The Project Gutenberg eBook of Das Haus in der Sonne

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Title: Das Haus in der Sonne

Author: Carl Larsson

Translator: Ellen‏ Jungbeck-Grönland

Release date: August 24, 2022 [eBook #68826]

Language: German

Original publication: Germany: Karl Robert Langewiesche Verlag, 1921

Credits: Marc-André Seekamp and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS HAUS IN DER SONNE ***

Anmerkungen zur Transkription: Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originals wurden beibehalten.

Cover

198. bis 249. Tausend. 1921.

IDUNA

CARL LARSSON

DAS HAUS
IN DER SONNE

Initialen

1921
KARL ROBERT LANGEWIESCHE
VERLAG / KÖNIGSTEIN IM TAUNUS & LEIPZIG

Arbeiten und nicht verzweifeln

Alle Rechte vorbehalten. Auch das der Übersetzung. Amerikanisches „Copyright“ bei Albert Bonnier, Stockholm. Übersetzung der Texte von Frau Ellen Grönland-Jungbeck. Druck der Graphischen Anstalt Schirmer & Mahlau in Frankfurt a. M.

Die fünf großen, prachtvoll ausgestatteten Originalausgaben der Larsson’schen Bilderwerke erschienen im Verlage ALBERT BONNIER IN STOCKHOLM, teils in Folio-, teils in Querfolioformat. Von einigen dieser Werke gab es Ausgaben mit deutschem Text im Verlag Bruno Cassirer, Berlin, welche aber zur Zeit vergriffen sind. Die schwedischen Originalausgaben dagegen sind erhältlich, jedoch natürlich unter den heutigen Valutaverhältnissen für deutsche Käufer ziemlich kostspielig. Deutsche Interessenten wollen sich durch ihren Buchhändler vor der Bestellung beim schwedischen Verleger nach den jemaligen Tagespreisen erkundigen. Es liegen in diesen Prachtausgaben vor:

ETT HEM („Ein Heim“). 24 farbige Bilder mit Text und Textillustrationen. 1899. Inhalt deckt sich teilweise mit dem „Haus in der Sonne“.

LARSSONS („Familie Larsson“). 32 farb. Bilder mit Text u. Textillustrat. 1902. Inhalt ebenfalls teilw. identisch mit dem „Haus in der Sonne“.

SPADARFVET („Bei uns auf dem Lande“). 24 farb. Bilder mit Text u. Textillustrationen. 1906.

ÅT SOLSIDEN („Laßt Licht herein“). 32 farb. Bilder mit Text u. Textillustrationen. 1910.

ANDRAS BARN („Anderer Leute Kinder“). 32 farb. Bilder mit Text u. Textillustrationen. 1913.

Die große Original-Radierung Emil Ernst Heinsdorff’s: „IN MEMORIAM CARL LARSSON“, nach welcher für dieses Buch die gegenstehende kleine Zeichnung vom Künstler geschaffen wurde, ist im Verlage Karl Robert Langewiesche, Königstein im Taunus erschienen. Plattengröße 31 : 45 cm. 25 Vorzugsdrucke auf van Geldern, numeriert 1-25, vom Künstler handschriftlich signiert, in Schweden je 30 Kronen, in Dänemark und Norwegen je 36 Kronen. Die weiteren Abzüge auf Bütten, vom Künstler ebenfalls handschriftlich signiert, in Schweden je 15 Kronen, in Dänemark und Norwegen je 18 Kronen.

in memoriam Carl Larsson

Rose

E. E. L. U. E. E. H.

1908. 27. Oktober. 1909.

Wer den Menschen zeigt, wie sie ein reines, schönes und heldenhaftes Leben führen können inmitten aller Armseligkeit unserer Städte und Dörfer; wer sie lehrt, ihr Brot zu essen und der Ruhe zu genießen und mit Menschen umzugehen, ohne daß man sich nachher schämen muß, der wird dem Menschenleben seinen Glanz wiedergeben, und sein Name wird in der Geschichte wertgehalten werden.

Ralph Waldo Emerson

Brita und ich.
Karin und Kersti.

Sundborn, am Heiligabend 1898.

Gerade am Heiligabend, und gerade hier in Sundborn will ich diesen Text zu den Bildern aus meinem lieben Heim in Dalekarlien beginnen. Ich denke dadurch etwas Weihnachtsstimmung hereinzubekommen und Dich, lieber Leser und Beschauer, in Deiner frohesten Stimmung anzutreffen. Um es so wagen zu können, Dich für mich und das Meine zu interessieren.

Ich habe Dich ja so lieb! Du wirst bald merken, daß es gerade das Interesse dafür, wie Du es hast, ist, welches mich veranlaßt, die hier vorliegenden Bilder herausgeben zu lassen. Nimm es nun auf, wie Du willst, jedenfalls, ich muß sie Dir zeigen. Sei mein Freund! Dann wirst Du mich weniger anmaßend, und meine Betrachtungen weniger sentimental finden.

Also! Wenn ich jetzt so bei Dir an Deine Stimmung appelliere, muß ich gestehen, daß ich selbst ein klein wenig mißgestimmt bin, denn, bei näherer Betrachtung sehe ich soeben, daß meine Kinder viel zu viel „Julklapps“ bekommen. Damit werden sie verwöhnt und das ist nicht gut. Ich erhielt während meiner ganzen Kindheit nur ein einziges Weihnachtsgeschenk, das aber war mir zeitlebens von Nutzen, denn aus ihm erwuchs in meinem kleinen, vertrockneten Herzen die Tugend der Dankbarkeit:

Vater, Mutter und ich saßen eines Heiligabends in dem einzigen Zimmer, welches wir besaßen, vor dem Kaminfeuer. Viel Armut war darin zu finden, aber keine Mißgunst. Mutter betrachtete die sogenannten „besseren“ Leute, als seien sie in der Tat so etwas wie höhere Wesen, denen es ganz selbstverständlich gut gehen müsse, Vater dagegen fand alles um sich herum so ausgezeichnet, wie es nicht besser hätte sein können; und wäre er plötzlich — na, sagen wir mal — zum Staatsminister ernannt worden, so würde ihn „diese kleine Veränderung“ weder erstaunt, noch sonderlich beglückt haben.

Die Mutter des Künstlers

Weil uns so gänzlich alles Weihnachtliche fehlte, so fing der Vater, wohl in der Absicht, uns dennoch etwas in Weihnachtsstimmung zu versetzen, an, von seiner Heimat in Sörmland zu erzählen. Er erzählte, wie wir im fünfzehnten Jahrhundert den Bauernhof „Hammarby“ gegen „Klein-Löfhulta“ eingetauscht hatten: „Von der alten Fräulein Lillie“ sagte er so ruhig, als sei es gestern gewesen. Von wem er es selbst wußte, weiß ich nicht. Er erzählte weiter, daß der See früher bis zu der uralten Kirche reichte und meinte, das sei ihm auch ganz klar, weil er einst, noch als kleiner Knabe, dort einen, in einen Stein festgenieteten eisernen Ring gefunden habe, einen solchen, an dem Schiffe festgekettet wurden, so daß ja als sicher anzunehmen sei, daß unsere Vorfahren Wikinger gewesen wären.

(Diese anmutige, behende Art, seine Vorfahren anzudeuten, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der grundlegenden Absicht dieses Buches. Auch dieses soll dartun, wie beim schwedischen Bauern die Anhänglichkeit an Heimat und Scholle zu tief wurzelt, als daß es möglich wäre, sie selbst durch den neuesten amerikanischen Patentpflug auszuroden.)

Während er noch so halblaut plauderte, tat sich die Tür ein wenig auf, um dann sofort wieder zuzuschlagen. Aber ich hatte doch gehört, daß etwas hereingeworfen wurde, und meinen Augen war das Vorüberhuschen des Rockes einer Dragoneruniform nicht entgangen.

Auf dem Fußboden lag ein kleines Paket mit der Aufschrift „Carl“ und es enthielt ein Bonbon, ein stattliches Bonbon, ein königliches, mit Fransen aus Seidenpapier und mit einem, in Spiralform darauf geklebten Vers. Es war ein Begräbnis-Bonbon. Und deshalb war der Vers sehr trostreich.

Seitdem steht der Name von Sergeant Erbsmann mit goldenen Lettern in flammender Schrift auf der reinsten Seite meiner Erinnerungen.

Und jetzt sitze ich selbst und verteile Weihnachtsgaben im eigenen Nest. In diesem Nest, von dem ich erzählen will.

Zunächst etwas darüber, wie es mein wurde.

Vor einigen Jahren machten mein Schwiegervater und ich eine kleine Reise nach Dalarna, um Siljan herum. Dann aber führte uns ein kleiner Abstecher nach dem Heimatort meines Schwiegervaters, Sundborn, wo zwei alte Schwestern von ihm in einem ihm gehörenden Häuschen wohnten.

Es war ein kleiner, häßlicher, unansehnlicher, auf einem Schlackenhügel gelegener Bau. Man nannte ihn „Klein-Hyttenäs“, zum Unterschiede von dem, dem Nachbarn gehörenden „großen“ Hyttenäs. — Das bißchen Erde, auf dem Kartoffeln gebaut wurden, war von anderswo hierher gebracht worden, und nur eine Hand voll Lehm ermöglichte es einigen Fliedersträuchern, den Duft und die Pracht Persiens über das Ganze zu verbreiten. Das Hüttlein steht unweit derjenigen Stelle, wo der Sundbornsbach eine Biegung macht, und wo er sich eine Kleinigkeit erweitert. Ein schmaler, abschüssiger Fußpfad führt unmittelbar zum Wasser, und dort liegt ein alter Nachen, um anzudeuten, daß hier „der Hafen“ sei. Neun schlanke Birken hatten unaufgefordert in der Schlacke Fuß, d. h. Wurzeln, gefaßt und sie machten in der Tat nicht den Eindruck, als litten sie hier unter Langerweile. Auch den beiden Alten konnte man keine Not ansehen. Zwei Muster von Ordnung. Und hatten doch nicht mehr, als sie so gerade zum Leben brauchten. Im Hause war alles sauber und nett. Die Möbel vom einfachsten Schlage, altmodisch und haltbar, ein Erbstück ihrer Eltern, die auf einem Gut in der Nähe gewohnt hatten.

An dieser Stätte überfiel mich das herrliche Gefühl der Abgeschiedenheit vom Lärm und Getriebe der großen Welt, so, wie ich es nur einmal vorher empfunden hatte. Und das war in einem französischen Bauernhof gewesen.

Als mein Schwiegervater mir daher vorschlug, mir im selben Dorf ein nicht zu großes Gut zu kaufen, lehnte ich mit absoluter Bestimmtheit ab, und begründete das, indem ich ihm erklärte, daß sich nur etwas, was diesem kleinen Idyll gleiche, für einen Künstler eignen würde.

Einige Jahre später starb die eine der Schwestern. Die andere mochte nicht allein so einsam wohnen bleiben, und da erinnerte sich mein Schwiegervater meiner damaligen Äußerung, und schenkte mir das Haus mit allem, was darin war.

Dafür soll er bedankt sein! Es tut mir in der Seele leid, daß dieser Ehrenmann starb, ehe er sehen konnte, wieviel Segen seine Gabe brachte. Denn sie hat viel zu unserm Glück beigetragen. Dort ist gezimmert und gemauert worden, jeden Sommer, soweit die Zeit und der Geldbeutel es zuließen. Meine Arbeit floß so leicht, ich hätte fast gesagt im Takt mit den Axtschlägen und dem Hämmern der Zimmerleute aus dem Dorf. Jedes Brett, jeder Nagel, jeder Wochenlohn kostete mich einen kummervollen Seufzer, aber ich dachte, kommt Zeit, kommt Rat. Das Haus mußte ich so haben, genau so, wie ich haben wollte, sonst hätte ich mich nie darin wohl gefühlt, und daß meine Arbeit darunter hätte leiden müssen, war mir klar.

Das Ergebnis dieser Umgestaltung meiner Hütte ist es, welches ich Euch zeigen will. Euch, die Ihr zum Teil größere Landhäuser besitzen möget als ich. Zum Teil vielleicht auch nur Luftschlösser. Es geschieht nicht in eitler Absicht, zu zeigen, wie ich es habe, sondern weil ich meine, hierbei so verständig zuwege gegangen zu sein, daß es, wie ich glaube, als — soll ich riskieren, es geradeaus zu sagen? — Vorbild dienen könnte — (so, jetzt ist es raus!) für Viele, welche das Bedürfnis haben, ihr Heim in netter Weise einzurichten.

Hier ist es, ein Haus, welches nicht viele Taler wert war, und dessen Möbel noch wertloser waren. Die „Renovierung“ (klingt das nicht großartig?) wurde durch geradezu lebensgefährliche Hiebe auf das jährliche Einkommen — welches mitunter so, manchmal aber auch anders war — bestritten.

Und jetzt ist die Hütte fertig — glaube ich.

Wenn Du dieses Hauses Schwelle betrittst, bist Du bei glücklichen Menschen. Sonst ist nichts Merkwürdiges hier, außer der Hütte selbst.

Der liebe Gott hat mich in reichstem Maße mit den guten Gaben des irdischen Lebens gesegnet. Meine Frau ist sicher einer von seinen Engeln, der meinetwegen soweit irdisch wurde, als erforderlich ist, um einem einfachen Haushalt vorzustehen und dafür zu sorgen, daß die Kinder ordentlich und sauber sind.

Doch, wenn sie, Karin, in später Dämmerstunde in einer Ecke kauert, und kaum mehr von ihr zu erkennen ist als die runden, träumenden Augen, welche still, aber tiefernst zu mir herüberblicken, so voll von ewiger, unveränderlicher Liebe, da ... da stürze ich zu ihren Füßen, berge meinen häßlichen, kahlen Kopf in ihren Schoß und fühle, wie ich mit ihr fortschwebe, still und sanft, in reine Luftschichten, in Gefilde, wo nur Friede herrscht, wo das Grün im hellsten Schimmer steht, wo eine Silberflut durch die herrlichste Landschaft flieht, wo die Luft nicht durch die Sonne erwärmt und erleuchtet wird, sondern durch Gottes, des Vaters strahlendes Lächeln.

Karin.

Da wandern selige Geschöpfe in unschuldsvoller Nacktheit, schön und rein, wie die Blumen. Bei diesem oder jenem glaube ich irgend etwas wiederzufinden, irgend einen Zug, etwas, ich weiß nicht was, was ich glaube gesehen zu haben bei ... Ist es nicht? ... Ja ... nein .:: wie eigentümlich!

Die wunderbarsten Akkorde ertönen, die diese Gestalten bald zum Lächeln, bald zum Weinen bringen. Mitten in dieser Glückseligkeit sehen wir sie zu uns herabsinken und ihre Blicke fragen: „Woher? Daher? Wir waren so grenzenlos unglücklich dort, wo nur Haß und Bosheit regieren! Oder zehrende Langeweile! Und ihr, ihr lächelt das Lächeln der Seligen?“

Karin, deren Augen auch reden können, war gerade im Begriff, etwas zu antworten, worüber ich mich sicher gefreut, und was mir geschmeichelt hätte, als ein durchdringendes Heulen aus dem Jammertal uns rasch in die gute Stube zurückrief. Es war Kersti, unser jüngstes Kind, die wild schreiend hereingestürzt kam.

Da war irgend etwas, was sie haben wollte. Ob es der Mond oder ein Stück Zucker war, weiß ich nicht mehr, nur, daß Karin das Gör in die Küche warf, „bis sie wieder lieb wäre“. Brita, die diese Strafe grauenhaft fand, heulte. Und Lisbeth kam herein, Laute von sich gebend, die nie enden zu wollen schienen. Bei Suzanne, die auch nur ein Mensch ist, tropften schwere Tränen auf die Schürze herunter, Ulf schluchzt nun ein für allemal ohne Grund und Ursache, und Pontus, der keine richtigen Tränen herausbringt, schneidet Gesichter — in einer höchst unangenehmen Weise. Mitten in diesem ganzen Elend geht Lisbeth in die Küche heraus, kommt mit Kersti an der Hand zurück, und führt sie mit festem Schritt und den Blick streng und resolut auf uns gerichtet, zu ihrem Platz am Eßtisch.

Es war nämlich Abendbrotszeit. Niemand wagte, die Sache weiter zu berühren — denn Lisbeth ist ein Charakter. Nach kaum fünf Minuten strahlt die ganze Familie in Glück, Friede und Einvernehmen. Kersti fragt, ob Papa ein von ihr gedichtetes, schönes Lied hören will, ähnlich wie sie immer zu dichten pflegt:

„Und der Kuckuck er ruft,
auf der Wiese so blau.“

Jetzt küßte ich Karin vor all den Gören. Mögen sie denken, was sie wollen.

Einst sagte ich in einem verzweifelten Augenblick meines Lebens zu mir selbst: „Es muß doch spaßhaft sein, weiter zu leben, um zu sehen, wie es später wird.“

Seitdem sind zwanzig Jahre vergangen.

Als ich einst einem guten Freund, Kamerad und ehemaligen Schüler die Bilder dieses Buches zeigte, sagte er: „Du hast das Rätsel des Lebens gelöst!“ Das verstand ich nicht sogleich, aber einige Jahre später schlug ich mir mit der Hand vor den Kopf und sagte: „Ja, das hab ich!“ Und zwar als ich mich verheiratete!

Wenn — o, möge es so werden! — die verheirateten Leute ein klein wenig Freude an diesem Buche haben, so soll es andererseits den Unverheirateten zum großen Nutzen dienen!

Junggeselle! Es gilt das Leben! Löse eine Fahrkarte nach Falun. Dort wirst Du von Johann und meinem kleinen wohlgenährten „Braune“ abgeholt. Nachher darfst Du ganz ungestört in meiner ländlichen Equipage sitzen und Dich der schönen Landschaft von Dalarna erfreuen, die Du durchfährst. Da die Fahrt wenigstens ein und eine viertel Stunde dauert, hast Du Zeit genug. Du darfst Dich mit Johann unterhalten und erfährst, daß Du „Sveden“ berührst, den Ort, wo Svedenborg geboren wurde, und wo Linné seine Hochzeit mit Sara Morea feierte. Dann fährst Du hinauf und herunter über ein paar langgestreckte Hügel, und wenn Du ein praktischer Mann bist, so wirst Du Dich über die gut gepflegten Wälder freuen oder darüber, wie gleichmäßig und schön der Hafer steht. Bist Du aber eine gefühlvolle Seele, so luge hinein zwischen die Baumstämme und erfrische Dein an Staub gewöhntes Auge, indem Du Dir den mit weichem Moos bewachsenen Waldboden ansiehst, auf dem die kleinen Elfen sich tummeln und tanzen zwischen dem Preißelbeerkraut und den Waldblumen. (Dies aber geschieht erst spät am Tage.)

Dann kommst Du (vorbei am Krokfors — dem Anwesen, auf dem die letzten drei Generationen der Vorfahren meiner Frau lebten —) zum Bach herunter, der Dir murmelnd zuruft: „Eile Dich doch, sie warten auf Dich mit dem Essen.“

Endlich poltert der Wagen über die Brücke in das Kirchdorf Sundborn.

Unter Euch braust der Fluß, der die Holzflöße nach Korsnäs und Runn herunterbringt.

Der Wagen holpert herein zwischen altem Gerümpel und dampfenden Düngerhaufen, über des Nachbars Hof durch die kleine grüne Gartenpforte, die Hühner, halb besinnungslos, aus ihrem Mittagsschlaf aufschreckend.

Johann hält vor der Veranda, wo Kapo, der Ordnung halber, etwas knurrt, aber Euch gleich den Rücken kehrt, um seinen Freund Braune zu begrüßen. Dann machst Du es genau so, wie alle andern Leute, anstatt uns zu umarmen, stehst Du und begaffst die Wandmalereien über dem Schrank, worin die Feuerspritze verborgen ist, und mit mildem Gesichtsausdruck liest Du den lieblichen Vers über der Haustüre:

„Sei willkommen, Lieber Du,
Bei Carl Larsson und seiner Fru!“

Nun gehst Du in einen kleinen Vorplatz hinein, wo es Dir kaum möglich sein wird, zwischen all den Kindersachen einen Haken ausfindig zu machen, auf dem Dein Überzieher Platz hätte. Wirf ihn Helena zu, sie wird ihn Dir irgendwo hinlegen, wo Du ihn nie wiederfindest.

Du wirfst einen Blick auf Dein angenehmes Gesicht im Spiegel, „striegelst“ Dein Haar mit der Bürste, und entledigst Dich durch Stampfen des äußerlichen Schmutzes dieser sündhaften Welt. Du wählst eine der drei Türen. Natürlich die, die zum Eßzimmer führt. Du machst sie auf und begegnest einem „Gottes Friede“, das an der Wand geschrieben steht.

Durch die Glastüren des Schrankes siehst Du all das Tischgerät blinken und strahlen. Auf dem Büfett stehen Reihen von Flaschen und Krügen, die eine Auswahl Deiner Lieblingsgetränke enthalten. Karin kann dies nicht leiden, aber ich finde immer, daß es so gediegen und solide aussieht. Über dem Schrank hängen drei Teller, bemalt von Liljefors und Kreuger.

Jetzt ist der Tisch gedeckt, die Kinder stehen ungeduldig wartend hinter den Stühlen und Dein Platz neben mir auf dem Sofa erwartet Dich.

Ulf betet salbungsvoll (wir glauben, daß er mal Prediger wird):

„Gott, gib jedem Kinde seine Nahrung, fleißigen Männern und Frauen ebenfalls!“

Da Du ein sehr fleißiger Mensch bist, so ißt Du dementsprechend. Und darüber freuen wir uns alle. Du genießest, was das Haus zu bieten vermag, und obwohl dieses oder jenes anders ist, als Du es gewohnt bist, läßt Du es Dir gut schmecken, und daran tust Du recht. Jeden Sonntag essen wir zum Frühstück sogenannte „Flottmölja“, hier in Dalarna ein allgemein bekanntes Gericht, bestehend aus in Milch gekochtem „Knäckebröd“, gemengt mit einer Sauce aus Ziegenkäse und Gott weiß, was die Köchin alles hineingetan hat. Als Fleisch ißt man gebratenen Speck dazu oder ebensolchen grünen Hering.

Aber es kann auch sein, daß man Dich mit einem Essen anzuführen versucht, welches auf italienische Manier zubereitet ist. Dieses lernten die Frauen von der Signora Bellio, als sie sich mal einige Wochen hier oben bei uns ausruhte. Und Du bekommst Zwiebeln zum Hammelbraten auf französische Art. Du darfst Gesichter schneiden so viel Du Lust hast, aber muckse Dich nicht! Bei uns sollst Du unser Essen haben. Damit basta! Ich war kürzlich bei einem sehr netten jungverheirateten Ehepaar eingeladen; bei dem Abendessen hörte ich jemand sagen: „Es ist keine Frage, daß die junge Frau gut kocht, wenn sie bloß die verwünschte Muskatblüte weglassen möchte beim Spinat.“ Nein sie soll gerade dies Gewürz in ihrem Essen haben, ebenso wie sie in allen andern Dingen ihren eigenen Geschmack haben sollen, geradeso, wie ihr eigenes Wesen, so daß man auch merkt, daß man bei ihnen ist. Nur wenn das Essen nicht sauber oder nicht mit Sorgfalt zubereitet ist, oder nicht mit einem freudigen Herzen dargeboten wird —, dann darfst Du Dich beschweren.

Übrigens — da von Essen und Trinken die Rede ist: — fanden wir da kürzlich ein altes Buch mit dem schönen Titel „Adelige Übungen, viertes Heft, mit dazugehörigen Kupferstichen, gedruckt in dem Sal der Königlichen Buchdruckerei. Niclas Wankyfs Druckerei. Anno 1690“. Darin stehet zu lesen: „Usus Globorum, das heißt: Den Nutzen, den man von den Globen in der Astronomie und der Geographie hat: Von Skantz Oeconomia oder Wirtschafts- und Landwirtschaftsbuch: Ärztebuch, Gartenbuch und zuletzt Kochbuch.“

Karin beabsichtigt, Dir nach einem Rezept des letzteren ein Gericht zu kochen. Das Rezept ist folgendes:

Kraft-Brühe. Nimm 3 Rebhühner, 2 Kapaune, das Viertel eines Schafes, eine Kalbskeule, schneide von allen das Fett ab, zerschlage die Knochen der Vögel, lege alles zusammen in eine Zinn- oder Kupferflasche, ohne irgendwelche Flüssigkeit, tue den Deckel fest darauf und verklebe ihn mit Brotteig. Laß das Ganze in einem Kessel voll Wasser kochen, sieh aber zu, daß der Deckel der Flasche nicht ins Wasser kommt. Wenn man nicht alles verderben lassen will, nimm die Flasche heraus, wenn es 12 Stunden gekocht hat, siebe es durch ein Leinentuch und drücke den Saft gut aus.“

Karin meint, daß es im ganzen einen Teller Suppe geben wird: aber wenn Du diese Suppe erst verzehrt hast, denke ich, wirst Du heben können, was Du willst, wenn es auch noch so schwer wäre. Sicherlich wirst Du leise in das Tischgebet einstimmen:

Gestärkt verlasse ich den Tisch,
hab’ Dank, o guter Vater.“

Apfelblüte.
18 Jahre!

med „klängingen“

Wenn die Kinder im Bett waren und die Dienstmädchen sich auf ihr Kämmerchen neben der Waschküche verzogen hatten, pflegten Karin und ich uns im Eßzimmer besonders wohl zu fühlen. Ich las ihr etwas vor, während sie die Löcher und Risse flickte, die im Laufe des Tages in den verschiedenen Kleidungsstücken der Gören entstanden waren. Jetzt, seitdem ich ein gar zu unwohnliches Garderobenzimmer zu einer Art Atelier umgemodelt habe, sitzen wir meistens dort. Es liegt in einer Reihe mit den beiden Schlafzimmern, und von da aus kann Karin ihre Kleinen hören, wenn sie aufwachen und eines beruhigenden Wortes, eines Kusses oder einer Abreibung bedürfen, sofern ihnen zu heiß ist, um einschlafen zu können.

An den sonnigen, regenfreien Tagen essen wir unter der großen Birke hinter dem Wohnhaus. Weißt Du, diese Birke ist das schönste von allem! Wenn dieser Baum nicht wäre, hätte die ganze Besitzung gar keinen Wert für mich. Er gibt einen so herrlichen Schatten, und es ist dort gerade so ein ganz klein wenig zugig, so viel, daß sich weder Mücken noch Motten dort wohlfühlen.

Die Manieren sind dort noch ungezwungener, und die Kleinen mit den bloßen Füßchen verzehren dicke Milch mit einem Eifer, der himmlisch ist. Und wie sie sich unterhalten und herumtummeln! Wenn Karin jemand klar machen will, wie wundernett es ist, sich mit der munteren Schar abzugeben, pflegt sie mit leuchtenden Augen, voll Überzeugung zu sagen: „Es macht viel, viel mehr Spaß, als ins Theater zu gehen!“

Als ich heute mit hausväterlicher Würde zwischen ihnen saß und so erbaulich wie möglich versuchte, ihnen auseinanderzusetzen, daß es Gottes Fügung war, daß der einfache Soldat Bernadotte aus Pau König von Schweden und Norwegen wurde, und daß dies sicher auf einem Blatt im Buche des Schicksals vorher bestimmt gewesen sei, sagte Lisbeth mit einer unnachahmlichen Schulterbewegung: „König? Ah, man verheiratet sich ganz einfach mit einer Prinzessin und die Sache ist fertig!“

Es ist ja gewiß recht dumm, aber man muß darüber lachen. Und so sind sie immer. In der Schule fragte der Lehrer, was man unter „Schmarotzer“ verstehe — nach meiner Ansicht nichts, was man den Kindern beizubringen braucht! — Keiner in der Klasse konnte diese Frage beantworten, außer Pontus, der einen Finger hochhielt (das Schäfchen) und sich dann äußerte: „Ja, das sind solche, die immer im Sommer zum Besuch kommen, wenn man auf dem Lande wohnt“ ... Als mir dies erzählt wurde, lachte ich wahrlich nicht.

Ein anderes Mal gab Lisbeth folgendes zum besten: „Ich hatte gestern Namenstag und Pontus heute, wir sind beinahe Zwillinge.“

Also — um auf meine Hütte zurückzukommen, können wir ja auch so tun, als wäre draußen ein Platzregen und wir müßten in der „guten Stube“ Kaffee trinken.

Diese Stube ist der Tempel der Faulheit.

Hier auf dem Sofa hat vorhin ein Mann seine vor Faulheit gebrochenen Glieder ausgestreckt und sowohl seinen Körper als seinen Geist in wonnigem Nichtstun gedehnt; und dieser Mann schämt sich jetzt, hier einem — nehmen wir an — großen Publikum solches zu beichten.

Es ist mir wahrlich, wenn die Gewissensbisse zuweilen sehr schlimm sind, ein großer Trost, zu wissen, daß mein Hund noch fauler ist als sein Herr.

Außer der Faulheit und der Treue teilt er mit mir noch eine Eigenschaft, nämlich seine Vorliebe für Hühner. Er kann kein Huhn sehen, ohne sofort hinter ihm herzulaufen, und trotz meiner energischen Kommandorufe, welche meine ganze Willenskraft und meinen vollen Zorn in sich vereinen, ist das Huhn mit einem Biß ins Jenseits befördert. So, als hätte es nie existiert.

Ich versuche jedesmal, ihm die Untugend durch eine gehörige Tracht Prügel auszutreiben. Aber es hilft nichts. Da sagte mir so ein Weiser, wie sie uns mitunter auf unserm Lebenspfade begegnen, daß es nichts leichteres gäbe, als dem abzuhelfen.

„Binde dem Hund das totgebissene Huhn um den Hals, und wenn es da gehangen hat, bis es anfängt, übel zu riechen, da, glaube ich, hat der Hund für alle Zeiten den Geschmack an Hühnern verloren.“

Kaum war der Rat erteilt und von mir angenommen, als ich die wilde Jagd in Hauptmann Linderdahls Hühnerhof hörte. Es war ein außerordentlich fettes, gesprenkeltes Huhn, welches sein Leben hatte hergeben müssen. Ich befolgte den Rat des Weisen, und führte das arme Hundevieh so ausgestattet an einer Kette durch das ganze Dorf. Hin und wieder gab ich ihm einen kleinen Hieb, um ihm meine Absicht begreiflicher zu machen.

Etwas so Jämmerliches sah die Welt noch nie. Die ganze Bevölkerung war Zeuge dieser schandbaren Prozession. Das Huhn zwischen den Vorderbeinen, mit eingezogenem Schwanz und düsterem Blick, so wurde der Hund vorwärts getrieben. Das Jungenspack jubelte. Mein Herz krümmte sich. Endlich, zu Hause angelangt, wurde er an die Kette gelegt.

Als ich nach einer Weile herauskam, um mich voller Grausamkeit in aller Stille an seiner Schmach zu weiden ... war das Huhn bis auf den letzten Rest verzehrt, und Kapo kam auf mich zu voller Dankbarkeit, mit dem Schwanze wedelnd, um mir verständlich zu machen, wie ausgezeichnet ihm das Huhn geschmeckt habe.

Du reizender Kapo! Du verwöhnter Liebling der Familie!

Kapo

Da Suzanne gerade im Salon ist bei ihren geliebten Blumen, nehme ich die Gelegenheit wahr, eine oft an mich gerichtete Frage zu beantworten, nämlich die, ob meine Kinder „Talente besitzen“. Gar keine! Sie sind, Gott sei Dank, so wie die Leute im allgemeinen. Anfangs glaubte man, daß Suzanne eine Künstlerin werden würde. Diese Meinung kam auf, nachdem sie dieses und ähnliche Bilder vollbracht hatte:

Seitdem haben alle die andern Kinder auch Figuren gezeichnet, und immer sollten sie Papa und Mama vorstellen.

Als ich klein war, zeichnete ich nur Offiziere und Birnen, das war wohl das, was mir am besten gefiel. Und mit diesem Fünkchen Talent habe ich es allmählich soweit gebracht, daß ich richtige Bilder male, die mir meine Freunde abkaufen.

Bitte, sei so gut und tritt näher in mein Atelier! Wenn ich jemand da hineinkomplimentiere, so geschieht das nur aus purer Höflichkeit und mit dem geheimen Wunsch, daß Betreffender irgend einen Grund finden möge, dieser Einladung nicht Folge zu leisten.

Denn es ist für beide Teile angenehmer, wenn ich bei der Atelierbesichtigung nicht zugegen bin, damit die Leute ungestört und nach Herzenslust darin kritisieren können. Sie dürfen meinetwegen herzlich gern „finden“, so viel und was sie wollen.

Es ist unmöglich, allen zu gefallen. Wer den Versuch macht, der gefällt keinem, schrieb mir mal der selige Professor Scholander. Also, Du wirst mir eben so lieb sein, auch wenn Dir meine Kunst kein Vergnügen bereitet, aber sei um alles in der Welt nicht bös, weil ich nicht ganz nach Deinem Geschmack malen kann; — so etwas war auch schon da. — Denn dann finde ich, daß Du ein wenig dumm und sehr ungerecht bist.

Zurzeit ist es kein Risiko, einen Blick hineinzuwerfen. Es steht weiter nichts drin als eine alte Studie von Lisbeth und eine Skizze zu einem der Wandgemälde für die Mädchenschule in Gotenburg. Es ist die alte Anna, die dort als Modell für eine Hausfrau aus dem fünfzehnten Jahrhundert sitzt.

Die Anna gehört nicht zu meinen Verehrerinnen, sie findet, daß ich sie so alt „abmale“: und sie ist doch nur neunundsechzig Jahre alt (wie sie sagt).

Ihr verdanke ich die Entdeckung, daß die Hütte ihr Gespenst hat. Eigentlich muß man Kapo die Ehre dieser Entdeckung lassen. „Denn die Tiere sehen, was unseren Blicken verborgen ist,“ so sagt wenigstens Anna. Während der langen Wintermonate, die wir in Stockholm verbringen, wird die Hütte von Anna und Kapo versorgt und bewacht. Eines Nachts fuhr Kapo aus dem Schlaf, zitternd, bellend und winselnd, und das, was die Alte da über den Fußboden schreiten sah —, ja, das war das Gespenst der Hütte! Jetzt kennt und weiß es die ganze Gemeinde; und hat seitdem um die Weihnachtszeit, während der wir stets in Sundborn sind, irgend einer der Dorfbewohner etwas bei uns zu suchen, so benutzt er sicherlich die kurze Zeit am Tage, wo es noch hell ist, um die Hütte nicht nach Eintritt der Dunkelheit betreten zu müssen.

Ja, auch ich habe das Gespenst wohl bestimmt gehört. Aber gesehen hab’ ich es nie.

Als ich meinen Kindern einmal erzählte, daß es aussehe wie eine alte magere Frau, in einer Mütze mit langen Bändern unter dem Kinn — uhh — mit, man weiß nicht was — uuhh — in ihrer gestreiften Schürze, da schrieen sie mir alle, wie aus einem Munde entgegen: „Nein, so sieht es ganz und gar nicht aus. Es ist ein schwarzer Mann mit glühenden Augen!“ Ich muß wirklich gestehen, daß ich mich furchtbar schämte darüber, daß ich so wenig über das Aussehen meines eigenen Gespenstes orientiert war! Meinetwegen darf es ja freilich aussehen wie es will; ich sage nur, „Gott segne es, weil es so viel dazu beigetragen hat, die Poesie der Hütte zu erhöhen“.

Aber, wir wollten uns ja im Atelier umsehen: Du siehst einen alten gestützten Tisch, der einige Jahrhunderte hindurch wohl noch ausreichen wird. Auf dem kolossalen, alten Lehnstuhl dort, der sicherlich wenigstens zwei Jahrhunderte hinter sich hat, habe ich gesessen und alle die Bilder gezeichnet für „Sehlstedts Lieder“ und Victor Rydbergs „Singoalla“. Er leistet einem ordentlich Gesellschaft, denn er spricht und räsonniert während der ganzen Zeit, die man dasitzt, vor sich hin. Er hat die gleichen Eigenheiten und Manieren, wie die meisten Alten.

„Du warst ein Windhund und Durchgänger, Carl Larsson,“ sagt er, „glaube nur, ich weiß schon Bescheid über Deine Vergangenheit. Du bist ein ganz verwöhnter Schlingel, der immer gelobt wurde, statt etwas auf die Finger zu bekommen. Und wie unverschämt Du ältere Leute wie mich behandelst! Es geschieht Dir ganz recht, wenn Du jetzt getadelt wirst, gerade, wenn Du versuchst, etwas Ehrbares aus Dir zu machen. Und jammerst Du auch etwas, so verringert das doch keineswegs Deine große Schuld. Sei dankbar für die Schläge, Tunichtgut!“ ...

Ho, ho, ist das ein alter Nörgler. Mitunter wird er so unangenehm, daß ich fortgehen muß. Dann wird er ganz still und verlegen. Im Grunde genommen mag er mich wohl doch ganz gern leiden. Das habe ich gemerkt, wenn ich zuweilen in einem Augenblicke tiefsten Mißmuts meinen Kopf an seine eine Seitenlehne legte, denn da fühlte ich es so weich und sanft. Und deutlich hörte ich ihn dann murmeln: „Weine Dich ruhig aus, mein Junge, aber nimm Dich in acht, daß es niemand merkt!“

Vielleicht ist es unfein von mir, das Verhältnis zwischen dem alten Lehnstuhl und mir der Öffentlichkeit preiszugeben. Aber nein, wieso!

Am Paneel läuft ein Wandfries entlang, der das Leben des Erlösers darstellt. Es ist ein im vorigen Jahrhundert gemaltes Bauerngemälde aus der Provinz Halland. Alle Personen außer Christus selbst, in der damaligen Tracht jenes Landes. Es besitzt dieselbe ursprüngliche Naivität und Grazie wie Giottos Fresken, aber für mich hat es ein weit höheres Interesse.

Diese schwedischen Bauernmaler aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts sind es, die mir, ich gestehe es offen ein, als Vorbild dienen. Denke zum Beispiel an die alten Gemälde, die man in den Bauernhöfen hier in Dalarna oder in Norrland findet. So ein tiefes, ernstes Gefühl, gepaart mit einem so drastischen, gesunden Humor. Und welch’ nationales Stilgefühl! Sie sind für mich ein weit kostbarerer Schatz, als es die Erzgrube von Gellivara jemals für jemanden werden kann.

So, jetzt machen wir kehrt. Du wunderst Dich über die hohe Säule an dem Sofa. Das ist mein Farbenschrank, richtig schlau eingerichtet, mit Fächern und Namen der Farben versehen; obendrauf sitzt ein Mann, nach meiner Zeichnung von Tischlermeister Bergström ausgesägt. Auf die Schiebetür habe ich mein Teuerstes (meine Karin) gemalt.

Seit einiger Zeit bin ich damit beschäftigt, mir einen richtigen, großen Kasten von Atelier zu bauen, mit Nordlicht und viel Platz, damit man sich ordentlich darin bewegen kann. Seitdem nun dieses seiner ursprünglichen Bestimmung entzogen ist, nennt man das neue nur noch das Atelier. Das, in dem wir uns jetzt befinden, hat nach und nach einen ganz anderen Charakter angenommen und ist der Arbeitssaal der Kinder geworden. Die Jungens hobeln und hämmern, und Suzanne webt darin.

Hier pflegen wir den Weihnachtsheiligabend zu feiern. Und dann ist hier echte Weihnachtsstimmung, mit den beiden Alten und all den Kindern und den netten Dienerinnen und dem braven Johann. Und hier sitze ich wie ein Patriarch und verteile alle „Julklapps“. Von allen für alle. Im Kamin knistert und knastert das lange Klafterholz, und mitten im Saal steht die schönste der Tannen, die wir am Morgen aus dem Walde geholt haben.

Du herrliches Weihnachtsfest hier oben im hohen Norden. Wie rein und heilig du bist!

Kiefer

Übrigens bei dieser kleinen Vignette will ich Dich einen Augenblick mit hinausnehmen auf den Hof. Da war, als wir hierher kamen, nicht viel Grünes zu sehen. Aber ich schaffte die Schlacken hier und da beiseite, kaufte gute Muttererde, womit ich die Gräben ausfüllte, und setzte Pflänzlinge von Birken, Linden, Kastanien, Weiden, Weißdorn, Berberitzen und anderen „dummen Ziersträuchern“, Erlen, Holunder, Faulbaum, Espen, ja sogar Eichen, Apfelbäume, Jasmin, Rosen, Stachel- und Johannisbeersträucher, eine kleine Fichte und eine kleine Kiefer. Diese kleine Zeichnung stellt die zuletzt genannte dar, wie sie im Winter aussieht, geschützt durch einige lange Klafterhölzer. Alle sind gut gediehen, nur diese eine nicht. Sie steht jetzt im achten Jahr und lebt ihr kleines, elendes Leben, aber sie ist mein liebstes Kind. Jeden Morgen besuche ich sie zuerst, um zu sehen, ob sie nicht über Nacht etwas gewachsen ist.

Anna und die Köchin sind zwei Potentaten, denen es schwer wird, sich unter einer Decke wohlzufühlen. Unter der Küchendecke nämlich.

Die Alte will im Winter dort in der Wärme wohnen, und wenn ihr Bett herausgeschleppt wird und Emma hineinzieht, wird es ihr jedesmal von neuem schwer. Darüber sind sie sich aber einig, daß die Küche der einzige, noch „vernünftige Raum“ im Hause ist. Diese Küche ist nämlich außerordentlich stillos, aber sauber und für ihre Zwecke einigermaßen gemütlich geordnet. Eines Winters sollte während unserer Abwesenheit etwas renoviert werden, da nahmen sie die Gelegenheit wahr, den alten, aus gewaltigen Steinblöcken gemauerten Herd beiseite zu schaffen, um statt dessen diesen lächerlich-jämmerlichen Eisenkasten hinzustellen, geschmückt mit Ornamenten, schaurigen, gefühllosen Schnörkeln, und (— schöner Gedanke, woher bekamst du ihn, du Bosinders Mechanische Werkstatt?) — Thorwaldsens „Nacht!“

Diese Eisenblechbepanzerung statt des alten, gemauerten Herdmantels! — Zuerst, als ich diesen Vandalismus entdeckte, war ich alles andere, als gut gelaunt. Um die heiligen Steine des Herdes zu retten, baute ich aus ihnen zwischen zwei Kirschsträuchern im Garten eine Bank und einen Tisch, wo wir im Sommer unsern Nachmittagskaffee zu trinken pflegen.

In der Küche seht ihr meine älteste und meine jüngste Tochter mit Buttern beschäftigt. Denke mal an, wie gut für Suzanne, Kerstis sichere und feste Unterstützung zu genießen! Willst Du wissen, wie das kleine Kätzchen heißt? Es heißt Hans.

Das Frühstück der Siebenschläferin.

In der Küche.

Lebende Bilder.

Die entzückendsten Szenen aber spielen sich im Schlafzimmer der Kinder ab. Karins Vergleich mit dem Theater war kein Zufall.

Über dieses Zimmer äußerte sich einst Tante Emmy, als ich (um mehr Luft zu bekommen) das feine platte Dach herunter gehauen, ein Seitenfenster zugebaut, kleine Fensterscheiben in der Vorderwand angebracht und die fast neuen Tapeten mit einem weißen Anstrich versehen hatte, daß sie auf keinen Fall in einem solchen Gefängnisloch schlafen möchte.

Nein, Tantchen, wiederhole das nicht noch einmal!

Ihr seht doch, daß es auf dem Bilde ein Sonntagmorgen ist. Es heißt, es wurde ein solcher. Mein geliebtes Weib war soeben nach einer schweren und ernsten Krankheit vom Tode errettet. Sie hatte die Kinder wieder zu sich hereinbekommen; und da so alles wieder Glück und Freude war, verbreitete dieser Glücksschein seinen goldenen Schimmer sowohl über die Kinderschar wie über die Wände und die Decke.

Das leuchtet Euch doch gewiß ein.

Unter der Hütte hausen Ratten und eine Ameisengemeinde. In der Dielenfüllung führen Bienen das Regiment. Ihren Ein- und Ausgang bewerkstelligen sie dadurch, daß sie zwischen zwei Wandbalken hin- und herlaufen.

Gleich nach unserer Übersiedelung nach hier hing ich drei Starenkästen in die Bäume, und sehr bald war der in der großen Birke von einem Starenpaare bevölkert. In zwei von den Kästen nisten zu unserer Freude diese netten Vögel regelmäßig im Frühjahr. Den dritten hat Sperlingspack erobert.

Wo aber die Fledermäuse hausen, die abends um unsere Hütte flattern, weiß ich nicht.

Ich wußte nicht recht, wo ich diese Zeichnung hinbringen sollte, aber mein Lieber, Du gestattest, daß ich sie hier einschiebe. Sie stellt meine Frau dar, wie sie mir die Haare schneidet da draußen auf dem Schlackenhügel, so im Spätherbst, wenn wir nach Stockholm zurückzukehren gedenken und ich so aussehe, daß niemand in meiner Gesellschaft die Eisenbahn benutzen kann.

Eben als ich dieses schrieb, zogen Donner und Blitz über das Dorf Sundborn hin. Es war ein richtiger Platzregen, und das war ein Segen nach der langen Dürre. Jetzt bestrahlt die Sonne mit ihrem weichen, warmen Glanz das nasse Laub, welches sich so schön abhebt von der noch grollenden schweren Gewitterwolke, die noch immer hinter dem Wättberg steht.

Ich nehme Papier, Tintenfaß und Feder mit, um unter der großen Birke fortzufahren.

Was möchtet Ihr nun wohl noch wissen?

Alle Gedenktage werden bei uns in der gleichen Weise gefeiert. Frühmorgens, spätestens um fünf Uhr, fängt es mit Pulverdampf und Böllerschüssen an.

Die Jungens aus Bjus und des Müllers Svea spielen auf Gitarre und Geige das Lied vom „Neck“, welches Anna Sundin, die im Dorf die schönste Stimme hat, mit ihrem Gesang begleitet.

Einst wurde auch ich so gefeiert an einem Olofstag. Ich war ganz unvorbereitet, denn wer in aller Welt konnte ahnen, daß jemandem dieser, mein überzähliger Name bekannt sei, und daher hatte ich auch meine Gefühle nicht in eine auf einen solchen Belagerungszustand gerichtete Stimmung versetzt. Ich heulte, und es pochte in mir vor Bewegung, als mir eins der Kinder einen von Mama gedichteten Vers vortrug, worin die Rede davon war, wie edel, wie über alle menschlichen Begriffe erhaben ich sei, o ... wir wollen lieber nicht davon reden.

Es ist keine Kleinigkeit, etwas über Wände, Fenster und Decken zu schreiben. Deshalb empfinde ich es als eine Erholung, mit Dir einen Spaziergang durchs Dorf zu machen. Wir hätten ein Stück den Bach herunter rudern können und zusehen, wenn die Kinder baden. Da ist eine gute Badestelle. Der Platz heißt „das Lärmeiland“ und gehört mir jetzt als Eigentum. Seit jener Zeit, in der ich frühmorgens die Jungens direkt aus den Betten dort hinaus mitnahm (wir ruderten hinüber — zuerst warf ich die Kinder, dann mich selbst in die Tiefe —) ist es die allgemeine Badestelle für die ganze Gegend. Im Sommer krabbelt und wimmelt es da drüben den ganzen Tag von nackten schönen Gestalten. Sie machen sich ein Sprungbrett, und es klatscht und plumpst und spritzt hoch auf; sie klettern hinauf in die Kähne, balancieren dort einen Augenblick, fallen pardautz ins Wasser und kommen pustend, schreiend und lachend wieder heraus.

Und meine beiden Nachen sind während des ganzen Tages verliehen, verliehen nach Reih’ und Ordnung an die Jungens und an die Mädels.

Am 15. August fängt das Krebsfischen an. Dann ist es, als sei neues Leben in uns gekommen. Alle Netze und Angelruten sind bereit, und wenn die Uhr Mitternacht schlägt, rudere ich hinaus, das Wetter mag sein wie es will, und in tiefschwarzer Nacht versenke ich die Netze in das noch schwärzere Wasser, schlafe dann bis fünf Uhr, um welche Zeit die größeren Kinder geweckt werden; und dann ziehen wir die Netze ein, während die Sonne wie ein Eierkuchen über den Schilfwipfeln aufsteigt.

Sundborn, im Sommer 1902.

Karin.

Streng genommen, wäre ich vor fünfzig Jahren geboren. Aber mein eigentliches Dasein fing im Jahre 1882 an. Denn da trafen wir uns in Frankreich, Grèz-par-Nemours: Karin und ich.

Singdudelidudelidudelidej!

Ein lang aufgeschossener Norweger und ich lebten ein glückliches Kameradschaftsleben, als einzige Skandinavier zwischen den anderen Ausländern, dort in der kleinen Künstlerkolonie, als wir von Madame Laurent hörten, daß eine Schar Malerinnen zu uns herauskommen wollte. „Dann laufen wir weg!“ sagte ich zu Lundh; aber er wollte sie sich erst ansehen.

Wir gingen nach dem Bahnhof, um ihnen zu begegnen. Es waren zwei „Fuhren“. Wir begrüßten sie, und sagten einige freundliche Worte. Als wir auseinandergingen, sagte ich zu Lundh, daß es schade sei, daß Fräulein Bergöö eine solche Kartoffelnase habe.

Bei mir zu Hause machte ich Versuche, die senkrechte Wand hinaufzulaufen — und ich tat es auch.

Da wurde mir klar, daß ich in Karin Bergöö verliebt war.


Darauf folgte so viel. Der Sommer verging, mit wenig Malerei, aber viel Esserei, Tanz und ... vielem, vielem noch.

Und dann kamen die Kostüm- und Maskenfeste. Auf einem solchen sollte der lange Lundh der „Letzte der Mohikaner“ sein. Er hatte sich zwei Pferdeschwänze gekauft und dachte, daß diese gemeinsam mit einer Schwimmhose und roter Farbe die Erscheinung, wie man zu sagen pflegt, „illusorisch“ machen würde. Ich sollte den Freundesdienst der Bemalung übernehmen. Es war Pastellmalerei.

Während dieser Arbeit vertraute mir der eingebildete Mensch an, daß die kleine Karin Bergöö ihn angesehen habe, mit Blicken ...

Ich war gerade mit seinem Rücken beschäftigt, so daß er meine Blicke nicht sehen konnte. Jetzt bemalte ich ihn nicht länger, sondern wechselte die Technik und zeichnete mit Kreide. Ich wählte die blauen, weil es die härtesten waren, und drückte sie erbarmungslos hinein in seine zarte Haut, aber dieser Teufel ertrug die Martern wie ein echter Indianer. Nun ja, wenn sein armer Leib auch litt, was war seine Pein gegen die Qual meiner Seele!

Immerhin muß dies meinem Wesen etwas, ich weiß nicht was, verliehen haben, wodurch die Sache ihrem Ziele näher gebracht wurde, denn gerade bei diesem Maskenfest bekam ich eine Ahnung davon, wer der rechte war.

Lundh war es jedenfalls durchaus nicht.

Als Karin mir einige Tage später (auf ihre niedliche Art) einen Antrag machte, gab ich ihr mein Jawort.

Und dann malten wir die „mère Morot“ zu gleicher Zeit.

Die Schuppen fielen mir von den Augen! Bis dahin hatte ich keine Form in mein sogenanntes Talent hineinbekommen, aber jetzt schuf ich, wie ich annehme, gleich ein kleines Meisterwerk.

Denn ich erhielt einen Preis für das Bild, ein Kaufangebot vom französischen Staat und durch Vermittelung meiner Freunde Birger und Pauli wurde es telegraphisch an Pontus Fürstenberg verkauft.


Für das Geld kaufte ich mir eine Uhr, und für das, was übrig blieb, fuhr ich nach Hause und verheiratete mich. — —

Karin war schon seit vielen Monaten zu Hause, um die Handtücher zu säumen. Und da wurden wir in den Kirchen aufgeboten — und der Freier kam nicht. Die Frist war fast verstrichen, und es wurde fraglich, ob das Aufgebot nicht wiederholt werden müßte.

Aber endlich kam ich in gewaltigem Staat und herrlicher Pracht, mit goldener Uhr, blauer Weste und ebensolchen Beinkleidern.

Mein Schwiegervater, ein Kaufmann, warf mich heraus, weil er glaubte, ich sei ein Handlungsreisender, und diese Menschensorte war ihm verhaßt; aber ich klammerte mich fest an den Türpfosten und sagte, wer ich sei. Ungern ließ er mich verweilen.

Wenn ich jetzt das Bild dieses jungen einfältigen Mädchens betrachte, ist es mir unbegreiflich, wie ich mich in so eine verlieben konnte.

Aber das kam wohl daher, daß ich damals selbst noch jung und dumm war.

Gewiß hatte sie schon zu jener Zeit ein wenig Lieblichkeit an sich, und im übrigen wählt man seinen Lebenskameraden wohl immer „nach Gefühl“. Aber, wenn ich diese Karin mit jener vergleiche, für die ich jetzt noch, nach fast zwanzigjähriger Ehe schwärmen kann, daß ich fast verrückt werde: Ja dann.

Von Jahr zu Jahr wird es hiermit schlimmer.

Die Altertumsforscher verwundern sich so, wenn sie finden, daß die von den Männern am heißesten geliebten Frauen stets im Alter zwischen vierzig und sechzig Jahren standen.

Ich verstehe das so gut. Karin ist jetzt dreiundvierzig Jahre alt, und wenn sie sechzig wird, ist meine Liebe wahrscheinlich lästig.

Weil dann noch die Eifersucht hinzukommt.


Es ist mir doch noch in dunkler Erinnerung, daß sie niedlich war. —

Und daß ich mein junges Weib im Brautstaat auf das Fleckchen Erde hinstellte, wo ich mich zum ersten Male im Leben glücklich fühlte, und wo sich die ersten grünen Sprossen an der bis dahin siechen Pflanze meiner Künstlerbegabung zeigten, in Laurents Garten in Grèz-par-Nemours Dep. Seine und Marne, das wird Euch sicher verständlich sein.

Dorthin begaben wir uns unmittelbar nach der Hochzeit. Dort, wo ich meine Braut in meinem eignen Reich empfing, war es wie im Märchen. Die alten Männer und Frauen standen die Dorfstraße entlang voller Erwartung an ihren Gartenpforten, und die Pensionäre der beiden Künstlerpensionate mit Bewohnern aus aller Herren Länder gaben ein großes Fest. Essen mit Tanz, Bowlen und Toaste. Spada sang: „Ah che dolore, ah Mama mia ...“ und „der Sarg“ (Coffin war sein englischer Name) röchelte: „John Browns body lays at mouldering in the grave ...“

Aber in der Nacht klang unter unseren Fenstern das schwedische Quartett: „Welche Blitze aus den Augen Brunhildens ...“ und auf mir ruhten Karins dunkle ernste Kuhaugen ...


Gott gab mir mein liebes Weib Karin. Und sie gab mir die kleine Suzanne. — Mein Leben war jetzt ebenso licht und freudig wie der Haarschopf der Kleinen.

In einer Ecke des Ateliers stand versteckt das Randstück eines kassierten Bildes, welches ich einst im Verdruß in Stücke geschnitten und unter Freunde und Bekannte verteilt hatte. Aber ein Stück behielt ich selbst. Als bitteres Andenken. Unter anderem war ein Rokokostuhl darauf gemalt. Darauf kleckste ich das Bild des kleinen lachenden Würgels, festgehalten von ihrer Mutter.

So setzte ich diesen lichten Punkt auf einen Hintergrund von Sorge, als Ausdruck jubelnden Glückes!

Im Schlafzimmer der kleinen Mädchen.

Das neue Buch.

Im Atelier.

In Paranthese.

Es ist wieder einmal Schriftstellerwetter. Zum Malen taugt er nicht, dieser Sommer 1902. Das heißt, es geht schon stark dem Spätherbst zu.

Es gießt, und die ganze Natur macht den Eindruck einer nassen Kompresse. Dennoch finden wir es herrlich, über die Wiesen zu wandern, weich auf dem schwankenden Moos, wenn es unter den Füßen schwipp, schwapp sagt. Man geht der Nase nach, den Bach entlang, man schlürft die neblige Luft, welche anscheinend die Lungen vom Staube rein wäscht, in sich hinein. Und, denk einmal an, keine Mücken und Schnaken, man kann sich ganz ungestört seines Lebens freuen.

Und keine Vereine und dergleichen Überflüssigkeiten, erfunden von dem männlichen Teil der Bevölkerung, welcher all’ dieses als Ausrede gebraucht, um sich in Kaffeehäusern und Gasthöfen festkneipen zu können.

Jetzt werde ich die Schuhe wechseln, in die Hütte hineinschlüpfen und von mir und den Meinen schreiben! Wenn ich doch wenigstens, wie ein richtiger Schriftsteller, zusammenlügen dürfte, soviel ich Lust hätte. Aber hier bin ich beauftragt, Euch alle meine kleinen Familieninterieurs auf die Nase zu hängen. Abgesehen von der verdammten Mühe, bedenkt doch meine persönliche Schüchternheit ...

Ulf zu Pferde.

Ulf und Pontus.

In einer Oktobernacht, nachdem ich eine Stunde geschlafen hatte, wurd’ ich um eins geweckt, und Karin sagte mit einem leidenden Lächeln: „Mein armer Junge, ich hätte es Dir so gern gegönnt, etwas zu schlafen, aber Du wirst wohl Madame Chose holen müssen“.

In jener Zeit arbeitete ich am eifrigsten an meinem Triptychon, hatte Modelle für das Gemälde von früh 8 Uhr bis nachmittags 5 Uhr, und für die Skulpturen von 8 bis 12 Uhr abends, so daß ich wirklich abgearbeitet war.

Aber dieses war doch ein Beweis dafür, was für eine tapfere Seele meine Frau ist, und das wollte ich hier nicht unerwähnt lassen. Eine Stunde später fand sich der Junge ein.

Als ich in dieser freien Republik und im sozialistischen 22. Revier der Stadt Paris den Bengel Björn nennen wollte, wurde mir das mit der Bemerkung, daß dieses kein Name sei, ganz einfach verweigert. (Daß er Pontus heißen sollte, wurde mir erst einige Tage später klar!) Sie verwiesen mich auf sechs starke Bände, die Namen der gesamten Christenheit und aller Heiligen enthaltend, worin ich nach der Meinung dieser Beamtenseelen „tout ce que fairait votre bonheur“ finden würde. Idioten!

Ich nannte ihn vor Ärger auf der Stelle Robert, weil ich am selben Morgen von jemanden diesen Namen mit der Bemerkung, daß er häßlich sei, hatte nennen hören.

Jetzt aber steht er jedenfalls in dem schwedischen Kirchenbuch als Pontus Robert eingetragen, während er in einigen Jahren aus den französischen Geburtslisten aufgerufen werden wird als der „Citoyen Robert“ geboren von ausländischen Eltern.

Ulfs Name träumte ich. Obgleich damals statt seiner, seine Schwester Suzanne ankam: Selbst kam er erst zwei Jahre später.

Ob diese Jungens irgendwelche militärische Veranlagung besitzen, wird sich zeigen, wenn „jemand unseren Felsen zu nahe kommen sollte“. Ich für meine Person hoffe, daß sie tapfer in und durch das Leben wandern werden, um einmal, wenn der Zeitpunkt da ist, dem Tode mit Ruhe ins Auge schauen zu können. Ich erinnere sie an die Worte unserer heidnischen Vorfahren:

Es gibt nur ein Unglück, und das ist die Schande.

„Papa, ich esse Waffeln!“

Kersti ist das liebenswürdigste kleine Kind, welches es gibt. Wenigstens kann man sich kein braveres denken. Sie ist immer vergnügt und langweilt sich nie, ganz gleich, ob sie mit Kameraden oder Geschwistern spielt oder ob sie allein ist. Vor einigen Jahren war sie zart und durchsichtig. Wenn sie uns damals weggerafft wäre, hätten wir das ganze natürlich gefunden und wir wären davon überzeugt gewesen, daß sie bei der Jungfrau Maria als Hofdame einherginge. Denn ein solch’ kleines Juwel zu entbehren hätte selbst das Himmelreich sich nicht leisten können. Alles, was sie in die Hände bekommt, wird ein Spielzeug. Und oft redet sie in Reimen und Versen.

Bei der Arbeit.

Liebhabertheater.

Brita und ich.

So, jetzt wurde ich der Kleinen habhaft und zufällig gerieten wir vor den Spiegel. Welch’ ein Motiv! Ohne Brita erst los zu lassen, ordnete ich eine Staffelei, langte mir ein Papier und ergriff eine Feder.

Und, ha, ha, ha, wie fand es Brita lustig — die ersten fünf Minuten. —

Die übrige Zeit der Sitzung, welche acht Tage dauerte (das heißt, nachts schliefen wir und da ließ ich das Gör los), schrie sie aus Leibeskräften.

Denkt Euch, mit dieser kleinen Wildkatze, heulend, an den Haaren ziehend, (ja!) und Fußtritte austeilend, und bei alledem mit Hand und Auge sicher die Linien mit Feder und Tusche ziehen zu sollen. Ja, ja, Ihr!

Und dann noch mein linker Arm, der geradezu wie gelähmt wurde! Dieses war ein Rekord in seiner Art.

Wenigstens meiner eigenen, bescheidenen Meinung nach.

Ferienaufgaben.

Das Bild hat wohl bald eine historische Bedeutung, denn ich bin gewiß, daß unser jetziger Kultusminister, der frühere Rektor meiner Jungens, diese Unsitte abschaffen wird.

Sieh diesen armen Jungen, Pontus, an, der hier sitzt und sich zu den Vögeln hinauslehnt und dem der Fliederduft in die Nase zieht, ihm zurufend: Komm hier heraus!

Als ich mich soeben Pontus gegenüber groß tat, daß ich in diesem Buche so in verschmitzter Art für die Abschaffung der Ferienaufgaben einträte, antwortete er trocken: „Einen Menschen einen halben Sommer hindurch mit Modellsitzungen zu quälen, müßte auch gesetzlich verboten werden!“

Ferienarbeiten.

Jetzt ist er schon weit draußen auf dem Hof.

Es ist nicht der Mühe wert, mit solchen Schlingeln Mitleid zu fühlen!

Erbsendöppen.

Geburtstagsmorgen.

Puppentheater.

Apfelblüte.

Wenn man doch jetzt Dichter wäre. Dann könnte man sich der Sache schnell entledigen. Sicher ist, daß ich in Prosa nicht mehr daraus zu machen vermag, als was Ihr mit eigenen Augen auf dem Bilde seht.

Aber mein allerfeinster Instinkt läßt es mich ahnen, wie die Versfüße im Takt mit Lisbeths kleinen Beinen und allen andern um den kleinen Apfelbaum herumtanzen würden. Und wenn wir so eine Weile getanzt hätten, würde sich die ganze Welt um uns im Kreise drehen! Heißa! Sie könnte es nicht lassen!

Das Frühstück der Siebenschläferin.

Aber wie sieht sie verweint und häßlich aus, meine kleine süße Kersti! Ist es vielleicht, weil Esbjörn auf ihrem Hut Rad gefahren ist?

Oder aus demselben Grunde, wie die Katze, oder um ihre eigenen Worte zu gebrauchen: „Pamphilos hat, seitdem Suzanne fortfuhr, so traurig ausgesehen, sie ist gar nicht mehr vergnügt!“

Nein, mein Lieber, das ist nur deshalb, weil sie, wie die Überschrift andeutet, in die für ihr empfindsames Ehrgefühl peinliche Lage geraten ist, aus den auf dem Frühstückstisch befindlichen Resten sich ihre Mahlzeit suchen und diese dann ganz allein verzehren zu müssen.

Und das genügt, um die Lebensfreude eines solchen kleinen Menschen zu zerstören.

Und dann Du, Erwachsener! Warum glaubst Du wohl, daß Du mit saurer Physiognomie umherläufst!

Gratulation.

„Du wirst es Dir denken können, daß Karintag heut’ ist,
Wir haben deshalb draußen die blau-gelbe Fahne gehißt“

und dann folgt ein langes, unbeschreiblich schönes, zärtliches Namenstagsgedicht, dessen Schluß lautet:

„Du wirst aus unseren so dargebrachten Gefühlen wohl hören,
Wie hoch wir Dich als Gattin, Mutter und Herrin verehren.“

Sehr schön!

Der Dichter liegt übrigens lauschend im Nebenzimmer und hört glückstrahlend zu, wie die Mädels deklamieren.

Achtzehn Jahre.

Kürzlich ist Suzanne aus London, wo sie bei ihrer, mit einem Engländer verheirateten Tante weilte, zurückgekehrt; und nun lebt sie mit vier Geschwistern, welchen sie die Wirtschaft besorgt, in Falun.

Gerade jetzt kamen sie nach Hause — es ist Sonnabend. Stolz auf die uralte Mähre „Lisa“ geklettert, ritt ich ihnen entgegen. Ulf kam per Rad und die andern von Braune gefahren. Denkt Euch, diese ganze Kavalkade über Sundborns Brücke!

Suzanne legte sehr ordentlich ihr Wirtschaftsbuch vor. Die Buchführung stimmte.

Ich glaube, sie haben sich meistens von Blaubeerensuppe und Eierkuchen ernährt.

Suzanne und noch Jemand

Genesung.

Ja, es gibt Ereignisse, bei denen unsere ganze Philosophie nicht ausreicht.

Ich philosophierte so, wie Dickens seinen Mark Tapley philosophieren ließ: geradezu seine ganze Ehre daran zu setzen, froh und vergnügt zu sein, mitten in niedrigster Selbstsucht allem Betrug und menschlicher Jämmerlichkeit.

Ja, froh zu sein, ja! Das kann in recht verschiedener Weise geschehen. Der, welcher gedankenlos grinsend durch das Leben geht, der ist es nicht, den ich meine.

Nein, der, welcher es in klarer Winternacht unternimmt, in das Weltall hinauszusteigen und dort einen Spaziergang macht — einen ganz kleinen — um Gottes willen nicht zu weit, nicht weiter, als daß er sich wieder zurückfindet! — und hier und da auf der Milchstraße einen Abstecher macht, und denen auf den Sternbildern freundlich zunickt und nicht vom Entsetzen gepackt wird vor des Raumes und der Zeit ewigem und unendlichem Fortgang, sondern der, welcher im starken Vertrauen auf das Rechte und Gute, und auf eine sichere Allmacht es riskiert, lächelnd, fest und ruhig, sich in allen versteckten Winkeln der Natur umzuschauen, von dem meine ich, daß er der rechte sei. Mein froher Mensch.

Ich selbst? Ach, ich bin ein armes, suchendes, zagendes Menschenkind, aber ich besitze wenigstens so viel Verstand, froh auszusehen, auch wenn mir das Herz in der Kehle steckt. Und schon das rechne ich mir zur Ehre an.

Aber ....

Dann kommt das Totengerippe klappernd Deine Treppe hinauf. Du schlägst die Tür ins Schloß und hältst zu. Näher und näher kommt es. Es faßt an die Klinke und zieht, stärker und stärker; Du vermagst nicht länger .... Die Spalte wird größer und größer, jetzt kannst Du ihm in seine unergründlichen Augen schauen, die Dir alles und nichts sagen.


Welch’ eine Welt! Deine Kräfte sind zu Ende. Du warst eben im Begriff, Deinen Griff loszulassen, weil Deine Finger erstarren ...

Da geht er. So ganz ohne weiteres!

Sie ist gerettet! — „Alle Gefahr vorüber!“ sagt der Arzt, und ich finde ihn herrlich und mächtig, ich würde seine Knie umfassen, dürfte ich meinen Gefühlen nachgeben. Aber das, was ich küsse, sind ihre, meines geliebten, armen, kleinen, abgemagerten Weibes schmale Fingerspitzen, die Ärmelspitzen und der von der Pflegerin geflochtene Zopf, der sich so schwarz abhebt von dem weißen Bett.

Mit welcher bezaubernden Pracht schimmert einem das Leben wieder!

Und Du gehst auf den Zehenspitzen, und Du flüsterst, aber Du fühlst, daß Du vor Glückseligkeit strahlst, und Du ziehst Dich in die Einsamkeit zurück, setzt Dich hin und läßt es unbehindert heruntertropfen in das Gesangbuch, an der Stelle, wo Du gestern lasest:

„Siehe, das Grab wird geöffnet und in dessen Tiefe verschwindet Dein Freund. Er kehret nicht zu Dir zurück, aber bald wirft Du ihm nachfolgen. Bald ruhen unsere erstarrten Glieder, und weder Sommerwind noch Sonnenschein wird ihnen wieder Leben spenden.“

Genesung.

Das Weihnachtsmahl.

Karin und Lisbeth.

Das Weihnachtsmahl.

Weihnachtsmorgen.

Gute Gewissen und gute Mägen sind für den Weihnachtsabend so sehr notwendig, um pro primo, alles gut schmecken zu lassen, und pro secundo, damit der Magen alles vertragen kann.

All’ diese Herrlichkeit wird zunächst von den alten Männern und den Gören in Augenschein genommen. Dann erscheinen Johann, Johanna und Sanna, alle drei kerzengrade und mit feierlichem Ausdruck. Aber Johann trägt seine Geige unter dem Arm, und Johanna hat einen ganz, ganz kleinen Schelmenblick im Auge.

Wenn alles in der Küche fertig ist, kommen die drei Dienstmädchen, Anna, Tilda und Martina herein, Nürnberger Puppen gleichend, so adrett und aufgeputzt, frisch gestärkt und gebügelt, die gesunden, fröhlichen, tüchtigen, ehrlichen Mädels! ... Na, und da, sieh mal an, da kommt der kleine Bäckström mit seiner Alten. Sie strahlen wie ein paar Kerzen bei der Weihnachtsmesse. Ja, die besitzen Liebe und Zufriedenheit! Zuletzt kommt Tekla, eigensinnig am Schürzenzipfel kauend und schüchtern lächelnd.

Jetzt sagt Karin: — Bitte seid so gut! und Suzanne und Lisbeth reichen das Brot herum. Bald darauf klirren Messer und Gabeln, die Männer räuspern sich, aus irgend einer angenehmen Veranlassung, und Johanna bringt die Mädchen zum Erröten und Lachen.

Nach einer Stunde ruht ein Schimmer von Zufriedenheit auf allen Zügen, man hat das Bewußtsein, daß man seine Sache gut gemacht hat, ohne Unordnung und Betrug. Und dann kommt der Kaffee mit Bretzeln und Schürzkuchen. Und dann wird geknixt und treu drückt man sich die Hände.

Johann aber stimmt die Geige: Der Reigen geht durch die ganze Hütte, in jeden Winkel hinein, hinauf und hinunter über alle Treppen, zuletzt im Kreis um die alten Greise herum.

Die lächeln zufrieden und geehrt.

ABC.

Frosinchen geht einst mit zur Stadt
Die sie noch kaum gesehen hat.
Ein A-B-C-Buch kauft sie dort:
Drin prangt ein Huhn, das immerfort
Nur süßes Zuckerzeug tut legen.
Frosinchen, stolz auf solchen Segen,
Verläßt voll Wissensdurst den Laden!
O weh! wie kam sie bald zu Schaden!

Zu Hause sagt das Mütterlein:
„Nun wollen wir mal fleißig sein“.
„Zuerst da lernen wir geschwind
Die fünf Vokale, liebes Kind!“
„Sodann, so merk’ Dir, dies ist „b“,
Nach links gedreht wird es ein „d“.

„Na, sieh mal an, Du dummer Daus!
Bei Dir das „t“ wie „f“ sieht aus!“
„Nein, nein, wie bist Du schrecklich dumm,
Mir dreht das Herz im Leib sich um!“
„Ganz spielend lernt sonst eine Jede!
Doch Du, mein Kind, bist mir zu blöde“!

Der Mutter Schelten kränkt Papa,
Er übernimmt das Lehramt da.
Indes Mama erzürnt entweichet,
Frolinchens Backe sanft er streichet.
Und Kind und Vater still beglückt
Man hier auf diesem Bild erblickt.
Doch balde folgt dem Glücke Pein,
Denn die Gelehrsamkeit bleibt klein.

Verzweifelt fliegt das Buch zur Wand,
Indes der Vater fortgerannt.
— — — —

Doch andern Morgens liegt im Buch
Von süßem Zuckerzeug genug.
Und Vater, Mutter sowie Kind
Nun wieder froh und einig sind.

Sonnenblumen.

Das Blumenfenster.

Das Angeln.

Großmutter und Enkelin.

Die Muster-Erziehung.

Eufrosinchen, klein und putzig
Die ist heute schrecklich schmutzig.

Doch als Mutter waschen will,
Schreit sie sehr und hält nicht still.

Vatern macht das Schreien wild:
Was er tut — zeigt dieses Bild.
Kaum sieht das der Galgenstrick,
Lacht er laut und voller Glück.

Mutter wundert sich indessen,
Daß der Schmerz so rasch vergessen.

Derweil Mädi mit Bedacht — — —
Tut, was Vater vorgemacht.

Dies gefällt der Mutter nicht:
Furchtbar ist das Strafgericht.

„Wenn Du’s wagst — —“
oder
„Der Respekt geht über alles.“

„Du! mein Bild — das ist noch naß!
Lisbeth Göre, läßt Du das!“

Lisbeth läßt es gleich dabei
— kehrt den Rücken der Stafflei.

„— Lisbeth, wage Dich nur dran,
gleich holt Dich der Kuckuck dann!“

Lisbeth ihr Vorhaben läßt,
aber — die Idee sitzt fest.

„Lisbeth, rührst mein Bild Du an,
Haue kriegst gewiß Du dann!“

Lisbeth, die vor Neugier bebt —
Dennoch ihren Finger hebt.

Niemand ernst noch bleiben kann,
Lisbeth tippt zuletzt doch dran.

Hieraus lebt: Zu jeder Frist
Lisbeth ein Charakter ist.

Unter der großen Birke.

Die Schneeschuhe.

Die Weihnachtsgarbe der Vögel.

Eine Scherzfrage lautet: „Welche Ähnlichkeit besteht zwischen Kronos und Carl Larsson?“ Und wenn der Dumme, der so gefragt wird, dann zunächst nur den Mund aufsperrt, dann bekommt er zur Antwort: „Daß beide von ihren Kindern leben!“

Allerdings. Doch laßt mich jetzt, bevor ich diese Zeilen schließe, auch noch ein paar ernste Worte hinzufügen. Daß diese Bilder mit Motiven aus meinem Heim in die Welt verstreut werden, macht wenigstens mich selbst froh. Es liegt darin etwas von dem „Hinausgehen und allen Völkern predigen“. Worüber? Über das Glück des Fünfzigjährigen? Glück? Ganzes Glück gibt es nicht! Der Schuh drückt stets irgendwo, und das ebenso gut bei denen, die viele Schuhe besitzen als bei denen, welche gar keine haben. Aber die Kinder — und von ihnen handelt eigentlich dieses Buch — sind die Träger unserer Hoffnungen und unserer Sehnsucht. Diese sind ebenso wie Du und ich tot geboren. Und doch: ihre rosigen Wangen und dicken krummen Beinchen, ihr fröhliches Geplapper, ihre bitteren Puppen- und Schularbeitssorgen, ihre verdrehte Ausdrucksweise, ihr Appetit, all’, all’ dieses erregt unser Entzücken, wir lachen, bis uns die Tränen an den von des Lebens Sorge durchfurchten Wangen herunterrollen, und wir drücken sie fast tot, diese Kleinen und danken Gott, daß er sie uns gab, denn wenn wir einst fort sind, dann — zum Kuckuck! — sind diese noch da! Schließet sie, diese meine Kleinen, in Eure Arme, Ihr seid es mir schuldig, denn Eure Kleinen sind mir fast ebenso lieb, wie meine eigenen. Ihnen gehört das Himmelreich! Sowohl Deinen wie meinen Kindern!

C. L.