dieser Dekorationskunst stehen uns freilich nicht mehr vor Augen: nichts aus der Zeit des grossen Begründers der abendländischen Kultur, der, wie Nithard ihm nachrühmt, ganz Europa voll des Segens, der von ihm ausging, zurückliess, nichts aus der Zeit der Nachfolger aus seinem Geschlechte. Dass Karl der Grosse mehrfach dargestellt worden ist, wissen wir aus den Chroniken, so sah man ihn thronend und mit der Siegerkrone geschmückt u. a. in seiner Pfalz zu Ingelheim und dem Kaiserpalaste zu Aachen; erhalten ist uns keines dieser Bildnisse. (Vergl. hierzu S. 21.) Erst aus ottonischer Zeit besitzen wir das erste Denkmal der Wandmalerei in der etwa ums Jahr 1000 entstandenen ~Bilderfolge der Georgskirche zu Oberzell~ auf der Reichenau. [Illustration: ~Heilung des Wassersüchtigen.~ Wandgemälde in Oberzell. Nach Borrmann, Aufnahmen mittelalterlicher Wand- und Deckenmalereien.] Leidlich erhalten sind nur zwei grosse Darstellungen an der Aussenseite der Westapsis: Kreuzigung und jüngstes Gericht, letzteres bekanntlich in ikonographischer Beziehung von grösstem Interesse. Die an den Oberwänden des Langschiffes befindlichen Bilder sind arg beschädigt; sie sind jedoch glücklicherweise nicht restauriert worden, sondern werden z. Z. von beweglichen modernen Nachbildungen bedeckt, die durch einen einfachen Mechanismus leicht entfernt werden können, sodass die Betrachtung der Originale möglich ist.[14] In der Darstellung der Physiognomien ist, soweit sich das heute noch beurteilen lässt, der Zusammenhang mit den römisch-altchristlichen Vorbildern ersichtlich, jedoch zeigen die Kopfformen bereits das in der Karolingerzeit von der Buchmalerei angenommene Oval. Irgend etwas Individuelles ist in den Gesichtern noch nicht zu entdecken, und jener Hauch des Lebens, der uns von den Oberzeller Wänden herab entgegen zu wehen scheint, rührt lediglich von der ausdrucksvollen Sprache her, die Haltung, Gehaben und Gebärden der in Tunika und Chlamis einherschreitenden Figuranten reden. Eine etwas grössere Annäherung an die Wirklichkeit und ein erfolgreicheres Ringen, die alten Typen zu verlebendigen und zu verdeutschen, ist in den zwischen 1151 und 1156 entstandenen Gemälden der ~Unterkirche von Schwarz-Rheindorf~ bei Bonn zu beobachten, und zwar ist hier das Persönliche nicht mehr einzig und allein durch eine kräftige Gebärdensprache ausgedrückt, sondern auch — weniger bei den Hauptpersonen, bei denen überhaupt die Tradition am spätesten durchschnitten wird, als bei den untergeordneteren Teilnehmern der Handlung —, ein schüchterner Versuch gemacht worden, die Physiognomien selbst ein wenig zu differenzieren; jedenfalls ist in den Gesichtszügen der vier Kaiser ein individualisierendes Bestreben nicht zu verkennen, wenn auch nicht mit dem Erfolge, dass ihre Deutung auf eine bestimmte Persönlichkeit möglich wäre. Die einige Jahrzehnte später geschaffenen Malereien am Gewölbe des Kapitelsaales der ~Abtei Brauweiler~ (eine Wegstunde von Löwenich bei Köln entfernt), sowie die Bilder an den Wandflächen der ~Kölner romanischen Kirchen~ aus dem 13. Jahrhundert, in neuerer Zeit zumeist restauriert, auch die in den gleichzeitig entstandenen des benachbarten ~Westfalens~, zeigen gegenüber denen von Schwarz-Rheindorf eher eine Abnahme als ein Wachstum der Kraft oder des Willens zu individualisieren. Stärker als in den Rheingegenden kommt das Persönliche der Gesichtsbildung in der Wandmalerei ~Sachsens~ zur Geltung, wo der romanische Baustil seine vollendetste Ausbildung erlangt und wo die früh gepflegte Plastik, trotz ihrer ursprünglich von der Antike ausgehenden Richtung, den Sinn für die Wirklichkeit zeitig geweckt hatte. Das wichtigste Denkmal auf sächsischem Boden sind die zu Anfang des 13. Jahrhunderts gemalten und trotz ihrer unglücklichen Erneuerung noch immer mächtig wirkenden Bilderfolgen im ~Dom zu Braunschweig~,— im Vorfrühling der neuen Kunstanschauung, die gewaltsam die Fesseln der Ueberlieferung zu sprengen versucht und mit dem Grossen, Grandiosen und Monumentalen das Anmutige, Weiche und Zarte zu vereinigen strebt. Am eindringlichsten vielleicht verkündet die hereinbrechende Sinneswandlung der eigenartige und vortreffliche Naturbeobachtung verratende Tanz der Herodias im Chor, sowohl in den ungemein lebendigen Bewegungsmotiven, als auch in der holden Empfindsamkeit der, auch vor der Restauration wie es scheint, recht gut voneinander unterschiedenen Physiognomien. Die Kaisergestalten an den Pfeilern des Langhauses sind leider nicht mehr erhalten, sodass wir nicht urteilen können, ob in den Braunschweiger Gemälden schon etwas wirklich Porträtartiges gegeben war. Im ~Süden Deutschlands~ und ~in Oesterreich~ scheint wenig Hervorragendes auf dem Gebiete der dekorativen Raumkunst geleistet worden zu sein, das bedeutendste wohl im Dom zu ~Gurk~ in Kärnten, aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wo sich im Ausdruck der Köpfe zum mindesten ebensoviel Eigenleben zeigt, wie in denen der besten gleichzeitigen Buchmalerei, mit der die dortigen Wandbilder überhaupt aufs engste verwandt sind. Unterhalb der thronenden Madonnen zwei Stifter: der Dompropst Otto und der Bischof Dietrich von Salzburg (1251–1279). Zu einer freieren Entwickelung, etwa wie seit Giottos bahnbrechender Thätigkeit in Oberitalien, konnte die deutsche Wandmalerei und mit ihr das Menschenbildnis auch in der Folgezeit nicht gelangen, denn die von Westen her einziehende Gotik mit ihrer Vernichtung der grossen Mauerflächen, die den Maler »zu machtvollem Herumfahren geradezu herausforderten« (Vischer), verzichtete auf ihre Mitwirkung bei Ausschmückung des Gotteshauses zu Gunsten einer anderen Kunst, der ~Glasmalerei~. An die Stelle der Mauer, welche bisher den ganzen Schub des Gewölbes aufzunehmen hatte, waren die Strebepfeiler getreten, und der zwischen ihnen verbleibende Raum wurde durch hohe Fenster geschlossen, deren dekorativer Schmuck jener nun neu aufblühenden Technik anheimfiel. Anfangs im Charakter des Teppichstils, im 14. und 15. Jahrhundert auch in den Aufgaben der eigentlichen Malerei und der Plastik sich versuchend, bietet sie zwar reiches Material für eine Ikonographie der spätmittelaltrigen Bildnisse; da sie aber nie eine selbständige, noch weniger eine führende Stelle gespielt hat, darf ihre Besprechung in einer Studie, die sich nur mit den Hauptentwickelungsstufen der Menschendarstellung beschäftigt, samt der des Mosaiks, der Weberei und Stickerei wohl unterbleiben. Die Ungunst der Raumverhältnisse in der gotischen Kirche, anfänglich auch die Bilderfeindschaft der strengen und einflussreichen Cisterzienser, ist, wie gesagt, die Ursache gewesen, weshalb die Wandmalerei in ihrem handwerklichen Zustand verharrte, denn geübt worden ist sie an den ihr verbliebenen Gewölbekuppen, Vorhallen, in Kapellen und Kreuzgängen bis tief in Renaissancezeit hinein, mehr als man bisher anzunehmen geneigt war, wie das die zahlreichen Entdeckungen farbiger Bilder unter der weissen Tünche unduldsamer Zeitläufte beweisen, die gerade in unsern wissensbegierigen Tagen fort und fort in den verschiedensten Gegenden Deutschlands gemacht werden. Aus dieser gotischen Periode seien hier nur die zu Anfang des 14. Jahrhunderts entstandenen Wand- und Decken-Gemälde in der im Uebergangsstil erbauten Deutschordenskirche zu ~Rammersdorf~ im Siebengebirge erwähnt, die mit dem Abbruch der Kirche zu Grunde gegangen sind: Bausen und Aquarellkopien, die im Berliner Kupferstichkabinet erhalten sind, lassen vermuten, dass hier, namentlich im Jüngsten Gericht, wenigstens bildnisartig gemeinte Köpfe dargestellt waren; ferner in Böhmen, aus der Zeit Karls IV., wo in der 1357 vollendeten ~Kollegiatkirche Mariä Himmelfahrt der Burg Karlstein~ Szenen aus der Apokalypse, allerdings in schlechtem Zustande, und in der Katharinenkapelle, die einen abgesonderten Raum der Kirche bildet, einige authentische, selbständige Bildnisse des Kaisers als Gnadenempfänger, seiner dritten Gemahlin Anna von Schweidnitz und seines Sohnes Wenzel erhalten sind,[15] die vielleicht mit dem Strassburger Maler Nikolaus Wurmser in Beziehung gebracht werden mögen. Was sonst noch in Deutschland und der Schweiz an Wandbildern zu finden ist, einschliesslich der profanen Malerei in der Burg Runkelstein bei Bozen aus dem letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, hat für die Weiterentwickelung des Bildnisses keine Bedeutung. Einzelne porträtartige Darstellungen des 15. Jahrhunderts werden im Kapitel der Tafelmalerei bei den betreffenden Lokalschulen behandelt werden, doch mag schon im voraus gesagt sein, dass die gesamte vaterländische Wandmalerei nicht ein einziges individuelles Bildnis hervorgebracht hat, das auch nur annähernd mit einem der besseren italienischen verglichen werden dürfte. 4. Das plastische Bildnis. Während wir keines der bisher genannten mittelaltrigen Werke der Buch- und Wandmalerei sich über das Handwerkliche erheben sehen, verdienen die in Deutschland während des 13. Jahrhunderts entstandenen plastischen Menschenbildungen in einer Reihe mit den grössten künstlerischen Leistungen aller Zeiten und aller Völker genannt zu werden, nicht eben in ihrer Eigenschaft als Abbilder des wirklichen Lebens, wohl aber als freie, ideale Schöpfungen von gewaltigster Kraft und zwingender Wirkung, und wenn auch das plastische Bildnis nicht in den Rahmen dieser Betrachtungen gehört, so rechtfertigt doch wohl seine nahe Verwandtschaft mit dem malerischen hier eine flüchtige Erwähnung. Die Geburtsstätte der romanischen Skulptur in Deutschland ist bekanntlich in den alten sächsischen Landen zu suchen. Schon seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts, seit den Tagen Bernwards von Hildesheim, war hier Erzguss und Steinbildnerei lebhaft betrieben worden, und aus diesen Anfängen einer noch wesentlich zu dekorativen Zwecken arbeitenden Kunst, entwickelte sich um die Mitte des 12. Jahrhunderts ein grosser monumentaler Stil, dessen Ruf gar bald die lokalen Grenzen überschritt und dessen Schöpfungen in alle Lande gingen; bis Augsburg, Gnesen, Nowgorod, vielleicht auch bis Verona lassen sich ihre Spuren verfolgen.[16] Im östlichen Sachsen, wohin die Bildnerschule aus der Harzgegend allmählich ihren Mittelpunkt verlegt hatte, entstanden zum Beginn des 13. Jahrhunderts die grossartigen Triumphkreuze von ~Wechselburg~ und ~Freiberg~, die Statuen Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin Mathilde im Dome von ~Braunschweig~ und gegen 1270 die Stifterfiguren im Dome zu ~Naumburg~. Mit einem Schlage erscheint hier all das Kindlich-Rohe und Unbeholfene überwunden, das uns in den gleichzeitigen Darstellungen der menschlichen Gestalt im Buche wie an der Kirchenwand entgegengetreten war. Mit freiem Blicke haben diese Künstler ins Leben geschaut und das, was sie dort fanden, mit tüchtigem technischen Können im Bildnisse wiedergegeben, oft auch, wie die Braunschweiger, mit einem grossen Zug idealer Verklärung. Für die Fülle aller Einzelheiten, deren Beobachtung und Wiedergabe das Bild erst zum eigentlichen Porträt stempelt, haben sie allerdings noch ebensowenig den Blick besessen, wie diejenigen, welche um dieselbe Zeit Portale und Façaden der südwestdeutschen Kirchen schmückten.[17] [Illustration: ~Markgraf Ekkehard und seine Frau Uta.~ Naumburg, Dom. Nach Schmarsow und Flottwell.] Das gleiche, im Grunde genommen nicht eigentlich deutsche Streben nach typischer Schönheit wie bei den Braunschweigern, jedoch von einem noch höheren Schwunge der künstlerischen Gesamtauffassung getragen, bekunden die Werke jener ganz hervorragenden Meister, die an dem steinernen Bilderschmuck des ~Bamberger Domes~ gearbeitet haben. In den machtvollen Prophetenköpfen der älteren Gruppe, allen voran in dem des kahlköpfigen Jonas — »eine Vorahnung dessen, was Dürer in manchen seiner Porträts giebt« (Voege) —, ist zudem bei aller Idealität eine Naturwahrheit und Schärfe der Charakteristik erreicht worden, wie man sie sonst in der gesamten deutschen Kunst romanischer Periode vergeblich suchen wird. »Gross in der Anlage, ausserordentlich eindrucksvoll durch die hochgetürmte Frisur der Haare, zeigen die Züge eine bestimmt ausgeprägte Eigenart, die an porträthafte Darstellungen gemahnt.«[18] Von geringerer Stärke der Charakteristik, dagegen an idealer Auffassung den Propheten noch überlegen und von gleicher technischer Meisterschaft, stellen sich die Köpfe der Figuren der jüngeren Gruppe dar, die in den achtziger Jahren des 13. Jahrhunderts entstanden sein mögen und bereits gotisches Empfinden bekunden, wenigstens im Ganzen betrachtet, denn unter sich sind sie wiederum recht verschieden: welch ein Wesensunterschied zwischen der Heimsuchung, jener strengen und herben Maria und Elisabeth, die, obgleich geboren aus dem neuen Geiste des staufischen Zeitalters, doch in Gewandung und Formenbehandlung ihre antike Herkunft bezeugen, und den holden, graziösen und doch so unnahbar hoheitsvollen, echt gotischen Gestalten der Kirche und Synagoge, dem in höfischer Zeittracht erschienenen vornehmen Fürstenpaar oder der traumhaften, weltentrückten, schwanenritterlichen Erscheinung des Reiters.[19] [Illustration: ~Kopf des Reiters.~ Bamberg, Dom. Nach Weese, Bamberger Domskulpturen.] Müssen wir auch die Bamberger Skulpturen künstlerisch höher bewerten als die ~Naumburger~, so kommt doch bei diesen die Annäherung an das nüchtern Porträthafte mehr zum Ausdruck als bei jenen, wie das ja auch der den Bildwerken zu Grunde liegende Gedanke rechtfertigt: hier ein realistisch-monumentaler, dort ein idealkirchlicher. Vor den Markgrafen und Edelfrauen im Naumburger Dom haben wir das Gefühl, vor einem einfachen, tüchtigen, bodenwüchsigen Menschengeschlecht zu stehen, das in seiner wahren, ein wenig hausbackenen Alltagserscheinung im Gedächtnis der Nachwelt fortzuleben wünscht; vor Kaiser Heinrich und dem Reiter dagegen empfinden wir, dass diese Menschen mit Vorbedacht der Wirklichkeitswelt entrückt, oder vielmehr durch eine Art visionärer Begeisterung des Künstlers über die Natur gehoben wurden, dass es Urbilder sind aus dem Reiche des Ideal-Schönen, wie sie ähnlichen Geistes sich etwa im Sonnenschein perikleischen Zeitalters entfaltet hatten, voll »stiller Einfalt und schlichter Grösse«, — trotz des Belvedereschen Apolls und seines Propheten.[20] Teils der Richtung der Bamberger Meister, teils jener der sächsischen Schule folgen eine grosse Anzahl von ~Grabsteinen~ aus der nämlichen Zeit, die einen mit geringerer, die andern mit stärkerer Neigung zum Porträtartigen; die letztere gewinnt im 14. und noch mehr im 15. Jahrhundert, der naturalistischen Strömung in allen Künsten folgend, die Oberhand, freilich auf Kosten des künstlerischen Inhalts, jedoch sind es jene Grabfiguren, in denen uns die ersten wirklichen Porträts begegnen. [Illustration: ~Peter Parler.~ Prag, Dom. Nach Museum, 3. Jahrg.] Einzelbildnisse, welche nicht als Grabfiguren, sondern als Ehrendenkmäler im modernen Sinne bestimmt waren, sind auch noch im 15. Jahrhundert verhältnismässig selten; als eines der vorzüglichsten sei die Büste des grossen Baumeisters ~Peter Parler von Gmünd~ in der Chorgallerie des Prager Domes aus dem Jahre 1390 genannt, die erste ganz lebenswahre Porträtdarstellung eines deutschen Künstlers.[21] Man hat zuweilen, wie schon angedeutet, die Blütezeit der nordischen Plastik des 13. Jahrhunderts, bei welcher vornehmlich auch an die französische zu denken ist, mit jener des perikleischen Zeitalters verglichen, und wenn anders es statthaft ist, die Blutsverwandtschaft in artibus zweier so weit voneinander entfernten Epochen zu verfolgen, so muss sich einem von selbst die Frage aufdrängen, welche Rückwirkung die Kunst der besten sächsischen und Bamberger Meister, um uns auf deutschem Boden zu beschränken, auf ihre Schwesterkunst, auf die Malerei gehabt hat. Phidiasische und polykletische Gedanken, Kompositionen und Formengebung klingen uns aus jenen Wandbildern Roms und der Vesuvstädte entgegen, welche wir auf die grossen verlorengegangenen Muster jonischer Tafelmalerei des 5. Jahrhunderts zurückführen müssen, und das von den Bildhauern und Erzgiessern des Blütenalters griechischer Kunst, soweit wir sehen können, zum ersten Male aufgestellte Schönheitsideal tritt uns auf den herrlichen Vasen attischen Ursprungs entgegen, — ist in deutscher Malerei ein Echo der Meisterwerke von Braunschweig und Bamberg zu finden? Nach meiner allerdings vielleicht unzulänglichen Kenntnis mittelaltriger Werke, namentlich auch der Elfenbeinreliefs, muss diese Frage verneint werden. Der geschickten Miniatoren zierlich spielende Kunst kann der Kleinheit ihres Massstabes wegen kaum in Betracht kommen, ebensowenig die mosaizierende Glasmalerei um der Dürftigkeit ihrer Ausdrucksmittel willen, der Wandmalerei war die Gotik gerade im Begriff ihr Lebenslicht zu verlöschen, überdies wurde sie offenbar von so minderwertigen Arbeitern betrieben, dass man in ihr den künstlerischen Reflex eines Genies nicht suchen darf: die Tafelmalerei allein wäre befähigt gewesen, den von der Plastik gegebenen Impuls aufzunehmen. Sie hat es bekanntlich nicht gethan. Dass sie am Ende des 13. Jahrhunderts sich noch im puppenhaften Zustande befand, erschwerte ihr naturgemäss, dem von der Bildhauerkunst gewiesenen hohen Flug ~sofort~ zu folgen, aber dass es ihr damals möglich gewesen wäre, ihre Flügel zum mindesten zu entfalten, dafür sprechen Analogien in der Entwickelungsgeschichte einzelner Kunstübungen anderer Länder: aus den Kinderschuhen heraus hat die griechische Malerei mit Polygnot den gewaltigen Sprung gethan, und die niederländische mit van Eyck, was in Deutschland fehlte, das war ein aus verwandter Kunstgesinnung herausgewachsenes Genie, eine künstlerische Kraft von der Stärke jener beiden kühnen Wager, welches für die Befruchtung durch ein grosses Muster empfänglich gewesen wäre, und so schlummerte in den Augen der Handwerker-Maler die unvergleichliche Skulpturenwelt der deutschen Dome. Im 15. Jahrhundert ist, wie gesagt, die Plastik realistischer geworden — das Wort in dem nun einmal landläufig gewordenen Sinne genommen[22] —, und wenn sie auch nunmehr mit der Malerei eng verbunden einhergeht, gleich wie diese in Italien mit der Goldschmiedekunst, so hat sie doch nicht einmal in ihrer auf Naturwahrheit gerichteten Tendenz die Kraft eines zwingenden, die Nacheiferung erweckenden Musters besessen und keine absolut neuen Wege ihrer Atelierschwester gewiesen. Selbst dort, wo ihre Spur am deutlichsten zu verfolgen ist, in der fränkischen Malerschule, macht sich ihr Vorbild doch nur in Aeusserlichkeiten, wie in der Schärfe des Konturs, der knochigen und eckigen Gliedmassen, der Steifheit der bauschigen Gewänder u. dergl. bemerkbar, während anderseits auch, ganz im allgemeinen, von einem umgekehrten Verhältnis gesprochen werden könnte, insofern in den schon bedenklich die Region der Wachsfigurenkabinete streifenden Holzschnitzereien der Altäre des 15. Jahrhunderts die malerischen Tendenzen nicht zu verkennen sind. — Die am Ende des Jahrhunderts einsetzende Nachblüte der Bildhauerkunst und ihre Rückwirkung auf die Malerei hat uns hier nicht mehr zu beschäftigen. 5. Die Schaumünze. Ebensowenig wie das plastische Bildnis, gehört streng genommen die Medaille in den Kreis dieser Betrachtungen, umsoweniger als ihre Blütezeit beginnt, wo diese Arbeit abschliesst. Und doch muss auch ihrer mit ein paar Worten wenigstens gedacht werden, denn was Bedeutung, Beliebtheit und Verbreitung betrifft, steht sie unter allen Porträtdarstellungen mit an erster Stelle und von keiner ist sie an intimhäuslichem Wert für die deutsche Bürgerfamilie lange Zeit hindurch übertroffen worden. Vorbildlich für das deutsche gemalte Porträt des 15. Jahrhunderts ist die Medaille oder Schaumünze — ein Erinnerungszeichen an irgend welche Begebenheit oder Person — allerdings nicht gewesen. Nur im Holzschnitt ist zuweilen eine Spur ihres Daseins zu bemerken. Die vortrefflichen italienischen Schaumünzen der Quattrocento, für einen auserwählten Kreis vornehmer Personen geschaffen, können unmöglich in grösserer Anzahl ihren Weg über die Alpen genommen haben, denn sonst müssten sie, wenn auch nicht dem Maler, so doch zum mindesten dem einen oder dem anderen der grossen Bildschnitzer Anregung zu ähnlichem Kunstschaffen gegeben haben: thatsächlich geht später Medaille und Schnitzkunst in Deutschland zusammen, wie schon das Material der sorgfältig bemalten oder vergoldeten Modelle beweist, die nicht wie in Italien aus vergänglichem Thon oder Wachs, sondern aus Holz oder Stein als Kunstwerke von selbständigem Werte gearbeitet wurden. Als zu Beginn des 16. Jahrhunderts die deutsche Medaille sich allgemeiner zu verbreiten begann, konnte sie dem Maler nicht mehr viel neues lehren. [Illustration: ~Tiroler Thaler.~ Nach Sallet, Münzen und Medaillen.] Die älteste deutsche Münze, welche als das Prototyp der Medaille gelten darf — die mittelaltrigen Geldmünzen können der geringen Grösse ihres Massstabes und ihrer wenig künstlerischen Ausführung wegen hier nicht in Betracht kommen, ebensowenig die Porträtsiegel, die schon die Merowinger geführt haben —, ist der 1484 in Hall geprägte sogenannte ~Tiroler Thaler~ mit dem Brustbild ~Erzherzogs Sigismund~, im Panzer mit Krone und Streitkolben, in Profilstellung und kleinlicher, recht minderwertiger Ausführung. Ihr Vorbild mag wohl in Italien zu suchen sein (Schlosser, die Entwickelung der Medaille. Wiener Numismatische Zeitschrift. 26. Band, Jahrgang 1894), nach anderen (Karl Domanig in derselben Zeitschrift, 24. Band) ist sie ganz von selbst »aus der Bildschnitzerei herausgewachsen«, die eigene Erfindung eines deutschen Künstlers. Wie dem auch sei, sicher ist, dass die deutsche Schaumünze sich vom Ende des 15. Jahrhunderts an künstlerisch unabhängig von der italienischen entwickelt hat, dass sie ihr völlig fern steht und dass sie sich obendrein sogar ihren eigenartigen deutsch-nationalen Stil treulich bewahrt hat, nachdem die Malerei schon längst in romanischem Fahrwasser schwamm. Der Gebrauch der »Privatmedaille« hat sich etwa um 1510 in Süddeutschland eingebürgert, allgemein wird die Sitte, sich medaillenartige Bildnisse anfertigen zu lassen und sie mit seinen Freunden auszutauschen, wie unsere Grossväter mit ihnen die Silhouette wechselten und wir die Photographie, erst um 1518. Die Hauptplätze ihrer Erzeugung werden nunmehr Augsburg und Nürnberg, namentlich in letzterer Stadt gelangt diese Art der Porträtkunst zu hoher Blüte. Dass auch ~Albrecht Dürer~ als der ersten einer in dieser Kunst sich mit Erfolg versucht hat, darf wohl jetzt, trotz Thausings gegenteiliger Ansicht (Dürer, 2. Auflage, Leipzig, 1884. II. 51) als ausgemacht gelten. (Sallet, Münzen und Medaillen, Berlin, 1898.) Es sind dies die Schaumünzen mit dem Kopf jenes Modells, welches er auf Zeichnungen und Stichen für manche seiner Mariendarstellungen und für die Lukretia in München benutzt hat und welches wohl identisch sein mag mit Agnes Frey, ferner die mit dem Porträt seines Vaters, des M. Wohlgemuts und vielleicht auch eine mit dem Kopfe Jakob Fuggers. Uebrigens wird man auf den ersten Blick sehen, dass diese gegossenen Medaillen eine Ausnahme von der oben angegebenen Regel machen: sie hängen mit der Malerei und nicht mit der Schnitzkunst zusammen. An künstlerischem Wert steht die deutsche Medaille der italienischen nach. Hatte sie sich in Italien zu einem Kunstwerk ausschliesslich für die vornehmen Stände entwickelt, so blieb sie in Deutschland ein bescheidenes Stück des kleinen, aber lieb gewonnenen Hausrats der Bürgerfamilie, und wurde dort das Bild des Fürsten, berühmter Persönlichkeiten und besonders auch durch Schönheit oder Geist hervorragender Frauen ruhmrednerisch der Nachwelt übermittelt, so war es hier des schlichten Hausherrn oder seiner Frau Konterfei, das Kind und Kindeskindern auf dem »Schaupfennig« zu verwandtschaftlich-freundlichem Gedenken hinterlassen wurde. Eine liebevoll sorgfältige Behandlung und ein fleissiges Natur- und Modellstudium ist bei den besseren deutschen Medaillen nicht zu verkennen, aber von dem grossen Zuge der italienischen trennt sie eine schwunglose Auffassung, eine hausbackene Nüchternheit und auch eine gewisse Unbeholfenheit der Technik. Als im 17. und 18. Jahrhundert die Medaillenkunst zur Hofkunst wurde, verlor die Schaumünze ihre herzgewinnende Schlichtheit: sie wurde vornehm und »klassisch«, d. h. unpersönlich und langweilig und hörte schliesslich auf, überhaupt ein Werk der Kunst zu sein. Erst in unseren Tagen regen sich in ihrem Bereiche wieder neue und verheissungsvolle Triebe. 6. Der Holzschnitt und der Kupferstich. Obgleich in einem näheren Verwandtschaftsverhältnis zur Malerei als das Erz-, Stein- oder Holzbild und die Medaille, hat der Holzschnitt und Kupferstich für die vorliegenden Untersuchungen doch keine grössere Bedeutung als jene. Denn nicht nur dass die grossen Meister des 15. Jahrhunderts sich entweder von dem Holzschnitt ferngehalten (die Schule von Alt-Köln) oder ihm einen untergeordneten Wert beigemessen haben und dass seine und des Kupferstiches Sonnenhöhe erst mit Albrecht Dürer anhebt, sind die beiden Künsten für das Menschenbildnis verfügbaren Mittel an und für sich dürftigere und unzureichendere, als diejenigen ihrer älteren Schwester, die auch des Lebens farbigen Abglanz wiederzugeben vermag. Den auf die Fläche projizierten Kopf für das Auge wieder zu runden und von dem Untergrund zu lösen, sodass der Beschauer gleichsam mit um ihn herumtasten kann, dem Blicke den Glanz oder die Mattigkeit eines bestimmten Seelenzustandes zu geben, die Eigenschaften der Epidermis zur Geltung zu bringen, Wangen und Lippen den Fleischton des Lebenden, dem Haar seine Kraft, seine Ueppigkeit, seinen Schimmer oder Sprödigkeit, Starre und Leblosigkeit zu geben, je nachdem, das sind Schwierigkeiten, die in einer zeichnerischen Kunst zu bewältigen nur den grössten beschieden gewesen ist, in höchster Vollendung vielleicht nur einem — Rembrandt in seinem Radierwerk. [Illustration: ~Mahohmet II.~ Aus der Schedelschen Weltchronik.] Die Anfänge des ~Holzschnittes~ reichen weit in das 14. Jahrhundert zurück. Die ersten der noch ganz rohen Arbeiten in der neuen Technik wurden als Einzelblätter hergestellt, später zu sogenannten xylographischen Bilderbüchern mit erklärendem Text vereinigt, von denen die Armenbibeln, welche als Ersatz der früher an den Kirchenwänden gemalten Augenbibeln dienen sollten, die bekanntesten sind. Diese sowohl wie die Holzschnitte des 15. Jahrhunderts, von denen der älteste datierte von 1423 ist, stehen an künstlerischem Werte bedeutend hinter den Werken der gleichzeitigen Tafelmalerei zurück. Während hier am Ober- und Niederrhein schon frühzeitig ein fast modernes Empfinden anklingt (Konrad Witz, Lochner), sind jene noch völlig in mittelaltriger Befangenheit versunken, kindlich und unbeholfen, ohne Schatten, ohne Modellierung, ohne eine Spur von Perspektive. Ein leiser Fortschritt ist erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts, nach Gutenbergs Erfindung, zu bemerken, aber auch jetzt, trotzdem nun auch wirkliche Künstler, vornehmlich in Oberdeutschland, sich mit der bisher von Handwerkern geübten Technik beschäftigten und ungeachtet einer Fülle auf den Markt geworfener illustrierter Drucke, welche die »demokratische Bilderlust« des Volkes kaum befriedigen konnten, behalten die Holzschnitte noch lange Zeit ihren archaischen, lehrhaften und den Schönheitssinn schwerlich befördernden Charakter bei. Auf ~Wolgemut~ und die Seinen, unter denen sich auch ~Wilhelm Pleydenwurff~ befindet, gehen die Illustrationen der ~Schedelschen Weltchronik~ (1493) und wohl auch die des ~Schatzbehalters~ (1491) zurück: wenig erfreuliche Massenarbeiten, in der Weltchronik über zweitausend Bilder, deren tiefe künstlerische Stufe — man bedenke, dass der Peringsdörffer Altar schon einige Jahre vorher gemalt war — nur eine Erklärung in dem ungebildeten Marktplatz-Publikum findet, für das jene Bücher gewiss in erster Linie bestimmt waren. Wohl begegnen uns individuelle, selbst individuell-charakteristische Köpfe in der langen Folge der Götter, Göttinnen, Kaiser, Könige, Propheten, Weisen oder sonstigen historischen oder sagenhaften Persönlichkeiten, aber mit welch schwachem künstlerischen und technischen Können ist diese Individualisierung und Charakterisierung gegeben! Eine Porträtähnlichkeit ist, auch wo sie möglich gewesen wäre, nur selten angestrebt worden: um »Machomet der Türcken kayser« darzustellen (Bl. 256 b) wird einfach der Kopf Kaiser Johannes VII., Palaeologus, nach einer Medaille Vittore Pisanos im Gegensinn kopiert, für den Kaiser Maximilian wird irgend eine beliebige Jünglingsfigur vorgeführt, und dass auch der Beschauer nicht im entferntesten daran dachte, die Züge des Bildnisses mit der im Text gegebenen Lebens- und Charakterbeschreibung zu vergleichen und eine Uebereinstimmung beider zu prüfen, geht daraus hervor, dass ihm angemutet werden durfte, ein und dieselbe abstossende Henkerphysiognomie, das eine mal als Hektor, das andere mal als Jonas, Pitacius, Zeno, Terencius, Valentinius, hinzunehmen, oder einen anderen, übrigens recht interessanten Kopf gleichzeitig für Thales, Hypokrates, Xenokrates, Plutarch und andere Philosophen.[23] Von höherem Kunstwerte als diese von dem Nürnberger Buchdrucker Koburger herausgegebenen Bücher sind die etwa gleichzeitig in Basel erschienenen, mit Holzschnitten versehenen Prachtdrucke, vor allem das »~Buch des Ritters vom Thurm~« (1493) und Sebastian Brants »~Narrenschiff~« (1494). Wer die ausführenden Künstler waren, ist umstritten. Daniel Burckhardt — Dürers Aufenthalt in Basel. München und Leipzig 1892 — nimmt den Bilderschmuck des ersteren ganz, den des letzteren teilweise für Dürer in Anspruch. Wie dem auch sei, Oberdeutsche waren diese Künstler gewiss und zwar stark unter Schongauers Einfluss; jedenfalls haben sie durch sorgfältige und klare Zeichnung und zarte malerische Empfindung erreicht, ihren Köpfen mehr Lebenswahrheit, Ausdruck und feinere Unterscheidung zu verleihen, als das Wohlgemut und seinen Genossen gelungen war. Von unabhängigen Einzelbildnissen der Holzschneidekunst ist mir nur eins bekannt, welches sich, rot, grün und gelb bemalt, im britischen Museum befindet und bezeichnet ist: »der türgisch kayser«. Nach Schreiber, Manuel de l’Amateur u. s. w. No. 2008, zwischen 1480 und 1490 in Augsburg geschnitten. Mit dem altitalienischen Kupferstich des Berliner Kabinets, El gran Turco, welcher auf die vorher erwähnte Medaille Vittore Pisanos zurückgeht, hat dieser Holzschnitt übrigens nichts gemein. Schreiber erwähnt ferner unter No. 2014 das Einzelporträt eines gepanzerten Ritters, der in ganzer Figur unter einer Bogenwölbung steht, vermag aber den jetzigen Besitzer nicht anzugeben. Er nennt es »oberdeutsch, gegen 1480«. Eine dem Stifterbildnis der Tafelmalerei entsprechende Darstellungsform des Menschen, knieend zur Seite der Gottesmutter oder eines Heiligen, ist auf Holzschnitten des 15. Jahrhunderts hin und wieder zu finden, ohne dass jedoch von einer Porträtähnlichkeit der Betreffenden gesprochen werden darf. — [Illustration: »~der türgische kayser~«. Holzschnitt. Britisches Museum. Nach besonderer Aufnahme.] Etwa ein halbes Jahrhundert jünger als der Holzschnitt, aber früher als dieser höheren künstlerischen Zwecken dienstbar gemacht, ist der ~Kupferstich~. Die Geisslung Christi im Berliner Kabinet ist der erste, welcher mit einer Jahreszahl versehen ist, 1446, der älteste sicher zu datierende überhaupt. Er ist nebst einer Folge anderer Passionsdarstellungen, sogen. Renouviersche Passion, in Süddeutschland aufgefunden und aller Wahrscheinlichkeit nach auch dort gestochen worden. Die Jahreszahl 1446 allein verweist Vasaris Erzählung von der »Erfindung« Finiguerras ins Fabelreich, jedoch sprechen auch andere Gründe für das Vorangehen Deutschlands in der Uebung des Kupferstechens.[24] Verglichen mit dem Holzschnitt vertritt der Kupferstich die vornehmere und feinere Kunst und diejenige der vielseitigeren technischen Möglichkeiten und reichtönigeren Ausdrucksmittel. Wiederum ist es Albrecht Dürer, der sie hoch über alles emporhebt, was das 15. Jahrhundert in ihr geleistet hatte. Der ~Meister der Spielkarten~, »ein Geistesverwandter Lochners« und wie dieser wohl ebenfalls in Köln, vielleicht schon in den dreissiger Jahren thätig (Lehrs) und der ~Meister E. S.~ von 1466, dieser wahrscheinlich ein Oberdeutscher, der jedoch nordischen Einfluss erfahren haben mag, waren die ersten, die mit ihrer Grabstichelarbeit den Bannkreis mittelaltriger Befangenheit durchbrachen und mit einer erstaunlich rasch erlangten technischen Sicherheit ihren Köpfen Ausdruck und Gedankeninhalt gaben. Dem Laienpublikum, auch dem künstlerisch gebildeten, steht heute das Werk dieser so jugendlich frischen und doch so mimosenhaft zarten Meister freilich noch fern, für jetzt erfreuen sich erst ~Schongauers~ Stiche der allgemeinen Anerkennung. (Geb. wahrscheinlich zwischen 1434 und 1445, gest. 1491, Schüler Casper Isenmanns zu Kolmar; sein Werk umfasst 115 Blätter.) Die Vorzüge dieses an Geist und Empfindung überreichen Meisters, der Schatten gleichsam, den die kommende Riesengestalt Dürers vorauswarf, liegen allerdings auf einem anderen Gebiete, als dem der Individualisierung und des scharfen, charakteristischen Herausarbeitens der menschlichen Physiognomie. Fleissig nach der Natur hat er gezeichnet, aber es scheint, als haben seine Studien auf dem Wege zum Bilde, zum Kupferstich und noch mehr zum Gemälde, etwas von ihrem Wesensausdruck verloren, als seien dort die scharfen, klaren Züge der Zeichnung in jenen verallgemeinerten Typus verschwommen, den wir gewöhnt sind als »Schongauerisch« zu bezeichnen: einer seltsamen Mischung von deutsch-bäuerlicher Herbheit und spätmittelaltriger Idealität, Sonnenreinheit des Herzens, blumenhafter Unschuld und ein wenig gemachter Geziertheit. Das Dresdener Kabinet besitzt eine Federzeichnung von ihm (publiziert von Woermann, Handzeichnungen alter Meister im Kgl. Kupferstichkabinet. Dresden No. 11), offenbar nach der Natur gefertigt, »vielleicht für einen Schergen«, die deutlich die Einbusse an Wirklichkeit vom Studienblatt zur Ausführung im Bilde zeigt: in dem gesamten Schongauermalwerk wird man vergeblich nach einem ähnlich individuell-charakteristischen Kopfe suchen. In derselben Sammlung befindet sich übrigens auch eine andere Handzeichnung Schongauers, das Brustbild eines jungen Mädchens mit schönem, geflochtenem Haar und faltigem Kopftuch, das wohl als Porträt gemeint ist, jedoch nur beweist, wenn anders es wirklich von ihm herrührt, wie fern dem Meister im Grunde diese Art der Kunstübung stand. (Publ. ebenda, No. 10. »Nicht Wohlgemut, wie Scheibler meint.«) Kraft und Wucht der Charakteristik war ebensowenig dem genialsten, eigenartigsten und gedankentiefsten von allen Stechern des 15. Jahrhunderts gegeben, dem lebendigen, heissblütigen, sprühenden ~Meister des Amsterdamer Kabinets~. Auch sein Einfluss ist vielleicht in Dürers frühen Zeichnungen zu erkennen, »wiewohl das rheinisch Spitze und Dünne, was diesem anhaftet, bei Dürer ins Derbe, Knorrige und Struppige gewendet erscheint« (Vischer, S. 175). Seine zart und leicht skizzierten Köpfe sind von einem individuellen Reiz, wie es nur wenige Meister der Griffelkunst verstanden haben, ihn ihren Werken zu geben, aber eigentliche Porträts hat er nicht gestochen. Seine Begabung lag auf dem Gebiete der freien Erfindung, der schrankenlos schweifenden Phantasie. Eine gewaltsame Intensität des Blickes, die dazu gehört, einem Menschen bis tief in das Innerste zu sehen, ihm gewissermassen bis auf das Mark der Knochen zu durchschauen, war ihm nicht zu eigen, — die volle Erfassung einer Persönlichkeit, wie sie Dürer im Pirckheimer oder Holzschuher vor uns hingestellt hat, war seinem leichten Naturell versagt. Wir werden ihm später unter den Malern am Mittelrhein wieder begegnen. Wahrscheinlich der einzige Stecher, der sich mit dem Porträt beschäftigt hat und dessen Thätigkeit jedenfalls noch in das 15. Jahrhundert fällt, ist der schwäbische ~Meister mit dem Zeichen W [ornament] B~.[25] Die von ihm bis jetzt bekannten vier vortrefflich gezeichneten und klar gestochenen Porträtköpfe sind die folgenden: Brustbild einer jungen Frau. Sie steht in einem Zimmer, Kopf und Blick nach halblinks gewendet. Haube und mehrfach geschlungenes Tuch um das Haar, das Ohr freilassend. Um den Hals eine Kette. Unbezeichnet: Berlin, Kupferstichkabinet. Hochätzung bei Lippmann, der Kupferstich, S. 33. P. II 270. 61. [Illustration: ~Brustbild einer jungen Frau~ vom Meister W. [ornament] B. Berlin, Kupferstichkabinet. Nach Lippmann.] Brustbild eines alten, bartlosen Mannes, im Zimmer hinter einer Brüstung stehend. Von vorn, den runzligen Kopf nach rechts geneigt. Turbanartiges Tuch um den Kopf. Pendant zu dem vorigen. Monogramm unter der Brüstung. Hamburg, Kunsthalle. Duschem (der diesen Kopf irrigerweise für den einer alten Frau hielt), Voyage S. 376. Brustbild einer reich gekleideten jungen Dame, hinter einer Brüstung. Kopf nach links gewendet, den Blick gesenkt. Schwerer, dicker Zopf, Haube mit einem Kleinod. Meisterhafte Behandlung des Fleisches. Links Ausblick durch ein Fenster auf einen in Wasser stehenden Turm. »Ein Glanzstück der Kupferstichkunst, von einen sehr grossen Meister« (Lehrs). Monogramm auf der Brüstung. Hamburg, Kunsthalle. (Alle diese drei Stiche werden in Naumanns Archiv VI (Harzen) dem Zeitblom zugeschrieben.) (Heliogravüren in der Publ. der Int. Chalk. Gesellschaft 1890, No. 14 bis 16.) Brustbild eines bartlosen Mannes mittleren Alters, nach rechts, hinter einer Brüstung. Tuch mehrfach um den Kopf geschlungen. Rechts und links herabfallendes Lockenhaar. Eine Warze auf der Nase. Rechts Ausblick durch ein Fenster auf bergige Landschaft mit einer befestigten Stadt am Flussufer. Pendant zu dem vorigen. Unbezeichnet. Basel, Kunstsammlung. Paris, Bibl. nat. Paris, Rothschild. (Naumanns Arch. VI (Harzen). P. II 363. 58. Lehrs, der Meister des Amsterdamer Kabinets 3. 3. Nicht publiziert.) — Stifterbildnisse oder diesen ähnliche Darstellungsformen sind mir auf Stichen des 15. Jahrhunderts nicht bekannt. Zweiter Teil. 1. Allgemeine Betrachtungen über das Werden und Wandeln des Bildnisses in der Tafelmalerei. Die ältesten Dokumente der Tafelmalerei gehen bis in das 12. und 13. Jahrhundert zurück. Ihre Erstlinge, die wir wohl in das 9. Jahrhundert verlegen dürfen, hat ein vorwärtsschreitender Kunstgeschmack der Nachgeborenen als wertloses Gut vernichtet. In der Hauptsache für Antependium und Altaraufsatz bestimmt und beschränkt auf das religiöse Stoffgebiet, hat sie, gleich der Wandmalerei und zäher als die beweglichere Kunst der Illuministen, bis etwa zum dritten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts an den altherkömmlichen Typen festgehalten. Nur gegen das Ende dieser Epoche hin macht sich, dem Vorgange der Buchmalerei folgend, eine Vorfrühlingsstimmung der neuen Zeit auf ihren Tafeln bemerklich: mit einem gleichsam schüchtern auf die Natur schielenden Blicke bahnt sich eine neue Darstellung, zunächst des menschlichen Umrisses an, — sowie sie gefunden ist, wird sie allerdings sofort ihrerseits wieder zur Konvention. Diese Neuerung erstreckt sich nur auf die Gestalt, vor dem Physiognomischen macht sie Halt: im Schwunge des Körpers, in einer künstlichen Biegung der Hüften, einer seitlichen Neigung des Kopfes und in der Gebärde suchen die Maler Leben und innerliche Empfindung der Dargestellten zum Ausdruck zu bringen, soweit eine solche freiheitliche Bewegung der unduldsame Charakter der Gotik gestattete und sie das durch den alles beherrschenden Vertikalismus geradezu hypnotisierte Auge überhaupt als zulässig erachtete. In jenem denkwürdigen dritten Dezennium jedoch ist eine Wandlung der künstlerischen Auffassung zu beobachten, die als ein Markstein in der Geschichte der deutschen Malerei bezeichnet werden muss: der Blick der Maler wendet sich ab von den Typen der älteren Buchillumineure und den »gotischen« Vorbildern auf der Kirchenwand und geht mit voller Entschiedenheit auf den Urquell aller Kunst, auf die Natur zurück. An allen Orten, fast gleichzeitig und unabhängig voneinander, gleichsam aus unsichtbaren Keimen einer neuen Luftströmung sich entwickelnd, treten individuelle Gestalten mit individuellen Gesichtszügen in den Tafelbildern auf, wie man sie vordem nie geschaut hatte, in Köln, in Niedersachsen, am Oberrhein, in Schwaben, Franken, Tirol, hier vereinzelt wie ein schüchterner, unbeholfener Versuch, dort zahlreicher und in vollendeten Persönlichkeiten von Mark und Bein. Von nun an wächst das Streben nach Wirklichkeit mehr und mehr, verwandelt in Gestalten von leibhaftiger Lebensform die aus Ueberlieferung und Konvention geborenen Schemen und führt schliesslich, mächtig gefördert durch die Kunst Italiens einerseits und die Flanderns andererseits, zur vollen Aufnahme der äusseren Natur, wie sie sich dem neu erschlossenen, aber mit Bewusstsein auswählenden und nach Neigung komponierenden Künstlerauge darbot, bei der einen Stammesgruppe mit stärkerer Betonung des ästhetisch Anmutenden, bei der anderen mit gleichwertiger Wiedergabe aller Zufälligkeiten, oft gerade mit Hervorhebung des Herben und Hässlichen, ja selbst zuweilen des Grausigen und Abstossenden, — führt zu dem grossen Phänomen der Wiedergeburt der Natur, zu dem mehr oder minder verklärten sogenannten ~Realismus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts~, aus welchem heraus die nach dem höchsten Idealismus, im reinsten Sinne des Wortes, ringende Kunst eines Dürers und eines Holbeins sich erheben sollte. Italien und vor allem Flandern, Giotto, Gentile, Mantegna und van Eyck, Roger und Bouts, wer könnte sich vor der Thatsache verschliessen, dass sie die deutsche Malerei des 15. Jahrhunderts, um ein berühmtes Wort zu gebrauchen, »in den Sattel gehoben« haben, reiten aber konnte sie aus eigener, nicht aus entlehnter Kraft. Die Vorbedingungen hierzu trug sie bereits in sich, das beweist ihre selbstständige Entwickelung auf anderen Gebieten, vor allem im Buchornament, dann aber auch die erstaunliche Schnelligkeit, mit der die Maler, den fremden Anregungen folgend, das mittelaltrige dekorative Prinzip aufgeben, und nicht zum mindesten die ersten, gleichsam tastenden Emanationen einer neuen Weise der malerischen Auffassung und Wiedergabe der Wirklichkeit, die vor dem südlichen oder nordischem Einflusse datiert werden müssen. Wer die bescheidenen Dorfkirchen und einsamen Kapellen, die Herrensitze und die abseits von der grossen Verkehrstrasse gelegenen Sammlungen durchwandert — denn dort, und nicht in den grossen Staatsgalerien liegen die Erstlingswerke der deutschen Tafelmalerei —, der wird vor manches Bild geführt werden, das die Merkmale des Anfanges oder der Mitte des 15. Jahrhunderts trägt und doch schon in einzelnen Zügen die neue Zeit präludiert, ohne dass irgend eine Beziehung zu einem romanischen oder niederländischen Thema zu entdecken ist. Wenn die schlichten Handwerker-Künstler, die jene Tafeln schufen, »Anregungen« von anderer Seite als der Natur erhalten haben, und das darf man wohl bei allen voraussetzen, so gewiss nur von dem Werke des nächsten Nachbars oder dem Bilderschmuck einer schönen Handschrift der Ortskirche, — die Fäden allerdings, die von Bild zu Bild führen, sind oft so spinnenhaft zart, dass sie samt den Punkten, wo sie angeknüpft sind, dem forschenden Auge sich entziehen. Wir müssen hier einen Moment innehalten und uns die Frage vorlegen, warum gerade in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts und nicht zu einer anderen Zeit der ~Wandel vom Typischen zum Individuellen~ eintritt. Im Mittelalter, so lautet die landläufige Antwort, fühlte der Mensch sich als Herdentier, er erkannte nur seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, einem Volke und allenfalls einer politischen Partei, er suchte und fand demgemäss seinen Wirkungskreis lediglich als Mitglied seines Standes oder seiner Korporation; erst mit dem 15. Jahrhundert begann sich in ihm das Bewusstsein zu bilden, dass er auch als Individuum eine gewisse Bedeutung habe, — er »entdeckte« sich innerhalb der Masse als Persönlichkeit. Bevor der Mensch sich nicht selbst als ein der Einzeldarstellung würdiges Objekt betrachtete, vermochte er nicht, andere nach seinem Bilde zu formen, sondern durfte sich wohl mit einer symbolischen oder einer konventionell-typischen Wiedergabe seiner Zeitgenossen begnügen. Das ist gewiss richtig, es fragt sich nur, ob der mittelaltrige Mensch sich wirklich erst zu jener Zeit »entdeckt« hat? Man sagt uns, der analoge Vorgang, d. i. das Hervortreten der Persönlichkeit, vollziehe sich zu dem nämlichen Termine auch auf demjenigen Gebiete, dem wir in erster Linie unser Wissen von der Vergangenheit verdanken, dem der ~Geschichtsschreibung~, und man sieht in diesem Umstand eine zweite Bestätigung dafür, dass die sogenannte Entdeckung des Menschen thatsächlich zu Anfang des 15. Jahrhunderts gemacht worden sei. Nun ist allerdings die historische Darstellung der Begebenheiten bis zu diesem Zeitpunkt entweder ein kritikloses Aneinanderreihen von mehr oder minder glaublichen Geschehnissen und Fabeln aus fernen Jahresläuften, die der Leser nicht selbst kontrollieren konnte, oder sie behandelt in kurzer, nüchtern registrierender Form die Kämpfe des Reichsadels mit den Städten und die der alten Geschlechter mit dem emporstrebenden Bürgertum. Von einem Erfassen der geistigen Persönlichkeit, von einer kritischen Schilderung ihres Wesens oder einer empirisch-psychologischen Begründung ihres Handelns ist keine Rede. Auch diejenige Art der Geschichtsschreibung, welche die Beobachtung der eigenen Persönlichkeit, die Innenschau, zum Untergrund und zur Voraussetzung hat, die ~Selbstbiographie~, ist mit einer Ausnahme, der Karls IV., erst im 15. Jahrhundert entstanden.[26] Diese Thatsachen sind nicht zu leugnen, folgt aber aus ihnen mit Notwendigkeit, dass der Mensch die Gabe der Selbstbeobachtung und somit das Bewusstsein von dem Werte seiner Eigenexistenz schlechterdings nicht auch schon früher besessen haben kann? Wird er sofort, nachdem dieses Bewusstsein in ihm erwacht ist, zum Pinsel und zur Feder gegriffen haben, um seine Freude über das neue Gefühl zu bekunden? Mit anderen Worten: muss Erkenntnis unbedingst zusammenfallen mit dem sichtbaren Ausdruck derselben in Bild und Wort? Ich glaube nicht. Wie stumme Dichter durch die Welt gegangen sind Jahrhunderte vor Homer und wie noch heute Poeten leben, die »keine Zeile schreiben, und vielleicht die besten«, ebensogut mögen Maler und Menschenkenner ins Grab gestiegen sein, ohne dass einer von ihnen auf den Gedanken kam, seinen Empfindungen Dauer zu verleihen. Und warum beruft man sich gerade auf die Geschichtsschreibung? Ist nicht auch die Kunst des Schauspielers (bez. die des dramatischen Dichters) »der Spiegel und die abgekürzte Chronik der Zeit«? Wollte man in ihr nach der »Entdeckung des Menschen« forschen, so würde man sie sicherlich nicht im 15. oder 16. Jahrhundert finden, denn weder in den rohen Fastnachtscherzen und den geistlichen Weihnachts-, Passions- und Osterspielen, noch in den bürgerlichen Possenaufführungen ist den Darstellern die Möglichkeit zu einer psychologischen Vertiefung ihrer Rollen gegeben. Wann wird auf diesem Gebiete der Typus überwunden? Mit Garrik, Schröder oder vielleicht erst in unseren Tagen? Oder warum sollte man nicht auch etwa so folgern dürfen: die älteste und die alles umfassendste der Kunstwelten ist die der Musik, — ehe nicht das in Tonlinien malende, charakterisierende Menschenbildnis gefunden war, darf von einem innersten Erfassen der Persönlichkeit nicht gesprochen werden? Aber wohin kämen wir mit diesem Termin! Und wie stimmen nun vor allem mit dieser Menschenentdeckung im 15. Jahrhundert die Naumburger Stifterfiguren und die ihnen folgenden individuell-charakteristischen Grabdenkmäler überein? Sieht man in den Naumburger Bildnisköpfen mehr als »den blos äusserlichen Individualzusammenhang der Muskelpartien« (Lamprecht), und zwar das Gepräge eines ganz bestimmten geistig-persönlichen Ausdrucks, so wird man nicht umhin können, bei ihren Urhebern eine Erkenntnis von dem Eigenwert des Individuums vorauszusetzen. Diese Beispiele, die reichlich vermehrt werden könnten, sollten nur darthun, dass eine Beweisführung auf Grund der Geschichtsschreibung für den vorliegenden Fall eine willkürliche ist, zum mindesten eine einseitige, dass überhaupt der Terminus a quo des Individualismus ein verschiedener sein muss je nach dem, was man unter diesem gar nicht zu begrenzenden Begriffe versteht, und schliesslich, was so häufig übersehen wird, dass die Darstellungsformen des Menschen in zeitlich und örtlich nebeneinanderliegenden Kunstgebieten einen recht verschiedenen Grad der Lebenswahrheit zeigen können. Es ist somit die Erzählung von der Entdeckung der Menschen meines Erachtens nach etwa folgendermassen zu formulieren: Ein Verständnis für die Bedeutung des Menschen als Sonderexistenz, gleichsam im Dämmerschein ihres selbstgegossenen Lichtleins erschaut, war bei einzelnen Individuen seit den Karolingertagen, bei begrenzten Bildungsgruppen seit der Stauferzeit vorhanden, mit ein wenig mehr Klarheit überträgt es sich gegen den Ausgang des Mittelalters auf die breiteren Massen des Volkes und tritt mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts, zuerst noch recht bescheiden und grobzügig, in Bild und Wort auf den Pergamenten der geschichtsschreibenden Pfaffenscharen und der städtischen Chronisten in die Erscheinung und ein wenig später auf den Tafeln der unzähligen Handwerker-Meister, die in der Hauptsache den Malerstand jener Zeit vertraten. Die am Eingange gestellte Frage hätte demnach folgende Beantwortung zu erhalten: Alles entsteht nach Gesetz. Es mag daher eine innere Notwendigkeit vorhanden gewesen sein, dass der Wandel vom Typischen zum Individuellen gerade am Anfang des 15. Jahrhunderts erfolgt ist, zu erkennen aber ist sie nicht, und ich bezweifele, dass, wenn jene entscheidende Wendung in der Entwickelungslinie der Malerei bereits hundert Jahre früher eingetreten wäre, sie der heutigen historischen Betrachtung unvermittelter und daher wunderbarer erscheinen würde. Zwei Fälle sind recht wohl denkbar, die einen solchen früheren Eintritt erklären würden: die That eines mit starker Anschauungskraft begabten Genies, welches die von einer andern Kunst, der Plastik, bereits gefundenen Ausdrucksformen malerisch verwirklicht hätte oder eine rascher als thatsächlich entstandene »Unlust an den alten Typen«, von der ich sogleich sprechen werde. Nachdem nun allerdings einmal der Weg vom Typischen zum Individuellen in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts in einer oder wahrscheinlich in mehreren Malerwerkstätten gleichzeitig betreten worden war, konnte das Neue in der bildnismässigen Darstellung infolge der damals zum Gemeingut gewordenen Anschauung, dass der Mensch auch ausserhalb Stand und Korporation etwas bedeute — und darauf schrumpft, wie wir gesehen haben, das Wort von der Entdeckung des Menschen zusammen —, zu keiner anderen Zeit eine gleich erstaunlich schnelle Verbreitung erfahren. — Können wir den Zeitpunkt des Wandels der künstlerischen Auffassung nur ungenügend begründen, so ist es uns eher möglich, ~das treibende Motiv~ desselben aufzudecken. Wie schon an anderer Stelle gesagt worden ist, beginnt die Belebung des starren Typus in der ~Buchmalerei~, und zwar in den Werken der französisch-niederländischen Illumineure. Von diesen geht sie rasch in die deutschen Handschriften über, und ihrem Vorbilde folgt wenige Jahrzehnte später die Tafelmalerei. Es handelt sich also darum, das Leben und Bewegung auslösende Moment dort zu finden, wo es zuerst in die Erscheinung tritt. Jede neue Geschmacksrichtung pflegt sich auf zweierlei Art aus der herrschenden zu entwickeln: entweder nach dem Gesetze der Uebereinstimmung, indem man die Abwechselung lediglich durch Steigerung des in dem alten Geschmacke bereits enthaltenen Reizes zu erreichen strebt — auf Michelangelo folgt Bernini — oder nach dem Gesetze des Kontrastes, indem man sich gerade nach einem starken Gegensatz zu der zum Ueberdruss gewordenen Richtung umsieht, — nach dem Rokoko der Empirestil. Der nicht mehr zu überbietenden Steifheit des Typus gegenüber konnte nur das letztere Gesetz zur Anwendung kommen, und in der That scheint es das Suchen nach dem Kontrast gewesen zu sein, welches zunächst den Umriss und dann die Binnenzeichnung der menschlichen Gestalt belebt hat. Wie dieser Vorgang im einzelnen sich abgespielt haben mag, das versucht Friedrich Carstanjen[27] etwa in folgender Weise auszuführen: Das Neue, was uns als Lebenswahrheit in der Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts begegnet, hat in der voraufgehenden Buchmalerei seine Entwickelungsvorstufen gehabt. Dort erscheint es uns wie eine plötzliche Zuwendung zur Natur, jedoch ist es im Affekt des Schaffens selbst, ohne einen Blick auf die lebende Wirklichkeit, lediglich als eine Folge der psychischen Ermüdung an dem Anschauen des immer und immer wieder gemalten Bilderschmucks gefunden worden. Die alten Typen hörten allmählich auf, Gegenstand lebhafter psychischer Erregung zu sein, und das anfänglich mit ihnen verbundene Lustgefühl schlug in das Gegenteil um. Unlust war die Voraussetzung der grossen Veränderung, nicht Naturoffenbarung, nicht Inspiration; ihr folgt die Lust am anderen und somit zur Veränderung, dieser verband sich das Suchen nach der Anderslösung, das Finden der Neulösung und schliesslich die Freude am gefundenen Neuen. Dieses Neue, mit dem die Buchmaler der Natur sich näherten, ohne es eigentlich beabsichtigt zu haben, bestand zunächst in der Belebung der Silhouette, der sich sehr bald die Detaillierung der von dieser umgrenzten Fläche anschloss. Detaillierung aber ist Ausdrucksvermehrung und zugleich der erste Schritt zur Modellierung. Jetzt erst, nachdem in dieser weltabgewendeten Malstubenarbeit grössere technische Fortschritte gemacht worden waren, steigerte sich auch die Intensität des Blickes für die Natur und — ich übergehe die Zwischenstufen— am Ende der Entwickelungsreihe steht der Realismus der Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts. So etwa Carstanjen, dessen Grundgedanken ich mich anschliesse, nur dass ich bei dem »Suchen nach der Anderslösung«, wobei das künstlerische Schauen, also das Auge, sich entwickelte, der notwendigerweise nebenhergehenden Naturbeobachtung eine gleich grosse Bedeutung beimessen möchte, wie dem Ringen nach neuen Ausdrucksmitteln.[28] 2. Die Schule von Prag. Der Entwickelung nach der Richtung des Persönlichen war eine deutsche Malerschule zeitlich ein wenig vorausgeeilt: die Schule von Prag. Aber trotz ihrer vielversprechenden Anfänge war ihr mitsamt dem goldenen Zeitalter Böhmens nur ein kurzes Leben beschieden gewesen, und die Spuren ihres Daseins, die sich vielleicht später bei einer anderen Künstlergruppe, der fränkischen, verfolgen lassen, sind wohl eher in der Komposition, in der Gewandbehandlung, in den kräftigen, starkknochigen Typen und in dem auffällig energischen Ausdruck des Auges zu erkennen, als in der weiteren Ausbildung des fein unterscheidenden Individuell-Charakteristischen. Doch müssen wir mit wenigen Worten bei ihr verweilen, denn sie ist die erste wirkliche deutsche Malerschule und hat die ersten bedeutenden, freilich noch recht nüchternen Bildnisköpfe auf der Malertafel hervorgebracht. Deutsche waren die Mitglieder der 1348 gegründeten Prager Malerzeche ihrer Geburt und Gesinnung nach, wenigstens die Mehrzahl, und die deutsche Richtung war in ihr die überwiegende. Das Fremdländische, welches hier wie auch in anderen deutschen Kunstschulen dem Heimischen neue Bahnen gewiesen hatte, es mächtig durchdrang und zweifellos gern und willig aufgenommen wurde, kam ihr zum Teil von der französischen Buchillustration, vor allen Dingen aber von der italienischen Wand- und Tafelmalerei. Französische Illumineurs waren an den Hof des Luxemburgers berufen worden, auch kommt ein französischer Meistername zu zweien Malen im Buche der Prager Zeche vor, und dass italienische Meister in Prag gearbeitet haben, ist nach einigen noch erhaltenen Werken, namentlich der Freskomalerei und des Mosaiks, ausser aller Frage. Ob freilich der vielgenannte Tommaso da Modena, gen. Mutina, selbst in Böhmen gewesen ist oder ob der viel herumwandernde Karl IV. Bilder von ihm bei seinem wiederholten Aufenthalt in Italien von dort mitgebracht hat, ist noch nicht aufgeklärt.[29] Am beredetsten spricht das deutsche Element aus den Resten der ~Wandmalerei~ in der ~Kollegiatkirche Mariä Himmelfahrt~ und aus den auf einer fortlaufenden Holztäfelung gemalten Bildern der ~Kreuzkapelle~ der auf steilem Felsenberge in der Schlucht des Beraunthales »in geheimnisvoll-priesterlichem Charakter« erbauten ~Burg Karlstein~. Als Hauptmeister derselben werden die pictores imperatoris, die Hofmaler ~Nikolaus Wurmser~ und ~Theodorich von Prag~ genannt. Auf die Wandmalereien, die dem elsässischen Künstler zuzuweisen sein dürften, ist schon hingewiesen worden. (S. 33.) Von den über hundert auf Holz gemalten Bildern der Kreuzkapelle, die mit Theodorich von Prag, thätig von 1348 bis 1375, in Verbindung gebracht werden müssen, sind mir nur die in der Kaiserlichen ~Gemäldesammlung~ zu ~Wien~ unter Nr. 1460 u. 1461 befindlichen Halbfiguren des heiligen ~Ambrosius~ und des heiligen ~Augustinus~ bekannt (letzterer abgebildet bei Janitschek): breitschulterige Gestalten mit starkknochigen Köpfen, gedrungenen Hälsen und mächtigen Nacken. Die klobigen Nasen mit den breiten Rücken, die wulstigen Lippen und die kräftig gebildeten Backenknochen scheinen an das slavische Volkstum zu erinnern, das den Meister umgab, dem er jedoch selbst, wie schon sein Name sagt, nicht wohl angehört haben kann. In der Wiedergabe aller Einzelheiten der äusseren Erscheinung erkennt man das Festhalten an ein lebendes Modell, zum mindesten an ein äusserst lebhaftes Erinnerungsbild an ein solches, und da in den beiden Heiligen auch neben dem Gedanken, der sie zur Stunde beherrscht, etwas von ihrem bleibenden inneren Wesen zum Ausdruck kommt, dürfen sie wohl als die ersten individuell charakteristischen Bildnisköpfe der deutschen Malerei grösseren Stiles bezeichnet werden. Aus welcher Kunst ist Theodorich von Prag emporgewachsen? Eine czechische hat es anscheinend nicht gegeben,[30] von den Miniaturen ist sein monumentaler Stil weit geschieden, die deutsche Tafelmalerei konnte ihm, wie auch die handwerkliche Wandmalerei, nur geringe Anregungen bieten, so kann als Ausgangspunkt seines Schaffens wohl nur die italienische Kunst angenommen werden, und zwar die Giottos und seiner Nachfolger. Bei der Besprechung einzelner Werke der bairischen und tiroler Schulen werden wir später auf die nämliche Wurzelgemeinschaft geführt werden. Der Auffassung und dem Stile Theodorichs sehr nahe stehend ist der ~Christus am Kreuz~ der ~Wiener Gemäldesammlung~, Nr. 1472, dort Wurmser genannt, gleichfalls aus Karlstein stammend; ferner verwandt, doch von geringerer Ausführung, das ~Altarwerk~ in der Veitskirche zu ~Mühlhausen am Neckar~, Württemberg, welches 1385 von einem Reinhard von Mühlhausen zum Andenken an seinen in Prag verstorbenen Bruder Eberhard gestiftet worden war, mit den knienden Figuren des Reinhard und des Eberhard, und ein grosses ~Votivbild~ aus Raudnitz, jetzt im ~Rudolphinum~ zu ~Prag~, Nr. 687, Klass. Bilderschatz Nr. 397, wohl ebenfalls aus den achtziger Jahren, mit den knienden Figuren Karls IV. und seines Sohnes Wenzel und, auf dem unteren Theile, des kunstfreundlichen Erzbischofs Očko von Wlaschim. Die thronende Madonna, heilige und profane Personen sind auf diesem von Očko gestifteten Bilde in ein und demselben Massstabe gebildet,[31] Karl und Wenzel tragen die Krone, der Erzbischof die Mitra und in den Händen die crux archiepiscopalis; an der bunten Tracht des jugendlichen Prinzen sind die langen, von den Oberärmeln herabfallenden Pelzstreifen bemerkenswert, eine Mode, die um das Jahr 1370 aufgekommen war. An die lebenatmende Kraft der Heiligen Ambrosius und Augustinus reichen diese porträtartigen Bildnisse jedoch nicht im entferntesten heran. [Illustration: ~Votivbild aus Raudnitz, Rudolphinum. Oberer Teil.~ Nach einer Photographie von J. Löwy, Wien.] Während das starke Temperament Meister Diedrichs die Sprache der oberitalienischen Vorbilder in die eigene übertrug und somit Werke von selbständiger Bedeutung geschaffen hat, die mit vollem Rechte für deutschen Geistes genommen werden dürfen, zeigt sich in einigen andern der damals in Böhmen entstandenen Bilder und Mosaiken der fremde Einfluss so wenig verarbeitet, dass man wohl kaum in der Annahme irrt, sie seien von italienischen Künstlern ausgeführt worden; für die Geschichte des Bildnisses sind sie überdies belanglos. Aus ihrer Gruppe sei nur das 1371 vollendete ~Mosaikbild des jüngsten Gerichts~ über dem südlichen Querhausportale des ~Prager Domes~ hier erwähnt — von dem ausdrücklich gesagt wird, es sei more graeco ausgeführt —, weil es, allerdings in roher Arbeit und schlechter Erhaltung, die Bildnisse des Kaisers und seiner Gemahlin enthält, meines Wissens das einzige Beispiel der Darstellung lebender Personen damaliger Zeit in dieser Kunstweise. Ueber einen im südlichen Böhmen am Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts thätig gewesenen Maler ist die bisherige Forschung noch nicht zu einem abschliessenden Ergebnis gelangt, im allgemeinen wird er jedoch für die deutsche Richtung in Anspruch genommen. Von seinen ältesten Werken besitzt die Stiftskirche zu ~Hohenfurth~ ein ~Marienbild~, von welchem sich eine 50 bis 60 Jahre spätere Kopie in der ~Minoritenkirche~ zu ~Krumau~ befindet, ferner in der ~Bildergalerie des Stiftes Hohenfurth~ eine ~Madonna~ mit dem Kind und einem porträtartigen Stifter, einen Mönch in der ursprünglich schwarzen Ordenstracht der Cisterzienser (später weisse Kutte und schwarzes Skapulier), aus dessen Händen das Spruchband mit den Worten miserere mei deus emporflattert, und ein ähnliches ~Marienbild~ in der Dominikanerkirche zu ~Budweis~. Sämtliche vier Bilder sind von einer hölzernen Rahmendekoration umgeben, welche mit Engel, Heiligen- und zum Teil Propheten- und Donatoren-Figuren geschmückt ist.[32] Thode spricht demselben Meister auch die Reste eines aus Wittingau stammenden ~Altarwerks~ zu, jetzt im ~Rudolphinum~ zu Prag, »das offenbar zu den bedeutendsten Schöpfungen der böhmischen Schule gehörte« und sieht in ihm, den er als ~Meister von Wittingau~ bezeichnet, den Träger des böhmischen Einflusses in die Schule von Nürnberg, insbesondere denjenigen Meister, welcher die Kunstrichtung des Meisters des Imhofschen Altars in entscheidender Weise bestimmte. Nachdem das Hussitentum in Böhmen alle Kultur vernichtet hatte, geriet die Prager Malerschule in der Spätzeit des 15. Jahrhunderts unter den Einfluss Wolgemuts und seiner Werkstatt, ohne es jedoch von nun an zu bedeutenden Leistungen zu bringen. 3. Alt-Köln und seine Einflusssphäre. Die Tafelmalerei der kölnischen Schule nahm ihren Ausgangspunkt von der seit dem frühen Mittelalter in den romanischen Kirchen des alten niederrheinischen Kulturlandes lebhaft betriebenen und noch in manchen stattlichen Resten erhaltenen Wandmalerei, und wie diese scheint sie ihre ersten wirklich künstlerischen Anregungen in der Mitte des 14. Jahrhunderts von den französisch-niederländischen Miniaturen und der auf herbe Naturwahrheit gerichteten burgundischen Steinplastik erhalten zu haben. Der starke Wirklichkeitssinn, der diese letzteren Werke kennzeichnet, vor allen die eines Claus Sluter, spricht auch aus den Erstlingen der Schule von Alt-Köln, seltsamerweise also just dasjenige Element, welches die niederrheinische Kunst in ihrem Blütenalter ermangelt. Als bezeichnende Beispiele dieser markig-männlichen Art sind die kleinen Tafeln No. 2 bis 5 des Kölner Museums zu nennen: der sanfte, blauäugige (!), aber durchaus nicht weichliche ~Johannes~ und der energische ~Paulus~, beide im Schmucke ihres gelbblonden, echt germanischen, in parallelen Wellenlinien gelockten Haares, eine ~Verkündigung~ und eine ~Darbringung im Tempel~. Die Verwandtschaft dieser aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammenden Bildchen mit der Wandmalerei wird deutlich, wenn man sie z. B. mit den etwa gleichzeitigen urkräftigen, gross und monumental wirkenden ~Prophetenköpfen~ vergleicht, welche einst an die Wände des Hansasaals im Kölner Rathaus gemalt waren und die jetzt das Museum unter No. 205 bis 208 aufbewahrt, desgleichen mit dem aus dem nämlichen Saale überführten, wie die Propheten in Konturen und Farben stark übermalten ~Fürstenporträt~ No. 209, welches, ausser an seinem Wappenschild mit dem böhmischen Löwen, an seiner allgemeinen typischen Uebereinstimmung mit anderwärts erhaltenen Darstellungen der nämlichen Persönlichkeit, als Karl IV. zu erkennen ist. Auch die Passionsszenen in der oberen Reihe der Darstellungen auf dem ~Clarenaltar~ im ~Kölner Dom~ sind noch von einem mittelaltrigen Künstler der herben Art gemalt, während die übrigen, zum Teil sehr reizvollen Bildchen dieses Altars als eine Uebergangsstufe zu der Kunst der neuen Zeit angesehen werden müssen. Der Einfluss sowohl des strengen als auch des Uebergangstils lässt sich bis nach weit von Köln entfernten Gegenden verfolgen, am deutlichsten den Rheinstrom aufwärts, auf Wand- und Tafelmalereien und besonders auch auf den Glasfenstern oberdeutscher Kirchen (z. B. Wimpfen am Neckar, jetzt im Darmstädter Museum). Schon im Clarenaltar und den ihm nahestehenden Werken, wie in den ~Heiligentafeln~ unter No. 7 und 8 des ~Kölner Museums~, auffälliger noch in den bekannten ~Meister Wilhelm Madonnen~, sind die Nachklänge handfester burgundischer Wirklichkeitskunst verflüchtet, das Strenge ist dem Anmutigen gewichen und es beginnt sich jener geheimnisvolle Zauber des weltfremden, seraphisch-reinen, »kölnischen Typus« auszuprägen, der mehr als ein halbes Jahrhundert der niederrheinischen Schule zu eigen ist, der ihren Weltruhm begründet hat und den noch heute viele, jedenfalls die Mehrzahl der fremdländischen Kunstfreunde, höher bewerten, als den urwüchsigen und bäuerischen, darum aber nicht minder echt deutschen Typus der fränkischen Kunst. Wer hatte dem Meister der Madonna mit der Wicke und seinen Mitstrebenden die neue, von der Realität der Erscheinungen abgewandte Gesinnung eingegeben und wer hatte sie die Wege gewiesen von einem im wesentlichen zeichnerischen und kolorierenden Umrissstil zu einem vorwiegend malerischen, wer hatte sie ihre tiefen, warmen, goldgetränkten Töne gelehrt? Erst etwa zwanzig Jahre nach dieser grundstürzenden Stilwandlung, wurde in der Johanniskirche zu Gent das Wunderwerk des eyckschen Altares aufgestellt, — alle Keime, so kann man in jeder Geschichte der nordischen Kunst lesen, aus denen das 15. Jahrhundert zu einer gewaltigen Kunstepoche emporwachsen sollte, sind in ihm enthalten, und dennoch steht uns in der Madonna mit der Wicke bereits eine ~malerische~ Schöpfung voll tiefster Innigkeit, gefühlvollster Empfindung und zartester Seelenplastik vor Augen! Das Rätsel harrt noch seiner befriedigenden Lösung, aber bis auf weiteres dürfen wir wohl die Schilderkunst von Köln als eine autochthone bezeichnen und seine Erklärung in diesem besonderem Falle mit Hotho, Schnaase u. a. im »Volks- und Zeitcharakter« suchen, der uns in jener geheimnisvollen, philosophisch-religiösen Strömung entgegentritt, welche seit den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts vom Rheine her sich über ganz Deutschland mit Ausnahme des Kolonialgebietes verbreitet hatte, eine Verfeinerung der frühmittelaltrigen Askese und ein erstes leises Wehen des protestantischen Geistes, die wir heute unter dem Worte ~Mystizismus~ begreifen. Wer die ausführenden Künstler all dieser Werke waren, sowohl die der strengen als die der freieren, wir wissen es nicht. Die Namen, die genannt werden, stützen sich auf mehr oder minder einleuchtende Vermutungen, doch wird jetzt ziemlich allgemein als Vertreter der älteren Richtung ~Wilhelm von Herle~ genannt, dessen die Urkunden zwischen 1358 und 1380 gedenken, und als Repräsentant der jüngeren ~Hermann Wynrich von Wesel~, der zwölf Jahre nach Wilhelms Tode dessen Witwe geheiratet hatte und selbst bis 1413 thätig gewesen ist. Einen Uebergangsmeister vom alten zum neuen Stil, wie er etwa in dem des Clarenalters zu suchen wäre, nennt die Kunstgeschichte nicht. Das demnächst von berufener Seite zu erwartende Werk über die Kölner Malerschule wird, wie mir sein Verfasser, Hofrat Aldenhoven, mitteilte, darauf verzichten, neue Namen-Hypothesen aufzustellen. Bis auf weiteres wird man daher gut thun, mögen sie nun auf Wahrheit oder Dichtung beruhen, die einmal gewählten Bezeichnungen Wilhelm und Hermann Wynrich beizubehalten, da sich mit ihnen einigermassen bestimmte Vorstellungen von zwei verschiedenen Stilweisen verbinden. Was die niederrheinischen Maler am Ausgange des 14. und in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts auf dem Gebiete der Bildnismalerei geleistet haben, entzieht sich unserer Kenntnis, denn die wenigen der erhaltenen Stifterfiguren sind übermalt oder sie sind in winziger Gestalt vollkommen handwerksmässig ausgeführt. Die Wirklichkeitserscheinung bestimmter Persönlichkeiten scheint das blumenhafte Wesen der uns bekannten Altarwerke noch auszuschliessen, jedoch sei immerhin die Bemerkung Merlos über ein mir nicht bekanntes ~Stifterbildnis~ des Erzbischofs von Trier, Cuno von Falkenstein, in der ~Castorkirche von Koblenz~, nach 1388, hier erwähnt: »die Porträtfigur könnte einen sprechenden Beleg von dem hohen Rufe geben, den unsere Künstler als Bildnismaler sich erworben hatten«, und ferner: es seien in ihr die individuellen Züge bestimmt und lebendig dargestellt worden. Bekanntlich sagt auch die Limburger Chronik unter dem Jahre 1380 von einem Meister Wilhelm: »want he malte einen iglichen Menschen von aller gestal, als hette ez gelebet«. Freilich ist bei dieser auffälligen Bemerkung zu berücksichtigen, dass sich seit den Tagen des Chronisten infolge einer unausgesetzt fortschreitenden und noch lange nicht abgeschlossenen Entwickelung des Seh- und Darstellungsvermögens die Ansprüche an Lebenswahrheit und Porträtähnlichkeit ganz gewaltig gesteigert haben. Erzählte man doch schon von der kindlichen Kunst eines Dädalos, sie hätte Bilder hervorgebracht, von denen man gefürchtet habe, dass sie von ihren Postamenten herabspringen und sich davon machen würden, und selbst was Vasari lobt »als wäre es lebendig«, will unserem modernen Auge oft als ein recht schwaches Abbild der Wirklichkeit erscheinen. [Illustration: ~Kölner Dombild~ von Lochner. Nach Photographie.] Von einem frühen Porträtversuch (Karl IV.) ist schon die Rede gewesen; es sei hier noch auf das kühne Unternehmen eines Wynrich-Nachfolgers hingewiesen, die gewaltigste Gestalt der deutschen Vergangenheit, ~Kaiser Karl den Grossen~, im Bilde zu verkörpern. Im Chor des ~Aachener Münsters~ befindet sich ein Altar, auf dessen einem Flügel auf der Aussenseite der Fürst in ganzer stehender Figur auf rotem, goldgemusterten Grunde dargestellt ist. Er hält in der Rechten den Reichsapfel, die Linke ruht auf dem Turm des Münstermodells, ein Vollbart bedeckt Wangen und Kinn, und braune Locken umkränzen das unbedeutende freundliche Gesicht, das irgend einem sanften Heiligen besser anstehen würde als dem Bezwinger der Sachsen und Friesen. Von Grösse, Kraft und Majestät ist in dieser schmalbrüstigen, dürftigen, gebückten Körperlichkeit keine Spur zu finden. Wie ganz anders hätte uns ein Prager oder ein Nürnberger Künstler das Ideal des Weltherrschers vorgeführt. — Erst gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts dringt in der kölnischen Malerei, trotzdem das Streben nach Typenbildung noch vorherrschend bleibt, ganz leise wieder ein naturalistisches Element hindurch, und in den Männerköpfen auf dem ~Dombilde Meister Stephans~ ist zum ersten Male eine deutlicher als bei Wynrich und seiner Schule zu erkennende — denn der Trieb, Lebendiges zu erzeugen, war auch dort vorhanden —, wenn auch verklärte oder, wenn man so sagen darf, ideale Individualisierung zu beobachten. Wiederum erhebt sich hier die Frage nach der treibenden Kraft, die diesen Wandel bewirkt hat. Das Dombild muss zwischen 1440 und 1450 entstanden sein, nicht, wie man früher annahm, um 1410. Der Genter Altar war 1432 aufgestellt worden, recht wohl also hätte ihn Stephan Lochner auf seiner Wanderung von Oberdeutschland nach dem Niederrhein sehen können, und diese Möglichkeit pflegt jetzt allgemein als Wahrscheinlichkeit betrachtet zu werden. Mir persönlich kommt die Verwandtschaft zwischen beiden Werken nicht so auffällig vor, als dass sie nicht auch aus der allgemeinen Zeitströmung und der doch im Grunde recht ähnlichen Eigenart der beiden Volksstämme, aus der heraus sie geschaffen worden sind, erklärt werden könnte. Ueberdies stehen meinem Gefühle nach die Typen des Dombildes, insbesondere einige Köpfe des königlichen Gefolges, der schwäbischen Kunst mindestens ebenso nahe wie der flämischen. Gänzlich verschieden von Eyck ist bei Lochner die für jenen so bezeichnende Behandlung der Hände, und dieser Umstand scheint mir wohl der Beachtung wert zu sein. Während Eyck mit einer erstaunlichen und bis dahin unbekannten Geschicklichkeit unter der lebendigen, mit Adern, Sehnen und feinen Linien gemalten Epidermis das organisch richtig und sicher gefügte Knochengerüst dieses so bedeutungsvollen Gliedes des menschlichen Körpers erkennen lässt, giebt Lochner, ähnlich seinen kölnischen Vorgängern, nur den ganz allgemeinen, wie aus der Ferne gesehenen Eindruck einer Hand, ohne sich um ihre gesetzmässige Fügung sonderlich zu kümmern und ohne sich um die Detaillierung der Hautoberfläche zu bemühen. Sollte Lochner dieser auffällige Fortschritt entgangen sein oder sollte er, der selbst ein Neuerer war, ihn nicht gebilligt haben? Beides ist schwerlich anzunehmen. Thatsächlich hat erst derjenige kölnische Meister die Neuerung aufgenommen, dessen Beeinflussung durch Eyck, bez. dessen Nachfolger unzweifelhaft ist, der des Marienlebens. Auch ist bei dieser Herkunftfrage zu berücksichtigen, dass die Maltechnik des Bildes noch die alte ist, ohne Verwendung eines eyckschen Bindemittels, und hinter die Geheimnisse einer neuen Technik zu kommen, war wohl damals, gerade so wie heute, das erste, darum ein Künstler sich bemühte, umsomehr, wenn es sich um eine »Erfindung« handelte, welche die gesamte Malerschaft in das grösste Erstaunen setzte. Wenn man nun bedenkt, dass Lochner allem Anschein nach als ein fertiger Meister erst zwischen 1430 und 1440 von seiner Heimat am Bodensee nach Köln gekommen ist und dass ihn sein Weg voraussichtlich über Basel und durch das Elsass geführt hat, wo überall eine recht tüchtige, auf Naturwahrheit gerichtete Kunstübung im Schwunge war, so scheint die Möglichkeit nicht fern zu liegen, dass er vom Oberrhein und nicht von der Schelde die neue Kunstgesinnung nach Köln gebracht hat. Ob freilich das, was Lochner auf seinem Reiseweg gelernt haben mag, bereits durch irgend welchen Vermittler dorthin von den Niederlanden gebracht worden war, und somit das Dombild doch wenigstens mittelbar von frühflandrischer Kunst beeinflusst ist, das möge dahingestellt sein. Was die ideal-individualisierten Gestalten Meister Stephans von denen der Wilhelm-Gruppe rein äusserlich unterscheidet, sind ihre besser proportionierten, gedrungenen und nicht mehr über die Gebühr in die Länge gezogenen Gliedmassen, die mehr rundlichen, statt länglich ovalen Gesichtsformen und das Vermögen, mit festen Füssen auf dem Erdboden zu stehen, — das letztere eine Errungenschaft, über die der Meister sich so gefreut zu haben scheint, dass er auf dem einen Flügel des Dombildes, dem mit Gereon und seiner thebaischen Legion, an selbstbewussten breitbeinigen Stellungen des Guten schon etwas zu viel gethan hat. Obgleich gewiss anzunehmen ist, dass auch das Kölner Dombild wie so viele Altäre jener Zeit dem frommen Sinne eines oder mehrerer zu diesem Zwecke vereinigten Patrizier seine Entstehung verdankt, kann doch wohl keine der dargestellten Personen als das Porträt eines Bestellers angesprochen werden. Es ist das allerdings einer der zahlreichen Fälle, wo zwischen Porträt und Nicht-Porträt das subjektive Gefühl der einzige Richter sein muss. Andere haben in den beiden Königen Bildnisse von Lebenden vermutet. So sagt Wallraf in seiner Beschreibung von dem Bilde bezüglich des knienden Kaspar: »Vielleicht ist er ganz die Abbildung eines der ehrwürdigsten edlen Ritter Kölns jener Zeit, der auch ein Weiser, ein König seiner selbst war,« und bezüglich des ebenfalls knienden Balthasar, der den köstlichen Pokal überreicht: »Die Wendung seines Angesichts und der Blick seines linken Auges scheint es zu verraten, dass er auch ein Abbild eines Lebenden sei.« »Er ist vielleicht nach einem lebendigen Originale aus unserer alten Ritterfamilie der Sapphieren oder Blauen.« Nichts des Porträtartigen ist jedenfalls in der in ~Darmstadt~ befindlichen ~Darstellung im Tempel~ enthalten, Klass. Bilderschatz 61, einem der poesievollsten Bilder der gesamten deutschen Kunst, bez. 1447, dagegen mutet unter den Verdammten des ~jüngsten Gerichts~ im ~Kölner Museum~ — Mittelbild eines Altars der Laurentiuskirche, andere Teile in Frankfurt und München —, den Kardinälen, Bischöfen und feisten Mönchen, uns manches Gesicht wie das Porträt eines Lebenden an. (Abbildung S. 195.) Zu der zeitlichen Aufeinanderfolge der lochnerschen Werke bemerke ich, dass Aldenhoven das jüngste Gericht nicht wie bisher üblich an das Ende, sondern an die Spitze derselben setzt. Nach ihm hätte Lochner die auf dieser Tafel so auffällig tiefen Farben, das satte Blau, Grün und Rot, aus seiner oberdeutschen Heimat (Konrad Witz) mitgebracht oder sie bei einem etwaigen Aufenthalt in Burgund sich angeeignet; unter dem Einfluss der sog. Wynrich-Werke seien dann diese Farben allmählich verflaut, gleichzeitig aber habe sich unter dem nämlichen Einfluss das Lochner bis dahin fehlende Gefühl für Schönheit und Bildwirkung entwickelt. Für diese Annahme Aldenhovens würde sicherlich auch die derb realistische Darstellungsweise, die oft getadelte stoffliche Ueberlastung und die gar zu gewaltsame dramatische Belebung des jüngsten Gerichts sprechen. Von den wenigen Stifterbildnissen, die mir von Lochner bekannt sind, befindet sich eins in winziger Gestalt zu Füssen der ~Madonna mit den Veilchen im erzbischöflichen Museum zu Köln~. Es stellt Elisabeth von Reichenstein dar, die 1452, ein Jahr nach des Meisters Tode, als Aebtissin des Cäcilienstifts genannt wird; sie ist auch hier noch nicht mit den Abzeichen ihrer Würde versehen; 1485 ist sie gestorben. Ueber ihr Alter auf dem Bilde ist nicht mehr zu sagen, als dass sie die erste Blütezeit der Jungfrau überschritten und die volle Reife der Frau noch nicht erreicht hat. Ihr Spruchband enthält die später erneuerten Worte: Dulcis de nato veniam michi virgo rogato ... insta u(t) se(mper) ... videam tunc(?) sine fine quiescam. Dass Lochner die Stifterin in verkleinertem Massstabe gebildet hat, entspricht dem Herkommen, das in Köln erst einige Jahrzehnte später durchbrochen wird. Aber mit welch feinem Gefühl für das Dekorative hat er das zierliche, an die Meissner Porzellankunst erinnernde Figürchen zur tektonischen Hervorhebung der Gestalt der Gottesmutter benutzt! Gleich einem geschickt in das Bild hineingesetzten ornamentalen Schnörkel betont es die himmlische Erscheinung, ohne auf sich selbst den Blick des Beschauers zu lenken. Man denke sich an seiner statt etwa einen blühenden Lilienstengel, und der Eindruck des Bildes wird nicht anmutiger und lieblicher werden. Glücklicher ist das so schwierige Stiftermotiv wohl niemals gelöst worden. [Illustration: ~Madonna~ von Lochner im erzbischöfl. Museum zu Köln. Nach Photographie.] Die erzbischöfliche oder Seminarmadonna, wie sie gewöhnlich bezeichnet wird, wurde von Schnaase dem Dombildmeister abgesprochen, wohl mit Unrecht. Kämmerer, der an ihrer Echtheit nicht zu zweifeln scheint und sie um 1435 datiert, ohne für diese frühe Zeit die Gründe anzugeben, knüpft an sie eine für die Frage des niederländischen Einflusses interessante Betrachtung. Er sagt, die berühmte Madonna mit dem Springbrunnen des Jan van Eyck in Antwerpen, bez. 1439, bedeute einen vollständigen Wechsel in der Auffassungsweise dieses Meisters, und die Erklärung für diesen auffälligen Wandel sieht er in unserer Seminarmadonna. Van Eyck habe sich hier »zum ersten und letzten Male der Ueberlegenheit fremden Genies gebeugt«. Die geistvolle Beweisführung wolle man an Ort und Stelle nachlesen, dabei jedoch die Achillesferse nicht übersehen, nämlich die Voraussetzung, dass die Seminarmadonna älter sei als die eycksche Komposition.[33] Die auf Lochner folgenden kölnischen Meister geraten nun willenlos in den übermächtigen Bann der grossen eyckschen und besonders der nach-eyckschen Muster. Durch sie wird das bisher selbständige, seit Hermann Wynrich mehr auf das Schöne als auf das Wahre gerichtete Wesen ihrer Kunst gewaltsam aus seinen Bahnen geworfen, und nicht zu seinem Vorteil. Das Angeborene ist immer wertvoller als das Anerworbene, in der Kunst wie im Leben. Kölnischer Eigenart widersprach zudem der rücksichtslose Naturalismus eines Roger und Dirk Bouts, und der von den nordischen Nachbarn übernommene fremde Geist war daher nicht imstande, ihre Kunst einer neuen und eigenen Frucht entgegenreifen zu lassen. Mit Meister Stephan wird auch die alte kölnische Kunst zu Grabe getragen, und was auch des Schönen und Lebenswahren die neue noch hervorbringt, der Fluch der Nachahmung haftet sich doch an ihre Werke. Freilich von einem Verfalle kann auch jetzt noch nicht die Rede sein, selbst die ersten Symptome eines Rückgangs entziehen sich noch lange Zeit dem minder geübten Auge. Der ~Meister des Marienlebens~, — seine Benennung nach der viel unbedeutenderen und derberen Lyversberger Passion, einem Schul- oder Werkstattbild, darf wohl als endgültig beseitigt angenommen werden, — thätig etwa seit der Mitte des Jahrhunderts, ist der erste, bei dem sich die Folgen der Abwendung von der heimischen Art bemerklich machen. Unter dem Einflusse des Holländers Dirk Bouts, der wahrscheinlich sein Lehrer gewesen ist, haben die Köpfe seiner Gestalten das, was sie an Individualität zweifellos gewonnen haben, an heimlichem Reiz verloren. Das Materielle beginnt das Immaterielle zu verdrängen, die Physis die Psyche, — eine Niederlage der reinen Schönheit, wenn auch ein Sieg der Wahrheit und mit ihm zugleich ein erster Schritt nach der Entwickelung zum Porträt. Auf den Altarbildern dieses lange Zeit den Ton angebenden Meisters erscheinen lebendigere und persönlichere, nicht mehr ideal verklärte Gesichter, und da die Individualisierung durch peinlich genaue Wiedergabe der einzelnen Teile der Physiognomie erstrebt wird, der Muskellagen, Falten, Hautwucherungen, Fettansammlungen und dergl., beginnen nun auch die geradezu hässlichen Alltagserscheinungen von der Strasse ihren Einzug auf der Malertafel zu halten. Am zähesten haftet das Typisch-Schöne an den Zügen der Frauen, doch werden auch sie im Ausdruck ein wenig mehr voneinander unterschieden als ehedem. Ob in einzelnen Personen seiner Darstellungen wirkliche Bildnisse, etwa die Besteller oder auch er selbst, zu erkennen sind, mag wiederum dem subjektiven Gefühle zu entscheiden überlassen sein; mancher Kopf, wie z. B. der des Josef auf der Anbetung der Magier, München, No. 30, könnte wohl für ein Porträt angesprochen werden. Den Stifterbildnissen, zwar meist noch immer in der überlieferten, ein wenig verkleinerten, aber durchaus nicht winzigen Gestalt, wendet der Meister des Marienlebens und seine Nachfolger eine vermehrte Sorgfalt zu. Ganz hervorragend ist der Porträtgehalt namentlich bei den Gliedern jener Familie, die sich auf zwei Flügeln des Kölner Museums — unnumeriert, das Mittelbild fehlt — hat darstellen lassen: auf dem einen der von der h. Katharina empfohlene Stifter mit acht Knaben, auf dem anderen, unter dem Schutze der h. Barbara, die Stifterin mit sieben Mädchen; Charakter und intellektuelle Beanlagung ist so deutlich auf diesen Gesichtern zu lesen, dass man, wenigstens auf der männlichen Seite, für jedes einzelne das moralische und geistige Signalement schreiben könnte. Firmenich-Richartz glaubt in der Lage zu sein, eine ganze Reihe von des Meisters Stifterbildnissen mit den Namen der Dargestellten bezeichnen zu können und noch mehr von denen, die auf den zahlreichen Werkstatt- oder sonst verwandten Bildern vorkommen. Es sind dies u. a. von dem Meister selbst: ein Stifterporträt des Kardinals Nikolaus Cusanus (?) auf einem ~Altar~ der ~Hospitalkirche zu Cues~ an der Mosel, die Professoren Lambert und Gerhardus und der Kanonikus Johannes de Monte, alle drei vorzügliche Bildnisse auf einem ~Altar~ im ~Kölner Museum~, No. 73 bis 75, bei denen der Unterschied zwischen den nach dem Leben porträtierten, hässlichen und missmutig dreinschauenden Donatoren und den wenigstens einigermassen idealisierten Heiligen recht auffällig ist; ferner ein Stifter im Pelzringkragen und mit goldener Ordenskette aus der Ritterfamilie Schwartz-Hirtz auf der ~Heimsuchung Mariä~, ~München~ No. 27. Von den unbekannten Stiftern auf dem Bilde No. 1235 in ~Berlin~, ~Madonna mit Heiligen~ auf Rasenbänken in einer Laube sitzend, sind die männlichen Köpfe der beiden Alten entschieden als individuell-charakteristisch zu bezeichnen, während die der jüngeren die allgemeinen Züge anmutig-lieblicher Jugend tragen. Dieselbe Stifterfamilie soll nach Firmenich-Richartz vielleicht auch auf zwei Flügeln eines ~Altars~ der ~Sammlung Domagen in Köln~ vorkommen (Werkstattbild); ein Kanonikus Bernardus de Reyda, hölzern und ungeschickt ausgeführt, auf No. 34 in ~München~ (Schulbild). Ein unabhängiges Einzelporträt dieses Meisters glaubt Thode in dem ~Brustbild eines jungen Mannes~ im Besitz der Frau ~Hainauer~, ~Berlin~, zu erkennen, welches sich 1898 auf der Berliner Renaissance-Ausstellung befand. Im Katalog (Friedländer) wurde es »niederländisch« genannt, um 1510 entstanden. Von dem gleichzeitigen ~Meister der Glorifikation Mariä~ sind keine Stifterbildnisse bekannt. Die Köpfe auf seiner grossen ~Verherrlichung der Gottesmutter~, ~Köln~, sind Typen der lochnerschen Art, nur wie von einem Hauch kräftigerer Individualisierung belebt, derber und bäurischer. Stärker ist der niederländische Charakter (Roger van der Weyden) in dem einzig bekannten Bilde des ~Meisters des Georg- und Hippolytaltars~, ~Köln~, ausgeprägt, das hier um seines Stifters willen erwähnt werden mag, des 1473 verstorbenen Patriziers Peter Kannegiesser, dessen zahlreiche Familie in unbedeutenden, nichtssagenden Figürchen auf den Aussenseiten erscheint. [Illustration: ~Heilige Sippe.~ (Teilbild.) Köln, Museum. Nach Photographie.] Vortrefflichen individuell-charakteristischen Männerköpfen begegnen wir auf den Bildern des ~Meisters der heiligen Sippe~, nachweisbar thätig von 1484 bis etwa 1509, der sich anfangs in ähnlichen Bahnen wie der Meister des Marienlebens hält und erst später sich völlig und widerstandslos dem flandrischen Einfluss hingiebt, aber nun nicht mehr wie die früheren Roger van der Weyden und Dirk Bouts zum Vorbild nimmt, sondern die Brügger Meister, an deren Spitze seit 1484 Gerard David stand. Die gesamte kölnische Kunst hatte bisher noch nie so energisch nach der Natur studierte Charakterköpfe hervorgebracht, wie die auf des Meisters grossem ~Sippenbilde in Köln~, No. 116, jede einzelne Erscheinung eine für sich abgeschlossene, stark ausgeprägte Persönlichkeit, so vor allem der links stehende, hohlwangige, greise Kleophas mit dem scharf hervortretenden Kinn, dem hohen, spärlich behaarten Schädel und dem Ausdruck unüberwindlicher Entschlossenheit in den aus der Tiefe hervorleuchtenden Augen, oder der auf eine Brüstung hinter Maria gelehnte Joachim, in langem, strähnigem Haupt- und Barthaar, das faltige, wie in Wind und Wetter verwitterte Gesicht dem Christkinde zuwendend und ernst, trübe, beinahe verdrossen unter den halbgesenkten Lidern nach ihm hinblickend. Porträts von Lebenden darf man in den Verwandten Christi wohl nicht vermuten, es sei denn in Alpheus, jenem Kopf am weitesten links, (nicht auf der Abbildung) den Beschauer scharf fixierend, der auch auf der ~Kreuzigung~ in ~Nürnberg~, No. 29, Klass. Bilderschatz 499, erscheint, bei welchem der Gedanke an ein Selbstporträt des Meisters nicht allzu fern liegt. Die Frauen aber auf dem Sippenbild mit ihren hohen Stirnen, den rundlichen rosigen Wangen, dem herabwallenden Goldhaar und ihrem holdlieblichen Ausdruck, haben schlechterdings nichts Porträtartiges, das sind noch die altvertrauten, sittsam schalkhaften Blumengesichtchen der guten vergangenen Zeit. Von den Donatoren auf den Flügeln, angeblich Johann Hackenay nebst Vettern und Basen — eine Aehnlichkeit mit der gesicherten Darstellung dieser Familie auf dem Bilde des Meisters vom Tode der Maria, No. 152 des Museums, vermag ich freilich nicht zu entdecken —, sind die männlichen, alte wie junge, vortrefflich differenzierte Porträts, während die weiblichen, in ihrer weltfernen Seligkeit wie Schwestern den hinter ihnen stehenden heiligen Jungfrauen gleichen, der Cäcilie, Gundula, Katharina und Helena. Porträts von Lebenden zeigen vielleicht die Nebenpersonen einer in ~westfälischem Privatbesitz~ befindlichen ~Anbetung der Könige~; seltsamerweise ist dort für den Kopf des Kaspar der berühmte eycksche Mann mit den Nelken benutzt worden. (Vergl. die Abbildung auf S. 235.) Auf einem anderen, sehr frühen Bilde des Sippenmeisters, der ~Votivtafel~ des Grafen Gumprecht zu Neuenar, ~Bloemersheim~ bei Vluyn, Privatbesitz (abgebildet in der Zeitschrift für christliche Kunst 1893), ist, nach Firmenich-Richartz, die feine Durchbildung des höchst individuellen Stifterbildnisses bemerkenswert, und der Vollständigkeit halber, weniger wegen ihrer Ausführung, seien hier noch die Bildnisse des Donatorenpaares mit den Abzeichen der Familien Questenberg und von Aich auf einem Bilde mit der ~Beschneidung~, ~München~ No. 43, erwähnt und schliesslich das des Jakob Udemann, mit Gebetbuch und Klemmerbrille in den Händen auf einem ~Votivbild~ in ~Nürnberg~, No. 30. Der eigenartigste und malerisch der bedeutendste der anonymen Meister, der des ~heiligen Bartholomäus~, nicht aus Köln gebürtig, sondern gleich Lochner von fern her, vielleicht auch vom Oberrhein, eingewandert, dessen beste Zeit in das letzte Dezennium des 15. und in das erste des 16. Jahrhunderts fällt, »ein Sonderling durch und durch, ein souveräner Beherrscher der malerischen Technik; einer der kuriosesten, zugleich reizvollsten und abgeschmacktesten Künstler aller Zeiten« (Henry Thode), wendet sich wieder mit einer gewissen Absichtlichkeit den alten Kölner Typen zu. Aber trotz des bisher unerhörten Lebensausdrucks, den er seinen Gestalten und namentlich ihrer Gebärde zu geben weiss — die suchende Hand des Thomas, die bis an die Fingerwurzeln in die Seitenwunde des Heilands greift und die Rechte Christi, die vorsichtig nachzuschieben scheint, ~Thomas-Altar~, ~Köln~ — und trotz der feinen koloristischen Reize seiner Bilder, mutet seine Kunst an wie Künstelei, seine Empfindung wie Empfindsamkeit und die Grazie seiner Frauen wie affektierte Geziertheit. Porträts von Zeitgenossen glaube ich in einigen Persönlichkeiten zu erkennen, die uns der sonst rückwärts schauende Meister des h. Bartholomäus als mittelbar an den heiligen Vorgängen beteiligt vorführt. Auf seiner ~Anbetung der Könige~ in ~Sigmaringen~, Nr. 227 (noch nicht im Katalog), machen zwei hinter Melchior stehende vornehm gekleidete junge Männer den Eindruck des Porträtartigen; ganz sicher aber Porträts sind, nach meinem persönlichen Empfinden, zwei halbkniende Gestalten, vielleicht ein Ehepaar, beide etwa in den Vierzigen, die von einer Säule des Hintergrundes her staunend, nach dem köstlichen Becher blicken, den der Mohrenkönig in der Hand trägt. Ein nüchternes Stifterbildnis jedoch hat der Meister seinen Bildern nicht beigesellt, es hätte gewiss auch schlecht gestimmt zu der mystischen Verzückung und dem Pathos, der seine heiligen Handlungen erfüllt. Ganz andere Wege geht der ~Meister von S. Severin~ oder vielmehr diejenigen Meister, deren Werke man unter diesem Sammelnamen begreift. Ihre Thätigkeit reicht bis in das zweite Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, und in ihren späteren Schöpfungen ist wohl das Vorbild Quintin Massys zu erkennen. Aldenhovens Unterscheidung zwischen einem älteren und einem jüngeren Meister, mit der mich der Direktor des Kölner Museums freundlichst bekannt machte, trete ich im folgenden bei. Der ältere ist ein derber Realist, der ohne einen Hauch idealer Verklärung den Heiligen die hässlichen und unedeln Gesichtsbildungen seiner Kölner Mitbürger giebt, wie sie uns von den Stifterbildnissen her bekannt sind. In seinen besten Arbeiten, die er in einen warmen goldigen Gesamtton stimmt, zeigt er sich als ein guter Beobachter und sicherer Zeichner, z. B. in seinem ~Christus vor Pilatus~, No. 128 des ~Kölner Museums~. Vortrefflich ausgeführt sind auf seiner ~Anbetung der Könige~, ~Köln~, 125 — wo übrigens der ältere kniende König mit seinem langen, hageren, rötlich leuchtenden Gesicht und dem straffen Spitzbart geradezu eine Karikatur ist —, die Donatoren, nach Firmenich der Rektor der Kölner Universität Christian Conreshem gen. Jisenmenger und seine Gattin nebst zwei Töchtern. Ein Triptychon in der Sammlung Weber, Hamburg, No. 8 mit »Johann von Nesselrode-Hugenpoet und anderen Stiftern«, habe ich nicht gesehen. Der jüngere Meister von S. Severin unterscheidet sich von dem älteren durch grössere Anmut namentlich seiner bewegten Figuren, feine künstlerische Auffassung und durch den kühlen, silbergrauen Ton seiner Werke. Seine bedeutendste Schöpfung ist die Darstellung der ~Legende der heiligen Ursula~, von der sich vier Tafeln im ~Provinzialmuseum~ zu ~Bonn~ befinden, eine in ~Köln~ unter No. 226 und vermutlich, nach Scheibler, eine in ~London~, ~South Kensington Museum~ und eine in ~Paris~, ~Museum Cluny~. Sie mögen im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entstanden sein. Auf den Bonner Bildern knien rechts und links unten in den Ecken kleine Donatoren mit beigeschriebenen Namen, nebensächlich und kaum als Porträts behandelt, auf dem Kölner nur eine Stifterin. Der weichen und flüssigen Behandlungsweise und der reizvollen, an Grünewald erinnernden Belichtungseffekte halber ist das Bild 259 in Köln bemerkenswert. Das in der Kirche ~S. Andreas~, ebenfalls in ~Köln~, aufbewahrte ~Schutzmantelbild~ wird an anderer Stelle Erwähnung finden. (S. 212.) Von unabhängigen Einzelporträts, welche dem Meister von S. Severin zugeschrieben werden (Aldenhoven), sind mir drei bekannt, die ich in der Reihenfolge, in welcher ich glaube, dass sie entstanden sein mögen, hier anführe, ohne eine Unterscheidung zwischen dem alten und dem jungen Meister zu wagen: ~Männliches Brustbild~ bis einschliesslich der Hände, ~Köln~, No. 133, auf länglich viereckiger Holztafel mit ogivaler Spitze. Roter Grund, der Kopf dreiviertel nach links, braunes Lockenhaar, schwarzgrünliches Obergewand über weissem, tief ausgeschnittenem Hemd, welches den oberen Teil der mit einer schwarzen Schnur und Anhänger geschmückten Brust frei lässt. Gutes, auch in den ruhenden Formen belebtes, gewiss sehr ähnliches Porträt. [Illustration: ~Weibliches Bildnis~ vom Meister von S. Severin. Sammlung Peltzer, Köln. Nach Scheibler-Aldenhoven, Kölner Malerschule.] ~Brustbild einer Frau~ in den Fünfzigen, bei Frau Dr. ~Virnich~ in ~Bonn~. Einfarbiger Grund, Kopf dreiviertel nach links, die Hände halten den Rosenkranz. Schwarzes, pelzbesetztes Oberkleid, der Pelzkragen auf der einen Seite in die Höhe geschlagen, weisse Haube. Sauber und detaillierend ausgeführt. ~Weibliches Brustbild~ bei ~Landgerichtsrat a. D. Peltzer~, ~Köln~. Grüner Grund. Der Tracht nach eine vornehme Bürgersfrau am Ende der Dreissiger stehend. Feine Linien und Fältchen sind auf der Stirn angegeben, die Augen blicken starr und leblos. Noch sorgfältiger, aber etwas kleinlicher ausgeführt als das vorige. Erinnert lebhaft an die Art des Massys. Wie die Porträts der deutschen Frühkunst fast ausnahmslos, sind auch diese vollkommen ruhig aufgefasst, kein momentaner Gedanke, weder ein freundlicher noch ein trüber, ist auf den Gesichtszügen der Dargestellten zu lesen. Vereinzelt mögen sich Porträts altkölnischer Meister noch in manchen kleineren Sammlungen vorfinden, so u. a. vermutlich unter den Holbein genannten Bildnissen der Nostitzschen Sammlung in Prag, auch in Wörlitz soll sich ein vortreffliches niederrheinisches Porträt, bez. Herr Nyclaes van Baccharach Ritter, befinden. Mir ist indes nur ein altkölnisches Porträt in der ~städtischen Sammlung von Frankfurt a. M.~ und eines im ~Heidelberger Schloss~ bekannt. Das erstere ist das Brustbild eines etwa 35jährigen Mannes in dreiviertel Ansicht nach links. Ein an der Wand ausgespanntes rotes Tuch giebt dem Kopfe einen wirkungsvollen Hintergrund, ein schmaler Fensterausschnitt links öffnet den Blick auf eine Landschaft. Der Ausdruck des Gesichts mit seinen derben Zügen und der dicken, knolligen Nase ist nicht sympathisch. Das weiche, wellige, rötlich-blonde Haar wird von einer schwarzen Mütze bedeckt. Die Finger der rechten Hand halten ein Blütenzweiglein. Auf der Rückseite befindet sich von späterer Hand die Angabe, dass der Dargestellte ein Herr von Monspurg und das Bild 1485 gemalt sei. Jedenfalls ist es von einem recht tüchtigen und meiner Ansicht nach niederrheinischen Künstler ausgeführt. Das in der Heidelberger Schlosssammlung unter Nr. 386 befindliche Bild ist ein männliches Porträt in halber Figur. Auf dem gotischen Rahmen in der sog. Eselsrückenform befindet sich die Jahreszahl 1484. Der Dargestellte steht vor einem grünen Vorhang, der an einer dünnen Säule mit einem dem korinthischen verwandten Kapitell befestigt ist, zu beiden Seiten Ausblick in eine Landschaft. Der Ausdruck des Kopfes ist ernst und energisch. Beide Hände halten einen Brief. Bekleidet ist er mit einem rötlich-braunen Rock mit langen, bauschigen Aermeln. Eine schwarze Kappe bedeckt das Haupt. Die nicht organisch mit dem Unterarm verbundene, schlecht modellierte rechte Hand erinnert an die »Spinnenbeine« des Bartholomäus Meister, mit dem das recht gute Bild im übrigen nichts zu thun hat, aber niederrheinisch ist es wohl auf jeden Fall. [Illustration: ~Männliches Bildnis in der städtischen Sammlung zu Heidelberg.~ Nach besonderer Aufnahme.] Mit ~Anton von Worms~ (Wonsam), der vorzügliche Stifterfiguren gemalt hat, mit dem ~Meister vom Tode der Maria~, der, allerdings kein Deutscher von Geburt, doch gewöhnlich der kölnischen Schule zugerechnet wird und der zu dreien Malen sich selbst auf seinen Altarbildern dargestellt hat, vermutlich die ersten Künstlerselbstporträts in der kölnischen Schule, und mit ~Bartholomäus Bruyn~ kommen wir schon tief in das 16. Jahrhundert hinein. Die Porträtkunst hat mit den letztgenannten beiden Meistern eine Höhe erreicht, die sich fast mit der eines Holbeins messen darf, aber auf allen andern Gebieten der bildnerischen Darstellung ist das künstlerische Schaffen am Niederrhein zur langweiligen Manier herabgesunken. Die in ihrer nationalen Eigenart schon seit Lochners Tode durch das Eindringen niederländischer Weise geschwächte kölnische Kunst folgt nun abermals fremden Leitbildern und diesmal den ihrem Wesen völlig fremden italienischen. Durch diese zweite Mischung hat sie die letzten Reste ihrer früheren Selbständigkeit und weitberühmten Herrlichkeit endgültig verloren. Ne te quaesiveris extra! Das Wort, welches Emerson seinem berühmten Essay über die Selbständigkeit vorangestellt hat, könnte man auch auf den Grabstein dieser einst so unvergleichlichen Schule schreiben. * * * * * Die Wirkung der kölnischen Kunst, die in Hermann Wynrichs und Stephan Lochners Tagen das religiöse Ideal des scheidenden Mittelalters verkörperte, ist weithin in deutschen Gauen zu verspüren, am deutlichsten ausgeprägt naturgemäss in den am nächsten von Köln gelegenen Ländern, vor allem in ~Westfalen~, wo günstige äussere Verhältnisse eine lebhafte Nachfrage nach frommen Kirchenbildern veranlassten. Die Schule dieses Landes, die ihre Hauptsitze zunächst in Soest, später auch in Münster und Dortmund hat, wird uns nur kurz zu beschäftigen haben. Von vornherein ist zu bemerken, dass bei ihr vor Beginn des niederländischen Einflusses von einer umfassenden Wiedergabe menschlicher Existenz ebensowenig gesprochen werden kann wie bei der am Niederrhein. Meister ~Konrad von Soest~ und seine zahlreichen Schüler und Nachfolger, welche am Ausgange des 14. und am Eingange des 15. Jahrhunderts die westfälische Kunst repräsentieren, geben auf ihren Tafeln den uns von Hermann Wynrich her bekannten Frauentypus mit der überhohen Stirn, der feinen, etwas gekniffenen Nase, dem zierlichen Mund, den vollen Wangen und dem dichten blonden Haargeflecht. Die schlanken, schulterschmalen, ausgebogenen Männergestalten stehen, was die Formen betrifft, denen des Clarenaltars am nächsten, jedoch ist eine derbere Realistik in ihnen ausgesprochen. Selbst wo Meister Konrad Stifterbildnisse zu malen hat, wie auf dem ~Altar der Kirche zu Nieder-Wildungen~, dessen verstümmelte Jahresbezeichnung als 1403 richtig zu lesen Aldenhoven gelungen ist, und auf einer Tafel mit dem thronenden ~Nikolaus~ aus der Nikolaus-Kapelle von ~Soest~, jetzt in S. Patroklus ebendaselbst, vermag er sich nicht von seinen Typen loszumachen und den profanen Personen einen Hauch eigenen Lebens zu geben. Erst der ~Meister von Liesborn~, nachweisbar nach 1450, mit dem die niederländische Wirklichkeitskunst, anfangs nur langsam, ihren Einzug in Westfalen hält, nähert sich mit seinen Köpfen der Naturwahrheit und zwar ungefähr in demselben Masse wie sein kölnischer Zeitgenosse, mit dem er auch noch andere Berührungspunkte zeigt, der Meister des Marienlebens. Indem er auch bei den Physiognomien der Frauen entschieden mit dem Typus bricht, ist er ihm sogar ein wenig voraus. Schnaase,[34] der ihn ganz besonders hochstellt, vergleicht ihn mit Fra Angelico, den er an plastischer Kraft und ernster Haltung übertreffe. Das Hauptwerk des Meisters von Liesborn ist der etwa 1465 nebst vier Seitenaltären für die ~Benediktiner-Abtei zu Liesborn~ bei Münster gemalte ~Hochaltar~, der jetzt in einzelnen Teilen überallhin verstreut ist, das meiste in der National-Galerie von London. Stifterbildnisse befinden sich auf den mir bekannten Tafeln nicht. Stärker als bei diesem von einem hohen Schönheitsgefühl beherrschten Meister, ist der nach ihm völlig und rücksichtslos zum Durchbruch gelangte Naturalismus in den tüchtig gearbeiteten, aber derben Köpfen eines um 1473 entstandenen ~Altars der Wiesenkirche zu Soest~ und in einer Reihe von Bildern des ~Museums zu Münster~ zu erkennen. Eine weitere Entwickelung nach der Richtung der Naturwahrheit im Bildnis, die man sich wieder als Vereinfachung denken müsste, hat die westfälische Kunst nicht genommen: mit ~Gert van Lon~, der schon in das 16. Jahrhundert hineinreicht, ist ihr Kreislauf beendet. Die rückläufige Bewegung nach dem Ideal-Typischen beginnt von neuem, aber ihre ursprüngliche Kraft ist verwässert durch den italienischen Beiguss. * * * * * Rheinaufwärts ist der kölnische Einfluss bis nach Mainz hin zu verfolgen und von da nach Frankfurt, Aschaffenburg und Darmstadt. Neuere Untersuchungen machen es wahrscheinlich, dass in und um ~Mainz~ der Sitz einer mittelrheinischen Malerschule gewesen ist, die, wenn auch in sich ohne geschlossenen Charakter, doch wenigstens einen bedeutenden Meister von ausgesprochener Eigenart hervorgebracht hat, den ~Meister des Amsterdamer Kabinets~. [Illustration: ~Der Kalvarienberg~ vom Meister des Amsterdamer Kabinets. Städtische Sammlung, Freiburg. Nach Lichtdr. im Jahrb. d. preuss. Kunstsamml. Bd. XX.] Als Stecher der Bilder des genannten Kabinets und des Hausbuches im Besitze des Fürsten von Waldenburg-Wolfegg weltbekannt und in seinen Arbeiten deutlich zu erkennen, führt er als Maler gleichsam ein kunsthistorisches Flackerleben, insofern nämlich seine mit dem Pinsel ausgeführten Werke Irrlichtern gleich bald hier bald dort auftauchen, um alsbald wieder im Dunkel der »Unbekannten« zu verschwinden, nachdem sie die Forschung eben erst auf ihre Fährte gelockt haben. Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfen ihm die folgenden Bilder zugeschrieben werden. ~Der Kalvarienberg~ in der städtischen Sammlung zu ~Freiburg i. Br.~, ~Christus vor Kaiphas~ und ein ~Ecce Homo~ in ~Freiburger Privatbesitz~, und eine ~Auferstehung Christi~ im Museum zu ~Sigmaringen~, No. 18.[35] ~Der Kalvarienberg~, ein in Anordnung, Zeichnung und Farbengebung gleich hervorragendes Werk, mag etwa in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts entstanden sein. Gleichwie in den Stichen des Meisters, scheinen sich auch in ihm Anregungen von verschiedenen Seiten her gekreuzt zu haben. (Meister E. S., Schongauer, H. Holbein d. Ä. u. a.) Die Köpfe sind edel und lebendig, kaum die der Schergen grimassiert. Porträts vermag ich in ihnen nicht zu erkennen, ausser in denen des unbekannten Stifterpaares, das in sorgfältiger Ausführung und feiner Individualisierung und Charakterisierung, nur wenig kleiner als die übrigen Personen der Handlung, kniend und wie an dem Vorgange beteiligt, dargestellt ist und weder anmasslich hervortritt noch in der Fülle der andern Figuren verschwindet. Der ~Auferstehung in Sigmaringen~ und den in ~Freiburger Privatbesitz~ befindlichen ~Gemälden~ ist keine Stifterfigur beigegeben worden, dagegen ein vortreffliches Donatorenbildnis einem anderen Werk, das auf Grund der Stilvergleichung mit dem Kalvarienberg als ein früheres Bild demselben Meister zuzusprechen sein dürfte. Es ist dies ein ~Kruzifixus~ mit Maria und Johannes in ~Darmstadt~, No. 175, dort »niederrheinisch mit flandrischem Einfluss« genannt. Der Stifter, in geistlicher Tracht, ein wenig kleiner als die grossen schwungvollen Gestalten der Maria und des Johannes, hält kniend den Kreuzesstamm umschlungen. Ueber ihm ein Spruchband: sum quem genuisti ora pro me. Auch in einer Anzahl anderer Gemälde lassen sich gewisse Eigenarten des Meisters verfolgen, doch sind jene unter sich zu verschieden und meist auch künstlerisch weniger bedeutend, als dass ich sie anders als Richtung oder Schule bezeichnen möchte. Zu diesem Kreise gehört ein grosser ~Altar~ in der ~Darmstädter Galerie~, No. 211 bis 215, vermutlich aus ~Seeligstadt~ stammend. Er besteht aus vier Tafeln mit dem Marienleben und den überlebensgrossen Bildnissen der Apostel Paulus und Petrus, die in ihrer Auffassung einem würdigen Dorfältestenpaare gleichen. Die Gesichter auf dem Marienleben sind höchst individuell, aber schwerlich Porträts, jedenfalls nicht von Personen jener Kreise, in denen man die Stifter vermuten dürfte, weder der kniende König mit der Glatze und der roten gemeinen Nase, noch Balthasar, der blonde Germane in verwildertem Haupt- und Barthaar, noch die ausserordentlich lebendige Assistenz auf der Beschneidung, noch die drei ganz vortrefflichen Bauerncharakterköpfe rechts auf der Geburt. Aber alle sind sie getreu nach lebenden Modellen gezeichnet. Eigentümlich, und zwar schlecht, sind die Hände gebildet: die ungegliederten Finger liegen glatt, starr und hölzern nebeneinander; — welch ein Unterschied mit den feinen lebensvollen, beinahe nervös bewegten Händen in den Stichen des Amsterdamer Meisters. In sehr naher Verwandtschaft zu diesem Altar steht das ~Mainzer Marienleben~ in der städtischen Sammlung von ~Mainz~, No. 429 bis 437, dort auf Grund flechsigscher Untersuchungen »Nikolaus Schit, Meister des Hausbuches« genannt, allerdings mit einem Fragezeichen. Ich sehe in diesem Werke, dessen eine Tafel, die mit der Verkündigung, 1505 datiert ist — einige Tafeln sind entschieden erheblich früher entstanden, so z. B. die mit dem Tode der Maria —, die Arbeit eines begabten Schülers, der namentlich in formalen Dingen (Bildung des Ohres) sich eng an den Meister anschliesst. Die Köpfe sind individuell-charakteristisch, jedoch erkenne ich ein Porträt, vielleicht ein Selbstbildnis des jugendlichen Malers, nur in dem Manne auf der Darstellung Christi im Tempel, der, ein Buch in der Hand haltend, aus dem Bilde herausblickt. Die blonden, germanischen, ungepflegten Lockenköpfe des einen Königs und seines Dieners auf der Anbetung der Könige erinnern lebhaft an ähnliche Bassermannsche Gestalten auf dem Seeligstädter Altar. Die vermutlich frühe Tafel mit Mariens Tod scheint dafür zu sprechen, dass der Meister seine ~ersten~ Anregungen von niederländischer Kunst erhalten hat, vielleicht vermittelt durch einen kölnischen Meister in der Art desjenigen von dem das Münchener Marienleben gemalt ist. Den ~Altar in der Marienkirche zu Gelnhausen~, der mit Nikolaus Schit bezeichnet ist, kenne ich nicht. Flechsig glaubt unter diesem Namen den vielgesuchten Amsterdamer Meister gefunden zu haben, was von anderer Seite entschieden bestritten wird. [Illustration: ~Liebespaar in Gotha.~ Nach einer Photographie.] Zum mittelrheinischen Kreis gehörig und ihrer Stifterbildnisse wegen zu erwähnen, sind der ~Altar von Wolfskehlen~, Darmstadt, No. 216 mit ganz eigentümlichen Gesichtstypen und der diesem verwandte ~Bossweiler Altar im Dom zu Speier~. Auf ersterem, auf den äusseren Flügeln, Junker Philipp von Wolfskehlen, ein Ritter in Plattenrüstung, und seine Gemahlin Barbara, geb. Waldeck, genannt von Ybm, in verkleinerter Gestalt und roher Ausführung, auf letzterem »vielleicht das Selbstbildnis des Malers« (Kämmerer). Ferner zwei Bilder mit der ~Legende des heiligen Bruno~, ~Darmstadt~, No. 186 und 187 (dort »kölnisch, mit mittelrheinischen Einflüssen«). Unter dem Bilde No. 186, in einem besonderen Abschnitt, Kaiser Maximilian, kniend, vor ihm das kaiserliche Wappenschild, desgl. unter No. 187 eine knabenhafte Gestalt mit dem vereinigten Wappenschild von Oesterreich und Burgund, vielleicht Philipp, Sohn Maximilians und Marias von Burgund. Beide in verkleinertem Massstab und handwerksmässig ausgeführt, der Kaiser jedoch mit einer gewissen Porträtähnlichkeit. Des weiteren ebenda, No. 219, der ~Tod des heiligen Dominikus~ (Fragment, es fehlt der obere Teil) mit einer kleinen, recht schlechten Stifterfigur; im Spruchband o pie Dominice velis mihi in hora mortis praesens esse. Dieses Bild gehört zu einer Folge von Darstellungen der Dominikus-Legende, No. 217 bis 221, welche Alfred Schmid u. a. für Jugendarbeiten Grünewalds halten. Auf zwei ihrer Halb-Dunkel-Behandlung wegen interessante, wahrscheinlich gleichfalls mittelrheinische Bilder der Darmstädter Galerie, Kreuztragung und Kreuzigung, No. 171 und 172, macht Thode in dem Jahrbuch der Preuss.-Kunstsammlungen, 1900, aufmerksam. Er erkennt die Hand desselben Meisters ausserdem in den vier unter No. 1205 und 1206 geführten Gemälden des Berliner Museums, dort Maler aus Oesterreich um 1480 bis 1500 genannt. Am Schlusse dieser Schule ist eines der anmutigsten und lieblichsten Bilder der deutschen Kunst vordürerischer Zeit zu gedenken, es mag wohl um 1500 entstanden sein, das man am liebsten dem Meister des Amsterdamer Kabinets selbst zuschreiben möchte, so innig verwandt ist es einigen seiner Stiche und einer in Berlin befindlichen Federzeichnung, wenn es andererseits nicht künstlerische Eigenschaften zeigte, welche die des vermutlichen Malerwerkes des Meisters weit übertreffen: ~Das Liebespaar im Museum zu Gotha~. Mit poetischerem Empfinden, jedoch ohne eine Spur von Empfindsamkeit, wie man sie etwa von denen um Wolgemut-Pleydenwurff erwarten dürfte, ist wohl selten auch in späterer Zeit eine solche Gruppe zusammengestellt worden. Beide zweifellos Porträts und dennoch so unpersönlich in dem seligen Zauber ihrer Minne, wie ein zum Bild gewordener Sang aus Hohenstauferzeit. Zwei Halbfiguren hinter einer Steinbrüstung vor einfachem, geschlossenen, dunklen, fast schwarzen Hintergrund, ein modisch gekleideter blühender Jüngling in weit offenstehendem, dunkelrotem Wams mit kurzen Aermeln, das durch lange Schnüre über der Brust zusammengehalten wird, einen Kranz wilder (nachgedunkelter) Rosen auf dem herrlichen, wallenden, seidenen, blonden Lockenhaar, zu seiner Linken ein feines sinniges, ein wenig sinnliches Jungfräulein in dunkelgrünem ausgeschnittenen Kleid, die Brust von einem perlenbesetzten, mit Goldlitzen geschmückten Hemd bedeckt, auf dem Haar eine weisse, mit goldenem Netze übersponnene Haube. Seinen linken Arm hat er um ihre Hüfte gelegt, und spielend hält die Rechte eine Quaste der von seiner Schulter herabhängenden kostbaren Doppelschnur, während sie, eine Blume in der Linken, mit der Rechten den leuchtenden, aus achtfacher, mit kleinen grünen Steinchen besetzter Goldkette gebildeten Reif ergriffen hat, der eine zweite Quaste jener Schnur des Geliebten umschliesst. Ungezwungen, wie traumverloren, lehnen beide an der Brüstung, er blickt ihr tief in die Augen, indessen sie völlig in der Betrachtung des Reifes versunken erscheint. Das Inkarnat beider ist lebensfrischer, als man es sonst bei Porträts dieser Zeit findet, und die Wangen sind voller und runder. Vorzüglich modelliert sind Arme und Hände. Ueber dem Liebespaar, den Raum mit einem feinen Gefühl für das Dekorative ausfüllend, schlingt sich in vielfachen Windungen eine Bandrolle mit gotischer Inschrift, darüber das Wappen der Grafen von Hanau. Die Worte, der Text zu der Melodie des Bildes, lauten: Sye. hat. vch. nyt. gantz. veracht. Dye. vch. dass. schnürlin. hat. gemacht, — vn. byllich. hat. Sye. esz. gedan. want. ich. han. esz. sye. genisse lan. Ein harmlos naives Zwiegespräch, jedoch nicht ohne schalkhafte Spitze, das man etwa so ins Hochdeutsche übertragen könnte: Das Mägdelein: Sie hielt Euch doch ein wenig wert, Die Euch dies Schnürlein hat verehrt. Der Jüngling: Und billig hat sie es gethan, Hat sie doch selbst die Freude dran. Das Bild ist ungewöhnlich gross: 1,14 m hoch und 0,8 m breit. Welch Schlösslein mag es wohl einst geschmückt haben? — In Frankfurt a. M., der alten Wahlstadt des deutschen Reiches, ist seit den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts die hochangesehene Künstlerfamilie Fyoll urkundlich nachweisbar, doch sind alle Spuren ihrer Thätigkeit verloren gegangen. Zwar wurden bis vor kurzem einem ~Konrad Fyoll~, der sich bis 1499 verfolgen lässt, einige Bilder zugeschrieben, die aber einen so ausgesprochen neuzeitlichen und überdies niederrheinischen, oder vielleicht sogar niederländischen, wohl durch Massys bestimmten Charakter zeigen, dass sie schwerlich weder am Main, noch vor den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts entstanden sein können. Immerhin sei das wichtigste derselben genannt: der von der Patrizierfamilie Humbracht wahrscheinlich für die ~Peterskirche~ gestiftete ~Altar~ mit der Kreuzigung im Mittelbild und den patronisierten Stiftern auf den Flügeln, jetzt in der ~Städelschen Sammlung~, Nr. 81.[36] Die Stifterbilder sind porträtartiger gegeben als man es im 15. Jahrhundert gewöhnt ist, auch die weiblichen, unter ihnen die Gattin des Stifters Greda Brun, genannt Faut von Monsberg; am sorgfältigsten ist Claus Humbracht, der weisshaarige Greis auf dem Flügel links, ausgeführt. Als Merkwürdigkeit ist zu erwähnen, dass der 1899 verstorbene letzte Sprössling dieser Stifterfamilie, eine Elvire von Humbracht, eine auffällige Aehnlichkeit mit dem allgemeinen Gesichtstypus der Donatoren jenes Altars gehabt haben soll. Von einem handwerklichen Lokalmalermeister mag wohl ein in der ~städtischen Sammlung~ von ~Frankfurt~ aufbewahrtes ~Einzelporträt~ herrühren, ein männliches Brustbild, der Kopf dreiviertel nach links, mit der Aufschrift: da ich was 34 Jahr alt do war ich also gestaltet. Die Arbeit ist etwa um 1500 ausgeführt. Das Bild besteht aus zwei durch ein Charnier verbundenen Holztäfelchen, auf dem einen, gewissermassen dem Deckel, ein Wappen, auf dem anderen der Dargestellte, — eine häufig vorkommende, diptychonartige Form des spätmittelaltrigen Porträts. Der Dargestellte, eine schlichte, gewinnende Erscheinung mit grossen blauen Augen, trägt auf dem Haar, das auf der Stirn bis zu den Brauen glatt herabfällt und auf den Seiten die Schultern berührt, eine schwarze Mütze, in der Hand hält er eine Blume. Der Hintergrund ist rot mit goldenem Muster. Eine spätere Inschrift auf der Rückseite sagt, dass in diesem Bilde Heinrich zum Jungen dargestellt ist, der Sohn des 1483 gestorbenen Ort (Ortlieb) zum Jungen, der vor 1420 von Mainz nach Frankfurt verzogen sei, »weilen ihm von der Gemeinde hart zugesetzt worden«. * * * * * Der Malerei in ~Norddeutschland~ weist die heutige Kunstforschung einen höheren Platz an, als Schnaase und Janitschek ihr zu vergönnen geneigt waren. Leider sind mir die über das ganze Land verstreuten Werke nur zu einem geringen Teile aus eigener Anschauung bekannt. Ich muss daher verzichten, die Entwickelung des Bildnismässigen in ihnen von Dokument zu Dokument zu schildern. Aus der Litteratur und nach den Abbildungen zu schliessen, gehört auch die norddeutsche Malerei in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts der kölnischen Einflusssphäre an. Soest mag wohl durch seine Verbindung mit den Hansastädten hier eine wichtige Vermittlerrolle gespielt haben. Zu einer gewissen Selbständigkeit scheinen es schon frühzeitig die ~hannövrischen Malerschulen~ gebracht zu haben, wie die Bilder im Provinzialmuseum von Hannover und der Buxtehuder Altar beweisen. In ~Brandenburg~ ist wohl nur handwerksmässig gemalt worden. Die Flügel der Schnitzaltäre in ~Pommern~ und ~Preussen~, ~Schleswig-Holstein~ und ~Mecklenburg~, an und für sich nicht sehr zahlreich, deuten auf tüchtige, keineswegs aber originelle und starke künstlerische Persönlichkeiten. Jedenfalls ist hier die Holzskulptur die führende Kunst gewesen. In den ~Hansastädten~ dagegen, wo ein höherer Luxus und Hand in Hand mit ihm ein feinerer Kunstsinn eine stärkere Nachfrage nach künstlerischen Werken aller Art bewirkt haben, ist auch die Malerei besser zu ihrem Rechte gelangt. Am lebhaftesten ist der Kunstbetrieb und am bedeutendsten die Leistung in ~Lübeck~ und ~Hamburg~ gewesen, die letztere Stadt bezeichnet Bode geradezu als den eigentlichen Sitz der norddeutschen Malerei. Die ältesten Tafelbilder — ich folge den neuesten Untersuchungen Alfred Lichtwarks[37] — bilden hier den ~Altar~ aus dem ~Johanniskloster~, jetzt in der Sammlung zur Geschichte der Malerei in ~Hamburg, Kunsthalle~, vom Ende des 14. Jahrhunderts. (Von Janitschek u. a. irrtümlich auf Hinrik Funhof zurückgeführt und erheblich später datiert.) Noch in der herkömmlichen Weise und im gebundenen Stil des Mittelalters sind auf diesem Altare die heiligen Vorgänge geschildert, nur in einzelnen Köpfen macht sich ein schwacher Vorklang des herannahenden Naturalismus bemerklich. Ein Meister Bertram von Minden, also wohl westfälischer Herkunft, seit 1367 häufig erwähnt, scheint mit diesem Werke in nähere oder fernere Beziehung gebracht werden zu dürfen. In dem für die Kunstgeschichte ewig denkwürdigen Jahre 1424, in welchem Hubert van Eyck den Genter Altar begonnen haben soll, bricht auch die hamburgische Kunst mit Typus und Konvention des Mittelalters, und zwar aus ureigenstem Vermögen. Selten nur, wie in diesen beiden Fällen, sind wir so glücklich, die Geburtsstunde der bedeutsamen Stilwandelung bezeichnen zu können. Das Werk, in welchem die neue Kunstgesinnung bereits zum vollen Ausdruck kommt ist der ~Thomas-Altar~, bis vor kurzem in der Schweriner Galerie und ganz allgemein einem niederdeutschen Meister von 1435 zugeschrieben, jetzt, mit richtiger Meisterbenennung und Entstehungsjahr, durch Lichtwarks Bemühungen nach der ~Kunsthalle von Hamburg~ zurückgeführt, der Stadt, in der er 1424 im Auftrage der Englandsfahrer Gesellschaft für die später abgebrochene St. Johanniskirche von ~Meister Francke~ zu malen begonnen war.[38] Der Altar der Englandsfahrer gehört zu den Meisterwerken der deutschen Kunst. Den auf gleicher Entwickelungsstufe stehenden kölnischen Altären (man bedenke, dass das Dombild erst zwischen 1440 und 1450 entstanden ist und was ein Zeitraum von zwanzig Jahren in jener Periode des grundstürzenden Umschwunges bedeutet) ist er an Tiefe der Empfindung zum mindesten ebenbürtig, an koloristischer Wirkung soll er sie nach dem Urteil der Kunstfreunde weit übertreffen. [Illustration: ~Der h. Thomas von Canterbury.~ Hamburg, Kunsthalle. Nach Lichtwark, Meister Francke.] Die bildnismässige Belebung des Typus setzt beim Thomas-Altar, wie bei allen gleichzeitigen Werken, welche an der Grenzscheide zwischen Mittelalter und Neuzeit stehen, bei den Nebenpersonen der Handlung ein, bei den sterblichen Menschen, nicht bei den ewigen Repräsentanten der Göttlichkeit. Aber das Menschlich-Individuelle tritt bei Francke sogleich mit einer Wucht der Belebungskraft auf, mit einer power of visualizing, die kaum ihresgleichen bei einem seiner Zeitgenossen findet. Volk, Schergen, Ritter und Mönche, der Nährvater Josef, der in der Frühkunst zumeist eine recht kümmerlich-menschliche Rolle spielt, Pilatus und Kaiphas, die zu einer »dürerisch ausdrucksvollen Gruppe« vereinigt sind, ja bis zu einem gewissen Grade der blutüberströmte Thomas von Canterbury selbst, für den ein bindendes Vorbild in der vorhergegangenen Malerei nicht vorhanden war — die ganz typische Figur der Heiligen im Dom von Braunschweig kann nicht in Frage kommen —, sie alle sind nach dem wirklichen Leben gearbeitet und ihre äusserst individuellen Köpfe prägen sich dem Beschauer, selbst dem der farblosen Nachbildungen, tief ins Gedächtnis ein. Und sonderbar, trotz all dem Persönlichen ist das allgemeine Gepräge der Korporation bei den Gesichtern der Gewappneten und der Tonsurierten zwingend zum Ausdruck gebracht worden: das Ritterliche und das Theologische. Die Namen der Wandsbecker Husarenoffiziere und der Hamburger Pastoren, sagt Lichtwark, kommen einem angesichts dieser Physiognomien auf die Zunge. [Illustration: ~Kopf eines Ritters aus dem Martyrium des h. Thomas.~ Hamburg, Kunsthalle. Nach Lichtwark, Meister Francke.] »Kaisers alten Landen Sind zwei Geschlechter nur entstanden, Sie stützen würdig seinen Thron: Die Heiligen sind es und die Ritter.« Man muss unwillkürlich dieser Worte des goetheschen Kanzlers gedenken. Wie unverändert haben sich doch diese beiden Standestypen in der Flucht der Jahrhunderte erhalten! Grossartig in seiner idealen Verallgemeinerung ist der Kopf Gott Vaters auf der Geburt Christi und der des leidenden Erlösers wie ihn Meister Francke zweimal auf selbständigen Tafeln als Schmerzensmann dargestellt hat: in kleinen Abmessungen im Leipziger Museum[39], monumental und lebensgross in der Hamburger Kunsthalle, — das Christusideal des niederdeutschen Stammes, bis der überwältigende Kopf des dornengekrönten Heilands von Dürer das Ideal ~aller~ germanischen Völker wurde. Wenn wir in Kunst oder Natur, denn über beiden waltet das gleiche Gesetz, einen Keim fruchtlos zu seinem Element zurückkehren sehen, von dem wir eine »lebendige Welt ewiger Bildungen« erwartet hatten, so forschen wir nach der Ursache seines Verschwindens. Vor dem Malerwerk Franckes, in dem verbunden mit einem eminenten Gefühl für die Farbe die höchsten Ausdrucksmöglichkeiten der Kunst, ~Lebenswahrheit~ und ~ideale Verallgemeinerung~, gleichsam im Knospenzustande vereinigt erscheinen, drängt sich uns, wie schon mehrfach im Laufe dieser Untersuchungen, die Frage auf: warum konnten diese hoffnungsvollen Triebe nicht zur Blüte gelangen? Vergeblich suchen wir nach der Antwort. Wir sehen die Knospen verdorren, ohne den Gifthauch zu erkennen, der sie zum Fallen brachte. Er mag sich wohl aus einer Summe kunstfeindlicher Substanzen zusammensetzen. Meister Francke hat in Norddeutschland keinen Nachfolger gehabt. Der niederländische Einfluss, so förderlich der Kunst im Westen und im Süden, hat hier keine Persönlichkeiten hervorgebracht, die etwa mit dem Meister des Marienlebens, mit Schongauer oder Hans Pleydenwurff gleichen Ranges wären. Auch die später folgenden Leitbilder aus dem italienischen Cinquecento und der grossen flämischen und holländischen Kunst sind nur einem bestimmten Zweig der norddeutschen Malerei von wirklichem Nutzen gewesen, dem Bildnis. Erst am Ende des 18. Jahrhunderts setzt die erloschene eigene Triebkraft mit Philipp Otto Runge von neuem ein, und im Malerwerk des Berliners Adolf Menzel spiegelt sich uns so mancher Grundgedanke der deutschen Kunst des 15. Jahrhunderts wieder. Auf welchen Wegen werden die kommenden Meister des deutschen Nordens wandeln? Wenn sie ihren Blick einmal wegwenden wollten von dem kinematisch verwirrenden Bilde der Kunstproduktion aller Völker der Erde, wie es die modernen Ausstellungen darbieten, so könnten sie dem Thomas-Altar in Hamburg manch Geheimnis unverfälschter urdeutscher Art ablauschen. 4. Oberrhein, Schwaben, Schweiz. Während am Niederrhein das angeborene Streben nach naturgetreuer Wiedergabe der menschlichen Erscheinung, wie es in den Werken Wilhelms von Herle zu Tage getreten war, gar bald erlahmte und die Kunst zu einer schwächlichen, wenn auch durch das Licht der Schönheit veredelten Individualisierung führte, die am vollendetsten in dem Dombild Meister Stephans ihren Ausdruck fand, bewirkte die nämliche Triebkraft in der ~oberdeutschen Kunst~, hier jedoch sich nicht verzehrend, sondern wachsend in der Bethätigung, eine malerische Ausdrucksform, die sich fest und ehrlich an die herbe Realität der Erscheinung anschloss und erst nachdem sie diese in der ernsten Arbeit eines Jahrhunderts zu meistern gelernt hatte, sich wieder von den Zufälligkeiten der Wirklichkeit befreite und schliesslich zu einer Verallgemeinerung und Vereinfachung der menschlichen Gestalt und Physiognomie gelangte, zu dem eigentlichen Idealismus der deutschen Kunst, der sich in die Namen Dürer und Holbein zusammenfassen lässt. In Oberdeutschland aber so gut wie am Niederrhein entwickelte sich der mittelaltrig gebundene Typus zu einer der Natur der Dinge näher kommenden, freieren Form schon ehe die niederländische Kunst ihren Siegeszug durch Deutschland begann. Am ~Oberrhein~ scheint bereits in den Jahren des Konstanzer Konzils, 1414 bis 1418, eine hochentwickelte Buchillustration auf die Tafelmalerei von Einfluss gewesen zu sein; von dieser haben wir allerdings mehr auf litterarischem Wege als durch eigene Anschauung Kunde, denn die Werke selbst sind fast ausnahmslos in den Reformationsstürmen vernichtet worden. Als angesehene Wand- und Tafelmaler der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts werden dort Hans Heinrich ~Tieffental~ von ~Schlettstadt~ genannt, der 1418 einen Malauftrag vom Rat zu Basel erhielt, ~Lauwlin~, der in den vierziger Jahren in der Baseler Karthause thätig war, und Hans ~Hirtz~, verstorben vor 1466, »dessen Kunstfertigkeit in der Malerei durch herrliche und stattliche Bilder in seiner Heimat Strassburg wie auch an anderen Orten bezeugt wird.« [Illustration: ~Aus Mosers Magdalenenaltar zu Tiefenbronn.~ Nach e. Photographie d. Kunsthist. Gesellschaft für photogr. Publikat. 1899.] Von einem schwäbischen Meister, dessen Heimat nicht fern vom Oberrhein gelegen ist, sind wir so glücklich ein von ihm selbst datiertes und bezeichnetes Altarwerk zu besitzen: es ist das ~Lukas Moser von Wil~ und sein aus sechs Tafeln bestehender ~Magdalenenaltar~ in ~Tiefenbronn~ mit der bekannten Inschrift »Schrie, Kunst, schrie, und klag dich sehr, din begert jectz niemen mer« und der Jahreszahl 1431. Der Altar ist 1898/99 von Hauser in München restauriert worden. Die Beschreibung der traulich-gemütvollen Bilder ist in jeder Kunstgeschichte zu finden.[40] Für unsere Untersuchungen von Wichtigkeit ist die Frage: sind die Physiognomien der Dargestellten auf diesem frühen Werke typische oder individuelle und, wenn das letztere der Fall ist, sind sie volkseigen oder verdanken sie fremden Mustern ihr Dasein? Ohne Zweifel hat Lukas Moser die Vorbilder zu seinem Magdalenenaltar nicht lediglich in den früheren oder zeitgenössischen Werken der Buch-, Wand- und Tafelmalerei gefunden, sondern das, was an ihnen neu erscheint, in der Natur selbst. Nur bei den Lebenden konnte er den psychologisch feinen und interessanten Ausdruck gesehen haben, den er beispielsweise in den Köpfen der drei Bischöfe wiedergegeben hat. Auch einige der weiblichen Heiligen der Legendenbilder, einige Köpfe auf der Predella und ein Gesicht in dem Gastmahl des Pharisäers sind durchaus als persönlich zu bezeichnen. Vortrefflich und sicherlich dem Leben abgelauscht ist das Moment des Schlafens der müde auf den Stufen des Königspalastes zu Marseille hingesunkenen Reisenden zum Ausdruck gebracht worden. Reber[41] macht auf die eigentümliche gequetschte Bildung der schiefgestellten Ohren mit den nach hinten gezogenen Läppchen aufmerksam, die ebenfalls als Beweis seines auch das Nebensächliche aufmerksam beobachtenden Naturstudiums gelten darf. Was die Frage nach den »Einflüssen« betrifft, so muss zunächst zugegeben werden, dass man beim ersten Anblick der Gemälde an die oberdeutsche Illuminierkunst erinnert wird, und schliesslich, wo hätte auch anders der Künstler aus »Weil der Stadt« den Stoff, die Komposition und die allgemeine Farbenanordnung seines Werkes hernehmen sollen! Bei längerer Betrachtung jedoch, und wenn man gleichzeitig über jenen selbstbewussten und eine gewisse Lebens- und Weltkenntnis voraussetzenden Spruch nachdenkt, wird man zu der Anschauung geführt, es müsse dieser Meister doch etwas mehr von der Welt gesehen haben als das Kirchlein seiner Vaterstadt. Man denkt zunächst an Köln und die dortige Schule. Aber die Aehnlichkeit ist doch keine so zwingende, als dass sie nicht auch in dem gleichen Wesen der Zeit begründet sein könnte, auf dessen geheimnisvolle Mitarbeit bereits hingewiesen worden ist. Auch führt die Technik des Bildes nicht nach dem Niederrhein, sondern scheint, wie Prof. Hauser glaubt, auf die Uebung in einer italienischen Werkstatt hinzudeuten. (Die in ganz dünner Tempera gemalte Tafel ist übrigens vor Auftrag des Kreidegrundes mit Pergament überzogen worden.) Wenn man im Angesicht des Bildes diesen Gedankengang weiter verfolgt, so kann man sich der Annahme nicht verschliessen — die auch durch Bayersdorfers Autorität gestützt wird —, dass der Meister, mittelbar oder unmittelbar, durch die oberitalienische Kunst, etwa durch die Gentiles da Fabriano oder Pisanellos beeinflusst worden ist. In diesem Falle ständen wir hier vor einer der ersten, allerdings sehr schwachen Spur italienischer Vorbilder bei einem oberdeutschen Maler, der, von den heimischen Miniaturen ausgehend und dabei aufmerksam die Natur studierend, sich sonst im allgemeinen selbständig entwickelt hat.[42] Weder Romanisches noch Flämisches aber kann ich in dem 1445 datierten, viel besprochenen und leider namenlosen Bilde No. 1 in ~Donaueschingen~, ~Paulus und Antonius~, entdecken. Der Meister dieses Gemäldes muss seine Vorbilder ausser in der Natur in einer rein deutschen Kunst gefunden haben, und sollte er, was recht gut denkbar ist, mit der Lukas Moserschen Richtung irgendwie in Beziehung stehen, so hat er jedenfalls das, was in dem Tiefenbronner Altar flüchtig an Italienisches gemahnt, nicht mit übernommen. Wunderbar scharf und lebendig sind die Köpfe der beiden alten Einsiedler individualisiert, wetterharte, faltige, trockene Gesichter, selbst die Zufälligkeit einer Warze ist von dem Modell getreulich auf die Wange des heiligen Antonius übertragen worden. Die Modellierung allerdings ist schwach, die Köpfe wirken flächenhaft. Den Schein des Körperlichen zu erwecken, hatte Moser jedenfalls besser verstanden. Was aber das Donaueschinger Bild zu einem der merkwürdigsten und interessantesten der gesamten deutschen Frühkunst macht, das sind, nebenbei bemerkt, nicht die Eremiten, sondern die Landschaft, in der sie sich befinden. Ein solcher stimmungsvoller »Ausschnitt aus der Wirklichkeit« war, ausser etwa von dem sogleich zu erwähnenden Konrad Witz, weder vorher noch lange Zeit nachher gegeben worden, und dem Sinn für Farbenharmonie gegenüber, der aus dem Ineinanderstimmen der Töne spricht (und das trotz dem Goldgrund der Luft!), müssen einem selbst koloristisch so vorzügliche Schöpfungen, wie etwa die des Meisters des heiligen Bartholomäus, gleich Mosaikarbeiten erscheinen. Schade, dass ein Maler mit solch’ zartem Gefühl für fein zusammengehaltene Farben, man möchte beinahe sagen mit solchen Rembrandtaugen, in mittelaltriger Bescheidenheit seinen Namen nicht wie Moser, vielleicht ebenfalls mit einem ihn charakterisierenden Kernwort, auf den Rahmen des Bildes geschrieben hat. Zu einer Vermutung über die Stätte seiner Wirksamkeit kann vielleicht die ummauerte Stadt Veranlassung geben, die sich mit ihrem Turm und ihren roten Ziegeldächern farbig in dem grünlichen Wasser des Flusses spiegelt: Dr. D. Burckhardt machte mich s. Z. darauf aufmerksam, dass das massige Stadtthor dem alten Spalenthor von Basel gleicht, jedoch ohne den jetzigen Vorbau, der 1445 auch noch nicht dort gestanden hat. Wie dieser unbekannte Meister schon ahnungsvoll hinübergreift in jenes Reich der lichtdurchwobenen Farbe, das mit vollem Bewusstsein erst im 17. Jahrhundert von dem germanischen Volke der Holländer gefunden werden sollte, so schreitet neben ihm ein anderer durch die mittelaltrige Welt, ähnliche Farben- und Lichtoffenbarungen in der Brust, einsam und wohl auch unverstanden, dessen Spuren in der Gegenwart verloren gehen mussten, wie Schneeflocken, die im Meere zerfliessen, weil auch er einer von denen war, die für ihre Zeit zu früh gekommen waren, — ~Konrad Witz~ von Basel. Allerdings nicht auf dem Gebiet, das uns hier vornehmlich beschäftigt, ging er die Bahn, die vor ihm kein Wager bereitet hatte, sondern auf einem, das seinen Weggenossen noch ein verlorenes Paradies war, auf dem der Landschaftsmalerei. Er ist es, der in seinem ~Wunderbaren Fischzug~, ~Genf~, Musee archäologique, der deutschen Kunst das erste wirkliche Landschaftsporträt gegeben hat. Konrad Witz, ich folge hier D. Burckhardts Angaben, stammt aus Rottweil in Schwaben, wurde 1434 Meister der Zunft zum Himmel in Basel, ist 1444 in Genf und 1446 wieder in Basel thätig, woselbst er 1454 gestorben ist. Ein schwacher Anklang italienischer Kunst in seinen Werken weist vielleicht auf eine Beziehung zu Lukas Moser hin, aber auch Niederländisches, worauf die Belichtungsversuche seiner Interieurs hindeuten, scheint er schon gekannt zu haben, vielleicht durch Vermittelung jenes gleichfalls mit dem Lichte ringenden rätselhaften Meisters von Flémalle, der wohl 1438 in Basel gewesen ist, denn eine Reise nach dem Norden — erst 1432 war der Genter Altar aufgestellt worden — scheint nicht anzunehmen zu sein. [Illustration: ~Tafelbild von Konrad Witz mit dem Kardinal de Brogny.~ Genf. Nach einer Photographie.] Die Köpfe seiner monumentalen, meist reich gewandeten und in tiefen satten Farben gemalten Gestalten, die er nicht mehr scharf umreisst, sondern sanft in den Hintergrund übergehen lässt, sind plastisch gerundet, individuell nach dem Leben gebildet, deutschderb, oft hässlich, aber niemals grimassenhaft. Auf den vier in Genf befindlichen Bildern sind die Gesichter, wie die Abbildungen zeigen, und nur diese sind mir bekannt, so stark übermalt, dass man schwer nach ihnen urteilen kann. Sehr würdevoll aber erscheint auf einem derselben der etwa vierzigjährige, wohlgenährte Kardinal Jan de Brogny,[43] Bischof von Genf, welcher von S. Peter der thronenden Madonna empfohlen wird, — ein Stifterbild in voller Lebensgestalt, also ein merkwürdig frühzeitiger Bruch mit der herkömmlichen Däumlingfigur. Auf einem in ~Neapel~ befindlichen Bilde, ~die heilige Familie~ mit S. Barbara und S. Katharina, trägt ein im Vordergrund rechts kniender Mann, der dem Christkind einen Apfel darreicht, fast porträtartige Züge. Der Vorgang spielt sich im Innern des Baseler Münsters ab, und hier, wie auch auf einem Bilde in Strassburg, No. 1, Klass. Bilderschatz 1237, wird der Blick des Beschauers mit erstaunlicher Kunst in die Tiefe des Raumes geführt, an dessen Begrenzung ein Durchblick auf eine Strasse gegeben ist, die beinahe wie in modernem Freilicht gemalt erscheint. Die Köpfe auf den in ~Basel~ befindlichen Bildern, No. 65 bis 72 b, sind mehr typisch verallgemeinert als persönlich, so namentlich der Feldherr Antipater, Julius Cäsar und Melchisedek, dagegen nähern sich die der Nebenfiguren auf der Kreuzigung, No. 72 b, dem Porträtartigen, und die Synagoge, No. 66, ist sicherlich getreu nach einem lebenden, übrigens nicht jüdischen Modell gearbeitet. Zu den wenigen Werken, auf welche die zeitfremde Kunst Konrad Witzes eingewirkt zu haben scheint, gehört vielleicht das vorgenannte Bild in Donaueschingen und zwei Bilder in ~Basel~, ~der h. Georg~, den Drachen erlegend, und ~der h. Martin~, seinen Mantel mit einem Armen teilend, No. 85 und 86, doch sind hier die Gesichter nicht so sorgfältig durchgearbeitet, die Gestalt in Haltung und Gebärde noch etwas mittelaltrig-unbeholfen, und das Zusammenstimmen der Farben deutet auf ein geringeres Feingefühl. Nach der Mitte des 15. Jahrhunderts wird ~Kolmar~ ein Mittelpunkt der oberrheinischen Kunst. Was vorher in der freien Reichsstadt auf dem Gebiete der Tafelmalerei geleistet worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis bis auf wenige Bilder, welche das Museum im alten Dominikanerkloster Unterlinden in Kolmar aufbewahrt. Von diesen Resten sind hier nur die Flügel des ~Stauffenberger Altars~, No. 157 bis 160, zu erwähnen, welche noch in der ersten Hälfte des Jahrhunderts gemalt sein müssen und weder durch die eigenartige Richtung der Bodenseeschule noch durch niederländischen Realismus beeinflusst sind. Auf einem derselben, Christus am Kreuz, No. 160, kniet ein Stifter und eine Stifterin mit dem Wappen der Stauffenberge, — typisch und nebensächlich behandelte Figuren, kaum mit einer Spur des Porträtartigen. [Illustration: ~Die Geisselung von Isenmann.~ Kolmar. Nach einer Photographie.] Etwa um 1465 beendete ~Kaspar Isenmann den Hochaltar für S. Martin in Kolmar~, von dem sich heute sieben Bilder, Passionsszenen, im Museum befinden, No. 137 bis 143. So roh diese Arbeiten sind, bedeuten sie doch einen gewaltigen Sprung nach der Richtung des Individuell-Charakteristischen, an dem jedoch weder die Haltung und Bewegung der Figuren noch die Bildung des Nackten beteiligt ist. Die Köpfe aber mit ihren hervorspringenden Backenknochen, den grossen Mäulern mit den wulstigen Lippen und dem brutalen Ausdruck sind das Höchste, was an gemeinem Naturalismus die Kunst des Oberrheins hervorgebracht hat, übertrumpft wird es überhaupt nur noch durch einige hagebüchene Machwerke der bairischen Kunst. Isenmann zeigt sich hier als ein Fanatiker der Wahrheit, man könnte auf ihn anwenden, was Till Eulenspiegel der Wirtin zu Nugenstädten erklärte: die Wahrheit zu sagen sei sein Gewerbe. Und was er für wahr hält, ist tierische Hässlichkeit. Seine Knechte und Schergen erinnern uns an jenes arbeitsscheue, lüderliche und lichtfeindliche Gesindel unserer modernen Millionenstädte, wie es etwa in den nächtlichen Spelunken der Hasenheide oder in Whitechapel sein Wesen treibt. Hat man es hier mit heimischer Art zu thun, vielleicht mit einer Weiterentwickelung handwerklicher Passionsbilder, die uns verloren gegangen sind? Auf dem ersten Anblick könnte man zu dieser Vermutung geführt werden, aber die teilweise Anwendung der »Oeltechnik« zu so früher Zeit spricht doch vielleicht für Janitscheks Annahme, dass Isenmann persönlich in den Niederlanden gewesen ist. Möglich, dass die dortigen Wirklichkeitsbestrebungen eine verwandte Saite in ihm berührt und ihn zu seinen masslosen Uebertreibungen verleitet haben. Ohne Vorbehalt kann man sich jedenfalls Janitscheks Schlussurteil anschliessen, dass »Isenmann im ganzen in dem rauhen, bis zum Burlesken derben Realismus der Heimat stecken blieb, der aus dem geistlichen Schauspiel und den tollen Fastnachts-Mummereien sich seine Modelle holte«. Wie gerade der feine, man möchte sagen musikalische ~Martin Schongauer~ aus einer solchen lärmenden Werkstatt hervorgehen konnte, ist nur begreiflich, wenn man annimmt, Isenmann habe auch weniger laute und brutale Bilder als die genannten Passionsszenen gemalt, und in der That lässt die Betrachtung seiner verhältnismässig recht edeln und ruhigen Grablegung einen solchen Schluss nicht ungerechtfertigt erscheinen. Schongauer gilt allgemein als der einzige wirkliche »Künstler« der oberrheinischen Schule des 15. Jahrhunderts, und wenn man hierbei die lebensvolle und zarte Liniensprache seiner Kupferstiche im Auge hat, kann man sich diesem Urteil gewiss anschliessen. Aber so bedeutend auch seine koloristischen Fähigkeiten sind (der köstliche blühende Rosenhag auf der Madonna in St. Martin), an harmonischer Zusammenstimmung übertrifft ihn meinem Empfinden nach doch der Meister des Donaueschinger Bildes und Konrad Witz, dieser wenigstens auf einzelnen seiner Werke. In der Geschichte des Bildnisses bezeichnet Schongauer einen Fortschritt nach der Seite der idealen Verallgemeinerung und Vereinfachung der menschlichen Erscheinung, zu der die deutsche Kunst einige Jahrzehnte später thatsächlich gelangen sollte, nicht aber nach der Richtung individueller Charakteristik. Schongauer, eines Kolmarer Ratsherrn Sohn, geboren zwischen 1434 und 1445, dessen Thätigkeit in die siebziger und achtziger Jahre des 15. Jahrhunderts fällt — gestorben ist er 1491 in Breisach —, nahm seinen Ausgang offenbar vom Meister E. S., lernte von Isenmann die Lust an bäuerisch-derben Gesichtsbildungen, kam dann unter den Einfluss der Niederländer, besonders Rogers, von dem er sich jedoch bald wieder befreite, und gelangte schliesslich durch ernstes Naturstudium zu einem eigenen, originalen Stil. Doch nicht lange hat er diesen beibehalten, denn am Ende seiner Laufbahn sehen wir ihn in einen Manierismus verfallen, der seine letzten Werke, vor allem aber die seiner zahllosen Schüler und Nachahmer, nicht eben vorteilhaft kennzeichnet. Verfolgen lässt sich der hier skizzierte Entwickelungsgang nur an der Hand seiner Kupferstiche, eigenhändige Gemälde sind nur wenige von ihm erhalten. Sein frühstes Tafelbild ist bekanntlich die überlebensgrosse ~Madonna im Rosenhag~, ~S. Martin~, ~Kolmar~, Klass. Bilderschatz 56, auf der Rückseite angeblich mit 1473 bezeichnet, von der sich eine interessante Wiederholung in kleinem Format, echt, aber in einer, wie mir scheint, an Fälschung grenzenden Uebermalung in der Sammlung Sepp in München befindet, Klass. Bilderschatz 332, — ein strenger, herber, echt flandrischer Typus, mit der hohen, gewölbten, unproportionierten Stirn, den unbedeckten Schläfen und dem wenig entwickelten Hinterkopf. In der gleichfalls noch in den siebziger Jahren entstandenen, im allgemeinen wenig erfreulichen ~Passion~, ~Kolmar~, No. 115 bis 130, deren Eigenhändigkeit übrigens bestritten wird, begegnen uns neben flandrischen auch solche Typen, die jene Kaspar Isenmanns ins Milde und Ruhige, gewissermassen ins Normale übersetzt zeigen. Ueber das Handwerksmässige erhebt sich die Kreuzesabnahme, mehr noch die Grablegung. Zu dem auf beiden Bildern mit ähnlichen Gesichtszügen auftretenden Josef von Arimathia in seinem prächtigen, roten, goldgestickten und pelzverbrämten Rock könnte recht gut einer der vornehmen geistlichen Herren der alten Reichsstadt das Vorbild gegeben haben. [Illustration: ~Burgkmair, Kopie eines Selbstbildnisses des Malers Schongauer.~ München, Pinakothek. Nach einer Pigmentphotogr. d. Verlags-Anst. Bruckmann.] Aus der Reifezeit des Meisters mögen die Innenseiten der Flügel des ~Isenheimer Altars~, ~Kolmar~, 132 bis 135, herstammen, auf deren einem die grossartige, monumentale Gestalt des h. Antonius bemerkenswert ist, Klass. Bilderschatz 1226, wenn sie auch einer tieferen Erfassung des inneren Lebens ermangelt. Wie wenig Begabung oder Neigung der Maler Schongauer für das Bildnis gehabt hat, zeigt der kleine, neben dem Heiligen kniende, völlig konventionelle Stifter in schwärzlich grünem Mantel mit dem blauen Antonitenkreuz und dem Wappen des Johann Orlinc, Präceptors von Isenheim zu seinen Füssen. Dass er sich selbst der Einzeldarstellung für würdig erachtet hat, unter Verzicht auf den Schutz seines Patrons, ist bekannt. Ob dieses ~Selbstbildnis~ ein gutes Porträt gewesen ist, lässt sich nicht mehr entscheiden, denn wir besitzen nur eine ~Kopie~ desselben von der Hand des jungen ~Burgkmair~, ~München~, No. 220, nach einer Notiz auf der Rückseite im Jahre 1488 angefertigt. Auf dem Bilde selbst befinden sich links oben die Worte: Hipsch Martin Schongauer Maler 1483 oder, wie andere lesen, 1453. Ist die letztere Jahreszahl die richtige, sie stimmt besser als die erstere zu dem, was über das Datum seiner Geburt bekannt ist, so hätten wir hier die Kopie des frühsten Selbstbildnisses eines Malers vor uns, eines der frühsten unabhängigen Porträts überhaupt. Die Burgkmairsche Arbeit zeigt ein Brustbild in dreiviertel Ansicht nach links, ohne Hände, das harmonisch fein mit dem einfarbigen Hintergrund zusammengestimmt ist. Der jugendliche, etwas bäurische Kopf, in dessen Zügen ein schwermütiger Ernst und nicht die leiseste Spur einer Lebensfreude zu lesen ist, wird von einer schwarzen, barettartigen Mütze bedeckt. Ueber dem braunen Rock wird der Kragen eines Unterkleides sichtbar. Zu beiden Seiten der Schultern fällt ein shawlartiges Tuch vorn über die Brust herab (oder die Enden eines Barettbandes?). Einige anmutige und trauliche Mariendarstellungen des ausgebildeten schongauerschen Stiles kommen hier, weil der Welt der Wirklichkeit weit entrückt, nicht in Betracht. Von ~Werkstatt-, Schul- oder sonst Schongauer~ nahe verwandten ~Werken~ erwähne ich die folgenden, ohne eine kritische Sichtung meiner Aufzeichnungen oder den Versuch einer zeitlichen Rangordnung zu wagen: Stark realistische Köpfe auf einem ~Flügelaltar~ in ~Berlin~, No. 562. Auf dem Mittelbild, Christus am Kreuz, ist das Stifterfigürchen genau so gross wie der Totenschädel am Fusse des Kreuzesstammes. Auf einer ~Anbetung der Könige~ in ~Kolmar~, No. 98, einem sehr mittelmässigen Bilde, ist der kniende Kaspar gewiss ein Porträt. Fein detaillierte Köpfe auf dem sogenannten ~Schongaueraltärchen~ im ~Ulmer Münster~. ~Mariä Verkündigung~, ~Donaueschingen~, No. 12. Zu Füssen der heiligen Jungfrau kniet ein Donator in langem, roten Kleide mit Pelzbesatz, vor ihm das Heiligenberg-Wardenbergische Wappen, in kindlich-handwerksmässiger Ausführung. ~Landenbergischer Altar~, ~Karlsruhe~, No. 43. Auf einem Flügel der Stifter Hugo von Hohenlandenberg, Bischof zu Konstanz. (1496 bis 1532.) Von ~Einzelporträts~, welche allenfalls auf die Werkstatt Schongauers zurückgehen könnten, ist mir nur eines bekannt. Es befindet sich in ~Augsburg~, No. 40, und ist dort als »Oberrheinisch von 1492« bezeichnet: Brustbild eines bartlosen jungen Mannes, nach links, in violettem Wams, braunem Ueberkleid, schwarzer Mütze, in der Hand ein rotes Paternoster. Oben links die Zahlen 1462 und 1492. Eine spätere Inschrift auf der Rückseite enthält die Worte: Hans Leyckmann, Maler dem Gott Gnad Martin Schongauer facibat (!). Eine recht tüchtige, doch keineswegs bedeutende Arbeit. Etwa um 1520 gewinnt auch in der Kunst des Oberrheins der dürersche Einfluss die Oberhand. * * * * * Unter den schwäbischen Städten hatte sich bereits vor der Mitte des 15. Jahrhunderts ~Ulm~ als ein Hauptort oberdeutscher Kunstthätigkeit hervorgethan, insbesondere ist eine Malerwerkstätte weit berühmt gewesen, welche mit dem Bildschnitzer Hans Multscher in irgend welcher Beziehung gestanden hat, falls dieser phänomenale Meister nicht etwa selbst ihr Haupt gewesen ist. ~Hans Multscher~ hatte 1458 für die Pfarrkirche von ~Sterzing~ in Tirol jenen grossartigen ~Schnitzaltar~ geliefert, dessen gemalte Flügel, im ganzen zehn Darstellungen, von Hauser in München 1898 vortrefflich restauriert, im Rathaus von Sterzing aufbewahrt werden.[44] Da es, wie gesagt, zweifelhaft, wenn auch sehr wahrscheinlich ist, dass Schnitzer und Maler ein und dieselbe Person sind, schlägt Reber vor, den Künstler, welcher den malerischen Teil ausgeführt hat, bis auf weiteres den Maler des Multscherschen Altarwerks zu nennen.[45] [Illustration: ~Die schlafenden Jünger auf dem Oelberg~, von Multscher. (Teilbild.) Nach e. Photographie d. Kunsthistor. Gesellsch. für photogr. Publikat. 1898.] Alle Kraft der Charakteristik hat der Meister in die Köpfe seiner Figuren gelegt, sowohl in die edlen, würdigen Gesichter auf dem Marienleben, als auch in die tierisch-gemeinen Henkerfratzen auf den Passionsszenen. Die Gruppe der Jünger auf dem Oelbergbilde gehört zu dem Bedeutendsten, best Beobachteten und psychologisch Feinsten, was die deutsche Kunst im 15. Jahrhundert hervorgebracht hat. Das so unendlich schwierige Motiv des Schlafens erscheint hier in einer künstlerischen Vollendung, die noch über Lukas Mosers bereits erfolgreichen Versuch in dieser Richtung hinausgeht. (Vergl. S. 97.) Aber nicht von dem Meister aus Wil der Stadt, auch nicht von Brügge oder Köln hat dieser Maler seine Anregungen erhalten. Sucht man nach Anknüpfungspunkten, so findet man sie in deutscher Kunst am ehesten entweder bei den perspektivischen und ausgesucht feinen Lichtmalereien Konrad Witzes oder, und mit grösserer Wahrscheinlichkeit, bei den Meistern oberitalienischer Kunst, die Multscher in ihren nördlichsten Ausläufern bei seinem Aufenthalt in Tirol kennen lernen konnte. Ein dornengekrönter ~Christus in Schleissheim~ von 1457, No. 52, aus dem Kloster Wängen in Ulm stammend und ein ~Dreifaltigkeitsbild~ in der Sakristei des ~Ulmer Münsters~, letzteres durch Restauration arg entstellt, gehören wohl demselben Meister an (Bayersdorfer). Auf beiden befinden sich nebensächlich behandelte, kleinfigürliche Stifterbildnisse. Thode spricht Multscher noch eine Reihe anderer Werke zu, so die Grablegung und die herrliche Reitergruppe der heiligen Könige mit ihrem Gefolge, Stuttgart, No. 477 und 488, dort Herlin genannt. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begegnet uns in Ulm ein anderer vielgeschätzter und vielbeschäftigter Meister, der früher gemeinhin als der Gründer der Ulmer Schule bezeichnet wurde, ~Hans Schühlein~, geb. um 1440, gest. 1505, also jedenfalls erheblich jünger als der Maler des multscherschen Altarwerkes. Nach seinem Hauptwerk zu urteilen, dem koloristisch sehr bedeutenden ~Hochaltar~ in ~Tiefenbronn~, hat er niederländische oder niederrheinische, gewiss auch fränkische Bilder gekannt. Die Köpfe der ein wenig an Holzschnitzarbeiten erinnernden Figuren sind individuell und ausdrucksvoll, porträtartig mutet keiner von ihnen an. Auch sein berühmter Schüler und seit 1483 sein Tochtermann, »der deutscheste der deutschen Meister«, ~Bartholomäus Zeitblom~, geb. nach 1450, gest. gegen 1518, hat die Weiterentwickelung des eigentlichen Bildnisses nicht gefördert. Eine bei allen seinen Gestalten sich stets gleich bleibende Würde, Strenge und demütige Frömmigkeit, bei den Frauen mit Anmut und Lieblichkeit gepaart, verleiht ihnen etwas Typisches und lässt sie wie die Glieder einer einzigen Familie erscheinen, in der gute schwäbische Sitte, Bedächtigkeit und ein wenig Langeweile zu Hause waren. Die immer wiederholten Schädelformen zeigen die alemannische Bildung, die Backenknochen treten stark hervor, die Wangen sind schmal, die Nasen auffällig gross und in der Regel nach der Spitze zu leicht gerötet. Von seinen Werken — das meiste befindet sich in den beiden Stuttgarter Museen —, ist zunächst der ~Altar~ aus der Kirche auf dem ~Heerberge~ von 1497 zu nennen, ~Stuttgart~, Altertümersammlung, auf dessen Rückseite, von Ranken und einem Spruchband vielfach umwunden und in all dem wuchernden Dekorations-Schlingwerk dem flüchtigen Blicke leicht sich entziehend, der Meister sein eigenes Brustbild angebracht hat. Er erscheint hier als ein knapp Fünfzigjähriger, in langem Bart- und Haupthaar, auch er mit jener stattlichen Nase, die er seinen Heiligen zu geben liebt, in ernster, aber gemütvoller Auffassung, sinnenden Ausdrucks und bescheidener Handwerkermiene, — als Porträt recht unbedeutend. [Illustration: ~Zeitbloms Selbstporträt.~ Stuttgart, Altertümersammlung. Nach einer Photographie von Hoefle, Augsburg.] In der ~Neithartkapelle des Ulmer Münsters~ eine seltsame ~Pietà~ von 1501, wohl ein Werkstattbild, unter welcher sich eine imago mortis, eine aus Bändern, Sehnen und Gebein geflickte Halbnatur befindet, eine Schärpe um die Schulter geschlagen, an deren Ende wütend ein Hündchen zerrt und zu deren Seiten, geschlechterweise geordnet, Stifter und Stifterinnen mit den Wappen der Neithart, Kraft und Ehingen knien. Möglich, dass unter ihnen uns ein Bildnis des s. Z. berühmten Terenz-Uebersetzers Hans Neithart und des tapferen Ritters Georg von Ehingen überliefert worden ist. Ein vortrefflicher ~Altarflügel~ in der ~Sammlung Sepp~ in ~München~ mit drei Stiftern, einem Manne und zwei Frauen. Der Mann, ein recht gutes Porträt, trägt in der Linken eine wächserne menschliche Hand, die er vermutlich zum Dank für eine glückliche Genesung der Gottesmutter auf einem (nicht mehr vorhandenen) Mittelbilde darbringt, die erste der Frauen trägt ihr in gleicher Weise ein aus Wachs gebildetes Kindlein zu, — das einzige Weihgemälde grossen Stils, das mir aus dem 15. Jahrhundert bekannt ist. Porträtartige Teilnehmer an einer heiligen Handlung scheint Zeitblom nicht gemalt zu haben, allenfalls könnte ein bartloser Mann auf einer ihm in ~Strassburg~, No. 5, zugeschriebenen ~Grablegung~ den Anspruch erheben, für das Bildnis eines Zeitgenossen gehalten zu werden. In der ~Galerie Harrach~ in ~Wien~ befindet sich unter No. 360 ein ~Porträt~ »Deutsche Schule«, welches wahrscheinlich von Zeitblom herrührt. Es stellt auf einfarbigem Grunde einen bartlosen Mann in dreiviertel Ansicht nach rechts dar, in schwarzem Gewand, langem dunklem Haar und ziemlich grosser Nase, auf der eine Warze sitzt. (Mir nur in der Photographie bekannt.) — In dem Pracht und Luxus liebenden und schon aus diesem Grunde der Kunst einer neuen Zeit leicht zugänglichem ~Augsburg~, wurde gegen 1460 der Meister geboren, durch welchen das Menschenbildnis zu einer Grösse und zugleich Intimität der Auffassung gelangen sollte, wie sie bis dahin noch nie von einer deutschen Künstlerhand erreicht worden war: ~Hans Holbein~, zum Unterschied von seinem grossen Sohne später ~der Aeltere~ genannt. Seine Porträtskizzen, und nur auf diese, nicht auf die Köpfe seiner ausgeführten Bildwerke gründet sich sein Porträtistenruhm, in der Mehrzahl allerdings ziemlich spät geschaffen, im ersten und in der Mitte des zweiten Jahrzehntes des 16. Jahrhunderts, sind von einer bisher ungekannten Lebenswahrheit und Feinheit der Charakteristik, dabei so malerisch, flott und sicher mit dem Silberstift gezeichnet, zum Teil mit Benutzung von Rötel und Weiss, dass sie neben den besten Leistungen der Griffelkunst aller Zeiten genannt werden dürfen. Diese weit über hundert Blätter, welche sich auf die Sammlungen von Berlin, Basel, Weimar und einiger anderer Orte verteilen, sind in Deutschland überhaupt die ersten, welche dem modernen Auge eine rein ästhetische Freude gewähren, die ersten jedenfalls, bei denen das historische Interesse des Beschauers völlig hinter dem künstlerischen zurücktritt. Mancher dieser dem Gedächtnis leicht sich eingrabender Köpfe begegnet uns in dem Malwerk des Meisters wieder, geschaffen aber hat er sie gewiss nicht zum Zwecke der späteren Verwendung, vielmehr teils um der Persönlichkeiten und Physiognomien selber willen, teils aus Freude über die eigene Fähigkeit, sie so meisterlich mit dem Stift auf das Papier hinwerfen zu können, — den alten Kaiser Max, wie er ihn gewiss oft in seiner lieben Reichsstadt einherreiten sah, Kunz von Rosen, den kurzweiligen Rat, den stattlichen Bürgermeister Artzt, die Herren Fugger, die köstlichen Mönche des Klosters St. Ulrich, Junker, Bürger, Handwerker, auch etliche ehrbare und minder ehrbare Weiblein, kurz alle die wechselnden Erscheinungen augsburgischen Lebens und Treibens, die einem geistvollen Flaneur der flüchtigen Momentaufnahme wert erschienen sein mochten.[46] [Illustration: ~Lienhard Wagner.~ Silberstiftzeichnung von Holbein d. Ä. Nach Philippi Kunst d. 15. u. 16. Jahrh. Teil. II.] Als Zeichner nimmt Holbein seinen Ausgang, gleich wie Dürer, bei Schongauer, aber Verschiedenheit der Individualität und des Stammescharakters führt beide zu weit voneinander getrennten Zielen, und während Dürer auch im gemalten Bildnis die deutsche Kunst zu einem ihrer höchsten Gipfel emporhebt, bleibt der ältere Holbein, wo die Farbe mitspricht, ein suchender, unvollkommener und unbefriedigender Meister, seinem Sohne den Ruhm des grössten Porträtmalers Deutschlands überlassend. Holbein d. Ä. steht mit seinem Schaffen in dem Grenzgebiet zweier Welt- und Kunstanschauungen. Er wurzelt mit seiner Jugendkraft in dem zur Neige gehenden Mittelalter, und die Malerschulen vom Oberrhein und Flandern, diese durch Alt-Köln vermittelt, geben seinem künstlerischen Wesen die erste Richtschnur. Bald jedoch entwickelt er sich zu selbstständiger, kräftiger und vielseitiger Eigenart, und bereits über der Mittagshöhe seines Lebens angelangt, erreicht ihn die italienische Renaissance mit ihren neuen Formen- und Farbenidealen. Sie muss einen tiefgehenden Eindruck auf ihn gemacht haben, aber er besass trotz seiner fünfzig Jahre noch Aufnahmefähigkeit, Spannkraft und Biegsamkeit genug, sich von dieser Offenbarung nicht erdrücken zu lassen, sondern das Neue mit dem vorhandenen Alten zu verarbeiten und in seinem letzten Werke zu herrlicher Gestaltung ausreifen zu lassen. Eine auch nur allgemeine Würdigung des Meisters, der sowohl in der alten deutschen Wirklichkeitsdarstellung als auch in der neuen, das Wahre durch das Schöne verklärenden Kunstrichtung so Grosses geleistet hat, muss hier unterbleiben. Es handelt sich für uns nur um seine Thätigkeit als Bildnismaler, vor allem um den Porträtgehalt seiner Tafelbilder, der grösser ist als bei irgend einem anderen der schwäbischen Meister. [Illustration: ~S. Pauls-Basilika~ von Holbein d. Ä. Augsburg. Nach einer Photographie.] Schon auf seinem frühsten bekannten Bilde, dem ~Weingartnerschen Altar~ von 1493, jetzt im ~Augsburger Dom~, erheben einzelne Köpfe auf den ersten Blick den Anspruch auf Porträtähnlichkeit so z. B., wie bereits Schnaase bemerkt hat, der Priester bei der Darstellung Christi. Auf der 1499 vollendeten, ganz handwerklichen ~Gedenktafel für Veronika, Walpurga und Christina Vetter~, ~Augsburg~, Nr. 61, sind ausser den Bildnissen der bejahrten Stifterinnen in den Passionsdarstellungen noch manche porträtartige Gestalten zu bemerken. (»Die Flüchtigkeit der Behandlung wird durch den geringen Preis von 26 Gulden erklärt.« Woltmann. — Aber sollte man es hier nicht vielleicht mit einer Werkstattarbeit zu thun haben?) Die gleich wie dieser Epitaph für das reiche Katharinenkloster gemalten ~Basilikenbilder~, jetzt in der Galerie von ~Augsburg~, enthalten eine Fülle ganz vortrefflicher Porträts, von denen leider nur wenige zu identifizieren sind. Auf der Basilika S. Marie Maggiore ist auf dem rechten Seitenbild mit der Enthauptung der h. Dorothea, Nr. 64, die seitwärts kniende Nonne Dorothea Rehlinger die Stifterin des Bildes. Das Jesusknäblein, welches, mit einem durchsichtigen Hemdchen bekleidet, der Märtyrerin einen Korb mit Rosen darreicht, soll ein Porträt des vierjährigen Hans Holbein d. J. sein. Zu der vom Rücken gesehenen sitzenden Gestalt im Hauptbild der Basilika S. Paolo, Nr. 68, Klass. Bilderschatz 1387, wohl von 1504, ein offenbares Porträt von reizend pikanter Wirkung, wenn auch, oder vielleicht gerade weil, das Gesicht dem Beschauer abgewendet ist, hat wahrscheinlich Veronika Welser, die Stifterin, als Modell gedient. Auf der Rücklehne des Stuhles, auf welchem die weltlich gekleidete junge Frau mit dem schönen, entblössten Nacken sitzt, liest man das Wort Thekla, den Namen jener heiligen Märtyrerin, den die nachmalige gelehrte Priorin vor ihrer Klosterzeit geführt haben soll. Auf dem linken Seitenbild der Pauls-Basilika, Nr. 69, Klass. Bilderschatz 1405, hat sich der Maler selbst mit seinen beiden Söhnen Hans und Ambrosius als Zuschauer bei der Taufe S. Pauli abgebildet. Der Meister erscheint hier im langen Pelzrock, baarhaupt, langen Haar und grossen Vollbart, der die Oberlippe frei lässt, — als Künstler, der sich um die Mode der Zeit nicht kümmert. Die Rechte hat er auf den Kopf des jungen, stämmigen, etwa sechsjährigen Hans gelegt, die Linke deutet über Ambrosius hinweg nach dem Vorgange hin. Der Kopf des Vaters trägt den schlichten, ehrlichen, freimütigen und doch bescheidenen Ausdruck, wie auf der bekannten 1515 datierten Silberstiftzeichnung des Musée Condé zu Chantilly; die Köpfe der Kinder stimmen mit der Rötel-Zeichnung von 1511 im Berliner Kabinet recht wohl überein. Aus der Aehnlichkeit der absonderlichen Profilbildung des etwa achtjährigen Ambrosius mit der gleichfalls in der Seitenansicht gegebenen Frau in spitzer burgundischer Haube, welche links als Zeugin der Taufe erschienen ist, hat man in dieser porträtartigen Figur die Gattin des Malers vermutet, der gewöhnlichen Annahme nach eine Schwester Hans Burgkmairs. Der junge Hans Holbein begegnet uns ferner als etwa fünfjähriger Knabe in der ~Speisung der Viertausend~, Nr. 66, linkem Seitenbilde einer von ~Ulrich Walter~ 1502 gestifteten ~Gedenktafel~, wo der kleine Bursche zur Seite Christi in rotem Rock und Ledertasche, einen grossen Fisch in der Hand, einherläuft.[47] Schliesslich ist hier noch das Selbstbildnis des gealterten Meisters auf seiner herrlichsten Schöpfung, dem ~Sebastiansalter~ vom Jahre 1515 in ~München~ zu nennen, wo er mit bittender Gebärde zur Seite der heiligen Elisabeth erscheint. Klass. Bilderschatz 15. Aber mit diesen wenigen nachweisbaren Persönlichkeiten ist die Reihe der von Holbein als Teilnehmer an heiligen Vorgängen dargestellten Zeitgenossen nicht beendet. Auch auf den grossen ~Passionen~ in ~Frankfurt~ und ~Donaueschingen~, auf dem ~Kaisheimer Altar~ in ~München~, von letzteren beiden einige Abbildungen im Klass. Bilderschatz, sowie auf dem ~Stammbaum Christi~ und dem ~Stammbaum der Dominikaner~, jetzt im städtischen Museum von ~Frankfurt~, ist gewiss mancher Kopf von den Zeitgenossen als Porträt erkannt worden, aber die Celebrität des Dargestellten war wohl nicht bedeutend genug, um seinen Namen der Nachwelt zu überliefern. Von seinen zahlreichen Stifterbildnissen, denen er in der Regel denselben Massstab wie den heiligen Personen gegeben hat und die infolge seines grösseren malerischen Könnens das Holzschnitzartige verloren haben und den Originalen gerechter werden, als die der meisten seiner Vorgänger und seiner Mitstrebenden, wenn sie auch immerhin noch nebensächlich behandelt erscheinen, sind zu erwähnen: Auf der ~Beschneidung Christi~ des ~Kaisheimer Altares~ der kniende Abt Georg zu Kaisheim, ein ganz besonders lebendiger Kopf. Auf der schon erwähnten ~Gedenktafel~, welche ~Ulrich Walter~ im Jahre 1502 seinen hochwürdigen Töchtern Anna und Maria, Priorin bez. Küsterin des Katharinenklosters, für den Kreuzgang desselben gestiftet hat, und zwar auf dem rechten Seitenbild mit der Heilung des Besessenen, No. 67, dreizehn weibliche Mitglieder der walterschen Familie, unter ihnen die Mutter, Frau Barbara, geb. Riedler, nebst zwei Dienerinnen, und auf dem linken, Nr. 66, der Speisung der Viertausend, neun männliche Mitglieder, vorn der greise Stifter Ulrich Walter selbst, im Pelzrock, den Rosenkranz haltend. Von diesen Figuren sind die Mehrzahl, namentlich auf der Männerseite, nicht nur vortrefflich in der Farbe modelliert, sondern müssen auch als Konterfeie »der ganzen walterschen Freindschaft«, und die bestand beim Tode des Seniors aus nicht weniger denn 133 lebenden Kindern, Enkeln und Urenkeln, viel Freude bereitet haben. [Illustration: ~Epitaph d. Bürgermeisters Schwartz von Holbein d. Ä.~ Augsburg, Privatbesitz. Nach einer Photographie von Hoefle, Augsburg.] Das beste aber an feiner malerischer Behandlung und individueller Bildung und Differenzierung der Physiognomien hat Holbein in dem ~Epitaph~ des 1478 hingerichteten ~Bürgermeisters Ulrich Schwartz~ vom Jahre 1508, im Besitze der Familie von Stetten in ~Augsburg~, geleistet. Fünfunddreissig Personen, unter ihnen der Bürgermeister, sein Sohn Ulrich und dessen drei Frauen (die dritte, ihn überlebende, Anna Friess, ganz vorn), noch nach althergebrachter Weise angeordnet, aber jede einzelne von selbständiger Bedeutung und mit dem Bewusstsein des Wertes ihrer Persönlichkeit, nicht mehr die mittelaltrige Beterschar, die dem Gotte gegenüber nur als Symbol des Menschengeschlechtes zu erscheinen wagt, — »eine Musterversammlung protziger, kräftiger Menschen« (Janitschek). Hier hat der alte Meister gezeigt, wie er mit jugendlicher Triebkraft sich den Idealen einer neuen Zeit zugewandt hat. Leider ist das Bild sehr beschädigt, doch scheut der jetzige Besitzer, vielleicht mit Recht, die Gefahren einer Restaurierung. Es wäre gewiss interessant zu erfahren, wie der ältere Holbein sich dem unabhängigen Einzelporträt gegenüber verhalten hat. Woltmann I, 87 erwähnt das ~Porträt~ eines jungen, blühenden, blonden, bärtigen jungen Mannes, in Pelzkleid und Pelzhaube, eine Schriftrolle in der Hand, aus dem Jahre 1513 im Besitze des Grafen ~Lanckoronski~ zu ~Wien~ und S. 88 das ~Bildnis~ eines Mannes aus derselben Zeit, der einen silbernen Becher in der Rechten hält — den Hintergrund bildet eine Renaissance-Architektur —, ehemals im ~Palazzo Manfrin~ zu ~Venedig~. Die Bilder, ich habe sie leider nicht selbst gesehen, sollen weit hinter dem zurückbleiben, was man nach seinen Skizzen erwarten könnte. Andere sichere Porträts scheinen von ihm nicht bekannt zu sein, sei es, dass sie sich unter der handwerklichen Ware der Provinzialsammlungen verbergen, sei es, dass der Meister überhaupt wenig Aufträge dieser Art erhalten hat. Das ~Porträt~ eines jungen Mannes im roten Rock und rotem Barett auf blauem Grunde in ~Darmstadt~, welches Janitschek ihm zusprechen wollte und das Woltmann als mutmassliche Arbeit des Ambrosius Holbein aufführt, gilt neuerdings wohl allgemein als ein frühes Werk des jüngeren Holbein. — Das in ~Stuttgart~ unter Nr. 500 der Schule des älteren Holbein zugeschriebene freundliche ~Kinderköpfchen~ auf grünem Grund, eine pausbackige, sächsische Prinzessin mit roten Haarflechten und golddurchwirkter Haube, gehört wohl der cranachschen Werkstatt an, und das ebenda unter No. 515 derselben Schule zugewiesene ~Brustbild~ einer betenden Frau ist schwerlich deutschen Ursprungs. Nachdem er den Sebastiansaltar geschaffen hatte, hört man wenig mehr von Holbeins künstlerischer Thätigkeit, und ein Werk von ihm ist von nun an nicht mehr nachweisbar. Er hatte in seiner bürgerlichen Existenz Schiffbruch gelitten, konnte seinen städtischen Verpflichtungen nicht nachkommen, und die Schuldklagen gegen ihn häuften sich mehr und mehr. Im Jahre 1524 wird er als verstorben erwähnt. So teilte er dasselbe Künstlerlos mit so manchem grossen Meister, mit Franz Hals, Ruisdael, Vermeer und Rembrandt, mit denen er freilich wenig mehr gemein hat als das Unterliegen im Kampfe um Anerkennung und Belohnung von seiten der Mitlebenden, denn dem wirklichen Talente gegenüber erscheint er schliesslich doch nicht mehr als ein Meister zweiten Ranges — die herrliche Schöpfung des Sebastiansaltars ausdrücklich ausgenommen —, ein Vorarbeiter auf einer Bahn, auf der ein Grösserer als er das Ziel erreichen sollte. Von den in Augsburg neben Holbein d. Ä. thätigen Künstlern zeichnet sich ~Leo Frass~, der eines der Basilikenbilder für das Katharinenkloster gemalt hat, durch tüchtige, aber künstlerisch nicht gerade bedeutende, grobknochige und unerfreuliche Charakterköpfe aus, ~Gumbolt Giltlinger d. Ä.~ dagegen, thätig als Tafelmaler seit 1481, gestorben 1522, durch wenig tief erfasste und etwas ausdruckslose Ateliergesichter. Auf seiner ~Anbetung der Könige~, von der sich ein bezeichnetes Exemplar im Besitz des Landgerichtsrats Hoffmann in ~Augsburg~, ein anderes im ~Louvre~ befindet, No. 2739, Klass. Bilderschatz 189 und 1203, scheinen einige Personen des königlichen Gefolges die Züge bestimmter Persönlichkeiten zu tragen. Eine Anbetung der Könige in der ~Augsburger Galerie~, No. 102, ist nach dem Katalog mutmasslich eine Replik des jüngeren Giltlinger, möglicherweise ist dort in dem zweiten König, Balthasar, ein Porträt des Anton Fugger gegeben. Augsburgischer Kunstweise verwandt sind die in dem dortigen ~Maximilians-Museum~ aufbewahrten Darstellungen der ~Geburt~ und der ~Anbetung der Könige~, »Schwäbisch um 1480«; auf letzterer sind vielleicht sämtliche drei Könige Porträts.[48] Italienischer Einfluss ist auf allen diesen Werken zu erkennen. Die Besprechung der Thätigkeit ~Hans Burgkmairs~ liegt ausserhalb des Rahmens dieser Betrachtungen, denn schon in den frühsten seiner bedeutenderen Arbeiten, den Basilikenbildern, die er in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts neben dem älteren Holbein im Katharinenkloster malte, zeigt er sich als auf dem Boden der neuen Zeit stehend, als ein Künstler der Renaissance, zu welchem er sich durch die Kenntnis oberitalienischer, besonders venetianischer Malerei herangebildet haben mag. Die von ihm als fünfzehnjähriger Knabe ausgeführte Kopie des schongauerschen Selbstbildnisses ist schon erwähnt worden (S. 105), hier mag noch ein zwei Jahre später gemaltes Porträt genannt werden, also aus einer Zeit, wo er noch unter dem Einflusse der deutschen, und zwar der elsässischen Kunst steht. Es ist das der in ~Schleissheim~ unter No. 141 befindliche, 1445 geborene ~Geiler von Kaisersberg~. Das Brustbild ohne Hände, vor dunkelblau-grünem Hintergrund, in schwarzem, bis zum Hals geschlossenen Rock und hoher, fezartiger schwarzer Mütze, der Kopf, in dreiviertel Ansicht nach rechts, zeigt die Hand eines Anfängers, der noch ganz in mittelaltriger Kunstübung wurzelt. Die Züge des scharf konturierten Kopfes sind hart und metallen, und die zahlreichen und tiefen Gesichtsfurchen geben ihm einen ängstlichen und bekümmerten Ausdruck. Die Lippen sind schmal und ein wenig geöffnet, ihre Umrisslinien scharf, wie mit dem Messer ausgeschnitten. Der Fleischton ist schmutzig-gelbraun. Ohne einen bestimmten Gegenstand zu fixieren, ist der leere, beinahe gespenstische Blick in die Ferne gerichtet. Von dem Geiste der gewaltigen Persönlichkeit des Kanzelredners, »der helltönenden Posaune von Strassburg«, des gedankenreichsten und feinsten Menschenkenners seiner Zeit, der damals in seinem fünfundvierzigsten Jahre stand, ist in dieser kindlich-befangenen Arbeit wenig zu verspüren. [Illustration: ~Porträt des Geiler von Kaisersberg~, von Hans Burgkmair, Schleissheim. Nach besonderer Aufnahme.] * * * * * In ~Nördlingen~, wohin er von Rothenburg gekommen war, malte 1462 ~Friedrich Herlin~, ein Schwabe von Geburt, wahrscheinlich aus Ulm stammend, den ~Hochaltar für die Georgskirche~. Auf den ersten Blick erkennt man den Nachahmer der Niederländer, insbesondere Rogers, dessen Einfluss von nun an in Schwaben der herrschende wird. Zu einer selbständigen künstlerischen Ausdrucksform, wie z. B. Schongauer, der auch bei den Flamen studierte, hat er es niemals gebracht. Das Technische, die Leuchtkraft der Farbe und die feierliche Komposition hat er seinen Vorbildern erfolgreich abgesehen, aber den Schein der Körperlichkeit vermag er seinen Gestalten nicht zu verleihen. Seine Figuren mit den langgezogenen Gesichtern, den langen und breiten Nasenrücken und den scharfgeschlitzten, nach den äusseren Winkeln stark heruntergezogenen Augen, wirken hart und erinnern an flache Holzschnitzreliefs. Auch seinen Stifterbildnissen, die übrigens als das beste bezeichnet werden müssen, was er überhaupt zu geben imstande war, haftet dieser Mangel an. Aber er hat sie sorgfältiger behandelt als die Mehrzahl seiner schwäbischen Malergenossen, und dass er sie da, wo sie mit heiligen Personen zu einer Handlung vereinigt sind, von derselben Grösse darstellt wie diese, ist ein künstlerischer Fortschritt und ein Beweis für ein verändertes Verhältnis des Menschen zu Gott, für eine Befreiung von dem mittelaltrig-dumpfen Herdengefühl, zu dem Herlin, vielleicht dank der auf seiner niederländischen Reise erhaltenen Anregungen, recht wohl sein Scherflein beigetragen haben mag. In der ~städtischen Sammlung von Nördlingen~ hängen u. a. ~zwei Flügel~ des schon erwähnten ~Georgsaltares~, auf dem einen sechs männliche, auf dem anderen vier weibliche Mitglieder der Familie des reichen Nördlinger Bürgers Jakob Fuchshart. In einem von zwei Fenstern erhellten Raume kniet, von den übrigen abgesondert, der greise Stifter mit weisser Perücke. Ein aus dem Groben gearbeiteter Kopf mit schlichtem, nicht unintelligentem Ausdruck, wie man ihn wohl noch heute in schwäbischen Städten mit vorwiegend landschaftlichem Charakter antrifft, hinter ihm seine Söhne, jeder einzelne in seiner besonderen, nicht gerade gewinnenden Eigenart gekennzeichnet. Die vier Frauen knien in naturholzfarbenen Betstühlen vor einem ausgespannten oliven-grünen gemusterten Teppich, drei in Schwarz, eine in Rot gekleidet, nach der Sitte der Zeit den Kopf von grossen, blendend weissen, gestreiften Tüchern haubenartig umschlungen. Das Inkarnat ist heller als bei den Männern, auch sie sind, wiederum ein Fortschritt, ebenso vortrefflich individualisiert wie jene. [Illustration: ~Flügel des Georgsaltars von Herlin.~ Nördlingen. Nach Photographie.] Auf einem dreiteiligen ~Altar~ von 1488 in derselben Sammlung kniet, nicht auf dem Flügel, sondern auf dem Mittelbilde, unmittelbar vor der Gottesmutter mit dem Kinde, die Familie des Stifters: gleichfalls recht gute Porträts, in denen eine örtliche Ueberlieferung, der freilich Schnaase widerspricht, Herlin selbst mit den Seinen erkennen will. Klass. Bilderschatz 1376. In der städtischen Sammlung befindet sich ferner ein ~Ecce Homo~ von 1468, vor welchem im Betstuhl, einen langen Pelzmantel um die Schultern, der Stifter kniet: Hans Genger, Kirchenbaupfleger und Bürger von Ulm, dieser jedoch, wie noch einige andere herlinsche Donatoren in Nördlingen, in der alten nebensächlichen Art und verkleinerter Gestalt behandelt. In der ~Jakobskirche von Rothenburg~, die übrigens auch einen 1466 bezeichneten Altar Herlins besitzt, wird in der jetzt leider gänzlich verwahrlosten Blutkapelle ein vortreffliches Bild der ~Maria mit dem Kinde und der h. Barbara~, bez. 1467, aufbewahrt, das mit grosser Wahrscheinlichkeit demselben Meister zuzuschreiben ist (dort Wolgemut genannt). Die in der Kirchentracht mit vier blonden, blühenden Kindern erschienene Stifterin, in nur wenig verkleinertem Massstabe, ist besonders sorgfältig behandelt. Neben ihr ein Wappen mit einem Einhorn. An einigen beschädigten Stellen des Bildes ist zu erkennen, dass die Holztafel vor Auftrag des Kreidegrundes mit Leinwand überzogen war. Dieses Hilfsmittel, um etwaige beim Trocknen des Holzes entstehende Sprünge von vornherein zu verbergen, ist mir, nebenbei bemerkt, auf Werken des 15. Jahrhunderts mehrfach begegnet, besonders auf altkölnischen Bildern. Zuweilen sind auch Sprünge, die schon vor dem Bemalen im Holz vorhanden waren, mit Werg ausgestopft. Gleichfalls nicht ganz sicher von Herlin ist ein ~Epitaphium~ einer Frau Müller in der ~Georgskirche~ zu ~Nördlingen~, am alten Rahmen mit 1463 bezeichnet, welches Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes und die Stifterfamilie zeigt. — Einen, nach der Abbildung im klassischen Bilderschatz 1220 zu schliessen, vortrefflichen Stifter, ein Brustbild, das unten mit dem Rahmen abschneidet, eine höchst seltene Darstellungsweise, mit dem h. Christophorus und dem h. Sebastian in der ~Sammlung Marcuard~ in ~Florenz~, habe ich im Original nicht gesehen. — Dass der Nachahmer Rogers Einzelporträts gemalt hat, ist anzunehmen, aber nicht nachzuweisen. In keiner Sammlung wird ihm ein Porträt zugeschrieben. Vielleicht aber dürfte auf ihn ein im Besitz des Herrn Dr. ~A. Burckhardt-Burckhardt~ in ~Basel~, früher in der Sammlung des Grossherzogs von Baden, befindliches ~Brustbild~ zurückgeführt werden, das mit der Jahreszahl 1488 bezeichnet ist. Der gut detaillierte, an einigen Stellen übermalte Kopf, den eine haubenartige Mütze bedeckt, gehört einem hoch in den Dreissigen stehenden Manne an. Beide Hände sind sichtbar, die linke ruht auf einer Brüstung, die rechte, mit ihren spinnenbeinartigen, knochenlosen, widerlichen Fingern, die man sich scheuen müsste zu berühren, hält einen Zirkel, — also wohl ein Mathematikus. Die dunkelgemusterte Wand des Hintergrundes ist links für einen Ausblick in die Landschaft geöffnet; allerdings ist es nicht unmöglich, dass dieser Teil der Staffage von späterer Hand hinzugemalt worden ist. Den Hinweis auf die vermutliche Urheberschaft dieses in der Farbe guten, in der Modellierung ziemlich schwachen Werkes verdanke ich Dr. Daniel Burckhardt. [Illustration: ~Männliches Porträt.~ Im Besitz von Dr. A. Burckhardt in Basel. Nach besonderer Aufnahme.] * * * * * Die Kunst der übrigen am Oberrhein und in Schwaben thätigen Maler wird vornehmlich von Schongauer, Zeitblom und dem älteren Holbein bestimmt. Für die Geschichte des Menschenbildnisses sind sie kaum von Interesse. Der vielgenannte ~Meister von Sigmaringen~, hauptsächlich vertreten in den Sammlungen von Sigmaringen und Donaueschingen — ein gutes Bild auch in Schleissheim No. 136, jedenfalls ~nicht~ von dem Meister des Amsterdamer Kabinets —, obwohl noch im 16. Jahrhundert thätig, zeigt bei guter Naturbeobachtung doch nur Typen, die uns von Zeitblom her bekannt sind. Eine kleine, steife Stifterin auf dem Bilde No. 33 in Donaueschingen, in der Tracht der Dominikanerinnen, ist ganz unbedeutend. Auf eine nahe Verwandtschaft mit demselben Meister weisen die Bilder von ~Klaus Strigel~ hin — der ganz hervorragende Porträtmaler Bernhard Strigel gehört mit seinen Hauptwerken bereits dem neuen Geiste des 16. Jahrhunderts an —; dem älteren Holbein nahe steht der Maler der »~Blaren-Tafel~« aus der Kapelle des Spitals S. Augustin, jetzt im ~Rosgarten-Museum zu Konstanz~, den Tod Mariä darstellend, übermalt, mit einem recht ungeschickten, hölzernen Stifter, (Diethelm?); zeitblomsche Typen zeigt ein grosser ~Altar~ von 1498 in ~Mittelzell~ auf der Reichenau, auch manches in der Neidhartkapelle des ~Ulmer Münsters~. Alle diese meist sehr mittelmässigen Bilder aufzuführen, ist zwecklos, ich erwähne nur die folgenden, die ein gewisses ikonographisches Interesse haben: In der ~Heidelberger Schlosssammlung~ unter No. 370 die ~Stiftung des Rosenkranzordens~: Drei von Rosenkränzen umrahmte Darstellungen, auf der rechten ein vornehmer Mann in goldbrokatenem Gewande, dem ein Dominikanermönch von der Kanzel herab den Rosenkranz überreicht. Das scharf im Profil genommene Gesicht des ersteren, bartlos, mit Adlernase und Lockenhaar, hat einige Aehnlichkeit mit einem in derselben Sammlung befindlichen Porträt Friedrichs des Siegreichen (No. 416). Sonach könnte das Bild vielleicht zum Danke für das von diesem Fürsten 1476 in Heidelberg erbaute Dominikanerkloster (an der Stelle des heutigen Friedrichsbaues) gestiftet worden sein. Bemerkenswert ist übrigens hier die treffliche Bewältigung der Perspektive bei ungewöhnlich hohem Augenpunkte. Die Herkunft des Bildes ist unbekannt. [Illustration: ~Stiftung des Rosenkranzordens.~ Heidelberg, Schloss, städtische Sammlung. Teilbild. Nach einer Photographie von Edmund von König.] Ein ~Schnitzaltar~ in der Pfarrkirche von ~Dettlingen~, Hohenzollern,[49] gestiftet 1491, zeigt recht gute Donatorenbildnisse: auf dem rechten Flügel Burkhard von Ehingen zu Diessen in voller Rüstung zu Füssen des h. Christophorus, auf dem linken Flügel seine Hausfrau Barbara von Neuneck kniend vor der Madonna mit dem Kinde. Beide sind von derselben Grösse wie die Heiligen. In der ~Stuttgarter Gemäldesammlung~ unter No. 518 bis 520 eine merkwürdige, 1489 bezeichnete Tafel mit vierundzwanzig kleinen, wie vergrösserte Buchillustrationen erscheinenden Darstellungen einer wunderlichen ~Legende~. (Wichtig für die Datierung der schongauerschen Stiche B. 17 und B. 22, die hier kopiert sind. Lehrs.) Auf den zwei Seitenbildern dieser Tafel sind die Stifter gemalt, und zwar sehr bemerkenswerterweise erscheinen sie hier zum ersten Male in ~ganzer stehender Figur~ von etwa einem Meter Höhe und ohne von einem Schutzpatron begleitet zu sein. Auf dem einen Seitenbild Herzog Wolf von Schwaben, eine edele Jünglingsgestalt in reicher, goldbrokatener Tracht, den Herzogshut auf dem herabwallenden Goldhaar, ein Kirchenmodell in der Hand haltend, auf dem anderen Seitenbild seine jugendliche Gemahlin Juditha von Flandern, in rotem, grüngesäumten Gewand, mit der hohen, durch Drähte gestützten burgundischen Haube, über welcher ein zarter weisser Schleier gelegt ist. (Ein spätes Beispiel für das Vorkommen dieser etwa seit 1440 nachweisbaren Kopfbedeckung.) Beide Figuren sind mit feinem koloristischen Sinn auf dunkeln Grund gemalt. Die Bilder werden in Stuttgart »Schwäbische Schule« genannt; aber sollten diese vornehmen, liebenswürdigen Erscheinungen nicht doch vielleicht von einem flandrischen oder burgundisch-französischen Maler herrühren? In derselben Sammlung unter No. 501 »unbekannter Meister« ein Doppelbild, ~Anbetung der Weisen~ und ~Beschneidung Christi~, mit zwei Seitenbildern, auf dem einen der württembergische Graf Ulrich der Vielgeliebte, in hellbrauner Plattenrüstung, einem Perlenreif mit Reiherstutz auf dem roten Lockenhaar, recht gut individualisiert, auf dem andern seine drei Gemahlinnen, diese kaum voneinander zu unterscheiden. Die unpatronisierten Stifterfiguren sind hier grösser als die Heiligen der beiden Mittelbilder. Schliesslich seien noch zwei lebensgrosse, unpatronisierte ~Bildnisse in ganzer stehender Figur~ erwähnt, welche einst die Flügel eines Altars der Hauskapelle in der Stallburg zu Frankfurt a. M. gebildet haben und sich jetzt unter No. 75 und 76 im ~städelschen Kunstinstitut~ befinden. Auf den nach 1788 angefertigten Rahmen beider ist der Name der Dargestellten, ihr Alter und das Jahr der Anfertigung angegeben. Das eine ist das Porträt des fünfunddreissigjährigen Frankfurter Patriziers Claus Stalburg vom Jahre 1504, das andere das seiner Gattin, der zwanzigjährigen Margarethe Stalburgerin, gleichfalls von 1504. Die Bilder sind von dem aus Schwäbisch-Gmünd gebürtigen Maler ~Jerg Ratgeb~ hergestellt und lassen bereits den dürerschen Einfluss erkennen. (Eigenartige Passionsdarstellungen desselben Meisters in der Stuttgarter Altertümer-Sammlung.) * * * * * Unabhängige Porträts aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, der oberrheinischen oder schwäbischen Richtung angehörend, finden sich vereinzelt in den Sammlungen Deutschlands und Oesterreichs. Ich erwähne die folgenden: Zwei recht handwerksmässige »~Klappbilder~«, nach Art der Diptychen, zum Aufstellen oder zur Aufbewahrung in einer Lade bestimmt, im gotischen Zimmer des ~Baseler historischen Museums~. Beide mit 1487 bezeichnet, auf der Innenseite der einen Klappe das Brustbild der Dargestellten auf blauem Grund: einmal ein weltlich gekleidete junger Mann, eine Blume in der Hand haltend, das andere Mal ein Mönch; auf der Innenseite der anderen Klappe in beiden Fällen ein Totengerippe. In der ~städtischen Sammlung zu Mainz~ unter No. 444 ein 1482 datiertes ~Porträt~ des Ulmer Dombaumeisters Moritz Ensinger, links oben ein Wappenschild mit zwei Zangen, rechts oben die Jahreszahl. Brustbild auf rotem Grund, der Kopf in dreiviertel Ansicht nach links. Der Dargestellte, der eine hohe schwarze Mütze trägt, mag in der Mitte der Vierziger stehen. Der Ausdruck des hohlwangigen, schlecht rasierten Handwerkergesichts ist, im Gegensatz zu den sonstigen spätmittelaltrigen Bildern, völlig unbefangen, aber gleichgiltig, beinahe gelangweilt. Die Ausführung ist unfrei, zeichnerisch, nicht malerisch, und ohne jede Kraft der Formen und Farben. Schwerlich von einem bedeutenden Meister. Ein anderes, einem unbekannten Ulmer Maler zugeschriebenes ~Porträt~ befindet sich in ~Stuttgart~ unter No. 503. Brustbild eines Mannes in mittleren Jahren mit feinen Gesichtszügen, ohne Hände, auf dunkelgrünem Grund. Er trägt unter der offenstehenden schwarzen Schaube einen braunen Rock, den Kopf bedeckt ein schwarzes Barett. Sauber mit dem Pinsel gezeichnet. Wohl vom Ende des 15. Jahrhunderts. In der ~Stuttgarter Altertümersammlung~ das ~Brustbild~ einer Augsburgerin Welser, geb. Ungelter, von etwa 1500, — eine junge, gesunde, frisch aussehende Frau mit reich gestickter Haube auf rotem Grunde. Die Freude des 16. Jahrhunderts an kostbarem Geschmeide ist schon hier an Ketten und Ringen zu erkennen. In der städtischen Sammlung auf dem ~Heidelberger Schloss~, No. 416, ein recht gutes ~Brustbild~ Kurfürst Friedrichs I. von der Pfalz (1449 bis 1476), im Brokatrock mit Hermelinbesatz, roter Mütze, auf schwarzem Grunde. Die gänzlich verzeichneten Hände halten ein Blatt Papier oder einen Brief. Manches, insbesondere die Haarbehandlung, erinnert an den viel späteren Baldung, doch kann das Bild immerhin noch im 15. Jahrhundert gemalt sein. Die Porträts unter No. 417 und 418 sind freie, aber schlechte spätere Handwerkerkopien desselben Bildes. * * * * * Es erübrigt nun noch am Schlusse der oberrheinischen und schwäbischen Schulen kurz auf zwei ~schweizer Maler~ hinzuweisen, die für die Geschichte der Entwickelung des Bildnisses in der vordürerischen Zeit von einiger Bedeutung sind: Hans Herbst, in dessen Werkstatt vermutlich Holbein der Jüngere gearbeitet und der den männlich schönen Lehrmeister porträtiert hat,[50] und Hans Fries, den eigenartigen, bäurischderben Maler von Freiburg. ~Hans Herbst~ ist 1468 geboren, war um die Wende des Jahrhunderts der gefeiertste Künstler in Basel und ist erst 1550 im Alter von 82 Jahren gestorben. Im Besitze des Herrn Dr. ~Stückelberg~ in ~Basel~ befindet sich das ~Brustbild~ eines etwa fünfundzwanzigjährigen Mannes, das durch eine alte Inschrift und die Identität der Persönlichkeit mit der des Londoner Porträts mit grosser Wahrscheinlichkeit als ein ~Selbstbildnis~ des Malers beglaubigt sein soll. Ich selbst habe das Werk nicht gesehen. D. Burckhardt[51] sagt von ihm: Die Färbung ist ziemlich kräftig, von einem hellgrünen Hintergrund hebt sich der mit einem roten Barett bedeckte Kopf trefflich ab. Das Gesicht ist flach mittels leichter brauner Schatten modelliert. — Auf Grund dieses Bildes schreibt Burckhardt dem gleichen Meister ein ~Porträt~ bei Herrn ~Merian Thurneysen~, ~Basel~, und zwei ~Porträts~ im ~Baseler Museum~ zu, Nr. 92 und 93. Diese letztgenannten beiden Bildnisse, bereits dem 16. Jahrhundert angehörig, vor einfarbigem Hintergrund, wenig bedeutend im Ausdruck, kräftig in der Farbe, doch etwas hart in der Modellierung, scheinen mir auf einen späten Vertreter der schongauerschen Richtung hinzuweisen. Bayersdorfer hält sie für Arbeiten Baldungs. Von ~Hans Fries~, geb. 1465, thätig zumeist in seiner Vaterstadt, gest. um 1520, sind mir weder Porträts noch Stifterbildnisse bekannt, doch muss sein Name um der urwüchsigen Kraft seiner Gestalten, die an die des älteren Holbeins beinahe heranreicht, ja oft schon an Dürer gemahnt, mit denen der grossen Menschenbildner seiner Zeit genannt werden. (Germanisches Museum Nr. 172 bis 177, zwei Tafeln im Freiburger Museum, ein 1506 datiertes Gemälde des Franziskaner Klosters zu Freiburg, von dem sich zwei Flügel in Schleissheim befinden, Nr. 137, Klass. Bilderschatz 1573, und mehreres in Basel, Nr. 45 bis 52.) 5. Baiern, Oestreich, Tirol. Wesentlich verschieden von allem bisher Behandelten ist das Gesamtbild der ~bairischen Malerei~. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts rauh und derb, in schwesterlicher Verwandtschaft mit der Holzplastik, einheitlich geschlossenen Charakters, unberührt so von nordischen wie südlichen Einflüssen, ist sie ein treues Spiegelbild bajuvarischer Stammesart und eine beredte Zeugin gegen die oft gehörte Behauptung, der Naturalismus der deutschen Malerei verdanke insgesamt flämischem Import sein Dasein. Erst gegen die Mitte des Jahrhunderts verändert sie langsam bei einzelnen Meistern ihr knorriges Gesicht, aber es ist, wenigstens in den östlichen Teilen des Landes, nicht ein von Gent oder Brügge herüberstrahlendes Licht, das diesen Wandel hervorruft, sondern ein schwacher Wiederschein italienischer Kunst, der, vornehmlich von Padua her, über Südtirol und Salzburg zu ihr drang. Am längsten und zähesten hat sich Rauheit und Urwüchsigkeit, ohne eine Spur idealer Verklärung, in den ~westlichen Gebieten~ Baierns erhalten, im Isarthal, besonders in München selbst. Ein schlagendes Beispiel dieser Art ist eine ~Kreuzigung~ aus ~Benediktbeuern~, die sich jetzt in ~Schleissheim~ unter Nr. 68 befindet und die etwa um die Mitte des Jahrhunderts entstanden sein mag. An graussigen Details, schauerlichen Höllenfratzen und Pferdeschnuten wird hier das denkbar Mögliche geleistet, aber bei all ihrer Uebertreibung sind diese grimassierten Gesichter von einer geradezu unheimlichen Lebenswahrheit. Die Gruppe der drei Verschwörer oder was es sonst für bassermannsche Gestalten sind, die vor dem Kreuze stehen, namentlich der in der Mitte mit dem weissen Schnurrbart und den buschigen Brauen, dann der wilde Kerl zu Pferde, der in der kühnsten Verkürzung über eine Armbrust aus dem Bilde heraus auf den Beschauer zu zielen scheint, wird man nie wieder vergessen, wenn man einmal ihnen gegenüber gestanden hat.[52] [Illustration: ~Teilbild aus der Kreuzigung von Benediktbeuern.~ Schleissheim. Nach besonderer Aufnahme.] Einen ähnlich übertriebenen, man darf wohl sagen scheusslichen Naturalismus zeigen die ~Passionsbilder~, die ~Gabriel Mächselkircher~ 1480 für das Kloster von Tegernsee gearbeitet hat, jetzt in ~Schleissheim~, Nr. 73 und 74. Diese Karikaturen — der bartlose Christuskopf darf von dieser Bezeichnung nicht ausgenommen werden — sind hier umso widerlicher, als sie sämtlich wie in einen fahlen Leichenton getaucht erscheinen. Nicht minder krasse Physiognomien hat er auf zwei ~Altarflügeln~ angebracht, die gleichfalls aus Tegernsee stammen und jetzt in der Bildersammlung von ~Burghausen~ unter Nr. 9 und 10 aufbewahrt werden. Die Entkleidung Christi vor der Kreuzigung, Nr. 10, ist brutaler sicherlich nicht in dem wildesten Passionsspiel einer rohen Volksmenge vorgeführt worden. Dagegen sind die abgesägten Kehrseiten dieser beiden Flügel, ebenda Nr. 11 und 12, ~Enthauptung~ und ~Bestattung des h. Sigismund~, mit der von ferne an Konrad Witz erinnernden Behandlung der Architektur und Landschaft, von einer so auffälligen Ruhe und verhältnismässig würdigen Auffassung, dass man wohl geneigt sein kann, hier eine andere Hand als die Mächselkirchers zu vermuten. Derb und karikiert sind auch die Köpfe, welche ~Uelrich Fuetrer~ 1457 auf seiner ~Kreuzigung~, ~Schleissheim~, No. 71, gemalt hat. Nur die Fleischtöne und das goldig blonde Haar sind in Farben gegeben, die Figuren selbst sind in einem weisslich grauen Ton gehalten, der die Steinskulptur nachahmen will. Während bei allen diesen Werken keine Spur eines fremdländischen Einflusses zu entdecken ist — allenfalls könnte man vielleicht an Anregungen aus dem benachbarten Franken denken —, kommt in den Arbeiten des Hofmalers ~Hans Olmendorfer~ (1460 bis 1518) die bairische Eigenart nicht mehr ganz unverfälscht zum Ausdruck, doch wäre es wohl gewagt, bei ihm die persönliche Kenntnis italienischer Kunst vorauszusetzen. In der gotischen Kirche des ~bairischen Nationalmuseums~ steht ein von ihm 1492 für die ehemalige Franziskaner-Kirche gemalter ~Altar~ von mächtigen Abmessungen. Das Hauptbild stellt die Kreuzigung dar. Die Figuren sind ohne das geringste Gefühl für Gruppierung, Linienführung und Farbenwirkung bunt und wahllos nebeneinander gestellt, aber ihre Physiognomien sind lebendig und individuell, ohne grimassiert zu sein. Irgend welche Lokalgrössen scheint Olmendorfer ebensowenig wie die ihm vorangegangenen Malermeister als Assistenten der Handlung porträtiert zu haben, dagegen hat er den Stifter des Altars, den 1508 gestorbenen Herzog Albrecht IV. (III.), den Weisen, im Alter von 45 Jahren, kniend in ritterlicher Rüstung und mit mässig langen Schnabelschuhen, und seine etwa 40 Jahre alte Gemahlin Kunigunde, Tochter Kaiser Friedrichs III., in reichem Brokatkleid und weisser Haube auf den Aussenseiten der Flügel in schlichten und lebensvollen Bildnissen dargestellt. Edler und monumentaler als dieser ist der angeblich auch von ihm gemalte ~Altar~ der Kirche von ~Blutenburg~ bei München von 1491, wenn auch — der gross und mächtig wirkende Kopf Gott Vaters ausgenommen — die Charakterisierung der Gestalten schwächlicher ist. Es ist das nicht der einzige Fall, wo ein deutscher Künstler, dem der Wirklichkeitssinn gewissermassen im Blute liegt, zu einer Verwässerung des Wesensausdrucks gelangt, wenn er sich um eine ideale Auffassung der Dinge bemüht. [Illustration: ~Porträt des Herzogs Sigmund.~ Schleissheim. Nach besonderer Aufnahme.] Ein vortreffliches ~Porträt des~ 1439 geborenen ~Herzogs Sigmund von Baiern~ in ~Schleissheim~, No. 86, wird dort gleichfalls Olmendorfer zugeschrieben. Brustbild, Kopf in dreiviertel Wendung nach rechts, ohne Hände, hellgelber Hintergrund. Das schwarze Gewand mit rotem Aufschlag von weichem, wolligem Stoff lässt den Hals frei, auf welchem eine schwarze Schnur sichtbar ist. Das Kleinod oder Amulett, das sich wohl an ihrem Ende befinden mag, verbirgt sich unter dem Gewand, das Haar umschlingt ein netzartiges Tuch. Der starkknochige Kopf ist mit Hilfe brauner Schatten gut gerundet. Die leicht mit dem Pinsel gezeichneten Hautfalten, besonders jene an den äusseren Augenwinkeln, deuten auf ein Alter von etwa vierzig bis fünfundvierzig Jahren. Die Lippen sind negerartig wulstig gebildet. Der Fleischton zeigt ein dunkles Braun. Herzensgüte und Empfänglichkeit für alles Gute und Schöne, Sinnlichkeit, Leichtsinn und ein Hang zur Trägheit, all das Menschliche, Allzumenschliche in der Natur dieses wittelsbacher Sonderlings ist in seinem Porträt zum Ausdruck gebracht. »Ihm war wohl mit schönen Frauen,« erzählt ein zeitgenössischer Chronist, »mit weissen Tauben, Pfauen, Meerschweinchen, Vögeln und allerlei seltsamen Tierlein, auch mit Saitenspiel«. Erst achtundzwanzig Jahr alt entsagte er der Regierung, nach seinen eigenen Worten »infolge der Blödigkeit seines Leibes, nicht gern Mühe und Arbeit tragend und mehr geneigt sich ein geruhigtes Wesen ohne alle Bekümmernis zu machen«. Die in wunderlichem Latein wohl später hinzugefügte Inschrift besagt, dass der Herzog damals in Obermenzing (Blutenburg) seinen Wohnsitz hatte. Andere Künstler, die mit bestimmten Werken des westlichen und nördlichen Baierns in Beziehung zu bringen wären, sind mit ihren Namen nicht bekannt. Immerhin bedürfen einige Bilder dieser Ignoti hier einer kurzen Erwähnung. Spätestens aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts, wenn nicht schon aus früherer Zeit, stammt ein ~Altar von Weildorf~, der sich jetzt in der ~Klaren-Kirche~ von ~Freising~ befindet. Der Inhalt und die Darstellungsformen dieser kleinen Tafelbilder, sowie die vollen rundlichen Gesichter der heiligen Personen, die recht wenig individuelle Belebung verraten, erinnern an die Giotto-Schule. Das wäre nun allerdings eine sehr frühzeitige Befruchtung von oberitalienischer Seite her, und man ist deshalb geneigt gewesen, hier, wie bei einigen ähnlichen Bildern des Freisinger Klerikerseminars, kölnische Einflüsse anzunehmen. Ich persönlich kann dieser Ansicht nicht zustimmen, trete vielmehr Riehl bei, welcher die kölnische Verwandtschaft als eine rein äusserliche ansieht, die er aus dem geheimnisvollen Faktor der »Zeitstimmung« erklärt. Dagegen glaube ich doch, dass hier mittel- oder unmittelbar ein giotteskes Muster wirksam gewesen ist. Wie schwierig es ist, die gerade in Süddeutschland so häufig sich kreuzenden Kunstweisen klar zu erkennen, das beweist der ~Pähler Altar~ im ~bairischen Nationalmuseum~. Ob dieser mehr eigenes Leben als der Weildorfer zeigende, wohl aus dem dritten Jahrzehnt des 15. Jahrhundert stammende Altar der bairischen, der bairisch-salzburgischen, der fränkischen oder der niederdeutschen Kunst zuzuschreiben sei, oder ob er sogar von »dem letzten grossen Vertreter der Prager Schule«, von dem Meister von Wittingau herrührt (Thode), darüber gehen die Ansichten weit auseinander. Bemerkenswert seines Stifterbildnisses wegen ist der mittelste von drei in der ~Trausnitz-Kapelle~ von ~Landshut~ aufgestellten ~Altären~: ein schlicht-handwerkliches, aber gewiss recht ähnliches Porträt des 1450 gestorbenen Heinrichs des Reichen, der hier sein Motto spricht: Wult Gott. Derselbe Fürst erscheint übrigens mit den gleichen Zügen auf einem 1447 bezeichneten Glasgemälde in dem nahen Innkofen.[53] Ein anderer bairischer Fürst, dem wir schon auf dem grossen Altar von Olmendorfer begegnet waren, Albrecht IV. (III.), ist auf einem ~Altar~ des alten Münsters in ~Moosburg~ dargestellt. (Zwischen Landshut und Freising gelegen.) Er erscheint hier im Kreise der Moosburger Kapitelherren und in Begleitung seiner drei Söhne. Sämtlich recht gute Porträts. Das Werk stammt allerdings aus einer etwas späteren Zeit als Olmendorfers Altar, denn es ist aller Wahrscheinlichkeit nach von dem zwischen 1494 und 1526 in Landshut thätigen Hofmaler ~Hans Wertinger~ ausgeführt worden.[54] Interessant als porträtartig gemeinte Bildnisse sind die drei mit 1494 bezeichneten ~lebensgrossen Halbfiguren~ der Stifter der Abtei Benediktbeuern, der im 8. Jahrhundert gestorbenen Brüder Landfried, Waldram und Eliland, ~Schleissheim~, No. 87. Ungewöhnlich für jene Zeit ist hier, nebenbei bemerkt, dass der Stab des Abtes Landfried einen starken scharf abgegrenzten Schlagschatten auf die Wand des roten Hintergrundes wirft.[55] Prof. Sepp beklagt sich in seinem Büchlein »Merkwürdiges an der Bahn von Wolfratshausen nach Kochel«, München 1898, dass die Bildnisse der für die Geschichte Baierns so wichtigen Söhne des Agilolfingers Theodebart, von Meisterhand gemalt, »jüngst aus der Pinakothek herausgeworfen worden sind«. Am Schlusse der westbairischen Kunstthätigkeit ist noch zweier ~Wandgemälde~ mit porträtartigen Darstellungen zu gedenken. Das eine ist ein ~Gruppenbild~ in der Kirche von ~Hoflach~ bei Alling, 4 km von Bruck bei München entfernt, im Jahre 1442 zum Andenken an den Sieg der Herzöge Ernst, Albrecht und Wilhelm bei Ingolstadt (1422) über ihren Vetter Ludwig den Gebarteten gestiftet. (Eine Kopie im bairischen Nationalmuseum.) In hellen Wasserfarben zeigt es die drei Herzöge in voller Rüstung vor der h. Sippschaft kniend, hinter ihnen den heiligen Georg mit der Kreuzesfahne, den Patron des bairischen Hauses, dann in dichtgedrängter Schar die Adelsgeschlechter der Gegend mit ihren Feldzeichen, einen Bürger von München mit dem Stadtwappen, dem »Münchner Kindl«, und einen Tross von Bogenschützen und Buben mit Piken und Armbrüsten. Die Gesichter sind sämtlich bartlos und kaum voneinander unterschieden. Das Ganze, aus dem noch heute ein Zug mittelaltrig frommer Demut spricht, ist flächenhaft gemalt, sodass es mehr wie ein ausgespannter Teppich wirkt, als wie ein Gemälde. Trotz der modernen Uebermalung wegen der Anordnung der Figuren sehr interessant. (Abbildung S. 217.) Das andere, zur Gruppe der ~Reihenporträts~ gehörig (vergl. S. 216), befand sich früher im »~alten Hof~« von München und stellte eine Folge von bairischen Fürsten mit ihren vermeintlichen Ahnen dar. Die einzelnen Bilder sind jetzt auf eine Wand des bairischen Nationalmuseums übertragen, Zimmer No. 15, aber wohl durch ein Versehen der Arbeiter nicht in ihrer chronologischen Rangordnung aufgeklebt worden: die von der Mitte aus gerechnet rechts stehenden gehören nach links und umgekehrt. Unter jedem der stehenden und in voller Lebensgrösse gebildeten Fürsten befindet sich sein Wappen, Name und eine kurze, nicht immer wohlwollende Charakteristik, so unter dem vollständig vom Rücken gesehenen Karl Martell, »ein schnöder Bankert und Wüterich«. Die in Tempera gemalten Bilder, vierzehn an der Zahl, müssen, nach Sighart, bald nach 1466 ausgeführt sein. Sie sind stark modernisiert, aber ihre lebendige und abwechslungsreiche Gruppierung ist bemerkenswert; der Porträtwert ist gleich Null. In dem weiter östlich gelegenen Alpengebiete des reichen Erzstiftes ~Salzburg~ ist die Belebung der menschlichen Physiognomie noch frühzeitiger festzustellen als in der Münchner Gegend, aber die dort vorherrschende Richtung nach dem roh Naturalistischen und Fratzenhaften scheint hier keinen Boden gefunden zu haben. Auf einer von dem Domprobst ~Johannes Rauchenberger~ für die Kapuzinerkirche zu ~Salzburg~ gestifteten ~Votivtafel~, jetzt in drei Teilen im Klerikerseminar in ~Freising~, die vor dem Jahre 1429 gemalt sein muss, da Rauchenberger noch im Chorherrngewand dargestellt ist, während er nach diesem Jahre die bischöflichen Insignien tragen müsste, sind die Köpfe der in Formen- und Gebärdenauffassung noch ganz altertümlich gebildeten Heiligen von einer Lebendigkeit, wie sie um diese Zeit schwerlich am Niederrhein oder in Schwaben zu finden ist. Aus diesem Grunde scheinen mir Riehl und Semper im Recht zu sein, wenn sie hier nicht, wie man wohl auf den ersten Blick geneigt sein möchte, mit Janitschek kölnische, sondern italienische Vorbilder vermuten, — eine Ansicht, für welche auch die geographische Lage der Stadt und ihr lebhafter Verkehr mit Oberitalien spricht. Der tiefe warme Farbenton der anmutigen, lieblichen Tafel rührt wohl von einer späteren Uebermalung her. Aus der Mitte des Jahrhunderts sind mir keine Werke bekannt. Ein grossartiger ~Altar~ in ~Grossgmain~ am Untersberge, den der sogenannte Meister von Grossgmain 1499 vollendet hat, zeigt in seinen sehr bedeutenden individuell-charakteristischen Köpfen keine Verwandtschaft mit der Rauchenberger Tafel, dagegen soll er in einer nahen Beziehung zu vier Passionsszenen der Wiener Gemälde-Galerie, No. 1473 bis 1476, stehen, von denen drei mit den Buchstaben R. F. (Rueland Frühauf?) und den Jahreszahlen 1490 bezw. 1491 bezeichnet sind. Mir sind beide Vergleichsobjekte nur in Abbildungen gegenwärtig. * * * * * Auch die ~östreichischen~ Maler haben sich verhältnismässig früh vom Banne des starren Typus befreit. Wie im Salzburgischen war auch in den östreichischen und steirischen Nachbargebieten, es kommen hauptsächlich Wien und Graz in Betracht, durch Lage und Handelsbeziehungen der italienischen Kunst der Zugang erleichtert. Und ihr Einfluss ist nicht zu verkennen, ebensowenig jedoch der des grossen in den Niederlanden aufgestellten Musters und das seltsamerweise schon zu einer Zeit, wo in Gent und Brügge räumlich näher gelegenen Kunstplätzen das Schaffen der Eyck und ihrer Nachfolger noch ignoriert worden ist, — vorausgesetzt, dass die Datierung 1446 auf einem ~Kreuzigungsbilde~ in ~Klosterneuburg~, bez. [ornament] (N. D.), wirklich echt ist. Die schöne Gruppe der beiden Marien und Johannes ist bei Schnaase abgebildet. Im Zweifel ob eyckscher Einfluss oder nicht, kann man bei der ~Kreuzigung Meister Pfennings~ in der Wiener Galerie sein, welche als Entstehungsjahr 1449 nennt, doch scheint für eine wenn auch flüchtige Kenntnis niederländischer Werke das von diesem Meister gewählte Motto »als ich chun« zu sprechen, das er wohl Jan von Eyck entlehnt hat. Ich habe die pfenningsche Kreuzigung, Thodes Zuweisung folgend, bei der fränkischen Schule erwähnt. (Vergl. S. 156 der Meister des tucherschen Altars.) Von dem Wiener Maler ~Wolfgang Rueland~, der nach der Mitte des Jahrhunderts mehrfach erwähnt wird und von dem sich vier ~Passionsszenen~ und acht Bilder seiner Werkstatt oder Schule in ~Klosterneuburg~ befinden, rühmen Schnaase und Janitschek, dass er neben karikierten Gestalten auch solche von hoher Schönheit gegeben habe, — auf einem der Schulbilder Leopold der Heilige und seine Gemahlin. Künstlerisch sehr bedeutend und mit einer Anzahl porträtartiger Köpfe ist der in Wien gearbeitete ~Altar eines unbekannten Meisters in der Spitalskirche zu Aussee~, 1449 von Kaiser Friedrich III. gestiftet. Der offenbar steirische Künstler — er giebt sogar den Flügeln der Engel die grün und weissen Landesfarben — scheint nach seinen Typen und nach seiner Technik zu schliessen bereits unter eyckschem Einfluss gearbeitet zu haben. In der Kunst von ~Graz~ kommt gleichfalls eine Mischung südlicher und nördlicher Einflüsse zum Ausdruck. Ein Vorwiegen des ersteren bekundet die mit 1457 bezeichnete ~Kreuzigung~ aus der Sakristei des ~Grazer Domes~ durch die verhältnismässig gute Wiedergabe der nackten Körper und durch eine Fülle individuell-charakteristischer Gestalten, von denen die eine oder die andere gewiss als das Porträt eines Mitlebenden anzusprechen ist. An der Feldflasche eines Kriegers der Name »Laib«. Bayersdorfer schreibt das Dombild übrigens dem Meister Pfenning zu, den er für einen Oestreicher, nicht für einen Franken hält. Nicht von Italien beeinflusste Künstler vermutet Janitschek in den Malern des ~Flügelaltars~ in ~Köflach~ mit dem Stifterbildnis des Ritters von Graden und seiner Hausfrau, des ~Stadtrichterbildes~ im ~Grazer Stadthause~ mit der Jahreszahl 1478 — wohl des ältesten Gruppenbildes einer städtischen Behörde, Richter und Beisitzer sind amtierend dargestellt und sämtlich Porträts, im Hintergrund, ein Memento für die Richter, das jüngste Gericht — und des ~Votivbildes~ des Jörg Rottel Freiherrn von Talberg, um 1505, in der landschaftlichen ~Gemäldegalerie von Graz~. Lediglich der dargestellten Persönlichkeiten halber nenne ich noch die folgenden östreichischen Bilder des 14. und 15. Jahrhunderts: Auf der Rückseite des aus dem 12. Jahrhundert stammenden ~Verduner Altars~, des berühmten Kunstwerkes der rheinischen Emailschule, über dem Grabe Leopolds des Heiligen in ~Klosterneuburg~, die ältesten Tafelgemälde Oestreichs, bald nach 1322 angefertigt und 1863 restauriert: auf einem Bilde mit dem Kruzifixus der kniende Probst Stephan von Sierndorf. Rudolf IV., der zuerst den Titel Erzherzog führte, als Donator auf einem ~Altar~ von 1360 im ~St. Klara-Kloster~ zu Wien. Von Leopold III., der in der Schlacht bei Sempach 1386 fiel, ein sehr altes ~Porträt~, vielleicht aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts, im Kloster ~Königsfelden~. In der ~Spitalkirche zu Obdach~ in Steiermark ein ~Holztafelbild~ mit dem heiligen Florian und Kaiser Friedrich III., beide in ganzer Figur und beide mit Heiligenschein. Noch bei Lebzeiten des Kaisers gemalt, der Obdach zum Schutze gegen die Türken befestigt hatte. * * * * * Echt deutsch, wie das Land selbst, ist alles, was von der ~Tiroler Malerei~ geschaffen ist, und ihre Entwickelung hat im allgemeinen denselben Gang genommen wie die der oberdeutschen Kunst. Aber als Grenzland zwischen Deutschland und Italien wird sein künstlerisches Schaffen schon frühzeitig durch romanische Einflüsse bestimmt, die an Stärke zunehmen, je frischer und unmittelbarer ihre Vermittelung war, also je näher die Maler ihren Wohnsitz der Landes- und Stammesgrenze hatten. Leider ist das meiste, was sich einst an beweglichen Kunstgegenständen in Tirol befunden hat, entweder zu Grunde gegangen oder nach den benachbarten Ländern verschleppt worden. Zwei grosse Malergruppen sind in Tirol zu unterscheiden: die von Innsbruck einerseits, die von Bozen, Brixen und Bruneck andererseits. Die ~Innsbrucker Gruppe~ ist die künstlerisch unbedeutendere. Eine Anzahl ihrer Werke wird im Ferdinandeum der Hauptstadt aufbewahrt. Für die Geschichte des Bildnisses sind sie belanglos. Derjenige Maler, welcher einst als der hervorragendste der Innsbrucker galt, ~Hans Multscher~, hat sich neuerdings als ein Ulmer Schwabe erwiesen. (Vergl. S. 107.) An Wert und Zahl ihrer Werke weit überlegen ist ihr die zweite Gruppe. Die Reihe der bedeutenden ~Brixener Maler~ eröffnet der ~Meister~ mit dem ~Skorpion~ (Semper), der zwischen 1435 und 1464 thätig gewesen ist. Das Typische erscheint bei ihm bereits völlig überwunden. Seine derben, bäurischen, aber sehr lebendigen Köpfe lassen in ihrer leise idealisierenden Verklärung die Kenntnis veronesisch-paduanischer Malerei voraussetzen. (Wandgemälde in den Kreuzgängen der Domkirche zu Brixen, Kreuzigung im Ferdinandeum zu Innsbruck, Kreuzigung im Klerikerseminar zu Freising von 1464, letztere vielleicht ein Schulwerk.) Von den Werken ~Jakob Sunters~, gleichfalls aus Brixen und Mitarbeiter an dem Bilderschmuck des Kreuzgangs, rühmt Janitschek Empfindung und sorgsame Charakteristik des Stifterbildnisses auf einer ~Grablegung~ von 1470, im dritten Gewölbejoch. Von den in ~Bozen~ thätigen Malern sind nur Wandgemälde in einigen der umliegenden Dorfkirchen erhalten, die, nach Riehl, vermuten lassen, dass ihre Verfertiger unmittelbar in der Kapella dell’ Arena studiert haben. Der grösste aber von allen Tiroler Meistern, ja einer der ersten deutschen Maler des 15. Jahrhunderts schlechthin, ist der zumeist in seiner Vaterstadt ~Bruneck~ im Pusterthal thätig gewesene ~Michael Pacher~, geboren zwischen 1430 und 1440, gestorben 1498. In der Geschichte des Bildnisses muss ihm ein besonderer Platz eingeräumt werden, obgleich nicht ein einziges Porträt von ihm bekannt ist. Er ist es, von den grossen Meistern der erste, der den Weg zu einem immer mehr und mehr übertreibenden, die zufälligen und unwesentlichen Einzelheiten immer peinlicher hervorhebenden Naturalismus der oberdeutschen Kunst ~nicht~ verfolgt. Er verallgemeinert, wo diese sich in Details verliert. Die Ergebnisse eines fünfzigjährigen Naturstudiums seiner Vorgänger macht auch er sich zu nutze, aber er verwendet sie nicht zu kleinlicher Stillebenarbeit, sondern zu einer grossen und machtvollen Herausarbeitung dessen, was seelisch und physisch gewaltig ist in der menschlichen Erscheinung. Aus seinem eigenen Geiste heraus schafft er seine Gestalten, nicht so wie sie die Natur zufällig gebildet hat mit ihren Fehlern und Mängeln, sondern so wie er glaubt, dass sie sein müssen, um diejenigen Qualitäten zu verkörpern, die er mit ihnen ausdrücken will, wirkungsvoll und verständlich in ihrer weisen Beschränkung, fähig derjenigen Lebensäusserungen, die wir in dem gegebenen Falle von ihnen zu erwarten berechtigt sind, — ein Vorläufer der beiden grössten deutschen Idealisten des kommenden Jahrhunderts, denen der Naturalismus nicht Ziel, sondern Mittel ist, und nur als solches hat er schliesslich überhaupt eine Berechtigung. Wohl hätte eine so auf das Einfache und Grosse gerichtete künstlerische Gesinnung die Aufnahme einer wirklichen Porträtwelt in seine biblischen Darstellungen keineswegs ausgeschlossen. Man denke an die zahlreichen Bildnisse, die in Italien in verwandtem Geiste auf Altargemälden geschaffen worden sind, aber sei es, dass ihm geistig und körperlich geeignete Individuen in seinen Alpenthälern nicht zur Verfügung standen, sei es, dass die Auftraggeber nicht den Wunsch hatten, in unmittelbarer Nähe der Heiligen zu erscheinen oder sei es, dass seine Kraft doch nicht ausreichte, das zufällig gegebene Modell so zu kopieren und doch zugleich neu zu schaffen, wie es im einzelnen Falle seinen grossen Zielen völlig Genüge gethan hätte: thatsächlich dürfte in keiner seiner Gestalten ein Porträt zu erkennen sein. Pachers Hauptwerk ist der grosse ~Altar~ zu ~St. Wolfgang~ am Wolfgangsee im Salzkammergut, nach mehr als vierjähriger Arbeit 1481 vollendet. Schnitzwerke sowohl als Gemälde sind von gleicher Meisterschaft, jedoch weisen die plastischen und die malerischen Arbeiten so grosse stilistische Verschiedenheiten auf, dass die alte Annahme von dem Bildschnitzer und Maler Pacher neuerdings mit Recht bestritten wird.[56] Während die ersteren sich als eine folgerichtige, selbständige und unbeeinflusste Weiterentwickelung der deutschen Schnitzkunst darstellen, zeigen die letzteren in der Anordnung der Gruppen, in der Farbengebung, den feinen Lichtwirkungen, der körperlichen Rundung der Figuren und in der Linearperspektive deutlich das Muster der von Squarcione und Mantegna geschaffenen paduanischen Kunst.[57] Da jedoch der ganze Altar wie von einem einzigen einheitlichen Willen aufgebaut und geschmückt erscheint, muss angenommen werden, dass Pacher, als Vorstand der Brunecker Malerwerkstatt, mit eigener Hand zwar nur den Bilderschmuck der Flügel ausgeführt hat, die Skulpturen jedoch unter seiner persönlichen Leitung und nach seinen Entwürfen von einem ihm an künstlerischer Kraft ebenbürtigen Schnitzmeister angefertigt worden sind. [Illustration: ~S. Stefan~ Almosen spendend, vom Meister des Neustifts. Augsburg. Teilbild. Nach Photographie von Hoefle, Augsburg.] Pacher hat gleich so mancher eigenartigen künstlerischen Persönlichkeit keine Schule gemacht. Immerhin sind aus seiner Werkstatt einige bedeutende Werke hervorgegangen. Von seinem Sohn ~Friedrich~ besitzt das Klerikerseminar zu ~Freising~, Zimmer des Erzbischofs, eine höchst seltsame ~Taufe Christi~, — Johannes in überlebensgrosser Gestalt, eine bäurisch-kräftige, fast könnte man sagen gewaltthätige Erscheinung, anders als alles, was man sonst an Darstellungen des einsamen Büssers gewöhnt ist. Sehr nahe dem Michael Pacher steht der Meister eines grossen ~Altars~ aus dem Augustiner-Chorherrnstift von ~Neustift bei Brixen~, dessen Teile jetzt in den Galerien von München, Schleissheim, Augsburg (vier Tafeln abgebildet im Klass. Bilderschatz) und bei Prof. Sepp in München aufbewahrt werden. Die Einzelfiguren auf den Flügeln sind überlebensgross und wirken mächtig und monumental, so Jakobus und Stefanus bei Prof. Sepp, Ambrosius und Hieronymus, Augsburg, No. 145 und 146, vor allem aber die heiligen Kirchenlehrer Papst Gregor und Augustin in München, No. 297a und 297b, als kraftvolle Repräsentanten der streitenden Kirche. Auch hier weist der trübe, graue, squarcineske Ton auf die oberitalienischen Vorbilder. 6. Sachsen und Schlesien. Die Malerei dieser beiden Länder ist im wesentlichen von der Nürnbergs abhängig, wenigstens in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Um aber die Reihe der deutschen Malerschulen mit geringer künstlerischer Produktion zum Abschluss zu bringen, sei ihrer bereits jetzt mit wenigen Worten gedacht. In ~Sachsen~, wo die Bildschnitzerei es zu einer hohen Entwickelung gebracht hatte, erhebt sich die von den Miniaturen, bez. von Nürnberg, teilweise auch von den Niederlanden beeinflusste Tafelmalerei bis auf Lukas Cranach kaum über das zünftige Handwerk. Eigentliche Kunstwerke, wie sie in Hof, Zwickau und Erfurt zu sehen waren, sind nicht von heimischen Meistern gefertigt worden. Das Bestreben nach bildnismässiger an Stelle der typischen Darstellung ist jedoch auch hier schon im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts erkennbar. Das frühste Beispiel eines solchen, allerdings sehr schwachen Versuches, ist ein wohl aus der Jahrhundertswende stammender ~Altar~ aus ~Topfseifersdorf~, jetzt im Grossen Garten-Museum zu Dresden, No. 496a. Schlechte Stifterbildnisse finden sich auf sächsischen Altären häufig, doch sind, wenigstens bei den frühen, die Persönlichkeiten selten festzustellen. (Ein 1429 gestorbener Graf Heinrich von Wernigerode mit seiner Gemahlin auf einem Gemälde in der Sammlung des Bibliothekgebäudes in Wernigerode; — auf einem 1486 bezeichneten Altarflügel aus der Schlosskirche zu Stolpen, jetzt im Grossen Garten-Museum in Dresden, No. 84, der Meissner Bischof Johann V. von Weissbach u. a.) Einzelbildnisse scheinen nicht erhalten zu sein. Als ein kostbarer Schatz wird in Sachsen mit Recht der ~Domaltar in Meissen~ betrachtet. Ob jedoch der ausführende Künstler ein einheimischer war, das hat die Forschung noch nicht mit Sicherheit feststellen können. Was Vertiefung des Ausdrucks, Ernst der Auffassung und monumentale Grösse betrifft, hat er in der gesamten niederländischen und deutschen Kunst des 15. Jahrhunderts kaum seines Gleichen, den Genter Altar ausgenommen. Am wenigsten dürfen wir einen Künstler wie Herlin in ihm vermuten, wie einige wollen, aber auch nicht, wie Scheibler, Hugo van der Goes. Thode[58] tritt mit Entschiedenheit und gewichtigen stilistischen Gründen dafür ein, dass kein anderer als der junge Dürer ihn gemalt haben könne, und zwar kurz nach seiner ersten italienischen Reise, etwa 1494 oder 1495. Da diese Zuweisung jedoch nur von einer Minderheit gebilligt worden ist, muss wohl bis auf neue dokumentarische Enthüllungen der Meister des Meissner Dombildes, um ein Wort Justis zu gebrauchen, im Limbus der Namenlosen verbleiben. [Illustration: ~Meissner Dombild.~ Mittelstück. Nach einer Photographie von Brockmann, Dresden.] Das Mittelbild des Altars stellt die Anbetung der Könige dar (in meisterhafter Beschränkung ohne Josef und ohne die Hirten), auf jedem Flügel schreitet, in lebhaftem Gespräch begriffen, ein Apostelpaar. Die Köpfe sind von ganz ungewöhnlicher Tiefe des geistigen und seelischen Ausdrucks, die der Apostel, vor allem des Philippus und Jakobus d. Ä. »von innen herausgebildet und von innen geschaut, Personifikationen bestimmter Temperamente« (Thode), der Marias von einer Herbheit und Strenge und doch zugleich edlen Würde, ist mit keiner der sonst für die Gottesmutter üblichen Typen verwandt, es sei denn, von ferne mit dem jener ernsten Maria auf dem dürerschen Altar in Dresden. Die Züge des ältesten knienden Königs geben uns offenbar das Porträt des Stifters. In Meissen sieht man in dem ehrwürdigen, bartlosen, recht wohlgenährten Greis mit dem spärlichen Haar den Fürstbischof Sigmund von Würzburg, Herzog zu Sachsen, der in dem dortigen Dom bestattet ist und mit dessen Bildnis auf der bronzenen Grabplatte er manche Aehnlichkeit hat. Schnaase bestreitet zwar auf Grund der nicht geistlichen Tracht des Königs diese Annahme, aber schliesslich hätte der Bischof bei diesem besonderen Vorgang doch recht wohl den königlichen Hermelin tragen dürfen. * * * * * Die Kunst ~Schlesiens~ steht mit der in dem benachbarten Böhmen von Karl IV. ins Leben gerufenen, später mit der fränkischen, in enger Beziehung. Ein frühes Tafelbild reicht jedoch schon in das Jahr 1309 zurück. (Vergl. S. 205). Etwa vom Jahre 1340 ist ein im Dom von ~Breslau~ aufbewahrtes Bild mit der ~heiligen Jungfrau~ und dem Donator, dem Bischof Prczecislaus. Das erste datierte und das erste wirkliche Kunstwerk jedoch ist der für die ~S. Barbarakirche von Breslau~ gemalte ~Altar~ von 1447, jetzt im Museum für schlesische Altertümer. Ganz vortrefflich ist in diesem hervorragenden Werke der Schein der Körperlichkeit der Figuren erreicht worden. Bei den Nebenpersonen, von denen einige slavischen Charakter zeigen, ist die Befreiung von dem mittelaltrigen Typus mit vollster Entschiedenheit durchgeführt worden. Von flandrischem Einfluss ist in diesem auch koloristisch prächtigen Werke noch nichts zu verspüren. Haben wir es hier mit einer auf schlesischem Boden weiter entwickelten böhmischen Kunstweise zu thun oder, wie Thode glaubt, mit der Arbeit eines Künstlers, der sich in Nürnberg an frühen Arbeiten des grossen Meisters des tucherschen Altars gebildet hat? (Vergl. S. 158.) Die Kenntnis der Kunstweise Rogers lässt ein 1468 von Dr. Peter von Wartenberg gestifteter ~Flügelaltar~ voraussetzen, jetzt in der Sakristei des ~Domes von Breslau~, mit gutem Bildnis des Stifters, sowie einige andere im Museum für schlesische Altertümer aufbewahrte Altargemälde. Dagegen erinnert an fränkische Kunst der ~Marienaltar in der Elisabethkirche~ mit einer zahlreichen Stifterfamilie und der ebenda befindliche ~Altar~ der Familie ~Prockendorf~. Im allgemeinen gilt für die schlesische Kunst dasselbe wie für die sächsische: an künstlerischem Wert sind die Bildschnitzarbeiten den malerischen erheblich überlegen. 7. Franken. Die Wandlung vom starren typischen Stile des frühen Mittelalters zu einer individuellen Belebung der Menschendarstellung fällt auch in der fränkischen Malerschule in das erste Drittel des 15. Jahrhunderts, und dasjenige Werk, welches den Uebergang von der einen zu der andern Kunstweise bereits vollzogen zeigt, ist der ~imhofsche Altar~ in St. Lorenz zu Nürnberg, entstanden zwischen 1418 und 1422. Nach ihm vervollkommnet und entwickelt sich die fränkische Malerei in stetigem, ununterbrochenem Vorwärtsschreiten, bis sie in Albrecht Dürer das Höchste erreicht, was ihr nach Massgabe der ihr innewohnenden künstlerischen Kraft zu erringen möglich war. Nordische und südliche Einflüsse, die in Köln und an anderen Orten das deutsche Kunstschaffen aus seiner natürlichen Bahn geworfen hatten, dienten im 15. Jahrhundert den Malern von Nürnberg nur dazu, sie in der ihnen angeborenen Richtung zu bestärken und zu fördern. Kein Nürnberger Künstler, der dauernd seine Stammesart verleugnet, kein unruhiges Tasten, kein Hinundwiederschwanken von einem Leitbild zum andern, bei aller Verschiedenheit der Individualitäten dieselben festen, klaren, auf den ersten Blick zu erkennenden Grundbilder, dieselbe psychologische Wurzel ihres innersten Wesens, und infolgedessen die nahe Stilverwandtschaft und der gemeinsame Eindruck, welchen alle Werke fränkischer Malerei jener Zeit in dem Beschauer hervorrufen. Und dieser Gattungseindruck ist der einer grundechten, bodenwüchsigen Kunst, in der ~deutsche Art~ mit ihren Vorzügen, aber auch mit ihren Mängeln, am schärfsten und am vielseitigsten sich ausprägt. Wohl fehlt ihr Beschaulichkeit, Poesie, Anmut und Harmonie der Kölner und das sinnige Wesen und die traulich-gemütvolle Behaglichkeit der Schwaben, oder richtiger, alle diese Seiten des deutschen Charakters werden gewaltsam unterdrückt durch einen verstandgeborenen, unerbittlichen Wirklichkeitsinn und eine scharfe Naturbeobachtung, die freilich gar zu oft an der Schale der Dinge haften bleibt, anstatt in ihr Inneres hineinzudringen, über bedeutungslosen Formen den schönen Abglanz übersieht und die allem Geschaffenen innewohnenden Phantasiewerte nicht herauszufühlen vermag. Dagegen ward ihr jene Gabe zu teil, in der allein die Vorbedingungen zu dem höchsten künstlerischen Schaffen enthalten sind: ein leidenschaftliches Temperament und eine dramatische Gefühls- und Gestaltungskraft, die sich kaum genug thun kann im Ausdruck der von innen nach aussen strömenden Empfindungen. Köln mit seiner zarten Poesie und Nürnberg mit seinem heftigen Pathos bezeichnen die beiden Pole alles künstlerischen Gestaltens in Deutschland, was dazwischen liegt sind Abwandlungen der einen oder der andern Art. Beide sind grundverschieden voneinander und doch zugleich im tiefsten Grunde verwandt, etwa wie zwei wesensungleiche Schwestern einundderselben Mutter. Lei lo vedere, e me l’ ovrare appaga, sie freut am Schauen sich, wie ich am Wirken, — was Lea von ihrer Schwester Rahel im Purgatorium (XXVII, 108) sagt, das könnte mit gutem Fug auch Nürnberg anwenden auf Alt-Köln. Beschaulichkeit — Schaffensdrang, Kontemplation —, Aktivität, zwei uralte Gegensätze und dennoch ~beide~ Aeusserungen ein und derselben Volksseele, beides Lebensbedürfnisse des germanischen Stammes. Wer vermöchte zu sagen, welches das deutscheste ist? Die fränkische Malerei hat sich, was die Formengebung betrifft, an der Plastik herangebildet, und ihr Abhängigkeitsverhältnis insbesondere zur Holzskulptur lässt sich bis zu den ungelenken Werken verfolgen, die aus Wohlgemuts vielseitigem »Atelier für bildende Kunst« hervorgegangen sind. Auf dem Gebiete der Komposition und der Farbe war Wegweiserin die Malerschule von Prag, demnächst die von Flandern, Brabant und Holland, zu der feineren Belebung aber der menschlichen Physiognomie ist sie ganz von selbst in den Wogen jener in den ersten Dezennien des 15. Jahrhunderts über ganz Deutschland sich ergiessenden geistigen und sozialen Strömung geführt worden, die mit immer wachsender Stärke das bereits in den Karolingertagen angebahnte, dann mehrfach unterbrochene und immer wieder von neuem begonnene Werk mächtig förderte: die Persönlichkeit aus der Menge emporzuheben und ihr auch in der Kunstdarstellung einen für sich gesonderten Platz zu verschaffen. Von den Werken fränkischer Kunst,[59] die noch vor dieser neuen Zeit liegen und die alten Typen noch hölzern, unvermittelt nebeneinander stehend, in zeichnerischem Umrissstil vorführen, müssen hier, wenigstens summarisch, ihrer Donatorenbildnisse halber die folgenden erwähnt werden. [Illustration: ~Schmerzensmann mit Stifter.~ Heilsbronn. Nach Thode, Malerschule von Nürnberg.] Aus der Mitte des 14. Jahrhunderts ein ~Christus als Schmerzensmann in~ der Münsterkirche zu ~Heilsbronn~. Zu seinen Füssen kniet betend die im verkleinerten Massstab gehaltene Figur des Stifters: miserere mei deus. Nach einer über dem Spruchband befindlichen Inschrift der »Apt Friedrich von Hirzlach«. So bedeutend, feierlich und eindrucksvoll die überlebensgrosse nackte Christusgestalt wirkt, so unbedeutend und nichtssagend der Abt: das Inkarnat dieses hölzernen Püppchens ist genau in demselben grünlichen Verwesungston gegeben, wie die Unterschenkel des Heilands, und seine Züge lassen kaum eine Spur des Porträtartigen erkennen. Mit der Jahreszahl 1370 ist in derselben Kirche eine Tafel mit ~Christus~ bezeichnet, welcher auf seine Wunden, ~Maria~, die auf ihre entblösste Brust zeigt, daneben ein in kleinerem Massstabe gebildeter Stifter, in rotem, hermelingefütterten Mantel, roter Mütze mit Hermelinbesatz, mässig spitzen Schnabelschuhen, grauem Kinn- und Backenbart, angeblich der Leibarzt Magister Mengotus (?). Spruchbänder neben allen drei Figuren. Goldgrund. Sehr übermalt. Gleichfalls in ~Heilsbronn~ eine Tafel mit ~Maria~ und dem Kinde. In einem besonderen Abschnitt darunter der im Ornat vor einem Betstuhl kniende, 1365 gestorbene Bertholdus, Burggraf von Nürnberg, Bischof von Eichstädt und Kanzler Kaiser Karls IV, ein Sohn des Burggrafen Friedrichs IV. Ueber ihm ein Spruchband: Mater Dei, miserere mei. Diese Tafel ist nach einer Inschrift bereits 1477 erneuert und wohl auch später übermalt. Im ~germanischen Museum~, No. 88, eine ~heilige Katharina~ mit einem kleinen Donator, den man für einen sechszehnjährigen Knaben halten möchte; etwa von 1400. Ebenda No. 89 eine ~heilige Elisabeth~, die einem auf den Knien heranrutschenden Krüppel ein Gewandstück reicht. Sollte sich in dieser einigermassen porträtartig gebildeten Missgestalt etwa der Stifter dargestellt haben? Aus dem ersten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts ~Christus in der Glorie in S. Lorenz~, ~Nürnberg~, darunter die Stifterfamilie. Eine Inschrift enthält die Worte: »1406 starb Paulus Stromer und sein huisfrau ym grossen sterben der pestlentz.« Im germanischen Museum No. 93 das ~Epitaph der Klara Holzschuherin~, nach einer Inschrift zu schliessen von 1426. Zu Füssen der heiligen Katharina, der Patronin der Wissenschaften, die Stifterin. (Die Hände sind grösser als der Kopf!) Bei allen den vorgenannten Stifterbildnissen ist das Bestreben der Handwerker-Maler ersichtlich, eine gewisse Profilähnlichkeit der Dargestellten zu erreichen, auf eine auch nur annähernde Charakteristik haben sie wohl von vornherein verzichtet. Nicht unwichtig für die Entstehung dieser Bildnisgattung ist auch hier die Thatsache, dass einige der frühsten Donatorenbilder ~nicht~ im verkleinerten Massstabe erscheinen. (Vergl. hierzu die Anmerkung auf S. 60). [Illustration: ~Burggraf Friedrich V. und seine Söhne.~ Heilsbronn. Nach Stillfried-Alcantara, Altertümer des Hauses Hohenzollern.] Am Schlusse dieser älteren Gruppe ist noch ein interessantes Familienbild zu nennen, das aus dem Jahre 1398 stammen soll, aber später vollständig übermalt ist. Es befindet sich hoch an einer Wand in der Münsterkirche von ~Heilsbronn~ und ist, wie mir scheint, mit Leimfarben auf Holz gemalt (nach Sighart S. 408 »Wandbild«, nach Dr. Julius Meyer, Hohenzollern-Denkmale in Heilsbronn, 2. Auflage S. 16 »Fresko«). In zwei Gruppen, die ähnlich angeordnet sind wie die Stifter auf Altaruntersatz oder Predella, stellt es die Familie des ~Burggrafen Friedrich V. von Nürnberg~ dar. In der einen kniet in voller Rüstung der Burggraf mit seinen beiden Söhnen Johann III. und Friedrich VI. (demselben, den Kaiser Sigmund 1415 mit der Mark Brandenburg belehnte). Auf dem Spruchband Friedrichs V. die Worte: Sancta Trinitas, unus Deus, miserere mei, auf dem des ältesten Sohnes Johann: Ora pro me, sancta dei genetrix; auf dem des ersten Brandenburger Kurfürsten, der den zollernschen Wappenschild mit beiden Händen hoch emporhält: Miserere mei Deus secundum magnam misericordiam. Die zweite Gruppe zeigt die Gemahlin des Burggrafen, Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, mit neun Töchtern, unter ihnen, am weitesten von der Mutter entfernt, die älteste Tochter Elisabeth, seit 1374 mit dem Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz vermählt, dem nachmaligen deutschen König. Beide Fürstinnen haben Spruchbänder. Die Form dieser in ikonographischer Beziehung sehr bemerkenswerten Familienbilder ist nur unter der Annahme verständlich, dass sie einst in den Zwickelfeldern bezw. über den Bögen der Kirchenwand angebracht waren. Ueber ihre künstlerische Qualität ist der Uebermalung wegen nichts zu sagen. — Mit den vier Flügelbildern des ~deichslerschen Altars~ in Berlin, No. 1207 bis 1210, dem ~imhofschen Altar~ auf der Imhof-Empore in S. Lorenz und dem ~Bamberger Altar~ im bairischen Nationalmuseum, Zimmer No. 9, beginnt die ~neue~ Kunstrichtung mit einer mehr körperlichen Bildung der menschlichen Gestalt und einer auf Reflexion und Naturbeobachtung begründeten Belebung und Differenzierung der Physiognomien. Thode weist diese drei Altäre ein und derselben Künstlerhand zu, nämlich der des Meisters ~Berthold~, als dessen Vorläufer er den »Meister der przibramschen h. Familie« und den »Meister von Wittingau« bezeichnet, welche beide unverkennbar aus der Prager Schule hervorgegangen sind. Was auf dem ~deichslerschen Altar~, wohl von 1419, namentlich in dem kräftig gebildeten, bartlosen, ausdrucksvollen Kopf des Petrus Martyr, als ein schüchterner Versuch erscheint, das tritt in grösserer Vervollkommnung auf dem ~imhofschen Altar~, zwischen 1418 und 1422, in die Erscheinung. Gross und würdevoll sind hier die Köpfe sämtlicher Heiligen behandelt, in voller Rundung heben sie sich von dem blauen Hintergrund ab, beinahe jeder einzelne individuell-charakteristisch, weit entfernt jedenfalls von der dekorativen Typik des 14. Jahrhunderts, künstlerisch verallgemeinert allerdings auch sie und in den Einzelheiten noch nicht an das lebende Vorbild erinnernd. Die Stifter, ein Mann und drei Frauen, je zwei Figuren auf einem Flügel, mittelgross, sind noch in der herkömmlichen Weise nebensächlich, mehr als Symbole denn als individuelle Porträts behandelt. Noch lebendiger und energischer erscheinen die Physiognomien auf dem dramatisch bewegteren und nach Abmessung und künstlerischem Werte bedeutenderen ~Bamberger Altar~ vom Jahre 1429, der in dem neuen Nationalmuseum in München sehr wirkungsvoll aufgestellt ist und namentlich bei Morgenbeleuchtung vortrefflich zur Geltung kommt. Hier hat der Meister sich durch den Gegenstand, die Kreuzigung und andere Passionsszenen, nicht zu gewaltsam übertriebenem Gefühlsausdruck und zu grimmassierten Köpfen hinreissen lassen, sondern in ruhigem Masshalten die in dem Stoff nun einmal enthaltene wilde Leidenschaft durch edle Gesichtsbildungen gedämpft und so den ganzen Vorgang gewissermassen in eine ideale Sphäre gehoben. Gerade diese Verklärung des Grausigen veranlasst mich Sempers Vermutung zuzustimmen, dass in diesem Werke italienische Einflüsse zu sehen sind, vermittelt vielleicht durch von Süden hergekommene Wandmaler, denn wo die deutsche Kunst zu dieser Zeit ~selbständig~ vom Typus sich losringt, sehen wir sie ihre ~ersten~ Schritte nach der Naturwahrheit hin in der Regel in das Gebiet des Hässlichen nehmen. Von fränkischen Tafeln aus den dreissiger und vierziger Jahren, die Thode der späteren Richtung Meister Bertholds zuschreibt, erwähne ich, wiederum nur der Stifter willen, die folgenden: ~Tod der Maria~, ~S. Lorenz~, Führer No. 11, mit dem 1433 verstorbenen Donator Hans Glockenton. (»Von einem geringen Schmierer«, Vischer.) ~Geburt Christi~, ~germanisches Museum~ No. 95, vermutlich von 1434. Auf einem schildförmigen, einst um eine Säule gebogenen Bilde in schlechter Erhaltung, Donator und Donatrix Prünsterer und Prünsterin. Italienische Einflüsse sind hier sehr wahrscheinlich. (Thode: Gentile da Fabriano.) ~Die imhofsche Madonna~, ~S. Lorenz~, Führer No. 16, wohl aus den dreissiger Jahren. In einem Halbkreis unter der Gottesmutter und zu ihr emporblickend, jedoch durch ein ornamentiertes Band von der Hauptdarstellung geschieden, die zahlreiche imhofsche Familie in verkleinertem Massstabe. ~Der Deokarusaltar~, ~ebenda~, Führer No. 19, wohl von 1437, mit zwei kleinen Stiftern aus der Familie Volkamer. ~Das Epitaph der Klosterfrau Gerhaus Ferin im bairischen Nationalmuseum~, die Stifterin von Johannes dem Evangelisten dem Christkinde empfohlen. Alle diese Stifterbildnisse sind handwerksmässig ausgeführt, in mehr oder weniger verkleinertem Massstabe, ein Fortschritt nach der Richtung des Porträtartigen ist gegen die früheren kaum zu bemerken, am ehesten noch bei der Imhoffamilie. Aus der Mitte des Jahrhunderts ist als ein vermutlicher Schüler Bertholds der geringere Meister des ~Wolfgangaltars~ zu nennen, vielleicht ein Lehrer Wohlgemuts (Vischer), von dem das ~germanische Museum~ in einem Raum neben der »Kirche« unter No. 441 eine ~Gedächtnistafel~ des 1449 bei Fürth gefallenen ~Anton Christian Imhof~ aufbewahrt. Das Bildnis des Verstorbenen, der in voller Rüstung kniend und betend erscheint, ist als solches völlig wertlos. Eine neue Phase der fränkischen Schule wird mit dem ~Meister des tucherschen Altars~ eingeleitet, den Thode mit dem Meister ~Pfenning~ der Wiener Kreuzigung identifiziert. (Vergl. S. 138.) Ein ganz hervorragender Künstler, der an Glut der Farbe, an dramatischer Ausdruckskraft und an Lebenswahrheit alles bisher in Nürnberg Geleistete weit übertrifft. [Illustration: ~Mittelbild des tucherschen Altars in der Frauenkirche.~ Nürnberg. Nach Thode, Malerschule von Nürnberg.] [Illustration: ~Maria als Himmelskönigin.~ Heilsbronn. Nach Thode, Malerschule von Nürnberg.] Der tuchersche Altar in der Frauenkirche, in den vierziger Jahren entstanden, ist das Werk eines starken, leidenschaftlichen Temperaments, das, mit einem unerbittlichen Wirklichkeitsinn begabt, Empfindungsausdruck und Naturwahrheit der abgeklärten Bildschönheit voranstellt. Das ist bodenechte deutsche Kunst. Alle Grundstoffe sind bereits hier enthalten, die, zu höherer künstlerischer Reife gelangt, uns in der grossen Nürnberger Malerei des nächsten Jahrhunderts wieder begegnen. Auch das Physiognomische hat einen Schritt vorwärts gethan. Man muss diese Köpfe, besonders die der Apostel, mit denen des um ein Jahrzehnt älteren Bamberger Altars vergleichen, um die Wandlung zu erkennen. Matt und konventionell erscheinen dort selbst die besten gegenüber der Mannigfaltigkeit, Lebendigkeit und Charakteristik der Physiognomien auf dem tucherschen Altar mit ihren feurigen, durchdringenden Blicken. Die ~pfenningsche Kreuzigung~ in ~Wien~, No. 1462, in der Thode, allerdings unter entschiedenem Widerspruch anderer, wie schon gesagt, den Meister des tucherschen Altars erkennt, ist auf der Schabrake eines Schimmels bezeichnet: »D. Pfenning 1449 als ich chun«, die gleiche Jahreszahl befindet sich auch auf einer der Fahnen der Kriegsknechte. Das Bild erinnert in seiner gedrängten Anordnung, seinem Figuren- und Lanzenreichtum an Darstellungen desselben Gegenstandes in Tiroler und bairischer Kunst, doch steht es künstlerisch auf einer viel höheren Stufe als diese. In den Köpfen der Männer ist derbe, doch nicht gemeine Lebenswahrheit ausgedrückt. Der vollwangige Mann in vornehmer Tracht auf dem Maulesel zur Linken könnte recht wohl das Porträt eines geistlichen Würdenträgers sein, ein charakteristisches, wenn auch kein sehr schmeichelhaftes. Bezeichnend ist es für die ruhige Stimmung des Ganzen, dass die traditionelle Gruppe der wüsten würfelnden Henkerknechte nicht mit aufgenommen worden ist. Von Werken, welche Thode dem Meister Pfenning zuschreibt, ist vor allem ~Maria als Himmelskönigin~ in der Münsterkirche zu ~Heilsbronn~ zu nennen. Unter ihrem prächtigen, mit einem kostbaren Perlensaum besetzten Mantel haben sich die Cisterzienser Mönche, dreissig an der Zahl, mit ihrem Abt geflüchtet. Alle seine künstlerische Kraft hat der Meister der feierlichen Erscheinung der fast lebensgrossen Gottesmutter zugewendet und dem nackten Kinde in ihrem Arm, das einen am Faden flatternden Stieglitz hält. Die von späterer Hand stark übermalten Köpfe der kleinen Mönchsgestalten sind nach altem Brauche nebensächlich behandelt, am besten der bartlose Kopf des Abtes vorn links, in dem wir wahrscheinlich den Stifter Ulrikus, genannt Kötzler von Volkersan, vermuten dürfen, der zwischen 1435 und 1463 die Würde des Abtes bekleidete. (Ueber die Gruppe der Schutzmantelbilder vergl. S. 210 flg.) Auch auf diesem Bilde ist übrigens die Holztafel vor Auftrag des Kreidegrundes mit Leinwand überzogen worden, wie an einigen beschädigten Stellen zu erkennen ist. Ferner vermutlich gleichfalls von Pfenning: Ein kleiner Altar mit Doppelflügeln, die ~hallersche Stiftung~, in ~S. Sebald~ mit Stiftern. Links ein Mann und eine Frau mit dem Wappen der Haller und Valzner, rechts ein Mann mit zwei Frauen und dem Wappen der Haller, Koler und Seckendorf. In ~S. Lorenz~, vierte Kapelle rechts, Führer No. 9, ~Kaiser Heinrich, Kunigunde und der heilige Laurentius~ empfehlen dem Heiland, einem Schmerzensmann von plumpen, herkulischen Gliedern, den kleinen, krüppelhaft gebildeten und auf den Knien rutschenden Stifter in geistlicher Tracht. Es wäre recht interessant, zu erfahren, wer der geistliche Herr war, der in solcher Gestalt und mit einem so grossen Aufwand an vornehmen Schutzpatronen sich hier darstellen liess. (Vergl. auch S. 150.) In der ~Johanniskapelle~ des gleichnamigen Friedhofes in ~Nürnberg~ ein koloristisch sehr schöner kleiner ~Altar~ mit masslos übertreibender Darstellung des Schmerzes in einzelnen Köpfen und über die Natur gesteigerten Schergenfratzen, doch in anderen Szenen, vor allem in der Gruppe um Maria, von ergreifendem Ausdruck der Empfindung. Eine Schule hat der Meister des tucherschen Altars in Nürnberg nicht gemacht, nur einige ganz untergeordnete Zunftmenschen scheinen sich an sein Vorbild gehalten zu haben. Dagegen glaubt Thode seinen Einfluss bei drei Künstlern ausserhalb Frankens gefunden zu haben, es sind dies: Der ~Meister des Altars in der Reglerkirche zu Erfurt~ aus der Mitte des Jahrhunderts. Ein wildes, leidenschaftliches Temperament auch er, aber ohne Mass und Ziel, ein Künstler, der das denkbar mögliche an karikierender Uebertreibung der Physiognomien leistet, der, selbst im höchsten Grade erregt, seine Erregung auf den Beschauer überträgt. Mit einem Gefühl des Missbehagens wendet man sich von ihm ab, trotz seiner malerischen Qualitäten, zu denen eine in fränkischer Kunst in dieser Weise nirgends zu findenden Ausnutzung der Belichtung zur Hebung der Bildwirkung zu rechnen ist. Aber sein Lichtexperiment hat etwas Gewaltsames, Gesuchtes, man merkt ihm die Absicht an und gelangt so zu keiner eigentlichen Freude an dem Effekt. Wie ganz anders empfindet man doch vor den zwar auch noch unvollkommenen, aber aus echtem Malerherzen kommenden Belichtungsversuchen eines Konrad Witz oder Hans Multscher. ~Der Breslauer Meister von 1477~, der das grosse und reichgegliederte Altarwerk im Museum der schlesischen Altertümer gemalt hat; ich habe ihn bei der schlesischen Schule erwähnt. (S. 146.) Der ~Meister der Kreuzigung in der Frauenkirche zu München~. Ein, soweit das schlechte Licht der Kirche eine Beurteilung gestattet, recht schwaches, temperamentloses Werk. — Um die Mitte des 15. Jahrhunderts tritt nun auch in die Bahnen der fränkischen Schule die grosse nordisch-germanische Kunst der Eyck und ihrer Nachfolger. Ihr Erscheinen bezeichnet eine neue Phase, keine grundstürzende Aenderung in der Malerei von Nürnberg. Selbständig hatten sich hier, wie an allen Kunststätten Deutschlands, die Meister von der mittelaltrigen Typik befreit und waren, vielleicht teils aus Ueberdruss an den alten schematischen Formen, also durch Reflexion, teils durch das Studium der Wirklichkeit zu einer lebensvollen Menschendarstellung geführt worden. Aber ihr Schaffen war bestimmt durch die auf autodidaktischem Wege erworbenen Fähigkeiten einzelner und eigenwilliger Persönlichkeiten, es fehlte ihr Ordnung und Gesetz, an denen eine tüchtige und verlässliche Schule sich heranbilden konnte. Bei der mit jedem Individuum von neuem zu beginnenden Selbstbelehrung, war die fränkische Kunst bisher gewissermassen in einzelnen wilden, wenn auch prangenden Trieben in die Lüfte geschossen, aber das Holz ihres Stammes hatte die Jahresringe nicht angesetzt, die ihr Ausdauer, Festigkeit und die Kraft eines grossen Musters gegeben hätten. Ordnung und Gesetz kamen ihr nun von Flandern, gleichzeitig mit einem neuen künstlerischen Prinzip und mit neuen technischen Mitteln, Ordnung und Gesetz, denen man sich willig unterordnete, die man jedoch nicht, wie am Niederrhein, als unwandelbaren Kanon hinnahm, sondern die man nach der Eigenart des Volksstammes abwandelte. Der erste grosse Meister der neuen Epoche ist ~Hans Pleydenwurff~, dessen künstlerische Erscheinung scharf und klar aus dem Sammelbegriffe Wolgemut herausgehoben zu haben, das bleibende Verdienst des Verfassers der Malerschule von Nürnberg ist. 1451 taucht sein Name zum ersten Male in den Bürgerlisten auf, 1472 ist er gestorben. [Illustration: ~Kreuzigung von Pleydenwurff.~ München, Pinakothek. Nach einer Photographie der Verlags-Anstalt Bruckmann.] Das Physiognomische in den Werken Hans Pleydenwurffs erinnert auffällig an jenen niederländischen Künstler, der den Nürnbergern geistesverwandter gewesen ist als die ruhig abgemessenen Meister des Genter Altars, an Roger van der Weyden. Aber bei demselben Grundzug individuellen Wollens haben seine Gesichter doch ein ganz eigenartiges Gepräge, das vorher in Franken nicht zu finden war und das von nun an für seine und die spätere Wolgemut-Schule bezeichnend wird: breitere Kopfformen als früher, langgezogene, oft gebogene Nasen, schwere, ein wenig gesenkte und wie aus Leder geschnittene Lider und ein Ausdruck, der die Mitte hält zwischen männlicher Kraft und, vornehmlich bei Wohlgemut, grämlichem, oft weinerlichem Ernst und zahnschmerzartiger Wehleidigkeit. In seinem Hauptwerk, der ~Kreuzigung in München~, No. 233, Klass. Bilderschatz, 398, erscheinen, ausser den Köpfen, die man schlechthin als pleydenwurff-wolgemutische Typen bezeichnen kann, einzelne von entschieden porträtartigem Aussehen, nicht bei den Frauen, wohl aber bei den Männern, so u. a. bei dem in scharfem Profil nach rechts gewandten Kopf des einen Schimmel reitenden, vom Rücken gesehenen Mannes in rotem, pelzverbrämten Wams, auf dessen turbanartigem Kopfputz einige verschnörkelte Buchstaben, wohl J. P., Johannes Pleydenwurff, angebracht sind. Auf einer zweiten ~Kreuzigung~, die sich im ~germanischen Museum~ unter Nr. 100 befindet, Klass. Bilderschatz 350, weniger tief, warm und leuchtend im Ton als die Münchner, kniet vorn in hellgrüner Pelzmosette mit Fuchsschwänzen (?) besetzt und weissem Untergewand in kleiner Figur der Stifter, ~Kanonikus Schönborn~ von Würzburg. Auch hier ist das Stifterbildnis noch flüchtig behandelt, doch ist die Aehnlichkeit mit dem eigentlichen Porträt des Kanonikus sofort zu erkennen. Dieses ~Porträt~, No. 101 des germanischen Museums, gleichfalls von J. Pleydenwurff, ist ein meisterliches Kabinetstück der Sammlung. Die Annahme des »Wegweisers für die Besucher« des Museums von 1896, dass dieses Porträt vielleicht eine Studie für das Donatorenbildnis der Kreuzigung sei, ist völlig unwahrscheinlich. Jenes ein drittel Meter hohes und ein viertel Meter breites Brustbild ist bis aufs Kleinste mit liebevoller Sorgfalt durchgearbeitet und ist jedenfalls nur um seiner selbst willen in wiederholten Sitzungen nach dem Leben gemalt worden, während das kniende Figürchen auf der Kreuzigung recht wohl einem flüchtigen Erinnerungsbilde sein skizzenhaftes Dasein verdanken kann. [Illustration: ~Porträt des Kanonikus Schönborn.~ Nürnberg. Nach Photographie.] Der alte Herr in violetter, pelzbesetzter Damastschaube mit dem feinen, von grauweissen Haar umkränzten Gelehrtengesicht schaut hellen Blickes in dreiviertel Wendung nach links über das geschlossene Buch in losem grünen Umschlag hinweg, das er in seiner Linken hält, mit dem Daumen die soeben gelesene Stelle festhaltend, die Lippen halb geöffnet, als lausche er aufmerksam den Worten eines nicht sichtbaren Sprechers. Ein erstes und in solchem Grade einziges Auftreten des ~Momentanen~ in Ausdruck und Gebärde auf einem unabhängigen Porträt des 15. Jahrhunderts! Alter und geistige Arbeit, nicht gemeine Sorge und körperliches Leid, haben wie mit feinem Griffel ihre Spuren in das lebensprühende Antlitz des Greises gegraben. Die Ausführung ist bei aller detaillierender Peinlichkeit kaum mehr zeichnerisch, sondern weich und malerisch, und der Kontur verschwimmt leicht in der blauen Farbe des Grundes. Leider wird die Bildwirkung durch den noch mittelaltrig beschränkten Rahmenraum beeinträchtigt: das richtige Verhältnis zwischen der Figur und dem Luftkörper, in welchem sie gedacht ist, hat der Maler noch nicht gefunden. Von andern Werken Pleydenwurffs sind hier zu nennen: Ein ~Altarwerk~, von dem ein Flügel mit der Vermählung der heiligen Katharina und einer mit der Geburt Christi sich in ~München~, No. 234 und 234a, ein anderer mit der Auferstehung und einer mit Christus am Kreuz sich in ~Augsburg~, No. 130 und 131, befindet. Auf der Geburt ein Stifter — die kniende Figur ist nicht grösser als der Kopf Marias —, auf der Auferstehung eine Stifterin, beide mit dem Wappen der Landauer (?). Auf der Tafel mit Christus am Kreuz soll ein porträtartiges Gesicht in der Männergruppe Aehnlichkeit mit Michel Wolgemut haben; eine Gestalt in der Auferstehung, der aufschauende Armbrustschütze links, erinnert an eine Figur auf der Nürnberger Kreuzigung. Malerisch das bedeutendste ist jedenfalls die Vermählung der heiligen Katharina, — aber sind diese beiden herrlichen Gestalten der Maria und der Katharina wirklich nürnbergisch? Auch der lichtdurchflutete Raum mutet so wenig fränkisch an, eher wird man an einen Meister der Bodenseeschule gemahnt. Eine ~Anbetung der Könige~, ~germanisches Museum~ No. 125. Der greise König, der dem Christkinde die Hand küsst, ist gewiss ein Porträt und zeigt eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Kanonikus Schönborn, sodass man es hier vielleicht mit einer Wiederholung desselben in noch höherem Lebensalter zu thun hat. Eine ~Vermählung der heilgen Katharina~, ~ebenda~, No. 104. Der Stifter, gleichfalls ein Kanonikus, wird dem Christkind durch den heiligen Bartholomäus empfohlen. Der den weltlichen Freuden anscheinend nicht abholde geistliche Herr in der Mitte der Vierziger ist gegen den Brauch von derselben Grösse wie die Heiligen und, soweit die starke Uebermalung ein Urteil erlaubt, mit derselben Sorgfalt wie diese ausgeführt. Die Tafel ist einundeindrittel Meter hoch und fast einen Meter breit, — ein »Empfehlungsbild« im Sinne der grossen italienischen Malerei. Ein ~Altarbild in Szczepanów~, Galizien, von 1470, wird neuerdings von Weisbach[60] gleichfalls dem J. Pleydenwurff zugeschrieben. Es ist hier der Stifter wegen zu nennen, die, in verkleinertem Massstabe und mit zwei Spruchbändern versehen, mindestens so gut ausgeführt zu sein scheinen, wie der Schönborn auf der Nürnberger Kreuzigung. Die drei Figuren sind nach Weisbachs Untersuchungen wahrscheinlich: der plebanus Stanislaus Zabka, nobilis de domo Prussy, dieser am weitesten links, und die beiden andern Angehörige der Familie Prussy. Bei dem lebhaften Verkehr Nürnbergs mit dem deutschen Osten erscheint es nicht ausgeschlossen, dass Pleydenwurff, wie 1462 in Schlesien, so auch 1470 persönlich in dem damals noch germanischen Polen gewesen ist. Von einem unbekannten Zeitgenossen Pleydenwurffs, der ihm auch künstlerisch nahe steht, befindet sich im Westchor der ~Sebalduskirche~, im Halbdunkel der Peterskapelle, ein 1453 von der Nürnberger Patrizierfamilie ~Löffelholz~ gestifteter ~Altar~, dessen kindlich freundliche runde Köpfe eine gute Naturbeobachtung, aber kein allzu ernstes Eindringen in die Tiefe der Persönlichkeit bekunden. Auf der Predella die kleinen knienden Stifter mit den Wappen der Löffelholze, Dietner, Stromer und Sachsen, sowie die Stifterinnen mit denen der Löffelholze, Zingel, Kress und Stromer. In diesem nicht sehr bedeutenden Werke glaubt man den frühsten Einfluss des Genter Altars in fränkischer Kunst zu erkennen. Dem Meister des Löffelholzschen Altars schreibt Thode auch ein in sechs Teile zerlegtes ~Altarwerk~ in zwei verschiedenen Kapellen des linken Seitenschiffes von ~S. Lorenz~ zu, mit Darstellungen aus der Legende der heiligen Katharina, und sieht in einer Figur auf der Unterredung mit dem Könige »ein ausgezeichnetes, ungemein lebendiges Porträtbildnis (vielleicht des Malers selbst)«. Was die Köpfe Pleydenwurffs von denen seines berühmten Nachfolgers ~Michel Wolgemut~ unterscheidet, liegt, wie schon gesagt, weniger im Formalen, als in dem seelischen Ausdruck, und schon an diesem allein erkennt man in den meisten Fällen, mit welchem von den beiden Meistern man es zu thun hat. Pleydenwurffs Menschen gehören wahrlich nicht einer geistig hervorragenden Welt an — ein Kopf wie der Schönborns steht ganz vereinzelt —, ihr Gedankeninhalt ist ein beschränkter und sie ermangeln jeglicher seelischen Monumentalität, aber wenigstens geben sie sich natürlich und wollen nicht anders scheinen, als sie sind. Wolgemuts Gestalten entstammen derselben geistigen Atmosphäre, aber sie bemühen sich, ein Empfindungsleben und eine Würde zu heucheln, die ihrem innern Wesen fremd sind. Gemacht-anmutig neigen sie das Haupt zur Seite, geziert schieben sie die Unterlippe hervor und wehmütig lassen sie die Mundwinkel herabsinken. Im Grunde sind seine Mädchen doch recht einfältige Jungfräulein, deren breite Kopfformen das Gehirn eines Kanarienvogels zu bergen scheinen, und seine Männer gleichgiltige, knechtischstumpfe, innerlich hohle Gesellen. Aber Wolgemuts Menschen sind nicht nur spiessbürgerlich beanlagte Philister ohne einen Anflug idealer Lebensfreude, sondern sie sind zuweilen auch unliebenswürdige Grillenfänger, hinter deren »ausstaffiertem Schmerz und trüben Augenbrauen« wir »Leerheit oder schlechtes Herz« vermuten. Lionardo ermahnt in seinem Buche von der Malerei (No. 74) den Künstler, dass er die Mängel seiner eigenen Person herausfinde, sie kennen lerne und sich hüte, sie etwa auch auf seine Schöpfungen zu übertragen. Wolgemuts Physiognomie ist uns aus Dürers vortrefflichem Porträt[61] in der Münchner Pinakothek, Klass. Bilderschatz 650, bekannt. Wenn man diese lebhaften Augen und die feinen, anfangs recht ansprechenden Züge lange Zeit betrachtet hat und dann, wie es mir ergangen ist, hinter dieser biederen Miene den klugen und arbeitstüchtigen, aber herzenskalten, nüchternen, phantasielosen, eigensinnigen und eigennützigen Geschäftsmann erkannt hat, so wird man sich kaum des Gedankens erwehren können, es habe der Meister, Lionardos Warnung zum Trotz, die eigenen Charakterfehler in die Gebilde seines geschäftigen Pinsels mit hinüber genommen. Diese gallige »Neigung zu fast bitterer Schärfe«, die uns so häufig die Freude an Wolgemuts Bildern verdirbt, ist vielleicht sogar in einem Werke seines grossen Schülers wiederzufinden: in Dürers Porträt Friedrichs des Weisen in Berlin,[62] — einer der seltenen Fälle, wo man, wenn man so sagen darf, die Nabelschnur zu erkennen glaubt, die den Meister mit des Wolgemuts Haus »gegenüber den Schildröhren« verband. Von diesem Gesammturteil über das Physiognomische in Wolgemuts Werken sind, wie ich gern zugebe, einige wenige Köpfe ausdrücklich auszunehmen, — die malerischen Qualitäten des Meisters, insoweit man ihm solche zugestehen will, werden von dem Tadel seiner Typen überhaupt nicht berührt. ~Michel Wolgemut~ ist 1434 (?) in Nürnberg geboren worden, hat sich 1472 mit der Witwe H. Pleydenwurffs verheiratet, in seine Werkstatt trat 1486 Dürer ein, erst 1519 ist er verschieden, »am sant enders tag fru ee dy sun awff gyng«. Sein »wohlgestaltet« Hauptwerk, zum grössten Teil eigenhändig ausgeführt — später beschränkte sich seine Thätigkeit auf das allgemeine Entwerfen seiner zahlreichen Aufträge, die Verteilung der Arbeit an die Gehilfenschar und das Einziehen der Gelder —, ist der ~Zwickauer Altar~ vom Jahre 1479, koloristisch jedenfalls das beste was er jemals geleistet hat. Hier hat er uns auch auf einem der Flügel ein wirkliches »Assistenzbild« geliefert: in den trachtlich freier behandelten Männergestalten des Sippenbildes,[63] je zwei zur äussersten Linken, je zwei zur Rechten, Kleophas, Salomo, Alpheus und Zebedäus, sind sicherlich Porträts zu erkennen und zwar vielleicht die vier bei der Bestellung des Hochaltars massgebend gewesenen Personen »merten römer, hauptmann zu zwickaw, rath pavel strödel, bürgermeister caspar sagner und thomas vilberer alterleute«. Eine Ueberlieferung bezeichnet eines derselben, das des hinten links eine Rolle in der Hand haltenden, als ein Selbstbildnis Wolgemuts; eine Aehnlichkeit mit dem alten Wolgemut, wie ihn Dürer gemalt hat, ist jedenfalls nicht zu entdecken. Auch auf dem Flügel mit der Anbetung der Könige scheint der kniende kahlköpfige Kaspar ein Porträt zu sein. Das frühste Werk von Wolgemuts Hand und dasjenige, dem er seinen heute nicht mehr recht verständlichen Ruhm wohl verdankt, ist der mit 1465 bezeichnete ~Hofer Altar~, jetzt in der ~Pinakothek~, No. 229 bis 232. Wenn auch auf diesen vier nicht geradezu unerfreulichen Tafeln der Anschluss an H. Pleydenwurff in einem gewissen allgemeinen Schönheitsgefühl und in einer verhältnismässigen Mannigfaltigkeit der Physiognomien sich ausspricht, so tragen doch Männer sowohl als Frauen schon den Stempel langweiliger Oede auf ihren Stirnen. Je weiter Wolgemut im Alter und der Routine vorwärts schreitet, umsomehr verschärft sich das Mal der geistigen Armut seiner Geschöpfe, aber gleichzeitig werden seine Frauen umso gezierter und umso vornehmthuender grilliger, misanthropischer und leichenbitterhafter seine Männer. Der ~Altar~ der Pfarrkirche zu ~Hersbruck~, aus den letzten Jahren des Jahrhunderts, scheint, nach den Reproduktionen zu schliessen, eine wahre Musterkarte unliebenswürdiger und abstossender Gesichter zu enthalten. [Illustration: ~Sippenbild aus dem Zwickauer Altar~ von Wolgemut. Nach Photographie.] Wie die Idealgestalten Wolgemuts, so zeigen auch seine porträtartig gemeinten Stifterbildnisse dieselbe geistige Missernte, doch mag das Odium ihrer Urheberschaft bei der Mehrzahl wohl nicht den Meister treffen, sondern irgendwelchen seiner derben Gesellen. Eine Befriedigung seines künstlerischen Ehrgeizes hat ja, wie wir gesehen haben, überhaupt kaum je ein altdeutscher Maler in dieser Bildnisgattung gesucht. Auf einem ~Epitaphium~ für ~Frau Margareth Wilhelm Hallerin~, ~germanisches Museum~ No. 115, wo um das Sterbebett Marias elf missmutige, mürrische Apostel versammelt sind[64] (eine freie Benutzung des schongauerschen Stiches, der auch auf einer Tafel des Hersbrucker Altars zum Vorbild gedient hatte), befindet sich auf einem besonderen Abschnitt unter der Hauptdarstellung ein höchst uninteressantes Ehepaar nebst karikaturenhafter Nachkommenschaft mit den Wappen der Haller und Groland. Die Tafel ist mit 1487 bezeichnet. Frau Margareth trägt hier bereits das kunstvoll über ein Drahtgeflecht zusammengelegte Kopftuch, ähnlich wie es Dürer auf seinen Trachtenbildern von 1500 schildert. In ~S. Lorenz~, vierte Kapelle links, Führer No. 15, ein ~Schmerzensmann~ zwischen Philippus und Jakobus, zu seinen Füssen ein in etwas grösserem Massstabe als üblich gebildeter Stifter in der Tracht eines Kanonikus, vielleicht der 1484 verstorbene Leonhard Spengler. Ebenda noch einige andere Tafeln mit kleinen unbekannten Donatoren. Der in der Sammlung von ~Bamberg~ unter No. 21 bis 23 als Wolgemut bezeichnete ~Altar~ ist wohl von einem späteren, aber ganz hervorragenden Schüler des alten Nürnberger Meisters gemalt. Die Stifterinnen unter dem Kruzifixus, der Krönung und der Beweinung, von den Hauptbildern durch eine Leiste getrennt, gehören nach den Wappen und der beigeschriebenen Todesnachricht mit den Jahreszahlen 1483, 1494 und 1521 der Familie Volkamer an. In Wolgemuts vielbeschäftigter Werkstatt hat eine stattliche Schar zum Teil sehr tüchtiger Gehilfen gearbeitet, in welcher die neuere Forschung einige ganz bestimmte künstlerische Individualitäten zu erkennen glaubt. Der persönlichste von allen und an Begabung dem Meister überlegen, scheint ~Wilhelm Pleydenwurff~, der Sohn des Hans Pleydenwurff, gewesen zu sein, der um die Mitte des Jahrhunderts geboren und in jungen Jahren 1494 gestorben ist. Er hat mit seinem Stiefvater Wolgemut die schedelsche Weltchronik mit Holzschnitten illustriert, und es ist Thodes Verdienst, durch scharfe Stilkritik die besseren Arbeiten des ersteren von denen des letzteren geschieden zu haben. Auf Grund dieser Untersuchungen weist Thode, allerdings nicht ohne Widerspruch, dem Wilhelm Pleydenwurff eine Anzahl grösserer Werke zu, die bisher allgemein für wolgemutisch gegolten haben, vor allem weitaus die meisten der Darstellungen auf der berühmten »Tafel in der Augustiner-Kirche gegen die Schustergasse, welches (das Gemälde) der Peringsdorffer hat machen lassen.« Der ~Peringsdörffer Altar~, 1488 gestiftet, befindet sich jetzt im ~germanischen Museum~, No. 107 bis 114, Klass. Bilderschatz 759, zwei Tafeln in ~S. Lorenz~, Führer No. 12 und 18. Es ist ein anderer Geist als der wolgemutische, der aus diesen Bildern spricht, ein höheres Schönheitsgefühl, ein intimeres Naturstudium und eine freier schweifende Künstlerphantasie. Die Pinselführung ist schwungvoller und fliessender, und wenn auch seine Malweise noch immer etwas mosaikartiges beibehalten hat, so ist doch die modellierende Kraft der Farbe zu einer gewissen Rundung der Körper benutzt worden, wie nur irgend von einem der grössten Meister von Alt-Köln. Aber der wichtigste Unterschied gegen Wolgemuts Arbeiten besteht im Physiognomischen. In den Zügen der Heiligen und der Nebenpersonen dieser wie in einer Welt des Traumes geschauten Handlungen ist nichts von erheuchelter Empfindung, nichts von Geziertheit oder hämischem Spiessbürgersinn zu bemerken. Das wüste Volk der Schergen ausgenommen, sind es naive, reine, sanfte, kindlich heitere Wesen, lebendig und lebenslustig, nicht aus gedankenloser Oberflächlichkeit, sondern vielleicht gerade weil sie das Tiefste gedacht haben. Und auch die Mitarbeiter am Peringsdörffer Altar sind dem Meister auf seinem höheren Fluge gefolgt (die Tafel in S. Lorenz, No. 12, ist bezeichnet R. F. 1487), denn das Ganze macht einen völlig einheitlichen Eindruck; auch sie müssen an das Göttliche ihrer Heiligen ~geglaubt~ haben, während man den Schöpfungen des berühmten Werkstatt-Oberhauptes anfühlt, dass sie mit nüchternem, kühlen Herzen und gleichgiltig geschäftiger Hand gemalt worden sind, aus keinem anderen Grunde, als weil ihre Besteller nun einmal die altgewohnten biblischen Stoffe verlangten. Ein Stifterbildnis drängt sich glücklicherweise auf keiner der Tafeln die Harmonie der legendarischen Erzählung störend ein, aber die Vermutung, dass in dem feinen Jünglingskopf des die Madonna malenden heiligen Lukas W. Pleydenwurff uns ein Selbstbildnis hinterlassen hat, liegt wohl nicht allzufern. Vielleicht darf auch ein auf der Heilung des Besessenen im Hintergrunde stehender junger Mann für das Porträt jenes Gehilfen angesprochen werden, welcher die Veit-Bilder zu malen hatte. [Illustration: Der ~h. Lukas, die Madonna malend~. Vom Peringsdörffer Altar. Nürnberg, German. Museum. Nach Photographie.] Von einem mehr zeichnerisch als malerisch beanlagten Schüler Wolgemuts (aber nicht, wie Vischer meint, Hans Raphon), sind die Decken- und Wandmalereien eines Zimmers des ~Goslarer Rathauses~ ausgeführt worden. Der Künstler hält sich im allgemeinen an den wolgemutischen Stil, doch zeigen seine kräftigeren Männerköpfe und die Behandlung der Gewänder, dass er bereits die Frühwerke Dürers gekannt hat. Auch in diesem Werk trägt ein lebensvoll erfasster Kopf entschieden porträtartige Züge, und zwar der eines vor der Himmelskönigin knienden, schwarzgekleideten Mannes, bartlos, eine Warze auf der Wange, mit energischem Mund, Adlernase und kühl und verständig blickendem Auge, — einer Ueberlieferung nach der Bürgermeister Johann Papen von Goslar. Gleichfalls nicht von Wolgemut selbst, obwohl ihm bis auf Seidlitzs Untersuchungen allgemein zugeschrieben, ist der ~Dreikönigsaltar~ in der Kirche von ~Heilsbronn~, so genannt nach der geschnitzten Hauptdarstellung auf dem Schreine, von 1502 oder 1503. Der nicht gerade bedeutende Meister dieses Altars übertrifft dennoch Wolgemut an Schönheitsgefühl sowie an Mannigfaltigkeit und Individualität seiner Gestalten; am nächsten scheint er, wie Thode hervorhebt, dem Wilhelm Pleydenwurff zu stehen. Auch er hat offenbar Dürers Frühwerke gekannt. Auf den Rückseiten der äusseren Flügel befinden sich in besonderen Abschnitten unter den heiligen Vorgängen recht gute und ikonographisch interessante Stifterbildnisse, und zwar: unter der Kreuzigung Friedrich IV, Markgraf von Brandenburg, zweiter Sohn des Kurfürsten Albrecht Achilles aus erster Ehe, gestorben 1536, im Harnisch mit den Insignien des Schwanenordens geschmückt, begleitet von einem Vasallen, welche das markgräfliche Wappenschild und den Helm seines Lehnsherrn trägt, und seinen neun Söhnen, welche später den Vater »wegen Geistesblödigkeit« der Regierung entsetzt haben; unter der Messe des heiligen Gregors seine Gemahlin Sophie, eine Tochter König Kasimirs von Polen, gekennzeichnet durch den roten Schild mit dem silbernen Adler, nebst ihren acht Töchtern, sämtlich uniform in rote, schwarzgesäumte Mäntel gekleidet. Dem Meister des Heilsbronner Altars werden von Thode, der ihn als möglicherweise identisch mit Hans Traut bezeichnet, noch einige unbedeutende Werke zugeschrieben. Eines von diesen, die Malereien auf dem kleinen ~Gregor-Altar~ der ~Heilsbronner Kirche~, zeigt auf der Staffel mit der Beweinung Christi einen gänzlich übermalten Stifter, wahrscheinlich Johann Wenk, der von 1518 bis 1529 Abt von Heilsbronn gewesen sein soll. Auf einem Spruchband: Miserere mei deus secundum magna misericordiam mea(!). Der Meister des 1508 für die Pfarrkirche von ~Schwabach~ gelieferten ~Altars~ — die Ausführung des Schnitzwerkes und der Malereien war Wolgemut übertragen worden, aber ausser der Staffel (nach Seidlitz auch der Predigt des Johannes) hat er selbst wohl nichts daran gemalt — steht ganz unter dem Banne Dürers, ja seine Nachahmung des grossen Vorbildes streift schon fast die Manier. Die Figuren sind von einer quecksilbernen Lebendigkeit, aber ihre Erregung berührt unangenehm, da sie nicht der Ausdruck einer von innen nach aussen strömenden Leidenschaft ist, sondern der bewussten Absicht des Malers, die Aufmerksamkeit des Beschauers auf sich zu ziehen, ihr Dasein verdankt. Die kleinen, auf langen Körpern sitzenden Köpfe »haben eine so hastige, jähe Art zu schauen, dass die Blicke gleich Blitzen über die Bildfläche zu schiessen scheinen« (Thode). [Illustration: Vom ~Schwanenaltar der Gumbertuskirche~. Ansbach. Nach Stillfried-Alcantara, Altertümer des Hauses Hohenzollern.] Zum Schluss dieser Gruppe sei noch einer in ikonographischer und trachtlicher Beziehung bemerkenswerten Schöpfung eines Wolgemutschülers gedacht, des ~Schwanenaltars~ in der Ritterkapelle der ~Gumbertuskirche~ zu ~Ansbach~ von 1484, angeblich von einem Jakob Mühlholzer aus Windsheim. Im Schrein ein Holzbild der Madonna, auf dem linken Flügel die Verkündigung, auf dem rechten die Anbetung der Könige und auf der Predella der Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg († 1486) mit zwei männlichen Begleitern und seiner Gemahlin, der Kurfürstin Anna, nebst einigen Frauen in hohen runden Hauben und einem Hündchen, wie ein solches auch auf dem Sarkophag der Fürstin in Heilsbronn zu sehen ist. Auf der Rückseite des sehr übermalten Altars die Himmelskönigin, unter deren von Engeln gehaltenen Mantel fünf kurfürstliche Prinzen und fünf Prinzessinnen knien, — ein Maria-Schutz mit besonderer Beziehung zu einer fürstlichen Familie. Sämtliche Mitglieder, männliche wie weibliche, tragen die Insignien des 1440 von Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg, dem »Markgrafen mit den eisernen Zähnen«, gestifteten Schwanenordens. Was die elegante Jugend des ausgehenden 15. Jahrhunderts an Wunderlichkeiten des Kleiderschnittes und bunten Farbenzusammenstellungen geleistet hat, davon geben die Gewänder der fünf Prinzen eine vortreffliche Anschauung. Innerhalb und ausserhalb Nürnbergs sehen wir die fränkische Malerschule jetzt und noch bis in das 16. Jahrhundert hinein, unter dem Einfluss Wolgemuts und seiner Schüler. Mancher porträtartige Kopf und zahllose Stifterschwärme begegnen uns auf diesen derben und hausbackenen Werken, von denen sich eine beträchtliche Anzahl in den Sammlungen von Würzburg und Bamberg befindet. Namen der Donatoren sind nur in den seltensten Fällen zu ermitteln und schliesslich lohnt es sich auch wohl kaum der Mühe, sie ihrer wohlverdienten Vergessenheit zu entreissen. * * * * * Dass in der fränkischen Schule die eigentliche Porträtkunst häufiger als anderwärts gepflegt worden ist, darf nach der verhältnismässig grossen Zahl der uns aus den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts gerade von ihr hinterlassenen Einzelbildnisse wohl angenommen werden, auch würde einen solchen Schluss ihre Neigung zum Individuellen und Charakteristischen schon aprioristisch gestatten. Monumentale Repräsentationsbilder, in denen das Besondere mit dem Allgemeinen verbunden erscheint, wird man von der fränkischen Schule ebenso wenig wie von einer anderen deutsch-mittelaltrigen erwarten dürfen. Die kleinen Brustbilder, für niedrige, schlecht erleuchtete Räume und für den engsten Familienkreis bestimmt, begnügen sich, die äusseren Züge und alle Zufälligkeiten in der Physiognomie des Dargestellten schlecht und recht wiederzugeben, in die Tiefe seines Wesens hinabzusteigen oder auch nur den Wiederschein eines Gedankens auf seinem Antlitz zum Ausdruck zu bringen, darauf erheben sie keinen Anspruch. Bei einem so tiefen Niveau der Porträtkunst ist es natürlich recht schwierig, in dem Bilde die Hand desjenigen zu erkennen, der es gemalt hat, verbirgt sich so doch selbst in den Porträts der grossen Meister des 16. Jahrhunderts mit bestimmt ausgesprochener Eigentümlichkeit gar so oft die Persönlichkeit des Darstellers hinter der des Dargestellten. Mit Sicherheit ist es im Vorstehenden nur möglich gewesen, das Porträt des Kanonikus Schönborn einem bestimmten Meister zuzusprechen, dem Hans Pleydenwurff. Es sollen nun hier diejenigen genannt werden, welche mit grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit als »wolgemutisch« bezeichnet werden dürfen. 1. Ein ~Liebes- oder Ehepaar~ in halben Figuren im Amalienstift zu ~Dessau~, bez. 1475. Die junge Frau mit grossen, derben Gesichtszügen, breiter und hoher Stirn, zurückgehendem Untergesicht und gedankenleeren Augen ist ein echt wolgemutischer Typus. Sie hat die Unterarme mit dem langen Handrücken und den wulstigen Fingern übereinandergelegt, die rechte Hand — ein überraschend feiner Zug — ein wenig geöffnet, wie die leise Andeutung eines Gedankens, der in einer Bewegung nach dem Ringe hin sogleich zur Auslösung kommen wird, den ihr der junge Gatte zwischen Zeigefinger und Daumen in recht natürlichem Gestus darreicht. Dieser, ihr Partner, ist in eleganter modischer Tracht erschienen. Das Hemd ist tief am Halse ausgeschnitten, der kurze Aermel des Obergewandes ist weit aufgeschlitzt. Das Haar trägt er frei auf die Schultern herabwallend, nach vornehmer Sitte der Zeit, so wie es uns von Dürers Selbstbildnis in der Pinakothek her bekannt ist, und kokett sitzt auf dem Haupt das mit dem Reiherstutz geschmückte Barett. Sinnliche Kraft und männliche Entschlossenheit spricht aus den groben Zügen, der starken, gebogenen Nase und dem festgeschlossenen Mund, doch eine scharfe, vom Nasenflügel zu den Mundwinkeln herab sich ziehende Falte, die so manchen wolgemutischen Männerkopf kennzeichnet, giebt dem Gesicht einen Beigeschmack von herber Bitterkeit. Das Paar steht vor einer schlichten Architektur, die zwei Ausblicke in landschaftliche Ferne zeigt. Im ganzen genommen ein vortrefflich mit dem Pinsel gezeichnetes Bild von ausserordentlicher Lebendigkeit und Lebenswahrheit. [Illustration: ~Ehepaar in Dessau.~ Nach Springer, Handbuch der Kunstgeschichte.] 2. ~Brustbild eines alten unbärtigen Mannes~ in schwarzem Rock und Hut. ~Germanisches Museum~ No. 119. Dreiviertel Ansicht nach links, ohne Hände, auf blauem Grund. Eine recht mässige, handwerkliche Arbeit. Der Dargestellte hat mit dem eben genannten Mann in Dessau eine entfernte Aehnlichkeit, nur ist sein Ausdruck geradezu unfreundlich und verärgert. [Illustration: ~Porträt des H. Perckmeister.~ Nürnberg. Nach Photographie.] 3. ~Bildnis des Hans Perckmeister.~ ~Germanisches Museum~ No. 119a.[65] Am oberen Rande die Inschrift: Als man MCCCCLXXXXVI Jar zählt, was Hans Perckmeister LX Jar in der Gestalt. Kopf in dreiviertel Wendung nach rechts. Beide Hände sind angegeben, die rechte hält einen Rosenkranz, die linke ruht auf der Handwurzel der rechten. Schwarzer Rock und schwarze Mütze, unter der das graue spröde Haar, detailliert, nicht als Masse behandelt, bis zum Halsansatz herabfällt. In die trockene, pergamentene Haut, unter der alles Fett verschwunden ist, besonders in der Umgebung der tief eingesunkenen Augen, scheint langdauernder Gram oder körperliches Leid tiefe Linien und Furchen gegraben zu haben. Schmerzlich sind die Mundwinkel herabgezogen, nicht nur in einer momentanen Bewegung, nicht nur in den Tagen, da er dem Maler gesessen hat, sondern sie erscheinen gewissermassen wie erstarrt, wie versteinert in diesem Zustand. Die betreffenden Muskeln, die Depressiores angeli oris, haben sich verstärkt und verhärtet in oft geübter Thätigkeit. Aber nicht nur Gram oder Schmerz muss die Nervenkraft in jene Muskeln geleitet haben, sondern ein Motor, der im Gemüt des Alten gelegen haben mag: ein galliges, missgünstiges, ein Sixtus Beckmesser Temperament, das ihn oft in Stimmungen versetzt hat, wie jene war, in der er im Bilde erscheint, — ob freilich auch hier der Maler etwas von seinem eigenen Wesen hat einfliessen lassen, sei dahingestellt. Die Zeichnung ist, wie stets bei Wolgemut, fest und energisch. 4. ~Brustbild eines Mannes~ in mittleren Jahren. ~Bairisches National-Museum~, Zimmer No. 11, am Fenster. Bez. 1501. Kopf dreiviertel nach rechts, blauer Grund. Die schwarze Schaube ist vorn geöffnet und lässt ein weisses Unterkleid mit dunklen Querstreifen sichtbar werden. Der Hals ist mit einer Kette geschmückt, den Kopf bedeckt eine Mütze von Pelzwerk, in der Hand hält er einen Münzstempel. Der Ausdruck ist derselbe unliebenswürdige wie beim Perckmeister, mit dem der Dargestellte überhaupt eine gewisse Familienähnlichkeit hat. Die Zeichnung ist scharf und hart, das Inkarnat gelbbräunlich, von ungesundem Aussehen. 5. ~Brustbild einer Frau~ in den zwanziger Jahren. ~Ebenda.~ Gegenstück zu dem vorigen. Bez. 1501. Kopf dreiviertel nach links, dunkelgrüner Grund. Die Hand hält eine rote Nelke. Sie trägt ein rotes Kleid, welches Hals und oberen Teil der Brust frei lässt, mit goldener Schliesse und reichem Goldbesatz. Hals und Brust, deren unterer Teil von einem weissen Hemd bedeckt ist, sind mit Ketten behangen. Zeichnung und Inkarnat wie beim vorigen, der Ausdruck aber ist bei weitem freundlicher und sympathischer. Beide recht mässige Bilder, nach Thode vielleicht von einem Schüler Wilhelm Pleydenwurffs. 6. ~Brustbild einer Frau~ in mittleren Jahren. ~Ebenda.~ Zimmer No. 12. Fast lebensgross, derbe Züge, hellgrüner Grund. Die Hände sind ruhig übereinander gelegt, das Haar bedeckt eine gelblich-weisse runde Haube, an den Schläfen treten die Zöpfe hervor. Auf dem unter dem Ausschnitt sichtbaren Untergewand ein Schmuckstück. 7. ~Bildnis der Ursula Hans Tucher~, geb. Harsdorffer. ~Kassel~, No. 2. Am Rande, rechts unten, die Jahreszahl 1478, deren Echtheit jedoch bestritten wird. Die Tucherin ist 1504 gestorben. Brustbild, Kopf dreiviertel nach links, einfarbiger rot-brauner (übermalter) Hintergrund. Oben die Aufschrift: Ursula Hans Tucherin. Die seit 1481 verheiratete, ziemlich junge Frau im grünen Kleide mit goldener Verschnürung, das Haar von einer grossen, gebauschten Haube bedeckt, die durch ein besonderes Kinntuch gehalten wird, blickt ernst aus dem Bilde heraus. Die zierlich gelegten Finger der aristokratisch feinen Rechten halten eine Nelke. Thausing, der begeisterte Verehrer Wolgemuts, schreibt darüber in seinem Dürerwerk S. 81: »Das Ganze ist unendlich anziehend und liebenswürdig behandelt; die Farbe ist vollkommen unverändert geblieben, reizend hell, voll Schmelz, fast reiner noch als bei Roger van der Weyden, der Kopf von der zartesten Modellierung, die Zeichnung der Hand wunderbar vollendet«. Das Bild hat (trotz Thausing) offenbar durch Reinigung und Uebermalung sehr gelitten. In seinem heutigen Zustand ist es schwer, die Hand des Malers zu erkennen. Am ehesten könnte man an W. Pleydenwurff denken. Die Behandlung ist, im Gegensatz zu der daneben hängenden Elisabeth Niclas Tucherin, malerisch, d. h. auf Farbenwirkung berechnet, nicht zeichnerisch. Die Gesichtstöne sind rosig, die Konturen und die Uebergänge von einer Fläche zur andern zart und weich, besonders in den Teilen abwärts der Augen; Brauen und Wimpern sind durch leise Schatten angedeutet, kein Härchen ist einzeln gezeichnet. Früher pflegte man Wolgemut ferner noch die drei 1499 datierten Porträts der tucherschen Familie zuzuschreiben, und zwar die ~Elisabeth Niclas Tucherin~ in ~Kassel~ und ~Hans Tucher~ und seine Gattin ~Felicitas~ in ~Weimar~[66]. Seit man auf dem Bildnis der Elisabeth unter dem Firniss das echte Dürer-Monogramm entdeckt hat, werden auch die beiden anderen Tucherbilder wohl allgemein dem grossen Meister zugesprochen. Ihre technische Behandlung ist im Grunde die gleiche. Die Augen mit ihren scharf geschnittenen Lidern, den einzeln angegebenen Brauen- und Wimperhaaren und der auffälligen Hervorhebung der Thränenkarunkel, die starken Backenknochen, die Landschaft des Hintergrundes mit dem niedrigen, hellgrünen Buschwerk und den bei den weiblichen Porträts genau übereinstimmenden dicken, flockigen Wölkchen, lassen mit Bestimmtheit auf einunddieselbe Pinselführung schliessen. Auch die allgemeine Anordnung der Bildnisse ist bei allen dreien die gleiche: Brustbild, Kopf in dreiviertel Ansicht vor reichgemusterter Tapete, Ausblick auf Landschaft, und die nur zum Teil aus dem Rahmen emportauchende Hand hält einen Ring, bez. eine Blume. Auf Dürer weist das »mantegneske« in der Bildung und dem rötlichbraunen Ton der Hände, und der Energie des Lebensausdrucks in allen drei Porträts wäre damals ein anderer Meister schwerlich fähig gewesen. Das Bildnis des Hans Tucher muss geradezu als ein unmittelbarer Vorläufer des Oswald Krell bezeichnet werden.[67] [Illustration: ~Porträt des Hans Tucher~ von Dürer. Weimar. Nach Photographie.] Ganz allgemein der Gruppe Wolgemut-Pleydenwurff und Konsorten möchte ich die folgenden Bildnisse zuweisen: Zwei Brustbilder auf Vorder- und Rückseite einundderselben Tafel im Besitze des ~Geheimrats Lippmann~ in ~Berlin~, 1490 datiert, »mit fränkischer Derbheit gezeichnet«. Auf der einen Seite ein ~bartloser Mann~ mit einer Nelke in der Rechten, im Hintergrund ein landschaftlicher Ausblick durch ein Fenster, auf der anderen Seite ein ~bärtiger Mann~ auf Goldgrund, der einen Pfeil hält (Sebastian?). Ich selbst kenne die Bilder nicht. Das Werk über die Renaissance-Ausstellung in Berlin 1898 S. 30, schreibt sie dem Vorgänger Dürers zu, »mag man ihn nun Pleydenwurff oder Wolgemut nennen«; auch sollen sie an die Art der Stiche des Meisters W. B. erinnern (Friedländer). ~Porträt des Konrad Imhof~ in der ~Rochus-Kapelle~ des gleichnamigen Friedhofes zu ~Nürnberg~. Bez. aetatis 23 anno 1486, mit einer Inschrift, welche sich auf die Aufstellung des Bildes in der genannten Kapelle bezieht. Brustbild, Kopf ein wenig nach links gewendet, einfarbiger Grund. Die linke Hand hält eine Blume. Der Dargestellte trägt einen grünen, an den Aermeln geschlitzten Samtrock. Lange blonde Locken fallen tief auf die Schultern herab. Das Inkarnat ist frisch und rosig, die Farbe überhaupt kräftig und die Zeichnung fein und sicher. Ernst, aber offen und frei blickt der vornehme junge Mann ins Leben, in dem er gewiss ein reiches Mass des Schönen und Lebenswerten geschaut hat. Schon um dieser Auffassung willen kann es Wolgemut, wie Seidlitz will, kaum gemalt haben, eher könnte man mit Thode an den liebenswürdigen W. Pleydenwurff denken.[68] Eine ~Kopie~ oder ~Wiederholung~ desselben Porträts, in kleinerem Massstabe, trocken und schwächer in der Farbe, befindet sich in einem Glasschrank des ~bairischen National-Museums~. Bez. Conrat Im Hof XXIII jar 1486. Das Bild hat nach Art der Klappaltärchen zwei Flügel, auf dem einen das Familienwappen, auf dem andern eine auf einer Konsole stehende, von einem roten Mantel umwallte, halb nackte Frauenfigur. Auf Grund dieser allegorischen Gestalt sollte man meinen, dass die Ausführung später als 1486 erfolgt sei, vielleicht von Jakob Elsner (Thode, S. 195). [Illustration: ~Porträt des Konrad Imhof.~ Nürnberg, Rochus-Kapelle. Nach einer Photographie, mit Erlaubnis des Herrn Hans Stegmann.] In demselben Glasschrank das ~Porträt einer Frau~ in den dreissiger Jahren. Brustbild mit Händen auf neutralem Grund. Nicht hervorragende Arbeit. Das Gesicht ist mager und prägt sich leicht ein durch seine mächtige Nase und die auffällig stark gebildete Unterlippe. Der Kopf ist von einem weissen Tuch mehrfach umschlungen. Auf dem goldenen Saum der roten Jacke Buchstaben, von denen ich nur die auf dem Aermel befindlichen lesen konnte: MARTHA. [Illustration: ~Doppelbildnis im baier. National-Museum.~ München. Nach Below, Städtewesen und Bürgertum.] ~Doppelbildnis~ im ~bairischen National-Museum~, Zimmer No. 11, am Fenster. Bez. 1479. Brustbild eines Mannes in der Mitte der Vierziger und einer jungen Frau, auf leuchtendem, rotem Grunde. Die Köpfe sind einander zugewendet, aber sie blicken sich nicht an, sondern schauen zum Bilde hinaus. Der Mann, bartlos, den Rock bis zum Halse geschlossen, das Haupthaar tief auf den Nacken herabfallend und von einer Kappe in Form eines abgestutzten Kegels bedeckt, mit hagerem Gesicht und grossen braunen Augen, hat eine feierlich ernste Miene angenommen. Wollte man nach modernen Begriffen dieses gewiss ganz naive Werk beurteilen, so würde man sagen, der Dargestellte habe diesen Ausdruck gewählt, als der Würde des Momentes entsprechend, in welchem er der Nachwelt überliefert werden sollte. Es liegt etwas Gezwungenes in diesem Blick, das uns von modernen Photographien her bekannt ist. Die Frau, ein weisses Tuch mehrfach um den Kopf gewunden, dessen eines Ende über die linke Schulter auf die Brust herabfällt und dann auf der rechten Schulter wieder aufgenommen wird, mit vollem runden Gesichtchen und leicht gebogenem Näschen, schaut unbefangen, lebhaft, freundlich und voller Jugendlust in die schöne Welt hinaus. Zwei ganz vortreffliche Porträts, besonders das weibliche. [Illustration: ~Porträt des Jörg Ketzler.~ Augsburg. Nach Photographie.] Eines der wenigen Porträts des 15. Jahrhunderts, von denen der Autor mit Bestimmtheit bezeichnet werden kann, besitzt die Galerie von ~Augsburg~ unter No. 139. Es ist das ~Bildnis des Jörg Ketzler~ aus Nürnberg, gemalt 1499 von dem in der Hauptstadt Frankens thätigen Illuministen und Porträtisten ~Jakob Elsner~, gestorben 1546 (?). Brustbild, der Kopf in dreiviertel Ansicht nach links, einfarbiger Grund. Oben, zu beiden Seiten des Kopfes, die kalligraphischen Initialen J und K. Auf der Rückseite folgende Inschrift: »Auff d. 10. maio Im 1471 Jar pin ich Jorg Ketzler d. Elter (geb.) von meiner mutter selige genant Katharina vnd mein vatter Seliger genant petter Ketzler. vnd das Nebenbildt ist von Jacob Elsner noch mir abgemolt worden auf den 10 luyo (Juli) Im 99 Jar also das ich eben auff die Zeyt gewesen bin 28 Jar vnd 9 wochen ich Jörg Ketzler bürger zu Nüremberg kost 7 fl 2 d.« Der junge Mann ist in ein rotes Unterkleid mit karminfarbenen Aermeln gekleidet, darüber ein ärmelloser brauner Mantel, auf dem bis auf die Schultern herabwallenden dunkelblonden Lockenhaar sitzt eine schwarze Kappe, deren Krempe an der Seite heraufgeschlagen ist. Eine Schnur um den nackten Hals, die wohl ein Kleinod oder Amulett trägt, verschwindet unter dem Brustteil des Unterkleides, die auffallend kleinen Hände halten den Rosenkranz, die hellblauen, wässrigen Augen schauen rechts seitwärts aus dem Bild heraus. Die Zeichnung ist sorgfältig und sauber ausgeführt, die Gesichtsteile stehen im richtigen Verhältnis zueinander, misslungen ist nur die organische Verbindung zwischen Hals und Kopf. Eine plastische Rundung ist durch die zähe und trockene Farbe nicht erreicht worden. Der Ausdruck der sympathischen Physiognomie ist noch ein wenig befangen. Von Dürers Frühkunst scheint der Meister noch nicht berührt zu sein. Thode findet in Kolorit und Auffassung eine Beziehung zu W. Pleydenwurff. Er zitiert S. 194 über ihn eine Stelle aus Neudörfers »Nachrichten«: »Dieser Elsner war ein sehr angenehmer Mann bei den ehrbaren Bürgern, des Lautenschlagens verständig, derhalben ihn auch die grossen Künstler im Orgelschlagen, welche waren Sebastian Imhof, Wilhelm Haller und Lorenz Staiber lieb haben, waren mit Anderen ihrer Gesellen täglich um und bei ihm. Er conterfeiet sie auch und illuminiret ihnen schöne Bücher und machet ihnen ihre Wappen und Kleinot, damit sie vom Kaisern und Königen begabt waren, in ihre Wappenbrief«. — Bayersdorfer schreibt Elsner noch einige andere Porträts zu, die mir leider nicht bekannt sind. [Illustration: ~Porträt eines jungen Mannes.~ Nürnberg, German. Museum. Nach Photographie.] Von Einzelbildnissen, welche ich keiner bestimmten Künstlergruppe zuzuweisen vermag und von denen bei einigen selbst die fränkische Herkunft nur vermutungsweise behauptet werden darf, erwähne ich die folgenden: ~Bildnis eines blonden jungen Mannes im germanischen Museum~, No. 99. Brustbild, der Kopf ein wenig nach links gewendet und zur Seite geneigt, auf einfarbigem Grunde. Nach dem Katalog: Schule von Nürnberg um 1460. Der vornehme Jüngling in schwarzer halbgeöffneter Moiréschaube, die das Pelzfutter sehen lässt (die erste Stufe einer Entwickelungsreihe, die bei dem kostbaren Pelzwerk des Holzschuhers endigt!), eine schwarze Kappe auf den blonden, nicht gerade üppigen Haaren, macht den Eindruck eines Zwanzigjährigen, — nach den müden, knochenlosen Händen freilich, die mit der Rechten ein Ringlein halten, müsste man einen Greis in ihm vermuten. Augen, Nase und Wangen sind völlig konventionell gegeben, aber das Untergesicht, besonders der etwas sinnliche, schwellend-weiche Mund ist ausserordentlich persönlich. Der Ausdruck ist kindlich, naiv und schüchtern, der einer liebenswürdigen und zur Liebe geschaffenen Persönlichkeit, nicht der eines Wirkers grosser Thaten. Ein Illustrator schillerscher Balladen fände hier das Vorbild für Fridolin, den frommen Knecht der Gräfin von Savern. Zwei handwerklich gemalte Köpfe in einer der südwestlichen Kapellen der Frauenkirche in München, wohl vom Ende des Jahrhunderts: ~Meister Heimeran, Zimmermeister der Frauenkirche~ und ~Jörg Ganghofer von Haselbach, Baumeister der Frauenkirche~ von 1468 bis 1488. Beide in dreiviertel Ansicht auf einfarbigem Gründe und sehr übermalt. Vielleicht, dass wir es hier mit einem Münchner Lokalmaler zu thun haben. Kopien im bairischen National-Museum, Zimmer No. 11. ~Zwei Nürnberger Patriziertöchter~ auf einer Tafel, daneben die Wappen der Tucher und Schlüsselfeld und die Jahreszahlen 1476 und 1467, in der Schlosssammlung von ~Heidelberg~ No. 385. Rote Mäntel, grosse weisse Hauben. Vielleicht sind es die Frauen eines Führer von Haimendorf, dessen Wappen sich zwischen den beiden befindet. Offenbar sind diese Figuren, gleichwie das folgende Brustbild, aus einem grösseren Gemälde herausgeschnittene Stifterbildnisse. Einfache, anspruchslose Arbeiten. Der frische rote Fleischton der Wangen und Lippen ist später hinzugemalt. ~Männliches Brustbild~ ohne Hände, ~ebenda~, noch nicht katalogisiert. Aermelloser, pelzbesetzter Ueberrock. Wappen der Führer von Haimendorf. Das eigentümliche Inkarnat ist wohl die Folge des Durchdringens der Untermalung. Vielleicht aus demselben Gemälde geschnitten wie die vorigen. Ein ~männliches Brustbild~ ohne Hände in der ~Wiener Akademie~, No. 571. Der Dargestellte trägt auf dem langen, lockigen Haar einen Reif. Erinnert an den Mann des Liebespaares in Gotha. Der Name »Schilther« oben links und eine kniende Figur mit der Jahreszahl 1394 rechts sind spätere Zuthaten. [Illustration: ~Porträt der Hoferin.~ London. Nach Photographie.] ~Bildnis einer Patrizierin~ in den dreissiger Jahren. ~London~, National-Galerie No. 722. Brustbild. Kopf dreiviertel nach rechts, einfarbiger Grund. Eine wohl später hinzugefügte Inschrift sagt, dass die Dargestellte eine »geborene Hoferin« sei. Sie trägt eine mächtige weisse Haube, auf der sich, ein lustiger Malerscherz, eine schwarze Stubenfliege niedergelassen hat. (In der Abbildung nicht zu erkennen.) Die rechte Hand ist auf die Brust gelegt, die linke hält das Blümlein Vergissmeinnicht, beide Hände sind aristokratisch schmal, die Finger der linken erscheinen auffällig lang. Die Augen blicken frei aus dem Bilde heraus, fast mit dem Schimmer einer momentanen Belebung, der Fleischton ist hell gehalten. Das Bild wurde früher in London Sigmund Holbein genannt, Scheibler denkt an Wolgemut, für den es doch wohl zu gut ist, jetzt ist es im Katalog als deutsche Schule des 15. bis 16. Jahrhunderts bezeichnet. Fränkisch, aber vielleicht schon mit Dürer in Beziehung zu bringen, sind die folgenden Porträts: ~Männliches Bildnis in der Sammlung Ferroni~, jetzt im Cenacolo di Fulgino, ~Florenz~. Brustbild, einfarbiger Hintergrund. Der in den mittleren Jahren stehende Mann von grauer, ungesunder Gesichtsfarbe mit viereckigem schwarzen Barett auf den lang herabfallenden Locken, trägt eine schwarze Jacke, die am nackten Halse verschnürt ist. Das Bild, in der Augengegend übermalt oder restauriert, hat bereits den Umschwung von der gebundenen, steifen Art der älteren Porträts zu der neuen freien Auffassung mitgemacht. In der Sammlung Ferroni wird es Dürer genannt, Vischer will es Wolgemut zusprechen, Voll wird, wie er mir von Florenz aus schreibt, in der Malweise an Dürers Porträt seines Bruders in München von 1500 erinnert und glaubt, es sei vielleicht die Kopie von einem Werke des Meisters. ~Brustbild eines jungen Mannes im germanischen Museum~, No. 204. Nach dem Katalog vermutungsweise ein Werk Dürers aus seiner Lehrzeit. Es zeigt auf dunklem Grunde einen Jüngling in langem, blonden Lockenhaar, der in der Rechten ein Vergissmeinnicht (?) hält. Bekleidet ist er mit hellblauem, schlitzärmligen Wams mit gesticktem Vorstoss, braunem Ueberkleid und roter Kappe. Das Haar ist wellig und wallend, aber hart und metallen. Die Hände sind ausserordentlich lebendig und scharf gegliedert. Seidlitz, Zeitschrift für bildende Kunst 1883, hielt das Bild für wolgemutisch, Vischer wird durch Hände und Lippen »an den mit Baldung identifizierten Meister der Erschaffung der Eva«, ebenda, erinnert. Die Züge des halb nach rechts gewendeten Kopfes sind nicht unsympathisch und verraten ein gutmütiges, etwas schelmisches Wesen. [Illustration: ~Porträt des Pacimondanus.~ Basel, Museum. Nach einem Kohledruck von Braun, Clement & Co. in Dornach i. E., Paris und New-York.] ~Porträtartiges Brustbild~ eines etwa 45 Jahre alten Gelehrten in ~Basel~, No. 73. Nach einer Inschrift in grossen Renaissanceminuskeln: ~Pius Joachim~. Auf der Rückseite des Bildes befindet sich die Angabe, dass der Dargestellte der Professor Pacimondanus ist (also Friedberg). Den Kopf, um den Heiligen anzudeuten, umgiebt ein goldener Strahlenkranz, der seltsam mit der realistisch derben, völlig porträtartigen Physiognomie kontrastiert. Auf der groben weissen Wollperücke, welche breit die Stirn umkränzt, sitzt eine hellgraue, trefflich behandelte Pelzmütze. Bekleidet ist er mit einem schwarzen Rock, der mit einem schmalen dürftigen Pelzstreifen verziert ist. Das Gesicht, in gleichmässig rosarotem gesunden Fleischton gehalten, ist dreiviertel nach rechts gewendet. Die kräftigen Farben sind sorgfältig ineinander vertrieben und alle Gesichtsteile vorzüglich modelliert. Die kleinen, kurz- und dickfingrigen Hände mit lederartiger Haut halten den Rosenkranz. An schlichter, einfarbig brauner Wand, die den Hintergrund bildet, hängen einige Briefschaften und eine schwarzgefasste Klemmerbrille, darüber sitzt eine Fliege. — Ueber den Meister des Bildes ist viel gestritten worden. Früher hielt man ihn allgemein, sehr mit Unrecht, für Schongauer, Bayersdorfer hat an ein Frühbild von Dürer gedacht, Dr. Burckhardt sprach mir gegenüber die Vermutung aus, es könne von Fouquet sein, was bei den vielfachen Beziehungen der Baseler Professoren zu Frankreich nicht unmöglich wäre; in diesem Falle müsste es auch dort gemalt sein. Zunächst muss das interessante Bild noch ein Rätsel der Kunstgeschichte bleiben. [Illustration: ~Porträt im Besitz des Grossherzogs von Hessen.~ Nach besonderer Aufnahme.] ~Brustbild eines jungen Mannes~ im Besitze des ~Grossherzogs von Hessen~. ~Darmstadt, Schloss~. Stammt aus der Sammlung des Prinzen Wilhelm von Preussen. Er wendet den Kopf halb nach links. In der Rechten der Rosenkranz. Dunkle Schaube, die vorn offen steht und ein quergestreiftes Unterkleid sichtbar werden lässt. Um dem Hals eine Schnur, die zwischen Unterkleid und Brust verschwindet. Der Hintergrund wird durch eine offene Landschaft gebildet. Das Porträt ist mit spitzem Pinsel und dünnem Farbenauftrag sorgfältig gezeichnet, bis auf den unteren Teil, der flüchtig und überhaupt misslungen ist. (Aermel, Hände.) Auf der Rückseite befinden sich mehrere Notizen aus späterer Zeit: »Soll Albrecht Dürer sein, als er jung war« und ferner: »Von der Hand Newpauer«. In Darmstadt wird das Bild als ein Werk Dürers bezeichnet; ich schliesse mich dieser Auffassung an und glaube, dass es zeitlich nur wenig den Tucherporträts in Weimar vorausgeht. Dritter Teil. 1. Die Auftraggeber. In langer Reihe, nach Heimatländern geordnet, sind die Malertafeln des 14. und 15. Jahrhunderts an unserem Blick vorübergezogen. Eine Fülle individueller Existenzen ist uns auf ihnen begegnet, als Zuschauer oder Assistenten bei heiligen Vorgängen, als Stifterbildnisse und als unabhängige Porträts. Es muss nun der Versuch gemacht werden, das Gemeinsame von dem Unterscheidenden zu trennen und ohne landschaftliche Sonderung jede dieser drei Gruppen zu einem Gattungsbild zusammen zu schliessen. Zunächst jedoch wird es zweckmässig sein, auf die Persönlichkeiten einen Blick zu werfen, welche auf jenen drei Bildnisklassen erscheinen, auf die ~Besteller~ der Tafelbilder. Dass von keiner Auftragsseite ein kunstfreundliches Motiv bestimmend gewesen ist, darf von vornherein als ausgemacht gelten. Bei den Altargemälden (Gruppe 1 und 2) ist es der fromme Glaube, ein Gott oder dem schützenden Heiligen wohlgefälliges Werk zu vollführen oder das Bewusstsein sündiger Schuld und die Hoffnung durch eine Stiftung an die Kirche böse Thaten zu sühnen und so die drohenden Strafen in Fegefeuer und Hölle zu mildern. Beim Porträt (Gruppe 3) ist es lediglich das dem Menschen von Anbeginn zu eigene Verlangen, durch ein Abbild seiner äusseren Erscheinung die Spur von seinen Erdentagen nicht ganz verwehen zu lassen. Beförderer der Kunst um der Kunst willen oder zur Befriedigung einer ästhetischen Neigung sind vor dem Ende des 15. Jahrhunderts in Deutschland weder bei den Fürsten, noch unter dem Adel, noch in den breiten Schichten des Bürgertums zu finden. Dass trotzdem kirchliche Gemälde von hoher künstlerischer Bedeutung geschaffen worden sind, steht mit dieser Thatsache nicht im Widerspruch. Das allgemeine Schmuckbedürfnis, welches das gesamte Mittelalter beherrschte und welches dazu führte, in allem, was überhaupt für das ganze menschliche Dasein gebildet wurde, instinktiv die Lösung einer bestimmten Kunstaufgabe zu sehen, musste sich erst recht an Gegenständen bethätigen, die für die heiligsten Räume der Christenheit geschaffen werden sollten. Wo es der Ehre der Kirche galt, war gewiss das beste gerade gut genug. Aber um einen Altar malen, ja selbst schon um sich von einem angesehenen Meister abschildern zu lassen, dazu bedurfte es des baren Geldes, und das war im späteren Mittelalter nur an zwei Stellen zu finden: bei den geistlichen und den weltlichen ~Korporationen~ und bei den wenigen ~Patriziern~, die es trotz der dem Grosshandel durchaus feindlichen Wirtschaftspolitik der Städte zu einem gewissen Reichtum gebracht hatten. Es ist nach modernen Begriffen schwer, sich das Oberhaupt des Reiches ohne finanzielle Mittel vorzustellen und doch darf auf die Kaiser, mit Ausnahme des durch Böhmen zum Wohlstand gelangten Karl IV., beinahe jener sprichwörtliche Vergleich mit der Kirchenmaus angewendet werden. Ruprecht von der Pfalz, der in Geldangelegenheiten grenzenlos leichtsinnige Sigmund und der knauserige Friedrich III., sie alle waren ohne eigentlichen, ein ständiges und gesichertes Einkommen gewährleistenden Besitz und fristeten ihr Leben gleichsam aus der Hand zum Mund, auch Maximilian befand sich noch in ewigen Geldnöten. Um die Territorialherren war es nicht besser bestellt, auch sie waren mehr oder weniger verschuldet. Der Landadel, der seine wirtschaftlichen Einkünfte immer geringer werden sah, und dem schliesslich nur zwischen Verbauerung auf seinem Schlösslein und Strauchdieberei die bange Wahl blieb, wenn anders er nicht etwa durch Universitätsstudien sich für eine fürstliche Beamtenstellung vorbereitet hatte, Kriegsdienste genommen oder den Kampf ums Dasein meidend in ein Kloster geflüchtet war, er verwendete das erpresste Bauerngut oder die dem reisenden Kaufmann abgejagten Schätze auf prächtige Kleider, zu Schmausereien und Trinkgelagen. Für eine künstlerische Ausstattung seines Wohnsitzes hatte der Landedelmann nichts übrig, selbst wenn er den Sinn dafür besessen hätte. Kunstliebende Schlossherren, wie sie allenfalls in Böhmen und Tirol zu finden waren, die das Innere ihrer Burgen mit Wandmalereien schmücken liessen, bestätigen als Ausnahmen die Regel. Die Mehrzahl der mit der Not des Lebens hart kämpfenden Ritter (ein Vergleich ihrer sozialen Lage mit jener unserer heutigen Grossgrundbesitzer dürfte wohl auch auf ihr Verhältnis zur Kunst ausgedehnt werden), begnügte sich mit einem bescheidenen Altärchen für die von einem gewöhnlichen Anstreicher bunt bepinselte Schlosskapelle, und wenn es hoch kam wurde wohl auch ein farbiges Täfelein für die Kirche des Pfarrortes bestellt. Bei dem einzelnen Handwerker reichte es, wenn er überhaupt sich etwas verdient hatte, zur Stiftung eines Kelches oder eines Kirchenfensters, zu einem dürftigen Andachtsbild für sein Haus und vielleicht auch zu dem Luxus eines Konterfeis; am wenigsten gab wohl der Bauer dem Maler zu verdienen, wenn schon es ihm nicht gar so schlecht ergangen sein kann, wie das die häufigen Klagen über seine Verschwendungssucht und seine oft recht üppige, den Städtern nachgeäffte Kleidung beweisen. So verbleiben als wirklich bedeutende Abnehmer nur die Kirche, die gewerblichen Zünfte, die vornehmlich in Norddeutschland zu findenden Bruderschaften — Vereinigungen wirtschaftlich schwacher Berufsgenossen, zumeist Kaufleute, die neben materiellen auch geistliche Interessen verfolgten — und die kleine Gruppe der selbständigen reichen Handelsherren, zu denen in den Binnenstädten vor allem die Tuchhändler zu rechnen sind. Ganz ausser Betracht kommen aus naheliegenden Gründen die Juden, welche übrigens das ganze Mittelalter hindurch von dem Bürger- und Bauerntum als ein feindliches Element empfunden und aufs heftigste bekämpft wurden. Klerus, Zünfte, Bruderschaften und Grosshändler haben auch in der That fast alle die künstlerisch wertvollen Gemälde in Auftrag gegeben, deren Herkunft sich heute noch nachweisen lässt. Wie geringfügig freilich die für sie aufgewendeten Summen waren, das geht aus klösterlichen Urkunden, Zunftbüchern und Haushaltungskonten der Kaufleute hervor, erbärmlich im Vergleich mit den grossartigen Mitteln, die in denselben Zeitläuften der Malerei in den Niederlanden und in Italien dienstbar gemacht worden sind. Allerdings ist hierbei nicht zu vergessen, dass der Volkswohlstand dort ein unvergleichlich grösserer und die Verteilung der Güter eine andere war als in Deutschland, und dass vor allen Dingen das burgundische Herzogshaus einerseits und die italienischen Gewaltherrscher andererseits sich als freigebige und mächtige Förderer aller Kunstbestrebungen bethätigen konnten und bethätigt haben. 2. Das Porträt im Rahmen des Altarbildes. Nachdem die Maler einmal begonnen hatten, mit der überlieferten typischen oder konventionellen Darstellung des Menschen bezw. des Heiligen zu brechen und ihn mit Zügen aus dem wirklichen Leben zu begaben, lag der Versuch sehr nahe, auch eine ganz ~bestimmte Persönlichkeit~ auf dem Altarbilde erscheinen zu lassen, so wie sie leibt und lebt, mit ihren individuellen Eigenarten und mit all den Zufälligkeiten ihrer äusseren Gestalt: ein folgerechter und ruhiger Schritt in der Entwickelung der Bildnismalerei, der uns heute natürlich und selbstverständlich erscheint und der doch den Menschen des 15. Jahrhunderts als ein ganz unerhörter Wagesprung in Erstaunen, manchen wohl auch geradezu in Erschrecken versetzt haben muss. Welch ein seltsames Gefühl mag der Meister gehabt haben, dem ein solches Porträtexperiment einigermassen gelungen war, und wie mag der Beschauer überrascht gewesen sein, als er sich selbst oder einen seiner Freunde auf den ersten Blick im Bilde wiederkannte. Auf welcher Tafel sind die Anfänge dieser neuen Kunstgattung zu finden? Auf Meister Stephans Dombild oder auf seinem Weltgericht? oder erst im Werke des älteren Holbein? Der subjektive Eindruck kann hier allein entscheiden; mit dem Anspruch auf allgemeine Giltigkeit kann man nicht mehr sagen, als dass in der ~zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts~ der Anfangstermin für die Aufnahme individueller Existenzen auf den Altarbildern gelegen ist, — der Endtermin dieser besonderen Art den Menschen in heiliger Umgebung darzustellen, für die Burckhardt das Wort »Assistenzbild« gebraucht und dessen auch ich mich bedient habe, ist, wie noch besprochen werden soll, schon etwa hundert Jahre später anzusetzen. — Die Summe der porträtartigen Bildniswelt auf altdeutschen Gemälden ist, wie aus den vorhergehenden Abschnitten zu ersehen, eine sehr geringe, verglichen mit der Porträtdurchsättigung der Werke des italienischen Quattrocento eine kaum nennenswerte. [Illustration: ~Lochners Weltgericht.~ Mittelbild. Köln, Museum. Nach Photographie.] Die Ursachen dieser Erscheinung sind zum grössten Teile bereits bei der Schilderung der Bilderbesteller berührt worden, es sind, um es noch einmal kurz zusammenzufassen und zu ergänzen, die folgenden: Die Zeit der grossen Männer, deren Bildnisse für die ~Allgemeinheit~ ein Interesse gehabt hätten, war für das Deutschland des 15. Jahrhunderts noch nicht gekommen. Aus seinem kreissenden Kultur- und Geistesschosse entwickelte sich wohl eine Fülle eigenartiger Persönlichkeiten, die mit unverbrauchter Kraft und jugendlicher Schaffenslust sich in allen Zweigen der Kunst, Wissenschaft und gewerblicher Thätigkeit erprobten, aber es fehlte ihrem Wirken der Wiederhall aus den breiten Massen des Volkes und somit auch die Resonanz aus den Werkstätten der Maler. Fürst und Adel, aus deren Schichten sich einzelne kraftvolle Individualitäten durch geschickte Benutzung der politischen Verhältnisse gewaltsam über die Menge emporgehoben hatten, mussten alle Kräfte anspannen, ihren Besitz zu behaupten und konnten nicht daran denken, die Kunst in ihre Dienste zu stellen, überdies ermangelten sie der für bedeutendere Aufträge notwendigen Mittel. Geld, die Vorbedingung aller verfeinerten Kunst, war nur bei der Geistlichkeit, einigen Korporationen und allenfalls bei der Grosskaufmannschaft zu finden, aber selbst die »Spitzen« dieser Gesellschaftsklassen haben es nur ausnahmsweise über eine lokale Berühmtheit gebracht. Zum anderen, ein Umstand, der immer wieder betont werden muss, wo es sich um einen Vergleich zwischen deutschem und italienischem Kunstschaffen handelt, fehlte diesseits der Alpen das grosse, für die unbeschränkteste Oeffentlichkeit bestimmte Fresko, das ein Sammelort zeitgenössischer Porträts hätte werden können. Während in Italien an allen Kirchen- und Palastwänden und Gewölben in religiöser, historischer oder allegorischer Malerei sich eine Elite von geistiger, persönlicher oder sozialer Bedeutung ausbreiten konnte, mussten die deutschen Kanonici, Zunftmeister und Handelsherren sich mit einem bescheidenen Plätzchen zwischen den Heiligen des beschränkten Tafelbildes begnügen. Zum dritten gab es in Deutschland noch keine Kunst um ihrer selbst willen, und das allgemeine Niveau der Malerei war ein tieferes als in Italien. Für die historische Betrachtung kommt zu diesen dreien, dem deutschen Assistenzbild ungünstigen Verhältnissen, noch erschwerend hinzu, dass eine Identifizierung der wenigen überhaupt dargestellten Persönlichkeiten infolge der Dürftigkeit der Ueberlieferungen heute nur in den seltensten Fällen möglich ist. — Der Darstellungskreis, in welchem das Porträt als Assistenzbild erscheint, ist in Deutschland ein engbegrenzter, er umfasst nur die kirchliche und die häusliche Altartafel. Volkssage, Historie und Allegorie treten, von den seltensten Ausnahmen abgesehen, erst später in das Arbeitsfeld des Künstlers ein, und für mythologische und novellistische Bilderzählungen, wie sie uns schon frühzeitig auf den italienischen Truhen, den cassoni forzieri, begegnen, hat erst die Renaissance den Sinn geweckt. Verhältnismässig am häufigsten erscheinen Porträts oder porträtartige Bildnisse auf den figurenreichen Darstellungen der Anbetung der Könige, und zwar ist es dort häufig der kniende und älteste der Könige, Kaspar, dem die Züge einer bestimmten Persönlichkeit gegeben werden, zuweilen auch einzelnen des königlichen Gefolges, seltener dem zweitältesten der Fürsten, dem Balthasar, — dem dritten, dem Melchior, wenn er als Mohrenkönig gebildet ist, wohl niemals. Bei der Geburt Christi oder Marias Anbetung des Kindes ist häufig ein zuschauendes Hirtenpaar porträtartig gegeben, auf den Kreuzigungsbildern einzelne, nicht direkt an der Handlung beteiligte, den Raum füllende Personen, auch wohl Josef von Arimathia auf Kreuzesabnahme und Grablegung; Simon von Kyrene soll auf einem in Augsburger Privatbesitz befindlichen, das Wappen der Ravenpurger tragenden Bilde des älteren Holbein die Züge des Stifters zeigen. Auch auf den Passionen ist oft die Gelegenheit benutzt worden, unter den Zuschauern ein Porträt anzubringen, gewiss auch auf den Weltgerichtsbildern, so ohne Zweifel auf einem Bruchstück, »Art des Meisters von Grossgmain (um 1500)« Schleissheim Nr. 93, nur sind leider gerade bei diesen Darstellungen die Persönlichkeiten der Seligen oder der Verdammten nicht mehr zu ermitteln. Anwesende Frauen behalten fast immer die allgemeinen Gesichtstypen bei. Geflissentlich scheint man bei ihnen alles unterdrückt zu haben, was an profane Lebensbeziehungen erinnert. Und doch macht man zuweilen just bei der Frau eine Ausnahme, wo man es aus nahe liegenden Gründen am wenigsten erwarten sollte, bei Maria Magdalena. Vor mancher Darstellung des Kalvarienberges, wo die schöne Sünderin kniend, meist prächtig gewandet, den Kreuzesstamm umschlungen hält, habe ich das Gefühl, als ob ein wirkliches Porträt beabsichtigt sei.[69] Ob man in einem solchen Fall auf eine reumütige Büsserin als Donatrix schliessen darf, bleibe dahingestellt.[70] Dass die Frauen des 15. Jahrhunderts vor der Oeffentlichkeit mit niedergeschlagenem Blicke erscheinen, der uns, wie auch die überstark zur Seite geneigte Kopfhaltung, affektiert anmutet, mag in den Anstandsregeln der Zeit begründet sein, die den Ausdruck der Bescheidenheit und Züchtigkeit durch ein solch äusserliches, kindlich-naives Mittel verlangten. Je höher der Rang des Heiligen ist, desto sorgfältiger werden ihm persönliche Züge ferngehalten. Die Verwandten Christi erscheinen allenfalls hin und wieder auf dem Sippenbilde als Porträts; von Josef sind mir solche erst aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bekannt. (Glatt rasiert, mit Klemmerbrille, lesend, auf einem Bilde des Meisters vom Tode der Maria. London, Nat.-Galerie, nicht katalogisiert, in dem kleinen deutschen Zimmer, und in ganz ähnlicher Auffassung aus derselben Zeit auf einer niederrheinischen Madonnendarstellung in Köln, No. 582.) In Einzeldarstellungen oder da, wo sie die Hauptfigur der Handlung bilden, sind die grossen Heiligen durchgehends typisch, aber in ihrem Typus häufig sich gleichend, gestaltet. (Anders mehrfach in italienischer Kunst, so z. B. ist Pollajuolos Sebastian, London, No. 292, offenbar ein Porträt. (Nach Vasari des Gino Capponi.) — Aus späterer Zeit mag an Dürers Sebastian in Bergamo (Sebastian Imhof? Thode) und aus der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts an das Selbstbildnis van Dycks als Patron der Schützen in München erinnert werden.) Auch für die Apostel, in nordischer Kunst so häufig dargestellt am Sterbebette Marias, haben wohl schwerlich Zeitgenossen direkt als Modell gedient. (Dürers Münchner Apostel von 1526 sind, obgleich auf zum Teil noch vorhandenen Naturstudien beruhend, Idealbildnisse im höchsten Sinne. Als Merkwürdigkeit sei erwähnt, dass Vasari von Andrea del Castagno erzählt, er habe sich selbst in einem Marienleben des Spitals der Kirche S. Maria Nuova con viso di Giuda Scariotto gemalt, come egli era nella presenza e ne’ fatti, — dem er an Leib und Seele glich. Ausgabe Milanesi II. S. 678.) Bei denjenigen Persönlichkeiten, welche zu einer Zeit von der Kirche heilig gesprochen wurden, zu der ein authentisches Porträt von ihnen zu erlangen war, sind die Züge des Originals häufig auf die späteren Darstellungen übergegangen. Das bekannteste Beispiel ist der heilige Franz. Weniger bekannt dürfte es sein, worauf mich Aldenhoven aufmerksam machte, dass auch der h. Bernhardin von Siena, gestorben 1444, von dem sich ein gesichertes Porträt in der Akademie seiner Vaterstadt befindet, mit seinem Asketengesicht, dem hohen Schädel, der steilen Stirn, dem tief eingesunkenen Munde und dem scharf hervorspringenden Kinn auf mehreren deutschen Darstellungen sofort zu erkennen ist: auf einem Kupferstich des Münchener Kabinets (P. V, 18, 24), der früher als italienisch galt, von Lehrs jedoch dem deutschen »Meister von 1462« zugeschrieben wird, auf einem Tafelbild des Meisters der Verherrlichung Mariä, No. 71 und einem des (jüngeren) Meisters von S. Severin, No. 132, beide in Köln. Sein Attribut ist stets die Strahlensonne mit dem I. H. S. (in hoc signo), dem späteren Hauptsymbol des Jesuitenordens. [Illustration: ~Der heilige Bernhardin von Siena.~ Kupferstich des Meisters von 1462 (Lehrs), München, Kupferstich-Kabinet. (Teilbild.) Nach besonderer Aufnahme.] Bei Maria war das Festhalten an dem Typus, wie er sich im allgemeinen schon in der altchristlichen Kunst ausgebildet hatte, durch eine ehrfurchtsvolle Scheu vor der heiligen Gestalt der Mutter Gottes bedingt, eine schuldige Ehrenbezeugung, die auch darin ihren Ausdruck findet, dass zu keiner Zeit ein Künstler gewagt hat, sie unbekleidet darzustellen, selbst Michelangelo nicht.[71] (Erst spätere — Dürer, Raphael, Rubens, allerdings auch schon Fra Filippo Lippi, der seine Geliebte, die schöne Nonne Lukrezia Buti zum Vorbild nahm — geben ihr etwas ausgesprochen, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt Porträtartiges. Die Kölner Dombildmadonna ist auch unter ihrer späteren Uebermalung ein Typus, — trotz dem Dichter, der in den Augen, den Lippen, den Wänglein das Bild der Geliebten zu erkennen glaubt. Die frühste von dem Herkommen abweichende Mariendarstellung ist die des Jan Foucquet in Antwerpen, gemalt 1474; sie soll die Züge der Agnes Sorel tragen.) Der Christus-Typus behält die ideale Bildung romanischer Zeit bei, jedoch mit starken provinziellen Abwandlungen. Der schmerzerfüllte Zug des Leidens und die Dornenkrone treten erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts auf. Schon früh scheint in ihm etwas vom germanischen Heldenideal zum Ausdruck zu kommen, das durch Dürer seine höchste Vollendung erhält. Bartlos ist er mir ein oder zweimal begegnet; abweichend von allen üblichen Typen und offenbar das Abbild eines Lebenden nur auf einer Marienkrönung in Diessen im Schwarzwald, wo sein Gesicht überdies einen bitteren, durch die gefaltete Stirn geradezu unfreundlichen Ausdruck trägt.[72] Als Kuriosum sei hier des belustigenden Einfalls des kurfürstlich sächsischen Hofmalers Heinrich Göding gedacht, der, als er 1566 den Auftrag erhielt, den Hochaltar der Schlosskirche von Stolpen zu erneuern, auf einem Abendmahl der Predella nicht nur die Apostelphysiognomien dem Hofstaat seines gestrengen Herrn entnahm, sondern auch diesen selbst, den Kurfürsten August, als Welterlöser malte. (Dresden, Gross. Garten-Museum No. 84.) In ehrwürdiger, aber völlig typischer Gestalt erscheint auch Gottvater auf den Tafeln des 15. Jahrhunderts, wodurch nicht ausgeschlossen ist, dass häufig für ihn, wie auch für Christus, ein lebendes Modell benutzt worden ist, so von dem älteren Holbein für das Votivbild des Ulrich Schwartz eine freilich durchaus nicht hoheitsvolle Physiognomie seiner Silberstiftblätter mit plumper Nase und verwildertem Bart, die er auch für den Kopf des Alten am weitesten links auf dem Sebastiansaltar verwendet hat. Klass. Bilderschatz 519. — Die Darstellung des Weltenschöpfers mag wohl zu den unlösbaren Aufgaben der bildenden Kunst gehören, nicht Raphael, nicht Dürer und, um einen der Jüngsten zu nennen, nicht Böcklin ist es gelungen, das innerste Wesen des nahen und unfassbaren Gottes zu versinnlichen; auch in der Dichtkunst hat wohl nur Einer das bezeichnende Symbol für ihn, der Sonne, Mond und Sternen ihre Bahnen anweist, gefunden, indem er den Herrscher und Lenker aller Dinge als ~blitzenden Punkt~ darstellt.[73] ~Selbstporträts~ der Meister des 15. Jahrhunderts als Anwesende bei einer heiligen Handlung sind schwer nachweisbar. Die Ueberlieferung schweigt darüber, und mit Pinsel und Palette haben sie sich nicht unter die Assistenz gemischt, auch nicht wie das Dürer that, mit einem Namenstäflein in der Hand. Dargestellt haben sie sich gewiss recht häufig, und auf einigen Bildern glaubte ich sie mit einiger Wahrscheinlichkeit bezeichnen zu können, so auf dem grossen Sippenbilde des nach diesem Werke benannten anonymen kölnischen Meisters, auf einem von Thode dem Meister des Löffelholz-Altars zugeschriebenen Altarwerk in S. Lorenz, auf dem Peringsdörffer Altar, auf einer Tafel des Mainzer Marienlebens und auf einem Altar im Dom zu Speyer. Auch von Wolgemut wird erzählt, dass er sich auf seinen Altargemälden abgebildet habe, jedoch kann ich auf keinen derselben einen Kopf bezeichnen, der eine auffallende Aehnlichkeit mit dem bekannten dürerschen Porträt in München hätte. Erst von dem älteren Holbein sind authentische Selbstporträts auf Altären bekannt. (St. Pauls-Basilika in Augsburg und Sebastiansaltar in München.) Im 16. Jahrhundert ist dann eine grössere Anzahl mit Sicherheit zu erkennen. 3. Das Stifterbildnis. So gering die Zahl der als Porträts gemeinten Zuschauer oder Handelnden auf den bildlichen Darstellungen des 15. Jahrhunderts ist, so unermesslich ist auf Votivgemälden, Kirchen- und Hausaltären die Gesamtsumme der ~Stifterfiguren~. In allen Grössen, in allen Lebensaltern, in jeder Art stümperhafter, selten künstlerischer Ausführung, treten sie uns dort entgegen: Insekten vergleichbar an Wuchs, als Däumlinge, Zwerge, in halber bis zur vollen Menschengestalt, Kinder, Jünglinge und Jungfräulein, Männer und Frauen, Greise und Matronen, vom kaum lesbaren kakographischen Schnörkel oder Stenogramm einer menschlichen Figur bis zum mehr oder minder lebensgleichen Konterfei. Warum gerade in dieser Bildniswelt ein solcher und zum grössten Teile minderwertiger Ueberfluss? Dieselben geistigen, sozialen und wirtschaftlichen Zustände, die das Aufkommen des grossen Assistenzbildes und erst recht eine Porträtdarstellung der Mithandelnden erschwerten, erklären Zahl und Art der Stifterscharen. Ein bescheiden in die Ecke gedrücktes Männchen in kümmerlicher Kutte oder Schaube, war der geistigen Bedeutung und dem gesellschaftlichen Range des Bestellers angemessener, als ein Heiliger, ein Apostel, ein römischer Präfekt oder ein König im Hermelin und Krone. Dabei war es auch erheblich wohlfeiler, denn da man in Bezug auf Porträtähnlichkeit, wenn überhaupt, so doch nur die allergeringsten Ansprüche machte, durfte der Maler für dieses unansehnliche Gnadenempfängerfigürchen gewiss keine Mehrforderungen stellen. Die Geschichte des Stifterbildnisses ist noch zu schreiben. Zwar wird sie, wenigstens was das 15. Jahrhundert betrifft, keine kunst- oder kulturgeschichtlichen Enthüllungen bringen,[74] auch unsere biographischen Kenntnisse wird sie wenig bereichern, dagegen müsste für das mittelaltrige kirchliche Leben und für die Wandlungen des religiösen Gefühls in den hundert Jahren vor der Reformation eine solche Einzeluntersuchung gewiss von Interesse sein, insbesondere könnte sie uns über das Verhältnis des Menschen zur Gottheit, wie es in den verschiedenen Landschaften und Gesellschaftsklassen war und wie es wechselte, manche lichtbringende Aufklärung verschaffen. In dieser skizzierenden Uebersicht können nur einige allgemeine, im Vorübergehen gesammelte Beobachtungen über die seltsame Erscheinung des Stifterbildnisses Platz finden. Wo in dem ältesten Kunstschaffen, in Assyrien und Aegypten, der Sterbliche vor dem Unsterblichen erscheint, ist er fast ausnahmslos von derselben Leibesgrösse gebildet wie dieser. Könige, Priester und hohe Würdenträger verkehren mit Göttern und Dämonen in ebenwüchsiger Gestalt. In griechisch-archaischer Kunst ist das gleiche Körperverhältnis das vorherrschende, eine puppenhafte Bildung des Erdgeborenen die Ausnahme. Von demselben Wuchse wie die Gottheit ist auch der Mensch der freien griechischen Kunst: in voller Lebensgestaltung schreitet der panathenäische Festzug des Parthenon vor das Angesicht der olympischen Götter. Erst auf den Votivreliefs des 4. Jahrhunderts erscheint öfters, aber durchaus nicht immer, der Adorant in verkleinertem Massstabe. Die Kunst der christlichen Völker machte die Ausnahme zur Regel. Sie wollte die Schwäche und Nichtigkeit des Menschen demutsvoll zum Ausdruck bringen, wenn er dem Erlöser, der Himmelskönigin oder einem Heiligen gegenübertrat und darum verkümmerte sie die Gestalt seines Leibes. Für die deutsche Malerei — und auch für die Plastik —, wo die Stifterbildnisse häufiger sind als in irgend einer anderen abendländischen Kunst, die germanisch-welsche des italienischen Nordens nicht ausgenommen, gilt dieser Grundsatz bis an die Ausgangspforten des Mittelalters, ja noch darüber hinaus.[75] Wo Abweichungen vorkommen, und wir haben sie bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Böhmen und dann wieder in den dreissiger Jahren des 15. Jahrhunderts in der Bodenseegegend, vereinzelt auch in Franken gefunden, darf vielleicht auf eine besondere religiöse Gefühlsströmung geschlossen werden, etwa auf einen Vorklang der reformatorischen Bewegung der neuen Zeit, selbst dann, wenn man annimmt, dass der ~äussere~ Anlass zu dieser Formenwandlung durch fremdes Kunstbeispiel gegeben wurde.[76] In Italien verschwinden die zwerghaften Adoranten früher von den Altarbildern als in Deutschland. Aber dennoch darf man nicht annehmen, dass nicht auch hier das Stilwidrige einer Komposition mit Figuren verschiedenen Massstabes empfunden worden sei. Hatte man doch schon im 14. Jahrhundert, und sicherlich von einem verfeinerten Gefühl für Einheit der Anordnung geleitet, mit dem alten Brauche gebrochen, einzelne nebensächliche Personen, zu denen seltsamerweise auch der Nährvater Josef gezählt wurde, besonders aber solche, die man als Missethäter kennzeichnen wollte, wie die Kriegsknechte, die um Christi Rock das Los werfen, die Zöllner u. a., kleiner als die übrigen darzustellen. (Das späteste Beispiel einer solchen Disharmonie auf einem Tafelbild bietet meines Wissens der Altar aus der Kirche zu Ortenberg in Oberhessen, jetzt in Darmstadt, No. 167, wohl gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden, wo auf dem rechten Seitenbilde mit der Anbetung der Könige — Klass. Bilderschatz 631 — ganz vorn der in kleinerem Massstab gehaltene Josef, das Süpplein bereitend, kauert.) Auch spricht gegen einen solchen Mangel an Stilgefühl der Umstand, dass selbst noch Dürer die Stifterpuppen angewendet hat, z. B. auf der Beweinung Christi und auf dem Mittelbild des paumgärtnerschen Altars, beide in München. Sie sind später von Fischer übermalt worden, aber ihre Umrisse sind noch unter der deckenden Farbe zu erkennen. — Dass etwa die Kirche einen Zwang nach dieser Richtung ausgeübt hätte — man könnte sich dabei wohl des Gedankengangs erinnern, den Goethe den Frauen imputiert: »Sie denken, duckt er da, folgt er uns eben auch«, — das ist nicht wahrscheinlich, denn gerade in der »Pfaffengasse« Köln sind die lebensgrossen Stifter frühzeitiger allgemein üblich als in Nürnberg, wo die Geistlichkeit den Bürgern gegenüber eine untergeordnete Rolle spielte. Es bleibt somit keine andere Erklärung für das zähe Festhalten an den allmählich typisch gewordenen Pygmäenfiguren, als dass der Einzelne, da wo es sich um seine eigene Person handelte, aus Sorge für sein Seelenheil vor der Verantwortung die geheiligte Sitte zu durchbrechen, ängstlich zurückgeschreckt sein mag. Jedoch auch wo später der Stifter in lebensgrosser Gestalt auftritt, unterscheidet sich die deutsche, wie überhaupt die abendländische Auffassung, von der antiken. Der Grieche verkehrte allein und unmittelbar mit seinem Gott und verschmähte den Beistand seines Heros, wie auch der Römer den seines Lars, der katholische Christ, beherrscht von der Furcht vor dem rächenden und strafenden Gotte, bedurfte des Vermittlers, und so wendet er sich mit seinem Gebet an den Sohn oder an die Madonna, ja auch diesen Mittelspersonen lässt er sich gern unter dem besonderen Schutz seines Patrons zuführen, wie das auf dem »Empfehlungsbilde« zum Ausdruck kommt. Für das Alter des Stifterbildnisses in deutscher Tafelmalerei vermag ich keine entscheidenden Zeugnisse herbeizubringen. In der Wandmalerei erscheint es bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts auf den ~Gemälden von Schwarzrheindorf~. Die ältesten der mir bekannten Altarbilder, die aus Soest in Westfalen stammen, sich jetzt im Berliner Museum befinden und aus dem Anfange, bezw. der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts herrühren, enthalten keine Stifter, doch mag hier das Fehlen derselben einem Zufall oder einer örtlich begrenzten Sitte zuzuschreiben sein. Dagegen ist auf einer ~Gedenktafel der Barbara Polani~ in der S. Barbara-Kirche zu ~Breslau~ mit der erneuten, aber wohl echten Jahresangabe 1309, eine Stifterin in Begleitung ihrer zwei Töchter zu sehen. (Abgebildet in Försters Denkmale 6. Band 1860.) Sie wendet sich im Gebet an den mit Blut und Wunden bedeckten Schmerzensmann: Erbarme dich mein, heiliger Gott, lautet die im 17. Jahrhundert erneuerte Inschrift des Spruchbandes. Hinter ihr steht ihr Schutzpatron, der Evangelist Johannes. Ueber das beabsichtigte Grössenverhältnis der Figuren zueinander lässt sich nicht urteilen, da nicht einmal mit Bestimmtheit zu erkennen ist, ob die Stifterin Barbara stehend oder kniend gedacht ist. Nicht an den verlassenen, hilflosen Jesus von Nazareth, sondern an die gnadenreiche und mächtige Himmelskönigin wendet sich auf einem ~Epitaphium~ von 1365 in der Kirche von ~Heilsbronn~ der Stifter, Bischof Berthold von Eichstädt, und auf einer anderen Tafel in derselben Kirche von 1370 ruft sie ein unbekannter kniender Donator Hilfe flehend an: Te rogo virgo pia nunc me defende Maria. Beide Stifter sind in kleinerem Massstab als die Madonna gebildet. Von nun an wird die Zahl der Stifterbildnisse Legion, und daher ist bei ihrer Besprechung wohl ein summarisches Verfahren gerechtfertigt. Auf die Schwankungen des Massstabes ist schon hingewiesen worden. Wo sie in derselben Grösse wie die übrigen Personen gebildet sind und in der Handlung des Gemäldes keinen auffällig abgesonderten Platz erhalten haben, nähert sich die Darstellung dem früher besprochenen Assistenzbild (z. B. wenn der Donator die Handwunde Christi küsst, Meister des Marienlebens, Altar de Monte, Köln); sie ist erreicht, wenn sie selbst den wesentlichen Inhalt des Bildes ausmachen. (In dem berühmten Darmstädter Bilde des Bürgermeisters Meyer, wo eine ganze Familie sich unter den unmittelbaren Schutz der Madonna stellt.) In der Regel erscheint der Stifter kniend und betend, den Rosenkranz mit den Fingern abzählend, ohne Pathos in Gebärde oder Ausdruck, mit dem Kleide seines Standes angethan, der Ritter in seiner Rüstung, die Frau in der Kirchentracht. Brustbilder, die von unten her aus dem Rahmen emportauchen, sind seltene Ausnahmen. (Herlin, Sammlung Marcuard, Florenz.) Zuweilen werden ihm bandartige, flatternde Streifen mit einer kurzen Gebetformel oder einem frommen Spruch beigegeben, die oft, besonders in der Frühzeit, geschickt als Ornament verwertet werden, ferner auch das Familienwappen. Namensbeischriften sind sehr selten. (Der Name »Apt Friedrich von Hirzlach« über dem Stifter des Schmerzensmannes in Heilsbronn aus der Mitte des 14. Jahrhundert ist ein solches Rarissimum.) Auch eine Angabe des Lebensalters in kleinen Ziffern habe ich vor Bernhard Strigels trefflichen Stifterbildnissen in München von 1517, Klass. Bilderschatz 1509, nicht gefunden. Ein Kreuz, bei Kindern wohl auch ein Blütenkranz um das Haupt gelegt, bedeutet, dass der Betreffende inzwischen verstorben ist. Wo Männer und Frauen gleichzeitig erscheinen, werden sie geschlechterweise geschieden, die Männer links, die Frauen rechts. Solche Gruppen sind bei kinderreichen Familien, an denen es nicht gemangelt hat, recht vielköpfig, bis zu zwanzig und mehr Figuren, die dann oft in ihrer dichtgedrängten Anordnung an die Adoranten-Züge der spätgriechischen Weihreliefs erinnern. Dass sie Opfergaben darbringen, etwa zum Dank für eine wunderbare Genesung oder Rettung aus Gefahr, ist mir nur einmal begegnet. (Zeitblom, Sammlung Sepp, München.) Auch die Ueberreichung des Modells eines gestifteten Gotteshauses durch eine profane Person ist selten (auf einem 1341 bezeichneten Kruzifixus im bairischen Nationalmuseum, Zimmer No. 13, hält eine Frau das Modell einer Kirche), häufiger erscheint ein derartiges Symbol in der Hand eines Heiligen. In ihrer überwiegenden Mehrzahl treten die Stifter auf dem Hauptbilde des Altares auf, und ihre Beziehung zu dem gedanklichen Inhalte desselben ist mehr oder minder erkennbar, — je loser sie ist und je mehr sie durch Wuchs und Kleidung sich von den übrigen Figuren unterscheiden, desto störender ist ihre Anwesenheit für den harmonischen Eindruck des Bildes. Feinfühlende Künstler haben sich bemüht, diesen Misston dadurch zu beseitigen, dass sie den Stifter einigermassen in Grösse, Tracht und Farbengebung mit dem Bilde zusammenzustimmen suchten. (Ein schüchterner Anfang schon bei dem Meister des Marienlebens, Berlin, No. 1235.) Aber dieser Weg wurde nur selten beschritten, er verstiess, wie schon gesagt, gegen die nun einmal herkömmliche Darstellungsweise und den demütigen Sinn der Auftraggeber. Ein anderes Mittel, das aber nicht gerade ästhetisch glücklich zu nennen ist, bestand darin, das notwendige Stifterübel unter dem Mittelbilde anzubringen, von diesem durch ein ornamentiertes Band oder eine einfache Leiste geschieden. (Imhof-Madonna in S. Lorenz, sog. Wolgemut-Bilder in der Bamberger Sammlung, No. 21–23. Aber auch noch, zwar in zierlicher Puppengestalt, doch nicht ganz so schematisch, sondern freier angeordnet, auf Baldungs Pietà in London, No. 1427.) Der beste Ausweg war, die Donatoren, wollte man sie nicht als integrierenden Teil der Handlung darstellen, überhaupt von dem Mittelbilde weg auf die Predella oder die Flügel zu verbannen. Das ist denn auch allmählich mehr und mehr geschehen und auf den letzteren haben sie, anfänglich noch kniend und von ihren Schutzpatronen geleitet, schliesslich ihre vollendetste Ausbildung zu völlig entwickelten, aufrecht und allein stehenden Einzelgestalten erhalten. (Frühstes Beispiel Herzog Wolf von Schwaben und seine Gemahlin auf den Seitenbildern einer Legendendarstellung von 1489. Stuttgart 518 bis 520.) Der künstlerische Wert der deutschen Stifterbildniswelt ist im Grossen und Ganzen gleich Null. Selbst die besseren Meister haben, ganz im Gegensatz zu italienischem und niederländischem Kunstgebrauch, die Donatoren auffällig flüchtiger behandelt als die übrigen Personen der Darstellung. Nicht einmal eine rein dekorative Wirkung, zu der besonders die kleinen Puppengestalten recht wohl geeignet waren, ist beabsichtigt, zum mindesten nicht erreicht worden. Und das ist um so befremdlicher, als man gerade in Deutschland das Flächenornament (in der Buchmalerei) mit so unvergleichlicher Meisterschaft herausgebildet hatte. Meister Stephans Seminarmadonna bestätigt als Ausnahme die Regel (vergl. S. 70). Auch auf Porträtähnlichkeit scheint es selbst da, wo ein grösserer Massstab angewendet worden ist, kaum abgesehen zu sein, und vollends bei jenen Figuren, die in Eichhörnchen-Grösse und -Gebärde den Vordergrund erfüllen, gewinnt man die Ueberzeugung, dass der Maler die Originale überhaupt niemals zu sehen bekommen hat: es wird ihm gesagt worden sein, wie viel Männlein und Weiblein anzubringen sind und dann hat er sie schlecht und recht als abbreviatorische Menschenbilder hingepinselt, höchstens durch Tracht und Lebensalter ein wenig voneinander unterschieden. Gering wie das künstlerische ist auch das ikonographische Ergebnis. Nach den grossen Männern, die dem 15. Jahrhundert sein eigenartiges Gepräge geben, wird man vergeblich sich umschauen, nach den Vorläufern der Reformation und ihren Bekämpfern, nach den kühnen Bahnbrechern auf allen Gebieten, den Entdeckern und Erfindern und nach so manchem der willens- und thatkräftigen deutschen Landesherren. Kaiser Friedrich III. und Maximilian, einige unbedeutende Reichsfürsten und eine Handvoll mehr oder minder hervorragender Bischöfe, Gelehrte und Patrizier, mit ihnen müssen wir uns als Repräsentanten einer an markanten Persönlichkeiten so reichen Zeit begnügen. Von der grossen Menge der Stifter wissen wir nichts, selbst wenn uns hin und wieder ein Name bekannt ist, und schliesslich sind die in ihrer Mehrheit dürftigen und charakterlosen Köpfe auch nicht darnach angethan, die Neugierde nach ihren Lebensumständen zu erwecken, — kein Gedanke noch weniger ein zur Lösung herausforderndes Rätsel ist auf diesen Gesichtern zu lesen, die, um mit Hermann Grimm zu sprechen, wie Wasser durchs Gedächtnis laufen. 4. Das Rosenkranzbild und die Mater Misericordiä. Zwischen Assistenz- und Stifterbildnis steht eine andere Gruppe von Darstellungen, die häufig zur Anbringung von Kollektivporträts benutzt worden ist, das Rosenkranzbild und die Mater Misericordiä. Das erstere, seit Mitte des 15. Jahrhunderts hauptsächlich in der Stich- und Schneidekunst ausgeführt, zeigt in der Regel die heilige Jungfrau von einem Ring roter und weisser Rosen umgeben, ein Sinnbild der Freuden und Leiden Mariä, welcher Repräsentanten aller Stände den Rosenkranz überreichen, ein Gedanke, der mit der Stiftung der Rosenkranz-Bruderschaften in Verbindung steht. [Illustration: ~Rosenkranzbild.~ Basel, Museum. Nach besonderer Aufnahme.] Ein frühes deutsches Tafelbild dieser Art, vom Jahre 1457, besitzt das Museum von ~Basel~, No. 74. Im innersten Kreis ist die Krönung der Maria durch die Dreieinigkeit dargestellt, Vater, Sohn und heiliger Geist in menschlicher Gestalt, ihn umgeben zwei Ringe, der eine mit Engelsgestalten ausgefüllt, in dem äusseren Vertreter der verschiedenen geistlichen und weltlichen Stände in recht guten Bildnissen, von denen die Mehrzahl der männlichen Porträts sein mögen. In den Ecken der Tafel befinden sich die vier Evangelistensymbole. Die ~Mater Misericordiä~, auch Maria Schutz oder Schutzmantelbild genannt, zeigt die Madonna, wie sie ihren weiten, oft von Engeln oder Heiligen gehaltenen Mantel über die ihrer Obhut sich Anvertrauenden ausbreitet. Der schöne Gedanke, der einer solchen Auffassung der Königin des Himmels zum Grunde liegt, ist der nämliche, der in dem Gebete seinen Ausdruck findet: sub tuum praesidium confugimus oder in den Worten des italienischen Volksliedes Sotto il tuo bel manto, amabile Signora, viver io voglio e ancora voglio morir un dì. Das Schutzmantelbild war also ursprünglich eine ~mystische~ Darstellung. In dieser Annahme, die auch dem Geiste des Mittelalters entsprechen würde, bin ich durch ein niederländisches Bild vom Ende des 15. Jahrhunderts im Musée Condé, Chantilly, No. 111, bestärkt worden, welches ~neben~ der Gruppe der Schützlinge — einem typischen Papst, Kaiser, König, Bischof und anderen Würdenträgern — und ~ausserhalb~ des heiligen Mantelschirmes einen knienden Stifter und eine Stifterin zeigt. Wäre der Maria Schutz als eine individuelle Porträt-Darstellung betrachtet worden, so sehe ich nicht ein, warum die Donatoren sich abseits derselben aufgestellt hätten. Ich vermag daher den sinnigen Vorgang nicht anders zu erklären als ein Symbol, unter welchem sich die ganze Menschheit in ihren wichtigsten Repräsentanten dem göttlichen Schutze empfiehlt.[77] Als etwas Neues mag dann später das Porträtelement hinzugetreten sein. Die Gelegenheit, sich selbst und seine geistlichen und weltlichen Oberherren an so bevorzugter Stelle zu sehen, war doch zu verlockend, als dass man sie hätte unbenutzt vorübergehen lassen, und so erscheinen denn bald hin und wieder ganz bestimmte Persönlichkeiten an Stelle der typischen Standesvertreter unter dem himmlischen Gnadenmantel. Eine noch spätere Erweiterung des ursprünglich so schlichten Gedankens ist in den nach dem Mantel der seligsten Jungfrau gerichteten Pfeilen zu sehen, die wohl das furchtbare Gespenst der Pest versinnbildlichen sollen. Wo und wann in der bildenden Kunst die erste Idee zu einer Darstellung der Mater Misericordiä entstanden ist, vermag ich mit Bestimmtheit nicht zu sagen. Das frühste der mir bekannten Mantelbilder zeigt eine Skulptur vom Ende des 13. Jahrhunderts, die sich in einer Fiale des nordwestlichen Strebepfeilers des ~Freiburger Domes~ befindet. Auf eine Wandfläche scheint das erste Bild dieser Gattung etwa um 1344 in der Schlosskirche der ~Marienburg~ gemalt worden zu sein, und für die Tafelmalerei dürfte als das älteste Beispiel ein bezeichnetes Werk des Lippo Memmi genannt werden, also aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, die Madonna de’ Raccomandati in der Kapella del Corporale des Domes von ~Orvieto~.[78] Auf deutschem Boden befand sich, ausser in der Marienburg, ein frühes Gnadenmantelbild, etwa aus den Jahren 1430 bis 1450, bis vor kurzem an einer Wand der Kirche von ~Feldmoching~ bei München.[79] Das nächstfolgende ist wahrscheinlich ein Freskogemälde der Kilianskirche zu Mundelsheim, württemb. Oberamt Marsbach, von 1455. (»Eine schwäbische Arena-Kapelle, deren Giotto mir leider unbekannt ist,« schrieb mir Prof. Gradmann.) Maria steht hier vor dem Gottessohn und zeigt ihm die Brust, die ihn genährt hat, während unter ihrem von Engeln ausgebreitet gehaltenen Mantel Papst, Kaiser, geistliche und weltliche Herren und Frauen sich schutzflehend drängen.[80] Aus nur wenig späterer Zeit ein Mantelbild an einer Wand in ~St. Jodok~, Niederbaiern. Tafelbilder mit dieser Auffassung der Maria treten in Deutschland etwa um die Mitte des 15. Jahrhunderts auf, und hier ist schon bei den frühsten das Streben nach porträtartiger Bildung der Schützlinge ersichtlich. Die herrliche Gnadenmutter von ~Heilsbronn~, nach Thode voraussichtlich zwischen 1435 und 1463 geschaffen, ist bereits früher erwähnt worden. (Abbildung S. 155.) Etwa in den siebziger Jahren mag eine Mater Misericordiä im ~Stuttgarter Altertumsmuseum~ entstanden sein. Sie ist auf ein und derselben Tafel mit einem inhaltlich sehr merkwürdigen Bilde dargestellt: Christus überreicht, in Gegenwart von Maria, Gott Vater den geleerten Kelch(?). Die Herkunft des Gemäldes ist unbekannt, doch glaube ich in ihm den Einfluss Dirk Bouts’ oder eines niederrheinischen Vermittlers seiner Kunst etwa von der Art des Meisters des Marienlebens zu erkennen. In ~Schleissheim~ befinden sich unter No. 84 und 166 zwei Schutzmantelbilder. Das erstere, »Oberdeutsch um 1480«, soll aus Passau oder Oberaltaich stammen: von der geistlichen und weltlichen Gemeinde, die sich dort unter den Mantel geflüchtet hat, machen einige der in verkleinertem Massstabe gebildeten Figuren vielleicht den Anspruch auf Porträtähnlichkeit. Auf dem zweiten, »Schule von Nürnberg um 1500«, vermag ich dagegen unter den kleinen geistlichen und weltlichen Herren nichts anderes als frei erfundene Gattungsrepräsentanten zu erkennen. [Illustration: ~Mater Misericordiä.~ Skulptur am Freiburger Dom. Nach Eichhorn, Skulpturencyklus u. s. w.] Von besonderem künstlerischen und ikonographischen Interesse ist eine Mater Misericordiä von dem (jüngeren) Meister von S. Severin in der ~Andreaskirche~ zu Köln.[81] Sie ist, laut Inschrift, zur Erinnerung an die 1474 gegründete, bez. damals wieder aufs neue eingeführte Rosenkranz-Bruderschaft gemalt worden, daher die Darstellung auch zuweilen als Rosenkranzbild bezeichnet wird. Die Ausführung der dreiteiligen, beschädigten und mehrfach übermalten Tafel scheint ein Jahrzehnt später erfolgt zu sein. Im Mittelbild steht die Madonna mit dem Christkind im Arm, ihr Hermelinmantel reicht über die Flügel hinweg und wird dort auf der einen Seite von dem h. Dominikus, auf der anderen von dem h. Märtyrer Petrus von Mailand gehalten. Dicht an die Gottesmutter geschmiegt knien geistliche und weltliche Herren und eine Frau, unter denen, obgleich sie ganz typisch gebildet sind, einer alten Ueberlieferung zufolge Papst Sixtus IV., Kaiser Friedrich III. — im graumelierten Bart, wie im Weisskunig —, seine bereits 1467 verstorbene Gattin Leonore, Prinzessin von Portugal und sein Sohn Maximilian dargestellt sein sollen. Auf den Flügeln, also auch noch vom Mantel beschirmt, links ein Häuflein Bürgersleute und rechts eine Gruppe glattrasierter Kleriker, nur ein Mann im Vollbart mitten unter ihnen. Bei allen diesen, wohl den Mitgliedern der Bruderschaft, ist das Porträtartige jedenfalls deutlicher ausgeprägt als bei den hohen Schutzbefohlenen des Mittelbildes. Ein Schutzmantelbild in der um 1480 von Georg dem Reichen auf der Burg von ~Burghausen~ erbauten Kapelle. Laut Inschrift 1620 und 1720 erneuert. Die Dargestellten haben bei der Restauration Perücken erhalten. Was alt an dem Bilde sein mag, ist nicht mehr zu sagen. Der Darstellung mit authentischen Porträts auf der Rückseite des ~Schwanenaltars in Ansbach~ von 1484 ist bereits gedacht worden. (Abbildung S. 171.) Schutzmantelbild in der ~Frauenkirche von München~. Soweit die schlechte Beleuchtung ein Urteil gestattet, von etwa 1500. Aus derselben Zeit eine dreiteilige Tafel in ~Köln~, No. 61. Auf dem Mittelbild unter dem von Engeln gehaltenen Mantel Bürger und Bürgerfrauen, keine Würdenträger, porträtartig gehalten. Links Maria Aegyptiaca mit einem knienden Stifter, rechts Christus und Magdalena. In der gotischen Kirche des ~bairischen National-Museums~ ein mit 1504 bezeichnetes Maria Schutz-Bild. Unter dem Mantel nur zwei auf die Knie gesunkene lebensgrosse und entschieden als Porträts gemeinte Figuren: ein Ritter im Plattenharnisch und eine Frau in schwarzem, mit goldener Borte besetztem Kleide, hoher runder Haube und Kinnband; Wappenschilder. Eine Mater Misericordiä auf einem Altar in ~Heilsbronn~. Nicht vor 1511, vielleicht vom Meister des Schwabacher Altars. (Thode, S. 225.) Ueber der Gemeinde, links oben in den Wolken, schwingt Gott Vater das Schwert gegen die sündige Welt (Andeutung der Pest?), Christus, als Schmerzens~mann~, fängt den Hieb auf. 5. Das Porträt als Totendenkmal und die Reihenporträts. Das Bildnis des Lebenden verdankt dem Kultus des Toten sein Dasein. An der Stätte, wo seine sterblichen Reste bestattet waren, erhob sich die Gestalt, in der er auf Erden gewandelt war, — in der Kindheit der Kunst als Symbol, dann als Typus und schliesslich als ihr getreues Ebenbild. Verehrung war der Beweggrund derer, die sie errichteten, Pietät gegen den Verstorbenen, wohl auch der naive Glaube, den Toten durch ein solches Denkmal zu erfreuen oder, wie im alten Aegypten, der Gedanke, seiner Seele eine Zufluchtsstätte zu schaffen, in welche sie sich flüchten könne in der schauerlichen Dunkelheit ihrer Grabkammer. So ward das Grab zur Wiege des Porträts. Das ganze deutsche Mittelalter hindurch beschränkt sich die wirklich künstlerische Darstellung menschlicher Einzelexistenz auf das bronzene oder steinerne ~Totendenkmal~. Den schon seit dem 11. Jahrhundert ein tüchtiges Können bekundenden Grabfiguren gegenüber, vom flachsten Relief bis zum stärksten Hochrelief, müssen die kleinlichen Zeichnungen aus den Schreibstuben der Klostermönche und erst recht die dekorativen Menschensymbole an den Kirchenwänden als Handwerksarbeit erscheinen. Aber schon frühzeitig, trotz der von der Antike geerbten Vorliebe für plastische Formen, drängt sich in die gegossene oder gemeisselte Porträtwelt der Gräber eine andere Darstellungsweise, die das Malerische wenigstens von ferne streift: mit einfachen Linien wird der Kontur und die Binnenzeichnung in die Stein- oder Metallplatte eingeritzt. Auch die Farbe kommt bald, wenn auch nur in seltenen Fällen und sehr bescheiden, zu ihrem Recht: sowohl auf der Steinplatte als auch auf der Bronzeplatte, die besonders im deutschen Norden beliebt war, wird der vertiefte Umriss der Gestalt zuweilen mit buntem Kitt ausgefüllt. Diese Technik mag den Versuch nahe gelegt haben, das Bild des Verstorbenen, immer noch im Sinne des Totendenkmals, auch einmal nur mit Farben auf eine Holztafel zu malen. In Hamburg befinden sich im Magdalenen-Kloster und im historischen Museum zwei derartige Idealbildnisse, welche, nach dem Kostüm zu urteilen, in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts, zweihundert Jahre nach dem Tode der Dargestellten, gemalt sein müssen.[82] In überlebensgrosser Gestalt, eine ausserordentlich seltene Ausnahme, überliefern beide das Bild Adolfs von Schauenburg, des Gründers des Magdalenen-Klosters, der Nachwelt. Das eine Mal aufrecht stehend, in voller Rüstung, mit prächtigem Wams darüber, im Mantel und mit reich geschmücktem Barett, das Antlitz von einem Bart umrahmt, in der Linken die Lanze, die Rechte auf das Schwert gestützt; das andere Mal mit der Mönchskutte angethan, barfüssig, das Gesicht rasiert, im offenen Sarge liegend, von Engeln umschwebt, die sich freundlich dem toten Fürsten neigen. Der Hintergrund der ruinenhaften und schlecht übermalten Bilder war ursprünglich rot und mit goldenen Sternen übersät. [Illustration: ~Bildnis des Adolf von Schauenburg.~ Nach Lichtwark, das Bildnis in Hamburg.] Aber das gemalte Totendenkmal ist eine Ausnahme geblieben. Von den meist schlichten und handwerklichen Epitaphien und den dürftigen Totenschildern der Armen abgesehen, hat bis auf den heutigen Tag die Plastik ihr urzeitliches Vorrecht behauptet, den Verstorbenen zu ehren und ihm wie seiner Grabstätte ein dauerndes Andenken zu bewahren. Wie für das gemalte Totendenkmal die Technik der gravierten Bronzeplatte vorbildlich gewesen sein mag, so ist für eine andere Erscheinungsform der monumentalen Bildnisdarstellung wohl ein Vorgang in der Buchmalerei bestimmend gewesen: für die ~Reihenporträts~, welche eine Fürstenfolge oder die Repräsentanten einer geistlichen oder weltlichen Gemeinschaft als farbigen Wandschmuck vorführen. Hier tritt bereits der Lebende neben dem Abgeschiedenen auf, jedoch noch nicht als selbständige Persönlichkeit, sondern lediglich in seiner Eigenschaft als Mitglied eines bestimmten Standes oder Berufes, nicht als Individuum, sondern als der Soundsovielste einer Reihe. Wir waren derartigen Kettenbildern, aus denen sich später die Stammbäume entwickelt haben, schon frühzeitig in den Handschriften begegnet, und zwar als fortlaufende Medaillons mit den Brustbildern der Fürsten. Als ein bemerkenswertes Beispiel ähnlicher Gattung hatten wir ein Blatt in dem hortus deliciarum gefunden, wo achtundfünfzig Nonnen des elsässischen Klosters Odilienberg in schlicht aneinander gereihten Bildnissen dargestellt sind. (Vergl. S. 26.) Aber die Urbilder dieser Darstellungsart reichen noch in weit ältere Zeit zurück. In dem Codex theol. lat. fol. 18, Berlin, Kgl. Bibliothek, etwa vom Jahre 1000 (nicht publiziert), sind in fortlaufenden Bögen die Brüder eines Klosters kniend porträtiert, allerdings nur durch Alter und Bart oder Bartlosigkeit voneinander unterschieden, und in einer Handschrift vom Jahre 1075 (gleichfalls nicht publiziert), im Dom-Kapitel von Eichstädt, stehen die Aebte des Klosters, ein jeder unter einem besonderen Bogen, in Reihen nebeneinander. In der grossen Malerei finden wir die Anfänge der monotonen Porträtreihen in den Bildnissen der Hochmeister an den Saalwänden der Marienburg. Im Jahre 1403 hatte dort Konrad von Jungingen die Bildnisse seiner Vorgänger an die Wandflächen des Remters malen lassen, 1407, nach dem Tode dieses Hochmeisters, wurde auch dessen Bild den bereits vorhandenen hinzugefügt, und mit Beziehung auf den 1429 gestorbenen Heinrich von Plauen wird uns berichtet, dass »ihm lang kein Bildniss gemacht, wie man sonsten pfleget, doch lediglich um der Nachrede willen liess ihn Herr Märten Truchsess eins machen«. Die Figuren waren etwa 2 m hoch, von Baldachinen gekrönt, mit Namen und Reimsprüchen versehen und in Tempera gemalt. Reste haben sich bei den Wiederherstellungsarbeiten der Marienburg gefunden.[83] Häufig mögen derartige Reihenbilder im 15. Jahrhundert angefertigt sein. Eine Folge bairischer Fürsten, die sich, gleichfalls in Tempera, im alten Hof zu München befand und jetzt auf eine Wand des Nationalmuseums übertragen ist, hat uns schon früher beschäftigt. (Vergl. S. 136.) [Illustration: ~Gruppenbild aus Hoflach bei Alling.~ Nach besonderer Aufnahme.] In der Tafelmalerei sind solche Bildercyklen, meist in ganz roher Ausführung, erst viel später, in der Zeit vom 16. bis in das 18. Jahrhundert, angefertigt worden. Ausser würdigen Domstiftern und gestrengen Bürgermeistern sind es namentlich die ehrsamen Zunftmitglieder, die auf diese Weise ihre Vorgänger, später aber auch sich selber ehrten, wovon die in allen historischen Museen zu findenden geschmacklosen »Meistertafeln« erzählen. Ganz ausgestorben ist dieses nüchterne Schema auch heute noch nicht, wie man z. B. sich in den Ratssitzungssälen der kleinen Provinzialstädte überzeugen kann, nur ist dort an die Stelle der Malerei die Photographie getreten, und zwar der Billigkeit wegen meist kleinsten Formates, und der Sammel-Bilderbogen mit spiegelndem Glas bedeckt und wohl auch von imitiertem Holzschnitzrahmen umschlossen. Eine weniger archaische Anordnung der Standes- oder Berufsgenossen ist nur ausnahmsweise versucht worden. Auch hierfür sind die Vorgänge bereits in den Illustrationscyklen der Handschriften zu finden. Das grosse Wandgemälde in der Kirche zu Hoflach bei Alling vom Jahre 1422, auf welchem eine kniende Schar Adliger und Nichtadliger gemeinsam porträtiert erscheint (vergl. S. 136) und das Stadtrichterbild im Grazer Stadthause vom Jahre 1478 (vergl. S. 138), dürfen als Beispiele einer solchen freieren Auffassung gelten. Auf dem letzteren Bilde ist nach Janitschek S. 303 die städtische Gerichtsbehörde amtierend dargestellt, »in der Mitte der Stadtrichter Niklas Strobel in rotem Mantel, den Richterstab in der Hand, rechts und links je drei Räte, die einer Eidesleistung beiwohnen, ausserhalb der Schranken ein Jüngling, dem Vorgang folgend, und ein Gerichtsbote, im Hintergrund endlich eine Darstellung des jüngsten Gerichts.[84] Alle Köpfe sollen porträtartig wirken. Häufiger wird diese Art des Kollektivbildnisses erst, nachdem die Holländer für sie in ihren Schützen- und Regentenstücken das unvergleichliche Muster aufgestellt hatten; zu einer höheren künstlerischen Bedeutung hat sie es jedoch in Deutschland bis auf unsere Tage nicht gebracht. 6. Das unabhängige Einzelporträt. a) Vorläufer. Das nur um seiner selbst willen gemalte ~Einzelporträt~, losgelöst von seiner jahrhundertelangen Vereinigung mit dem Gnadenbilde und unabhängig von dem ausgleichenden Zwange der Korporation, tritt etwa um die Mitte des 15. Jahrhunderts in der deutschen Tafelmalerei auf, das ist zu einer Zeit, wo es jenseits der Alpen, vor allem in Florenz, schon zu einer hohen Ausbildung und gewissen Verbreitung gelangt war. Aber hier wie dort hat das Einzelporträt seine Vorläufer gehabt. Im Sacro Speco zu Subiaco ist unter mancherlei Uebermalungen ein Bild des heiligen Franz von Assisi erhalten, das möglicherweise schon zwei Jahre nach dem 1226 erfolgten Tode des grossen Mystikers gemalt ist, und auch von den Päpsten des 13. Jahrhunderts ist die Mehrzahl in mehr oder weniger gesicherten Porträts nachzuweisen. Frankreich besitzt in dem Bildnis Johanns II., des Guten, gest. 1364, in der Bibl. Nationale ein solches Frühwerk, England in dem Richards II., gest. 1399, im Chor der Westminsterabtei. In Deutschland waren wir bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf einem Wandgemälde des Hansasaales zu Köln einem allerdings noch typischen Ebenbilde Karls IV. begegnet (vgl. S. 63), doch ist es nicht ausgeschlossen, dass hier der Kaiser nur das einzig erhaltene Glied einer Fürstenreihe gebildet hat. In der Tafelmalerei führen uns die Vorstufen des Einzelbildnisses wieder nach dem deutschen Ordensland und diesmal nach dem Dom von Königsberg. Dort, in der Fürstengruft, hängen die lebensgrossen, auf Holz gemalten Bildnisse von sechs Ordensmeistern, von denen sich fünf identifizieren lassen. Die Tafeln blieben in der Kirche, auch als 1524 die neue Lehre auf die Verbannung aller Bilder drang. Hagen[85] giebt eine Beschreibung ihrer Beschaffenheit aus der Zeit vor ihrer Restaurierung, so gut eine solche bei dem schadhaften Zustand derselben überhaupt möglich war. Darnach waren die Dargestellten sämtlich gewappnet und trugen den Ordensmantel um die Schultern, bärtig, wie es die Regel verlangte, unbehelmt, die Linke auf das Schild gestützt, in der Rechten das gesenkte Schwert, zum Zeichen, dass sie dem polnischen Könige den Lehenseid geleistet hatten. (»Das Abhängigkeitsverhältnis ist durch das abwärtsstehende Schwert, das Oberherrlichkeits-Verhältnis durch Aufrechthaltung des Schwertes ausgedrückt«.) Brustharnisch oder Wappenrock, sowie Schild und Mantel schmückte das Kreuz. Ueber die Zeit ihrer Anfertigung ist nichts zu ermitteln. Heinrich von Plauen, zeitlich der erste der Dargestellten, ist 1429 gestorben. Möglich, dass er bald nach seinem Tode gemalt ist. Von dem 1489 gestorbenen Martin Truchsess von Wetzhausen ist es erwiesen, dass sein Bildnis in einer viel späteren Zeit entstanden ist. [Illustration: ~Porträt des Konrad Kyeser.~ Miniatur. Nach besonderer Aufnahme.] Aber selbst wenn wir Heinrich von Plauen noch in die dreissiger Jahre datieren könnten, so dürfen diese Kirchenbilder doch nur als Vorstufen, nicht als eigentliche frühe Porträts in dem Sinne bezeichnet werden, in welchem wir diese Bildnisgattung begriffen haben, einmal weil sie jedenfalls erst nach dem Tode der Betreffenden, also als »Idealbilder«, geschaffen worden sind, und dann weil sie, wenn auch zwei der Hochmeister nicht im Königsberger Dom begraben liegen, schliesslich doch, gleichwie die frühen Bildnisse des Franz von Assisi und der römischen Päpste, mehr das Gepräge des Kenotaphes tragen. Dagegen haben wir in der Buchillustration ein wirkliches grosses Einzelporträt schon aus dem Jahre 1405. In einer Göttinger Miniatur, Codex Philosophicus No. 63, ist der Verfasser eines Buches über Kriegswissenschaften, Konrad Kyeser, im Brustbild dargestellt. Der Kopf allein ist grösser als etwa eine flache Hand, von ungemein lebendigem Ausdruck, mit kurzgeschorenem Haar und Schnur- und Knebelbart. Wäre das Datum nicht beigeschrieben, so würde man schwerlich auf eine so frühe Entstehungszeit schliessen dürfen. Das Bild ist, wie man aus der Abbildung erkennt, etwas beschädigt. In der Tafelmalerei kommt der Gebrauch des Einzelporträts, wie gesagt, erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts auf, und von dieser Zeit an ist uns eine grössere Anzahl derselben erhalten geblieben. Dass es schon vorher existiert hat, ist wohl anzunehmen, wenn wir auch keine gesicherten Dokumente dafür besitzen. b) Aeusserlichkeiten der Porträts. Form, Grösse, Tracht, Geschmeide, Hintergrund. Die gewöhnliche Form der für Haus und Familie bestimmten Porträts war die einer länglich viereckigen Holztafel, um welche eine schlichte Leiste mit gotischem Ablaufprofil nach dem Bilde zu die Umrahmung darstellte. Tafel und Rahmen wurde vom Schreiner gefertigt, die Leisten in der Regel schwarz oder zinnoberrot angestrichen und mit goldenen Sternen besetzt, zuweilen auch mit einer dekorativ wirkenden Inschrift in goldenen Lettern geschmückt. Oben befand sich ein Ring zum Aufhängen des Bildes. Hie und da wurde auch Tafel und Rahmen aus einunddemselben Stück gefertigt. Erst am Ende des Jahrhunderts begann man das Rahmenwerk kunstmässig mit dem Schnitzmesser zu bearbeiten; eine runde oder ovale Gestalt hat man ihm, ausser bei den kleinen Medaillons der Goldschmiedekunst, vor dem 17. Jahrhundert schwerlich gegeben. Die frühste authentische Kunde von der Verwendung eines Porträts, als Wandschmuck giebt uns der Holzschnitt eines Zimmer-Innenraums aus Joh. Hartliebs »Alexander« vom Jahre 1458. Neben der hier beschriebenen Form des eingerahmten Porträts geht noch eine andere her, die in erster Linie zur liegenden Aufbewahrung, vielleicht in einer Lade, oder zum Aufstellen bestimmt gewesen sein mag: über der rahmenlosen Holztafel mit dem Bildnis und mit ihr durch ein Gelenkband verbunden, befindet sich als Schutzdeckel eine zweite Holztafel, auf deren äussere Seite in der Regel das Familienwappen gemalt ist, während die innere mit einem einfachen Muster, gegen die Renaissancezeit hin oft mit einer allegorischen Darstellung, verziert ist. [Illustration: ~Wohnraum mit einem Porträt als Wandschmuck.~ Aus Schultz, Deutsches Leben im XIV. u. XV. Jahrh.] Die Grösse der hier in Frage kommenden Einzelporträts beträgt durchschnittlich etwa 0,35 m in der Höhe und 0,25 m in der Breite. Die zur liegenden Aufbewahrung bestimmten sind noch etwas kleiner. Gegen Ende des Jahrhunderts nehmen die Abmessungen der als Wandschmuck gemalten Porträts allmählich zu. Dass die Bilder nicht grösser sind, ist nicht zu verwundern. Das Format eines Gemäldes wird nicht zum mindesten durch den Raum bestimmt, in welchem es hängen soll, und wie hätte man in der Intimität eines gotischen Zimmers mit seinen Butzenscheiben, die gar oft nur aus trüben Glassurrogaten bestanden, ein grosses Porträt belichten können, namentlich in den unteren Stockwerken, die durch eine malerisch wirkende, aber höchst unpraktische Ueberkragung der oberen schon an und für sich verdunkelt wurden? Tritt doch selbst unter der hellen Sonne des Südens das private Porträt in Lebensgrösse erst mit der Erweiterung der Wohnräume auf, wenn auch nicht, wie Vasari meint, erst 1541 durch Titian eingeführt, sondern bereits fünfzehn Jahre früher durch Moretto, worauf Burckhardt hinweist.[86] Von dem Körper wird anfangs nur der Kopf, Hals und ein Teil der Brust gegeben, später tritt der Oberleib hinzu, meist unverhältnismässig klein gebildet, und zur feineren Charakterisierung auch die Hände, wobei jedoch gleichzeitig eine malerische Schwierigkeit zu überwinden ist, die in der neuen Verteilung des Lichtes auf Kopf und Hand besteht. Zuweilen werden auch zwei Brustbilder zu einem Doppelbildnis vereinigt. Das sogenannte Kniestück oder die ganze Figur ist mir im 15. Jahrhundert nicht begegnet. (Der Altarflügel gehört ebensowenig wie das Totendenkmal zu der hier besprochenen Porträtgattung.) Der Kopf wird in halbem, selten ganzem Profil, in der Regel in der Wendung nach links, gegeben, zuweilen auch in der Ansicht von vorn. (In der italienischen Kunst, wohl unter dem Einflusse der Schaumünze, ist im Gegensatz zur deutschen das ganze Profil bei den strengen florentinischen Meistern des Quattrocento sehr häufig.) Eine Wendung im Kontrapost, die dem Bilde etwas Momentanes verleihen würde, kommt nicht vor. Der Blick ist ruhig vor sich hin oder mit einer Sehweite von wenigen Metern aus dem Bilde heraus, am Ende des Jahrhunderts wohl auch auf den Beschauer gerichtet. Die Hände halten, wo sie gegeben sind, mit zumeist ungelüfteten Fingern die Paternosterschnur oder den Rosenkranz. Das ist das frühste und häufigste Motiv. Giebt ihnen der Maler einen anderen Gegenstand, etwa einen Ring oder eine Blume, so werden die Finger gelöst, wodurch der persönliche Reiz der Hand erhöht und ihr eine gewisse Ausdrucksfähigkeit ermöglicht wird. Man geht wohl nicht fehl, derartigen Beigaben, welche zur Belebung und Wesensschilderung der Dargestellten von Bedeutung sind, ausser ihrem künstlerischen Wert auch einen symbolischen beizumessen. Andere Attribute als Ring und Blume, welche auf die Sinnesweise oder die Beschäftigungen der Porträtierten einen Schluss gestatten würden, sind nicht gerade häufig. Einmal ist es ein Münzstempel, einmal ein Zirkel, mit einem stattlichen Buch in der Hand hat sich der Kanonikus Schönborn abschildern lassen — ein Motiv, das für Kleriker nach der Reformation sehr verbreitet ist —, nur in seltenen Fällen habe ich den bei italienischen Bildnissen so gebräuchlichen Zettel oder die Schriftrolle gefunden. Sind die Hände nicht in der Beschäftigung mit einem bestimmten Objekte geschildert, so erscheinen sie entweder einfach übereinander gelegt oder die eine ruht auf einer Brüstung, während die andere in das Wams greift oder ungezwungen, aber schon den Keim der späteren pathetischen Gebärde in sich tragend, den Mantel hält. Handschuhe sind mir niemals begegnet, weder als Bekleidung der Finger, noch — wie später, nachdem der Rosenkranz unmodern geworden war, und bis auf den heutigen Tag so häufig — in lose zusammengelegtem Zustand als Beschäftigungsmotiv für die Hände. Die Tracht kommt, da es sich nur um Kopf- und Brustbilder handelt, wenig zur Geltung. Der Rock der Männer ist in der Regel bis zum Hals geschlossen, nur das Staatskleid der Vornehmen lässt den oberen Teil der Brust frei, oft bedeckt ein Mantel oder die Schaube die Schultern und eine Mütze oder ein Barett den Kopf. Das Leibchen der Frauen ist vorn nur wenig ausgeschnitten. Eine Betonung der sinnlichen Formen wie bei den italienischen Frauenporträts beginnt erst am Ende des Jahrhunderts, wohl durch das Beispiel der burgundischen Tracht veranlasst, die in dieser Beziehung eine Mittelstellung eingenommen hat. Die vorherrschenden Farben der Kleiderstoffe sind ein starkes Grün, Rot, Blau oder Gelb. Gebrochene, zarte und wie wir heute sagen duftige Töne kennt die Mode und die Malerei jener Zeit noch nicht. Eine richtige Vorstellung von der Farbenfreudigkeit der Gewänder des 15. Jahrhunderts, wie sie auf den Altargemälden so auffällig zum Ausdruck kommt, können natürlich die wenigen erhaltenen, namentlich weibliche Porträts durchaus nicht geben. Für Einzelheiten verweise ich auf die betreffenden Bildbeschreibungen. Das Haar der Männer fällt vom Scheitel in weichen Wellen auf Nacken und Schultern herab, auf einigen der handwerklich ausgeführten Porträts schlichter Bürgersleute sind die Stirnhaare in glatten Strähnen nach vorn herabgekämmt, sodass sie mit den Augenbrauen abschneiden, auf anderen sind sie mit dem Brenneisen leicht aufgelockt. Das Gesicht ist fast immer rasiert.[87] Die Frauen tragen das Haar unter einer Haube, einem Netz oder einem Schleiertuch, oft werden an den Schläfen die sorgfältig geflochtenen Zöpfe sichtbar. Auch von den unausgesetzt wechselnden, phantastischen und bizarren Moden der männlichen wie weiblichen Haaranordnungen und Kopfbedeckungen geben unsere wenigen Porträts keinen Begriff. Will man sich ein richtiges Bild von ihren proteusartigen Wandlungen verschaffen, so muss man wiederum die grossen Altarbilder, vor allem aber die Grabsteine, die Handschriften-Illustrationen und die Kupferstiche zu Rate ziehen[88] und die »Kleiderordnungen« der Städte, die Berichte in den Chroniken und die donnernden Kanzelreden eines Geilers u. a. lesen. Hier kann man sich auch über die kosmetischen Mittelchen unterrichten, durch welche Männer und Frauen ihre Frisur zu verschönern trachteten: Färben, Brennen, Wickeln, mit Eigelb auftoupieren, mit Schwefel waschen und an der Sonne trocknen oder im Winter zu Eis gefrieren lassen u. dergl. Das frühste Muster eines auf so künstliche Weise prächtig aufgetürmten Haarschmucks scheint in der blonden Lockenfülle des Johannes auf dem Thomasaltar von 1424 gegeben zu sein. Das ~Geschmeide~ spielt erst vom 16. Jahrhundert an seine grosse, protzenhaft schaustellerische Rolle, wo Nacken und Brust oft geradezu unter einem Panzer von Schmuck und Steinen verschwinden, wo, wie im 18. Jahrhundert, die vornehme Frau ihr gesamtes Vermögen, und den Kredit dazu, in Juwelen auf dem Leibe trägt. Unsere bescheidenen Porträts aus der letzten Zeit der Gotik zeigen nur hin und wieder ein Schaustücklein, und um überhaupt hier von dem Geschmeide sprechen zu können, muss ich bei seiner Aufzählung auch das Stifterbildnis mit heranziehen. Bei den vornehmen Männern in weltlicher modischer Tracht ist das Schmuckbedürfnis auf wenige Gegenstände beschränkt: eine Agraffe am Hut oder Barett, um den Hals eine Kette oder auch eine einfache Schnur mit einem Anhänger, einem Talisman oder der Bulla — einer halbkugelförmigen Kapsel, in der sich eine Reliquie zu befinden pflegt; Talisman und Bulla werden in der Regel von dem Obergewand bezw. dem Hemd bedeckt —, und an der Hand ein Fingerring, erst in Zeit mehrere, mit auffällig hohem Kasten für den Stein. [Illustration: ~Gruppe aus dem Thomas-Altar in Hamburg.~ Nach Schlie, der Hamburgische Meister vom Jahre 1835.] Abzeichen mittelaltriger Ordensgesellschaften, auf den Grabsteinen so häufig, begegnen uns auf den hier geschilderten Porträts nicht, bei den Stifterbildnissen sehr selten, einmal z. B. auf dem Altar von 1484 in der Gumbertskirche von Ansbach, wo die jugendlichen Prinzen mit den Insignien des 1440 gestifteten Schwanenordens erscheinen. Auf einer Stammtafel des 1462 gestorbenen Ulrich Ketzler, germanisches Museum No. 526, hat der Maler eine Anzahl Ordensdekorationen über und neben dem knienden Ritter an der Wandfläche des Hintergrundes angebracht, — ein Dokument menschlicher Eitelkeit, für welches das Muster bereits auf den Grabsteinen römischer Legionsoffiziere zu finden ist. (Beispiele u. a. im Provinzialmuseum zu Bonn.) Die vornehme Frau trägt ausser dem Fingerring den Fürspan, ein Schmuckstück, das am ehesten unserer Brosche zu vergleichen wäre, und eine Halskette, die oft, gleichwie bei den Männern, mit einem Anhänger versehen ist, zuweilen auch am Brustausschnitt eine Borte mit aufgenähtem Goldornament. Armbänder habe ich niemals gefunden: einem Geschmeide, dessen Wirkung auf der blossen Haut erst recht zur Geltung kommt, wären die langen Aermel der Frauenkleider auch nicht günstig gewesen. Weniger erklärlich ist das gänzliche Fehlen der Ohrgehänge. Bei der Tracht der Handwerkersfrau und auch der werktägigen der Patrizierin verhüllte meist, nicht immer, die Haube oder ein Tuch das Ohr, die grosse Toilette der Weltdame jedoch liess es in der Regel frei, wie aus zahlreichen Darstellungen auf Altargemälden und Kupferstichen hervorgeht. Wenn nun selbst die gewöhnlich in prächtig orientalischer oder höfisch burgundischer Tracht erscheinende Magdalena des Ohrringes ermangelt, so muss man wohl annehmen, das 15. Jahrhundert habe diesen Zierrat als etwas barbarisches betrachtet, denn gekannt hat es ihn, wie der häufig mit einem Ohrring geschmückte Mohrenfürst auf der Anbetung der Könige beweist.[89] Der Hintergrund unserer Porträts ist anfangs eine einfarbige Fläche, vom kühlen Braun bis zum Gelblichen und warmen Hellgrünlichen, zuweilen bei dunklem Ton mit einem goldenen Sternenmuster verziert. Dann wird er als Mauerwand behandelt, in der eine Oeffnung oder nach niederländischem Beispiel ein Fenster angebracht ist, welche einen Ausblick auf die Landschaft gewähren. (Mit einem Ausblick z. B. auf dem Porträt bei Burckhardt-Burckhardt, vergl. S. 124, falls hier die Landschaft nicht spätere Zuthat ist, mit zwei Ausblicken auf dem Bildnis des Ehepaars in Dessau, vergl. S. 174.) Schliesslich wird die Figur noch dadurch leicht vom Hintergrund gelöst, dass man sie vor einen glatt herabfallenden Vorhang stellt, zu dessen beiden Seiten dann wohl der Blick auf die Landschaft geöffnet wird. (Porträt in Heidelberg, vergl. S. 80.) Eine ganz offene Landschaft als Hintergrund ist mir nur einmal begegnet. (Porträt im Besitz des Grossherzogs von Hessen. Vergl. S. 189.) In seine gewohnte Umgebung, in einen geschlossenen Innenraum mit Ausstattungsgegenständen wird der Dargestellte noch nicht gebracht, höchstens könnten Briefschaften, die an der Rückwand befestigt erscheinen, mit Gewohnheiten und Neigungen der Porträtierten in Beziehung gebracht werden (z. B. bei dem Pacimondanus, vergl. S. 188). Von sonstigem mittelaltrigen Hausrat wird uns nur die Stubenfliege gezeigt. (Wiederum bei dem Pacimondanus und bei der Hoferin in London, vergl. S. 186. Auf den Abbildungen leider nicht zu erkennen.) Im allgemeinen kann man sagen, dass die Veränderungen bezw. Bereicherungen des Hintergrundes in deutscher, niederländischer und italienischer Porträtkunst etwa gleichen Schrittes gehen, nur wolle man bemerken, dass in den Niederlanden der Ausblick durch ein Fenster, in Italien durch eine Maueröffnung die Regel ist, und dass in Mailand und Florenz mehr die ganze, in Venedig und in den Niederlanden mehr die Teillandschaft üblich ist. Dass Wappen und Inschriften, die sich auf Namen, Alter und Art des Dargestellten beziehen, sehr häufig auf dem Bildgrunde angebracht sind, haben wir gesehen. Humoristischen Inhalts, wie so oft im 16. Jahrhundert, sind sie noch nicht, doch könnte man als einen anmutigen Vorläufer vielleicht die Zwiesprache über dem Gothaer Liebespaar betrachten. (Vergl. S. 86.) Soviel von den Aeusserlichkeiten der Porträts des 15. Jahrhunderts. Um sie noch einmal kurz in einem Gattungssignalement zusammen zu fassen: Kopf- oder Brustbilder in kleinem bis mittelgrossem, länglich-viereckigen Format, Rosenkranz, Ring oder Blume in der Hand, schlicht gekleidet, selten ein Schmuckstück, Hintergrund einfarbige Fläche, später Ausblick auf Landschaft. c) Künstlerische Auffassung. — Die gleichzeitige italienische und niederländische Porträtkunst. — Malweise. — Porträtsammlungen. Ueber den künstlerischen Inhalt der Porträts ist leider nur wenig zu sagen: rein als malerische Bilderscheinung genommen, gewähren sie eine geringe ästhetische Freude, und als graphische Erläuterer einer bestimmten Persönlichkeit helfen sie uns nicht, deren inneres Wesen zu verstehen. Der Maler giebt die ruhenden Formen des menschlichen Antlitzes wieder, also das, was ich im allgemeinen das Individuelle einer Physiognomie genannt habe, so gut er es vermag, mit derselben Objektivität, wie er irgend einen anderen Gegenstand auf die Malertafel zwingt. Von dem Geiste, welche diese äusseren Formen in langdauernder Arbeit gebildet hat und der jederzeit gleich einem immateriellen Hauche über ihnen liegt, also von dem, was ich das Charakteristische nenne, gelingt es ihm zuweilen, mehr zufällig als beabsichtigt, einen Schimmer zum Ausdruck zu bringen, einen Wiederschein nicht der subtilen und schwer zu entziffernden Verstandes- und Gemütseigenschaften, sondern jener wenigen fundamentalen, die gewissermassen den Grundblock einer Persönlichkeit bilden und die in augenfälligen und groben Zügen auf jedem Gesicht geschrieben stehen, als da sind Rohheit oder Feinheit, Willenskraft oder Wankelmut, Selbstsucht oder Liebe, Wahrhaftigkeit oder Lüge, Geistesschärfe oder Beschränktheit. Aber das, worauf es dem Maler in erster Linie ankam, war doch die rein äusserliche, die physische Aehnlichkeit. Man sollte das Porträt »erkennen«, es von anderen unterscheiden, und dazu, so meinte er, bedurfte es der peinlich getreuen Wiedergabe aller Einzelformen, die das Ganze bilden. Auch der Besteller wird mit solcher stillebenartigen Behandlung seiner Physiognomie zufrieden gewesen sein. Ueber die Uebereinstimmung von Gesicht und Wesen, deren wissenschaftliche Begründung erst unserem Jahrhundert vorbehalten gewesen ist,[90] wird er nicht viel nachgedacht haben, und die grundstürzende Entdeckung des verschönernden Mediums, des Schmeichelns, hatten damals die liebenswürdigen Venetianer noch nicht gemacht. [Illustration: ~Porträt des Giovanni Arnolfini von van Eyck.~ Berlin, Museum. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl.] Gewiss wird man von einer Frühkunst, die noch mit der Bewältigung technischer Schwierigkeiten zu ringen hat, nicht das Erfassen des momentanen, flüchtig vorübereilenden Gesichtsausdruckes erwarten dürfen, nicht das geheimste Erzittern der Seele, nicht die blitzschnellen physiognomischen Manifestationen eines plötzlich auftauchenden Gedankens. Weder die Maler der Niederlande noch die Italiens haben im Quattrocento einen ernsthaften Versuch nach dieser Richtung hin unternommen. Aber wenn man die gleichzeitigen Porträts des Nordens und des Südens den deutschen gegenüberstellt, wird man sich dem Eindruck nicht verschliessen können, dass bei diesen auch das Bleibende eines Menschenantlitzes, das Feststehende im ewigen Flusse der wechselnden Stimmungsbewegungen, die kontinuierliche Ausstrahlung der Seele, kurz alles das, was den Wesensausdruck einer Persönlichkeit bestimmt, thatsächlich nur wie zufällig, zum mindesten oberflächlich, gleichwie mit halbgeschlossenem Malerauge erschaut, wiedergegeben worden ist. Man vergegenwärtige sich Porträts wie etwa das des Giovanni Arnolfini und das des Scarampi, beide in Berlin, und vergleiche sie selbst mit Pleydenwurffs Schönborn oder den Pacimondanus in Basel, unmöglich wird man die schwächere Kraft der Charakterisierung in letzteren verkennen. [Illustration: ~Porträt des Scarampi von Mantegna.~ Berlin, Museum. Nach einer Photographie von Franz Hanfstängl.] * * * * * Wiederholt im Gange dieser Betrachtungen haben wir das italienische und das niederländische Porträt des 15. Jahrhunderts herbeirufen müssen, um uns von dieser oder jener Eigentümlichkeit des deutschen eine deutlichere Vorstellung zu machen. Es dürfte daher wohl angezeigt sein, sich einmal im Zusammenhange die Natur jener beiden Vergleichsobjekte vor Augen zu führen. Das soll hier mit wenigen Worten versucht werden. Früher als anderswo im Abendlande war in Italien die einzelne Persönlichkeit zum Gegenstand malerischer Darstellung gemacht worden. Die ältesten nach dem Leben gemalten Bildnisse gehen in das 13. Jahrhundert zurück. Mit dem 14. Jahrhundert (Giotto) beginnt die Aufnahme irgendwie hervorragender Zeitgenossen in der Freskomalerei. Das 15. Jahrhundert bezeichnet den Höhepunkt der Porträtkunst im Rahmen des Wandgemäldes und der grossen Altartafel. Nebenher geht, wie im Norden, das Stifterbildnis. Für das unabhängige Einzelporträt lag angesichts der Bildnisfülle auf Wänden und Altären zunächst kein Bedürfnis vor. In der That ist jene Bildnisgattung in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts ungemein selten und erst um die Mitte hebt in dieser Beziehung ein Umschwung an, am frühsten wohl in Florenz. (Piero della Francesca.) In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erhält die Sitte des Einzelporträts eine grössere Verbreitung, nicht wenig gefördert durch das flandrische Beispiel, vornehmlich in Venedig. (Antonello da Messina.) Dort, noch mehr als in Florenz, wo (seit Donatello) die plastische Büste den Wunsch nach bildlicher Wiedergabe der Persönlichkeit in so meisterhafter Weise befriedigte, gelangte das gemalte Porträt zu einer ausserordentlichen Beliebtheit und zu einer Entwickelungshöhe (Bellini), die schliesslich in dem grössten Bildnismaler Italiens, in Titian, ihren Gipfel erreichen sollte. Welches Gattungsbild erhalten wir nun von dieser italienischen Porträtkunst, wenn wir den Blick vor den Werken des einzigen Lionardo verschliessen und auch die spätquattrocentistischen Venetianer nicht berücksichtigen? Zunächst den Eindruck eines körperlich und geistig wohlgebildeten Menschengeschlechts, einer monumentalen Auffassung der Persönlichkeit von seiten des Malers, die das Wesentliche dem Unwesentlichen unterzuordnen versteht und einer am Fresko erlernten, auch in kleinen Formen grossflächigen Arbeit. Auf die bleibenden festen Linien des menschlichen Antlitzes, also auf das, was die äussere Aehnlichkeit ausmacht, wird hier, wie im Norden, besondere Sorgfalt verwendet. Die modellierende Kraft der Farbe und des Lichtes wird benutzt, dem Kopfe Rundung und Energie des Lebensausdrucks zu geben. Aber auch das, was die spätere italienische Porträtkunst vor allen anderen auszeichnet, das Streben nach Vereinfachung und zugleich jenes dichterisch-schaffende Element, welches auch die innere Aehnlichkeit zu erfassen sucht, die ressemblance morale, wie der französische Terminus lautet, ist, in seinen Anfängen wenigstens, bereits zu erkennen. Dagegen gehört der Ausdruck des Momentanen zu den seltensten Ausnahmen. Die Beschränkung auf Kopf- oder Brustbild (zudem meist in starrer Profilstellung), schliesst die kommentierende Sprache der Hände aus (die auf der Brüstung ruhende Hand war nur ein unvollkommenes Hilfsmittel der Charakterisierung) und sie verzichtet auf das Persönliche der ganzen Körperhaltung und auf den »Standesausdruck«. Eine Bewegung der Seele — ich erinnere daran, dass wir von Lionardo absehen — ist nirgends zu finden. So dürfte, ganz im allgemeinen gesprochen, die Porträtkunst des italienischen Quattrocento als eine episch-beschreibende zu bezeichnen sein, der um die Jahrhundertswende eine dramatisch-charakterisierende folgen sollte. Unter ganz anderen Voraussetzungen entwickelt sich die Porträtkunst in den Niederlanden. Abgesehen von den Verschiedenheiten, welche in der nordischen Natur und in dem germanischen, im Süden des Landes stark mit französischen Elementen vermischten Volksstamm begründet sind, und der anders gefügten politischen, sozialen und kulturellen Grundlage, ist die niederländische Porträtkunst der italienischen gegenüber insofern im Nachteil, als ihr die lange Lehrzeit fehlt und sie in ihrer kurzen, aber entscheidenden Jugendphase die hohe Schule der Freskomalerei entbehren muss. Von einer Entwickelung in dem Sinne, wie wir das Wort von der Naturwissenschaft in die Kunstgeschichte übernommen haben, kann bei ihr kaum gesprochen werden. Selbständig, wie ein plötzliches Naturereignis, tritt sie mit den beiden Stifterfiguren des Genter Altars (1432) ins Leben, beinahe unvermittelt, wie das ganze Wunderwerk von Sankt Bavo selbst, dessen zarte Entstehungslinien rückwärts nach der burgundischen Plastik einerseits und nach den niederländisch-französischen Miniaturen anderseits, erst das geschärfte Auge der modernen Kunstforschung zu enthüllen vermochte. Und dem Jodokus Vydt und seiner Gattin folgt sofort eine Reihe von Bildnissen Jans, die zu den vollendetsten Meisterwerken der Porträtkunst zu rechnen sind. Jan van Eycks Nachfolger in Flandern, Brabant und Holland vollenden das Gepräge der niederländischen Bildnismalerei, ohne jedoch die einsame Höhe des grossen Bahnbrechers zu erreichen. Wiederum versuchen wir alle diese Einzelporträts zu einem Gattungsbild zusammenzuschliessen. Intimität, mehr als Monumentalität, ist der Grundzug der künstlerischen Auffassung, der aus allen spricht. Peinliche Wiedergabe aller Linien und Flächen des menschlichen Antlitzes scheint in noch höherem Grade als in Italien das Porträtideal der Niederländer gewesen zu sein. Mit einer, allerdings unbegreiflich wunderbaren Ausnahme (das Ehepaar Arnolfini in London), begnügen sich die Maler für das Einzelporträt mit dem Kopf- oder Brustbild, meist in halber Lebensgrösse, jedoch giebt ihnen die als Regel gewählte Dreiviertelansicht, mehr als das beim Profilbildnis zum Ausdruck kommen konnte, die Möglichkeit, tiefer in das persönliche Wesen des Dargestellten einzudringen. Das Momentane in Miene oder Körperhaltung begegnet uns selten, der Wiederschein eines inneren Vorgangs, ein Erglänzen oder Erbeben der Seele, niemals. Den wichtigsten Unterschied der beiden Kunstweisen sehe ich jedoch darin, dass, wiederum ganz im allgemeinen gesprochen, bei den italienischen Porträts eine mehr zeichnerische und plastische, bei den niederländischen eine mehr malerische Empfindung die für den ersten Eindruck bestimmende ist. Während das Ziel der Linienführungs- und Lichtexperimente der Italiener sich auf eine lebenswahre Gestaltung der körperlichen Erscheinung, also der ~Form~ zu richten scheint, sind die Niederländer bei ihren künstlerischen und technischen Versuchen, zu welchen vor allem auch ihre besondere Feinfühligkeit in Verwendung des Oels als Bindemittel zu rechnen ist, in erster Linie um eine Steigerung und zugleich Verfeinerung der Wirkung der ~Farbe~ bemüht. [Illustration: ~Anbetung der Könige vom Meister der hl. Sippe.~ Nach einer Photographie im Kupferstich-Kabinet zu Berlin.] Die erstaunlich »malerische Stimmung«, die aus den besten Porträts der niederländischen Quattrocentisten spricht, ist es wohl vornehmlich gewesen, die auf die Italiener, besonders auf die Venetianer, einen so gewaltigen Eindruck gemacht und sie zur Nacheiferung angespornt hat. Auf die mit geringerem Gefühl für den Reiz der Farbe begabten Deutschen scheint gerade dieser Vorzug der nordischen Porträts keine erhebliche Wirkung gehabt zu haben. Sie bewunderten wohl mehr die frappante Aehnlichkeit, um die es ihnen ja selbst hauptsächlich zu thun war und den Schein der Lebenswahrheit, den sie der Sauberkeit und Feinheit der Einzelbehandlung zuschrieben. Von einem tiefer gehenden Einfluss gerade jener malerischen Kabinetstücke, wie etwa der beiden Brustbilder Jan van Eycks, die sich jetzt in London befinden, seines Arnolfini in Berlin oder dem seiner Frau in Brügge, ist in der deutschen Porträtmalerei auch nicht eine Spur zu entdecken. Wohl aber erkennt man, dass solche Bildnisse des Meisters oder seiner Schule zur Nachahmung reizten, in denen weniger die farbige Bilderscheinung die hervorstechende Eigenschaft bildet, als die Kunst der Zeichnung, die durch einen die Grenze des ästhetisch Annehmbaren beinahe überschreitenden Naturalismus erreichte physische Aehnlichkeit und die an die unerbittliche, aber poesielose Wirklichkeitsdarstellung des photographischen Apparates erinnernde Virtuosität der Detailbehandlung. Dass ein so bedeutender kölnischer Maler wie der Meister der heiligen Sippe von allen eyckschen Porträts just den Kopf des Mannes mit den Nelken (Berlin) erwählte, um ihn in seiner Anbetung der Könige (Privatbesitz, Westfalen) dem knienden Kaspar zu geben, ist in dieser Beziehung gewiss höchst bezeichnend. Schliesslich, aber etwas später als in Italien, ging auch im Norden der episch-beschreibende Stil gleichfalls in den dramatisch-charakterisierenden über (Q. Massys). — * * * * * Wenn wir der ~malerischen~ Qualität der deutschen Porträts des 15. Jahrhunderts gerecht werden wollen, so müssen wir, bevor wir sie mit den Werken einer späteren Zeit vergleichen, uns die Grenzen der Ausdrucksmittel vergegenwärtigen, an welche auch die besten Meister des ausgehenden Mittelalters gebunden waren. Es wird dazu nötig sein in aller Kürze diejenigen Haupthilfsmittel zu bezeichnen, welche den deutschen Quattrocentisten ~nicht~ zur Verfügung standen, bezw. nicht zur Verfügung stehen konnten. Gleich ihren niederländischen und italienischen Mitstrebenden wussten sie noch nicht den ~Luftkörper~ darzustellen, der alle Erscheinungen der Wirklichkeit umgiebt und der ihre Farben mit der jeweiligen Beschaffenheit der Atmosphäre (Feuchtigkeitsgehalt, Staubteile) und je nach ihrer Entfernung vom Auge des Beschauers verändert. Um das Fehlen dieses doch scheinbar so naheliegenden Faktors einer künstlerischen Abbildung der Wirklichkeit zu verstehen, muss man sich die Thatsache vergegenwärtigen, dass die gesamte Malerei des Mittelalters bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts gewissermassen eine Bilderschrift gewesen war, in die alle irdischen Erscheinungen übertragen wurden. Nicht Naturwahrheit war ihr Prinzip, sondern Schönfarbigkeit und dekorative Wirkung. Da sie also nur ein Gleichnis der Dinge geben wollte, nicht diese selbst in täuschender Aehnlichkeit, konnte sie auch nicht auf den Gedanken kommen, sich nach einer Ausdrucksmöglichkeit für die Darstellung der Körper im lufterfüllten Raume umzusehen. Erst als die dekorative Behandlungsweise von einigen Vorläufern der neueren Zeit durchbrochen wurde, sehen wir die Malerei mit der Lösung dieser Aufgabe beschäftigt, und naturgemäss greift sie nun bei der Wiedergabe des Raumes zu einem Mittel, welches ihrer frühern Arbeitsart am nächsten steht: sie versucht seine dreidimensionale Eigenschaft durch Führung der Linien und durch Verkürzungen der von den Seiten gesehenen Flächen zum Ausdruck zu bringen. Der Erfolg war gering, denn der Blick auf einen lediglich linear-perspektivisch aufgebauten Raum stösst doch immer nur auf Ebenen, anstatt an den Objekten vorbei und gewissermassen um sie herum, nach der Tiefe geführt zu werden. Auf die Abwesenheit des Luftkörpers ist es vornehmlich zurückzuführen, dass allen abendländischen Porträts bis zum Ende des 15. Jahrhunderts einerseits die volle Freiheit im Raume fehlt und dass sie andererseits der Einheitlichkeit, der Weiche und des Duftigen ermangeln, das ihnen die Atmosphäre in Wirklichkeit verleiht. Das ~Licht~, sowohl in seiner gleichmässigen Verteilung wie es die Formen belebt und ihre Umrisse sanft verschwimmen lässt, als auch in seiner besonderen Fähigkeit, als Beleuchtungsquelle mit bestimmt gegebener Richtung das Körperliche in seiner Rundung hervorzuheben und den Raum zu vertiefen, war, von mehr ahnenden als bewussten Experimenten Einzelner abgesehen, den Malern des deutschen Quattrocento ein verborgenes Geheimnis. Die modellierende Kraft der ~Farbe~ an sich, die in der Nebeneinanderstellung der Töne nach Massgabe der in ihnen enthaltenen »valeurs« beruht (d. i. nach der Menge der Lichtstärke, die sie der Einheit der Helligkeit oder des Dunkels — weiss und schwarz — nähert), vorausgesetzt dass dem Beschauer eine gegenständliche Vorstellung zu Hilfe kommt, ist wohl schon frühzeitig, nachdem das dekorative Prinzip seine Allgemeingiltigkeit verloren hatte, instinktiv gefühlt, aber nur zu einem geringen Teile ihrer vielfachen Möglichkeiten verwertet worden. Der einzige Punkt, in welchem es die frühdeutschen Meister zu einer bis auf den heutigen Tag schwerlich übertroffenen Vollkommenheit gebracht hatten, ist die eigentliche ~Technik~, und wenn auch die Leuchtkraft ihrer Farben vielleicht hinter der eines mit Oel gemalten Bildes zurückbleiben mag, so haben sie vor den späteren doch den Vorzug des dünneren, daher durchscheinenden Farbenauftrags und der grösseren Dauerhaftigkeit ihrer Werke voraus. Der gleichzeitigen italienischen Maltechnik gegenüber ist die nordische insofern im Vorteil, als der Firnissüberzug ihrer Kirschgummi-Eiklar-Tempera ein mehrfaches, allerdings wegen des langsamen Trocknens sehr zeitraubendes Uebermalen ermöglichte, so oft und so lange bis der gewünschte Farbeneindruck erreicht war, während die Feigenmilch-Tempera jener nach Auftrag des Firniss eine abermalige Uebermalung nicht mehr gestattete. Die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts angenommene Emulsions-Tempera der Eyck, eine mechanische Vereinigung von Oel oder Fett mit pulverisiertem Gummi, die sich beliebig mit Wasser verdünnen liess und schnell an der Luft trocknete, war eine erhebliche Erleichterung für den Maler, nicht aber eigentlich eine Verbesserung, die der Farbenwirkung in dem Masse zu gute kam, wie häufig angenommen wird.[91] Aus der fehlenden Erkenntnis von der vollen Bedeutung der Luft, des Lichtes und der Farbe ist es erklärlich, dass die deutschen Porträts des 15. Jahrhunderts unserem modernen Auge wie mit dem Pinsel hergestellte kolorierte Zeichnungen erscheinen, die frühen oberdeutschen fast ausnahmslos, die niederrheinischen mit einer etwas grösseren Annäherung an die farbige Bilderscheinung. Da jedoch diese letztere Gruppe nur in einer verschwindenden Anzahl auf uns gekommen ist, auch ihr malerischer Gegensatz zu der oberdeutschen in augenfälliger Weise erst durch die grossen Bildnismeister des 16. Jahrhunderts zum Ausdruck gebracht wird, darf wohl eine zusammenfassende Schilderung des deutschen Porträtwerkes im 15. Jahrhundert die in verhältnismässig grosser Zahl erhaltenen oberrheinischen, schwäbischen und fränkischen Werke als Repräsentanten und Hauptdokumente zum Ausgangspunkt nehmen. Die Verwandtschaft mit der Zeichnung fällt am deutlichsten bei den fränkischen Porträts auf, in etwas geringerem Grade bei den oberrheinischen und schwäbischen, sämtliche aber sind weit davon entfernt, den Eindruck der vollen Rundung des Körperhaften zu geben und kommen im besten Falle der Wirkung des flachen Holzschnitzreliefs nahe. In scharfer Linie setzt sich die Kopfform von dem Hintergrunde ab, und die Binnenzeichnung, also die einzelnen Gesichtsteile, besonders der untere Augenrand und seine Umgebung, das unter der Haut liegende Knochengerüst, die Muskeln und Sehnen, sind in deutlich erkennbaren Linien voneinander geschieden. Die allgemeine Form ist meist geometrisch richtig auf die Fläche projiziert, aber ihr Erscheinungswert ist nicht berücksichtigt, — eine starre, nüchterne Korrektheit, die zuweilen an die der Totenmaske erinnert. Man hat bei diesen Porträts, wie übrigens auch bei den gleichzeitigen Innenräumen und Landschaften, den Eindruck, als habe der Maler »abschnittsweise« gearbeitet und während sein Blick an einem bestimmten Teile seines beschränkten Sehfeldes haftete, übersehen, dass ein Teil in seiner Erscheinung wesentlich durch die daneben befindlichen beeinflusst wird und durch sie einen ganz anderen Daseinswert erhält, als wenn er allein stände, und erst recht scheint ihm bei dieser Arbeitsweise das Wirkungsverhältnis des Porträts zu seinem Hintergrunde entgangen zu sein, durch welches ein Zurücktreiben der letzteren bewirkt werden konnte und somit die Figur in ihrer Gesamterscheinung Plastizität erhalten hätte. Die Modellierung hat er, wenn es ihm überhaupt darum zu thun war, durch Detaillierung zu erreichen versucht, teils aber auch durch undurchsichtige grüne, bräunliche bis rosige Schatten, teils durch einen Wechsel verschieden abgetönter, gewellter Strichlagen. Welch ein Schein von Körperlichkeit und welch eine verhältnismässig volle satte Farbenrundung sich mit diesen beiden letzten, immerhin primitiven Mitteln erzielen lässt, das zeigen die Figuren auf den Tafelbildern eines Konrad Witz, Lukas Moser, Lochner, Multscher, Pacher u. a., die ihren Rücken haben, auch wenn sie nur in der Vorderansicht zu sehen sind. Leider haben uns gerade diese Meister keine eigentlichen Porträts hinterlassen. * * * * * Was die ~Persönlichkeiten der Dargestellten~ betrifft, so vermissen wir unter ihnen, gleichwie unter den Statistenscharen der kirchlichen Gnadenempfänger, fast gänzlich die Elite des scheidenden Mittelalters. Einzelporträts wie auch Stifterbildnisse mögen allerdings in den gewaltigen Feuersbrünsten, welche die Städte heimsuchten, verbrannt oder von fanatischen Bilderstürmern und in Kriegsläuften von plündernden Truppen vernichtet worden sein, viele sind wohl auch als wertloses Gut auf den Rumpelkammern allmählich von selbst verfallen. Dass noch im 16. Jahrhundert eine erheblich grössere Zahl als heute bekannt war, geht aus der grossen Menge der Kopien hervor, die damals nach Originalen angefertigt worden sind, die wir nicht mehr kennen. Die Mehrzahl der ersteren ist noch erhalten und vornehmlich in den bairischen Staatsgalerien und im kunsthistorischen Museum von Wien, Saal XV und XVI zu finden. Von diesen Kopien ein paar Worte. Diejenigen Männer, die wir heute als die eigentlichen Träger des Geistes jenes merkwürdigen 15. Jahrhunderts betrachten, fehlen auch hier. In überwiegender Mehrheit sind es die Fürsten und ihre Verwandten, welche für würdig erachtet wurden, der Nachwelt erhalten zu bleiben. Personen nach der Mitte des 15. Jahrhunderts scheinen nach Originalgemälden kopiert worden zu sein, freilich was Auffassung, Haltung, Tracht und Geschmeide betrifft, nicht ohne Aenderungen und Zuthaten der neuen Zeit. Für solche, die vor diesem Termin gelebt haben, mussten ausser gemalten und plastischen Stifterbildnissen, vor allem die Stammbäume, sowie auch Statuen von Portalen und Gewölbepfeilern, Grabfiguren, Reliefs, Miniaturen u. dergl. als Vorlage dienen. Die erste Sammlung solcher Nachbildungen (auch vereinzelter Originale) wurde von dem Herzog Wilhelm IV. von Baiern (1508 bis 1550) angelegt und durch Albrecht IV. (V.), den ob seiner verschwenderischen Ankäufe und Aufträge tief verschuldeten bairischen Medici, bedeutend erweitert.[92] Nach einem 1598 aufgenommenen Inventar bestand sie aus 778 Bildern, darunter nicht weniger als 579 Porträts. Ausser den Mitgliedern zeitgenössischer Regentenfamilien, wurden ganze Serien von Kaisern, Helden und Dichtern des Altertums angefertigt, diese natürlich freie Schöpfungen der Phantasie, ferner, sehr bezeichnend für den Mangel jeglichen kunstfreundlichen Sammeltriebes, allerlei Kuriosa, wie bärtige Jungfrauen, Zwerge, Hexen, Verbrecher u. s. w. Noch umfangreicher war die Sammlung, mit welcher Erzherzog Ferdinand von Oestreich, der Gemahl der Philippine Welser, in den Jahren 1578 bis 1590 alle Wände des Ambraser Schlosses bedecken und ganze Truhen füllen liess. (Jetzt zum grössten Teile im Wiener Hofmuseum.[93]) Als Leitbild mag ihm wohl die weltberühmte Porträtsammlung des Comasken Paolo Giovio (1483 bis 1552) vorgeschwebt haben, aus welcher er, wie auch Herzog Albrecht, viele Bilder kopieren liess. Das Bestreben des Erzherzogs war hauptsächlich darauf gerichtet, Porträts der regierenden Fürsten des 15. und 16. Jahrhunderts zu sammeln, ihrer Angehörigen und ihrer Ahnen, erst in zweiter Linie, und mehr nebenbei, die der grossen Staatsmänner, Künstler und Dichter derselben Zeit, mit strengstem Ausschlusse aller Männer der reformatorischen Glaubensbewegung. Wenn nur irgend möglich, hat er die Kopien nach Originalen anfertigen lassen und reine Phantasiegebilde fast gänzlich vermieden, ebenso Abnormitäten mit wenigen Ausnahmen, als welche nur einige »rauche« Menschen und die Lamalitlin, eine berüchtigte Hungerkünstlerin und Betrügerin aus Augsburg, zu nennen sind, deren nicht uninteressante Züge auch des älteren Holbeins Silberstift (Berlin) verewigt hat. Diese geringfügige Rolle, welche Missbildungen und Wunderlichkeiten spielen, ist sehr bemerkenswert in einem Zeitalter, welches so leidenschaftlich »das Rare ästimierte«. Schliesslich ist noch die Porträtsammlung des Statthalters von Holstein, Heinrichs von Rantzau (1526 bis 1599) zu erwähnen, die später mit der des Herzogs Philipp II. von Pommern vereinigt wurde. Die Sammlung kam 1603 nach Stettin und ist seit der Besetzung dieser Stadt durch die Schweden 1637 verschwunden. d) Physiognomisches Gesamtbild der Porträts des 15. Jahrhunderts. Es erübrigt nun noch uns die Frage vorzulegen, ob und in wie weit die Porträts des 15. Jahrhunderts ~das Aussehen der Menschen~ jener Zeit richtig wiedergeben, oder ob wir eine Inkongruenz zwischen Abbild und Wirklichkeit annehmen müssen. Die Beantwortung dieser Frage führt uns auf den schwankenden Boden der Vermutungen. Sie selber, nach denen wir uns umsehen, sind in jenes unbekannte Land eingegangen, von dessen Mark kein Wandrer wiederkehrt, und ihrer irdischen Gestalt hat keine photographische Platte Dauer verliehen. Da auch die litterarische Ueberlieferung in diesem Punkte völlig versagt, können wir uns nur an die plastischen und gemalten Dokumente halten. Mit den letzteren haben wir uns eingehend beschäftigt. Welches physiognomische Gesamtbild geben sie uns von den Menschen des 15. Jahrhunderts? Könnten wir die Porträts, die Stifter und die porträtartige Assistenz, denn auf alle diese drei Gruppen müssen wir unsere Schlüsse begründen, kinematisch in ununterbrochener Reihe an unseren Blicken vorüberziehen lassen, so würden wir das Unterscheidende allenfalls in der nach Stammesart verschiedenen Kopfform entdecken, das Gemeinsame jedoch in dem, was bei flüchtiger Betrachtung zuerst ins Auge fällt, in Bildung und Ausdruck der Physiognomie. Die Gesichter der Männer sind mager, ohne Fülle und Rundung des Fleisches. Falten und Runzeln erscheinen schon bei jüngeren Leuten, und die Querfurche der Sorge bedeckt gar oft eine jugendliche Stirn. Die Haut, unter der das Blut langsam und träge zu wallen scheint, ist welk und gelblich, nicht von jener Mischung des Rot und Blau durchdrungen, die auf einen gesunden Ernährungszustand hindeutet, oft erinnert ihre Farbe geradezu an das Spital. Das Auge ist glanzlos, häufig wie erloschen, die Lider müde und schlaff, und traurig hängen die Mundwinkel herab. Der Ausdruck ist unfrei, philisterhaft eingeengt, ohne Lebensfreude und, besonders bei den Einzelporträts, zaghaft, ängstlich oder bekümmert. So passt auf die Mehrzahl das Wort, welches in einer französischen Kunstgeschichte sehr mit Unrecht auf Holbeins und Dürers Bildnisse angewendet wird, dass uns aus ihnen entgegen wehe: le sanglot sourd du peuple allemand étouffé sous le vieux bourg féodal![94] Die Frauenköpfe, sofern sie überhaupt über das Typische hinausgehen, sind voller als die der Männer, auch gesunderen und frischeren Aussehens, doch tragen auch sie den Stempel des Kleinbürgerlichen und Befangenen, nur dass sich ihnen zuweilen ein Zug von Lebenslust, auch wohl von Schalkheit hinzugesellt. Dieses Gesamturteil kann natürlich nur einen beschränkten Anspruch auf allgemeine Giltigkeit erheben, wie jede derartige Generalsentenz. Ausnahmen sind bei den Einzelbetrachtungen hervorgehoben worden. Von einer provinziellen Sonderung durfte wohl abgesehen werden: auf diejenige Malerschule, von der wir die meisten porträtmässigen Darstellungen besitzen, auf die fränkische, dürfte das vorstehende Signalement im grossen und ganzen zutreffen. Wie haben wir uns das Gemeinsame in Gesichtsbildung und Ausdruck zu erklären? Zunächst darf es als ausgemacht gelten, dass nicht nur im 15. Jahrhundert, sondern gemeinhin alle etwa gleichzeitig geschaffenen Bildnisse, auch wenn die Mitlebenden die individuelle Aehnlichkeit jedes einzelnen rühmen, und das ist bekanntlich zu allen Zeiten geschehen, dennoch eine unverkennbare Verwandtschaft untereinander bekunden. Man erinnere sich, um nur einige der bekanntesten und charakteristischen Gruppen zu nennen, an die ägyptischen Königsstatuen, etwa die der 19. Dynastie, an die athenischen Jungfrauen der Akropolis, an die Porträtköpfe der Diadochen, an die Römerbüsten der zu Ende gehenden Republik oder an die des julisch-claudischen Herrscherhauses, an die florentinischen des Quattrocento, an die Porträts der Rokokozeit oder an die englischen des vorigen Jahrhunderts, ja selbst wenn wir uns im Geiste die Repräsentationsbilder unserer Tage vergegenwärtigen, werden wir auch bei ihnen gemeinsame Züge entdecken, und man kann sich recht wohl vorstellen, wie kommende Zeiten sich aus diesen, wie auch wir meinen »sprechend ähnlichen« Zeugnissen, eine ganz bestimmte Vorstellung von dem Aussehen der Geburt-, Geist- und Geldaristokratie im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts machen werden. Die Erklärung dieser Zeitgenossen-Aehnlichkeit ist in zwei Umständen zu finden. Auf das Aeussere, gerade so gut wie auf das Innere des Menschen vermag das Meiste »die Geburt und der Lichtstrahl, der dem Neugeborenen begegnet«. Die erstere drückt ihm den Rassen- und Stammesstempel schon in der Wiege auf, und in dem letzteren bilden sich seine besonderen Züge. Der Lichtstrahl ist das Produkt der Umgebung, des Milieu, in den ihn der Zufall versetzt hat, des jeweiligen Zustands der Kultur, der Freiheit oder der Gebundenheit der Geister, des Wohlstands oder der Armut, der vorherrschenden geistigen und körperlichen Lebensweise, und, ist der Neugeborene weiblichen Geschlechts, wohl auch der Höhe der Kinderzahl, welche die Sitte der Zeit von der Frau erwartet. Die Erscheinung des Menschen in seinem Ebenbild wird ausser durch ihn selbst im wesentlichen durch das künstlerische und technische Vermögen der mitlebenden Menschenbildner bestimmt, ein wenig auch durch die Tracht, in der er sich porträtieren lässt und durch den Grad seiner Becheidenheit, ob er nämlich so dargestellt sein will, wie er wirklich ist, oder ob er anders, d. h. mehr scheinen möchte, als Geburt und Umgebung ihn nun einmal geschaffen haben. Dieses Moment der Selbsteinschätzung ist bei allen Porträts vom 17. Jahrhundert an bis auf den heutigen Tag von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Da nun alle jene vorgenannten Grundlagen und Bedingungen an bestimmten Orten und in gleichen Kulturperioden annähernd dieselben sind, werden auch ihre Geschöpfe, das sind die Menschen und ihre künstlerischen Abbilder, einigermassen einander gleichen, da sie aber andererseits dem Gesetze des Wechsels unterworfen sind, wird auch Mensch und Bild mit dem Eintritt einer neuen Epoche sich verändern. Der zweite Erklärungsgrund dieser Aehnlichkeitserscheinung ist der folgende: wenn auch der Künstler während der Arbeit des Porträtierens getreulich bemüht ist, innerhalb der Grenzen seines Könnens sein Vorbild so wieder zu geben, wie er es vor sich sieht, so bringt er doch bereits indem er an die Staffelei herantritt, in seiner Vorstellung ein fertiges Innenbild von der auf die Fläche projizierten Erscheinung einer jeden Menschengestalt mit. Dieses Innenbild ist ohne sein Zuthun und ohne seinen Willen ganz von selbst aus der Anschauung derjenigen Menschenbildnisse geboren, die bereits vor ihm andere geschaffen haben, von ihm kann er sich nicht losmachen, selbst nicht im Angesicht des besonderen Modells, — sein Reflex im Porträt, dessen Stärke in umgekehrtem Verhältnis zu der künstlerischen Kraft des Malers steht und den man die unbewusste »Manier der Zeit« nennen könnte, ist also bis zu einem gewissen Grade unabhängig sowohl vom Wesen der Dargestellten als auch von der jeweiligen Auffassung des Darstellers. In der Regel, und nicht durch ein Spiel des Zufalls, liegen die Perioden, in denen die Porträts gleichsam die nämliche Fabrikmarke tragen, innerhalb derselben Grenzen: es decken sich diejenigen, welche durch das Aussehen der Menschen, ihre Tracht und das Können und Wollen der Zeit bestimmt werden, mit denen der gleichen »Innenbilder« der Künstler. Am Anfang einer jeden Periode steht, wo es sich nicht um die allererste handelt, das die Nacheiferung erweckende Muster einer grossen fremden Kultur und Kunst oder das dem eigenen Boden erwachsene Genie. Ihre Dauer ist ungleich. In den Zeiten langsamen Kulturfortschrittes und bei dem Mangel eines anregenden Verkehrs mit einem höher entwickelten Nachbarlande, Bedingungen, die einen Tiefgang der Kunst zur Folge haben, währen sie wohl Jahrhunderte lang, im Hochgange von Kultur und Kunst vielleicht Jahrzehnte und in stürmischen Entwickelungsepochen folgen sie in noch kürzeren Zeiträumen aufeinander. Das 15. Jahrhundert bildet im grossen und ganzen betrachtet ~eine~ solche Bildnisperiode. Ihr Anfang bezeichnet die in den ersten Jahrzehnten eingetretene Emanzipation von Typus, welche in diesem besonderen Falle allerdings weder unmittelbar durch ein fremdes Beispiel noch durch die That eines einzelnen Genies erfolgte, sondern durch das Zusammenwirken einer Summe geistiger, kultureller, psychologischer und künstlerischer Momente und gefördert durch einzelne Talente sich vollzog. An ihrem Ende steht die Reformation und Dürer. Unsere am Eingang gestellte Frage nach dem Grad der Uebereinstimmung zwischen Mensch und Bild im 15. Jahrhundert darf nach diesen Ausführungen etwa in folgender Weise beantwortet werden: die allgemeine Gesichtsbildung entspricht vermutlich der Wirklichkeit. Für die Wiedergabe der ruhenden Formen reichte das Können der Künstler aus, für die Bewegungen derselben jedoch, für den Ausdruck, war es unzulänglich. Die Befangenheit, die ängstliche Spannung, der Ernst und die Traurigkeit, welche die Mehrzahl der Bildnisse kennzeichnet, ist auf Rechnung dieses Unvermögens und auf das allen Künstlern vorschwebende Innenbild zu setzen, — in wie ~weit~ diese letzteren beiden Umstände freilich der Natur Abbruch gethan haben, wird sich niemals entscheiden lassen. Rückschau und Ausblick. Der Mensch ist der wichtigste Gegenstand der mittelaltrigen Plastik und Malerei. Das Werden und Wandeln seiner bildnismässigen Darstellung ist der Hauptinhalt der Geschichte dieser beiden Gebiete. Er steht im Mittelpunkt allen künstlerischen Interesses von den Karolingertagen an bis auf Dürer, selbst dann, als mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts die Landschaft, zunächst in den Handschriften, sich zu selbstständiger Bedeutung erhebt. Jede Erweiterung des Anschauungs- und Darstellungsvermögens kommt im Umriss und in der Binnenzeichnung der menschlichen Gestalt zum Ausdruck, jede Errungenschaft im Reiche der Farbe wird ihrer körperlichen Erscheinungsform dienstbar gemacht. Indem für das Abbild des Menschen, ebenso gut wie für ihn selbst, bis zu einem gewissen Grade die religiösen, geistigen, sozialen und kulturellen Strömungen der Zeiten bestimmend sind, ist die Geschichte des Menschenbildnisses, zum mindesten in dem in unaufhörlichem Flusse befindlichen Mittelalter, zugleich ein Stück welthistorischer Wissenschaft. Künstlerisches Ausdrucksvermögen sowohl als technisches Können stehen in den verschiedenen Kunstgebieten zu gleichen Perioden nicht auf einundderselben Stufe, es fallen daher die Höhepunkte der Menschenbildung in Plastik, Malerei und den ihnen verwandten Künsten zeitlich nicht zusammen. In der Buchmalerei, die, was die Wiedergabe des Umrisses der menschlichen Gestalt anbelangt, gleich am Beginn unserer Betrachtungen mit einem verhältnismässig hohen Grad des Könnens einsetzt, erreicht die individuelle Menschenbildung nach mehrfachen Schwankungen und Hemmungen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts den Hochstand ihrer Entwickelung, von dem sie jedoch infolge der nun bald allgemeiner werdenden Verbreitung des Holzschnitts und des Kupferstichs, rasch wieder herabsinkt. In der Plastik hebt das Blütenalter lebenswahrer Menschendarstellung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit den Naumburger Stifterbildnissen an und setzt sich fort in den Grabfiguren der beiden folgenden Jahrhunderte. Die etwa gleichzeitig mit den Naumburger Donatoren in Braunschweig, Bamberg u. a. O. sofort mit hoher Vollkommenheit ins Leben tretende idealistische Richtung findet keine nennenswerte Nachfolge. Die Wandmalerei überschreitet nicht die Grenzen der primitiven Kunst oder des Handwerks, sodass bei ihr von einem Ausreifen überhaupt nicht gesprochen werden kann. Auf Medaille, Holzschnitt und Kupferstich erreicht das Bildnis seine volle künstlerische Entfaltung erst in einer Zeit, die jenseits unserer Betrachtungen gelegen ist. In der Tafelmalerei, wenngleich auch auf ihrem Gebiete die höchste Erscheinungsform des Menschen erst von Dürer und Holbein erreicht wird, erhebt sich Bildnis und Porträt im 15. Jahrhundert zu relativ beträchtlichen Vollendungshöhen. Nachdem sie etwa im dritten Jahrzehnt überall und mit erstaunlicher Kraft und Schnelligkeit sich vom Typus und konventioneller Form befreit und bisher unbekannte Ausdrucksmöglichkeiten der Zeichnung und Farbe entdeckt hatte, bringt sie es aus ureigenem Vermögen zu so überraschenden und so vielseitigen Menschendarstellungen wie auf dem Thomasaltar, dem Kölner Dombild, dem Imhofaltar, auf einzelnen Werken der Bodenseeschule, der elsässischen und bairischen Frühkunst. Um die Mitte des Jahrhunderts erreicht sie der niederländische Einfluss, der ihr von Anbeginn auf Naturwahrheit gerichtetes Bestreben wesentlich fördert, bezw. es dort neu ins Dasein ruft, wo ein idealistischer Hochgang seine Entfaltung gehemmt hätte, und der bald, zunächst vornehmlich in seiner Fernwirkung auf die schwäbische und fränkische Kunst, hervorragenden Bildnismalern den Boden bereitet, wie dem älteren Holbein und denen, die sich um Wolgemut gruppieren. Das Vorbild der italienischen Malerei hatte im Süden von Deutschland schon im zweiten und dritten Jahrzehnt langsam eine Läuterung des dort allzu derb naturalistischen Idioms eingeleitet, worauf die Gestalten des Bamberger Altars in München, die für Salzburg gemalte Rauchenberger Votivtafel und vielleicht auch Lukas Mosers Magdalenen-Altar hindeuten. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gelangen nordische und südliche Einflüsse gleichzeitig und gleichwertig zur Geltung, am spätesten dringen die letzteren zu der niederrheinischen und den von ihr abhängigen Malerschulen, wo sie zwar im 16. Jahrhundert auf kölnischem Boden eine glänzende Porträtkunst ins Leben rufen, jedoch der Selbständigkeit und Eigenart der rheinischen Malerei auf allen anderen Gebieten ein unrühmliches Ende bereiten. Die mittleren Gegenden von Deutschland — Schwaben, Franken und Obersachsen —, deren Malerei die Anregungen der Niederländer gern aufgenommen hatte, weil ihrem eigenen Wesen im innersten verwandt, besassen mehr als die von Nordwestdeutschland die Kraft, auch das ihrer Eigenart widerstrebende Schönheitsideal der romanischen Kunst in sich aufzunehmen und zu verarbeiten, ohne dem Grundzug ihres Charakters gänzlich entfremdet zu werden: der Sebastians-Altar des älteren Holbein ist hierfür ein bezeichnendes Beispiel. Auch der Kunst der südlichen Alpenländer, welche die nordischen Muster erst aus zweiter und dritter Hand kennen gelernt hatte, diente das Formenprinzip der benachbarten Italiener zunächst zur Förderung und Klärung ihrer heimischen Triebkraft: der Wolfgang-Altar von Michael Pacher. * * * * * Beeinflussungen! Wie ein ermüdendes Leitmotiv erklingt es aus allen Entwickelungsstadien der deutschen Malerei. Ein Kunstgebiet wirkt auf das verwandte, eine Malerschule auf die Nachbarin, ein Künstler auf den anderen, über alles Geschaffene spannt sich ein Netz von verbindenden Fäden und selbst zu dem Werke des Genius scheint die Fussspur von dem eines früher erdachten zu führen. Man ist auf mancher Seite geneigt, die Betonung der »Einflüsse« scharf abzuweisen. Dass ihre Kenntnis dem ästhetischen Geniessen eines Kunstwerks eher hinderlich als förderlich ist, sei von vornherein zugegeben, doch darum handelt es sich in einer geschichtlichen Betrachtung zunächst nicht. Wenn aber behauptet wird, es hiesse die originale Bedeutung eines Meisters herabsetzen, indem man frage, wo er das oder jenes »herhabe«, so fehlt mir für diesen Vorwurf das Verständnis: nicht wo er die Anregung zu einem Gedanken erhalten hat, ist doch das Wesentliche, sondern wie er ihn ausgestaltet. Schon in dem Worte original, von oriri d. h. sich erheben, geboren werden, abstammen, ist der Hinweis auf eine notwendigerweise vorangegangene Zeugung enthalten. Michelangelos Moses verliert doch wahrlich nicht um Haaresbreite an Wert, wenn man nachweist, dass der Schritt seines Bildners ihn zuweilen vor den Johannes des Donatello geführt hat. Und wie man nur gar der Meinung sein kann, es gäbe überhaupt ein Ding, das nicht in irgend einem Zusammenhang mit einem anderen stehe und mit ihm in Verbindung gebracht werden könnte und müsste, ist in einem Zeitalter, das sich die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Forschung eines Darwin — ich spreche nicht von seinen Folgerungen — zu eigen gemacht haben sollte, schlechterdings unerklärlich. Kunst ist im letzten Grunde Nachahmung, ihr Objekt ist die Natur. Dass ~sie~ den Künstler »beeinflusst«, bedarf wohl nicht des Beweises. Wenn nun ein Künstler irgendwo auf seinen Wegen ein bereits von einem anderen verarbeitetes Stück dieser Natur begegnet, so muss das Produkt des ihm mehr oder minder wahlverwandten Kunstgenossen gewiss noch mehr als das der Natur eine Wirkung auf ihn ausüben. Das Abbild des einen so gut wie des anderen wird in seiner Seele zum Innenbild, und aus der Summe der Innenbilder entstehen seine Schöpfungen. Wenn Lukas Moser von Wil den Auftrag erhielt oder wenn er den selbständigen Drang in sich fühlte, einen Magdalenen-Altar zu malen, woher ist ihm die Fähigkeit ihn zu komponieren oder der Antrieb dazu gekommen? Entweder hatte er schon eine ähnliche Tafel gesehen oder er erfand sie auf der Grundlage verwandter Darstellungen von heiligen Geschichten, die ihm bekannt waren. Ich persönlich glaube, dass Mosers Phantasie eine Handschriftillustration angeregt hat, aber in dem einen wie in dem anderen Falle, Miniatur oder Altargemälde, ist es doch die zum Innenbild gewordene Anschauung eines Kunstgebildes, die ihn beeinflusst hat. Nicht immer wird der Vorgang sich so einfach herleiten lassen wie in diesem Beispiel. An dem Werke des Genies wird vielleicht nur wieder das verwandte Genie das spinnenwebenzarte Fädchen entdecken, das von einem anderen herüberleitet, vorhanden aber wird es immer sein. * * * * * In drei Erscheinungsformen ist uns das Bildnis in der Tafelmalerei entgegengetreten. Etwa um die Mitte des 15. Jahrhunderts war der Gebrauch aufgekommen, bestimmte lebende Personen sich als thätige oder unthätige Teilnehmer unter die Figuren der heiligen Vorgänge mischen zu lassen. In Niederdeutschland sind derartige Assistenzbilder ungemein selten, in Oberdeutschland waren es hauptsächlich der ältere Holbein und die Meister der fränkischen Schule, welche diese Gattung gepflegt haben, aber auch hier ist ihre Zahl gering, verschwindend gegenüber der Summe individueller Existenzen, welche auf italienischen Wand- und Tafelbildern sich ausbreitet. Das Stifterbildnis, dessen Gedanke älter ist als die Tafelmalerei, scheint gleichmässig über ganz Deutschland verbreitet gewesen zu sein. Nur insofern unterscheidet sich der Norden von dem Süden, als dort einzelne und meist patronisierte Figuren üblich sind, während hier die Familiengruppen ohne Schutzpatron überwiegen. Das häusliche Einzelporträt, seit der Mitte des Jahrhunderts nachweisbar, bildet sich gegen das Ende hin zu solcher Reife aus, dass es ganz unmerklich, ohne dass man die Grenzlinien bezeichnen könnte, aus der gotischen Zeit in die Renaissance hinüberführt. Aus der Zahl der erhaltenen Porträts zu schliessen und den Eigentümlichkeiten der verschiedenen Malerschulen entsprechend, dürften in Franken die Konterfeis häufiger gewesen seien als in irgend einer anderen Gegend. Jedenfalls haben sie auch dort, und zwar bei der Gruppe Pleydenwurff-Wolgemut, die höchste Vollendung erlangt, ja einzelnen dieser Meister durften noch bis vor kurzem Porträts zugeschrieben werden, die jetzt als Werke des jungen Dürer anerkannt sind. Von allen diesen drei Bildnisgattungen hat nur die zuletzt genannte sich als einer weiteren, auch heute noch nicht abgeschlossenen Entwickelung fähig erwiesen. Wohl haben uns die grossen Meister der Renaissance einige bedeutende Assistenzbilder und manche vortreffliche Donatorenfigur hinterlassen, aber Kirchen- und namentlich Hausaltäre wurden in der neuen Zeit überhaupt seltener gemalt, nicht nur in protestantischen, sondern auch in katholisch gebliebenen Ländern, und wo neben den neuen Gebieten, die sich der Malerei eröffnet hatten, das alte Kirchenbild doch noch weiter gepflegt wurde, da verlangte man wieder ganz entschieden nach einer gewissen Idealisierung, man wollte nicht mehr den Tuchschneider und den Krämer mit ihren Alltagsgesichtern unter den Heiligen oder in ihrer nächsten Nähe sehen. Mit des jüngeren Holbeins Madonna des Bürgermeisters Meyer hatte das Assistenz- und zugleich das Stifterbild seinen Höhepunkt erreicht, und schon in den Werken Lukas Cranachs sehen wir das Porträtartige wieder einer idealisierenden Verallgemeinerung Platz machen. Ganz verschwunden ist allerdings auch später die profane Assistenz von den heiligen Darstellungen nicht, und selbst die kleinen Adorantenpüppchen leben bekanntlich noch heute weiter auf Totenschildern, Votivtafeln, Marterln u. dergl. Wo aber auf wirklich künstlerisch ausgeführten Gemälden in unseren Tagen Stifterbildnisse angebracht werden, wie z. B. auf dem Flügelaltar von Nüttgens im Frankfurter Dom ein Prälat und ein Stadtpfarrer, machen sie den unbefriedigenden Eindruck des reflektiert Altertümelnden, und wenn sie nun gar erst in moderner Alltagstracht erscheinen, wie auf einem grossen Altar von Delug, den ich 1898 im münchner Glaspalast sah, wird der Widerspruch zwischen der achaischen Erscheinungsform und dem, was man sonst in den Jahresausstellungen zu sehen gewöhnt ist, bis nahe an das Gebiet des Komischen gesteigert. Nur dem unabhängigen Porträt also gehörte die Zukunft, und schon wenige Jahrzehnte nach der Zeit, mit welcher wir unsere Betrachtungen abgeschlossen haben, hat es in der auf die Einheit der Erscheinung und auf dem Wesensausdruck gegründeten idealistischen Kunst eines Dürers und eines Holbeins eine glänzende Entwickelungsepoche erlebt. Aber seinen höchsten Gipfel hat es aller Wahrscheinlichkeit nach weder mit den genialen Renaissancemeistern, noch selbst mit der einsamen Riesengestalt des geistes- und stammesverwandten Rembrandt erreicht. Nach welcher Richtung in dem kommenden Jahrhundert die Weiterbildung des Porträts erfolgen wird, das ist freilich nicht vorherzusagen. Erschöpft sind seine Ausdrucksmöglichkeiten jedenfalls noch nicht, weder nach der Seite des Malerischen, noch weniger nach der des Charakteristischen. Sehen wir doch, um nur eins der einer Steigerung fähigen malerischen Momente hervorzuheben, noch immer unsere ersten Meister um Wahrheit und Kraft des Fleischtons sich abmühen, um das heisse, blutstrotzende Leuchten des Jünglingsantlitzes, um die rosige, im Geäder bläulich schimmernde Zartheit des Mädchenteints, um das Durchscheinen des trägen, stockenden, schwärzlichen Venensaftes durch die matte, verwelkte Haut des Alters. Aber noch durch keines der ewig erneuten Experimente, durch keine Mischung der Töne auf der Palette oder der Leinewand, oder durch das punktweise Nebeneinandersetzen einer Unmenge reiner Farben, die erst auf der Netzhaut des Auges sich vereinigen sollen, konnte bisher der Schein des wirklichen Fleischtons der Natur erreicht werden. Rembrandt kommt ihm am nächsten, aber er musste dazu seine Porträts in ein so tiefes und farbiges Dämmerlicht tauchen, in dem wir die Lebenden nicht zu sehen gewöhnt sind. Und im Hinblick auf das, was an Schärfe der Charakteristik der Zukunft vielleicht noch zu erringen bleiben wird, wage ich hier das Wort Momentphotographie auszusprechen. Gewiss »er hat kein Herz, der Photograph, in seinem Apparat« — so schrieb Hans Thoma einst an eine Freundin —, »der ist objektiv und seine Richtigkeit macht Niemand das Herz warm«. Ein Maler, der mit dem Sonnenbilde rivalisieren wollte, verdiente nicht den Namen eines Künstlers. Aber schliesslich kann man sich doch vor der Thatsache nicht verschliessen, dass der Akt des subjektiven Sehens sich durch das Auge vollzieht und dass dieses nichts anderes ist als ein photographischer Apparat. Wenn man nun bedenkt, wie scharf das photographische Augenblicksbild die individuelle Silhouette festhält, die unbewusste Haltung des Körpers, die subtilste Gebärde, eine in einer Reflexbewegung sich offenbarende Bewegung der Seele, kurz die Summe aller jener unausgesetzten Ausstrahlungen des Innern eines Menschen, die wir nicht zu beachten pflegen, die darum aber nicht minder vorhanden sind und in ganz eminenter Weise das Wesen einer Persönlichkeit kennzeichnen, so darf man wohl bei der nicht zu leugnenden Evolution des unterscheidenden Sehvermögens erwarten, dass auch das physische Auge für derartige scharf zergliedernde Beobachtungen den Sinn und die Fähigkeit erwerben wird. Wie der grosse Künstler dann den Menschen aus der Tiefe seines Herzens neu erschaffen und im Ebenbilde vor unsere Blicke hinstellen wird, das ist das Rätsel, dessen Lösung nur durch die vollendete That gegeben werden kann. * * * * * Alles blüht, alles vergeht. Auch die mittelaltrige Kunst musste der Renaissance das Feld räumen. Ein Gewinn, — ein unwiederbringlicher Verlust. Tiefsinnige Gedanken, inbrünstige Glaubenskraft, Reinheit des sittlichen Wollens und kindliche Naivität wurden mit ihr zu Grabe getragen. Aber auch das Phänomen der Renaissancekunst unterlag dem Wechsel aller irdischen Dinge, gleichwie die wuchtige Kraft des Barocks, das heitere Spiel des Rokoko und die anderen Richtungen, die ihnen folgten. Neue Zeiten bringen neue Ideale und neue Menschen, die sie verkörpern. Ein letztes Ziel ist der Kunst und mit ihr der bildlichen Darstellung des Menschen nicht gesteckt, und ihre Grenzmark wird sie nicht eher erreichen, als bis auch Schauen, Sinnen, Empfinden, Denken und Ringen des Menschengeistes am Ende ihrer Entwicklung angelangt sind. Fussnoten: 1 In einem Essay über die deutsche bildende Kunst, in dem von H. Mayer herausgegebenen Sammelwerk: das deutsche Volkstum, Leipzig und Wien 1899, giebt Henry Thode eine höchst feinsinnige Erklärung des »Deutschen« in der bildenden Kunst, welche, meines Wissens zum ersten Male, nicht die äusseren Faktoren, als Natur, Klima, soziale und politische Verhältnisse, sondern die inneren, d. h. die der germanischen Rasse angeborene psychisch-physische Anlage in den Vordergrund rückt. Nach Thode ist das für die künstlerische Darstellung entscheidende Element dieser Rasseneigentümlichkeit: das Ueberwiegen der Gefühls- und Phantasiethätigkeit über die Verstandesthätigkeit. Völlig frei und schrankenlos aber vermögen Gefühl und Phantasie sich nur in einer Kunst auszusprechen, in der Musik, und daher konnte nur in ihr das eigentlichste Bedürfnis der deutschen Volksseele seine höchste Befriedigung finden. In den bildenden Künsten, deren Prinzip nicht die Zeit, sondern der Raum ist und deren Ausdrucksmöglichkeiten infolge dessen beschränktere sind, musste ein Uebermass von Gefühls- und Phantasiethätigkeit, neben so manchen nur der deutschen Kunst eigentümlichen Vorzügen, auch zu Form, Stil und Einheit störenden Erscheinungen führen, als da sind: ein zuviel des Stoffes, der Bewegung, der Individualistik, der schweifenden Gedankenbilder. Den heftigen Gefühls- und Phantasietrieb des deutschen Künstlers erkennt Thode in allem vom deutschen Baumeister, Bildhauer oder Maler Ersonnenen und Gebildeten, ja selbst unter der alles verklärenden, Stil und Einheit bildenden Lichthülle des grössten Meisters, zwar nicht der deutschen, aber der germanischen Malerei, in Rembrandts Werken weist er sein geheimnisvolles Walten nach. — Meine oben im Text folgende Analyse der deutschen Art war bereits geschrieben als ich die Thodes las. Dass beide in dem Grundgedanken übereinstimmen, findet seine Erklärung darin, dass meine Anschauungen über das Wesen der deutschen Kunst sich seinerzeit an dem gesprochenen Wort des verehrten Lehrers gebildet haben. 2 Seltsam, dass auch auf diesem Gange Mensch und Bildnis sich gleichen: auch beim Kinde beginnt die Natur ihre Differenzierungs-Arbeit beim Munde und nicht, wie wohl nur erfahrungsarme Mütter meinen, beim Auge. Ob hier dasselbe Gesetz, das von dem geringsten Widerstande, gilt, wage ich nicht zu behaupten. 3 Vergl. die kleine Studie über das deutsche Porträt von Karl Lamprecht im 3. Jahrgang des Museums, S. 21, wo dieses Beispiel durch Abbildungen erläutert wird. Uebrigens wird man bei Betrachtung dieser kalligraphischen Figuren lebhaft an die ersten Kunstübungen des Kindes auf der Schreibtafel gemahnt, — wiederum eine Uebereinstimmung zwischen Mensch und Kunst. 4 Auch die französische Kunstgeschichte stellt die Handschriften-Illustration dieser grossen Zeit an die Spitze ihrer Entwickelung, und formell nicht mit Unrecht, denn die nationale Scheidung zwischen Deutschen und Franzosen beginnt erst mit dem Vertrage von Verdun. Im Grunde aber ist die karolingische Kunst, soweit sie nicht römisch ist, eine ~deutsche~, denn auch noch nach der entscheidenden Schlacht bei Fontenoy, 841, sogar bis ins 12. und 13. Jahrhundert hinein, verbleiben diejenigen Klassen Frankreichs, von denen sowohl künstlerische wie litterarische Anregungen ausgehen, der Adel und die Geistlichkeit, germanisch, ihrer Abkunft und Gesinnung nach. 5 Für die Behauptung, diese unter Glas und für die Betrachtung recht ungünstig aufgestellte Reiterfigur sei kein Werk der karolingischen, sondern der Renaissancekunst, scheint mir der Beweis noch nicht erbracht zu sein. Vergleiche hierzu die vortreffliche Monographie der Bildnisse Karls des Grossen von Paul Clemen, Aachen 1890 und den Versuch einer Widerlegung in G. Wolframs Aufsatz in der Zeitschrift für bildende Kunst, Jahrgang 1894, S. 160. — Mit Einhards Beschreibung stimmt auch Karls Kopf auf der bei Gelegenheit der Kaiserkrönung geschlagenen Bleibulle überein, die sich wenn ich nicht irre im Museum von Saint-Germain-en-Laye befindet. — Aber die Tradition von dem Aeussern des Kaisers ging bald verloren. Schon in Handschriften vom Anfang des 10. Jahrhunderts tritt der lange Vollbart auf. Die seit der Renaissance in Deutschland geschaffenen Idealgestalten Karls sind sämtlich mehr oder minder von Dürers grossartigem Bildnis, jetzt im Germanischen Museum, beeinflusst, zu dem der Historiograph Johann Stabius seine Züge lieh. — Die bestbeglaubigte unter den gleichzeitigen Porträtdarstellungen, das Bild Karls des Grossen über seinem Grabe im Aachener Münster, ist wohl schon 881 von den Normannen vernichtet worden, und das Mosaik aus dem Triklinium des Lateranes hat bei seiner Uebertragung an die freistehende Nische der Kap. Sancta Sanctorum fast jeden Anspruch auf Authenticität verloren. 6 Dass die Beobachtung und Wiedergabe der Gebärde der des Physiognomischen vorausgeht, wie wir das später auch bei der Wand- und Tafelmalerei sehen werden, findet seine psychologische Begründung in der grösseren Empfindlichkeit der Netzhaut des Auges für Bewegungen als für stabile Verhältnisse. Das beste Beobachtungsobjekt ist auch in diesem Betrachte wiederum das Kind. 7 Nicht publiziert. Ich verdanke eine Photographie der Güte des Dr. Swarzenski. 8 Karl Lamprecht, deutsche Geschichte, III. S. 6 ff. 9 Vergl. hierzu Kautzsch, Erörterungen zu einer Geschichte der deutschen Handschriftillustration im späteren Mittelalter, Strassburg 1894, S. 17 ff., wo die Berechtigung einer Sonderung in nationale Federzeichnung und französische Wachsmalerei bestritten wird. Von anderen wird überhaupt das Vorherrschen der einen oder der anderen Richtung zu irgend einer Zeit in Abrede gestellt. 10 Eine vortreffliche Publikation des »hortus deliciarum« von der Gesellschaft der historischen Denkmäler, Strassburg, ist noch im Erscheinen begriffen. 11 Haseloff: Eine thüringisch-sächsische Malerschule des 13. Jahrhunderts. Strassburg 1897. S. 209–211. 277 ff. 12 Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die Wiedergabe eines in den Gesichtszügen sich ausprägenden inneren Vorgangs überhaupt jenseits des Darstellungsvermögens oder -willens einer jeden Frühkunst gelegen ist. Vorgreifende Versuche Einzelner nach dieser Richtung bestätigen die Regel. (Der Ausdruck des Schmerzes in dem Antlitz des sterbenden Helden des Ostgiebels von Aegina, München, Pinakothek, 55.) Ein höchst auffälliges und ganz vereinzelt dastehendes Beispiel einer momentanen seelischen Bewegung in der Buchmalerei ist in dem Kopfe eines Mannes zu erkennen, der sich in einem Benediktionale des Stiftes Lambach, Oberösterreich, aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhundert, befindet (Codex 73). Ein armer Sünder soll die Feuerprobe bestehen. Neben den lodernden Flammen steht der Richter, der Büttel hält das glühende Eisen mit der Zange bereit. Eine Frau schleppt den mit kurzem Hemd bekleideten Delinquenten herbei: kraftlos hängen die Glieder herab, das Haar ist wirr und gesträubt, die Augen nach oben verdreht, und Todesangst spricht aus allen seinen Zügen. — Ich verdanke eine Photographie dieses höchst interessanten Bildes der Güte des Dr. Swarzenski. 13 Eine solche und sehr frühe Ausnahme ist das Bildnis Heinrichs des Zänkers, auf die Lanze gestützt, in der Tracht der Zeit, mit »Stirnglatze« und ziemlich individuellen Zügen. Um 970. Regensburger Schule. Bamberg, Ed. II, 11. 14 Ein nachahmenswertes Beispiel, die so leicht vergänglichen Malereien vergangener Zeiten in ihrem jetzigem Zustande zu erhalten und zugleich der Kirche ihren bunten Bilderschmuck wiederzugeben. 15 Abgebildet zum Teil in den Aufnahmen mittelaltriger Wand- und Deckengemälde in Deutschland, herausgegeben von Kolb und Vorländer. Berlin, Ernst Wasmuth 1897, und in den mittelaltrigen Wandgemälden und Tafelbildern der Burg Karlstein, publiziert von Neuwirth, Prag 1896. 16 Doch wurden auch schon Freifiguren und Grabplatten mit dem Bilde des Verstorbenen im Relief in Erzguss ausgeführt. Bei der Bronzegrabplatte Rudolfs von Schwaben im Dom zu Merseburg, wahrscheinlich kurz nach dessen Tode (1080) gefertigt, vermutet Burckhardt — Das Portrait, S. 146, Anmerkung — die Benutzung der Totenmaske; es würde das wohl der erste Fall vom Gebrauche dieses Hilfsmittels in deutscher Kunst sein. 17 Heinrich der Löwe, Mathilde und die Naumburger Stifter sind übrigens erst lange nach dem Tode der lebenden Vorbilder ausgeführt worden, und gute, authentische Porträts haben den Künstlern schwerlich zu Gebote gestanden. 18 Weese, die Bamberger Domskulpturen, Strassburg 1897, S. 33. 19 Ob die Meister der Bamberger Domskulpturen ihren Nährboden mittelbar oder unmittelbar in französischer Kunst gefunden haben (Dehio, Weese) oder ob die Werke der älteren Gruppe mit den in Frage kommenden französischen lediglich auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, auf die byzantinische Kunst (Voege), ist eine offene Frage. Dass ihre Erzeuger jedoch deutscher und nicht französischer Abkunft waren, scheint sehr wahrscheinlich zu sein. Vergl. hierzu: Voege, Ueber die Bamberger Domskulpturen. Repertorium XXII. Band. 1899. 20 Ausgezeichnete Reproduktionen der besten Werke dieser Periode in Hasaks vortrefflichem Buche: Geschichte der deutschen Bildhauerkunst im 13. Jahrhundert. Berlin 1899. 21 Den besten Ueberblick über die Wandlung vom Idealschönen zum Porträthaften kann man sich in den Kreuzgängen des Germanischen Museums zu Nürnberg verschaffen, welche eine zwar bei weitem nicht vollständige, so doch die bedeutsamste Sammlung von Gipsabgüssen der deutschen mittelaltrigen Plastik enthalten, und hier wird man auch am deutlichsten die grosse Kluft erkennen, die in künstlerischer Beziehung die Grabfiguren des 13. Jahrhunderts von den mehr handwerklich, aber in engem Anschluss an das lebende Modell, oft auch an die Totenmaske gearbeiteten vom Ende des 14. Jahrhunderts trennt. Vergl. insbesondere Kreuzgang 9 mit Kreuzgangflügel 17. 22 Eine »realistische Kunst« ist ein Widersinn, eine contradictio in adjecto, denn die Kunst will den Schein der Dinge, nicht ihre Realität wiedergeben. — Ueber Idealismus und Realismus und den Missbrauch, der mit diesen Schlagwörtern getrieben wird, vergl. Henry Thodes Aufsatz in den Bayreuther Blättern vom Jahre 1888 und den bereits erwähnten über die deutsche bildende Kunst in dem Sammelwerk von Dr. H. Mayer, das deutsche Volkstum. Leipzig und Wien 1899. 23 Was noch heute in ähnlicher Weise dem Publikum der illustrierten Lokal-Anzeiger u. dgl. »Volksblätter« angemutet wird, scheint auf eine gleiche kindliche Einfalt der Beschauer zu rechnen und mehr dazu bestimmt zu sein, ihn mit irgend welchem Augenfutter zu befriedigen, als ihm eine ästhetische Freude zu verschaffen. 24 Lippmann, der Kupferstich. Berlin 1896. 2. Aufl. S. 16 u. 57. Für die Wahrscheinlichkeit, dass die frühesten Anfänge am Niederrhein zu suchen sind, vergl. Max Lehrs, der Meister der Spielkarten und seine Schule. Jahrbuch der Preuss. Kunstsammlungen 1897. 25 Nach Max Lehrs ist das Kreuz mit dem verkehrten oder richtigen S eine Hausmarke, die häufig in der Nähe von Freiburg in Breisgau vorkommt, sie findet sich auch, mit richtigem S, in Burckhardts Familienwappen, und Burckhardt selbst glaubte, dass sie aus S und T entstanden sei. 26 Vergl. H. von Bezold, über die Anfänge der Selbstbiographie und ihre Entwickelung im Mittelalter. Zeitschrift für Kulturgeschichte. Berlin 1874. I. Band. S. 145. 27 Entwickelungsfaktoren der niederländischen Frührenaissance. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie. XX. Jahrgang, 1896. (Sonderdruck.) 28 Um nicht missverstanden zu werden, betone ich ausdrücklich, dass der vorstehende Erklärungsversuch einer künstlerischen Evolution nur für den in Rede stehenden Fall zu erwägen sein dürfte. Wo ein Fortschritt durch die That eines Genies bewirkt wird, sind ganz andere Faktoren zu berücksichtigen. Hier aber, seltsamerweise, vollzieht sich die Entwickelung, d. i. die Belebung des Typus, ohne die Inspiration eines abnormen, nach besonderen Gesetzen zu beurteilenden Geistes, in mühsamer, nüchterner Schreibstubenarbeit einer Anzahl kleiner, handwerklicher Zunftmenschen. 29 H. Neuwirth, Geschichte der bildenden Kunst in Böhmen. Prag 1893. I. Band. S. 238. 30 Die Frage nach dem Anteil des czechischen Volksstamms an der böhmischen Kunst ist zur Zeit allerdings wohl noch nicht spruchreif. 31 Es ist für die Genesis des Stifterbildnisses von Interesse, dass auf manchen der frühesten Darstellungen dieser Art der Mensch ~nicht~ kleiner gebildet ist als der Heilige. Diese Thatsache dürfte die Vermutung Alfred Peltzers — Deutsche Mystik und deutsche Kunst, Strassburg 1899, S. 172 — widerlegen, es seien diese Bildnisse als Verkörperungen der Seelen der betreffenden frommen Stifter gemeint. 32 J. Neuwirth, zur Geschichte der Tafelmalerei in Böhmen. Repertorium für Kunstwissenschaft. VII. Band. 1885. 33 Hubert und Jan van Eyck. Künstler-Monographien. Bielefeld und Leipzig 1898. S. 106. Vergl. auch Karl Voll, die Werke des Jan van Eyck, Strassburg 1900, S. 30, wo ein Zusammenhang beider Werke bestritten wird. 34 8. Band. S. 365. 35 Lehrs, Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen. 20. Band. 1899. S. 173 ff. 36 Dass dieser Altar unmöglich vor 1504 gemalt sein kann, wird von Weizäcker in der Zeitschrift für christliche Kunst, Jahrgang 1897, Sp. 1 ff. auf das bestimmteste nachgewiesen. Der soeben erschienene Katalog des Städelschen Kunstinstituts nennt den Urheber »Meister von Frankfurt«. — Lediglich nach Weizäckers vortrefflichem Katalog — die Bilder selbst sind mir nicht mehr gegenwärtig — erwähne ich hier noch die ~Kreuzigung Christi~, No. 77 des ~Städelschen Instituts~ von einem »mittelrheinischen Meister«, um 1500, mit dem Donator, dem Frankfurter Bürger Wigand Märckel von Grünau und seiner Familie, sowie die gleichfalls ~mittelrheinischen Porträts~ eines Mannes in reiferen und einer Frau in mittleren Jahren, welche von einigen mit dem Amsterdamer Meister in Beziehung gebracht werden. Beide sollen von derselben Hand gemalt sein. Die Köpfe sind, einander zugewendet, in dreiviertel Ansicht gegeben. Der Hintergrund ist grün. Das männliche, No. 78, ist ein Brustbild, die linke Hand hält die Schaube über den Leib zusammen, in der rechten liegt ein Rosenkranz, das weibliche, No. 79, ist ein Hüftbild, eine goldene Kette hängt über die linke Hand herab, die rechte hält ein an jener befestigtes Schmuckstück. 37 Meister Francke, Kunsthalle zu Hamburg 1899. — Das Bildnis in Hamburg. Hamburg 1898. 2 Bände. 38 Publiziert unter der früheren Benennung »der Hamburger Meister vom Jahre 1435« von J. Nöhring, Lübeck. 11 Lichtdrucktafeln, Text von Schlie. 39 Die technische Behandlung dieses Frühbildes hat manche Aehnlichkeit mit jener der Madonna mit der Wicke in Köln. Es scheint mir, dass auf beiden mit einem öligen Bindemittel experimentiert worden ist. Das blonde Haar der Engel ist hier wie bei der Wilhelm-Madonna als Masse behandelt und sitzt perückenartig auf der Kopfhaut. Auch die Hände zeigen eine gewisse Verwandtschaft. 40 Abbildungen: Kunsthistorische Gesellschaft f. photogr. Publikationen. 1899. 41 Ueber die Stilentwickelung der schwäbischen Tafelmalerei im 14. und 15. Jahrhundert. Sitzungsbericht der k. b. Akademie der Wissenschaften von 1894. 42 Thode, Jahrbuch der preussischen Kunstsammlungen 1900, sieht italienischen Einfluss auch in einem anderen gleichzeitigen deutschen Werk, in dem Kalvarienberg des städtischen Museums zu Frankfurt a. M., und zwar ebenfalls den Pisanellos und Gentiles. — Vergl. auch das bei Gelegenheit des Weildorfer Altars, der Rauchenberger Votivtafel und des Bamberger Altars Gesagte. S. 134, 137, 152. — 43 Vergl. das Verzeichnis am Schluss. 44 Kunsthistorische Gesellschaft für photographische Publikationen. 1898. 45 Hans Multscher von Ulm. München 1898. Sonderdruck. — Wie ich nachträglich höre, hat man im Depot des Berliner Museums bezeichnete und, überraschenderweise, 1437 datierte Bilder des Meisters gefunden. 46 Das Beste und das Erschöpfendste, was über diese Porträtskizzen gesagt worden ist, findet man bei Woltmann: Holbein und seine Zeit. Leipzig 1874. 2. Aufl. Woltmann und Frisch haben auch die Berliner Silberstiftzeichnungen publiziert; eine andere Publikation hat Dr. His besorgt: H. Holbein d. Ä. Feder- und Silberstiftzeichnungen. Nürnberg. 3 Bände. 47 Zu der Figur dieses Knaben scheint Holbein die Anregung in den Stichen Schongauers gefunden zu haben. Er verwendet die später typisch gewordene Gestalt des vorwitzigen Gassenbuben mehrfach auf dem Kaisheimer Altar, auch auf der Donaueschinger Passion, No. 48; von Holbein ist sie wohl auf das Altarwerk des Hans Fries in Freiburg übergegangen (nach D. Burckhardt). Auch auf einer als »westfälisch« bezeichneten, wahrscheinlich aber mittelrheinischen Kreuztragung in Darmstadt, No. 171, sind im Vordergrunde des sehr bemerkenswerten Bildes zwei Strassenjungen gemalt. Auf einem Bilde in Gotha, No. 318, vom Anfange des 16. Jahrhunderts, spielt die dem sein Kreuz schleppenden Heiland verfolgende Gassenbrut überhaupt die wichtigste Rolle. 48 Kunsthistorische Gesellschaft für photogr. Publikationen. 1896. 49 Abgebildet in den Bau- und Kunstdenkmälern in den hohenzollernschen Landen. Stuttgart 1896. 50 Sammlung des Earl of Northbrook, London, im kleinen deutschen Zimmer. 51 Die Schule Martin Schongauers. Basel 1888. S. 116. 52 Unter den Handzeichnungen der Universität Erlangen befindet sich ein stehender Armbrustschütze in dem nämlichen schwierigen Motiv. Von etwa 1430. Abgeb. bei Schultz, Fig. 629. 53 Abgebildet in Försters Denkmale. 4. Band. 1855. 54 Bildnisse Albrecht IV. (III.) aus noch späterer Zeit, aber den oben genannten verwandt, in der Sammlung des Erzherzogs Ferdinand, jetzt in Wien, und in der Ahnengalerie von Schleissheim, — das dortige Porträt von B. Beham. 55 Am frühsten scheint Konrad Witz von Basel den Schlagschatten verwendet zu haben, z. B. auf dem köstlichen Bild in Strassburg, No. 1. — Mit besonderer Feinheit aber benutzt ihn Multscher, bei dem er sich weich gegen das Licht verliert. 56 Stiassny, zur Geschichte der östreichischen Alpenkunst. Nürnberg 1898. Sonderdruck. — Riehl, die Kunst an der Brennerstrasse. Leipzig 1898. 57 Dass Pacher niederländische Werke gekannt hat, wie Dahlke meinte — Repertorium Band VIII, 1885 — ist möglich, aber jedenfalls nicht notwendig: in den achtziger Jahren konnte er die »Oeltechnik«, in der das Werk gemalt ist, auch auf mittelbarem Wege erlernt haben. 58 Drei Jugendgemälde Albrecht Dürers. Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen, Band XII. 59 Eine umfassende Kenntnis der an künstlerischen Individualitäten so reichen fränkischen Malerschule, als deren Generalvertreter Jahrhunderte lang Michel Wolgemut und seine Werkstatt gegolten hatte, verdanken wir den 1891 erschienenen Untersuchungen Henry Thodes, die Malerschule in Nürnberg, deren Ergebnissen ich hier im wesentlichen folge. 60 Zeitschrift für bildende Kunst. IX. Jahrg. Daselbst auch eine Abbildung. 61 Die Bleistift(!)-Zeichnung in der Albertina ist wohl nicht von Dürer, sondern von einer anderen Hand nach dem Münchner Bilde angefertigt. Karl Voll in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 20. November 1897. No. 263. 62 Vischer, Studien. S. 399. — Klass. Bilderschatz 933. 63 Die seltsame Inschrift darunter sei hier erwähnt: Anna solet dici tres concepisse Marias Quas genuere viri Joachim, Cleophas, Salomoque, Has duxere viri Joseph, Alpheus, Zebedäus. Prima parit Christum, Jacobum secunda minorem Et Joseph justum peperit cum Symone Iudam. Tertia majorem Jacobum volucremque (oder fratremque?) Johannem. 64 Das Bild ist in sittengeschichtlicher Beziehung bemerkenswert wegen des Vorkommens einer Lichtschere, mit der ein Apostel die brennende Talgkerze putzt. Vielleicht das frühste Beispiel der Benutzung eines solchen Instrumentes. (Schultz.) 65 Nach dem »Wegweiser« des Museums von 1896 das einzig bezeichnete Gemälde Wolgemuts. Ich habe keine Bezeichnung gefunden. Vielleicht unter dem Rahmen? 66 Abbildungen der beiden letzteren: kunsthistorische Gesellschaft für photogr. Publikationen. 1895. Felicitas dort, wohl irrtümlicher Weise, Ursula genannt. — Uebrigens mache ich darauf aufmerksam, dass die Bezeichnung »42jährig« auf dem Porträt des Hans Tucher nicht mit der jugendlichen Erscheinung des Dargestellten stimmt. Auch soll Hans, nach dem Weimarer Katalog, 1471 geboren sein, müsste also 1499 28jährig gewesen sein. Sollte, was ich jetzt nicht prüfen kann, die Inschrift vielleicht nachträglich hinzugefügt und bei dieser Gelegenheit Hans mit Anton Tucher verwechselt worden sein, der damals thätsächlich 42 Jahr alt gewesen ist? 67 Vischer, S. 383, macht sich bei dieser Gelegenheit über Thausing lustig, der das W. W., welches sowohl Elisabeth als auch Felicitas Tucher auf dem Saume ihres Hemdes eingestickt tragen, auf Wolgemut deutet: »Dieser alte Schwerenöter hat also sein Doppelmonogramm zweimal meuchlings in das Hemd der Frau eines anderen hineinpraktiziert? — Das wäre ja eine ganz novellistische Entdeckung!« 68 Ich habe das Bild, welches jetzt die Bekrönung eines Altares bildet, s. Z. nur aus einer gewissen Entfernung betrachten können. Eine von Hans Stegmann mir gütigst überlassene Photographie scheint für die Ansicht des geschätzten Gelehrten zu sprechen, dass wir es hier mit einer freien Nachbildung des folgenden Porträts zu thun haben, welches von mir als Kopie bezeichnet worden ist. 69 So u. a. auf einer Kreuzigung in Schleissheim, No. 60, »Oberdeutsch um 1460«, wo nicht der Gekreuzigte, sondern die zu seinen Füssen kniende Magdalena die Hauptperson zu sein scheint, eine stattliche Dame in den Vierzigen, um welche die übrigen Anwesenden sich gruppieren. Meine Vermutung, dass hier ein Porträt gegeben ist, wird noch dadurch verstärkt, dass rechts am Rande ~zwei~ Stifter knien, mit ~drei~ Wappen, — es liegt nahe, das dritte mit der Magdalena in Beziehung zu bringen. 70 Vasari berichtet im Leben des Pontormo, Ausgabe Milanesi, S. 272, dass Lodovico Capponi seine Tochter, che era bellissima giovane, als Magdalena habe malen lassen. — Es sei hier auch ein Wort Savonarolas, des fanatischen Dominikanermönches von San Marco, verzeichnet: die Bilder eurer Dirnen von der Strasse lasst ihr malen als Heilige in den Kirchen! 71 Jedoch erwähnt Didron in seinen Anmerkungen zum Malerbuch vom Berge Athos eine unrühmliche Ausnahme: auf einem Marmorrelief in St. Denis aus dem 15. Jahrhundert steige die Gottesmutter in Venusgestalt, nur von einem dünnen Schleier bekleidet, gen Himmel. Ich habe dieses Relief seiner Zeit in St. Denis nicht finden können. 72 Abgebildet in den Bau- und Kunstdenkmälern in den hohenzollernschen Landen. Stuttgart 1896. S. 66. 73 Un punto vidi che raggiava lume Acuto sì, che il viso, ch’egli affoca, Chiuder conviensi, per lo forte acume. Dante. Paradiso. Canto 28. 16–18. 74 Obgleich jener unbekannten geheimnisvollen Grösse, als welche wir das Publikum des 15. Jahrhunderts betrachten müssen, der Stifter ohne Zweifel wichtiger war als der Maler, was auch aus der Benennung der Tafeln hervorgeht, wie der Peringsdörffer-, der Löffelholz-Altar u. a., so wird man doch nur in den seltensten Fällen wissen, wer den Auftrag zu dem betreffenden Gemälde gegeben hat, ob derjenige, unter welchem wir den Stifter vermuten, ob dessen Söhne oder vielleicht erst deren Nachkommenschaft. Aus diesem Grunde ist ein Schluss aus der etwa bekannten Lebenszeit des vermeintlichen Stifters auf den Maler und das Anfertigungsjahr des Bildes eine recht missliche Sache. Auch würde in dem gegebenen Falle stets zu prüfen sein, ob Bild und Donator zu gleicher Zeit und von gleicher Hand gemalt sind: auf den Altarflügeln No. 194 und 195 des Kölner Museums sind Landschaft und Heilige von Scorell oder Merten van Hemskerk, jedenfalls niederländisch, während die Stifterporträts auf die Hand eines mittelmässigen Meisters der Bruyn-Schule hinweisen. 75 Ich spreche im folgenden nur von den Altargemälden und den künstlerisch ausgeführten Votivbildern. Auf den sogenannten Bildstöcken und Marterln haben sich die kleinen Figuren bekanntlich bis ins 19. Jahrhundert erhalten. 76 Jedoch mag diese Vermutung nur für die reiferen und an bedeutenderen Kunstorten geschaffenen Werke zutreffend sein, nicht für die archaischen und ausserhalb der Schule entstandenen kindlich-naiven Handwerkertafeln. Bei diesen liegt die Annahme vielleicht näher, es haben die Maler entweder von dem Gebrauch, die Stiftergestalt zu verkleinern, nichts gewusst oder die Bedeutung dieser Formel nicht verstanden. 77 Für die Ansicht Alfred Peltzers — Deutsche Mystik und deutsche Kunst, Strassburg 1899, S. 171 —, dass man in den unter dem Mantel sich bergenden Gestalten personifizierte Seelen zu erkennen habe, finde ich nicht den geringsten Anhalt. 78 Nach Gaetano Milanesis Kommentar zu Vasari, Florenz 1878, I, S. 555. 79 Jetzt zerstört; Abbildung im Atlas zu den Kunstdenkmälern des Königreichs Baiern, Tafel 112. 80 Kopien an den Wänden des Stuttgarter Altertumsmuseum. 81 Vergl. hierzu den Aufsatz von Schnütgen in der Zeitschrift für christliche Kunst 1890; dort auch eine Abbildung. 82 Lichtwark, das Bildnis in Hamburg 1898 und Meister Francke, Hamburg 1899. In dem letztgenannten Werk werden die beiden Bilder für den Meister Francke in Anspruch genommen. 83 Vergl. hierzu Voigt, Geschichte Marienburgs, Königsberg 1824, S. 245, und Steinbrecht, Untersuchungs- und Wiederherstellungs-Arbeiten am Hochschloss der Marienburg. Berlin 1885. § 3. 84 Das jüngste Gericht ist öfters an einer Wand der Ratsstube zu finden. Seine Beziehung zur Rechtsprechung, welcher diese Räume neben anderen Handlungen des Ratskollegiums dienten, ist leicht erkenntlich: »Ir menschen feldt urtel uf erden, als ir dordt weldt geurtelt werden«. (Nürnberg.) 85 Gebser und Hagen, der Dom von Königsberg. Königsberg 1833. Hartungsche Hofbuchdruckerei. S. 101 f. 86 Vasari: Delle opere di Tiziano. Ed. Milanesi, S. 445 und Burckhardt: Porträt, S. 251. 87 Von den mittelaltrigen Bartformen gilt im allgemeinen das folgende: Der Schnurbart kommt nur in den ältesten Zeiten vor (Karl der Grosse, Rudolf I., Johann Parricida). Nebenher geht der Vollbart bis etwa auf Rudolf I., dann, bis zu Karl IV., etwa bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, trug man sich unbärtig. In der Periode der Luxemburger bis zum Tode Sigismunds (1437) werden die Bärte wieder modern. Von Kaiser Friedrich III. bis auf Karl V., also in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, rasierte man sich. Dass aber auch in dieser im allgemeinen bartlosen Zeit dennoch einzelne Gecken sich durch die absonderlichsten Bartformen hervorthaten, ersieht man u. a. aus einer Predigt Geilers von Kaisersberg, die Schultz S. 341 zitiert. Auf die von einzelnen Orden erlassenen Vorschriften über Wachsenlassen oder Scheren des Barthaares hatte die Mode natürlich keinen Einfluss. 88 Eine Musterkarte der wunderlichsten Kopfputzarten der Frauen giebt ein Studienblatt des alten Wolgemut im Münchner Kupferstichkabinet. 89 Auch das italienische Quattrocento kennt das Ohrgehänge als weibliches Schmuckstück nicht. Meines Wissens erscheint es jenseits der Alpen um die Mitte des 16. Jahrhunderts und zwar bezeichnenderweise zuerst in dem prachtliebenden Venedig. — Es lohnte sich wohl der Mühe, einmal dem Werden und Wandern des Ohrringes nachzugehen. Man würde finden, dass der Schmucktrieb die Mehrzahl der Naturvölker zu irgend welcher Verzierung der Ohrmuschel geführt hat. Seine künstlerische Ausbildung als wertvolles Geschmeidestück scheint der Ohrring auf dem alten Kulturboden zwischen Euphrat und Tigris erhalten zu haben. Von dort aus hat er seine Wanderung nach Aegypten und über Klein-Asien nach Griechenland und später nach Italien angetreten. In Deutschland ist er in roher, seine ästhetische Wirkung als Behangschmuck gänzlich verkennender Form zwischen 500 und 400 v. Chr. bekannt, wie Gräberfunde und die im Berliner Völkermuseum befindlichen Bronzeringe der norddeutschen Gesichtsurnen beweisen. Auf Miniaturen habe ich ihn niemal gefunden, es sei denn auf solchen, deren byzantinisches Vorbild unverkennbar ist. In der grossen Malerei tritt er bei den Frauen nicht vor der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf, und dann auch ganz vereinzelt. Cranachs Frauen z. B. tragen ihn noch nicht. 90 Darwin, der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei Menschen und Tieren. Uebersetzt von Carus. Stuttgart 1872. 91 Mit dem überschwenglichen Lobe, welches seiner Zeit der Oeltempera gegenüber der Gummitempera gespendet wurde, ist es schwer zu vereinigen, dass heute in vielen Fällen nur das geübte Auge des Restaurators zu unterscheiden vermag, ob ein altes Bild in dieser oder jener Technik ausgeführt ist. 92 Reber, die bairische Kunstkammer. Sitzungsbericht der bairischen Akademie der Wissenschaften. 1892, 1893. 93 Dr. Fr. Kenner, die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol. Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des östreichischen Kaiserhauses, Band XIV und XV. 94 Pinset et D’Auriac, histoire du portrait en France. Paris 1884. S. 262. KUNSTGESCHICHTLICHER VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN IN LEIPZIG [ornament] Durch alle Buchhandlungen zu beziehen. [ornament] Meisterwerke der deutschen Bildnerei des Mittelalters _ausgewählt und erläutert von +Dr. August Schmarsow+ Professor der Kunstgeschichte._ _aufgenommen und herausgegeben von +Eduard von Flottwell+ Architectur-Photograph._ TEIL I: Die Bildwerke des Naumburger Domes. 57 Seiten Text in 4° und +20 Lichtdruck-Tafeln+ in Folio. In Mappe. Preis 25 Mark. Diese herrlichsten Werke, welche die sächsische Bildhauerschule hervorgebracht, sind zugleich auch die ausgezeichnetsten Schöpfungen des Mittelalters überhaupt. [ornament] _Aus diesem Werke ist die Abbildung auf Seite 35 des vorliegenden Buches entnommen._ ALFRED LICHTWARK DAS BILDNIS IN HAMBURG. 2 starke luxuriös ausgestattete Bände mit gegen 150 Reproductionen im Text und 30 Heliogravüre-Tafeln. _+Als Manuscript gedruckt+ für den Kunstverein in Hamburg._ Preis 50 Mark. In einer längeren Einleitung über Bildnis und Bildnismalerei ist der Versuch gemacht worden, in die soziale, politische und künstlerische Funktion des Bildnisses einzuführen. Ebenso erhielten die einzelnen Abschnitte über das Bildnis der sich folgenden Jahrhunderte kürzere orientirende Einleitungen. Die Künstler werden einzeln in chronologischer Folge behandelt. Als Anhang kamen kurze Abschnitte über Miniaturmalerei, Silhouetten, Kupferstich, Lithographie und Daguerrotypie hinzu. [ornament] _Aus diesem Werke ist die Abbildung auf Seite 215 des vorliegenden Buches entnommen._ CRANACHSTUDIEN VON ED. FLECHSIG. +I. Teil.+ gr. 8°. XVI und 314 Seiten +mit 20 Abbildungen+. 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Aufenthalt und Thätigkeit in Rom. 1624–1640. — 3. Hofmaler in Paris. 1640–1642. — 4. Leben in Rom. — 5. Werke und Schüler. — 6. Die letzten Jahre. — Anhang. — Kataloge. — Bibliographie. — Namenregister._ Altichiero und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte der Oberitalienischen Malerei im Trecento. Von Paul Schubring. Gr. 8°. X und 144 Seiten mit +10 Lichtdrucktafeln+ nach Fresken in Padua, Verona und Treviso. Elegant broschirt. Preis 8 Mark. Die Untersuchung geht nicht in erster Linie darauf aus, den Anteil Altichieros und Avanzos an den paduaner Freskencyklen mit Sicherheit abzugrenzen; eine Zuweisung im Einzelnen ist versucht worden, ohne dass sie den Anspruch auf definitive Gültigkeit machte. Es kam dem Verfasser vielmehr darauf an, den wichtigen Beitrag, den die oberitalienische Trecentomalerei für die Gesamtentwickelung der italienischen Kunst leistet, heller zu beleuchten, als es bisher geschehen ist. Wir müssen durchaus von dem Irrtum loskommen, den uns Vasari immer wieder aufdrängen will, als ob alles Heil aus Florenz gekommen sei. »Durch diese Darlegungen, mag auch im Einzelnen mancher Einwand erhoben werden, ist ein entschiedener Schritt vorwärts in der Erkenntniss der geschichtlichen Entwicklung der oberitalienischen Malerei gemacht. Mit dem Dank hierfür mag sich der Dank dafür verbinden, dass der Vf. uns auch durch die künstlerische Form, welche er seinem Unternehmen verliehen hat, zu fesseln weiss.« _H. Thode_-Heidelberg in der Deutschen Litteraturzeitung 1899 Nr. 7. BALDASSARE PERUZZIS ANTEIL AN DEM MALERISCHEN SCHMUCKE DER VILLA FARNESINA. Nebst einem Anhange: »IL TACCUINO DI BALDASSARE PERUZZI« IN DER COMMUNALBIBLIOTHEK ZU SIENA. EIN VERSUCH von +ARTUR WEESE+. 90 Seiten. Preis 3 Mark. Die architektonische Seite und vollkommen täuschende perspektivische Wirkung von Peruzzi’s 1511 vollendeter Decke im Galatheenzimmer wird aus seiner Thätigkeit als Bauzeichner im Atelier Bramantes erklärt und ihre kunsthistorische Stellung neben Rafael’s Decke in der Eintrittshalle der Farnesina und jener andern in der Chigicapelle von S. Maria del popolo bestimmt. FORSCHUNGEN ZU GEORG PENCZ von ALBRECHT KURZWELLY. I. Pencz als Wandmaler. — II. Sandrarts Nachrichten über die italienischen Reisen der deutschen Kleinmeister Barthel Beham, Binck und Pencz. — III. Zur Annahme einer niederländischen Reise des Pencz. — IV. Beschreibende Verzeichnisse der Werke des Pencz. Vor allem gilt es, das Verhältnis der Thätigkeit Pencz und Dürers bei der Ausmalung des Nürnberger Rathhauses festzustellen, was mit Hülfe der Akten, der von Stiassny in Erlangen gefundenen Kreidezeichnung, Dürers Entwurf in der Albertina von 1518 und des Holzschnittes von 1522 gelingt. _Ueber Dürers Arbeitsweise selbst kommt es hierbei zu nicht unwichtigen Aufklärungen._ ... Das Auffinden zweier bisher unbekannter Bilder von Pencz Hand, die sorgfältige Litteraturbenutzung und die Besonnenheit des Urteils lassen hoffen, dass mit dem weiteren Verfolg dieser Arbeit unsere Kenntnis über die Dürerschüler um einen guten Schritt weiter geführt werden wird. _C. Gurlitt_ im Jahresbericht für deutsche Litteraturgeschichte. VI. Bd. Preis 3 Mark. DAS WESEN DER ARCHITECTONISCHEN SCHÖPFUNG. Antrittsvorlesung gehalten in der Aula der K. Universität Leipzig am 8. November 1893 von +August Schmarsow+, ordentlicher Professor der Kunstgeschichte. Preis 1 Mark. JOHANN FRIEDRICH EYSERBECK von +G. SCHOCH+, Städtischer Gartendirektor in Magdeburg. 20 Seiten. Mit 2 Plänen. Preis 1,20 Mark. Eyserbeck war von 1762–1817 fürstlicher Gärtner in Dessau und schuf als solcher die ersten englischen Gartenanlagen in Deutschland. Die der biographischen Abhandlung beigegebenen 2 Tafeln sind Reproduktionen von Federzeichnungen Eyserbecks, die Pläne zum Luisium und Georgium in Dessau. _Das radirte Werk des Jean-Pierre Norblin de la Gourdaine._ Beschreibendes Verzeichniss einer Sammlung sämmtlicher Blätter dieses Maler-Radirers mit vielen bisher unbekannten Plattenzuständen und einigen Originalzeichnungen bearbeitet von +Willibald Franke+. Preis 4 Mark. Die Psalterillustration im Mittelalter von J. J. Tikkanen. I. BAND. Heft 1: Byzantinische Psalterillustration. Mönchisch-theologische Redaction. _90 Seiten mit 6 Tafeln und 87 Textillustrationen._ 4°. 1895. +Mk. 4.—+ Heft 2: Byzantinische Psalterillustration. Der mönchisch-theologischen Redaction verwandte Handschriften. Die aristokratische Psaltergruppe. Einzelne Psalterhandschriften. _Seite 91–152 mit 3 Tafeln und 50 Textillustrationen._ 4°. 1897. +Mk. 2.40+ Heft 3: Abendländische Psalterillustration: Der Utrechtspsalter. _Seite 153–320. Mit 77 Textillustrationen._ 4°. 1900. +Mk. 7.—+ Der Meister mit den Bandrollen. Ein Beitrag zur Geschichte der ältesten Kupferstiche in Deutschland von _Max Lehrs_. 4°. 36 Seiten mit 20 Abbildungen auf 7 Lichtdruck-Tafeln. Dresden 1886. Ursprünglicher Ladenpreis 24 Mark. Jetziger Preis +18 Mark+. Wenzel von Olmütz. von Max Lehrs. gr. 8°. 113 Seiten mit 20 Abbildungen auf 11 Tafeln in Lichtdruck. Dresden 1889. Eine erschöpfende Monographie über diesen Kupferstecher des 15. Jahrhunderts. (Kritisches, Biographisches, Bibliographie.) Bisheriger Ladenpreis 16 Mark. Jetziger Preis +12 Mark+. Druck von Emil Herrmann senior, Leipzig. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS BILDNIS BEI DEN ALTDEUTSCHEN MEISTERN BIS AUF DÜRER *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate. While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate. Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our website which has the main PG search facility: www.gutenberg.org. This website includes information about Project Gutenberg™, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.