The Project Gutenberg eBook of Spitzbögen This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Spitzbögen Author: Annette Kolb Illustrator: Rudolf Grossmann Release date: February 12, 2022 [eBook #67385] Language: German Original publication: S. Fischer, 1925 Credits: Jens Sadowski and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net. This book was produced from images made available by the HathiTrust Digital Library. *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SPITZBÖGEN *** SPITZBÖGEN VON ANNETTE KOLB MIT ELF ZEICHNUNGEN VON RUDOLF GROSSMANN 1925 S. FISCHER · VERLAG · BERLIN Erste und zweite Auflage Alle Rechte vorbehalten Copyright 1925 by S. Fischer Verlag A.-G., Berlin SPITZBÖGEN Es gibt Leute, die mit Recht oder Unrecht im Rufe stehen, daß sie Unglück bringen. So war Offenbach als „Brandstifter“ berühmt, und sein Verweilen in einem Hause galt als Signal für eine Feuersbrunst. Daß aber auch Städte sich dem einzelnen feindselig erweisen können, dürften die wenigsten noch erfahren oder bemerkt haben. Nun, _mein_ Jettadore war Florenz. In was für Klemmen ich dort geriet, was für Schlingen dort jedesmal für mich bereit lagen, spottet jeglicher Erfindung. Ach und überhaupt – Italien! – Wer vermöchte es einesteils nicht zu lieben? – Aber die Ebene von Mailand, aber die seelische Kälte der italienischen Mietswohnungen, ihre tiefe Ungemütlichkeit und rudimentäre Öde, aber gewisse Häuser der Armen, die uns mit ihren hohläugigen Fenstern wie Pestkranke ansehen! Und dann schneiden so manche italienische Landschaften ins Herz. Fiesole zum Beispiel, mit seinem verklärten Ausblick – so holdselig, aber so abgeschieden, so vorbei! – Beklommenen Herzens blickte ich eines Morgens auf diese laue, in ihrer durchsichtigen Bläue zärtlich berückende Natur, und stärker noch empfand ich unter dem wolkenlosen Himmel die stille Schärfe der Zypressen. Gewiß, es ist ein schönes Land! aber schön ist auch der Anblick des unter der Fülle von Blumen fast verschwindenden Sarges, daß kaum ein Beschlag, kaum eine Kante desselben sichtbar wird. – So trauerte dort mein Auge und sehnte sich von diesem Bilde fort. Und nur mehr die Straße hinabsehend, fing ich plötzlich an zu laufen; – und ich lief, als gälte es dieser Gegend wie einem Gewölbe zu entfliehen, und nicht zu rasten, als bis ich wieder zu unseren Flüssen und Brücken, unseren lebendigen Wäldern gelangte. Denn Leopardis Seele war mir auf jenem Hügel aufgegangen. Ja, solche Klagen mußten sich ihr entringen, ein so herbes Echo mußte dies blühende, von Glanz und Duft umwobene Land erwecken, das in seiner stillen Morbidezza zwischen dem Hades und der Erde eingeschoben scheint. Die Einflüsse der Landschaft sind es ja sicherlich, mehr noch als die des Klimas, die gleichsam spiegelnd die Linien unserer Sinnesart und unseres geistigen Umkreises ziehen. So verhält sich Leopardis Pessimismus zu dem seines Zeitgenossen Schopenhauer wie der untröstliche Zypressenhain zum tiefen Tannenwald, aus dessen Düsterkeit wir Stärkung noch und Hoffnung schöpfen. Ich bitte indes nicht zu vergessen, daß ich den Berg hinunter laufe. So mag es hingehen, daß ich so weit von meinem Thema abgekommen bin. Denn ich wollte meine florentiner Mißgeschicke erzählen. Aber eine so radikale Sprunghaftigkeit kann mit einer sehr bestimmten Einheitlichkeit des Gedankens zusammenhängen; – ich meine, es käme auf eine Probe an. Oder dürfen wir einen Gedanken nennen, was mehr wie ein Verdacht, wie eine Hoffnung in uns schlummert? An manch schönen, wertvollen Dingen mag einer vorübergehen, da vernimmt er, was ihm eine Botschaft bedeutet, und gierig greift er es auf. Immer noch laufe ich indes meinen italienischen Berg hinab. San Domenico liegt schon hinter mir. Ich komme jetzt nach San Gervasio und bin dann gleich in Florenz. Somit wäre die Einheit des Ortes wieder hergestellt und ich könnte von neuem beginnen. Erstes Kapitel Nein, noch nicht. Wir müssen vorher noch einmal abzweigen. Es gibt kaum eine Stadt, die einen so weiten Umkreis zieht. Wenn einer viele Stunden ginge, vom frühen Morgen bis in den Abend hinein, immer wäre es noch das holdselige Florenz. Villen, die von fernen Hügeln herunterschauen, zwischen Abhängen versteckte Weiler, sie nennen sich noch Florenz. Wo die Straße zweimal einen runden Kreis beschreibt und Pinien einen zackigen Bau, halb Schlößchen, halb Klause schirmen, dort habe ich bei einer Hexe gewohnt. Wie? – Aber warum nicht? Man sieht doch jetzt Geister erscheinen, materialisierte Hände in der Luft entstehen, Blumen oder Reiterstiefel aus dem Nichts in die Welt hineinwerfen. Was sollte da eine Hexe so Wunderliches sein? Wie oft sah ich nachts zum Fenster hinaus, ob sie nicht durch den Schornstein fuhr. Nicht mager, sondern ein Gerippe, war ihre Brust eine Höhle, ihre Achseln eine Gruft. Sie hatte mich im Norden eingefangen, und waghalsig, wie man in früher Jugend ist, war ich ihr gefolgt. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, ein Buch über Musik zu schreiben, und brauchte jemanden, der ihr abends all die Dinge vorspielte, welche sie dann morgens, gleich nach dem Frühstück, schnell in Literatur umsetzte. Es war ihre Art, musikalisch zu sein. Nun stand mein Talent zum Vom-Blatt-Spielen zu meiner lückenhaften Schulung ganz außer Verhältnis. Dies war just, was sie suchte. Unser Pakt war also folgender: ich sollte nur für meine Reise aufkommen, ihr vierzehn Tage lang allabendlich vorspielen, dafür bei ihr wohnen und Florenz sehen können. Dieser Punkt wurde auch ganz geschäftsmäßig auf ihr Konto gesetzt. Zwar, wie sollte man es anstellen, in Florenz Florenz nicht sehen zu können, aber ich willigte ein. Florence vaut bien une sorcière, dachte ich. So fuhr ich hin. Aber leider lebte sie gar nicht in Florenz, sondern von der Piazza del Duomo bis zu ihrer Mulde, die ganz ohne Verbindung lag und zu der keine Straßenbahn, kein Gleis führte, hatte man geschlagene zwei Stunden zu gehen. Nun herrschte sie allerdings über einen verhexten Schimmel und ein Gefährt, das sie stets selbst kutschierte, aber Pferd und Wagen standen nicht im Kontrakt, und sie bot mir niemals an, mit ihr zu fahren. Zweites Kapitel Geist besaß sie ganz entschieden, aber die englische Spinster neigt ohnedies zur Verdünnung und nie, schien mir, war eine so unbarmherzig unter die Räder geraten, an keiner hatte sich die klassische Drohung, von der uns Plato berichtet, so drastisch erfüllt, wie an der Hexe des florentinischen Tales. Denn nicht nur, heißt es, hätten uns die Götter dereinst gespalten, daß wir, statt über vier Beine und vier Arme zu verfügen, auf die Hälfte unseres ursprünglichen Seins angewiesen wurden, sondern es könne wohl geschehen, daß die also beraubte und reduzierte Kreatur nicht mehr aus Übermut zwar, aber aus Mangel und Sehnsucht heraus sich zum Schöpfer erhebe und von neuem die Götter reize. Und diese in ihrem Zorn würden sie zum zweiten Male spalten, daß sie, zur Profilgestalt geschwunden und nach Art der Zikaden dahinhüpfend, ihr dürftiges Dasein verlebe. Am frühen Nachmittag lenkte sie – die Finger um den Knauf der Peitsche gekrallt – ihr leeres Gefährt nach der Stadt, und die unleibhafte Figur mit der schiefen, gewölbten Schulter, dem scheinbar nur profilierten Kopf, ragte gar spukhaft über das Pferd, das alsbald mit unheimlicher Willenlosigkeit, ja wie entsetzt, zum Tore hinauslief. Ich folgte zu Fuß den Weg hinab, den sie voranzog, und ihr nachsehend war ich es zufrieden, daß sie mich nicht einlud, so wenig lockte mich ihre Nähe. Aber das gealterte Jahr kehrte schon seine bleichsten, müdesten Tage ans Licht, und die Dunkelheit überraschte mich oft mitten auf der Straße, die sich in glatten Schleifen so lange hinzog. Sie war einsam genug. Die wenigen verstreuten Bauernhäuser kehrten ihre Fenster scheu der Bergwand zu und tauchten unter, bis es wieder tagte. Aber die dunkle Leere, der frische Abendwind, die Einsamkeit dieses Tales war so hold; ich dachte an unsere nordischen Berge; wie schroff und finster sie sich des Nachts wider den Wanderer zusammenschlossen! Wie beschwichtigend dagegen umschatteten sie ihn hier! Es lag etwas Schweifendes, weit Umfassendes in der florentinischen Nacht, das bei Tag verflachte; etwas so Beseeltes, daß es wie kleine Flügel an meinen Sohlen hing. Oder war es die Freude, im Dunkeln die Gegend zu durchstreifen und die Welt so ganz allein für sich zu haben, niemanden, der sie mit einem teilte noch durch seine Begleitung störte? Es war so neu! Aber die Hexe hatte mir verraten, wie sicher die Wege hier seien, und mir von der engelsgleichen Bevölkerung, die hier lebte, erzählt. Vielleicht hätte ich mich auf einer deutschen Landstraße im Finstern gefürchtet. Wer weiß? ich hatte es nie erprobt. Es war mir nie gestattet gewesen. Hier aber fühlte man sich so ungefährdet. Merkwürdig, wie man das fühlt, dachte ich. Denn nichts lassen sich sehr junge Menschen schneller suggerieren, als den Glauben an die Ungefährlichkeit aller Dinge: ja in ihrer bereitwilligen Unerschrockenheit liegt etwas, das sie sozusagen an den Rand der Welt hinaus verweist, als gehörten sie infolge ihrer Unerfahrenheit nicht recht in sie hinein. So kehrte ich jetzt nie mehr vor Abend zurück. Um die Teezeit hatte die Hexe nicht selten Besuch. Doch als ich da anfangs erschien, hungernd nach anderen Gesichtern, verhehlte sie mir nicht, daß sie meine Gegenwart verwünschte. Die Leute, die mich hier trafen, schienen überrascht, zeigten mir aber ein Entgegenkommen und ein Interesse, das vielleicht auch Neugierde war. Auch mochte der Kontrast so großer Jugend sie rühren. Einmal war die schöne Frau Coroughdeen gekommen, die mich zu sich lud, als wüßte sie schon von mir. Aber ich wagte nicht sie aufzusuchen, denn die Hexe schien zu glauben, diese Einladung sei nur als Höflichkeit für sie selber gemeint. So machte ich mich jetzt schon früh auf den Weg, um ihren Anblick zu fliehen und kam erst am späten Nachmittag zurück. Ihr Speisesaal hatte vier Fenster, und im Tageslicht von allen Seiten unerbittlich beleuchtet war sie entsetzlich. Ach! wie trugen sich ihre trostlosen Umrisse über Treppen und Gänge ein und waren vom Garten unzertrennlich. Nein; es half nichts bei Tage, von ihr wegzusehen. Ich gab es auf, legte die Gabel hin und faßte sie ins Auge, da es doch kein Entrinnen gab. Abends hatte man doch die dunklen Wände und den Kerzenschein, in dem man – von ihr weg – entgeistert starren konnte, während man mit ihr sprach. Ja sie liebte das. Ich war noch viel zu harten Herzens, um zu würdigen, wie bitter sie selbst den ausgreifenden Bannkreis ihrer Häßlichkeit empfand. Die Eisfelder von Labrador wehten keine wehere Kälte aus als diese einsame Kreatur, und ich war zu leichtsinnig, um zu bedenken, wie sehr ich sie durch meine Abneigung reizte. Meinen eingegangenen Verpflichtungen kam ich übrigens sehr gewissenhaft nach und spielte ihr allabendlich auf einem erträglichen Flügel, solange sie nur wollte. Ich tat es mit Vergnügen, wenn auch denkbar dilettantisch und zerstreut. Ein richtiger Musiker hätte mich vor Ungeduld geschüttelt. Die Hexe aber merkte nichts und ich frönte ihr gegenüber jenem Hochmut, den sich der Deutsche in Dingen der Musik gestattet. Damals trug ich mich allen Ernstes mit der wilden Idee, dereinst als geniale Dirigentin die Welt an der Spitze eines Orchesters zu überraschen. Zwar bereitete ich mich auf diesen glorreichen Moment nicht anders vor, als daß ich, auf jenes imaginäre Talent mich berufend, das Klavier geringschätzte! Dafür malte ich mir immer wieder und mit besonderem Feuer aus, wie ich eines Tages das Publikum in atemlosem Banne halten und mein Orchester zu fliegend stürmischen, trommelnden Taten hinreißen würde. Je weniger die Wirklichkeit mich befriedigte, je mehr Zeit verlor ich mit solch nichtigen Träumen. Eines Abends auf dem Heimweg phantasierte ich wieder so lebhaft über dieses Thema, daß ich unwillkürlich den Arm ausstreckte, als hielte er schon den Stab über das Heer der Musiker geschwungen. Ich ergoß Ströme tönenden Goldes in eine vor Schweigen knisternde Luft, beschwingte sie, blies sie bis zur Trunkenheit an. So etwas hatte noch kein Publikum erlebt. Es fehlte nicht viel, daß es vor Entzücken anfing zu tanzen. Einige begannen heimlich zu fliegen. Als ich den Taktstock hinlegte, entstand ein unheimliches Geheul der Begeisterung. Man stürmte das Podium. Ich sah, ich hörte noch den Jubel der entfesselten Scharen, aber ich konnte nicht mehr zur Wirklichkeit zurück. Plötzlich sah man mich schwanken. Ich brach zusammen. Ich war tot. * * * * * Ein kalter Wind, der vom Apennin herüberblies, riß mich aus dem imaginären Konzertsaal ins Freie und zur Ernüchterung zurück. Ich stolperte mit staubigen Füßen über ein paar Steine: und ich war müde. Zur Erholung überdachte ich nun, wie gut ich es tags zuvor der Hexe herausgegeben hatte, als sie mich auszuholen suchte für ihr dummes Buch. Was schöner sei: eine Symphonie oder ein Quartett, hatte die gelehrte Heuschrecke mich gefragt; und ich war stolz-ärgerlich um den Flügel herumgegangen. Was schöner sei: ein Porträt oder eine Landschaft, hatte ich sie zur Antwort schnippisch gefragt und alsbald wieder zu spielen angefangen, zum Zeichen, daß ich nicht zu diskutieren wünschte. Denn, hatte sie keinen Platz für mich in ihrem leeren Wagen, so gedachte auch ich kein übriges zu tun. Wie sie mich haßte! Aber noch zwölf Tage ... Inmitten der dunkelnden Leere wurden da in der Ferne Schritte vernehmbar. Sie belebten irgendwie diese weite Stille. So war man doch nicht ganz allein. – Ja noch zwölf Tage und die drei Wochen waren vorüber und unser Pakt gelöst. Welches Glück! Wie bezaubernd war doch das Leben! Und Hoffnungen und Illusionen beflügelten meinen Gang. Der Takt der fernen Schritte wurde deutlicher, und unwillkürlich ging ich auch ein wenig strammer. Man aß sehr pünktlich zu Abend bei der Hexe. Sie warf sich dann stets in ein schwarzes Damastkleid von sehr gesuchtem Schnitt und über ihre ungleichmäßige Rückenlinie ergoß eine Watteaufalte ihren Schwall. Umsonst. – Sie hing ihr wie das gewölbte Wappen eines stilisierten Drachen an. Und was half sie mit einer Krause dem kranken Oval des Gesichtes auf? es glich doch höchstens einem gesottenen, halb ausgelaufenen Ei. Klapp, trapp, klangen die Schritte jetzt heller zu mir her. Konnten sie sich denn so schnell genähert haben? Es war wohl der Wind, der sie herübertrug, wie den Schrei der Lokomotive, der so unterschiedlich, bald so nahe, bald weit weg zu uns Kindern herüberdrang, während jenes Sommers im Gebirge, als wir dicht vor unseren Fenstern die Eisenbahn achtmal des Tages in einen Tunnel eindringen sahen und nie müde wurden, ihr aufzupassen und auf den grausigen kurzen Pfiff zu warten, mit dem sie sich jedesmal in die schwarze Wölbung einließ. Es war so lustig gewesen, und der Pfiff klang oft so anders – oft kläglich wie ein Hilfeschrei, je nachdem die Luft ihn trug, wie jene Schritte her, wie die meinigen hin. Die meinigen? – O Gott! an welcher Sturmglocke riß dieser Gedanke so jäh, welcher Aufruhr erhob sich in meinem Innern – so neu –, nur Bilder können es sagen – wie ein Orkan, der Staub und Blätter dahinfegt, so wirbelte er die sorglose Leere meines Innern auf, und kehrte ein ganz anderes Ich hervor, das ich selbst nicht kannte ..., denn aus welch verborgener Zelle, o Gott! stammten die Requisiten des argwöhnischen, uralten und wissenden Weibes, dem tausend Augen im Kopfe saßen wie einem Tier, und in dem nichts lebendig war und nichts vorhanden und nichts entfacht als eine wütende und namenlose Furcht, dessen Sein sich nur mehr auf den Takt jener Schritte bezog und dessen sonstige Identität erlosch. Nur eine Minute vielleicht und die Schritte würden mich überholen; dennoch stand ich still, denn die Unhörbarkeit der meinigen war das einzig Gebotene, nichts andres tat not auf dem Höllenpfad, auf den ich mich mit einem Male gewiesen sah – fort von der blumigen Au jugendlicher Weltunkenntnis. So stand ich still. Aber brannten da meine Augen wie Scheinwerfer in ihren Höhlen, daß sie Dinge beleuchteten, welche das Dunkel begrub: unkenntliche Holzlatten jenseits der Straße, zu einem Viereck umrissen, – aufgeschüttetes Laub, fast eine Hütte. Schnell wie eine Kugel flog ich da über den schmalen Graben zu ihr hin, und dort zu Boden gestürzt sah ich aufblickend zum ersten Male, ja wie zum ersten Male, einen mondlosen Himmel, der die Erde in seinem Schoße zu halten schien, und sah diese Erde als leichten Ball um ihre eigene Achse im Weltall fliegen. Doch nur einen schwindelnden Augenblick lang durfte das Bewußtsein rasten, und zugleich mit ihm setzte ein Innehalten meines Herzens ein, daß es still und schwer wie eine zersprungene Glocke in mir lastete. Denn alles hat ja ausgesetzt, und es gab für mich nichts mehr als diesen Himmel über mir und die hastig schlürfenden Schritte, die jetzt innehielten, als horche hier einer, wo denn die meinigen blieben; – vorüber alles andere, alle Ketten gelöst, die mich in diese Welt eingliederten und alle Abkunft von mir genommen. Nur mein Ich, oder ich weiß nicht welch losgelöster Bestandteil meines Ichs, schoß da wie eine Schlange zum Himmel auf; und er schien mir mit einem Male wie beengt von all den Sternen, die so neugierig, fast böse aus seinen Tiefen stachen. Wie ließe sich’s beschreiben, daß hier ein Körnchen Staub, ein Atom, das einen Moment lang zu einem Schein von Leben sich entfachen durfte und wie ein armseliger Leuchtkäfer an den faulen Balken dieser Hütte hing, die Folgenschwere eigener Geschicke an diesem unendlichen, still kreisenden Himmel zu messen wagte, als hingen sie mit seiner Ordnung irgendwie zusammen? Denn nicht anders forderte ich ihn da heraus, hielt ich ihm vor, daß seine rätselhaften Sterne nicht aus ihrer Bahn geschleudert, nicht als wilde Fackeln der göttlichen und unbegreiflichen Harmonie zum Chaos entbrennen durften – und hielt eiserne Arme emporgerichtet, nicht etwa flehend, sondern mit jener Intensität ohnegleichen, die einer Beschwörungsformel die hinreißende Kraft verleiht. Aber sie entrangen sich einem totenstillen Herzen, dessen Last nicht länger auszuhalten war, und zugleich schienen die Schritte, von welchen mich keine Entfernung, nur noch die Finsternis trennte, die Luft bis ans Ende der Erde mit ihrem Gedröhn zu erfüllen. – Und wie diese Schritte inmitten der Stille zuerst entstanden und dann vernehmbarer geworden und sich genähert – wie sie innegehalten und dann sich beschleunigt hatten, so fingen sie jetzt an, vorüber zu gehen, so entfernten sie sich, so verhallten sie jetzt – so trug sie der Wind noch einmal deutlicher her. Ich sah mich verwundert um wie mitten am Tage. Schon begriff ich das ganze dramatische Aufgebot nicht mehr recht, mit welchem mich die Angst so wild und unvermittelt gegen diese Hütte geschleudert hatte, noch die elementare Wucht, mit der sie wie ein Wagnersches Orchester einsetzend ein Zaubergestrüpp um mich zog, das zugleich mit ihm so spurlos entschwand. Ja ich schüttelte den Gedanken daran ab, und wollte im Augenblick den ganzen Vorgang für eingebildet erachten, so stark war die Reaktion. Über den Graben zurückspringend, ging ich wieder meinen einsamen Weg. Schon rauschte mir jetzt das Flüßchen zwischen den Bäumen beschwichtigend entgegen, und von der Anhöhe herab grüßten die ersten Lichter der kleinen Ortschaft. Drittes Kapitel Der Vorgang wurde erst wieder real, als ich etwas später als allabendlich am Flügel saß. Die Hexe hatte ein Konzert von Mozart auf das Pult gelegt und hörte stirnrunzelnd, mit drangsalierter, angestrengter Miene zu. Über die Noten hin sah ich sie nach einer Weile einen kühn gespitzten Bleistift hervorziehen, um ihre grauen, abenteuerlichen Hirngespinste über den liebenswürdigsten Genius zu vermerken. Es war grotesk, zu weit weg jedoch von aller Heiterkeit, um komisch zu sein. Das Zimmer lag zu ebener Erde und mit einem Male rauschte ein schwerer Regen darnieder. Konnte es sein, daß man sich hier auf demselben Planeten befand, auf dem ein Wien und ein Salzburg stand? Und nicht einmal fern! Zurück über die Alpen nach Rosenheim, oder man stieg in Franzensfeste um und fuhr durchs Pustertal hin ... Ich war durch die ausgestandene Emotion noch so stark in Schwingung begriffen, daß sich mein geistiges Auge unversehens schärfen durfte. Es sah, erfaßte, erriet, möchte ich fast sagen, zum ersten Male Mozart als Phänomen, seine Gestalt im Raum, Geste und Wesen, alles in der Bewegung und im Relief, aber mitten in der Luftschicht damaliger Zeit und alles mit der Gewalt, der Plötzlichkeit des Erdstoßes. Es war ein Divinieren, dessen tiefe Schauer mich von allem Nichtigen und aller Unaufmerksamkeit befreiten. Jeder Takt offenbarte sich mir neu, ich drang verwundert wie zwischen Säulen in mystische Hallen vor, oft betretene, die ich doch gar nicht kannte, hinein in eine Welt, in der das Unsichtbare Form und Farbe gewann, und die in ihrer Entrücktheit so leugbar und doch so vorhanden, o so viel vorhandener war als die Stunde, die gerade schlug! Die Hexe merkte keinen Unterschied in meinem Spiel. Sie hatte schon viele Seiten vollgekritzelt; im Kamin zerfielen die verglühten Scheite und die Kerzen waren herabgebrannt. Plötzlich hob sich da auch die Flamme der auf dem Weg ausgestandenen Furcht. Der schon angezweifelte, schon fast verworfne Vorgang motivierte sich, wurde ernst und majestätisch, wie der gestirnte Himmel, unter dem er sich begab. „Denken Sie, ich habe mich heute auf dem Heimweg gefürchtet,“ sagte ich, als ich den Flügel schloß. Sie hob ihren kleinen Drachenkopf und sah mich teilnahmlos an. Man konnte sich nicht vergegenwärtigen, daß sie jemals ein Kind oder jung gewesen war, noch Vater und Mutter besessen hatte. Der Blick, den sie mir zuwarf, schüchterte mich ein. „Es war gewiß töricht,“ sagte ich. „Allerdings,“ erwiderte sie kalt. Sie mußte es wissen; lebte sie doch seit vielen Jahren in dieser Gegend und war mit ihr verwachsen. Italien, die Renaissance waren für sie das letzte Wort – Toskana und seine Hügel die Endstation der Schöpfung. Sie gebärdete sich selbst so gut es ging als Italienerin; nannte ihre Mädchen Cara, den Gärtner Caro, aß, lebte, wohnte à l’italienne, plagte ihr Pferd und litt keinen Hund. Mit jedem Tage haßte ich sie mehr. „Es ist spät,“ sagte sie. Wir traten zusammen auf den Vorplatz. Hier blies die Zugluft von allen Seiten durch die lockeren Flügel der Haustüre herein. Der Regen prasselte auf das Dach und die Steinfliesen zeigten schon feuchte Stellen. Ich stieg müde und schweigsam die Treppe hinter der Hexe hinauf und schützte meine flackernde Kerze. „Ich traf heute in den Uffizien Frau Coroughdeen,“ sagte ich; „sie fragte mich, warum ich denn nicht zu ihr kommen wollte.“ „Oh!“ Das ärgert sie! dachte ich froh. Aber so leicht zog sie den kürzeren nicht. „Mary Coroughdeen ist eine schöne, eine sehr schöne Frau,“ entschied sie mit schaler Unparteilichkeit und einem literatenhaften Unterton. „Sie ist sehr umringt und interessiert sich nicht für junge Mädchen.“ „Ja aber sie war es doch ...“ „Es ist natürlich,“ unterbrach sie mich, während ihre Halskrause ins Beben geriet, „daß sie Ihnen freundlich begegnete, da Sie unter meinem Dache sind.“ Wir standen uns jetzt vor meiner Türe gegenüber. Sie hielt ihre Augen auf mich gerichtet, und wie immer fingen sich ihre Worte in ihren langen, kränklichen Vorderzähnen. „Hat Mrs. Coroughdeen einen Tag mit Ihnen ausgemacht?“ „Nein,“ gestand ich. „Nein! – in der Tat“ – und ihre Krause rührte sich nicht mehr. – „Es steht ganz bei Ihnen, auf eine so unformulierte Einladung hin die Dame mit Ihrem Besuch zu überraschen. Ich möchte Sie um so weniger daran hindern, als ich diejenige bin, welche für Ihre faux pas – oder eventuellen Zudringlichkeiten – allein verantwortlich gemacht würde. Denn Sie selbst sind noch zu jung!“ Zornig errötend wollte ich etwas entgegnen, aber so schnell bog sie da in den Gang ein, der zu ihren Zimmern führte, daß ich nur mehr die Watteaufalte sah, die sich über den unsicheren, gespenstigen Rücken wölbte. Viertes Kapitel Am nächsten Morgen war der Himmel so rein und licht, nach allen Richtungen sah man nur seine sonnige Bläue, als könne er sich gar keiner Stürme entsinnen, als schiene er über eine ungetrübte und unsterbliche Welt, und als seien alle ihre Grausamkeiten, ihre Morde und ihre Schiffbrüche und ihre zerrissenen Herzen ephemer; so tilgte er sie; so stellte er leuchtend alles wieder her. Ich bin der Himmel, ich bin blau! lachte, tröstete er. Doch ich ging traurig meine Florentinische Straße, die in weiten Schleifen und so einsam den Hügeln entlang zog. Mir galt sie nichts, diese Sonne. Den Gram der Jugend lindert sie nicht. Unter ihren Lockungen verschärft er sich nur, und richtet sich heftiger auf. Wo nur hatte ich den Mut genommen, erwartungsvoll zu bleiben? Wie war es meiner Freundin Amarant von Binnenlöhr gegangen, der zum Glück Berufenen? Aber vielleicht war es so, daß die Menschen wie die Monate des Jahres gewissen Jahreszeiten unterstehen. Wie auch die jüngsten Bäume sich im Herbst entlauben müssen, so hatte sich der frostige Tod über meine Freundin Amarant geworfen und ihrer langen Wimpern nicht geachtet, sondern sie hingemäht wie einen Greis. Nie war ein Verdacht, eine Witterung in uns gewesen, sie könnte eine Gezeichnete sein. Dies war der Fehler. Denn wie Metalle den Blitz anziehen, so streben die Begebenheiten einzuschlagen, wo kein Argwohn entgegenwirkt ... So war Amarants Roman unermüdlich ausgesponnen worden, und nicht einen von uns hatten je diese knospenden Augen, diese frischen Zähne, diese schimmernde Haut an die Möglichkeit ihres nahen Todes gemahnt. Hatte ich ihn schon vergessen? – sie war dahin, aber meine Wünsche und Hoffnungen tangierte dies nicht, und für mich beanspruchte ich nach wie vor das Glück. Ja, für mich sollte es einherrauschen und überfließen, war auch Amarant dahin. Glaubte ich dies wirklich! Ach nein! – Nicht der Vision des durchsichtigen Baches, noch des Vergißmeinnichtes, das tauumfeuchtet im Waldesschatten seine blauen Bänke wie holde Schrecken zieht, noch des mächtigen Gartens, in welchem nur die kleinen edlen Vögel zu finden sind, weil ihn die Nachtigallen jährlich übervölkern und dessen reichgekrönte, von Putten so belebte Balustraden, dessen Statuen uns ergreifen und dessen Rosenbeete, dessen Rosenstauden von den Strahlen des hohen Springbrunnens weithin verschleiert stehen – nein, nicht von solchen Bildern war mein Leben überhangen. Weitab von ihnen würde meine Straße ziehen, leer abbiegen, wo sie sich nur zeigten, mein ganzes Leben würde werden wie diese Reise: Enttäuschung und Verdruß. Daß ich San Gervasio um eine Sekunde zu spät erreichte, bestärkte mich noch in dem Glauben, denn Schlüsse, mörderische wie gute, konnte ich ziehen wie keine. Der kleine elektrische Zug fuhr gerade davon. Da stand ich also und sah zu den Türmen und der magischen Kuppel des Domes hinüber. Hinter mir rollte ein Wagen; ich wich ihm nicht aus. Mein durchwühltes Herz war in eine wilde Senkung geraten. Doch die Pferde trabten fröhlich abseits, das flockige Weiß eines seidenen Sonnenschirmes hob und senkte sich, darunter ein Lachen so abgetönt, so leicht umflort, so unbeschwert, daß ich den Trübsinn, dem ich noch eben frönte, weit zurückwies und mich seiner schämte. Denn Frau Coroughdeen war es, die ihre großen Augen verwundert auf mich richtete und die Pferde halten ließ. Ihr Wagen war es, in den ich sprang und einen Augenblick später den Hügel von Fiesole hinauffuhr. Matt wie angehauchtes Silber rückte die profilierte Stadt von neuem in die Ferne. Auch in mir war alles licht und blau geworden und konnte sich keiner Stürme mehr entsinnen, als wäre alle Not und alle Trübsal eintägig. So tilgte sie ein einziger Freudenstrahl in meinem freudegierigen Gemüt und stellte alles wieder her. War auch Amarant dahin ... Fünftes Kapitel Eine Stunde später saß ich in der geschützten Loggia einer Villa, die am höchsten Plateau von Fiesole hinter Pinien und Tannen ungesehen die Gegend übersah. Die schöne Mary, ihr Bruder, sommerlich gekleidet, und ein junges Ehepaar umringten mich und hörten mir zu. Denn ich erzählte. Und ein Vogel, der Haft entronnen, schmettert auf seinem Ast nicht unentwegter darauf los. Und glaubt man, daß er fertig sei, so setzt er schon wieder ein und ist in Zug geraten. Mary Coroughdeen saß den Kopf zurückgeworfen und lachte. Keine Linie an ihr, die nicht der Regelmäßigkeit spottete, so triumphierend aber, daß meine Nöte mir verächtlich erschienen. Ich äffte jetzt das Pferd, wie es geängstet aus dem Hofe ausriß, und mich selbst, wie ich dem Wagen folgte und seine Spuren beging, und das Pferd, wie es scheute, wenn es ihrer ansichtig wurde. Es ging mir wie ihm. „Ich kann sie nicht sehen!“ rief ich aus. „Auch sehe ich sie nicht.“ „Wie bringen Sie das fertig!“ fragte der sommerliche Herr, „da Sie doch Ihre Tage bei ihr verbringen.“ „Daß Gott verhüte! da bin ich doch in Florenz! möglichst früh und komme erst abends zurück.“ „Allein?“ „Aber ja! Wer sollte mit mir kommen den weiten Weg? und er ist ja so sicher.“ „Wer hat Ihnen das gesagt?“ Mary Coroughdeen hatte sich hoch aufgerichtet, und alle starrten mich an. Sechstes Kapitel Ich verbrachte den Tag in der weitläufigen Villa und wußte nicht, wer mir am besten gefiel: die schöne Mary, das junge Ehepaar, das zu Besuch bei ihr war, oder der sommerliche Herr. Eilte denn meine Rückkehr nach Hause? Wäre es nicht schöner, zu Neujahr nach Rom zu fahren? Man hat eine Etage gemietet; es sei noch reichlich Platz. „Oh ich komme gerne!“ rief ich aus. „Abgemacht,“ klang es einstimmig zurück. Ich war im siebenten Himmel. Abends fuhr mich Mary Coroughdeen den Hügel hinab zur Hexe zurück. Sie lenkte selbst. Nur wenig Sterne hingen am mondlosen Himmel. Wo blieb das prangende, neugierig blitzende, unendliche Heer, das sich gestern Nacht gesammelt hatte? Ich dachte an meine Angst. Wie war sie fern! Gar gefällig lösten sich freilich von solch einem Wägelchen herab die endlosen Schleifen des Weges. Da sagte Frau Coroughdeen: „Sie müssen mir versprechen, hier nie wieder im Dunkeln zu gehen.“ „So hat die Hexe gelogen!“ fuhr ich auf. „Mit nichten“, sagte die sanfte Frau, „aber sie ist ein Sonderling.“ Sie gab sich mit dem Pferde zu schaffen und trieb es an. „Es ist immer besser,“ sagte sie dann und blickte geradeaus, „Zerwürfnisse zu vermeiden.“ Es war fühlbar, daß sie selbst sich nicht zerwerfen wollte. Und hier war kein Feld zu einer Diskussion. „Ich werde die übrigen Tage bestehen, wie sie nun mal sind“, gelobte ich ihr, seufzte, lachte aber sogleich. „Und dann kommen Sie ja zu uns!“ rief sie sichtlich erleichtert aus. Das Zimmer, das ich bewohnen sollte, hatte sie mir schon gezeigt, mit den sanft vom Winde gebauschten großgeblumten Vorhängen, die Luft selbst im Finstern so lauschig, und nirgends umlauert ... Elf Tage jedoch können sich so lange hinausdehnen, daß man an ihrem Ende verzagt. Sind sie verronnen, oh, so schöpft sie kaum mehr die hohle Hand. Ich behalte von jener Zeit nichts mehr zurück, als daß sie mir endlos erschien. So leichtfüßig ist überstandene Not. Die Hexe ahnte nichts von dem romantischen Zwischenfall, der mir so frohe Aussichten eröffnete. Ich erwähnte ihn nicht. Es war nicht immer leicht, angesichts ihres täglich neu formulierten Erstaunens über meine verfrühte Rückkehr aus Florenz. Bevor noch die Lampe einzog, betrat ich den Salon. Es gab keinen anderen Aufenthalt, mein Zimmer war kalt. Und dann stand ich an der Fenstertüre und starrte trübselig hinaus, Cara aber brachte den Tee mit den merkwürdigen kleinen Kuchen wie aus verzuckertem Sand, die man nicht essen konnte. Oder war es wirklich nur die Beklemmung? Auch wenn ich noch so hungrig zu Tisch ging, widerstanden mir alle Speisen. „Wie machen Sie es, daß Sie leben?“ hatte die Hexe einmal gefragt. Aber es läßt sich nicht schildern, wie mir an ihrem Tische das Gemüse sich zu ungenießbarem Schilfe verwandelte und ihr Brot in den knolligen Rohzustand zurückkehrte. So furchtbar war es, an ihrem Tische zu sitzen. Obwohl sie etwas ganz Unanimalisches hatte, fand ich ihre Art zu essen mehr ein Vertilgen, wie bei den Schlangen, und daß sie pfiff dabei wie eine Maus. Nur einen Lichtpunkt gab es, und ich freute mich manchmal die halbe Nacht darauf: es war das erste Frühstück, mit welchem die stumme Cara bei mir einzog. Sie zündete zugleich das Feuer an, und freundliche, nach Pinien duftende Flammen schlugen dann im Kamine auf. Und da war die braune Tonkanne und die dicken gerösteten Brotschnitten, auf welchen die Butter zerfloß, alles mit einer versteckten Sorgfalt bereitet, hin und wieder ein Blümchen, blasse Heckenrosen vom Fluß. Doch als ich das erstemal dafür dankte, lief Cara mit erschreckter Miene zur Tür. Siebentes Kapitel Es fehlten nur noch vier Tage. Mein Koffer stand inmitten des Zimmers aufgeschlagen; im Tanzschritt hatte ich schon ein paar Sachen hineingelegt, da sank mir noch einmal der Mut. An einem fast schwülen Tag riß mir auf dem Heimweg ein plötzlicher Sturmwind den dünnen Umhang immer wieder in die Höhe, während ein eisiger Regen die Schultern durchnäßte. Es half nichts mehr, daß ich nachträglich eine gesteppte Seidenjacke überzog und ganz vermummt zum abendlichen Spiele schritt. Der Frost wollte nicht mehr weichen. Die Noten dagegen schienen alle aus ihrer Bahn geschleudert, erst nur gefallenen Maschen gleich, und die sich selber wieder fingen, dann aber sich auflösten zu einem verwirrten Heere, das hinauf und hinab nach allen Seiten stob, die kleinen, die schwachen und kurzen von den mächtigen tief unter die Linien hinabgestoßen. Wer gab den verrannten Scharen die Ordnung, die Besinnung wieder, die aufgewirbelt, mit gesenkten Köpfen losfuhren gegeneinander und begeistert fielen. Hilf Gott. O der Not, o des Getümmels! Wüste Bilder, Gesichte des Fiebers hatten im Nu unerträgliche Hitze erzeugt, und ich warf Schal und Jacke von mir. Doch die Hexe hatte keinen Unterschied in meinem Spiele wahrgenommen, sondern mit demselben bemerkenswerten Stirnrunzeln zugehört wie alle Tage. Was legte sich indessen wie eisige Tücher um Nacken und Hals, daß die Zähne zusammenschlugen? Und wer, o wer hatte die Flammen im Kamin verräterisch umnebelt, daß sie so trübe tanzten, kalt auch sie? Zuckte es da nicht wie von Schlangenzungen in den Augen der Hexe auf, als sie, ohne ein Wort zu sagen, endlich die Zeichen meiner Erkrankung las, die ihr doch nicht genehm sein konnte ... und ich war nicht gewillt, so hart vorm Ziele dem Becher der Freuden zu entsagen. Wie mit Krallen, alle Energie der Jugend im Aufgebot, focht ich gegen die Erkältung an und trat sie nieder. Als Cara nach einer schier endlosen Nacht endlich, endlich bei mir eintrat, schlürfte ich den Tee, den sie mir brachte, wie ein Elixier, und als wiederum der Abend kam, schlug ich den Flügel auf, als fehlte mir nichts. Die Hexe konnte nicht umhin, sich gnädig zu zeigen. In Wahrheit begegneten sich jetzt unsere Wünsche: der meine, sie zu verlassen, der ihrige, mich los zu sein. Bedeutete sie mir doch seit kurzem immerzu den deutschen Weihnachtsbaum, unter dem ich nun in Bälde stehen würde, und was für eine hübsche Sitte er sei. So lag ich jetzt tagsüber in meinem Zimmer zusammengerollt, Cara braute mir ungehindert allerlei bittere Getränke und trug mir dann die entzauberten Speisen auf, in welchen ich statt zerfaserten Schilfes Bohnen oder Spaghetti erkannte. Achtes Kapitel Es dämmerte der Morgen meiner Abreise: hochgehißt, wie eine entrollte Fahne, war er da. Zum letzten Male saß ich in dem zugigen Speisesaal zur ebenen Erde und spürte seine kalten Ziegel unter meinen Füßen. Der Regen schlug gegen die Scheiben; böse fuhr der Wind sie an. Aber trotz des schonungslosen Mittagslichtes faßte ich heute die Hexe und ihre Drachenschulter voll ins Auge. Sie glaubte noch immer, in einigen Stunden würde mir der Apennin im Rücken liegen. Es gab zu diesem Essen eine unvergleichliche Pastete. War sie wirklich so vortrefflich, oder würzte sie zur Götterspeise das Gefühl des Sieges und der überwundenen Krankheit? Zwei Riesenstücke hatte ich schon davon gegessen und fuhr trotzdem fort, ihr Blicke zuzuwerfen. Auf einer Seite hielt sich noch eine Kruste aufrecht. Etwas wie eine halbe Entschuldigung, ein verlegenes Lächeln, und ich streckte sie hin. Denn die Fenster sahen auf den Hof, und dort stand ja schon das Wägelchen gerüstet, und meine Koffer lud man jetzt schon auf. Es folgten nur noch die paar Augenblicke in dem verhängten Salon, wo die Schatten alle Dinge schonten und man den Himmel weinen hörte über dieses Haus. Meinem stets vorgreifenden Gemüte war es schon abgerückt, derweil ich mich noch darin befand; schon war sie mir vergangen, diese ganze Zeit, mit der ich erst im Begriff stand abzuschließen. Weggeblasen die lächerlichen Klavierabende; alles vergessen, da es überwunden war! Zum ersten Male seit meiner Ankunft schwang ich mich wieder auf den hohen Sitz, von dem aus die Hexe ihr schemenhaftes Roß kutschierte. Entzückt von den Schönheiten des Weges, seinem Flüßchen, seinem Immergrün, hoben sich meine Arme zum Gruß der Rosen, die so spät von einem ewigen Sommer träumten im Schutz des trügerischen Laubs. In San Gervasio stieg ich aus. „Ich hoffe,“ sagte die Hexe, – denn nichts hätte gesitteter sein können, als unser Auseinandergehen – „ich hoffe, Sie besuchen mich, falls Ihr Weg Sie wieder in die Gegend führt.“ „Ich werde gewiß nicht verfehlen.“ „Sie sind noch erkältet. Nehmen Sie sich in acht. Sie werden eine kalte Reise haben.“ Ich lachte. Mochte das verderbliche Weib sich wundern über mein leichtes Herz. Später, irgendwann, sollte es von meiner Übersiedelung nach Fiesole erfahren, als hätte es sich auf Grund einer Begegnung ganz improvisiert und zufällig ergeben. Denn so war es ausgemacht. Und alles fügte sich gut. Ihr Gefährt war außer Sicht, bevor ich den Zug bestieg, der statt nach Florenz den Hügel von Fiesole hinauffuhr. Neuntes Kapitel Hier oben setzte nun jenes Zwischenspiel ein, welches die Oase, die selige Insel, die gedeckte Brücke darstellte über eine sonst wie auf geheime Weisung mit großen und kleinen Steinen immer neu versperrte Bahn. Glatt wie Marmorfliesen lief sie plötzlich dahin. Ich sah nur mehr in die Luft und residierte auf Wolken. Die Geschwindigkeit, mit welcher der auf Verwehrungen Gestellte sich an Erfüllungen gewöhnt, scheint darauf hinzudeuten, diese seien letzten Endes doch unsere eigentliche Bestimmung ... Geschmeidig, wie ein nach Maß verfertigter Handschuh, paßte mir die Freude nach drei Tagen an. So sollte es bleiben, und so war es recht. Blumengewinden gleich schlangen sich die Stunden hin; schade um die, welche man verschlief. Des Nachts lag ich noch lange in dem breiten Fenstersims meines Zimmers; zu meinen Füßen lag die glitzernde Stadt, vom Mondlicht überströmt, und ruhelos überdachte ich die Genüsse des vergangenen wie des kommenden Tages. Es fehlte nicht an Depeschen, die mich bald zu diesem, bald zu jenem Vergnügen hinunterriefen und die mir schmeichelten. Aber am schönsten war es doch hier oben, am liebsten sah ich es, wenn die paar witzigsten oder schönsten Florentiner in dem tiefen und dunklen und doch so frohgemuten Saale sich zu uns gesellten, dessen Tisch, ans äußerste Ende gerückt, sich wie auf einer Bühne ausnahm, nur von Kerzen beleuchtet, in deren Schein die Gesichter noch schöner, die Gespräche noch beschwingter wurden. Doch wer auch kam, immer war es Mary Coroughdeens Vorsitz, der unsere Tafelrunde krönte. Denn wessen Blicke schweiften geruhsamer, welcher Mund lächelte sanfter über uns hin? Ich nahm das Kolorit ihres Haares, die Madonnenpracht ihrer Erscheinung für gegeben. Wer den Schreck noch nicht erfuhr, die Reize eines Angesichtes, die er in ihrer Blüte sah, welk oder zerstört wiederzufinden, der kennt das Leben nicht. Hier vermag die Phantasie für sich allein ohne Erfahrungen nicht vorzugreifen. Frau Coroughdeen stand in ihrem Zenit, und es kam mir nicht in den Sinn, daß sie ihn gerade deshalb bald überschreiten würde. Ich besaß noch nicht die Vorstellung von dem Prozeß, der sachte aber geschäftig ein eben noch straffes Gewebe lockert: hier eine kleine Schärfe, ein leises Erschlaffen dort, und der Verfall ist eingeleitet, so unmerklich zwar, daß man sich fürs erste fragt, ob jenes Gesicht noch ganz so schön ist, wie das Jahr zuvor. Ähnliche, einer Beschämung so verwandte Erkenntnisse lagen mir noch fern; es war alles zeitlos. – Zwei hübsche Abendkleider, welche ich bei der Hexe nie Gelegenheit gehabt hatte anzulegen, kamen mir jetzt sehr zustatten: eines besonders, von flügelartigem Schnitt mit schwarzen Achselbändern. Wie entseelt hing es vom Stuhle. Zehntes Kapitel Das junge Ehepaar war vorläufig nach Capri vorausgefahren; Mary Coroughdeen, der sommerliche Herr und ich wollten mit dem Abendzug nach Rom; Treffpunkt war die Bahn. In meinem Vergnügungsfieber folgte ich vorher noch einer Einladung in die Stadt und aß in einem Kreis von Leuten, welche den Eindruck in mir erweckten, daß sie mich bewunderten. Dies bewirkte ein Gefühl so großer Sicherheit, daß meine Einfälle einander richtig jagten. Denn was konnte mir das Schicksal noch anhaben? Um sechs Uhr ging es mit Mary und dem sommerlichen Herrn nach Rom, und Treffpunkt war die Bahn. Strahlend machte ich mich von meiner Umgebung los, um einen Strohhut zu erstehen, der mir schon lange ins Auge stach. Der Preis war toll, aber was schadete das? Eine solche Jahreswende, ein solches Silvester mußte man feierlich begehen. Schon lag der kürzeste Tag zurück: jetzt gerade setzte im Norden die ärgste Kälte ein. Dem häßlichen und hassenswerten Winter war ich zum erstenmal entronnen, dem grauen Schnee um drei Uhr nachmittags unter den abscheulichen Glockenklängen meiner in den siebziger Jahren erbauten Stadtpfarrei. O wie sie die Öde des todbringenden Alltags ausläuteten! Entronnen! Ja, Treffpunkt war die Bahn. Und stand da nicht schon Marys Wagen, der Insassen bar? kam mir da nicht der sommerliche Herr entgegen? beschleunigte ich nicht meine Schritte? „Ich zerbreche mir den Kopf,“ sagte er, „was am besten wäre.“ „Einen Strohhut kaufen!“ Und ich schwenkte lachend den papiernen Sack, der ihn enthielt. „Ist schon geschehen.“ „Ein großes Unglück ist geschehen“, sagte er da. „Mein Schwager ist plötzlich gestorben. Ich suchte vergebens, Sie zu erreichen. Mary ist mit dem Mittagszug nach London abgereist.“ * * * * * „Wollen Sie nicht nach Fiesole mit mir zurück?“ – – – – – – – – – – – – – – „Bis das Haus aufgelöst ist – Oder ziehen Sie vor, hier in Florenz zu warten?“ „Wie lange bleibt sie fort?“ Er zögerte. „Auf den Tag natürlich läßt es sich nicht genau bestimmen.“ In diesem Augenblick wußte ich schon längst, daß mir keine andere Wahl bliebe, als schnurgerade nach Hause zu fahren. „Schade“, sagte er. „Sehr schade, sehr traurig“, sagte ich und ging gemessenen Schrittes an seiner Seite auf und nieder. Auch nach Norden ging ein Zug in einer guten Viertelstunde. Recht so. Ich löste alsbald eine Karte. Er schien betreten über eine so kategorische Hast. Aber Leute, die das Schafott besteigen müssen, haben es eilig. So nahm ich Abschied, stieg ein und winkte lächelnd aus dem Fenster, als ich schon fuhr. – Ein Bäumchen, vorfrüh ganz in Blüten gehüllt, sogar von Hitze schon umwoben, von Bienen und von Faltern schon umschwärmt, das schon Vögel aussandte und in seinem Geäste nisten sah, und das im Mondlicht vor Entzücken schauerte und plötzlich unter einem niedrigen und schwarzen Himmel von einem harten Schneegestöber gefaßt wie erblindet steht, mit knackenden Ästen, sein herrliches Kleid vernichtet und zerfetzt – der Anblick eines solchen Bäumchens wird mich zeitlebens an den Bahnhof von Florenz und jenen Tag zurückversetzen, an dem ich dem sommerlichen Herrn entgegenging, die Tüte schwenkend mit dem neuen Hut, in dem ich ihn und alle, die mich darin sehen würden, zu betören gedachte. Er, dieser Hut, im Übermut gekauft, war schuld. Meine Fahrkarte reichte nur bis Bozen. Dorthin kam telegraphisch das Geld, das meine Heimreise ermöglichte. Es schwebte mir das Postamt vor, von dem es aufgegeben wurde. Leute mit frostentflammten Nasen gingen aus und ein. Es war in der Tat die kalte Fahrt, die mir die Hexe versprochen hatte. München lag wie vereist. Dies war meine erste Abfahrt von Florenz. Elftes Kapitel Doch ich kam wieder. Im Frühling zog ich wieder die Via Tornabuoni hinab, sicheren Schrittes auf den Arno los. Als wäre sie mein, diese Stadt. Blumen gehörten jetzt zu ihrem Bilde. Es war die Mode der weißen Handschuhe. Diese weißbehandschuhten Hände trugen alle Blumen. Blumenbüschel schossen an allen Straßenecken auf, und wohlfeil war die Anemone; und die gelben Sonnenkelche, die Narzissen, die hochgehißten, fast wilden Sträuße der Mimosen. Mein waren auch die Düfte dieser Stadt, die über die Brücke hinschlugen, ihre erste Hitze und ihr erstes Grün. Jedoch mein Reiseziel war Rom. Und erfahrener kam ich wieder als im vergangenen Jahr. Ich hatte alles mitgenommen dieses Mal. Am blauen Seidenbande, im rosa Seidensäckchen eingenäht baumelten deutsche Zechini mir vom Halse, die mir den Himmel öffnen sollten über Rom. Ich griff nach ihnen: sie waren immer da. Auch der Gürtel mit der hohen Schließe, immer aufs engste zugeschnallt, war eine Garantie. Und wieder einmal fand ich das Leben eine schöne und merkwürdige Erfindung, unerschöpflich an Genüssen. Denn die Wunder Gottes waren nicht allein. Die Menschen hatten ihnen die Wunder ihrer Architektur und ihrer Musik, die Wunder solcher Städte zugesellt: diesen Turm der Signoria zum Beispiel in seiner direkten Beziehung zu den Wolken. O wie er sich reckte! wie er aufflog zu ihnen. Der Dom warf sich auf gleich einem Berg. Er warf Schatten gleich einem Berg. Enge Gassen liefen auf ihn zu. Plätze gaben seinen himmellangen Seitenwänden das Geleit; Straßen folgten ihnen von fern. In der Buntheit, in der fließenden Glätte seines Gesteines pochte Gesang. Was funkelte da in der Bläue des Tages über die Dächer der Stadt? der Hügel Fiesoles, vielgekrönt, reich an Erinnerungen. Marys Haus war geschlossen, aber sie und ihr sommerlicher Bruder erwarteten mich in Rom; morgen, alle una mit dem direttissimo ... Alle Hotels waren überfüllt. Man hatte mir eine Pension sehr angelegentlich empfohlen, die mir außerordentlich mißfiel; in einem modernen Viertel gelegen mit feudalen Mietsparteien in den unteren Etagen, von welchen sie ihren Leumund bezog, vier Treppen hoch, die immer steiler und kahler wurden. Wer aber beschreibt den Speisesaal? Fünfundvierzig – ich hatte sie gezählt – fünfundvierzig alte Engländerinnen, alte Fräuleins, alte gezierte Schachteln sammelten sich hier um die Essenszeit mit fürchterlicher Pünktlichkeit zu Hauf, nahmen vor kleinen Tischen Platz und boten einen empörenden Anblick. Denn alte Frauen sind wie Topfpflanzen aufzustellen, ja, und auch zu hegen, aber sie gehören nicht in Sträuße wie die Zentifolie. Und nicht nur mit ihren fünfundvierzig Teekännchen, die Damen waren auch samt und sonders mit den Photographien der Primavera und des Konzertes von Giorgione vermählt. Der melancholische Mönch, ohnehin das Symbol aller Verzichte, mußte daran glauben. O diese bornierten Stirnen, so untergeordnet und so ladylike, diese zufriedenen Ohrmuscheln, diese phantasielosen Fingerknöchel, die Monotonie dieser Münder, die alle dasselbe aßen, alle ohne Variante dasselbe sagten; England, mochte es über den ganzen Erdball siegen, England war blamiert mit ihnen! Mein Gegenüber war von einer so housekeeperhaften Manierlichkeit, sie war so schrecklich fein, daß ich jetzt beide Ellbogen aufstützte, um weiter zu essen – als die sechsundvierzigste Engländerin in Begleitung eines Reverend unter die Türe trat. Mit ihrem vornübergeneigten Kopf, der breiten und mächtigen Nase, der braungelben Färbung, der langen und ungefähren Gestalt, trat sie wie der aufrechte Genius der Sardine einher. „Wer ist das?“ fragte ich unwillkürlich. Meine Tischgenossin hätte meinen Ausruf lieber ignoriert, aber dann siegte der Wunsch, mich zu belehren: „First cousin to Lord Sullivan“ beschied sie kurz. Hatte ich denn schon einen Lord oder die erste Cousine eines Lords getroffen? Geschah es nicht zum ersten Male, he? War ich denn von good family? Schwerlich. Sie richtete ihre Jammerbüste auf. „Armer Lord Sullivan,“ bemerkte ich. Der Reverend trug einen Band Ruskin unter dem Arm, er scheute sich nicht, Hahn in diesem Schauerkorb zu sein und nahm gegenüber the Honourable Sardine Platz. Unter ihrem Vorantritt verfügte man sich dann in den Salon. Es tagte noch. Ich floh ins Freie, der Via Tornabuoni zu. Dort konnte man hübsche, junge, leichtsinnige Kokotten sehen, das Hütchen lustig hinausgeschoben oder kecker noch hereingesetzt. Und harmloser, unschuldiger muteten sie an, als die geschützte Kohorte der Pension Malocchio. (Schon, o schon nannte ich sie so.) Und sie taugte nichts, die miese, zufällige Jungfräulichkeit der gealterten Schar dort oben, eine gezogene Niete nur, unheilig auch sie. Süß aber war die Vergessenheit dieses Abends. Ich ging in einer Rosenwolke. Der Frühling hatte einen wilden Tag gehabt. An wie viel Hängen brach er heute aus! Den kühlsten Gründen nicht mehr neu. Zwischen schweren Blättern drückten sich die Blumen vor. Jetzt ging er zur Ruh. Es stand ihm eine aufgeregte Nacht bevor. Der Mond war voll. Schon steigerte sich das Gebüsch. Ich sah ihm an, wie es sich bereitete. Vor dem Hôtel de Ville machte eine offene Droschke halt: schmale Schuhe, die schnell Fuß auf der Erde faßten, eine rasche Gestalt: „Wahrhaftig Sie sind es!“ rief die Dame. Es war die eine Hälfte jenes Hochzeitspaares, das zu Mary Coroughdeen gekommen und dann nach Neapel gefahren war. Der Mann befand sich jetzt in England infolge eines Trauerfalles, und sie wartete in Florenz auf seine Wiederkehr. So kam ich ihr wie gerufen. „Aber ich fahre morgen nach Rom.“ „Das dürfen Sie nicht! Sie dürfen mich nicht so verlassen. Warten Sie nur noch drei Tage und ich komme mit Ihnen.“ „Meine Pension“, sagte ich, „ist wirklich zu greulich.“ – „Neben mir wird morgen ein Zimmer frei,“ rief Eleonor. Sie lief in die Halle. Ich wollte ihr folgen. Da war sie zurück. „Es ist schon reserviert!“ rief sie mir zu und zog mich wieder ins Freie. Es paßte mir nicht recht; ich wollte doch nach Rom, aber sie war so willensstark. Arm in Arm streunten wir nun durch die Straßen, und ich erzählte ihr alles. Ich trug den vorfrüh gekauften Hut. Wir lachten, und ich aß noch einmal zur Nacht. Ich skizzierte ihr die Schreckensschar und den Reverend in ihrer Mitte. Eleonor sagte: „Wir haben in Venedig eine Wohnung gemietet, an der Giudecca, und Sie müssen uns dort besuchen.“ „Schön, schön“, sagte ich. Quer über den Platz kam ein Bekannter auf uns zu, und ich nahm eine Einladung für den nächsten Abend von ihm an. Die Steintreppen zu meiner Pension jedoch nahmen wieder einmal kein Ende. Aber morgen hatte mich ja das Stift gesehen. Auf immerdar! Zwölftes Kapitel Mein Zimmer trug die Nummer 19. Es war häßlich, sah auf einen unwirschen Hof hinaus und lag abgetrennt am äußersten Ende eines langen Ganges. Häßlich, rot, grob, breitschrötig und cholerisch war auch die Magd, die mir das heiße Wasser und das Frühstück brachte. Aber schon um neun Uhr wollte Eleonor mich holen, um nach Santa Maria Novella zu gehen. Ostersonntag! und ein lichter Himmel über dem düsteren Hof. Mir gleich endgültig aus den Augen, so daß ich nicht umhin konnte, ein wenig hin und her zu summen. Nur so eine kleine Barkarole, von der schönen Luft, die hereinwehte, getragen und wie von Märzbechern eingeläutet. Es war noch früh, aber ich störte niemanden. Das Zimmer hatte keine Nachbartür. Die Fülle der Glocken über alle Dächer hin! Mein Herz war leicht. Jetzt nur noch das seidene Säckchen über den Kopf gezogen, und ich stand bereit. Nachts pflegte ich es unter das Kissen zu legen und nun hätte ich es schier vergessen. Aber dort lag es nicht mehr. Wie zerstreut ich doch heute war. Ich hatte es ja auf das Tablett gelegt. Aber das hatte man schon abgetragen. Ich läutete. Niemand erschien. Ich läutete in rascher Folge wieder, und verdrossen kam die Magd herein. Ich schickte sie nach der Küche, nach dem Tablett zu schauen. Sie ging. Zitternd stand ich vor dem Spiegel und starrte mich mit blutlosen Lippen selber an, riß das Kleid von neuem auf, aber das blaue Band hing mir nicht an; griff mich ab, die Stätte war leer. Die Person kam wieder: „Non c’è“, sagte sie. „Si c’è“, rief ich in heller Verzweiflung. Ihr rotes Gesicht wurde noch dunkler. Sie trat in den Gang hinaus und kam mit einem Manne wieder, Hausdiener oder Portier, jedenfalls ihr geschworener Freund. „Non c’è“, bekräftigte er. „Non è vero“, sagte ich. Da traten beide näher. Die Worte „gettarla fuor dalla finestra“ drangen an mein Ohr und ließen mich blitzartig die Situation übersehen, so daß ich mich wohl hütete, von dem Fenster wegzurücken, vor dem ich stand, denn wir waren ohne Zeugen. Warfen sie mich in ihrer Wut hinab, so konnten sie beteuern, ich hätte mich selbst hinuntergestürzt. Der Gedanke an den Freispruch, der ihnen zuteil würde, entwickelte in mir den Furor eines Löwen. „Ich gehe jetzt auf eine Stunde fort“, sagte ich, als hätte ich freie Bahn. „Mittlerweile suchen Sie gefälligst das ganze Zimmer durch, dann wird der Sack sicherlich zum Vorschein kommen.“ Mit diesen Worten wandte ich mich der Türe zu, allein die zwei blieben drohend vor mir aufgepflanzt und ließen mich nicht durch. Was wollten sie? „Man kommt“, sagte ich triumphierend. Eleonor trat ins Zimmer. Meine beiden Schergen verließen es alsbald. „Was ist?“ rief sie und fing mich auf. Denn die zurückgedrängte Angst machte sich wie ein giftiger Nebel über mich her, jetzt, da Eleonor mir zur Seite stand. Sie duldete nicht, daß ich dies Haus noch einmal betrat; lieber sollte mein Koffer zurückbleiben, die Handtasche trugen wir gemeinsam durch den leeren Gang. Niemand zeigte sich. Wir gingen die Stiegen hinab, warteten auf einen Wagen und fuhren ins Hôtel de Ville. Ein reizendes und neu tapeziertes Zimmer wartete da meiner, allein mir blieben siebenundvierzig Lire, und ich fuhr mir ans Herz, als hätte es einen Sprung. O Kirche von Santa Maria Novella! Welch verwirrtes und bebendes Gemüt entließen an diesem Ostermorgen deine heiligen Pforten! Aber war mir nicht von neuem der Weg nach Rom verschüttet, wenn der Sack verloren blieb? Was flogen die Vögel so hoch? Und warum erspähte Eleonor den Schutzmann, der gelangweilt auf dem Platze stand! Was radebrechte sie da mit ihm? War es nicht verfrüht, ihn heranzuziehen? Er mußte ein Neuling sein, denn seine Bereitschaft war nicht gering. „Chè,“ sagte er, „kriegen wir, kriegen wir,“ und machte sich voll Eifer auf den Weg. Eleonor war guter Dinge. Sie hatte einen Brief, der ihr die Rückkehr ihres Mannes anzeigte. „Ich habe das bestimmte Vorgefühl, daß Sie heute abend wieder im Besitz Ihres Sackes sind“, so sagte sie. „Wie sind denn im allgemeinen Ihre Vorgefühle?“ „Immer richtig! Man kann immer darauf gehen.“ Doch ich atmete wie ein Asthmatiker. „O Sie sind langweilig“, rief sie aus, „wo wollen wir essen?“ Im Hotel wartete schon der Polizist, zwar ohne Sack, aber mit zufriedener Miene. Die Magd befände sich hinter Schloß und Riegel. Indes stelle sich die Pension auf ihre Seite und verweigere die Herausgabe des Koffers. Die Magd leugnete nämlich. Daher die Repressalie. Dann ging er. Ein Abendfähnchen war alles, was mir blieb, außer dem Kleid, das ich trug. Es dunkelte. Mir schauderte vor dem Anblick meines Fensters, es war hochgelegen, wie das von heute morgen. Ich zündete alle Lichter an. Auch über dem großen Spiegel war ein Kontakt. Er warf mein Bild zurück. Und wieder starrte ich mich selber an, als könnte ich nur mir selbst meine Bedrücktheit anvertrauen. Ich stand mit siebenundvierzig Lire und ohne Koffer da. Dies waren die Tatsachen; mochte Eleonor sich mit noch so guten Vorgefühlen tragen. Der Mond war heute voll. Welch Geraune wohl und welch ein Rausch in den Cascinen. O daß in den Tiefen des Gezweiges vielleicht sich regte der Rhapsode unserer Ekstasen! Vielleicht entströmte ihm das erste Gold erträumten Grams, und schlugen Bangigkeit und Wonne der Verliebtheit in seiner Kehle an. Leid und Verliebtheit der Nachtigallen nur? O nein, der Götter und der Menschenherzen. Langsam fing ich an, mich für den Abend umzukleiden. Meine emporgerichteten Arme, im Raume gesehen mit den hellbeschienenen Händen in der Luft, bannten meinen Blick wie Bruchteile einer Statue und anderer Wesenheiten teilhaft als nur des Ichs. Solche Gedanken entsandte der Spiegel als letzte Labsal, letzte Stärkung dieses Tages ... „Wann zeigst du dich in deinem Glanze?“ lachte Eleonor herüber. Als Antwort ein wilder Schrei. Was hatte ich gesehen? Was zeigte sich mir da? Sie stürzte herein, wähnend, meine Kleider steckten in Brand. Ich hatte sie noch nicht angelegt. Was nun auch sie erblickte, war ein Gegenstand in meiner rechten Hand: ein blaues Band an einem Ende losgerissen, von dem ein schweres Säckchen herunterhing. Es war mitsamt dem Bande bis zum Gürtel hinabgerutscht, hinter der hohen, nach innen ausgebuchteten Schnalle platt gedrückt. Und das Mädchen im Gefängnis. „Fliehen Sie, fliehen Sie!“ war Eleonors Schreckensruf, und sie verließ das Zimmer. Zitternd und ungefähr zog ich mich an und lief aus dem Hause. Dreizehntes Kapitel Der Florentiner, der mich zu Tisch erwartete und mit dem ich dann in die Oper gehen sollte, wohnte mit seiner Mutter in der Via Alfieri. Er gehörte dem Kreise Frau Coroughdeens an. Auch er zog alsbald das Kursbuch hervor. Wir aßen nur so lange, als es Zeit bedurfte, die Victoria anzuspannen und fuhren dann mit Diener und Kutscher auf dem Bock nach der Pension Malocchio. Ich sollte mit dieser Doppelwache im Wagen bleiben, denn mein Parlamentarier bestand darauf, allein die Höhle meiner Mißgeschicke zu besteigen. Dem Säckchen, dem das blaue Band nur auf einer Seite anhing (es hätte sich wirklich nicht gelohnt, es anzunähen) entnahmen wir gerade so viel, als ich zur Rückfahrt nach Deutschland brauchte; mit den achtzehn schönen, runden, dicken Goldstücken, die als mein Lösegeld darin verblieben, zog er dann hinauf. Er blieb sehr lange. Die Luft war lau. Im Norden gab es wohl noch Schneegestöber und ein langes Hin und Her zwischen Winter und Frühling. Warum kam mein Abgesandter nicht zurück? Das Theater mußte bald zu Ende sein. Im dritten Akt hatte die Duse fast nichts zu tun. Da trat er hervor. „Mein Koffer“, sagte ich. „Man gibt ihn heute abend noch nicht frei. Ich hatte einige Mühe mit dem Mädchen“, sagte er; auf seinen Wink fuhr jetzt der Kutscher wie ein Teufel los. „Dann ist es ja gar nicht eingesperrt.“ „Man ließ es mangelnder Beweise halber nach zwei Stunden wieder laufen.“ Ein Groll stieg in mir auf. „Es ist zu arg!“ „Wie?“ „Erzählen Sie doch!“ „Ich bin sehr lange ausgeblieben, Sie haben lange warten müssen. Aber es war so interessant und so unterhaltend, die alten Damen über Sie zu verhören. Sie machen sich gar keinen Begriff, welche Abneigung die ganze Pension für Sie gefaßt hat. Nein, wie Sie das in zwei Tagen fertig gebracht haben, alle Hochachtung! Es herrscht nur eine Stimme über Sie. Die fälschlich angeklagte Magd dagegen wurde umringt wie eine Diva. Sie erhielt sechsundvierzig Geschenke. Von Ihnen, meine Liebe, wollte sich jede schon beim ersten Blick des schlechtesten Eindrucks entsinnen. Ich gab mich natürlich nicht als Ihren Freund aus. Es hätte den Redefluß gestört.“ – „Mein Koffer“, sagte ich. „Ich kriege ihn schon frei. Lassen Sie die ersten Wogen der Rache sich legen. Es war da noch ein Freund der armen Person ...“ „Armen Person?“ fuhr ich auf. „Sie hat das beste Geschäft ihres Lebens gemacht. Schweigen Sie mir von der.“ „Ja, sie ist häßlich, aber sie hat einen sehr feurigen Freund, der unter gräßlichen Schwüren beteuerte, er würde nicht eher ruhen, als bis Sie selbst im Gefängnis säßen, und die sechsundvierzig Damen teilten durchaus seine Ansicht. Es war wirklich nicht so einfach, wissen Sie. Ich hatte Mühe mit dem Säckchen. Ich hielt es an seinem gerissenen Bande hoch und schilderte, wie leid Ihnen alles täte.“ „Nichts tut mir leid. Nur ich allein tue mir leid. Kein Wort mehr“, rief ich. Er zog seine Uhr. „Wir kommen noch recht zum zweiten Akt.“ Der Morgen dämmerte. Es zwitscherten die ersten Vögel. Silberner Flor war am Himmel zerstäubt. Man klopfte, um mich zu wecken. Doch ich stand schon bereit. Fluchtartig also und bei Tagesgrauen mußte ich Florenz verlassen. Es war meine einzige Ähnlichkeit mit Dante. Und mein zweiter Abschied von dieser Stadt. Mary Coroughdeen und ihren sommerlichen Bruder sah ich niemals wieder. Vierzehntes Kapitel Doch ich kam wieder. Ich ließ mich so nicht unterkriegen. Diesmal stieg ich in der Nähe des Bahnhofes ab, und länger als einen Tag und eine Nacht gedachte ich nicht mich aufzuhalten. Mein Reiseziel war Rom. Kein Säckchen hing mir diesmal an. Ich hatte einen Kreditbrief, das war besser. Die Bäume freilich, die ich in ihrer ersten Pracht gesehen hatte, standen längst entlaubt. Auf den Bergen lag Schnee, und es gab viel Kranke in der Stadt. Mary Coroughdeen war nach England übersiedelt, ihre Villa geschlossen. Allein das Licht tönte sich genau wie im vergangenen Winter ab, und mit Macht versetzte es mich in jene Zeit zurück, da ich traurig meine einsame Straße marschierte. Mir schien, es sei vergangenes Jahr. Ahnte ich denn, wie weit das Tageslicht Leben ist – wie das unsere? Schwingungen sind der Lüfte Schoß. Längst verwehte Akzente der Leidenschaft, der Schönheit, des Affektes erstehen uns von neuem. Ja, wer ihrer Sprache kundig wäre! Betrachtet euch die Städter, wenn sie vernehmen, daß sich die Wunderkrone der Victoria Regia aus vieljährigem Schlafe regt. In langen Zügen sieht man sie zur Riesenblume pilgern wie zu einer Gottheit. Nur eine Woche lang strahlt und duftet sie kostbarer und berückender, blüht heißer als alle Blumen, dann schrumpft sie gelb und häßlich ein; welke Stränge, ins Leere ausgeworfen, künden ihren Tod, ihr vergängliches Sterben. So kann den Hoffnungslosen, den auf immer – (aber was heißt immer?) – den auf immer Beraubten ein jagendes Licht, seine Fülle oder sein Versagen, der Atem einer Brombeerstaude, ein unvorhergesehenes Etwas an der Biegung eines Weges, es kann der Schatten einer Bank ihn überwältigen, daß er inmitten seines Grams vor Glück erschauert. Ich wußte es noch nicht, ich wunderte mich nur. Nie wäre es mir auf meiner Osterreise in den Sinn gekommen, die Hexe aufzusuchen, und nun fuhr ich zu ihr. Die Münze war mir ausgegangen, ich reichte dem Schaffner eine Banknote hin und starrte wunschlos in den Tag. Denn es rastete mein Herz, als sei ihm Erkenntnis geworden, und es frönte der ungewohnten Ruh. In San Gervasio stieg ich aus und zog die weiten Schleifen der Straße dahin. Ein frischer Wind hatte sich aufgemacht und wehte mir entgegen. Die Stimmung der Hexe jedoch war eine andere, und sie empfing mich kalt und überrascht. Die Uhr schlug zwei. Cara brachte den schwarzen Kaffee herein und auch ein Täßchen für mich. Ich hielt es vor dem Fenster stehend, das auf den Garten sah. Der Wind fegte einher. Kein Vorhang dämpfte den fahlgewordenen Tag; er schwelgte in seiner Abgewandtheit, und sonderbar mischte sich da in sein grenzenloses Schweifen das Ticken der Pendule. Warum beklemmten ihre Schläge? Irrsinnig schwang der kleine Pendel hin und her, als ob es ihm obläge, Zeit, Natur, alle Dinge, alle Wünsche zu skandieren, so machte er sich laut. Aber plötzlich zerriß das Gewölke, eine wahrhaft südliche Bläue triumphierte über den Sturm, und Sonne erfüllte den Raum. Von ihrer Wärme einbezogen, hielt ich das Gesicht zu ihr empor; von ihr umsponnen und gebleicht war es begeistert ganz für sich allein ... Neue Wolken jedoch trieben in der Luft heran, alle Glorie erlosch, die Pinienkronen wirbelten auf, der schwarze Lack des Flügels spiegelte sich in der zunehmenden Düsterkeit und anders behauptete sich jetzt das Ticken der Pendule, beschwichtigend nunmehr wie Ammenworte in einer Kinderstube. Und statt des Sonnenfeuers loderte das andere, das wir den Göttern gestohlen hatten, still und geschäftig im Kamin, in dessen Schein die fröstelnde Hexe saß. Wo waren meine Augen gewesen, daß ich über das kranke Oval die schmale beschwingte Stirne übersehen hatte und die in ihrer Zermürbtheit rührenden Schläfen? Was schied mich von so viel Verblühtheit? Die irrsinnigen kleinen Pendelschläge nur, die, alles mißachtend, mich alt oder verwest zurücklassen würden. Ein Jahr war vergangen, seit mir die Hexe der Inbegriff alles Verabscheuungswürdigen dünkte, ein Jahr, an dem ich mich noch schleppte. War sie nicht vielleicht schön, diese Hexe? und war sie eine Hexe? Barg sie nicht ganz andere Flügel vielleicht, als die des Drachen? – Die unter die Räder geratene Spinster sollte dereinst mehr Wesensfülle, mehr Menschentum, mehr Mut, mehr Edelsinn, mehr Unbeirrbarkeit des Geistes und des Herzens zu Tage legen, als Millionen und Millionen ihrer Zeitgenossen. Wie die auf hohem Brückenpfeiler gestellte Engelsfigur, so vereinzelt und abseits sollte ihre barocke Gestalt sich im Weltkrieg umreißen und die dumpfe Allgemeinheit überragen. – War eine Ahnung in mir aufgestiegen? Alles stand hier unverrückt: der Flügel, die Fenstertüren, die auf den blumenlosen Garten sahen, die Hexe am Kamin. Nur ich war anders zurückgekehrt. So litt man denn nicht vergebens ... Bewegt sah ich zu ihr herab. Allein ihr Wunsch, von mir befreit zu sein, funkte durch das Zimmer, und ich nahm Abschied; immer noch wie im Traum, als ob ich es nicht selber sei, welche die oft begangenen Schleifen der Straße dahinzog, und als sähe ich die vom Winde dahingewehten Umrisse der eigenen Gestalt. Erst in San Gervasio, angesichts der schon grell beleuchteten Schienen, erwachte ich, setzte schnell darüber und sprang in den Wagen. Auf dem Hinweg aber hatte der Schaffner meine Zerstreutheit wahrgenommen, erfolgreich abgewartet und auf meine Banknote überhaupt nichts herausgegeben. Ich merkte es erst jetzt, kramte fieberhaft in meiner Tasche, und als kein Zweifel mehr bestehen konnte, reichte ich dem neuen Schaffner schwer verdrossen einen neuen Schein. Er gab mir reichlich Silber zurück; aufmerksam achtend fand ich, daß alles stimmte und sah wieder zum Fenster hinaus. Aber das große Spiel der Schatten, die ins Dunkel geworfenen Kirchen drangen nicht mehr bis zu mir. Damals wie heute bildete der Domplatz die Endstation. Meine Börse war zum Bersten voll, und es dünkte mir daher praktischer, sogleich einige Einkäufe mit dem Hartgeld zu besorgen. Bei jedem Stück jedoch, das ich hinreichte, hieß es jetzt: „Non è buono“. Die Hauptpost befand sich damals den Uffizien gegenüber. Am Schalter regierte ein Mann mit den Schultern eines Sklavenhändlers. Francobolli, herrschte ich ihn an, zahlte verächtlich und ging ins Freie. Auch er jedoch, wenn auch nur um ein paar Groschen, hatte mich begaunert. War mir aber der Gedanke nie gekommen, die beiden froh dahinfahrenden Schaffner zu belangen, so brachte mich diese letzte, kleine Übervorteilung zur Raserei. Wie in einem fünften Akt und als stecke mir ein Dolch unter dem Mantel, so ging ich wieder zurück, trat an den Mann heran und machte wegen der fünf Soldi meine Szene. Wütend warf er sie auf den Tisch. „È pazza“, sagte er zu den Umstehenden; ich strich die Groschen ein und ging. Wie edel lag der Platz vor mir! Ein früher Mond hellte zarten Fluges darüber. In der Loggia dei Lanzi hielt der Held den sterbenden Freund. O des ewigen Augenblickes, da er, aufgegebenen Geistes, von seinem Arm herabhing! Mein Herz strebte plötzlich himmelwärts wie der Turm der Signoria. Wie fehlte dem Leben jede Majestät! Armselig war es eingedämmt von Widrigkeiten, Zufällen, zerrissenen Schuhbändern, verlorenen Gegenständen, Zahnschmerzen, verfehlten Zügen. „Non è buono, non son buoni“, hieß es am nächsten Morgen beim Begleichen meiner Rechnung. Alles Silbergeld falsch. Zum Glück war mein Billett nach Rom schon lange gelöst. Von hundert Lire hatten fünfunddreißig ihre Gültigkeit. Niemand ließ sich von den übrigen etwas andrehen, so erbittert ich es auch versuchte. Nun rollte der Zug, in dem ich saß, aus der dunklen Halle ins Tageslicht. Romwärts. – Also doch! – Allein der angesammelte Ärger brodelte wie auf Feuer gesetzt. Nur auf den Verlust des lumpigen Geldes versessen tobte Leidenschaft um so peinigender darein, als ihr Mißverhältnis zu einer so jämmerlichen Ursache mir nicht entging; eine Welle nach der andern schäumte an den Strand, infuriata. Ob ich noch so sehr strebte, mich in die Hand zu nehmen, zu einem vernünftigen neben einem unvernünftigen Wesen mich verdoppelnd. Ermahnungen und Klagen gingen hin und her. War es nicht verächtlich, eines so schnöden Anlasses wegen dieser maßlosen Aufregung zu frönen? – Aber würde ich denn in Rom weniger unfähig sein, falsches Geld von richtigem zu unterscheiden? Und was dann? Wie vielen ist es vergönnt, fragte ich, zu ihrem Pläsier in der Welt herumfahren? Pläsier? fragte ich. Ich hielt einen Tauchnitzband, ohne je über die erste Seite zu gelangen. Die Zeit verstrich, Stationen tauchten auf, hin und wieder hielt der Zug, oder er flog vorbei. Ich saß am Fenster, die Landschaft wurde kahler, ihr Lachen erstarb; sie war heroisch, aber nicht ohne Grausamkeit, die Bäume so gezählt; – und ich beruhigte mich nicht. Plötzlich ein großer Ruck. – Türen flogen auf. Chiusi. Mittagszeit. Ein tiefer Saal; gedeckte Tische aus dunklem Grunde hervorschimmernd. Die Reisenden strömten in Scharen dorthin. Ich sagte schon, es sei die Mode der weißen Handschuhe gewesen. Wie? Was streifte ich in dieser Kohlenatmosphäre ein schmiegsames, makelloses Paar über? Welche Stille setzte plötzlich in mir ein? welcher Einfall hißte sich hoch? Wer ging da? frage ich, ihren Tauchnitzband unter dem Arm, so kerzengrade, so rhythmisch, so lässig, so gelassen, so bewußt, so offenkundig distinguiert? Wer war sie? Man schaffte ihr Platz, sofort. Wie wäre es anders gewesen? jedoch sie dankte. „Un cestino,“ sagte sie, „queste pasticcerie“. Sie trank ein Glas Marsala, dann ein zweites, und unauffällig, als wäre es ihr erstes, ließ sie sich ein drittes geben. Es setzte sie in den Vollbesitz ihres Mutes. Sie deutete auf Schinkenbrötchen; auf Orangen. – Sorglich, die pasticcerie zu oberst – wurde alles hineingelegt. Ihr Buch fest an sich haltend, schritt sie sodann, weltabgewandt, wie sie gekommen war, über die Schwelle des ristorante. Sie eilte nicht; sie zögerte nicht. Nie würde sie wieder eine so unnachahmliche Allüre aufbringen, um einen Perron zu überschreiten, mit so liebenswürdiger Sicherheit, so effektvoller Ruhe, so überlegener Grazie sich bewegen. Nunmehr hatte sie ihren Platz am Fenster eingenommen. Von ihm aus konnte sie die Reisenden übersehen, welche erst vereinzelt, dann in Scharen einzusteigen begannen. Saßen sie alle? Nein. – Ein Weilchen dauerte es noch. „Pronti!“ erklang endlich der willkommene Ruf. Man fuhr. Am Eingang des Saales pflanzte sich jetzt der Padrone des Buffettos mit seinen in Zeit und Raum ausgeweiteten Gliedmaßen auf. Befriedigt blickte er seinen Konsumenten nach. Es hatte sich gelohnt. Wer aber konnte da nicht umhin, die weiß behandschuhte Linke leicht herablassend zum Gruße zu erheben? wer nickte ihm mit einem rätselhaften Lächeln zu? – Der Zug fuhr ja schon, und ich war von drei Gläsern Marsala (drei!) unbändig heiter gestimmt. Denn mit keinem Centesimo hatte ich den Wein, hatte ich die aranccie, die pane con jambone, die pasticcerie, noch die frutta secca berappt. Nicht war es nötig, daß ich mich länger zurechtwies; das Gelingen des gewagten Streiches, die aus dem Stegreif inszenierte Komödie hatte allen Schaden wett gemacht. Ich war gerächt. – Er würde es heute abend schon gewahr werden, der dicke Hans Dampf unter seiner Tür, daß an den Zecchini dieses Tages etwas nicht stimmte, nie aber würde er auf die über jeden Verdacht so erhabene, dem Alltag so entzogene Miß geraten, die ihr englisches Buch fest an sich hielt, während sie sich unversehens mit Marsala half, um ihrerseits Italien zu prellen. Es fehlte der Raum, sonst hätte ich getanzt, es fehlte ein viertes Glas, sonst hätte ich ein Hoch auf mich selber ausgebracht, so zufrieden war ich wieder mit mir selbst; so zufrieden verzehrte ich jetzt den ganzen Proviant. Vor allem mein _Gewissen_ aber hatte die verlorene Ruhe zurück erworben. So kam ich zum erstenmal nach Rom. Fünfzehntes Kapitel Unvorbereiteter waren sicher noch nicht viele nach der Stätte so großer Ereignisse gewandert. Daten, früh erlernt, hatte ich prompt und auf immer vergessen. Das Kolosseum stand mir als ein Sinnbild aller Grausamkeiten, und nur mit Abscheu blickte ich zur niedrigen Türe hin, aus welcher die Märtyrer den wilden Tieren entgegenzogen. Wozu eigentlich Märtyrer? Wäre es nicht besser gewesen, sich zu drücken? Auch die Engelsburg hatte mir viel zu viele Leiden beherbergt. St. Peter, mit Ausnahme von Michelangelos Jugendwerk, auch die Kolonnaden sprachen nicht zu mir, St. Clemens war die einzige Kirche, die mich rührte, von den Museen beglückten mich nur die Thermen, vor dem Forum versagte meine Phantasie. Schöner war es, in die Villa Medici zu gehen. In einer der Alleen stand Meleager, den herrlichen Marmorleib von späten Rosen umrankt, über ihn der verglühende Tag. Rom ist eine Stadt des Abends. Er hob sie auf ihren Thron. Alle Städte waren ihr dann untertan. Starke Tränke für den Beschauer waren ihre Sonnenuntergänge. Auch mir benahmen sie die Armut. Doch nur auf Augenblicke. Hier muß ich daran erinnern, was zu Anfang dieses Buches steht: eine radikale Sprunghaftigkeit könne sehr wohl mit einer sehr bestimmten Einheitlichkeit des Denkens zusammenhängen und es käme auf eine Probe an. Auch die Jugend, lieber Leser, überblickt das Leben. Nicht in der Verkürzung wie der Greis, sondern in wilder Vielfältigkeit türmt es sich vor ihr. Später, im Gewühle stehend, nehmen wir es in Kauf. Die Jugend ist hierin feiner. Sie ist noch nicht mit ihm verwachsen; wie soll sie es bewältigen? selbst mitten im Überschwang kennt sie das Zaudern und das Grauen. Erbarmt euch ihrer Unreife. Gerade sie wird ihr leicht zum Verhängnis. Keinem Lebensalter liegt der Selbstmord näher. Über die Brücke gelehnt, bedachte ich nicht mehr die Ausblicke und Bahnen meines Daseins, nur noch die besten Arten, mich ihm zu entziehen. Eine solche Flucht war freilich eine Niederlage und ein anderes Wort für: nicht bestehen. Allein es war der letzte Anker, wohl in Sicht zu halten. Rom hatte versagt. Was hatte ich geglaubt? Saß es auf seinen sieben Hügeln, um mir Richtlinien zu weisen? Ja, etwas Ähnliches hatte ich gewähnt. Denn Dürftigkeit und Chaos stritten sich um die Herrschaft in meinem Inneren. Die Intensität, mit welcher ich im Bahnhofsrestaurant in Chiusi operierte, lag natürlich meinem Wesen überhaupt zugrunde. Aber die letzten Dinge, nicht mehr noch minder, waren meine Sorge. Die Aula jedoch hatte ich mir selbst aufrichten, ohne Anleitung durch Dornen und Gestrüppe mich reißen müssen, nirgends zünftig, überall verwahrlost, nirgends zugehörig, immer hospitierend. Statt des Führers, statt des Rückhalts, statt des Abiturs – den Hokuspokus. Aber die tollste meiner „Windmühlen“ war Richard Wagner geworden. Ihn hatte ich zu meinem unmittelbaren Mentor erkoren. Seinem Dienste war ich eingeschworen, seinem Genius verpflichtet, seinem Beistand überantwortet. Seine gewichtigen zehn Bände waren das Bollwerk meines Château du cœur. Seinen langatmigen Formulierungen folgte ich um seiner kühnen Folgerungen willen gerne. Noch tobte die Wagnerische Mode, doch schon mehrten sich die Anzeichen eines Umschwunges, und mit Genugtuung nahm ich sie wahr. Bald, o bald fiel er fort, der lästige Chor, dann blieben nur die Wenigen, die ihn wirklich erkannten, dann gehörte er mir. Vor allem war es die Erhabenheit seiner Gesinnung, über die ich nicht mit mir handeln ließ; jederzeit kampfbereit, wenn es galt, die Standarte meines Glaubens flattern zu lassen. Zerwürfnisse nicht vermeidend, im Gegenteil; zu reinlichen Scheidungen immer gewillt; zu Donquichotterien immer aufgelegt. So erlebte eine Münchner Salonlöwin, die über Wagner im familiären Tone aburteilte, daß ich, über die Köpfe ihrer Gäste hinweg, lauten Protest erhob und augenblicklich ihren „jour“ verließ. Es war ein schöner Frühlingsnachmittag. Ein leichter Wind umstrich mich linde: derweil die oben Gebliebenen empört über mich zu Gerichte saßen; entfernte man sich so, und wer war ich denn? Denn von der geistig besitzlosen Klasse wird das Recht auf eigene Meinung, so wir eine haben, am längsten angezweifelt und bekämpft; daher einem jungen Fräulein Niemand die beste Gelegenheit geboten wird, zur Menschenkennerin heranzureifen. Diesbezüglich befand ich mich in vorderster Szene, wo immer ich auftrat. London oder Berlin, es war ganz gleich. Als ich zum ersten Male einen Winter in Paris verbrachte, lebte noch der Gründer des Crédit Lyonnais, ein feiner, überlegener Greis. Auf irgendeine Empfehlung hin wurde ich dort öfters eingeladen. Es war ein Salon, der eben anfing, ein wenig auszuleiern. Nach einem kleinen, köstlichen Diner stand ich am Kamin und überblickte die Gesellschaft. Die schöne und noch junge Frau mit dem glitzernden und gewellten Haar figurierte in ihrer Schlankheit zu Ehren des noch schönen Paul Deschanel, das war klar. Sein Frack, dies letzte Wort von Frack, die seidene Schmiegsamkeit seiner Socken, seine für weiße Manschetten wie erdachten Hände, sein für den Zylinder wie erträumter Kopf, dies alles, wenn ich es heute überdenke, war von einer vorkriegszeitlichen Pracht, ohne störende Beziehung – seitdem haben sich ja der menschlichen Gesellschaft dunklere Kulissen aufgetan – als Empfangsräume, als den Salon. Ich sah und staunte. – In Gespräche mischte ich mich nur selten. Es war auch nicht nötig; im übrigen war ich eine jeune fille sans dot, und weniger konnte man nicht sein. Aber man kam an diesem Abend auf Bayreuth zu sprechen, und zu meinem Schrecken riß die Frau des Hauses Wagners Charakter in den Staub. „Ingratitude notoire“ waren ihre Worte. Schon führte ich wieder Schild und Speer, schon hielt ich am Kamine aufgestellt meinen Speech, schon war ich mitten in meiner Rhetorik. Hätte er Buch führen sollen über Summen, die er zur allgemeinen Bereicherung entlieh? und wenn wir schon feilschten, warum die vielen Existenzen nicht mit einbeziehen, die er begründete, die Theater, die er dotierte oder ins Leben rief, die Riesenvermögen der Wagnersänger? Was zollten sie ihm dafür? „Wenn wir schon feilschten,“ sagte ich und blickte unbefangen im Kreise umher, „gab er dem Etat der bayrischen Staatsbahnen, gab er“, höhnte ich, „den Hoteliers nichts zu lachen? Auf welcher Seite liegt der Undank, wenn wir schon rechnen?“ fragte ich. „O wie er das Geld verbrauchte, hinauswarf und verachtete, wie er zu einer von Mark und Pfennig gravitätisch eingedämmten Welt sich so unsäglich mittelbar bezog, Gott, wie erfrischend, welche Labung!“ rief ich aus. Nun war natürlich Dank oder Undank Wagners den Anwesenden denkbar egal. Was sollte dies feierliche Gehabe? – Ich sah Blicke sich kreuzen, Mundwinkel zucken; erst entstand ein Schweigen, dann sagte jemand: „Comme il fait chaud!“ Begossenheit war da alsbald mein Anteil. Schüchternheit befiel mich wieder und schmiedete mich an den Kamin, wie Andromeda an ihren Felsen. Da aber trat Perseus in Gestalt eines ergrauten Mannes vom anderen Ende des Zimmers näher, und es erklangen die rettenden und unverhofften Worte: „Elle a raison“. Es war ein Professor Coggia aus Palermo; er hatte dem greisen Wagner bei Gelegenheit eines Aufenthaltes in dieser Stadt einige Dienste erwiesen und pries nun seine rührende Erkenntlichkeit, seine einfache und rücksichtsvolle Art. Dagegen machte er den denkbar schärfsten Trennungsstrich zwischen ihm und seiner nächsten Umgebung. Ja, er leugnete ganz und gar, daß sie Wagner homogen gewesen sei. Alle hörten jetzt mit großer Spannung zu. Wie glücklich aber war ich selbst an diesem Abend! Wie leicht tönte der Widerhall meiner Schritte auf dem Heimweg an mein Ohr. In Paris, wo er in seiner Jugend darbte, Wagner als armer Teufel, Wagner in Würzburg und Riga, schwebte mir mit ergreifender Deutlichkeit vor. Eines Nachts aber – kurz darauf – stand ich auf dem Platz des Münchner Hoftheaters. Allein. Denn eine Siegfried-Aufführung war noch im Gang, und ich war herausgelaufen, weil ich diese Musik nicht mehr ertrug. Sie bekundete mir nichts mehr. Sie quälte mich. Die Vorstellung war mittelmäßig, es ist wahr (die Ära Mottl stand noch aus), dennoch – ob ich mir auch gewisse Sonaten, die, zu oft vernommen, auf immer vielleicht erschöpft blieben, auch eine heruntergerasselte Eroica ins Gedächtnis rief, die nichts besagte, dennoch, welch ein Stoß! – Zwar erhielt mein Wagnerkult keine Einbuße deshalb. Ich gestattete ihm dies nicht. Seine ewigen Augen, der Zug nach ewiger Vollendung, der Weltenatem seines Geistes, dies war es, was ihn unsterblich machte. „_Schafft Neues_“ war im Alter sein immerwährender Ruf gewesen. Setzte da eine Stadt, seine Anwesenheit erfahrend, ihm zu Ehren eines seiner Bühnenwerke an, so ergriff er eilend die Flucht. Welch ein Meister war er des Überdrusses! – Er blieb mein Führer, mein Idol. Es rührte mich unbeschreiblich, daß er für seinen „Ring“ eine einzige Aufführung erträumt, und den naiven Wunsch gehegt hatte, die Bretter der eigens dafür zu errichtenden Bühne zusammengeschlagen, und nur die Erinnerung an das einmalige Fest verbleiben zu sehen. Ahnte er das Brünnhildengewimmel, den Sieglinden-Vertrieb, die Feuerzauberratsche, den Opernstaub, das Gerümpel manch geradezu ochsenhaft einhermarschierender Wotane, die Hojotohos, die Beliebtheit schlimmer als jeder Boykott? Wie ersprießlich dagegen war es, Wagner-Anekdoten zu sammeln! Am besten gefiel mir die einer alten Sängerin, an welcher er im Couloir des Münchner Hoftheaters mit dem Ruf: „Ich halte es vor Langerweile nicht mehr aus,“ in großer Aufregung vorbeilief. Er war mitten in einer Tristanvorstellung aus einer Loge herausgestürzt. „Wie war diese Vorstellung?“ fragte ich schnell. „Glänzend, wunderbar,“ sagte sie. Auch mit dem uralten sächsischen Gesandten von Fabrice, dessen Erinnerungen bis in das Jahr 1847 zurückgingen, stellte ich mich gut. Er lebte damals als junger Mann in Dresden, und der Kapellmeister Wagner war ihm vom Sehen bekannt. An einem Wintermorgen auf der Straße hinter ihm her gehend, sah er ihn von einem Bettler angehalten, seine Taschen durchsuchend, ohne etwas hervorzuziehen, daraufhin kurzerhand seinen Rock abwerfend, ihn dem Manne überlassend und weitereilen. Ein Brief aus Zürich an Liszt, in welchem er wie gewöhnlich über seine Geldnot klagt, über die einbrechende Kälte, und daß er keinen Wintermantel habe, ist zwei Jahre später datiert. Und vielleicht war ich die einzig Eingeweihte (denn Fabrice war tot), welche wußte, warum dies Garderobestück ihm fehlte. So blieb alles beim alten, ob ich auch in weiten Bögen Wagner-Vorstellungen mied. Nietzsches Auffahrt überwand ich unschwer. Selbst von einem so großen Geist beirrte sie mich nicht. Die Nähe war eine Beeinträchtigung auch für ihn, da hier nur die Distanz den richtigen Sehwinkel für ein maßgebendes Urteil schaffen konnte. Selbst für ihn. Daher die Bitterkeit, der schmerzliche Unterton bei Nietzsche, der seine eigene Desertion niemals verwand. Von Wagner wissen wir als einzige Äußerung zu dem Bruche nur jene Worte, die er ihm bestellen ließ: nunmehr sei er ganz allein. Und so dünkte mir denn auch der „Fall Wagner“ an allen Ecken und Enden ein „Fall Nietzsche“. In diesem Punkte hatte ich sicher recht. – Vierzig Jahre nach Wagners Tod trat der französische Komponist Paul Ducas in der Revue Musicale mit einer Charakteristik Wagners hervor, die, ein Meisterstück an Augenmaß – eben diese Spanne von vierzig Jahren (die Zeit schafft hier den geistigen Raum) zu einer ihrer wesentlichen Voraussetzungen hat. Gedulde dich, lieber Leser. Jede noch so weit ausholende Kurve führt uns zur Brücke zurück, auf der ich, mitten unter den Statuen stehend, über beste Todesarten meditiere. Denn von meiner Verstiegenheit, wie grotesk sie auch sein mochte, gab es kein Zurück. Es blieb nichts übrig, als die Probe auf das Exempel, in diesem Fall auf die Verstiegenheit, zu stellen. Sie war das hohe Meer, längst allen Ufern entzogen. Erreichbare Küsten forderte ich nicht mehr, wohl aber, daß Küsten, wie immer unerreichbar, vorhanden seien. Dies forderte ich. Ich forderte ein Zeichen. Mit dem Glauben, den ich mir zurechtgelegt hatte, zu sehr verwachsen, konnte ich ihm nicht entsagen, ohne mich selbst aufzugeben. Jener Satz, daß der Sprung vom niedrigsten zum höchsten Menschen größer sei, als der vom höchsten Tier zum niedrigsten Menschen, hatte Wasser auf meine Mühle getrieben. Denn Rangunterschiede waren mein Steckenpferd. Es konnte nicht anders sein, als daß der Auserwählte, die Persönlichkeit, nach besonderen Gesetzen antrat, ob sie auch, infolge des verhängnisvollsten aller Mißverständnisse, mit Vorliebe zum Haufen geworfen wurde. In diesem Lichte nur war alles wahr und falsch zugleich, was vom Menschen als dem Maß aller Dinge, wie als dem Ausbund aller Nichtigkeiten stand. „Ihr seid Götter“, hieß es zu den einen, und den andern wird verkündet, daß sie endlose Male wiederkehren oder sterben werden, was ja dasselbe ist. Vom Gattungsmenschen und seinem Korrelate, dem Gemeinschaftsgrab, lief die Leiter bis hinauf zur Marcia sulla morte d’un eroe. Viele lebten, deren Anteil an grausamen Geschicken täglich sich vermehrte ... ebenso sicher dünkte mir dies, als daß geheime Zaubersprüche walteten – deren Formel wir nur nicht kennen – über die weniger sterblichen, die vollendeten Typen. Freie waren’s. – Einen mächtigen Freibrief erkannte ich ihnen zu: die Not, die eine mit der Erlesenheit ihrer Natur so zerworfene Welt ihnen bereitet, genügte. Aber meine geistige Existenz hatte ihre inavouablen Seiten: ich erachtete mich als ein Wagnerisches Produkt. Wem hätte ich derartiges eingestanden? Mußte meine Verstiegenheit nicht Folge und Grund zugleich meiner Verlassenheit sein? Und wie hätte diese Verstiegenheit – ein Notbehelf auf sie – mich nicht isoliert? Über Gute und Böse ging die Sonne auf, über den Narren aber stand sie still. Bücher hatten versagt; Rom hatte versagt. Ich hatte ich weiß nicht was für Hoffnungen auf diese Stadt gesetzt, als müsse die Berührung ihres Bodens mich heilen. Aber Rom hat nichts Beschwichtigendes, es sei denn sein Licht. Rom wühlt alle Rätsel doppelt auf, und welche Argumente hielten stand vor dem teuflischen Dreh, der teuflischen Zweideutigkeit dieser Welt, den Abgründen, ins Unbeweisbare überall aufgetan, dem Netz des Leidens ausgeworfen nach der Kreatur, dem weglosen, verwirrenden Leiden des Getiers? Dies und meine geistige Einzelhaft schlug mir über dem Kopf zusammen. „Ein Zeichen!“ sagte ich laut. Ich forderte ein Zeichen unter diesem Abendhimmel Roms. Wieder hielt ich meine geistigen Arme emporgerichtet, wie in jener Nacht, da ich auf dem Weg zur Hexe, gegen die Hütte geschleudert, das gestirnte Firmament vor die Schranken rief. Liefen alle Anstrengungen und alle Opfer leer, dann war auch der Selbstmord nicht die fausse sortie, die Schopenhauer meinte, lebten aber die Kräfte, von welchen ich zehrte, warum sollten sie sich nicht bekunden? Tat ich dies? Träume waren meine einzige Gewähr gewesen. Träume lagen mittewegs. Aber Zweifel und Ernüchterung raubten mir die Kräfte, mich zu ihnen aufzumachen. Was also waren Träume? Aber kehren wir zur Brücke zurück. Man schrieb den 7. Februar. Eleonor erwartete mich in Venedig. Sie hatte endlich ihre erträumte Etage, und ich gedachte bis zum 13., dem Todestag Wagners, bei ihr zu bleiben. Wie jene Kranken, die zur Schwelle eines Tempels pilgerten, Rat oder Heilung dort erhoffend, so zog ich nach Venedig, mein Orakel zu vernehmen; entschlossen, das Fazit meiner mondsüchtigen Schritte zu ziehen. Zweck- oder Sinnlosigkeit meiner verschütteten, greisenhaft verlebten Jugend bis zu den Sternen setzend, die letzten Lose auswerfend, da ich nichts zu verlieren hatte, wenn ich verlor. So wandte ich mich endlich von dem Flusse ab, ging in der Dämmerung zwischen den Statuen, dann über den Korso zurück, zum ersten Male wieder guten Mutes, ja entrückt. Eine nette kleine Giftreserve zu unterst in meinem Koffer, sprang ich um Mitternacht in die Gondel, in welcher Eleonor und ihr glücklich heimgekehrter Gatte gekommen waren mich zu holen. Die stillen Wasserstraßen klangen vollstimmig an mein Ohr; und als der Morgen aufzog, sangen die Paläste, der Canale Grande lag in voller Bläue, seine Wellen tönte ein Hauch von Rosenglut, und wie ein Lied entstieg San Giorgio. Alles, selbst die Steine modulierten. Florenz ist Graphik, auf Silbergrau gezogen; Literatur. Viel zu streng und steil und traumlos für das unreife Gemüt. Venedig ist Musik. Süß durchbohrt es das gequälte Herz. – Da war ein Gäßchen, hoch und steinern bis auf den schmalen Himmelsstreifen, der darüber leuchtete. Glatte Mauern bis auf ein Fenster, das offen stand. Schwefelgelbe Sonnenstrahlen schmetterten auf rote Nelkenstöcke, die davor blühten. Lange mußte ich stehen und schauen, aber so, wie einer horcht. „Nicht denken“ war die Devise, nach welcher die folgenden Tage in großer Scheinruhe verrannen. Im Nu war der Vorabend jenes Todestages (der meiner Abreise) gekommen. Ich fürchtete mich. Ich dehnte ihn so lange wie möglich aus. Mein Zug fuhr in der Frühe. Wenig Stunden trennten mich von ihr. Die Nacht kam. Ein schmales feldbettähnliches Gestell nahm die Mitte meines Zimmers ein. Eleonor war stolz auf die bedruckte Leinwand, mit der es wie eine kostbare Schachtel ausgeschlagen war. Nachts gab es viel Gezänke und Gelächter in den Gassen. Heute belebten sie sich nicht. Wie eingelassenes Wasser stieg die Luft. Ich sah mich selbst im hohen Spiegel, feierlichen Auges gleichsam eingeschleiert, wie die Jungfrau, welche ihre Öllampe für den Bräutigam bereit hält. Die Nacht hielt ihre Runde. Über die Lagunen lag letzte Finsternis gefaltet; sie deckte alle Pfade, alle Wälder, alle Brücken zu. Alle Flüsse rauschten unsichtbar. Alle Tiere, die ihr Dasein noch gerettet hatten, schlummerten beruhigt. Erst mit dem Morgen drohte ihnen wiederum Gefahr. Gesichert schliefen die süßen Vögel im Gezweig. Friedliebend ist die Nacht, nur den Kranken und unglücklich Liebenden abhold. Auch mich entriß sie ungnädig schnell dem barmherzigen Schlaf. Stoßähnlich mein Erwachen, daß ich erschreckt das Licht aufdrehte. Dumpfen Pulses. Leer. – Zu den hold umspannten Wänden meines Zimmers verhielt ich mich nicht länger. Gefängnismauern kamen sie gleich, feucht von Schlangen, die ihre Köpfe nach mir zuckten. – Abgetrennt wie ein Gespenst. Nichts also. Es schlug vier Uhr von den Kirchen und den Türmen Venedigs. – Also nichts. Ob ich auch meine Knie umklammernd mich besann ... Nichts. Auf dem Flur eines gewöhnlichen Hauses hatte ich gestanden auf der obersten Stufe einer alltäglichen Stiege, fünf Treppen hoch. Das war alles. Ein paar Schritte trennten mich von einer verschlossenen Tür. Warum verschlossen? und warum wollte ich zu ihr? ich wußte es nicht einmal. So schwache Furchen hatte das nichtssagende Bild gezogen. Was hielt mich ab, den Flur zu überschreiten? Ich sank zurück. Solchen Nichtigkeiten nachzuspüren war zu verächtlich, Hunde nur nahmen, was sie kriegten, und wühlten noch unter Knochen. Das Licht verlöschend ward ich eins mit der Finsternis. Der Riese aber ... Ein Riese? Der grauenhafte Riese, der mir den Weg zur Tür versperrte und sich über mich warf. Der schreckliche und aussichtslose Ringkampf mit dem Riesen, der, kaum überwältigt, in Nu emporgeschwungen, mit Würgerhänden mich von neuem überfiel? Zu öfteren Malen, aber stets vergeblich, besiegte ich den dunklen, nie erlahmenden Riesen, und doch, ob ich ihn auch in die Tiefe stürzte, seiner immer entsetzter, immer atemloser gewärtig. Das Ringen wiederholte sich so oft, es dauerte so lang, meine Kraft war ausgegeben. Wie kam es, daß er doch noch einmal unterlag? Nur zum Scheine zwar. Lautlos ballte sich flugs wieder die fürchterliche, wesenlose Masse vor mir auf. In die Knie brechend stieß ich ihn hinab. War mir ersterbend eine Frist gewährt, die Türe dennoch zu erreichen? War diese Stiege nicht mehr gemein? Welche Schwelle überzog ich da so tief aufatmend, so erschöpft, daß ich nicht mehr wußte, ob ich lebte? O Gott, welch ein Gemach! wie ein Söller hochgelegen. Und wer war diese alte Dienerin, so schmächtig und so edel von Gestalt, der ich mich überließ, die nur insofern Anwesende, als sie mich stützte, mit meinen Füßen sich zu schaffen gab und mich zu einem niedrigen antiken Bett geleitete? Statt des Fensters eine breite Öffnung in der Mauer, die auf eine klassische und rätselhafte Landschaft niedersah: Bergeslinien, die mit so sanftem Schwunge zur Meeresebene ausliefen, als flössen die Farben aller Tageszeiten in einem einzigen Glissando. Aber die Luft um mich her, diese unnennbare Luft, sie vor allem war das Kompendium des Glücks. Ich war allein. Ich wartete auf niemand. Niemand kündete sich an. Doch mein Alleinsein war köstlichstes Umgebensein und aller Fülle teilhaft. Jegliche Gemeinschaft, mit dieser Einsamkeit verglichen, war Verlassenheit. War ich allein? Wo fände sich ein Wort für solche Vielsamkeit? Die Stiege, das unwirsche Alltagshaus entsunken und wesenlos das Ringen. Geworden nur die Süße dieser Müdigkeit, die Wonne dieser Luft. Wie ein Stern, dessen Licht den Äther durchfliegt, so hatte der Traum einer Spanne Zeit bedurft, um mein Bewußtsein zu erreichen. Ich saß hoch aufgerichtet, meine Knie umklammernd, mein Gesicht vergraben. Mut, sagte ich zu mir, Mut, Mut. Mit diesem Worte schließt die Geschichte. Es bedeutete einen Wendepunkt in meinem Leben. Ein neues begann, und es zeigten sich Horizonte, von denen meine gleichzeitig leichtsinnige und eingeschüchterte Jugend bisher nichts gewußt hatte. Schließlich mischte sich sogar die Weltgeschichte ein. Die Erzählung selber aber, die, als ein umfangreiches Buch angelegt, „Unitalienischer Roman“ heißen sollte, blieb darüber Entwurf. Der Weg, der an die Stelle zurückführen würde, wo die kaum begonnene Geschichte abbricht, ist auf ewig verschüttet. Was bleibt, ist ein großes Bedauern über die Zeitwende, das vielleicht auch andere teilen werden – und diese kleine Novelle. WERKE VON ANNETTE KOLB DAS EXEMPLAR Roman 8. Auflage Der erste Eindruck des Buches, schon nach wenigen Seiten, ist Kultur. Es gibt wenig Bücher, die so scharf wie dieses die Zeitseele enthüllen. Und im übrigen ist das Buch reich an allerlei entzückenden Dingen. Man wird in ihm sehr heimisch in London und auf den Landsitzen der Gesellschaft. Das Buch vereint wirklich zwei selten verträgliche Eigenschaften: geistige Tiefe und Charme. Es ist nicht nur ein bedeutendes, sondern auch ein liebenswürdiges Buch. Kurt Münzer ZARASTRO Westliche Tage 5. Auflage Hier stürmt und braust es, hier läßt Annette Kolb, die alles mit scharfer Beurteilung ansieht, die ungehindert ihre Meinung ausspricht, die glühend kämpft, die oft hart wird, oft ihre Freunde kränkt, weil sie zu kraft- und willenlos seien. Es ist ein Buch der Gegenwart, ein Buch, das unsere ganze Zerrissenheit darstellt, denn Annette Kolb steht mitten in dieser Gärung, diesen Konflikten. Es sind Tagesaufzeichnungen, sie wirken daher überaus lebendig. Minna Cauer FISCHERS KLEINE ILLUSTRIERTE BÜCHER THOMAS MANN, TONIO KRÖGER Illustriert von E. M. Simon HERMANN HESSE, IN DER ALTEN SONNE Illustriert von Wilhelm Schulz E. von KEYSERLING, HARMONIE Illustriert von Karl Walser BERNHARD KELLERMANN, DIE HEILIGEN Illustriert von Magnus Zeller THOMAS MANN, HERR UND HUND Illustriert von Georg W. Rößner GERHART HAUPTMANN, FASCHING Illustriert von Alfred Kubin JOHANNES V. JENSEN, DER MONSUN UND ANDERE TIERGESCHICHTEN Illustriert von Arthur Wellmann HERMAN BANG, DIE VIER TEUFEL Illustriert von George G. Kobbe Anmerkungen zur Transkription Die ursprüngliche Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden beibehalten. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SPITZBÖGEN *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. 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