The Project Gutenberg eBook of Am Rhein

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Title: Am Rhein

Author: Heinrich Hubert Kerp

Release date: February 5, 2024 [eBook #72878]

Language: German

Original publication: Bielefeld: Velhagen & Klasing, 1908

Credits: Peter Becker, Marc-André Seekamp and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK AM RHEIN ***

Land und Leute

Monographien
zur Erdkunde

Land und Leute

Monographien
zur Erdkunde

In Verbindung mit Anderen
herausgegeben von A. Scobel

10

Am Rhein

1908
Bielefeld und Leipzig
Verlag von Velhagen & Klasing

Am Rhein

von H. Kerp

Mit 192 Abbildungen nach photographischen
Aufnahmen und einer farbigen Karte
Zweite Auflage

Signet

1908
Bielefeld und Leipzig
Verlag von Velhagen & Klasing

Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.

[S. 1]

Inhalt.

Seite
I.Einleitung3
II.Zur geologischen Einführung6
III.Das Mainzer Becken, der Rheingau und der Taunus18
IV.Das Rheintal von Rüdesheim bis Coblenz48
V.Der Hunsrück nebst dem Nahe-, Saar- und Moseltale78
VI.Das Rheintal von Coblenz bis Bonn110
VII.Der Westerwald nebst dem Sieg- und Lahntale und das Siebengebirge130
VIII.Die Eifel157
IX.Die Kölner Bucht und das Bergische Land164
X.Der rheinische Weinbau185
 
Literatur193
Verzeichnis der Abbildungen194
Register197
Karte der Rheinlande.

[S. 2]

Abb. 1. Rolandseck, Nonnenwerth und Siebengebirge.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 123.)

[S. 3]

I. Einleitung.

Einleitung.

Am Rhein! Welche Fülle von Vorstellungen, von Gedanken und Empfindungen wird beim Klange dieses Wortes in uns geweckt! Das Auge schaut herrliche Landschaftsbilder, die neben dem Schönsten auf Erden noch in Schönheit strahlen; das Ohr lauscht den weihevollen Rheinliedern, die von dem Tiefsten, was die deutsche Brust gefühlt, sprechen, die bald von klagendem Schmerz, bald von stolzer Siegesfreude erzählen oder in den Traum der Sage den Übermut eines fröhlichen Lebens mischen; und der Geist, der die Spuren des Raumes und der Zeit gleich schnell durchmißt, faßt all das Große und Schöne, das Ernste und Heitere, was die Vergangenheit brachte, was die Gegenwart bietet und die Zukunft zu erhoffen läßt, zusammen und weiht den Strom, der Deutschlands Stolz und seines Landes Schönheit ist, zu einem Sinnbild, das alle deutschen Lande und alle deutschen Bruderstämme mit dem Bande ewiger Einigkeit und Treue umfaßt. Das ist der Rhein, und das bedeutet sein Name, und so wird auch sein Name überall, nicht bloß im deutschen Vaterlande, sondern auch in der übrigen Welt verstanden und gedeutet. Darum lockt er die Menschen, führt fröhlich sie von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt und läßt traurig sie weiter ziehen. Für Tausende und Millionen aber bleibt er ein ewiger Traum, der nie sich erfüllen ließ, ein Traum, der selbst bei anderen Völkern lebt, zu denen die Wellen der geheimnisvoll plaudernden Myth’ und Sage, der laut redenden Geschichte schlugen und des schönen Rheinlands begeisternde Kunde drang. Davon ein Beispiel!

Es war am Empfangsabende des Internationalen Geologen-Kongresses zu Petersburg im Jahre 1897. In einem großen Restaurant in der Demidowstraße hatten sich die Teilnehmer aus aller Herren Ländern eingefunden. Das war für viele ein frohes Wiedersehen! Das Stimmengewirr der zahlreichen Gruppen, die sich an den Tischen und dem reichgedeckten Büfett gebildet hatten, durchdrang die gastlichen Räume. Im frohen Austausch der Reiseerinnerungen und der weiteren Reisepläne und im Auffrischen früherer Lebensbeziehungen vergingen schnell, nur zu schnell, die schönen Stunden. Meine älteren deutschen Reisefreunde wollten sich nun, gegen Mitternacht, verabschieden, und den protestierenden jungen russischen Herren, die in liebenswürdiger Weise uns an unserem Tische Gesellschaft geleistet hatten, wurde ich als jüngster zurückgelassen, als das Opfer einer angenehmen Pflicht. Wir rückten die Stühle näher zusammen und plauderten weiter. Ich pries die gastliche Aufnahme, die uns in Rußland bereitet wurde, und meine frohgestimmten Tischgenossen wollten wissen, in welchem Teile Deutschlands ich wohne. Und als ich sagte: „Ich wohne am Rhein!“ da riefen alle wie aus einem Munde: „O, so erzählen Sie uns vom Rhein!“ Und ich erzählte von meinem Heimatlande mit der Begeisterung, die der Vater Rhein mir in das Herz gelegt hat, und mit dem Feuer, das ich in den Augen der jungen Russen auflodern sah. Ich pries den stolzen Strom mit seinen grünen Wellen, die Berge, die, rebenbekränzt, die alten Burgen tragen, die rheinischen Städte, deren gewaltige Dome im Rheine sich spiegeln, die freundlichen Dörfchen, die überall, manche umschattet von Obsthainen, die Ufer des Stromes säumen, und auch die rheinischen Mädchen und Frauen, die den fremden Wanderer von der hohen Burgruine herab grüßen, wenn er muß scheiden aus solchem Paradies. Als die Begeisterung überquoll, da erklangen Rheinlieder, fern am Strande der Newá, beim lustigen Klang der Gläser, die mit kaukasischem Wein gefüllt waren.

Wir saßen noch lange. Als wir endlich schieden, da fühlten auch die jungen Russen etwas von jener Sehnsuchtsstimmung nach dem Vater Rhein, die jeden Rheinländer erfaßt, wenn er in anderen Erdenländern weilt. So oft ich noch von einer weiten Reise zurückkehrte, war es mir beim Anblicke des stolzen Stromes, wenn wieder die Türme des Kölner Doms vor mir erschienen und der Zug polternd[S. 4] über die Rheinbrücke fuhr, als hätte ich etwas Verlorenes wieder gewonnen. Und nach meiner Ankunft in Bonn war gewöhnlich mein erster Gang an den Rhein und auf den Alten Zoll, wo ich die Sieben Berge grüßen konnte. Am ersten freien und schönen Nachmittage aber fuhr ich auf einem der stolzen Rheindampfer stromaufwärts, als müßte ich mich überzeugen, ob all die Herrlichkeit noch da wäre.

Abb. 2. Das Kölner Dombild. Altargemälde von Meister Stephan. (Zu Seite 5 u. 171.)

Diese einleitenden Worte mögen dem freundlichen Leser sagen, mit welch freudigen Gefühlen ich der Aufforderung, für die Sammlung geographischer Monographien die Bearbeitung des Rheins und des Rheinischen Schiefergebirges zu übernehmen, nachgekommen bin. War ich doch durch den Stoff ausgezeichnet vor allen anderen! Durfte ich doch den Strom schildern und preisen, um den zwischen den Völkern so oft und so heiß gestritten worden ist, der durch die Weihe der Geschichte für jeden Deutschen zum heiligen Strom geworden ist, so daß der Klang seines Namens heute das Losungswort, das Triumphgeschrei deutscher Einigkeit, Freiheit und Stärke bedeutet.

Abb. 3. Frankfurt im 17. Jahrhundert (nach Merian). (Zu Seite 20.)

Wie ich an jenem Abende in Petersburg in einer frohen Stunde den jungen Russen — es waren Studenten der Bergakademie und Anthropologen — von der Herrlichkeit des Rheines erzählen durfte, so möchte ich auch dem freundlichen Leser von Land und Leuten am Rhein wenn auch kein vollständiges, so doch ein in seiner Eigenart ausgeprägtes Bild zu geben versuchen. Es ist das Bild einer ruhmreichen Vergangenheit und einer nicht weniger glanzvollen Gegenwart, ein[S. 5] Bild, dessen einzelne Züge durch Sage und Dichtung so verklärt sind, daß uns Wonne umgibt fast überall, wohin wir schauen. Wir sehen in den Städten die herrlichen Dome ragen, und andachtsvoll betreten wir die Stätten, wo hochvollendete Kunstschöpfungen zu Thronen des Himmlischen und Göttlichen wurden. Wir durchwandern die einzelnen Blütezeiten der rheinischen Kunst, im Geiste und in der Wirklichkeit. Aus den Gräbern steigt das glänzende Bild der römischen Kultur mit seinen Lagern, Kastellen, Brücken, Straßen, Wasserleitungen, Tempeln und reichgeschmückten Landhäusern; wir schauen das Bild der Frankenzeit mit seinen Königshöfen oder Pfalzen und den ältesten christlichen Gotteshäusern; reicher, in staunenerregender Fülle entfaltet sich uns der Kulturschmuck des eigentlichen Mittelalters, der Zeit, die die herrlichen Dome schuf, die von dem gemütvollen romanischen Baustile nach interessanten Übergängen fortwanderte zur stolzen, himmelanstrebenden Gotik, die auch die prächtigen Burgen auf die Rebenhöhen setzte und die reichgeschmückten Rathäuser in den Städten baute, die ferner durch Künstlerhand wertvolle Skulpturen und geschätzte Malereien (Abb. 2) entstehen ließ; endlich, nach einer Zeit traurigen Verfalls, sehen wir, in einer glücklichen Gegenwart, eine neue Blütezeit der Kultur anbrechen, eine Zeit, die mit Verständnis das Alte durchforscht und wie ein Schatz hütet und wahrt, die zugleich neue Züge dem Gesamtbilde zufügt und es besonders mit den menschenbeglückenden Wunderwerken der neuzeitlichen Technik ausstattet. Einem kräftig pulsierenden Leben sind diese Neuschöpfungen menschlichen Könnens vornehmlich gewidmet, einem Leben, in dem ein rühriges Streben mit rheinischem Frohsinn so glücklich sich paart, wie es wohl auch in den früheren Kulturzeiten, die das rheinische Land schaute, gewesen ist und in dem sonnigen Lande der Reben auch nicht anders sein kann. Dorthin mögen die freundlichen Leser froh mit mir wandern, möge auch der rheinische Dichter Karl Simrock zurück uns winken mit den launigen Worten:

„An den Rhein, an den Rhein, zieh’ nicht an den Rhein,
Mein Sohn, ich rate dir gut!“
Abb. 4. Frankfurt, von Sachsenhausen gesehen.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 20.)

Von der alten Kaiserstadt Frankfurt am Main und vom alten goldenen Mainz soll die Wanderung uns führen durch die Rebengefilde des Rheingaues, durch das herrliche Rheintal selbst und durch die nicht minder schönen Nebentäler[S. 6] der Nahe, der Saar, der Mosel, der Lahn, der Ahr, der Sieg und der Wupper, sowie durch die schönsten Gegenden des Rheinischen Schiefergebirges, durch das jene Täler tiefe Furchen gezogen haben, bis hin nach Düsseldorf, der jung strahlenden Kunststadt am Rhein, und nach Aachen, der alten Kaiserstadt.

Abb. 5. Der Kaisersaal im Römer zu Frankfurt.
Nach einer Photographie von Ludwig Klement in Frankfurt. (Zu Seite 20.)

II. Zur geologischen Einführung.

Geologische Einführung.

Zwar bedarf es nicht unbedingt der Führung eines Naturforschers, um die Schönheit, mit der die Oberfläche der Erde geschmückt ist, zu empfinden und zu genießen. Anderseits bin ich auch nicht der umgekehrten Ansicht, daß beim Genießen des Schönen der Verstand fernzuhalten sei als ein Störenfried, der manche Empfindungen, naive des Volkes, die aber von der Poesie geliebt werden, verscheuchen könnte. Herz und Verstand vertragen sich in den meisten Menschen recht gut miteinander, und für Empfindungen, die beim Fragen nach verborgenen Ursachen flüchten, melden im Herzen sich andere, die sicheren Ursprung haben und unser Gefühlsleben noch wärmer anhauchen. Auch die Geologie oder Erdgeschichte, die manches Überlieferte, so auch den Drachen, der einst am Drachenfels hauste, zur Fabel macht und manches Teufelswerk in der Natur einer phantasieärmeren Wirklichkeit zurückgibt, entschädigt uns reichlich, indem sie uns in dem Antlitz der Erde lebensvolle Züge zeigt, die wir vorher nicht kannten, nicht sahen und nicht suchten. Es wird uns, als wenn ein Marmorbild zu leben begänne. Der starre Fels, er haucht Leben, indem er uns sagt, wie er geworden, seine Schichten, so innig sie verbunden sind, entfliehen in verschiedene, weit voneinander entfernte Zeiten, das verbrannte Gestein des Kraters beginnt zu glühen, und Kiese und Sande, Lehm und Ton, die so wohl gebettet sind, beginnen zu wandern und werden ein Spiel der Fluten. Durch die unermeßlichen Räume der Zeiten eilt der Geist, die Phantasie beginnt großartige Bilder der Vergangenheit zu gestalten,[S. 7] zu denen der Verstand die Grundlinien eines Planes fand, und unser Herz wird erfüllt von jenem Empfinden, das dem Werden alles Großen sich beugt.

Die Variskischen Alpen.

Wenn wir so auch das Antlitz unseres schönen Rheinlandes, wie es aussah in früheren Erd-Epochen, im Geiste zu gestalten suchen, geleitet von namhaften geologischen Forschern, so schauen wir ein riesenhaftes Gebirge, ein Hochgebirge, das an die heutigen Alpen erinnert. Von dem Ostende der mittelfranzösischen Gebirgsscholle zog es sich in einem gewaltigen Bogen über Vogesen und Schwarzwald, durch Süd-, West- und Mitteldeutschland, um den Nordrand Böhmens herum bis zu den Karpathen hin. Nicht bloß diese Hauptrichtung hatte es mit den ebenfalls bogenförmig verlaufenden Alpen gemein. Es war wie diese auch ein einseitig aufgebautes Kettengebirge, das auf der konvexen Südseite, wo die höchsten Gipfel lagen, eine kristallinische Hauptzone, auf der konkaven Nordseite eine breite Zone mächtig entwickelter Sedimentgesteine besaß. Von dieser letzteren Zone des früheren mitteleuropäischen Hochgebirges, das Sueß nach dem Lande der alten Varisker, dem heutigen Vogtlande, Variskische Alpen genannt hat, ist das Rheinische Schiefergebirge, durch welches später der Rhein und seine Nebenflüsse ihre tiefen Furchen gezogen haben, der Rest eines kleinen Gliedes, ein recht armseliger Rest; denn nur das Fundament, der Sockel der einstigen Hochgebirgsfalten, blieb unserer Zeit erhalten, genug noch, um daraus die Schönheit des heutigen Rheinlandes zu gestalten.

Abb. 6. Der Römer und der Gerechtigkeitsbrunnen zu Frankfurt. (Zu Seite 21.)

Der alte Hochgebirgssockel, als den wir also das Rheinische Schiefergebirge betrachten müssen, baut sich, wie schon der Name andeutet, aus schiefrigem Gestein auf. Die schiefrige Struktur des Gesteins sagt uns schon, daß es eine Meeresablagerung, ein echtes Sedimentgestein, ist. Wo der abgelagerte Schlamm sehr tonreich war, entstand der eigentliche Schiefer, dessen reinste Form der schwarzblaue Dachschiefer, wie er z. B. bei Caub gewonnen wird, ist; wo er stärker mit Sand gemischt war, bildete sich ein Gestein, das wegen seiner grauen Färbung[S. 8] Grauwacke genannt wird. Schiefer und Grauwacke sind die beiden Hauptgesteinsarten Rheinlands; aber zahlreiche andere Gesteine, Kalk, Sandsteine, ältere und jüngere Eruptivgesteine usw. kommen in ihm noch vor, und indem wir ihre Altersfolge festzustellen suchen, lernen wir die Wandlungen kennen, die dieses Gebiet durchgemacht hat, wie es sich hob und senkte, wie seine Oberflächenformen entstanden und verschwanden, welchen Lauf die Gewässer nahmen und schließlich das heutige Bild schufen.

Urzeit. Devon.

Die ältesten Sedimentgesteine der Erde, die sich nach der Urzeit, nach der Bildung einer festen Erdkruste um einen feurigen Kern, in den Zeitperioden des Cambrium und des Silur als Ablagerungen eines Urmeeres gebildet haben und die ersten deutlichen Spuren und Reste organischen Lebens enthalten, treten nur im Hohen Venn und in den Ardennen, und zwar verhältnismäßig spärlich zutage. Die älteste Kruste der Erde, die aus den sogenannten Urgesteinen der Gneis- und Granitgruppe gebildet wird, erscheint im ganzen Gebiete nirgendwo an der Oberfläche. Daß diese Unterlage aber nicht fehlt, wird durch die zahlreichen Einschlüsse von archäischen Gesteinen, von Granit, Diorit, Gneis, Granulit, Glimmerschiefer usw. in den vulkanischen Tuffen, Basalten und Laven des Laacher Sees, des Siebengebirges usw. bewiesen. Es kann nur angenommen werden, daß sie bei den vulkanischen Ausbrüchen aus großer Tiefe abgerissen und mit an die Oberfläche gefördert wurden. Im Hohen Venn zeigte sich bei einem Bahnbau, daß dort Granit sogar bis nahe an die Oberfläche reicht.

Abb. 7. Haus Frauenstein und Salzhaus am Römerberg in Frankfurt.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 21.)
Devonische Gesteine.

Die Hauptgesteinsmasse des Rheinischen Schiefergebirges entstand in der Erd-Epoche, die der silurischen Zeit folgte und den Namen Devon erhalten hat. Dieselbe wurde benannt nach der englischen Grafschaft Devonshire, weil sie dort vom englischen Geologen Murchison zum ersten Male als ein selbständiges Glied der Erdrinde nachgewiesen wurde. Bei der geologischen Erforschung des Rheinischen Schiefergebirges zeigte sich, daß sie in diesem Gebiete viel vollständer entwickelt ist. Sie könnte also zutreffender als Rheinische Formation bezeichnet werden. Das Devon wird in drei Unterglieder, in das Unter-, Mittel- und Oberdevon, eingeteilt. Von diesen ist das älteste Glied, das Unterdevon, am mächtigsten entwickelt. Ihm gehören die Tonschiefer und Grauwacken, ferner[S. 9] der noch ältere Taunusquarzit, der besonders im Taunus und Hunsrück eine wichtige Rolle spielt, und als älteste Gesteine die Phyllite und Sericite an. Letztere, die eine schmale Zone am Südfuße des Taunus und des Hunsrück bilden, werden von einigen Forschern auch für älter als devonisch gehalten. Im Vergleich zum Unterdevon hat das Mitteldevon, wie ein Blick auf die geologische Karte[A] uns sagt, nur eine geringe Verbreitung. Die Eifelkalke, die bei Gerolstein als prächtige Dolomitfelsen aufragen, und die Lenneschiefer, die zwischen der Sieg und der Ruhr verbreitet sind und also den Boden des Bergischen Landes bilden, gehören ihr an. Das Oberdevon ist noch viel weniger verbreitet. Schichten desselben kommen nur in einer Kalkmulde bei Prüm in der Eifel, zwischen der Wupper und der unteren Ruhr im Bergischen Lande, bei Aachen und in der Lahn- und Dillgegend vor.

Abb. 8. Der Dom in Frankfurt.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 21.)

Obschon die unterdevonischen Schichten die ungeheure Mächtigkeit von etwa 3300 m besitzen, sind sie, wie aus den Versteinerungen, die sie enthalten, als den Spuren früherer Lebewesen, geschlossen werden konnte, in einem ziemlich seichten Meere, das mit unserer Nordsee verglichen werden kann, abgelagert worden. Es sind jedoch nur wenige versteinerungsreiche Bänke bekannt geworden. Um so reicher ist die Ausbeute des Paläontologen in den mitteldevonischen Kalken und Schiefern, die sich als Tiefseebildungen zu erkennen geben. Diese Schichten, besonders die Kalke der Eifel, enthalten eine solche Fülle von Versteinerungen, daß man, wie Rauff sich ausdrückt, „streckenweise keinen Stein aufheben kann, der nicht zugleich Versteinerung wäre, und daß beispielsweise in der Umgebung von[S. 10] Gerolstein, ohne jede Übertreibung gesprochen, die Straßen tatsächlich mit Korallen und Stromatoporen beschottert werden“. Auch die oberdevonischen Schichten enthalten stellenweise einen großen Reichtum von Versteinerungen. Außer zahllosen Muscheln aus der Klasse der Brachiopoden oder Armfüßler, Korallen, Seesternen, Seelilien und krebsartigen Tieren treten im Devon zum ersten Male auch Fische und Ammoniten auf. Die Fische hatten sämtlich ein knorpeliges Skelett gleich den Haifischen und Stören der Gegenwart, weshalb von ihnen nur wenig erhalten ist.

Als sich die devonischen Schichten ablagerten, fanden gleichzeitig viele submarine Ausbrüche von vulkanischem Gestein, von Diabasen und Aschen statt; die Schalsteine der nassauischen Gegenden haben diesen Ursprung. In Verbindung mit Kalksteinen bewirkten sie sekundär die Entstehung von Eisenerzen, besonders von Roteisensteinen, so daß im Nassauischen und in Westfalen ein bedeutender Eisenbergbau begonnen werden konnte.

Abb. 9. Goethe-Haus in Frankfurt.
Nach Luib, Der Taunus. Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung in Frankfurt a. M. (Zu Seite 22.)
Die Steinkohlenzeit.

Auf die devonische Zeit folgte die Karbon- oder Steinkohlenzeit. Sie schuf die Ablagerungen, die das Rheinische Schiefergebirge im Norden, Osten und Südwesten säumen, im Norden in langer Ausdehnung von Valenciennes in Frankreich bis nach Marsberg in Westfalen, von da am Ostrande des Devon nach Süden herumgreifend bis über Wetzlar hinaus, im Südwesten auf kleinerem Raume an der Saar und oberen Nahe. Wir unterscheiden ein Unterkarbon und ein Oberkarbon oder das produktive, d. h. von Kohlenflözen erfüllte Steinkohlengebirge. Jenes ist in Belgien als Tiefseebildung in einer ungeheuren Mächtigkeit, östlich vom Rhein aber als Flachseebildung entwickelt, letzteres haben wir überall als die Ablagerung eines sehr seichten Meeres, in dessen Buchten sich ein ungemein üppiges Pflanzenleben entfalten konnte, aufzufassen.

Abb. 10. Goethe-Denkmal in Frankfurt.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 22.)
Entstehung der Gebirge.

Schon die bandartige Ablagerung der karbonischen Schichten an den Rändern des Rheinischen Schiefergebirges sagt uns, daß dieses zu jener Zeit anfing, sich aus den Fluten des Meeres herauszuheben, zusammen mit dem gewaltigen Hochgebirge,[S. 11] den Variskischen Alpen, von denen wir eingangs sprachen. Dies führt uns zu der Frage, wie wir uns die Entstehung der riesigen Gebirge, die in früherer Zeit hervorragten und wieder verschwunden sind oder, jüngeren Ursprungs, noch heute die Oberfläche der Erde schmücken, zu denken haben. Manche Theorien sind hierüber aufgestellt worden. Die Katastrophentheorie, der auch noch Humboldt huldigte, ist längst abgelöst worden von der Kontraktionstheorie, die von Lyell begründet und von Heim und Sueß weiter ausgebildet wurde und den großartigsten Vorgang der Gebirgsbildung, die Entstehung der riesigen Ketten- oder Faltengebirge, als Wirkung eines langsameren, aber allmählich immer stärker werdenden Seitenschubs erklärt. Die fortschreitende Abkühlung der Erde ist die letzte Ursache dieses Vorgangs, bei dem die oberen Erdschichten immer stärker in Falten gelegt und zu Falten aufgebogen werden. Im Rheinischen Schiefergebirge sind die einstigen Falten zum Teil nachgewiesen worden. Sie bildeten zahlreiche Gebirgszüge, die, wie am Oberflächenbilde stellenweise noch heute sichtbar ist, von Südwesten nach Nordosten strichen. Namentlich drei große Faltenbewegungen wurden wirksam. Zuerst wurde das Hohe Venn aufgebogen, dann folgte die Auffaltung des Taunus und Hunsrück und daran schloß sich unmittelbar die Aufwölbung der Eifelfalte. Jede dieser Hauptfalten war von zahlreichen Nebenfalten begleitet. Der Druck kam vorwiegend von Südwesten; doch sind auch Wirkungen einer quer hierzu gerichteten Druckbewegung, besonders in der Eifel, zu erkennen. Die karbonischen Schichten bei Aachen sind noch mitgefaltet worden, ein Beweis, daß bei ihrer Ablagerung die Faltenbewegung noch nicht begonnen hatte, die des Saargebiets dagegen nicht mehr. Die Forschungen haben ergeben, daß sich an der Stelle, wo das Saarkohlengebirge abgelagert wurde, eine wohl 5000 m tiefe Senke zwischen dem Hunsrück im Nordosten und einer anderen Hochgebirgskette im Südwesten befand. Die Gewässer, die von den beiden Gebirgen mit wildem Sturze herniederflossen, führten große Massen Quarz und Schiefergeröll mit sich fort und füllten allmählich die Senke aus. Ein großer Teil des Steinkohlengebirges, das so entstand, wurde in der dann folgenden Permzeit von den[S. 12] Ablagerungen des Rotliegenden überdeckt. Der ganze Ost- und Südrand des Rheinischen Schiefergebirges war in dieser Zeit wieder unter den Meeresspiegel geraten, bis zur Mosel hin, wo noch kleine Reste des Rotliegenden, die der Reisende auf der Fahrt von Trier nach Coblenz auf der ersten Strecke schaut, erhalten sind.

Die späteren Erd-Epochen.

In der nächsten Erd-Epoche, der Triaszeit, dauerte das Tiefersinken des Gebietes fort. Immer weiter dehnte sich in dem früheren Gebirgslande wieder die Herrschaft des Meeres aus, und mit neuen Ablagerungen bedeckte dieses den alten Gebirgsrumpf. Auch das Jurameer flutete wahrscheinlich noch über weiten Gebieten. In der nachfolgenden Kreidezeit dagegen war der größte Teil des Rheinischen Schiefergebirges wieder trockengelegt. In der Tertiärzeit gab es noch eine seichte Meeresbucht, das sogenannte Mainzer Becken, mit einem reichen Tierleben. Dann folgten zahlreiche Süßwasserbildungen, Geröll-, Sand-, Ton- und Braunkohlenablagerungen, auf seiner Oberfläche, besonders auf den eingesunkenen Schollen des Neuwieder und Limburger Beckens, sowie des Mainzer Beckens im Süden und der Kölner Bucht im Norden, begannen ferner die zahlreichen vulkanischen Ausbrüche, die bis in das Diluvium fortdauerten und die Vulkanberge der Eifel, die Basaltkuppen des Westerwaldes und vor allem die schöne Berggruppe des Siebengebirges schufen.

Wir verfolgten die Landbildungen, die auf dem Raume des Rheinischen Schiefergebirges in den verschiedenen Erd-Epochen vor sich gingen, und es bleibt uns noch die andere Aufgabe, auch die Vorgänge zu verfolgen, durch die das mächtige Hochgebirge und auch manche der später auf seinem Sockel wieder abgelagerten Erdschichten wieder zerstört und abgetragen wurden. Hierbei wird sich vor unseren Augen zum Schlusse das jetzige Oberflächenbild des Rheinischen Schiefergebirges gestalten.

Wie alle Gebirge, besonders die hoch gehobenen Faltengebirge, die mit starkem Gefälle fließende Gewässer hinabsenden, so unterlagen auch die alten Faltenzüge des jetzigen Rheinischen Schiefergebirges gleich nach ihrer Aufrichtung einer starken Zerstörung und Abtragung. Wieviel letztere bisher betragen hat, darüber sind erst wenige Berechnungen gemacht worden. Cornet und Briort veranschlagen in ihren Arbeiten über das belgische Karbon das Maß der Abtragung bei Namur auf 5000–6000 m. Dies gibt uns eine annähernde Vorstellung, mit welchen Kräften und Leistungen wir bei der Zerstörung der Gebirge zu rechnen haben. Auch der Vergleich mit den viel jüngeren Alpen dürfte geeignet sein, eine anschauliche Vorstellung hierüber zu geben. Von ihrer stolzen Höhe büßten sie nach den Berechnungen von Professor Heim in Zürich in einem verhältnismäßig noch kleinen Zeitabschnitte ein Drittel ein, und für das heute noch 4280 m hohe Finsteraarhorn, den höchsten Berg der Berner Alpen, betrug die Höhenabnahme mindestens 1000 m an Sedimentgestein und eine nicht bestimmbare Höhe an kristallinischem Schiefer.

Abb. 11. Die Börse in Frankfurt.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 23.)

[S. 13]

Die schnelle Zerstörung, welche das alpenartige Gebirge jedenfalls in der ersten Zeit nach seiner Auffaltung erfahren hatte, verlangsamte sich, als schon in der Permzeit das ganze Gebiet sich zu senken begann. Aber eine andere Zerstörungsweise setzte mit diesem Zeitpunkte ein. Das Meer umbrandete das Gebirge und überflutete es teilweise, wie die Ablagerungen des Rotliegenden, des Buntsandsteins und noch jüngerer Erdschichten beweisen. Das gewaltige Zerstörungswerk der Meeresbrandung können wir an heutigen Küsten beobachten. Sie hobelt gleichsam das Land allmählich gleichmäßig ab, so daß, wenn sich später das Meer wieder zurückzieht, eine fast ebene Fläche zum Vorschein kommt. Besonders dürfte das Buntsandsteinmeer die Abnagung und Einebnung weiter Gebiete des Rheinischen Schiefergebirges bewirkt haben.

Ausbildung der heutigen Formen.

Als die Schwankungen der Meeresgrenzen aufhörten und das Rheinische Schiefergebirge in seinem heutigen Umfange wieder als trockenes Land heraustrat, wurde seine Oberfläche von neuem modelliert, und zwar um so stärker, je höher sie gehoben wurde. Sie schmückte sich mit neuer Schönheit, indem weiches Gestein fortgeschwemmt wurde, härteres aber stehen blieb, und indem die heutigen Gewässer ihre Täler tief eingruben. Die zahlreichen Bergrücken, welche den sonst einförmigen Hochflächen des Rheinischen Schiefergebirges heute noch aufgesetzt sind, wie die Taunuskette, der Soon-, Idar-, Hoch- und Errwald auf dem Hunsrück, der Kondelwald, die Schneifel u. a. auf der Eifel usw. sind nur Reste härterer Gesteinsschichten, stellen aber durchaus nicht mehr die früheren Faltenzüge dar. Sie bestehen aus dem harten Quarzit, der der Verwitterung besser als die Schiefer-, Grauwacke- und Sandsteinschichten widerstand. Die Hauptachse der Taunus-Hunsrückfalte, die früher eine ununterbrochene Gebirgskette darstellte, lag z. B. südlich von der jetzigen höchsten Erhebungslinie und wird durch die dort auftretende schmale Zone der stark abgetragenen Phyllite und Sericite bezeichnet. Auch die Porphyr- und Melaphyrfelsen der Nahegegend, ferner die überaus zahlreichen Vulkanberge, besonders Basaltkuppen der Eifel, des Westerwaldes und des Siebengebirges, sowie die Kalkfelsen bei Gerolstein in der Eifel verdanken ihr jetziges stattliches Hervortreten meist nur dem Umstande, daß sie von der sie umgebenden weicheren Gesteinshülle allmählich entblößt wurden.

Abb. 12. Eschenheimer Turm in Frankfurt.
Nach Luib, Der Taunus. Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung in Frankfurt. (Zu Seite 23.)

[S. 14]

Bildung der Flußtäler.

Die heutige Talbildung des Rheinischen Schiefergebirges hat ihren Anfang wohl erst gegen Ende der Tertiärzeit, in der Pliocänzeit, genommen. Allmählich haben der Rhein und seine Nebenflüsse, die Mosel, die Lahn, die Nahe, die Sieg, die Ahr und die Wupper, ihr Bett bis zur jetzigen Tiefe ausgenagt und dadurch die große Gebirgsscholle in mehrere kleinere zerlegt. In bedeutender Höhe der Täler finden wir die Spuren ihres früheren Laufes. Am deutlichsten sind die alten Flußterrassen im Rheintal ausgebildet, doch fehlen sie auch im Tal der Mosel und in den Tälern der anderen Flüsse nicht. Im Rheintal ist eine Hoch- und eine Niederterrasse nachzuweisen. Jene liegt etwas nördlich von Coblenz in einer Höhe von 245, bei Linz von 200, auf der Erpeler Ley von 150 und auf dem kleinen Krater des Rodderberges bei Rolandseck von 130 m über dem jetzigen Rheinspiegel; sie setzt sich mit abnehmender Höhe auch durch die Kölner Bucht als Schotterfläche der Ville, ja bis nach Cleve und Nimwegen hin fort. Diese Hochterrasse zu beiden Seiten des Tales ist der Rest des ehemaligen, sehr breiten Strombettes. In dieses begann sich der Rhein später tiefer einzugraben. Er zog hierbei von selbst seine Wassermasse enger zusammen. Tiefer sank sein Spiegel, seine steilen Uferwände wurden immer höher und wuchsen allmählich zu Bergen, auf denen in der Höhe die aus mächtigen Schottermassen bestehende Terrasse zurückblieb. Außer dieser obersten Hauptterrasse kommen an den Talwänden auch kleinere Hängeterrassen vor. Die Niederterrasse, eine untere Hauptterrasse, liegt in einer Höhe von 20–30 m über dem jetzigen Wasserspiegel und bezeichnet wieder ein längeres Verweilen des Stromes in seinem Bette. Dann begann er, sich sein heutiges Bett zu graben.

Abb. 13. Das Opernhaus in Frankfurt.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 23.)
Abb. 14. Der Palmengarten in Frankfurt.
Nach Luib, Der Taunus. Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung in Frankfurt. (Zu Seite 23.)
Abb. 15. Im Palmenhause des Frankfurter Palmengartens. (Zu Seite 23.)

Zu diesem tiefen Einnagen kann der Strom, wie schon erwähnt wurde, nur durch eine langsame Aufwärtsbewegung des Rheinischen Schiefergebirges veranlaßt worden sein. Diese Aufwärtsbewegung war keine gleichmäßige, sondern ging bald langsam, bald schneller vor sich. Es hätte sonst eine Terrassenbildung nicht stattfinden können. Die Tatsache, daß die Quelle bzw. der Oberlauf der außerhalb des Rheinischen Schiefergebirges entspringenden Flüsse, der Saar, der Mosel, des Rheines (sein Lauf durch die Oberrheinische Tiefebene) jetzt tiefer liegen als die höchsten Spuren der alten Stromläufe, könnte auch so erklärt werden, daß jene außerhalb gelegenen Gebiete später eingesunken und die genannten Gewässer gezwungen worden seien, ihr Wasser aufzustauen, um schließlich über die Hochflächen des Rheinischen Schiefergebirges einen Abfluß zu finden. Die gleichzeitige Annahme von Spalten in letzterem erleichtert diese Erklärungsweise, nach der das Rheintal und seine Nebentäler nur als einfache Erosions-, d. h. Ausnagungstäler aufzufassen seien. Führen wir aber, wie es oben geschah, ihre bedeutende Vertiefung auf ein späteres langsames Emporsteigen des Rheinischen Schiefergebirges zurück — und hierzu sind wir gezwungen, um den beiden Tatsachen, der früheren teilweisen Überflutung des[S. 15] Gebiets durch das Tertiärmeer und der Terrassenbildung gerecht zu werden —, so haben wir eine kompliziertere Talbildung vor uns, die man die vorausgehende nennt. Diese Bezeichnung will andeuten, daß der Beginn der Talbildung der Gebirgserhebung vorausgegangen war, wenn sie auch durch diese erst zum schnellern Fortschreiten angeregt wurde. Wir brauchen in diesem Falle keine[S. 16] großen Spaltenbildungen, die den Gewässern den Weg wiesen, anzunehmen. Solche konnten sicher bisher auch nur auf wenigen Strecken des Rheintales und seiner Nebentäler nachgewiesen werden. Einem Gebirgsspalt folgt der Rhein z. B. auf der Strecke von Braubach unterhalb Boppard bis Coblenz. Die Deutung der Täler des Rheinischen Schiefergebirges als vorausgehende Talbildungen schließt aber durchaus nicht aus, daß die außerhalb entspringenden Gewässer, also Rhein, Mosel und Saar, in früherer Zeit vor Eintritt in das Gebiet ihr Wasser seeartig aufgestaut haben, wofür besonders hinsichtlich des Rheinlaufs, der das Mainzer Becken und einen großen Teil der Oberrheinischen Tiefebene füllte, Beweise vorhanden sind. Diese Aufstauung mußte sogar in dem Maße stattfinden, als die Talvertiefung hinter der Aufwärtsbewegung des Rheinischen Schiefergebirges zurückblieb. Auch die eingesunkenen oder in der Aufwärtsbewegung zurückgebliebenen Schollen innerhalb des Gebietes, wie das Limburger und Neuwieder Becken und die Kölner Bucht, blieben noch lange Zeit von Wasserfluten bedeckt, bis sie sich mit dem Fortschreiten der Talbildung allmählich entleerten. Der Rhein und seine Nebenflüsse begannen ihre Talbildung in den überlagernden, aber wieder abgetragenen Schichten und setzten sie ohne Rücksicht auf den Gebirgsbau der unterlagernden Schichten fort, so daß man auch von epigenetischen oder aufgelagerten Tälern sprechen kann. Von der Pliocänzeit bis zur Diluvialzeit, und zwar bis etwa zu den letzten Abschnitten der Eiszeit, in der auch schon der Mensch am Rheine wohnte, war beinahe diese ganze Erosionsarbeit der Flüsse geschehen; denn der aus der letztgenannten Zeitepoche stammende feinerdige Löß bekleidet vielfach die Gehänge der Täler, besonders des Rheintales, fast bis zur Niederterrasse herab.

Abb. 16. Kurfürstliches Schloß in Mainz. (Zu Seite 29.)
Abb. 17. Innere Ansicht der Stadthalle in Mainz. (Zu Seite 30.)

[S. 17]

Abb. 18. Mainz.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 23.)

[A] Geologische Übersichtskarte der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen, bearbeitet von H. v. Decken. — Geologische Übersicht von Mitteleuropa in Andrees Handatlas, V. Aufl. S. 37 38.

[S. 18]

III. Das Mainzer Becken, der Rheingau und der Taunus.

Die nördlichen Gegenden der Oberrheinischen Tiefebene, deren unterster Schlußteil das fruchtbare Mainzer Becken bildet, „behaupten,“ so sagt Kutzen, „vor den meisten Abschnitten unseres Vaterlandes, ja vor den meisten Flußtalstücken unseres ganzen Erdteils den Vorrang. Während zweier Jahrtausende waren sie ein Hauptschauplatz weltgeschichtlicher Ereignisse und insbesondere auch der Entwicklung des deutschen Volkes; denn gerade hier tummelten sich von jeher die Eroberer und Völker, von den Zeiten Ariovists und Cäsars bis zu dem Cäsar der Neufranken und seinen Gegnern. Kelten und Germanen, Römer und Hunnen, Schweden und Spanier, Russen und Franzosen versuchten sich hier gegeneinander und düngten mit ihrem Blute das Land, das, oft verwüstet, immer wieder zu neuer Blüte sich erhob. Hier gingen bei weitem die Mehrzahl der großen weltgeschichtlichen Völkerzüge über den Rhein und ließen ihre Spuren zurück, wie auch das herrliche Land selbst stets der Zankapfel der Völker war. An diesen Rheinufern blühten die Reiche der Burgunder und Nibelungen auf und später Deutschlands schöne Pfalzgrafschaft. An ihnen wuchsen jene Städte des Reiches, die Blüte deutschen Lebens, in deren Mauern entscheidende Reichs- und Kirchenversammlungen gehalten, Kaiser gewählt, gekrönt und in die Gruft gesenkt, Künste und Wissenschaften gepflegt, bedeutsame, ja auf die ganze Zivilisation umgestaltend einwirkende Erfindungen, z. B. die Buchdruckerkunst in Straßburg und Mainz, gemacht und Handelsgeschäfte im großartigsten Maßstabe gehandhabt wurden. Noch stehen als Zeugen einer gewaltigen Vergangenheit die hohen Dome und ragen mit ihren Türmen und Zinnen ehrfurchtgebietend ins weite Land hinein, von Berghöhen schauen ernste Ruinen zur Ebene herab und reden von dunklen Sagen uralter, kaum zu ergründender Tage oder von jener großen Zeit, wo die[S. 19] Gaue des Oberrheins noch der Mittelpunkt des Deutschen Reiches waren, wo sich alle Macht und Kraft, aller Reichtum, alle Kunst des germanischen Volkes hier konzentriert hatte. Das alles ist anders geworden; aber das schöne Land ist geblieben, um so inniger umschweben jene Erinnerungen den Wanderer und erhöhen sein Interesse für dasselbe.“

Abb. 19. Der Dom in Mainz, vom Markt gesehen. (Zu Seite 30.)
Abb. 20. Der nördliche Kreuzarm des Mainzer Domes. (Zu Seite 30.)
Frankfurts Lage.

Unter den oberrheinischen Städten, die die Wiege großer Zeitereignisse waren und in der deutschen Geschichte eine bedeutende Rolle spielten, ragen noch heute besonders zwei hervor: Frankfurt am Main und Mainz. Zwar liegt Frankfurt, wo wir unsere Wanderungen durch das Land am Rhein beginnen wollen, abseits von diesem Strome. Aber an allen Vorteilen, die derselbe als Völkerstraße darbietet, hat die Stadt teilnehmen können, und so kann sie doch, obschon nur am Unterlaufe eines bedeutenden Nebenflusses, des Mains, gelegen, als eine Rheinstadt gelten. Die eigentliche Fortsetzung des großen Grabens der Oberrheinischen Tiefebene, dem der Rheinstrom folgt, bildet nicht das enge Rheintal, sondern die fruchtbare Landschaft der Wetterau, die sich nördlich von Frankfurt ausdehnt. Von dort aus öffnen sich bequeme Verbindungen nach Norden nach dem Hessenlande und nach Nordosten nach Thüringen hin und dadurch nach dem nördlichen und nordöstlichen Deutschland. So bildet Frankfurt die Brücke vom Rhein, der großen Verkehrsader des südwestlichen Deutschland, zu dem übrigen Deutschland, und dieser wichtigen Lage verdankt es die hervorragende Rolle, die es in der Vergangenheit spielen konnte und auch in der Gegenwart auf dem Gebiete des Handels und Verkehrs zu behaupten vermag. Durch diese Gunst übertrifft seine Lage selbst die des benachbarten Mainz, das von der von Süden nach Norden laufenden Verkehrsstraße durch den Rheinstrom getrennt ist. Warum gerade die durch Frankfurts Lage bezeichnete Stelle am Main für eine Niederlassung bevorzugt wurde, lag in örtlichen geographischen Verhältnissen begründet. Es war nicht bloß das zufällige Vorhandensein einer Furt, die der Stadt den Namen „Villa Franconofurd“: Furt der Franken gab, entscheidend. Ausläufer des Vogelsberges, die nur bei Frankfurt bis an den Main heranstreichen, und eine kleine Bodenerhebung auf dem linken Mainufer sicherten auch eine bequeme Benutzung[S. 20] dieser Furt, während an anderen Flußstellen ein mehr oder weniger breites Überschwemmungsgebiet Hindernisse bereitete. Am Mainufer, von wo aus Frankfurt noch immer sein eigenartigstes Gesamtbild (Abb. 4) mit den beiderseitigen Gebäudereihen, mit dem stattlichen, alles überragenden Dom und den niedrig den Fluß überspannenden Brücken entfaltet, wird uns die Situation, die die Gründung der Niederlassung veranlaßte, klar. Recht bedeutend senken sich von der verkehrreichen Zeil aus die zum Main hinführenden, meist sehr engen Gäßchen. In dem Flusse aber schwimmen noch heute mehrere kleine Inseln, auf denen jetzt die alte Mainbrücke ruht, die Furtstelle bezeichnend, wo die fränkischen Heere den Main zu überschreiten pflegten. Die königliche Pfalz, die in der Frankenzeit zu Frankfurt errichtet wurde, wird zuerst im Jahre 793 als Winteraufenthalt Karls des Großen erwähnt. Ludwig der Fromme ließ daselbst 822 eine neue Kaiserpfalz, aula regia, erbauen, vermutlich an der Stelle, die jetzt der sog. Saalhof einnimmt. Dadurch wuchs das Ansehen der Stadt bedeutend, 876, beim Tode Ludwigs des Deutschen, galt sie als Hauptstadt des ostfränkischen Reiches. Von der fränkischen Zeit an wurden in Frankfurt die deutschen Kaiser gewählt, und die Goldene Bulle Karls IV. bestimmte, daß die Bartholomäuskirche, d. i. der Dom, als Wahlstätte dienen sollte. Später mußte auch Aachen seinen Rang als Krönungsstadt an Frankfurt abtreten. So wurde die freie Reichsstadt, die durch Messen zugleich als Handelsplatz mächtig aufblühte, die wichtigste Stadt im Deutschen Reiche, der erst später Wien als ständiger Kaisersitz den Rang ablief (Abb. 3).

Abb. 21. Gutenberg-Denkmal in Mainz. (Zu Seite 31.)
Frankfurts Vergangenheit.

Wir begrüßen es dankbar, daß Frankfurt die Stätten der Erinnerung an seine frühere Größe und Bedeutung so treu bewahrt hat, daß wir heute noch aus dem Kaisersaal (Abb. 5) auf den Römerberg, den wichtigsten Platz im alten Stadtteil, hinabschauen können, wie es der neugewählte Kaiser tat, wenn er sich nach beendetem Festmahl auf dem Balkon der festlich versammelten Volksmenge zeigte. In dem angrenzenden Wahlzimmer, das die Kurfürsten zu ihren Vorberatungen benutzten, während der eigentliche Wahlakt in der Wahlkapelle des Domes stattfand, hält noch heute der Magistrat der Stadt Frankfurt seine Sitzungen ab. Der Kaisersaal wurde 1411 vollendet und 1838 bis 1853 neu hergestellt. Er ist mit dem überlebensgroßen Bilde Karls des Großen, den Brustbildern der übrigen Karolinger und den großen Kaiserbildern von Konrad I. (911 bis 918) bis Franz II. (1792 bis 1806), mit dem die Herrlichkeit des alten Deutschen[S. 21] Reiches aufhörte, geschmückt. Das Wahlzimmer wurde 1731 bis 1732 umgebaut. 1896 bis 1898 wurde das Haus zum Römer (Abb. 6), das diese historisch denkwürdigen Räume enthält, nebst zwei angrenzenden Häusern mit einer neuen, etwas zu gleichartigen spätgotischen Fassade in hoher Giebelform versehen. Die drei Häuser liegen in einer Gruppe von zwölf Häusern, die man heute insgesamt mit dem Namen „Römer“ zu bezeichnen pflegt. Von den übrigen, zum Teil sehr eigenartigen Gebäuden verdienen besonders das Haus Frauenstein, das eine bemalte Fassade im Stil des achtzehnten Jahrhunderts hat, und das neben ihm an der Ecke der Wedelgasse gelegene Salzhaus (Abb. 7), dessen schmaler Giebel ganz aus Holz geschnitzt ist, genannt zu werden. Vom Römerberg, auf dem, wohl auf die Kaiserwahl hindeutend, der Justitiabrunnen steht, lenken wir unsere Schritte durch eine Straße, die den Namen Markt führt, zum Dom hin. Es ist ein historischer Weg, den wir schreiten. Im Geiste sehen wir den Zug der Kurfürsten sich zur Wahlkapelle im Dom bewegen und grüßen den neuen Kaiser, dem die festliche Menge zujubelte. Dieses Zurückschweifen in vergangene Zeiten wird uns leicht, ja zum Bedürfnis beim Anblick der altertümlichen Häuser, die links und rechts vom Markt noch stehen blieben als stumme Zeugen jener Geschehnisse, dort rechts das Eckhaus „Zum großen Engel“, das aus dem Jahr 1562 stammt und halb im gotischen, halb im Renaissancestil erbaut ist, links ein burgartiges Gebäude, genannt das „Steinerne Haus“, das schon 1464 errichtet wurde und mit Fries, Ecktürmchen und Madonnenstatue geschmückt ist, dann wieder rechts der Tuchgaden, wo die Frankfurter Metzgerzunft, alter Überlieferung gemäß, dem nach der Krönung vorüberziehenden Kaiser den Ehrentrunk darbringen durfte.

Abb. 22. Haus „zum Boderam“ am Markt in Mainz. (Zu Seite 31.)
Frankfurt.

An dem Dome (Abb. 8) fällt uns besonders das unverhältnismäßig weit vorstehende Querschiff auf. Das kurze, dreischiffige Langhaus, ein gotischer Hallenbau, stammt aus den Jahren 1235 bis 1239. Die übrigen Teile des Bauwerks sind alle jünger, meist aber, wie auch das Langhaus selbst, Erneuerungsbauten älterer Gebäudeteile. Schon 870 ließ Ludwig der Deutsche an derselben Stelle eine Kirche, die er als Salvatorkirche weihen ließ, erbauen. Dieselbe wurde 1239 nach dem Umbau, von dem das Burghaus herrührt, dem heiligen Bartholomäus geweiht. Die Wahlkapelle stammt aus dem Jahre 1355. Am 15. August 1867 wurde der Dom durch Feuer stark beschädigt. Bei der Wiederherstellung erhielt auch der bis dahin unvollendete Turm seine eigenartige Bekrönung, eine achtseitige Kuppel,[S. 22] die in eine Spitze ausläuft, wie es ein alter Entwurf zeigte.

Abb. 23. Gymnasium in Mainz. (Zu Seite 32.)

Beim Anblick dieser alten Gebäude in der enggebauten Altstadt kommt uns deutlich zum Bewußtsein, was Frankfurt in politischer Hinsicht dem früheren Deutschen Reiche gewesen ist. Die Stadt, die die deutschen Kaiser aus ihren Mauern hervorgehen sah, schenkte dem deutschen Volke auch den größten Dichter. Im „Großen Hirschgraben“ steht, vom Roßmarkt schnell zu erreichen, das Goethehaus (Abb. 9). Es ist ein für frühere Zeiten stattliches Gebäude, aus dem Erdgeschoß, zwei etwas vorgebauten Stockwerken und einem aufgesetzten Giebelhaus bestehend. Tausende Besucher aus allen Ländern der Erde durchwandern alljährlich diese durch einen großen Geist geweihten Räume, in denen der Dichter seine glückliche Jugendzeit verlebte und die ersten Werke schuf, die ihn so früh berühmt machten. Aus „Dichtung und Wahrheit“ sind wir mit den inneren Räumen schon ziemlich vertraut. Es ist das Verdienst des „Freien Deutschen Hochstifts“, einer wissenschaftlichen Vereinigung, daß das denkwürdige Haus uns als ein deutsches Nationalheiligtum erhalten blieb. Dasselbe wurde seit seiner Neugestaltung im Jahre 1884 stilgemäß wie zu Goethes Jugendzeit wieder eingerichtet. Alles heimelt uns so merkwürdig an. Nun erst glauben wir dem großen Dichter näher zu sein. Wir schauen in das Antlitz des strengen Vaters und der ebenso lebensfrohen als lebensklugen Mutter, der Frau Rat, aus deren Munde wir die Worte zu vernehmen glauben, „daß noch keine Menschenseele mißvergnügt von ihr weggegangen ist, wes Standes, Alters und Geschlechtes sie auch gewesen sei“. Sie war der gute Schutzgeist des Goetheschen Hauses. Es war ein schöner Gedanke, der bei den großen Festlichkeiten, die bei Gelegenheit des 150. Geburtstages des Dichters veranstaltet wurden, auftauchte, auch der herrlichen „Frau Rat“ ein Denkmal zu setzen, nachdem ihrem großen Sohne auf dem benachbarten Goetheplatze schon 1844 ein solches (Abb. 10) errichtet worden war. Die Frankfurter Bürgerinnen, die deutschen Frauen griffen ihn mit Begeisterung auf, im stillen flossen die Mittel und bald kann an seine Verwirklichung gedacht werden. Durch eine solche Ehrung wird sich die deutsche Frauenwelt selbst ein Denkmal setzen. Wenn wir den Hof des Goethehauses durchschreiten, gelangen wir zu einem Neubau, in dem 1897 das Goethemuseum eröffnet wurde.

Das neuere Frankfurt blüht mächtig wieder auf. Die letzte Volkszählung ergab eine Bevölkerung von rund 340000 Einwohnern. Noch immer ist die[S. 23] Stadt einer der bedeutendsten Handelsplätze Deutschlands, besonders ein wichtiger Geldmarkt (Abb. 11). Ein lebhafter Verkehr flutet durch die Zeil, die Hauptgeschäftsstraße Frankfurts, und prächtige Schauläden locken unsere Augen. Die Fortsetzung der Zeil bildet nach der einen Seite hin die Neue Zeil, nach der anderen, vom Roßmarkt ab, die schöne Kaiserstraße, die zum Hauptbahnhofe hinführt. Prächtig sind auch die Anlagen, die an Stelle der früheren Festungswerke getreten sind. Ihnen folgend, gelangen wir an dem schönen Eschenheimer Turm (Abb. 12) vorbei zu dem großartigen Opernhause (Abb. 13). Mehr lockt den Fremden wohl noch der berühmte Palmengarten (Abb. 14), der weiter außerhalb seitwärts von der Bockenheimer Landstraße liegt. Hinter dem großen, am Eingang gelegenen Blumenparterre, auf dem vom zeitigen Frühjahr an bis in den späten Herbst hinein ein ununterbrochener Blumenflor in kunstreichen Zeichnungen und vielfarbigen Mustern einen entzückenden Anblick darbietet, erhebt sich das im Jahre 1879 in deutschem Renaissancestil erbaute Gesellschaftshaus, in dem täglich zweimal Konzerte der Palmengarten-Kapelle stattfinden. Unmittelbar an das Gesellschaftshaus, nur durch große Glasscheiben getrennt, schließt sich das Palmenhaus (Abb. 15) an. Eine ideal aufgebaute tropische Landschaft zeigt sich unserem überraschten Auge. Wir bewundern die stolzen Palmen, die malerisch hängenden Farnkräuter und nicht weniger den so frischgrünen eigenartigen Rasen. Wenn sich das abendliche Halbdunkel in diesen seltsamen Raum schleicht, so fühlen wir uns, traumverloren auf einer Bank sitzend, in eine andere Welt versetzt, in die bisher nur die Phantasie uns trug. Plötzlich zuckt das elektrische Licht hell auf, und ein neuer magischer Zauber durchdringt den Raum. Seltsam stehen die Pflanzengestalten da, und eigenartige Schattenbilder decken den Boden. Dieser Tropentraum ist mit das Schönste, das Frankfurt uns mitgibt auf den weiteren Reiseweg.

Abb. 24. Kreuzaltar in der Peterskirche zu Mainz. (Zu Seite 32.)
Mainz.

Wo der Main in den Rhein einmündet, an der Innenseite des Knies, das letzterer an dieser Stelle macht, liegt die alte Stadt Mainz. Ihr Gesamtbild (Abb. 18) und die Eigenart und Wichtigkeit ihrer Lage überschauen und erkennen wir am besten, wenn wir auf der stattlichen, schönen Rheinbrücke[S. 24] stehen, die nach dem gegenüberliegenden Kastell hinführt. Unter uns rauschen die Wogen des majestätischen Stroms, der soeben seine Vereinigung mit seinem bedeutendsten Nebenflusse vollzogen hat. Noch hat sich ihr Wasser nicht vermischt. Neben dem grünen Rheinwasser ziehen die dunklen Fluten des Mains dahin. Erst wo der Rhein am Binger Loch sich in ein enges Felsenbett zusammendrängen muß, findet die eigentliche Vermählung der beiden Gewässer statt. In herrlicher Lage steigt vor uns das Häuserbild von Mainz, mit der großen Stadthalle im Vordergrund, auf. Majestätisch, mit beherrschender Hoheit, reckt sich der Dom aus ihm hervor. Heller Sonnenglanz liegt auf den Dächern und Türmen der Stadt, auf der weiten Ebene, die rings sich ausdehnt, und auf den grünen Gehängen des Taunus, dessen Höhen im Nordwesten emporsteigen, und das ganze Bild mit Häusern, Türmen, Rebengehängen, Brücken und Schiffen spiegelt sich in den breiten Wasserflächen der beiden Ströme, über deren leicht bewegte Wellen überall ein helles Glitzern huscht. Das ist das „Goldene Mainz“, das in der Römerzeit und im Mittelalter so glanzvoll strahlte, und das nach seinem Niedergange auch in der Gegenwart neuen Glanz zu entfalten beginnt.

Abb. 25. Homburg vor der Höhe. Gesamtblick von der Ellerhöhe aus gesehen.
Nach einer Aufnahme der Neuen Photographischen Gesellschaft in Steglitz-Berlin. (Zu Seite 35.)

In der Römerzeit hatte Mainz fast noch eine größere Bedeutung als Köln. Es konnte wie dieses sich nähren von einer fruchtbaren Umgebung, es beherrschte weithin nicht bloß das Rheintal, sondern auch das Maintal, und ein wichtiger Punkt war es ferner deshalb, weil es ziemlich in der Mitte der langen römisch-germanischen Grenzlinie, wo die beiden Schenkel derselben in einem stumpfen Winkel zusammenstießen, lag und einen starken Stützpunkt darstellte, der vor Angriffen durch zwei breite Stromläufe geschützt war. Bereits die Kelten hatten die Wichtigkeit dieser Lage erkannt, und eine größere keltische Niederlassung bestand schon, als Drusus daselbst ein stehendes Winterlager errichtete. Diese römische Festung war eine der größten am Rhein. Sie faßte zwei Legionen, also, wenn wir die Auxiliartruppen hinzurechnen, eine Truppenzahl von etwa 20000 Mann. Moguntiacum scheint das Hauptquartier des Drusus gewesen zu sein. Denn die römischen Soldaten setzten daselbst ihrem geliebten Feldherrn ein Denkmal, das in den Urkunden Drusilek, im Volksmunde aber Eigelstein genannt wird. Noch ragt die kegelförmige Ruine dieses Römerdenkmals auf der Zitadelle[S. 25] empor. Vor demselben fand in römischer Zeit alljährlich als Totenfeier eine Leichenparade statt. In der Nähe steht noch ein anderes Denkmal, der Ehrenbogen, der dem Germanicus (gest. 19 n. Chr.), dem Sohn des Drusus, errichtet wurde.

Abb. 26. Das Schloß zu Homburg vor der Höhe.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 35.)
Abb. 27. Das Saalburg-Kastell. Wiederaufgebaut. Porta Praetoria. (Zu Seite 36.)

Eine bedeutende römische Ansiedelung konnte Moguntiacum erst werden, als die römische Grenzlinie nach der Eroberung des Taunuslandes weiter nach Norden vorgeschoben wurde und die Stadt nunmehr auch die nötige Sicherheit und Ruhe für andere Ansiedler bot. Die Erbauung des Castellum Mattiacum auf der rechten Seite an der Stelle, wo heute Kastel liegt, rückte Mainz in die zweite, ja nach Errichtung des Limes oder Pfahlgrabens (vgl. eine spätere Stelle in diesem Abschnitt) sogar in die dritte Verteidigungslinie. Über den Rhein wurde eine feste Brücke geschlagen, deren steinerne Pfeiler auf einem Pfahlrost ruhten und eine hölzerne Brückenbahn trugen. Als im Jahr 1880 an der nämlichen Stelle der Bau der neuen festen Rheinbrücke begonnen wurde, stieß man auf die Eichenpfähle, die von den Römern in den Strom gesenkt worden waren. Es war ein glücklicher Gedanke, aus diesen Resten ein geschichtliches Andenken zu gestalten. Es wurde aus ihnen ein Pfeiler der alten Römerbrücke rekonstruiert, der im Hofe des erzbischöflichen Schlosses Aufstellung fand. Nach Fundstücken konnte auch festgestellt werden, daß das großartige Bauwerk während der Regierungszeit des Kaisers Domitian um das Jahr 89 n. Chr., und zwar durch die vierzehnte und zweiundzwanzigste Legion aufgeführt wurde. Als im dritten Jahrhundert die germanischen Stämme der Alemannen und Franken ihre verheerenden Einfälle in das Römergebiet unternahmen, wurde die Brücke zum Schutze der Stadt Mainz[S. 26] zum Teil abgebrochen. Unter Diokletian fand aber ihre Wiederherstellung statt. Ihre endgültige Zerstörung fällt wohl in die Zeit nach Valentinian.

Abb. 28. Nauheim.
Nach Luib, Der Taunus. Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung in Frankfurt a. M. (Zu Seite 38.)
Abb. 29. Kronberg.
Nach Luib, Der Taunus. Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung in Frankfurt a. M. (Zu Seite 38.)

Mainz war Sitz des römischen Statthalters von Obergermanien und daher auch der Verwaltung mit zahlreichen Beamten. Die Zivilisten, die Händler und der Troß des Heeres wohnten vor der Stadt. Auch die entlassenen Soldaten, die sog. Veteranen, schlugen daselbst ihr Heim auf, nachdem sie sich mit eingeborenen Frauen verheiratet hatten. Die Kolonie, die auf diese Weise heranwuchs, erhielt erst unter Diokletian, nach 293, Stadtrechte und ward von da ab Civitas genannt.

[S. 27]

Abb. 30. Friedberg.
Nach Luib, Der Taunus. Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung in Frankfurt a. M. (Zu Seite 38.)

[S. 28]

So fluten die Erzählungen der ältesten Geschichte von Mainz durch unsern Geist, wie dort unten die Wogen des Stromes sich drängen, die da kommen und gehen und keine dauernde Gestalt annehmen, oder wie die Rheinnebel aus dem Strome aufsteigen, die den Glanz des Goldenen Mainz verdunkeln wollen. Vierhundert Jahre dauerte die Herrlichkeit der Römerherrschaft, dauerte auch die Herrlichkeit des römischen Mainz. Die über den Limes, über den Rhein drängenden Germanen legten es in Trümmer. Aus dem Dunkel der Geschichte taucht dann das Mainz des Mittelalters, fast glänzender noch als das der Römerzeit, auf. Zwar melden glaubwürdige Nachrichten, daß die Anfänge des Christentums bis ins vierte Jahrhundert, bis zum Jahre 368 zurückreichen. Aber erst im achten Jahrhundert gewann das christliche Mainz wieder eine beherrschende Stellung in der neu sich bildenden Kulturwelt. Der heilige Bonifatius (Winfried, gest. 755) erhob das dortige Bistum zu einem Erzbistum und verlieh dem neuen Erzbischof zugleich das Primat über ganz Deutschland. Durch das ganze Mittelalter hindurch behielt die Stadt eine hohe, besonders politische Bedeutung. Ihre zentrale Lage in dem damaligen Deutschland ermöglichte es den Erzbischöfen von Mainz, die zugleich zu den sieben Wahl- oder Kurfürsten des Deutschen Reiches gehörten, enge Beziehungen nach allen Seiten zu unterhalten. Ihr Einfluß war unter den deutschen Fürsten daher sehr groß. Die Stadt selbst wußte sich die Rechte einer freien Reichsstadt zu sichern. Im Jahre 1254 wurde in ihren Mauern der deutsche Städtebund zur Sicherung des Landfriedens gegründet. Derselbe umfaßte während seiner kurzen Blütezeit über 100 Städte von Basel bis zum Meere. Mainz war sein Haupt. Der Handel der Stadt blühte mächtig auf, ihr Reichtum wuchs, und mit Recht hieß sie das „Goldene Mainz“. Zwei Jahrhunderte dauerte diese Zeit der Hauptblüte. 1462 verlor Mainz seine meisten Rechte. Die frühere freie Reichsstadt wurde jetzt den Erzbischöfen untertan, und über ihr thronte, Gehorsam fordernd, die kurfürstliche Burg.

Abb. 31. Schloß Friedrichshof.
Nach Luib, Der Taunus. Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung in Frankfurt a. M. (Zu Seite 38.)

Die strategische Wichtigkeit der Lage von Mainz am Zusammenflusse von Rhein und Main machte die Stadt zu einem Zankapfel der Völker. In Kriegszeiten ward sie fast niemals verschont. Im Dreißigjährigen Kriege eroberten nacheinander die Schweden (1631), die Kaiserlichen (1635) und die Franzosen (1644)[S. 29] dieselbe. Ihre starken Festungswerke wurden von letzteren auch 1688 eingenommen, und 1792 wurde sie von ihnen ohne Kampf zum dritten Male besetzt. Nach der französischen Herrschaft, von 1816 bis 1866, war Mainz deutsche Bundesfestung. Im neuen Deutschen Reiche hat Mainz zusammen mit Köln die Sicherung der Rheinlinie übernommen. So ist es noch heute ein Waffenplatz ersten Ranges und seiner Geschichte treu geblieben bis zur Gegenwart.

Abb. 32. Königstein.
Nach Luib, Der Taunus. Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung in Frankfurt a. M. (Zu Seite 38.)
Abb. 33. Soden.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 39.)

Am Rheinufer hat Mainz sich in jüngster Zeit durch Anlagen bedeutend verschönert. Die Rampe der prächtigen Brücke, das unterhalb derselben sich erhebende alte kurfürstliche Schloß (Abb. 16), ein aus rotem Sandstein aufgeführter, umfangreicher Bau, der schon 1627 begonnen, aber erst 1754 vollendet wurde, ferner die riesige Stadthalle und die nach dem Rhein sich öffnenden Torbauten geben[S. 30] der Rheinpromenade einen malerischen Rahmen und Schmuck. Die Konzerte, die an mehreren Abenden der Woche in der Stadthalle (Abb. 17) abgehalten werden, locken besonders in der Sommerzeit zahlreiche Spaziergänger zu der Rheinpromenade hin. Vielbesucht sind auch die „Neuen Anlagen“, die weiter oberhalb, am Sicherheitshafen und an der Eisenbahnbrücke, am Rheinufer auf einer kleinen Anhöhe geschaffen wurden. In umgekehrter Richtung gelangt der Spaziergänger zu den großen Hafenanlagen von Mainz, dem Zollhafen, dem Allgemeinen Hafen und einem zweiten Sicherheitshafen, der zugleich als Floßhafen dient. Gleich Mannheim, Cöln und Ruhrort ist Mainz heute wieder ein wichtiger Stützpunkt der Rheinschiffahrt.

Abb. 34. Eppstein im Taunus, vom Malerplatz aus gesehen.
Nach einer Photographie von Ludwig Klement in Frankfurt a. M. (Zu Seite 39.)

Aus der Rheinpromenade führen uns zahlreiche, quer zum Rhein laufende Gassen in die unansehnliche, enggebaute, aber doch wieder interessante Altstadt von Mainz. Bald stehen wir auf dem Markt vor dem ehrwürdigen Dom (Abb. 19 und 20). Gewaltig ragt der Bau mit den sechs Türmen vor uns auf, in dessen einzelnen Teilen eine seltsame Stilmischung, die von so vielen Jahrhunderten erzählen will, zum Ausdruck kommt. Unter den drei großen romanischen Domen von Mainz, Speier und Worms ist er der älteste. Schon im Jahr 978 begann der Erzbischof Willigis seinen Bau, dicht neben einer älteren Kirche. Noch am Tage der Einweihung, im Jahre 1009, wurde das Werk ein Raub der Flammen. Durch Erzbischof Bardo wurde der Dom wiederhergestellt. Aber eine gewaltige Feuersbrunst zerstörte ihn 1081 von neuem. Die hölzerne Decke wurde nun, um die Feuersgefahr zu vermindern, durch eine steinerne ersetzt. Das Langhaus erhielt damals seine heutige Form. Dohme nennt es in seiner „Deutschen Baukunst“ ein „Werk, gewaltig in den Massen, einheitlich in der Gesamterscheinung, aber einfach, wie es Bauten zu sein pflegen, in denen der Architekt noch mit den konstruktiven Gedanken ringt“. In den Kämpfen des Erzbischofs Arnold mit der Bürgerschaft (1155 bis 1160) wurde der Dom von der letzteren als Festung benutzt. Wieder zerstörte dann im Jahre 1191 ein Brand seine oberen Bauteile. Mit der Reparatur[S. 31] wurde eine großartige Erweiterung des Baues verbunden. Das westliche Querschiff mit dem Hauptchor und der achteckigen Kuppel, sowie der Kapitelsaal wurden angefügt. Die Zeit der Gotik erdachte für das bis dahin romanische Bauwerk noch einen herrlichen Schmuck: Sie umgab das Langhaus mit einem gotischen Kapellenkranze, wodurch dasselbe aus einem dreischiffigen in einen fünfschiffigen Bau umgewandelt wurde, schmückte den Dom mit einer glänzenden Fensterarchitektur und mit Ziergiebeln und gab Türmen und Dächern ein mehr gotisches Gepräge. Noch viele Wandlungen, zum Teil wieder durch Brandschäden veranlaßt, hat der wundervolle Bau durchgemacht, der durch alles, was die Jahrhunderte beigefügt oder in ihrem Sinne verändert haben, eins der interessantesten Bauwerke für die Geschichte der Baukunst geworden ist. Aus dem verwüsteten Zustande, in dem ihn die französische Zeit hinterlassen hat, ist er mit großen Opfern gerettet worden, so daß er nun wieder in einer Vollendung dasteht, wie ihn keine Zeit seit den Tagen des höchsten Glanzes gesehen hat.

Abb. 35. Malerisches Motiv von der Burg in Eppstein im Taunus.
Nach einer Photographie von Ludwig Klement in Frankfurt a. M. (Zu Seite 39.)

Vom Dome wandern wir weiter zu dem nahe gelegenen Gutenbergplatz, auf dem seit dem Jahre 1837 ein Denkmal (Abb. 21) des Erfinders der Buchdruckerkunst steht, das von Thorwaldsen in Rom modelliert wurde. Zwischen den Jahren 1450 und 1455 stellte Gutenberg in Mainz zuerst gedruckte Bücher mit Metallbuchstaben her. Wie seine Erfindung nach mancher Richtung in Dunkel gehüllt ist, so läßt sich auch nicht bestimmt sagen, ob so viele Häuser in Mainz mit vollem Grund mit der Ausübung der neuen Kunst in Verbindung gebracht werden.

Mainz besitzt viele historisch oder architektonisch interessante Gebäude. Hingewiesen sei auf den Holzturm und den Eisenturm, die von der alten Stadtbefestigung noch übrig geblieben sind, auf das Haus „zum Boderam“ (Abb. 22)[S. 32] am Markt, auf das alte Gymnasium (Abb. 23), den ehemaligen Kronberger Hof, der zwischen 1604 und 1626 erbaut wurde, auf den ehemaligen Knebelschen Hof, der sich durch einen reichen Renaissance-Erker im inneren Hof auszeichnet, auf die frühgotische St. Stephanskirche, die als doppelchörige Hallenkirche von 1257 bis 1328 auf einem der höchsten Punkte der Stadt erbaut wurde, sowie auf die doppeltürmige Peterskirche, die in der französischen Zeit, insbesondere der heutige Kreuzaltar (Abb. 24), dem Kultus der Göttin der Vernunft diente. Diese letztere Kirche erhebt sich unmittelbar an dem großen, baumgeschmückten Schloßplatze, und vor uns liegt das schon erwähnte kurfürstliche Schloß (Abb. 16), dessen ausgedehnte Räume seit 1842 als römisch-germanisches Zentralmuseum dienen und eine hochbedeutende Sammlung römischer und germanischer Original-Altertümer enthalten. Beim Durchwandern der Säle und beim Betrachten der interessanten Fundstücke wird die ganze Geschichte der Stadt Mainz und des rheinischen Landes noch einmal in uns wach. Die prächtige, mit schönen Anlagen geschmückte Kaiserstraße, in die wir durch einen nordwestlichen Ausgang des Schloßplatzes einbiegen, aber zaubert uns das Bild des neuen Mainz (90000 Einw.) vor, wie es sich nach dem Hinausschieben des engen Festungsgürtels zu gestalten begonnen hat. Prächtige Gebäude fesseln den Blick, und am Ende der Kaiserstraße taucht der Hauptbahnhof vor uns auf.

Abb. 36. Schloß Biebrich.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 39.)
Abb. 37. Wiesbaden, vom Neroberg gesehen.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 39.)
Umgebung von Mainz.

Nachdem wir in den beiden Städten Frankfurt und Mainz, die die Ausgangspunkte unserer Rheinwanderung bilden sollen, Umschau gehalten haben, wollen wir einen Blick auch in das sie umgebende Land werfen, um den Boden, auf dem sie erwuchsen, genauer kennen zu lernen. Es ist ein weites, meist flaches, stellenweise aber hügeliges Land, das sie umbettet. Fruchtbare Äcker dehnen sich meist vor uns aus; stellenweise aber trat an die Stelle des Ackerbaues die Gemüsezucht, für deren Erzeugnisse die beiden Städte eine gute Absatzquelle bilden, so südwestlich von Mainz, wo auch eine bedeutende Spargelzucht betrieben wird; große Obstanlagen schaut ferner das Auge, die uns schon verraten, daß wir uns in der Gegend befinden, wo der beste Apfelwein herkommen soll; auch Rebenschmuck fehlt nicht der Landschaft, in der hier und da große, wohlhabende Dörfer auftauchen, und deren Bild endlich vervollständigt wird durch dunkle Kiefernwaldungen,[S. 34] die zwar selten, in weiten Abständen voneinander erscheinen und meist die niedrigen Anhöhen bedecken, diese von weitem schon als Sandhügel kennzeichnend. Bei schönem, klarem Wetter braucht der Blick nicht bei diesen nahen Bildern zu verweilen. Er schweift in die nebelige Ferne, wo rings sich die Linien von höheren Erhebungen abzeichnen. Im Nordwesten säumt der hohe Zug des Taunus, der „Höhe“, wie man im Lande sagt, den Horizont, von Norden streichen die Ausläufer des Vogelsberges, der gewaltigsten Basaltmasse Deutschlands, heran, im Osten grüßen des Spessart waldbedeckte Höhen, im Südosten erscheinen des Odenwaldes liebliche Abhänge, im Südwesten läßt das freundliche Bergland der Pfalz den Blick weiter schweifen, einerseits nach dem hochgewölbten Donnersberg und anderseits nach dem Soonwald des Hunsrück, und nur im Süden bleibt der Horizont frei, dem Rheine den Lauf zu diesem schönen, reichen Lande öffnend. Rings also Höhen und in der Mitte ein eingesenktes, ein eingesunkenes Land, ein Becken, das nach der ziemlich in der Mitte gelegenen Stadt Mainz das Mainzer Becken genannt wird. Diese Bezeichnung drückt nicht bloß, den plastischen Bau der Landschaft anzeigend, einen geographischen Begriff aus, sondern ist zugleich ein geologischer Begriff. Das „Tertiärbecken von Mainz“ reiht sich den Tertiärbecken von Wien, von Paris und London mit ihrer reichen Kulturentwicklung würdig an. Die Süßwasserbildungen, die in dem seichten Meeresbecken entstanden, sind meist fruchtbare Bodenarten. Am wichtigsten sind die Mergelschichten, die die glücklichste Bodenmischung darstellen, indem sie sowohl den nötigen Sandgehalt, der sie locker macht, als auch den nötigen Tongehalt, der sie wasserhaltig, und endlich auch einen bedeutenden Kalkgehalt, der sie fruchtbar macht und ihre schnelle Erwärmung fördert, besitzen. Andere Bodenarten sind die Taunusschotter, die weniger fruchtbar sind, aber dem Weinbau genügen, Geschiebelehm, der als Ackerboden wertvoll ist, Sand, der nur stellenweise dem Anbau dient, und Löß, der wieder von großer Fruchtbarkeit ist. Der Sand, der bei Mainz und Darmstadt auftritt, ist echter Flugsand. Dünenzüge sind erkennbar. Auch das Auffinden von dreikantigen Steinen, deren Form nur durch Windwirkung entstanden sein kann, beweist den Dünencharakter. Nach oben gehen die Dünenzüge allmählich zu dem feineren Löß über. Aus diesen Erscheinungen müssen wir folgern, daß Deutschland im späteren Diluvium teilweise, wenigstens im nördlichen Teile der Oberrheinischen Tiefebene, Steppencharakter hatte. Auf den höheren[S. 35] Abhängen schlossen sich an die Steppe Waldgebiete an; denn im Löß werden neben echten Steppentieren auch andere Tiere in Überresten gefunden, deren Leichen durch Wasserfluten angeschwemmt wurden.

Abb. 38. Kaiser Wilhelm-Denkmal in Wiesbaden. (Zu Seite 40.)
Das Mainzer Becken.

Verlassen wir hiermit das Bild früherer Erdzeiten, die noch nicht lange hinter uns liegen, und wenden wir uns der Betrachtung des heutigen Bildes der Landschaft zu! Von allen Randgebieten des Mainzer Beckens lockt uns keines so wie der Rheingau, der sich so sonnig zu den Füßen des hochragenden Taunuszuges bettet, über den der warme Hauch der südlichen Winde weht, und wo noch mehr die Glutstrahlen der Mittagssonne helfen, ein goldenes Weinland, vielleicht das gepriesenste auf Erden, zu schaffen. Und zu den Vorzügen, die Windeshauch und Sonnenschein der reich gesegneten Landschaft bringen, gesellt sich ein dritter, der dieselbe nicht minder berühmt gemacht hat. An vielen Stellen sprudeln aus dem Erdboden warme Quellen, die schon von den Römern als Heilquellen benutzt wurden, und die in unserer Zeit das Land der Reben zum Ziele von Tausenden machen, die entweder Genesung suchen oder in den zahlreichen, mit allen Annehmlichkeiten des Lebens ausgestatteten Badeorten nur ein angenehmes und genußreiches Leben suchen.

Abb. 39. Königliches Theater in Wiesbaden. (Zu Seite 40.)

Für den Besuch der zahlreichen Badeorte, die am Südabhange des Taunus oder auf dem Taunus selbst, anmutig in die Täler gebettet, liegen, ist teils Frankfurt, teils Mainz der geeignetste Ausgangspunkt. Als solcher kommt für einige auch Höchst (16000 Einw.), die erste Station der schon 1839 eröffneten Taunusbahn von Frankfurt nach Mainz, wo sich die großartigen Höchster Farbwerke befinden, in Betracht.

Homburg vor der Höhe.

Das vornehmste unter den Taunusbädern ist Homburg vor der Höhe (10000 Einw.) (Abb. 25), das in jüngster Zeit auch ein Lieblingsaufenthalt des deutschen Kaisers Wilhelm II. geworden ist. Das dortige Schloß (Abb. 26), das seit 1866 für die preußische Königsfamilie eingerichtet ist und bis zu diesem Jahre Residenz der Landgrafen von Hessen-Homburg war, wurde 1680 bis 1685 von[S. 36] dem Landgrafen Friedrich II. aufgeführt und 1820 bis 1840 umgebaut. Das glanzvoll eingerichtete Kurhaus stammt aus den Jahren 1841 bis 1843, wurde aber 1860 bedeutend vergrößert. Es enthielt früher auch ein vortrefflich geordnetes Saalburg-Museum mit zahlreichen Fundstücken von der etwas mehr als eine Stunde entfernten Saalburg und anderen römischen Taunuskastellen, sowie mit einem Modell jenes berühmten Kastells, von dem später noch die Rede sein soll, und eines römischen Wachtturmes. Die wertvolle Sammlung befindet sich jetzt in der Saalburg selbst. Glänzende Festsäle und die Gartenterrasse hinter dem Kurhause sind die Sammelplätze der eleganten Welt. Schöne Promenaden und der große Kurpark laden zu Spaziergängen ein. Die eisenhaltigen salinischen Trinkquellen, die besonders gegen Unterleibsleiden wirksam sind, treten an der Brunnenallee schäumend zutage. Die bedeutendste unter ihnen, die Elisabethquelle, ist kochsalzreicher als der Kissinger Rakoczy. In ihrer Nähe liegen inmitten eines herrlichen Blumenflors zwei Trinkhallen, ferner der Musikpavillon und das Palmenhaus. 1887 bis 1890 wurde in italienischem Renaissancestil das große, luxuriös ausgestattete Kaiser Wilhelm-Bad erbaut.

Abb. 40. Das Rathaus in Wiesbaden. (Zu Seite 40.)
Die Saalburg.

Eine elektrische Bahn führt uns bequem von Homburg zu der 420 m über dem Meere gelegenen Saalburg. Dort grüßt uns ein lebenswahres Bild der Römerzeit. Das in seiner ganzen Anlage freigelegte Römerkastell ist wieder in seiner früheren Gestalt hergestellt worden. Es bildet ein Rechteck von 221 × 146 m, mit einem Flächeninhalt also von über 32000 qm. Die Ecken sind abgerundet. Vier Tore führten in das Kastell. Auf der Südseite öffnet sich uns die 8,2 m breite Porta decumana. Eine 3 m hohe Mauer und zwei Spitzgräben umgeben die Anlage. Am 11. Oktober des Jahres 1900 wurde durch Kaiser Wilhelm II., der ein hohes Interesse für den Wiederaufbau der Saalburg bekundete, der Grundstein zum Hauptgebäude in der Mitte, zum Praetorium (Abb. 27), unter Veranstaltung eines glanzvollen Festes gelegt. Vor diesem Bau, der als Limes-Museum dient, wurde dem ersten Erbauer der Saalburg, dem römischen Kaiser Antoninus Pius, ein Denkmal errichtet.

[S. 37]

Der Limes.

Die Saalburg bildete ein Glied der 542 km langen Befestigungslinie, mit welcher die Römer den unterjochten Teil Germaniens umzogen, um das Land vor den Einfällen der übrigen germanischen Stämme zu schützen, des Pfahlgrabens oder Limes. Derselbe begann bei Kehlheim an der Donau, lief als rätischer Limes von dort nach Lorch bei Stuttgart und als obergermanischer Limes über Miltenberg am Main, über den Taunus und über Ems und endete am Rhein bei Rheinbrohl. Er bestand aus einer Grenzmarkierung, aus einem Erddamm mit aufgesetzter Mauer und davorliegendem Graben und aus etwas zurückliegenden Wachttürmen und Kastellen. Die Grenzmarkierung bestand entweder nur aus Steinen oder streckenweise auch aus Palisadenreihen. Ursprünglich war wohl nur diese Anlage, die man einen limes perpetuus nannte, vorhanden. Die Palisaden bildeten ein Annäherungshindernis und für die Patrouillen einen Schutz. Als später der Erdwall angelegt wurde, verlor die Grenzmarkierung ihre Bedeutung. Die Wachttürme waren anfangs Holz-, später Steintürme. Sie lagen gewöhnlich 30 m hinter dem Erdwall und etwa 750 m, also auf Signalweite, voneinander. Kastelle waren überall dort angelegt, wo ein Flußlauf die Befestigungslinie kreuzte. Am rätischen Limes waren sie, weil dort die Bodenform eine günstige war, selten, um so zahlreicher am obergermanischen. Bisher sind etwa 70 Kastelle bekannt. Die größten hatten einen Innenraum von etwa 60000 qm und eine Besatzung von 1000 Mann, die mittleren waren 20000 bis 35000 qm groß und mit 500 Mann belegt, die kleinsten maßen nur 5000 bis 8000 qm und hatten nur eine kleine Besatzung. Alle hatten die Aufgabe, Flußtäler und Straßen zu sperren. Sie waren also Sperrforts und als solche festungsmäßig mit Türmen versehen und mit Ballisten, d. h. Wurfgeschützen ausgerüstet. Die Besatzung mußte imstande sein, kleine Feindesscharen zurückzuweisen, größere aber so lange aufzuhalten, bis die Legionen herankamen.

Abb. 41. Das Kurhaus in Wiesbaden.
Nach einer Photographie von Hofphotograph Karl Schipper in Wiesbaden. (Zu Seite 40.)

Auf das Verhalten der unruhigen, kriegs- und wanderlustigen germanischen Volksstämme übte die Anlage des römischen Pfahlgrabens eine bedeutende Wirkung aus. Der Grenzverkehr wurde scharf überwacht, und bewaffnete Überschreitung der Grenzlinie war verwehrt. Die Bewegung des germanischen Volkes wurde dadurch vorläufig zum Stillstand gebracht. Da es aber für die in starker Vermehrung begriffene Bevölkerung an weiteren Weideplätzen bald fehlte, waren die Westgermanen gezwungen, von der Viehzucht zum Ackerbau überzugehen und feste Siedelungen anzulegen. So nahm die Not den zum Nomadenleben neigenden Germanen in eine harte und um so nützlichere Schule. Erst als seßhafter Ackerbauer konnte er die zivilisatorischen Elemente in sich aufnehmen und verbreiten (Mommsen).

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Kronberg. Altkönig. Feldberg.

Von der Saalburg aus würde uns der Pfahlgraben zum Fuße des Feldbergs, der höchsten Erhebung (880 m hoch) des Taunus, hinführen. Es hat einen gewissen Reiz, so einen Patrouillengang römischer Soldaten nachzuahmen. Genußreicher ist aber die Besteigung des Feldbergs von dem westlicher gelegenen Kronberg aus. Darum kehren wir nach Homburg zurück und statten von dort noch mittelst der Eisenbahn dem Städtchen Friedberg (Abb. 30) und dem Badeorte Nauheim (Abb. 28) einen Besuch ab.

Nach Kronberg (Cronberg, Abb. 29) führt von Frankfurt eine Eisenbahnlinie, die bei Rödelheim von der Homburger Bahn abzweigt. Das Städtchen liegt, umgeben von Obstpflanzungen und Kastanienwäldern, an einem Hügel und wird von dem im dreizehnten Jahrhundert erbauten Schloß überragt. Der weit sichtbare Turm bietet eine prächtige Aussicht dar. Wir schauen hinab auf die zahlreichen zierlichen Landhäuser, die meist Eigentum Frankfurter Familien sind, zum Teil die Frankfurter Malerkolonie bildend. Nordöstlich grüßt uns das Schloß Friedrichshof (Abb. 31), der ehemalige Witwensitz der Kaiserin Friedrich.

Abb. 42. Der Kochbrunnenplatz in Wiesbaden. (Zu Seite 40.)

Von Kronberg sind viele besuchenswerte Punkte leicht zu erreichen. Nordwestlich steigen die Burgruine Falkenstein, das Stammschloß des gewaltigen Erzbischofs Kuno von Trier, sowie die Trümmer der Bergfestung Königstein (Abb. 32), die 1796 von den Franzosen geschleift wurde, vor uns auf. Weiter nördlich ragt, in der Richtung auf den Feldberg zu, die 798 m hohe Bergkuppe des Altkönig empor. Sein Gipfel ist von zwei riesenhaften Ringwällen umgeben, die aus vorrömischer Zeit stammen und wohl von einem keltischen Volke herrühren, das dort seine Opfer- und seine Zufluchtsstätte in Kriegszeiten hatte. Der äußere Wall hat einen Umfang von 1389 m, der innere von 982 m. Der Große Feldberg (880 m), dem sich links der 827 m hohe Kleine Feldberg vorlagert, ist ganz von Wald bedeckt. Nur der Gipfel, auf dem drei Gasthäuser stehen, und von dem man bei hellem Wetter einen ausgedehnten Rundblick genießt, ist frei. Auf ihm liegt ein riesiger, 12 m breiter und 3 m hoher Quarzblock,[S. 39] der schon in einer Urkunde vom Jahre 812 genannt und 1043 als Brunhildenbett bezeichnet wird.

Soden. Eppstein. Biebrich.

Eine dritte Taunusfahrt, die wir von Frankfurt aus unternehmen, führt uns nach dem kleinen Badeort Soden (Abb. 33). In dem Tale, in welchem es gebettet ist, entspringen 24 kohlensäurereiche, 9 bis 22 Grad warme Kochsalzquellen, deren Wasser zusammen mit der milden Luft des Ortes besonders Kehlkopfleidenden Linderung bringt. Und als eine vierte Tour sei die nach dem in tiefem Tale gelegenen Eppstein (Abb. 34) empfohlen, das durch seine alte Burg (Abb. 35) und seine malerischen Fels- und Waldpartien ein Lieblingsaufenthalt für Maler geworden ist.

Die übrigen schönen Punkte am Südabhange des Taunus und in dem Rebengarten des Rheingaues erreichen wir am bequemsten von Mainz aus. Eine kurze Stromfahrt führt uns zwischen zwei langgestreckten Rheininseln, der Ingelheimer Aue und der Petersaue, auf der 840 Kaiser Ludwig der Fromme starb, hindurch, immer im Anblicke der Taunushöhen, nach der am rechten Rheinufer gelegenen Stadt Biebrich (20000 Einw.), deren rege Gewerbtätigkeit zahlreiche Fabrikschornsteine ankünden. Unser Ziel ist das von 1704 bis 1706 im Barockstil erbaute Schloß (Abb. 36) des früheren Herzogs von Nassau, späteren Großherzogs von Luxemburg, und in dem Schloßpark bewundern wir die schöne Kastanienallee, deren alte Bäume sich durch eine ungewöhnliche Größe auszeichnen, und betrachten, den Geist in die Vergangenheit versenkend, die kleine Moosburg. Zwar wurde diese erst 1806 aufgeführt, jedoch auf den Trümmern der alten Kaiserpfalz Biburk, die 874 Ludwig der Deutsche bewohnte.

Abb. 43. Griechische Kapelle am Neroberg bei Wiesbaden. (Zu Seite 41.)
Wiesbaden.

Von Biebrich erreichen wir in etwa einer Stunde Wiesbaden (Abb. 37), das bedeutendste und besuchteste unter den Taunusbädern, wo jährlich etwa 130000 Kurgäste zusammenströmen. Die Hauptsaison ist im Frühling und Herbst. Früher als anderswo hält ja der Lenz dort seinen Einzug, und im Herbst lacht ein heiterer Himmel, wie er in einem Weinlande lachen muß. Im Sommer aber ist die Temperatur zu warm und schwül, und manche Kurgäste reisen dann ab nach kühleren Orten.[S. 40] Etwa die Hälfte der obengenannten Zahl der Kurgäste mag auf Durchreisende entfallen, die übrigen nehmen längeren Aufenthalt. Die Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten, die für diese geschaffen worden sind, haben auch viele Rentner und pensionierte Beamte, besonders höhere Offiziere angelockt und bestimmt, in Wiesbaden ihren dauernden Wohnsitz zu nehmen. Dadurch wuchs die Stadt bedeutend an; sie zählt heute über 100000 Einwohner. Prächtige Alleenstraßen durchziehen dieselbe, wie die mit schattigen Platanenreihen geschmückte Wilhelmsstraße, wie die Rheinstraße, der Bismarck- und Kaiser Friedrich-Ring und die nach Biebrich zu führende Adolfsallee; inmitten schmuckvoller Anlagen oder auf Plätzen erheben sich schöne Denkmäler, wie das der Kaiser Wilhelm I. (Abb. 38) und Friedrich III., des Fürsten Bismarck und des in Wiesbaden verstorbenen nationalen Dichters Gustav Freytag; viele stattliche und stilvolle Gebäude geben ferner der Stadt Glanz und Ansehen, wie das Königliche Theater (Abb. 39), das Königliche Schloß, welches 1883 renoviert wurde, das Rathaus (Abb. 40), das im Jahre 1907 eröffnete prunkvolle neue Kurhaus (Abb. 41), die katholische Kirche, die Ringkirche u. a. Von den zahlreichen Quellen Wiesbadens ist der wichtigste Sprudel der Kochbrunnen (Abb. 42), der am Ende der schönen Trinkhalle entspringt und eine Vereinigung von 15 Quellen darstellt. Stündlich liefert er 22800 l sehr kochsalzreiches Wasser. Die Temperatur desselben beträgt 69° C. Schon Plinius spricht von den heißen Quellen Wiesbadens, das in Römerzeit, Aquae Mattiacorum, als Hauptort der später fast ganz romanisierten Mattiaken aus einem Kastell rasch emporblühte. Er berichtet, daß ihr Wasser, nachdem es geschöpft wäre, drei Tage warm bliebe. Das Kastell wurde wahrscheinlich schon von Drusus angelegt. In fränkischer Zeit hieß der Ort Wisibada und bildete den Hauptort des Königssundragaues.

Abb. 44. Schlangenbad, von der Wilhelmshöhe gesehen.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 41.)

So sehr uns auch das glanzvolle Badeleben lockt, so angenehm es sich sitzt am Kurhause inmitten des Blumenflors oder wandert durch den schattenkühlen Kurpark, mehr noch zieht es uns hinauf auf die Höhen ringsum, die mit schmucken Villen so reich geschmückt sind. Das lohnendste Wanderziel bildet der Neroberg,[S. 41] auf dessen Höhe die fünf vergoldeten Kuppeln der griechischen Kapelle (Abb. 43) im hellen Sonnenlichte glanzvoll erstrahlen. Wir können einen doppelten Weg wählen, und jeder verheißt eine genußreiche Wanderung. Wir folgen entweder dem Nerotal und später dem Philosophenwege oder der villengeschmückten Kapellenstraße, die uns nicht sofort zum Gasthofe des Nerobergs, sondern zuerst zur griechischen Kapelle hinführt. Oben entfaltet sich uns ein schöner Blick auf die Stadt (Abb. 37) und eine umfassende Aussicht auf das Rheintal; über den Mainzer Dom schweift der Blick bis zu den Nebellinien ferner Gebirge, bis zur Bergstraße und zum Melibocus.

Abb. 45. Rauenthal.
Nach einer Photographie von R. Bieleck in Eltville. (Zu Seite 43.)
Langenschwalbach. Schlangenbad.

Nordwestlich von Wiesbaden liegt, schon auf der Hochfläche des Taunus, dessen hoher, aus Quarzit[B] aufgebauter Rücken nach Norden in ein fast wagerecht liegendes Plateau übergeht, das Bad Langenschwalbach (3000 Einw.), gewöhnlich nur Schwalbach genannt. In ein freundliches Wiesental hat sich das Städtchen, das schon im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert als ein Luxusbad ersten Ranges glänzte, gebettet. Merian beschrieb die dortigen kalten Quellen, von denen die bedeutendsten der Stahlbrunnen und der Weinbrunnen sind, im Jahre 1665 mit folgenden Worten:

„Das Wasser ist sehr kalt, von Farben vberauß schön, hell, wie ein Crystall durchscheinend, zu trinken gar lieblich (wiewohl es einem anfangs seltzsam vorkompt), am Geruch stark wie ein newer verjährter Wein, also, daß man bißweilen meynet, man wollt’ nießen.“

Etwa 5000 Kurgäste, in der Mehrzahl weiblichen Geschlechtes, beleben in der Saison den sonst so stillen Ort, besonders Bleichsüchtige und Nervenleidende. Indem wir wieder herniedersteigen von dem Taunusplateau, führt uns der Weg nach dem kleinen, nur aus etwa 50 Häusern bestehenden Badeorte Schlangenbad (Abb. 44), der in einem Waldtal ein so reizendes Plätzchen gefunden hat. Seine Quellen gehören zu den erdig-mineralischen Mineralwässern und liefern ein klares, völlig geruchloses Wasser von 29 bis 32° C, das besonders bei Hautkrankheiten und Nervenschwäche heilbringend wirkt.

[S. 42]

Abb. 46. Eltville.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 43.)
Abb. 47. Der Marcobrunnen.
Nach einer Photographie von R. Bieleck in Eltville. (Zu Seite 43.)
Der Rheingau.

Nach kurzer Wanderung von Schlangenbad weiter talwärts nehmen uns sonnige Rebengelände auf. Der gepriesene Rheingau lacht mit seiner Weinfülle uns entgegen. Vielleicht schon zur Merowingerzeit wurde dieses Land in einen Rebengarten verwandelt. Seit alters führt es seinen inhaltsvollen Namen, der es so innig mit dem Rheine vermählt. Von allen Gauen am stolzen Strom wurde nur einer nach diesem benannt, der Rheingau, der auf der rechten Seite des Rheintales bis Lorch reichte und dieses alte Weinstädtchen noch mit umfaßte. Ursprünglich war er ein königliches Gebiet, das 961 und 983 von den Ottonen an Mainz überlassen wurde. Ein bis zur Undurchdringlichkeit verwachsener Baumverhau umgab dasselbe damals und schloß es wie eine Festung ab. Den heutigen Umfang erhielt der Weinbau im dreizehnten Jahrhundert. Als die Rheingaugrafen 1279 verdrängt worden waren, setzten die Mainzer Erzbischöfe einen Statthalter (Vicedom) ein, der aber bis zum Jahre 1527 den Rheingauer Landtag befragen mußte. Erst als der große Bauernaufstand niedergeschlagen war, begann die unmittelbare Herrschaft der Mainzer Erzbischöfe. Viele Jahrhunderte hindurch ist nun schon der Weinbau im Rheingau die Quelle des Wohlstandes. Vorübergehend kamen zwar Zeiten, in denen die Einkünfte aus demselben zu wünschen ließen. So wirkte das Verschwinden der zahlreichen kleinen Herrschaften in Deutschland ungünstig ein; denn[S. 43] die Fürstenhöfe waren früher die besten Absatzquellen. Daß damals die Rheingauwinzer ihren herrlichen Wein selbst trinken mußten, war an sich ja eine schöne Sache; aber die Taschen blieben dabei leer, und der Kopf wurde hitzig. In unserer Zeit hat der wachsende Wohlstand den Rheingauer Weinen neue, zahlkräftige Kunden gebracht. (Näheres über Weinpreise der besseren Marken siehe in dem letzten Abschnitte über den rheinischen Weinbau.)

Abb. 48. Kloster Eberbach.
Nach einer Photographie von R. Bieleck in Eltville. (Zu Seite 43.)
Abb. 49. Kelterraum in Eberbach.
Nach einer Photographie von R. Bieleck in Eltville. (Zu Seite 43.)
Rheingauwanderung.

Die Wanderung durch die Rebengefilde des Rheingaues ist, da das Herz von vornherein schon so frohgestimmt ist, etwas gar Schönes. Sonnig, meist schattenlos ist zwar der Weg, der uns von Schlangenbad über Rauenthal (Abb. 45) nach dem lieblich am Rhein gelegenen Städtchen Eltville oder Elfeld (4000 Einw.) (Abb. 46), von dort über Erbach am Marcobrunnen (Abb. 47) vorbei nach Hattenheim, dann nach der einst so berühmten Benediktinerabtei Eberbach (Abb. 48), wo wir uns in dem schönen Kelterraum (Abb. 49), dem früheren Refektorium, gern der weinkundigen Mönche, die dem Steinberger zu seinem berühmten Namen verhalfen, erinnern, weiter über Hallgarten am Schloß Vollrads vorbei nach Schloß Johannisberg (Abb. 50), wo der König der Weine und der Wein der Könige gezogen wird, und schließlich über Geisenheim (4000 Einw.) (Abb. 52), wo sich die Königliche Lehranstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau befindet, nach dem weinberühmten Städtchen Rüdesheim (5000 Einw.) (Abb. 51). Östrich und Winkel, nicht weniger bekannte Weinorte, ließen wir bei dieser Wanderung abseits am Rheine liegen. Wohlgepflegte Weinberge schaute überall unser Auge, und berühmte Namen klangen an unser Ohr, die ein Gefühl der Hoheit dieses Landes in uns weckten. Doch wenn es auch einem gewöhnlichen Sterblichen nicht vergönnt ist, von den edelsten Weinen des Rheingaus in Fülle zu trinken oder auch nur davon zu kosten, auch das andere Gewächs läuft wie Feuer durch unsere Adern, und wenn wir in diesem Weinglück, in der Begeisterung, die eine solche Wonne dem[S. 44] Menschen gibt, hinaufsteigen zum Niederwald, dann öffnet sich beim Anblick des Germaniadenkmals das Herz zu jenem weihevollen Empfinden, das alle deutschen Brüder, das ganze deutsche Vaterland hineinziehen möchte in dieses Glück, in dieses Glück am Rhein.

Abb. 50. Schloß und Dorf Johannisberg.
Nach einer Photographie von R. Bieleck in Eltville. (Zu Seite 43.)
Das Nationaldenkmal.

Das Germaniadenkmal (Abb. 53) wurde am 28. September 1883 im Beisein des Kaisers Wilhelm I. und vieler deutscher Fürsten enthüllt. Sechs Jahre war an ihm gearbeitet worden, die Bausumme betrug 1⅒ Millionen Mark. Als im Jahre 1877 am 16. August der Grundstein zu dem Denkmal gelegt wurde, begleitete Kaiser Wilhelm I. die ersten Hammerschläge mit den Worten:

„Wie mein Königlicher Vater einst dem deutschen Volke vor dem Denkmal zu Berlin zurief, so rufe ich heute von dieser bedeutungsvollen Stelle den deutschen Völkern zu: Den Gefallenen zum Gedächtnis, den Lebenden zur Anerkennung, den künftigen Geschlechtern zur Nachahmung!“

Die Gestalt der Germania wurde nach einem Entwurfe des Professors Schilling in Dresden gegossen. Sie mißt 10,60 m, mit dem Sockel, der mit den sinnreichen[S. 46] Darstellungen: „Krieg“, „Friede“, „Des Kriegers Abschied“ und „Des Kriegers Heimkehr“ geschmückt ist, aber 34 m.

Abb. 51. Rüdesheim, vom Rochusberg gesehen. (Zu Seite 43.)
Abb. 52. Geisenheim. (Zu Seite 43.)
Abb. 53. Nationaldenkmal auf dem Niederwald. (Zu Seite 44.)
Abb. 54. Bingen und der Niederwald. (Zu Seite 46.)
Blick vom Nationaldenkmal. Der Mäuseturm.

Der Blick vom Denkmal entfaltet ein ebenso reiches als prächtiges Bild. Er reicht über den ganzen Rheingau und die Taunuskette, schweift zu der weiß schimmernden Rochuskapelle und zur Burg Klopp, die, überragt von dem Scharlachkopf, über dem Städtchen Bingen (10000 Einw.) (Abb. 54) thront, folgt dem Laufe der Nahe, die aus einer Bergspalte zu kommen scheint und zwischen Bingen und Bingerbrück in den Rhein mündet (Abb. 55), mißt den breiten Strom, der aus der weiten Ebene kommt und nun westwärts in enger Talspalte, im[S. 48] Binger Loch (Abb. 57), verschwindet, und grüßt den Mäuseturm (Abb. 56), der auf einer kleinen Rheininsel so schmuck emporsteigt, fast schlanker noch als der hohe Turm der Burgruine Ehrenfels (Abb. 56), die aus der rechten Talwand herausragt. Die beiden Bauten wurden einst errichtet, um die Schiffahrt, die an dieser Stelle auch durch Felsenriffe behindert war, bis die preußische Regierung umfangreiche Sprengungen vornehmen ließ, sperren zu können. Mäuseturm heißt soviel als Turm zum „Mûsen“, d. h. Ausschauen. Er wurde von dem Erzbischof Willigis von Mainz erbaut. Das Volk aber knüpfte an ihn die grausame Sage, daß dort der geizige Erzbischof Hatto, weil er dem Volk das Brot verteuerte, von Mäusen zur Strafe aufgefressen worden sei.

[B] Über den geologischen Bau des Taunus-Hunsrück vgl. Abschnitt V.

IV. Das Rheintal von Rüdesheim bis Coblenz.

Eine Rheinfahrt.

Rheinfahrt! Welch froher, einziger Sinn liegt in diesem Worte! An wonnige Reisetage werden wir erinnert, an Tage, wo wir die herrliche Schönheit des Rheintals zum erstenmal schauten und mit den schönen Bildern der Landschaft auch die Poesie des deutschen Rheinstroms in unser Herz einziehen ließen. Die hoch und steil aufragenden Bergwände zu beiden Seiten des Tales, die Burgen auf den rebenbekränzten Bergen, die freundlichen Dörfchen und Städtchen am reichen Strand, vor uns die blitzende Flut des majestätischen Stromes, dessen Wellen plätschernd den Kiel des Schiffes umkosen, um uns Scharen froher Menschen, die wie wir trunkenen Auges in die Landschaft schauen, und in der Hand das Glas, gefüllt mit lieblich duftendem Rheinwein: das sind die Bilder, die, gepaart mit frohen Augenblicken, immer wieder im Erinnern vor uns auftauchen.

Mittag ist’s. Lustig scheint die Sonne auf die steile Bergwand des Niederwaldes, des Weines Geister in den Rebenstöcken weckend. Von dem Aufstieg zum Niederwalddenkmal — sauer war er uns geworden — sind wir vor einer Stunde zurückgekehrt. Zu einem kleinen Frühstück fanden wir eben noch Zeit, und nun stehen wir, zusammen mit zahlreichen Touristen, die wie wir froh ihr Ränzlein auf den Rücken schnallten, in Rüdesheim am sonnigen Strand, um die Ankunft des Dampfschiffes abzuwarten. Wir wandeln auf und ab. Plötzlich Bewegung in der Menge. „Das Schiff ist in Sicht!“ so tönt ein Rufen, und alle Blicke wenden sich südwärts, wo der Rhein, breit wie ein See, heranflutet. Stolz wie ein Schwan durchfurcht es die Wellen. „Lohengrin“ ist’s! eins der schönsten Schiffe der Köln-Düsseldorfer Dampfschiffahrtsgesellschaft.

Abb. 55. Nahemündung, Bingen, Scharlachkopf und Bingerbrück. (Zu Seite 46.)
Burg Rheinstein.

In voller Fahrt! Der Windhauch des Schiffes, das in Bingen noch viele Reisende aufnahm, fächelt auf dem Oberdeck Kühlung uns zu. Neben uns sitzt eine holländische Familie, dort stehen zwei Engländer, in modefarbene Anzüge gekleidet, und aus einer anderen Gruppe klingen französische Laute an unser Ohr. Ein Stelldichein der Nationen Europas! Vater Rhein kennt sie alle; denn er plaudert eine lange Geschichte. Aber ob ehemals Freund oder Feind, gastlich sind sie alle geladen, und allen lacht des Landes Schönheit. Wir fahren in engem Tale. Als wären wir in einem norwegischen Fjorde, so schauen wir vor uns und hinter uns in eine riesige Schlucht. Aber anders ist das Bild der hochragenden Bergwände. Fast ebenso schroff steigen sie an manchen Stellen empor. Aber überall hat des Menschen Hand sie berührt, überall hat sie die Rebe gepflanzt, war es auch noch so mühsam, die Terrassen zu ebnen und fruchtbares Erdreich auf den nackten Fels zu tragen. Frühere Geschlechter, schon in römischer Zeit, versuchten’s, und die heutigen Winzer wissen nicht anders, als das mühevolle Werk zu erhalten und noch vollendeter zu gestalten. Leisteten doch noch Kühneres die Vorfahren! Dort auf Bergeshöhe gar ein stolzer Bau! Mauern, zinnengekrönte Türme! Eine alte Ritterburg! Faitz-, Vauts- oder Voigtsberg nannte sie die Geschichte, zum erstenmal im Jahre 1279. Wer ihr Erbauer[S. 50] war, meldet sie nicht. „Burg Rheinstein“ (Abb. 58) ist ihr jetziger Name. Der stolze Bau sah den Glanz der Ritterzeit, erprobte seiner Mauern Stärke in manchem Kampfe, bis ihn die Raubscharen der Franzosen 1689 in Schutt und Asche legten. Verschwundene Herrlichkeit! Doch mit dem Gestein, das, von der Fuge getrennt, in Trümmer fällt, stirbt nicht des Menschen Geist. Das glänzende Bild früherer Zeiten lebt in ihm weiter, und nun sucht er es zu gestalten, in altem oder noch schönerem Glanze. So fanden auch viele Burgen am Rhein ihre Wiedererbauer. Burg Rheinstein ließ Prinz Friedrich von Preußen, dessen Grab sich in der Burgkapelle befindet, neu aufführen. In der neuen Gestalt bringt sie die Bauweise und Anlage der mittelalterlichen Burgen vortrefflich zur Anschauung. Aus dem Rittersaal, dem Prachtraum des Herrenhauses oder Pallas, schauten die Ritter und Burgfräulein hinab in das Rheintal. Luftiger noch wohnte der Wächter, der auf dem höchsten Turme, dem mächtigen Bergfried saß, der bei einer Belagerung der Burg im Falle der Gefahr die letzte Verteidigungsstellung bildete. Zu den notwendigen Bestandteilen einer Burg gehörten noch Torburg, Küche und Brunnen. Nach der Angriffsseite ragte die mächtige Schildmauer auf. Nur eine Zugbrücke, die gewöhnlich über einen tiefen Abgrund führte, stellte die Verbindung mit der Außenwelt her. War sie hinaufgezogen, so konnte niemand in die Burgfeste eindringen. Hinter seinen Mauern konnte der Ritter jedem Feinde Trotz bieten. Aus diesem Gefühl der Sicherheit wuchs der kühne Geist des Rittertums hervor.

Abb. 56. Der Mäuseturm und Burg Ehrenfels. (Zu Seite 48.)
Falkenburg. Sooneck. Heimburg.

Weiter geht die Fahrt. Da ist kein Auge, das nicht die neuen Bilder mit Spannung erwartet und freudig grüßt. Im Reisehandbuch und auf der Karte wird aufmerksam die Fahrt verfolgt. Sollen doch die schönen Bilder weiter leben, zusammen mit ihren berühmten Namen! Längst liegt Aßmannshausen (Abb. 59) hinter uns, und auch Burg Rheinstein auf der anderen, der linken Rheinseite entschwindet jetzt unseren Blicken. Die lange Häuserreihe des[S. 52] Ortes Trechtingshausen, überragt von den Ruinen der Falkenburg (Abb. 60), einer der Raubburgen, die der rheinische Städtebund 1252 zerstören ließ, gleitet vorüber.

Abb. 57. Das Rheinknie bei Bingen. (Zu Seite 48.)

Dann steigt, über dem Eingang einer engen Bergschlucht, der schlanke Turm der prächtigen Burg Sooneck (Abb. 61) empor. Auch sie erstand durch Fürstengunst aus ihren Trümmern. Der „Prinz von Preußen“, der spätere Kaiser Wilhelm I., erwarb sie zusammen mit seinem Bruder Prinz Karl von Preußen und ließ sie von 1834 ab neu herstellen. Ihr erster Erbauer war der Erzbischof Willigis von Mainz, der zu Anfang des elften Jahrhunderts lebte. Aber später wurde sie, gleich der Falkenburg, ein Räubernest, und König Rudolf von Habsburg ließ sie zerstören. Neu erstand sie aus ihrem Schutt, bis spätere Zeiten sie wieder zerstörten. Daß die Burg Sooneck auch in unserer Zeit in neuer Pracht hergestellt wurde, verdankt sie der prächtigen Aussicht, die sie darbietet. „Seeartig erscheint von den Zinnen der Burg aus in ruhiger Majestät der Spiegel des Stromes, grüne Inseln spiegeln sich in seinem Bette, und die üppigen Weingelände von Lorch (Abb. 62) und Trechtingshausen scheinen sich auf den Strommauern fortsetzen zu wollen. Wild starren über den Weinbergen, die rechts den edlen Bodentaler liefern, die Felsklippen empor; ein Bergpfad durchzieht die finstere Schlucht der Burg zu Füßen; er führt auf des Soonwaldes wildreiche Höhen, wo der Eber noch den Boden aufwühlt und der Hirsch mit den gewaltigen Stangen den Buchenwald durchästet“ (Mehlis).

Abb. 58. Schloß Rheinstein. (Zu Seite 50.)
Lorch.

Bis südlich von Lorch (Abb. 62), das schmuck auf dem rechten Ufer bald vor uns auftaucht, während links das langgestreckte Dorf Niederheimbach und die Heimburg grüßen, bauen sich die Talwände aus Taunusquarzit auf. Es war ein mühevolles Werk, das der Rheinstrom beim Einsägen in dieses harte Gestein auszuführen hatte. Noch hat er es nicht ganz vollendet, noch lauern überall Quarzriffe unter seinem Wasserspiegel, besonders bei niedrigem Wasserstande die Schiffahrt sehr gefährdend. An vielen Stellen mußten, wie am Binger Loch, umfangreiche Sprengungen vorgenommen werden, um diese überhaupt möglich zu machen. Auf der folgenden Strecke, auf der der Rhein den Hunsrückschiefer zu[S. 53] durchfurchen hatte, war das Werk wohl leichter. Aber manche harte Felsbänke durchsetzen auch dort den Strom und lassen ihn wild aufbrausen, so am Wilden Gefährt bei Bacharach, ferner bei Caub, wo die Pfalz, eine kleine Burg, auf einem Felsen mitten im Strom erbaut ist, sowie besonders auf der Strecke zwischen dem Kammereck und der Lorelei. Mit dem Eintritt in den Hunsrückschiefer geht zugleich eine große Veränderung in dem Gepräge der Landschaft vor sich. Während der Quarzit eine ziemlich gleichmäßig zusammengesetzte Gesteinsmasse bildet, ist der Schiefer in seinen einzelnen Lagen oft sehr verschieden beschaffen und von ungleicher Härte. Infolgedessen sind die Formen, die die Verwitterung und die gewaltsame Zerstörung durch den Strom und der einmündenden Bäche entstehen ließen, mannigfaltiger, und malerischer ist das Bild der Felswände, die ihre wuchtige Gesamterscheinung durch einen reichen Wechsel zwischen beleuchteten kleinen Vorsprüngen und dunkeln Klüften beleben können.

Abb. 59. Aßmannshausen. (Zu Seite 50.)

Zwischen trotzigen Schieferwänden geht also die Fahrt weiter. Schon gleich die Ruinen der hinter dem Städtchen Lorch aufragenden Burg Nollich zeigen sich uns auf zackigem Schieferberge. Ein scharfer Felsgrat tritt aus dessen südwestlichem Abhange heraus, die Teufelsleiter genannt. Ein Ritter von Lorch soll einst an dieser Stelle hinaufgeritten sein, um durch diese kühne Tat die Hand eines Edelfräuleins zu erringen. Lorch selbst ist ein sehr alter Ort. Schon 844 wird es als Lorecha erwähnt. Im Mittelalter wohnten daselbst viele Adlige, die, nach dem Wortlaut einer Urkunde, ein „Leben wie im Paradiese“ führten. Auch heute hat Lorch noch manche historisch interessante Gebäude. Die aus dem dreizehnten bis fünfzehnten Jahrhundert stammende Martinskirche, die sich durch ihr herrliches Geläute auszeichnet, enthält mehrere bemerkenswerte Grabdenkmäler, so das Denkmal des Ritters Johann Hilchen von Lorch, eines Waffengenossen Sickingens, der „in den Zügen gegen den Erbfeind, den Dürcken, und den König zu Francreich in den Jahren 1543 und 1544 oberster Veltmarschalck“[S. 54] war. Auch das fünfstöckige Wohnhaus dieses Ritters wird in Lorch noch gezeigt.

Bei Lorch mündet das Wispertal in das Rheintal. Kalte Winde führt es diesem zu, Bergwinde, die die im Rheintale aufsteigende warme Luft zu ersetzen suchen und dem Weinbau viel Schaden zufügen.

Abb. 60. Die Falkenburg (Schloß Reichenstein). (Zu Seite 52.)
Wispertal. Fürstenberg. Bacharach.

Von Lorch und Burg Nollich wenden wir den Blick ab und schauen nach links auf die gegenüberliegende Bergwand, die den kalten Windhauch des Wispertales empfängt. Von der Höhe grüßen uns die Ruinen der Burg Fürstenberg. Einst fuhr ein neugewählter deutscher Kaiser, Adolf von Nassau war es, hier vorbei, auf dem Wege zur Krönung nach Aachen. Da gebot die pfälzische Besatzung dieser Burg seinem Schifflein Halt und forderte trotzig den Rheinzoll. So geschehen im Jahre 1292. Noch sinnen wir nach über eines solchen Kaisers Herrlichkeit, der seine Kaiserwürde verzollen mußte, da taucht, schimmernd im Lichtglanze des Tages, das alte ehrwürdige Städtchen Bacharach (2000 Einw.) (Abb. 63) aus den Fluten vor uns auf. Malerisch überragen es die roten Sandsteinbogen einer gotischen Kirchenruine und die weitläufigen Mauertrümmer der oft und heiß umstrittenen Burg Stahleck. Das Schiff mäßigt die Fahrt, um an der Landebrücke anzulegen, und in Muße können wir das Bild betrachten, dessen einzelne Züge so viele historische Erinnerungen in uns wecken. Die mittelalterlichen Stadtmauern, die von der Burg herabkommen und noch fast die ganze Stadt umschließen, machen uns schon klar, daß diese eine lange Geschichte zu erzählen weiß. Im Mittelalter wurde kaum ein Ort mehr genannt als Bacharach, und auch in der weiten Welt war es überall bekannt. Kamen doch von dort die herrlichsten Weine, wie Widtmanns musikalisches Kurzweil aus dem Jahre 1632 uns meldet, worin es heißt:

Zu Klingenberg am Main,
Zu Würzburg an dem Stein,
Zu Bacharach am Rhein,
Hab’ ich in meinen Tagen
Gar oftmals hören sagen,
Soll’n sein die besten Wein’!

[S. 55]

Abb. 61. Schloß Sooneck.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 52.)
Bacharach. Stahleck.

Wohl haben Bacharachs Rebengehänge eine günstige Lage; denn unterhalb der Stadt macht der Rhein eine Biegung, so daß auf dieser Strecke die linke Bergwand mehr Sonnenbestrahlung und den warmen Hauch von Süden empfängt. Aber dennoch ist die Lage nicht so hervorragend günstig, und es sind nur mittelmäßige Weine, die bei Bacharach und in der Umgegend, so im Blüchertal, das den beliebten Steeger liefert, wachsen. Der hohe Ruf der Weine von Bacharach in früherer Zeit hatte einen anderen Grund. Im Mittelalter war die Stadt der Stapelplatz für die meisten Weine, die im oberen Rheintal und in dem angrenzenden Rheingau, der besten Weingegend Deutschlands, wuchsen. Die zahlreichen Felsklippen im Rhein machten nämlich die Schiffahrt zwischen Bacharach und Bingen fast unmöglich. Die herrlichen Rheingauer Weine mußten auf Fuhren nach Bacharach gebracht werden und wurden dort erst auf die Schiffe verladen. So galten sie als Bacharacher Weine. Die frühere Bedeutung hat Bacharach mit der Erweiterung der Rheinschiffahrt und dem Ausbau des Eisenbahnnetzes verlieren müssen. Doch besitzt es noch immer einige Bedeutung auf dem Gebiete des Weinhandels. Denn in den Tälern von Steeg, von Oberdiebach und Manubach wächst eine Fülle von Wein. Im Innern macht Bacharach einen altertümlichen Eindruck. Noch viele alte Fachwerkbauten, Giebelhäuser mit weit vorstehendem und dadurch schwerfällig überhängendem Obergeschoß engen die Straßen ein. Ein altberühmtes Fachwerkhaus mit turmartigem Erker, das aus dem Jahre 1568 stammt, wurde 1897 zum Teil auf Staats- und Provinzialkosten neu hergestellt. Hinter der spätromanischen Peterskirche steigt auf einer kleinen Anhöhe der auch als Mauerruine noch schöne Bau der ehemaligen Wernerskirche vor uns auf. In zierlichem gotischem Stil war diese 1293 in Form eines Kleeblattes erbaut worden; das Maßwerk in den Fensteröffnungen, in denen nun der Wind sein Spiel treibt, veranschaulicht noch die edlen Formen des Baues. Nun hinauf zur Burg Stahleck! An der Einmündung des breiten Steeger- oder Blüchertales, das den Zugang zur Hochfläche des Hunsrück bildet und auch von Blücher als Marschroute auf dem Zuge nach Frankreich gewählt wurde, gelegen, war sie ein[S. 56] strategisch wichtiger Punkt. Nicht weniger als achtmal wurde sie im Dreißigjährigen Krieg, zwischen 1620 und 1640, nebst der Stadt von den Franzosen erobert, die sie auch 1689 zerstörten.

Die Pfalz. Caub. Oberwesel.

Von Eindrücken, die frühere oftmalige Einkehr im alten Bacharach zurückgelassen hatte, durfte ich in Kürze erzählen. Nur zu schnell setzt sich unser Schiff „Lohengrin“ wieder in Bewegung, und neue Bilder verdrängen die alten. Die zierliche Pfalz, mitten im Strome gelegen und von dessen Wogen oft wild umbraust, läßt uns vorübergleiten, und rechts begleitet uns die lange Häuserreihe von Caub, überragt von der Burg Gutenfels, die vor kurzem ausgebaut wurde. Am Ufer steht, der Pfalz gegenüber, seit 1894 ein Denkmal Blüchers (Abb. 65). Es ist die Stelle, wo dieser mit einem preußischen und einem russischen Armeekorps in der Neujahrsnacht 1813/14 den Rhein überschritt. Mit Hilfe der Cauber Schiffer wurde die Pontonbrücke geschlagen, für die die Felsklippe der Pfalz einen vortrefflichen Stützpunkt darbot. Bei Caub wird der beste rheinische Dachschiefer gewonnen. In dem schwärzlichen Gestein, dessen Farbe die Sonnenstrahlen stärker auf sich sammelt, gedeiht auch vortrefflich die Rebe.

Mit freudigem Staunen wenden wir uns dann dem prächtigen Bilde zu, das am linken Stromesufer im Rahmen einer der schönsten Landschaften des Rheintales erscheint, dem mit Kirchtürmen, Ringmauern und zinnengekrönten Türmen reich geschmückten Städtchen Oberwesel (2800 Einw.) (Abb. 64). Von der Bergeshöhe schaut ernst die in Trümmern liegende Schönburg hinab auf die freundlichen Gärten im Tale, aus denen schmuck die zahlreichen Landhäuser Oberwesels herauslugen.

Abb. 62. Lorch.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 52.)
Abb. 63. Bacharach und Burg Stahleck. (Zu Seite 54.)
Die Lorelei.

Bei Oberwesel beginnt die schönste Strecke des Rheintales. Hinter der hochragenden Felsmasse des Roßsteins stürmt der Rhein, in seinem Laufe umbiegend, in die enge Felsenspalte des Kammereck hinein, und bei einer neuen Biegung des Stromes fällt unser Blick auf eine andere trotzige Felsklippe, die unmittelbar aus dem Strome, 132 m über dessen Spiegel, emporsteigt. Es ist der sagenumwobene Loreleifelsen (Abb. 66). Die zackig auslaufenden Schichten seines[S. 58] schiefrigen Gesteins steigen zum Strome hin an, so daß man das Gefühl bekommt, als ob der Bergkoloß im Begriff wäre, sich aus den Fluten herauszuheben. Wer das Glück hat, beim Sonnenuntergang, wenn die Abendröte die Bergesspitze golden bemalt, oder im Mondenschein, wenn gespensterhafte Schatten den schroffen Berg umspielen, den Anblick des Lurleifelsens zu genießen, der glaubt auf dem hohen Bergesgipfel die schöne Jungfrau, von der die Sage erzählt, zu schauen. Auch den Schiffer kann er sehen. Zum Fischfange fährt er hinaus auf den Strom. In dem kühlen, wenig von der Sonne erwärmten Wasser am Loreleifelsen hält sich mit Vorliebe der Salm, der beste, schmackhafteste und teuerste aller Rheinfische, auf. Dort lockt den Fischer ein guter Gewinn, und mancher mag beim Fischfange die verborgenen Felsklippen nicht genug beachtet haben. Aber die Sage vergoldet, gleich dem Abendrot, das golden die Spitze des Loreleifelsens malt, in einem sinnigen Bilde den ernsten Zug des Fischerlebens. Sie läßt den jungen Fischer lauschen auf das liebliche Singen, das geheimnisvoll, mit gewalt’ger Melodei, von der umgoldeten Bergesspitze hernieder klingt.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr gold’nes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.
Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei,
Das hat eine wundersame,
Gewalt’ge Melodei.
Dem Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh,
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh’.
Ich glaube, am Ende verschlingen
Die Wellen noch Schiffer und Kahn,
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lorelei getan.
(Heine.)

Die Abstammung des Wortes Lorelei ist nicht völlig aufgeklärt. Die einen wollen es, an das schöne Echo, das vom Berge widerklingt, erinnernd, als „lauter Fels“ deuten. In der Bibelübersetzung Luthers wird „lören“ in dem Sinne von „heulen, laut jammern“ gebracht. Die Übersetzung „Totengesangfelsen“ würde zu der mit der Lorelei verknüpften Sage passen.

Abb. 64. Oberwesel.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 56.)
Abb. 65. Blücherdenkmal in Caub und Burg Gutenfels.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 56.)
[S. 60]

Von den steilen Bergwänden, die sich bis auf 165 m einander nähern, während die Breite des Rheines bei Rüdesheim 830 m beträgt, eingeengt, mußte der gefesselte Strom mit um so größerer Gewalt sich an den Felsen brechen, die in seinem Bette aufragten. Bis zu einer Tiefe von 27 m hat er dasselbe ausgefurcht. Tiefdunkel sind daher seine Fluten, in die aber früher hier und da einzelne härtere Felsklippen höher, gefahrdrohend für die Schiffahrt, hinaufragten, bis Sprengungen sie beseitigten. Der helle Sonnenschein, der unserer Rheinfahrt lacht, gibt nicht das rechte Stimmungsbild in diesem engsten, schluchtartigen Teile des Rheintals. Wenn Gewitterwolken über dem Strome sich ballen oder die Rheinnebel durch das Tal wallen, wenn aus dem Wolkengrau, dem weißen Nebelschleier wie schwarze Mauern die trotzigen Bergwände mit den Trümmerresten der Burgen herausschauen, dann erst entsteht eine Stimmung, die in diese Landschaft hineinpaßt und uns ein düsteres Fjordbild von Norwegens felsiger Küste vortäuschen könnte.

Abb. 66. Die Lurlei.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 56.)
Abb. 67. St. Goar und Rheinfels.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 60.)
St. Goar. Rheinfels. Katz und Maus. Die Brüderburgen.

Unterhalb des Loreleifelsens wird der Rhein wieder breiter, und bei St. Goarshausen, dem das alte Städtchen St. Goar (Abb. 67) gegenüberliegt, fand sich sogar Raum genug zur Anlage eines Sicherheitshafens, in dem die Schiffe zur Winterzeit vor dem Eisgange oder zu anderen Jahreszeiten vor plötzlich eintretendem Hochwasser Schutz suchen können. Während über St. Goarshausen der hohe Turm der 1393 erbauten Burg Katz (Abb. 68) emporragt, ist St. Goar durch die Ruinen der umfangreichen Burg Rheinfels (Abb. 69), die mehr als 100 Jahre älter ist, malerisch geschmückt. Die Besitzer dieser beiden Burgen waren die Grafen von Katzenelnbogen, die eine Stunde landeinwärts auch die Burg Reichenberg (Abb. 70) besaßen. Spottweise nannten diese eine andere Burg, die wenig unterhalb von der rechten Talwand herniederschaut, die Maus. Dann[S. 62] erscheinen auf derselben Seite, nach einer längeren Strecke, auf wildgerissenen Felsen die Trümmer der beiden „Brüderburgen“ Liebenstein und Sterrenberg. Eine tiefe Schlucht trennt die beiden Burgen voneinander, über die die Geschichte wenig Verbürgtes zu melden weiß. Gesprächiger ist die Sage. Sie erzählt von zwei Brüdern, die, nachdem sie ihre blinde Schwester bei der Erbschaftsteilung betrogen haben, selbst miteinander in heftigen Streit geraten und sich gegenseitig[S. 63] töten. Anders berichtet Horn die Sage. Zwei Brüder liebten eine Maid — Gräfin Laura nennt Heine sie — und gerieten darüber in Streit.

„Wehe! Wehe! Blut’ge Brüder!
Wehe! Wehe! Blut’ges Tal!
Beide Kämpfer stürzen nieder,
Einer in des andern Stahl.“
(Heine.)
Abb. 68. St. Goarshausen und Ruine Katz.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 60.)
Abb. 69. Ruine Rheinfels, mit Durchblick nach St. Goarshausen.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 60.)
Abb. 70. Burg Reichenberg bei St. Goarshausen.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 60.)
Salzig.

Gegenüber den beiden Brüderburgen und dem Kloster Bornhofen, einem vielbesuchten Wallfahrtsort, liegt, umschattet von Hunderten von Kirschbäumen, das Dörfchen Salzig. Im Frühling entfalten die Kirschenhaine einen Blütenschmuck, daß das Auge, wie schon Wolfram von Eschenbach sang, „schier trunken wird ob solcher Pracht“. Im Juni aber, wenn die Kirschenernte stattfindet, fließt ein reicher Goldsegen in den berühmten Kirschenort. In kleinen Körbchen wandern die rotbackigen süßen Früchte auf den Kirschenmarkt nach Coblenz, wo zahlreiche Händler aus allen Städten des Niederrheins, sowie aus Holland und England sich einfinden. Bei guter Ernte soll Salzig einen Erlös von 200000 Mark aus seinen Kirschen machen. Auch die Rheinorte, die weiter unterhalb vom baumgeschmückten Strand grüßen, wie Camp, das Städtchen Boppard, ferner Filsen, Osterspay, Ober- und Niederspay, treiben neben dem Weinbau einen bedeutenden Obstbau. Im Frühling sind diese Ortschaften von dem weißen Blütenmeer der Kirschbäume, in dem hier und da, wie ein duftiger Strauß, das liebliche Rosa eines Pfirsichbaumes erscheint, umrahmt.

[S. 64]

Boppard.

Zwar lacht nicht des Frühlings Blütenpracht bei der Ankunft unseres Schiffes, des stolzen „Lohengrin“, im gastlichen Boppard (6600 Einw.) (Abb. 71). Aber der Schmuck der schönen Gärten, die die zahlreichen Villen umgeben, erfreut unser Auge und lockt mehr noch die, welche mit ihrem Reisebündel bereit stehen, das Schiff zu verlassen. Genußreiche Wanderungen werden sie hinauf führen zur Bergeshöhe, wo der Landschaft Pracht zu ihren Füßen liegt, zum Vierseenplatz, wo sie den sich krümmenden Rheinlauf vierfach zwischen den Bergen aufblitzen sehen, oder in das anmutige Mühltal (Abb. 72). So heiter lacht des Lebens, der Gegenwart frischer Reiz, und fast vergessen wir, den Geist in die lange Geschichte zu versenken, von der Boppard zu erzählen weiß. Von den Kelten wurde das alte Bodobriga gegründet. Die Römer errichteten daselbst ein Wurfmaschinendepot (balistarii Bodobricae). Im vierten Jahrhundert n. Chr. wurde der Ort von ihnen von neuem stark befestigt. Bedeutende Reste dieser spätrömischen Festungsanlage sind noch erhalten. Es konnte festgestellt werden, daß dieselbe ein Rechteck von etwa 300 m Länge und halber Breite bildete und von einer 3 m dicken und 8 m hohen Ringmauer, in der sich vier runde Ecktürme und 24 halbrunde Mauertürme befanden, umgeben war. Im dreizehnten Jahrhundert wurde Boppard, das seit dem zwölften Jahrhundert freie Reichsstadt gewesen war, zusammen mit Oberwesel an den Erzbischof von Trier verpfändet. Von mittelalterlichen Gebäuden sind besonders die in der Mitte der Stadt gelegene spätromanische Pfarrkirche, deren alte Malereien 1894 und 1895 sorgfältig erneuert wurden, die gotische Karmeliterkirche und die ehemalige kurtriersche Burg, die jetzt als Amtsgericht dient, zu nennen.

Abb. 71. Boppard und Filsen von „Alte Burg“ aus gesehen.
Nach einer Photographie der Neuen Photographischen Gesellschaft in Berlin-Steglitz. (Zu Seite 64.)
Die Bopparder Hamm. Marksburg.

Von dem freundlichen Bilde Boppards müssen zu schnell wir wieder scheiden. Weiter geht die Fahrt, und auf eine hochragende steile Bergwand, die Bopparder Hamm genannt, steuert unser Schiff los. Quer ist diese dem Strome vorgelagert,[S. 65] der vor ihr nach Osten umbiegen muß. Keine Bergwand im ganzen Rheintal, abgesehen vom Rüdesheimer Berg, hat eine solche günstige Lage nach Süden wie die Bopparder Hamm. Ein vorzüglicher Wein wächst auf derselben. Bis hoch hinauf ist sie mit Reben bepflanzt. Beim Vorbeifahren müssen wir den Kopf weit zurück in den Nacken legen, um zu den obersten Weinbergen hinaufschauen zu können. Zur rechten Hand begleitet uns dagegen eine kleine Niederung, die dicht mit Bäumen bepflanzt ist. Der Gegensatz zwischen der hochragenden, steilen Felswand zur Linken, auf der der Winzer seiner Rebe nur mit großer Mühe ein Plätzchen erobern konnte und erhalten kann und den fruchtbaren Talgefilden zur Rechten, wo die Rheinbewohner mühelos pflanzen und ernten können, verleiht dem Rheintale einen neuen Zauber. Bis Coblenz hin bleibt ihm dieser Wechsel erhalten. Vor der Bergwand zur Linken muß der Rhein nach Osten ausweichen. Aber eine andere Bergwand tritt ihm nun im Osten entgegen. Sie zwingt ihn, von neuem auszubiegen und wieder die alte Richtung nach Nordwesten einzuschlagen. Aber der mächtige Strom tut’s nicht ohne Kampf. Er nagt und frißt nun an der östlichen Bergwand, und an dem linken Ufer, wo er ruhiger strömt, lagert er einen Niederungssaum ab, der immer breiter wird. Auf diesem haben die beiden Dörfchen Ober- und Niederspay, die gleich Salzig und Boppard von zahllosen Obstbäumen umschattet sind, ein herrliches Plätzchen gefunden. Auf dem bergigen rechten Ufer aber ragt, beherrschend über das herrliche Tal und den Strom hinwegschauend, über dem Städtchen Braubach die stattliche Marksburg (Abb. 74) empor.

Abb. 72. Boppard a. Rh. und Blick in das Mühltal.
Nach einer Photographie von Louis Glaser in Leipzig. (Zu Seite 64.)
Marksburg. Königsstuhl.

Die Marksburg, auf hohem Fels, 150 m über dem Rheinspiegel gelegen, ist die einzige unzerstörte Burg am Rhein und im ganzen noch wohl erhalten. Sie kann daher als ein lehrreiches Beispiel des mittelalterlichen Burgbaues gelten. Der Verein zur Erhaltung deutscher Burgen, in dessen Besitz die Marksburg vor[S. 66] kurzem übergangen ist, hat diese wieder in guten Stand setzen lassen. Die Innenräume sind mit Hausgerät, Waffen usw. wieder so ausgestattet worden wie zur Ritterzeit. Die Besucher der Burg erhalten also ein anschauliches Bild von der Stätte, wo einst die Ritter gelebt haben. Wir hatten schon auf S. 50 die Hauptbestandteile einer mittelalterlichen Burg kennen gelernt. Wenn die Marksburg wieder vollständig eingerichtet ist, wird sie uns auch manches aus dem häuslichen Leben der Ritterfamilie erzählen. Sie hatte es in vielem nicht so gut wie wir in unserer heutigen Zeit, obgleich eine stolze Burg ihr Heim bildete. Besonders in dem langen Winter ging es ihr herzlich schlecht. Da war man gezwungen, in Pelze gehüllt, mit fröstelndem Gefühl an dem nur mangelhaft geheizten offenen Kamin zu sitzen. Bei schlechter Witterung mußten auch tagsüber die Fensterläden geschlossen werden, denn die kleinen trüben Horn- oder Pergamentfensterscheiben boten nicht soviel Schutz wie unsere hellen Glasscheiben. Alles wohnte enge zusammen, und oft mußte der Wohnraum auch als Schlafraum dienen. Aus dem winterlichen Leben der Burgbewohner erklärten sich die sehnsuchtsvollen Klagen der von Burg zu Burg ziehenden Minnesänger, daß der Winter gar nicht weichen und der holde Sommer gar nicht nahen wolle. Wie ganz anders war das Burgleben zur schönen Sommerzeit! Dann war es lustig, vom hohen Burgerker in das sonnige Tal, auf die Häuser und Gärten und auf den von Schiffskähnen belebten Strom herniederschauen zu können. Dann war es auch luftiger und heller in den Zimmern, besonders im Saale, dem Hauptraume des Palas, dessen Wände und Boden mit bunten Teppichen geschmückt waren. Das Hauptvergnügen der Burgbewohner waren die Kampfspiele und die Jagd. Es muß ein herrlicher Anblick gewesen sein, wenn das Burgtor sich öffnete und der Ritter mit den Edeldamen und seinen Knappen, alle in farbenprächtiger Kleidung und die Männer in glänzender Rüstung, hinausritten und die Rosse mit lautem Gepolter über die heruntergelassene Zugbrücke trabten.

Abb. 73. Der Königsstuhl bei Rhens.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 66.)

Entschwundene Zeiten! entschwunden für immer! Die Burgen mag man wiederherstellen, die Menschen, die in ihnen wohnten und die in jene Zeit paßten, kann man nicht mehr aus den Gräbern rufen. Dies sagt uns auch der Königsstuhl (Abb. 73), der am Rheinufer bei Rhens, einem Städtchen auf der linken Rheinseite, verlassen von den Geschlechtern, die ihn erbauten, dasteht. Er war einst der Ort, wo sich die deutschen Kurfürsten, um über Reichsangelegenheiten sich zu beraten, versammelten. 1376 wurde er vom Kaiser Karl IV. errichtet. Warum er diesen Platz wählte, das erklärt uns ein Blick auf eine historische Karte. Gegenüber dem Königsstuhl stießen die Gebiete von vier deutschen Kurfürsten im Rhein zusammen. Rhens gehörte zu Cöln, Braubach zur Pfalz, Lahnstein zu Mainz und Stolzenfels zu Trier. Im Laufe der Jahrhunderte war der berühmte Bau, als seine hohen Gäste nicht mehr kamen, allmählich fast zur[S. 68] Ruine geworden. Im Jahre 1843 wurde er mit Benutzung der Trümmer in seiner alten Gestalt wieder hergestellt. Das achteckige, kanzelartige Bauwerk hat eine Höhe von beinahe 6 m und einen Durchmesser von 7 m. Eine Freitreppe führt zu seinem Sitze hinauf.

Abb. 74. Braubach und die Marksburg.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 65.)
Lahneck. Stolzenfels. Coblenz.

Noch einmal entfaltet das Rheintal seine ganze Schönheit dort, wo von rechts, über den in breiter Niederung liegenden Schwesterstädten Oberlahnstein (rund 8500 Einw.) und Niederlahnstein (rund 4500 Einw.), die durch die einmündende Lahn getrennt sind, Burg Lahneck, von links das stattliche Schloß Stolzenfels von der Höhe herniedergrüßen. Burg Stolzenfels (Abb. 75 u. 76) ließ in den Jahren 1442 bis 1459 der trierische Erzbischof zur Erhebung des Rheinzolles erbauen. Die Franzosen zerstörten sie 1689. Der kunstsinnige König Friedrich Wilhelm IV. ließ als Kronprinz sie von 1836 bis 1842 nach Schinkelschen Entwürfen wiederherstellen in neuer Pracht. Prächtig hebt sich der stolze Bau, den man Stolzenfels taufen möchte, wenn er nicht schon so hieß, von dem waldesdunkeln Hintergrunde ab.

Abb. 75. Capellen und Schloß Stolzenfels.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 68.)

Nach dem steten Anblick der steilen Rebengehänge des Rheintals, die doch häufig kahl erscheinen, begrüßen wir die waldgeschmückten Berge mit doppelter Freude. Solche begleiten uns nun auf beiden Seiten, bis hinter den Bogen von zwei festen Rheinbrücken links das Häuserbild von Coblenz (55000 Einw.) (Abb. 78) vor uns auftaucht.

Wir sind am ersten Ziele unserer Rheinfahrt, in Coblenz, angelangt. Eine lange Reihe prächtiger Gasthöfe heißt am Stromesufer uns willkommen. Weiter zieht „Lohengrin“, unser Schiff, um auch anderen Rheinstädten Scharen von frohen Reisenden zuzuführen.

Abb. 76. Stolzenfels und Oberlahnstein.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 68.)
Coblenz, Geschichte.

Die eigenartige Schönheit des Landschaftsbildes von Coblenz beruht nicht zum wenigsten auf dem Wechsel zwischen waldgeschmückten Bergkuppen und kahlen Felswänden. Besonders der Gegensatz zwischen dem hochgewölbten, wohlgerundeten Kühkopf, der bis obenhin in dichtem Waldkleide prangt und im Süden der Stadt aufsteigt, und zwischen der schroffen, tief durchfurchten Felswand des Ehrenbreitsteins[S. 70] (Abb. 77), dessen felsiges Gepräge durch die Steinmassen der Festungswerke noch verstärkt wird, beherrscht die Landschaft.

Abb. 77. Ehrenbreitstein.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 70.)
Abb. 78. Der Rhein bei Coblenz.
Neue Photographische Gesellschaft in Berlin. (Zu Seite 68.)
Coblenz.

Coblenz’ herrliche Lage ist unbestritten, und jeder, der vom Plateau des Ehrenbreitsteins und von den andern Höhen hinabschaute auf die Stadt, auf die beiden sich vermählenden Ströme und auf die Waldberge ringsum, vermag das Bild dieses Anblicks im Geiste nicht mehr zu löschen. Auch die Stadt Coblenz selbst schreitet jetzt einer schnellern Entwicklung entgegen, nachdem ein enger Festungsgürtel zu lange die Bautätigkeit gehemmt hatte. Besonders nach Süden hin beginnt sich ein schöner, neuzeitlicher Stadtteil zu entwickeln. In der Altstadt dagegen ist es düster und enge, besonders in dem Stadtteil an der Mosel, in dessen Anlage wir den ältesten Kern von Coblenz unschwer wiedererkennen. Ob das alte Confluentes, benannt nach dem Zusammenfließen von Rhein und Mosel, das in späterer Zeit auch Castellum Confluens oder Castrum Confluentes oder kurz Confluentia hieß, nur eine römische Poststation bezeichnete, oder ob schon frühzeitig ein römisches Bollwerk an diesem wichtigen Punkte errichtet wurde, kann nicht mehr festgestellt werden. Denn bedeutende römische Bauwerke sind gar nicht erhalten, und auch auf die Grundmauern derselben ist man nur selten gestoßen. Wie mächtige Eichenpfähle, die man im Moselbette fand, bewiesen haben, führte in der Römerzeit eine Brücke über die Mosel. Durch Chlodwig wurde das römische Kastell in einen fränkischen Königshof verwandelt. Durch eine Schenkung des Kaisers Heinrich II. gelangte dieser mit ausgedehntem Domänenbesitz (quaedam nostri iuris curtis nomine confluentia) im Jahre 1018 in den Besitz der Erzbischöfe von Trier. Der kleine Ort wuchs zum Rheine hin, wo schon längst, ursprünglich auf einer Insel, ein Kirchlein sich erhob. Die Gebeine des heiligen Kastor, der in Carden an der Mosel gestorben war, wurden darin aufbewahrt. Die Normannen zerstörten dasselbe im Jahre 822. Die jetzige Kastorkirche, die älteste und geschichtlich interessanteste Kirche der ganzen Gegend, stammt aus späterer Zeit, wohl aus dem zwölften Jahrhundert, mit Bauresten jedoch aus früherer Zeit. Im Innern besitzt sie manche, kunstgeschichtlich wertvolle Denkmäler.[S. 72] Nach außen wirkt der Bau, besonders durch seine wenig belebte Umgebung, ziemlich nüchtern. Im dreizehnten Jahrhundert wurde die immer mehr sich vergrößernde Stadt mit Mauern und Festungswerken umgeben. So konnte sie Trutz bieten den Stürmen der Kriegszeiten, und auch Handel und Gewerbe fanden die nötige Sicherheit, um festen Fuß fassen zu können. Durch den Handelsverkehr und durch Bündnisse mit anderen rheinischen Städten vermehrte Coblenz sein Ansehen bedeutend. Es kann als ein Zeichen von Kraft gelten, daß im vierzehnten Jahrhundert der Bau einer steinernen Moselbrücke, die heute noch den Fluß mit ihren zahlreichen, gedrungenen Bogen überspannt, geplant und ausgeführt werden konnte. Im Jahre 1343 war die Anlage einer Brücke, „also schön als man in tewtcher Nacion soll finden“, genehmigt worden. Schon im Jahre 1364 war sie fertig; denn die Geschichte meldet, daß in diesem Jahre Karl IV. über dieselbe seinen Einzug in Coblenz hielt. Im fünfzehnten Jahrhundert wurde die Moselbrücke erneut und in der neuesten Zeit, im Jahre 1884, damit sie dem anspruchsvolleren neuzeitlichen Verkehr genügen könnte, verbreitert. Den lebhaften Verkehr der Vorstadt Lützel-Coblenz und der zahlreichen, in der fruchtbaren Rheinebene gelegenen Orte mit der Stadt Coblenz hat sie zu vermitteln. Indem wir uns dem Strom der Fußgänger, unter denen besonders Landleute und Soldaten vorwiegen, anschließen, fällt unser Blick auf ein unmittelbar am Ausgange der Moselbrücke stehendes altertümliches Gebäude. Es ist die alte Burg, die sich die Kurfürsten von Trier errichten ließen. Ihr Bau stammt aus dem Jahre 1276. Sie war ein Lieblingsaufenthalt des Kurfürsten Lothar von Metternich, unter dessen Führung sich in ihren Mauern ein bedeutungsvolles geschichtliches Ereignis, nämlich die Gründung der katholischen Liga im Jahre 1609 vollzog. Nach der Fertigstellung des am Rhein gelegenen Residenzschlosses gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts verlor die alte Burg ihre Bedeutung. Die Neuzeit achtete nicht die Weihe der Vergangenheit. Bis vor wenigen Jahren wurde in dem stattlichen Gebäude eine Blechfabrik betrieben. Durch Ankauf desselben hat die Stadt Coblenz dem unwürdigen Zustande ein Ende gemacht. Sie will die alte Burg als Museum benutzen und in ihr die städtische Gemäldesammlung unterbringen. Noch manche[S. 74] altertümliche und interessante Gebäude besitzt Coblenz, so die aus dem Anfang des zwölften Jahrhunderts stammende Florinskirche, die 1431 vollendete Liebfrauen- oder Oberpfarrkirche, die ebenfalls alte, 1609 bis 1617 aber umgebaute Jesuitenkirche, das jetzt als Realgymnasium dienende Kaufhaus, das im Jahre 1479 als Rathaus erbaut worden war, ferner das 1530 errichtete, mit einem hübschen Erker verzierte Schöffenhaus, in dem die in der Umgegend gefundenen römischen und fränkischen Altertümer untergebracht sind, und das ehemalige Deutsche Herrenhaus, das aber mit Benutzung älterer Gebäudeteile aus dem fünfzehnten und siebzehnten Jahrhundert umgebaut wurde und nun als Staatsarchiv dient, auf dem „Deutschen Eck“. Am Rhein wurde vor einigen Jahren ein monumentales neues Gebäude für die Königliche Regierung errichtet.

Abb. 79. Kaiser Wilhelm-Denkmal in Coblenz. (Zu Seite 75.)
Abb. 80. Kreuznach, vom Pavillon gesehen.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 88.)
Abb. 81. Nahebrücke und Schloß Kauzenberg. (Zu Seite 89.)

Das großartigste, schon einer neueren Zeit angehörende Gebäude von Coblenz ist das jetzige Königliche Schloß, das frühere Residenzschloß der Kurfürsten von Trier. Sein Erbauer ist der Kurfürst Clemens Wenzeslaus, der für dasselbe eine für die damalige Zeit recht bedeutende Bausumme von 650000 Talern aufwendete. Der langgestreckte Bau ist sowohl auf der Rhein- als auch auf der Stadtseite, wo sich der baumbesetzte Schloßplatz ausbreitet, mit einem achtsäuligen, jonischen Portikus geschmückt. Einen reichen Wandel der Zeiten hat das Schloß schon miterlebt. Im Jahre 1786 hielt sein Erbauer, der Kurfürst Clemens Wenzeslaus, seinen feierlichen Einzug. Bis 1794 wohnte er in ihm. Dann sah es die französischen Machthaber in seinen Gemächern, die vorher von den französischen Soldaten ausgeplündert worden waren. Unter preußischer Herrschaft diente es zunächst militärischen Zwecken. Erst nachdem ihm König Friedrich Wilhelm IV. durch Stüler eine neue Einrichtung gegeben hatte, konnte es seinem alten Zwecke wieder dienen. Bald sollte das Schloß einen königlichen Bewohner erhalten. Der Prinz von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm I., bewohnte als Militärgouverneur von Rheinland-Westfalen dasselbe in den Jahren 1850 bis 1858 mit seiner Gemahlin,[S. 75] der späteren Kaiserin Augusta. Während dieser Zeit entwarf er, in gemeinsamer Arbeit mit hervorragenden Offizieren, den Plan zur Reorganisation des preußischen Heeres. Seine Gemahlin aber gewann den Coblenzer Aufenthalt so lieb, daß sie auch als Königin und Kaiserin alljährlich im Frühling und im Herbst mehrere Wochen das Schloß bewohnte. Ihre eigne Schöpfung sind die herrlichen Rheinanlagen, die sich vom Königlichen Schlosse an, etwa 2½ km weit, nach Süden längs des Rheines ziehen. Stände auch nicht das Denkmal der hochherzigen Kaiserin inmitten der von schönen Promenadenwegen durchzogenen Gehölzpartien, ein ehrenvolles Denkmal hat sie sich in der schönen und daher zur Pflege des Schönen immerfort einladenden Rheinlandschaft selbst gesetzt. Dankbaren Herzens erinnern sich die Coblenzer der Donnerstag-Nachmittag-Konzerte, bei welchen die Kaiserin mit Vorliebe unter den Spaziergängern und Konzertbesuchern weilte. Als Kaiser Wilhelm nach den Emser Verhandlungen, bei Ausbruch des Krieges von 1870, zusammen mit der Königin in den Anlagen erschien, da umbrauste ihn die erste jener großartigen Huldigungen des Volkes, die ihn begleiteten auf der ganzen Reise nach Berlin. Wir lesen die Inschrift, die auf dieses Ereignis hinweist, und eine innere Stimme ruft uns hin nach dem Deutschen Eck, wo wir dem Heldenkaiser vor seinem großartigen Reiterstandbild (Abb. 79) erneut unsere Huldigung darbringen können. Dasselbe ist wohl das großartigste rein persönliche, von fast allem symbolischen und von allem historischen Beiwerk frei gehaltene Denkmal der Welt. Die Rheinprovinz ließ es nach einem Entwurf von Bruno Schmitz an dieser geschichtlich und landschaftlich bedeutsamen Stelle, wo Rhein und Mosel ihre Fluten mischen, errichten. Das 14 m hohe, in Kupfer getriebene Reiterbild des Kaisers ist von einem 9 m hohen Genius, dem Träger der Kaiserkrone, begleitet. 22 m hoch erhebt sich der Unterbau des Denkmals, und dieser ist von einer halbkreisförmigen, 18 m hohen Pfeilerhalle umgeben. Über eine 45 m breite untere Freitreppe steigen wir zur 1200 qm großen Hochterrasse und lesen am Unterbau des Denkmals über einem mächtigen Adlerrelief die in gotischen Buchstaben geschriebene Widmung „Wilhelm dem Großen“. Ein Fußrelief zeigt uns, auf den Zusammenfluß von Rhein und Mosel hindeutend, den Vater Rhein und die aus den Fluten auftauchende Mosella. Im Jahre 1897 fand die Enthüllung des Denkmals statt, durch dessen Errichtung an dieser bevorzugten Stelle zugleich ein neuer schöner Standpunkt zur Betrachtung des herrlichen Landschaftsbildes von Coblenz gewonnen wurde.

Abb. 82. Der Rheingrafenstein. (Zu Seite 91.)

[S. 76]

Abb. 83. Münster am Stein. (Zu Seite 92.)
Abb. 84. Die Ebernburg. (Zu Seite 92.)

Coblenz hat wohl zu allen Zeiten vorwiegend eine strategische Bedeutung gehabt. Von der Stelle aus, wo es seine Bollwerke errichtete, konnte dem Rheintal und dem quer zu diesem gerichteten Moseltale zugleich Schutz geboten werden. Auch das etwas oberhalb sich öffnende Nebental der Lahn, das die nur etwas verschobene Fortsetzung des Moseltales bildet, war durch Coblenz geschützt. Riesige Summen sind auf die Befestigung der meisten der rings um die Stadt aufsteigenden Höhen verwendet worden, besonders des Ehrenbreitsteins. Dieser Berg trug schon[S. 77] im Mittelalter eine kurtrierische Landesfestung, die im Dreißigjährigen Kriege eine bedeutende Rolle spielte und im Jahre 1799 von den Franzosen erst nach einer heldenmütigen Verteidigung erobert wurde. Die heutigen Festungswerke stammen aus den Jahren 1816 bis 1826. Sie wurden unter Leitung des preußischen Generals von Aster aufgeführt. Einst galten sie als uneinnehmbar. In der Neuzeit haben sie jedoch, infolge der großen Verbesserungen des Geschützwesens, ihre frühere Bedeutung fast ganz eingebüßt. Von benachbarten Bergkuppen aus können sie, sowie die Feste Asterstein, die sich auf derselben Rheinseite auf der Pfaffendorfer Höhe erhebt, die auf der linken Rheinseite gelegene Kartause und die noch nördlich von der Mosel in der Rheinebene gelegenen Vorwerke leicht zusammengeschossen werden. So ist Coblenz aus einer Festung ersten Ranges zu einer Festung zweiten Ranges herabgesunken, die nur noch durch ihre starke Besatzung und als Kommandositz des VIII. Armeekorps an ihre frühere hohe strategische Bedeutung erinnert.

Abb. 85. Hutten-Sickingen-Denkmal auf der Ebernburg. (Zu Seite 94.)

Als Kreuzungspunkt zweier großen Talfurchen, der Rhein- und der Mosel-Lahn-Furche, hat Coblenz eine wichtige Verkehrslage. Schon ein Blick auf sein Landschaftsbild, auf seine drei Rhein- und zwei Moselbrücken, unter denen sich im ganzen drei Eisenbahnbrücken befinden, überzeugt uns hiervon. Die geringe Verschiebung des Lahntales nach Süden bewirkte aber, daß als besonderer rechtsrheinischer Verkehrsmittelpunkt neben Coblenz auch die Doppelstadt Ober- und Niederlahnstein aufblühen konnte, so daß jenem nur die Fortführung des linksseitigen Rhein- und die Anknüpfung des Moselverkehrs, dieser dagegen die Fortführung des rechtsseitigen Rhein- und die Anknüpfung des Lahnverkehrs zufielen. Erhöht wird die Gunst der Lage von Coblenz durch die unmittelbare Nachbarschaft eines größeren, sehr fruchtbaren Talbeckens, der gut angebauten Niederung des Neuwieder Beckens. Indem aber der Rhein die Stadt von dessen rechtsrheinischem und die Mosel sie von seinem linksrheinischen Teile abschloß, konnte sie nicht verhindern, daß neben ihr in dem einen Neuwied (fast 20000 Einw.), in dem anderen Andernach (9000 Einw.) als größere Orte aufblühten, die besonders für das Gebirgshinterland des Westerwaldes und der Eifel Bedeutung erlangten. So hatte Coblenz auch mit hemmenden Einflüssen zu kämpfen, die es ihm erschwerten, ein weites Gebiet wirtschaftlich eng an sich zu gliedern. Seine Lage ist in Wirklichkeit keine so zentrale als die von Frankfurt[S. 78] oder Mainz oder selbst als die von Trier. Immerhin genügt die Gunst der Lage, um der Stadt den Vorrang, der ihr als Sitz der Provinzial-, Regierungs- und Militärbehörden zugefallen ist, auch wirtschaftlich zu stützen. Die endlich in Fluß gekommene Stadterweiterung wird auch mancherlei Gewerben, die bisher in dem engen Festungsgürtel keinen Raum finden konnten, eine Heimstätte bieten können. Von Bedeutung ist gegenwärtig nur die Champagnerbereitung, deren Entwicklung an den lebhaften Weinhandel anknüpfte, den Coblenz betreibt. Alljährlich finden im Frühling und Herbst bedeutende Weinversteigerungen statt. Coblenz ist auch ein Mittelpunkt des Obst- und besonders des Kirschenhandels. Der reiche Kirschensegen der Orte Salzig am Rhein und Güls an der Mosel geht zum großen Teil zum Coblenzer Kirschenmarkt, der Anfang bis Mitte Juni abgehalten wird, und auf dem sich zahlreiche Händler einfinden. Gegenwärtig zählt Coblenz 55000 Einwohner. Zählen wir die Nachbarorte Moselweiß, Ehrenbreitstein und Pfaffendorf, wo viele Coblenzer Familien Wohnung suchen mußten, die die eingeengte Stadt ihnen früher nicht zu geben vermochte, so erhalten wir eine Gesamtbevölkerung von etwa 75000.

Abb. 86. Die Altenbaumburg. (Zu Seite 94.)

V. Der Hunsrück nebst dem Nahe-, Saar- und Moseltal.

Der Hunsrück.

Der Hunsrück ist ein geographisch scharf abgegrenztes Gebiet. Im Osten trennt ihn die etwa 200 m tiefe Rheinfurche von dem Taunus, im Norden zieht die Mosel eine fast ebenso tiefe Furche als Scheidelinie gegen die Eifel, im Westen bezeichnet der bedeutendste Zufluß der Mosel, die wasserreiche Saar, die Grenze, und nur im Süden ist die Abgrenzung des Gebietes nicht so scharf. Im Südosten bildet die Nahe als ein kleinerer Fluß schon eine viel weniger deutlich ausgeprägte Grenzlinie, und im Südwesten geht der Hunsrück unmerklich in das hügelige Gelände des Saarbrückener Steinkohlengebirges über. Schwieriger ist es, den Hunsrück auch als eine geologische Einheit abzugrenzen. Mit dem Taunus stimmt er in seinem inneren Bau so überein, daß der eine als die Fortsetzung des anderen betrachtet werden muß und die nachfolgenden geologischen[S. 79] Bemerkungen auch für jenen gelten können. Der von den Geologen mit Vorliebe für den Hunsrück gebrauchte Name „Linksrheinischer Taunus“ drückt die Zusammengehörigkeit der beiden Gebiete deutlich aus. Die Rheinfurche ist nichts weiter als ein großartiger Durchschnitt durch die Taunusfalte des Rheinischen Schiefergebirges, und einen zweiten Durchschnitt schuf fern im Westen, wo diese Erdfalte noch nicht völlig verflacht ist, die Saar. Erst eine kleine Strecke westlich von dieser Talfurche tauchen die Schichten des Hunsrück unter die lothringische Trias unter. Im Norden kommt der Moselfurche in geologischer Hinsicht eine ganz andere Bedeutung zu als der Rheinfurche. Sie trennt die Taunus-Hunsrückfalte von dem ebenfalls nordöstlich gerichteten Faltensystem der Eifel. In der Moselsenkung fanden auch nach der Aufrichtung jener Faltengebirge noch neue Erdbildungen statt. Das Buntsandsteinmeer und in noch jüngerer Zeit das Jurameer griffen von Westen in dieselbe hinein und ließen wenigstens im westlichen Teile ihre Bildungen entstehen. Im Osten aber, in der Verlängerung der Moselfurche, brach das Senkungsfeld des Neuwieder Beckens ein, das die vier großen Schollen des Rheinischen Schiefergebirges, Taunus, Hunsrück, Eifel und Westerwald, auf der Ecke, wo sie zusammenstoßen würden, deutlicher voneinander trennte, als es Flußtäler vermögen. Im Süden bezeichnet die Diskordanz (= ungleiche Lagerung) der karbonischen Schichten des Saarbrückener Steinkohlengebirges und des Rotliegenden, die die Faltenbewegung des Hunsrück nicht mehr zeigen, also erst nach dieser entstanden sind, dessen Grenze. Im Gebiet des Rotliegenden fanden, in der Nahegegend, die vulkanischen Ausbrüche des schwärzlichen Melaphyr- und des rötlichen Porphyrgesteins statt.

Abb. 87. Kirn und die Kyrburg. (Zu Seite 94.)
Der Hunsrück, Entstehung und Namen.

Über die Herkunft des Namens Hunsrück ist viel herumgestritten worden, und noch immer scheinen die Geister nicht einig zu sein. Drei Deutungen streiten miteinander. An „Hundesrücken“ zu denken, legte der Klang des Wortes nahe. Die Namengebung wäre dann verwandt mit der des „Katzenbuckel“ im südlichen Odenwald. Aber gerade jene Deutung wurde viel bekämpft und ihr die Ableitung von „Hünenrücken“ = hoher Rücken entgegengestellt, bis neuerdings Gymnasialdirektor Back im „Hochwald- und Hunsrückführer“ wieder für die zuerst genannte Ableitung eingetreten ist. Er stützt sich hierbei auf das Vorkommen eines alten[S. 80] Gaunamens, der „Hundesrucha“ hieß. „Dieser Gau umfaßte,“ so schrieb Back, „den höchsten Teil der Hochfläche in der nordöstlichen Hälfte unseres Gebirgslandes. Dieser bildet aber einen von Nordosten nach Südwesten ziehenden Rücken, der nach beiden Enden hin — im Hochwald und in der Halfter Heide — sich erhebt, in der Mitte mäßig eingesenkt ist. Darin liegt die Erklärung des Namens, indem das Eigentümliche des Hunderückens die in der Mitte etwas eingesenkte Gestalt ist.“ Diese Beweisführung erscheint wohl begründet. Dennoch vermag sie nicht alle Zweifel zu beseitigen. Es kommt darauf an, ob nicht schon der alte Gauname „Hundesrucha“ eine fehlerhafte Übertragung eines noch älteren Namens ist, da doch das Bild des eingesenkten Hunderückens ein etwas eigentümliches ist. In jüngster Zeit ist eine andere Deutung versucht worden, die davon ausgeht, daß das Wort „hun“ die Bedeutung von schwarzes, dunkel hätte, Hunsrück also „dunkler Rücken“ heißen würde. Wichtiger als der Streit um die Herkunft des Namens ist die Tatsache, daß er früher nur einen kleinen Teil des oben umgrenzten Gebietes bezeichnete, und daß man heute im Lande selbst unter Hunsrück nur die Hochflächen versteht, die dem eigentlichen Gebirgszuge nach Norden zur Mosel hin vorgelagert sind, daß dieser selbst aber in seinen einzelnen Abschnitten und Parallelketten ganz andere Namen führt. Es steigt der Moselaner, der Coblenzer, der Bopparder hinauf zum Hunsrück, aber der Bewohner des Nahetals wandert zum Soon-, zum Hoch- und Idarwalde, und vom Hunsrück spricht er nicht.

Abb. 88. Schloß Dhaun. (Zu Seite 94.)
Abb. 89. Oberstein. (Zu Seite 94.)
Abb. 90. Saarburg. (Zu Seite 100.)
Abb. 91. Die Klause bei Saarburg. (Zu Seite 100.)
Der Hunsrück.

Schon aus dem Gebrauch verschiedener Namen für das vom Geographen zu einer Einheit erhobene Gebiet können wir folgern, daß dessen Oberflächenbild ein wechselndes ist, daß es völlig verschiedene Landschaften in sich schließt. Wir müssen unterscheiden zwischen waldgeschmückten Bergrücken, die hoch das Land überragen, und zwischen einförmigen, schwachwelligen Hochflächen, die sich südlich und nördlich von diesen ausdehnen, schmäler im Süden, breiter im Norden. Es sind also die nämlichen Gegensätze wie beim Taunus vorhanden. Zwischen den beiden Gebieten[S. 82] bestehen nur die Unterschiede, daß letzterem bloß im Norden eine breite Hochfläche vorgelagert ist, nicht aber im Süden, ferner, daß die Taunuskette höher ist. Landschaftlich kommen diese Unterschiede sehr zur Wirkung. Wir finden am Südfuße des Hunsrück, wegen der dort vorgelagerten Hochfläche, kaum einen solch günstigen Standpunkt, wie ihn die Gegend von Frankfurt für die Betrachtung des Taunus, um die fortlaufende Linie der unmittelbar aus dem Tieflande aufsteigenden Höhenkette klar überschauen und verfolgen zu können, darbietet. Wir müssen ferngelegene[S. 84] Erhebungen, wie den Donnersberg in der Pfalz, aufsuchen, um ein übersichtliches Gesamtbild zu erhalten. Fänden wir aber auch in der Nähe einen geeigneten Standpunkt, so würde das Bild unseren Erwartungen doch wenig entsprechen, weniger weil die Höhe der Bergzüge des Hunsrück, die doch immerhin durchschnittlich 700 m beträgt, nicht bedeutend genug wäre, als vielmehr, weil keine so geschlossene Kette wie die des Taunus vor uns läge. Die Bergzüge des Hunsrück sind mehrfach unterbrochen und laufen streckenweise nebeneinander her. Am Rhein steigt zunächst, als unmittelbare Fortsetzung des Taunus, der Soonwald auf. Es folgt, durch eine ziemlich tiefe Senke getrennt und mehr nach Nordwesten verschoben, aber in gleicher Richtung von Nordosten nach Südwesten verlaufend, der Idarwald, in dem der Idarkopf die Höhe von 745 m erreicht. Mit ihm hängt der Rücken des Hochwaldes unmittelbar zusammen. Er ist die bedeutendste Erhebung des Hunsrück und steigt im Erbeskopf, dem höchsten Punkt der Rheinprovinz, zu 816 m an. Das vierte und letzte, in der Nähe der Saar gelegene Glied des hohen Hunsrück ist der Errwald. Außerdem sind noch mehrere Parallelzüge vorhanden. Die Hochflächen des Hunsrück, die schmälere im Süden und die breitere im Norden, liegen durchschnittlich 400–500 m hoch. Sie senken sich etwas zur Mosel und Nahe hin.

Abb. 92. Trier, vom Petersberg gesehen.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 101.)
Abb. 93. Hauptmarkt, St. Gangolfskirche und Rotes Haus in Trier.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 101.)
Entstehung des Hunsrück.

Als ein stark abgetragenes Gebirge, das nur noch in seinen Grundresten stehen geblieben ist, hat der Hunsrück gleich dem Taunus heute ein ganz anderes Oberflächenbild als früher. Mit seiner Höhe büßte er auch seine Farbenpracht ein. Die Längsachse der Auffaltung lag auch bei ihm südlich von dem jetzigen Hauptzuge des Gebirges. Aber die ältesten Gesteine des Hunsrück, kristallinische Sericite und Phyllite, die bei der Aufwölbung aus tieferem Erdinnern hervortraten, wurden als die weicheren stärker abgetragen. Sie bilden eine schmale Zone im südlichen Hunsrück. Über ihr genaues Alter streitet man sich ebenso wie über das der alten Gesteinsschichten, die am Südrande des Taunus auftreten. Ein Teil der Geologen hält wenigstens die Sericite für cambrisch, während Lossen diese, sowie auch die Phyllite des Hunsrück als metamorphosierte, d. h. kristallinisch[S. 85] umgewandelte Unterdevongesteine ansieht. Die härteren Taunusquarzite, die als das nächstfolgende jüngere Gestein bei der Auffaltung seitwärts in eine Nebenzone gedrängt worden waren, widerstanden der Verwitterung und den zerstörenden Kräften des Wassers besser und wurden allmählich Hauptgebirgswall. Die noch jüngeren Schichten, Hunsrückschiefer und Koblenzschichten, die noch mehr seitwärts[S. 86] gedrückt worden waren, wurden als weichere Gesteine stärker und zugleich sehr gleichmäßig abgetragen. So entstand im Norden, wo diese Gesteinsschichten eine breite Zone einnehmen, während sie im Süden fehlen, eine weite, schwachwellige Hochfläche, der eigentliche Hunsrück.

Abb. 94. Die Porta nigra in Trier.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 102.)
Abb. 95. Der Kaiserpalast in Trier.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 102.)
Abb. 96. Der Dom und die Liebfrauenkirche in Trier.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 102 u. 104.)
Hunsrück-Landschaft.

Große Formenschönheit entfaltet das Gebirge auf seiner Oberfläche nirgendwo. Auch die höher hervorragenden Quarzitrücken sind einförmig gestaltet. Sie steigen sanft an und bilden langgezogene Gewölbe. Schwache Erhöhungen deuten die Hauptgipfel an, von deren oberster Spitze sich nirgendwo eine Aussicht auf formenreiche Landschaften öffnet. Auch fehlt der Blick hinab auf eine kulturreiche Ebene, wie ihn z. B. im Riesengebirge die Schneekoppe, wie ihn auch die Höhe des Taunus nach Süden hin bietet. Nur kleine Siedelungen liegen über die wellige Hochfläche zerstreut. Sie sind entweder an die sanft ansteigenden Bergabhänge gelehnt, so daß man sie in den Mulden des Landes kaum zu finden weiß, oder sie liegen freier auf hervorragenden Punkten, von denen hier und da ein fernes Kirchlein zu uns herüber winkt. In unserer nächsten Nähe, auf dem breiten Quarzrücken selbst, sehen wir nichts als Wald. Durch herrlichen Hochwald stiegen wir ja in dreistündigem Marsche empor, und im Schatten riesiger Buchen und Eichen hielten wir Rast. Das ist noch echt deutsche Waldespracht, wie wir sie nur noch in wenigen Teilen des Vaterlandes finden, ein Bild, wie es vor zwei Jahrtausenden die Vorfahren schauten, die noch den Auerochs jagten. Auch heute winkt noch im Hunsrück des Weidmanns Heil. Als die herrlichsten Forsten, als die besten Jagdgründe Rheinlands, gelten die schönen Waldbestände des Hochwalds, und leidenschaftliche Jäger scheuen weite Reisen nicht, um in dieser Waldesherrlichkeit Hirsch und Reh, Wildschwein und Fuchs jagen zu können.

[S. 87]

Ringwälle. Land und Volk.

In vorhistorischer Zeit dienten einige der waldigen Höhen des Hunsrück den Bewohnern bei feindlichen Einfällen als Zufluchtsstätten. Vielleicht waren solche Berge, deren Scheitel mit mächtigen Ringwällen umgeben wurde, zugleich auch Kultusstätten. Der bekannteste Ringwall und einer der größten in den Rheinlanden ist der von Otzenhausen, im Volksmunde einfach der „Ring“ genannt. Er ist meist 25 bis 30 m hoch, oben noch 5 bis 8 m breit und umzieht in ovaler Form in fast 2 km Länge die Spitze des Berges. Im Inneren des so umschlossenen Schutzgebietes liegt eine Quelle; denn Wasser durfte in dem befestigten Berglager nicht fehlen.

Abb. 97. Innenansicht des Trierer Domes mit Hochaltar.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 102.)

Während der Quarzitboden wohl ein guter Waldboden ist, eignet er sich für den Getreidebau weniger, weil er zu wenig Tongehalt hat und daher zu sandig ist. So hatte man keine Veranlassung, die herrlichen Forsten, mit denen die Granitrücken geschmückt sind, auszuroden. Auf den weiten Hochflächen, besonders des nördlichen Hunsrück, hatte der Ackerbau Raum genug, sich auszubreiten. Dort bildet der weit verbreitete Hunsrückschiefer einen recht guten Ackerboden, und wäre die Höhenlage nicht so bedeutend und das Klima milder, so würde der Bauer des Hunsrück nicht bloß sein bescheidenes Auskommen finden. So aber bleibt sein Leben ein steter Kampf, der rührigen Fleiß und ein sparsames Wirtschaften verlangt. Die Natur des Landes ist der beste Tugendlehrer. Als ein arbeitsames, fleißiges und genügsames Völkchen werden die Bewohner des Hunsrück überall geschildert. Sie sind von alemannischer Abstammung, wie Rottmann an der Sprache nachgewiesen. Diese ist ein ähnlicher Dialekt, wie er auch im Rheintal von Bingen bis Coblenz, im Nahetal und Moseltal gesprochen wird, wenn dort auch manche Änderungen durch stärkere Völkermischung stattgefunden haben. Eine von den Eigentümlichkeiten des Hunsrücker Dialekts, von dem uns[S. 88] das hübsche Frühlingslied von P. J. Rottmann eine Probe geben soll, ist das Übergehen von d und t in r, wenn diese Laute zwischen Vokalen stehen, z. B. jerer statt jeder.

Frühlingslied.
Watt sin euch dehr Brierer,
Watt sin euch so froh;
Der Winder is danre,
Det Friehjohr es doh.
Eraaser, dehr Bue,
Verloost auer Huhl!
Watt weerd et ähm wierer
Im Freie so wuhl.
Im Haus hinn’gern Uwe,
Do iß nit uhs Blatz,
So drauß in dem Acker,
Do liht eur Schatz.
Der Bauer muß schaffe!
Sei nosert nit faul;
Et fliegt köh Dauwe
Gebrote in’t Maul.
Lang schloofe det Moorjets,
Datt brängt ähm köh Glick.
Wo frieher eraußer,
Wo größer det Stick.
Et steht in der Biewel,
Wie jerer aog wöäs,
Det Brot se verdiene
Mit Aarwet und Schwäs.
Dann schmeckt ähm det Esse,
Dann schmeckt ähm der Schloof,
So schmeckt et köhn Kienig,
So schmeckt et köhn Groaf.
Darum lustig an’t Wirke,
Uhs Herrgott will’t hohn.
Dem fleißige Bauer,
Dem gibt er sei Lohn.
Simmern. Castellaun. Stromberg.

Die Römer hatten über den Hunsrück eine Heerstraße angelegt, die von Bingen über den sogenannten stumpfen Turm, an dem eine Ansiedlung namens Belginum lag, nach Neumagen an der Mosel und von dort nach Trier führte. Im Mittelalter war das Städtchen Simmern, wo eine Zeitlang ein Fürst residierte, der geistige Mittelpunkt des Hunsrück. Schon 1532 bestand dort eine Druckerei, die uns ein berühmtes Werk, das mit vielen Holzschnitten geschmückte Turnierbuch von Georg Rüxner, hinterlassen hat. Das nordwestlich von Simmern in dem fruchtbarsten Teile des Hunsrück gelegene Städtchen Castellaun, dessen Name jedenfalls auf römischen Ursprung hinweist, besaß gleich Simmern eine Burg, die die Franzosen im Jahre 1689 auf ihrem Raubzuge zerstörten. Im südlichen Hunsrück ist Stromberg ein Ort, geschmückt mit den Ruinen zweier Burgen, der einen Besuch reichlich lohnt. Devonischer Kalk tritt daselbst auf, der zum Betrieb von Kalksteinbrüchen anregte. Von dort wandern wir nach Sponheim, dem Stammsitze des bekannten Geschlechts der Grafen von Sponheim, die auch die Abtei Sponheim gründeten. In dieser herrschte nicht immer strenge Klosterzucht. Aber einen berühmten Abt des Klosters, von dessen Gebäuden nichts mehr erhalten ist, während ein fester Turm der Burg mit seinen 3 m dicken Mauern den Stürmen der Zeit noch Trotz bietet, nennt die Geschichte, Trithemius, benannt nach seinem Heimatorte Trittenheim an der Mosel, wo er 1462 geboren wurde. Er stellte die Klosterzucht wieder her und ragte unter seinen Zeitgenossen durch seine Gelehrsamkeit hervor. Seine berühmte Bibliothek wird noch heute in Heidelberg, wohin sie 1611 kam, aufbewahrt.

Kreuznach.

Von Sponheim ist nur noch ein Sprung bis Kreuznach (24000 Einw.) (Abb. 80), der gastlichen Stadt am Naheflusse, die alljährlich von mehr als 6000 Kurgästen, die vom Gebrauch der vortrefflichen Solbäder Heilung erhoffen, besucht wird. Dort wollen wir eine Rundwanderung um den Hunsrück beginnen, dessen Rheinseite wir früher schon kennen lernten. Sie wird uns durch das Tal der lieblichen Nahe, die uns mit schelmischem Blick den Saft der Rebe, den gefährlichen Nahewein, reicht, hinführen zur Saar, die ernsteres Leben an ihren Ufern schaut und nur dort, wo die ältere Schwester Mosella die Hand ihr reicht, Rebenschmuck trägt. Und von dort, vom altersgrauen Trier an, begleiten uns fast fortwährend rebengeschmückte Berge, bis wir dem Vater Rhein seine stolzeste Tochter zuführen können.

[S. 89]

Abb. 98. Portal der Liebfrauenkirche in Trier.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 104.)

Kreuznach führt seinen Ursprung auf eine keltische Ansiedlung zurück. Aber ob die Kelten diesen Ort, wie Hessel meint, schon Crucinacum nannten, erscheint doch sehr zweifelhaft, da sie hierzu ja hätten Latein lernen müssen. Auch daß die Römer, die diesen Namen verstanden, nach ihnen kommen würden, konnten sie nicht gut wissen. Diese bauten, das ist gewiß, in Kreuznach ein Kastell. Noch stehen in der Nähe der Eisenbahnbrücke Reste der Umfassungsmauer, die das Volk die Heidenmauer oder die „heiße Mauer“ nennt. Auch ist in den Feldern die Vierecksform des römischen Kastells noch an einer Erhöhung des Erdbodens deutlich zu erkennen. Nachdem dasselbe von den Alemannen und später, nach seiner Wiederherstellung, von den Franken zerstört worden war, wurde auf seinen Resten ein fränkischer Königshof, eine Pfalz, die den Namen Osterburg führte, errichtet. Die Normannen haben diese, sowie die in ihren Mauern errichtete älteste Kirche Kreuznachs, die Kilianskirche, so zerstört, daß sie spurlos verschwanden. Weiter südlich von der alten Heidenmauer entstand das jetzige Kreuznach. Seinen Namen soll es nach einem Kreuze führen, das ein christlicher Glaubensbote auf einer Nahe-Insel aus Stein errichtete, und das den hochgeschwollenen Fluten der Nahe stand hielt, während neben ihm die Fischerhütten von ihnen fortgerissen wurden. Die große Nahe-Insel ist die wichtigste Örtlichkeit des neueren Kreuznach. Spielt sich doch auf ihr das Badeleben ab. Auf der Südspitze der Insel, die gewöhnlich Bade-Insel oder Badewörth genannt wird, entspringt aus Porphyrfels die brom- und jodhaltige Elisabethquelle. Eine lange Wandelhalle führt zum Kurhaus hin, neben dem das vortrefflich eingerichtete Badehaus und das große Inhalatorium, ein Doppelgradierhaus mit Zwischengang, liegen. Einen sehr malerischen Anblick bietet die alte, auf den Pfeilern mit merkwürdigen Häuserbauten besetzte Nahebrücke (Abb. 81) dar, die über das untere Ende des Badewörths geführt ist und die Altstadt mit der auf dem linken Ufer gelegenen Neustadt verbindet.

[S. 90]

Abb. 99. Die Martyrung der Christen. Deckengemälde in der Paulinuskirche zu Trier.
Nach einer Photographie von Schaar & Dahle in Trier. (Zu Seite 104.)
Abb. 100. Die Marienburg.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 105.)
Der Kauzenberg. Wanderungen um Kreuznach.

Für die Nahewanderung aufwärts, von Kreuznach nach Münster a. Stein, empfiehlt man uns drei Wege, und die Schönheit eines jeden wird uns so sehr gepriesen, daß wir allen dreien folgen möchten. Der eine führt hinan zum Kauzenberg (150 m, Abb. 81), an dessen Südabhange der beste, der feurigste[S. 91] Nahewein wächst, der weltberühmte Kauzenberger. Oben liegen die Trümmer eines 1689 von den Franzosen zerstörten Schlosses, das den Grafen von Sponheim gehörte. Der Berg wird daher auch Schloßberg genannt. Schöne Parkanlagen schmücken denselben. Von dort führt die Wanderung über die waldige Haardt (Waldberg) zu der steil aus dem Nahetal aufsteigenden Porphyrwand des Rotenfels. Eine herrliche Aussicht auf das zu unseren Füßen liegende Münster a. Stein, auf die breitgewölbte Bergkuppe der Gans (323 m), auf den wie ein Felsturm steil aus der Nahe aufsteigenden Rheingrafenstein (235 m, Abb. 82) und auf die eine vorspringende Bergkuppe schmückende Ebernburg öffnet sich am Schlusse dieser Wanderung unseren Blicken. Zu den nämlichen schönen Punkten, die jeder aufsucht, der das Nahetal besucht, führen die beiden anderen Wanderwege hin. Der eine steigt auf dem rechten Naheufer zum Kuhberg hinan, von dessen Tempelchen wir zum Niederwald, zur Rochuskapelle und auf Schloß Johannesberg fern im Rheintal hinschauen können, und weiter zu der noch höheren Gans, wo wir inmitten der nämlichen Herrlichkeiten wie auf dem Rotenfels stehen, zugleich aber eine umfassende Fernsicht nicht bloß zum Rheintal, sondern auch zum Hunsrück und nach Südwesten zum fernen Donnersberg genießen. Und nun der dritte Wanderweg! Er führt nicht über Berge, sondern unten durchs Tal, dessen ganze Anmut und Schönheit entfaltend. Am südlichen Ende des Badviertels von Kreuznach empfängt uns die schöne Salinenstraße, wenn wir es nicht vorziehen, zunächst eine Strecke auf schattigem Promenadenweg am Flusse entlang zu wandern. Die teils reben-, teils waldgeschmückten Berge, auf der einen Seite die Haardt, auf der anderen der Kuhberg, begleiten uns. Wir erreichen die Saline Karlshalle und nach Überschreiten des Flusses die Saline Theodorshalle, mit der zugleich ein Kurhaus verbunden ist. Die beiden Salinen gehörten früher dem Großherzog von Hessen, sind aber jetzt Eigentum der Stadt Kreuznach. Gewaltig ragen die hohen Gradierwerke vor uns auf. Das Wasser der Salzquellen, die im Nahetale, zum Teil sogar im Bette des Flusses, heraussprudeln, hat nur einen geringen Salzgehalt von etwa 1%. Ehe es auf die Siedepfannen geleitet wird, muß es deshalb oftmals, und zwar siebenmal, denn die beiden Gradierwerke der Karls- und Theodorshalle bestehen aus je sieben[S. 92] Abteilungen, den Weg über die Dornenhecken machen. Durch eine einfache Pumpeinrichtung wird es in die Höhe gehoben und durch Rinnen, die beim weiteren Verzweigen immer enger werden, so verteilt, daß es fast tropfenweise auf die Dornen gelangt. Beim langsamen Herabträufeln findet eine starke Verdunstung statt. Wenn das Wasser siebenmal den Weg gemacht hat, besitzt es einen Salzgehalt von 7 bis 8%. Auf den großen Siedepfannen, die seitwärts von den Gradierwerken in einem Gebäude aufgestellt sind, wird es weiter eingedampft, bis das Salz sich an der Oberfläche in Kristallen, die sich beim Niedersinken vergrößern, ausscheidet. Schließlich bleibt die Mutterlauge, eine bräunliche Flüssigkeit, die auch noch andere, leichter lösliche Salze enthält und besonders für die Badekuren wertvoll ist, übrig.

Abb. 101. Die Marienburg.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 106.)
Münster a. Stein. Rheingrafenstein.

Nach zwanzig Minuten haben wir von der Theodorshalle ab, nach einer einstündigen Wanderung von Kreuznach ab den freundlichen Kurort Münster a. Stein (Abb. 83) erreicht. Dort stehen wir in der Mitte zwischen den vier Berggestalten, die wir schon kennen lernten, zwischen der breiten Porphyrkuppe der Gans, den steil aufsteigenden Porphyrwänden des Rotenfels und des Rheingrafenstein, und der zierlichen Bergkuppe, die stolz die Ebernburg (Abb. 84) trägt. Und wohin wir auch schauen mögen, empor zu diesen Höhen, deren rötliches Gestein oder grünes Waldkleid sowohl im eigenen Wechsel als auch im Wechsel der Sonnenbeleuchtung so verschiedenartige und reiche Farbentöne hervorbringen, überall erscheinen vor unserem Geiste die Bilder und Gestalten der Geschichte, und die Sage, der Geschichte sinniges Schwesterlein, möchte jedes Wort mitplaudern und miterzählen in ihrer eigenen Art. Auf dem so jäh und so trotzig aus dem Bett der Nahe aufsteigenden Rheingrafenstein hausten einst die Rheingrafen. Sie wurden so genannt, weil sie zu Karls des Großen Zeiten, als das fränkische Reich in Gaue eingeteilt wurde, den Rheingau, der von Mainz bis Lorch reichte, erhalten hatten. Sie verloren später diesen Besitz, und ihre Burg Rheinberg fiel in Trümmer. Da siedelten sie nach Schloß Stein über, das auf einem gewaltigen, über 400 Fuß[S. 94] hohen Stein, der unweit Kreuznach senkrecht aus dem Naheflusse aufsteigt, lag, und seitdem hieß dieser Fels Rheingrafenstein. Später beerbten die Rheingrafen die Wildgrafen, die Nachkommen der Rheingaugrafen, und sie wurden dadurch Herren von mehreren Burgen und vielen Dörfern an der Nahe. So konnten sie auf ihrem Felsenneste, das die Sage durch den Teufel erbauen läßt, ein lustiges Leben führen. Im Umkreise, im Banne von Norheim, Treisen und Hüsselsheim wuchsen gar herrliche Weine. Einst saßen die Rheingrafen auf ihrem Schlosse beim Wein, und viele andere Ritter waren in ihrer Runde. Da sagte der Rheingraf, indem er einen riesigen Humpen aus Glas, der die Form eines Stiefels hatte, emporhob: „Wer diesen Stiefel, ihr Herren, auf einen Zug leert, dem gehört Dorf Hüsselsheim.“ In der Runde befand sich aber ein sehr trunkfester Ritter, Boos von Waldeck: „Gebt mir Brief und Siegel, Herr Rheingraf!“ rief er. Das geschah. Da nahm der Ritter den Stiefel und trank ihn in einem gewaltigen Zuge leer. Dann fiel er, noch die Worte herausstoßend: „Ich tat’s für Weib und Kinder!“ sterbend hin. Nach einem anderen Wortlaut der Sage, der ein wirkliches Begebnis zugrunde liegen soll, hätte Boos sich ganz vergnüglich umgeschaut und dann gesagt: „Gebt Ihr mir noch das Dörflein Roxheim dazu, so leer’ ich den Stiefel zum zweitenmal.“ Ein solch trunkfester Kumpan sei er gewesen.

Abb. 102. Bernkastel, Burg Landshut und Cues.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 106.)
Ebernburg. Oberstein. Die Achatindustrie.

Eine Fülle von Begebenheiten weckt die Ebernburg (Abb. 84) in unserm Geiste. Zwei Männer von kühnem Geiste, ein Mann des Schwertes und ein Mann der Feder, grüßen uns beim Aufstieg zur Ruine, Franz von Sickingen und Ulrich von Hutten, deren Denkmal (Abb. 85) auf halber Höhe des Berges steht. Ulrich von Hutten scheint in feuriger Rede auf Sickingen einzustürmen, der, entflammt von der Rede Sinn, zum Schwert greift. Der ganze Geist der Reformation mit ihrem geistigen Ringen und ihren bitteren Kämpfen wird in uns wach. Welche politischen Zustände, welche Ohnmacht der kaiserlichen Gewalt! Ein einzelner Ritter vermag Städten und Fürsten den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Kaiser Maximilian spricht des Reiches Acht über Franz von Sickingen, der mit Götz von Berlichingen und anderen im Bunde ist, aus, aber bald muß er sich mit dem mächtigen Manne wieder versöhnen. In den Religionsstreitigkeiten stellte Franz von Sickingen sich auf die Seite Luthers. Hutten wurde sein Berater, die Triebfeder kühner Taten. Aber der Versuch, den mächtigen Nachbarn, den Erzbischof von Trier, der von Köln Hilfe erhielt, zu bezwingen, wurde Sickingens Verderben. Nach der vergeblichen Belagerung von Trier wurde er selbst in Landshut belagert. Von einer feindlichen Kugel ward er tödlich verwundet. So starb der Mann, dessen Kühnheit jeder, ob Freund oder Feind, bewundern muß.

Nachdem wir noch die 1¼ Stunde entfernte Altenbaumburg (Abb. 86) besucht haben, scheiden wir von Münster a. Stein, das ebenfalls bedeutende Solquellen hat, und wo ebenfalls alljährlich zahlreiche Kurgäste Heilung suchen, angelockt wohl auch von der Schönheit der Landschaft. Noch viele landschaftlich schöne Punkte oder geschichtlich bemerkenswerte Orte besitzt das Nahetal, wie Sobernheim und Kirn (Abb. 87 u. 88). Wir können überall nicht weilen und halten erst wieder in Oberstein (Abb. 89) Rast. Ein Wunderbau ist die dortige Felsenkirche. Die Sage erzählt, daß ein Ritter sie erbauen ließ zur Sühne für den Mord seines Bruders, den er dort von der Felswand hinabgestoßen hatte. Noch mehr ist Oberstein durch seine schönen Achatwaren bekannt. Es teilt diesen Ruhm mit dem in der Nähe im Tale des Idarbaches gelegenen Städtchen Idar; ja die ganze Gegend, ein großer Teil des Birkenfelder Ländchens, kann Anspruch auf ihn machen. Wir befinden uns in dem Gebiet der eigenartigen Achatindustrie. Wer kennt nicht die schönen, buntstreifigen Steine, aus denen allerlei Gebrauchs- und Schmuckgegenstände, wie Ohrringe, Broschen, Vorstecknadeln, Ringe, Manschettenknöpfe, Knöpfe auf Spazierstöcke, Briefbeschwerer usw., verfertigt werden! In eine goldähnliche Masse, Obersteiner Gold genannt, werden die Steine gefaßt.[S. 96] Die Sachen schillern in den schönsten Farben. Als Andenken und Geschenke von der Reise werden sie gern gekauft. Aber viele, die sich mit ihnen schmücken, ahnen nicht, wie viel Mühe und Not einer beschwerlichen Arbeit mit ihnen verknüpft sind. Wir können diese sehen in den zahlreichen Schleifkotten, die im Tale des Idarbaches liegen, in denen die Steine zerschnitten und dann von Arbeitern, die langgestreckt auf dem Boden liegen, geschliffen werden. Wir erkennen sie auch aus den bleichen Gesichtern der durch die mühselige und ungesunde Arbeit Abgehärmten. Dieses Bild und dann die glänzende Ausstellung der fertig abgelieferten Achatwaren in der Gewerbehalle zu Idar: es sind die immer und überall wiederkehrenden Gegensätze des Lebens. Früher wurden die Achatsteine in der Gegend selbst aus dem schwärzlichen Melaphyrgestein, in dem sie sich in Hohlräumen durch Ausscheiden von Kieselsäure gebildet hatten, gebrochen. Seitdem aus anderen Ländern, besonders aus Afrika und Südamerika, schönere Steine zu mäßigen Preisen bezogen werden können, ist der Betrieb der einheimischen Achatgruben fast ganz eingestellt worden. Eine wichtige Erfindung für die Achatindustrie war das künstliche Färben der Steine. Seit dem Jahre 1830 wird diese Kunst geübt, doch soll sie schon den Alten bekannt gewesen sein. Sie beruht auf der verschiedenen Porosität des Steins. Durch Behandlung mit Honigwasser und Kochen in Salzsäure können einzelne Streifen schwarz, mit Kupfervitriol und Ammoniak blau, mit Eisenchlorid und Schwefelzyankalium rot gefärbt werden.

Abb. 103. Blick auf Traben-Trarbach und die Gräfinburg an der Mosel. (Zu Seite 106.)
Abb. 104. Carden an der Mosel.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 108.)
St. Johann. Saarbrücken. Spicherer Höhen.

Wir nehmen Abschied von dem freundlich in dem Nebentälchen gebetteten Städtchen Idar. In Oberstein werfen wir noch einen Blick auf die beiden Burgruinen, die die senkrecht aufstrebenden Melaphyrfelsen malerisch krönen, und noch eine Felsennelke, die in Büscheln die Felswände schmückt, stecken wir uns ins[S. 97] Knopfloch. Dann müssen wir scheiden von diesem Glanzpunkte des Nahetales. Schnell führt uns die Eisenbahn über das Hügelgelände des Saarbrückener Steinkohlengebirges und vorbei an Neunkirchen mit seinen rußigen Häusern, wo qualmende Schlote die großen Fabrikanlagen des Freiherrn von Stumm verraten, nach den beiden Schwesterstädten St. Johann (25000 Einw.) und Saarbrücken (28000 Einw.). Es ist ein ungleiches Geschwisterpaar, das in der fernen Südecke der Rheinprovinz an den Saarufern erblüht ist. Saarbrücken, bis 1793 Residenz[S. 98] der Fürsten von Nassau-Saarbrücken, ist eine alte Stadt und von etwas hügeligen Straßen durchzogen. St. Johann breitet sich als eine vollständig neuzeitliche Stadt, die ihren Aufschwung der Eisenbahn verdankt, mit seinen prächtigen Geschäftsstraßen in der Ebene aus. Durch eine Brücke sind die beiden Städte miteinander verbunden. Der Fremde sucht in Saarbrücken an erster Stelle die Stätten, die durch den deutsch-französischen Krieg vom Jahre 1870/71 denkwürdig geworden sind. Er betrachtet die Gemälde, mit denen Kaiser Wilhelm I. den Rathaussaal ausschmücken ließ — es war dies der kaiserliche Dank für die aufopfernde Pflege der ersten Verwundeten des Krieges durch die Bürger der Stadt —, er wandert auf den kleinen Kirchhof im Ehrental, wo die an den Wunden Gestorbenen, Deutsche und Franzosen, zur letzten Ruhe gebettet wurden, von Grab zu Grab, und der staubigen Landstraße folgt er zu dem früheren Wirtshaus „Zur goldenen Bremme“, wo der erste Franzose gefangen genommen wurde, um dann den mühseligen Aufstieg zu den Spicherer Höhen zu machen und dort oben die zahlreichen Denkmäler der Gefallenen zu besuchen. Eine blutgetränkte Stätte, geweiht durch den Heldentod von Tausenden von deutschen Kriegern! Das Abendrot leuchtet über die stillen Gräber hin, und die letzten Strahlen der untergehenden Sonne decken auch das weite deutsche Land, das zu unseren Füßen liegt, zur Ruhe, zur Ruhe des Friedens, der aus dem Herzensblut der Tapferen uns erwuchs, zusammen mit des Vaterlandes Kraft und Stärke.

Abb. 105. Cochem, von der Kapelle gesehen.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 106.)
Abb. 106. Zell an der Mosel. (Zu Seite 106.)
Abb. 107. Die Ehrenburg bei Brodenbach.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 108.)
Das Steinkohlengebirge. Neunkirchen.

Das Steinkohlengebirge an der Saar lagerte sich nicht in einer tiefen Senke ab. Im Norden der Hunsrück und im Süden ein anderer hoher Gebirgswall, der aber jetzt verschwunden ist, faßten die Senke ein und führten ihr durch die Gewässer den Gebirgsschutt zu. Die Geologen behaupten, daß die Senke wohl 5000 m tief war. Ein neues Gebirge entstand in ihr. In den Buchten des tiefen Meeresbeckens entfaltete sich ein üppiges Pflanzenleben, und von diesem wurden die reichen Kohlenschätze, die heute der Mensch ausbeutet, mit unter die neu sich bildenden Erdschichten gebettet. Über ein Gebiet von etwa 100 km[S. 99] Länge und 30 km Breite reichen die Kohlenflöze des Saarbrückener Steinkohlengebirges. Vier Milliarden Tonnen sollen die Kohlenvorräte, die da aufgespeichert wurden, betragen. Es entwickelte sich ein bedeutender Kohlenbergbau, dessen Hauptgebiet zwischen Neunkirchen und der Saar liegt. Die meisten der im Betrieb befindlichen Kohlengruben sind Eigentum des preußischen Staates. Das Kohlenvorkommen rief eine hohe Blüte der Eisenindustrie, die ihre Eisenerze aus Lothringen und Luxemburg beziehen kann, hervor. Außer Neunkirchen wurden[S. 100] besonders Malstatt-Burbach (40000 Einw.) und Völklingen Hauptsitze dieser Industrie.

Abb. 108. Beilstein. (Zu Seite 108.)
Abb. 109. Burg Cochem.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 109.)
Abb. 110. Zeltingen.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 110.)
Saarwanderung.

Die Fahrt durch das Saartal von St. Johann nach Trier führt uns zuerst durch das fabrikreiche Bild der zuletzt genannten Orte. Dann entfaltet das Tal seine liebliche Anmut. Mit fruchtbaren Äckern und Wiesen ist es freundlich geschmückt. Waldige Höhen begleiten uns zu beiden Seiten. Wir grüßen die alte Festung Saarlouis (800 Einw.) und das Ackerbaustädtchen Merzig (7500 Einw.), das in breiterer Talmulde, umgeben von einem Kranze von Obstpflanzungen, die das Tal und die ansteigenden Höhen beschatten, umgeben ist. Enger wird dann das Tal und höher werden die Berge. Denn zwischen Merzig und Saarburg hat die Saar den Durchbruch durch den harten Quarzitrücken des Hunsrück erzwingen müssen. Die Landstraße muß in Serpentinen die Berge hinauf- und herunterklettern, und für den Eisenbahnreisenden verschwindet plötzlich das heitere Grün der Landschaft bei der Einfahrt in einen dunkeln Tunnel. Wir erreichen das verborgen in waldigem Talgrunde liegende, durch die große Steingutfabrik von Villeroi & Boch aber weltbekannte Mettlach, und weiter geht’s nach Saarburg, der Perle des Saartales. Wir steigen empor zur steilen Felswand der Klause (Abb. 91), wo der blinde König Johann von Böhmen sein stilles Grab gefunden hat, und bald grüßen uns die Rebenberge, die sich um das alte Städtchen Saarburg gruppieren. An die Stelle des Quarzits ist der Schieferfels getreten. Ernst schauen die Reste der alten Saarburg (Abb. 90), deren erster Bau schon aus dem zehnten Jahrhundert stammt, hinüber zu den Rebenhöhen, die im warmen Sonnenlichte glänzen, und hinab in das wonnige Tal, wo in Schlangenbiegungen die Saar durch grüne Wiesenauen zieht. Nur der untere Teil des Städtchens Saarburg spiegelt sich in dem Flusse, der obere jedoch erhebt sich zur luftigen Bergeshöhe. In der Unterstadt lenkt plötzlich ein tosendes Geräusch unsere Schritte, und bald stehen wir vor dem wildstürzenden, schäumenden Wasserfall des Leukbaches. Auf dem Wege von Saarburg nach Trier treffen wir, dem Flußlauf folgend, die besten Weinbergslagen der Saar an, so den Scharzhofberg und den Wiltinger Berg. Eine bekannte Marke ist auch der „Wawerner Herrenberger“.

[S. 101]

Einst hatte die Saar, welche bei Conz in die Mosel mündet, auf ihrer untersten Strecke einen ganz anderen Lauf. Sie machte mehrere große Biegungen, die sie später abzuschneiden vermochte. Zuerst zog sie unterhalb Saarburg auf der rechten Seite eine Schleife. Dann bog sie noch weiter nach Westen aus, und zuletzt beschrieb sie einen sehr großen Bogen, über Oberemmel und Niedermennig, wieder nach Osten. Sie mündete aber ungefähr an der nämlichen Stelle wie heute.

Trier.

Es öffnen sich nun die Berge, und der helle Spiegel der Mosel blitzt vor uns auf. Mosella fließt, wo sie zuerst uns grüßt, nachdem sie schon weit gewandert durchs lothringische Land, in ziemlich breitem Tal. Ostwärts erbreitet sich dieses noch mehr, und nach kurzer Strecke hat es sich zu einem lieblichen Talkessel gestaltet, der von sanften, sonnigen Abhängen umschlossen ist. Das ist die Stelle, wo die Römer in ihrer südlichen Heimat zu weilen glaubten, wo sie an die sonnigen Gefilde Italiens erinnert wurden und sich im alten Trier (fast 50000 Einw., Abb. 92), dessen Türme bald im Bilde der anmutigen Landschaft auftauchen, ein zweites Rom — so darf man fast sagen — schufen.

Eine Inschrift, die am Roten Hause (Abb. 93), dem früheren Versammlungshause der Ratsherrn, das sich am Hauptmarkt von Trier erhebt, angebracht ist, sagt:

Ante Romam Treveris stetit annis MCCC.
„Vor Rom stand Trier 1300 Jahre.“

Abb. 111. Bertrich. (Zu Seite 110.)
Triers Vergangenheit.

Es ist nur die mittelalterliche Sage von der Gründung Triers durch Trebeta, den Sohn des assyrischen Königs Ninus, die dieser Inschrift zugrunde liegt. Über das wirkliche Alter der Stadt weiß man nichts. Sicher ist nur, daß sich an ihrer Stelle schon eine größere keltische Niederlassung, der Hauptort der gallischen Treverer, befand, als Cäsar im Jahre 56 v. Chr. auch diesen Volksstamm unterwarf, der damals bereits zu einer höheren Kultur als die germanischen Stämme gelangt war. Die Gründung der römischen Colonia Augusta Treverorum fällt wahrscheinlich erst in die Zeit des Kaisers Augustus. Ihre Lage machte sie zu[S. 102] einem wichtigen militärischen Stützpunkte. Weit genug von der germanischen Grenze entfernt, um vor plötzlichen Überfällen gesichert zu sein, lag sie wieder nahe genug, um ein Heer bereit halten zu können. Die Kolonie war zugleich ein wichtiger Verkehrsmittelpunkt, in welchem das westöstlich verlaufende Moseltal von der südnördlich gerichteten Verkehrslinie des Saar- und Kylltales durchschnitten wird, und Fruchtbarkeit zeichnete die umliegenden Gebiete wie noch heute aus. Sie mußte besonders in den Zeiten als Wohnsitz bevorzugt werden, in denen die Germanen ihre verheerenden Einfälle in das römische Gebiet begannen. „In Trier und im Mosellande konnte man damals, wie Boos schreibt, eines so selten gewordenen Glückes genießen. Die heitere, rebenumsäumte Tallandschaft stimmt noch heute jedes Gemüt fröhlich. Sie erweckt das Gefühl des Behagens und der Wohlfahrt, das über den Weinländern in der Luft zu schweben scheint (Goethe). Der Südländer vergaß, daß er im unfreundlichen Norden weilte, und die ruhige Schönheit der Gegend gab der Dichtung des Ausonius einen höheren Schwung.“

Als die Germanen im dritten Jahrhundert plündernd das Moseltal durchzogen, bedrohten sie auch Trier. Ja es schien, als wenn damals schon die Römerherrschaft am Rhein ihrem Ansturm völlig erliegen müßte. Diokletian, dem Wiederhersteller des römischen Staates, gelang es aber, die Gefahr abzuwenden, indem er seinem Mitkaiser Maximinian die Verwaltung des Westens übertrug. Constantius Chlorus und Constantin der Große setzten dessen Werk fort. Um das linksrheinische Land gegen die Angriffe der Germanen besser zu schützen, wurden Burgen gebaut und die Städte stärker befestigt. Das Material für die Befestigungen nahm man, wie Boos schreibt, wo man es nur bekommen konnte. Selbst die Grabsteine früherer Geschlechter wurden als Quadern benutzt, besonders für die Fundamente. Sie enthalten die herrlichsten, instruktivsten Darstellungen aus dem häuslichen Leben der Bewohner des Mosellandes für das zweite Jahrhundert. Auch Trier, das im Jahre 286 zur Residenz der in Gallien residierenden Cäsaren oder Kaiser erhoben wurde, erhielt eine neue Befestigung und die Stadt wurde bedeutend erweitert. Sie dehnte sich jetzt von der Porta Nigra (Abb. 94), dem mächtigen Torbau, der schon aus einer früheren Zeit stammte, bis zur heutigen Vorstadt St. Matthias aus. Die feste Brücke, die noch heute auf römischen Pfeilern ruht, lag damals genau gegenüber der Mitte der Stadt. Die sie fortsetzende Hauptstraße halbierte das römische Trier und führte an den bedeutendsten Gebäuden, den Thermen von St. Barbara, dem Kaiserpalast (Abb. 95), dem Amphitheater und unweit der Basilika vorbei. Wie Trier sich zu einer glänzenden Residenzstadt entfaltete, so schmückte sich die Umgegend mit prächtigen römischen Villen. Von den Berglehnen und aus dem Grün der Moselufer schimmerten diese, und Menschen wohnten in ihnen, die den Lebensgenuß durch die Kunst zu veredeln verstanden. Ein schöner Mosaikboden in einer römischen Villa wurde z. B. bei dem Orte Nennig, der an der Eisenbahnlinie von Trier nach Diedenhofen liegt, aufgedeckt. Er ist 10 m breit und 15 m lang und zeigt in der Mitte die große Darstellung eines Gladiatorenkampfes, während den Rand kleinere Medaillonbilder schmücken. Ein berühmtes Denkmal aus der Römerzeit ist auch die Igeler Säule, ein 23 m hoher und unten 5 m breiter, als Grabdenkmal errichteter Sandsteinbau, dessen Flächen mit häuslichen und mythologischen Szenen geschmückt sind.

Abb. 112. Andernach.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 113.)
Trier.

Schon zur Römerzeit fand das Christentum in Trier Eingang und daselbst einen festen Stützpunkt. Erster Bischof von Trier wurde Agricius von Antiochien im Jahre 328. Später wurde das Bistum in ein Erzbistum verwandelt. Die Trierer Erzbischöfe waren vielfach zugleich sehr wehrhafte Herren. Die Erneuerung des jetzigen Bistums erfolgte im Jahre 1802. Das mittelalterliche christliche Trier hat uns ebenso wie das römische heidnische bedeutende Bauwerke hinterlassen. Besonders die Kirchen der Stadt ragen als Kunstwerke hervor. Zum Teil sind sie aus römischen Bauten hervorgegangen, so der Dom (Abb. 96 u. 97) und die Basilika. Der römische Bau, aus dem der Dom entstand, stammte wahrscheinlich[S. 104] aus der Zeit Valentinians I. (364 bis 375). Er hatte eine quadratische Form und füllte die ganze Breite des jetzigen Gebäudes aus. Von den vier mächtigen Granitsäulen, die sein Inneres trugen, liegt eine in ihrer ungetümen Gestalt vor dem Eingange des Doms. Der Bau wurde nach den Zerstörungen, welche die Franken und nach ihnen die Normannen anrichteten, erneuert, bei der zweiten Renovierung durch den Erzbischof Poppo (1016 bis 1047) zugleich um ein Drittel verlängert und mit einer Apsis versehen. Der Erzbischof Hillin (1152 bis 1169) fügte noch die zweite östliche Apsis hinzu. Im dreizehnten Jahrhundert erhielten die Schiffe Kreuzgewölbe. Zuletzt, im siebzehnten Jahrhundert, wurde noch die kreisrunde, mit einer Kuppel überwölbte Schatzkammer angebaut. Was die verschiedenen Bauperioden geschaffen haben, bis wohin der ältere Bau reichte und wo eine jüngere Zeit mit ihrer Tätigkeit einsetzte, ist schon an dem Baustoff zu erkennen. Am römischen Bau wurden roter Sandstein und Ziegel, am Popponischen dagegen Kalkstein und Ziegel verwandt. An Pracht steht zwar der Trierer Dom hinter den anderen großen rheinischen Domen zurück. Aber das hohe Alter gibt ihm eine besondere Weihe, sowohl für den Gläubigen als auch für den Kunstfreund.

Abb. 113. Remagen.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 115.)

Vom Dom lenken wir unsere Schritte zu der unmittelbar an ihn stoßenden Liebfrauenkirche (Abb. 96 u. 98). Mit einem freudigen Erstaunen richten wir im Innern den Blick in die Höhe, empor zu den zwölf schlanken Säulen, die das Innere tragen. Es ist ein Rundbau, der von einem Kreuzgewölbe durchschnitten ist. Man wird wohl selten einen Bau finden, in dem eine solche Harmonie, ein solches Ebenmaß der Formen herrscht, wie in dieser Trierer Liebfrauenkirche, die für das schönste Bauwerk der Frühgotik gilt. Von den übrigen Kirchen Triers verdienen noch die Basilika, von der wir schon sagten, daß sie gleich dem Dom aus römischer Zeit stammt, vermutlich aus der Zeit Constantins des Großen (306 bis 337), sowie die mit schönen Deckengemälden (Abb. 99) geschmückte St. Paulinuskirche[S. 105] und die St. Matthiaskirche, von denen die eine nördlich, die andere südlich von der Stadt liegt, unser Interesse. Nachdem wir noch dem reichhaltigen Provinzialmuseum, das besonders reich an römischen Fundstücken ist, einen Besuch abgestattet haben, scheiden wir von Trier, wo so herrlicher Wein uns labte, um auch anderen schönen Punkten im Moseltal einen flüchtigen Wandergruß zu bringen.

Das Moseltal.

Es fehlt der Raum, um das Moseltal, das so viele herrliche Schönheiten entfaltet, in gleicher Ausführlichkeit wie das Rheintal zu behandeln. Wir müssen uns darauf beschränken, die Eigenart dieses größten Nebentales gegenüber dem Haupt-, dem Rheintale, zu zeigen und zu begründen. Übereinstimmend ist der reiche Rebenschmuck der Bergwände, die ebenfalls aus schiefrigem Gestein bestehen; gleich ist auch die große Zahl der Burgen, die malerisch die Berge krönen; sehr ähnlich ferner das Bild der Ortschaften, die an den Fluß sich betten, und deren schiefergraue Dächer im Sonnenschein hell aufblitzen. Und doch wie verschieden ist das Gesamtbild! Weniger großartig ist das Moseltal, wie auch sein Fluß sich mit dem stolzen Rheinstrom nicht messen kann. Aber ein reicherer Wechsel des landschaftlichen Bildes ist ihm eigen. Schon die viel zahlreicheren Biegungen, die die Mosel macht, bewirken dies; denn bei jeder Biegung öffnet sich dem Auge ein neues, oft völlig anderes Bild, während sich im Rheintal jeder Blick ins Endlose verlängert. Am wenigsten ist die unterste Strecke des rheinischen Mosellaufs, von Cochem ab, durch Biegungen gegliedert, am reichsten das mittlere Drittel zwischen Bernkastel und Cochem. Dort macht der Fluß vielstundenlange Umwege, um fast zur nämlichen Stelle zurückzukehren. Am meisten nähert er sich selbst wieder nach der großen Schleife von Zell an der Stelle, wo die auf hohem Felskamm gelegene Marienburg (Abb. 100) zur Betrachtung des eigenartigen Landschaftsbildes mit einem doppelten Flußlaufe einladet.

Abb. 114. Die Apollinariskirche in Remagen. (Zu Seite 117.)

[S. 106]

Die Marienburg. Von Bernkastel bis Cochem.

Wir verlassen in Bullay das Moselschiff und steigen auf steilem Pfad zwischen Weinbergen hinan. Rückwärts schauend, erblicken wir tief unter uns den Fluß, der sich in Schlangenbiegungen hinter den Bergen verliert, und grüßen das Schifflein, das langsam die Welle durchfurcht. Bald haben wir die Gebäude der Marienburg (Abb. 101) erreicht. Es sind die Ruinen eines sagenhaften Schlosses, an dessen Stelle 1146 ein Frauenkloster gegründet wurde. Das malerische Chor der damals erbauten Kirche ist noch ziemlich gut erhalten. Wir wandeln zwischen den Trümmern und durchschreiten den in Gartenanlagen umgewandelten Burg- oder Klosterhof. Auf der andern Seite der Marienburg bleiben wir überrascht stehen. Auch dort zu unsern Füßen ein großer Flußlauf, die Mosel!

„Oftmals bewunderst du selbst im Stromlauf die eigene Rückkehr“

so sang schon der römische Dichter Ausonius, der auch die Mosel und den Hunsrück bereiste. Im Burggarten lassen wir uns nieder und erquicken uns am kühlen Wein. So sitzen wir lange. Aber immer wieder lockt es uns, hinauszutreten und die herrliche Landschaft, das Doppelbild, auf der einen Seite das Bild der Eifelhöhen, auf der andern das der Hunsrückberge, zu betrachten, bis das Schifflein kommt, das wir vorher verließen. Dann springen wir hurtig hinunter und setzen in Pünderich die Fahrt fort.

Abb. 115. Altenahr. (Zu Seite 118.)

Daß auch in wirtschaftlicher Hinsicht das Moseltal durch die großen Biegungen mehr gegliedert wird, erkennen wir an dem Aufblühen zahlreicher Städtchen und Flecken, z. B. von Bernkastel (4500 Einw.) (Abb. 102), Traben-Trarbach (5500 Einw.) (Abb. 103), Zell (Abb. 106) und Cochem (Abb. 105), die sämtlich auf der mittleren Moselstrecke liegen, während zwischen Cochem bis Coblenz kaum noch ein Ort von der Bedeutung dieser Städtchen folgt. Auch die obere Strecke, zwischen Trier und Bernkastel, kann sich in dieser Hinsicht nicht mit der mittleren messen. In früherer Zeit hatte dort die Mosel einen andern Lauf. Sie folgte in mehr gerader Richtung einer Senke, die nördlich von dem jetzigen Lauf auch heute noch ausgeprägt ist und als ein ziemlich ebenes Gelände einen Teil[S. 108] der Ansiedelungen an sich zog. Auf dem mittleren Laufdrittel bildeten sich die genannten Städtchen zu natürlichen Mittelpunkten der durch die Talbiegungen voneinander ziemlich abgeschlossenen Landschaften aus. Diese erweitern sich meist noch durch ein kleines Seitental, auf dessen unterste Strecke die nämliche Wirtschaftsweise, vor allem der Weinbau, übertragen werden konnte.

Abb. 116. Neuenahr, von der Thomashöhe gesehen.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 120.)
Mosellandschaft und -orte.

Die zahlreichen Biegungen der Mosel hatten ferner zur Folge, daß, bei der Hauptrichtung des Flusses nach Nordosten, stets nur die wechselnde Talseite mit Reben bepflanzt werden konnte. Auf der andern, mit ihren Abhängen mehr nach Norden gerichteten — bald ist’s die linke, bald die rechte — blieb der Wald bestehen. Meistens sind es Lohhecken, die diese bekleiden. So entsteht ein Wechsel der Belaubung. Auf die kahlen und in sehr gleichmäßigem Grün erscheinenden Weinberge folgen wechselvoller beleuchtete und gefärbte Waldpartien, auf diese wieder Weinberge und so fort: entschieden ein landschaftlicher Vorzug gegenüber dem Rheintal, wo auf weiten Strecken die Rebenanlagen bis zur Ermüdung im Landschaftsbilde immer wiederkehren. Die stärkere Bewaldung hat auch zur Folge, daß die Moselberge gerundeter erscheinen als die Berge des Rheintales, dessen schroffe Formen durch die Weinberge nur wenig gemildert werden.

Abb. 117. Der Rolandsbogen mit Blick auf den Drachenfels. (Zu Seite 123.)

Unter den Moselorten sind manche, die auf ein hohes Alter zurückschauen können, wie Pfalzel (von Palatiolum), wo Adela, die Tochter des Frankenkönigs Dagobert II., ein Frauenkloster gründete; Riol (von Rigodulum), wo nach dem Bericht des Tacitus der römische Feldherr Cerealis die Treverer besiegte; Neumagen (von Noviomagus), wo in der Nähe der Kirche eine Festung Constantins lag, die der Dichter Ausonius erwähnt:

„Drauf sah ich an des Belgerlandes Grenzen
Die Prachtburg Constantins Neumagen glänzen.“
Burg Cochem.

Enkirch, schon 690 als Villa Ancaracha genannt; Cochem (Cuchuma), das im zehnten Jahrhundert als Reichslehn des Aachener Pfalzgrafen erwähnt wird; Treis (Trisvilla); Carden (Caradona) (Abb. 104), wo im vierten Jahrhundert der heilige Kastor in einer Höhle gelebt haben soll u. a. Von den zahlreichen Burgen seien als die schönsten oder in Sage und Geschichte am meisten genannten außer der Marienburg noch erwähnt die Burgen von Cobern, Burg Thurant bei Alken, die in einem engen Seitental gelegene Ehrenburg (Abb. 107), die Reichsburg Beilstein (Abb. 108), die Festung Montroyal auf dem Trabener Berg, deren[S. 109] Schleifung 1697 durch den Ryswycker Frieden verfügt wurde, und vor allem die turmreiche, in neuer Schönheit wieder hergestellte Burg Cochem (Abb. 109). Letztere gehörte von 866 bis 1140 den Pfalzgrafen bei Rhein und war bis 1294 Reichsburg. Die Franzosen zerstörten den herrlichen Bau im Jahre 1689. Lange lag sie in Trümmern, bis der Geheime Kommerzienrat Ravené sie nach alten Plänen und Ansichten 1868 bis 1878 neu aufführen ließ und dadurch dem Moseltal seinen hervorragendsten Schmuck wiedergab. Andere Moselorte sind noch als[S. 110] Weinorte berühmt geworden, wie Graach, Erden, Zeltingen (Abb. 110), Lieser, Winningen usw. In einem Seitental der Mosel liegt inmitten einer herrlichen Waldespracht das Bad Bertrich (Abb. 111).

Abb. 118. Schloß Drachenburg und Zahnradbahn nach dem Drachenfels.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 123.)

VI. Das Rheintal von Coblenz bis Bonn.

Das Neuwieder Becken.

Wieder ladet ein stattlicher Dampfer, die „Hansa“, zur Rheinfahrt uns ein, zur Fahrt von Coblenz nach Bonn, der rheinischen Musenstadt. An dem Denkmal Wilhelms des Großen gleiten wir vorüber, und der Stadt Coblenz, ihrer ehrwürdigen Kastorkirche, dem hochragenden Kühkopf und dem trotzigen Ehrenbreitstein senden wir die letzten Grüße zu. Die freie Ebene säumt nun auf der linken Seite den Strand des stolzen Stromes. Etwa eine Stunde weit treten die Höhen zurück, um in dieser Entfernung nordwärts den Strom zu begleiten. Rechts aber bleiben sie ihm noch eine Strecke weit so nahe, daß sie sich in seinen Fluten spiegeln können. Eine grüne Rheininsel, Niederwerth mit dem gleichnamigen Örtchen, verdeckt den Blick nach Osten, wo sich das Städtchen Vallendar an den Strom schmiegt. An ihrem Nordende weichen auch die Höhen auf der rechten Rheinseite zurück, und weicher Strand begleitet auf beiden Seiten den zu größerer Breite anschwellenden Strom. Wir blicken frei über die inmitten des Rheinischen Schiefergebirges eingebrochene Scholle des Neuwieder Beckens. Nordwärts aber nähern sich wieder die beiderseitigen Höhen, um von neuem den Rhein zu umklammern.

Abb. 119. Brückenbogen über den Rhein bei Bonn.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 124.)

Die qualmenden Hochöfen der Kruppschen Concordiahütte ziehen in der rechtsseitigen Ebene unsern Blick auf sich, und an das rechte Stromufer drängt[S. 111] sich der Ort Engers, dessen früheres, 1758 erbautes kurtrierische Schloß seit 1863 als Kriegsschule dient. Links aber wird das Dorf Urmitz sichtbar, ein den Archäologen wohlbekannter Ort, mit dem sie sich in jüngster Zeit wieder in erhöhtem Maße beschäftigt haben.

Abb. 120. Zollhäuschen auf der Bonner Rheinbrücke.
Aus der Festschrift der Stadt Bonn. (Zu Seite 125.)
Wo waren Cäsars Rheinbrücken? Urmitz.

Es handelt sich wieder um die Frage, wo Cäsar seine beiden Brücken über den Rhein geschlagen hat. Es ist eine alte Kampffrage. Nicht weniger als etwa zwanzig Orte haben sich auf der 320 km langen Rheinstrecke von Mainz bis Xanten, wie Nissen schreibt, zur Auswahl angeboten. „In Engers überschaut der Fremde vom Römerturm die lachende Landschaft und hält im Gasthof zur Römerbrücke Rast, in Bonn freut er sich der Huldigung, die 1898 dem ersten rheinischen Brückenbauer zuteil geworden ist, sieht ein Steinbild, das den großen Imperator darstellen soll, liest eine Inschrift, die in bedenklichem Latein das Gedächtnis des Brückenschlages von 55 v. Chr. erneuert.“ Der um die Altertumsforschung im Rheinland hochverdiente Oberst von Cohausen verlegte die erste Brücke, die im Jahre 55 v. Chr. geschlagen wurde, nach Xanten, die zweite, zwei Jahre später erbaute nach Neuwied, indem er in der Stelle paulum supra eum locum quo ante exercitum traduxerat, facere pontem instituit“ in Cäsars „Bellum gallicum“ den beiden ersten Worten „ein wenig oberhalb“, nämlich von der Stelle des ersten Brückenbaues, einen sehr dehnbaren Sinn gab. In dem großen Werke Napoleons III. über die Feldzüge Cäsars ist Bonn als Brückenstelle angenommen worden, und hierauf gründet sich die Ehrung des römischen Feldherrn an der Bonner Rheinbrücke. Andere, wie General von Peucker und General Wolf, traten für Köln ein, wieder andere, wie Professor Ritter 1864 und Professor Klein 1888, nahmen die erste Brücke für Bonn, die zweite für Neuwied in Anspruch. In neuester Zeit glaubt nun Koenen, der unermüdliche Durchforscher unseres Heimatbodens nach Spuren der Vergangenheit, wenig unterhalb von Urmitz und dem Urmitzer Wörth Cäsars Rheinfestung ermittelt und in ihrer Ausdehnung und Anlage genau festgestellt zu haben. Es handelt sich[S. 112] um eine Festungsanlage von fast 4 km Umfang, die auf einer erhöhten, von den Fluten nicht erreichbaren Bimssandsteinablagerung errichtet war. In dem Rahmen derselben waren früher schon viele römische und vorrömische Funde gemacht, u. a. zahlreiche Kesselgruben der Bronze-, Hallstatt- und La Tène-Zeit, sowie ein großes vorrömisches Gräberfeld, das Totenwohnungen besonders aus jenen Perioden barg, entdeckt worden. Es handelt sich also um eine im früheren Völkerleben wichtige Örtlichkeit. Innerhalb der großen Festungsanlage hat Koenen ferner eins der fünfzig Drusus-Kastelle von quadratförmiger Gestalt nachgewiesen. Welche Gründe berechtigten ihn aber, jene als die Cäsarsche Brückenfestung zu deuten? In dem Füllwerk der Festungsgräben fanden sich Gefäßscherben aus allen Perioden der vorrömischen Zeit, keine aber, die bis in die Augusteische Zeit hineinreichen. Die jüngsten Scherben zeigen den Typus, der in der Zeit der Eroberung Galliens durch Cäsar herrschte. Im Rheine wurden gegenüber der Mitte des Lagers Reste von Pfählen gefunden, desgleichen etwas (1270 m) unterhalb, wohin Koenen den Bau der ersten Brücke verlegt. Die Cäsarsche Brückenfestung hat, nach der Beweisführung Koenens, bis nach dem unter Augustus erfolgten Bau der Coblenzer Straße bestanden; denn diese biegt, wo sie jene erreicht, nach Westen aus. Nach völliger Beruhigung des linken Rheinufers war eine große Rheinfestung nicht mehr nötig. Das kleine Drusus-Kastell übernahm an dieser Stelle die Sicherung der Rheingrenze, und jene wurde aufgegeben. Die Entscheidung der Frage, wo Cäsar über den Rhein gegangen ist, hat große Wichtigkeit für die Feststellung der alten Grenzen der germanischen Völkerschaften, in deren Gebiet der Kriegszug führte. Ob aber Koenens Forschungen dem Streit ein Ende machen werden, ist noch nicht gewiß. Allgemein scheint man sich aber jetzt der Ansicht anzuschließen, daß jedenfalls in der Gegend des Neuwieder Beckens, also zwischen Coblenz und Andernach, die Stellen zu suchen sind, wo Cäsar den Rhein überschritt.

Der Rheindampfer trägt uns an der interessanten Örtlichkeit, um die sich jetzt der wissenschaftliche Streit dreht, vorbei. Wir sehen im Geiste die Cäsarsche Pfahlbrücke, die uns auf der Schulbank schon so viel Kopfzerbrechen machte. Wo einst römische Legionen lagerten, sind jetzt zahlreiche Arbeiter tätig im Dienste einer eigenartigen Industrie. Sie stechen den Bimssand, den einst die Vulkane der Eifel als Aschenregen entsandten, ab, untermischten ihn mit Kalkmilch und formen aus der Masse weiße Bimssandsteinziegel, die bei Bauten im Rheinland jetzt viel Verwendung finden. Die Steine sind viel leichter als die gewöhnlichen Ziegelsteine und sollen den Gebäuden eine gleichmäßige Temperatur geben. Durch den Abbau der Bimssandsteinschichten für die zahlreichen Ziegeleien, die zwischen Coblenz und Andernach, sowie auch auf der rechten Rheinseite in Betrieb gesetzt wurden, und die jährlich über hundert Millionen Ziegel fertig stellen, sind schon viele wertvolle, besonders vorgeschichtliche Funde gemacht worden — den Namen Urmitz können wir in den meisten Museen lesen —, und auch Koenen verdankt ihnen die Entdeckung der Cäsarschen Rheinfestung und des Drusus-Kastells.

Weißenturm. Neuwied.

Am linken Rheinufer folgt der langgestreckte Ort Weißenturm, hinter dem sich, seitwärts von der Landstraße, auf einer Anhöhe das Denkmal des französischen Generals Hoche in Gestalt eines Obelisken erhebt. Rechts aber wird, unterhalb zweier Kruppscher Hüttenwerke, das Stadtbild von Neuwied (fast 20000 Einwohner) sichtbar. Schon der Name deutet das junge Alter der betriebsamen Stadt an. Einst lag an ihrer Stelle ein Ort namens Langendorf. Im Dreißigjährigen Kriege war er völlig verödet. Da lud 1653 der Graf Friedrich von Wied zahlreiche Ansiedler „ohne vnterschied der Religion und ohne einigen Pfenning zu zahlen“ zur Ansiedelung an dieser Stelle, die, inmitten einer fruchtbaren Ebene, am Ufer des Rheinstromes und am Ausgange des Wiedtales, als eine günstige gut erspäht war. Und ein blühendes Gemeinwesen ist dort entstanden, in dem Protestanten, Katholiken, Herrnhuter, Mennoniten und Juden, im Sinne des Gründers, friedlich nebeneinander wohnen. Auch in der Gegend von Neuwied sind, bei dem Orte[S. 113] Niederbiber, die Reste eines römischen Kastells, und zwar eines der größten am Rhein, aufgedeckt worden. Es maß 255 m in der Länge und 187 m in der Breite. Kein römischer Schriftsteller nennt den Namen dieses Kastells. Bei den Ausgrabungen wurden manche wertvolle Funde gemacht, die in einem Nebengebäude des fürstlichen Schlosses zu Neuwied aufbewahrt werden. Als das wertvollste Fundstück wird uns ein silbernes Kohortenzeichen gezeigt. Von Neuwied, seinem Schloß und dem schönen Parke, der dieses umgibt, können wir nicht Abschied nehmen, ohne der gottbegnadeten Dichterin Carmen Sylva, der Königin von Rumänien, zu gedenken, die dort geboren ist und von dort die schönen Rheinbilder schaute, die so manche poetische Stimmung weckte.

Abb. 121. Rheinischer Humor in den Bildhauerarbeiten der Bonner Rheinbrücke.
Aus der Festschrift der Stadt Bonn. (Zu Seite 125.)
Andernach.

Unterhalb der Stadt Neuwied strömen dem Rhein zwei starke Bäche zu, von links die muntere Nette, von rechts die Wied. Aber kaum hat er diese, noch im ruhigen Laufe durch die Ebene, aufgenommen, da nähern sich wieder die Berge, um von neuem in ein felsiges Bett ihn zu zwingen. Auf der letzten Uferfläche, die die Berge noch frei ließen, erwuchs die alte Stadt Andernach (8000 Einwohner) (Abb. 112). Vielleicht befand sich schon eine keltische Ansiedelung daselbst. Die Römer hatten mit scharfem Blick den wichtigen Punkt am Eingange des zweiten engen Abschnittes des Rheintales erspäht und legten eins der fünfzig Drusus-Kastelle dort an, das sie Antunnacum, Antonaco nannten. Dann ward Andernach ein fränkischer Königshof und im Mittelalter freie Reichsstadt, bis es, durch Gewalt gezwungen, dem Erzbistum Köln einverleibt wurde. Und von Kriegeswehr spricht auch das heutige Bild der Stadt noch zu uns. Schon von weitem grüßt uns der hohe, unten runde, oben achteckige Wartturm, der von 1451 bis 1468 erbaut wurde und 1880 in seiner schönen Form wiederhergestellt worden ist. Näher kommend, erblicken wir aber noch viele Gebäude, die das Mittelalter[S. 114] übrig gelassen hat: die alte Bastei, das Rheintor, die Trümmer des kurkölnischen Schlosses und am unteren Ende, einsam am Rheinufer stehend, den alten Kranen, die Stelle bezeichnend, wo schon die Römer die bei Niedermendig gebrochenen Mühlsteine verluden, und wo auch heute die im weiten Umkreise gewonnenen vulkanischen Produkte zur Verladung gelangen. Mauern umgeben noch den größten Teil der Stadt. In dem altertümlichen Rathause, einem spätgotischen Bau aus dem Jahre 1564, werden römische und fränkische Altertümer aufbewahrt. Den schönsten Schmuck Andernachs aber bildet die der heiligen Genoveva geweihte, viertürmige Pfarrkirche. Sie ist ein spätromanischer Bau aus dem Jahre 1206. Das mit einer Säulchengalerie geschmückte Chor ist jedoch etwas älter und stammt schon aus dem Jahre 1120. Wie der Besucher Andernachs von den altertümlichen Gebäuden der eng gebauten Stadt gefesselt wird, so kehrt er befriedigt auch von dem nördlich, am Eingang des Rheintales aufsteigenden Kranenberg, auf den seit einigen Jahren eine Zahnradbahn führt, zurück. Zu seinen Füßen lag das eigenartige Stadtbild von Andernach; weit schweifte der Blick über die fruchtbaren Gefilde des Neuwieder Beckens; in der Ferne winkte Coblenz, durch das Silberband des Rheinstroms mit der Nähe verbunden, und nordwärts konnte er diesen in seinem engen Tal, das sich am späten Nachmittage allmählich in eine dunkle Schlucht verwandelt, bis Remagen hin verfolgen.

Abb. 122. Das Bröckemännche der Bonner Rheinbrücke. (Zu Seite 125.)
Hammerstein. Rheineck.

Die Rheintalstrecke von Andernach bis Bonn kann sich an Schönheit mit der Strecke von Bingen bis Coblenz nicht messen; nur für den letzten Abschnitt, in dem die Sieben Berge vor uns auftauchen, gilt dieses Urteil nicht. Aber der landschaftlichen Reize bleiben noch genug, um eine genußreiche Stromfahrt zu bereiten. Trotzig ragt auf der rechten Rheinseite der gewaltige Grauwackenfels vor uns auf, der einst die stolze Burg Hammerstein trug, in der Kaiser Heinrich IV. auf der Flucht vor seinem Sohne Heinrich V. sich im Jahre 1105 eine Zeitlang aufhielt. Im Dreißigjährigen Kriege hausten abwechselnd Schweden, Spanier, Kurkölner und Lothringer in derselben. Schon 1660 wurde sie auf Veranlassung des Erzbischofs von Köln zerstört, und zwar recht gründlich; denn nur noch geringe Trümmerreste bedecken die Bergeskuppe. Günstiger war das Schicksal der Burg Rheineck, die uns von der linken Talwand grüßt, sobald das Schiff an den beiden freundlichen Rheinorten Brohl und Rheinbrohl, von denen jener links, dieser rechts das Ufer säumt, vorübergleitet. Zwar wurde sie zweimal, 1689 von den Franzosen und 1692 von kurkölnischen Truppen zerstört. Aber der stattliche, 20 m hohe Bergfried hielt trotzig stand und blickt noch heute stolz in die Fluten des Rheines hinab. Längst, seit 1548, ist das Geschlecht von Rheineck ausgestorben. Ein Herr von Bethmann-Hollweg ließ jedoch 1832, unter[S. 115] dem Schirm des alten Bergfrieds, einen neuen Bau aufführen und diesen im Innern durch Steinle mit Fresken schmücken. Auch schräg gegenüber auf einem Bergabhange der rechten Rheinseite, über dem Orte Hönningen, der durch seinen Hubertussprudel und den in der Nähe erbohrten Arienheller Sprudel bekannt geworden ist, erwuchs in neuer Pracht ein stolzer Bau, Schloß Arenfels oder Argenfels. Sein erster Erbauer, Heinrich von Ilsenburg, benannte es nach seiner Gemahlin, einer Gräfin von Are. 1849 kam es in den Besitz des Grafen Westerholt, der es durch keinen geringeren als den berühmten Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner prächtig erneuern ließ.

Goldene Meile.

Indem wir unsern Blick auf die beiden Schlösser richteten, bemerkten wir kaum, welche große Veränderung mit dem Rheintale vor sich ging. Aus der engen Felsenspalte, die bei Andernach sich schloß, bei Rheinbrohl aber wieder öffnete, hat der Strom sich glücklich herausgewunden. Nun kann er wieder zwischen weichen Strand sich betten, nun lachen ihm wieder grüne Wiesen, mit Obstbäumen besetzte Fluren. Eine kleinere Ebene hat sich zwischen Rheinbrohl und Hönningen auf der rechten Rheinseite gelagert, eine größere zwischen Niederbreisig, das Hönningen gegenüber liegt, und Remagen auf der linken Seite. Jene ist etwa 1 km, diese 2 bis 3 km breit. Die schnellfüßige Ahr, die infolge ihres eiligen Laufes viel Schlamm und Gerölle mit sich führt, hat die größere Ebene abgelagert. Durch ihre Anschwemmungen wurde der Rhein immer mehr nach Osten gedrängt. Indem er aber diese Biegung machte, wurde er veranlaßt, das rechte, felsige Ufer anzunagen, am linken, dem toten Ufer dagegen seine Schwemmstoffe abzulagern. So halfen Ahr und Rhein gemeinsam, die schöne fruchtbare Ebene an der Ahrmündung, die Goldene Meile genannt, aufzubauen, über die mit Wonne unser Blick hinüber nach den beiden Städtchen Sinzig (über 3000 Einw.) und Remagen (3800 Einw.) (Abb. 113) schweift. Am rechten Ufer aber grüßt uns das alte Städtchen Linz (3600 Einw.).

Abb. 123. Arndt-Denkmal in Bonn. (Zu Seite 126.)
Sinzig. Linz.

Sinzig, das wahrscheinlich das römische Sentiacum ist, liegt nicht am Rhein, sondern in halbstündiger Entfernung an dem schon etwas erhöhten Fuße der linksseitigen Höhen. Malerisch tritt besonders die Kirche mit ihrem achteckigen Hauptturme, der an der Chorseite von kleinen Türmchen flankiert ist, hervor. Sie gilt[S. 116] für eine der schönsten Kirchen am Rhein. In spätromanischem Stile erbaut, zeigt sie noch die vorherrschende Verwendung der Rundbogen. Der Bau wurde 1220 geweiht. Das Innere der Kirche ist ausgemalt. Kunsthistorischen Wert hat ein Flügelbild im nördlichen Kreuzarm, von einem altkölnischen Meister herrührend, das auf Goldgrund Christi Kreuzigung, seine Himmelfahrt und den Tod Mariä darstellt. Auch die Stadt Linz, die gleich Andernach zum Teil noch von Mauern und Türmen umgeben ist, besitzt eine aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts stammende romanische, dem St. Martin geweihte Kirche, die jedoch in späterer Zeit einen gotischen Turmhelm und anderen gotischen Schmuck erhielt. Über Linz erhebt sich der Donatus- oder Kaiserberg, der einen schönen Blick ins Rheintal und das auf der anderen Seite sich öffnende Ahrtal darbietet. Mehr locken den Fremden aber noch die großartigen Basaltsteinbrüche bei Dattenberg — der Ort ist bekannt durch seinen Rotwein —, ebenso auf dem Minderberg. Er bewundert dort die Pracht der Basaltsteinsäulen und ist erstaunt über die schöne, smaragdgrüne Färbung des Wassers, das sich in den Vertiefungen der Steinbrüche ansammelt und überraschende Spiegelbilder der infolge langsamer Erkaltung so regelmäßig gegliederten, bis zu 7 m langen und 20 cm dicken Basaltsäulen zeigt. Der Geologe, der ihn dieses Wunderwerk der Natur schauen läßt, führt ihn auch zu den Rheinkiesablagerungen, die in bedeutender Höhe über dem jetzigen Spiegel des Stromes verraten, wo dieser einst seine Fluten durch das noch nicht so tief ausgenagte Tal bewegte.

Abb. 124. Kriegerdenkmal in Bonn.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 128.)
Remagen. Apollinariskirche.

In Remagen gesellen wir uns den zahlreichen Touristen zu, die dort den Rheindampfer verlassen. Das Ahrtal mit seinen malerisch sich türmenden Felsen, mit seinem zum Irrlauf gezwungenen Flusse, mit seinen Burgruinen auf den Bergen und seinen Dorfidyllen in des Tales Nischen, mit seinen Geschichten und Sagen, mit seinen heilkräftigen Quellen ist ihr und unser Ziel. Die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges benutzen wir, um die alte Stadt Remagen und ihre Sehenswürdigkeiten in Augenschein zu nehmen. In dem Orte haben wir wieder eins der fünfzig Drusus-Kastelle vor uns. Auf der Peutingerschen Karte, der Nachbildung einer alten römischen Straßenkarte aus dem Mittelalter, ist Remagen als Rigomagus aufgeführt. „Wertvoll für die früheste Geschichte der Stadt,“ so[S. 117] schreibt Kollbach, „ist ferner ein in der Nähe aufgefundener römischer Meilenstein, welcher uns nicht nur die Zeit des Straßenbaues unter den Kaisern Markus Aurelius und Lucius Verus verkündet, sondern auch genau die Entfernung von hier bis Köln als 30000 Schritte angibt.“ Interessante römische Funde wurden zu Remagen beim Bau der jetzigen Landstraße, im Jahre 1763, gemacht. Dieselben wanderten, weil der Ort damals zur Pfalz gehörte, nach Mannheim. Neuen Aufschluß über das römische Rigomagus ergab in neuester Zeit der 1900 begonnene Neubau der alten Pfarrkirche. Es war längst bekannt, daß diese inmitten des Drusus-Kastells stand. Durch die vorgenommenen Nachgrabungen wurde die Nordmauer desselben am Deichweg freigelegt. Eine gleich gut erhaltene oberirdische Festungsmauer aus der römischen Zeit ist in der Rheinprovinz kaum noch irgendwo erhalten. Ein aufgefundener römischer Ziegelstein trug die Aufschrift RICOM, die den Gedanken nahe legt, daß der Name des Kastells nicht Rigomagus, sondern Ricomagus hieß. Auch auf mächtige Schuttmassen stieß man bei jener Gelegenheit. Kaum ein zweiter Ort am Rhein hat so schwere Schicksale, so zahlreiche Belagerungen und Zerstörungen in Kriegszeiten erdulden müssen wie Remagen. Es wurde 1198 von den Truppen Philipps von Schwaben verbrannt, 1475 von den Burgundern erobert, 1632 von den Schweden erstürmt, 1633 von den Spaniern zurückerobert, im selben Jahre aber von den Schweden zusammengeschossen, wobei der Kirchturm und 200 Häuser zerstört wurden. Kein Wunder, daß nach solchen schlimmen Zeiten der Ort am Ende des Dreißigjährigen Krieges nur noch 60 Häuser, wohl richtiger gesagt Hütten zählte. Und dennoch blieben uns noch einige interessante, mittelalterliche Baureste erhalten, so das 1246 geweihte gotische Chor der alten Pfarrkirche und der seltsame, schon viel gedeutete und doch vielleicht noch nicht richtig erklärte, reich mit Skulpturen geschmückte Torbogen, der neben dem Pfarrhause steht. In der Talfurche des Lützerbaches, der in den aussichtsreichen Viktoriaberg eingeschnitten ist, sind noch Reste einer unterirdischen römischen Wasserleitung erhalten. So plaudert, wie dieser Bach, fast jede Örtlichkeit eine Geschichte. Aus der frisch blühenden Gegenwart, die aber Remagen die frühere Bedeutung noch nicht wiederzugeben vermochte, stammt die zierliche, von vier schlanken Türmchen flankierte Apollinariskirche (Abb. 114), die der Graf Fürstenberg-Stammheim 1839 durch den Dombaumeister Zwirner in gotischem Stile aufführen ließ.

Abb. 125. Beethoven-Denkmal in Bonn.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 128.)

[S. 118]

Abb. 126. Das Münster in Bonn. (Zu Seite 128.)
Das Ahrtal.

Nicht gar zu schnell führt uns der Eisenbahnzug von Remagen durch das Ahrtal. Wir lassen die wechselnden Bilder an uns vorübergleiten, und erst dort, wo die neben uns rauschende Ahr in der engsten Felsenwildnis sich zu verlieren scheint, in deren Mitte malerisch auf schroffem Felskegel die Burgruine Altenahr vor uns auftaucht, machen wir halt, um rückwandernd dann des Tales Schönheit voll zu genießen. Drei völlig verschiedene Talstücke des Ahrlaufes können wir unterscheiden. Die oberste Strecke entfaltet noch nichts von der wilden Schönheit, die das Ahrtal so berühmt gemacht hat. Nur wenig hat der junge Fluß in dem Grauwacke- und Kalkgestein, das er zuerst durchfließt, sein Bett vertieft. Grüne Wiesen säumen ihn, und die Talgehänge prangen in dichtem Waldkleide. Erst bei Altenahr, wo die Ahr in eine mehr schieferartige Grauwacke eintritt, ändert sich plötzlich das Talbild. Dieses Gestein bot dem mit starkem Gefälle gegen die Felsen anstürmenden Flusse, der inzwischen auch durch zahlreiche Bäche seine wilde Kraft verstärkte, nur geringen Widerstand dar. So ward die Landschaft durch tiefe Furchen zerrissen. Auf eine großartige Felsenlandschaft schauen wir von der Burg Altenahr, dem Stammsitz des Grafengeschlechts von Are, deren Bau bis ins zehnte Jahrhundert zurückreichen soll, oder vom Weißen Kreuz (Abb. 115) herab. Wohl zehnmal sehen wir die Ahr hinter den schroffen Felswänden, die entweder mit zierlichem Buschwerk bewachsen oder bis hoch hinauf mit Reben geschmückt sind, verschwinden und wieder hervorkommen. Bis Walporzheim reicht der enge Teil des Ahrtales. Noch an vielen Punkten entfaltet dieses mittlere Talstück seine eigenartige Schönheit. Zuweilen verbreitert das Tal sich etwas, und ein größerer Rebengarten nimmt uns auf. Dann aber treten die Berge in malerischen Formen wieder näher an den Fluß heran und zwingen ihn zu neuen Irrläufen. In dem kühlen Wassergrunde spielt die Forelle. Die rote Felsennelke schmückt das Gestein. Hie und da führen von der Landstraße Steinstufen hinauf zu den Weinbergen. Wir wandern an der vielbesuchten Lochmühle und an dem in stillem Talfrieden liegenden Mayschoß vorüber und blicken hinauf zu den geringen Resten der einst auf steiler Felshöhe[S. 119] so trotzig gelegenen Sassenburg. In breiterem Tal erholt sich die Ahr von ihren Irrläufen. Dann grüßen wir die Bunte Kuh, einen mit spitzer Nase aus der Bergwand heraustretenden Fels. Der eigentümliche Name soll von einer Wette herrühren. Für den Preis einer Kuh erkletterte ein Mädchen den Fels und wechselte auf der vorspringenden Nase das Strumpfband. Gleich hinter der Bunten Kuh erreichen wir Walporzheim, den weltberühmten Weinort, wo im St. Peter gar mancher Zecher des Weines Kraft erfahren hat.

Abb. 127. Inneres des Münsters in Bonn.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 128.)
Abb. 128. Marktplatz in Bonn.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 128.)
Abb. 129. Die Universität zu Bonn.
Nach einer Photographie der Neuen Photographischen Gesellschaft in Berlin-Steglitz. (Zu Seite 130.)

Bei Walporzheim beginnt das untere, viel breitere Talstück der Ahr. Das alte Städtchen Ahrweiler (4500 Einw.), der in jüngerem Glanze aufblühende[S. 120] Badeort Neuenahr (Abb. 116) und der Weinort Bodendorf sind die bekanntesten Orte auf dieser Strecke. Bei Ahrweiler liegt auf dem Kalvarienberg das gleichnamige Kloster der Ursulinerinnen. Wie anders ist auf dieser Strecke das Bild[S. 121] des Tales, wenn man von einer der Berghöhen herniederschaut! Den schönsten Überblick haben wir von der Landskrone hinab, die auf der Nordseite so beherrschend hervortritt. Der Fluß zieht zwischen Wiesen und Feldern dahin, und die zahlreichen Ortschaften liegen in einem Kranze von Obstbäumen. Die uns gegenüberliegende Talwand prangt in üppigem Waldschmucke, während auf der nördlichen, der Mittagssonne zugekehrten die Rebe bis fast zur Mündung der Ahr hin ihr Plätzchen behauptet.

Abb. 130. Bismarck-Säule bei Bonn.
Nach einer Photographie der Bonner graph. Kunstanstalt (Rud. Schade) in Bonn. (Zu Seite 130.)
Abb. 131. Cistercienserabtei Marienstatt auf dem Westerwald.
Nach einer Photographie von H. Hardt in Limburg. (Zu Seite 134.)
Rheinfahrt.

Wieder stehen wir am Strande des Rheins, um das Dampfschiff für die Fahrt von Remagen nach Bonn zu erwarten. Die „Loreley“ ist’s, die auf den Fluten dort heranschimmert und nun an der Landebrücke anlegt. Will der Name des schönen Schiffes noch einmal Kunde uns bringen von dem herrlichen Bilde, das wir auf der Rheinfahrt schauten, von dem sagenumwobenen[S. 122] Berge und der Nixe, der jener Schiffer vergessen lauschte, oder will er der Sage liebliche Laute aufs neue wecken in unserer Brust beim Anblick anderer Bilder herrlichster Art?

Abb. 132. Westerburg. Auf dem Westerwald.
Nach einer Photographie von H. Hardt in Limburg. (Zu Seite 134.)
Abb. 133. Limburg an der Lahn.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 137.)
Rolandseck. Drachenfels. Königswinter.

Tief steht die Sonne am Himmel. Auf die Talwand zur Linken senkten sich schon des Abends Schatten, aber die Höhen auf der rechten Seite des Stroms lecken noch das letzte Licht des sterbenden Tages. So feurig strahlt der Abendröte Schein, als wollte sie die letzte Stunde der Rheinfahrt uns vergolden, daß leuchtend der Erinnerung schöne Bilder wieder auftauchen können noch in späteren[S. 123] Jahren, wenn ein großes Stück des Lebens hinter uns liegt wie ein Traum. O schönes Erinnern, das dann auch erzählt von jenem Sonnenuntergang am Rhein! Von neuem sehen wir, wie die dunkle Bergmasse der so trotzig am rechten Rheinufer aufragenden Erpeler Ley sich rötlich färbt und von den sanften Rebengehängen Oberwinters auf der andern Seite die letzten Sonnenstrahlen forthuschen, wie über Rolandseck von schattendunkler Bergeswand der Rolandsbogen (Abb. 117) grüßt und vor uns das liebliche Eiland Nonnenwerth mit seinem altersgrauen Kloster auftaucht, wie endlich der Drachenfels (Abb. 1) aus den Fluten des Stromes auftaucht, so trotzig, als wollt’ er ihn wehren, weiter zu ziehen und unser Schiff fortzutragen aus diesem Lande der Poesie. Und auch der Sage Laute klingen wieder an unser Ohr. Von Hildegunde erzählen sie, die, einer falschen Nachricht glaubend, die den Tod ihres geliebten Ritters meldete, im Kloster zu Nonnenwerth die Klage des Herzens vergessen wollt’, von Roland, der traurig diese Kunde nach glücklicher Heimkehr vernahm und droben, wo heute noch der Rolandsbogen steht, sich ein Schloß baute, um immer hinabschauen zu können auf das Kloster, das die Liebste barg, und von Siegfried, der den Drachen tötete.

Abb. 134. Inneres des Domes in Limburg an der Lahn.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 138.)

Doch ein prächtiges Bild, ein stolzer Bau, der aus neuerem Stein sich auftürmt, scheucht die Bilder der Vergangenheit. In halber Höhe des Drachenfels erscheint, überragt von der Burgruine, die die höchste Spitze des Berges so malerisch krönt, das neue, vieltürmige und zinnenreiche Schloß Drachenburg (Abb. 118 u. 141 bis 143). Und wie reich das Leben flutet am herrlichen deutschen Rhein, inmitten dieser, von einer alten Kultur gesegneten Landschaft, das verrät die vielhundertköpfige Menge, die in Königswinter (Abb. 141) unser Schiff erwartet. Bis auf den letzten Platz füllt dieses sich, und mit der Menge zieht rheinische Fröhlichkeit in seine gastlichen Räume ein. Lustig werden bei der Abfahrt die Tücher geschwenkt, und bald ertönen die Klänge eines Rheinliedes. Nixen sieht man auf der Loreley und junge Musensöhne,[S. 124] die in dem Sange die nämliche „gewalt’ge Melodei“ verspüren, die den Schiffer im kleinen Kahne lockte. Und desto froher stimmen sie, als verklungen der Loreley Zaubergesang, selbst sich warnend, Simrocks köstliches Lied an:

An den Rhein, an den Rhein, zieh’ nicht an den Rhein,
Mein Sohn, ich rate dir gut;
Da geht dir das Leben zu lieblich ein,
Da blüht dir zu freudig der Mut.
Siehst die Mädchen so frank und die Männer so frei,
Als wär’ es ein adlig Geschlecht;
Gleich bist du mit glühender Seele dabei:
So dünkt es dich billig und recht.
Und zu Schiffe, wie grüßen die Burgen so schön
Und die Stadt mit dem ewigen Dom;
In den Bergen, wie klimmst du zu schwindelnden Höh’n
Und blickst hinab in den Strom.
Und im Strome da tauchet die Nix’ aus dem Grund,
Und hast du ihr Lächeln gesehn,
Und grüßt dich die Lurlei mit bleichem Mund,
Mein Sohn, so ist es geschehn:
Dich bezaubert der Laut, dich betöret der Schein,
Entzücken faßt dich und Graus:
Nun singst du nur immer: Am Rhein, am Rhein!
Und kehrst nicht wieder nach Haus.
Abb. 135. Nassau an der Lahn.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 139.)
Bonn.

Wie könnte das rheinische Land schöner gefeiert werden als in diesem herrlichen Liede! Der es sang, er wohnte in Bonn, der schönen Musenstadt am Rhein, die nun uns grüßt mit ihren schmucken Villen, ihren lieblichen Gärten, mit dem trotzigen Alten Zoll und der schwungvollen neuen Rheinbrücke (Abb. 119). Letztere ist im Jahre 1899 dem Verkehr übergeben worden. Wer über sie wandert,[S. 125] erfreut sich an dem bildhauerischen Schmuck, der in den beiden Zollhäuschenpaaren (Abb. 120) zum Ausdruck gelangt ist, an der naiven Darstellung der rheinischen Sagen, des Studenten- und Volkslebens (Abb. 121). An der Beueler Torburg der Rheinbrücke lachen wir recht herzlich über das „Bröckemännche“ (Abb. 122), das durch seine Haltung die Bewohner von Beuel sehr drastisch dafür straft, daß ihre Gemeinde zum Brückenbau nichts zusteuerte.

Abb. 136. Denkmal des Freiherrn vom Stein bei Nassau.
Nach einer Photographie von H. Hardt in Limburg. (Zu Seite 139.)
Abb. 137. Kurhaus und Kurgarten in Ems.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 139.)
Bonn. Das Siebengebirge.

Bonn ist oft verglichen worden mit der ihm geistig so nah verwandten Musenstadt am Neckar, mit dem nicht weniger gepriesenen Heidelberg. Die Lage der beiden Städte ist jedoch völlig verschieden. Heidelberg konnte sich gleichzeitig an einen Flußlauf betten und an eine hochragende Bergwand lehnen. Bonn sieht sich von den Berggehängen, die den Rheinstrom bis dorthin malerisch schmückten, verlassen, sieht sie aber in schön geschwungenen Linien und in nicht zu weiter Ferne auftauchen, sowohl seitwärts über der Poppelsdorfer Allee, die nach Südwesten zur Wallfahrtskirche auf dem Kreuzberge hinzeigt, als auch in südöstlicher Richtung über der breiten Wasserfläche des Rheins, der des Landes Krone, die Sieben Berge, auf seinem Spiegel trägt. So steht in dem Landschaftsbilde der beiden schönen Musenstädte die malerische Nähe, die nichts dem Auge verhüllt, der lockenden Ferne, die das Gemüt des Beschauers zu sich hinzieht, einander gegenüber. Dieser Gegensatz muß im Empfinden des Menschen zum Ausdruck kommen: die Nähe wirkt immer großartig, die Ferne aber entfaltet den Reichtum der Erscheinungen einer großen Welt, die täglich noch Neues zu zeigen vermag. Die Sieben Berge, der wie ein Eckpfeiler trotzig aufragende, sagenumwobene Drachenfels, die Burgruine, die ihn krönt, der Petersberg mit dem stattlichen Gasthause, der wie ein König alle Berge überragende Ölberg, dann jenseits des Flusses der zierliche Godesberg mit seiner schlanken Turmruine, die an die Bergeshöhen, an den Strom gelehnten Ortschaften, das wechselnde Bild der die Stromfläche belebenden Schiffe, die am Stromufer aus ihren Gärten auftauchenden Villen,[S. 126] die in schwungvollen Riesenbogen sich spannende Brücke mit ihrer Verkehrsbewegung, ferne Kirchtürme und andere Gebäude, so die immer bei klarem Wetter deutlich hervortretende Kuppe mit der Abtei Siegburg, sowie andere Erscheinungen in dem weiten Rahmen des Bildes: sie werden heute übersehen und morgen freudig neu entdeckt von den täglichen Besuchern des Alten Zoll. Auf diesem berühmten Aussichtspunkte am Bonner Rheinufer steht das Denkmal Vater Arndts (Abb. 123), und zwei französische Kanonen, die von Kaiser Wilhelm I. der Bonner Universität geschenkt wurden, schauen über die Brüstung des mächtigen Bollwerks hinweg. Was der Landschaft von Bonn gegenüber der von Heidelberg an großartiger Plastik fehlt, das ersetzt der zu den Füßen des Alten Zoll vorüberrauschende Rhein, sowohl durch das natürliche Bild eines im Vergleich zum Neckar riesenhaften Stromes, als auch durch die geistige Größe, die er in der Geschichte des deutschen Volkes erlangt hat. So übertrifft die Lage Bonns diejenige Heidelbergs. Nur das geistige Leben der beiden Städte hat viele gemeinsame Züge. Die beiden durch eine herrliche Lage im schönen Rebenlande und ein frisches rheinisches Leben ausgezeichneten Städte vermögen ihren Musensöhnen eine Geistesnahrung zu geben, die die andern deutschen Universitäten, nur noch Jena ausgenommen, nicht bieten können, einen Impuls fürs Leben mit den starken Schwingen, um Großes zu erreichen. Kam dies nicht oft genug in der Bonner Studentenschaft zum Ausdruck? Sagte es nicht die Flamme der Begeisterung, die so mächtig aufloderte, als 1870 die Kunde der Kriegserklärung erscholl und die Bonner Studenten zu einer großartigen patriotischen Kundgebung ungerufen zusammen sich fanden, und sagte es nicht vor wenigen Jahren auch der Aufruf, der von Bonn aus zur Errichtung von Feuersäulen, um das Andenken des heimgegangenen großen Kanzlers Bismarck zu ehren, in die deutschen Lande ging und in allen deutschen Städten so begeisterte Aufnahme fand, daß überall von den Bismarck-Säulen die Flammen der Begeisterung für den größten deutschen Staatsmann, die Frühlingsfeuer des jungen Deutschen Reiches auflodern werden! Von den großen Männern,[S. 128] die dem Lehrkörper der Universität seit ihrer Gründung im Jahre 1818 angehört haben und sich inmitten der Gedankenwelt der rheinischen Musenstadt so wohl fühlten, von einem Niebuhr, dem großen Geschichtsforscher, von einem Arndt, an dessen Denkmale auf dem Alten Zoll wir die flammenden Worte lesen: „Der Rhein Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze“, von einem Dahlmann, der gleich Arndt von Deutschlands großer Zukunft träumte, von einem Wilhelm von Schlegel, von dem rheinischen Poeten Karl Simrock, der in Bonn geboren war, von Heinrich von Sybel, der zwar nur wenige Jahre in der rheinischen Musenstadt wirkte, und von andern brauche ich nicht weiter zu reden, denn die Namen dieser Männer wurzeln fest in der Erinnerung des ganzen deutschen Volkes. Auf dem alten Friedhofe, wo auch ein Schumann, ferner die Gemahlin und der zweite Sohn des Dichterfürsten Schiller begraben liegen, können wir die treu in Ehren gehaltenen Grabstätten jener großen Männer besuchen. Dort schauen wir auch das schöne, von Küppers modellierte Kriegerdenkmal (Abb. 124), das uns an eine große Zeit erinnert, die jene Männer heiß ersehnten. Wenden wir uns dem alten Bonn zu, so grüßt uns auf dem Münsterplatze das Denkmal Beethovens (Abb. 125), der im Jahre 1770 in Bonn geboren wurde, und dessen Geburtshaus in der Bonngasse von jedem Verehrer des größten Meisters der Töne aufgesucht wird. Am Münsterplatze ragt die schöne, leider in ihrem stimmungsvollen Innern etwas bunt bemalte Münsterkirche (Abb. 126 u. 127) empor, deren älteste Teile am Chor aus dem zwölften Jahrhundert stammen. Dem Marktplatze (Abb. 128) von Bonn geben das Rathaus und die alten oder in altertümlichem Stile neu aufgeführten Giebelhäuser, die zum Teil mit Malereien geschmückt sind, sein eigenartiges Gepräge. Nach Norden gelangen wir von dort in den Stadtteil, der sich auf dem Boden des alten römischen Lagers entwickelt. Schöner ist allerdings der von baumgeschmückten Straßen durchzogene südliche Stadtteil, wo der[S. 130] Hofgarten, der zwischen der Universität, dem früheren kurfürstlichen Schlosse (Abb. 129), und dem Rhein sich ausbreitet, wo der Kaiserplatz, die Poppelsdorfer Allee, die zum Poppelsdorfer Schlosse und dem Botanischen Garten führt, die Koblenzerstraße, die Rheinallee, die Gronau mit dem neuen, am Rheinufer erbauten Stadthause und der Bismarcksäule (Abb. 130) und endlich auf dem Venusberge der Kaiserpark zu genußreichen Spaziergängen einladen.

Abb. 138. Ems, von der Bäderlei gesehen.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 139.)
Abb. 139. Schloß Altwied.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 142.)
Abb. 140. Godesberg und das Siebengebirge. (Zu Seite 125.)

VII. Der Westerwald nebst dem Sieg- und Lahntale und das Siebengebirge.

Der Westerwald.

Mit dem Namen „Westerwald“ wird der Teil des Rheinischen Schiefergebirges bezeichnet, der im Südosten und Süden von der Lahn, im Westen vom Rhein und im Norden von der Sieg begrenzt ist. Der Name soll von Wister-Wald = weißer Wald herkommen und von den Bewohnern des tiefer gelegenen unteren Westerwald ursprünglich dem höchsten Teile des Gebirges, von dem der Schnee noch spät im Frühlinge weiß herabschimmert, beigelegt worden sein. Wenn diese Erklärung richtig ist, hat früher also nur ein Teil des Gebirges den jetzt für das ganze Gebiet geltenden Namen geführt, ähnlich wie es beim Hunsrück und der Eifel der Fall war.

Abb. 141. Königswinter und der Drachenfels.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 123 u. 142.)
Abb. 142. Schloß Drachenburg am Rhein, Südseite. (Zu Seite 123 u. 143.)
In der Kroppacher Schweiz.

Für die Durchwanderung des Gebietes können wir verschiedene Routen wählen. Von Bonn, wo wir auf unserer Rheinfahrt halt machten, gelangen wir ostwärts über den Rhein fast unmittelbar in das Siegtal. In der Niederung, durch die die Sieg, zuletzt in sumpfigem Wiesengelände, zwischen Weidengebüsch dem Rheine zuströmt, grüßt uns die auf einer niedrigen Bergkuppe gelegene frühere Abtei Siegburg. Zu ihren Füßen liegt die gleichnamige Stadt. Eine Königliche Geschoßfabrik ist daselbst in Betrieb. Zur linken Hand, näher zum Rheine, ragen die qualmenden Schlote der Friedrich Wilhelms-Hütte hervor. Indem wir weiter nach Osten wandern, rücken bald die Berge von beiden Seiten näher zusammen, um ein freundliches Wiesental zu umfassen. Meist ist dieses nicht sehr enge, und die bewaldeten Abhänge steigen weniger schroff als in den anderen Tälern des Rheinischen Schiefergebirges empor. An die Stelle des Wilden und Großartigen tritt fast überall das Anmutige. Von steiler, etwas vorspringender Bergwand grüßt uns die Burgruine Blankenberg. Durch Weinpflanzungen, fast die einzigen an der Sieg, steigen wir zu den Burgtrümmern und dem gleichnamigen Örtchen hinan und lassen den Blick hinab in das Wiesental, durch das der Fluß in Schlangenbiegungen zieht, und fern zur Rheinniederung, wo, beleuchtet vom Abendglanze, die Abtei Siegburg noch einmal grüßt, schweifen. Gastlich ladet uns dann das hübsche Städtchen Eitorf zu längerem Verweilen in froher Gesellschaft zahlreicher Sommerfrischler ein. Aber das gesteckte Wanderziel lockt uns weiter. Das Siegtal behält weiter oberhalb seinen Charakter bei. Wir verlassen es deshalb bei dem Orte Wissen und biegen in ein spaltartig sich öffnendes Nebentälchen ein, durch das die Nister die Westerwaldgewässer der Sieg zuführt. In dem engen Tale war nicht einmal Raum für eine Straße. So folgen wir einem Pfade, der uns bald auf die eine, bald auf die andere Flußseite führt und uns über Steine den Weg durch den schnellfließenden, breiten Bach suchen läßt. In einer Wiesenau verlieren wir gar den Weg und wandern an verkehrter Stelle an der Talwand empor, bis ein Landmann uns zurechtweist. Das Tal wird noch immer romantischer, und die Bewohner erzählen uns mit Stolz von der Kroppacher Schweiz. Überall schauen Felsklippen aus den waldgeschmückten, steil und ziemlich hoch aufragenden Talwänden heraus. Das Dorf Kroppach lassen wir abseits liegen, und unser Weg führt uns durch zahlreiche kleine Ortschaften, die meist nur eine größere Häusergruppe bilden. Die Sonne brennt heiß, und uns quält nach dem vielen Hin- und Herwandern, Auf- und Niedersteigen der Durst. Aber vergebens[S. 132] fragen wir nach einem Wirtshause. So kommen wir wohl, vom Verlassen des Siegtales an gerechnet, durch zehn kleine Dörfer und sind froh, mit einem Trunk Wasser, den die Leute uns reichen, den stärksten Durst löschen zu können. Ein merkwürdiges deutsches Land, wo keine Wirtshäuser sind und dabei so nah dem rebenumkränzten Rhein! Nachdem wir nach solchen so lange vergebens gesucht und gefragt hatten, treten wir beherzt in eine alleinstehende Mühle ein und fragen nach Bier. Gern hätte uns die Müllerin einen solchen Labetrunk dargeboten, aber die letzte Flasche im Keller war schon von anderen durstigen Wanderern[S. 133] getrunken worden. So lassen wir uns einen dampfenden Kaffee brauen. An süßer Milch und guten Eiern fehlte es auch nicht, und in der blankgescheuerten Müllerstube saß es sich gut, besser als in manchem prächtigen Gasthause. Doch[S. 134] weit ist noch der Weg nach der Cistercienserabtei Marienstatt, und wir müssen weiter wandern. Durch prächtige Buchen- und Tannenwälder führt der Weg. Die Abtei Marienstatt (Abb. 131) liegt mit einer schönen gotischen Kirche bald in wald- und wiesengeschmückter Landschaft vor uns. Über Feld wandern wir dann nach dem Städtchen Hachenburg, das von einem alten, fürstlich Saynschen Schloß überragt wird. Dort besteigen wir die Eisenbahn zur Fahrt nach dem Städtchen Westerburg, über dem, auf einer Basaltkuppe ebenfalls eine Burg, das fürstlich Leiningensche Schloß thront (Abb. 132).

Abb. 143. Hochzeitszug eines Kölner Patriziers und einer englischen Fürstentochter, die Blüte des Kölner Handels versinnbildend.
Wandgemälde im Schloß Drachenburg am Rhein. (Zu Seite 123 u. 143.)
Abb. 144. Ruine Drachenfels.
Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin. (Zu Seite 143.)
Abb. 145. Honnef, vom Leiberg gesehen.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 146.)
Abb. 146. Der Sänger vom Drachenfels. (Zu Seite 149.)
Im Westerwald.

In Westerburg befinden wir uns schon auf dem Hohen Westerwald, der nach Osten noch immer höher ansteigt und in dem kaum hervortretenden Fuchskauten (657 m) den höchsten Punkt erreicht; nach Westen aber senkt sich stufenmäßig zum Rheine hin der Untere Westerwald. Jener liegt durchschnittlich 580 m hoch, dieser erreicht eine mittlere Höhe von 430 m nicht mehr. Im Unteren Westerwald lohnt zwar noch der Ackerbau; seinen Hauptschmuck bilden aber die prächtigen Waldungen. Die eintönigen Hochflächen des Hohen Westerwaldes sind vom Wald ziemlich stark entblößt, und weithin dehnen sich neben Heide und Moor Wiesen oder Weiden, auf denen die kleinen Westerwälder Rinder grasen, aus. Der flüchtige Besucher des Landes hält jedoch auch manche Landstriche des Hohen Westerwaldes für waldreich. Überall erscheinen Nadelholzpartien, die er für große Wälder[S. 135] hält. Kommt er aber näher, so bemerkt er staunend, daß der vermeintliche Wald nur aus einigen langen Reihen Tannen besteht. Er sieht nur eine von den zahlreichen Schutzhecken vor sich, die fast überall angepflanzt sind, um die Ortschaften, die Äcker und die Wiesen vor den rauhen Winden zu schützen.

Abb. 147. Klosterruine Heisterbach. (Zu Seite 151.)
Abb. 148. Daun in der Eifel.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 158.)

Der Wind ist das Charakteristischste an dem Klima des Hohen Westerwaldes. „Er weht dort,“ wie Tarnuzzer schreibt, „das ganze Jahr, fast zu jeder Stunde,[S. 136] selbst an den Tagen drückendster Sonnenschwüle, die man durch ihn im hohen Westerwald eigentlich nie kennen lernt. Leise bewegt zieht er zwischen Wäldern und Höhen kräuselnd und kühlend dahin. Vom Wald, diesen ‚Lungen des Landes‘,[S. 137] kommt seine Frische und Stärke, die ihn wirksam, ja gewaltig macht, fast wie den Wind von der See ... Unaussprechlich wohltuend und kühlend, allen Duft des Waldes und seine unvergleichliche Würze zu einem herübertragend, webt und webt er in aller Wärme der Sonne und macht dem Wanderer jeden Gang zum Labsal.“

Abb. 149. Schalkenmehrener Maar.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 158.)
Abb. 150. Abtei Laach und Laacher See.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 160.)
Dornburg und die Eislöcher.

Auf der Weiterfahrt durch den Westerwald von Westerburg nach Montabaur versäumen wir nicht, in Frickhofen, dessen Namen man von Freya ableiten will, auszusteigen, um die Dornburg zu besuchen. Nicht ein verwünschtes Schloß, in dem Dornröschen schläft, lockt uns dorthin, sondern eine merkwürdige Naturerscheinung, die berühmten Eislöcher, in denen sich selbst während der heißesten Sommerzeit Eis bildet. Sobald wir uns, nach einer Wanderung über eine heißdürre Heide, dem Berge nähern, weht uns schon ein kalter Lufthauch entgegen. Wirkliches Eis in heißer Sommerzeit sich bilden zu sehen, und zwar an einer Stelle, am Fuße einer aus losem Steingeröll bestehenden Schutthalde, auf die die Sonnenstrahlen beständig scheinen, kommt uns zuerst fast wie ein Naturwunder vor. Und doch ist die Erscheinung ganz natürlich zu erklären als Wirkung einer kalten Luftströmung, die unter dem lose den Abhang des Berges überlagernden Felsgeröll mit starkem Zuge herströmt. Sobald diese kalte Luft mit der warmen in Berührung kommt, verdunstet die mitgebrachte Feuchtigkeit sehr schnell, und die neue Kälte, die hierbei erzeugt wird, reicht zur Eisbildung vollständig hin.

Abb. 151. Kreuzgang der Abteikirche Laach.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 160.)
Lahnwanderung.

An dem freundlichen Städtchen Hadamar vorbei trägt uns die Bahn durch fruchtbares Hügelland und schöne Wälder hinab in das Lahntal zu der Stadt Limburg (10000 Einw.) (Abb. 133) mit dem prächtigen Dom, der mit seinen sieben Türmen malerisch einen Felsvorsprung hoch über dem Flusse krönt. In[S. 138] Limburg müssen wir Einkehr halten, weil dort die Bahnlinie, die durch den unteren Westerwald führt, beginnt. Zuerst wollen wir aber im Lahntal kurze Umschau halten. Die Stadt Limburg war im frühen Mittelalter Residenz der 1407 ausgestorbenen Grafen des Lahngaues. Sie fiel dann an Kurtrier. Der Dom ist eine ebenso prachtvolle als großartige Schöpfung des spätromanischen oder Übergangsstils. Von 1213 bis 1242 wurde an ihm gebaut (Abb. 134).

Abb. 152. Die Urft-Talsperre bei Gemünd. (Zu Seite 164.)

Aufwärts leitet uns das Lahntal zu manchen landschaftlich schönen Punkten hin. Das Städtchen Runkel liegt in geringer Entfernung von Limburg malerisch auf beiden Seiten der Lahn und wird überragt von einem gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts erbauten Schlosse der Grafen von Wied. Die weitere Fahrt wird durch die zahlreichen Flußübergänge und Tunnels sehr abwechslungsreich. Der letzte durchschneidet den Schloßberg des Städtchens Weilburg (etwa 4000 Einw.), das sich im Rahmen eines schönen Landschaftsbildes dem Blicke zeigt. Bis 1816 residierten die Fürsten (seit 1806 Herzöge) von Nassau-Weilburg daselbst. Das Schloß stammt aus dem sechzehnten Jahrhundert, wurde aber 1721 bedeutend vergrößert und kann, auf steilem Felsen gelegen, zu den hervorragendsten Schönheiten des Lahntales gerechnet werden.

Der oberhalb Weilburg gelegene Teil des Lahntales fällt außerhalb des Rahmens dieser Schrift, und nur noch auf die reichen Erzschätze der Weilburger Gegend, wo besonders ausgedehnte Lager von Roteisenstein und Phosphorit vorkommen, sowie des Bezirks von Dillenburg und Herborn im östlichen Westerwald sei hingewiesen. Ihr Vorkommen ist an das zahlreiche Auftreten von Diabasen geknüpft. Diese brachen in der devonischen Zeit als glutflüssige Massen hervor, breiteten sich deckenartig auf dem alten Meeresgrunde aus und wurden später selbst wieder von andern Erdschichten bedeckt. Infolgedessen kommen sie meist linsen- oder lagerartig zwischen Grauwacken, Kalken und Schiefern vor. Auf die reichen Erzvorkommen des Westerwaldes, die auch die obere Sieggegend mit ihrem[S. 139] vorzüglichen Spateisenstein umfassen, und die auf dieselben sich gründenden Industrien hinweisend, sagt Riehl von dieser Gegend mit poetischem Schwunge: „Die Feuersäulen der Hochöfen gruppieren sich hier wie zu einem Strahlendiadem rings um den Saum der Hochflächen.“

Abb. 153. Gerolstein, von der Burg gesehen.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 164.)

An der untersten Strecke des Lahntales von Limburg bis zur Mündung des Flusses sind die landschaftlich schönsten Punkte das von dem früheren Schloß der Grafen von Nassau-Dillenburg überragte Städtchen Diez (4500 Einw.), die auf bewaldeter Basaltkuppe thronende Schauenburg, die Schloßruine Balduinstein, deren großartige Baureste sich aus enger Schlucht auf Kalk- und Porphyrfelsen erheben, Burg Nassau (Abb. 135) und Burg Stein, vor letzterer das im Jahre der Wiedererrichtung des Deutschen Reiches vollendete Denkmal des Freiherrn vom Stein (Abb. 136), das alte Städtchen Nassau, welches schon 790 als Nasonga erwähnt wird, und in dessen Schloß der eben genannte große Staatsmann das Licht der Welt erblickte und wohnte, und endlich Ems (rund 7000 Einw.), (Abb. 138). Bad Ems ist alljährlich das Ziel von Tausenden, und nicht immer sind es die Kranken und Schwachen, die dorthin pilgern, um vom Emser Krähnchen, vom Fürsten- oder vom Kaiserbrunnen zu trinken; auch herzensfrohe Menschen finden sich unter den Kurgästen, die eben nur eine Badereise machen wollen, denen es in den freundlichen Landhäusern zu gut gefällt, die von den Klängen der Kurkapelle gar zu gern sich locken lassen, die das Promenieren im Kurgarten (Abb. 137) lieben oder auch an den schönen Spaziergängen über die benachbarten, waldgeschmückten Höhen immer wieder neues Gefallen finden. Auch historische Erinnerungen knüpfen sich an Ems. Ein Marmorstandbild des Kaisers Wilhelm I. erinnert an die Zeit, in der der Monarch alljährlich zum Kurgebrauch nach Ems zurückkehrte, und man zeigt uns die Stelle, wo der greise König den allzu zudringlichen französischen Gesandten im Juli des Jahres 1870 abwies. Die Hauptbestandteile der Emser Quellen sind doppeltkohlensaures Natron und Chlornatrium.[S. 140] Ihr Kurgebrauch wird hauptsächlich bei Erkrankungen der Atmungsorgane, sowie bei Magen- und Darmkatarrhen verordnet.

Montabaur und Kannenbäckerland. Westerwalder Tonindustrie.

Nach diesen Streifzügen durch das Lahntal nach oben und nach unten sind wir wieder in Limburg angelangt. Zur Fahrt durch den untern Westerwald besteigen wir von neuem die Eisenbahn, die uns über ein hügeliges Land, in dem schöne Wälder mit fruchtbaren Äckern wechseln, zunächst nach Montabaur bringt. Das Städtchen ist der größte Ort des Westerwaldes, obschon es nur etwa 4000 Einwohner zählt. Es liegt in sehr waldreicher Gegend. Die im Besitze von Montabaur befindlichen Waldungen werfen z. B. einen jährlichen Ertrag von etwa 13000 Mark ab. Der Stolz des Städtchens ist das ehemalige kurfürstlich-trierische Schloß, das aus einem Walde von Hainbuchen auf einem abgestumpften Bergkegel emporsteigt. Schattige und felsgeschmückte Wege führen zu demselben hinan, und auf dem Schloßberge entfaltet sich eine prächtige, vielgerühmte Aussicht, namentlich auf das malerisch gelegene Städtchen selbst.

Abb. 154. Kyllburg im Kylltal.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 164.)

Westlich von Montabaur liegt das sogenannte Kannenbäckerland, wo eine alte, jetzt wieder frisch blühende Tonindustrie betrieben wird. Um nach den bedeutendsten Orten dieses Bezirks, nach Ransbach, Grenzhausen und schließlich nach Höhr, dem wichtigsten, wo eine Keramikschule besteht, zu gelangen, besteigen wir in Siershahn die Zweigbahn, die in westlicher Richtung nach Engers führt. Der tertiäre Ton in dieser Südwestecke des Westerwaldgebietes führt den Namen Pfeifenton oder Pfeifenerde, weil er früher hauptsächlich zur Verfertigung von Tonpfeifen benutzt wurde. Er ist wie alle Tonarten aus der Verwitterung von feldspatreichen Gesteinsarten (Granit, Trachyt, Porphyr usw.) entstanden und durch Wasserfluten von seiner ursprünglichen Lagerstätte weggeschwemmt worden. Er besteht aus 53,50% Kieselsäure, 29,63% Tonerde, 1 bis 3% Eisenoxyd und 1 bis 2% Magnesia. Der Eisengehalt und der Gehalt an Pflanzen- oder Tierresten[S. 141] geben dem Ton eine bestimmte Färbung, die bald weißgrau, bald gelblich oder rötlich, bald bläulich ist. Der Ton des Westerwaldes ist durchweg sehr fein und gleichartig. Seine Gewinnung oder Werbung geschieht mittels des Reifenschachtbetriebes. Auf den Ton wird durch die ihn überlagernden Lehm- und Sandschichten ein etwa 2 m breiter Schacht getrieben, der mit starken Holzreifen ausgekleidet wird. Sobald man die zähe Tonmasse erreicht, hört die Auskleidung mit Holz auf. Man sticht den Ton mit großen, messerartigen Werkzeugen ab und fördert ihn in Kübeln noch oben. Allmählich werden die Gruben trichterförmig erweitert. Der zähe Ton hält zwar eine Zeitlang stand. Allmählich aber rücken die Wände des Trichters, dem ungeheuren Druck nachgebend, zusammen: der Ton „wächst“. Die Arbeiter kennen diese Erscheinung ganz genau und verlassen den Schacht erst, wenn sie durch die Öffnung kaum noch hindurchschlüpfen können. Die Töpferkunst des Westerwaldes ist schon sehr alt. Sie ist bis ins vierzehnte Jahrhundert zu verfolgen. Besonders im sechzehnten Jahrhundert stand das Gewerbe in hoher Blüte. Es lieferte vielfach auch kunstvollendete Arbeiten, die durch eingeritzte Ornamente geschmackvoll verziert waren und sich durch eine seltene Schönheit der Färbung auszeichneten. Die Hauptfarben waren blau und violett (Blauwerk). Beim Niedergang der Töpferkunst war das Geheimnis der Farbenmischung verloren gegangen, bis es vor wenigen Jahren durch einen glücklichen Zufall wieder gefunden wurde. Das neue Aufblühen verdankt die Westerwalder Tonindustrie hauptsächlich dem guten Ruf der mit großem Geschick wieder nachgeahmten altdeutschen Ware, die nach der herrschenden Mode mit Vorliebe auch zur Ausstattung von altdeutschen Zimmereinrichtungen verwandt wurde. Die Tonpfeifenfabrikanten von Höhr haben fast den ganzen Handel mit Tonpfeifen in Händen. Namentlich nach Holland und Amerika findet eine bedeutende Ausfuhr statt.

Abb. 155. Ober- und Niederburg von Manderscheid.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 164.)

[S. 142]

Wiedtal. Siebengebirge.

Nachdem wir auf der vorher erwähnten Bahnlinie bei Engers den Rhein erreicht haben, lockt es uns noch einmal hinein in die Waldespracht des Westerwaldes. Wir folgen dem tief eingeschnittenen, von waldgeschmückten Abhängen umrahmten Tale des Wiedbaches, grüßen Monrepos, das fürstlich Wiedsche Lustschloß, und wandern, nach herrlichem Rückblick auf das Rheintal, weiter nach Altwied, das von den efeuumrankten Trümmern der Stammburg (Abb. 139) der Grafen von Wied überragt wird. Wieder wandern wir dann zurück an den Rhein und, seinem Laufe folgend, dem schönsten Wanderziele entgegen, das Rheinland uns zu bieten vermag: zu den Sieben Bergen, die schon auf der Rheinfahrt in herrlichem Bilde vor uns erschienen.

Abb. 156. Burg Eltz.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 164.)

Das Siebengebirge (Abb. 1 und 141) wird als die siebengestaltige Krone in Rheinlands Schönheit gepriesen. Es ist in der Tat ein kleines Wunderland, in der Sage, Geschichte und Dichtung fast jeden Punkt verherrlicht haben. Überall ist die Schönheit des Siebengebirges eine andere. Anders ist sie dort, wo der Drachenfels mit seiner zerklüfteten Felsgestalt aus den Wogen des Rheines emportaucht, anders dort, wo sich die Löwenburg oder der Ölberg hoch über die Bergeskrone, hoch über die Hochflächen des Westerwaldes erheben. Wenigstens den schönsten und besuchtesten Berg, den Drachenfels, wollen wir besteigen und dabei den Sagen lauschen, die aus dem Born der grauen Vorzeit fließen.

Drachenburg und Drachenfels.

In Königswinter (4000 Einw.) (Abb. 141) landet uns das Dampfschiff. Wir gesellen uns gern dem frohen Wandervölkchen zu, das auf dem steilen Pfad, zwar etwas mühselig, aber doch in freudigster Stimmung zum Gipfel des Drachenfels pilgert. Die Zurückkehrenden sind in noch besserer Laune. Sie haben oben die Schönheit der Landschaft und wohl auch die Kraft des Weines in vollem Maße gekostet. So singen sie frohe Rhein- und Weinlieder, und Efeu- oder Eichenkränze zieren ihre Hüte. Andere reiten auf einem muntern Pferdchen oder sitzen, etwas bequemer, auf dem Rücken eines Langohrs, der zu einem roten Sessel eingerichtet ist. Des Tierrückens ungewohnt, machen die meisten eine possierliche Gestalt, so[S. 143] daß man sich des Lachens kaum enthalten kann. Aber was tut’s? Zum Lachen und Scherzen zog ja jeder hinaus. Es gehört zum frohen rheinischen Leben, zum Wandern am Rhein, und es macht das Herz wieder so jung und so neu.

Abb. 157. Hof der Burg Eltz.
Nach einer Photographie von Stengel & Co. in Berlin. (Zu Seite 164.)
Abb. 158. Doppelkirche von Schwarzrheindorf.
Nach einer Photographie von C. Schaf in Bonn. (Zu Seite 165.)
Geschichte des Drachenfels.

Wir steigen immer höher, anfangs durch Weinberge, später durch Wald oder zwischen zerklüfteten Felswänden. Schon liegen die Häuser, der Kirchturm der Stadt Königswinter tief unter uns; die Schiffe auf dem Rhein werden immer zwerghafter, und der Bergzug auf der andern Rheinseite scheint tiefer sich zu senken. An jeder Lichtung machen wir halt, um den herrlichen Blick hinab ins Tal zu genießen. Dann schreiten wir rüstig weiter. Links pustet die Zahnradbahn, die zum Gipfel des Drachenfels führt, an uns vorüber und rast zur Tiefe. Rechts begleitet uns jetzt das Gitter, das die Anlagen der neuen Drachenburg umschließt. Durch die Eisenstäbe hindurch gucken wir nach den Damhirschen aus, die in dem lichten Gehölz gewöhnlich sichtbar sind, zuweilen sogar an das Gitter kommen und aus der Hand des Wanderers ihr Futter nehmen. Den schönen Blick auf die Burg selbst genießen wir etwas höher. Wie stolz hebt sich der prächtige, turmreiche und zinnengekrönte Bau (Abb. 118 und 142) aus der hellen Wiesenmatte und aus den dunkeln Baumgruppen heraus! Gegen fünf Millionen Mark haben Grundstück und Bau gekostet. Nun steht sie auf halber Höhe des Drachenfels als ein stolzes Baudenkmal der Neuzeit da. Der jetzige Besitzer hat das prächtige, mit schönen Kunstwerken und Gemälden (Abb. 143) ausgeschmückte Schloß der öffentlichen Besichtigung gegen ein mäßiges Eintrittsgeld freigegeben. Hoch über uns erscheint der viereckige, halbzerfallene Turm der alten Drachenburg (Abb. 144), der von dieser fast allein noch übrig geblieben ist, als das berühmteste Denkzeichen der Landschaft des Siebengebirges. Was wäre der Drachenfels ohne seine Ruine! Er hätte schier kein Recht mehr, so trutzig aus den Fluten des Rheines emporzusteigen und sich als Wächter dort hinzustellen, so kühn und so stolz. Nun stehen wir vor der schwindelnden Höhe. Aus der fast senkrecht aufsteigenden Trachytwand wächst das Gemäuer des riesigen Turmes heraus. Bergwand und Mauer erscheinen zu einem Ganzen verwachsen. Kein mutiger Kletterer[S. 144] vermag da emporzusteigen. Unangreifbar! Welcher Wert in einstiger Zeit! Es schuf diese Burg, deren ersten Bau der Kölner Erzbischof Arnold I. zwischen 1137 und 1151 ausführen ließ. Als „Trachenfels“, „Drakinfels“ und „Mons draconis“ wird sie in den Lehns-Urkunden bezeichnet. Sie ging später in den Besitz des Bonner Cassius-Stifts über. Der Kölner Erzbischof und Kurfürst behielt aber das Recht der Besatzung für den Kriegsfall. Die Verwaltung der Burg wurde einem Burggrafen übertragen. Der erste Burggraf, den eine Urkunde aus dem Jahre 1176 nennt, war Gottfried von Drachenfels. Die Geschichte weiß uns noch manches von der Drachenburg und den Burggrafen von Drachenfels zu erzählen, deren rotes Wappenschild ein silberner geflügelter und flammenspeiender Drache schmückte. Der Ritter Godard erwarb auch die Pfandschaft am Schloß Wolkenburg, das die benachbarte Bergkuppe krönte. Später wurden noch andere Schlösser und Herrschaften durch Kauf oder Heirat erworben. So wuchs das Ansehen der Burggrafen von Drachenfels. Godards Sohn, Klaus von Drachenfels, wagte dem Kölner Erzbischof offene Fehde anzusagen; im Kampfe besiegt, mußte er das Land verlassen. Als er sich mit dem Erzbischof wieder ausgesöhnt hatte, verweigerten ihm seine Vettern den Eintritt in die väterliche Burg. Am untern Burgweg kam es zum blutigen Kampfe, und an der Stelle, wo jetzt der zweite Kucksteiner Hof am Wege zum Drachenfels liegt, ward Klaus von seinem Vetter Heinrich erschlagen. Um den Mörder zu bestrafen, belagerte der Kurfürst Hermann die beiden Festen Drachenfels und Wolkenburg, die sich ihm 1493 ergeben mußten. Aber Heinrich war geflohen. Der Geächtete wurde später begnadigt und als Burgherr anerkannt. Dem ermordeten Klaus mußte er in Heisterbach nachträglich ein standesgemäßes Begräbnis mit Geläut, Messen, Vigilien und Commendacien bereiten lassen, sowie an der Mordstelle ein ehrlich steinernes Kreuz errichten. Er selbst starb 1530 und fand, wie seine Vorgänger, in Heisterbach seine letzte Ruhestätte. Sein Grabstein wurde aber später an der Kapelle zu Rhöndorf am südlichen Fuße des Drachenfels eingemauert. Im truchsessischen Kriege, 1583 bis 1588, wurde die[S. 145] Drachenburg hart belagert. Aber sie hielt wacker stand, und ihr Verteidiger, Hauptmann Funk, schlug alle Angriffe des Pfalzgrafen Johann Kasimir auf den Drachenfels und Königswinter zurück. Im Dreißigjährigen Kriege eroberten 1633 die Schweden die Burg. Aber noch im selben Jahre wurden sie von den Spaniern vertrieben. Hiermit hören die Kriegsstürme für die Drachenburg auf. Der Kurfürst Ferdinand ließ sie nicht mehr von neuem in Verteidigungszustand setzen, sondern gab sie im Jahre 1642 als Ruine den Freiherrn Walbott von Bassenheim, Nachkommen[S. 146] von Klau’s Schwester, zu Lehen. Jetzt ist der Drachenfels Eigentum des preußischen Staates.

Abb. 159. Köln. (Zu Seite 166.)
Abb. 160. Kölner Rheinbrücke. (Zu Seite 166.)
Der Drachenfels.

Den Spuren der Geschichte, die uns dies alles erzählt, im Geiste nachfolgend, wandern wir weiter, vorüber an wild zerklüfteten Trachytwänden. Mächtige Teile des Berges haben einst sich gelöst, und die abgestürzten Felsmassen türmen sich auf der andern Seite des Pfades vor uns auf, der sich zu einem Felsentore zu schließen scheint. Dann öffnet sich das Gehölz, und nach wenigen Schritten stehen wir auf der ersten Platte des Drachenfels, auf der sich einst der Burggarten ausbreitete, jetzt das Gasthaus zum Drachenfels erbaut ist. Eine Gedenksäule erinnert an die Befreiungskriege von 1813 bis 1815. Sie waren ein Kampf um die deutsche Freiheit, zugleich ein Kampf um den Rhein, von dem Max von Schenkendorf in seinem schönen Lied vom Rhein klagend sang:

Sie hatten ihm geraubt
Der alten Würden Glanz,
Von seinem Königshaupt
Den grünen Rebenkranz.
In Fesseln war der Held geschlagen,
Sein Zürnen und sein stolzes Klagen,
Wir haben’s manche Nacht belauscht,
Von Geisterschauern hehr umrauscht.
Abb. 161. Rathaus in Köln. (Zu Seite 166.)

Wenn eine Stelle im Rheinstrom uns sagt, um welch hohen Preis es sich bei diesen Kämpfen handelte, so ist es der Drachenfels. Zu unsern Füßen rauscht der herrliche Strom, von zahlreichen Schiffen, von stolzen Dampfern und schwer beladenen Schleppkähnen, die die Reichtümer des Landes bergen, belebt. An seinen freundlichen Ufern reiht sich Dorf an Dorf. Warmgebettet liegt Honnef, das rheinische Nizza (Abb. 145), vor uns. Dort im Strome schwimmen die beiden Inseln Nonnenwerth, auf dem ein altes Kloster liegt, und Grafenwerth, und von drüben winkt der Rolandsbogen. Auf der höchsten Spitze des Drachenfels, die wir in zwei Minuten erreichen, um unsern Fuß auf das Gemäuer der alten Drachenburg zu setzen, entfaltet sich der Blick noch herrlicher.[S. 147] Stromaufwärts sehen wir, wie der Rhein aus seinem engen Felsentale kommt, stromabwärts, wie er den freien Lauf durch die Ebene beginnt. An der zierlichen Burgruine Godesberg haftet der Blick, weiter trifft er das Häusermeer der Stadt Bonn, und dort in der nebeligen Ferne, zu der uns das schlangenartig gewundene Silberband des Stromes hinführt, tauchen bei klarem Wetter auch die beiden Türme des Kölner Domes auf. Ja herrlich ist dieses Land und wonnig, inmitten dieser Herrlichkeit zu leben!

Abb. 162. Der Kölner Dom, Westansicht.
Nach einer Photographie von Anselm Schmitz in Köln. (Zu Seite 167.)
Drachenfelssagen.

Beim Anblick des alten Burggemäuers fängt unser Geist an nachzusinnen,[S. 148] und der Sage liebliche Laute klingen an unser Ohr. Sie erzählt uns von einem gewaltigen Recken, der aus den Niederlanden kam. Siegfried war sein Name. Er wollte ein Ritter werden. Um sich ein Schwert schmieden zu können, bat er den Waffenschmied Mimer, der in einer Waldschlucht des Siebengebirges wohnte, ihn als Gesellen anzunehmen. Und als man ihn verlachte, da er noch sehr jung war, ergriff er den Hammer und schwang ihn so gewaltig, daß der Amboß in den Grund sank und alles Eisen zersprang. Von der letzten Eisenstange jedoch machte er sich ein Schwert, gar lang und groß, und mit diesem erlegte er den Drachen, der in einer Höhle des Drachenfelsens hauste. Nach einer andern Erzählweise hat den Drachen, „welcher beid Menschen und Vieh ganz sehr schedtlich war, ertödtet ein stolzer Ritter bürtig aus Griechenland. Deshalben ihm seine menliche und kühne That wider vergolten ward und man gab ihm denselben Berg mit ein guten Theil daran gelegener Landtschafft und verheyrathete ihn an die Tochter des Veldöbersten der Quaden, die sich zu Oberwinter niedergeschlagen hatten“. In dieser Form wird die Sage anno 1609 von Matthis Quaden von Kinkelbach berichtet. Der Ritter, bürtig aus Griechenland, war Dietrich von Bern, der Gotenheld, der in der Wilkinasage und in Eckens Ausfahrt vorkommt. So mischen sich in der Drachensage der fränkische und der gotische Sagenkreis. Eine dritte Erzählweise derselben, von Kopisch aufgezeichnet, läßt dem Drachen durch eine christliche Jungfrau den Untergang bereiten. Sie sollte auf Geheiß des heidnischen Priesters, der wegen der gefangenen Jungfrau den Streit zwischen zwei Brüdern, Anführern eines heidnischen Stammes, befürchtete, dem Drachen geopfert werden. Schnaubend und Feuer und Schwefel aus dem furchtbaren Rachen blasend, naht sich das schreckliche Ungetüm dem angstgequälten Mädchen. In ihrer Herzensangst greift die Jungfrau zu einem Kreuze, das sie auf der Brust trug. Und siehe da! Der Drachen weicht entsetzt zurück und stürzt rücklings hinab in den tiefen Abgrund, wo er zerschmettert liegen bleibt. Indem die Sage weiter erzählt, daß die beiden Brüder mit ihren Stammesangehörigen Christen wurden, und daß die Jungfrau unten am Rhein ein Kloster gründete, gibt sie deutlich zu erkennen, daß ihre Entstehung mit der Bekehrung der Germanen zum Christentum in Zusammenhang zu bringen ist. Symbolisch ist auch eine vierte Form der Sage, die Simrock mitteilt. Der Drache, der am Drachenfels hauste, pflegte die Schiffer auf dem Strom anzufallen. Einst fuhr ein pulverbeladenes Schiff vorbei. Das dem Rachen des Ungeheuers entströmende Feuer entzündete das Pulver — und Drache und Schiff flogen in die Luft. Die Erfindung des Pulvers war es, die auch dem Raubrittertum ein Ende machte, denn sie gab das Mittel, um die Felsennester der Schnapphähne, die wie der Drache auf Raub lauerten, zu zerstören. Wie aber kam es, daß das Bild des Drachen gerade in der Gegend des Drachenfels in der Phantasie des Volkes so lebendig wurde? Es gibt noch eine zweite Gegend in Deutschland, wo die Drachensage Boden gefaßt hat, nämlich die Wormser Gegend. Vielleicht hat der Gedanke einige Berechtigung, daß die Auffindung von Knochenresten ausgestorbener Riesentiere, vor allem ungeheurer Schädelformen, in diesen Gegenden der Phantasie die erste Anregung zur Gestaltung des Drachentieres gegeben hat. Noch heute wird an der Südseite des Drachenfels das Loch gezeigt, in dem das Ungeheuer einst gehaust hat. Wer mit dem Schiff vorbeifährt, vermag den dunklen Punkt des Drachenloches in der hellgefärbten Felswand deutlich zu erkennen. Und wer es nicht sieht, dem wird noch vieles in der Poesie des Rheinlands verborgen bleiben.

Abb. 163. Inneres des Kölner Domes, Blick von Westen nach Osten.
Nach einer Photographie von Anselm Schmitz in Köln. (Zu Seite 167.)
Der Drachenfels.

Auf dem Plateau des Drachenfels entfaltet sich während der Reisezeit des Jahres ein fröhliches Leben und Treiben. Zu den zahlreichen Besuchern, die Eisenbahn und Dampfschiff von den benachbarten Städten, besonders von Bonn und Köln, bringen, gesellen sich die Scharen der fremden Besucher. Nur wenige von diesen letzteren versäumen es, dem Drachenfels einen Besuch abzustatten. Für die von Norden Kommenden ist der Drachenfels und im weiteren Sinne das[S. 149] Siebengebirge der erste Punkt, der ihnen den vollen Glanz des Rheintales entfaltet, und für die in der umgekehrten Richtung Reisenden bildet er das Schlußstück der herrlichen Rheinreise, und nur mit Wehmut vermögen sie sich loszureißen von dem schönen Bilde, das das Auge von der Höhe des Drachenfels schaut. Doch wehmütige Stimmungen dauern am Rhein nicht lange. Im Kreise der vielhundert frohen Zecher, die an schönen Sommer- oder Herbsttagen auf dem Drachenfelsplateau beim Drachenblut oder einer würzigen Bowle sitzen, beim hellen Gläserklang und beim Sang des alten Barden (Abb. 146), der beliebte Rheinlieder vorträgt, vergessen wir die Wehmut, das Scheiden, und nur noch der[S. 150] Gedanke des Zurückkehrens nach diesem wonnigen Lande, nach diesem romantischen Fleckchen Erde liegt uns im Sinn.

Abb. 164. Köln im 16. Jahrhundert.
Nach Braun & Hohenberg. (Zu Seite 171.)
Der Petersberg.

Noch zu vielen anderen genußreichen Wanderungen ladet das Siebengebirge ein. Es verbietet der Raum, sie alle auch nur in Kürze zu zeichnen. Vielbesucht ist auch der Petersberg, dessen breitgewölbte Kuppe in wuchtiger Gestalt nördlich von Königswinter und in etwas größerer Entfernung vom Rhein aus dem Rheintale aufsteigt. Seine Rheinaussicht steht zwar hinter der des Drachenfels weit zurück. Um so schöner ist der Blick, die sogenannte Gebirgsaussicht, der sich auf andere Kuppen des Siebengebirges öffnet. Während der Drachenfels aus dem hellfarbigen, besonders auf der West- und Südwestseite lebhaft herausleuchtenden Trachytgestein besteht, ist der Petersberg eine Basaltkuppe. Aber ein dichtes Waldkleid läßt das dunkle Basaltgestein nirgendwo landschaftlich zur Geltung kommen. So geht dem Petersberg die wilde Romantik seines bevorzugten Nebenbuhlers ab. Und wie seine Formen weicher und gerundeter sind, so ist er auch in der Geschichte weniger eine Kriegs- als vielmehr eine Kultusstätte gewesen. Schon im zwölften Jahrhundert gründete ein Klausner namens Walter auf dem Petersberg, der damals Stromberg hieß, eine klösterliche Gemeinschaft. Die Mönche verlegten aber bald ihren Sitz, und auch andere Mönchsorden hielten nicht aus. Doch fand, wie Caesarius von Heisterbach berichtet, noch zuweilen Gottesdienst auf dem Berge statt. Auch heute steht auf ihm ein Kirchlein, das im Jahre 1762 erbaut wurde, und am Peter- und Paulsfesttage pilgern viele Andächtige zu diesem hin. Der Petersberg ist, seitdem er ein prächtiges Hotel und eine Zahnradbahn erhalten hat, gleich dem Drachenfels, vor dem er den Vorzug schattiger Promenaden hat, ein vielbesuchter Punkt geworden. Vor dem Hotel fesseln gewaltige, gerundete Basaltblöcke unser Auge. Vier von ihnen, die übereinander liegen, scheinen von Menschenhand in diese Lage gebracht zu sein. Man hält sie deshalb für den Rest eines megalithischen Denkmals aus vorrömischer Zeit, das den Berg zugleich als eine uralte Kultusstätte kennzeichnen würde. Im Jahre 1879 wurde[S. 151] auf dem Petersberg auch ein noch gut erhaltener germanischer Ringwall festgestellt. Als Zufluchtsstätte bei Kriegszeiten war diese Kuppe des Siebengebirges, weil sie das größte Plateau besitzt, in der Tat am geeignetsten in der ganzen Gegend. Eine mittelalterliche Burg hat dagegen auf derselben nicht gestanden.

Heisterbach.

Am Nordfuße des Petersberges liegt in stiller Waldesruhe die Ruine Heisterbach (Abb. 147), der letzte Rest der herrlichen Abteikirche, die 1809 abgebrochen wurde. Wie wechselten um uns der Landschaft Bilder! Auf dem Drachenfels die alte Kriegsfeste, auf dem Petersberg ein Kirchlein, das nahe der großen Heerstraße des Lebens den Wanderer zu sich ladet, hier ein stilles, weltentlegenes Fleckchen Erde, das sich selbst genügen will und einst den frommen Mönchen auch die Welt war! Gleich jenem Mönch von Heisterbach, der, wie die Sage uns erzählt, nachgrübelnd sich in der Ewigkeit verlor, so ist es auch uns in dieser Waldeinsamkeit, als wenn die Weltenuhr stille uns stände. In dem prächtigen Buchenhochwald umfängt uns Dämmerung am hellen Tage, und des Mittags Hitze wird zu erquickender Kühle. So schwinden uns die Stunden-, die Zeitbegriffe.

Tausend Jahre sind ihm wie ein Tag,
Und ein Tag wie tausend Jahre!
Abb. 165. Ringstraße in Köln. (Zu Seite 173.)

Die Erinnerung an den Mönch von Heisterbach, der, aus seinen Träumen aufwachend, eine neue, um tausend Jahre jüngere Welt um sich sieht und nur aus einer alten Chronik Kunde von sich selbst vernimmt, begleitet uns auf allen Schritten; denn der Sinn dieser Sage wurzelt in der Stimmung der Landschaft. Wer unter frohen Menschen weilen will, wandert hin zum Drachenfels, wer jedoch von des Lebens Hast und Unruhe genesen will, der sucht die Waldesstille von Heisterbach auf. Der Waldesodem haucht neue Kraft in Körper und Geist, und im stillen beginnen wir die klugen Mönche zu bewundern, die sich diese Waldesherrlichkeit im Tale wählten und den Rittern gern die luftige Bergeshöhe[S. 152] ließen. Die Bergeshöhe mit ihrem freien Blick in die Ferne und hinab auf das Leben und Treiben der geschäftigen Menschheit, das stille Tal mit seiner Einsamkeit und Ruhe, mit seinem Alleinsein und Alleinfühlen, das sind die beiden Gegensätze, die, wie in vielen anderen Berglandschaften, so auch im Siebengebirge zu unserer Empfindung kommen, und die uns in jeder Örtlichkeit ihren eigenen Zauber finden läßt, je nach dem Grade, in dem die eine oder die andere Stimmung auf uns wirkt. Die Idylle des Margaretenhofes am Fuße des Ölberges, sowie des Burghofes in Zweidrittelhöhe des Drachenfels und die Stille des Forsthauses an der Löwenburg stimmen unser Herz ähnlich wie die Waldesruhe von Heisterbach. Aber nicht so ganz ist die Stimme des Lebens dort verstummt, und wenn wir emporsteigen und auf den genannten Bergkuppen Umschau halten, so fühlen wir uns Städten und Dörfern, so fern sie auch liegen, den Menschen näher.

Abb. 166. Denkmal Kaiser Wilhelm I. in Köln.
Nach einer Photographie der Neuen Photographischen Gesellschaft in Berlin-Steglitz. (Zu Seite 173.)
Das Siebengebirge.

Es ist vorwiegend das Verdienst des eifrig tätigen Verschönerungsvereins für das Siebengebirge, daß jede Örtlichkeit in dieser herrlichen Landschaft bis heute ihre natürliche Eigenart erhalten hat. Es ist allzeit sein Streben gewesen, die Schönheit des Siebengebirges aufzuschließen, ohne die Naturstimmung der Landschaft irgendwie zu beeinträchtigen. Schöne Landstraßen, von denen die eine rings um das eigentliche Siebengebirge führt, die beiden anderen es vom Margaretenhof am Ölberg zum Rhein hin durchqueren, lassen alle schönen Punkte auch zu[S. 153] Wagen leicht erreichen. Aber der Fußgänger braucht nicht überall ihnen zu folgen. Wo sie schattigen Wald durchschneiden, zweigen sich wohlgepflegte Waldwege ab, auf denen es sich herrlich wandert, und der Wanderer fühlt dort sich näher der Natur, den Blumen und Gräsern, den Bäumen und Sträuchern, dem Kuckuck, dessen Ruf ertönt, und der Nachtigall, die dicht neben uns plötzlich ihren schmetternden Schlag anstimmt. Eine andere Sorge des Verschönerungsvereins war darauf gerichtet, den Betrieb der Steinbrüche, die tiefe Wunden in die Bergkuppen rissen und einigen die Schönheit völlig zu rauben drohten, einzuschränken oder durch Ankauf gänzlich zum Stillstand zu bringen. Durch Bewilligung einer Lotterie zur Erhaltung des Siebengebirges sind dem Verein die Mittel gewährt worden, seine gemeinnützigen Bestrebungen in größerem Umfange zu verwirklichen. Durch Ankauf von Gelände soll auch einer weiteren Besiedelung, besonders auch einer Bebauung mit Villen vorgebeugt werden. Denn ein verborgenes Heiligtum der Natur sei diese Landschaft, das nicht ein Opfer werde der menschlichen Habsucht und nicht entweiht vom Menschenhader. Drum Dank den Männern, die an der Rettung und Verschönerung des Siebengebirges, der Perle des Rheinlandes, mitgewirkt haben. Dank auch der preußischen Staatsbehörde, die durch Genehmigung der Siebengebirgs-Lotterie die Bestrebungen des Verschönerungsvereins so wirksam unterstützte und für die Erhaltung der wenigen Ruinen, die vom Kulturschmucke früherer Jahrhunderte in dieser Landschaft übriggeblieben sind, Sorge trug. Gewaltige Schutzmauern stützen den alten Bergfried auf dem Drachenfels, und demnächst sollen auch die geringen Burgreste auf der Löwenburg vor weiterem Verfall geschützt werden. Von anderen Burgen, so von der Wolkenburg, die einst, im zwölften Jahrhundert, den Juden bei einer Verfolgung als Zufluchtsstätte angewiesen wurde, ist kein Stein mehr vorhanden, und riesige Schutthalden, von früherem Steinbruchbetrieb herrührend, verunstalten den Berg dieses Namens. So führt derselbe abschreckend uns vor Augen, was frühere Zeiten gefrevelt haben am schönen Bilde der Natur, und mächtig hallt die Mahnung der Dichterin Fanny Stockhausen in uns wider:

Rheinland, steh’ auf! Laß keinen Stein
Dir mehr von deinen sieben Bergen brechen,
Und laß die kühle Prosa nicht hinein
Dir sprechen!
Rheinland steh’ auf und halte stand
Zum Schutze deiner siebenzack’gen Krone,
Daß sie des unbedachten Frevlers Hand
Verschone!
Und standst du auf, ihr Schutz zu sein,
Muß dir dein herrlich Rettungswerk gelingen;
Welch einen frohen Dank wird dir dein Rhein
Dann singen!
Entstehung des Siebengebirges. Das Siebengebirge zur Tertiärzeit.

Wie wir, versunken in die Schönheit des Siebengebirges, freudig dem plaudernden Quell der Sage und Geschichte lauschten, so wollen wir gerne auch dem forschenden Geiste folgen, der uns in das Werden dieses schönen Landes einweihen möchte. Nicht immer standen die sieben Berge so stolz und so schön. Verhältnismäßig jung ist ihr Alter. Als der Boden des Rheinischen Schiefergebirges längst gebildet und der größte Teil desselben emporgetaucht war aus den Wasserfluten des Meeres, auf dessen Grunde es sich abgelagert hatte, da wälzten sich über die Gegend des Siebengebirges mächtige Ströme. Große Massen von Ton, Quarzsand und Kieselgeröll lagerten sie ab, und in Buchten bildeten sich die Ablagerungen der Braunkohle. Nach dieser, für den menschlichen Haushalt so wichtig gewordenen Bildung bezeichnet man jene Ablagerung mit einem allgemein verständlichen Worte als Braunkohlenformation. Sie gehört der Tertiärzeit an. Im Siebengebirge ist sie besonders im Nordwesten verbreitet. Nördlich von Königswinter erstreckt sie sich ostwärts weit in dasselbe hinein, bis über den Wintermühlenhof hinaus reichend. In der Nähe dieses Hofes treffen wir namentlich Lager von weißlich gefärbtem Quarzit an. Beim Zerschlagen dieses etwas[S. 154] schiefrigen Gesteins kommen häufig Abdrücke von Blättern zum Vorschein, von Lorbeer, ferner von Palmen und Myrte. So sind uns die Spuren einer einst im Rheinland heimischen Pflanzenwelt erhalten, die heute nur noch in viel südlicheren Ländern vorkommt. Die Funde beweisen, daß im Rheingebiet zur Tertiärzeit ein wärmeres Klima herrschte.

Abb. 167. Madonna im Rosenhag.
Dem Meister Stephan von Köln zugeschriebenes Tafelgemälde im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln. (Zu Seite 173.)
Gesteine des Siebengebirges.

In der Zeit, in der die Braunkohlenlager entstanden, oder etwas später begann auch die vulkanische Tätigkeit im Siebengebirge. Als die ältesten vulkanischen[S. 155] Auswurfsmassen sind die trachytischen Tuffe festgestellt worden, die man eine lange Zeit, weil sie die anderen überlagern, für die jüngsten hielt. Zwei Tatsachen haben bei der Beweisführung hauptsächlich die Entscheidung gebracht. In einer Schlucht im Siebengebirge, die den Namen Hölle führt, erblicken wir an mehreren Stellen in den senkrecht aufsteigenden, gelblich gefärbten Tuffwänden Adern einer anderen Gesteinsmasse. Eine von ihnen ist mit Basalt angefüllt, der von unten emporgequollen sein muß. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß letzteres erst nach Ablagerung des Tuffs geschehen sein kann. Dieser ist also älter als der Basalt. Ferner sehen wir in einer nördlichen Vorkuppe des Siebengebirges, in dem Großen Weilberg, der sich durch seine schönen Säulenbasalte auszeichnet, daß die Tuffhülle, in der der Basalt stecken blieb, an der Berührungszone mit diesem eine rötliche Färbung angenommen hat, eine Folge der Hitze, die der emporgequollene Basalt entwickelte. Wäre der Trachyttuff erst nach diesem, also auch nach dessen Erkaltung abgelagert worden, dann hätte die Feuerwirkung nicht stattfinden können. Hierdurch wird allerdings wiederum nur bewiesen, daß der Trachyttuff älter als der Basalt ist, das Altersverhältnis zu dem Trachyt, der im Siebengebirge ebenfalls sehr viel verbreitet ist, dagegen nicht berührt. Man nimmt an, daß aus Ausbruchsstellen, die heute nicht mehr nachgewiesen werden können, zuerst ein starker Auswurf von Trachyttuff stattfand, daß dann die Trachytgesteine und zuletzt die basaltischen Gesteine hervorquollen.

Der Trachyttuff bedeckte einst wohl das ganze Gebiet des Siebengebirges. In größerer Mächtigkeit lagert er jetzt noch bei der Hölle, die sich als eine echte Cañonschlucht durch die Tuffdecke gebildet hat und mit dem ebenfalls tief eingeschnittenen Nachtigallental zusammenstößt, ferner am Kühlsbrunnen und an der Ofenkaule. Der Quarzit am Wintermühlenhof wird vom Trachyttuff überlagert, ein Beweis, daß die vulkanische Tätigkeit im Siebengebirge erst nach seiner Ablagerung begann.

Abb. 168. Das Hahnentor in Köln. (Zu Seite 173.)

Die Trachyte des Siebengebirges sind von verschiedener Beschaffenheit. Der Trachyt des Drachenfels hat keine Hornblende, dafür Feldspat, der auch in Form von schönen, großen Sanidinkristallen dem Gestein eingeschlossen ist. Diese Kristalle, deren Glitzern sofort auffällt, machen den Drachenfels-Trachyt als Baustein minderwertig. Am Kölner Dom, bei dessen Bau er verwendet wurde — der Domsteinbruch befand sich an der Südwestseite des Drachenfels — zeigte es sich, daß die Sanidinkristalle ausgewittert waren, wodurch besonders der Bildhauerschmuck sehr gelitten hatte. Infolgedessen wurde bei der Fortführung des Dombaues kein Trachyt mehr verwandt. Aus echtem Trachyt bestehen auch die Kuppen des Lohrberg, Schallenberg und Geisberg. Am Kühlsbrunnen im Rhöndorfer Tal kommt ein Trachyt vor, der fast nur aus Sanidin besteht,[S. 156] aber keine Sanidinkristalle ausschließt. Es ist dies die einzige Fundstelle eines solchen Trachyts in ganz Nordeuropa. Von ganz anderer Beschaffenheit ist das trachytische Gestein der Wolkenburg. Es ist ein Hornblende-Trachyt oder Andesit, benannt nach den Anden in Südamerika. Die Hornblende bildet oft schöne schwarze Kristalle. Aus Andesit bestehen außerdem noch die Breiberge, der Hirschberg, die Rosenau und der Stenzelberg.

Auch der im Siebengebirge vorkommende Basalt ist nicht gleichartig. Die mächtigsten und die höchsten Kuppen bestehen aus diesem Gestein, aus echtem Basalt der Ölberg, der Petersberg, der Nonnenstromberg und zahlreiche nördliche und südliche Vorberge, aus Dolerit, einer Abart des Basaltes, die Löwenburg.

Abb. 169. Hauptpostamt in Köln. (Zu Seite 173.)

Es ist eine Eigenart des Siebengebirges, daß die Trachyt- und Basaltausbrüche nicht in Form von Lavaströmen, die in der Eifel so zahlreich sind, erfolgten. Nur auf der Oberkasseler Heide nördlich vom Weilberg wurden Lavaströme nachgewiesen. Im eigentlichen Siebengebirge dagegen blieben Trachyte und Basalte in der Devon- und Tuffdecke stecken. Von den schönen Formen der Bergkuppen war damals noch nichts zu sehen. Allmählich wurde die Tuffhülle von den Gewässern weggetragen. Es bildeten sich Talfurchen, und stolz traten die bloßgelegten Kuppen heraus, das Bild der Landschaft mit der Schönheit schmückend, die wir heute an ihm bewundern.

Das Siebengebirge.

Die Zahl der Kuppen ist nicht sieben, wie es der Name „Siebengebirge“ vermuten läßt, sondern viel größer. Die „Sieben Berge“, die man in der Kölner Gegend, in einer Reihe liegend, mit dem Drachenfels auf der einen und dem Großen Ölberg auf der anderen Flanke, sieht, und von denen das Gebirge, von dieser Gegend aus, seinen Namen erhielt, sind nicht einmal die sieben höchsten, wie folgende Zusammenstellung der bedeutendsten Kuppen, in der die „Sieben“ durch ein Sternchen bezeichnet sind, erkennen läßt:

*Großer Ölberg464m
*Löwenburg459
*Lohrberg440
*Nonnenstromberg337
*Petersberg334
Geisberg329
*Wolkenburg328
*Drachenfels325
Rosenau324
Großer Breiberg318
Hirschberg255

[S. 157]

Wenn wir die Rangordnung nach der Höhe träfen, so würde also der Drachenfels nicht einmal zu den „Sieben Bergen“ gehören. Doch wenn wir ihn aus der stolzen Berggemeinschaft herausstoßen wollten, die Wogen des Rheins würden wild aufbrausen, und die Sage würde fliehen aus diesem Land, wo nicht der Prosa kaltes Licht, sondern das Farbenreich der Poesie das Gold der Berge malt.

VIII. Die Eifel.

Die Eifel.

Unter „Eifel“ versteht man in geographischem Sinne das Gebirgsland nördlich von der Mosel und westlich vom Rhein, also den nordwestlichen Flügel der großen Gebirgsscholle des Rheinischen Schiefergebirges. So sagen die Geographen und die geographischen Lehrbücher, denen man ja alles glauben soll. Reist man aber durch die Eifel, so fragt man in vielen Gegenden vergeblich nach einem Lande, das so heißt, und mancher ist von einer vieltägigen Eifelreise zurückgekehrt und, nach den Versicherungen der Bewohner, nicht in der Eifel gewesen. „Die Eifel ist noch weit,“ so hieß die Rede, und immer war sie noch weit. Eigentlich haben die Bewohner vollständig recht, wenn sie sich gegen einen Namen sträuben, der so wenig für das Ganze paßt, nach der Nebenbedeutung, die ihm von seinem Heimatlande anklebt. Ursprünglich bezeichnete man mit dem Wort „Eifel“ nur einen kleinen Bezirk im Umkreise der Stadt und früheren Abtei Prüm. Eine Schenkungsurkunde Pippins aus dem Jahre 762 redet von dem „pagus Eflinsis“, dem Eifelgau. Der Name soll von dem keltischen Worte ap, das dem lateinischen Worte aqua entspricht und also Wasser heißt, herkommen. Danach würde Eifel soviel als Wasserland oder Land der Quellen bedeuten. In der Tat ist die Gegend von Prüm reich an Gewässern, und etwas nördlicher liegt das Quellgebiet der meisten größeren Eifelbäche. Im Volke aber lebt dieser ursprüngliche Sinn des Wortes nicht fort. Unter „Eifel“ versteht es ein rauhes und ödes Gebirgsland mit langem und kaltem Winter und kurzem Sommer, wo nur wenig Getreide gezogen werden kann und in manchen Jahren die Ernte nicht zur vollen Reife gelangt, wo die Bewohner also arm sind, kurz, wo man nicht gern leben möchte. Arm sind auch in Wirklichkeit viele Gegenden der Eifel. Die Notstände, welche vor Jahren wiederholt herrschten und ein Eingreifen des Staates nötig machten, haben die wirtschaftliche Lage der Bewohner in einem düstern Lichte gezeigt. Dies erklärt noch mehr, warum man sich in den reicheren Nachbargegenden der eigentlichen Eifel gegen die Übertragung dieses Namens sträubt. Indem aber die schreiende Not des armen Eifelvolkes die Blicke der Behörden und auch weiter Kreise der rheinischen Bevölkerung auf ein Land lenkte, von dem fast jeder nur unsichere Vorstellungen und unklare Begriffe hatte, begann sich das Interesse zu regen, die Eifel besser kennen zu lernen. Es bildete sich der Eifelverein, der besonders unter der Leitung des verstorbenen Direktors Dronke sowohl in touristischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht segensreich wirkte, der Bau von Eisenbahnen erleichterte das Reisen, und so ward die „verschriene Eifel“ ein Touristenland. Ungeahnte Schönheiten lernte man kennen. Gar viele lernten die Eifel lieb gewinnen, und viele kehren alljährlich im Sommer oder Herbst zurück in dieses Land, wo das Auge gebannt ist von den merkwürdigen Spuren, die die vulkanische Tätigkeit hinterlassen hat, wo es sich erfreut an des Waldes Pracht und an dem hellen Grün der Wiesen, und wo der Küchenzettel noch oft die leckere Forelle, die in den klaren Gewässern spielt, für das Mahl verheißt. Und selbst die öde Eifelheide mit ihrer Melancholie und mit ihrem Purpurkleide, wenn die Heide blüht, hat ihre Bewunderer gefunden. In dieser kurzen Darstellung kann nicht ein vollständiges Bild des weiten Gebietes, das man heute geographisch Eifel nennt, gezeichnet werden. Es kann nur versucht werden, die charakteristischsten Züge dieses Bildes wiederzugeben.

[S. 158]

Vulkane der Eifel.

Für den Wanderer, der das Rheintal als Reiseroute wählt und von ihm aus die Eifel besuchen will, kommt zunächst die Vordereifel, auch vulkanische Eifel genannt, in Betracht. Es ist ein eigenartiges Land, voll von Wunderwerken der Natur, die unser Auge fesseln und unsern Geist bannen. Wir schauen stolze Bergkuppen, deren Scheitel hoch gewölbt ist, und echte Kraterberge, die einen vertieften Kraterschlund umschließen. Wir stehen sinnend vor den kleinen Seen, den Maaren, deren Wasser den früheren Feuerschlund ausgefüllt hat, und verfolgen den Lauf des Lavastromes, der einst aus dem Krater als ein zäher Feuerschleim hervorquoll und sich hinab in die Täler ergoß, so daß die Bäche vielfach ihre Kraft mit dem harten Gestein messen müssen. Und nicht nur in der Nähe der vulkanischen Ausbrüche schreitet unser Fuß über vulkanische Asche, sondern oft auch in weiter Entfernung von diesen. Alles deutet auf eine umfangreiche einstige vulkanische Tätigkeit hin. Im Geiste hören wir das dumpfe Dröhnen des Erdbodens. Er zittert von den Spannungen der Gase, die mit Gewalt einen Ausgang suchen. Die Wellen der Erdbeben durchlaufen das Land. Wir sehen den Feuerschein der Krater, der diese Höllenlandschaft einst beleuchtete, umdüstert von dem qualmenden Rauch und farbig umspielt von den brennenden Gasen, die dem Kraterschlund entstiegen. Wie Raketen fliegen durch den Aschenregen glühende Felsbrocken höher empor, prasselnd fallen sie nieder, und in der Aschenhülle finden wir sie wieder als rundliche, schwärzlich gefärbte Steinkugeln, Bomben genannt, die bald die Größe nur eines Taubeneies, bald die eines Menschenkopfes haben. Immer höher wölbte sich der Aschenkegel. Die Jahrhunderte oder Jahrtausende trugen ihn wieder zum Teil ab. Der Vulkan stellte seine Tätigkeit ein, sein Feuerschlund erkaltete. Noch lange aber blieb seine Umgebung eine Stätte des Todes, bis allmählich die Pflanzenwelt den schwarzen Boden sich eroberte. Nun lacht überall, wo Totenstarre war, die grüne Farbe des Lebens, üppige Wälder, Wiesen und Felder schmücken Berg und Tal, und nur der sinnende Geist des Menschen lebt noch, beim Anblick des vulkanischen Bodens, in der grauen Vorzeit, in der die Vulkane der Eifel entstanden.

Es gibt in der Eifel zwei vulkanische Hauptlinien, eine westliche und eine östliche, auf denen zahlreiche Vulkanberge, sowohl Vulkankuppen als auch echte Kraterberge und Maare, geordnet sind. Manche Vulkanberge liegen auch auf Querlinien. Die westliche vulkanische Hauptlinie beginnt bei Bertrich in der Nähe der Mosel mit der Falkenlei. Sie streicht in nordnordwestlicher Richtung über Daun und Hillesheim und endet erst in der Schneifel (= Schnee-Eifel), wo noch der Goldberg liegt. Zwei wichtige vulkanische Querlinien auf dieser Hauptlinie sind die von Manderscheid und Gerolstein-Birresborn. In diesen Gegenden erreicht das westliche Vulkangebiet eine bedeutende Breite. Am dichtesten drängen sich die Vulkanberge zwischen Daun (Abb. 148), Gerolstein und Hillesheim zusammen, wo wir ein schönes Bergland vor uns zu sehen glauben. Als die höchste Kuppe ragt dort der 700 m hohe Ernstberg auf. Sehr zahlreich treffen wir die merkwürdigen Kraterseen, in der Eifel Maare genannt, an. Man hält sie für Vulkane, die früh zur Ruhe gekommen sind, ehe ihnen als ein feuriger Teig Lava entquoll, die sich bei anderen Vulkanen entweder zur Kuppe aufwölbte, wenn sie in der Aschenhülle stecken blieb, oder sich als ein Lavastrom hinabwälzte in die Täler, ehe sie völlig erstarrte. Sehr verschieden ist das Bild der Maare. Das Pulvermaar bei Gillenfeld ist von hohen Kraterwänden, die mit schönen Buchen bewachsen sind, umgeben. Lieblich blinkt uns der Seenspiegel aus dem Grün der Landschaft entgegen. Ein lachendes Bild des Lebens dort, wo einst Feuersglut alles Leben auslöschte! Ein völlig anderes Bild zeigt das Weinfelder Maar. Die düstern Schatten des Todes gleiten über dasselbe. Kein Leben, kein Pflanzenschmuck, kein Laut! Todesruhe! In der Nähe von Daun, wo das Weinfelder Maar liegt, treffen wir noch das Schalkenmehrener (Abb. 149) und Gemündener Maar an. Von anderen bekannten Maaren im westlichen[S. 159] Vulkangebiete der Eifel sei noch das Meerfelder Maar bei Manderscheid genannt. Einige von ihnen, wie das Pulver-, Weinfelder und Gemündener Maar, haben keinen, wenigstens keinen sichtbaren Zu- und Abfluß. Auf den gleichen Ursprung wie die Maare führt man auch zahlreiche Kesseltäler der Eifel zurück.

Abb. 170. Vom Kölner Karneval. Der Wagen „Kölner Bauer mit Jungfrau“ (links) und „Wolkenwagen des Prinzen Karneval“ (rechts) auf dem Festzuge des Jahres 1901.
Nach einer Photographie von Ad. Fischl jun. in Köln. (Zu Seite 174.)

Die östliche vulkanische Hauptlinie, die ebenfalls in fast nördlicher Richtung verläuft, läßt sich von Winningen an der Mosel bis in die Ahrgegend südlich von Ahrweiler verfolgen. Den Rodderberg, einen Vulkan mit schwacher Kratermulde, der bei Rolandseck unmittelbar am Rhein aufsteigt, kann man schon zum Vulkangebiet des Siebengebirges rechnen. Den Hauptherd der vulkanischen Tätigkeit[S. 160] bildet im östlichen Vulkangebiete der Laacher See. An seiner Stelle befand sich einst ein riesiger Kraterschlund. Etwa 40 Lavaströme nahmen von ihm ihren Ausgang. Ungefähr ebenso groß ist die Zahl der Vulkanberge, die in der Umgegend des Laacher Sees liegen. Dieser selbst ist von sechs Kraterbergen malerisch umgeben, von denen der Laacher Roteberg (510 m), der Laacherkopf (460 m) und der Krufter Ofen (453 m) die höchsten sind. Letzterer ist der bekannteste und besuchteste.

Der Laacher See.

Durch üppigen Wald steigen wir zum Krufter Ofen hinan. Auf seinem Gipfel entfaltet sich uns ein prächtiger Rundblick auf die schöne Landschaft. Hell blinkt der Wasserspiegel des Sees, dunkel umsäumen ihn die waldigen Berge, und ihr Spiegelbild taucht tief hinab in die Fluten. Am Südende des Sees, wo der hohe Rahmen der Berge sich etwas verflacht, ergänzt ein herrliches Bauwerk, die prächtige Abteikirche des Benediktinerklosters Laach (Abb. 150), die formenschöne Landschaft. Wenden wir uns aber von diesem Bilde ab zur anderen Seite des Gipfels, so blicken wir hinab in den früheren Kraterschlund des Krufter Ofen. Aber kein Bild des Todes ist’s, das wir da schauen. Wald, üppigster Wald hat die frühere Feuerstätte erobert, und wo einst das düstere Grauen wohnte, dort lacht jetzt Pflanzengrün. Muntern Schritts eilen wir hinab, wo der See uns winkt. Er ist kreisrund, 3,3 qkm groß und in der Mitte 53 m tief. Sein Durchmesser beträgt 2732 m, und zwei Stunden müßten wir wandern, um ihn zu umkreisen. Das zweitgrößte Eifelmaar, das Pulvermaar, ist nur ⅒ so groß. Wie stimmungsvoll paßt die Benediktinerabtei Laach zu der Stille der Landschaft, zu der Ruhe des Sees und dem Schweigen des Waldes! Die schöne Abteikirche, in edlem romanischen Stile erbaut, stammt aus dem Jahre 1156. Sie ist mit einer Kuppel und fünf Türmen geschmückt. Die zierliche Vorhalle wurde 1859 neu hergestellt. Die Ornamentik an den Säulenkapitälen ist überaus fein und sorgfältig ausgeführt (Abb. 151). Der sehr schöne, in romanischem Stile gehaltene Hochaltar wurde vom Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1899 geschenkt.

Abb. 171. Remscheid.
Nach einer Photographie im Verlag von Herm. Krumm in Remscheid. (Zu Seite 175.)

Nach kurzem Aufenthalt wandern wir weiter. Der Hohe Gänsehals ist unser Ziel. Von der Waldespracht des Laacher Sees müssen wir bald Abschied nehmen. Einförmig liegt das Land in seinem düstern, dunkelgrauen Ton vor uns. Es ist Aschenboden, über den wir wandern. Hier und da eine Halde, der die Bewohner von der schwärzlichen Asche entnehmen. Von zahlreichen kleinen und größeren[S. 161] Bomben ist die Aschenmasse durchsetzt. Mäßig hohe Berge, Vulkanberge, wölben sich aus der kahl und daher so tot erscheinenden Landschaft heraus. Auch der Gänsehals, der dort vor uns aufsteigt, hat nur eine geringe relative Höhe. Dennoch bietet er als höchster Punkt der Gegend (591 m hoch) — und besonders der auf ihm errichtete Aussichtsturm — einen umfassenden Rundblick dar, nach Osten über das waldgeschmückte Gebiet des Laacher Sees, dessen Spiegel hell aufblitzt, und nach Nordwesten über die stolzen Basaltkuppen der Hohen Eifel.

Abb. 172. Kaiser Wilhelm-Brücke bei Müngsten.
Nach einer Photographie im Verlage von Herm. Krumm in Remscheid. (Zu Seite 175.)
Gesteine der Eifel.

Eine große Verbreitung haben in dem östlichen Vulkangebiet der Eifel die Schlackentuffe. Drei Arten derselben sind zu unterscheiden, nämlich basaltische, die in der Umgebung fast eines jeden Eifelvulkans vorkommen, zweitens basaltartige, nämlich Leucitphonolithtuffe, die eine große Verbreitung westlich vom Laacher See haben, und drittens trachytische, die namentlich im Brohltal, wo die Traßgewinnung ein wichtiger Industriezweig geworden ist, verbreitet sind. Als Auswurfsmasse der Vulkane der östlichen Eifel ist ferner noch der Bimssand zu nennen. Er ist eine leichte, durchlöcherte Asche von weißlicher Farbe. Die Vulkanherde im Umkreise des Laacher Sees bedeckten mit ihm, ehe sie völlig erloschen, meilenweit und viele Meter hoch das Land. Bis Moselkern, Boppard, Mayen und Brohl lagern die Bimssandsteinschichten, allein auf der linken Rheinseite ein Gebiet von etwa 800 qkm bedeckend. Doch auch auf der rechten Rheinseite sind sie noch weithin verbreitet. Sie bilden die Grundlage einer wichtigen Industrie, der Bimssandsteinziegelei. Der Bimssandstein wird zerkleinert und dann mit Kalkmilch angemengt. Aus dieser Masse werden große Ziegelsteine geformt, die sich durch ihre Leichtigkeit und eine geringe Beeinflussung durch den Witterungswechsel auszeichnen. Namentlich zwischen Andernach und Coblenz, in der Nähe der Orte Weißenturm und Urmitz, sind große Ziegeleien angelegt worden, die man auf der Fahrt mit der Eisenbahn sehen kann. Ein schon älterer Industriezweig ist die Lavagewinnung bei Niedermendig. Schon die Römer brachen dort ihre Mühlsteine. Da die Lava von einer 15 bis 20 m mächtigen Schicht Sand, Bimsstein und Löß bedeckt ist, mußten die Steinbrüche unterirdisch angelegt werden. Auch die oberste Schicht der Lavamasse mußte noch durchbrochen werden, weil sie ein minderwertiges Gestein liefert. Das darunter anstehende Gestein bildet Pfeiler, von den Arbeitern Stämme genannt, von 1½ bis 2 m Stärke.[S. 162] Durch den jahrhundertelangen Betrieb der Steinbrüche sind große Hohlräume entstanden. Labyrinthartig verzweigen diese sich im Innern der Erde. Eine niedrige, fast das ganze Jahr sich gleich bleibende Temperatur herrscht in ihnen. Viele werden wegen dieser wertvollen Eigenschaft als Bierkeller benutzt, und ein blühendes Bierbrauereigewerbe, das diese Gunst ausnutzt, hat sich in Niedermendig entwickelt.

Abb. 173. Solingen.
Nach einer Photographie im Verlag von Jul. Tückmantel & Söhne in Solingen. (Zu Seite 175.)
Hohe Eifel.

Von der eigentlichen vulkanischen Vordereifel wollen wir hiermit Abschied nehmen. An sie schließt sich nach Norden die Hohe Eifel, nach Nordwesten die Schneifel an, an die sich wieder als viertes Glied das Hohe Venn (= Sumpfland) gliedert. Diese sind die höchstgelegenen Gebiete des weiten Gebirgslandes, zu denen die Vordereifel gleichsam nur das Vorland zum Rhein und zur Mosel hin bildet.

Die jetzigen höchsten Bodenwellen der Eifel entsprechen nicht mehr ihren früheren Hauptgebirgszügen, die sich bei ihrer Auffaltung gebildet hatten. Wie bei allen stark abgetragenen Gebirgen haben wir in ihnen die härteren Reste des Gebirgsbodens zu erblicken. Wieder war es, wie beim Hunsrück, der harte Quarzit, der der Verwitterung am meisten widerstand. Aus ihm besteht z. B. der Rücken der Schneifel, der früher zweifellos von der jetzt etwa 100 m tiefer gelegenen Wasserscheide des Losheimer Waldes überragt wurde, ferner ein Höhenzug, der sich südlich von Gerolstein nach Nordosten auf Kelberg zu erstreckt, und der Kandelwald, dessen Rücken südlich von Bertrich in der Nähe der Mosel aufsteigt. Die übrigen Gesteinsschichten, die in der Eifel viel verbreitet sind, wie Schiefer, Grauwacke, Kalke, Mergel und Buntsandstein, sind sehr gleichmäßig verwittert, woraus sich das einförmige Oberflächenbild der meisten Eifelgegenden erklärt. Die stolzen Bergkuppen, die die Hohe Eifel trägt, sind vulkanischen Ursprungs, wie die Basaltkuppen der Hohen Acht (760 m), die die höchste Erhebung der Eifel bildet, des Steinberg (670 m), des zweigipfligen Kelberg (670 m), des Aremberg (623 m), dessen mächtige Gestalt an der oberen Ahr aufsteigt, und des Michelsberg (556 m) bei Münstereifel, der als die bedeutendste Erhebung am nördlichen Eifelrande einen prächtigen Rundblick über das Vorland, über die vorgelagerte reiche Ebene bis hin zu den stolzen Kuppen des Siebengebirges und zu den hohen Türmen des Kölner Doms darbietet. In der ganzen Eifel beträgt die Zahl der Basaltkuppen 210. Ohne sie und die Kraterberge würde das Eifelland überall so einförmig wie die Hochflächen der Schneifel und des Hohen Venn sein, und nur in den Tälern könnten wir landschaftliche Schönheit suchen. Nur stellenweise ist das auf weiten Strecken also recht eintönige Oberflächenbild der[S. 163] Eifel durch Waldesschmuck, der Wechsel und Leben in die Landschaft bringt, verschönert. Einst war sie fast in allen ihren Teilen waldreich. Durch törichte Waldverwüstung wurde sie wie so viele Länder ihres schönen Waldkleides größtenteils beraubt. Größere Reste desselben sind noch der Losheimer Wald, die Wälder der Schneifel, der herrliche Kermeter bei Schleiden in der nördlichen Eifel, sowie die Wälder des Laacher See-Gebiets und am Mittellauf der Kyll. In den höher gelegenen Gegenden der Eifel hatte die Waldverwüstung eine schlimme Wirkung zur Folge. Da das Klima für den Anbau zu ungünstig ist, verfielen weite Strecken Landes dem Zustande der öden Heide. In manchen Eifelkreisen nimmt das Ödland drei Viertel der Bodenfläche ein.

Eifellandschaft.

In trauriger Öde liegt das Land vor uns. Heide, soweit das Auge reicht! Nur der Naturfreund findet, daß auch dieses Land seine Schönheit und seinen Zauber hat. Im Spätsommer kleidet sich die düstere Heide mit ihrem Purpurmantel. Das Heidekraut bildet dann einen großen Blütenteppich. Dazwischen erscheinen hie und da auch wohl eine verkrüppelte Kiefer, Fichte, Lärche, Birke oder niedriges Wacholdergesträuch. Die Ruhe erzählt vom Gottesfrieden in der Natur. Bunte Falter flattern von Blume zu Blume, das Geräusch von Tausenden von Bienen summt an unser Ohr, und über den Boden eilen geschäftig zahlreiche Käfer. Nach dem Menschen suchen und fragen wir nicht in dieser Einsamkeit. Doch dort steigt ein leichter Rauch auf. Er verrät eine menschliche Hütte, ein ärmliches Heim, worin die Entbehrung wohnt. Die Heide vermag nur die Bienen, keine Menschen zu ernähren. Nur für den Schäfer, der einsam mit seiner Herde dahinzieht, die die wenigen Grasbüschel sucht, blieb hier noch Raum. Auch er ist inmitten seiner folgsamen und schweigsamen Herde ein Bild des Friedens und der Ruhe. Tagaus, tagein zieht er hinaus auf die braune Eifelheide. Doch wenn der Winter kommt, wenn wild der eisige Schneesturm heult, dann wagt auch er sich nicht mehr hinaus. Wehe dem Wanderer, der dann den verschneiten Weg verfehlt und verlassen umherirrt auf der Heide! Mit fahlem Glanze bricht der Mond durch die schwarzen Wolken durch und bescheint ein Leichentuch, das den verirrten Wanderer unter sich begrub. Ein Grab im Schnee!

Abb. 174. Schloß Burg an der Wupper. (Zu Seite 178.)

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Eifelbilder. Das Vorgebirge.

Noch manche Schönheiten zeigt uns die Eifel, wenn wir von den Hochflächen des Landes hinabsteigen in die Täler, die nach allen Seiten, zum Rhein, zur Mosel und zur Maas hin rinnen. In neuester Zeit ist besonders der durch den Bau der Urft-Talsperre (Abb. 152) geschaffene künstliche See bei Gemünd ein beliebtes Reiseziel geworden. Viel gepriesen wird auch das waldgeschmückte Kylltal, dem auf weiter Strecke die Eifelbahn folgt. Gerolstein (Abb. 153) und Kyllburg (Abb. 154) gelten als Glanzpunkte der Eifel. Manderscheid (Abb. 155) mit seinen beiden schöngelegenen Burgen und seinem steil aufragenden Mosenberg möchte ihnen im Liesertal den Rang streitig machen. Alle drei Orte werden im Sommer viel besucht. In den großen Gasthöfen, die dort entstanden sind, nehmen zahlreiche Familien längeren Aufenthalt. Noch größer ist die Zahl der durchreisenden Touristen, die nur in flüchtiger Reisestunde die Schönheiten dieser Punkte würdigen können. Locken sie doch noch so viele andere Schönheiten des Landes. Versteckt im Eltztale liegt die Burg Eltz (Abb. 156 u. 157), eine der wenigen rheinischen Burgen, die bei den Raubkriegen der Franzosen der Zerstörung entgingen. Das Nettetal prangt in der Schönheit seiner Wälder, es grüßt sein munteres Flüßchen die schön gelegene Stadt Mayen, und weiter unterhalb mißt dasselbe seine Kraft, wo die viel besuchte Rauscher Mühle liegt, an einem mächtigen Lavastrom, der in sein Bett hinabgeflossen ist, und über dessen Felsmassen es in Wasserstürzen hinabrauscht. Freundliche Bilder entfaltet auch das Brohltal, durch das uns auf der Rückwanderung vom Laacher See der Weg führt, und Eigenartiges bietet es zugleich. Wir grüßen die Ruine Olbrück, uns begleiten die hohen Tuffwände, in denen schon die Römer wühlten, um wertvollen Mörtel für ihre Bauten, besonders für Wasserbauten, zu gewinnen, und in dem Örtchen Burgbrohl sehen wir Kohlensäure dem vulkanischen Boden entsteigen, deren Gewinnung eine neue Industrie ins Leben gerufen hat. Endlich das Ahrtal! Dort weht schon Rheinluft. Darum folgten wir ihm schon auf einer früheren Wanderung.

IX. Die Kölner Bucht und das Bergische Land.

Wer von Bonn aus die Rheinfahrt nach Köln fortsetzt, bemerkt, wie die Höhen, die bis dahin so malerisch die Ufer schmückten, sich immer mehr von diesen entfernen. Zwischen niedrigen, doch nicht völlig flachen Ufern wälzt der Strom, der schon oberhalb Bonn zu einer stattlichen Breite angewachsen war, seine Fluten dahin. Vom obersten Deck des Dampfers können wir über das Land frei hinwegschauen. Eine schöne Ebene, die geographisch gewöhnlich als Kölner Bucht bezeichnet wird, dehnt sich zu beiden Seiten des Stromes aus, begrenzt im Westen und Osten von niedrigen Höhen, die anfangs von ihm etwa 5, weiter nach Norden etwa 10 km entfernt sind.

Von der Fruchtfülle, den wogenden Getreidefluren des Kölner Landes erhalten wir ein besseres Bild, wenn wir die Reise von Bonn nach Köln statt zu Schiff mit der Eisenbahn machen. In unmittelbarer Nähe des Vorgebirges fahren wir vorbei. Ein Kranz von blühenden Ortschaften säumt dessen Fuß, deren Bewohner einen ausgedehnten Gartenbau, Obst-, Gemüse- und Blumenzucht betreiben. Wenn im Frühjahr die Obstblüte beginnt, dann entfaltet dieser östliche Abhang des Vorgebirges, den man den großen Küchengarten von Köln und Bonn nennen könnte, ein Bild seltener Pracht und Anmut. Die sanftgeneigten Abhänge sind mit Tausenden von großen Blütensträußen geschmückt, die bald dichter stehen und zu einem weißen Blütenmeer verschmelzen, an anderen Stellen mehr einzeln sich aus dem jungen Grün herausheben. Das ist die Zeit, wo die Bonner, die Kölner in Scharen besonders nach dem in einer Einbuchtung des Höhenzuges so sonnig gelegenen Alfter strömen, teils um sich an der Blütenpracht zu ergötzen, teils auch — und manche soll das mehr noch locken — um den ersten Spargel zu kosten.[S. 165] Auch das Städtchen Brühl, wo sich ein Kaiserliches Schloß, das 1725 bis 1728 durch den Kölner Kurfürsten Clemens August erbaut wurde, mit großem, schattigem Park befindet, die von schönen Anlagen umgebene Bahnstation Kierberg, sowie die Waldpartien der Kranzmaar und von Königsdorf, westlich von Köln, locken während des ganzen Sommers viele Ausflügler an, die dem Stadtgewühl entfliehen wollen. So bieten sich auch in diesem Teile Rheinlands, den Bewohnern der Ebene, noch manche schöne Punkte, die eines Besuches wert sind, wenn auch der Zauber fehlt, den rebengeschmückte Berge, sagenumwobene alte Burgen und der stete Anblick des von Schiffen belebten Stromes dem engen Rheintal verleihen.

Rheinfahrt von Bonn nach Köln.

Auf der Fahrt mit dem Dampfschiff von Bonn nach Köln zeigt uns das ebene Land nur wenige Merkwürdigkeiten. Gleich nach der Abfahrt wird rechts die Doppelkirche von Schwarzrheindorf (Abb. 158) sichtbar, die bei den Kunstkennern besonders wegen ihres reizenden Chorrundganges und ihrer altkölnischen Malereien als ein Baudenkmal von hervorragendem künstlerischen Werte gilt. Sie wurde 1149 bis 1151 als Grabkirche für den Erzbischof Arnold II. von Wied errichtet. Die untere Kirche war für die Gemeinde, die obere für die Nonnen bestimmt. Leider ist die Kirche, die zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts nur noch als Pferdestall und Scheune zu benutzen war, trotz zweimaliger, gründlicher Restaurierung stark in Verfall geraten, so daß Kunstkenner sich über ihren heutigen Zustand sehr besorgt äußern.

Abb. 175. Der Altenberger Dom. (Zu Seite 178.)

Etwa eine Stunde unterhalb Bonn erfolgt die Einmündung der Sieg in den Rhein. Wir können die Mündungsstelle, die durch Weidengebüsch verdeckt wird, vom Schiffe aus nicht sehen; aber ein schwärzlicher Streifen in dem grünen Rheinwasser verrät sie am rechten Ufer. Wenig unterhalb der Siegmündung liegt der Ort Mondorf. Die zahlreichen, am Rheinufer zum Trocknen aufgestellten Netze verraten uns schon die Beschäftigung vieler seiner Bewohner. Ohne auffälligen Wechsel der Uferbilder geht die Fahrt weiter, an dem langen Dorfe Hersel, das hinter den Nußbäumen einer Rheininsel hervorlugt, und an dem Fabrikorte Wesseling vorbei. Vor uns, in der Fahrtrichtung, werden die hohen Türme des[S. 166] Kölner Domes immer deutlicher sichtbar. Zuerst erschienen sie über dem rechten Ufer. Plötzlich schauen wir sie zur Linken, dann tauchen sie wieder rechts auf. Wir haben während der Fahrt die Biegungen des Rheines nicht verfolgt und sind fast irre geworden, auf welcher Seite des Stromes eigentlich Köln liege, bis endlich auch das übrige Bild der großen Stadt links vor uns auftaucht. Wie ein Wächter, den frühere Zeiten abzulösen vergaßen, reckt sich am Ufer der hohe Bayenturm heraus, die frühere Zollstelle bezeichnend. Über die neuen Werft- und Hafenanlagen, die von 1892 bis 1898 angelegt wurden, gleitet dann der Blick. Immer großartiger gestaltet sich das Gesamtbild (Abb. 159). Links und rechts fassen hohe Gebäudereihen den breiten Strom ein, über den eine niedrige Schiffbrücke und eine hohe Gitterbrücke (Abb. 160) hinüberführen nach Deutz, dem früheren Brückenkopf von Köln. Besonders das linksseitige Stadtbild, das eigentliche Köln, fesselt den Blick. Aus dem Häusermeer tauchen zahlreiche Kirchen auf; aber alle überragt riesenhaft der majestätische Dom, so daß selbst die hohe Gitterbrücke mit ihren stolzen Türmen zwerghaft in die Tiefe versinkt. Die feste Rheinbrücke wird zurzeit durch eine breitere, die an der nämlichen Stelle, neben der alten, errichtet wird, ersetzt, und außer ihr ist noch eine zweite feste Brücke, die Südbrücke, im Bau begriffen.

Köln.

Von der Landestelle des Dampfers, neben der stets belebten Schiffbrücke, gelangen wir unmittelbar in das alte Köln, zuerst auf den Heumarkt, auf dem das Denkmal des Königs Friedrich Wilhelm III. steht, dann auf den Altenmarkt, den ein Denkmal des berühmten Reitergenerals Jan von Werth aus dem Dreißigjährigen Krieg, der 1651 starb, in Gestalt eines Monumentalbrunnens schmückt. Wie eine heitere Sage erzählt, soll Jan früher Knecht gewesen und wegen verschmähter Liebe Kriegsmann geworden sein. Er wurde ein Reitergeneral, die Bauersmagd aber saß, als er seinen Einzug in Köln hielt, als Apfelweib am Stadttor. Zwei Figuren am Brunnen, einen kölnischen Bauer und ein kölnisches Mädchen aus jener Zeit darstellend, deuten auf diese Sage hin. Ein plattkölnisches Gedicht, von Kramer verfaßt, aus dem der Leser die Kölner Mundart kennen lernen möge, erzählt sie in folgender Weise:

„Zo Köln em ahlen Kümpchens-Hof
Wunt ens nä Boersmann,
Dä hat en Mäd, de nannt sich Griet,
Nä Knäch, dä nannt sich Jan.
Dat Griet, dat wohr en fresche Mäd,
Grat we vun Milch un Bloot,
Dä Jan, dat wohr nä starke Boorsch,
Dem Griet vun Häzen good.
Ens säht hä: „Sag,“ esu säht hä:
„Sag, Griet, bin ich derr räch?
Nemm mich zom Mann, do bes en Mäd,
Un ich, ich den nä Knäch.“
Do säht it: „Jan, do bes nä Knäch,
Und ich en schöne Mäd:
Ich well nä däft’gen Halfen han
Med Oes un Köh un Päd.“
Un als dä Jan dä Kall gehoot,
Do trock hä en dä Kreeg,
Schlog immer düchtig en dä Feind,
Holf wennen manchen Seeg.
We widder hä no Köllen kom,
Sos hä op stolzem Päd,
Dä Jan dä wohr no Feldmarschall,
Dä große Jan vun Wäht.
We widder en de Poz hä kom,
Sos en der Poz dat Griet,
It sos vör einem Appelkrom,
Wo it Kruschteien briet.
Un als dä Jan dat Griet dät sin,
Leht stell sing Päd hä stonn.
Un größten it un säht zo im:
„Grieht! wer et hät gedonn!“
Un als dat Griet dä Jan dät sin
Su blänkig usgeroß,
Do größt it in un säht zo im:
„Jo! wär et hät gewoßt!“
Ehr kölsche Mädchen, merkt üch dat,
Un sit mer nit so friet,
Gar mäncher hät et leid gedonn,
Dat lehrt vum Jan un Griet.“

Vom Altmarkt nehmen wir den Weg nach Westen zum Rathause (Abb. 161), einem interessanten, auf gewaltigem römischen Unterbau ruhenden Bauwerk, an[S. 167] dem besonders die zierliche, im Renaissancestil erbaute Vorhalle und der fünfstöckige Turm, der 1407 bis 1414 mit Strafgeldern der Adelsgeschlechter erbaut wurde, gelobt werden. In der Nähe liegt auch der Gürzenich, der alte Festsaal der Stadt Köln. Er wurde 1441 bis 1452 als „der Herren Tanzhaus“ errichtet. Sein Bau kostete damals 80000 Gulden. Viele große Feste wurden im Laufe der Jahrhunderte in ihm gefeiert. In der Zeit des Niederganges Kölns, im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert, geriet er so in Verfall, daß er nur noch als Lagerraum benutzt werden konnte, bis ihn in unserer Zeit die neu aufblühende alte Hansastadt nach gründlicher Wiederherstellung des Inneren 1857 wieder seiner früheren Bestimmung übergab.

Abb. 176. Barmen.
Nach einer Photographie von W. Fülle in Barmen. (Zu Seite 178.)
Köln. Der Dom.

Weiter westwärts wandernd, gelangen wir zur Hochstraße, der Hauptgeschäftsstraße Kölns. Sie ist verhältnismäßig schmal, und um so mehr tritt der lebhafte Verkehr, der sich zu jeder Tageszeit durch sie bewegt und in den Mittags- und Abendstunden fast zu stocken droht, in die Erscheinung. Mancher Fremde hat ein solches Verkehrsbild nie gesehen und ist von ihm überrascht. Wir schließen uns der flutenden Menge an und ziehen an den glänzenden Geschäftsläden vorüber, bis wir auf dem Wallrafsplatz plötzlich gebannt stehen bleiben. Wir stehen fast unmittelbar vor den gewaltigen Domtürmen (Abb. 162), die riesenhaft sich recken, zugleich durch ihre reiche und kunstvolle Gliederung überraschend. Nun stehen wir vor dem prächtigen West-, dem Hauptportal: Links und rechts je ein Riesenturm, 156 m hoch. Es fehlen uns völlig die Maßvergleiche, um solche Höhe richtig zu schätzen. Dort der 40 m hohe Uhrturm des Bahnhofes, welch ein Zwerg! Daneben die gewaltige, zu 24 m Höhe sich wölbende Bahnhofshalle, wie tief zur Erde gedrückt! Wir steigen die Stufen hinan, und nun stehen wir im Inneren des Domes (Abb. 163). Wie gewaltig sind die Säulen, und doch wie schlank erscheinen sie, mißt das Auge sie mit der Riesenhöhe! In einen Wald von Säulen, einem herrlichen Buchenwalde vergleichbar, schauen wir hinein. Nicht jeder Besucher des Gotteshauses mag das Gefühl, das zum Himmel reißt, in diesem gotischen Stil empfinden. Aber jener Schweizer, der beim Anblick des Kölner Domes das Bild seiner Heimatberge wiedererstehen sah, hat es tief empfunden. „Der Dom ist,“ so schrieb er in seinen Reisebildern[C], „das Märchen[S. 168] vom versteinerten Wald, so wunderbar, daß man davor wie ein Stein stillstehen und ganz tiefsinnig werden könnte ... Wie ein Gebirge erschien mir der Dom, wie ein Gebirge aus Menschenhand und nach den Gesetzen der Kunst. Eine Zacke trägt und stützt die andere, jede will höher als die andere ... alles strebt weltflüchtig empor in die Sonne.“

Abb. 177. Die Schwebebahn in Barmen-Elberfeld.
Nach einer Aufnahme von Gebr. Kremer in Barmen. (Zu Seite 178.)
Der Kölner Dom.

Der Grundstein zu diesem herrlichen Bauwerke, zu dem die Nationen der Erde hinpilgern, um es staunend zu bewundern, wurde am 14. August 1248 durch den Erzbischof Konrad von Hochstaden gelegt. Erst 632 Jahre später, im Jahre 1880, konnte das Fest seiner Vollendung gefeiert werden. So sind Jahrhunderte an dem unvollendeten Bau, der wie ein Trümmerbild einer vergangenen Glanzzeit Kölns und des deutschen Volkes dastand, ohnmächtig vorübergegangen. Sie hätten nie gewagt, ein solches Bauwerk zu beginnen, und waren darum auch außerstande, es zu vollenden. Als der wirtschaftliche Niedergang der einst so blühenden Hansastadt an seinem Tiefpunkte angelangt, als Deutschlands politische Ohnmacht am größten und der Rhein abgerissen war vom deutschen Lande, da war auch die Herrlichkeit des Kölner Domes am tiefsten gesunken, damals konnte, in der Zeit der Fremdherrschaft, ein französischer Bischof sogar Napoleon den Vorschlag machen, die Steinmasse, die nur noch als Heumagazin diente, doch abtragen zu lassen. Dem deutschen Volke ist diese Schmach erspart geblieben. Als Köln mit dem übrigen Teil der Rheinprovinz unter preußische Herrschaft kam, da brach mit der Zugehörigkeit zu einem großen, gut geleiteten Staatswesen, mit der Entwicklung des Rheinstroms zu einer großen, einheitlichen Verkehrsstraße auch wieder, erst langsam, dann schneller, eine neue Zeit der Blüte an. Mit dem neu erwachenden deutschen Volksgefühl regte sich auch das Gewissen, die großen Aufgaben, die die Väter hinterlassen hatten, wieder aufzunehmen. Mahnend ragte der Domkran, der zum Wahrzeichen der Stadt geworden war, auf, und in den Herzen kunstbegeisterter Männer begann es sich zu regen. Besonders Sulpiz Boisserée weckte den schlafenden Volksgeist, und er hatte das Glück, den König[S. 170] Friedrich Wilhelm III. und mehr noch den damaligen, für die Kunst begeisterten Kronprinzen für seine Pläne zu gewinnen. 1824 begann man mit Restaurationsarbeiten in bescheidenem Umfange. Der Baumeister Zwirner war es, der zuerst mit dem kühnen Gedanken eines völligen Ausbaues in die Öffentlichkeit trat. Seine Begeisterung hallte in den Herzen aller Kölner, aller Rheinländer, aller Deutschen mächtig wider. Ein glücklicher Zufall hatte über dem Kölner Dom gewaltet. 1814 war in Darmstadt der eine, 1816 in Paris der andere Teil des Originalaufrisses der Westfassade mit den Türmen aufgefunden worden, desgleichen im selben Jahre in Paris der Originalgrundriß des südwestlichen Domturmes nebst der östlichen Ansicht. Die Möglichkeit, den stolzen Bau so auszuführen, wie er vom ersten Baumeister, man glaubt vom Meister Gerard von Rile, ersonnen war, stärkte den Mut. Am 4. September 1842 wurde im Beisein des Königs Friedrich Wilhelm IV. feierlichst der Grundstein zum Weiterbau gelegt, für den im ganzen bis 1880 achtzehnundeinhalb Millionen Mark verausgabt wurden. In diesem Jahre konnte endlich am 15. Oktober, in Anwesenheit des Kaisers Wilhelm I. und fast sämtlicher deutscher Fürsten, das Fest der Vollendung gefeiert werden. Es waren zwei Festtage, der Tag der Einweihung und der folgende Tag des Festzuges, weihevoller Stimmung, die wie ein Jugendtraum unauslöschlich im Erinnern ruhen.

Abb. 178. Elberfeld.
Nach einer Photographie von W. Fülle in Barmen. (Zu Seite 179.)
Abb. 179. Die Ruhmeshalle in Barmen.
Nach einer Photographie von W. Disselhoff in Elberfeld. (Zu Seite 180.)

Der Dom ist ein fünfschiffiges Langhaus, an den sich ein dreischiffiges Querhaus setzt. An die äußeren Seitenschiffe des Langhauses schließt sich ein Halbkreis von sieben Kapellen an, während die inneren Seitenschiffe um den Hochaltar laufen. Der Flächeninhalt des Domes beträgt 6166 qm (des St. Peter in Rom 15160 qm). Im südlichen Turme hängt die aus französischem Geschützmetall gegossene Kaiserglocke, die 500 Zentner wiegt. In der Michaelskapelle bewundern[S. 171] wir das berühmte, dreiteilige Dombild (Abb. 2), das die Anbetung der heiligen drei Könige darstellt; es wurde vor 1450 von Stephan Buchener gemalt. Die Reliquien der heiligen drei Könige werden in der reichen Schatzkammer des Domes in einem goldenen Reliquienschrein aufbewahrt. Dieser, ein kostbares Werk romanischer Goldschmiedekunst, das aus der Zeit zwischen 1190 und 1200 stammt, wurde leider 1794 bei der Flucht vor den Franzosen stark beschädigt und 1807 ungeschickt wiederhergestellt.

Der Kölner Dom stellt die höchste Vollendung der Richtung des gotischen Baustils dar, die ihre Entwicklung auf französischem Boden fand und dort besonders in der herrlichen Kirche zu Reims triumphierte. In Deutschland gibt es drei rheinische Dome, die die französische Gotik zum Ausdruck bringen, der Freiburger Dom, dessen Turm der schönste von allen gotischen Türmen ist, der Straßburger Dom, an dem die Baugrundsätze der Gotik einheitlicher durchgeführt sind, und dessen Inneres einen reicheren bildhauerischen Schmuck zeigt, und endlich der Kölner Dom, mit dessen Plan die Gotik unvermittelt in Köln auftritt, da die ein Jahr früher begonnene Kirche St. Kunibert noch keine Züge des Kölner Domes zeigt.

Alt-Köln.

Noch viele herrliche Kirchen besitzt Köln, deren Kunstbedeutung ich hier des Raummangels wegen nicht näher darlegen kann. Ein hervorragender Kunstkenner äußerte sich einmal, daß er sich nicht recht entscheiden könne, ob er in bezug auf kirchliche Baukunst Rom oder Köln den Vorzug geben solle. Das ist ein Urteil, das wohl an die Stelle einer langen Beweisführung treten darf. Als hervorragende Kirchenbauten Kölns seien deshalb bloß noch die 1172 geweihte Kirche Groß-St. Martin, die 1049 von Papst Leo IX. geweihte Kirche St. Maria im Kapitol, die Kirche St. Pantaleon, die an Stelle eines älteren Gotteshauses 964 bis 980, angeblich mit Benutzung von Resten der Konstantinschen Rheinbrücke, erbaut wurde, die sehr interessante Kirche St. Gereon, in deren Krypta man sehr alte Baureste entdeckt hat, und die stattliche, im dreizehnten Jahrhundert erbaute Apostelkirche, die sich am Neumarkt, dem größten Platze Kölns, so prächtig mit ihrem schönen Chorbau erhebt.

Abb. 180. Das Rittershaus-Denkmal in Barmen.
Nach einer Photographie von W. Fülle in Barmen. (Zu Seite 180.)
Kölns Geschichte.

Das malerische Bild des mittelalterlichen Köln (Abb. 164) erstand beim Anblick der schönen Gotteshäuser in unserem Geiste. Viel unbedeutendere Spuren hat dagegen das römische Köln, die stolze Colonia Claudia Augusta Agrippinensis, die mit nur wenigen anderen Kolonien das ius italicum, das römische Recht der Vollbürger besaß, hinterlassen. Im Jahre 38 v. Chr. war Köln gegründet worden, als der deutsche Volksstamm der Ubier vom rechten auf das linke Rheinufer übersiedelte. Der Ort erhielt durch die Errichtung der Ara Ubiorum (Altar der[S. 172] Ubier) eine hohe religiöse Bedeutung. Die Gründung der römischen Kolonie, die eine sogenannte Veteranenkolonie war, erfolgte 51 n. Chr. Wenn auch keine bedeutenden Baureste von jenem römischen Köln mehr vorhanden sind, so haben doch die Ausgrabungen genügenden Aufschluß über dasselbe gegeben. Die römische Stadtmauer lief in etwa rechteckiger Form vom Domplatze über die Burgmauer, die St. Apern- und Gertrudenstraße, den Mauritiussteinweg, die Alte Mauer am Bach, Blaubach, die Hochpforte und die Hochstraße. Sie war in bestimmten Abständen von Türmen nach Art des erhaltenen Römerturmes flankiert und von Toren durchbrochen, von denen die Porta Paphia, deren Reste an der Westseite des Domes festgestellt wurden, wohl das stattlichste war. Es fehlte nicht an monumentalen Bauten, Verwaltungsgebäuden, Termen und Tempeln, wie zahlreiche, im Wallraf-Richartz-Museum aufgestellte Überbleibsel aus dem bildsamen Jurakalkstein beweisen. Ein Jupiter- und ein Merkurtempel sind durch Inschriften bezeugt. Auch ansehnliche Privatbauten waren vorhanden, wie sich aus Resten kunstreicher Mosaiken und Wandmalereien und aus Funden von Zentralheizungen und Badeeinrichtungen ergibt. Eine großartige Wasserleitung führte klares Gebirgswasser aus der Eifel herbei. Der sogenannte Römergang, den man noch heute besichtigen kann, war eine aus Tuffstein sauber ausgeführte Kloake zur Wegführung der Abwässer. Die meisten Privathäuser hat man sich als Fachwerkbauten zu denken. Von römischer Kultur zeugt auch die Art der Götterverehrung und der Ehrung der Toten. An den Hauptstraßen vor den alten Toren sind große Gräberfelder aufgedeckt worden. Dort reihte sich zu beiden Seiten der Straße Grab an Grab. In den beiden ersten Jahrhunderten der römischen Herrschaft wog die Verbrennung, in den beiden letzten die Bestattung vor. Schöne Erbbegräbnisse sind in Weiden und jüngst in Effern aufgedeckt worden. In der Regierungszeit Konstantins des Großen erhielt Köln auch eine feste Rheinbrücke, die später von den Normannen zerstört wurde.

Das römische Köln sank nach vierhundertjähriger Dauer in Trümmer, und ein fränkisches trat an seine Stelle. Die Ausbreitung des Christentums gab diesem sein politisches und, durch die große Zahl der Kirchen, auch sein äußeres Gepräge; auf Handel und Gewerbe aber stützte sich seine Machtstellung. Trotz der steten Streitigkeiten zwischen der Stadt und den Erzbischöfen, die später ihre Residenz nach Brühl und bald nach Bonn verlegten, sowie zwischen den Adelsgeschlechtern und den Zünften blühte Köln immer mehr auf. Es war eins der angesehensten Mitglieder des Hansabundes und machte eine Zeitlang Lübeck den ersten Rang streitig. Dem Umstande, daß sich in ihm die westöstlichen Wege des Landverkehrs mit der Schiffahrtslinie des Stromes kreuzten, verdankte es hauptsächlich sein mächtiges Emporblühen im Mittelalter, einem Umstande, der auch die neue Blüte in unserer Zeit wieder hauptsächlich bedingt.

Der Niedergang Kölns begann mit dem sechzehnten Jahrhundert und wurde vorwiegend durch die Verschiebung der Welthandelswege hervorgerufen. Es war ein tiefes Herabsteigen von der stolzen Höhe des Reichtums und des Ansehens. Es leerte sich die Stadt von Menschen, und ihr äußeres Gepräge wurde ärmlich. Von 150000 sank die Einwohnerzahl auf 40000. Ein Viertel der inneren Stadt war in Weinberge umgewandelt worden. Von dem Weine, der in diesen gezogen wurde, sagt ein Bericht, daß er „weder geeignet zum Verführen (= Verhandeln) noch zum Aufbewahren“ war. Scharen von Bettlern umlagerten den ruinenhaft aufragenden Dom. In den Straßen wuchs lustig das Gras. Das war nicht mehr die Stadt, von der es im Mittelalter hieß:

Coellen eyn kroin,
Boven allen stedden schoin.
Neu-Köln. Kölner Karneval.

Im Vergleich hierzu das glanzvolle Bild des heutigen Köln: Die Wandlung ist fast nicht zu begreifen. Die Einwohnerzahl ist auf über 450000 gestiegen.[S. 173] Überall treten uns die Zeichen einer kraftvollen Entwicklung entgegen. Die Altstadt hat ihr Bild völlig verändert und verändert es täglich noch mehr. Die Stadterweiterung schuf die prächtige Neustadt. Die Ringstraße (Abb. 165), auf der das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. (Abb. 166) aufgestellt wurde, gehört zu den schönsten Straßenanlagen der Welt. Von anderen Sehenswürdigkeiten Kölns seien noch das Wallraf-Richartz-Museum, wo man unter den Werken der Altkölnischen Malerschule besonders auf das aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammende Bild Madonna im Rosenhag (Abb. 167) achten möge, das in Knackfuß’ Deutscher Kunstgeschichte „das lieblichste Werk dieser Zeit“ genannt wird, ferner die alten Torburgen (Abb. 168), die ebenfalls Museumszwecken dienen, das Bismarck- und das Moltkedenkmal, das neue Hauptpostgebäude (Abb. 169), der Zoologische Garten, die Flora, der Volksgarten und der große Stadtwald zu nennen.

Abb. 181. Rathaus und Jan Wellem-Denkmal in Düsseldorf.
Nach einer Photographie von C. Heise in Düsseldorf. (Zu Seite 182.)

Wir können die Erörterung über Köln nicht gut ohne ein Erinnern an den Kölner Karneval schließen. Lange Zeit hatte dieses alte Volksfest, bei dem der rheinische Frohsinn am ungestümsten hervorbricht, infolge der Ungunst wirtschaftlicher und politischer Verhältnisse geschlafen. Als anfangs der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine Wendung zum Bessern sich fühlbar machte, da erwachte es von neuem, um sich bis heute zu behaupten. Im Jahre 1823 wurde der Kölner Karneval in seiner heutigen Form ins Leben gerufen. Es bildete sich die Große Karnevalsgesellschaft, und die Veranstaltung eines Festzuges am Montag wurde ins Programm aufgenommen. Viele kleinere Karnevalsgesellschaften entstanden noch später und entstehen noch jedes Jahr; aber die „Große“ steht doch im Mittelpunkt des ganzen Festes. Schon mit Neujahr beginnen die karnevalistischen Sitzungen. Es gilt, den größten Menschenfeind, den Griesgram, der sich während des Jahres überall eingenistet hat, im Herzen aufzuspüren und mit den Waffen des Witzes und ulkigen Spottes zu bekämpfen. Die besten Redner werden in „de Bütt“ geschickt. Gelingt ihnen ein treffender Witz über irgendein Ereignis des Jahres oder des Lebens überhaupt, so lohnt tosender[S. 174] Beifall die Rede. Von Mund zu Mund pflanzt sich das neue Schlagwort fort, das bald auf allen Lippen ist, mit dem man jeden Bekannten begrüßt. Im ganzen öffentlichen Leben und ebenso im Familienleben ist zu erkennen, daß Köln unter dem Zeichen des Karnevals steht. Auch der bunte Schaufensterschmuck vieler Geschäfte sagt es uns. Allmählich rückt die Zeit des eigentlichen Karnevals heran. Drei Tage, Sonntag, Montag und Dienstag vor Beginn der Fastenzeit, dauert der Festestrubel. Alle Leute, jung und alt, reich und arm, geben sich einer tollen Freude hin. Schon Donnerstag vorher ist die sogenannte Weiberfastnacht, besonders von den Marktfrauen des Altenmarkt, gefeiert worden. Der große Festzug, der am Montage durch die Stadt zieht, lockt viele Tausende von auswärts an. Auf dem Neumarkt, von wo er ausgeht, und in den Straßen, die er passiert, wogt eine ungeheure Menschenmenge, die in den späteren Tagesstunden einen ohrenbetäubenden Lärm macht. In dem Zuge kehren einzelne, historisch gewordene Gruppen alljährlich wieder, so der Köllsche Boor (Abb. 170), Till Eulenspiegel, die Kölner Funken, Alaaf Köln und Prinz Karneval, dessen Wagen sich gewöhnlich durch seine reiche Pracht auszeichnet. Die übrigen Wagen stellen gewöhnlich irgendeinen leitenden Gedanken, die große Idee des Fastnachtszuges dar. Fremde, die zum erstenmal den wilden Fastnachtstrubel sehen, können sich eine solche Volksstimmung anfangs gar nicht erklären. Dieselbe setzt eben rheinischen Frohsinn und einen dem echten Kölner angeborenen Mutterwitz voraus. Am besten hat den Kölner Karneval Goethe begriffen, der dem Großen Rat mit den Verschen antwortete:

Auch dem Weisen fügt behäglich
Sich die Torheit wohl zur Hand,
Und so ist es ganz verträglich,
Wenn er sich mit euch verband ...
Löblich wird ein tolles Streben,
Wenn es kurz ist und mit Sinn;
Heiterkeit zum Erdenleben
Sei dem flücht’gen Rausch Gewinn!

Das Bergische Land.

Wir scheiden von Köln, um noch in dem schönen Bergischen Lande kurze Umschau zu halten. Nicht bloß die Schönheit der Natur und Erinnerungsstätten der Vergangenheiten locken uns dorthin. Fast mehr noch treibt es uns, die Wunderbauten zu schauen, die ein tüchtiges Geschlecht in jüngster Zeit dort errichtet hat.

Unter dem Bergischen Land versteht man das Gebiet, das von der Wupper, die etwa 12 km unterhalb Köln rechts in den Rhein mündet, bewässert wird. Nach Südosten geht dasselbe in das Oberbergische, das seine Bäche zur Sieg sendet, und nach Osten in das Sauerland über. Dieser letztere Name, der soviel als Süderland heißt und wohl von den nördlicher wohnenden Münsterländern stammt, wird in den geographischen Lehrbüchern meist zur Bezeichnung des ganzen Gebietes, das im Süden von der Sieg, im Nordosten und Norden von der Ruhr und im Westen von der Rheinebene umgrenzt wird, gebraucht. Die Bewohner des Bergischen Landes aber spotten über eine Verallgemeinerung des Namens Sauerland und sagen sehr richtig, das Sauerland wäre eine ganz andere Gegend als ihr schönes Bergisches Land. Wer im Wuppergebiet von Sauerland spricht, wird ausgelacht. Ich meine, man müsse sich darüber freuen, daß das Volk den Namen der Heimat hoch hält und nicht in der Eifel, im Hunsrück, im Sauerland wohnen will, selbst wenn es gedruckt so in geographischen Lehrbüchern steht.

Remscheid. Solingen.

Der Name „Bergisches Land“ ist eine wirklich zutreffende Bezeichnung. Der stete Wechsel zwischen Berg und Tal gibt dem Gebiete sein eigenartiges Gepräge. Die zahlreichen Täler und Tälchen sind meist tief, viele schluchtenartig eingeschnitten. Wald, Wiese und Äcker wechseln miteinander ab, und überall liegen Gruppen von Häusern, bald in die Talmulden gebettet, bald die luftige Höhe erkletternd. Aus dem steten Wechsel der Bodenform, des Pflanzenkleides und der reichen Besiedelung entsteht das eigenartige Gesamtbild des Bergischen Landes,[S. 175] das so völlig verschieden ist von den eintönigen und menschenleeren Hochflächen des Hunsrück und der Eifel. Es kehrt überall wieder, gleichviel in welchem Teile wir das Bergische Land durchstreifen, aber niemals wirkt es ermüdend, immer überraschen die Einzelheiten, die Wendungen der Tälchen, die Staffage der Höhen, besonders die malerischen Gruppierungen der zierlichen und freundlichen Häuschen, die meist mit Schiefer gedeckt und auf der Wetterseite auch mit Schiefer bekleidet sind. Für eine der schönsten Aussichten, von manchen für die schönste im ganzen Bergischen Lande wird der Rundblick gehalten, den man von den Anlagen in Remscheid (Abb. 171), das in dem von der Wupper auf drei Seiten umflossenen Viereck liegt, genießt: „Nach Norden[D] umgibt uns ein reicher Kranz von Ortschaften. Überall lugen die Häusergruppen und die Kirchtürme aus Berg und Tal, zwischen den dunkleren Waldflecken und den helleren Acker- und Wiesenflächen hervor. Nach Nordosten schauen wir hinab in das Moosbach- und das Wuppertal, die wie dunkle Schluchten erscheinen. Hoch ragt der Bogen der berühmten Kaiser Wilhelm-Brücke bei Müngsten (Abb. 172), die mit 170 m Spannung, bei einer Länge von 500 m und einer Höhe von 107 m, sich hoch über die Schlucht des Wuppertales wölbt, der Bahn von Remscheid nach Solingen einen Weg bietend. In der Ferne tauchen die zerstreuten Häusergruppen von Solingen (Abb. 173) auf. Über die westlichen und südwestlichen Höhen öffnet sich der Blick auf die Rheinebene. Von Düsseldorf bis Köln, dessen Domtürme deutlich hervortreten, können wir diese überblicken, und fern im Süden tauchen gar die Kuppen des Siebengebirges und der Eifel empor. Nach Osten endlich breitet sich das ausgedehnte, von dem Wasserturm hoch überragte Häuserbild von Remscheid vor uns aus.“

Abb. 182. Städtische Kunsthalle und Bismarck-Denkmal in Düsseldorf.
Nach einer Photographie von C. Heise in Düsseldorf. (Zu Seite 182.)

[S. 176]

Remscheid und Solingen.

Die beiden Städte Remscheid (65000 Einw.) und Solingen (50000 Einw.) sind die Hauptsitze der so berühmten Eisen- und Stahlindustrie des Bergischen Landes. In Solingen soll die Kunst, Schwerter zu schmieden, der Überlieferung gemäß, durch den Grafen Adolf IV. von Berg, der sie auf dem zweiten Kreuzzug in Damaskus kennen gelernt hatte, eingebürgert worden sein. Die Grafen von Berg taten viel für die junge Industrie. Graf Adolf Wilhelm verlieh ihr viele Vorrechte, er erhob Solingen zur Stadt und befreite sie von allen Abgaben. Schon im Mittelalter waren die Solinger Klingen sehr berühmt und auf den Handelsplätzen fast der ganzen Erde eine gesuchte Ware. Erst 1809 wurden die Vorrechte der Solinger Waffenschmiede, der Härter, Schleifer, Messermacher, Kreuz- und Knopfschmiede, aufgehoben. Der freie Wettbewerb, der damit begann, hat der Industrie nicht geschadet. Dieselbe fußt jetzt auf einer jahrhundertelangen Schulung, auf einer gleichsam übererbten Fertigkeit und Tüchtigkeit, und zugleich wird ihr Betrieb sehr begünstigt durch die Natur des Bergischen Landes, durch dessen Reichtum an sprudelnden Bächen. Da das nach Osten ansteigende, also dem vom Atlantischen Ozean kommenden Wolkenzuge zugekehrte Land eine bedeutende Regenmenge, jährlich 900 bis 1000 mm, empfängt, sind die Bäche nicht bloß zahlreich, sondern fast während des ganzen Jahres auch wasserreich. Ferner zeichnen sie sich durch ein bedeutendes Gefälle aus. So konnten überall in den schluchtenartigen Tälchen unzählige Schleifkotten angelegt werden. In diesen verrichten die Schleifer ihre harte und mühselige Arbeit. Die Schmiedemeister hatten keine Veranlassung, sich in den tiefen Tälern anzusiedeln; sie bevorzugten die Bergeshöhe. Von blumigen Gärtchen meist umgeben, liegen dort ihre Wohnungen und Werkstätten. Laute Hammerschläge hallen von allen Seiten an unser Ohr, und wenn der Abend dunkelt, leuchten ringsumher, auf allen Höhen, die flackernden Feuer auf, die dunkeln Männergestalten, die den Hammer schwingen, grell beleuchtend. Durch die Gunst der Verhältnisse hat die Solinger Industrie, die außer allerlei Hieb- und Stichwaffen und den verschiedensten Arten von Messern auch Gabeln, Scheren, Korkzieher, Sporen und Bügeln für Geld-, Zigarren- und Reisetaschen liefert, ihren alten Ruf bis heute bewahren können. „Alles,“ so sagte einmal etwas gar selbstbewußt ein Engländer, „können wir in England besser machen als in Deutschland, nur nicht Solinger Klingen.“

Auch in Remscheid wurde ursprünglich hauptsächlich das Schmieden von Schwertern betrieben. Graf Adolf VII. von Berg (1256 bis 1295) führte die Schmiedekunst daselbst ein, indem er zahlreiche französische Kolonisten, im ganzen etwa 2000 Familien, in sein Land zog. Später erhielten diese noch einen bedeutenden Zuwachs von französischen Hugenotten. Letztere waren intelligente Leute, die auch die Herstellung von anderen Eisen- und Stahlwaren versuchten und viele neue Artikel, wie Handwerkszeuge, Schlösser, Hausgeräte usw. in die Remscheider Industrie einführten. Diese wurde dadurch immer vielseitiger. Das Schmieden von Waffen trat allmählich ganz in den Hintergrund. Die Art der Eisen- und Stahlwaren, mit deren Verfertigung man sich vorwiegend beschäftigte, bedingte auch eine Änderung der Betriebsweise. Während in Solingen sich eine immer weitergehende Arbeitsteilung ausbildete, trat in Remscheid zu dem Kleinbetrieb in Werkstätten der Großbetrieb in Fabriken. Indem sich die Remscheider Industrie in stärkerem Maße auf die Maschinenarbeit stützen konnte, erlangte sie eine bedeutende Ausdehnung. Der Wert ihrer Erzeugnisse wird auf jährlich 35 bis 40 Millionen Mark geschätzt.

Siedelungsweise. Talsperren.

Die beiden Städte Solingen und Remscheid sind weit auseinander gebaut; nur ein kleiner Teil der Häuser schart sich dichter zusammen. Wir erkannten, daß die alte Eisen- und Stahlindustrie diese zerstreute Besiedelungsweise bedingte. Wir finden dieselbe jedoch auch in den übrigen Teilen des Bergischen Landes, wo jene Industrie sich nicht verbreitete. Sie ist also eine allgemeine Landessitte, die das Bergische Land mit dem größten Teile Westfalens und mit anderen[S. 177] Gegenden Deutschlands teilt. Die Siedelungsweise der Einzelhöfe hat keltischen Ursprung, das Wohnen in Dorfschaften, sogenannten Gewanndörfern, wie wir es im größten Teile Rheinlands antreffen, ist germanische Sitte. Man muß annehmen, daß dort, wo die alte keltische Besiedelung bestehen blieb, die Einwanderung der germanischen Stämme sich allmählich und auf friedlichem Wege vollzog, dagegen dort, wo die germanische Besiedelungsweise eingeführt wurde, die Verdrängung der keltischen Völker auf gewaltsamem Wege stattfand.

Abb. 183. Königl. Kunstakademie in Düsseldorf.
Nach einer Photographie von C. Heise in Düsseldorf. (Zu Seite 182.)

Wie in der Solinger und Remscheider Gegend zahlreiche Schleifkotten in den Tälern angelegt wurden, so entstanden in andern Gegenden an diesen noch mancherlei gewerbliche Betriebe, welche die Wasserkraft ausbeuten, wie Spinnereien, Webereien, Tuchfabriken usw. Für das Bergische Land haben die Wasserkräfte der Bäche eine ähnliche Bedeutung wie für das Ruhrgebiet, wo das Großeisengewerbe blüht, die Kohlenschätze haben. Dies hat man in jüngster Zeit in vollem Umfange erkannt, und das Streben ist überall darauf gerichtet, aus der Wasserkraft der Bäche einen möglichst großen Nutzen zu ziehen. Durch die Anlage von großen Stauweihern, sogenannten Talsperren, sucht man das in der regenreichen Jahreszeit überflüssig abfließende Wasser zurückzuhalten und für die trockenen Monate aufzusparen. An der Sperrmauer kann ferner eine neue, bedeutende Wasserkraft ausgenutzt werden. Andere Vorteile, die der Bau von Talsperren verheißt, sind die Verhütung von Überschwemmungen am Unterlaufe der Gewässer und die Versorgung der Städte mit gutem, noch nicht durch gewerbliche Anlagen verunreinigtem Wasser. Im Bergischen Land sind zahlreiche Talsperren bereits erbaut worden oder im Bau begriffen. Die erste, welche fertiggestellt wurde, war die bei Remscheid im Eschbachtal gelegene. Ihr Erbauer ist Professor Intze aus Aachen. 1891 war die Anlage, die 1000000 cbm Wasser zu fassen vermag und den unterhalb gelegenen Hammerwerken und Schleifkotten täglich 6000 cbm Wasser liefert, fertig. Der blinkende Wasserspiegel, auf den man von der Terrasse des Restaurationsgebäudes einen schönen Blick genießt, ist zugleich ein neuer Schmuck der Remscheider Gegend.

[S. 178]

Burg. Altenberg. Elberfeld, Barmen.

Wenn wir dem Eschbachtale, in dem die Remscheider Talsperre liegt, abwärts folgen bis zur Einmündung in das Wuppertal, so gelangen wir, nach etwa einundeinhalbstündiger Wanderung, zu dem Städtchen Burg, das von dem gleichnamigen Schlosse (Abb. 174), dem alten Stammsitze der Grafen von Berg, überragt wird. Sowohl die landschaftliche Schönheit der Gegend als auch das Interesse für den alten Herrschersitz des Bergischen Landes locken alljährlich zahlreiche Besucher dorthin. Dieses Interesse ließ im Jahre 1887 auch eine Vereinigung von Männern aus allen bergischen Städten entstehen, die den Wiederaufbau des einst so stolzen, aber allmählich zur Ruine gewordenen Schlosses ins Werk setzte. Sein erster Erbauer im Jahre 1118 war Graf Adolf III.; Engelbert I. ließ es mit Mauern und Türmen versehen und den herrlichen Palas, den ersten gotischen Profanbau in Deutschland, aufführen, so daß die Feste gar stattlich über das Land hinwegschaute. Nur bis 1298 wohnten die Grafen von Berg ständig in Burg. Sie verlegten ihre Residenz nach Düsseldorf und weilten nur noch zeitweise auf ihrem Stammschlosse, das vielfach umgebaut wurde. Der kaiserliche Oberst von Plettenberg zerstörte den schönen Bau nach dem Friedensschlusse des Dreißigjährigen Krieges. Der prächtige Palas litt damals zwar wenig, und nur das alte Dach mit den malerischen Aufbauten büßte er ein. Noch größere Veränderungen vollzogen sich im Innern. Die Romantik des Rittertums mußte der Prosa des werktätigen Lebens Platz machen. Der Palasbau wurde nacheinander als Deckenfabrik, Roßmühle, Wollspinnerei und Schule benutzt. Unsere Zeit steht den Erinnerungsstätten der Geschichte mit größerer Pietät gegenüber. Sie sah auch Schloß Burg in altem Glanze wiedererstehen wie so manche andere Burgen am Rhein und an der Mosel. Der Architekt Fischer leitete den Wiederaufbau, für den reiche Mittel flossen, als der Aufruf hierzu durch das Bergische Land ging. Im Düsseldorfer Archiv war eine alte Zeichnung vom Baumeister und Geographen Ploennis aus dem Jahre 1765 aufgefunden worden, und so war es möglich, den stolzen Bau ziemlich genau in seiner einstigen Gestalt wiederherzustellen.

Auch eine Perle kirchlicher Baukunst besitzt das Bergische Land. In stiller Waldeseinsamkeit des schönen Dhüntales, des größten Nebentales der Wupper, liegt der Altenberger Dom (Abb. 175), die würdige Schwesterkirche des Kölner Doms. Die Kunstkenner sind entzückt von der feinen Gotik jenes Bauwerkes, zu dem der Grundstein 1255, also sieben Jahre nach Beginn des Kölner Dombaues, gelegt wurde. 1379 stand der Altenberger Dom als Kirche einer 1133 von den Brüdern Adolf und Eberhard Grafen von Berg gegründeten Zisterzienserabtei fertig da. Er ist ein turmloser, dreischiffiger Riesenbau mit fünfschiffigem Chor und Kapellenkranz. Für seine Erhaltung und Verschönerung ist in verdienstvoller Weise der Altenberger Domverein tätig.

Die Wuppertaler Schwebebahn.

Unser letztes Reiseziel im Bergischen Lande sei die im engen Wuppertal gelegene Doppelstadt Elberfeld (170000 Einw.) und Barmen (160000 Einw.) (Abb. 176). Wenn wir auf der Eisenbahnlinie Köln-Elberfeld plötzlich hinter Vohwinkel, nachdem wir schon von Ohligs ab viele kleine Tälchen des Bergischen Landes durchquert haben, in dessen größtes Tal, in das tief eingeschnittene Wuppertal einbiegen, bietet sich uns ein überraschender Anblick dar. Dichte Häusermassen drängen sich in das Bild, hochragende Fabrikschornsteine wetteifern mit den steilen Talwänden an Höhe, tief unten fließt die dunkel gefärbte Wupper und über ihr von Häusern und Fabriken engumschlossenes Bett zieht sich ein eigentümliches Eisengerüst, das, auf schräg gerichteten, eisernen Trägern ruhend, den Schlangenbiegungen des Flusses folgt. Noch haben wir den Sinn dieses Bauwerkes nicht klar erfaßt, da huscht ein großer Gegenstand aus der Ferne heran. Er bewegt sich eilig, und wie er näher kommt, erkennen wir einen mit Menschen dicht besetzten Wagen, der in der luftigen Höhe schwebend unter dem Eisengerüste dahinfährt. Es ist die von Kommerzienrat Lange erdachte Schwebebahn (Abb. 177),[S. 179] eine von den Wunderbauten des Bergischen Landes, die sich den anderen, der Kaiser Wilhelms-Brücke bei Müngsten und den Talsperren, würdig anreiht, und auf die die Wuppertäler so stolz sind. Die Schaffung einer geeigneten Verkehrsanlage in dem engen, dicht besiedelten Wuppertale war eine schwierige Aufgabe, die durch die Schwebebahn in einer trefflichen Weise gelöst wird. An Böcken ist eine starke Schiene freischwebend aufgehängt. Auf dieser Schiene rollen die Spurräder. Je zwei hintereinander befindliche Räder sind an einem Rahmen angeordnet, von dem überaus kräftig gebaute D-förmige Träger ausgehen. An diesen sind die Wagenkästen so aufgehängt, daß deren Schwerpunkt genau senkrecht unter die Schiene zu liegen kommt. Durch Verwenden von Drehzapfen wird es ermöglicht, daß selbst sehr lange Wagen außerordentlich kleine Kurven machen können. Auf Grund dieses Prinzips ergeben sich folgende Vorteile der Schwebebahnen: Die Gleisanlagen, sowie die ganzen Bahn- und Tragekonstruktionen werden sehr viel leichter, einfacher und billiger als die Konstruktion von Hochbahnen mit Doppelschienen; eine Schwebebahn nimmt nicht entfernt in dem Maße, wie dies z. B. bei elektrischen Hochbahnen der Fall ist, den Straßen Licht und Luft; es können die Wagen, weil sie hängen, durch seitliches Ausschwingen der Zentrifugalkraft nachgeben, und sie stellen sich bei jeder Geschwindigkeit immer genau nach der tatsächlich eintretenden Zentrifugalkraft schief; infolgedessen können selbst die engsten Krümmungen mit beliebiger Geschwindigkeit durchfahren werden und ist überhaupt eine bedeutendere Steigerung der Geschwindigkeit als bei andern Bahnen möglich. Den rührigen Wuppertälern aber gebührt der Ruhm, das Wagestück der ersten Verkehrsanlage dieser Art versucht zu haben.

Abb. 184. Der Malkasten in Düsseldorf, Gartenseite.
Nach einer Photographie von C. Heise in Düsseldorf. (Zu Seite 183.)
Abb. 185. Provinzial-Ständehaus in Düsseldorf.
Nach einer Photographie von C. Heise in Düsseldorf. (Zu Seite 183.)
Elberfeld und Barmen.

In einer Länge von fast 10 km zieht sich das Häuserbild der beiden Städte Elberfeld (Abb. 178) und Barmen in dem engen Wuppertal von Westen nach[S. 180] Osten hin. Raum für breite und schöne Straßenanlagen und schmückende Plätze war wenig vorhanden. Auch die zahlreichen Fabriken, die meist längs des Wupperlaufes angelegt wurden, gereichen dem äußern Bilde nicht zum Vorteil. Ihre Verwaltung ist jedoch eifrigst bestrebt, dieses durch Prachtbauten immer mehr zu verschönern. Elberfeld, das als die schönere Stadt gelten muß, hat jüngst noch das prächtige Rathaus, Barmen die schöne Ruhmeshalle (Abb. 179) festlich eingeweiht. In der letzteren Stadt wurde auch dem Dichter Emil Rittershaus ein Denkmal (Abb. 180) gesetzt. Historische Bauten fehlen aber hier wie dort; denn beide Städte sind noch verhältnismäßig jung. Der Name Elberfeld soll von geheimnisvoll schaffenden, neckischen Geistern des Waldes und Feldes herkommen. Ursprünglich bezeichnete er, wie Hengstenberg schreibt, einen Hof, der im zwölften Jahrhundert zu Köln gehörte und 1176 in den Pfandbesitz des Grafen Engelbert von Berg kam, aber erst im fünfzehnten Jahrhundert mit dieser Grafschaft vereinigt wurde. Als einwandernde Protestanten das Gewerbe des Garnbleichens und Garnhandels, das im Wuppertale schon im fünfzehnten Jahrhunderte eine gewisse Bedeutung hatte, zu großer Blüte brachten, begann der Ort, der 1618 Stadtrechte erhielt, aufzublühen. Dem nämlichen Gewerbe verdankte Barmen sein Emporkommen. Sein Name wird schon im elften Jahrhundert in einem Heberegister des Klosters Werden genannt. 1245 kam es zu Berg, und vom vierzehnten Jahrhundert bis 1807 gehörte es zum Amte Beyenburg; doch war es schon seit dem vierzehnten Jahrhundert eine Freiheit, mit selbständiger bürgerlicher Verwaltung und einem eigenen Hofesgerichte. Nach Beginn der preußischen Herrschaft, also von 1815 an, blühte Barmen so schnell auf, daß es die ältere Nachbarstadt zu überflügeln schien. Anfangs der siebziger Jahre hatte es tatsächlich mehr Einwohner als diese, bis Elberfeld durch die Eingemeindung[S. 181] von Sonnborn den Vorrang wieder erlangte. Das schnelle Wachstum der beiden Städte erkennen wir aus folgenden Zahlen: sie zählten zusammen 1815 40000, 1861 106000, 1890 242000, 1900 300000 und 1905 330000 Einwohner.

Abb. 186. Das Münster zu Aachen, von der Nordseite gesehen. (Zu Seite 184.)
Wuppertaler Industrie.

Das Aufblühen der Garnbleicherei im Wuppertale lag in einer besondern örtlichen Gunst begründet. Da das Wasser der Wupper etwas kalkhaltig ist, war es zum Garnbleichen wohl geeignet. Dieses aber konnte auf den grünen Wiesen, die den Fluß säumten, geschehen. Das Gewerbe nahm einen bedeutenden Aufschwung, als den beiden Orten Elberfeld und Barmen das alleinige Recht des Bleichens und Zwirnens von Garn, sowie des Garnhandels verliehen wurde. Es begann sich zunftartig als Garnnahrung auszubilden. An der Spitze derselben stand der Garnmeister. Es lag nahe, daß als die Elberfelder und Barmener Garne immer mehr Weltruf erlangten, sich auch früh die Leinwandweberei einbürgerte. Aber nur eine Zeitlang blühten diese Gewerbe. Je stärker sich das Wuppertal besiedelte und je höher die Löhne stiegen, desto mehr schwanden frühere Vorteile. Mutig wandten sich da die Wuppertäler andern Fabrikationszweigen zu, zuerst dem Baumwollgewerbe, das aber zu schwer gegen den englischen Wettbewerb ankämpfen mußte, dann dem Seidengewerbe, das seine Bedeutung in der Mitte des vorigen Jahrhunderts einbüßte, und zuletzt dem Wollgewerbe, das heute noch blüht. Andere Industriezweige hatten sich daneben entwickelt, so die Färberei, besonders die Türkischrotfärberei, die 1784 aufkam, die chemische Industrie, die Knopfverfertigung, die Riemendreherei und andere. Die Industrie der beiden Städte ist längst nicht mehr gleichartig. In Elberfeld werden vorwiegend die Herstellung von wollenen Geweben der verschiedensten Art, die chemische Industrie und die Kattunfärberei, in Barmen die Bandwirkerei, Riemendreherei und Knopfverfertigung, deren Erzeugnisse als „Barmer Artikel“ in den Handel kommen, betrieben.

Rastlose Arbeit ist der Tagesruf, der uns im Wuppertal überall, aus den menschenbesetzten und von Maschinengeräusch erfüllten Fabriken, aus den Arbeitszimmern[S. 182] der Kaufleute und aus der Menge der zur Arbeitsstätte hineilenden Arbeiter, entgegenhallt. Wenn aber die Wuppertäler frei sich fühlen vom harten Druck der Arbeit, dann steigen sie empor zu den waldigen Höhen, die das Tal eng umschließen, und auf denen sie, entrückt dem Dunstkreise und dem Rauchschleier der beiden großen Städte, frei atmen können in herrlicher Bergluft. Die Abhänge von einigen Höhen sind mit schönen Anlagen geschmückt, auf allen aber leiten hübsche Promenadenwege den Wanderer zu den Aussichtspunkten hin. Von Barmen aus erreichen wir auf der südlichen Bergwand den Toelleturm. Wir überschauen das Wuppertal mit seinem endlosen Häuserbild und blicken auch weit in das Bergische Land hinein. Im Südosten säumen die Linien des Ebbe-Gebirges den Horizont, nach Norden reicht der Blick bis zum Vincketurm bei Hohensyburg, und im Westen blitzt an einer Stelle der helle Spiegel des Rheines auf. Durch den Barmer Wald weiter wandernd nach Westen, gelangen wir zur Kaiser Friedrich-Höhe, wo wir ziemlich in der Mitte über dem langgezogenen Häusermeer der beiden Städte stehen. Wieder ein anderes Bild entfaltet sich uns auf den Höhen, die im Westen von Elberfeld, nördlich und südlich, aufsteigen. Wir blicken nach Osten in die Längsrichtung des ganz von Häusermassen angefüllten Wuppertales. Im Nebel der Ferne verschwinden die letzten Häusergruppen. Nach Westen aber dehnt sich endlos die weite Rheinebene mit ihren Städten, Dörfern und einzelnen Gehöften aus, und mehr als an einer Stelle blinkt der Spiegel des Rheines auf.

Der Eisenbahnzug entführt uns aus dem Wuppertale, er eilt westwärts durch die Rheinebene, deren Bild wir von der Höhe schauten, ein großes Stadtbild erscheint vor uns, und bald fahren wir in den Hauptbahnhof von Düsseldorf ein.

Düsseldorf.

Düsseldorf (260000 Einw.) erhielt seinen Namen von dem kleinen Düsselbache, an dessen Mündung die Stadt aufblühte, und dem sie den Schmuck der vielen schönen Teiche verdankt. Im Jahre 1159 wurde der Ort zuerst genannt. Als die Grafen von Berg ihn zu ihrer ständigen Residenz wählten, erlangte er politische Bedeutung. Besonders der prachtliebende Kurfürst Johann Wilhelm aus dem Hause Pfalz-Neuburg, der von 1690 bis 1716 regierte, hat viel für das Aufblühen und den Schmuck der Stadt getan. In der Altstadt steht auf dem Markt, vor dem 1570 bis 1573 erbauten, 1885 zum Teil aber erneuerten Rathause sein überlebensgroßes Reiterstandbild (Abb. 181). Es ist in Zinkbronze gegossen und wurde 1711, wie eine Inschrift sagt, von der Bürgerschaft, in Wirklichkeit aber von dem etwas eiteln Kurfürsten selbst errichtet. Sein Nachfolger verlegte die Residenz nach Mannheim. Aber was Düsseldorf hierdurch einbüßte, gewann es doppelt durch die Gründung der Kunstakademie, die im Jahre 1767 erfolgte. Es wurde, besonders seit Erneuerung dieser wichtigen Stiftung im Jahre 1818, der Mittelpunkt des rheinischen und auch eine Hauptstätte des deutschen Kunstlebens. Schon ein Gang durch die mit vielen Prachtbauten geschmückte Stadt verrät uns, daß ihr die Musen der Kunst freundlich lächelten. Noch weihevoller ist der Willkomm, den uns das Äußere und Innere der städtischen Kunsthalle (Abb. 182) darbietet, die 1881 im Stil französischer Renaissance erbaut wurde; vor derselben steht das Bismarckdenkmal. Die Fassade der Kunsthalle ist mit dem großen Mosaikbilde „Die Wahrheit als Grundlage aller Kunst“ geschmückt, im Treppenhause führen Fresken von Gehrts die Geschichte der Kunst vor, und in den Sälen sind viele wertvolle Bilder von neueren Düsseldorfer Malern zur Schau ausgestellt. Das stattliche, 1879 bis 1881 ebenfalls im Renaissancestil aufgeführte Gebäude der Kunstakademie (Abb. 183) begrenzt die Altstadt im Norden und zeigt mit 158 m langer Fassade nach den schönen Anlagen des Hofgartens hin. Zwei Jahre nach der Gründung der Kunstakademie, 1769, wurde dieser angelegt, aber 1804 bis 1813 nach Beseitigung der Festungswerke erweitert. Keine rheinische Stadt kann eine solche herrliche Gartenanlage aufweisen. Alte Baumriesen spiegeln sich in blinkenden Teichen, auf denen weiße Schwäne in stolzer Ruhe daherschwimmen und buntgefiederte Enten ein lustigeres[S. 183] Wasserleben führen, wohlriechende Gebüsche umschatten Ruhebänke, die zu kurzer Rast einladen, und über frischgrüne Rasenflächen und buntfarbige Blumenbeete schweift unser Auge zu den Springbrunnen hin, die in der Ferne ihr plätscherndes Spiel treiben. Der Hofgarten reicht nach Osten bis zu dem Malkasten (Abb. 184), dem Gesellschaftshause des gleichnamigen, seit 1848 bestehenden Künstlervereins, nach Westen bis zum Rheine, über dessen breite Wasserfläche sich seit 1898 eine feste Brücke spannt. Erwähnung verdienen noch das Kunstgewerbemuseum, das schöne Stadttheater, die vor der Kunsthalle aufgestellte Bismarckstatue, das in der Alleestraße 1896 errichtete Reiterstandbild Wilhelms des Großen und das hinter den Anlagen am Schwanenspiegel und Kaiserteich gelegene Ständehaus (Abb. 185), in dem der rheinische Provinzial-Landtag seine Sitzungen abhält. In neuerer Zeit ist Düsseldorf auch der Sitz einer bedeutenden Industrie geworden. So vereinigt es in sich den Geist der Kunst, das Bild des Schönen mit dem Trieb des Nützlichen, eine Verknüpfung, die im ganzen rheinischen Leben zum Ausdruck kommt und den Bewohnern Rheinlands wie ein glückliches Schicksal schon durch die Landesnatur, durch die herrlichen Bilder der Landschaft und durch die reiche Gunst des Heimatbodens vorgezeichnet ist.

Abb. 187. Das Rathaus in Aachen nach seiner Wiederherstellung. (Zu Seite 184.)
Aachen.

Nach dem Besuche Düsseldorfs soll die alte Kaiserstadt Aachen (150000 Einw.) unsern Abschiedsgruß aus dem schönen Rheinland empfangen, so wie Frankfurt, der Kaiserstadt am Main, unsere ersten Grüße galten. Der Geist der Geschichte fängt auch dort an zu leben, obschon sie weniger Spuren als in Trier, Köln und selbst in Frankfurt hinterlassen hat und das heutige Aachen eine durchaus moderne Stadt mit breiten, zum Teil prächtigen Straßen, mit glänzenden Kaufläden und großartigen Fabriken ist. In römischer Zeit führte die Stadt den Namen[S. 184] Aquisgranum; in fränkischer Zeit war sie, wohl infolge ihrer heißen Quellen und ihrer schönen Lage in fruchtbarem Tal, von sanft ansteigenden, waldgeschmückten Höhen umgeben, der Lieblingsaufenthalt und Herrschersitz des Kaisers Karls des Großen, dann ward sie die Krönungsstadt der deutschen Kaiser, in der dreißig Kaiser, Karls des Großen Sohn, Ludwig der Fromme, als der erste und Ferdinand  I. (1531) als der letzte, gekrönt wurden; im Mittelalter wurde Aachen als Reichsstadt meist „des hl. römischen Reiches königl. Stuhl“ (urbs Aquensis, urbs regalis, regni sedes principalis, prima regum curia) genannt, und in französischer Zeit hieß es Aix-la-Chapelle. In diesem Wandel der Zeiten sah Aachen keine solch glanzvolle Entfaltung wie Trier, Köln und Frankfurt. Aber der Ruhm, der aus der Herrschergröße Karls des Großen strahlt, hat dauernden Glanz. Das Aachener Münster versetzt uns in die karolingische Zeit. Der merkwürdige Bau (Abb. 186) besteht aus zwei Hauptteilen, die eine ganz verschiedene Bauart zeigen. Der eigenartige, achteckige Kuppelbau in der Mitte ist das bedeutendste Denkmal karolingischer Baukunst; er wurde unter Karl dem Großen in den Jahren 796 bis 804 als Hof- und Staatskirche des fränkischen Reiches nach dem Vorbilde von S. Vitale zu Ravenna erbaut. Vom Papst Leo III. wurde sie geweiht. Den achteckigen Bau umgeben mehrere Kapellen aus späterer Zeit, und neben der Eingangshalle steht ein neuerer gotischer Glockenturm. Auf der Ostseite aber schließt sich an den Kuppelbau das hohe, in reichem gotischen Stile erbaute Chor, dessen Bau 1353 begonnen und 1413 vollendet wurde. In Innern des Kuppelbaues, des Oktogons, bewundern wir die kunstvollen Säulen und Kapitäle, sowie das schöne Mosaikbild, das seit 1882 wieder wie früher die Decke schmückt, und den von Kaiser Friedrich I. geschenkten Kronleuchter, der einen Durchmesser von 4 m hat. Auf der Empore des Oktogons steht der marmorne Thron Karls des Großen. Der reiche Domschatz des Münsters enthält neben wertvollen Kunstschätzen die Aachener Heiligtümer, die alle sieben Jahre öffentlich ausgestellt werden. An dem Chorbau fallen besonders die riesigen, 27 m hohen und 5 m breiten, mit farbenprächtigen neuen Glasgemälden geschmückten Fenster auf. Das zweite hervorragende Baudenkmal Aachens aus dem Mittelalter, unmittelbar neben diesen kirchlichen gelegen, ist das von zwei hohen Türmen flankierte stattliche Rathaus (Abb. 187), dessen gotischer Bau an der Stelle und mit Benutzung von den Resten der einstigen Kaiserpfalz der Karolingerzeit um das Jahr 1330 errichtet und in jüngster Zeit renoviert wurde. Von neueren Bauten sind die Technische Hochschule, das großartige Postgebäude und der Kursaal, der hinter dem aus dem Jahre 1782 stammenden Kurhause in den Jahren 1863/64 im maurischen Stile erbaut wurde. Seinen Ruf als Badestadt verdankt Aachen den berühmten heißen Schwefelquellen und seiner schönen Lage inmitten waldgeschmückter Berge, die schöne Spaziergänge bieten, und von denen man, besonders vom Lousberg, einen prächtigen Blick auf die gewerbreiche Stadt genießt, die gleich dem benachbarten, jetzt eingemeindeten Burtscheid eine bedeutende Tuch- und Nadelindustrie besitzt.

[C] Heer, Im Deutschen Reich, Reisebilder.

[D] Vergl. meine Landeskunde der Rheinprovinz, Verlag von W. Spemann, Stuttgart und Berlin, 1901.

[S. 185]

X. Der rheinische Weinbau.

Der rheinische Weinbau.

Unter den Weinen der Erde nehmen die deutschen Weine eine ganz eigenartige Stellung ein, und unter den deutschen zeichnen sich wieder am meisten die Rheinweine, die von Worms bis Bonn wachsen, durch ihre Eigenart aus. Die Weinrebe ist eine Tochter südlicher Länder. Fern in Kolchis’ üppigem Pflanzengarten, an den Südwestgehängen des Kaukasus, rankt sie noch heute wild, bis zu den obersten Zweigen hoher Bäume emporkletternd und Girlanden nach allen Richtungen sendend. Dort bringt sie in wildem Zustande süße und saftreiche, zur Weinbereitung brauchbare Früchte hervor. Nach unserer heutigen Kenntnis können wir nur diese klimatisch so bevorzugte Landschaft als die Heimat des Weinstocks ansehen. Allmählich eroberte die Weinrebe das ganze Mittelmeergebiet und von Italien aus zuletzt nicht bloß das schon kühlere Gallien, sondern auch einen Teil des klimatisch so wenig begünstigten Germanien. Zwei Merkwürdigkeiten, die bei anderen Kulturen bei weitem nicht in solchem Maße beobachtet wurden, traten bei der Ausbreitung des Weinbaus in die Erscheinung. Die Weinrebe blieb nirgendwo ein Kind ihrer alten Heimat, sondern überall, wo sie angepflanzt wurde, paßte sie sich dem neuen Klima an, nahm sie andere, zum Teil wertvollere Eigenschaften an. Dieser Anpassungsfähigkeit der Pflanze und dieser Charakter- und Wertveränderung ihres Produkts verdankten es die jungen Weinbauländer, daß sie mit den alten ernstlich in Wettbewerb treten konnten, ja daß sie ihnen sogar den Rang ablaufen und von ihnen einen Teil des Weltmarktes erobern konnten. Hieraus entsprang die zweite Merkwürdigkeit, daß der Weinbau stets in den jüngsten Weinbauländern die höchste, die führende Stellung einnahm. Durch eine größere Pflege vermochte man sogar eine geringere Gunst des Klimas siegreich zu überwinden. Nach Kleinasien und Griechenland ward Italien, nach Italien Frankreich das erste Weinland, und neben letzterem hat Deutschland, das jüngste Weinbaugebiet in Europa und das nördlichste auf der ganzen Erde, sich eine Stellung erobert, die in bezug auf manche Erzeugnisse unbestritten und unerreicht dasteht.

Für den deutschen Weinbau war es vielleicht gerade ein Glück, daß er nicht mit günstigen klimatischen Verhältnissen rechnen konnte. Diese zwangen zum vorwiegenden Anbau von weißen Trauben; denn die roten Trauben vermögen die kühle und nebeligfeuchte Herbstwitterung viel weniger gut zu ertragen. Die verschiedene Art der in Deutschland also vorherrschenden Weißweinbereitung von der in südlichen Ländern vorwiegenden Rotweinbereitung sicherte dem deutschen Weinbau nicht bloß seine Eigenart, sondern auch mancherlei Vorzüge. Rotwein kann nur durch Maischegärung, das heißt durch Gärung auf den Beerenhülsen geschehen. Diese müssen den roten Farbstoff liefern. Sie scheiden aber zugleich auch andere Stoffe, besonders Gerbstoffe, aus, die dem Traubenaroma schaden. Dem Weißwein dagegen, der durch Mostgärung aus dem ausgepreßten Traubensaft gekeltert wird, bleibt das köstliche Aroma der Traube erhalten, und diesem Umstande verdanken die deutschen Weine ihre unübertroffene Eigenart.

[S. 186]

Die geringe klimatische Gunst Deutschlands bedingt es, daß in ihm zur Anpflanzung der Rebe fast nur hügeliges und bergiges Gelände, und zwar nur die der Sonne zugekehrten Abhänge benutzt werden können. Geneigte Bodenflächen werden statt unter einem Winkel von etwa 40 bis 60° unter einem solchen von 90 oder fast 90° von den Sonnenstrahlen getroffen. Besonders das Gebiet des Rheinischen Schiefergebirges besitzt in seinen zahlreichen tief eingeschnittenen Tälern viele günstige Weinbergslagen, die zugleich vor kalten Winden geschützt sind. Nicht weniger ist das schiefrige Gestein, das in dem ganzen Gebiet vorherrschend ist, für die Anpflanzung der Rebe geeignet. Es wird wegen seiner dunkeln Färbung leicht erwärmt und läßt den Regen, dessen Verdunstung neue Kälte erzeugt, schnell ablaufen. Durch eine Überdeckung der Weinberge mit losem Schiefergeröll erreichen die rheinischen Winzer ferner, daß die Wärme dem Boden erhalten bleibt und nicht in kühlen Nächten durch Ausstrahlung verloren geht.

Abb. 188. Rheinische Winzer und Winzerinnen bei der Lese. (Zu Seite 188.)

Die Lage des rheinischen Weinbaugebietes im Westen Deutschlands, in ziemlicher Nähe des Atlantischen Ozeans, bringt für den Weinbau Vorteile und Nachteile. Ein Vorzug des ozeanischen Klimas ist, daß der Winter in den meisten Jahren ein milder ist, und daß er nicht zu früh eintritt, so daß das junge Holz der Weinstöcke gut ausreifen kann, ferner, daß im Frühjahr der neue Trieb frühzeitig beginnt. Diese letztere Gunst wird allerdings zum Verderben, wenn Spätfröste eintreten, die in manchen Lagen nur zu häufig alle Hoffnungen in einer Nacht zerstören. Gefürchtet sind besonders die Maifröste. Das Volk schreibt sie naiv den drei kalten oder bösen Heiligen Mamertus, Pankratius und Servatius zu, deren kirchliche Festtage am 12., 13. und 14. Mai gefeiert werden, und ist froh, wenn sie vorüber sind. In Wirklichkeit ist das Eintreten der Spätfröste eine Folge der stärkeren Erwärmung der mittel- und südeuropäischen Landstrecken durch die immer höher steigende Sonne. Die stark erwärmte Luft steigt nach oben, und um den luftverdünnten Raum auszufüllen, strömt kalte Luft von Norden herbei, wodurch ein tiefes Sinken der Temperatur eintritt. In engen Tälern,[S. 187] wie im Ahrtale, sucht man die verderblichen Wirkungen der Spätfröste durch eine Räucherwehr abzuwenden.

Eine Ungunst des ozeanischen Klimas Rheinlands für den Weinbau sind die andauernden Regenzeiten, die manche Jahre bringen. Dieselben sind besonders dann schädlich, wenn sie während der Traubenblüte, die sonnig und schnell verlaufen muß, eintreten und diese dann sehr verzögern. Ein Blick auf die Regenkarte lehrt uns jedoch, daß die besten rheinischen Weinbaugebiete, das Moseltal, das obere Rheintal, das Nahetal und der Rheingau, im Regenschatten der Eifel, des Hunsrück und des Taunus liegen.

Abb. 189. Das Abladen und Messen des Weins. (Zu Seite 188.)

Nach einem warmen Sommer, der rechtes Sonnenglühen gebracht hat, ist noch ein schöner Herbst nötig, damit ein gutes Gewächs entsteht. Nicht zu selten bringt der rheinische Herbst das rechte, nachts kühle, am Tage aber heitere, sonnige Wetter, das die Trauben zur vollen Reife bringt. Dann lacht mit dem Himmel des Winzers Herz, der seine Weinberge nicht mehr betreten darf, aber trotzdem weiß, welche Wunderwirkung dort geheimnisvoll vor sich geht. Auch die Herbstnebel, die besonders im Rheintal morgens über den Weinbergen lagern, weiß der Winzer zu schätzen. Sie rufen die Edelfäule der reifen Trauben hervor, indem sich ein Schimmelpilz, Bortrytis cinerea, bildet, der Säuren und Gerbstoff zerstört und Verbindungen erzeugt, aus denen das wundervolle Bouquet, der Duft des Weines, entsteht.

Vorwiegend drei Traubensorten verdankt der rheinische Weinbau seinen großen Ruf: dem Riesling, der den Anspruch erheben kann, die edelste Traube der Welt zu sein, dem Österreicher, der auch Sylvaner genannt wird, und dem Burgunder. Die beiden erstgenannten Reben liefern den Weißwein, letzterer den Rotwein. Der Riesling gehört zu den harten Sorten, er reift spät und liefert Weine, die sich durch ihr herrliches Bouquet auszeichnen. Der Österreicher reift früher und gibt gute, runde und volle Qualitätsweine, denen aber der Duft der Rieslingsweine abgeht. Die rheinischen Rotweine zeichnen sich durch ein eigenartiges, würziges Aroma aus.

[S. 188]

Die Weinlese.

Eine frohe Zeit ist im Herbst die Zeit der Lese. Dann entfaltet sich in den Weinorten Rheinlands ein lustiges Leben und Treiben. Wenn auch unser heutiges Geschlecht mit manchen schönen alten Sitten gebrochen hat, so ist doch die frohe Stimmung dieser Zeit geblieben. Sie kommt besonders dann zur Geltung, wenn die Weinstöcke einen guten Behang haben, und wenn neben einem guten Ertrag — der Winzer redet von einem halben oder dreiviertel Herbst — auch eine gute Qualität zu erwarten ist. Mit solcher Ernte ist der Winzer wohl zufrieden; kennt er doch all die Feinde, die diese hätten vernichten können, die Tücken der Witterung, die Plagen der Insekten und die Pilzkrankheiten. Helle Freude lacht aus seinem Auge, wenn er sieht, wie unter der Kraft der kochenden Sonne in den Beeren der Trauben der Saft anfängt in Wein überzugehen. Er merkt’s an dem Durchsichtigwerden der Beeren. Die Gemeindeväter bestimmen jetzt die Schließung der Weinberge. Selbst der Besitzer darf sie nicht mehr betreten. Während des ganzen Tages geben die Hüter der Weinberge scharf acht.

Endlich sind die Trauben völlig reif. Der Beginn der Lese wird öffentlich bekannt gemacht. Böllerschüsse künden den bedeutungsvollen Tag an, und Glockenklang läutet ihn feierlich ein. So ist es wenigstens noch in vielen Rheinorten.

Mit Jubel im Herzen steigt das Winzervölkchen hinauf in die Weinberge. Die Sonne hat die Herbstnebel zerstreut, und herrlich blickt’s sich hinab in das liebliche Rheintal. Dort unten liegt das Heimatörtchen, so traut gebettet am Ufer des blinkenden Stromes und umgeben von den Gruppen der Obstbäume. Dort das Kirchlein mit dem alten, moosigen Schieferdache! Selbst das eigene Wohnhäuschen ist zu sehen. Bald sind schon die ersten Tragkörbe voll Trauben gepflückt. Die starken Burschen tragen sie hinab. Dort unten hält auf dem Wege ein Ochsengespann. Große Bottiche stehen auf dem Wagen, die die süße Last aufnehmen sollen. Wie flink springen die Burschen die vielen Stufen des Bergpfades hinab! Voll Lust schwenken sie die Mützen, nach oben und nach unten grüßend. Dort oben aber, bei der Lese, sind bald die Mädchen in fröhlicher Stimmung. Das Tal erklingt von frohen Weisen, bis ein Scherzwort alle zum Lachen bringt und den Gesang verstummen macht (Abb. 188 u. 189).

Auch in dem Kelterraum der Winzerhäuser herrscht geschäftiges Leben. Die ankommenden Bottiche werden in die Presse geleert. Schon fließt der Traubensaft, der süße Most, heraus. Wie herrlich er schmeckt! Die Oechslesche Wage zeigt ein hohes Mostgewicht an. Das gibt ein Weinchen! so schmunzelt der Alte, der von vielen guten Weinjahren, doch auch von schlechten zu erzählen weiß (Abb. 190, 191 u. 192).

Nach etwa acht Tagen fängt der Most an zu gären. Er verliert seinen süßen Geschmack und nimmt einen bitteren an. Zugleich wird seine Farbe milchig trübe. Der erfahrene Winzer weiß schon am Federweißen, wie der Most jetzt heißt, herauszuschmecken, wie der spätere Wein wird. Mit der fortschreitenden Gärung entsteht aus dem Federweißen der junge Wein. Erst nachdem dieser geklärt ist und genug gelagert hat, kommt er in den Handel. Im Frühjahr beginnen die Weinhändler, die Wirte, die Kasinos, ihre Weineinkäufe zu machen, und in manchen Weinorten, wie in Bingen, Mainz, Rüdesheim, Kloster Eberbach, Kreuznach, Trier, Traben-Trarbach, Bernkastel und Coblenz finden dann öffentliche Weinversteigerungen statt. Dann klingen die Taler in des Winzers Tasche, fast noch heller als vorher das Jauchzen in seiner Brust.

Nach Beendigung der Weinlese wurden in früherer Zeit in vielen Weinorten öffentliche Winzerfeste gefeiert. Das einzige Winzerfest, das sich im Rheinland erhalten hat, findet in Winningen, einem blühenden Weinorte an der unteren Mosel, statt. Es wird in allen guten Weinjahren gefeiert. Der Verlauf eines solchen Festes wird folgendermaßen geschildert[E]: „Auch in diesem Jahre ist an der[S. 189] Mosel der Wein gut geraten, und deshalb wird in dieser Woche das Winzerfest ganz der alten Tradition getreu begangen. Es bildet sich die sogenannte ‚Kompanie‘; junge, unbescholtene Leute treten zusammen, bringen die Kosten für das Fest auf und liefern das Fleisch, das während der Festtage verzehrt wird. Die Mädchen bringen den Wein zusammen, und nun beginnt das Fest damit, daß die jungen Leute im schwarzen Anzug, mit Zylinder und weißen Handschuhen, die weißgekleideten, mit Blumen geschmückten Mädchen einzeln mit Musik am Hause abholen. Vor dem Hause jedes einzelnen Mädchens wird ein Ständchen gebracht. Sind alle Paare zusammen, so geht es im Zuge zum Bürgermeister, dann ins Festlokal. Hier wird getanzt und neuer Wein, der heute schon federweiß ist oder, wie man hier sagt, ‚schierpst‘, in großen Mengen getrunken. Abends geht es wieder im Zuge mit Windlichtern in ein anderes Lokal, wo das Abendessen eingenommen wird. Wie vor hundert Jahren besteht das Tischgerät aus Zinn: zinnernen Schüsseln, Tellern und Trinkbechern, die meist mit Denksprüchen geziert sind. Reden und Gesänge würzen das Mahl. Nach dem Essen, zu dem nur wenige fremde Gäste geladen werden, geht es wieder zum Tanzlokale zurück. Das dauert die ganze Woche durch, bis — der Wein alle ist. Hält die Feststimmung an, so wird auch weiter Wein gesammelt. Heuer bilden 48 Paare die ‚Kompanie‘. Tausende von Zuschauern von nah und fern strömen in dem freundlichen Moselorte zusammen.“

Abb. 190. Erste Probe. (Zu Seite 188.)
Berühmte Weinorte.

Besuchen wir nun die berühmtesten Weinbaustätten Rheinlands auf flüchtiger Wanderung, um all die Weingeister kennen zu lernen, die sich Prinzessin Rebenblüte auf rheinischem Boden als ihren Stab erzog. Auf sonnigem Hang sind diese Geister geboren, als Kobolde hüten sie des Kellers Schätze, und neckend betören sie die frohgestimmten Zecher. Durch sechs sonnige Reiche führt uns Prinzessin Rebenblüte, und in jedem wartet sie unser mit neuem Gefolge. Das erste Reich, das sie uns, wenn wir von Süden kommen, zeigt, ist das schöne Hessenland. Dort ist fast kein Ort, der nicht seine Rebengärten hat. Etwa 270000 hl beträgt der jährliche Weinertrag Rheinhessens. Das Gelände ist von plateauartigem Charakter mit hügeliger Oberfläche, und auf zwei Seiten, nach Osten und Norden, fällt es zum Rhein ab. Die besten Weine wachsen an diesem äußeren Rande, so bei Worms die weltbekannte Marke Liebfrauenmilch, weiter nördlich der Niersteiner, Bodenheimer, Laubenheimer, Oberingelheimer, der Schwarzberger vom Rochusberge und der Schloßberger bei Bingen. Im Innern jenes Weinreichs werden nur kleine Weine gezogen, die im Lande selbst auch wohl Pfälzer genannt werden. Der Anbau von Weißweinen wiegt vor. Die Hauptsorte ist der Österreicher. Für feinstes Gewächs kommt noch der Riesling in Betracht. Der höchste Preis, der bisher für rheinhessische Weine bezahlt wurde, war 13660 Mark für ein Stück von 1200 l 1893er Niersteiner. Einen sehr[S. 190] geschätzten Rotwein baut Oberingelheim, wo schon Karl der Große den Weinbau pflegte.

Abb. 191. Kelter alter Art (vom Jahre 1650). (Zu Seite 188.)
Rheinweine.

Drüben auf der anderen Rheinseite steht schon Prinzessin Rebenblüte, bereit, uns ihr zweites Sonnenreich zu zeigen. Glänzender ist ihr Stab, und so viele fürstliche Namen werden uns genannt, daß wir nur zögernd der Einladung folgen. „Rheingau“ heißt dieses Rebenreich. Es ist nur klein, soweit es mit Reben bepflanzt ist, noch nicht 2000 ha groß. Selbst bei ergiebigen Jahrgängen beträgt die Ernte nur 70–80000 hl. Im Durchschnitt der Jahre ist sie wohl kaum halb so hoch zu rechnen. Gute Jahrgänge stellen aber durch die Qualität des Weines einen fürstlichen Reichtum dar. Wurden doch für 600 l 1893er Auslese 17570 Mark, für das Stück also 35140 Mark gezahlt. Es war ein halbes Stück Steinberger, das der Kaiserliche Hof im Mai 1896 in Wiesbaden für diesen ungeheuren Preis ersteigerte. Um den ersten Rang unter den Rheingauer Weinen streiten sich Johannisberger und Steinberger. Als das drittedelste Gewächs pflegt man den Rauentaler, als das viertbeste den Marcobrunner zu bezeichnen. Etwa im gleichen Rang mit den dann folgenden Marken Gräfenberger und Schloß Vollradser steht der Rüdesheimer Berg. Auch den Geisenheimer Rotenberg und den Winkler Hasensprung dürfen wir nicht vergessen, und in Wiesbaden schätzt man noch den Neroberger sehr hoch. Nach dem Hochheimer, der weiter östlich wächst, werden von den Engländern alle deutschen Weine „Hock“ genannt. Aßmannshausen baut den besten deutschen Rotwein. Sowohl Weinbau als auch Weinbereitung und Weinpflege sind im Rheingau musterhaft. Große Weingüter geben überall ein gutes Vorbild. Man kann den Rheingau das klassische Anbaugebiet der Rieslingsrebe nennen. Diese entfaltet in dem vorzüglichen Weinbergsboden und in der nebeligen, für die Trauben günstigen Herbstwitterung Eigenschaften wie sonst nirgendwo. Die bei guten Jahrgängen erzielten Rheingauer Auslesen stehen ohnegleichen da in der ganzen Welt. Im Rheingau, und zwar in Hochheim,[S. 191] Schierstein, Eltville, Geisenheim und Rüdesheim, hat auch die deutsche Schaumweinbereitung ihren Hauptsitz genommen.

Naheweine.

Es war zuviel des Herrlichen, das Prinzessin Rebenblüte uns in ihrem schönsten Rebenreiche zeigte. Und wie uns das Herz vor Wonne fast verging, wenn so goldiger Tropfen duftig im Glase perlte, so hauchte des Weines fröhliche Kraft auch den Rheingauern eine sprudelnde, fast übermütige Fröhlichkeit ins Herz. Schwer fällt uns das Scheiden aus dem wonnigen Lande, aus den schmuckvollen Orten. Bei Rüdesheim öffnet sich uns die große Rebenstraße des Rheines. Doch wir lassen den Rhein, den stolzen, fahren und greifen nach dem duftenden Pokal, den uns sein Töchterlein, die Nahe, mit schelmischen Augen reicht; denn gefährlich ist der Nahewein für manchen Zecher. Wir schlürfen den Kauzenberger, Kreuznachs edelsten Wein, und im Zwielicht hinüberschauend nach den gespensterhaften Umrissen des trotzigen Rheingrafenstein, glauben wir den trunkfesten Ritter zu sehen, der mit gewaltigem Stiefeltrunke in einer Wette das ganze Dorf Hüffelsheim gewann. Der Umfang des Weinbaues an der Nahe ist ziemlich bedeutend. Der Kreis Kreuznach mit seinen 55 weinbautreibenden Orten und einer Anbaufläche von 3500 ha, das ist der doppelten des ganzen Rheingaues, hat sogar den bedeutendsten Weinbau im Deutschen Reiche. Der mittlere Gesamtertrag an der Nahe und in den zugehörigen Bezirken wird auf 90–100000 hl geschätzt. Es wird fast nur Weißwein gezogen, und zwar in gemischten Rebensatz, wobei aber der Österreicher vorherrscht. An der unteren Nahe wachsen mehr volle, kräftige und feurige Weine, die den Rheinweinen nahe kommen, an der oberen flüchtige, rassige, lichtfarbige, die den Moselweinen ähneln. Kreuznach ist der Mittelpunkt des Weinbaues und des Weinhandels. Außer dem Kauzenberger sind Roxheimer, Norheimer, Sobernheimer, Langenlonsheimer und Münsterer bekannte Naheweine.

Abb. 192. Hydraulische Kelter (moderner Betrieb). (Zu Seite 188.)

[S. 192]

Mosel-, Rhein- und Ahrweine.

Die Rheinfahrt, zu der uns nun Prinzessin Rebenblüte mit großem Gefolge zur Besichtigung der drei anderen Rebenreiche, des Rhein-, Mosel- und Ahrtals, ladet, ist eine Triumphfahrt, an die alle, die vielen Tausende, die alljährlich sie machen, mit wonnetrunkenen Herzen gerne zurückdenken. Wer in größerer Gesellschaft reist, kann auf dem Dampfer, der vorzügliche Weine an Bord hat, eine lustige und gründliche Weinprobe machen, indem er jedesmal die Weinsorten aus dem Bauche des Schiffes heraufholen läßt, die uns die in Sicht kommenden Weinorte lieferten. Rebenbekränzte Berge überall, wohin das Auge schaut, und stolze Ritterburgen blicken hinab ins Tal, wo in stiller Ruhe die Weindörfchen und Weinstädtchen liegen. Des lieblichen Rotweines von Aßmannshausen gedachten wir schon bei den Rheingauer Weinen. Lorch spendet seinen Bodentaler, das alte Städtchen Bacharach seinen Bacharacher und den weltbekannten Steeger, der in einem Seitentale wächst, und Oberwesel seinen Enghöller. Dann schauen wir hinauf zu Boppards stattlichen Rebengeländen, grüßen die zwischen Ober- und Niederlahnstein einmündende Lahn, deren Uferwände nur bei Runkel etwas Rotwein hervorbringen, und biegen dann bei Coblenz in das weinreiche Moseltal ein. Auf jährlich etwa 200000 hl wird dessen Produktion geschätzt, wobei die Saarweine mitgerechnet sind. Das enge Rheintal bringt zusammen mit dem kurzen Ahrtal wenig mehr als 50000 hl hervor.

Bald begleiten uns an der Mosel wieder Rebenberge zu beiden Seiten, und was sie spenden, wir wollen es nicht verachten, wenn auch manches Tröpflein, besonders an der unteren Mosel, etwas sauer schmeckt. Ein Spaßvogel will uns gar erzählen, der Nachtwächter gebe nachts um zwölf Uhr den Leuten ein Zeichen, und die es hörten, legten sich dann auf die andere Seite, damit der Wein ihnen die Magenwand nicht durchbeiße. Doch in Winningen vergessen wir beim Trank des köstlichen Weines diesen Spott und kosten wir erst an der mittleren Mosel den Zeltinger, den Graacher, den Lieserer, den Erdener, den Piesporter, den Brauneberger, den Josephshöfer, den Ohlingsberger und vor allem den weltberühmten Bernkasteler Doktor, so sind wir voll des Preises und möchten nicht mehr weiter ziehen. Wie das duftet aus dem Glase! Das wundervolle Bouquet der besseren, die ziemlich bedeutende Säure der geringeren Sorten sind die hervorstechendsten Eigenschaften des Moselweines. Noch Lieblicheres wollen die Mosel und ihre beiden Töchter, Ruwer und Saar, uns kredenzen, den Kaseler, der im Ruwertal wächst, Grünhäuser und Kartäuser bei Trier und Scharzhofberger, Wawerner Herrnberger, Bocksteiner, Geisberger und Oberemmeler bei Saarburg sind der reinste Göttertrank, bouquetreich und voll Kraft.

Zurückkehrend zum Rhein, um auch dessen letzte Rebengefilde noch zu besuchen, will uns zuerst der Wein nicht schmecken, bis wir in den Winzervereinen wieder etwas Begeisterung schöpfen. Nur mittlere und geringere Weine werden auf der Strecke von Coblenz bis Bonn gezogen. Neben dem Weißweinbau tritt dort auch der Rotweinbau stark auf. Die Rotweine führen den Namen „Rheinbleicherte“, weil sie in früherer Zeit eine helle Färbung hatten. Der Dattenberger, der bei Linz wächst, dürfte unter ihnen der beste sein. Noch einmal soll uns des Weines ganze Herrlichkeit aufgehen. Des romantischen Ahrtals, dessen Weinpoesie Arndt, Kinkel und andere besungen haben, weltberühmte Weinorte Bodendorf, Heimersheim, Ahrweiler, Walporzheim, Dernau, Rech, Mayschoß und Altenahr laden uns zu Gast, und in den trefflich geleiteten Winzervereinen laben wir uns an dem kräftigen, würzigen Rotwein, Ahrbleichert genannt. Auf dem Drachenfels schlürfen wir dann mit dem Drachenblut den letzten Rest der Weinpoesie Rheinlands. Und auf den Mauertrümmern der Drachenburg sitzen wir und schauen in traumhaftem, seligem Erinnern noch einmal zurück auf diese Wanderung durch die sonnigen Weinreiche des Rheines. Prinzessin Rebenblüte mit ihrem Gefolge aber nimmt Abschied und läßt allein uns weiterziehen nach dem kalten, frostigen Norden.

[E] Frankfurter Zeitung, 1. Dezember 1900.

[S. 193]

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[S. 194]

Verzeichnis der Abbildungen.

Abb.Seite
1.Rolandseck, Nonnenwerth und Siebengebirge2
2.Das Kölner Dombild. Altargemälde von Meister Stephan4
3.Frankfurt im siebzehnten Jahrhundert (nach Merian)4
4.Frankfurt, von Sachsenhausen gesehen5
5.Der Kaisersaal im Römer zu Frankfurt6
6.Der Römer und der Gerechtigkeitsbrunnen zu Frankfurt7
7.Haus Frauenstein und Salzhaus am Römerberg in Frankfurt8
8.Der Dom in Frankfurt9
9.Goethe-Haus in Frankfurt10
10.Goethe-Denkmal in Frankfurt  11
11.Die Börse in Frankfurt12
12.Eschenheimer Turm in Frankfurt13
13.Das Opernhaus in Frankfurt14
14.Der Palmengarten in Frankfurt15
15.Im Palmenhause des Frankfurter Palmengartens15
16.Kurfürstliches Schloß in Mainz16
17.Innere Ansicht der Stadthalle in Mainz16
18.Mainz17
19.Der Dom in Mainz, vom Markt gesehen18
20.Der nördliche Kreuzarm des Mainzer Domes19
21.Gutenberg-Denkmal in Mainz20
22.Haus „zum Boderam“ am Markt in Mainz21
23.Gymnasium in Mainz22
24.Kreuzaltar in der Peterskirche zu Mainz23
25.Homburg vor der Höhe. Gesamtblick von der Ellerhöhe aus gesehen24
26.Das Schloß zu Homburg v. d. Höhe25
27.Das Saalburg-Kastell. Wiederaufgebaut. Porta Praetoria25
28.Nauheim26
29.Kronberg26
30.Friedberg27
31.Schloß Friedrichshof28
32.Königstein29
33.Soden29
34.Eppstein im Taunus, vom Malerplatz aus gesehen30
35.Malerisches Motiv von der Burg in Eppstein im Taunus31
36.Schloß Biebrich32
37.Wiesbaden, vom Neroberg gesehen33
38.Kaiser Wilhelm-Denkmal in Wiesbaden34
39.Königliches Theater in Wiesbaden35
40.Das Rathaus in Wiesbaden36
41.Das neue Kurhaus in Wiesbaden.
Von Prof. Thiersch-München
37
42.Der Kochbrunnenplatz in Wiesbaden38
43.Griechische Kapelle am Neroberg bei Wiesbaden39
44.Schlangenbad, von der Wilhelmshöhe gesehen40
45.Rauenthal41
46.Eltville42
47.Der Marcobrunnen42
48.Kloster Eberbach43
49.Kelterraum in Eberbach43
50.Schloß und Dorf Johannisberg44
51.Rüdesheim, vom Rochusberg gesehen44
52.Geisenheim45
53.Nationaldenkmal auf dem Niederwald46
54.Bingen und der Niederwald47
55.Nahemündung, Bingen, Scharlachkopf und Bingerbrück49
56.Der Mäuseturm und Ehrenfels50
57.Das Rheinknie bei Bingen51
58.Schloß Rheinstein52
59.Aßmannshausen53
60.Die Falkenburg (Schloß Reichenstein)54
61.Schloß Sooneck55
62.Lorch56
63.Bacharach und Burg Stahleck57
64.Oberwesel58
65.Blücherdenkmal in Caub und Burg Gutenfels59
66.Die Lurlei60
67.St. Goar und Rheinfels61
68.St. Goarshausen und Ruine Katz62
69.Ruine Rheinfels, mit Durchblick nach St. Goarshausen62
70.Burg Reichenberg bei St. Goarshausen63
71.Boppard und Filsen von „Alte Burg“ aus gesehen64
72.Boppard a. Rh. und Blick in das Mühltal65
73.Der Königsstuhl bei Rhens66
74.Braubach und die Marksburg67
75.Capellen und Schloß Stolzenfels68
76.Stolzenfels und Oberlahnstein69
77.Ehrenbreitstein70
78.Der Rhein bei Coblenz71
79.Kaiser Wilhelm-Denkmal in Coblenz72
80.Kreuznach, vom Pavillon gesehen73
81.Nahebrücke und Schloß Kauzenberg74
82.Der Rheingrafenstein75
83.Münster am Stein76
84.Die Ebernburg76
85.[S. 195]Hutten-Sickingen-Denkmal auf der Ebernburg77
86.Die Altenbaumburg78
87.Kirn und die Kyrburg79
88.Schloß  Dhaun80
89.Oberstein81
90.Saarburg82
91.Die Klause bei Saarburg82
92.Trier, vom Petersberg gesehen83
93.Hauptmarkt, St. Gangolfskirche und Rotes Haus in Trier84
94.Die Porta nigra in Trier85
95.Der Kaiserpalast in Trier85
96.Der Dom und die Liebfrauenkirche in Trier86
97.Innenansicht des Trierer Domes mit Hochaltar87
98.Portal der Liebfrauenkirche in Trier89
99.Die Martyrung der Christen. Deckengemälde in der Paulinuskirche zu Trier90
100.Die Marienburg91
101.Die Marienburg92
102.Bernkastel, Burg Landshut und Cues93
103.Blick auf Traben-Trarbach und die Gräfinburg an der Mosel95
104.Carden an der Mosel96
105.Cochem, von der Kapelle gesehen97
106.Zell an der Mosel97
107.Die Ehrenburg bei Brodenbach98
108.Beilstein99
109.Burg Cochem99
110.Zeltingen100
111.Bertrich101
112.Andernach103
113.Remagen104
114.Die Apollinariskirche in Remagen105
115.Altenahr106
116.Neuenahr, von der Thomashöhe gesehen107
117.Der Rolandsbogen, mit Blick auf den Drachenfels108
118.Schloß Drachenburg und Zahnradbahn nach dem Drachenfels109
119.Brückenbogen über den Rhein bei Bonn110
120.Zollhäuschen auf der Bonner Rheinbrücke111
121.Rheinischer Humor in den Bildhauerarbeiten der Bonner Rheinbrücke113
122.Das Bröckemännche der Bonner Rheinbrücke114
123.Arndt-Denkmal in Bonn115
124.Kriegerdenkmal in Bonn116
125.Beethoven-Denkmal in Bonn117
126.Das Münster in Bonn118
127.Inneres des Münsters in Bonn119
128.Marktplatz in Bonn120
129.Die Universität zu Bonn120
130.Bismarck-Säule bei Bonn121
131.Cistercienserabtei Marienstatt auf dem Westerwald121
132.Westerburg. Auf dem Westerwald122
133.Limburg an der Lahn122
134.Inneres des Domes in Limburg an der Lahn123
135.Nassau an der Lahn124
136.Denkmal des Freiherrn v. Stein bei Nassau125
137.Kurhaus und Kurgarten in Ems126
138.Ems, von der Bäderlei gesehen127
139.Schloß Altwied128
140.Godesberg und das Siebengebirge129
141.Königswinter und der Drachenfels131
142.Schloß Drachenburg am Rhein. Südseite132
143.Hochzeitszug eines Kölner Patriziers. Wandgemälde im Schloß Drachenburg am Rhein133
144.Ruine Drachenfels133
145.Honnef, vom Leiberg gesehen134
146.Der Sänger vom Drachenfels134
147.Klosterruine Heisterbach135
148.Daun in der Eifel135
149.Schalkenmehrener Maar136
150.Abtei Laach und Laacher See136
151.Kreuzgang der Abteikirche Laach137
152.Die Urft-Talsperre bei Gemünd138
153.Gerolstein, von der Burg gesehen139
154.Kyllburg im Kylltal140
155.Ober- und Niederburg von Manderscheid141
156.Burg Eltz142
157.Hof der Burg Eltz143
158.Doppelkirche von Schwarzrheindorf144
159.Köln145
160.Kölner Rheinbrücke145
161.Rathaus in Köln146
162.Der Kölner Dom, Westansicht147
163.Inneres des Kölner Domes, Blick von Westen nach Osten149
164.Köln im 16. Jahrhundert150
165.Ringstraße in Köln151
166.Denkmal Kaiser Wilhelm I. in Köln152
167.Madonna im Rosenhag154
168.Das Hahnentor in Köln155
169.Hauptpostamt in Köln156
170.Vom Kölner Karneval159
171.Remscheid160
172.Kaiser Wilhelm-Brücke b. Müngsten161
173.Solingen162
174.Schloß Burg an der Wupper163
175.Der Altenberger Dom165
176.[S. 196]Barmen167
177.Die Schwebebahn in Barmen-Elberfeld168
178.Elberfeld169
179.Die Ruhmeshalle in Barmen170
180.Das Rittershaus-Denkmal in Barmen171
181.Rathaus und Jan-Wellem Denkmal in Düsseldorf173
182.Städtische Kunsthalle und Bismarck-Denkmal in Düsseldorf175
183.Kgl. Kunstakademie in Düsseldorf177
184.Der Malkasten in Düsseldorf, Gartenseite179
185.Provinzial-Ständehaus in Düsseldorf180
186.Das Münster zu Aachen, von der Nordseite gesehen181
187.Das Rathaus in Aachen nach seiner Wiederherstellung183
188.Rheinische Winzer und Winzerinnen bei der Lese186
189.Das Abladen und Messen des Weins187
190.Erste Probe189
191.Kelter alter Art (vom Jahre 1650)190
192.Hydraulische Kelter (moderner Betrieb)191

[S. 197]

Register.

[S. 202]

RHEINLANDE.
Geographische Anstalt von Velhagen & Klasing in Leipzig.Zusammengestellt aus Andree, Handatlas.Verlag von Velhagen & Klasing in Bielefeld u. Leipzig.