The Project Gutenberg eBook of Bäume und Sträucher

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Title: Bäume und Sträucher

Author: Arabella B. Buckley

Illustrator: Angelo Fairfax Muckley

Translator: Fritz Kriete

O. Rabes

Release date: December 4, 2022 [eBook #69469]

Language: German

Original publication: Germany: Hermann Gesenius, 1911

Credits: Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (The digitized holdings of the Staatsbibliothek zu Berlin are available to all interested parties worldwide free of charge for non-commercial use.)

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK BÄUME UND STRÄUCHER ***

Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1911 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.

Die Buchanzeigen wurden der Übersichtlichkeit halber am Ende des Texts gesammelt dargestellt. Die originale Titelseite weist auf ‚16 Illustrationen im Text‘ hin, obwohl 20 Abbildungen vorhanden sind. Dieser Fehler wurde in der vorliegenden elektronischen Ausgabe berichtigt.

Die farbige Abbildung V. 6., Nr. 1, zeigt einen Vogelbeerzweig in Blüte und mit Früchten. Im Original wurde die Pflanze fälschlicherweise als ‚Schneeball‘ bezeichnet, was in der vorliegenden Bearbeitung korrigiert wurde. Die Abbildung eines Schneeballstrauches findet sich in der farbigen Abbildung V. 7.

Das Original wurde in Frakturschrift gesetzt; Passagen in Antiquaschrift werden im vorliegenden Text kursiv dargestellt. Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original gesperrt gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt erscheinen.

Kinderaugen in der Natur

Dekoration

Fünftes Buch

Bäume und Sträucher

Von Arabella B. Buckley (Mrs. Fisher)

Einzige autorisierte Übertragung
von Oberstudienrat Dr. Fritz Kriete in Halle und
Studiendirektor Dr. Otto Rabes in Mülheim (Ruhr)


Mit 8 bunten Vollbildern und 20 Illustrationen im Texte


Zweite Auflage (7.–10. Tausend)

Dekoration

Halle a. S.
Hermann Gesenius

[S. 3]

Vorwort.

Zur Einführung dieser Übersetzung sei hier kurz auf einige uns zusagende Eigentümlichkeiten dieser anspruchslosen Hefte hingewiesen, die uns veranlaßten, auf die Aufforderung der Verlagsbuchhandlung hin, sie ins Deutsche zu übertragen.

Überall ist versucht, Stil und Satzbau so klar und einfach zu gestalten, daß nach dieser Seite hin Kindern beim Lesen keine Schwierigkeiten erwachsen.

Die behandelten Stoffe aus dem Leben der Tiere und Pflanzen sind gut gewählt, dabei interessant — nicht rein beschreibend — gestaltet.

Vielmehr ist jeder einzelne Abschnitt, der stets ein in sich abgeschlossenes Ganze bildet, so durchgeführt, daß er die kleinen Leser zu eigenen Beobachtungen anregt.

Endlich sind die farbenschönen Abbildungen[S. 4] einheitlich und naturgetreu ausgeführt, so daß auch sie das Interesse der Kinder beleben helfen. Überhaupt stand für unsere Erwägungen der Gedanke im Vordergrunde, daß diese Bücher geeignet sein könnten, sich im Kampfe gegen die unsere Jugend verseuchende Schundliteratur als nützlich zu erweisen.

Halle, im Juni 1911.

Kriete. Rabes.

[S. 5]

Inhalt.

 
Seite
Vorwort
   
Lektion
 1.
Der Nutzen der Bäume
 2.
Wie ein Baum entsteht
 3.
Wie ein Baum wächst. — Die Roßkastanie
 4.
Bäume mit Kätzchenblüten
 5.
Die deutsche Eiche
 6.
Gäste der Eiche
 7.
Die Buche und die edle Kastanie
 8.
Bäume, die Zapfen tragen
 9.
Hecken-Sträucher und -Bäume
10.
Blühende Gartensträucher
11.
Esche und Ulme
12.
Im Parke
13.
Blätter. Ihre Gestalt und ihr Stand

[S. 7]

Fünftes Buch.
Bäume und Sträucher.

Lektion 1.
Der Nutzen der Bäume.

Habt ihr wohl schon einmal darüber nachgedacht, wie nützlich die Bäume sind? Wir haben im dritten Buch gesehen, daß die Pflanzen die Luft, die wir einatmen, reinigen. Die Bäume mit ihren Hunderten von Blättern verrichten einen großen Teil dieser Arbeit, und sie nützen auch in anderer Weise noch sehr viel.

Stellen wir uns einen kleinen Baum vor, der im Walde oder auf dem Felde wächst. Vielleicht wird er von Kaninchen oder Rehen abgefressen, ehe er ein Jahr alt ist. Wenn dies der Fall ist, so hat er als Nahrung genützt. Wächst er aber auf, so wirft er gleich im ersten Jahre seine Blätter im Herbst ab, und diese tragen dazu bei, fruchtbare Erde zu bilden und so Nahrung für andere Pflanzen zu liefern.

So geht es nun jedes Jahr; der Baum treibt Blätter, reinigt die Luft und hilft fruchtbare Erde erzeugen. Aber sehr bald fangen die Insekten an, in dem jungen Schößling sich ein Heim einzurichten, denn alle Arten von Bäumen beherbergen Insekten, die davon leben. Schmetterlinge[S. 8] kommen und legen ihre Eier unter die Blätter, von denen sich die Raupen, wenn sie ausgekrochen sind, nähren. Der Käfer legt seine Eier in die Rinde, und seine Larve nährt sich da, bis sie selbst zum Käfer wird, oder bis der Specht oder die Spechtmeise sie finden und fressen.

So bietet jeder Baum einer kleinen Kolonie von lebenden Wesen Unterkunft. Dann kommen die Vögel; sie schlafen nachts in seinen Zweigen und bauen in diesen ihre Nester im Frühlinge. Ulmen werden oft von den Krähen für ihren Horst gewählt; in den Fichten des Waldes schläft die Holztaube, und Fasanen und Falken ruhen auf ihren Zweigen, während Amsel und Drossel die Nacht gern in Nadelholz- oder anderem immergrünen Gebüsch zubringen.

Wenn der Baum groß geworden ist, so trägt er Blüten und Früchte. Diese Früchte und ihre Samen dienen vielen Lebewesen als Nahrung. Die Vogel nähren sich von Beeren, Nüssen und Eicheln. Das Eichhörnchen baut sich ein Nest in Buchen und frißt alle Arten von Nüssen, die es finden kann. Für Feldmaus, Igel und Schwein bilden die Bucheckern und Eicheln eine vortreffliche Nahrung, die sie auf dem Boden finden, während wir die Frucht der Edelkastanie (Marone), des Walnußbaumes und Äpfel, Birnen und Kirschen aus dem Obstgarten essen.

Roßkastanie, links unten Frucht.
V. 1.

GRÖSSERES BILD

Wie nützlich sind doch die Bäume dem Menschen! Sie helfen, den Boden feucht und frisch zu halten. In einem Lande, wo Wälder sind, regnet es mehr als in einem baumarmen, und der Erdboden würde trocken und ausgedörrt werden, wenn die Bäume nicht ihren angenehmen Schatten spendeten. Wie das Weidevieh sich unter ihnen sammelt, wenn die Sonne ihre glühenden Strahlen herniedersendet, und wie friedlich wiederkäuend sie unter ihnen stehen, geschützt vor der Hitze und Glut! Und wie froh seid ihr auf dem Schulwege, wenn ihr unter ihrem Schatten dahingehen könnt, anstatt auf der staubigen Landstraße! Wie schön sind sie auch im Frühling, wenn die frischen grünen Blätter ausschlagen! Immer wieder macht uns der Gedanke froh, daß das Leben des Baumes alle Jahre von neuem beginnt.

Andererseits gibt es Bäume, die so alt sind, daß sie uns an lang vergangene Zeiten erinnern. Der Gedanke, was für eine lange Geschichte solche Bäume erzählen könnten, trägt dazu bei, uns die Heimat lieb und wert zu machen.

Aber selbst Bäume müssen endlich sterben, und wenn sie uns nützlich sein sollen, so müssen sie gefällt werden, ehe sie vermodern. Und wie nützlich ist uns nun erst der Baum nach seinem Tode!

Wir wollen einmal den Lauf eines Tages betrachten und sehen, wie viel wir von dem Baume benutzen. Wenn man am Morgen aufsteht, ist das erste, was geschehen muß, daß ein Feuer mit Holz angezündet wird. Man setzt sich auf einen Stuhl; er ist aus Holz gemacht. Man öffnet die Tür; auch sie ist aus Holz. Ihr nehmt, wenn ihr nach der Schule geht, den Regenschirm; sein Stock war einst der Zweig eines Baumes. Ihr geht die Treppe hinab; ihre Stufen bestehen vielfach aus Holzplanken. Ihr habt auf eurem Schulwege eine Brücke zu überschreiten; sie ist aus Holz gebaut. Das Gattertor auf dem Felde, der Zaun um die Schule, alles besteht aus Holz.

Ihr nehmt euren Platz in der Klasse ein. Eure Füße ruhen auf Holzbrettern, die vom Fichtenbaum stammen.[S. 10] Ihr sitzt auf hölzernen Bänken. Eure Schiefertafel hat einen hölzernen Rahmen. Das Tafelgestell und die Tafel selbst bestehen aus Holz. Der Lehrer öffnet die Tintenflasche, um die Tintenfässer zu füllen; den Kork der Flasche liefert die Rinde eines Baumes, während die Tinte selbst aus einer Säure gemacht ist, die aus Galläpfeln gewonnen wird. Diese werden durch den Stich eines Insekts auf den Blättern der Eiche hervorgerufen.

Wenn ihr aus der Schule kommt, läßt euch vielleicht ein Landmann auf seinen Wagen steigen, der auch aus Holz gemacht ist, ebenso wie der Schubkarren, mit dem er den Dünger in den Garten fährt. Ihr legt eure Schulbücher in die alte eichene Kommode, die in der Ecke steht, und wenn ihr nach dem Abendessen zu Bett geht, seht ihr über eurem Kopfe die Stubendecke, die aus hölzernen Balken zusammengefügt ist. Ihr könntet noch vieles hinzufügen, was ich vergessen habe; und dann haben wir noch nicht aufgezählt das Gummi, den Terpentin, die Öle, die Gerbsäure und die vielen Wohlgerüche, die wir von den Bäumen erhalten. Auch haben wir noch nicht von Schiffen und Eisenbahnwagen gesprochen und von den hübschen Holzschnitzereien in unseren Kirchen und öffentlichen Bauten. Sicherlich, ohne Bäume würde es schlecht mit der Welt stehen!

Nenne noch andere Dinge, die aus Holz gemacht sind.

Lektion 2.
Wie ein Baum entsteht.

Wir sahen im dritten Buche, daß einige Pflanzen viel länger leben als andere. Manche leben nur ein Jahr,[S. 11] bilden Samen und sterben dann. Diese nennen wir einjährige Pflanzen. Andere leben zwei Jahre. Sie treiben im ersten Jahre ihre Wurzeln und Blätter, während sie im zweiten Blüten und Früchte bilden. Diese nennen wir zweijährige. Andere leben viele Jahre lang und heißen ausdauernde oder perennierende Pflanzen. Bäume sind ausdauernd, denn sie leben sehr viele Jahre. Es gibt Eichen, die mehr als tausend Jahre alt sind.

Und doch begannen alle diese alten Bäume ihr Leben als kleine Samen wie die Bohne, die ihr im Blumentopfe zum Keimen brachtet. Wie haben sie es nun fertig gebracht, so lange zu leben? Wir werden dies am besten erfahren, wenn wir uns einen jungen Sämling ansehen.

Man wird leicht imstande sein, irgend einen solchen im Walde zu finden, eine Eiche, eine Buche oder einen Haselnußstrauch, die aus einer in den Boden getretenen Nuß, Buchecker oder Eichel aufgewachsen sind. Ich werde eine Eiche wählen, weil ich eine dicht vor meiner Tür habe und euch ein Bild davon geben kann. Wenn ihr eine Eichel nehmt, sie in den Hals einer Flasche steckt mit der Spitze nach oben und vorher die Flasche mit Wasser füllt, so könnt ihr eine kleine Eiche aufziehen und sehen, ob sie der meinigen ähnlich ist.

Zuerst treibt die Eichel aus einem Spalt einige Wurzeln nach unten. Dann spaltet sich die Schale vollständig, und man kann sehen, wie sich die beiden dicken Keimblätter öffnen, zwischen denen die wachsende Spitze liegt. Diese Spitze wächst nun beständig nach oben und treibt bald einige Blätter. Es ist manchmal eins, manchmal sind es auch zwei, eins über dem anderen, an der Seite des Stammes.[S. 12] Aber wenn der Herbst kommt, werden sicher zwei oder drei dicht zusammen an der Spitze des kleinen Baumes stehen. Unten an jedem Blatte dicht am Stamme sitzt eine kleine Knospe und am oberen Ende des Stammes eine kräftige Knospe, dicker als die übrigen.

Der Unterschied zwischen der Eiche und der Bohne, die wir im dritten Buch beschrieben, ist der, daß ihr Stamm holzig ist. Wenn man ein anderes Eichenpflänzchen desselben Alters aus dem Walde holt und es durchschneidet, so wird man folgendes sehen (Fig. 1, Seite 13). In der Mitte ist ein runder weißer Fleck „p“. Dies ist das Mark oder der weiche Teil, den man aus einem Holunderzweige aushöhlt, wenn man sich eine Knallbüchse machen will. Dann kommt ein Ring von weichem weißlichen Holze „w“. Rund herum sitzt die Rinde „b“.

Junge Eichen.
1. Wachstum nach einem Jahr, 2. nach zwei, 3. nach drei Jahren. r Ring, der von den Knospenschuppen gebildet wird.

Nun wißt ihr, daß das Wasser mit erdigen Bestandteilen darin von den Wurzeln aufsteigen muß, um in die Blätter zu gelangen und hier zur Nahrung verarbeitet zu werden. Es steigt durch diesen Ring lebenden Holzes auf, und wenn es zurückkommt, bildet es neues Holz und neue Rinde, da wo Holz und Rinde[S. 13] zusammenstoßen. Ihr wißt, wie leicht es ist, die Rinde vom Holze abzuschälen. Das kommt daher, daß zwischen dem neuen Holze und der Rinde eine zarte, dünne Zellschicht sitzt, die leicht zerreißt.

Aber wenn der Herbst kommt, nehmen die Wurzeln kein Wasser mehr auf, und der rohe Saft, wie er genannt wird, steigt nicht mehr auf. Die Stengel der Blätter vertrocknen da, wo sie mit dem Stamme verbunden sind und fallen ab. Der Baum ruht während des Winters.

Querschnitt des Eichenstammes.
1. Zweig vom ersten Jahre. 2. Zweig vom zweiten Jahre. 3. Stumpf einer alten Eiche mit Jahresringen. p Mark. w Holz. b Rinde. w2 Holz vom zweiten Jahre. m Markstrahl.

Nun beobachtet eure kleine Pflanze im nächsten Frühling. Ihr werdet sehen, wie aus der dicken Knospe an der Spitze und oft noch aus zwei anderen, die dicht daneben stehen, sich Zweige entwickeln, die eigene Blätter haben. Aber bei einem sehr jungen Baume sterben die kleineren gewöhnlich ab, und der Stamm wächst gerade in die Höhe. Man kann jedoch immer feststellen, wo das neue Wachstum im Frühling begann, weil sich dort ein Ring (s.Abb. S. 12, r)[S. 14] befindet, der von den Schuppen der Knospen zurückgelassen wird. Das Holz des neuen Stückes wird gerade so sein wie das Holz des unteren Stückes im vorigen Jahre war. Aber dieses untere Stück setzt frisches Holz an und wird dicker (Fig. 2, S. 13). Der Saft steigt hinauf und hinunter, und ein neuer Ring von Holz bildet sich außerhalb des alten, ebenso wie ein sehr dünner neuer Ring von Rinde innerhalb der alten. So wird am Ende des zweiten Jahres das alte Stück unter den Schuppen zwei Holzringe haben (w und w2) mit einer Linie dazwischen, die zeigt, wo der Baum im Winter ruhte; das neue Stück dagegen hat nur einen Ring.

Alles dies ist bei solchen kleinen Bäumen schwer zu sehen, und man muß den Querschnitt ansehen. Aber wenn man in den Wald geht, wo Bäume gefällt werden, so wird man an den alten Bäumen die Ringe viel deutlicher sehen, und man wird Vergnügen daran finden, die Stämme zu betrachten und zu zählen, wie alt die Bäume sind. Man kann nicht ganz sicher sein, daß man die Jahre richtig zählt, weil das alte Holz durch das neu wachsende zusammengepreßt wird und sehr hartes Holz in der Mitte des Stammes bildet, das sogenannte Kernholz. Aber sicherlich ist der Baum nicht jünger, sondern wahrscheinlich viel älter, als die Ringe, die man zählen kann, angeben.

Nun kommen wir zu der Frage zurück, wie Bäume so alt werden können. Jahr für Jahr bilden sie einen neuen Ring, und diese Ringe werden immer schmäler und schmäler, je älter sie werden. Durch die jüngeren Ringe steigt der rohe Saft in die Blätter auf und kommt als Nahrung wieder herunter, um die verschiedenen[S. 15] Teile des Baumes zu nähren. In jedem Frühling werden Knospen an jedem Blatte gebildet, und diese Knospen sind wie neue Pflanzen. Sie wachsen mit frischer Kraft empor und bilden neue Nahrung für den Baum, der sie im Stamme und in den Zweigen emporträgt zu Licht und Luft.

Das Kernholz des Stammes ist wirklich tot und vermodert manchmal, während der äußere Teil des Baumes noch weiter grünt. Aber viele Ringe im Innern des Baumes brauchen noch Nahrung, und wenn man einen gefällten Baum ansieht, so kann man sehen, wie sie diese bekommen. Neben den Ringen wird man einige Linien (m) bemerken, die wie die Speichen eines Rades von dem Mittelpunkt des Stammes ausgehen und sich bis zur Rinde erstrecken. Diese Linien bestehen aus Mark wie die, welche wir in der Mitte des jungen Schößlings der Eiche sahen. Durch sie hindurch dringt der Saft durch den ganzen Baum, bis sie zusammengepreßt werden.

Es gibt auch Bäume, wie die Palmen, die ihr in Warmhäusern seht, die keine Ringe ansetzen. Aber sie sind keine bei uns wachsenden Bäume und gehen uns hier nichts an.

Nehmt verschiedene Stücke von Baumzweigen und versucht, die Rinde, die innere Rinde, die Holzringe und das Kernholz zu erkennen. Flieder, Linde und Holunder zeigen sie sehr gut. Eiche und Fichte zeigen am besten das Kernholz.

Lektion 3.
Wie ein Baum wächst. — Die Roßkastanie.

Wenn ein junger Baum reichlich Holz und Zweige gebildet hat, beginnt er, einige seiner Knospen zu benutzen,[S. 16] um Blüten zu bilden. Diese Blütenknospen wachsen an denselben Stellen wie die Blätterknospen. An einigen Bäumen wachsen sie da, wo das Blatt aus dem Stamm hervorwächst. Bei anderen wachsen sie an der Spitze der Zweige. Sie sind im allgemeinen runder und weniger spitz als die Blätterknospen. Die Blüten der Eiche sind sehr klein, deshalb tut man besser, sich nach einem Roßkastanienbaum umzusehen und einen Zweig desselben für diese Lektion zu brechen. Man wird auf einer Roßkastanie fast zu jeder Zeit des Jahres Blütenknospen finden, ausgenommen, wenn er im vollen Blätterschmuck steht, denn dann sind sie sehr klein.

Die beste Zeit darnach zu suchen, ist am Ende des Winters, wenn der Baum kahl ist. Zuerst sieh die kleineren Knospen an, die zu zwei und zwei einander am Zweige gegenüberstehen. Unter jeder Knospe sieht man eine Narbe, die die Stelle bezeichnet, wo das Blatt im letzten Jahre wuchs. Die Narbe hat die Form eines Pferdehufes und hat verschiedene schwarze Flecke, die wie die Nägel angeordnet sind. Diese Stellen zeigen, wo die Röhrenbündel waren, die den Saft in das Blatt führten.

Nun zerpflückt eine der Knospen. Sie sind klein, und ihr werdet es nicht gerade leicht finden; aber ihr könnt die braunen, klebrigen Schuppen abnehmen, und dann werdet ihr im Innern zuerst einen feuchtklebrigen Flaum finden und dann die jungen, grünen Blätter, die dicht zusammengefaltet sind. Zwischen ihnen wächst eine grüne Spitze.

Salweide.
1. Silberweiße Kätzchen, Stempel tragend. 2. Goldgelbe Kätzchen, von Staubgefäßen gebildet.
V. 2.

GRÖSSERES BILD

Wenn ihr nun diese Knospe hättet wachsen lassen, und sie Nahrung genug erhalten hätte, so würde sie im Frühling zu einem kleinen, Blätter tragenden Zweige herangewachsen sein. Aber selten werden alle Knospen an einem Zweige groß. Die stärkeren nehmen die Nahrung fort, und die schwächeren sterben entweder ab oder warten bis zum nächsten Jahre.

Nun seht die Knospen an den Spitzen der Zweige an! Sie sind viel größer als die, die an den Seiten wachsen, und ihr könnt sie leicht untersuchen. Wenn ihr die klebrigen Schuppen fortgenommen habt — es sind ihrer 12 bis 17 —, so werdet ihr zu denselben feuchtklebrigen, weißen Flaumhaaren kommen, die ihr in den Blattknospen fandet, und die ein warmes Bett für die im Innern wachsenden zarten Blättchen abgeben.

Aber diese Knospe besteht nicht ganz aus Blättern wie die kleineren. Sie hat vier kleine hellgrüne Blätter, und in sie eingebettet liegt eine zierliche Rispe mit kleinen Knöpfchen (F).

Zweig der Roßkastanie.
1. Große Blütenknospe. 2. Kleine Blätterknospe. 3. Narbe vom vorjährigen Blattstiel. 4. Gefäßröhren, in denen der Saft sich bewegt. 5. Zweig, der vor zwei Jahren gebildet wurde. I. Blütenknospe (Längsschn.). S. Hüllschuppen. L. Gefaltete Blätter. F. Blütenanlagen.

Man kann die Blüten an dieser Rispe ohne Mikroskop wahrnehmen. Aber wenn man bis zum Mai wartet und sie beobachtet, so wird man sehen, wie sie sich allmählich zu einem lieblichen Blütenzweig entwickeln, und ich denke, ihr werdet sie um so lieber haben, sobald ihr wißt, wie der[S. 18] Baum sie im letzten Herbst vorbereitete, als er noch mit Blättern bedeckt war, und sie den ganzen Winter hindurch warm in klebrige Knospen einhüllte.

Und während ihr nun auf die Entwicklung der Blüten wartet, seht euch den Baum selbst an. Der Stamm ist glatt und rund. Die Zweige beginnen ungefähr drei Meter über dem Boden. Zwei und zwei stehen einander gegenüber wie die Blätter, ausgenommen da, wo eine Knospe sich nicht entwickelt hat. Die unteren Zweige, die natürlich die ältesten sind, breiten sich am weitesten aus, so daß der Baum sich nach der Spitze hin in gefälliger Weise abrundet.

Wenn dann der April kommt, fallen die braunen Schuppen von den Blattknospen ab, und der Baum ist mit hellgrünen, flaumhaarigen Blättern bedeckt. Sie sind geteilt in sieben Blättchen, die von der Spitze des Stengels wie ein halbgeöffneter Regenschirm herabhängen. Nach und nach, wenn sie kräftiger werden, entwickeln sie sich zu einem breiten Blatt aus sieben fingerartigen Teilen. Inzwischen wirft die Blütenknospe ihre Schuppen ab; die vier grünen Blätter kommen hervor, und die Blütenrispe streckt ihre schneeweißen, rot und gelb gestreiften Blüten heraus (siehe bunte Tafel I).

Die Blüten, die dem Zweige am nächsten sitzen, öffnen sich zuerst und werden kräftig. Es sind vollständige Blüten mit fünf grünen Kelchblättern und fünf schön gekräuselten Blumen-Kronblättern, die sowohl Staubgefäße als Fruchtknoten im Innern haben. Aus diesen entstehen die Kastanien, die im Herbste reif werden. Die an der Rispe weiter oben sitzenden Blüten haben nur Staubgefäße im[S. 19] Innern der Blumenkronblätter. Sie verwelken, sobald sie ihren Blütenstaub ausgestreut haben.

Wenn ihr eine ältere Blütenrispe bekommen könnt, nachdem die Blüten schon verwelkt sind, und den Fruchtknoten einer Blüte durchschneidet, so werdet ihr sehen, daß er drei Abteilungen hat mit je zwei kleinen Samen. Aber wenn ihr die stachelige Frucht im Herbst aufnehmt, so werdet ihr, obwohl sie in drei Teile zerspringt, nur eine oder zwei große Kastanien darin finden, seltener noch einige andere sehr kleine. Die großen Samen haben die anderen kleinen ausgehungert und sind groß und stark geworden. Sind die Kastanien braun und glänzend, so sind sie reif und werden keimen, sobald man sie sät.

Obwohl die Roßkastanie im Sommer sehr schön ist, werden ihre Blätter sehr früh gelb und fallen im September ab, und dann kann man sehen, wie sich die Knospen für das nächste Jahr schon gebildet haben. Jedermann weiß, daß Roßkastanien bitter und nicht genießbar sind. Die süßen Kastanien, die wir rösten, kommen von einem ganz anderen Baum und sind keine Samen, sondern Früchte.

Suche einen Roßkastanienzweig und untersuche die Knospen; beobachte im Mai den Fruchtknoten und die Frucht im September.

Lektion 4.
Bäume mit Kätzchenblüten.

Die Roßkastanie ist einer der wenigen großen deutschen Bäume, die große Blütenrispen haben. Es gibt in den Hecken viele hübsche blühende Sträucher, wie Schwarz-[S. 20] und Weißdorn und Schneeball. Aber viele große Bäume haben kleine Blüten. Da einige dieser Bäume blühen, ehe sich ihre Blätter entfalten, so kann man ihre Blüten sehen. So wollen wir denn einige betrachten.

Wenn in der Nähe eurer Wohnung viele Bienen sind, und dort einige Salweiden entweder in den Hecken oder Gehölzen wachsen, so geht an einem sonnigen Märztage hinaus, legt euch unter einen der Bäume und paßt auf.

Bald werdet ihr ein Summen hören, das so lange dauert, wie die Sonne scheint. Denn die Bienen sind aus ihrem langen Winterschlafe erwacht und brauchen Honig und Blütenstaub, um Bienenbrot zu bereiten. Es blühen nur sehr wenige Blumen im März, und wenn der süße Duft des Honigs von den Blüten der Weide aufsteigt, so werden die Bienen seiner schnell gewahr.

Ihr werdet mich vielleicht fragen, woran man eine Salweide erkennt. Ihr kennt sie sehr gut, obwohl ihr vielleicht den Namen nicht wißt. Es ist ein großer, buschiger Baum mit einem grauen Stamm; sie wächst in Hecken und feuchten Gehölzen. In manchen Gegenden schneiden die Leute am Palmsonntag Zweige davon ab und nennen sie Palmen.

Im März und April werdet ihr an den Zweigen runde, weiche, walzenförmige Gebilde sehen, so groß wie Fingerhüte, die bald auf der einen, bald auf der anderen Seite des Zweiges wachsen. In diese stecken die Bienen ihre Köpfe hinein. Ihr erinnert euch an die Kätzchen, die wir im ersten Buch auf den Nußbäumen sahen. Diese weichen Gebilde, die sich dicht an die Weide schmiegen, sind auch Kätzchen. Bei Weiden stehen sie nach oben,[S. 21] anstatt wie bei dem Nußbaum nach unten zu hängen, und bei der Salweide umfassen sie den Zweig.

Aber nun möchte ich, daß ihr noch weiter aufpaßt. Der Baum, unter dem ihr gerade sitzt, hat hoffentlich breite gelbe Kätzchen (vergl. bunte Tafel II), und wenn ihr einen Zweig abpflückt und ihn genau anseht, werdet ihr sehen, wie die gelben Staubbeutel rund um die Kätzchen herumstehen. Aber ihr findet vielleicht ganz in der Nähe einen anderen Baum derselben Art, auf dem die Kätzchen weich und grau sind (vergl. bunte Tafel II, 1). Sie sind viel länger und schmäler als die gelben Kätzchen.

Blüten der Salweide.
1. Blüte mit Fruchtknoten. 2. Blüte mit Staubgefäßen. L. Blattschuppe. H. Honigdrüse. O. Fruchtknoten. S. Staubgefäß.

Pflücke einen Zweig von jedem dieser Bäume und nimm ihn mit zur Schule. Wenn ihr die Kätzchen zerpflückt, so werdet ihr finden, daß jedes derselben aus winzigen Blüten besteht. Bei den gelben Kätzchen besteht jede Blüte nur aus einem kleinen schuppigen Blatte (L, 2) mit zwei Staubgefäßen. Nein! Ich habe etwas vergessen. Es ist noch etwas anderes dabei, denn unten an dem schuppigen Blatt sitzt ein kleiner Becher (H), der einen Tropfen Honig enthält. So sind, wie ihr seht, sehr viele Tropfen Honig in einem Kätzchen.

Wenn ihr nun die grauen Kätzchen zerpflückt, so[S. 22] werdet ihr denselben Honigbecher (H) unten an der Blütenschuppe finden, aber anstatt der Staubgefäße bemerkt ihr einen kleinen Fruchtknoten (O) in der Form einer Flasche mit einer verschrumpften Narbe.

Nun könnt ihr auch sehen, wozu der Honig dient. Da die Staubgefäße und Fruchtknoten auf verschiedenen Bäumen sitzen, so müssen die Blüten die Bienen in die Versuchung bringen, den Blütenstaub fortzutragen. Es ist klug, Weiden dahin zu pflanzen, wo in der Nachbarschaft Bienen gehalten werden; denn diese holen im Frühling eine Menge Honig aus ihnen heraus. Die Korbweide, die in Sümpfen wächst, und deren Zweige zu Körben verarbeitet werden, blüht zu derselben Zeit wie die Salweide. Aber die gemeine Silber-, auch Kopfweide genannt, die oft ein großer Baum wird, und die Bruch- oder Knackweide, deren Zweige beim Versuche, sie zu biegen, so leicht brechen, blühen später, erst nachdem die Blätter hervorgewachsen sind. Alle blühen aber immerhin noch frühzeitig, und wenn die winzigen, mit weißem Flaum bedeckten Samen aus den Kätzchen herausgeweht sind, benutzen manche Vögel sie beim Nestbau.

Ein anderer Baum, der blüht, ehe die Blätter kommen, ist die deutsche Pappel, die fast überall wächst. Pappeln haben zwei Arten von Blüten auf verschiedenen Bäumen wie die Weiden. Aber sie haben keinen Honig, und so kommen keine Bienen in ihre Nähe. Ich denke, daß ihr bald erraten werdet, wie die Übertragung des Blütenstaubes geschieht, wenn ihr Pappeln in eurer Nähe habt und sie beobachtet. Die stürmischen Aprilwinde schwingen die lang herabhängenden Kätzchen hin und her[S. 23] und der trockene Blütenstaub wird durch die Luft von Baum zu Baum geweht.

Zweige der Pappel.
1. Kätzchen mit Staubgefäßblüten. 1a. Einzelne Blüte vergrößert. 2. Kätzchen mit Stempelblüten, die also einen Fruchtknoten enthalten. 2a. Einzelblüte vergrößert.

Wißt ihr auch wohl, welchen Baum ich unter „deutscher Pappel“ verstehe? Nicht jene hohen steifen Bäume, die gerade zum Himmel emporsteigen. Diese kommen aus Italien und heißen italienische Pappeln. Die[S. 24] deutschen Pappeln sind sehr breitästige Bäume mit großen Blättern, die an langen Stielen hängen. Bei der Silberpappel sind die Blätter unterseits weißfilzig, und die der Espe oder Zitterpappel sind auf der Unterseite mit seidenartigen Haaren bedeckt. Die Blätter drehen sich an ihren langen Stielen, wenn der Wind geht, und sehen sehr hübsch aus, wenn sie ihre weißen Seiten zeigen.

Noch einen anderen Baum mit zweierlei Blüten müßt ihr aufsuchen. Die Blüten mit Staubgefäßen bilden lange lose Kätzchen, während die mit dem Stempel und Fruchtknoten in kleinen, mit Schuppen umgebenen Knospen sitzen. Dies ist unser Freund, der Eichbaum, nachdem er zu einem großen Baume herangewachsen ist. Die Eiche blüht im Frühling, gerade wenn die Blätter hervorkommen. Man kann leicht die Kätzchen erkennen, wie sie im Winde hin- und herschwanken, aber die Blüten, aus denen die Eicheln entstehen, sind sehr klein und wachsen einzeln oder in Paaren zwischen den Stielen der Blätter und der Zweige. Jede ist von einer kleinen Zahl von Schuppen umgeben, die sich nach und nach zu dem Becher der Eichel verhärten.

Die Eiche ist ein so wichtiger Baum, daß wir von ihr in einer besonderen Lektion sprechen müssen.

Suche im März Weidenkätzchen mit weiblichen und männlichen Blüten. Suche nach dem Honigbecher. Suche Blätter und Zweige der deutschen Pappel.

Lektion 5.
Die deutsche Eiche.

Ich möchte wissen, ob es in eurer Nachbarschaft Wälder gibt, wo die Eichen dicht zusammen wachsen, oder wo sie mit Buchen und anderen Bäumen gemischt stehen.

[S. 25]

Sie haben gerade, kahle Stämme; manche sind 3, manche 6, manche 10 Meter hoch, ehe sich die Zweige nach oben ausbreiten. Ihr erinnert euch aber doch, daß eure kleine Eiche Knospen hatte an dem ganzen Stamm hinauf, bald auf der einen, bald auf der anderen Seite. Wie kommt es, daß aus diesen Knospen keine Zweige entstanden sind?

Eichenzweig mit Eicheln.
1. Gewöhnliche Eiche mit gestielten Eicheln. 2. Eiche, deren Früchte den Zweigen aufsitzen.
V. 3.

GRÖSSERES BILD

Der Grund ist der, daß in einem dichten Walde, wo die Bäume eng zusammengedrängt stehen, jeder Baum sein Haupt zum Licht emporheben will. Wenn nun im Frühling sich die Knospen und Blätter an der Spitze des kleinen Baumes öffnen, und der Saft von den Wurzeln aus durch den Stamm in sie hinaufsteigt, so brauchen diese sehr viel davon, um sich zu entwickeln. Nur eine kleine Menge des Saftes steigt wieder hinab, um neues Holz zu bilden. Deshalb erhalten die unteren Knospen nicht Nahrung genug zum Wachstum, und sie sterben entweder ab oder ruhen, das heißt, sie warten auf eine andere Gelegenheit, die sich vielleicht niemals findet. Dazu kommt, daß im dichten Walde die unteren Zweige mit ihren Blättern zu wenig Licht bekommen, um weiter wachsen zu können. Aus diesen Gründen wachsen die Eichen im Walde höher und höher und bilden erst hoch über dem Boden eine breitästige Krone.

Aber wenn man zufällig eine alte Eiche im offenen Felde oder am Waldrande findet, wo sie reichlich Platz hat und von allen Seiten genug Licht bekommt, so wird man sehen, daß sie ganz anders aufgewachsen ist. Der Stamm ist viel dicker, und die Zweige setzen viel weiter unten an. Bei vielen dieser Eichen kann ein erwachsener Mensch die unteren Zweige erreichen. Die Zweige sind sehr stark und[S. 26] breiten sich weit aus, so daß eine alte Eiche im Freien viel Platz einnimmt. Wenn der Stamm nicht sehr kräftig wäre, könnte er das Gewicht solcher mächtigen Zweige nicht tragen. Aber er hat am Boden einen großen Umfang, der sich dann etwas vermindert, so daß er sich wie ein starker Pfeiler erhebt, bis er wieder da umfangreicher wird, wo die Äste sich abzweigen.

Ein bedeutender englischer Ingenieur, namens Smeaton, der den Eddystone-Leuchtturm baute, gestaltete ihn wie den Stamm einer Eiche, und der Leuchtturm trotzte mehr als hundert Jahre lang dem Wind und den Wogen.

Die Eiche hat eine sehr starke, dicke Wurzel, von der lange Abzweigungen sich ganz um den Baum herum verbreiten. Ich kann euch ein Mittel sagen, durch das ihr erkennen könnt, wie weit sich die Wurzeln eines Baumes unter der Erde ausbreiten. Betrachtet die Zweige und seht, wie weit sie sich vom Stamme aus erstrecken, denn die Wurzeln reichen gerade so weit in der Erde, wie die Zweige über derselben sich ausdehnen.

Der Grund dieser Erscheinung ist sehr interessant. Ihr werdet euch daran erinnern, daß die Spitzen der Wurzeln gewissermaßen den Mund der Pflanzen vorstellen. Sie ziehen das Wasser ein. Wenn es nun regnet, rieseln die Regentropfen von Blatt zu Blatt, bis sie an die Spitzen der Zweige kommen, dann tröpfeln sie nieder und dringen in die Erde ein. Die Wurzeln würden sehr wenig Regenwasser bekommen, wenn sie da aufhörten, wo ein Mensch sich hinstellt, um sich vor dem Regen zu schützen. Aber wenn der Baum sich immer mehr ausbreitet, breiten sich[S. 27] ebenso die Wurzeln aus, bis sie die Stelle erreichen, wo das meiste Wasser von den äußeren Zweigen niedertropft.

Man wird die Kenntnis dieses Umstandes beim Garten- oder Feldbau nützlich finden, denn Baumwurzeln sind oft sehr störend.

Wenn ihr nun die rauhe Rinde der alten Eiche betrachtet habt, die so nützlich beim Gerben des Leders ist, so seht die Zweige an. Sie breiten sich nach allen Richtungen aus, und da wo ein neuer Zweig beginnt, ist ein dicker Knoten.

Kätzchen der Eiche.

Man kann den Grund davon erkennen, wenn man den jungen Baum ansieht (Seite 12) oder den Ast eines alten Baumes. An der Spitze der Zweige sitzt nicht nur[S. 28] eine Knospe wie bei der Roßkastanie, sondern zwei, drei oder sogar noch mehr. Alle diese Knospen drängen sich zusammen, und die mittlere stirbt gewöhnlich ab. Die anderen wachsen nach verschiedenen Richtungen hin und bilden die sogenannten „Kniegelenke“, wie die Tischler sie nennen. Sie wurden in alten Zeiten zum Schiffsbau gebraucht, weil sie sehr stark sind. Aber jetzt, wo die Schiffe aus Eisen gebaut werden, wird dies Holz nicht so viel mehr benutzt, und gerade Planken und Pfähle sind wertvoller. Es ist daher besser, Eichen in Wälder zu pflanzen, wo ihre Stämme gerade und glatt aufwachsen.

Eichenholz ist immer wertvoll gewesen. Die eichenen Deckenbalken in manchen alten Häusern sind viele hundert Jahre alt und halten noch immer so gut wie früher. In vielen Bauernhäusern finden sich alte Truhen und geschnitzte Möbel aus Eichenholz, die ein sehr hohes Alter haben, denn das Kernholz der Eiche ist sehr stark und fest.

Man kann Stamm und Zweige der Eiche am besten im Winter erkennen. Wenn dann der April vorüber ist, bekommen alle Knospen eine hübsche rote Farbe, die Blätter öffnen sich, und die losen Kätzchen hängen zwischen ihnen nieder, während die zierlichen Fruchtblüten sich zwischen den Blattstielen und den Zweig einschmiegen.

Sobald die Blätter völlig heraus sind, und die Eicheln anfangen, sich zu formen, versucht, ob ihr die beiden Arten der deutschen Eiche herausfinden könnt. Ihre Blätter haben im großen und ganzen dieselbe Form. Die Stiel- oder Sommereiche hat langgestielte Eicheln (daher der Name!), während die Blätter auf so kurzen Stielen stehen, daß sie beinahe den Zweig berühren. Bei der zweiten Art, der[S. 29] Stein- oder Wintereiche, ist’s umgekehrt, die Eicheln sitzen auf ganz kurzen, die Blätter dagegen auf langen Stielen.

Die immergrüne Eiche, die oft in Gärten wächst, ist aus Italien gekommen. Ihre Blüten gleichen fast denen der Steineiche.

Beobachte an einem Eichenzweige die Knospen. Beachte an einem Eichenklotz das dunklere Kernholz und die Jahresringe, sowie die rauhe Rinde. Suche die beiden Arten der Eiche zu finden und zu unterscheiden. Beachte die Schuppen, die zusammenwachsen und den Becher der Eichel bilden.

Lektion 6.
Gäste der Eiche.

Die Eiche nährt mehr Geschöpfe als irgend ein andrer Baum. Nicht nur fressen das Schwein, der Igel, das Eichhörnchen und die Feldmaus Eicheln, sondern mehr als fünfzig Arten von Insekten holen sich ihre Nahrung von irgend einem Teile des Baumes.

Viele derselben sind zu klein für euch, als daß ihr sie finden könntet, aber es wird euch Spaß machen, nach den andern zu suchen. Wenn ihr einen Eichbaum im Mai untersucht, werdet ihr wahrscheinlich einige seiner Blätter aufgerollt finden, entweder von der Spitze nach dem Stiele hin oder von einer Seite nach der anderen. Wenn man die Rolle aufwickelt, wird man eine Raupe oder vielleicht eine Puppe im Innern finden. Es gibt zwei Arten von Raupen, die Eichenblätter aufrollen. Die eine, die des Eichenkahnspinners, ist ziemlich groß. Sie rollt das Blatt in unordentlicher Weise auf und spinnt einen Kokon rund herum in der Form eines kleinen Kahnes. Wenn der[S. 30] Spinner auskriecht, hat er hellgrüne Vorderflügel mit zwei hellgelben, geraden Schräglinien.

Die andere Raupe, die ihr sicher finden werdet, verrichtet ihre Arbeit ordentlicher. Sie macht eine sehr saubere Rolle und befestigt sie mit feinen Fäden. Dann nährt sie sich von dem Innern der Rolle, bis sie sich verpuppt und später als Schmetterling auskriecht. Wenn man im Juni eine Eiche schüttelt, so werden viele solcher Schmetterlinge auffliegen. Es ist der grüne Eichenwickler, dessen Vorderflügel hellgrün, dessen Hinterflügel aber grau gefärbt sind. Die Raupe ist viel kleiner als die vorige, die den kahnförmigen Kokon spinnt, woher sie auch einfach Kahnspinner genannt wird. Ein anderes Insekt, welches ihr viel leichter finden werdet, ist die Larve des großen Hirschkäfers. Um diese zu finden, müßt ihr in die Rinde alter Bäume schneiden, wo die dicke Larve ein Bett für sich unter der Rinde aushöhlt. Sie verweilt da und nährt sich von dem Holze des Baumes drei oder vier Jahre lang, bis sie sich in den Käfer verwandelt. Ihr erinnert euch, daß der Specht mit seinem Schnabel an den Baum klopft, wenn er daran emporklimmt. Es sind Larven wie diese, die er zu finden versucht.

Aufgerollte Eichenblätter mit Puppe im Innern.

Aber die sonderbarsten Heimstätten an einer Eiche sind die Gallen, die von weiblichen Insekten gebildet werden, die ihre Eier an irgend einen Teil des Baumes legen.[S. 31] Jedes Landkind kennt diese an den Spitzen der Zweige wachsenden braunen, rotbäckigen Eichengalläpfel, die von vielen Leuten fälschlich für Früchte gehalten werden.

Wenn man die Galläpfel mit einem scharfen Messer durchschneidet, so wird man finden, daß sie weich und schwammig sind und im Innern aus einer Anzahl Kammern bestehen. In jeder dieser Kammern sitzt entweder eine Larve oder ein Kokon oder ein fertiges Insekt, das im Begriff ist, auszukriechen. Oder der Gallapfel ist vielleicht auch leer; alle Bewohner sind schon ausgeflogen.

Eichen-Gallapfel. Querschnitt durch den Gallapfel, der die Larvenkammern im Innern zeigt.

Laßt uns sehen, wie diese Eichengallen zustande kommen. Früh im Jahre läßt sich eine kleine Wespe, Eichengallwespe genannt, auf dem Zweige nieder und durchbohrt die[S. 32] Rinde mit einer Röhre, die eine scharfe Spitze hat. Sie trägt diese Röhre am hinteren Ende ihres Körpers zusammengerollt, bis sie dieselbe gebraucht. Dann sticht sie damit in den Zweig und preßt mit etwas Saft einige Eier zugleich in das Loch.

In sehr kurzer Zeit entsteht eine Schwellung, und die schwammige Galle wächst um die Eier herum, von denen jedes in einer Kammer für sich sitzt. Wenn nun die Larven auskriechen, finden sie reichlich weiche Nahrung, bis sie ihre Kokons spinnen.

Eine andere dieser Wespenarten legt ihre Eier auf die losen Kätzchen. Man kann sie leicht wie kleine braune Johannisbeeren an den Stengeln hängen sehen (3, S. 33) nachdem die Blüten verwelkt sind. Denn obgleich der Stengel gewöhnlich abfällt, bleibt er, falls Gallen daran sind, hängen, bis das Insekt ausgekrochen ist.

In diesen „Beerengallen“ sitzt je eine Larve, ebenso wie in denen, die man unter den Blättern findet. Es gibt wenigstens zwei Arten von Blättergallen. Die eine ist hellrot und wird einfach „Eichenblattgalle“ genannt. Die andere ist sehr klein, rosig, haarig und platt. Es gibt sehr viele davon unter jedem Blatt, und sie heißen „Knopfgallen“ (2, S. 33). Die Larve bleibt in diesen Gallen, nachdem die Blätter abgefallen sind, und ihr werdet leicht imstande sein, sie zu finden.

Die nächste Galle (1, S. 33) werdet ihr sicher für eine Knospe halten. Sie wird „Eichenrose“ genannt und entsteht wirklich aus einer Eichenknospe, in die das Insekt seine Eier früh im Frühling hineinlegt. Anstatt sich dann zu einem Zweige mit grünen Blättern zu entwickeln, bedeckt[S. 33] sich die Knospe mit Schuppen, und eine Anzahl von Larven kriecht im Innern derselben aus.

Eichengallen.
1. Eichenrose. 2. Knopfgallen. 3. Beerengallen. 4. Braune Eichengallen.

Zuletzt sind nun noch die dicken braunen Gallen zu erwähnen, die einfach Eichengallen (4, S. 33) genannt werden. Sie wachsen in der Mitte der Zweige und bleiben[S. 34] den ganzen Winter hindurch hängen, nachdem die Insekten ausgeflogen sind. Die Galle ist den Bäumen sehr schädlich, denn sie entzieht ihnen viel Saft. Sie ist den Gallen ähnlich, die wir von Asien erhalten, und deren Gerbsäure wir gebrauchen, um Tinte daraus zu machen.

Viele andere Bäume außer der Eiche haben auch Gallen, und wenn ihr einen sonderbaren Klumpen an einem Baum findet oder eine seltsam geformte Knospe, die ganz anders aussieht als das, was man an diesem Baume zu sehen gewohnt ist, so rate ich euch, dieses Gebilde aufzuschneiden und nachzusehen, ob eine Larve darinsitzt.

Suche so viele Eichengallen, wie du finden kannst. Suche die Blatt aufrollende Raupe und versuche, die Larve des Hirschkäfers zu finden.

Lektion 7.
Die Buche und die edle Kastanie.

Wenn ihr im Frühling durch die Wälder geht, so solltet ihr beobachten, wie die Bäume sich mit Blättern schmücken. Einer der schönsten ist die Buche (vergl. bunte Tafel IV, 1). Man kann sie mitten im Winter an ihrer grauen Rinde, ihrem hohen, glatten Stamme, der eine breite Blätterkrone trägt, und ihren braunen, spitzen Knospen erkennen, die hintereinander bald auf der einen, bald auf der anderen Seite der Zweige wachsen. Wie verschieden sind sie von den dicken Knospen der Roßkastanie, und doch halten sie die kleinen Blätter im Inneren ebenso sicher und warm.

1. Buchenzweig. 2. Frucht der Buche (Buchecker). 3. Eßbare Kastanie, Zweig mit Blüten. 4. Kastanien in der Schale.
V. 4.

GRÖSSERES BILD
1. Kiefer mit Zapfen. 2. Fichte (Rottanne) mit Zapfen.
V. 5.

GRÖSSERES BILD

Zerpflücke eine von ihnen im Anfang des Frühlings, gerade ehe sie aufbrechen! Du wirst zuerst eine Anzahl von glänzenden, braunen Schuppen finden, die dicht übereinander liegen. Unter diesen liegen einige durchscheinende Schuppen, die so weich sind wie Seide und die zarten, kleinen Blätter umhüllen. Diese sind fächerförmig zusammengefaltet und haben einen Saum von silberglänzenden Haaren. In der Mitte endlich liegt die zarte Spitze der Knospe sicher verborgen.

Einige Tage später werden diese hellgrünen Blätter sich öffnen; die Schuppen hängen dann lose nieder, während der aus feinen Haaren bestehende seidenartige Saum nun unter den Blättern zu sehen ist. Jedes der Blätter ist oval und an der Kante eingekerbt, und die Stengel, an denen sie wachsen, hängen zuerst hinunter und richten sich dann langsam auf. Um die Zeit, wo die Blätter völlig ausgewachsen sind, hängen die braunen Blütenbüschel zwischen ihnen.

Die Blüten, die Staubgefäße haben, sind weich und seidenartig und hängen an langen, dünnen Stengeln; aber die mit Fruchtknoten stehen auf kurzen Stengeln in der Nähe des Endes der Zweige. Zwei oder drei von ihnen sitzen auf einem Stiel; ihre klebrigen Narben stehen empor, und eine Anzahl von stachligen Schuppen umgibt sie.

Diese Schuppen sind denen ähnlich, die wir bei der Eichel sahen. Sie wachsen zu einer harten, mit Stacheln bedeckten Schale heran und schließen allmählich zwei oder drei kleine Nüsse ein. Wenn dann der Herbst kommt, fällt die Buchenmast (vergl. bunte Tafel IV, 2), wie sie genannt wird, herunter, die Schale zerspringt in vier Teile, und dann sieht man im Inneren die dreieckigen Nüsse, die die vertrocknete Narbe noch auf der Spitze tragen.

[S. 36]

Buchenknospen im Winter. Von der oberen Knospe sind die braunen Schuppen entfernt.

Was ist nun wohl der Grund, daß diese Schuppen zu einer harten Schale zusammenwachsen, und warum springen sie im Herbste auf? Weil die Eichhörnchen und Feldmäuse sich hauptsächlich von Bucheckern nähren und alle Nüsse fressen würden, ehe sie reif sind, sind diese mit einer Schale umgeben, die sie in ihrem grünen Zustande schützt. Aber nun platzt die Schale und fällt ab, gerade wenn die Früchte reif sind. Der Baum kann eine Menge von ihnen den Eichhörnchen und anderen Tieren zur Nahrung überlassen, wenn diese nur einige in den Boden treten oder sie so eingraben, daß sie aufwachsen. Buchen wachsen so leicht aus dem Samen auf, daß es nicht nötig ist, sie zu pflanzen. Aber will man einen Buchenwald gesund erhalten, um sein Holz später als Nutzholz zu verwenden, so muß man sehr sorgfältig sein. Die Bäume werden mehr als zweihundert Jahre alt, obgleich sie in einem Alter von ungefähr neunzig Jahren gefällt werden können.

Tüchtige Forstleute lassen immer nur ein Revier des Waldes fällen, damit ein Teil desselben stets als Nutzholz Verwendung finden kann. In der Abteilung, die gefällt werden soll, werden zuerst die anderen Bäume und die jungen, verkümmerten[S. 37] Buchen niedergeschlagen, um Luft und Licht einzulassen. Dann warten sie einige Jahre, bis ein Herbst kommt, wo die Buchenmast gut geraten ist, und die Samen kräftig und zur Aufzucht geeignet sind. Dies geschieht gewöhnlich alle drei oder vier Jahre. Dann fangen sie an, Stämme zu Bauholz auszuschlagen, und schaffen auf diese Weise Raum für die jungen Schößlinge, die bald lustig emporwachsen.

Darauf fällen sie jedes Jahr einige Bäume und holzen den Wald in ungefähr zehn Jahren ab. Um diese Zeit haben die jungen Buchen schon eine hübsche Blattkrone an der Spitze und wachsen kräftig auf, während der Forstmann einen anderen Teil des Waldes abholzt.

Wohl ist die Buche im Frühling schön, aber noch viel schöner nimmt sie sich im Herbst aus, wenn ihre Blätter sich gelb, braun und rot färben und den Boden des Waldes mit einem bunten Teppich bedecken. Die jungen Buchen behalten ihre Blätter den ganzen Winter hindurch ebenso wie die Buchenhecken, die beschnitten werden, so daß sie nicht zu Bäumen heranwachsen können.

Ihr kennt nun vielleicht noch einen anderen Baum, der gleichfalls seine Früchte in eine Schale, die aus stacheligen Schuppen besteht, einschließt. Dies ist die süße oder Eßkastanie (vergl. bunte Tafel IV, 3), die in den wärmeren Gebieten Deutschlands und des südlichen Europas gut gedeiht und anderwärts vielfach in Gärten gezogen wird. Sie öffnet ihre Blätter später als die Buche und blüht nicht vor Juli. Im Oktober platzt die Schale, und die Früchte sind reif. Und wenn ihr diese einsammelt, um sie zum Rösten mit nach Hause zu nehmen, so könnt ihr die Überbleibsel der Blüte bemerken, die eine Art von borstiger[S. 38] Krause an der Spitze der Früchte bildet (vergl. bunte Tafel IV, 4). Ganz spät im Herbste ist die edle Kastanie ein Baum, der einen imposanten Anblick gewährt. Ihre langen schmalen, am Rande scharf eingekerbten Blätter färben sich goldbraun und bleiben lange am Baume hängen.

In den Ländern, wo die edle Kastanie gut gedeiht, sind viele Balken an alten Häusern aus ihrem Holze hergestellt, während die schlanken Stämme junger Bäume zu Hopfenstangen verwendet werden. Buchenholz wird in großen Mengen zur Anfertigung von Stühlen gebraucht.

Birke und Erle sind gleichfalls Bäume mit Kätzchen und hartschaligen Früchten. Sie blühen früh im Jahre, ehe die Blätter heraus sind. Die Erle wächst am Ufer von Flüssen oder auf feuchtem Boden. Die Birke findet sich in Wäldern und ist an ihrem schlanken Stamme zu erkennen, dessen silberweiße Rinde weithin leuchtet, an ihren dunkelbraunen Zweigen und ihren dunkelgrünen Blättern, die nach dem Regen sehr stark duften, weil das Harz aus ihnen herausquillt. Manche kranke Birken haben große Büschel von Zweigen, die auf den oberen Ästen wachsen und wie Krähennester aussehen.

Suche im Frühling einen Birkenzweig mit Knospen; ebenso im Herbst Bucheckern und Kastanien in der Schale. Vergleiche eine süße Kastanie, die eine Frucht ist, mit einer Roßkastanie, die ein Same ist. Suche Erlen- und Birkenfrüchte.

Lektion 8.
Bäume, die Zapfen tragen.

Kiefern, Fichten und Lärchen wachsen fast in allen Gegenden Deutschlands. Es sind interessante und nützliche[S. 39] Bäume. Sie alle bilden ihren Samen in holzartigen Zapfen, und ihre Blätter sind sehr schmal oder nadelförmig, ganz ungleich den Blättern der meisten anderen Bäume.

Ein großer Teil des Bauholzes, das wir brauchen, kommt von Nadelholzbäumen, die in Norwegen, Deutschland und anderen Ländern angepflanzt werden. Meistens ist es Kiefern- und Fichtenholz. Ohne Zweifel habt ihr schon die kleinen, runden Stellen, „Äste“ genannt, in einer Planke bemerkt und habt diese ausgepocht, so daß ein Loch entstand. Es sind dies Stellen, wo Zweige wuchsen und abbrachen, und sich der Stamm um sie herum schloß; sie sind gewöhnlich in Kiefern- und Fichtenholz. Der Saft in diesen Bäumen ist harzig, und man zapft ihn ab, um Terpentin daraus zu gewinnen. Wenn man bei einem Spaziergange durch den Wald die Blätter eines Nadelholzbaumes zerdrückt, so wird man den starken Geruch nach dem harzigen Safte bemerken.

Jedes Kind hat wohl schon die Zapfen von Nadelholzbäumen aufgelesen; man kann leicht drei verschiedene Arten finden, die von der Kiefer, von der Fichte und der Lärche.

Die Kiefer ist ein mächtiger Baum mit ausgebreiteter Krone, dessen Stamm mit einer rotbraunen, tiefrissigen Rinde bedeckt ist. Die dunkelgrünen Blätter sind sehr schmal und ungefähr 5 cm lang (vergl. bunte Tafel V, 1). Sie wachsen zu zweien in einer Scheide aus braunen Schuppen. Ihre Zapfen haben fast keine Stiele, sie buchten sich am unteren Ende aus und verjüngen sich nach oben hin zu einer stumpfen Spitze. Sie bestehen aus einer Anzahl dicker holzartiger Schuppen, die aussehen, als wären sie am Ende zurückgebogen. Das bewirkt eine verdickte kopfförmige[S. 40] Stelle mit einem braunen, schuppigen Flecke am Ende der Schuppenspitze. Diese Schuppen liegen so dicht übereinander, daß, ehe die Zapfen reif sind, kein Tropfen Regen hineindringen kann, und es dauert zwei, auch drei Jahre, bis sie reif werden. Manchmal hängen sie während dieser ganzen Zeit an dem Baume. Manchmal fallen sie früher ab. Sobald sie reif werden, biegen sich die holzartigen Schuppen nach außen, und man kann im Innern einer jeden zwei durchscheinende Schuppen sehen, die die Form eines Fliegenflügels haben. Sie stehen aufrecht an der holzartigen Schuppe.

Schiebe vorsichtig ein Messer unter das untere Ende einer solchen Schuppe und ziehe sie heraus! Man wird am Ende einer jeden einen Samen finden, wenn man nicht etwa die zarte durchscheinende Haut zerstört hat.

Diese Samen sind nämlich geflügelt; sie haben keine Samenkapsel über sich, sondern wachsen nackt an der Innenseite der holzartigen Schuppe. Nach einer gewissen Zeit fallen sie heraus und werden vom Winde fortgeweht. Hat man einen Zapfen, der zu alt ist, so wird man keine Samen mehr darin finden.

Alle zapfentragenden Bäume haben solche geflügelte Samen; ihre Zapfen sehen sich zwar alle ähnlich, doch kann man an ihnen recht gut die einzelnen Arten unterscheiden.

Die Fichte (vergl. bunte Tafel V, 2) ist sehr verschieden von der Kiefer. Ihre sich weit ausbreitenden Zweige wachsen fast bis auf den Boden hinunter, und ihre nadelförmigen Blätter, die 1½–2 Zentimeter lang sind, stehen einzeln. Ihre Zapfen sind lang und schmal, und die Schuppen sind nicht so dick wie bei den Kiefern. Aber der Hauptunterschied ist, daß die Enden der Schuppen[S. 41] nicht knopfförmig verdickt sind; sie sind vielmehr zugespitzt und ganz wenig einwärts gebogen, und daran kann man Fichtenzapfen von Kiefernzapfen unterscheiden. Die Fichten haben zwei Samen in jeder Schuppe wie die Kiefern, aber diese reifen in einem Jahre. Die Fichte ist ein echt deutscher Baum.

Zweig der Lärche mit Zapfen.

Bei der Lärche, die besonders häufig in kälteren Ländern anzutreffen ist, und der Zeder, die vom Libanon in Palästina kommt und bei uns häufig in Parkanlagen, Gärten usw. anzutreffen ist, wächst der Samen gleichfalls in Zapfen, aber diese Bäume sind recht verschieden von der Kiefer und Fichte. Ihre nadelförmigen Blätter sind sehr dünn und stehen zu Büscheln von 18 oder 20 zusammen in derselben Scheide. Die Zapfen der Zeder stehen aufrecht und sind eiförmig, aber dieser Baum erzeugt in Deutschland selten Zapfen.

Lärchenzapfen sind ganz klein, nicht größer als 2 bis 3 cm lang; sie wachsen in einer Reihe an den Zweigen. Die holzigen Schuppen liegen nicht sehr dicht übereinander.

Ich denke, ihr könnt die Zapfen von allen diesen Bäumen, ausgenommen die der Zeder, finden. Natürlich[S. 42] muß man nach den Zapfen der Fichten und Lärchen im Herbst suchen, weil sie jedes Jahr reif werden; aber Kiefernzapfen sitzen das ganze Jahr hindurch auf den Bäumen. Wenn ihr diese Bäume im Frühling und im Anfang des Sommers anseht, so werdet ihr die männlichen Blütenstände an den Zweigen stehen sehen. Der gelbe Blütenstaub wird dann in ganzen Wolken umhergeblasen, so daß er auf die Narben der Samenknospen in den jungen Zapfen fällt.

Zweig der Eibe.
1. Mit Blüten im Frühling.
2. Mit roten Beeren und Samen im Herbst.

Kiefern, Fichten und Zedern sind immergrüne Bäume. Ihre Nadeln bleiben drei oder mehr Jahre lang auf dem Baume, und da die Zweige nicht von demselben Alter sind, so fallen sie in verschiedenen Jahren ab, so daß die Bäume immer grün sind. Die Lärche hingegen wirft ihre Nadeln jedes Jahr ab, und man kann sie leicht im Herbste an ihren kahlen, herabhängenden Zweigen erkennen, die mit kleinen braunen Zapfen bedeckt sind.

[S. 43]

Kiefern und Fichten gedeihen auch in sehr magerem Boden und ihre Samen keimen sehr leicht. Wenn ihr einen Kiefernwald oder einen Wald, in dem Kiefern und Fichten gemischt stehen, in der Nähe habt, so versucht eine junge Keimpflanze zu finden. Sie ist sehr eigenartig, denn sie schießt in einem langen dünnen Stämmchen auf und trägt die Samenschale mit sich empor. Fällt diese ab, so sieht man fünf oder sechs lange Keimblätter darunter und in ihrer Mitte eine Knospe mit den wirklichen Kiefern- oder Fichtenblättern.

Es gibt noch einen anderen Baum, den ihr gut kennt, und der auch nadelförmige Blätter hat. Diese wachsen alle um den Stamm herum, zwei zusammen in jeder Scheide, aber sie stehen in Reihen an den beiden Seiten des Zweiges wie die Federstrahlen an dem Schaft der Feder. Dies ist die Eibe, die man so oft in Parks und Gärten findet. Sie trägt keine Zapfen. Ihre nackten Samen sitzen einzeln in einer roten, saftigen Beere. Die Staubgefäßblüten wachsen nicht auf demselben Baume wie die roten Beeren, aber wenn ihr sorgfältig sucht, werdet ihr sie auf einem anderen Baume finden.

Suche einen Kiefern- und einen Fichtenzweig. Vergleiche die Zapfen der beiden Bäume. Versuche den Zweig einer Zeder, den Zweig einer Lärche mit Zapfen, eine Kiefern- oder Fichtenkeimpflanze, den Zweig einer Eibe mit Staubgefäßblüten im April und einen anderen mit den roten Beeren und den nackten Samen im Herbst zu finden.

Lektion 9.
Hecken-Sträucher und -Bäume.

Als Umzäunung von Dorfgärten oder als Einfassung der Wege in Parkanlagen finden wir überall in Deutschland[S. 44] Hecken. Am meisten aber sind Hecken im Bereiche des ehemaligen Herzogtums Holstein angelegt, wo sie auch zur Einfassung und Abgrenzung der Felder und Wiesen dienen. So unansehnlich diese Hecken auch auf den ersten Blick erscheinen mögen, sie haben doch alle ihre besonderen Schönheiten, und muntere Vögel haben sich in allen angesiedelt, da sie im dichten Gezweig Schutz für sich und ihre Nester haben.

Laßt uns zuerst die Gartenhecken betrachten! Habt ihr jemals daran gedacht, daß diese aus jungen Bäumen hergestellt sind, die immer wieder geschoren werden, so daß nur Zweige und Blätter verbleiben, die nicht zu großen Stämmen heranwachsen können? Eine Buchsbaumhecke besteht aus scharf beschnittenen Buchsbäumen, die in unseren Gärten sehr niedrig bleiben. In England sind die Stechpalmenhecken sehr beliebt, deren stachelige Blätter das Vieh verhindern, hindurchzubrechen. Wenn man einzelne der Stechpalmen in einer solchen Hecke wachsen läßt, so werden sie oft dreißig Fuß hoch.

Die Weißdornhecke besteht aus dem Hage- oder Weißdorn, den wir oft auf Rasenplätzen als stattlichen Baum finden. Die Buchenhecke ist aus wohl beschnittenen Buchen gezogen, und die verwelkten Blätter bleiben im Winter an ihr hängen wie an jungen Buchen. Aus den Eiben, die nur selten noch in Deutschland wild wachsen, kann man gleichfalls schöne Hecken herstellen, aber man muß sich hüten, sie da zu pflanzen, wo Pferde und Rindvieh in der Nähe sind, denn in einem harten Winter fressen die Tiere oft die giftigen Blätter und sterben.

1. Vogelbeere, Blüte (links) und Frucht (rechts unten). 2. Pfaffenhütlein (Spindelbaum), Blüte rechts, Frucht links.
V. 6.

GRÖSSERES BILD

Alle diese Hecken bestehen nur aus einer Art von Bäumen. Sie sind lange nicht so interessant wie die gemischten Hecken, in denen wir Brombeeren, Nüsse und alle möglichen Früchte und Blumen finden.

Ihr kennt wohl alle den Schwarzdorn, dessen kleine weiße Blüten an dem schwarzen Stamme aufblühen, wenn kaum der Winter vorbei ist, während er noch ohne Blätter ist. Ist dies der Fall, so wißt ihr wohl auch, daß ihr im Herbst unter seinen kleinen dunkelgrünen Blättern dunkelblaue Schlehen findet, und daß man diese Früchte sammeln kann, um Schlehensyrup oder Schlehenwein zu bereiten. Der Schwarzdorn eignet sich nicht so gut zu Hecken, da seine Wurzeln weit ins Feld hinaus wandern, und er sich oft zu einem Baume auswächst und so eine Lücke in der Hecke läßt.

Der Weißdorn oder Hagedorn eignet sich viel besser dazu, denn er wächst schnell zu einer lebenden Hecke heran, wenn er ordentlich beschnitten wird, und das Vieh kann diese wegen der Dornen nicht durchbrechen. Man kann aber die Früchte des Weißdorns, die sogenannten „Mehlbeeren“, nicht benutzen und muß sie den Vögeln überlassen.

Dann wird man in den Hecken oder im Walde wahrscheinlich auch den Holzapfelbaum finden mit sich weit ausbreitenden Zweigen, die häufig mit Dornen besetzt sind. Er hat ovale Blätter mit scharfen Spitzen, die auf der Unterseite, wenn sie jung sind, Flaum haben. Seine rot-weißen Blüten kommen im Mai hervor, und im Herbst findet man den rot und gelben Holzapfel an ihrer Stelle. Die Frucht ist sauer, herb und ungenießbar.

Ein anderer Heckenbaum ist die wilde Kirsche, von deren Früchten die Vögel im Sommer fressen, so daß er dazu[S. 46] beiträgt, sie vom Korn fernzuhalten. Es ist ein buschartiger Strauch mit roter Rinde und eiförmigen Blättern, die am Rande doppelt gesägt sind. Seine Blüten wachsen auf kurzen Stielen und zwar zu vier oder fünf wie unsere Gartenkirschen; die Frucht ist glänzend rot, wenn sie reif ist. Ebenso findet man in Hecken die Trauben- oder Vogelkirsche (siehe Abb. S. 47), deren Blüten in langgestielten, überhängenden Trauben wachsen, und deren Früchte glänzendschwarz gefärbt sind.

Schwarzdorn, Weißdorn, Holzapfel und Kirsche gehören alle zu der Familie der Rosenblütler, die, wie ihr euch erinnert, so viele Früchte tragende Pflanzen enthält. Dazu gehört auch der hübsche Vogelbeerbaum (vergl. bunte Tafel V, 1), oft auch gemeine Eberesche genannt, weil die Blätter in Blättchen zerschnitten sind gleich denen der Esche. Man findet die kleinen, weißen Blüten der Eberesche im Mai geöffnet. Aber viel schöner sieht diese im Herbst aus, wenn die roten Beeren reif sind und in vollen Büscheln am Baume hängen. In manchen Gegenden wurden Ebereschen früher gepflanzt, um Hexen fernzuhalten, da man ihnen eine derartige Kraft zuschrieb.

Noch von zwei anderen Heckensträuchern will ich euch erzählen. Der eine ist der Schneeball (2, S. 47), der dunkelgrüne, drei- oder fünfzackige Blätter mit gekerbtem Rande hat. Diese Blätter färben sich im Herbste schön rot. Seine weißen Blüten wachsen in einer flachen Dolde. Die äußeren sind groß und haben weder Staubgefäße noch Fruchtknoten. Ihr Zweck ist, Bienen und andere Insekten anzulocken, die zu den kleineren Blüten in der Mitte kommen, um Honig zu holen. Diese mittleren Blüten sind vollständig, und die[S. 47] Insekten bringen Blütenstaub auf die Narbe, so daß dann im Fruchtknoten Samen gebildet werden kann. Der Schneeball trägt im Herbste schöne korallenrote Beeren.

1. Trauben- oder Vogelkirsche. 2. Schneeball.

Der andere Busch, der in einer Höhe von ungefähr fünf Fuß in den Hecken wächst, heißt Pfaffenhütlein oder Spindelbaum, weil sein Holz zu Spindeln verarbeitet[S. 48] wird. Er hat einen glatten, grauen Stamm und schmale, grüne Blätter, die sehr giftig sind. Die kleinen, grün-weißen Blüten im Mai wird man kaum bemerken. Aber im Herbst hat er hübsche, eigentümliche Früchte. Vier rote Fruchtknoten wachsen zu einer Kapsel zusammen, die auf einem kurzen Stiele sitzt. Sie sehen sehr sonderbar aus, und wenn man sie öffnet, so wird man finden, daß der Samen im Innern mit einer glänzenden orangefarbigen Haut bedeckt ist.

Suche Blumen und Früchte des Schwarzdorns, des Weißdorns, des Holzapfels, der wilden Kirsche, der Eberesche, des Schneeballs und des Spindelbaums.

Lektion 10.
Blühende Gartensträucher.

In Hausgärten, wo kein Platz ist, große Bäume anzupflanzen, kann man doch in den Ecken viele blühende Sträucher ziehen, und viele von ihnen sind sehr hübsch. Der erste, der im Jahre blüht, ist die japanische Quitte (vergl. bunte Tafel VII). Sie wächst an den Mauern der Landhäuser und verleiht ihnen ein freundliches Ansehen, auch wenn die Bäume kahl sind. Ihre dunkelroten Knospen zeigen sich schon im März, und während des April entfalten sich die tiefroten Blüten. Sie gleichen in der Form Birnblüten und wachsen in kleinen Büscheln dicht am Stamm. Wenn man keine im Garten hat, wird es leicht sein, einen Ableger von dem Strauch irgend eines Nachbars zu erhalten und groß zu ziehen. Im Herbste trägt sie eine harte grüne Frucht.

Bald nachdem die japanische Quitte in voller Blüte[S. 49] steht, wird die rotblühende Johannisbeere ihre Blütentrauben in vielen Gärten zeigen. Sie stammt aus Nordamerika und ist über ganz Deutschland verbreitet. Man wird sie leicht daran erkennen, daß ihre Blätter ganz denen der Johannisbeerbüsche im Gemüsegarten ähnlich sehen und ihre hübschen herabhängenden roten oder rosa Blütentrauben den grünen Blüten unserer Johannis- und Stachelbeeren. Im Herbst hängen dann Büschel von schwarzen Beeren an dem Strauche, die nicht gut zu essen sind. Ein Ableger der rotblühenden Johannisbeere wird ohne jede Mühe aufwachsen.

Die wilde Berberitze.

Ein anderer sehr hübscher Strauch blüht im frühen Sommer. Es ist die Berberitze, deren kleine scharlachrote Früchte manchmal zur Füllung von Konfituren verwendet werden. Die Berberitze ist ein interessanter Strauch, denn bei ihr sind einige Blätter in Dornen verwandelt, so daß an jedem Gelenk ein dreispitziger Dorn sitzt neben den weichen, gefransten Blättern. Die wilde Berberitze hat gelbe Blüten mit hellroten Staubbeuteln,[S. 50] aber es gibt eine Gartenart mit immergrünen Blättern, die tieforangefarbige Blüten hat. Sie sind klein und hängen in einer langen Traube herunter, und wenn ihr geschickt seid, könnt ihr einen Versuch machen sowohl mit der wilden wie mit der Gartenberberitze.

Seht sorgfältig eine der Blüten an, und ihr werdet bemerken, daß von den sechs Staubgefäßen je eins auf einem Blumenkronblatt liegt. Unten an dem letzteren, fast in der Mitte der Blüte, sind zwei Drüsen, aus denen tropfenweise Honig quillt. Die klebrige Narbe auf dem Fruchtboden steht aufrecht in der Mitte der Blüte.

Nehmt nun eine Nadel und berührt eins der Staubgefäße am Fuße, gerade da, wo die Honigtropfen sitzen. Es schnellt auf, wie von einer Feder bewegt, und berührt die klebrige Narbe; nach einer Weile wird es wieder zurückschnellen. Wenn nun die Biene auf der Suche nach Honig ihren Kopf in die Blüte steckt, berührt sie mit dem Rüssel das Staubgefäß, so daß es aufspringt und den Kopf des Insekts trifft. Dieses wird mit Blütenstaub bedeckt, den es zu einer anderen Blüte trägt. Oder der Staubbeutel läßt etwas Blütenstaub auf seiner eignen Narbe, ehe er wieder zurückschnellt.

Aber wir müssen weiter, denn wenn die Aprilwinde wehen, und der Sonnenschein überall Blumen hervorlockt, wird es eine Menge Sträucher geben, die zu beobachten sind. Da ist der Besenginster mit seinen hellgelben Blüten, die wie Erbsenblüten geformt sind. Man kann den Besenginster auf der Heide wachsend finden. Er ist dem Stechginster sehr ähnlich, hat aber einen glatten grünen Stamm ohne Stacheln. Aber bei dem Besenginster stehen[S. 51] die Blüten einzeln, während sie beim Stechginster hellgelbe Trauben bilden. Der Ginster hat keinen Honig, aber die Bienen kommen zu ihm, um Blütenstaub zu holen, aus dem sie Bienenbrot machen.

In der Nähe des Ginsters steht vielleicht ein Fliederbusch, und ihr könnt beobachten, wie hübsch die beiden Farben, gelb und lila, zusammenpassen. Man kann aus den beiden Sträuchern einen sehr hübschen Strauß binden. Aber ein solcher wird noch viel schöner, wenn man einen Goldregen mit seinen langen goldigen Blütentrauben hinzunehmen kann. Der Goldregen hat viel Honig in seinen Blüten, und wenn die Bienen erst einmal ihren Weg zu ihm gefunden haben, bleiben sie oft lange Zeit in jeder Blüte stecken. Du kannst viele von ihnen auf einem Baume sehen. Goldregenschoten sehen kleinen Erbsenschoten sehr ähnlich, aber hütet euch, die Samen in ihnen zu essen, denn sie sind sehr giftig.

Hierauf wird der Rhododendron seine schönen purpurroten Blüten über den glänzend grünen Blättern öffnen. Der Rhododendron stammt aus Nordamerika. Aber der Holunder, der dort in der Ecke steht und seinen freundlichen Schatten über eine Bank wirft, ist ein echter deutscher Strauch, der fast verdient, ein Baum genannt zu werden. Er blüht im Juni; aber er ist einer der ersten, der sich im Frühling mit Blättern bedeckt. Obgleich nicht groß, hat er doch einen dicken Stamm, und seine Rinde ist rauh und korkartig.

Wenn man sich Knallbüchsen machen will, muß man junge Zweige nehmen, denn in den alten ist das Mark durch die äußeren Holzringe auf einen geringen Raum[S. 52] zusammengedrückt. Die Blätter des Holunders sind gegenständig, und jedes Blatt ist in fünf bis sieben einzelne Teilblättchen zerschnitten mit einem an der Spitze. Die kleine weiße Blüte wächst in breiten, flachen Dolden, die als Frucht im Herbste die süßen schwarzen Holunderbeeren hinterlassen.

Wenn ihr keinen Holunder im Garten habt, so findet sich dafür vielleicht ein Schneeballstrauch (siehe bunte Tafel VII). Dies ist eine Gartenspielart des wilden Schneeballs. Seine Blüten sind keine flachen Dolden wie bei letzterem, sondern wachsen mehr in Form eines Balles. Sie haben keine Staubgefäße und keinen Fruchtboden und erzeugen keinen Samen. Die Blätter färben sich im Herbste purpurrot und sehen dann sehr hübsch aus.

Nach dem Schneeball blüht auch die Waldrebe, deren wilde Art unscheinbare gelbgrüne, innen weißgefärbte Blüten besitzt. In unseren Gärten und an den Portalen vieler Häuser werden Waldrebenarten gezüchtet, die aus Südeuropa stammen und sich von unserer heimischen Waldrebe durch große blaue oder weiße prächtige Blüten unterscheiden. Die Waldrebe ist eine Kletterpflanze wie das Geißblatt und der wilde Wein, neben denen sie zuweilen auch zur Bekleidung von Lauben und Veranden benutzt wird.

Suche Blüten und Blätter der erwähnten Sträucher!

Lektion 11.
Esche und Ulme.

Nächst der Eiche sind die beiden nützlichsten, hartes Holz liefernden Bäume die Esche und Ulme. Sie blühen sehr früh im Jahre, ehe sie sich mit Blättern bedecken.

Rote Blüten der japanischen Quitte (Pyrus japonica). Weiße Blüten des Schneeballes (Viburnum opulus).
V. 7.

GRÖSSERES BILD

Man kann Eschen selbst im Winter überall an zwei Merkmalen erkennen. Erstens an den Spitzen der Zweige, die plattgedrückt sind, als wenn sie unter einer Presse gelegen hätten, und zweitens an den schwarzen Knospen, die wie kleine Pyramiden geformt sind (siehe Abbildung S. 54). Kein anderer Baum hat solche schwarzen Knospen. Die Farbe des Stammes ist aschgrau, und die Zweige wachsen sehr zierlich, erst fliehen sie seitwärts von dem Stamm, um dann zu einer zarten, lichten Krone emporzustreben.

Im April fangen die Eschenknospen der Seitenzweige in der Nähe des Gipfels an, sich zu schwarzroten Blütentrauben zu öffnen. Die einzelne Blüte ist sehr klein. Sie hat keine Blumenblätter; sie besteht nur aus einem Fruchtknoten und zwei dunkelvioletten Staubgefäßen. Aber diese zierlichen Blüten stehen so dicht gedrängt, daß der ganze Baum von ihnen bunt schimmert.

Gegen Ende Mai beginnen dann die Blätter sich zu öffnen. Sie stehen sich gegenüber an den Seiten der Zweige, und jedes Blatt ist in sieben oder neun Blättchen zerschnitten, von denen eins als überzählig an der Spitze steht. Auch von anderen Pflanzen sind die Blätter so wie hier zerteilt und du könntest denken, jedes Teilblättchen wäre ein ganzes Blatt. Doch wenn es Blätter wären, müßte eine Knospe an dem Grunde eines jedem, nahe dem Stamme, wachsen und außerdem müßte eine weiter wachsende Spitze am Ende stehen. Doch ist weder das eine noch das andere der Fall, und daraus magst du ersehen, daß alle die Einzelblättchen zusammen ein Blatt bilden, und beim Welken fallen alle Blättchen zusammen ab.

Spitze eines Eschenzweiges.
1. Blatt mit neun Teilblättchen.
2. Blüten.
3. Junge Früchte.

Der Baum ist den ganzen Sommer hindurch sehr[S. 54] schön, und seine blaugrünen Blätter unterscheiden sich deutlich von denen aller anderen Bäume. Aber früh im Herbste werden sie gelb und fallen ab. Dann kann man den Baum an seinen sonderbaren, langen, flachen, schmalen Früchten (siehe Abbildung, 3) erkennen, die in Büscheln von den Zweigen hängen wie ein Schlüsselbund. Sie hängen manchmal[S. 55] noch mitten im Winter am Baume, bis die rauhen Winde sie abreißen.

Man findet oft junge Eschen im Garten wachsend, denn ihre Samen sind sehr keimfähig. Aber Kaninchen lieben die jungen Schößlinge, und so kommen sie selten hoch. Junge Eschenstämme werden oft zu Spazierstöcken und Hopfenstangen verarbeitet, und das Holz der ausgewachsenen Bäume verkauft sich sehr gut zum Wagen- und Möbelbau.

Die Ulme oder Rüster ist ein so allgemein bekannter Baum, daß ihr vielleicht denkt, es sei nichts Interessantes an ihm. Aber habt ihr wohl bemerkt, daß die Zweige einer Ulme bis tief zu dem Boden hinab am Stamme wachsen, wenn sie nicht abgehauen werden. Und sicher wissen viele von euch nicht, daß sich an dem Zweige oft Verdickungen bilden, die ein der Korkrinde ähnliches Aussehen haben. Dies verleiht dem Baume ein kränkliches Aussehen.

Zweig der Ulme, der mit korkähnlichen Verdickungen bedeckt ist.

Er ist in Wirklichkeit ganz gesund, aber diese Zweige zeigen, daß die Ulme eine der Korkrinde ähnliche Rinde hat. Schon am Stamme ist sie dick und rauh und an den kleinen Zweigen, wo sie keinen Platz hat, sich auszubreiten,[S. 56] bildet sie diese Verdickungen. Der innere Teil der Rinde, Bast genannt, ist sehr zähe und wird zur Anfertigung von Matten und Seilen gebraucht.

Die Feld-Ulme kommt bei uns sehr häufig vor und zwar besonders als Alleebaum und in Parkanlagen, auf Wiesen und Weideplätzen.

Die Berg-Ulme findet in bergigem Gelände ähnliche Verwendung, unterscheidet sich aber von der vorigen durch ihren schwächeren Wuchs und ihre größeren Blätter, die sehr lang zugespitzt und auch behaart sind.

Selbst im Winter könnt ihr eine Menge Knospen an der Ulme zählen, und wenn der April kommt, und ihr durch die Zweige blickt, so werdet ihr eine purpurne Färbung sich über den Gipfel des Baumes ziehen sehen. Dies verursachen die zierlichen purpurnen Blüten, die sich an den Zweigen öffnen. Nun beobachtet den Baum! Gegen Ende April lugen die frischen, grünen Blätter aus den Blattknospen hervor. Aber schon beginnen die breitgeflügelten Früchte zu fallen und werden vom Winde zu Haufen zusammengeweht.

Ihr kennt sicher diese kleinen, flachen, grünlichen Scheibchen, mit einem Klümpchen in der Mitte, das anzeigt, wo der Same sitzt. Sie werden vom Winde am Rande des Feldes und in den Straßen hingetrieben und füllen oft die Rinnsteine. Wenn sie von der kleinblättrigen Feldulme herrühren, so ist es zweifelhaft, ob sie aufwachsen werden. Aber wenn ihr eine großblättrige Bergulme im Garten habt, könnt ihr die Früchte leicht erkennen, weil sie ganz in der Mitte des Scheibchens sitzen, während sie bei der Feldulme näher[S. 57] an die Spitze heranliegen. Diese Samen sind reif, und es lohnt sich, sie zu säen.

Alle großen Waldulmen liefern sehr gutes Bauholz. Sie leben oft vier- bis fünfhundert Jahre, aber die beste Zeit, sie abzuholzen ist, wenn sie ungefähr 120 Jahre alt sind.

Ulmenzweige. 1. Zweig mit Blüten. 2. Zweig mit Früchten.

Auf der Ulme leben eine Menge Insekten. Das schädlichste von ihnen ist ein Käfer, der sich nach der inneren Rinde durchfrißt und den Saft aufsaugt. Dann bohrt der weibliche Käfer kleine Gänge an beiden Seiten der Röhre. In jeden Gang legt er ein Ei, und wenn die Larven auskriechen, fressen sie das Holz. Die Bäume ganzer Wälder[S. 58] sind schon manchmal durch diesen Ulmensplintkäfer zerstört worden.

Suche den Zweig einer Esche und betrachte Zweige und Knospen. Suche ein Büschel von Eschenfrüchten. Suche die korkartigen Zweige der Ulme und die grünen Samenscheibchen im Mai. Suche in vermoderten Ulmen nach den Gängen des Ulmensplintkäfers.

Lektion 12.
Im Parke.

In unseren großen Parks wird man alle Arten der deutschen Bäume finden neben vielen anderen, die deshalb interessant sind, weil sie aus dem Auslande stammen. Alleen von mehreren Kilometern Länge werden oft mit einer Art von Bäumen bepflanzt, mit Kastanien, Buchen, Eichen oder Linden, und da die Bäume hier frei stehen, so entwickeln sie sich meist schöner als in den Wäldern. Wir haben bis jetzt noch nicht von der Linde gesprochen, aber ihr kennt diesen schönen Baum sehr gut mit seinem geraden, glatten Stamme, seinen hellgrünen, herzförmigen Blättern, die auf der einen Seite größer als auf der anderen und oben zugespitzt sind, und seinen gelblichgrünen Blüten, die an einem langen Stiele hängen, der aus der Mitte eines gelbgrünen Blattes hervorwächst (siehe bunte Tafel VIII, 2).

Pflückt einige von diesen Blüten im Juli oder einige der runden, flaumigen Früchte, die gerippt sind, im Herbste, wenn sie reif sind. Das Blatt, aus dem sie hervorwachsen, heißt Deckblatt und ist etwas Ähnliches wie die Schuppen, auf denen die Staubgefäße der Weide und die Samen der Fichte wachsen. Bei der Linde ist das Deckblatt lang[S. 59] geworden, und dient dazu, im Winde die Frucht mit fortzutragen. Die innere Rinde oder der Bast der Linde ist sehr nützlich zur Anfertigung von Tauen, und die Bienen lieben die Linde von allen Bäumen am meisten, weil ihre Blüten einen süßen Duft ausströmen und eine Menge Honig in ihren Kelchen bergen.

Ein anderer Baum, der den Bienen fast ebenso nützlich ist wie die Linde und noch früher blüht, ist der Bergahorn. Seine grünen Blütentrauben hängen von den Zweigen herab, ehe die Blätter ganz heraus sind. Der Bergahorn ist ein sehr schöner Baum mit großen fünflappigen Blättern, der dem Feldahorn sehr ähnelt. Wenn man bei warmem Wetter unter einem Bergahorn steht, so wird man oft bemerken, daß Tropfen davon herunterfallen, und daß seine Blätter klebrig sind. Alle Ahornarten enthalten nämlich eine große Menge zuckerigen Saftes, der aufsteigt und aus den Blättern quillt, entweder da, wo sich ein Riß in ihnen befindet, weil sie trocken sind, oder da, wo ein Insekt ein Loch gebissen hat. Ihr habt gewiß schon die kleinen, schädlichen Blattläuse bemerkt, die an Rosen und anderen Pflanzen dicht zusammensitzen und ihnen den Saft aussaugen. Hunderte und Tausende von ihnen nähren sich von dem Saft der Bäume, und dazu kommen noch andere Insekten, wie z. B. die Schaumzikade, deren Larve sich ganz mit Schaum bedeckt, der vom Volke „Kuckucksspeichel“ genannt wird. Durch die Risse, die die Insekten verursachen, sickert der Saft des Ahorns heraus und fließt über die Blätter.

Die Frucht dieses Baumes ist sehr sonderbar. Sie ist geflügelt wie die der Esche, aber zwei Früchte wachsen zusammen,[S. 60] so daß die beiden Flügel sich wie die eines Schmetterlings ausbreiten (siehe Abbildung). Die Flügel der Feldahornfrucht breiten sich weiter aus als die des Bergahorns.

Ahornzweig mit Frucht.

Das Holz des Ahorns wird zur Anfertigung von Möbeln gern benutzt. Sehr viele unserer Pulte und Kleiderschränke werden aus amerikanischem Ahorn gemacht, denn dort sind Ahornarten viel verbreiteter als bei uns. Ahornzucker, den amerikanische Kinder sehr lieben, wird aus dem zuckerhaltigen Safte einer amerikanischen Art bereitet, der deshalb „Zuckerahorn“ heißt.

1. Erdbeerbaum mit Blüte und Frucht. 2. Lindenzweig in Blüte.
V. 8.

GRÖSSERES BILD

Ein anderer Baum, den man in Gärten und Parks findet, ist der Walnußbaum, der von den Römern nach Deutschland gebracht wurde. Es ist ein großer, sich weit ausbreitender Baum mit einem rauhen Stamm und starken, krummen Ästen und Zweigen. Die Blätter sind gefiedert wie die der Esche, aber sie sind viel größer. Sie haben einen hübschen, rötlichen Schimmer, wenn sie jung sind, und einen starken Geruch, wenn man sie zerdrückt.

Diese Bäume wachsen so schnell, daß sie in zehn Jahren ungefähr 7 Meter hoch werden; dann beginnen sie zu blühen und Früchte zu bilden. Sie wachsen bis zu einer Höhe von 20–25 Meter. Im April kann man die langen Kätzchen von dem Baume herabhängen sehen, gerade wenn die Blätter hervorbrechen. Die männlichen Blüten sitzen an der Spitze der Zweige des letzten Jahres. Aber die kleinen Gruppen von Blüten, aus denen sich die Walnüsse entwickeln, sitzen auf den neuen Zweigen, die sich gerade aus den Knospen gebildet haben. Ihr alle kennt die Walnuß. Sie ist in eine grüne Schale eingeschlossen, deren Saft eure Finger braun färbt, wenn ihr sie abschält. Sobald die grüne Schale entfernt ist, kann man ein Messer zwischen die beiden Hälften der harten Schale schieben und sie auseinander spalten. So trennt man den Fruchtkern, den man essen kann, in der Mitte, gerade da, wo der Keim der zukünftigen Pflanze liegt. Wenn man genau hinsieht, kann man die kleine weiße Knospe und die Wurzel unterscheiden, die zwischen den Samenblättern am spitzen Ende der Nuß liegt. Das Holz des Walnußbaumes ist sehr wertvoll für die Anfertigung von Möbeln, denn es[S. 62] wird dunkelbraun, wenn der Baum alt ist, und ist sehr schön gemasert.

Ich möchte euch nun noch von einem anderen baumartigen Strauche erzählen, der in Südeuropa heimisch ist und bei uns zuweilen in Parkanlagen und Gärten gezogen wird. Es ist der Erdbeerbaum, so genannt, weil seine Früchte Erdbeeren ähnlich sehen. Es ist ein immergrüner Strauch mit grünen, glänzenden Blättern von der Form eines Lorbeerblattes, die am Rande grob gezähnt sind. Die krugförmigen Blüten sind wachsgelb und hängen an gebogenen Stielen. Aber das Sonderbarste an diesem Strauche ist, daß es ein Jahr dauert, bis die Früchte reif werden. Zuerst sind sie blaßgelb, dann färben sie sich immer dunkler bis sie glänzend rot sind und zu zweien oder dreien zwischen den dunkelgrünen Blättern hängen, gerade wenn der Baum wieder seine hübschen weißgrünen Blüten treibt.

Unter den Bäumen, die man in Parks finden kann, wirst du besonders viele Nadelbäume bemerken, die aus fremden Ländern bei uns eingeführt sind und entweder ihres schönen Wuchses oder auch ihrer eigenartig gefärbten Nadeln wegen von den Gärtnern gezüchtet werden. Häufig finden wir auch die großen Magnolien und die Tulpenbäume, von denen erstere so schöne, große, weiße und rötliche Blüten haben. Aber dies sind Fremdlinge, und wir müssen zufrieden sein, wenn wir etwas über deutsche Bäume wissen.

Suche die Blüten und Früchte der Linde; die Blätter der Ahornarten, die von Honigtau kleben; die Blätter und Kätzchen des Walnußbaumes. Öffne eine Walnuß und suche im Innern die junge Keimpflanze.

[S. 63]

Lektion 13.
Blätter. Ihre Gestalt und ihr Stand.

Im Sommer, wenn die Bäume voll belaubt sind, und ihr sie kennen gelernt habt, solltet ihr Zweige von verschiedenen Bäumen holen und beobachten, wie die Blätter an den Ästen wachsen, und welche Formen sie haben.

Wir haben schon bemerkt, daß einige Bäume wie die Roßkastanie und der Ahorn gegenständige Blätter haben, wo eins dem anderen am Stengel gegenübersteht, also zwei aus einem Sproßknoten wachsen. Andere dagegen, wie die Ulme und die Buche z. B., haben wechselständige Blätter, so daß jedes seinen Sproßknoten hat. Aber es gibt viele Arten von wechselständigen Blättern, und es wird euch Vergnügen bereiten, sie ausfindig zu machen.

Bei der Ulme und der Buche kommt jedes zweite Blatt genau über dem darunter stehenden heraus. Blatt 1 entspringt an der einen Seite des Zweiges, Blatt 2 auf der anderen Seite, Blatt 3 genau über Blatt 1. Aber wenn ihr einen Zweig der Zitterpappel oder Espe nehmt, so wird es Blatt 4 sein, das genau über Blatt 1 steht. Dann nehmt einen Eichenzweig. Ihr werdet sehen, daß ihr sechs Blätter zählen müßt, ehe ihr eins genau über dem ersten stehend findet. Alle diese Unterschiede haben ihren Zweck, und wenn man die Bäume im Walde genau ansieht, so wird man finden, wie diese verschiedenen Anordnungen die Blätter in Stellungen bringt, wodurch sie am besten Licht und Luft erhalten.

Ferner ist dann die Form der Blätter zu beachten. Botaniker haben sehr viele Namen, um die Gestalt, den[S. 64] Rand, die Adern und die Abteilungen der Blätter zu beschreiben. Ich kann euch nur einige davon sagen, so daß ihr eure Augen öffnen und andere selbst finden mögt.

Blätter, die ungeteilt sind, so daß man nicht ein Stück abreißen kann, ohne das Ganze zu beschädigen, heißen einfache. Die Blätter der Ulme, Buche, Edelkastanie, Linde, Eiche, Weide, des Bergahorns und viele andere sind einfach.

Blätter, die in verschiedene Teile zerschnitten sind, so daß man einen abreißen kann, ohne die anderen zu berühren, heißen zusammengesetzte. Die Blätter der Roßkastanie, Esche, Rose, des Vogelbeerbaumes und des Holunders sind zusammengesetzt. Ihr müßt euch ins Gedächtnis zurückrufen, daß die Abteilungen Blattabschnitte und nicht Blätter sind, weil sie am Ende keine wachsende Spitze und im Blattwinkel keine Knospen haben. Die Blättchen wachsen aus der Spitze des Blattstengels heraus (Roßkastanie) oder aus der schmalen grünen Mittellinie (Rose), die nicht der Stengel, sondern die Mittelrippe des Blattes ist.

Nehmt nun alle einfachen Blätter, die ihr habt und seht, wie sie gestaltet sind. Die beste Weise, dies herauszufinden ist, ein Blatt auf eure Schiefertafel zu legen und eine Linie herumzuziehen. Das ist sehr leicht bei einem Buchenblatt oder dem Blatte einer Edelkastanie. Aber wenn ihr ein Eichenblatt nehmt, so geht der Rand zuweilen bis an die Mittelrippe, so daß man meinen kann, ein geteiltes Blatt zu haben.

Um die Form eines Blattes festzustellen, muß man es anders machen. Man muß, am Stengel des Blattes beginnend, eine Linie um die äußersten Punkte desselben herumziehen, bis man wieder an den Stengel kommt.[S. 65] Wenn man ein Ahornblatt so mit einer Linie umzieht, so wird eine Figur heraus kommen, die einer Niere ähnlich ist. Das Blatt des Bergahorns wird mehr herzförmig sein, länger und in einer stumpfen Spitze endend. Ein Eichenblatt ist länglich rund, länger als breit. Das Ulmen- und das Buchenblatt ist eiförmig oder oval, wie man sagt, während das der Edelkastanie schmal und lang ist. Ein Lindenblatt endlich ist herzförmig, aber ungleich, da eine Seite größer ist als die andere. Es ist ungleichseitig.

Zusammengesetzte Blätter. 1. Roßkastanie. 2. Rose.

Nun laßt uns untersuchen, wie die verschiedenen Blätter am Rande ausgezackt sind. Einige, wie die des Flieders und des Efeus, sind glattrandig. Andere sind buchtig und das Blatt der Stechpalme ist grobstachlig gezähnt zu seinem Schutze. Aber wenn ihr die Blätter an der Spitze[S. 66] des Baumes betrachtet, wohin das Vieh nicht reichen kann, so werdet ihr oft finden, daß diese Blätter keine Stacheln erzeugen.

Andere Blätter haben rund um den Rand Zähnchen. Das Blatt der edlen Kastanie ist am Rande wie eine Säge ausgezackt. Das Blatt einer Birke ist ebenso, aber wenn man es genau betrachtet, so wird man sehen, daß es zwei Reihen von Zähnchen hat. Der Rand der großen Zähnchen ist noch einmal gezähnt. Dieses Blatt hat also einen doppelt gezähnten Rand. Andere Blätter haben tiefe Einschnitte oder Lappen. Der Rand eines Eichenblattes ist manchmal nur buchtig, manchmal hat er tiefe Einschnitte. Das Blatt eines Bergahorns hat fünf große, spitze Abteilungen oder Lappen.

Vergleicht das Blatt des Bergahorns mit dem der Eiche. Ihr werdet sehen, daß die Adern, die das Skelett der verschiedenen Blattformen ausmachen, nicht überall gleich laufen. Beim Bergahornblatt gehen die großen Adern oder Rippen von der Spitze des Stengels aus und breiten sich aus gleich fünf Fingern, während die kleinen Adern von den großen ausgehen. Ein solches Blatt heißt handförmig, weil die Adern gleich sind den Fingern an der Hand. Beim Eichenblatt dagegen läuft eine lange Rippe in der Mitte empor. Von ihr gehen die kleineren aus wie die Strahlen einer Vogelfeder. So sagt man vom Eichenblatt, daß es federartig geädert oder gefiedert ist von Fieder, was gleichbedeutend mit Feder ist.

Formen und Ränder von Blättern.
1. Buche — eiförmig, Rand buchtig. 2. Eiche — verkehrt eiförmig, tief buchtig. 3. Edelkastanie — breitlanzettlich, lang und spitz gezähnt. 4. Birke — doppelt gezähnt. 5. Linde — herzförmig oder schief-dreieckig. 6. Bergahorn — herzförmig, fünflappig, handförmig. 7. Ahorn — nierenförmig, fünflappig, handförmig.

Nun nehmt die zusammengesetzten Blätter der Roßkastanie, der Esche und der Rose. Bei der ersteren wachsen die Blattabschnitte gerade wie bei dem Bergahorn. Sieben[S. 68] Rippen gehen von der Spitze des Stengels aus und verbreiten sich wie Finger; es ist also auch ein handförmiges oder gefingertes Blatt. Aber bei der Esche und Rose geht eine Rippe in der Mitte empor und die einzelnen Blättchen sind federartig angeordnet. Diese Blätter nennt man also gefiedert.

Es gibt außerdem viele Übergangsformen von Blättern, und wenn ihr sie sammelt und in einem alten Schreibhefte ordnet, werdet ihr bald eine Vorstellung von der Bedeutung der Namen bekommen.

Beschreibe die Blätter der Eiche, der Roßkastanie und der Ulme und ihre Stellung. Ordne die einfachen und zusammengesetzten Blätter, die du finden kannst, in einem Schreibhefte und beschreibe sie.

Schluss

Kinderaugen in der Natur

Erstes Buch
Tiere und Pflanzen in Wald und Feld

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Zweites Buch
Am Teich- und Flußufer

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Drittes Buch
Pflanzenleben in Feld und Garten

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Viertes Buch
Aus dem Leben unserer Vögel

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Fünftes Buch
Bäume und Sträucher

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Sechstes Buch
Aus dem Leben der Insekten

Bisheriger Absatz ungefähr 50000 Stück

Verlag von Hermann Gesenius in Halle (Saale)

Von 8 bis 10 Jahren.

Dr. Hartmanns Jungmädchenbücher:

Band 1.
Rotschwanz und Büschelohr, verfaßt von Magda Schelling. Gebunden M. 1.20.
Band 2.
Kriemhilds Rosengarten. Alten Volkssagen nacherzählt von Ilse Treu. Gebunden M. 1.20.
Band 3.
Walhall. Alten Volkssagen nacherzählt von Ilse Treu. Gebunden M. 1.20.
Band 4.
Vogelgesellschaft bei Buchfinks, verfaßt von Magda Schelling. Gebunden M. 1.20.
Band 5.
Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Eduard Mörike nacherzählt von Elfriede Kittelmann. Gebunden M. 1.20.

Die höheren Mädchenschulen: Die Bücher wollen dem Mangel an gediegenem Lesestoff für Mädchen von 8 bis 10 Jahren abhelfen. Sie erfüllen ihren Zweck in jeder Weise aufs beste. Die äußere Ausstattung mit dem Buntbild der zwei lesenden Mädchen ist sehr gefällig und lockt die Kinder; Papier und Druck sind sehr gut und die Einteilung in kurze Geschichten oder Kapitel für dieses Alter sehr glücklich. Die Stoffe sind aufs günstigste gewählt. Band 1 und 4 bieten Naturwissenschaftliches. Die Erzählungen sind so lebendig, daß man fast menschlichen Anteil an dem Schicksal der Tiere und Pflanzen nimmt. Dabei lernen die Kinder eine Menge, ohne die Absicht irgendwie zu merken. Die Geschichten sind in hohem Maße geeignet, Anteil und Liebe an der Natur bei den Kindern zu wecken. In Band 2 und 3 werden in ebenso ansprechender Weise altdeutsche und nordische Sagen erzählt. Der Heldenkreis um Dietrich von Bern und die Götter Walhalls treten den Kindern nahe. In Band 5 wird die allerliebste Erzählung vom Stuttgarter Hutzelmännchen nacherzählt. All die krausen Ranken in Stil und Erzählweise sind abgeschnitten, die für die Kinder — und nicht nur für diese — das reizende Märchen so schlimm verwirren, so daß sich alle an seinem humorvollen Kern freuen können. Für Schülerinnen-Büchereien sind die Bändchen eine wertvolle Bereicherung. Für den Familienkreis haben sie noch den Vorzug, daß Knaben sie ebenso gern lesen, und daß sie sich vorzüglich zum Vorlesen eignen, so daß sie recht zum Handbuch geeignet sind.

J. L.