The Project Gutenberg eBook of Thüringen

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Title: Thüringen

Author: Albert Scobel

Release date: March 6, 2021 [eBook #64714]

Language: German

Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)

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Land und Leute

Monographien zur Erdkunde

Land und Leute

Monographien zur Erdkunde

In Verbindung mit hervorragenden Fachgelehrten

herausgegeben von

A. Scobel

I.

Thüringen

Bielefeld und Leipzig

Verlag von Velhagen & Klasing

1898

Thüringen

Von

A. Scobel

Mit 145 Abbildungen nach photographischen Aufnahmen und Kartenskizzen

Signet

Bielefeld und Leipzig

Verlag von Velhagen & Klasing

1898

[S. iv]

Alle Rechte vorbehalten.

Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.

[S. 1]

Inhalt.

Seite
I.Einleitung3
II.Geographische Übersicht7
III.Geschichtliche Übersicht9
IV.Saalthal und Saalplatte12
V.Osterländisches Stufenland34
VI.Frankenwald42
VII.Südöstlicher Thüringerwald50
VIII.Mittlerer und nordwestlicher Thüringerwald64
IX.Rennsteig88
X.Klima und Pflanzenwelt91
XI.Bevölkerung96
XII.Nordvorland, Ilmplatte und Thüringisches Becken110
XIII.Nördliche Grenzhöhen129
XIV.Südvorland140
Statistische Übersicht155
Übersicht der geologischen Formationen155
Litteratur156

[S. 2]

Abb. 1. Schwarzburg, vom Trippstein aus gesehen.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)

[S. 3]

Abb. 2. Arnstadt um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stiche von Merian).

Thüringen.

I.

W

ie heller Glockenton am stillen Sonntagsmorgen klingt es über die duftigen Gefilde. Goldener Sonnenschein lacht vom blauen Himmel, und aus den Höhen tönt jubelnder Lerchengesang herab. Da weitet sich das Herz, und Lust und Licht und Duft locken hinaus zur Wanderung durchs thüringische Land! Die leicht eingesenkten Mulden, in deren Grunde die klaren Bäche murmeln, sind von frischen Wiesen bedeckt, aus deren Grün die blaßroten Blüten des Schaumkrauts und das bescheidene Vergißmeinnicht, die gelben Dotterblumen, Hahnenfuß und der zart gefiederte Löwenzahn leuchten. Die lilafarbenen Blüten des Salbei, die blauen des Kreuzblümchens und des Ehrenpreis sind mit dem dreifarbigen wilden Stiefmütterchen vereint zum Schmucke des Frühlings. In den lichtblätterigen Hainen prangen heller Weißdorn, die bescheidene Blüte der Erdbeere und Brombeere, das blau schimmernde Sinngrün, und wie helle Teppiche weithin ausgebreitet auf dem dunklen Waldboden die weißrötlichen Sterne des Windröschens. Die Waldränder sind geschmückt mit den verrankten Hecken der wilden Rose, von deren dunkelgrünen Blättern sich hell die zierlichen Blüten abheben.

In üppigem Grün stehen die Felder, die sorgsam abgegrenzt von der Menschen Fleiß Zeugnis geben, in langen Streifen sich hinziehend, selten von Hecken, Buschwerk oder Baumgruppen unterbrochen, als ob die Wärme des Himmelslichts mit ganzer Fülle hereinströmen möge zur Förderung des Wachstums und des Blühens. In sanften Wellen wölbt sich die Landschaft; hier sind die Fluren eingeschlossen von rundlichen Hügeln oder lang gestreckten niedrigen Bodenkämmen, dort weitet sich der Raum, und das Auge schweift in unübersehbare Fernen. Wo der Boden seine größte Fruchtbarkeit zeigt, drängen sich die menschlichen Wohnstätten enger zusammen. Die Erde vermag hier viele ihrer Kinder zu ernähren. Aus dem hellen Grün der Obstbäume, im Mai fast verdeckt vom weißen Blütenschnee, schimmern die roten Ziegeldächer der Dorfhäuser, die sich gesellig um die turmgekrönte Kirche schmiegen. Da und dort grüßt ein stilles träumendes Landstädtchen, das wie vergessen von der lärmenden Straße des Weltverkehrs fern abliegt, deshalb vielleicht um so trauter und getreu die Gewohnheiten und Überlieferungen einer längst entschwundenen Vergangenheit pflegend. Aber in der Nähe des eisernen Schienenweges, vielleicht in der Richtung eines alten Handelszuges oder einer Thalsenke, welche durch ihre Form die Verkehrsrichtung vorschrieb, häufen sich die Häusermassen immer mehr zusammen, und hoch ragende Schornsteine deuten auf die geräuschvollen Arbeitsstätten der Industrie. Weichen die Getreidefelder zurück vor Gemüsepflanzungen und weiten Blumengärten, die in gewaltigem Kreise[S. 4] die werdende Großstadt umgeben, so gelangen wir in den Mittelpunkt der großen Landschaft, wo die Bevölkerung sich in größerer Zahl verdichtet und wo ein reges Leben flutet. Hier erheben sich die mächtigen Steinbogen und Mauern eines Domes, Zeugen der mittelalterlichen Baukunst, mit zahlreichen Türmen zur Höhe weisend und weit hinausgrüßend in die Lande.

Abb. 3. Thüringen nach Mercators Darstellung vom Jahre 1628.
Städte.

Manch andere Stadt entstand unter dem Schutze trotziger Burgmauern, wo Landgrafen und Fürsten saßen und mit gepanzerter Faust Wacht hielten, stets bereit zum blutigen Streit. Blühten doch auch unter ihrem eisernen Schirm und Schutz die Künste und Wissenschaften, so daß durch die Vielheit der Residenzen und durch das Bestehen einer weit verzweigten Kleinstaaterei[S. 5] Bildung in weitere Volksmassen gelangte, wie es in solcher Weise sonst nicht möglich gewesen wäre. Wo aber der Wald am schönsten wuchs, reich belebt von Wild, und wo klare Wässer rannen, da erhoben sich die Klöster mit ihren weithalligen Kirchen. Die Klosterbrüder brachten nicht nur das Christentum, sondern vielfach überhaupt die Anfänge der Kultur, denn sie rodeten den Wald und legten Pflanzungen an, sie bauten Wein, errichteten an den wasserreichen Bächen Mühlen, in denen der Felder Frucht gemahlen wurde, sie legten Teiche an zur Förderung des Fischreichtums, sie entwässerten Sümpfe und machten unbrauchbares Land urbar. Seitdem freilich die Verheerungen kriegerischer Jahre über diese Stätten hinwegbrausten, sind schon seit Jahrhunderten die Klosterbewohner und die Pilger zerstreut in alle Weiten, die Baulichkeiten sind meist verfallen, in ihrem epheuumrankten Resten noch Zeugnis gebend von alter Zeit, als deren letzte Erinnerungen die bildreichen Grabsteine eine stumme Sprache reden.

Abb. 4. Geologische Skizze von Thüringen.
Klöster und Burgen.

Weit im Westen erhebt sich eine Bergmasse als ein kleines Tafelland, wegen seiner alten Eichen schon frühe das Eichsfeld geheißen. In riesigem Kranze erstrecken sich gen Mitternacht bis nach der Morgenseite hinüber eine Reihe von Bergwällen, einsam und still, bewachsen von herrlichen Buchen, aus deren grünen Wölbungen hier und da eine Burgruine emporlugt. Mitten in diesem Kranze erhebt sich der Kyffhäuser, um dessen geborstenes Gemäuer Sagen und Lieder klangen in Sehnsucht nach der deutschen Einheit. Aus dem Herzen des Landes rauschen die Wässer der Unstrut, die den Bergkranz durchbricht und dann durch ein Thal fließt, über dessen Fluren und Burgen die Geschichte mit ehernem Fuß hinwegschritt. Jetzt grüßen aber freundliche Städtchen und helle Schlösser herunter ins Thal, und an den sonnigen Hängen, wo sich die Unstrut mit[S. 6] der Saale eint, grünen Rebenhügel in üppiger Fülle.

Saale und Rennsteig.

In großen Schlangenwindungen zieht die Saale ihren Weg durch ein breites schönheitgesegnetes Thal. Schiller widmete ihr die Verse:

»Kurz ist mein Lauf und begrüßt der Fürsten, der Völker so viele;
Aber die Fürsten sind gut, aber die Völker sind frei.«
Abb. 5. Merseburger Schloß, von der Saale gesehen.
(Nach einer Photographie von F. Herrfurth in Merseburg.)

Ihre Wellen ziehen vorüber an manch alter Stadt, an Weinbergen und alten Trutzburgen und tragen zu Flößen verbunden zahllose Stämme des Gebirgswaldes. In ihrem Oberlaufe rücken die Thalränder enger zusammen, bis zuletzt selbst für eine menschliche Ansiedelung kein Raum übrigbleibt und der Fels in glatten Wänden bis ins Wasser heruntersteigt. Zahlreiche Bäche rauschen von den Höhen herab aus dem Schatten dunkler Tannen und Fichten, die den mächtigen Gebirgsbuckel mit grünem Mantel umhüllen. In den Seitenthälern weiten sich da und dort kleine Wiesenmulden und tragen betriebsame Ortschaften, die mit dem Fels ihrer Nachbarschaft bekleidet sind: vom Dachfirst bis zur Sohle sind die Häuser mit Schieferplatten bedeckt und bringen in das Tannendunkel eine noch ernstere Färbung.

Droben aber auf dem Gebirge läuft ein geheimnisvoller verschwiegener Bergpfad durch die Waldeinsamkeit, der alte Rennsteig auf der Scheidelinie, von der die Gewässer nach beiden Seiten abrinnen. Durch vieler Herren Länder, von denen uns alte Wappensteine Kunde geben, zieht der Pfad, teils im dichten rauschenden Hochwald, zwischen dessen silbergrauen Stämmen zierliche hellgrüne Farne emporwachsen, teils Ausblicke gewährend nach fernen duftumflossenen Höhenzügen und in grüne Thäler, in denen friedliche Ortschaften eingebettet sind. Nicht ein Laut dringt herauf von den belebten Arbeitsstätten, wo die Säge kreischt und die Drehbank klappert oder wo Schmiedefeuer glühen und die Hämmer den Takt schlagen. Außer dem Schrei des Wildvogels oder dem Gesang der Waldvögel schallt nur der Axtschlag durch den Wald, der manchen jahrhundertealten Baum trifft, um ihn dem heimatlichen Boden zu entreißen; oder es tönt ein metallischer Klang herauf, der von Männern herrührt, die das Schiefergestein absprengen und es zu Tafeln oder Griffeln verarbeiten.

Wo aber der Bergpfad dem Kamme folgt, der immer schmaler wird und von dessen Flanken sich tiefe Thäler einschluchten, deren obere Mulden fast bis zum Rennsteig[S. 7] selbst reichen, da nimmt der Wald eine freundlichere Färbung an, Tannen und Fichten bleiben zurück, und über dem Dickicht der Beerensträucher streben leuchtende Buchen empor. Ihre Baumkronen wölben sich wie gotische Dome, durch deren Maßwerk die Sonne goldene Lichter sendet, und aus dem grünen Laube singt und jubelt es in vielstimmigem Gesange. Malerischer und bewegter sind hier die Formen des Gebirges, und es erschließt sich hier der anmutigste und gepriesenste Teil des Thüringerwalds: in den Waldthälern trauliche Ortschaften, auf den Höhen so manche zerborstene Burg. Am herrlichsten von allen aber grüßt die Wartburg herab, von deren wunderbarer Vergangenheit Sagen und Lieder erzählen. In dichterischem Glanze erscheinen Ritter und Edelfrauen, die Säle hallen von Waffenklang und Sängerstreit wieder, es erklingen Eisenspeere und Minnelieder, und wenn der Abendsonne Gold hinter den Höhen des Ringgaus verglüht, des Mondes Silberstrahlen über die rauschenden Buchenwipfel fluten, dann singt und klingt es dem kundigen Wanderer wie Erinnerung aus blühendem Mittelalter.

Wo die Gewässer des Gebirges südwärts fließen, breitet sich in hellem Duft das Werrathal aus, geziert von mancher lebensfrohen Stadt. Auch hier grüßen von den Vorbergen altersgraue Rittersitze, und am glänzenden Flusse ragen verlassene Klosterhallen empor, bekränzt vom dunklen Epheu oder vom wilden Wein, aber vom verfallenen Turme läutet frommen Wallfahrern keine Glocke mehr. Dort dehnen sich die geschichtsreichen und doch heute so stillen Gelände des alten Grabfeldgaues. Im Südosten aber ragt die schöne kleine Hauptstadt aus üppigen Gärten mit ihrem Kranze von Bergen und Burgen, die hinüberschauen in die blühenden Gefilde des Mainthals.

Abb. 6. Dom zu Merseburg.
(Nach einer Photographie von F. Herrfurth in Merseburg.)

II.

Das westliche Gebirge. Ausdehnung Thüringens.

Im Herzen Deutschlands erhebt sich das Gebirge des Thüringerwaldes, ausgezeichnet durch die Schönheit seiner Umrißlinien, bedeckt von üppigen Wäldern, gegliedert durch anmutige Thäler, in denen eine arbeitsame und sangesfrohe Bevölkerung wohnt. Schon auf alten Karten war unter dem Namen Thüringerwald das ganze Gebirge zwischen Werra und Fichtelgebirge verstanden worden, wenn auch über seine einzelnen Gebiete noch etwas verworrene Anschauungen herrschten, wie unsere Abb. 3 zeigt, die besonders im Flußnetz die kühnsten Linien aufweist. Jedenfalls wurde schon in alter Zeit der Frankenwald miteingeschlossen, eine Auffassung, die heute noch gilt und die einzig volkstümliche ist. Weit aber über den Thüringerwald hinaus dehnen sich die Grenzen der Landschaft Thüringen, vom Werradurchbruch im Nordwesten bis[S. 8] über die Saale hinaus im Südosten — wo Altenburg politisch noch zu Thüringen zählt — von dem Ufergelände der Werra im Süden bis an den Erhebungskranz im Norden, wo von den Höhen des Kyffhäusers das mächtige Kaiserdenkmal hinunterschaut in die fruchtbaren Gefilde der Goldenen Aue.

Abb. 7. Kreuzgang im Merseburger Dom.
(Nach einer Photographie von F. Herrfurth in Merseburg.)
Alte Schilderung Thüringens.

Im ältesten Mittelalter wurde das Gebirge wohl als Loiba oder Leube bezeichnet, d. h. waldige Höhe; noch heute nennt man in Thüringen das Obergestock im Hause oder den Galeriegang in der Kirche Leibe oder Leim. Nur in einigen Teilen des Gebirges hat sich dieser älteste Name noch bis heute erhalten, so in der Struther Leube, in der Zeller und Suhler Leube, letztere das Waldgebiet zwischen Suhl und dem Gebirgskamm umfassend. Jetzt redet das Volk schlechthin vom »Wald«, im Gegensatz zum flachen Lande. In den 1651 erschienenen deutschen Erläuterungen (die übrigens mit dem Text des in Amsterdam 1635 von Blaeuw herausgegebenen Atlas wörtlich übereinstimmen) zu der erwähnten Karte (Abb. 3) ist Thüringen in wenigen Sätzen gekennzeichnet: »Ist ein vberauß Fruchtbar Land vnd sonderlich an der Mänge vnd fürtrefflichkeit deß Getreyds allen andern in gantz Teutschland vberlegen, derowegen es denn Georgius Agricola nicht vnbillich deß Teutschlands Sumen oder Schmaltz zu nennen pflegt ... Also hat es auch an Obs vnd andern dergleichen Früchten fast durchauß keinen Mangel, jedoch gar nichts von Wein, als was man auß dem Land zu Francken, von dem Rheinstrom vnd von andern Orten dahin bringt: macht aber an statt desselbigen ein sehr gut vnd wolgeschmackt Bier, mit welchem der Durst nach lust und notturfft auch gelöschet werden kan. Der reichen Bergwercke von Gold vnd Silber vnd grossen vorraths von Saltz zu geschweigen ... mit Wäldern ist es an vielen Orten fast gantz vberdeckt, welche allesampt allerley Wildbret in grosser menge von sich geben. Endlich hat es in diesem Land auch viel Kirchen vnd Clöster ... Die Inwohner aber deß Thüringerlands sind grimmige vnd harte Leute, so den Feind auch mit ihrem blossen Ansehen erschrecken, einer grossen länge, vnd stärcke, schwartzbraunen Farb vnd guten gestalt.«

Geologische Verhältnisse.

Wollen wir die Formen Thüringens ganz verstehen, so müssen wir sein erdgeschichtliches Werden verfolgen und die ganze Landschaft nur als ein Glied in der Gruppe der mitteldeutschen Gebirge betrachten. Der Untergrund besteht zunächst aus den Resten uralter Gebirge, deren Bildung zur Steinkohlenperiode vollendet war. Durch einen gewaltigen Druck aus Südost war ein großes von Südwest nach Nordost streichendes Faltengebirge entstanden, dessen Achsen noch im Frankenwalde und Erzgebirge sichtbar sind; man nennt dieses nordöstliche Streichen auch erzgebirgisches Streichen. Die Sättel dieses alten Gebirges wurden in der Zeit des Rotliegenden*) besonders im Nordwesten teils abgetragen und eingeebnet, die Thäler des untergetauchten Gebirges mit den Geröllen des Rotliegenden zugeschüttet. Zu gleicher Zeit erfolgten zahlreiche[S. 9] Eruptionen, die namentlich Porphyre und Melaphyre empordringen ließen. Das Gebirge sank unter den Meeresspiegel und wurde durch Brandung stark zerstört (abradiert). Diese Umwälzungen dauerten von der Triasperiode bis zur Jura- und Kreidezeit, bis endlich in der Tertiärzeit das Gebirge in erneuter Form wieder erstand. Vielfach kamen jetzt auch von Südwest wirkende Druckkräfte in Thätigkeit, die ein von Südost nach Nordwest gerichtetes Streichen, nach dem Böhmer Wald hercynisches Streichen genannt, veranlaßten. Hierdurch entstanden große Brüche und das Gebiet wurde in eine Anzahl einzelner Schollen zerteilt, die sich unabhängig voneinander bewegten, so daß sich entweder das Gebirge hob oder das Vorland senkte. Auf der fränkischen Seite trennen die Brüche das paläozoische Gebirge von der Trias, auf der Nordostseite verlaufen die Brüche in der Triaszone. In bedeutenden Schichtenbiegungen fallen Zechstein, Buntsandstein und Muschelkalk vom Gebirge ab und gehen in die flache Lagerung des thüringischen Vorlandes über. In der neueren Zeit sind dann Zechstein und Trias von den Höhen des Gebirges abgeschwemmt und dieses um etwa 1200 m erniedrigt worden. Trotzdem überragen dort noch zwei große Landschollen horstartig das gesunkene Land, die beiden Horste des Thüringerwaldes und des Harzes, die im Südwesten und Nordosten das Thüringische Becken begrenzen (Abb. 4). Im Südosten des Thüringerwaldes und des Frankenwaldes wurde die Brandungsfläche entblößt, so daß hier die alten Schiefer sichtbar sind. Im nordwestlichen Thüringerwald sind vielfach die weicheren Gesteine der Verwitterung anheimgefallen, der die Porphyre und Granite aber erfolgreich widerstanden. Der Wechsel von härteren und weicheren Gesteinen, aufgeschlossen durch die einschneidenden Thäler, bedingt hier die Mannigfaltigkeit der Landschaftsformen.

*) Am Schlusse des Buches ist eine Übersicht der wichtigsten geologischen Abteilungen gegeben.

Abb. 8. Schloßhof zu Merseburg.
(Nach einer Photographie von F. Herrfurth in Merseburg.)

III.

Thüringen bis zum X. Jahrhundert.

Noch wechselreicher als seine Oberfläche ist die Geschichte Thüringens. Die Thüringer gelten als Nachkommen der alten Hermunduren und treten zuerst im V. Jahrhundert in die Geschichte. An der Unstrut brach das Königreich Thüringen zusammen, die Thüringer erlagen den fränkischen Eroberern, und die alte Königsburg Scidingi (Burgscheidungen) fiel 531 in die Hände[S. 10] der Franken. Die nordwärts der unteren Unstrut und Helme gelegenen Gebiete wurden gegen Zahlung eines Jahreszinses den Sachsen überlassen, das übrige Thüringen wurde den Franken botmäßig. Im VII. Jahrhundert erstarkte Thüringen durch die Kämpfe seiner Bewohner gegen die westwärts vorrückenden Slaven. Irische Mönche bereiteten das Volk zur Annahme des Christentums vor, und 719 kam Winfried (Bonifatius) nach Thüringen, um für die Ausbreitung der christlichen Lehre zu arbeiten. Unter Karl dem Großen wurde Thüringen immer enger mit dem Frankenreiche verknüpft, um mit ihm gemeinsam das Vordringen der Slaven zu bekämpfen. Im VIII. Jahrhundert galt die Saale als ethnographische und politische Grenze, und das Grenzgebiet an Saale, Unstrut und Gera wurde zur Thüringischen Mark; bis hierher durften die deutschen Kaufleute mit den Slaven Handel treiben. Von hier aus suchten im IX. Jahrhundert die Markgrafen eine Vorherrschaft für ganz Thüringen zu begründen. Durch den lang ausgedehnten Befestigungskranz der Burgen an den Uferhöhen der Saale wurden aber die Slaven in Schach gehalten.

Abb. 9. Die Lauchstädter Bühne mit den aus dem Jahre 1803 erhaltenen Dekorationen.
(Nach einer Photographie im Besitz des Herrn Franz Peschel in Straßburg.)

Im X. Jahrhundert übernahm das sächsische Geschlecht die Führung in den östlichen Grenzmarken. Die 965 erfolgte Dreiteilung der Thüringischen Mark in eine Merseburger, Zeitzer und Meißnische Mark wurde zur Grundlage der Bistumsgründung für die drei genannten Gebiete. Bis zum Anfange des X. Jahrhunderts wohnte das Volk in offenen Dörfern, und erst dann begann man, die Wohnplätze gegen feindliche Einfälle mit Mauern, Gräben und Bollwerken zu schützen. Aus diesen Plätzen erblühten dann die Städte, die zu Haupthaltestellen für die Richtungen des damaligen Handelsverkehrs wurden. Neben der Gemeindeverfassung kam für die Ausbildung des Städtewesens erst in zweiter Linie das Gedrängtsein der Wohnungen hinter schirmenden Mauern und der dadurch gewährleisteten Blüte von Handel und Gewerbe. Um die Ausdehnung des Binnenverkehrs war auch die Geistlichkeit in den größeren Bischofssitzen, Klöstern und Stiftern bemüht, und sie richtete bei Gelegenheit großer[S. 11] Feste ihrer Schutzheiligen einen Markt ein, zu dem Zoll- und Münzrechte leicht zu erlangen waren. So ward Hochmesse und Markt gleichbedeutend als »Messe«, eine Vereinigung von geistlichen und weltlichen Geschäften, die in katholischen Gegenden heute noch häufig besteht.

Thüringen vom XI. bis XV. Jahrhundert.

Im XI. Jahrhundert kam in Thüringen das Geschlecht des Grafen Ludwig des Bärtigen zu Macht und Ansehen, besonders unter seinem Sohne Ludwig dem Springer, dem Erbauer der Wartburg und der Neuenburg bei Freyburg an der Unstrut. Im Jahre 1130 wurde Thüringen zur Landgrafschaft und gelangte dadurch zur Einheit und gedeihlichen Entwickelung. Unter Hermann I. soll 1207 der durch Dichtung und Sage verherrlichte Sängerkrieg auf der Wartburg stattgefunden haben. Nach dem Thüringischen Erbfolgekrieg (1247–1263) kam Thüringen an Heinrich den Erlauchten, den Wettiner, dessen Sohn Albrecht der Unartige mit seinem Vater und Brüdern, später mit seinen eigenen Söhnen in unaufhörlicher Fehde lag. Friedrich der Streitbare erwarb 1423 das Herzogtum Sachsen und die Kurwürde, wodurch der Name Sachsen auch auf die thüringischen Besitzungen der Wettiner übertragen wurde. Von den vielen Hunderten von Grafen und Herren, die in den übrigen Teilen Thüringens die Territorialgewalt ausübten, waren die wichtigsten die Grafen von Henneberg, die Grafen von Schwarzburg, die Vögte von Weida, Gera und Plauen, die Ahnherren der Fürsten von Reuß.

Abb. 10. Weißenfels um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stiche von Merian).
Thüringen vom XV. bis XIX. Jahrhundert.

Nach der Erbteilung von 1445 erhielt Wilhelm, Herzog von Sachsen, die Landgrafschaft Thüringen, die fränkischen Besitzungen sowie einige Ämter des Osterlandes. Nach Beendigung eines Bruderkrieges zwischen[S. 12] Wilhelm und Friedrich II., dem Sanftmütigen, raubte 1455 Kunz von Kaufungen aus dem Altenburger Schlosse die beiden Söhne Friedrichs II., Ernst und Albrecht, die späteren Stifter der beiden sächsischen Hauptlinien. 1485 erfolgte die Leipziger Teilung, wodurch Ernst Thüringen und die Kurwürde erhielt, Albrecht erhielt Meißen; in das Oster- und Pleißenland teilten sich beide. Seitdem blieb das sächsische Haus in die zwei Linien, die Ernestinische und Albertinische, getrennt. In die Regierungszeit Friedrich des Weisen (1486–1525) fällt das Wirken Luthers. Auf Friedrich folgte sein Bruder Johann der Beständige, als in die Gefilde Thüringens der Bauernkrieg Blut und Verderben brachte. Johann starb schon 1532, und nach seinem Tode führte Johann Friedrich mit seinem minderjährigen Bruder Johann Ernst anfangs gemeinsam die Regierung, entschädigte ihn aber im Torgauer Vertrage 1541 mit Geld und der Pflege Coburg. Nach dem für die Evangelischen unheilvollen Schmalkaldischen Kriege kam 1547 die Wittenberger Kapitulation zustande, worin Johann Friedrich seiner Herrscherwürde entsagte, 1552 aber wieder eingesetzt wurde und 1554 in der Naumburger Kapitulation einen großen Teil der früher an die Albertiner verlorenen Gebiete wieder zurückerhielt. Unter seinen drei Söhnen gingen die Wogen wieder hoch; Johann Friedrich der Mittlere kam mit dem wegen seiner Händel berüchtigten fränkischen Ritter Grumbach in unliebsame Freundschaft, weswegen er in die Reichsacht gethan wurde. Nach 28jähriger Gefangenschaft starb er. Immer wieder gab es Verzichtleistungen, Verpfändungen und Teilungen. Eine der wichtigsten Teilungen war die von 1572, in der die Grundgebiete der heutigen Herzogtümer Gotha und Weimar festgelegt wurden; auch bei den reußischen und schwarzburgischen Gebieten wurde damals der Grund zu den heutigen Besitzverhältnissen gelegt. Im Jahre 1638 wurde eine weimarische, eine eisenachische (die aber 1645 an Weimar kam) und eine gothaische Linie gegründet. Die Greuel des dreißigjährigen Krieges sind über Thüringen schwer dahingebraust und haben in vielen Orten neun Zehntel der Bevölkerung dahingerafft.

Als Glieder des 1805 gestifteten Rheinbundes nahmen die Herzogtümer die in ihren Landen gelegenen reichsritterschaftlichen Gebiete in Besitz. Als 1825 mit dem Tode Friedrichs III. die Linie Gotha-Altenburg ausstarb, gab es wieder Erbstreitigkeiten, die aber durch den Erbteilungsvertrag von 1826 geschlichtet wurden. Der Herzog von Hildburghausen überließ sein ganzes Land seinen Mitbewerbern, empfing aber dafür das Herzogtum Altenburg. Gotha wurde mit Coburg, Hildburghausen und Saalfeld mit Meiningen vereinigt, von kleineren Gebietstauschen abgesehen. Damit entstanden die drei noch heute blühenden Linien des sächsisch-Ernestinischen Hauses: Meiningen-Hildburghausen, Coburg-Gotha und Altenburg. Auch die schwarzburgischen Linien Rudolstadt und Sondershausen erlangten 1825 völlige Selbständigkeit.

Schon während der Landgrafenzeit hatte die Kirche in den thüringischen Landen ihre Besitzungen weiter ausgedehnt und befestigt. Im südlichen Teile griffen die Besitzungen der Abtei Hersfeld bis gegen Salzungen auf thüringisches Gebiet über. Das Erzbistum Mainz hatte Erfurt und das Eichsfeld im Besitz, an der Saale blühten die Bistümer Merseburg und Naumburg-Zeitz. Vom XII. bis XV. Jahrhundert waren eine große Zahl Stifter, Klöster und Ordenshäuser entstanden. Im Jahre 1803 kam Erfurt sowie das Eichsfeld an Preußen, ebenso die nördlichen thüringischen Besitzungen des Kurhauses Sachsen.

IV.

Merseburg.

Wir beginnen unsere Wanderung am Nordostpfeiler Thüringens, bei der alten auf hohem Uferrande gelegenen preußischen Kreisstadt Merseburg (18800 Einw.). Die Stadt lag dicht am slavischen Wohngebiete, erhob sich im X. Jahrhundert unter König Heinrichs, des »Städtegründers« Regierung hinter neuen Mauern und umschloß den Dom, der später Sitz des Bistums wurde, sowie die Pfalz den Hof zu vereinigen pflegte. Als Stifter Merseburgs kann Heinrich der Finkler angesehen werden, der als Markengründer so segensreich im Osten unseres Vaterlandes waltete. Otto I. gründete infolge eines Gelübdes das Domstift, das für Kultur und Verbreitung des Christentums im deutschen Osten von hoher Bedeutung war. Der alte Dom und das Schloß sind die Charaktergebäude Merseburgs,[S. 14] die flußwärts das Landschaftsbild beherrschen (Abb. 5). Die Turmbauten des Domes stammen noch aus dem XI. Jahrhundert, die anderen Bauteile meist aus dem XIII. Jahrhundert, das spätgotische Schiff aus dem Ende des XV. Jahrhunderts. Der Dom (Abb. 6) strebt nicht sehr in die Höhe, macht aber trotz seiner 1886 vollendeten Erneuerung einen altertümlichen Eindruck und besitzt einen außerordentlich stimmungsvollen Kreuzgang (Abb. 7). Im Chor befindet sich eine Metallplatte als Denkmal für den 1080 im Kampfe gegen Heinrich IV. gefallenen Gegenkönig Rudolf von Schwaben. Das Schloß umfaßt mit seinen drei Flügeln einen weiten viereckigen Hof von sehr malerischer Wirkung (Abb. 8). Der turmreiche Bau wurde 1483 bis 1561 errichtet, Ende des XVII. Jahrhunderts zum Teil erneuert und ist jetzt Regierungsgebäude. Im Schloßhofe stehen ein figurengeschmückter dreiseitiger Ziehbrunnen und der alte schwarze Käfig, worin der historische Merseburger Rabe gefüttert wird. Die Sage erzählt von einem dem Bischof Thilo von Throta gestohlenen Ringe, den ein Rabe bei geöffnetem Fenster aus des Bischofs Gemach getragen; von dem Verdacht, der auf einen der bischöflichen Diener gelenkt wurde, der unter der Folter ein Geständnis machte und darauf hingerichtet wurde; und wie dessen Unschuld an den Tag kam, als ein Schieferdecker bei Ausbesserung des Turmes den Ring im Rabenneste auffand. Die Stadt entwickelt sich neuerdings zu einem lebhaften Industrieplatze.

Abb. 11. Naumburg.
(Nach einer Originalaufnahme von Carl Becker in Naumburg.)

In dem Dreieck Halle-Weißenfels-Leipzig reicht die Sächsisch-Thüringische oder Leipziger Bucht des Norddeutschen Tieflandes bis nach Thüringen hinein, im äußersten Dreieckwinkel das Ausgangsthal der Saale einschließend und deshalb die beste Eingangspforte nach Thüringen bildend. Mit Ausnahme des Südwestens und Westens entwässert ganz Thüringen zur Saale, deren Nebenflüsse zur Linken ins Land hineingreifen wie ein aufgespannter Fächer. Die Saale ist also der bedeutendste Fluß Thüringens und bildet in der Thalstrecke Merseburg-Naumburg einen natürlichen Verbindungsweg zwischen Ost und West. Von der Quelle bis zur Mündung in die Elbe hat sie eine Flußlänge von 450 km und ein Stromgebiet von 23776 Quadratkilometern.

Abb. 12. Schulpforta.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Lauchstädt. Weißenfels. Zeitz.

In sanfter Abdachung gegen die Saale endet hier die Querfurter Platte (Thüringische[S. 16] Grenzplatte), deren Muschelkalk meist von Tertiärschichten oder Diluvialgebilden bedeckt ist und außer dem westlichen der Unstrut zugewandten Steilrande nur bei Mücheln und Branderoda zu Tage tritt. Die flach gebuchteten Thäler der Laucha und Geisel sind hier am dichtesten mit Siedelungen besetzt, und in beide Thäler führen jetzt Eisenbahnen. Dort sind Lauchstädt (2100 Einw.) und Schafstädt (2800 Einw.), hier Mücheln (1600 Einw.) die einzigen Städte. Lauchstädt hat eine seit 1710 gefaßte erdig-salinische Eisenquelle (11° C.) und war früher Sommerresidenz der Herzöge von Sachsen-Merseburg. Während seiner höchsten Blütezeit war es oft Sommeraufenthalt von Karl August von Weimar und Goethe, die auch den Vorstellungen der weimarischen Schauspielergesellschaft auf der kleinen Bühne (Abb. 9) beiwohnten. Hier ging zuerst in Anwesenheit Schillers am 19. März 1803 die »Braut von Messina« über die Bretter, deren Proben Goethe geleitet hatte. Südlich des Geiselthales erhebt sich der 159 m hohe Janushügel bei dem Dorfe Roßbach, wo 1757 Friedrich der Große die Franzosen schlug.

Östlich von Merseburg winden sich in grünen weit ausgedehnten Auen die Arme der Luppe und Elster, die unterhalb Merseburgs ihre Wasser der Saale zuführen. Das rechte Saalufer bleibt nun flach bis zum kleinen aufstrebenden Solbade Dürrenberg (250 Einw.), dessen Salzwerk der Zechsteinformation angehört. Auf der östlich sich ausbreitenden Ebene liegen das Dorf Schladebach, bekannt wegen seines 1748 m tiefen Bohrloches, und die Stadt Lützen (3700 Einw.), wo 1632 Gustav Adolf von Schweden fiel und wo 1813 bis zum Dorfe Großgörschen zwischen den Verbündeten und den Franzosen gekämpft wurde. Oberhalb Dürrenberg treten leichte Böschungen zu engerer Umrandung der Saale zusammen. Auf dem Hochrande des linken Ufers liegt der Eisenbahnknotenpunkt Korbetha. Malerisch am rechten Saalufer erbaut ist Weißenfels (26000 Einw.), das seinen Namen vom »weißen Fels« hat, dem hell schimmernden Sandstein, der hier die Uferränder bildet. Die preußische Stadt wird vom Schlosse Neu-Augustusburg (Abb. 10) überragt, das von 1680–1746 die Residenz der Herzöge von Sachsen-Weißenfels war. In der lebhaften Industrie nimmt die Herstellung von Schuhwaren einen bedeutenden Rang ein. Den ersten Anstoß zum Aufschwung der Stadt gaben aber die reichen Braunkohlenlager der weiteren Umgebung. Von hier aus dehnt sich ein weites Gebiet über Teuchern (5400 Einw.) bis Stößen (1250 Einw.), Osterfeld (1700 Einw.), Hohenmölsen (3000 Einw.) und Zeitz aus, das außerordentlich reich an Braunkohlengruben ist und wo sich infolgedessen eine Großindustrie in der Herstellung von Solaröl, Teer und Paraffin entwickelt hat, deren Bedeutung sich an der Anlage mehrerer Eisenbahnlinien erkennen läßt. Die jährliche Kohlenförderung im Regierungsbezirk Merseburg beschäftigt etwa 13000 Arbeiter und bringt acht Mill. Tonnen im Werte von 18 Mill. Mark. Die seit 1815 preußische Stadt Zeitz (24800 Einw.) erhebt sich auf den Buntsandsteinhöhen am Südufer der weißen Elster und ist eine außerordentlich betriebsame Fabrikstadt, in deren Umgebung viele Braunkohlenwerke im Betrieb sind. Das ehemalige Bistum bestand nur von 968–1028, in welchem Jahre es nach Naumburg verlegt und dann Naumburg-Zeitz genannt wurde. Das Schloß Moritzburg (an Stelle des bischöflichen im XVII. Jahrhundert erbaut) ist jetzt Armen- und Besserungsanstalt.

Abb. 13. Bad Kösen.
(Nach einer Photographie von Junghanns und Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Naumburg. Weinbau.

Der schönste Teil des Saalethales ist sein mittlerer Teil von Naumburg bis Saalfeld, wo der Fluß im Muschelkalk und Buntsandstein sich ein geräumiges Bett gegraben hat. Schon oberhalb von Weißenfels mehren sich die alten Burgen, die von den Uferhöhen ins Thal hinunterleuchten und uns die Wichtigkeit dieses Flußstückes für den Verkehr erkennen lassen. Im allgemeinen sind die Orte am linken Ufer als Verteidigungsposten gegen die vordrängenden Slaven zu betrachten, während die Hauptpunkte am rechten Ufer zum Schutze der Straße dienten und zur Förderung der Slavenunterwerfung angelegt wurden. Am linken Ufer ist hoch oben Schloß Goseck erbaut, schon 899 eine Schutzburg gegen die Sorben, dann Sitz der sächsischen Pfalzgrafen. Im Jahre 1041 wurde Goseck in eine Benediktinerabtei umgewandelt und dort in Basilikenform eine kleine Kirche erbaut. Heute ist Goseck ein epheuumrankter Gutssitz, von dessen üppigen Gartenanlagen aus[S. 20] man herrliche Blicke ins Saalthal hat. Gegenüber am rechten Ufer erhebt sich der alte Turm der Schönburg (Sconinburg = schöne Burg), 1062 vom Landgrafen Ludwig dem Springer erbaut und später zum Hochstifte Naumburg gehörig. Als die Burgvögte sich aber dem Räuberhandwerk ergaben, wurde die Burg 1446 zerstört. Unweit mündet das Thal der Wethau, das bis zum Buntsandstein einschneidet und im unteren Teile kräftige Formen zeigt. Der Thalgrund ist mit Wiesen erfüllt, die Hänge mit einzelnen Baumgruppen geschmückt; im oberen Teile verflacht es sich und führt langsam zur Höhe von Eisenberg, einer welligen Fläche mit vorwiegendem Landbau; bewaldete Thalränder oder flache bewaldete Kuppen verleihen der Landschaft abwechslungsvollen Reiz.

Abb. 14. Die Rudelsburg und Saaleck.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

An der Unstrutmündung erreicht die grüne Saalaue eine Breite von 1–2 km. Hier liegt auf der Höhe der Muschelkalkplatte am rechten Saalufer Naumburg (21200 Einw.), einst der Sitz des von Zeitz hierher verlegten Bistums und ein Mittelpunkt für die Ausbreitung des Christentums nach dem Osten. 1534 kam es an Sachsen und 1815 nach den Beschlüssen des Wiener Kongresses an Preußen. An die alte Zeit erinnert der schöne im XIII. Jahrhundert im romanisch-gotischen Übergangsstil erbaute Dom. An der Stelle des heutigen Oberlandsgerichts stand die vom Markgraf Eckard von Meißen zu Ausgang des X. Jahrhunderts gegründete Neue Burg (= Naumburg). Die Stadt (Abb. 11) hatte früher bedeutende Messen, erfreut sich jetzt lebhafter Industrie und treibt mit großem Erfolg Obst-, Gemüse- und Weinbau.

Abb. 15. Dornburg um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stich von Merian).
Abb. 16. Dornburg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

Von hier saalaufwärts bis in die Gegend von Jena und an der unteren Unstrut hat die Anlage von Weinbergen, die mit ihren kleinen Wachthäuschen hoch an den Muschelkalkwänden hinaufreichen, der Gegend ein besonderes Gepräge gegeben; der Ertrag wird meist zu Schaumweinen verarbeitet. Es sind dies solche Gebiete, die eine wirkliche mittlere Jahrestemperatur von 8–9°C. haben, deren Sommerwärme aber noch beträchtlich erhöht wird durch ihre offene Lage nach Süden, wodurch eine außerordentlich wirksame Sonnenbestrahlung ermöglicht ist. Trotzdem haben die Weingelände der thüringischen Staaten und der Provinz Sachsen zusammen nur eine Ausdehnung von wenig mehr als zehn Quadratkilometern. Matthias Claudius, der »Wandsbecker Bote« und gemütvolle Volksschriftsteller, hatte freilich keine große Meinung vom Thüringer Rebensaft.

Thüringens Berge zum Exempel bringen
Gewächs, sieht aus wie Wein,
Ist's aber nicht; man kann dabei nicht singen,
Dabei nicht fröhlich sein.
Abb. 17. Johannisthor in Jena.

Die Chroniken des Mittelalters berichten vom Reifen der Trauben, viel häufiger aber vom Mißraten des Weins. Und doch war[S. 21] der Weinbau auf sonnenwarmen Geländen viel verbreiteter als heute, nicht allein im Camburgischen, sondern es grünten auch Rebengarten im Werrathale. Im XVI. Jahrhundert wurde in den Fluren von Saalfeld, Römhild und Meiningen Eigenbau gekeltert. Der Stadtrat von Pößneck verkaufte im Jahre 1464 etwa 2000 Eimer Landwein, und obwohl er die Kanne zu vier Pfennigen abgab, hatte er doch noch einen Gewinn von 472 Schock Groschen! Klöster, Städte und Fürsten pflegten den Weinbau in der Absicht auf Gewinn; Bürger und Bauern aber deshalb, weil sie kein besseres Getränk hatten und dabei mehr auf die Menge als auf den Geschmack achteten. Hier knüpft vielleicht das Sprichwort »Sauer macht lustig« an, sowie im XVII. Jahrhundert ein Kenner von den Meininger Weinbergen als von einer Gegend sprach, »wo weinend die Berge Naturweinessig erzeugen«.

Abb. 18. Jena um 1610 (nach einem gleichzeitigen Stiche von Kehr).
Schulpforta.

Am Fuße des buchenbestandenen Knabenberges liegt wie ein schmuckes kleines Städtchen Schulpforta (Abb. 12), im Jahre 1137 als Cistercienserkloster St. Marien zur Pforte gegründet. Das Kloster hatte reiche Zuwendungen an Wald und Feld, Wiesen, Mühlen, Weinbergen und Geld, die Mönche mußten aber nach vier Jahrhunderten von dannen ziehen. 1543 wurde Pforta vom Herzog Moritz von Sachsen in eine Lehranstalt umgewandelt, aus welcher viele hervorragende Männer hervorgingen. In Erinnerung an Klopstock, der einst hier auf der Schulbank gesessen, schrieb Goethe:

An dem stillbegrenzten Orte
Bilde dich, so wie's gebührt;
Jüngling, öffne dir die Pforte,
Die ins weite Leben führt!

Der Name Pforte wird aber auch auf die Furt (vorte) von Almerich (Alteburg) bezogen, nach der von Naumburg her eine durch zwei burgähnliche Anlagen geschützte Beistraße führte, um aus der linken Seite der Saale in den Königsweg (strata regia) einzumünden. Dieser Königsweg ist die alte Leipzig-Frankfurter Straße, die über Merseburg, Freyburg an der Unstrut, Erfurt und Eisenach führte. Erst im XV. Jahrhundert wurde die Straße über Kösen geführt, da die steinerne Brücke erst 1404 erbaut wurde und zur Gründungszeit des Klosters Pforta (1137) noch nicht bestand.[S. 22] Im XII. und XIII. Jahrhundert bewegte sich der Hauptverkehr von Naumburg auf der Buchstraße, die auf der Höhe bei Heiligenkreuz sich gabelte, um als oberländische oder Regensburger Straße über Eisenberg, Gera, Hof nach Regensburg zu führen, anderseits über Camburg im Saalthale aufwärts nach Saalfeld und über den Thüringerwald nach Nürnberg zu ziehen. Die Namen der Dörfer Flemmingen erinnern an die holländischen (vlämischen) Ansiedler, die in frühester Zeit zur Hebung des Landbaues, besonders der versumpften Thalflächen, herbeigerufen wurden.

Kösen.

An der Stelle einer alten Slavenniederlassung liegt in engem Thalkessel das preußische Städtchen Kösen (2800 Einw.), dessen 1686 entdeckte Salzquellen dem Muschelkalk entspringen. Sie sind seit 1731 im Betrieb, werden jetzt aber nur für Kurzwecke benützt, wodurch der Ort, der erst seit 1868 Stadt wurde, sich zum viel besuchten Solbade (Abb. 13) entwickelt hat. Wegen seiner Lage am engen Saaldurchbruche, dem Passe von Kösen oder der Kösener Pforte, war der Platz auch kriegsgeschichtlich von Bedeutung. Nächst der Fährstelle zur Katze (vom slav. kaza = wild, reißend) windet sich der Pfad hinauf zu der auf steilem Muschelkalkfels 85 m hoch über den Schlangenwindungen der Saale thronenden Rudelsburg (Abb. 14), einer aus dem XII. Jahrhundert stammenden Feste, die mit ihrer Vorburg Saaleck, wovon nur noch zwei Türme sichtbar sind, eine bedeutende Wacht- und Verteidigungsstätte am wendischen Grenzgebiete war. Im 30jährigen Kriege zerstört, wurde sie später zum Teil erneuert, so daß sie jetzt zu einer der schönsten und viel besuchtesten Ruinen Deutschlands gehört. Auf dem Platze innerhalb der äußersten Burgmauer erheben sich die Denkmäler für Kaiser Wilhelm I., für die im Kriege 1870/71 gefallenen Verbindungsstudenten und für Bismarck als Student. Geschichte und Sage haben um die alte Burg ihre Kränze geschlungen und durch die geborstenen Hallen wird noch lange das Lied tönen, das Franz Kugler hier oben dichtete:

»An der Saale hellem Strande
Stehen Burgen stolz und kühn.«
Dornburg.

Bei Großheringen biegt das Saalthal in scharfem Winkel nach Süden um, und nun entwickeln sich ganz eigenartige Landschaftsbilder, ausgezeichnet durch die steil abfallenden Muschelkalkberge, die das Thal bis südlich von Jena umschließen. Das meiningische Städtchen Camburg (2800 Einw.) liegt in einer freundlichen Thalung, umkränzt von Wein- und Obstgeländen und überragt vom altersgrauen Matzturm. Hoch über dem Dorf Naschhausen schimmern von der Felskante drei weimarische Fürstenschlösser ins Thal, die Schlösser von Dornburg, während das Landstädtchen Dornburg (670 Einw.) hinter Gartenbäumen auf der Hochfläche versteckt liegt, 125 m über der Saale. Das nördliche Schloß ist die eigentliche Burg, an die sich die Geschichte Dornburgs anknüpft, und stammt in der Hauptsache aus dem Anfange des XVI. Jahrhunderts. Abb. 15 gibt eine Darstellung des Schlosses im Jahre 1631: Kroaten, die das Schloß geplündert und die Herzogin verwundet hatten, werden von herbeigeeilten Landleuten und Soldaten die Felsen hinabgejagt. Das mittlere oder neue Schloß wurde erst im XVIII. Jahrhundert an Stelle von 22 Privathäusern im Rokokostil errichtet. Das südliche Schloß ist das Stohmannsche oder kleine Schlößchen, im XVI. Jahrhundert in der Blütezeit der deutschen Renaissance entstanden. Über der Eingangsthür ist ein wohl erst anfangs des XVII. Jahrhunderts eingefügter lateinischer Spruch vorhanden, den Goethe mit den Worten übersetzte.

»Freudig trete herein, und froh entferne dich wieder!
Ziehst du als Wandrer vorbei, segne die Pfade dir Gott!«
Abb. 19. Jena.
(Nach einer Photographie von Junghanns und Koritzer, Leipzig-Meiningen.)

Die drei Schlösser (Abb. 16), umgeben von üppigen Gärten, gewähren reizvolle Blicke ins Saalthal und in die Landschaft. Goethe hat hier oft geweilt, um Ruhe und Frieden zu suchen, und schilderte mit warmer Empfindung den Ausblick ins Thal:

»Weithin gestreckte, der belebenden Sonne zugewendete, hinabwärts gepflanzte, tief grünende Weinhügel; aufwärts an Mauergeländern üppige Reben.... Von diesen würdigen landesherrlichen Höhen sah ich ferner in einem anmutigen Thale so vieles, was, dem Bedürfnis des Menschen entsprechend, in allen Landen weit und breit sich wiederholt. Ich sehe zu Dörfern versammelte ländliche Wohnsitze, durch Gartenbeete und Baumgruppen gesondert; einen Fluß, der sich vielfach durch Wiesen zieht; Wehr, Mühlen, Brücken folgen aufeinander; die Wege verbinden sich auf-[S. 24] und absteigend. Gegenüber erstrecken sich Felder an wohlbebauten Hügeln bis an die steilen Waldungen hinan, bunt anzuschauen nach Verschiedenheit der Aussaat und des Reifegrades. Büsche hie und da zerstreut, dort zu schattigen Bäumen zusammengezogen.«

Abb. 20. Burgkeller in Jena.
Tautenburg. Bürgel.

Jenseits der blendenden Muschelkalkhöhen des Ostufers liegt ins Grün gebettet das rings von herrlichem Buchenwald umgebene Dorf Tautenburg, mit den Resten eines Bergschlosses, das einst der Sitz des Geschlechts der Schenken von Tautenburg war. Es steht nur noch der alte dachlose Bergfried, rings von Schutt umgeben, während das im XIV. Jahrhundert erbaute Schloß abgebrochen und aus seinen Steinen das Schloß Frauenprießnitz errichtet wurde. Vom Saalufer führt das Thal des Gleisbachs hinauf zum weimarischen Städtchen Bürgel (1650 Einw.), in dessen Nähe reiche Thonlager vorhanden sind, die das Material für die bekannten Bürgeler Töpferwaren liefern. Das benachbarte Thalbürgel, auch Kloster Bürgel genannt, ist berühmt wegen des 1133 gegründeten Benediktinermönchklosters, das aber 1525 aufgehoben wurde. Die Kirche, zum Teil Ruine des Klosters, wurde 1142 als romanische dreischiffige Pfeilerbasilika gebaut und erlitt später mehrere gotische Veränderungen.

Jena.

Weiter aufwärts im lieblichen Saalthale bauten seit 1170 die Mönche von St. Marien von der Pforte in Porstendorf (Bosindorf) die hochgeschätzten »Borsdorfer« Äpfel. Gegenüber von Kunitz, über dem die Mauerreste der Kunitzburg ins Thal blicken, bestand in Zwätzen eine Kommende des deutschen Ordens; jetzt ist die Komthurei in eine landwirtschaftliche Musterwirtschaft umgewandelt. Weit liegt am linken Saaleufer die Stadt Jena (15500 Einw.) ausgebreitet, auf beiden Uferseiten bewacht von hellfarbigen Kalkbergen. Jena ist einer der hervorragendsten geistigen Mittelpunkte Thüringens, wo sich Nachklänge einer großen Vergangenheit einen mit den jugendfrohen Lebensäußerungen der Gegenwart, und ein eigentümlicher Liebreiz ist der Stadt geblieben trotz winkeliger Gassen und hochgiebliger Häuser (Abb. 17). Schon Goethe lobte den Ort in seinen »Lustigen von Weimar«:

»Donnerstag nach Belvedere,
Freitag geht's nach Jena fort:
Denn das ist, bei meiner Ehre,
Doch ein allerliebster Ort!«

Unsere Abbildungen 18 und 19 zeigen die Veränderungen des Stadtbildes in 300 Jahren, für welche die Hochschule von erheblicher Bedeutung wurde. Die Universität, von Johann Friedrich dem Großmütigen gestiftet, wurde 1558 eingeweiht und erfreut sich noch heute einer dauernden Blüte, obwohl sie am Ende des XVIII. Jahrhunderts einen dreimal größeren Studentenbesuch[S. 25] hatte; die Bibliothek umfaßt 220000 Bände. An vielen Häusern erzählen uns kleine Gedenktafeln von den Geistesgrößen, die da gewohnt und gelehrt haben. Arndt, Schelling, Fichte, Goethe, der oft hier weilte, und vor allem Schiller, der 1789 als Professor der Philosophie und Geschichte nach Jena berufen wurde und hier 10 Jahre blieb. Im ehemaligen Schillerschen Garten erhebt sich jetzt die neue Sternwarte und eine Büste des Dichters, daneben steht auf einem Granitblock die Inschrift: Hier schrieb Schiller den Wallenstein 1798. Die Stadt- oder Michaeliskirche, 1301 eine Niederlassung des Cistercienser-Nonnenklosters in Roda, ist eine der größten Kirchen Thüringens. Ein mit der Studentenschaft in enger Verbindung stehendes Haus ist der Burgkeller (Abb. 20), um 1546 in derber Hochrenaissance erbaut. In die fröhliche Studentenzeit zurück führt die Bezeichnung der sieben Wunder Jenas: ara (Durchgang unter dem Altar der Stadtkirche), caput (der Schnapphans an der Rathausuhr), draco (von Studenten im XVII. Jahrhundert zum Scherz zusammengestelltes skelettartiges Gebilde), mons (der Hausberg), pons (die Camsdorfer Brücke), vulpecula turris (der Fuchsturm), Weigeliana domus (das Weigelsche Haus in der Johannisgasse, jetzt abgebrochen). Als die jugendlichen Kämpfer der Musenstadt aus den Freiheitskriegen zu ihren Studien zurückkehrten, gründeten sie zu warmer Pflege der Vaterlandsliebe die Burschenschaft, die ihnen in den nächsten Jahren so viele Verfolgungen bringen sollte. Zur Erinnerung daran wurde 1883 das Burschenschaftsdenkmal (Abb. 21) errichtet, ein Student in der Tracht von 1817, Fahne und Schwert haltend, ein schönes Marmorwerk von Donndorf. Industriell bedeutend ist die optische Werkstatt von Zeiß, die einschließlich der Glashütte über 1000 Arbeiter beschäftigt und eine der ersten Anstalten dieser Art in Deutschland ist.

Abb. 21. Burschenschaftsdenkmal in Jena.

Von der Höhe des Forstes genießt man den besten Überblick über die Landschaft: die Kalkhöhen des Jenzig, Hausbergs, der Kernberge, durch scharfe Thäler voneinander getrennt; die weißbiergesegneten Dörfer Ziegenhain, Lichtenhain (Abb. 22) und Wöllnitz; nach dem kleinen Dorfkirchlein von Wenigenjena, wo sich Schiller mit seiner Lotte trauen ließ. Im Walde, wo sternförmig eine Anzahl Schneißen zusammengehen, hat man ein anmutiges Bild der alten Saalefesten, durch je eine Waldstraße erblickt man die Kunitzburg, den Fuchsturm (der letzte Rest der drei Hausbergburgen, Abb. 23) die Lobedaburg, die Leuchtenburg bei Kahla. Steil ragen die Muschelkalkberge stufenweise über die Waldflächen des[S. 26] Sandsteins. Trotz ihrer Pflanzenarmut sind sie von malerischem Reiz, wenn sie sonnenbestrahlt in leuchtenden Farben prangen.

Abb. 22. Lichtenhain.
Roda. Eisenberg.

Oberhalb des weimarischen Städtchens Lobeda (900 Einw.) zieht rechtwinklig zum Saalthale das Thal der Roda aufwärts, an deren Ufer die altenburgische Stadt Roda (3700 Einw.) liegt, eine stille Sommerfrische; weiter östlich setzt sich das untere Rodathal im lieblichen Zeitzgrund fort. Beide in die Sandsteinplatte eingewaschene Thäler werden von der Eisenbahn benutzt, die dann über die 340 m hohe Wasserscheide und vorüber an dem an Sandsteinbrüchen reichen Kraftsdorf nach dem Elsterthale führt. Von hier aus südlich herrscht, abgesehen von den Muschelkalkschollen bei Kahla und Saalfeld, Sandstein vor bis an den Saalfeld-Pößnecker Zechsteingürtel. Im Gegensatze zu den steilen Formen des Muschelkalkes zeigt der Sandstein sanfte abgerundete Formen und ist ausgezeichnet durch große Fichten- und Kiefernbestände, die nördlich fast bis zur altenburgischen Stadt Eisenberg (8000 Einw.) reichen. Eisenberg liegt auf einem Sandsteinkegel, hat ein altes Schloß (Christiansburg) und lebhafte Industrie. Eine Zweigbahn führt ins Thal der Rauda bis Krossen; aufwärts ist das Raudathal ein hübsches Waldthal, wegen zahlreicher Wassermühlen auch Mühlthal genannt, und führt bis zu den Sommerfrischen Klosterlausnitz (1600 Einw.) und Hermsdorf (2200 Einw.). Südlich von Roda führt das Thal des roten Hofbaches nach dem kleinen Lustschlosse »Fröhliche Wiederkunft«; westlich davon bei Hummelshain steht in prachtvoller Waldumrahmung ein neues Schloß (Abb. 24) des Herzogs von Altenburg.

Kahla. Orlamünde.

Die altenburgische Stadt Kahla (4400 Einw.) war früher stark befestigt und hat heute bedeutende Porzellanfabrikation, die 800 Arbeiter beschäftigt. Der Dohlenstein mit den Schutthalden zweier Bergrutsche (Abb. 25) und der 400 m hohe Kegel der Leuchtenburg sind getrennte Muschelkalkinseln an der rechten Thalflanke. Die Leuchtenburg ist wohl ursprünglich im IX. Jahrhundert als Schutzburg gebaut, später oft zerstört und wieder aufgebaut worden und bildet heute ein stolzes Wahrzeichen der mittleren Saalgegend. Hoch auf dem Sandsteinrande gegenüber der Orlamündung liegt das altenburgische Städtchen Orlamünde (1400 Einw.). Innerhalb der Ruinen der alten Stadtbefestigung steht die Kemnate, der letzte Rest der alten Grafenburg, wo einst das Geschlecht der im XVI. Jahrhundert erloschenen Grafen von Orlamünde hauste. An dieses Geschlecht knüpft sich[S. 27] die Sage von der weißen Frau an, der Gräfin Kunigunde, die in verblendeter Liebe zum schönen Burggrafen Albrecht von Nürnberg ihre beiden Kinder tötete und wegen ihrer Schuld selbst nach dem Tode keine Ruhe finden konnte, sondern da und dort als »weiße Frau« erschien. Die Orla mündete in alter Zeit bei Saalfeld in die Saale, ehe jener Nebenfluß, der jetzt den Unterlauf der Orla bildet, rückwärts einschneidend die Veranlassung gab, daß die Orla nun von Pößneck nach Orlamünde durchbrach und in der Richtung nach Saalfeld die Thalwasserscheide von Könitz gebildet wurde.

Das soeben beschriebene Gebiet des aus Buntsandstein bestehenden Südteiles der Saaleplatte bildet ungefähr den Westkreis des Herzogtums Altenburg, das »Altenburger Holzland«, das 44 vom Hundert seiner Fläche mit Wald, meistens Nadelwald, bewachsen hat. Das Klima ist hier rauher als im altenburgischen Ostkreise, dem Holzwuchse aber nicht ungünstig. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt hier vom Walde, d. h. von der Zubereitung von Hölzern für gewerbliche Zwecke und von der Herstellung allerlei Holzgerätschaften, besonders in Klosterlausnitz. Dieses »Holzland« hat nur 46 vom Hundert seiner Fläche Äcker und Gärten, und nur sieben vom Hundert Wiesen, die sich meist auf die flachen Thalungen beschränken.

Rudolstadt.

Aus grüner Saalaue erhebt sich Rudolstadt (12000 Einw.), die freundliche Hauptstadt des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt (Abb. 26). Die Stadt wird urkundlich zuerst im Jahre 800 als Eigentum des Klosters Hersfeld erwähnt, 1227 als Besitz des Grafen von Orlamünde; 1335 kam sie an die Grafen von Schwarzburg. Sie wird überragt vom Residenzschloß Heidecksburg, das sich weithin sichtbar auf dem 50 m hohen Vorberge des hinter dem Schloß noch weiter ansteigenden Hainberges erhebt, der die Saale vom Wüstenbach trennt. Schon im XVIII. Jahrhundert blühten hier verschiedene Industriezweige, besonders Porzellanherstellung und Glockengießerei, die ganz Thüringen mit Glocken versorgte und wo Schiller seine Studien für die »Glocke« gemacht haben soll. Schiller kam zuerst 1787 nach Rudolstadt und nahm 1788 seinen Sommeraufenthalt im benachbarten Dorfe Volkstedt (1570 Einw.). Abends war er meist in Rudolstadt bei der ihm befreundeten Frau von Lengefeld, deren Tochter Charlotte er später als Gattin heimführte. Am rechten Saalufer gegenüber Volkstedt erhebt sich ein Fels, an dessen Wand zu Ehren des Dichters seine Büste angebracht wurde, seitdem ist diese »Schillerhöhe« (Abb. 27) ein viel besuchter Platz geworden.

Abb. 23. Fuchsturm bei Jena.
Saalfeld.

In geringer, nur einige Kilometer betragender Entfernung von Rudolstadt mündet bei Schwarza (1300 Einw.) die klare ehemals goldführende Schwarza in die Saale. In freundlicher Thalweite liegt an den Ufern der Saale die meiningische Stadt Saalfeld (10000 Einw.), eine der ältesten Städte Thüringens (Abb. 28) und einst im Schutze der Sorbenburg entstanden (Abb. 29). Sie war der befestigte Mittelpunkt des alten Orlagaus und lange Zeit von gemischter thüringischer und sorbischer Bevölkerung bewohnt. Ein lebhafter Marktverkehr blühte, begünstigt vom Flußverkehr und dem benachbarten[S. 28] Bergwerksbetrieb, obwohl spätere Jahrhunderte wiederholte Zerstörungen brachten. Der Erzbischof Anno von Köln gründete hier 1071 eine Benediktinerabtei, an deren Stelle in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts das herzogliche Schloß gebaut wurde. Das Franziskanerkloster nahm 1578 bis 1579 die Universität auf, als Professoren und Studenten wegen einer schweren Seuche aus Jena flüchteten. Malerisch schaut mit seinen Ziergiebeln das aus dem XIV. Jahrhundert stammende Schlößchen Kitzerstein ins Flußthal herab. Die benachbarte Sorbenburg oder Hohenschwarm ist wohl im X. oder XI. Jahrhundert erbaut worden, wurde aber seit dem XVI. Jahrhundert zur Ruine, die mit ihren beiden Türmen ein sehr wirkungsvolles Bild gibt. Der Befestigungskranz der Stadt wurde in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts begonnen, entspricht im übrigen jedoch den Anlagen des XV. und XVI. Jahrhunderts. Aus dem XVI. Jahrhundert stammt auch das schöne mit Treppenturm, Giebeln und Dachtürmen geschmückte Rathaus, eine Verschmelzung von Spätgotik mit Frührenaissance. Wie überall trat auch hier infolge des dreißigjährigen Krieges ein betrübender Niedergang ein, und erst im XIX. Jahrhundert kam die Zeit eines erneuten Aufschwunges und reger Industriethätigkeit. Nördlich von Saalfeld erhebt sich der 482 m hohe Muschelkalkkegel des Kulm, von dessen 19 m hohem Aussichtsturm sich eine weite Rundsicht erschließt, im Norden bis zum Fuchsturm bei Jena, im Westen bis zur dunklen Kuppe des Kickelhahnes bei Ilmenau, nach Osten bis Ranis und Hummelshain. Der ganze sich von hier aus nach Osten ausdehnende Höhenzug heißt die Heide, eine Sandsteinplatte von durchschnittlich 400 m Höhe und durch Flußläufe in ein Hügelland aufgelöst.

Abb. 24. Schloß Hummelshain.

Einen außerordentlich lehrreichen Aufschluß des Geländes sieht man oberhalb Saalfelds bei Obernitz: stark verbogene devonische Schichten, deren von der alten Meeresbrandung zerstörte Oberfläche beinahe wagerecht von Zechstein überlagert ist. Die Schichtenbiegungen der devonischen Kalke und Schiefer stammen aus der Zeit der oberen Steinkohle. Damals bildeten diese Falten die hohen und langen Gebirgsketten der mitteldeutschen Alpen, von denen jetzt nur noch das Fundament vorhanden ist. Über die eingeebnete Faltenruine sind die Zechsteinkalke hingebreitet. Der ausgedehnte Zechsteingürtel, der fast den ganzen Rand des Thüringerwaldes begleitet, erscheint hier in erheblicher Breite und streicht über Pößneck bis gegen Gera, die nördliche Sandsteinplatte[S. 29] trennend von der südlich auftretenden unteren Karbonformation, die sich meist aus Schiefern und Grauwacken zusammensetzt. Der Zechstein, eine vorherrschende Kalkablagerung, hat seinen Namen von den Zechen, den Häuschen der Bergleute, was schon darauf hinweist, daß in seinem Gebiete ein lebhafter Bergbau betrieben wird, in der Gegend von Saalfeld bis Ranis schon von alters her. Am wichtigsten sind die Eisenwerke von Kamsdorf, Unter-Wellenborn und Röblitz. Der Zechsteingürtel bildet hier eine Senke, die schon früh verkehrswichtig war und die auch den Weg vorschrieb für die Eisenbahn Saalfeld-Weida.

Abb. 25. Kahla mit der Leuchtenburg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Pößneck.

Der rudolstädtische Marktflecken Könitz (800 Einw.) wird von einem im XVI. Jahrhundert erbauten Schlosse überragt, ehemals eine Besitzung der deutschen Könige. Das Städtchen Ranis (2000 Einw.) gehört zum preußischen Kreise Ziegenrück und liegt zu Füßen der alten malerischen Burg Ranis. Ein wichtiger Industrieplatz ist die meiningische Stadt Pößneck (11000 Einw.) geworden, nach dieser Richtung hin »die Krone der meiningischen Städte« genannt (Abb. 30). Schon seit dem Mittelalter blüht hier die Tuch- und Lederfabrikation, denen in neuerer Zeit noch Flanellherstellung (jährlicher Umsatz zwölf Millionen Mark), besonders aber Porzellanfabriken (darunter eine mit 800 Arbeitern) und Schokoladefabrikation (die etwa 1000 Arbeiter beschäftigt) zugesellt wurden. Die alte Stadtkirche stammt aus dem XIV., das mit zierlicher Freitreppe versehene gotische Rathaus (Abb. 31) aus dem XV. Jahrhundert. Beachtenswert sind in nächster Nähe der Stadt die mit Fichten bestandenen wallartigen Höhen der Altenburg und der Haselberge, Dolomitriffe, die nun aus der gesunkenen Zechsteinumgebung aufragen (s. Abb. 30).

Neustadt. Triptis.

Von Wichtigkeit ist auch die weimarische Kreisstadt Neustadt an der Orla (6000 Einw.), mit hübschem, später durch Anbauten entstellten Rathaus aus dem Anfange des XV. Jahrhunderts. Südlich der Stadt liegt das Dörfchen Arnshaugk mit einem Schlosse, das an der Stelle des alten Stammsitzes der Ende des XIII. Jahrhunderts ausgestorbenen Grafen Arnshaugk erbaut ist. An der oberen Orla liegt das weimarische Städtchen Triptis (2250 Einw.), wo eine Bahn nach der auch als Sommerfrische besuchten weimarischen Stadt Auma (2500 Einw.) und dann über Ziegenrück nach Blankenstein läuft. Triptis liegt 368 m hoch über dem Meere; in ähnlicher Höhe überschreitet die nach Nordosten führende[S. 30] Bahn die Wasserscheide zwischen Saale und Elster.

Saaleoberlauf.

Von waldigen Bergen umrahmt, mündet bei Eichicht (450 Einw.) die Loquitz in die Saale, die hier ihren Oberlauf beginnt. Die Landschaft zeigt hier völlig veränderte Formen, da der Fluß in außerordentlich zahlreichen Krümmungen sich nun in das Schiefergebirge sein Bett gegraben hat. Steile Wände bilden die Thalränder, oft ragen die dunklen Felsen aus dem Nadelwald hervor und engen den Fluß ein, so daß fast nirgends Raum für eine Straße bleibt. Nur an wenigen Stellen wird der Fluß von Brücken überschritten, da im engen Thale auch keine Orte erbaut werden konnten. Nur an der Mündung des Drebabaches winden sich die schmalen Häuserzeilen der preußischen Kreisstadt Ziegenrück (1200 Einw.) empor, überragt vom alten Schlosse. Die Holzausbeute der weit ausgedehnten Wälder wird hier gesammelt und dann nach Camburg oder Kösen verflößt. Beachtenswert sind bei Ziegenrück wie bei Saalfeld altdiluviale Schotterlager mit oligozänen Quarzgeröllen, auf Höhenstufen liegend, die sich 115–130 m über dem heutigen Wasserspiegel befinden. Von dieser Höhe also hat sich der Fluß die Thalrinne ausgenagt, in der er heute fließt. Eine neue dem rechten Ufer folgende Straße führt nach dem Luftkurort Walsburg, gegenüber der Mündung des Wiesenthales.

Alter Bergbau.

Ein Seitenstück zu Schwarzburg in Bezug auf landschaftliche Schönheit bietet Schloß Burgk, das hoch auf einer bewaldeten von der Saale umspülten Felshöhe thront. Das Schloß erhielt seine jetzige Gestalt erst im XV. Jahrhundert, während die frühere Burg weiter südlich und näher dem Flusse lag. Am Flusse liegt der Burgkhammer, früher ein bedeutendes Eisenwerk, heute eine Sägemühle, zu der durch den Schloßberg von einer der oberen Saalwindungen ein Kanal geleitet ist. Viele Ortsnamen mit der Endung »hammer« deuten auf alten Bergbau hin. Am frühesten, etwa bis zum XIII. oder XIV. Jahrhundert, dürfte eine Bergbauthätigkeit in den Seifenarbeiten auf Gold und Zinn gewesen sein, also die im Erdreich vorhandenen Metallteilchen durch Wasser zu gewinnen. Dann gab es überall in Thüringen eine Blütezeit des Bergbaues, der aber zu Beginn des dreißigjährigen Krieges zu Grunde ging. An der oberen Saale wurden Stahlhütten betrieben und allein im Bergwerksgebiete des reußischen Landes waren über vierhundert Gruben im Abbau, dabei 319 auf Eisen, die übrigen auf Gold, Silber, Antimon, Kupfer, Blei und Alaun. Die Saale hat hier überall den Charakter eines in das Schiefergebirge eingeschnittenen Plateauflusses, der den größeren Rheinzuflüssen ähnelt und auch hohe landschaftliche Schönheiten aufweist, außer der Umgebung von Burgk besonders erwähnenswert die Abstürze des Heinrichsteins bei Gottliebsthal. Auch wo die Zuflüsse in engen Thälern rauschen, geben sie für größere Siedelungen keinen Raum, aber sie zerschneiden die Stufenplatten des Geländes, das dadurch einen reich gegliederten reizvollen Anblick bietet. Wir finden deshalb im ganzen Südosten Thüringens die meisten Orte auf der Höhe gelegen, im Gegensatze zum westlichen Thüringerwald, wo das Gebirge als Kamm ausgebildet ist und die Ortschaften meist in den anmutigen Thälern gebaut sind.

Abb. 26. Rudolstadt.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Hirschberg.

Das zu Reuß jüngere Linie gehörige Saalburg (860 Einw.) ist ein von Obstgärten umgebenes ärmliches Städtchen, in dessen Nähe Marmor gebrochen wird, der zur Silurformation gehört. Zusammenhängend mit der alten Stadtbefestigung sind die Ruinen einer im XI. Jahrhundert gegen die Sorben erbauten Burg. Saalburg war eine Hauptstation an der alten Frankenstraße Nürnberg-Leipzig, deshalb auch militärisch wichtig und von vielen Kriegszügen berührt. In der Nähe findet sich das Saalburger Eisloch, eine echte Eishöhle, im kleinen Bleiloch an den Bleibergen. Bei Saaldorf liegt in wildreichem Nadelwald das Jagdschloß Weidmannsheil; unweit davon überschreitet eine feste Brücke die Saale bei Gottliebsthal, gleich wie Haueisen aus einer Zeche entstanden. Auch der weiter oberhalb am Flusse liegende Lemnitzhammer ist heute kein Eisenwerk mehr, sondern liefert nur hölzerne Gebrauchsgegenstände. Bei dem kleinen Dorfe Blankenstein erreicht der Rennsteig, der auf der Höhe des Thüringerwaldes und Frankenwaldes entlang zieht, sein östliches Ende. Unterhalb des Dorfes mündet bei 411 m Höhe über dem Meere die Selbitz[S. 32] in die Saale. An den größten Flußkrümmungen bestehen jetzt immer öfter Thalweiten größerer Ausdehnung, die mit Wiesen bedeckt sind. Während das preußische Dorf Blankenberg mit seinem Schlosse noch auf der Höhe thront, reichen die Häuser des preußischen Dorfes Sparnberg schon bis an die Ufer herunter. Auch das reußische Städtchen Hirschberg (1800 Einw.) reicht bis ins Thal der Saale hinab. Auf einem Felskegel erhebt sich das Schloß, ehemals eine gegen die Sorben errichtete Befestigung. Von Blankenstein aus bildet die Saale die Grenze gegen Bayern, von der Mündung des Tann- oder Töpenerbaches verläuft das obere Saalthal nur in bayerischem Gebiete, an den Fichtenabhängen des Leuchtholzes noch einmal tief eingebettet, dann aber in flacherer Thalmulde, die von den Kuppen des umgebenden Tafellandes um nur 120 m überragt wird.

Abb. 27. Schillerhöhe bei Rudolstadt.
Hof.

Auf dieser Hochfläche liegt in 473 m Höhe (der Bahnhof liegt 505 m hoch) die bayerische Stadt Hof (27600 Einw.), die ein Mittelpunkt für Industrie und Verkehr geworden ist. Schon früh war sie der Hauptort des Regnitzlandes, erwachsen aus einem zum Schutze gegen die Slaven angelegten Hofe (Regnizi, Regnitzhof). In den Hussitenkriegen, im dreißigjährigen Kriege und in den Kämpfen am Anfange des XIX. Jahrhunderts wurde viel Wohlstand vernichtet, die Stadt blieb aber lebensfähig und erholte sich so bedeutend, daß ihre Einwohnerzahl in den letzten dreißig Jahren sich fast verdreifachte. Schon im XVI. Jahrhundert entwickelte sich die Gewebeindustrie, die Hof zum Hauptplatz der oberfränkischen Woll- und Baumwollindustrie gemacht hat. Die Spinnereien haben etwa 200000 Spindeln, die Webereien 1900 Stühle im Betrieb. Wichtige Straßenzüge laufen hier zusammen, Verbindungen von Nord nach Süd mit Abzweigungen nach Westen (Franken) und Osten (Böhmen), die ihren Ausdruck auch in der Anlage von Eisenbahnen gefunden haben. Am obersten Saallaufe sind noch erwähnenswert der Flecken Oberkotzau (2100 Einw.) am Einflusse der Schwesnitz, das Städtchen Schwarzenbach (3900 Einw.), schon in offenem Hügellande liegend, und der Flecken Zell (650 Einw.). Nur wenige Kilometer oberhalb Zell entspringt die Saale in einer Meereshöhe von 728 m an der Südwestflanke des Waldsteins (878 m hoch), der mit seinem Granitwall die nördlichste Umrahmung des Fichtelgebirgmassivs bildet und auf seinen Höhen prächtigen Fichtenwald trägt.

[S. 33]

Abb. 28. Saalfeld.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

[S. 34]

Abb. 29. Saalfeld um 1650 (nach Merian).

V.

Osterland.

Von der Saale nach Osten zeigt die Landschaft eine mannigfaltigere Gliederung. Grüne Flußthäler haben volkreiche Orte entstehen lassen, die um so mehr Industrie treiben, je bequemer sie an den Hauptadern des großen Verkehrs liegen. Die Wälder bedecken nicht mehr unabsehbare weite Flächen, sondern sind in dem abgestuften Gelände eingeschränkt und machen großen Feldern Raum, die ihre fruchtbarsten Gebiete in den größten Thälern haben.

Ungefähr ein Dreieck mit den Spitzen Saalfeld, Hof und Altenburg schließt das Osterländische oder Vogtländische Stufenland ein, das sich nach Norden zum oben beschriebenen Saalfeld-Neustädter Zechsteingürtel, sowie nach Osten zum Elsterthale hin langsam abdacht. Es ist das alte Grenzgebiet gegen das Königreich Sachsen hin und zeigt von den altpaläozoischen Schichten aufwärts bis zum Kulm eine bedeutende Faltung, vorzugsweise in der Richtung von Südwest nach Nordost. Das ganze Gebiet ist eine plateauartige Hügellandschaft, zerschnitten von einer großen Zahl weit verzweigter Thäler, die nur in den tiefen Einschnitten der Elster, Göltzsch und Weida einen gebirgigen Eindruck hervorrufen. Der Haupterhebungssattel dieses ostthüringischen Gebietes ist ein Kambriumstreifen, der sich in einer Breite von 8–11 km von Südwest nach Nordost erstreckt, hier aber unter das Rotliegende des Erzgebirgischen Beckens untertaucht, nach Südwesten sich aber fortsetzt bis zur oberen Saale. Parallel zu diesem Hauptsattel steigt der weiter im Südosten gelegene Erzgebirgische Hauptsattel, und zwischen beiden liegt die etwa 11 km breite Vogtländische Hauptmulde, in welcher besonders devonische Ablagerungen vorhanden sind. Auch sie taucht nach Nordosten unter das Erzgebirgische Becken unter, ist jedoch südwestlich noch weiter zu verfolgen. Nordwestlich aber vom Ostthüringischen Hauptsattel liegt die Ostthüringische Hauptmulde, wo die tiefsten Schichten dem sich breit ausdehnenden Oberkulm angehören. Nordwärts wird diese Mulde von dem am Rande des Thüringischen Beckens ausstreichenden Zechstein und Buntsandstein überdeckt. Nordöstlich von Ziegenrück bestehen zahlreiche flache Mulden, in denen sich Wasser ansammelt, da der Boden durch Thonschichten undurchlässig ist. Daher erfreut sich das Auge hier an Hunderten von hell schimmernden Teichen, die mit ihrer teilweisen Waldumrandung der Landschaft einen um so größeren Reiz verleihen, als Thüringen und besonders sein Gebirgsland sonst arm an stehenden Gewässern ist. Merkwürdig sind auf der Strecke Burgk-Schleiz-Zeulenroda-Weida-Ronneburg-Altenburg Diabasdurchbrüche, die der Landwirtschaft nicht nutzbar sind, wenn sie mitten im urbar gemachten Boden vorkommen, und meist mit Eichen, Buchen und anderem[S. 35] Laubholz bewachsen sind. Im Nordosten von Gera nach den Flußthälern der Sprotte und Schnauder hin verliert sich allmählich das alte Gebirge, und es beginnt der fruchtbare Ackerboden des altenburgischen Ostkreises, der dann hinüberleitet in die Tieflandschaften der Sächsisch-Thüringischen Bucht.

Schleiz.

Die meist waldgekrönten Kuppen des Berglandes erheben sich im Durchschnitt nur bis zu einer Höhe von 500–600 m. Der Rosenpiehl (wohl von gleicher Namensbedeutung mit dem westlich der Saale gelegenen Roßbühl, denn Rossezucht war hier wahrscheinlicher als Rosenzucht) nördlich von Gefell erreicht noch 653 m. Die größeren Zuflüsse der Saale und Elster bieten bequemere Zugänge zum oberen Lande. Das Thal des bei Ziegenrück mündenden Plothenbaches entwässert den großen Plothenteich; das vielfach gewundene Wiesenthal führt hinauf zur 443 m hoch gelegenen Stadt Schleiz (5100 Einw.). Die Stadt ist die zweite des Fürstentums Reuß jüngerer Linie, aus einer gartenreichen Umgebung ansteigend zum Schloßberg und mit reger Fabrikthätigkeit. Die auf einer Anhöhe malerisch gelegene Bergkirche stammt in ihren ältesten Teilen aus dem XII. Jahrhundert und deutet auf die Anlage eines ehemaligen Kalvarienberges. Die spätgotische Kirche ist eine der belangreichsten Bauten der ganzen Umgebung. Nach Schleiz führte früher die von Leipzig und Gera kommende Hauptstraße und teilte sich dann, um einerseits nach Saalburg-Coburg, andererseits nach Hof zu führen. Heute ist die Stadt durch eine Eisenbahn mit der Hauptlinie Leipzig-Hof verbunden. Das an seinen Hängen meist mit Wald bekränzte Thal der Wetterau oder Wettera führt zum kleinen ebenfalls zu Reuß jüngerer Linie gehörigen Städtchen Tanna (1600 Einw.), in einer flachen Mulde 533 m hoch gelegen. Südlicher, im oberen Thal des Ehrlichbaches liegt die preußische Stadt Gefell (1360 Einw., zum Kreis Ziegenrück gehörig), wo früher auf Eisenstein gebaut wurde. Jetzt werden die benachbarten Ockergruben ausgebeutet.

Abb. 30. Pößneck.
Pausa. Zeulenroda. Weida.

Nach der Elster ergießt sich als bedeutendster Nebenfluß die etwa 4 km oberhalb des sächsischen gewerbfleißigen Städtchens Pausa (3300 Einw.) entspringende Weida. Das Städtchen besitzt ein Eisen- und Moorbad. Die Quelle der Weida liegt 467 m hoch, und ihr Abfluß rinnt zuerst durch einen teichbestreuten Wiesengrund, eingerahmt von wenig gewölbten nur 40–50 m höheren Hügeln. Von der thüringischen Grenze an durchströmt die Weida jedoch in vielen Windungen ein immer tiefer und enger[S. 36] werdendes Thal. Auf der Höhe zwischen der Weida und dem in anmutiger Thalung fließenden Triebesbach liegt die zu Reuß älterer Linie gehörige betriebsame Stadt Zeulenroda (9000 Einw.), von deren Bewohnern allein 500 im Alaunwerke wohnen. Der Ort erhielt erst in der Mitte des XV. Jahrhunderts Stadt- und Marktgerechtigkeit und zeigt neben Greiz und Gera mit vielen kleineren Plätzen Ostthüringens, daß die Industriethätigkeit sehr oft nicht mehr an die natürlichen Bodenreichtümer gebunden ist, sondern sich selbständig entwickelt hat und besonders an billige Arbeitskräfte anknüpft.

Abb. 31. Rathaus zu Pößneck.

Im Triebesthale ist der Hauptort das zu Reuß jüngere Linie gehörige Dorf Triebes (3550 Einw.). Nördlich davon liegt auf bewaldeter Thalflanke das fürstliche Schloß Reichenfels, in der Nähe der ebenfalls zu Reuß jüngere Linie gehörige Flecken Hohenleuben (1840 Einw.). Im Leubathale liegt das mehr als 3 km lange Langenwetzendorf (2400 Einw.). Die industrielle Thätigkeit nebst dem Landbau veranlassen hier und weiter in den Gebieten Sachsens und elsterabwärts eine dichtere Volkszahl, die sich auch in der dichteren Verteilung der Ortschaften bemerkbar macht und nur durch große zusammenhängende Wälder (Pröllwitzer Wald, Greizer Forst u. s. f.) unterbrochen wird. An der Mündung der Auma in die Weida erhebt sich die weimarische Stadt Weida (5900 Einw.), mit lebhafter Textilindustrie. Die Stadt war im Mittelalter bedeutend, wurde aber im dreißigjährigen Kriege zerstört, wovon heute noch Ruinen zeugen, besonders die aus dem XII. Jahrhundert stammende gotisch-romanische Liebfrauenkirche. Der als Sommerfrische besuchte Ort wird überragt vom Schlosse Osterburg, im XII. Jahrhundert erbaut, einst Sitz der Vögte von Weida, später Residenz des Herzogs Moritz Wilhelm von Zeitz. Als Eisenbahnknotenpunkt ist die Stadt auch verkehrswichtig.

Greiz.

Die Elster (weiße Elster) durchfließt nur in ihrem mittleren Teile thüringisches Gebiet. Ihre Quelle tritt im Elstergebirge südöstlich der böhmischen Stadt Asch zu Tage, fließt beim Badeort Elster über die sächsische Grenze und durchströmt nun über Adorf, Olsnitz, Plauen und Elsterberg die obere Platte des Osterländischen Stufenlandes. Von hier ab strömt sie in thüringischem Land über Greiz nordwärts in engem, windungsreichem Thale, das mit[S. 38] seinen waldreichen Steilwänden manche landschaftliche Schönheit bietet. Diesen Charakter behält das Thal, bis es an der Mündung der Weida das Gebiet der kambrischen Schiefer verläßt. Die tiefen Einschnitte der Elster und seines rechten Nebenflusses Göltzsch haben solche Verkehrsschwierigkeiten geboten, daß beide durch Eisenbahnbrücken überspannt wurden, die in Mitteldeutschland die großartigsten Bauten ihrer Art sind. Bei Jocketa führt die Bahn über den 69 m hohen und 281 m langen Elsterthalviadukt, in der Nähe der Einmündung des Triebthales, wo die devonischen Schichten von Diabasdurchbrüchen durchsetzt sind. Hier, wie im »Steinicht« genannten benachbarten Thalstück der Elster, rauschen die Wasser über Felsblöcke, begrenzt von grünen teilweis bewaldeten Uferwänden; dieses hübsche Stück Landschaft wird mit dem volltönenden Namen »Vogtländische Schweiz« bezeichnet. In der Nähe der sächsischen Stadt Mylau (7400 Einw.) schwingt sich der 74 m hohe, 512 m lange Göltzschthalviadukt über die Thalenge, in den Jahren 1845 bis 1850 für 7 Millionen Mark erbaut.

Abb. 32. Greiz.
Gera.

Unweit der Einmündung der Göltzsch (ein echt slavischer Name!) in die Elster liegt in grünem Thale, das durch einen anmutigen Park verschönt wird, die Hauptstadt des Fürstentums Reuß ältere Linie, Greiz (22200 Einw.), zu Füßen des baumumkränzten Schloßberges (Abb. 32). Hier erhebt sich die alte obergreizische Residenz, einst der Sitz der Vögte des »Vogtlandes«, jetzt das Heim der Behörden; im XIII. Jahrhundert zuerst erwähnt, brannte sie im XVI. Jahrhundert ab und wurde erneuert. Greiz war mit Gera schon im XVIII. Jahrhundert Mittelpunkt der Wollindustrie und ist heute Hauptplatz für die deutsche Kammgarnweberei. Die Textilindustrie beschäftigt hier 10850 Arbeiter und 12000 mechanische Webstühle. Nördlich ist Greiz von Wald umgeben, in dem beim Idawaldhause eine vereinzelte Muschelkalkscholle geologisch belangreich ist. Der Nullpunkt des Elsterpegels liegt bei Greiz 254 m über dem Meere. Am Krebsbache liegt die östlichste weimarische Enklave mit dem Orte Teichwolframsdorf (1900 Einw.). Östlich von Greiz breitet sich das gewerbthätige Dorf Pohlitz (3450 Einw.) aus.

Abb. 33. Gera.

Elsterabwärts liegt das kleine weimarische Städtchen Berga (1400 Einw.) mit dem an Stelle der alten gegen die Sorben errichteten Burg Drifels erbauten Gut Schloßberga. Etwa bei der Mündung der Weida verläßt die Elster das Gebiet des Schiefers und zieht nunmehr in breitem, freundlichem Grunde weiter nordwärts über Gera, Köstritz und Krossen. Zwischen Krossen und Zeitz zweigt links der Floßgraben ab, ein für Zwecke des Holzflößens angelegter 68 km langer Kanal, der sich nordwestlich wendet und an Lützen vorüber Saale und Luppe erreicht. Seinem ehemaligen Zwecke ist er längst entfremdet und heute nur noch ein elender Graben, der nur durch die Schlachten von Lützen und Großgörschen wieder genannt wurde. Bei Zeitz tritt die Elster in die Sächsisch-Thüringische Tieflandsbucht ein, durchfließt eine breite Wiesenaue, die oft von Wald abwechslungsreich unterbrochen wird, in viele Arme geteilt bis Leipzig, wo sie rechtwinklig nach Westen umbiegt und dann unterhalb Merseburg in die Saale mündet, nur noch 83 m über dem Meere.

Köstritz.

Die weichen Thalränder sind meist von Buntsandstein gebildet, östlich von Gera treten aber auch noch devonische Schichten und ausgelagerter Zechstein in die Erscheinung. Gera (43500 Einw.) ist die Hauptstadt des Fürstentums Reuß jüngere Linie und war ehemals (wie auch Leipzig) eine wendische Ortsgründung, zuerst im XII. Jahrhundert genannt. Im dreißigjährigen Kriege fast zur Hälfte in Asche gelegt, auch Ende des XVIII. Jahrhunderts durch Brand fast völlig zerstört, hat sich die Stadt kraftvoll entwickelt und ist mit ihren vielen Fabriken, deren Schornsteine der Stadt einen nicht gerade malerischen Charakter geben, zu einem »Klein-Leipzig« herangewachsen (Abb. 33). Seine gewerbliche Thätigkeit verdankt es den im XVI. Jahrhundert eingewanderten Niederländern, aber erst seit der Mitte des XIX. Jahrhunderts trat mit der Einführung des mechanischen Fabrikbetriebs und in besserer Verbindung mit dem Zwickauer Kohlenbecken ein fabelhafter Aufschwung ein, so daß jetzt etwa 12000 Arbeiter und 10000 mechanische Webstühle in Thätigkeit sind; der Jahresumsatz beläuft sich auf 60 Millionen Mark. Aus dem Buchengrün des Hainberges schimmert das[S. 40] Schloß Osterstein herüber (auf unserer Abbildung im Hintergrunde links), das im XVI. Jahrhundert von den Vögten in Gera umgebaut, 1666 erweitert und in der Neuzeit teilweis nach englischem Vorbilde erneuert wurde. Die für Reuß jüngere Linie so bedeutende Industriethätigkeit, der über 60 vom Hundert der Gesamtbevölkerung zugehört, ist auch Veranlassung zu dem schnellen Wachstum der benachbarten Dörfer geworden, so daß dicht vor den Thoren Geras volksreiche Gemeinwesen entstanden, die Vororte Untermhaus (3950 Einw.) und Debschwitz (5600 Einw.), weiter südlich die Dörfer Pforten (2200 Einw.) und Zwötzen (3500 Einw.). Flußabwärts liegt das Brauereidorf Tinz (850 Einw.), der Flecken Langenberg (2500 Einw.) mit Weberei und der benachbarten Saline Heinrichshall, deren Salzquelle dem Zechstein angehört. Gegenüber am linken Elsterufer liegt halb in Gärten versteckt der Badeort Köstritz (2200 Einw.) mit Sol- und Sandbädern. Die hoch entwickelte Gärtnerei ist besonders wichtig für Rosen- und Georginenzucht, sowie Obstanlagen, weshalb für Landwirte und Gärtner auch eine Lehranstalt besteht. Als Pfarrer lebte hier in seinem Geburtsort der Dichter Julius Sturm; das parkumgebene Schloß ist Residenz der nicht souveränen Nebenlinie Reuß-Schleiz-Köstritz. Vom preußischen Flecken Krossen (1000 Einw.), auf dessen Buntsandsteinhöhen das gräflich Flemmingsche Schloß thront, führt eine Zweigbahn hinaus nach Eisenberg.

Östlich vom Geraer Gebiet des reußischen Landes und vom preußischen Kreise Zeitz dehnt sich der Altenburgische Ostkreis aus, der östlichste Vorposten Thüringens. Der ganze Ostkreis ist ein von sanften Hügelwellen durchzogenes Gelände, das nach Norden und Osten sich in eine Ebene verflacht. Im Süden gibt es noch Grauwackenschiefer mit dünner Humusdecke, die Ursache der geringen Fruchtbarkeit des Ronneburger Bezirks. Dort kommen auch noch silurische und devonische Schichten vor, weiterhin auch etwas Buntsandstein, doch spielen die wichtigste Rolle die in der Eiszeit zugeführten Materialien, besonders der geschiebefreie Löß und Lehm des Diluviums, da auf seinem Vorhandensein die Fruchtbarkeit weiter Landstriche beruht. Der Boden ist hier tiefgrundig, und der Landbau ist auch vom Klima begünstigt, da es mild und ebenfalls dem Holzwuchse zuträglich ist. Die Thone finden Verwendung in der Ziegelfabrikation und Töpferei. Der Bezirk Schmölln hat noch minderwertigen Boden, aber der Diluviallehm zu beiden Seiten des Pleißenthales gibt den prachtvollsten Weizenboden.

Ronneburg. Schmölln.

Die altenburgische Stadt Ronneburg (6200 Einw.) treibt Industrie. Auf einem Diabasfelsen steht ein altes Schloß, und eine eisenhaltige Quelle dient zu Kurzwecken. Obgleich hier im Ronneburger Bezirke die ländlichen Ortschaften außerordentlich dicht liegen (im oberen Sprottethal kommt auf jedes Kilometer Entfernung fast ein Dorf), sind in diesem ehemaligen Siedelungsgebiete fränkischer, niederländischer, bayerischer und schwäbischer Kolonisten die Volkszahlen vieler Dörfer doch zurückgegangen, da auch hier wie in vielen anderen Umgebungen von Fabrikstädten ein Teil der ländlichen Bevölkerung in diese Städte auswandert. Im oberen Sprottegrund liegt das Dörfchen Löbichau mit schönem Garten, Schloß und Erinnerungen an Körner, Tiedge und Jean Paul. Die Stadt Schmölln (9800 Einw.) ist durch lebhafte Textilindustrie ausgezeichnet, am wichtigsten ist für den Ort aber die Herstellung von Steinnußknöpfen, wobei etwa 2500 Personen beschäftigt sind, die wöchentlich über 7 Millionen Stück Knöpfe anfertigen. An der Haupteisenbahnlinie Leipzig-Hof liegt im Thale der Pleiße die altenburgische Industriestadt Gößnitz (5500 Einw.) mit vielen Fabriken.

Von den vielen Fabrikabwässern hat das Pleißenwasser eine tintenartige Färbung, und wenn Schiller mit besonderer Andeutung auf Leipzig von der Pleiße sang:

»Flach ist mein Ufer und seicht mein Bach, es schöpften zu durstig
Meine Poeten mich, meine Prosaiker aus«,

so würden heute seine Worte noch ganz anders lauten.

Altenburg.

Die Sprotte entspringt in den Teichen der reußischen Wüstung Werteln und mündet bei Saara in die Pleiße. Die Pleiße selbst berührt nur auf einer kurzen Strecke ihres Laufes altenburgisches Gebiet, da sie erst oberhalb Gößnitz eintritt, bei Regis, der kleinsten Stadt (1050 Einw.) des Königreichs[S. 41] Sachsen, dies Gebiet wieder verläßt. Einige Kilometer westlich der Pleiße, inmitten eines fruchtbaren Ackergebiets, erhebt sich die Hauptstadt Altenburg (33400 Einw.), beherrscht von dem auf hohem Porphyrfelsen ragenden Residenzschlosse, dessen älteste Teile aus dem XI. Jahrhundert stammten, das aber nach zahlreichen Bränden teils 1706 bis 1744, teils von 1865–1868 neu erbaut wurde. Das Schloß (Abb. 34) war der Schauplatz des in der Einleitung erwähnten Prinzenraubes. In der Nacht vom 7. zum 8. Juni 1455 raubte Kunz von Kaufungen die sächsischen Prinzen Ernst und Albrecht, die Söhne des Kurfürsten Friedrich des Sanftmütigen, um beim Kurfürsten seine Forderungen durchzusetzen. Kunz hatte zwei Mitschuldige, und der Verabredung gemäß sollten sich die Verschworenen trennen, um auf verschiedenen Wegen nach dem Kunzschen Schlosse Eisenberg zu gelangen. Nur eine Stunde von der Landesgrenze entfernt, wurde dem jüngeren Prinzen Albrecht während einer Rast im Walde Hilfe von einem Köhler, dessen Genossen durch den Klang der Hillebille herbeigerufen wurden. Der Prinz wurde befreit, Kunz gefangen genommen, und auf die Kunde hiervon gaben auch die anderen den gefangenen Prinzen Ernst frei. Die Abb. 35 und 36 zeigen deutlich die Veränderung und Vergrößerung der Stadt in 250 Jahren, die nicht nur Sitz der Landesbehörde ist, sondern sich auch einer bedeutenden Industrie erfreut. In der Nähe gibt es zahlreiche Steinbrüche und Braunkohlengruben. Der Handel ist bedeutend in Getreide, da der Altenburgische Ostkreis die Kornkammer Ostthüringens bildet und drei Viertel seines Flächenraumes angebaut ist, davon entfallen 66 vom Hundert auf Äcker und Gärten, 9 v. H. auf Wiesen. Die Stadt wurde urkundlich zuerst 980 erwähnt, wurde wahrscheinlich Mitte des XII. Jahrhunderts Reichsstadt, 1430 durch die Hussiten niedergebrannt, kam 1445 bei der Erbteilung an die Kurfürsten von Sachsen und wurde 1603 Residenz der älteren altenburgischen Linie des Ernestinischen Hauses, von 1826 an Sitz der neuen altenburgischen Linie.

Abb. 34. Schloß zu Altenburg.

Im östlichen Gebietsteile dehnt sich der Leina-Wald aus mit schönen Beständen von Fichten, Eichen und Buchen; westlich zwischen Gerstenbach und Schnauder die Fichten-[S. 42] und Buchenbestände des Kammer- und Luckaischen Forstes. Hier senkt sich das Gelände zu den parkähnlichen Wiesengründen der Schnauder, wo sich wieder einige bedeutende Siedelungen finden: die Stadt Meuselwitz (5300 Einw.), bekannt durch die reichen Braunkohlenlager ihrer Umgebung, und Wintersdorf (1000 Einw.). Die Braunkohlenförderung von 1500 Arbeitern in Sachsen-Altenburg beläuft sich jährlich auf 1¼ Mill. Tonnen im Werte von 2½ Mill. Mark. Bei dem nördlichsten altenburgischen Städtchen Lucka (1600 Einw.), das sehr gewerbefleißig ist, siegten 1307 die thüringischen Landgrafen über die Kaiserlichen unter Philipp von Nassau. Die Thone des Pleißenthales werden in Plottendorf bei Treben zu Röhren verarbeitet. Nördlich davon schimmern die fischreichen Haselbacher Teiche.

VI.

Wir kehren vom Rande der Niederung zurück zu den duftigen dunklen Nadelwäldern, an die felsigen Ufer der oberen Saale und wandern dann zur Höhe empor, wo sich das Gebirge zu massigen, breiten Buckeln aufbaut. Schiefer ist der Boden, der den Wald trägt, und mit seinen Platten sind die Häuser der Ortschaften bekleidet, ihnen damit ein besonders ernstes Gepräge verleihend. Ernst ist auch die Thätigkeit der Bewohner dieser Waldorte, mögen sie nun den Schiefer in nutzbringender Form verarbeiten, oder mögen sie Glas blasen oder Spielsachen fertigen, aber ein gütiges Geschick begabte sie mit Fröhlichkeit und leichtem Mut, auch wenn es ihnen sonst manches vorenthielt.

Abb. 35. Altenburg um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stiche von Merian).
Frankenwald.

Zwischen der oberen Saale, dem Münchberger Gneisgebiet, dem Triasstreifen Neuenmarkt-Stadt Steinach-Kronach und den Thälern der Haßlach und Loquitz erhebt sich der südöstlichste Teil Thüringens, das meist karbonische Schieferplateau des Frankenwalds. Durch zahlreiche enge und tiefe Thalfurchen ist es in eine Menge rückenförmig gestalteter Berge zerteilt. Von oben erscheint daher die Landschaft eben oder hügelig, besonders in der Richtung von Südwest nach Nordost, während nach anderen Richtungen die steilen Gehänge der Thäler die Zerrissenheit des Geländes erkennen lassen. Die Höhe des Kammes bleibt fast immer die gleiche und erreicht durchschnittlich 690 m, die Länge des ganzen[S. 43] Frankenwalds ist zu 45 km anzunehmen; der Rennsteig, soweit er den Frankenwald entlang läuft, mißt von Blankenstein an der Saale bis zur Eisenbahn Probstzella-Hochstadt nur 29 km. So einförmig aber auf den ersten Blick das Gebirge erscheint, so mutet es doch an wegen seiner ausgedehnten Nadelwälder, in denen die ganz mit Schiefer bekleideten Häuser und die zahlreichen hohen Schieferhalden sich etwas düster ausnehmen. Herrlich ist der Blick in die Thäler, hinter denen sich die Bergmassen kulissenartig zusammenzuschieben scheinen, und auch von den flachwelligen Stufen des nördlichen Frankenwaldes, wenn man plötzlich die Thaleinschnitte der Saale oder Sormitz farbenprächtig zu seinen Füßen schimmern sieht.

Bayerischer Teil des Frankenwaldes.

Von der oberen Saale im kurzen Thale des Pulschnitzbaches aufwärts wandernd, erreicht man die bayerische Stadt Münchberg (4800 Einw.), am Nordfuß des 583 m hohen Eisenbühl, von wo eine Zweigbahn hinüber führt nach Helmbrechts (4450 Einw.). Unweit des 707 m messenden Hohberges entspringt die Selbitz und scheidet die Ostabdachung des Frankenwaldes in eine westliche und östliche Hälfte. Unweit Schauenstein (1150 Einw.), das etwa 80 m über dem Flußthale liegt, mündet der Döbrabach, der in der Nähe des nadelwaldbestandenen sargähnlichen 794 m hohen Döbraberges entspringt. Vom Aussichtsturm des Berges übersieht man das ganze Gebiet des Frankenwaldes und das Fichtelgebirge, im Osten erkennt man bei klarem Wetter das Erzgebirge, im Westen die Feste Coburg und die Gleichberge bei Römhild, im Norden den Kulm und Wetzstein. Im Gneisgebiete zeigt das Selbitzthal noch keine schroffen Formen, die erst eintreten, wenn das Schiefer- und devonische Gebiet durchströmt werden. In Selbitz (1800 Einw.), erreicht die Zweigeisenbahn von Hof das Selbitzthal, um dann über Naila (2300 Einw.) nach Marxgrün zu führen. Naila ist ein lebhaftes bayerisches Städtchen, in dessen Nähe sich Marmorbrüche finden, sowie das Eisenhüttenwerk Oberklingensporn und das Hammerwerk Unterklingensporn. In der Mulde des Stebenbaches liegt das kleine Stahlbad Steben. Der untere Teil des Selbitzthales hat den übertriebenen Namen Höllenthal, ist aber mit seinem rauschenden Wasser und den fichtenbewachsenen Steilwänden sehr anmutig. Auf kahler Höhe liegt das bayerische Städtchen Lichtenberg (770 Einw.).

Abb. 36. Altenburg.
Flößerei. Lobenstein.

Wie wenig Bedeutung die auf der Hochfläche aufgesetzten Berge haben, die nur selten eine ausgiebige Formentwickelung zeigen, sieht man am westlich von Naila gelegenen Spitzberg, der auf einem Seitenaste des Hauptkammes sich zu 728 m erhebt, während nur etwa 4 km westlicher im Thiemitzwalde eine unbenannte Höhe zu 759 m vermessen ist. Der ganze südwestliche Teil des Gebiets entwässert zur[S. 44] Rodach, deren weit in das Schiefergebirge hinaufreichenden Zuflüsse sich bei Kronach vereinigen. Hier werden vom Oktober bis April die Holzreichtümer des Waldes flußabwärts geflößt und die dafür hergerichteten Wasserstraßen, die Floßbäche, haben deshalb an beiden Ufern häufig eine Holzeinfassung. Im oberen Teile der Thäler werden nun die Wasser zu großen Floßteichen aufgestaut, in denen sich die Stämme sammeln, um dann nach Öffnen der Wehre die stammtragenden Wogen zu Thale rauschen zu lassen. Dann eilen die Flößer den Bach entlang, mit ihren Floßhaken die Hölzer leitend und ihr Ansammeln zu vermeiden. An großen Stauwehren werden die abwärts geführten Stämme aufgefischt und an wasserreicheren Stellen zu Floßböden zusammengefügt, um bis in den Main geführt zu werden. Die Rodach entspringt bei Rodacherbrunn auf der Höhe des Frankenwalds, während sich ihre Zuflüsse auf ein Gebiet von mindestens 25 km ausdehnen, die wichtigsten die wilde Rodach und der Tschirner Bach. Der obere Teil des wilden Rodachthals und seiner mit prachtvollen Edeltannen bewachsenen Nebenthäler ist merkwürdig durch die vielen Einzelhöfe seiner meist auf Hochflächen oder oberen Thalmulden erbauten Ansiedelungen. Nur Schwarzenbach am Wald (1500 Einw.) ist ein geschlossener Marktflecken, wo Schiefer, Serpentin und Marmor gebrochen wird. Wallenfels (1650 Einw.) im unteren Rodachthale ist ein katholischer Marktflecken, dessen Bewohner entweder in den Wetz- und Schleifsteinbrüchen oder als Flößer arbeiten. Östlich des Orts erhebt sich in dunklem Nadelwaldschmuck die Döbra, 597 m hoch (nicht zu verwechseln mit dem oben erwähnten 794 m hohen Döbraberg). Den Höhen nördlich liegen benachbart der bayerische Marktflecken Nordhalben (1700 Einw.), dessen katholische Bevölkerung in Schieferbrüchen oder Sägemühlen thätig ist, und das südlichste reußische Dorf Titschendorf. Hierher wanderte der evangelisch gewordene Volksteil Nordhalbens aus, als er hart bedrängt wurde, so daß Titschendorf zur Glaubenskolonie geworden war. Die Poststraße führt von Lobenstein über Nordhalben herab ins Rodachthal, wo sie Steinwiesen (1400 Einw.), ein bayrisches Flößerdorf, berührt, um dann nach Zeyern und Rodach hinabzuführen. Die Haßlach (richtiger Haslach = Haselwasser) entspringt etwa 2 km oberhalb des gleichnamigen Dorfes und in ihrem Thale läuft dann die Eisenbahn Probstzella-Stockheim. Sie vereinigt sich mit der Rodach bei Kronach, nachdem sie ihre bedeutendsten Zuflüsse aufgenommen hat, die Kremnitz aus dem Frankenwalde, die Tettau aus dem Schiefergebiete des südöstlichen Thüringer Waldes. Die bayerische Stadt Kronach (4250 Einw.) gehört dem Frankenwalde nicht mehr an, sondern der südwestdeutschen Triasmulde. Hier, wie im benachbarten Bezirk Lichtenfels wird überall die Korbflechterei als Hausindustrie betrieben. Kronach ist Geburtsort des Malers Lukas Cranach. Über der Stadt erhebt sich auf einem Sandsteinfels 378 m hoch die alte Bergfeste Rosenberg, die niemals bezwungen wurde, auch im dreißigjährigen Kriege leistete sie tapferen Widerstand. Die Meereshöhe des Flusses beträgt bei Kronach noch 303 m, östlich erhebt sich der Kreuzberg bis 458 m, die wichtigste Aussichtskuppe ist jedoch die Radspitze, 679 m hoch, von wo aus die Blicke über Coburg bis zum Staffelberge schweifen und bei klarem Wetter bis zu den blauen Kuppen der Rhön, nördlich aber die Gesamtheit des dunklen Frankenwalds umfassen.

So schön der Waldbestand im südlichen Frankenwald ist, so sehr zeigt die nördliche Abdachung eine etwas eintönige Landschaft auf breiten Rücken. Der Wald ist hier nicht überall gut gepflegt, die Felder oft mit langen Steinhalden an den Rändern versehen, die Thalränder aber meist gut bewaldet. Von den Hohlebrunnwiesen, 601 m hoch, unter dem aussichtsreichen Lobensteiner Kulm (728 m hoch) kommt die Thüringische Moschwitz herab, die Grenze zwischen Bayern und Reuß jüngere Linie bildend. An der aus den Lemnitzer Wiesenmulden herabkommenden Lemnitz liegt die ehemalige Residenz des Fürsten von Reuß-Lobenstein, die Stadt Lobenstein (2900 Einw.), überragt vom 30 m hohen Wartturm, die Reste einer alten Burg. Die Stadt hat als Badeort Wichtigkeit, da sie Stahlquellen besitzt und durch die Eisenbahnverbindung nach Blankenstein und über Remptendorf nach Ziegenrück dem Verkehr näher gerückt ist. Auf dem nördlichen durchschnittlich 500 m hohen Gelände liegt an der Friesa der Flecken Ebersdorf (800 Einw.), eine[S. 46] besuchte Sommerfrische mit evangelischer »Brüdergemeine«. Das Schloß war früher Residenz der Fürsten von Reuß-Ebersdorf-Lobenstein, jetzt Amtsgebäude.

Abb. 37. Leuchtenberg und Friedensburg.
Leuchtenberg.

Wie die ausgespreizten Finger einer Hand vereinen sich die forellenreichen Quellbäche der Sormitz, die herniederrauschen durch frischen Fichtenwald, bei dem freundlich gelegenen reußischen Flecken Wurzbach (1900 Einw.). Hier werden die aus den benachbarten Schieferbrüchen geholten Platten zu Schiefertafeln verarbeitet. Eine schöne Poststraße führt abwärts, vorüber an vielen Hämmern, die jetzt aber nur noch Sägewerke sind, nur die Heinrichshütte ist das einzige noch im Frankenwald bestehende Eisenwerk. Früher bestanden hier Silbergruben nebst Schmelzen. Schädlich für die Fischzucht sind die roten, schwefelsaure Thonerde enthaltenden Niederschläge, die aus den Schieferhalden von Schmiedebach herrühren. Im unteren Sormitzthal leuchtet aus der grünen Umgebung weiß schimmernd das rudolstädtische Städtchen Leuchtenberg (1280 Einw.), das aber nur noch 302 m hoch liegt und als Sommerfrische besucht wird (Abb. 37). Über der Stadt erhebt sich auf dem 100 m hohen Schloßberge die Friedensburg, eine unregelmäßige Anlage aus dem XV. und XVII. Jahrhundert.

Abb. 38. Sonneberg.
(Nach einer Photographie von Horn & Sohn in Sonneberg.)
Ludwigstadt. Probstzella.

Nördlich des Rennsteigs, unweit des Dörfchens Brennersgrün, erhebt sich der fichtenbewachsene Wetzstein (785 m), der höchste Berg des Frankenwaldes. Westlich davon rinnen die Quelladern der Loquitz, die sich nach einem außerordentlich gewundenen Laufe bei Eichicht in die Saale ergießt. Am oberen Flußlauf ist das bayerische Ludwigstadt (1700 Einw.) die bedeutendste Siedelung. Auf dem nördlichen Hange gelegen, hat der Marktflecken zu Bayern erst engere Verkehrsbeziehungen erhalten durch die Eisenbahn, die hier Süd und Nord miteinander verbindet. In der Nähe gibt es viele Schieferbrüche, deren Ausbeute zu Tafeln, Dachschiefern und Wetzsteinen verarbeitet wird. An der Einmündung der Zopte liegt der meiningische Flecken Probstzella (1200 Einw.), mit Porzellan- und Holzwarenindustrie. Probstzella (des Probstes Zelle) verdankt seine Entstehung einer Kapelle, die das Saalfelder Peterskloster hier für die zerstreut wohnenden Wäldler erbauen ließ. In der Nähe bestehen große Schieferbrüche, besonders am Bocksberg (Schieferbruch Selig) und am Kolditzberg sowie bei Kleinneundorf. Im ehemaligen Eisenhammer Gottesgabe ist heute eine Steinschleiferei thätig, wo Thonschiefer zu verschiedenartigsten Gebrauchsgegenständen[S. 47] verarbeitet wird. Bei Hockeroda mündet die Sormitz in die Loquitz; der Hockerodaer Hammer ist jetzt eine Holzstofffabrik.

Abb. 39. Mündung des Schwarzathals.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Lehesten. Schieferindustrie.

Von Ludwigstadt führt eine Zweigbahn zum meiningischen Städtchen Lehesten (2000 Einw.), dem Hauptsitz der thüringischen Schieferindustrie und der größten Schieferbrüche des europäischen Festlands überhaupt, die einen Jahresumsatz von über 2½ Mill. Mark erzielen bei einer Produktion von 42000 Tonnen (je zu 1000 kg). Der thüringische Schiefer ist in Bezug auf Güte und Schönheit unerreicht und deckt mit seinen Tafeln die Dächer vieler Gebäude in allen Weltteilen. Eine Masse von Arbeit ist nötig, ehe der Schiefer zum fertigen Gebrauche vorliegt. Am gesuchtesten ist der Dach- und Tafelschiefer von glänzend blauschwarzer Farbe, der sich noch durch Leichtigkeit, Feinheit, Reinheit und Dauerhaftigkeit auszeichnet. Von den Tafeln kommen die größten unter Hobelmaschinen und ersetzen dann die Marmorplatten bei Billards u. s. f. In ungeheuerer Anzahl wurden früher die kleinen Schiefertafeln für Schulzwecke hergestellt, doch ist die Herstellung wegen der geringeren Nachfrage zurückgegangen. Das Bearbeiten der Tafeln erfolgt vielfach als Hausindustrie, und in manchem ärmlichen Dörfchen des Gebirges sind viele fleißige Hände thätig bis hinab zu den Kinderhänden, die hier nur durch dauernde Arbeit das Wort: »Viel Kinder viel Segen« wahr machen können. Die Tafelindustrie ist in Lehesten und Gräfenthal am stärksten, neuerdings auch in den bayerischen Bezirken Kronach und Stockheim. Die Konkurrenz der Aufkäufer und Großhändler hat die Wirkung gehabt, daß hier wie fast in allen hausindustriellen Gebieten die Preise bis zum äußersten herabgedrückt sind. Wöchentlich kann eine Familie etwa ein Schock Tafeln liefern, wofür 18 bis 20 Mark bezahlt werden; an Kosten für Schiefer gehen aber fast drei Viertel davon ab, so daß für die ganze Arbeit von 14 bis 18 Stunden täglich noch nicht eine Mark bleibt; das Holz ist als kostenlos zu berechnen, da man so viel »findet«, als man braucht. In neuester Zeit wird aber auch viel Schweizer Schiefer verarbeitet, der einschließlich der Fracht noch billiger ist als der an Ort und Stelle gebrochene. Die billige Hausindustrie ist hier immer noch erfolgreich in Wettbewerb mit den gut eingerichteten Tafelfabriken Rheinlands und Westfalens, sie hat aber den amerikanischen Markt verloren, da dort aus eigenem Schiefer jetzt Tafeln hergestellt werden.

[S. 48]

Griffelindustrie.

In besonderen Brüchen wird der Griffelschiefer gebrochen, der die zahllosen Schieferstifte liefert. Die Griffelindustrie war früher in Sonneberg stark vertreten, ist jetzt aber mehr in den schieferreichen Gebieten bei Steinach, Lehesten und Gräfenthal vorhanden. Der in den Brüchen gewonnene Stein muß leicht spaltbar und weich sein, weshalb er möglichst feucht gehalten und vor Wind und Sonnenstrahlen behütet wird. Auch beim Griffelmachen müssen alle Familienmitglieder mithelfen: der Vater bricht den Stein, sägt und zerspaltet ihn; das Runden, Aussuchen, Bemalen oder Bekleben und Spitzen besorgen Frau und Kinder. Eine Griffelmacherfamilie fertigt wöchentlich 12000 bis 15000 Griffel, von deren Verkaufspreis die Lebensführung abhängig ist. Aber auch hier kam rücksichtsloseste Konkurrenz zwischen den privaten Griffelmachern und den Genossenschaften, so daß trotz aller Mühe der Preis für das Tausend bis eine Mark und darunter sank. Eine andere Schieferart liefert den harten hellfarbigen Wetzschiefer, woraus die Wetzsteine hergestellt werden. Die größten Schieferbrüche sind der herzogliche Schieferbruch mit 600 Arbeitern, und der Oertelsche Schieferbruch mit etwa 1000 Arbeitern, durch eine 3 km lange Zahnradbahn mit dem Bahnhof Lehesten verbunden. Diese Betriebe gehören geologisch zum Kulm oder unteren Karbonformation, in der Thonschiefer vorherrschen, während in der oberen Karbonformation die Grauwacken überwiegen. Oft durchsetzen Grünsteine die meist steil aufgerichteten Schieferlager, so im malerischen Höllenthal (unteres Selbitzthal), am Lobensteiner Kulm, im Thale der wilden Rodach und anderwärts, aber auch Granit, wie am Hainberg (704 m) bei Schmiedebach unweit von Lehesten.

Erdgeschichte des Frankenwaldes.

Es sind im Frankenwald dieselben Kräfte thätig gewesen, die das obere Gebiet des Osterländischen Stufenlandes geformt haben und die sich noch weiter äußerten im Schiefergebiete des südöstlichen Thüringerwaldes. Durch den von Südost wirkenden Druck wurden auch hier die älteren Schichten zusammengeschoben und emporgehoben zu mächtigen Faltungen, welche die streifenartige Anordnung der Formationen bedingen. Im ganzen Schiefergebirge des Thüringerwalds, des Frankenwalds und des Osterländischen Stufenlands, sowie im Fichtelgebirge sehen wir nur noch einen Teil des alten Hochgebirges, das von Südwesten nach Nordosten sich quer durch Mitteleuropa erstreckt. Im Thüringerwald kreuzte sich mit diesem nordöstlichen Faltensystem ein nahezu senkrecht darauf stehendes nordwestliches, die zusammen den verwickelten geologischen und Oberflächenbau unseres Gebietes hervorgerufen haben. Gegen Ende der Steinkohlenzeit stiegen diese Mitteldeutschen Alpen wahrscheinlich zu ihrer größten Höhe empor, woran sich dann wieder die Periode des Verfalls anschloß. Abtragung durch Wasser, das an der Zertrümmerung und Wegschaffung der Gesteinsmassen arbeitet; ferner Senkungen und Spaltenbildungen, womit wohl die gewaltigen Ausbrüche von Eruptivgesteinen im Unterrotliegenden in ursächlichem Zusammenhange stehen. Das Endresultat war eine annähernde Einebnung der Mitteldeutschen Alpen, zumeist durch Ablagerungen des Rotliegenden, die von den Wässern in die Vertiefungen getragen wurden. Später drang das Meer weit in das bisherige Festland ein, hobelte die noch bestehenden Höhen ab und brachte die Ablagerungen des Zechsteins, der Triasformation (Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper), des Jura und der Kreide. Viele dieser Schichten haben damals das alte Gebirge des Thüringerwalds überdeckt, sind aber bis auf geringe Reste der Zerstörung anheimgefallen. Der aus Südwesten wirkende gewaltige Druck bewirkte nun neben Faltungen auch vielfache Zerreißungen. Ausgedehnte Landschollen sanken in tiefere Lagen, und in ursprünglicher Höhe blieben nur wenige »Horste« stehen, zu beiden Seiten des großen Thüringischen Senkungsfeldes (der Triasmulde) als wichtigste Landformen die Horstgebirge des Thüringerwalds und des Harzes. Von geringerer Bedeutung sind die Horste des Kyffhäusers, des sogenannten kleinen Thüringerwalds bei Schleusingen und die Görsdorfer Scholle bei Eisfeld. Durch bedeutende teils durch Verwerfungen und Absenkungen erfolgte Verschiebungen kam der heutige Thüringerwald in eine höhere Lage als die beiderseits anstoßenden Senkungsfelder. Weiter folgten dann noch starke atmosphärische Abtragungen, die meist[S. 50] die jüngeren Ablagerungen angriffen und häufig bis auf das alte Gebirge zurückgingen, die aber auch Veranlassung haben zu den heutigen weichen Umrißlinien des Gebirges, wodurch die thüringische Landschaft so reizvoll wirkt.

Abb. 40. Blankenburg und Burg Greifenstein.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

VII.

Südöstlicher Thüringerwald.

Wir wandern aus dem Frankenwald hinüber in den benachbarten Thüringerwald, aber dem Auge bleibt die Scheidegrenze verborgen, da sie nicht von der Natur sehr sichtbar vorgezeichnet wurde. Über uns rauschen immer noch die dunklen Fichten und Tannen, und wo wir hinausblicken aus dem Wald, da vermeinen wir die gleichen fernen Höhen und nahen Thäler schon irgendwo gesehen zu haben, die uns jetzt in die Erscheinung treten.

Dieser südöstliche Teil des Thüringerwaldes ist meist von kambrischem Schiefergebirge gebildet und gleicht daher auch in seinen Oberflächenformen sehr dem benachbarten Frankenwalde. Auch hier ragen die Gipfelhöhen aus der Hauptmasse des Gebirges nicht allzu kräftig empor, wenngleich sich das Gebirge schon etwas verschmälert und dadurch den Anfang zur Ausbildung eines Gebirgskammes macht, der aber erst im Nordwesten völlig ausgebildet erscheint.

Kohlen.

Der südöstliche Teil des Thüringerwaldes reicht von der Wasserscheide zwischen Loquitz und Haßlach in einer Kammlänge von 38 km und einer mittleren Breite von 20 km bis zur Schwalbenhauptwiese, also etwa bis zu einer Linie, die man von Amt Gehren nach Gießhübel und Unterneubrunn zieht. Der Rennsteig, der auf der Höhe des Gebirgs entlang führt, mißt von der Bahn Probstzella-Hochstadt bis zur Schwalbenhauptwiese 44 km. Die Hauptmasse besteht aus kambrischen Schiefern, denen auf der Linie Mengersgereuth-Steinach im Südwesten bis Saalfeld im Nordosten ein Silurband von wechselnder Breite und ein schmaler Devonzug aufliegen. Im Süden des Rennsteigs reicht dieses Devonband über Ludwigstadt bis Lehesten und ist wichtig wegen ockerhaltigen Schichten und Knotenkalk. Daran schließt sich ein Silurstreifen, der eine kambrische Scholle umschließt. Weiter nach Südosten folgen die mächtigen Schichtenmassen der Kulmschiefer, in der Umgegend von Stockheim zu beiden Seiten des Haßlachthales von Rotliegendem überlagert. Der Silur ist wegen seines Gehaltes an Eisen und Griffelschiefern wichtig, im Kulm befinden sich die großen Dachschieferbrüche. Die jüngere (produktive) Steinkohle kam im Thüringerwalde nicht zur Entwickelung, dagegen gibt es zahlreiche, wenn auch minder ergiebige Kohlenflötze im Rotliegenden, bei Stockheim, Eisfeld, Manebach und Kammerberg, Schmalkalden, Tambach, Thal u. s. f. Im Westen unseres Gebiets stößt Kambrium an das Rotliegende und die Porphyrite der Bogenlinie Amtgehren-Schleusegrund, noch im Westen der Schleuse zungenartig hinübergreifend über Frauenwald bis zum Adlersberg und Schmiedefeld ins Gebiet der Porphyrite und Quarzporphyre.

Die durch die Thäler der Loquitz und Haßlach und über den Kamm des Gebirges führende Eisenbahn von Saalfeld über Probstzella und Stockheim nach Lichtenfels ist nicht nur eine bedeutende Verbindungslinie zwischen Nord und Süd geworden, eine Konkurrenzbahn für die früher allein wichtige Hauptbahn Leipzig-Hof, sondern hat auch in manche Thäler regeres Leben gebracht, besonders durch die Zweigbahnen Schwarza-Paulinzella-Arnstadt, Probstzella-Wallendorf und Ludwigstadt-Lehesten. In Ludwigstadt übersetzt die Bahn den im Trogenbachthal liegenden Ortsteil auf einem 200 m langen, auf fünf mächtigen, 26 m hohen Steinpfeilern ruhenden eisernen Viadukt, steigt dann 1 : 40 an und überschreitet die Kammlinie des Gebirges, also die Wasserscheide zwischen Elbe und Rhein, mittels eines 7–13 m tiefen und 1400 m langen Einschnittes in einer Höhe von 594 m über dem Meere. Der bayerische Flecken Rothenkirchen (750 Einw.) liegt nur noch 410 m hoch und treibt Flachshandel. Beim bayerischen Dorfe Stockheim (800 Einw.) und dem benachbarten meiningischen Flecken Neuhaus (1200 Einw.), beide im Gebiete des Rotliegenden, gibt es die ergiebigsten Steinkohlengruben Thüringens. Die Produktion auf den meiningischen Gruben betrug 1896 für Heiz- und Schmiedekohlen 325000 Centner im Werte von 106000 Mark. Im Tettauthale, das hoch vom Kamm herabkommt und bei Pressig ins Haßlachthal mündet, herrscht reges, gewerbliches Leben. Der meiningische[S. 51] Flecken Heinersdorf (1400 Einw.) und das bayrische Dorf Tettau mit Porzellanfabrik und der Glasfabrik Alexandershütte sind die wichtigsten Plätze in dem grünen Thale. Landschaftlich wichtiger ist das westliche, benachbarte Gebiet, das seine Zuflüsse in der Steinach (steinige Ache = steiniges Wasser) sammelt, die aus den Quellen des Bernhardsthaler Teiches am Rennsteige entsteht und die über Unter-Lauscha bis[S. 52] Köppelsdorf ein Waldthal durchströmt, das mit seinen Nebengründen (Höritzgrund u. a.) herrliche Naturbilder bietet und durch Mühlen- und Hammerwerke belebt ist. Die Steinach ist durch Anlage von Sammelteichen dem Flößereibetriebe dienstbar gemacht, auch führt jetzt das Thal aufwärts eine Bahn bis Lauscha. Ein schon 1578 angelegter Floßgraben führt von Oberlind nach Neustadt an der Heide, und verbindet dadurch die Steinach mit der Röden und Itz.

Abb. 41. Paulinzella.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Lauscha. Steinach.

Wir betreten hier eine Gebirgslandschaft, die bis zu den Kammhöhen hinauf vom Segen der Arbeit befruchtet wird und deshalb auf verhältnismäßig magerem Boden und trotz ausgedehntester Waldungen volksreiche Ortschaften aufweist. Im Osterländischen Stufenlande hat sich die Textilindustrie zur Großindustrie umgewandelt, daran schließt sich im Frankenwalde eine großartige Schieferindustrie, die vielfach noch hinübergreift in den Thüringerwald, wo sich dann Porzellan- und Glasindustrie anschließen, um im Südwesten in der Eisenindustrie ihren Abschluß zu finden. Am Rennsteig oben liegt das mit Neuhaus fast zusammenstoßende sperlingslose Dorf Igelshieb (800 Einw.), mit 838 m Meereshöhe das höchst gelegene Dorf Thüringens, auf waldumrahmter Hochfläche in lang gestreckter Häuserreihe. Die Häuser sind mit Schiefer oder wetterdunklen Brettern beschlagen, die Bewohner arbeiten in der Glasfabrikation. In der oberen Thalmulde liegt das meiningische Dorf Lauscha (4400 Einw.) mit durch eigentümliche Mundart, Tracht und Sitte charakterisierter Bevölkerung, die sich durch Fleiß und Erfindungsgabe ebenso auszeichnet wie durch Lebensfreudigkeit und Spottlustigkeit. Hier »in der Lausche« war der Ursprung der thüringischen Glasindustrie, hier gründeten 1595 Greiner aus Schwaben und Müller aus Böhmen (deren Namen noch heute zahlreiche Familien tragen), die erste Glashütte, die zum Vorbilde für alle anderen derartigen Anstalten wurde. In den in Lauscha bestehenden drei Glashütten werden die verschiedenartigsten Gegenstände gefertigt: künstliche Menschenaugen, Glasaugen für ausgestopfte Tiere und Puppen, Glasblumen und -früchte, Perlen, Spielwaren. Auch werden Glasspinnerei und Porzellanmalerei getrieben. Schon 1867 wurde hier eine Gasfabrik errichtet zur Speisung der Lampengebläse für die Glasbläser in Lauscha sowie der höher gelegenen Dörfer Ernstthal, Igelshieb und Neuhaus. Weiter abwärts im engen Thal liegt der meiningische Markt Steinach (5300 Einw.) mit Schiefer- und Griffelbrüchen, sowie einer Glashütte. Auf der Höhe zwischen dem Steinacher Hüttengrund und dem Tettauthal bauen sich in langer Reihe die Häuser des Fleckens Judenbach (2000 Einw.) auf, dessen Bewohner Spielwaren herstellen oder in den Porzellanfabriken Hütten-Steinach (960 Einw.) arbeiten. Judenbach war früher eine wichtige Haltestelle an der großen Handelsstraße von Nürnberg nach dem Norden, und es gediehen hier Fuhrbetrieb und Geleitswesen.

Abb. 42. Ilmenau.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Sonneberg. Sonneberger Spielwarenindustrie.

Von Judenbach aus führt die Straße nach dem ärmlichen am Kamm liegenden Griffelbrecherdorfe Spechtsbrunn fast immer in gleicher Höhe von 700 m fort. Die Gipfel erheben sich hier nicht bedeutend aus ihrer Umgebung heraus, der höchste bis 868 m Höhe ist das Kieferle bei Steinheid, der aber keinen umfassenden Rundblick bietet. Von seinen Flanken rauscht der Effelder Bach zu Thale, an dem Mengersgereuth und Effelder (930 Einw.) liegen, beide mit zahlreichen Mahl- und Märbelmühlen (Märbeln = Murmeln, die kleinen für Kinderspiele hergestellten Kugeln). Am Austritt des Rödenbaches aus dem Schiefergebirge, an der Grenze zwischen Kulmformation, Buntsandstein und des Oberlindischen Diluvialbeckens erhebt sich die 1317 zuerst urkundlich genannte meiningische Stadt Sonneberg (12200 Einw.), der Mittelpunkt der thüringischen Spielwarenindustrie, deren Erzeugnisse sich in allen Weltteilen Absatzgebiete erobert haben (Abb. 38). Hier ist das Wunderland für die Freuden der Kinderwelt, denn hier wird das herrliche Spielzeug geschaffen, das Tausende von Händen aus Holz und Papier, Glas oder Porzellan, aus Marmor oder Steinen hervorbringen. Diese Industrie gelangte von Nürnberg her auf der alten über Sonneberg führenden Handelsstraße ins meiningische Oberland, ist in ihren Anfängen bis ins XIV. Jahrhundert zurückzuverfolgen, aber erst seit dem XVIII. Jahrhundert konnte sich ein Aufschwung vorbereiten. Für die mannigfaltigsten[S. 54] Unternehmungen war schon von der Natur ein günstiger Boden gegeben, der Holz, Kohle, Schiefer, Marmor, Sandstein, Thon u. a. spendete, deren Verarbeitung wiederum durch Wasserkräfte erleichtert wurde. Schon immer trieben die Waldbewohner im Gebirge allerlei Hausgewerbe, besonders Herstellung hölzerner Gebrauchsgegenstände. Zu den gewöhnlichen Holzwaren kamen dann allerlei Spielwaren, seitdem sich Sonneberg vom Nürnberger Handel unabhängig gemacht hatte, und diese Waren gingen schon damals nach England und Amerika. Den Spielwaren gesellte sich die Porzellanherstellung und Porzellanmalerei, ferner die durch eingewanderte Salzburger bekannt gewordene Fabrikation von Märbeln. Seit 1820 begann die Fertigung von Papiermasse und daraus bestehender Waren. Hierdurch wurde es erst möglich, Massenartikel zu billigem Preise herzustellen, und es trat seit dieser Zeit in den Gewerbsverhältnissen eine völlige Umwälzung ein. Die Thätigkeit drängt sich für die Weihnachtsproduktion auf wenige Monate zusammen, wo es dann Tag und Nacht gilt, beim Kneten und Formen, Hämmern und Raspeln, Malen, Nähen und Puppenbekleiden rastlos fleißig zu sein. Nach Weihnachten herrscht dann im ganzen Meiningischen Oberlande Arbeitsstille.

Abb. 43. Ilmenau, neuer Teil.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)

Früher waren die Kaufleute einfach die Vermittler zwischen der erzeugenden Hausindustrie und dem Käufer, heute sind sie vielfach Besitzer von Fabriken, wo die Spielwaren geschaffen oder aus den in Hausindustrie gefertigten Teilen zusammengesetzt werden. Ein jeder pflegt meistens ein ganz besonderes Gebiet der Spielwarenindustrie. Hier gibt es alles Erdenkliche, was das Kindergemüt erfreut: Flinten und Kanonen, Büchsen, Armbrüste, Blasrohre, Schießscheiben, Instrumente, die entweder Musik oder wenigstens Lärm verursachen, Puppenstuben, Kaufmannsläden, Puppen, Puppenküchen und Puppenmöbel sowie Holzpferde. Dazu kommen noch alle möglichen Tiere mit und ohne Stimme, etwa 100 Millionen Märbeln aus dem marmorähnlichen Muschelkalk und viele Millionen in Lauscha hergestellter Glasmärbeln. Trotz der guten vom Gebirge herabwehenden Waldluft ist die Arbeiterbevölkerung, die auf beschränktestem Raume zahlreich und unter den ungünstigsten gesundheitlichen Verhältnissen ihr Dasein fristet, nicht gesund, sondern matt und siech. Fast die Hälfte aller im Alter von über 15 Jahren Sterbenden geht an Lungenschwindsucht[S. 55] zu Grunde. In ebenfalls trauriger Lage sind die Schnitzer und Drechsler als Hilfsarbeiter; sie liefern die Holzteile zu Puppenteilen, zu Tierbeinen, die Gestelle und Räder für die fahrenden Spielsachen u. s f. Andere befassen sich nur mit Gebrauchsartikeln, wie Schachteln, Griffel- und Farbenkästen; besonders in Steinheid und Steinach sitzt diese Gruppe von Holzarbeitern. Für die Thätigkeit der Hausindustrie bedeutete es eine schlimme Veränderung, daß die Schachtelmacher mit den Leistungen der Maschinen den Wettstreit aufnehmen. Da gab es eine tägliche Arbeitsleistung von 18 Stunden, und alle Kinder vom zartesten Alter an mußten mitarbeiten. Für das Tausend Schachteln wurden dann 3 bis 4 Mark bezahlt! Die Spielwarenindustrie wird meist als weit verzweigtes Hausgewerbe betrieben, in der Sonneberger Umgegend in mehr als dreißig Ortschaften. In und um Sonneberg sind allein etwa 2500 Frauen und Mädchen mit dem Nähen von Puppenkleidern beschäftigt, wobei in Stoff und Farbe sogar den neuesten Moden Rechnung zu tragen ist. Die Leute arbeiten mit Frau und Kindern in ganz gewisser, sich immer gleich bleibender Arbeitsteilung, wodurch allein eine große Schnelligkeit und die Möglichkeit erzielt wird, gut und zu außerordentlich billigen Preisen zu liefern. Zur Vervollkommnung wird Bildhauerei, Malerei und etwas Musik für die Spielwaren angewandt, und eine Industrieschule sorgt für zweckmäßigen Unterricht darin. Im Kreise Sonneberg befassen sich etwa hundert Firmen mit dem Spielwarengeschäft, dessen jährlicher Gesamtumsatz auf 12 bis 15 Millionen Mark geschätzt wird.

Abb. 44. Das Haus zum kleinen Gabelbach.

Am Westfuße des Kieferle liegt der Marktflecken Steinheid (1700 Einw.), nur 54 m unter dem genannten Gipfel, in kahler unwirtlicher Höhe. Wo jetzt graue Schindelhäuser stehen, war einst eine reiche Bergstadt, wo im XIII. Jahrhundert auf Gold und Silber von mehr als 1000 Bergleuten gebaut wurde. Im Jahre 1430 zerstörten die Hussiten die Bergwerke und den Ort, der auch im dreißigjährigen Kriege große Verheerungen auszuhalten hatte. Von großer Bedeutung für die Glas- und Porzellanbereitung ist der Sandberg bei Steinheid, eine mitten im Schiefergebirge vorhandene Buntsandstein-Scholle, die viele Fabriken des Gebirges mit Quarz und Kaolin versorgt, von letzterem 24 vom Hundert enthaltend. Westlich im Nadelholzbestand des Sigmundsburger Forstes erhebt sich der 864 m hohe Bleßberg, ein Schieferkegel, der eine prachtvolle Rundsicht gewährt, im Süden bis[S. 56] zum Fichtelgebirge und der Altenburg bei Bamberg, im Westen bis zur Rhön und im Norden bis zum Adlersberg bei Suhl und Kickelhahn bei Ilmenau, im Osten zum Wetzstein und den dunklen Wällen des Frankenwalds. In der Nähe der »Saar«, der Höhe westlich von Siegmundsburg, verläuft über den Schmieden (832 m) und den Bleßberg eine Wasserscheide, von der Bäche zur Saale, zum Main und zur Werra abrinnen, so daß diese Höhe die drei Flußgebiete der Elbe, des Rheins und der Weser voneinander scheidet. Am Westabhange des Bleßberges, oberhalb des Dorfes Stelzen, entspringt die Itz aus dem Itzbrunnen, dessen Fassung eine Erinnerung an das Mittelalter ist, als er unter dem Namen Mariahilf für wunderthätig galt und ein viel besuchter Wallfahrtsort war. Der Abfluß des Brunnens verschwindet bald in den Klüften des Muschelkalks und kommt erst an der Stelzener Dorfkirche wieder zum Vorschein. Die Itz fließt dann über Bachfeld nach Schalkau (1900 Einw.), das eine Kunstschule und eine Fischzuchtanstalt besitzt, und dann südlich, wo sie die Effelder und bei Öslau die Röden aufnimmt, um dann nach Coburg umzubiegen.

Fast von der Höhe des Rennsteigs fließt die Saar, die sich bei Schwarzenbrunn mit der jungen Werra vereint, in regenarmen Sommern gänzlich versiegt, so daß die dort liegenden Schneidemühlen monatelang feiern müssen. Die Werraquelle liegt 824 m hoch am nördlichen Zeupelsberge, und tritt nach ihrer Vereinigung mit der Saar aus dem Schiefergebirge in das Gebiet des Buntsandsteins hinüber. In ihrem obersten Thalabschnitt liegt das Thonwaren- und Blaufarbenwerk Sophienaue. Vom 834 m hohen aus Rotliegendem (mit Sandsteinen und Schieferthonen) bestehenden Fehrenberg rinnen die Quellbäche der Biber ab, eine wilde Schlucht bildend, um dann zahlreiche Mühlen zu treiben; die Biber mündet bei Lichtenau in die Schleuse.

Neuhaus a. R. Gräfenthal.

Nördlich der Steinachquellen und zusammenhängend mit dem schon erwähnten Dorfe Igelshieb streckt sich von der Höhe des Rennsteigs nach Norden der schwarzburg-rudolstädtische Flecken Neuhaus am Rennsteig (1900 Einw.), der wegen seiner Höhenlage von 812 m auch von Sommerfrischlern besucht wird. Den Anfang zur Ortschaftsanlage bildete ein gräflich schwarzburgisches Jagdhaus, das 1673 an der Stelle eines Vogelherdes entstand (wo jetzt das Forsthaus steht). Die ersten Bewohner arbeiteten im Walde und machten im Winter Schachteln. Später entwickelte sich die Glasbläserei und Porzellanfabrikation, die heute hier 500 Menschen beschäftigt, sowie Porzellanmalerei und Thermometerherstellung. Östlich senkt sich die hellgrüne Thalmulde des Lichtebaches in den dunklen Fichtenwald, deren Wasser der Schwarza zufließt. Hier im oberen Lichtethal sind in langen Häusergruppen das Dorf Lichte (1300 Einw.) und der meiningische Flecken Wallendorf (1300 Einw.) hingestreckt. Lichte war früher Holzmacherdorf, für das ebenso wie für Wallendorf die Porzellanindustrie maßgebend geworden ist. Für die künstlerische Ausbildung sorgt eine Zeichen- und Modellierschule in Lichte. Von Wallendorf führt jetzt eine Zweigbahn nach Probstzella im Thale des Zoptebaches entlang, die auch wichtig ist für die Verfrachtung des bei Gebersdorf gewonnenen Eisensteins, der in Unterwellenborn bei Saalfeld verhüttet wird. Die meiningische Stadt Gräfenthal (2200 Einw.) liegt in grünem schmalen Wiesenthal und lehnt sich mit der hoch ragenden Kirche malerisch an den Abhang eines steilen silurischen Thonschieferberges, der das im XV. und XVI. Jahrhundert erbaute Schloß Wespenstein (499 m hoch gelegen) trägt. Hauptthätigkeit ist auch hier die Porzellanfabrikation, ebenso ist Gräfenthal, wenn auch nicht in dem Maße wie Lehesten, ein Mittelpunkt der Schieferindustrie.

Bergwerksbetrieb.

Die Bergwerksförderung im ganzen Herzogtum Meiningen belief sich 1896 auf fast 2 Millionen Centner im Werte von dreieinviertel Millionen Mark. Von 154000 geförderten Centnern Eisenstein waren 79 v. H. Spateisenstein und 21 v. H. Brauneisenstein. Der Betrieb in den 26 Dach- und Tafelschieferbrüchen war ein sehr lebhafter und es wurden fast 1 Million Centner im Werte von mehr als zweieinhalb Millionen Mark abgesetzt. Auch die staatlichen und Privat-Griffelbrüche sind stets in flottem Betriebe gewesen und der Wochenlohn eines Griffelmachers erreichte die Höhe von 15–20 Mark. Leider werden in[S. 58] der Nähe von Lichtenhain und Bernsdorf geringwertige Griffel in beträchtlicher Menge aus Dachschiefer hergestellt und in den Handel gebracht. Von den Porzellansandbrüchen bei Schiernitz und Steinheid sind 114160 Centner Sand geholt worden, während die vier staatlichen Kaolinsandbrüche bei Steinheid in Pacht gegeben worden sind.

Abb. 45. Sitzungssaal der Gemeinde Gabelbach.
(Gezeichnet von Curt Agthe.)

Auf dem nördlich des Zoptethals aufsteigenden Hochlande reicht der höchste Punkt im Rauhhügel nur bis 803 m. Namen wie Schmiedeberg, Goldberg, Schwefelloch deuten darauf hin, daß schon in früher Zeit hier der Bergbau blühte, der aber heute nur noch auf Eisenstein betrieben wird. Schmiedefeld (1000 Einw.) und Reichmannsdorf (1100 Einw.) sind ehemalige Bergwerksdörfer, die schon im XII. Jahrhundert Bergbau auf Gold gepflegt haben, jetzt neben Landwirtschaft einige Gewerbe treiben, besonders Schachteln und Schiefertafeln herstellen. Die allmähliche Abdachung des Geländes nach Nordosten ist Veranlassung, daß die Kursdorfer Kuppe mit 789 m Höhe einen weiten Umblick gestattet, besonders auf das obere Schwarzathal und seine Verästelungen; einen ähnlichen Blick hat man auch vom Turme des Kirchberges (786 m) bei Oberweißbach. Außer der Loquitz bildet hier die Schwarza das Hauptsammelbecken der Gewässer, die östlich vom Dorfe Scheibe 715 m hoch vom Gebirgsrücken herabkommt. Eingeschnitten in kambrische Thonschiefer, windet sie sich in zahlreichen Biegungen durch tiefe Schluchten, über Felsblöcke dahinrauschend und läßt an manchen Stellen kaum Raum für die Straße oder schmale Wiesenstreifen. Die schönsten Theile des Thales sind der obere Abschnitt bis Blumenau und der untere von Schwarzburg abwärts, wo die Wände bis 45° Böschung haben oder senkrecht abstürzen. Ähnlichen Charakter zeigen auch die Nebenthäler, soweit sie gleiche geologische Beschaffenheit haben. Das Thal beherbergt indes viele Siedelungen und ist reich an gewerblichem Leben.

Abb. 46. Goethehaus auf dem Kickelhahn.
Katzhütte.

Das mächtige mit Buchen und herrlichen Tannen bewachsene Massiv des am höchsten Punkte 866 m messenden Wurzelberges wird von der jungen Schwarza in einem Halbkreise westlich umflossen. In der oberen wiesenreichen Thalweitung liegt in einer Höhe von 617 m, rings von[S. 60] Nadelwaldhöhen eingeschlossen, das rudolstädtische Dorf Scheibe (1000 Einw.), entstanden aus einem früheren Eisenhammer, mit bedeutender Porzellanfabrik. Der Bergbau auf Gold in Goldisthal, der noch im XVIII. Jahrhundert betrieben wurde, war zu wenig erträglich und mußte eingestellt werden. Die Ortsteile des schwarzburgisch-sondershäusischen Dorfes Ölze (1100 Einw.) ziehen sich am linken Schwarzaufer eine Stunde lang hin. An Stelle der eingegangenen Eisenhämmer sind Glashütten, Bleiweiß- und Farbenfabriken und viele Mühlen getreten, daneben beschäftigen sich die Einwohner noch als Holzarbeiter. In Altenfeld, wo Glashütten bestehen, zeugt ein alter Stollen noch von einem ehemaligen Silberbergwerk. Der Fabrikort Katzhütte (1600 Einw.), 427 m hoch, von hohen tannenbestandenen Bergen umschlossen, hat Eisengießerei und Porzellanfabrik, in der 300 Personen arbeiten und gegen 600 Familien noch außerhalb dafür beschäftigt werden. Hier wurde von den Gebrüdern Greiner 1759 die erste Porzellanfabrik in Thüringen angelegt, die aber in einigen Jahren nach Wallendorf verlegt wurde. Fast die Hälfte aller in Deutschland in den Porzellanfabriken thätigen Arbeiter sind in Thüringen vorhanden, wo trotz der Schwierigkeit der Beschaffung von Rohstoffen die Porzellanindustrie außerordentliche Bedeutung gewonnen hat. Nicht die Fabrikorte allein ziehen Vorteil davon, auch für deren weitere Umgebung ist die Industrie gewinnbringend, denn zahlreiche Waldbewohner arbeiten in Hausindustrie für die Fabrik oder sind in Sandsteinbrüchen und Massemühlen, ferner als Kapseldreher, Kisten- oder Pappkästenmacher thätig.

Abb. 47. Suhl und Domberg.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Großbreitenbach. Schwarzburg.

Der wichtigste Platz im oberen Schwarzagebiet ist die zu Schwarzburg-Sondershausen gehörige 634 m hoch gelegene Stadt Großbreitenbach (2800 Einw.), im XVII. Jahrhundert der Mittelpunkt der Balsamträger (Medizinhändler), jetzt thätig in Porzellanindustrie, Spielwaren- und Geigenfabrikation. Zur Hebung der Stadt trägt eine Kunstschule bei, aber auch die Eisenbahnverbindung über Gehren nach Ilmenau. Die nordwestlich davon auf waldlosen Höhen gelegenen Dörfer treiben Weberei, deren Mittelpunkt jedoch das in einem tiefen Thalkessel gelegenen Friedersdorf ist. Das größte Dorf des Weberbezirks ist Böhlen (1100 Einw.), wo früher Kupferbergbau bestand. In ein schmales Seitenthal zieht sich der 1½ km lange Ort Mellenbach (1000 Einw.) hinauf, der Glasbläserei, Thermometer- und Kistenfabrikation treibt, auch mehrere Säge- und Mahlmühlen hat. Auf der Höhe zwischen Schwarza und Lichte liegen Cursdorf (900 Einw.) am Fuße der Cursdorfer Kuppe, das eine Zündholzfabrik hat, und Oberweißbach (2100 Einw.), das sich erst nach dem dreißigjährigen Kriege durch den Medizinhandel schneller entwickelte, jetzt Porzellan und Thermometer herstellt.

Schwarza. Blankenburg.

Eine Menge von Eisenhämmern sind zu Sägemühlen umgewandelt worden, so auch der unterhalb der Lichtemündung liegende Blechhammer. In Sitzendorf wird Porzellan und Bleiweiß fabriziert. Nur 2 km flußabwärts von hier erreicht man den schönsten Punkt des Schwarzathales, Schwarzburg mit seinem hell ins grüne Thal schimmernden Schlosse, das 370 m hoch auf dem Ausläufer des Tännig erbaut ist, 80 m über der Thalsohle. Wie eine Insel ragt der Thonschieferberg empor, von der Schwarza in großer Schlinge umflossen, eine farbenprächtige Vereinigung von Thal und Berg, von Wiesen-, Fichten- und Buchengrün, ein so stimmungsvolles Landschaftsbild, daß Schwarzburg auch die »Perle Ostthüringens« benannt wird. Das Schloß ist urkundlich zuerst 1123 erwähnt und zuerst wohl als eine gegen die Sorben errichtete Burg anzusehen, die hier im Schwarzagebiet, wenn man den vielen Namen mit der Endung »itz« trauen darf, bedeutend über ihre sonstige Westgrenze, das Saalethal, vorgedrungen waren. Das heutige Schloß stammt aus der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts. Der Ort Schwarzburg ist eine besuchte Sommerfrische. Den herrlichsten Blick hat man auf das Schloß und seine wundervolle Umrahmung von der Borkenhütte des Trippsteins, 195 m über der Schwarza gelegen (Abb. 1). Zwischen Schwarzburg und Blankenburg, wo der Fluß aus dem Schiefergebirge tritt, sind die Thalränder am kühnsten und steilsten und die Schieferfelsen nur dann ersteigbar, wenn ihm Zerklüftungen schmale Treppen gebildet haben.[S. 62] Nach diesem Schlußstück des Schwarzathales (Abb. 39) tritt der Fluß durch ein schmales Sandsteinband, und seine Ufer verlieren an charakteristischem Gepräge; hoch über den Anschwemmungen seines Wassers finden sich Lager von diluvialem Schotter. Der Ort Schwarza (1300 Einw.), wo die Schwarza in die Saale mündet, war ein alter Stapelplatz für Floßhölzer, ist jetzt aber nur auf Ackerbau und Gemüsezucht beschränkt. Im kleinen Werrethal und dem benachbarten rechten Uferrand der Schwarza wachsen herrliche alte Tannen, auf der Höhe im Wildgarten steht der Eberstein (387 m), ein burgartiger zu Jagdzwecken erbauter Turm.

Abb. 48. Oberhof.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)

Von Schwarza führt eine Eisenbahn über Blankenburg zunächst das Rinnethal aufwärts und über Paulinzella nach Stadtilm. Blankenburg (2600 Einw.), in grüner anmutiger Thalung wenig oberhalb der Rinnemündung gelegen, wurde schon 1071 als zum Orlagau gehörig erwähnt. Die Stadt liegt an der Gesteinsgrenze, wo Schiefer, Zechstein, Buntsandstein und Muschelkalk aneinander stoßen und dadurch der Landschaft ein mannigfaltiges Gepräge geben. Solche Lagebegünstigung durch Gesteinsgrenzen und Thalverbindung finden wir außerordentlich häufig und bemerken dies sowohl an dem Kranze von Städten, die den Gebirgssaum des Thüringerwalds umrahmen, als auch bei den großen Siedelungen im Thüringischen Triasbecken. Wegen seiner günstigen Lage ist Blankenburg (Abb. 40) zum Badeort geworden, hat auch lebhafte Industrie, Sägemühlen und Steinbrüche. Hier errichtete Fröbel 1840 den ersten deutschen Kindergarten. Nördlich der Stadt, die 226 m hoch liegt, erhebt sich ein 405 m hoher Muschelkalkkegel mit den ausgedehnten Ruinen der Burg Greifenstein, eine der größten Burganlagen Deutschlands. Urkundlich erst im XII. Jahrhundert erwähnt, war sie in drei Abteilungen geschieden und mit doppelten Mauern und Graben umgeben. Bis 1407 war die Burg von verschiedenen Gliedern der gräflich schwarzburgischen Familie bewohnt, von 1560 an verfiel aber der stolze Bau allmählich.

Abb. 49. Inselsberg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Königsee.

Die Rinne entspringt im kambrischen Schiefer und tritt bei Königsee in den Zechstein und Buntsandstein ein. Die rudolstädtische Stadt Königsee (2900 Einw.), 385 m hoch gelegen, wird schon 1287 als Stadt erwähnt und hat ihren Namen wohl davon, daß es im Mittelalter Sitz eines[S. 64] Königsgerichtes war. Es wird neben Ackerbau viel Industrie getrieben, die Umgegend liefert Porzellansand und Gips. Früher war die Stadt weit bekannt durch seine Balsamträger (in feinstem Deutsch Laboranten oder Olitätenhändler genannt). Bald nach dem dreißigjährigen Kriege wurden in großem Maßstabe aus Kräutern und Wurzeln Arzneien, Pflaster, Magentropfen, Lebensbalsam, »Stockdumm« (Staugton-Elixir), Schneeberger Schnupftabak, Krammetsvogel-Spiritus und andere schöne Dinge zusammengebraut, die dann in ganz Mitteleuropa zum Verkauf herumgetragen wurden. Diese Balsamhändler hießen einfach »Königseer«, weil ihnen meist vom Amt Königsee die Pässe ausgestellt wurden. Das Geschäft ging gut und brachte große Einnahmen, wurde aber durch das Eingreifen der Gesundheitspolizei erheblich eingeschränkt und ist jetzt fast erloschen.

Abb. 50. Friedrichroda.
(Nach einer Photographie im Verlag von W. Zinke in Friedrichroda.)
Paulinzella.

Ein Seitenbach der Rinne, der Rottenbach, durchfließt das schöne Waldthal von Paulinzella, dessen ehemalige Stille aber durch Einbeziehung in den Eisenbahnverkehr geschwunden ist. Im Buntsandsteingebiete liegend, bietet das grüne Thal einen erfreulichen Gegensatz zu dem sandigen Kiefernwald, der sich nach Gehren zu erstreckt. Die Ruine der in romanischem Stile erbauten ehemaligen Klosterkirche ist eine der schönsten im deutschen Vaterlande. Schlank streben ihre Pfeiler empor und wölben sich zu herrlichen Bogen, während an Stelle des Daches der blaue Himmel hineinschaut (Abb. 41). Der Bau der Kirche wurde 1105 begonnen, während das Jungfrauenkloster schon Ende des XI. Jahrhunderts von Pauline, einer Tochter Morihos, Truchseß Heinrichs IV. gegründet wurde. Bald entstand in nächster Nachbarschaft ein Mönchskloster mit Benediktinern. Welcher Reichtum diesem Doppelkloster zufloß, ist daraus zu erkennen, daß über hundert Ortschaften dem Kloster zinspflichtig waren. 400 Jahre dauerte das wohl, dann brach über dem schweres Ärgernis gebenden Treiben der Klosterinsassen der Sturm des Bauernkrieges herein, und 1528 wurde das Kloster aufgehoben, vielleicht schon unter dem Einfluß der Reformation. Erst seit dem XVII. Jahrhundert verfiel der köstliche Bau, und mancher seiner Steine wurde zu den gewöhnlichsten Dorfhäusern verbaut.

Abb. 51. Schloß Reinhardsbrunn.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

VIII.

Geologische Verhältnisse des Thüringerwaldes.

Wandert man auf dem Rennsteig vom Waldarbeiterdorf Masserberg gegen Neustadt am Rennsteig, also in den mittleren und nordwestlichen Teil des Thüringerwalds, so sieht auch das ungeübte Auge, daß durch die nun vorherrschende Buchenbewaldung auf eine andere Bodenbeschaffenheit zu schließen ist. Wir verlassen das Gebiet der kambrischen Phyllite und Thonschiefer und gelangen in das Bereich des Rotliegenden und der Porphyre. Das Gebirge schließt sich allmählich zusammen zu schmalerer Entwickelung, aber mit ausgesprochener Kammbildung. Immer klarer wächst eine Gebirgskette empor mit deutlicher Ausbildung von Kammlinie, Gipfeln und Pässen, und mit angegliederten Seitenästen. Der Hauptkamm überragt das Vorland um etwa 400–500 m, den Fuß des Gebirges umsäumen auch hier wieder zahlreiche Siedelungen wie eine Perlenschnur, durch die Hauptpunkte Schleusingen, Suhl, Schmalkalden, Liebenstein, Eisenach, Waltershausen, Ohrdruf, Ilmenau und Gehren gekennzeichnet. Die Kammlänge des mittleren und nordwestlichen Thüringerwalds beträgt 101 km, das ganze Gebirge[S. 66] einschließlich des südöstlichen Teils bis zur Wasserscheide zwischen Loquitz und Haßlach bedeckt einen Raum von 1985 qkm (der Harz umfaßt 2468 qkm) mit einer Bevölkerung von rund 200 000 Seelen. Die Länge des Rennsteigs von der Schwalbenhauptwiese bis zur Werra bei Hörschel beläuft sich auf 95 km. Im nordwestlichen Teile des Gebirges, fast in der Mitte der gesamten Längserstreckung zwischen Loquitz- und Haßlachquellen und der Werra erheben sich die höchsten Gipfel des Gebirges, als erster der Große Beerberg mit 983 m Höhe. Von hier aus senkt sich der Gebirgsrücken gleichmäßig nach Nordwesten hin, im Inselsberg noch einmal mächtig emporsteigend, um dann sich rasch abzustufen bis zum Eichelberg, 341 m, dem nordwestlichen Eckpfeiler über dem Werradurchbruch.

Abb. 52. Ruhla.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

Im mittleren und nordwestlichen Thüringerwald treten nur in untergeordneter Weise Teile des älteren Grundgebirges empor; einmal im Granit in der Gegend von Mehlis und Zella bis Suhl, das hinübergreift ins Vesser- und Nahethal sowie ins obere Ilmthal, dann im Nordwesten archäische Gneise und Glimmerschiefer neben Graniten im Gebiet von Kleinschmalkalden und Brotterode bis über Ruhla hinaus. Das Hauptgebiet besteht hauptsächlich aus den Schichten des Rotliegenden mit wenigen Kohleneinlagerungen und mächtigen Konglomeratbildungen, sowie den in der jüngeren paläozoischen Zeit emporgedrungenen zahlreichen Eruptivgesteinen, namentlich Porphyren und Melaphyren. Hierzu kommen noch in einer vom Nesselbachthal nordwärts gerichtete Zone Diabase in den Schieferthonen des Rotliegenden, und vulkanische Aschen, die unter Einwirkung des Wassers zu Tuffen umgelagert wurden. Die Abgrenzung des Gebirges vom nördlichen und südlichen Vorland wird an vielen Stellen durch einen Zechsteingürtel vermittelt, am Südwestfuß vom Werrathale bis über Schweina hinaus oft in einer Breite von 2–3 km, dann treten nur noch einzelne Gebiete hervor, bei Seligenthal, Asbach und Benshausen. Von Suhl an tritt der mittlere Buntsandstein unmittelbar an das alte Gebirge heran, weiter südöstlich sogar der Muschelkalk, erst von Sonneberg an erscheint der Zechstein wieder. Auf der Nordostseite begrenzt ein schmaler Zechsteingürtel das Gebirge in mehrfachen Unterbrechungen, zu größerer Breite sich erst zwischen Gehren und Blankenburg entwickelnd. Erst östlich von Saalfeld erreicht er in der großen Senke bis nach Gera hin seine größte Breite und begleitet den Fuß des Osterländischen Stufenlandes, das mit der Platte des Frankenwaldes ein unmittelbar zusammenhängendes Ganzes bildet, wie wir oben bereits erwähnt haben. An den Unterbrechungsstellen tritt im Nordosten der untere Buntsandstein an das Gebirge, dem sich nach außen der obere Buntsandstein und der Muschelkalk anschließen.

Das Vorland beider Seiten besteht also, abgesehen von kleineren Gebieten älterer Gesteine an solchen Stellen, die gestörte Lagerungsverhältnisse aufweisen, im allgemeinen aus Schichten der mesozoischen Formation, besonders Triasschichten. Meist umsäumt dann der Buntsandstein als unterstes Glied der Trias den Gebirgsfuß, in geringerer oder größerer Entfernung folgt der Muschelkalk und weiterhin der Keuper, doch stoßen sowohl Muschelkalk als auch Keuper mehrmals an das ältere Gebirge an. Von besonderem Belang für die geologische Geschichte des Thüringerwalds ist das Auftreten vereinzelter Reste der alten Zechsteinbedeckung auf den Höhen des Gebirges, so auf den Höhen zwischen der oberen Ohra und oberen Lütsche (nördlich von Oberhof), zwischen dem Kehlthal und Brandleitetunnel, bei Arlesberg und Gehlberg, überall im Rotliegenden; und die Reste des Buntsandsteins hoch oben am Rennsteig bei Scheibe, Limbach und Steinheid, also mitten im Schiefergebirge.

Am Rennsteige, in der Nähe des großen Dreiherrensteines, wo preußisches, meiningisches und Sondershäuser Gebiet zusammenstoßen, entspringt in 790 m Höhe die Schleuse. In ihrem südlich und südwestlich gerichteten Laufe bildet sie bis zum Dorfe Oberrod die Grenze zwischen preußischen und meiningischen Landesteilen. In der Nähe des Forsthauses Franzenshütte oder »Allzunah«, einer ehemaligen Glashütte, die »allzunah« an Stützerbach lag und deshalb nicht zu bestehen vermochte, rinnt ein westlicher Zufluß herab. »Allzunah« ist in gewisser Hinsicht eine Landschaftsscheide: im Nordwesten herrscht der Buchenwald[S. 67] vor, und das Land mit seinen Burgen und Schlössern ist umwoben von Geschichte und Sage aus den Zeiten des Rittertums und Hofglanzes; im Südosten herrscht auf den kambrischen Schiefern der Nadelwald vor, und die Ortschaften sind verhältnismäßig neue Siedelungen, oft nicht viel älter als einige Jahrhunderte.

Abb. 53. Wartburgblick von der hohen Sonne.
Neustadt a. R., Schleusingen.

Über bewaldeten Thalwänden liegt oben im Porphyritgebiete das preußische Dorf Frauenwald (800 Einw.), mit Glashütte, in einer Höhe von 767 m. Östlich fließt der Schleuse der Tannbach zu, der seine Quelle am Rennsteig hat, beim meiningischen Dorfe Neustadt am Rennsteig (1300 Einw., wovon 500 zum Sondershäuser Anteil gehören), erst 1700 gegründet. Der Ort trieb früher Feuerschwammbereitung, da die Buchenwaldungen der Umgegend reich an Schwamm waren. Bei der Höhenlage und der ärmlichen Bodenbeschaffenheit ist die Landwirtschaft hier ohne Bedeutung, und der größte Teil der Bevölkerung ist deshalb industriell thätig. Als Hausgewerbe wird die Herstellung von Phosphorzündhölzern betrieben, die dann im Umherziehen verhandelt werden. Die Zündholzindustrie birgt große Gefahren in sich, da die durch Phosphor hervorgerufenen Knochenerkrankungen zu den schauderhaftesten aller[S. 68] Gewerbekrankheiten gehören. Dabei sind die Verhältnisse in der Hausindustrie viel ungünstiger als in größeren Arbeitsstätten, weil dort bei den beschränkten ungelüfteten Räumen die Erkrankungen viel häufiger sind. Von den Hängen des Querenberges fließt der Neubrunn über Gießhübel (amtlich Gießübel geschrieben, mit 1000 Einw.), das zwischen kambrischen Schiefern und Porphyrit in ein schönes Thal gebettet ist, nach dem kleinen meiningischen Flecken Unter-Neubrunn, wo er in die junge Schleuse mündet. Die Landschaft wird hier widergespiegelt in den Namen der benachbarten Ortschaften: Schönau, Lichtenau und Engenau, wo die Schleuse aus dem Rotliegenden hinaustritt ins Gebiet des mittleren Buntsandsteines, und das am bewaldeten Hang des Schwarzen Kopfes gelegene Waldau. Den Hauptplatz bildet hier die in grüner Wiesenmulde gelegene preußische Kreisstadt Schleusingen (3900 Einw.), die alte Hauptstadt der gefürsteten Grafschaft Henneberg, am Zusammenflusse von Erlau, Vesser und Nahe mit der Schleuse. Diese Floßwässer begünstigen einen lebhaften Holzhandel und zahlreichen Mühlenbetrieb. Ein Teil der Stadt liegt jetzt höher als die schöne Bertholdsburg, die im XIII. Jahrhundert entstand und im XVI. Jahrhundert in deutscher Renaissance erneuert wurde. Eine Glashütte, sowie Fabriken für Porzellan, Bleiweiß und Papier zeugen von industrieller Thätigkeit.

Abb. 54. Annathal bei Eisenach.
(Nach einer Photographie von K. Schwier in Weimar.)
Schmiedefeld.

Das schöne Waldthal der Nahe führt hinauf nach dem 716 m hoch liegenden preußischen Dorfe Schmiedefeld (2100 Einw.), wo noch Flachsbau lohnend ist. Der betriebsame Ort liefert besonders Porzellan und physikalische Instrumente aus Glas. Am 919 m hohen Eisenberg findet sich Eisenstein mit einem Eisengehalt von 30–40 vom Hundert, der ehemals zahlreiche Hammerwerke versorgte. Parallel mit dem Nahethal läuft das Vesserthal, in dessen oberem Abschnitt auf engem Raum zwischen Bach, Wiese und den felsigen Thalwänden die Häuschen des Dorfes Vesser zerstreut sind. Abwärts rücken die Thalwände eng zusammen und bilden den etwa zwei Stunden langen schönsten Teil des Thales. Unterhalb des schon 1144 gegründeten Dorfes Breitenbach wird das Thal flacher und trägt wieder Wiesen und schmale Äcker. Oberhalb Vesser liegt 749 m hoch am oberen Rande einer weiten grünen Matte, die rings von ausgedehnten Buchen- und Fichtenwaldungen umkränzt ist, das Stutenhaus. Das jetzige Bergwirtshaus war früher ein Gestüt des Klosters Veßra. Im Westen erhebt sich die Porphyritkuppe des 849 m hohen Adlersberges (Ahornberges), von dessen Aussichtsturm man eine prachtvolle Rundsicht genießt. Tief im grünen[S. 69] Grunde liegt Schleusingen, aus der Ferne grüßen mit goldigem Glanze herüber die Feste Coburg, Schloß Banz und die zweitürmige Klosterkirche von Vierzehnheiligen, im Westen blaut der Rücken des Rhöngebirges. An seinem nordwestlichen Abhang schluchtet sich in Granit und Porphyr das Thal der finsteren Erle, mit mächtigem Buchenwald bedeckt.

Abb. 55. Fritz Reuters Landhaus bei Eisenach.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)
Gehren. Ilmenau.

Vom Porphyrkegel des 815 m hohen Fürstenberges rinnen die Wässer der Wohlrose und Schobse ab, die sich bei Gehren vereinen. Das Sondershäuser Städtchen Gehren (2400 Einw.), am Fuße des 809 m hohen Burzelberges gelegen, hat ein fürstliches Sommerschloß und viel Industrie. Die Flußufer der Wohlrose sind gebildet von ausgedehnten Diluvialschottern, die aber zum großen Teile bewaldet sind. In breiterem Wiesengrunde mündet der Fluß dann in die Ilm; das Gebiet ist ausgezeichnet durch zahlreiche Teiche, wodurch die flacher werdende Landschaft außerordentlich belebt wird. Da, wo die Eisenbahn von Großbreitenbach über Gehren die Ilm erreicht, liegt das Städtchen Langewiesen (2800 Einw.), dessen Eisenindustrie aber völlig eingegangen ist. Durch den anmutigen durch Mühlen und Hammerwerk belebten Hüttengrund gelangt man nach der weimarischen Bergstadt Ilmenau (8000 Einw.). Unsere Abbildungen (42 und 43) zeigen den Ort gegen das offene Land und gegen das fichtenbewaldete Gebirge hin, nach welcher Richtung sich auch die Neubauten ausdehnen, die der Bedeutung Ilmenaus als Sommerfrische ihre Gründung verdanken. Die freundliche 473 m hoch gelegene Stadt wurde schon im X. Jahrhundert erwähnt und wechselte oft ihre staatliche Zugehörigkeit, denn sie war käfernburgisch, hennebergisch, sächsisch; seit 1660 gehört sie zu Weimar. Ihre Vergangenheit ist verklärt durch die Erinnerung an Karl August von Weimar und seinen Freund Goethe, die oft hier weilten und in überschäumender Jugendlust ihre Tage genossen. Goethe feierte Ilmenau in den 1783 geschriebenen Versen:

Anmutig Thal! Du immergrüner Hain!
Mein Herz begrüßt euch wieder auf das beste;
Entfaltet mir die schwer behangnen Äste,
Nehmt freundlich mich in eure Schatten ein ...

Vom XVII. bis ins XVIII. Jahrhundert blühte hier der Bergbau auf Kupfer und[S. 70] Silber; infolge eines Durchbruchs des Manebacher Teiches wurden aber die Gruben ersäuft, und auch Goethes Bemühungen konnten diesen Erwerbszweig nicht retten. Heute werden nur noch Steinkohlen und Braunstein gewonnen, und die fleißige Bevölkerung ist industriell thätig; für Fortbildung sorgt eine Fachschule für Glasarbeiter und eine Gewerbeschule.

Stützerbach. Gabelbach.

Im schönen Manebacher Grunde liegt am rechten Ilmufer das weimarische Dorf Kammerberg, gegenüber am linken Ufer das gothaische Dorf Manebach. Aufwärts zieht sich der anmutige Meiersgrund, belebt von Mühlen und Pochwerken, bis zum Dorfe Stützerbach (2000 Einw.). Auf Preußisch-Stützerbach entfallen 1250 Einw., die übrigen auf den weimarischen Anteil. Der Ort mit seinen sauberen schieferbekleideten Häusern ist bekannt wegen seiner Glashütten, worin 300 Arbeiter thätig sind, und der Glasbläserei für wissenschaftliche Zwecke. Von hier aus kamen durch Greiner die ersten Thermometer in den Handel. Auf einer Höhe zwischen Lengnitz und dem einsamen Schortethal liegt 757 m hoch die Wohnung eines Forstaufsehers, nach dem benachbarten Jagdhaus »Gabelbach« benannt, wo geistvolle und trinkfeste deutsche Männer die humoristische Gemeinde Gabelbach begründet haben (Abb. 44). Der »Sitzungssaal« der Gemeinde (Abb. 45) sowie das Nebenzimmer enthalten ungezählte Schätze an Bildern und Liedern. Der Gemeindeälteste (Justizrat Schwanitz) hat es verstanden, hervorragende Kräfte der Gemeinde zuzuführen, u. a. auch seinen Studiengenossen Victor Scheffel, der zum Gemeindepoeten ernannt wurde und ihr manch schönes Wort widmete, und im Bundeslied von der Gemeinde sang:

Und färbt die gerodete Stelle
Sich abendgoldsonnig und klar,
Da sitzen sie all an der Quelle
und bringen ein Rauchopfer dar.

Ehrenschulze der Gemeinde ist Fürst Bismarck, Historiograph der gemütvolle Schilderer des Thüringer Landes Trinius, jetziger Gemeindepoet ist Rudolf Baumbach. Unweit davon erhebt sich der schön bewaldete Porphyrkegel des Kickelhahn (861 m hoch), ausgezeichnet durch eine umfassende Rundsicht, die vom Schneekopf und Inselsberg bis zum Brocken und den Bergen an der Saale reicht, vom Wetzstein bis zu den Höhen der Rhön. Ilmenau, Gabelbach und Kickelhahn sind innig mit dem Namen Goethe verknüpft. Hier war er häufig mit seinem jugendlichen Herzog und der übermütigen Hofgesellschaft, stets geneigt zu tollen Streichen. Hierher zog es ihn später wieder, als sein Fühlen und Denken nur noch der Frau von Stein gehörte, und auch als Greis kehrte er gern zur stillen Waldesstätte zurück. In der Nähe des Aussichtsturmes stand ein kleines Pirschhaus, das sogenannte Goethehäuschen, in dem Goethe an einem Septemberabend des Jahres 1783 das herrliche Nachtlied dichtete:

Über allen Gipfeln ist Ruh ...

Das Haus brannte 1870 ab und wurde durch eine getreue Nachahmung ersetzt (Abb. 46).

Großer Beerberg.

Außer der obengenannten Lengnitz rinnen als Quellbäche noch zur Ilm der aus Granit 798 m von den Hängen des kleinen Finsterberges kommende Taubach, und der vom Mordfleck kommende Freibach, der aus der Vereinigung der Sperbersbäche entsteht. Der große Sperbersbach entspringt aus dem Rotliegenden unweit der Schmücke 920 m hoch und ist die höchste Quelle des Ilmgebiets. Hier an den Hängen des Sachsensteins finden sich noch alte Kohlenstollen. Aus der Höhe des Kammes, 911 m über dem Meere, liegt am Rennsteig eine der höchst gelegenen Wohnungen Thüringens, das Gasthaus zur Schmücke, ehemals ein Viehhaus. Ist der Ausblick von den grünen von Fichtenwald teilweise umrahmten Wiesenmatten auch beschränkt, so hat dieser Platz doch Wert wegen seiner Nachbarschaft zu den höchsten Erhebungen des Gebirges. Nach Westen zieht der Rennsteig nach einem »Plänkners Aussicht« genannten (973 m) Punkt, der nach Süden ein entzückendes Landschaftsbild erschließt, in die gewerbfleißigen Thäler der Goldlauter und des Mühlwassers, tief zu Füßen in grüner Umrahmung die Stadt Suhl und als Begrenzung des schönen Bildes die Gleichberge, der Dolmar und die Kuppen der Rhön. Nur wenige Minuten steigt man hinüber zum höchsten Berg des Thüringerwalds, zum 983 m hohen Großen Beerberg, dessen flache Kuppe vermoort und durch Fichten verwachsen ist und deshalb nur einen Ausblick nach Norden, auf die Höhe des Schneekopfes und die walddunklen[S. 72] Schluchten des Schmücker Grabens und Steingrabens bietet. Nördlich des Hauptkammes erhebt sich der Schneekopf, 975 m hoch, dessen Aussichtsturm die Höhe des Beerberges noch um 12 m überragt und dadurch eine umfassende Rundsicht ermöglicht. Trotz der düsteren Waldumgebung offenbart sich hier die Formenschönheit des Gebirges in anmutigster Weise; man erfaßt ein hübsches Bild des großen Hauptkammes und seiner zahlreichen durch tiefe Waldthäler von ihm getrennter Nebenäste. In der Nähe sieht man in freundliche Thäler, nach Norden schweift der Blick in das Thüringer Becken und über Erfurt hinweg bis zu den Höhen des Kyffhäusers und zum Brocken, im Süden bis zum Steigerwald und Fränkischen Jura, im Osten zu den Höhen des Osterlandes, im Westen bis zur Rhön. Die Gipfeldecken des Beerberges und Schneekopfes werden von Porphyr gebildet, das in großen Decken auftretende Eruptivgestein des Mittelrotliegenden.

Abb. 56. Eisenach und Wartburg.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Suhl.

Wo die Bäche der Lauter und des Mühlwassers sich zur Hasel vereinen, dehnt sich die preußische Stadt Suhl (12000 Einw.) aus und schiebt bis in die Seitenthäler hinein ihre Schleifmühlen, Pochwerke, Eisenhämmer, Bohrschmieden und Gewehrfabriken. Am bedeutendsten ist hier die Waffenindustrie, deren Ruf schon vor Jahrhunderten durch alle Lande ging. Suhl (Abb. 47) ist die volkreichste Stadt am Südwestfuß des Thüringerwalds und ihre Gründung knüpfte wohl an die Aufschließung reicher Eisensteinlager, deren Verarbeitung wiederum durch das Vorhandensein zahlreicher Wasserkräfte befördert wurde. Urkundlich wurde die Stadt zuerst im X. Jahrhundert erwähnt, erlitt dann im dreißigjährigen Kriege unsägliche Plagen, wodurch von allen Feuerstätten nur der zehnte Teil übrig gelassen und mutwillig 800 Gebäude niedergebrannt wurden. Nördlich der Stadt erhebt sich der porphyrische Domberg (670 m) mit dem vorspringenden Ottilienstein (523 m; die Stadt liegt 425 m hoch), der in alter Zeit eine der heiligen Ottilie geweihte Kapelle trug. Die Spitze des Domberges krönt ein 20 m hoher Bismarckturm; am Fuße des Berges entspringt die Ottilienquelle, eine Kochsalzquelle, die für Badezwecke benützt wird.

Steinbach-Hallenberg. Mehlis.

Die Hasel nimmt bei Kloster Rohr die aus dem schönen Kanzlersgrund, wo aus bewaldeter Schlucht felsige Porphyrzacken aufragen und wo die Wässer bis hoch an den Rennsteig hinauf einschneiden, kommende Schwarza auf. Dieser ist schon aus dem Granitgebiet von Zella und Mehlis die Lichtenau zugeflossen. Zwischen beiden Thälern steigt die Porphyrkuppe des Ruppberges zu 866 m in die Höhe. Am oberen Knie verengt sich das Schwarzathal zum Schönauer Grunde, in dem die eisenverarbeitenden Dörfer Ober- und Unter-Schönau liegen, ersteres mit 1300 Einw. Unweit davon erheben sich die Porphyrfelsen der Hohen Möst (889 m), einer der umfangreichsten Felsenbezirke Thüringens mit schöner Aussicht, unterhalb des 893 m hohen Donnershauk. Unter der malerischen Ruine Hallenburg (519 m) liegt der preußische Flecken Steinbach-Hallenberg (3700 Einw.), seit Erbauung der Eisenbahn von Schmalkalden nach Zella-Mehlis unmittelbar am Verkehr beteiligt. Die Hauptthätigkeit ist hier die Nagelschmiederei, die als Handbetrieb freilich nur noch einen kärglichen Erwerb bringt. In Steinbach-Hallenberg und im Steinbacher Grunde sind insgesamt etwa 4000 Arbeiter in Schlosserei und als Nagelschmiede thätig. Die Burg ist im X. Jahrhundert erbaut worden, war später hennebergisch und dann kurhessisch, ist aber 1866 mit dem umliegenden Waldgebiet (Hessenwald) an den Herzog von Coburg und Gotha gekommen.

Abb. 57. Wartburg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Zella St. Blasii.

In grünem Wiesenthale liegen schon im Gebiet des unteren Buntsandsteins die Dörfer Herges (Hallenberg) und Viernau (1400 Einw.), und bei der Einmündung der Lichtenau in die Schwarza das Dorf Schwarza (1300 Einw.). Im Lichtenauthal aufwärts liegt das Dorf Benshausen (1700 Einw.), ehemals berühmt durch bedeutenden Weinhandel, der länger als 200 Jahre blühte und durch den Frachtverkehr große Einnahmen brachte. Der Rote Bügel (oder die Rote Wand) wird von der Eisenbahn in 228 m langem Tunnel durchfahren, die dann nach Mehlis und Zella führt. Mehlis (4000 Einw.), seit 1894 Stadt, und die Stadt Zella St. Blasii (3800 Einw.) sind gothaisch und gleich Suhl hervorragend in der Herstellung von Schießwaffen. Ihre Lage im tiefen Thalkessel, umgeben von grünem Bergkranze,[S. 74] ist überaus malerisch, wenn auch der Lichtenauer Grund seit Anlage der Eisenbahn landschaftlich verloren hat. Zella entstand der Sage nach aus einer zum Kloster Reinhardsbrunn gehörigen Zelle, die der Graf von Nordeck aus den Mauertrümmern des auf dem Ruppberg zerstörten Raubschlosses zu einem Kloster ausbaute, das 1228 dem heiligen Blasius geweiht wurde. Um das Kloster siedelte sich dann allmählich die Ortschaft an. Im Granitgebiete von Zella, Mehlis und Suhl finden sich zahlreiche Gänge von Porphyr.

Abb. 58. Hof der Wartburg.
(Liebhaber-Aufnahme von Gustav Schulze in Leipzig.)
Gehlberg.

Einen ähnlichen Charakter wie die oberen Ilmzuflüsse haben auch die beiden Gerazuflüsse. Die wilde Gera hat ihre bedeutendsten Quellbäche im Schmücker Graben 886 m hoch und im Schneetiegel, die den Schneekopf westlich und östlich umschließen. Hier war früher ein günstiger Fundplatz für die Schneekopfkugeln (Porphyrkugeln), deren Inneres Achat, Amethystkrystalle oder Jaspis enthält. Die zahme Gera (auch weiße oder alte Gera genannt) entspringt in einer Höhe von 870 m am Sachsenstein. Beide Bäche umfließen eine Hochfläche, aus welcher in einer Höhe von 700 m auf grünen Matten das Dorf Gehlberg liegt, mit einer großen Hohlglashütte, die Thermometer, physikalische und chemische Instrumente liefert. In das Thal der wilden Gera tritt die Eisenbahn ein, die von Ritschenhausen über Suhl kommt und in dem 3038 m langen und 247 m unter der Brandleite in den harten Hornsteinporyhyr gebohrten Tunnel das Gebirge kreuzt, um weiter nach Arnstadt zu führen. Der Scheitelpunkt des Tunnels liegt 639 m über dem Meere und ist der höchste Punkt der Bahn, im Gerathal läuft sie zunächst in einem fast 1 km langen Einschnitt, tief unter den Buchen und Fichten des Bärenkopfes. Die wilde Gera verläßt das Gebirge oberhalb des gothaischen Dorfes Gräfenroda (2300 Einw.), nachdem sie den wildschönen Dörrberger Grund durchrauscht und sich tief in den Porphyr eingewaschen hat.

Gräfenroda. Elgersburg.

Gräfenroda hat bedeutende Industrie und treibt auch Pechsiederei. Der Austritt der zahmen Gera aus dem Gebirge erfolgt bei dem gothaischen Dorfe Arlesberg, das Viehzucht treibt und bedeutenden Grubenbau auf Braunstein hat, der in zahlreichen Pochhämmern zertrümmert wird. Der anmutige Jüchnitzgrund führt hinauf zum einsam gelegenen Mönchshof. Wie Arlesberg liegt an der Gesteinsgrenze auch das gothaische Dorf Elgersburg (1000 Einw.), einer der lieblichsten Badeorte Thüringens, hingelagert auf grüner Matte und geschützt von einer tannengeschmückten Porphyrwand. Teilweise liegt Elgersburg[S. 75] in einer gleichseitig zum Gebirgsrande verlaufenden Thalsenke, die durch starke Verwitterung und Auswaschung der Sandsteinschichten entstanden ist. In der anmutigen Umgebung nimmt das Körnbachthal einen bevorzugten Rang ein, nicht allein wegen der schönen Felsenhallen des Körnbachgrundes, sondern auch wegen seiner Erinnerungen an Goethe, der in das Fremdenbuch der jetzt abgebrochenen Massenmühle einige Verse schrieb. Von der Felshöhe leuchtet jetzt sein Name in vergoldeten Lettern herab. Auf steilem Fels ragt das alte im XI. Jahrhundert erbaute Schloß empor, dessen Brunnen von einer 900 m langen vom Rumpelsberge herkommenden Röhrenleitung gespeist wird und das jetzt zur Badeanstalt gehört. Von Ilmenau fließt die trockene Gera ab, die oberhalb von Plaue in die zahme Gera mündet.

Oberhof.

Von der wilden Gera führen die prächtigen Waldthäler des Sieglitzbaches und der Lütsche hinauf zur Höhe des Gebirges. Dort kreuzen sich mit andern Straßen in einer Höhe von 810 m die große Straße von Erfurt nach Suhl am Geleitshause zum »oberen Hof«, dem heutigen Oberhof. Diese Waldstraße wird urkundlich schon im XIII. Jahrhundert erwähnt. Hier fanden damals die zwischen Thüringen und Franken hin und her ziehenden Wagenzüge mit ihren Handelsgütern bewaffneten Schutz, der sie bis zum nächsten Geleitshause brachte. Jahrhunderte bestand hier wie im ganzen deutschen Lande diese Geleitseinrichtung, der einzige Schutz gegen die auf ihren den Hauptstraßen benachbarten Burgen hausenden adeligen Räuber. Das gothaische Dorf (400 Einw.) liegt auf ebenem grünen Plan (Abb. 48), rings von Wald umgeben, hat ein herzogliches Jagdschloß und ist wegen seiner reinen Luft als Sommerfrische stark besucht. Von der Kammhöhe ziehen zahlreiche Waldgründe nach Norden hinab, vor allem erwähnenswert der Schwarzwaldgrund und der Kerngrund, schöne Porphyrthäler mit herrlichem Waldschmucke. Die Dörfer Schwarzwald (900 Einw.) und Stutzhaus (600 Einw.) stoßen mit ihren langen Häuserreihen fast aneinander. Zu Füßen des 716 m hohen Kienbergs liegt das ehemalige Schmelzwerk Luisenthal, jetzt eine kleine Sommerfrische.

Abb. 59. Wartburghof mit Luthers Wohnung.
(Liebhaber-Aufnahme von Gustav Schulze in Leipzig.)
Tambach. Georgenthal.

Von den Höhen des Roßkopfes und des Sperrhügels rinnen die Quellen der Apfelstedt, die sich bei Tambach und Dietharz mit den Gewässern des felsigen Schmalwassergrundes, des Mittelwassergrundes und des Spittergrundes vereinigen. Dietharz (800 Einw.) und der Flecken Tambach (2300 Einw.) sind gothaisch und stammen beide aus dem XIII. Jahrhundert. Sie[S. 76] hatten schon damals Wichtigkeit wegen der Straße, die über den Nesselberg auf die andere Seite des Gebirges nach Schmalkalden führte. Tambach hat die seit dem dreißigjährigen Kriege erloschene Eisenbearbeitung ersetzt durch Viehzucht, Holzhandel und Gewerbe. Beide Orte sind beliebte Sommerfrischen geworden. Im oberen Teile des felsigen Spittergrundes fällt der Spitterfall oder das Gespring 20 m hoch über eine Thalstufe herab, der größte natürliche Wasserfall des Thüringerwaldes, der an solchen wässerigen Naturschönheiten sehr arm ist. Von Dietharz führt eine Eisenbahn durch den von Säge-, Papier- und Lohmühlen belebten Apfelstedter Grund hinaus nach Georgenthal (900 Einw.). Auf der Berghöhe in der Nähe des Platzes, wo jetzt die Winfriedsäule errichtet ist, gründete 1143 Graf Sizzo III. von Käfernburg ein dem heiligen Georg geweihtes Kloster und besetzte es mit Cisterciensern, damit sie für ihn beten möchten, »sintemalen er keine Zeit dazu habe«. Im Jahre 1186 wurde das Kloster ins Thal verlegt, wo die Mönche Teiche schufen und Mühlen bauten, Acker- und Wiesenbau förderten und Fischzucht und Bergbau trieben. Bald war das Kloster zu Reichtum gelangt und besaß außer den im Dietharzer Grund gelegenen Burgen Falkenstein und Waldenfels zehn Dörfer, viele Mühlen und Güter, und eine ganze Anzahl Häuser in den Städten Gotha, Eisenach, Arnstadt und Erfurt. Im Jahre 1525 fiel das Kloster in den Wirren der Bauernkriege, und auf seinen Trümmern wuchs das Dorf Georgenthal langsam empor.

Abb. 60. Die Lutherstube in der Wartburg.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)

Auf der Höhe des Ziegelberges ragen die Häuser von Altenbergen und Catterfeld (1000 Einw.) empor, wo Hausarbeit für die Walterhausener Spielwarenindustrie schafft und wo fruchtbare Wiesen Viehzucht begünstigen. Über dem Dorfe Altenbergen erhebt sich die Winfriedsäule oder der Bonifatiusleuchter (deshalb auch mit dem häßlichen Wort Kandelaber benannt), der Sage nach an der Stelle, wo der Apostel der Deutschen, Bonifatius, das erste Kirchlein in Thüringen gebaut haben soll. Die wenigen Grundmauern rühren aber von jenem Kirchlein her, das Graf Ludwig mit dem Barte 1040 dort erbaute. Der Bonifatiusleuchter wurde erst 1811 errichtet, auf acht Steinkugeln und mehrfach gegliedertem Sockel in roh antikisierender Form eines 10 m hohen Riesenleuchters, oben mit einer von drei Engelsköpfen[S. 77] gehaltenen Pfanne endend, aus welcher steinerne Flammen aufsteigen. In Wirklichkeit hat Bonifatius die erste Kirche in Thüringen an der Stelle gebaut, wo jetzt die Michaeliskirche in Ohrdruf steht.

Abb. 61. Das Landgrafenzimmer.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)
Inselsberg.

Wo die Straße von Tambach nach Schmalkalden den Gebirgskamm überschreitet, ist eine Einsattelung von etwa 700 m Höhe vorhanden, jenseits deren der nordwestlichste Teil des Thüringerwalds beginnt, der niedriger ist als der mittlere Teil und eine um 200 m geringere mittlere Kammhöhe besitzt, nur 610 m. Dieser Schlußteil mißt vom Nesselbergsattel bis zum Eichelberg bei Hörschel 46 km. Auf einem Seitenaste erhebt sich der Zug der Hühnberge östlich von Schmalkalden zu einer selbständigen Gruppe, deren höchster Gipfel zu 837 m ansteigt. Weiterhin sind die höchsten Erhebungen auf dem Kamm selbst oder in seiner nächsten Nähe vorhanden, der Spießberg, 737 m, der große Jagdberg, 838 m, und vor allem der schöne Inselsberg, 915 m (genau 915,58) hoch. Sein bewaldeter Kegel hebt sich aus dem immer niedriger und schmaler werdenden Kamme auffallend heraus (Abb. 49), obwohl ihm auf beiden Seiten des Gebirges eine reiche Zahl von nur 200 m niedrigeren Bergen vorgelagert sind. Sein Porphyrhaupt ragt aus dem archäischen Gneis seiner südlichen Umgebung und aus den Konglomeraten, Sandsteinen und Schieferthonen des Rotliegenden hervor. Der Name Inselsberg oder Inselberg ist eigentlich eine falsche Benennung und entstand aus Enselberg oder Emselberg (Emsenberc) nach der an seiner Nordwestflanke entspringenden Emse. Der Berg ist wegen seiner freien Lage ein von ungefähr 50000 Menschen jährlich besuchter Aussichtspunkt und ist ausgezeichnet durch die Schönheit der Rundsicht, die man von seinen zwei Aussichtstürmen genießt. Der Blick schweift hinaus über das Dunkelgrün seiner Fichten- und Buchenwälder und die engen Thäler des Vordergrundes bis zu den Fruchtfeldern des Thüringischen Beckens und zum Harz, östlich bis zu den Saalbergen, südlich bis zu den fränkischen Höhen und der Rhön, westlich bis zum hessischen Berglande.

Friedrichroda.

Schöne Thalgründe führen von der Kammhöhe nach Nordosten hinab, vom[S. 78] Spießberge die Quellbäche der Leina, wie der Oberlauf der Hörsel hier genannt wird, die dann in der Nähe von Schönau aus dem Porphyrgebirge in das Gebiet des Buntsandsteins und Muschelkalks eintritt. Auf der Höhe westlich der Leina liegt das Dorf Finsterbergen (1100 Einw.), früher eines der einsamsten Dörfer des Waldes, heute ein Ort für sommerliche Luftschnapper. Vom kleinen Jagdberg rinnt das Schilfwasser hinunter ins kühle Thal, an dessen Austritt aus dem Hauptgebirge an der Gesteinsgrenze Friedrichroda (4250 Einw.) in grüner Thalmulde ausgebreitet ist, rings von buchen-, fichten- und tannenbestandenen Höhen umrahmt (Abb. 50). Der Ort wurde 1039 von Ludwig mit dem Barte gegründet, erhielt aber erst 1597 vom Kaiser Rudolf II. Stadtrechte. Im dreißigjährigen Kriege gingen zwei Drittel der Stadt zu Grunde, aber der stille Ort erholte sich immer wieder, wozu bis ins erste Viertel des XIX. Jahrhunderts die Weberei und Bleicherei von Leinengarn erheblich beitrug, wofür an die herzogliche Kammer ein Zwirnzoll und Bleichzoll gezahlt wurden. Von hier aus wurden mit gebleichten Garnen jene Gegenden versorgt, wo Weberei vorherrschend war, das südöstliche Thüringen und die Rhön. Mit der Verbreitung des Baumwollgewebes erlitt die Leinenbleicherei bedeutende Einbuße. Es wurde auch Bergbau getrieben, der aber nie sehr bedeutend war; der Eisenstein wurde im Schmelzwerk Luisenthal bei Ohrdruf verhüttet. Die letzten Versuche wurden 1858 aufgegeben. Den größten Reichtum brachten der Stadt aber Luft und Sonne, die Heilkraft des Waldodems, die Reinheit seines Wassers, so daß jetzt die gothaische Stadt Friedrichroda jährlich von mehr als 10000 Personen besucht wird und dadurch die besuchteste Sommerfrische Thüringens ist.

Reinhardsbrunn.

Im Gipse des Zechsteins ist die kleine Marienglashöhle durch einen kurzen Stollen zugänglich. Nur wenige Steinreste zeugen noch von der alten Schauenburg, dem Stammschlosse der thüringisch-sächsischen Fürstenhäuser, die von ihrem Gründer Ludwig mit dem Barte 1045 bezogen wurde. Südlich wird Friedrichroda überragt vom schönen Waldkegel des Gottlob, einem Vorberge des 608 m hohen Körnbergs. Westlich erhebt sich der 697 m hohe Abtsberg, wie die vorhin genannten bestehend aus Rotliegendem mit Porphyr- und Melaphyreinlagerungen. Der Abtsberg steht durch einen anmutigen wiesengeschmückten Sattel, Jägersruh oder Tanzbuche benannt, mit dem Gebirgskamm in Verbindung. Vom Kühlen Thal windet sich die Straße empor zum Heubergshaus (690 m), wo sie den Rennsteig kreuzt und dann südwärts nach Schmalkalden zieht. In der Nähe Friedrichrodas, schon im Gebiete des Buntsandsteins, liegt das gothaische Lustschloß Reinhardsbrunn (Abb. 51), inmitten herrlicher Wald- und Gartenanlagen. Im Jahre 1088 wurde der Grund zur stattlichen Benediktinerabtei Reinhardsbrunn gelegt, die in acht Jahren vollendet wurde. Die dauernde Gunst des Gründers, Ludwig des Springers, und der nach ihm folgenden Landgrafen von Thüringen ließ das Kloster immer stolzer emporblühen, so daß im XIII. Jahrhundert 142 Ortschaften entweder dem Kloster gehörten oder ihm zinspflichtig waren. Das Kloster erlag 1525 den Stürmen des Bauernkrieges und wurde mit fast allen seinen Schätzen verbrannt. Die Klostergüter wurden später eingezogen und Reinhardsbrunn in ein fürstliches Amt verwandelt. Auf den Grundmauern des 1607 erbauten hohen Hauses oder Schlosses erhob sich das heutige seit 1828 in englisch-mittelalterlichem Geschmacke in prächtiger Weise aufgeführte Schloß, das durch die lieblichen Garten- und Teichanlagen um so schöner wirkt.

Tabarz. Cabarz. Winterstein.

Die Wässer des Wilden Grabens und der Strenge rauschen vereinigt im Felsenthale unterhalb der Porphyrzacken, die malerisch aus dem Fichtenwald hervorragen, und münden dann in die Laucha. Beim Austritt der Laucha aus dem Gebirge schimmern mit ihren roten Dächern auf grünem Wiesenplane die Dörfer Tabarz und Cabarz (jedes mit 1100 Einw.). Die beiden anmutigen Orte sind beliebte von dunklem Wald umgebene Sommerfrischen, wo noch kein Lokomotivenpfiff die herrschende Ruhe stört. Der Wald bietet das Arbeitsfeld des Zapfensteigers; im Herbst holen die Sammler die Samenkapseln von den höchsten Nadelbäumen, das Material für einen schwunghaften Handel mit Holzsamen. Im Buchenschatten des Emsethals liegt das unregelmäßig gebaute Dorf Winterstein[S. 79] (800 Einw.), fast eine halbe Stunde im Thalgrunde sich hinziehend, während einzelne seiner Hütten hoch an den Bergwänden verstreut sind. Vom Thalgrunde führt ein schmaler Pfad auf den mit einem Pürschhäuschen besetzten Porphyrgipfel des Drehberges (755 m), der zwar nicht auf dem Hauptkamm liegt, aber doch einen der hübschesten Ausblicke zwischen Inselsberg und Wartburg gewährt, besonders nach Süden ins Werrathal bis zu den blauen Höhen der Rhön.

Abb. 62. Die Sängerlaube.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)
Ruhla. Pfeifenindustrie zu Ruhla.

Westlich des Inselsbergs bleiben die höchsten Erhebungen auf dem Kamm des Gebirges oder wenigstens in seiner unmittelbaren Nähe. Der Große Weißenberg, auf der Scheide zwischen Glimmerschiefer und Granit, erhebt sich zu 749 m, die Granitkuppe des Gerbersteins hat nur noch 728 m. Das Granitgebiet ist reich an Eisensteinen, die abgebaut werden. An den Ufern des Erbstromes zieht sich im engen grünen Thale fast eine Stunde lang die Stadt Ruhla hin (5600 Einw., wovon 2500 weimarisch, 3100 gothaisch sind), eine der bedeutendsten Industrieplätze Thüringens (Abb. 52). Der Fluß bildet seit 1640 die Grenze der Staatsgebiete, und das Thal ist rings von schön bewaldeten Höhen umgeben, meist Glimmerschiefer mit eingesprengten Porphyren und Melaphyren, oberhalb der Stadt bis zum großen Weißenberge aus Granit bestehend. Aus dem Jagdhause, in dem Karl August mit Goethe oft weilten, ist jetzt das Kurhaus geworden. Ruhla hat eine sehr wechselvolle Industrie gehabt. Im XI. Jahrhundert blühte der Eisenbergbau, dessen Eisenstein an Ort und Stelle verhüttet wurde, wozu die reichen Holzbestände der Umgebung den Brennstoff lieferten. Aus dem Erze wurden Waffen und Rüstungen geschmiedet, und der Ruf der Waffenschmiede Ruhlas drang weit über die Grenzen Thüringens hinaus. Nach dem Verfall dieser stolzen Industrie wurden die Waffenschmiede zu Messerschmieden, die eine einheitliche Zunft bildeten, deren Anfänge ins XV. Jahrhundert zurückreichen. Nach der durch Friedrich II. von Preußen veranlaßten Auswanderung der Messerschmiede nach Eberswalde im Jahre 1747 verfiel dieser Industriezweig, wurde aber reichlich ersetzt durch die Einführung der Herstellung von Tabakspfeifen, worin Ruhla[S. 80] ein Hauptplatz geworden ist und seine Erzeugnisse nach allen Ländern der Erde ausführt. Besondere Wichtigkeit hat die Verarbeitung des aus Kleinasien eingeführten Meerschaums zu Pfeifenköpfen, doch werden auch Holzpfeifen gemacht und die aus den thüringischen Fabriken stammenden Porzellanpfeifenköpfe mit Beschlägen versehen und mit Rohren und Spitzen zusammengesetzt. Aus Ruhla (im Volksmunde »die Ruhl« genannt) gehen jährlich 6 Mill. Pfeifenköpfe (davon nur ½ Mill. echte Meerschaumköpfe) in den Handel, ferner 10 Mill. beschlagene Porzellanpfeifenköpfe, 10 Mill. Spitzen für Tabakpfeifen und Cigarren, 27 Mill. Pfeifenbeschläge, 19 Mill. Pfeifenschläuche, Ketten u. a., 15 Mill. Pfeifenrohre, 5 Mill. Holzpfeifenköpfe und 15 Mill. fertige Tabakspfeifen, eine Gesamtproduktion von etwa 6 Mill. Mk. darstellend. Die Holz-, Hornpfeifen- und Zigarrenspitzenindustrie hat sich auch auf die Umgebung Ruhlas verbreitet, nach Seebach, Schmerbach, Winterstein bis Waltershausen und Schweina. Zwei Fünftel der Arbeiter sind in Hausindustrie beschäftigt, die anderen arbeiten in Fabriken. Die erst seit einigen Jahrzehnten eingeführte Metallindustrie hat die Pfeifenindustrie bereits überflügelt. Die Bewohner Ruhlas sind[S. 81] fleißig und leichten Sinnes und haben in Gebräuchen und Mundart viel von anderen Thüringern Abweichendes, zeigen jedoch merkwürdige Ähnlichkeit mit den Einwohnern von Brotterode und Steinbach, mit denen sie unleugbare Stammesbeziehungen haben. Ruhla ist Geburtsort des thüringischen Dichters Ludwig Storch.

Abb. 63. Wart' Berg, du sollst mir eine Burg werden.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)
Abb. 64. Landgraf, werde hart.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)
Abb. 65. Der Sängerkrieg.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)
Abb. 66. Das Rosenwunder.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)
Thal. Wilhelmsthal.

Von Ruhla führt eine Zweigbahn thalabwärts, um sich in Wutha mit der Hauptlinie zu vereinen. In frischen Wiesen eingebettet liegt an der Einmündung eines Seitenbaches das gothaische Dörfchen Thal (600 Einw.), gleich Ruhla als Sommerfrische besucht. Hier weitet sich das Thal zu einer freundlichen von Buchen- und Fichtenwäldern umwölbten Landschaft. An Stelle der alten aus dem XI. Jahrhundert stammenden Burg Scharfenburg ragt nur noch ein häßlicher Aussichtsturm empor, der den zierlichen Namen Löthtopf führt. An der andern Bachseite stand einst ein Bettelmönchkloster Heiligenstein, dessen Name heute erinnerungsvoll von einem Wirtshause geführt wird. Im Zechsteingebiete von Kittelsthal bricht man ein Gestein, das zu künstlichen Alabasterwaren verarbeitet wird. In der Nähe des Rennsteigs bietet der 575 m hohe Wachstein einen dankbaren Aussichtspunkt. Im grünen Grunde des Eltethales schimmert mit seinem kleinen See das weiße Schloß Wilhelmsthal, die Sommerfrische des Großherzogs von Weimar, einst schon von Goethe besucht. Die nach Eisenach führende Straße gewinnt die Höhe des Gebirges und kreuzt den Rennsteig bei[S. 82] dem ehemaligen Jagdschlößchen, jetzigen Wirtshause zur Hohen Sonne, 442 m hoch, bekannt wegen des schönen Durchblickes nach der Wartburg (Abb. 53), die wie ein von Fichten umrahmtes Bild erscheint. Hier zog auch die alte Weinstraße hinüber ins Hörselthal, eine alte Handelsstraße, auf der von Franken her die geistlichen Besitzungen nördlich des Thüringerwalds mit dem nötigen Rebensaft versorgt wurden.

Eisenach.

Westlich von der nach Eisenach führenden Straße ist das Annathal (Abb. 54) eingeschluchtet, eingefaßt von feuchten moosgrünen Felsen, durchrauscht von einem Bächlein und gemieden vom Sonnenlicht, das die Buchenwipfel hier nicht zu durchdringen vermag. Die weitere nördliche Fortsetzung der anmutigen Thalbildung heißt Marienthal, von wo die felsige Landgrafenschlucht zum Drachenstein aufwärts führt, während im Marienthal schon eine große Zahl hübscher freundlicher Landhäuser entstanden sind, die südlichsten Vorposten der alten Stadt Eisenach. Am Fuße der Wartburg leuchtet aus seiner grünen Umgebung das ehemalige Landhaus Fritz Reuters (Abb. 55), der hier 1874 starb. Die Stadt Eisenach (24400 Einw.) liegt an der Gesteinsgrenze und bezeichnet den Eintrittspunkt des von Hessen kommenden Straßenzuges nach Thüringen. Die frühere Stadt (Isnacha oder Ysenacha = Eisenwasser) lag weiter östlich und ging 1070 durch Brand zu Grunde. Die jetzige Stadt (Abb. 56) wurde unter dem Schutze der Wartburg von Ludwig dem Springer neu erbaut und war namentlich zur Zeit der auf der Wartburg wohnenden Landgrafen ansehnlich geworden, besonders im XII. und XIII. Jahrhundert. Von 1587 bis 1741 hatte sie aus einem Zweig der Nachkommenschaft des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen ihre eigenen Herzöge, nach deren Aussterben sie an Weimar fiel. Die schöne Umgebung bildet jedoch den größten Anziehungspunkt, weshalb die Stadt der Mittelpunkt eines regen Fremdenverkehrs geworden ist. Einen Überblick über Eisenach mit der Wartburg gewinnt man von dem nördlich gelegenen Wartenberg (im Volksmunde verderbt zu Wadenberg), wo das turmartige Gebäude des deutschen Burschenschaftsdenkmals zur Höhe strebt.

Wartburg.

Der Glanzpunkt Eisenachs ist aber die herrliche Wartburg (Abb. 57), 394 m über dem Meer, 174 m über Eisenach gelegen. Sie ist eine der schönsten Burgen Deutschlands, umkränzt von Geschichte und sinniger Sage und ein treues Spiegelbild altvergangener Zeit, auch in Bezug auf Kultur- und Volksentwickelung. Ihr Grundriß gibt einen lehrreichen Aufschluß über die Einrichtung einer alten Adelsburg, wenn auch in der Ausstattung der einzelnen Bauten weit darüber hinausgegangen war. Durch ein markiges Thorgewölbe betreten wir die Vorburg, zunächst den außerordentlich malerischen ersten Burghof (Abb. 58 und 59), der umschlossen wird vom Thorturm nebst Zugbrücke, den zinnengekrönten Mauergängen und dem Ritterhause. Im Obergeschoß des Ritterhauses befindet sich das Lutherstübchen (Abb. 60), wo Luther die Bibelübersetzung begann. Das war die »Einsiedelei« oder »seine Insel Patmos«, wo er als Junker Jörg vom Mai 1521 an ein Jahr lang in freiwilliger Gefangenschaft lebte und das Tintenfaß an die Wand warf, um die Anfechtungen des Teufels abzuwehren. Das Stübchen ist in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten worden und enthält viele Gegenstände mit Erinnerungen an Luther. Durch eine zweite Thorhalle betreten wir die Hofburg, die aus der Dirnitz (heizbares Wohnhaus, das jetzt den Rüst- und Waffensaal beherbergt), der Kemenate, dem Bergfried und dem Prachtbau des Landgrafenhauses besteht. Die Kemenate (von caminata, mit Kamin versehener heizbarer Raum) war die Wohnung der Burgfrau und ihrer näheren Bedienung, unter denen die bevorzugten Frauen, die am erwärmten Raume der Herrin teilnehmen durften, Frauenzimmer genannt wurden. An die Kemenate angebaut ist der Bergfried, der 52 m hohe mit einem Kreuz gekrönte Turm. Das schönste Gebäude der Hofburg ist das Landgrafenhaus (auch Palas, von palatium, also mit Pfalz und Palast eines Ursprungs), mit dem Landgrafenzimmer (Abb. 61) und dem berühmten Sängersaal mit der erhöhten Laube, wo die Meistersinger ihre Wettlieder sangen (Abb. 62), alles in freundlichen Farben schimmernd. Die Pläne zur Wiederherstellung der herrlichen Burg entwarf Prof. Ritgen, und die malerische Ausschmückung der Räume hat in Moritz von Schwind[S. 83] ihren Meister gefunden, der allen Märchenzauber mit der Romantik der Burggeschichte verband, deren einzelne Abschnitte im Bilde festgehalten wurden. Ludwig der Springer, der Sohn Ludwigs mit dem Barte, der auf der Schauenburg saß und 1055 starb, kam auf einem fröhlichen Jagdzuge auf den Gipfel, den jetzt die Wartburg krönt, und war von der landschaftlichen Schönheit so entzückt, daß er ausrief: »Wart' Berg, du sollst mir eine Burg werden« (Abb. 63). Der Bau der Burg wurde 1067 begonnen und war schon nach zwei Jahren vollendet. Der Sohn Ludwig des Springers, Ludwig I., wurde vom Kaiser Lothar gefürstet und entfaltete dann auf der Wartburg auch mehr äußeren Glanz. Sein Sohn und Nachfolger Ludwig II. (1140–1172) wurde »der Eiserne« genannt. Die Sage erzählt von ihm, er sei auf der Jagd ermüdet und unerkannt bei einem Schmied in Ruhla eingetreten und habe dort Nachtlager gefunden. Anderen Morgens sei der Landgraf durch das Hämmern des Schmiedes, der dabei rief: »Landgraf, werde hart« (Abb. 64), erwacht und erfuhr auf Befragen die Bedeutung dieser Worte. Die Edelleute konnten nach Gefallen im Lande walten und ließen sich vielfach Bedrückungen des Volkes zu schulden kommen, und gegenüber diesen Ausschreitungen sollte der Landgraf hart werden. Er wurde es, führte fortan eine strenge Regierung und wurde zum Liebling des Volkes, in Ruhla »hart geschmiedet«.

Abb. 67. Steinbach.
(Liebhaber-Aufnahme von Gustav Schulze in Leipzig.)

Von reicher Sage umrankt ist die Regierungszeit des Landgrafen Hermann I. (1190–1217), der als Fürst in der staatlichen Geschichte jener Zeit keine hervorragende Rolle spielte, der aber kunstliebend und freigebig war und die vornehmsten Dichter seiner Zeit zum Wettstreite einlud. Dieser Wettstreit, der 1207 stattgefunden haben soll, ist als der Sängerkrieg auf der Wartburg (Abb. 65) bis auf die heutigen Tage verherrlicht worden. Toll muß die Stimmung jener Zeit gewesen sein, denn Walther von der Vogelweide sang:

Wer in den Ohren siech ist oder krank im Haupt,
Der meide ja Thüringens Hof, wenn er mir glaubt:
Käm' er dahin, er würde ganz bethöret.

[S. 84]

Zu den berühmtesten Sängern außer Walther zählten Wolfram von Eschenbach, Reinhard von Zwetzen, Heinrich der Schreiber, Bitterolf und Heinrich von Ofterdingen, während nach der Sage Tannhäuser auf dem Wege zur Wartburg den Lockungen der Frau Venus im Hörselberge erlag und einen dauernden Aufenthalt bei der schönen Verführerin den geistigen Anstrengungen auf der Wartburg vorzog. Zu diesen ritterlichen Übungen und dem Glanz des Minnedienstes kamen später die Sagen von der heiligen Elisabeth, der Gemahlin des Landgrafen Ludwig IV., der religiösen Schwärmerin und Büßerin, der Wohlthäterin der Armen und Bedrängten. Im Jahre 1226 wurde Thüringen von einer schweren Hungersnot heimgesucht, wobei die Landgräfin Elisabeth selbst Brot an die Armen verteilte. Einst hatte sie unter ihrem Mantel wieder einen Korb voll Nahrungsmittel, als der Landgraf ihr begegnete und sie mißtrauisch fragte, was sie unter ihrem Mantel verberge; und siehe da, auf das inbrünstige Gebet von Elisabeth verwandelte sich der Inhalt ihres Korbes in duftende Rosen (Abb. 66).

Abb. 68. Lutherdenkmal an der Lutherbuche.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)

Spätere Fürsten zogen andere Wohnsitze der Wartburg vor, die von 1406 an vereinsamte. Die Wogen des dreißigjährigen Krieges brandeten glücklicherweise nicht bis zur Wartburg, ebensowenig hatte das darauffolgende Reifrockjahrhundert mit seiner gesinnungslosen Franzosentümelei irgend einen Einfluß. Aber der Gedanke der deutschen Einheit flammte auf und förderte das erste große Burschenfest am 18. Oktober 1817, wo 500 Studenten zur Wartburg zogen am 300jährigen Jubeltage der Reformation. In alter Pracht erstand die Wartburg erst wieder durch den Kunstsinn des Großherzogs Karl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach. 1867 war die Erneuerung vollendet, und seither haben die herrlichen Räume zahlreichen fürstlichen Besuch gehabt, abgesehen von fröhlichen Wanderern und Weltbummlern, von denen man 300 auf einen Wartburgtag rechnet. Die Schönheit des Baues wird noch gehoben durch die Schönheit der landschaftlichen Umgebung, die niemals trefflicher besungen wurde, als durch Scheffels Worte:

Erspart bleibt fürder, willst du Schönheit schauen,
Die Pilgerfahrt nach welschem Land und Meer,
Wetteifernd mit dem besten fremder Gauen
Prangt hier ein Kleinod, kunstdurchglänzt und hehr:
Gleich einem jener Marmorprachtpaläste,
Erstiegen aus Venedigs Meeresschoß,
Hebt sich Thüringens jungfräuliche Feste
Auf deutschem Berge säulenschlank und groß;
Statt Salzflutwogen rauscht um ihre Mauern
Der Eichen und der Buchen flüsternd Schauern.

Bei Hörschel an der Mündung der Hörsel in die Werra erreicht die Schlußerhebung des Thüringerwaldes, der Sand[S. 85]steinkopf des großen Eichelberges, nur noch eine Höhe von 301 m.

Abb. 69. Luthers Gefangennahme.
(Nach einer Radierung, etwa vom Anfang des XVII. Jahrhunderts, im Besitz des Reichspostmuseums zu Berlin.)
Schweina. Steinbach.

Östlich vom Gneiskegel des 648 m hohen Kissel ist der Schweinagrund tief eingeschluchtet. Sein Wasser tritt beim meiningischen Flecken Schweina aus dem Gebirge und fließt bei Barchfeld in die Werra. Schweina (2200 Einw.), der Hauptort des Schweinathales, war im XV. und XVI. Jahrhundert der Wohnort slavischer Bergleute, die auf Kupfer und Eisen schürften. Der Ort ist heute neben dem Betrieb von Ackerbau und Viehzucht industriell thätig, das Schloß Glücksbrunn, ehemals ein Kobaltwerk, ist jetzt eine Wollspinnerei. In dem südlich von Schweina gelegenen Gute Marienthal gründete Fröbel den ersten »Kindergarten«. Gelegentlich eines Straßenbaues wurde 1799 beim Sprengen des zur Zechsteinformation gehörigen ungeschichteten Dolomitgesteins eine Höhle entdeckt, die 200 m lang und durch einen künstlichen Stollen zugänglich ist. Ein Teil des Höhlengrundes ist von einem kleinen Teich bedeckt. Am Zusammenflusse des Calmbachs und des aus dem Schleifgrunde kommenden Steinbachs liegt der meiningische Flecken Steinbach (1400 Einw.), ein freundlicher Ort mit Fachwerkhäusern (Abb. 67). Steinbach ist Haupterzeugungsort für Messer aller Art und Schlösser, deren Rohmaterial zum Teil aus dem benachbarten metallreichen Granitgebiete gewonnen wird. Nördlich vom Mühlberg steht eine Sandsteinsäule, errichtet vom Herzog Bernhard von Meiningen 1858 und dem Andenken Luthers geweiht, welcher auf dem Wege von Worms hier gefangen genommen und auf die Wartburg gebracht wurde (Abb. 68 und 69). Eine Inschrift lautet: »Hier wurde Dr. Martin Luther am 4. Mai 1521 auf Befehl Friedrichs des Weisen, Kurfürsten von Sachsen, aufgehoben und nach dem Schlosse Wartburg geführt.« Luther hatte nach dem Reichstage zu Worms Möhra, die Heimat seiner Eltern, besucht und wollte eben nach Wittenberg zurückkehren. In Begleitung seines Bruders Jakob und eines Freundes rastete er unter einer Buche, als er auf Veranlassung seines hohen Beschützers, der den Geächteten seinen Feinden entreißen wollte, aufgehoben und heimlich auf die Wartburg[S. 86] gebracht wurde, wo er verborgen als Junker Jörg lebte. Die Buche ist längst zu Grunde gegangen, ihre Reste sind auf der Wartburg aufbewahrt und an ihre Stelle ist ein junger Baum gepflanzt worden. Herrliche Buchen wölben sich die Höhe hinauf, besonders auf den Granittrümmern des 728 m hohen Gerbersteines.

Abb. 70. Schloß Altenstein.
(Liebhaber-Aufnahme von Gustav Schulze in Leipzig.)
Altenstein. Liebenstein.

Auf der Dolomitplatte zwischen Schweina und Steinbach leuchten aus grüner Umgebung das Schloß Altenstein (Abb. 70), der Sommeraufenthalt des Herzogs von Meiningen, ein stattlicher Neubau an Stelle des früheren einfachen Landhauses. Prächtige Gartenanlagen, von alten Laubbäumen beschattete Wiesen, Felsenkanzeln und sanft geböschte Mulden, alles eint sich hier zu einer Meisterlandschaft, in deren Hintergrunde sich der Hauptkamm des Waldgebirges aufbaut. Der Ausblick nach Süden erfaßt in freundliches Hügelgelände eingebettete Ortschaften, Gärten und Ackerfluren, drüben über der Thalmulde der Werra steigen in blauem Dufte die Vorberge der Rhön empor. Auf der Kammhöhe am Großen Weißenberge steht der Dreiherrenstein, wo die Grenzen preußischen (ehemals hessischen), meiningischen und gothaischen Gebiets zusammenstoßen. Nach Bairoda hinab führt das schöne buchenumrauschte Thüringer Thal, im XIV. und XV. Jahrhunderte belebt vom Bergbau auf Eisenstein. Östlich des Thales läuft ein Rennweg genannter Zweig des Rennsteigs, der besondere Wichtigkeit hat, weil er hier die Grenze zwischen der thüringischen und fränkischen Mundart bildet. In einer flachen Mulde zwischen Thüringer Thal und Grumbachthal, umgeben von anmutiger Landschaft, liegt Bad Liebenstein (1300 Einw.), dessen Landhäuser weit zerstreut sind (Abb. 71). Es hat kohlensäurehaltige Eisenquellen und ist der älteste Kurort des Thüringerwaldes. Der Ort ist überragt von der Ruine Liebenstein, die seit dem XVII. Jahrhundert verfällt.

Brotterode.

Südwärts rinnt vom Inselsberg das Inselswasser in den Kessel von Brotterode. Das preußische Dorf Brotterode(2800 Einw.) ist seit der letzten großen Feuersbrunst von 1895 langsam wieder emporgewachsen. Die ursprüngliche Art und Lebensweise der Bewohner deutet auf eine unverkennbare Verwandtschaft mit den Bewohnern[S. 87] von Ruhla und Steinbach; lebensfroh, rauflustig, fleißig und gewandt im Verkehr sind sie alle. Brotterode ist der Ort der Feuerarbeiter: Schnallenschmiede, Sporer, Messermacher und andere Eisen- und Stahlarbeiter. Wer nicht selbständig im eigenen Häuschen, wo meist die vordere Hälfte der Stube als Schmiedewerkstatt eingerichtet ist, während die durch einen Vorhang abgetrennte hintere Hälfte als Schlafraum dient, thätig ist, der findet Beschäftigung bei den alt angesessenen Meistern. Der Vertrieb der in Brotterode und den Nebenorten gefertigten Stahl- und Eisenwaren ruht seit langem in den Händen von Kaufleuten, deren Söhne je für ein bestimmtes Absatzgebiet in Deutschland, Österreich, Rußland, den Niederlanden u. s. w. herangebildet werden. Der Sage nach schenkte Karl V. dem Orte große Waldungen und Äcker, durch deren Erträge die vollständige Besoldung der Gemeindebeamten bestritten werden konnte, und eine Fahne, die alljährlich zur Kirchweih ausgehängt wird. Flußabwärts verengt sich der Wiesengrund des Thales, an dessen Wänden sich Granitfelsen malerisch aufbauen, und es beginnt das Trusenthal, das seinen schönsten Teil oberhalb der Ortschaft Herges-Vogtei hat, dessen Bewohner mit denen des benachbarten Auwallenburg meist Bergleute sind, die auf Eisenstein, Alabaster und Schwerspat arbeiten. Über Felsblöcke rauscht der Trusenfall herab, der sein Wasser einer künstlich hergestellten Leitung verdankt, die unterhalb Brotterode vom Inselswasser abgezweigt wurde. Über Auwallenburg stehen die Ruinen der alten aus dem XIII. Jahrhundert stammenden Wallenburg, deren Bestandteile zum Teil von baulustigen Nachbarn weggeschleppt wurden.

Abb. 71. Bad Liebenstein.
Kleinschmalkalden.

Südlich des buchenbestandenen Seimberges erhebt sich die Glimmerschiefergruppe der Mommelsteine. Zwischen Seimberg und Roth windet sich die Kunststraße hinüber in das Thal des Wiebachs, der sich mit dem von der Höhe des Jagdbergs kommenden Kalten Wasser bei Klein-Schmalkalden vereinigt. Der Bach heißt von der Vereinigung an die Schmalkalde. Der Ort Klein-Schmalkalden (2000 Einw., wovon 1200 preußisch, 800 gothaisch sind) ist vom Bach durchflossen, der die Grenze bildet. Im ganzen Kreise Schmalkalden glühen in den Dörfern die Herdfeuer, es pocht und rauscht ein steter Betrieb in Hütte, Haus und Fabrik. Die Metallschätze des Mommelsteins und des Stahlberges sind die reichsten, denn sie liefern eine Jahresbeute von 6000000 kg besten[S. 88] Eisensteines; außerdem spenden die Berge des Gebiets noch Kobalt, Kupfer, Schwerspat, Marmor, Alabaster, Achat, Syenit, Porphyr und Sandstein. Bergbau und Hüttenwesen schufen die Köhlerei, belebten das Fuhrwesen und gaben Anlaß zum Aufblühen manches Waldortes, wo heute in Schmalkaldener Arbeiten eine lebhafte Industriethätigkeit herrscht. Vom Hühnberge abwärts zieht der besonders im Porphyrgebiet schöne Haderholzgrund herab. An seiner Mündung in die Schmalkalde liegt das preußische Dorf Seligenthal (1200 Einw.), mit Bergbau im nahen Stahlberg. Auch im benachbarten Nesselgrunde ist Eisenverarbeitung vorherrschend, besonders im Dorfe Floh (1100 Einw.). In Seligenthal und Brotterode leben etwa 550 Sporer und Schnallenschmiede.

Schmalkalden.

Wo das schöne Asbacher Thal den Porphyr durchbricht, nachdem es seine oberen Zuflüsse von der Loibe und aus dem Ebertsgrund erhalten hat, ist der Rand des Gebirges erreicht, so daß an der Mündung der Stille in die Schmalkalde schon Buntsandstein herrscht. Hier liegt die preußische Stadt Schmalkalden (7900 Einw.), ein Ort mit mittelalterlichen Anklängen und schöner Umgebung (Abb. 71). Die Kleinindustrie ist urkundlich seit dem XIV. Jahrhundert nachweisbar und erfreute sich seit dem XVI. Jahrhundert eines Weltrufes. Eine Masse von Kurzwaren werden hier verfertigt, und Tausende von Kleinfeuerarbeitern verfertigen diese Schmalkaldener Waren, ob sie nun in Schmalkalden oder in Struth, Seligenthal, Steinbach, Brotterode, Zella, Mehlis oder Suhl sitzen: Nägel, Haken, Schrauben, Jagdgeräte, Schlittschuhe, Werkzeuge und Gartengeräte, Petschafte, Fingerhüte, Ringe, Gürtlerwaren, Haus- und Küchengeräte. Mit Herstellung dieser Waren sind in Schmalkalden etwa 900 Arbeiter thätig. Die Stadt ist seit der Reformationszeit viel genannt, da hier 1531 der Schmalkaldische Bund geschlossen wurde, der später durch den Schmalkaldischen Krieg ein Ende fand. Das Rathaus und die Hauptkirche stammen aus dem XV. Jahrhundert, das auf dem Questenberge liegende Schloß Wilhelmsburg aus dem XVI. Jahrhundert, wo es an Stelle der alten Burg Wallraff (Walluff) erbaut wurde. Auf dem Friedhofe der Stadt ruht Karl Wilhelm, der Tonsetzer der »Wacht am Rhein«. Von großer Bedeutung für die zahlreichen an den Bachufern erbauten Werkstätten ist der Wasserreichtum der Gewässer, die schnell fließend sind und deshalb im Winter fast nie gefrieren.

Abb. 72. Schmalkalden.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)

IX.

Wer sich vor dem Lärm und Staub der großen Straße zurückziehen will in frische Bergluft und in stille Waldeinsamkeit, der steige hinauf auf den Kamm des Gebirges und wandere dann den merkwürdigen Weg, der den Kamm entlang zieht wie ein schmales Band. Stundenlang dringt das Auge nicht durch der Wälder Dichte, nur zu Häupten lacht blauer Himmel herein und der Sonne Lichter bringen ein farbenheiteres Bild in die Blättermassen. Dann gibt's wohl wieder freie Ausblicke, hinab in grüne Thäler, die sich verlieren in weiter Ferne, und auf duftige Bergmassen, die das Rundbild schließen. Oft ist der Pfad kaum zu erkennen, dicht verwachsen durch Gräser, Moos oder Gestrüpp, dann ist er wieder eine ganze Strecke fahrbar, dient aber keinem bedeutenden Verkehr, der wohl vom Thal über das Gebirge ein anderes Thal zu erreichen sucht, nicht aber den Kamm entlang zieht.

Rennsteig.

Auf der Wasserscheide des Gebirgs läuft der Rennsteig von Blankenstein, an der Mündung der Selbitz in die Saale, bis Hörschel, an der Mündung der Hörsel in die Werra in einer Gesamtlänge von 168 km.

An vielen Stellen ziehen sich aus den Mulden schmale Moorbänder bis zum Rennsteig empor, vielfach die Quellen der Gewässer bildend. Von Blankenstein aus gewinnt der Rennsteig die Höhe bei Rodacherbrunn (Rodach von Roda = Waldrodung, und Ache = Wasser), einer Häusergruppe, deren Lage im siebenjährigen Kriege und im Jahre 1806, als Napoleon den Frankenwald überschritt, militärische Bedeutung hatte. Die Fortsetzung des Rennsteigs wird bezeichnet durch die Punkte Grumbach, Brennersgrün, Spechtsbrunn, Neuhaus, Neustadt, Schmücke, Inselsberg und Hohe Sonne. Oft verherrlicht und besungen, ist er am treffendsten geschildert von Scheffel:

[S. 90]

Ein deutscher Bergpfad ist's! Die Städte flieht er
Und keucht zum Kamm des Waldgebirgs hinauf,
Durch Laubgehölz und Tannendunkel zieht er
Und birgt im Dickicht seinen scheuen Lauf ...
Der Rennstieg ist's: die alte Landesscheide,
Die von der Werra bis zur Saale rennt
Und Recht und Sitte, Wildbann und Gejaide
Der Thüringer von dem der Franken trennt.
Du sprichst mit Fug, steigst du auf jenem Raine:
Hier rechts, hie links! hie Deutschlands Süd, dort Nord.
Wenn hier der Schnee schmilzt, strömt sein Guß zum Maine,
Was dort zu Thal träuft, rinnt zur Elbe fort ...
Abb. 73. Oberhof am 16. Februar 1895.
(Liebhaber-Aufnahme von Gustav Schulze in Leipzig.)

Nächst der Hauptlinie des Rennsteigs sind noch zwei Zweiglinien vorhanden, die eine vom Großen Weißenberg bis Herrenbreitungen, 13½ km lang; die andere vom Ruhlaer Häuschen nach Sallmannshausen, 28 km lang. Der Liebensteiner Rennweg (vgl. oben S. 86) und der Rennsteig vom Großen Weißenberg nach Osten scheidet noch heute thüringische und fränkische Mundart, doch nur bis in die Gegend von Limbach, wo die Wasserscheide zwischen Schwarza und Loquitz die Grenze der beiden Mundarten bildet. Hier sind etwa seit dem VII. Jahrhundert die Franken allmählich vorgedrungen in die von Sorben besetzten Gegenden und kultivierten den ganzen Orlagau. Aber auch die Hauptlinie des Rennsteigs ist keine ununterbrochene Sprachscheide. Südlich davon setzten sich in Brotterode Thüringer fest, nördlich kamen die Franken bis zur Ilmenauer Gegend und ließen sich in Altenfeld, Stützerbach und Gehlberg nieder, ebenso drangen sie von Limbach aus in den Schwarzagruud bei Scheibe. Die unmittelbar am Rennsteig liegenden Orte tragen meist fränkischen Charakter, so Oberhof, Neustadt und Limbach, während Masserberg von Thüringern gegründet wurde. Über den heutigen Verlauf der Staatengrenzen am Rennsteig unterrichtet am schnellsten ein Blick auf die Karte (siehe Andrees Handatlas, Karte der Thüringischen Staaten).

Über die Bedeutung des Namens Rennsteig und über den Zweck des Weges sind die verschiedensten Meinungen aufgestellt worden. Früher galt er schlechtweg als Grenzweg, als Wald- und Jagdgrenze für die Holzgerechtigkeiten und Wildbahnen der angrenzenden Gemeinden und Herrschaften. Wahrscheinlicher ist die Beziehung des Namens Rennsteig oder Rennweg zu »rennen«, auf dem Roß dahinsprengen, so daß er also als Reitweg aufzufassen ist. Es würde sich dabei aber nicht um eine militärische Bedeutung handeln, weder um verdeckte Truppenverschiebung, noch um das Rennen der Reiterboten oder Grenzwächter auf dem Gebirgskamme. Näher kommt die Auffassung des Rennsteigs als Reitweg für den Grenzumritt, gleichgültig, ob es sich um Wildbahngrenzen, Forstgrenzen oder Landesgrenzen handelte. Die größte Wahrscheinlichkeit hat die Beziehung des Rennsteigs zur urkundlich nachgewiesenen vom XV. bis ins XIX. Jahrhundert bestehenden Rossezucht auf den Höhen des Thüringerwalds. Die altnomadische Zuchtweise, die Rosse in großen Herden fern von menschlichen Wohnungen im Freien weiden zu lassen, war mindestens zu Ausgang des Mittelalters auf der Kammhöhe Brauch, wo zahlreiche Waldwiesen und Waldblößen (oft mit der Namensendung rod) bestanden. Es mußten dann alte Weideplätze und Wege benutzt werden, auf denen der berittene Roßhirt dahinrannte (sprengte) und auch seine Rosse zu den Weideplätzen rannten. Wo keine Hochweiden vorhanden[S. 91] waren, mußte man sich mit den Weiden in den Niederungen begnügen, wodurch vielleicht hier und da das Vorkommen des Namens Rennweg in der Niederung zusammenhängt. Die Besiedelung der Höhen geschah zunächst an den Pässen, wo die Straßen das Gebirge überschritten und wo Wallfahrtsorte, Wirts- und Geleitshäuser und Schmieden entstanden.

Abb. 74. Wald bei Oberhof (Februar 1895).
(Liebhaber-Aufnahme von Gustav Schulze in Leipzig.)

X.

Klima Thüringens.

Der reiche Wechsel der Oberflächenformen in der Gesamtlandschaft Thüringen gibt Veranlassung zu einem sehr verschiedenen Klima in den einzelnen Gebieten. Am günstigsten erscheint die Osthälfte des Thüringischen Beckens nebst Ilm- und Saalplatte, im Westen etwa von einer Linie Saalfeld-Erfurt-Nordhausen begrenzt. Hier herrscht eine wahre Mitteltemperatur des Jahres von 8–9° C., die dann im Vorlande und Frankenwald erheblich zurückgeht und endlich auf dem Gebirgskamm nicht ganz 4° beträgt. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Weimar 8,1, Coburg 7,7, Ziegenrück 7, Großbreitenbach 5,8, am Inselsberg aber nur 3,6° C. Die Julitemperaturen stellen sich wie folgt: Weimar 17,6, Coburg 17,4, Ziegenrück 15,9, Großbreitenbach 15,1, Inselsberg 12,2; die Januartemperaturen: Weimar -1,2, Coburg -2, Ziegenrück -2, Großbreitenbach -2,6, Inselsberg -4,3. Merkwürdige Übereinstimmung zeigen die annähernd in gleicher Höhenlage befindlichen Städte Erfurt und Heiligenstadt, deren Jahrestemperatur 8,3 und 8°, Januartemperatur -1,1 und -0,7°, Julitemperatur 17,7 und 17,2° C. beträgt. Zuweilen tritt im Thüringischen Becken während des Winters eine Luftstauung ein, die sich in der Entwickelung hoher Kältegrade äußert, die oft auf den benachbarten Höhen nicht bemerkt werden, so daß ähnlich wie in den Alpen aus Bergen oder hoch gelegenen Orten im Winter manchmal höhere Temperaturen herrschen, als in tief gelegenen Thälern. Die eigentliche Frostzeit dauert in niederen Landesteilen etwa zwei Monate, steigt aber in den höheren Gebieten bis über das Doppelte. Aus den höchsten Punkten (Inselsberg, Schmücke, Oberhof) hat der Frost eine mittlere Dauer von 140 Tagen. Die täglichen Temperaturschwankungen sind in den engen und tief eingeschnittenen Thälern am bedeutendsten. Die Luft ist aber rein und besonders im Gebirge anregend, wozu Höhe und Bewaldung gleichmäßig beitragen und alljährlich viel Tausenden von Menschen Kräftigung und Erholung ermöglicht.

Niederschläge.

Die Durchschnittszahl der Tage mit Niederschlägen beträgt in Thüringen jährlich 180! In Weimar fallen an 197 Tagen im Jahre 55 cm Niederschläge, in Coburg an 160 Tagen 64 cm, in Großbreitenbach[S. 92] an 211 Tagen 112 cm, auf dem Inselsberg an 183 Tagen 120 cm. Nicht große Unterschiede haben Erfurt mit 52 cm (wovon 14 vom Hundert im Juni fallen, während in Großbreitenbach der höchste Prozentsatz 12 im Dezember fällt), Heiligenstadt 62 cm, Jena 54 cm, Langensalza 50 cm und Sondershausen 54 cm. Die geringsten Niederschläge mit weniger als 50 cm haben die Mitte des Thüringischen Beckens und die untere goldene Aue. Gewitter treten nur an 13–20 Tagen im Jahre auf. In den Niederschlagstagen sind die Schneetage miteingerechnet, die für Weimar 49, Coburg 48, Großbreitenbach 67, Neuhaus am Rennsteig 70, Inselsberg 67 betragen. Diese für das Gebirge verhältnismäßig geringe Zahl der Schneetage bringt aber oft große Schneemassen, so daß auf dem Kamm manchmal der Schnee bis zu den Dächern der Häuser reicht (Abb. 73). Die gewaltigen Schneemassen hüllen dann den schweigenden Gebirgswald in ein weißes Zaubergewand, das besonders auf den Nadelbäumen schwer lastet (Abb. 74) und großen Schaden durch Schneebruch anrichtet. Am verheerendsten treten die Schneebrüche in einer Höhenlage von etwa 700–800 m auf, wo der Schnee großflockiger fällt als in den höchsten Gebirgsteilen.

Abb. 75. Thüringische Tracht.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

Das Klima Thüringens beeinflußt in bester Weise die mächtige Bewaldung des Gebirges und regelt den Lauf der Flüsse, während es im Thüringischen Becken den Ackerbau begünstigt. Die besonders im Sommer reichen Niederschläge nähren zahlreiche kräftige Wasseradern, die aber trotzdem dann nur niedriges Wasser führen, weil den Niederschlägen durch die Verdunstung entgegengearbeitet wird. So leidet die Schiffbarkeit der Saale durch diese geringste Wasserführung gerade zu der für den Verkehr günstigsten Jahreszeit. Im Winter und Frühling besitzen die Flüsse aber meist Hochwasser, das oft große Verheerungen anrichtet.

Abb. 76. Thüringische Tracht.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Ackerbau und Viehzucht.

Nach Klima und Höhenlage ist die Pflanzenwelt Thüringens eine wechselnde, aber überall wohlgepflegte. In den geschützten Thälern der Saale und Unstrut gedeiht der Wein, dessen Anbau schon seit dem XIV. Jahrhundert bekannt ist. Früher wurde er im Grabfeldgau gebaut, Rebenhügel[S. 93] grünten bei Kronach und Coburg, bei Erfurt, Arnstadt, Gotha und Eisenach, selbst in der Hainleite, am Kyffhäuser und am Frauenberge bei Sondershausen. Der Weinbau reicht nur bis zu einer Höhe von 350 m. In den unteren Gefilden Thüringens wiegt der Acker- und Gartenbau vor, dessen Bodenfläche im Kreise Erfurt, wo die weltberühmten Blumen- und Gemüseanlagen liegen, 81 vom Hundert der Gesamtanbaufläche beträgt, in Sachsen-Weimar 55 vom Hundert, im Gebirge aber noch weiter zurückgeht, so daß in Ziegenrück nur noch 46, in Schleusingen 24 vom Hundert der Gesamtfläche dem Acker- und Gartenbau dient. Die Thalgründe sind meist mit ausgedehnten Wiesen bedeckt, im Gebirge sind sie nur als Waldwiesen oder Hochwiesen vorhanden. Von der Gesamtfläche sind im reußischen Lande 17, in Ziegenrück 12 vom Hundert der Gesamtfläche Wiesen. Hiermit hängt eine kräftige Viehzucht zusammen, besonders im östlichen Thüringen, wo im Altenburger Ostkreise, im weimarischen Kreise Neustadt und in Reuß jüngerer Linie auf 1000 Bewohner 500–600 Stück Rindvieh kommen, während auf dem höchsten Teil des Gebirges dieses Verhältnis nur 100–300 Stück Rinder aufweist. Die in alten Zeiten blühende Pferdezucht ist erheblich zurückgegangen, da fast nur für landwirtschaftliche Zwecke gezüchtet wird. Am erheblichsten ist sie im oberen Unstrutthal, im Westen des weimarischen Kreises und in der Oberherrschaft von Schwarzburg-Sondershausen, wo auf 1000 Bewohner 75–100 Pferde kommen; am geringsten ist das Verhältnis in der Sondershäuser Unterherrschaft und auf der Höhe des Frankenwalds und des Thüringerwalds einschließlich der preußischen Kreise Suhl und Schmalkalden, wo auf 1000 Bewohner nur 6–25 Pferde kommen. Bedeutend ist die Zucht der Schweine, von denen auf je 1000 Bewohner 400–600 berechnet sind, aber wiederum mit Ausnahme des höchsten Gebirges, wo die Zahl auf 200–100 heruntergeht.

Abb. 77. Thüringische Tracht.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Abb. 78. Thüringische Tracht.
(Nach Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Ackerbau.

Von Kulturpflanzen der Stufe unter 350 m sei noch der Tabak erwähnt, der im Werrathal gebaut wird, dessen Jahresproduktion sich aber nur auf 106000 Mark beläuft.[S. 94] Außer Getreide gedeihen noch Hülsenfrüchte, Ölpflanzen, Flachs, Hopfen, Anis, Koriander, Klee und Kartoffeln. Obstreich sind die Thäler der Saale und Unstrut, Gemüse gedeiht in vorzüglichster Art bei Erfurt und Naumburg. Durch große Fruchtbarkeit ausgezeichnet sind die Keuperlandschaften in Coburg, Meiningen und im Thüringischen Becken, und die Landschaften des aus der Eiszeit stammenden Geschiebelehms im Altenburger Ostkreise. Der Muschelkalk zeigt meist trockenen steinigen Boden; wo er thonige Bestandteile hat, ist er für den Feldbau günstig. Das vorwiegend aus Muschelkalk bestehende Eichsfeld gehört zu den ärmlichsten Bezirken. Der Buntsandstein bildet, wie schon oben erwähnt worden, besonders auf der südlichen Saalplatte das Holzland, und ist für Ackerbau weniger geeignet, am besten noch für Kartoffeln. Fruchtbar sind aber die auf Buntsandstein lagernden Anschwemmungen in den Thälern der Wipper, Helme und Unstrut, der vielgepriesenen »Goldenen Aue«. Auch die auf Muschelkalkuntergrund vorhandene Lößbedeckung der Querfurter Platte gehört zu den fruchtbaren Landschaften.

Abb. 79. Thüringische Tracht.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)
Abb. 80. Thüringische Tracht.
(Nach einer Photographie von G. Jagemann in Eisenach.)

Der lohnende Anbau von Getreide hört in einer Höhe von etwa 600 m auf. Zuerst schwindet nach der Höhe zu der Weizen, nach ihm die Gerste, während Roggen und Hafer noch über diese Höhe hinaus sich verbreiten. In kühlen regenreichen Sommern erreicht das Getreide in der Höhe des Rennsteigs oft die Reife nicht und wird dann als Grünfutter verbraucht. Die Roggenernte ist durchschnittlich in der Merseburger Gegend Mitte und Ende Juli, in Ilmenau Anfang August, in Gehlberg Anfang bis Mitte September. In den höchsten Gegenden steht oft noch Mitte Oktober der Hafer auf dem Felde. Ölpflanzen und Hülsenfrüchte reichen nur bis 500 m Höhe, nur der Flachs und die Kartoffeln steigen weiter empor, so daß die Kartoffel manchmal noch zwischen 700 und 800 m gut gedeiht. Das Wachstum der Feldpflanzen ist im allgemeinen nach der größeren Erhebung des Geländes arm und dürftig. Sehr anschaulich wirkt nach dieser Hinsicht der Vergleich einiger Blütezeiten. Die Traubenkirsche blüht in Leutenberg durchschnittlich am 8. Mai, in Coburg am 12. Mai, in Ohrdruf am 17. Mai, in Oberhof am 30. Mai; die Apfelblüte tritt in Leutenberg am 9. Mai ein, in Coburg am 14. Mai, in Ohrdruf am 21. Mai, in Oberhof am 5. Juni; Syringen blühen zuerst in Leutenberg am 15. Mai, in[S. 95] Coburg am 19. Mai, in Ohrdruf am 24. Mai und in Oberhof am 8. Juni. Auf der Höhe des Frankenwaldes werden in warmen Jahren die Kirschen noch reif bis zur Höhe von 700 m, doch ist das Fleisch der Frucht geringer entwickelt als der Stein. Andere Obstsorten gedeihen nur gut bis zur Höhe von 500 m, ebenso die Gurken und die feineren Gemüse. In den geschützten Lagen des Saalthales kommen auch zartere Obstsorten und prächtige Walnußbäume fort, ebenso im unteren Werrathal und im Gebiete zwischen Langensalza und Naumburg.

Abb. 81. Altenburgische Tracht.
Abb. 82. Altenburgische Tracht.
Abb. 83. Altenburgische Brauttracht.
Wald.

Das Gebirge ist in seiner ganzen Ausdehnung reich bewaldet und verdient deshalb den Namen »Wald« vollauf. Früher wurde der Bestand einzelner Gegenden stark gelichtet, da das Holz als Brennmaterial für Verhüttung der Erze diente. Trotzdem sind von der Gesamtfläche des Gebirges noch 74 vom Hundert mit Wald bestanden, wovon fast ¾ Staatswaldungen sind, was für die Erhaltung und Pflege der oft herrlichen Bestände von großer Wichtigkeit ist. Dabei durchkreuzen zahlreiche gute Wege die großen Wälder, daß man nicht mit Unrecht von Thüringen als dem »Garten Deutschlands« spricht. Der Charakterbaum des Waldes ist die Fichte, Tannen und Kiefern kommen seltener vor, letztere zumeist auf Sandsteinboden. Auch die höchsten Erhebungen des Gebirges reichen nicht über die Baumgrenze hinaus, Schneekopf und Beerberg sind bis zum Gipfel mit Nadelwald geschmückt, und auch auf dem freier gelegenen Inselsberg wachsen Buchen und Zwergkiefern. Im ganzen südöstlichen Thüringerwald und im Frankenwald überwiegen Nadelwälder, die für das Schiefergebirge bedeutsam sind. Die in niederen Gebieten vorkommenden Ahorne, Birken, Eschen und Linden reichen nicht weit in die Höhe, am weitesten noch die Eiche, die aber auch schon bei 550 m verschwindet. Von den geschlossene Bestände bildenden Laubbäumen geht die Buche am[S. 96] höchsten, erreicht jedoch in Höhen über 800 m keine volle Entwickelung. Im Holzbetrieb werden neuerdings fast gar keine Laubbäume nachgepflanzt, sondern Fichten, deren Holz sich schnell auswächst und um so schneller marktfähig wird. Buchenbestände kommen inselartig häufig vor, wo sie dann hellfarbig aus der dunklen Nadelwaldumgebung hervorleuchten, im Schwarzathal, im Schleusegrund, im Gerathal und anderwärts. Der nordwestliche Thüringerwald trägt auf Rotliegendem und Porphyr meist prächtige Buchenwälder, am Gebirgsfuße umsäumt vom Nadelwald, der auf dem Buntsandstein aus Kiefern besteht. Im Walde wachsen in großer Menge Heidelbeeren und Preißelbeeren, die eine wichtige Einnahmequelle für die ärmere Bevölkerung bilden, ebenso Pilze, und im Unterholz Weißdorn und Haselsträucher, auch schön gefiederte Farne. Belebt ist der Wald von zahlreichen Singvögeln; von wildem Geflügel sind Auer- und Birkhühner zu nennen. Rotwild und Wildschweine werden in den fürstlichen Wäldern gehegt.

Abb. 84. Fränkische Hausanlage.
(Nach A. Meitzen gezeichnet von E. Umbreit.)

XI.

Volkstum und Sprache.

Die Bewohner Thüringens bilden eine Art Stammeseinheit, verbunden durch eine fast tausendjährige Geschichte, durch Sitten und Gebräuche, Sagen und Lieder. Vorherrschend sind die Bewohner von Mittelgröße, körperlich am besten entwickelt in den Gebieten der Landwirtschaft, während hoch im Waldgebirge zwar die natürlichen Bedingungen die gleichen sind, aber durch das Vorwiegen der industriellen Thätigkeit stark beeinträchtigt werden. Abgesehen von örtlichen Sprachverschiedenheiten (z. B. Ruhla, Brotterode und Steinbach) wird nördlich des Gebirges meist die thüringische Mundart gesprochen, im größten Teil des Südens die fränkische (vgl. S. 90), im Osten des Osterländischen Stufenlandes fließt der Dialekt in das Meißnische hinüber, das im Königreich Sachsen vorherrschend ist. Aus dem thüringischen »Blümchen« wird in Franken ein »Blümle«, aus »Nalgen« (Nelken) ein »Nagele«, dabei haben viele Ortschaften noch ihre ganz besonderen Spracheigenheiten. Im Altenburgischen hat sich eine besondere Mundart ausgebildet. Im Norden greift das Thüringische am weitesten aus, dort zieht die Sprachgrenze ungefähr vom Eichsfeld bis zum Südharz und zur Saale. Nordwärts davon herrscht bereits das Niederdeutsche.

Abb. 85. Waltershausen.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Körperliche Verhältnisse der Bevölkerung.

Im allgemeinen ist der Thüringer fröhlichen Gemüts und geistig geweckt, in letzter Hinsicht überragt meist den Flachländer der Wäldler, soweit ihn der Schnapsgenuß nicht etwa heruntergebracht hat. Im Durchschnitt ist die Bevölkerung von mittlerer[S. 98] Größe und schmächtigen Formen. Das flache Land ist dabei begünstigt, während durch die ärmliche Lebensführung im Gebirge, besonders in Gebieten der Hausindustrie die körperliche Entwickelung sehr leidet. Dasselbe gilt in den meisten Fällen auch für das weibliche Geschlecht, das in der Kinderzeit noch frisch blüht, dann aber durch Arbeit, mangelhafte Ernährung und zu frühes Mutterwerden schnell altert. Begünstigt wird die geistige Regsamkeit durch die vielfältige Industrie, die ab und zu neue Dinge bringen muß, und der Verkehr mit Fremden, der im Gebirge naturgemäß bedeutender ist als in der Niederung. Auf dem Gebirge artet manchmal der Frohsinn in Leichtsinn und Genußsucht aus, der Grundzug bleibt aber auch hier fröhliche Genügsamkeit und Ehrlichkeit, so daß der Wanderer selbst in den ärmlichsten Waldgebieten nie von Bettlern belästigt wird.

Abb. 86. Schloß Tenneberg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Abb. 87. Gotha um 1550, nach dem gleichzeitigen Holzschnitt von Sebastian Münster.

Beim »Wäldler« wie beim »Ländler« — bei dem Gebirgsbewohner wie bei dem Bauer der Ebene — ist in kirchlichen[S. 100] Dingen trotz mancher Gleichgültigkeit bei der Mehrheit doch noch eine religiöse Gesinnung vorhanden, wenn sie auch in neuerer Zeit etwas verblaßt. Aber der Bauer ist durch seinen Beruf fast immer an seine Abhängigkeit von einer unsichtbaren höheren Macht erinnert, die sich ihm fühlbarer macht als etwa dem Fabrikarbeiter der Stadt. Allen Freuden und Leiden gegenüber bleibt der Bauer gelassen, gemäß dem alten thüringischen Sprichwort: »Duck' dich und laß vorübergahn, das Wetter will sein'n Fortgang ha'n«, und dadurch entgeht er oft allem Spott und aller Schadenfreude. Ein Rest von Aberglauben ist da und dort noch vorhanden; für das abergläubische Thun braucht der Bauer den Gesamtnamen »Sympathie«, und das »Büßen« und »Versprechen« wird noch viel geübt.

Abb. 88. Gotha, vom Berggarten aus gesehen.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Geistige Verhältnisse der Bevölkerung.

Der Schulunterricht wird überall schon deswegen geschätzt, weil der Gebildete im Leben besser sein Fortkommen findet. Beim Landvolk ist der eheliche Friede meist bewahrt, wenn auch häufig die Neigung nicht als Ehestifterin gilt, und trotzdem »raucht es in allen Küchen«. Die Frau ist auf dem flachen Lande vielfach durch Lebhaftigkeit und Entschiedenheit dem gleichgültigeren Manne geistig überlegen. In der Mehrzahl der Landdörfer herrscht jetzt ein fortschreitender Geschäftsbetrieb in Bezug auf Ackerbau und Viehzucht. Mit dem Wachsen der Wohlhabenheit wird auch hier der Sinn für das Schöne geweckt, leider nicht durch Wiederaufnahme des Alten, sondern mit Nachahmung von städtischer Kunst, oft mit einem Anflug von Lächerlichkeit. Für Witz und Spott ist der Bauer im hohen Grade empfänglich, auch zeigt er im Verkehr mit anderen Leuten gefällige und liebenswürdige Seiten. Viele der im Gebrauch befindlichen Sprichwörter und Redensarten beschränken sich nicht auf Thüringen, sondern sind in ganz Mitteldeutschland und östlich bis weit nach Schlesien hinein nachweisbar. Es fehlen aber auch die Schattenseiten nicht: Geiz und Habsucht einen sich oft mit der Lust am Horchen und Klatschen und mit der in Handelsangelegenheiten häufig angewandten Übervorteilung, deren Wurzel in der sog. Bauernpfiffigkeit beruht. Bei Unglück und Not kommt aber der gute Kern wieder zum Vorschein, da heißt es Hilfe schaffen und sich gegenseitig unterstützen, was gern und ausgiebig gethan wird.

Abb. 89. Gustav Freytags Landhaus in Siebleben.
Sitten und Gebräuche.

Bezeichnend für die thüringische Auffassung ist die Zusammenstellung von Kirche[S. 101] und Schenke, Gottesdienst und Wirtshausbesuch, Andacht und Tanzbelustigung, die hier keine Gegensätze bilden, sondern ein Feiern im Sinne des Ruhens von der Arbeit. Infolgedessen ist es selbstverständlich, daß Konzert, Bratwurstessen und Tanzvergnügen zu jedem kirchlichen Gelegenheitsfest die Ergänzung bilden. Die vier Dinge: Bier, Wurst, Musik und Tanz dürfen bei keinem Feste fehlen. Für die Städte sind die Schützenfeste, hier Vogelschießen benannt, stets eine Reihe von lustigen Tagen. An manchen Plätzen haben sich Ortsfeste herausgebildet, so die Brunnenfeste in verschiedenen Badeorten, das Kirschenfest in Naumburg, dessen Beziehung zu den Hussiten nur Sage ist, da es erst seit 1450 als Sommerfest gefeiert wird. Für die Dörfer sind die Ortsjahrmärkte, vor allem aber die Kirchweih oder die Kirmeß (Kirmse) der Inbegriff alles Vergnügens, im Altenburgischen mit dem lieblichen Namen »Landfressen« bezeichnet. Kirchweih und Fastnacht werden oft drei Tage hintereinander gefeiert. Ähnlich ist es bei den Hochzeitsfeiern, bei denen städtische Äußerlichkeiten viel gelten. Vor dem Hochzeitshause ist dann eine Ehrenpforte errichtet. Zieht die Braut aus ihrem Dorfe hinweg, so thront sie mit Spinnrad und Rocken hoch oben auf den mit Hausrat, besonders Betten, gefüllten und von geschmückten Pferden gezogenen Wagen. Bei der Ausfahrt aus dem Dorfe sowie bei der Einfahrt in die fremden Dörfer oder Fluren wird sie durch ein vorgehaltenes Seil gehemmt und muß sich mit klingender Münze auslösen. Diese Sitte besteht jedoch auch in manchen Gegenden Schlesiens und wird überhaupt vielfach gegen Fremde angewendet, z. B. bei der Besichtigung von Neubauten. Bei Todesfällen und noch mehr bei Leichenbegängnissen hört man lautes Wehklagen, das gewissen Gewohnheiten folgt. Aber auch bei wirklichem Schmerz um einen Toten vergißt sich der Bauer des Flachlandes niemals selbst, um bei Erbschaften seinen Vorteil wahrzunehmen.

Die Liebe zur Natur offenbart sich in vielen Gebräuchen, und an Sonn- und Festtagen wandert der Thalbewohner hinauf zur Höhe. Am Pfingstfeste werden häufig Maien (grüne Waldbäume) errichtet, im mittleren und nordwestlichen Thüringerwald werden dann die Brunnen bekränzt und mit buntem Papierflitter ausgeputzt; später im Jahre werden Johannis- und Oktoberfeuer entzündet. Bis hoch ins Gebirge hinauf sind die Fenstersimse der Häuser mit Blumen geschmückt, die in Töpfen gezogen werden, besonders beliebt sind Aurikeln, Nelken und Rosmarin. Auch der ärmste Mann hat gefangene Vögel in kleinen Holzbauern neben seinen Fenstern aufgehängt: Stieglitze, Zeisige, Hänflinge, Finken und Kreuzschnäbel.

Abb. 90. Ohrdruf.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Nahrung, Sagen und Volkstrachten.

So manche Festbräuche klingen an längst vergangene Zeiten an. Es ist wohl etwas weit gegangen, die Schlachtschüsselmahlzeiten (»Schlachtfeste«) des Winters mit dem Julfest in Verbindung zu bringen, wo der Hertha das wilde Schwein als Opfertier gewidmet wurde. Beim beginnenden Frühling,[S. 102] also zum Osterfest, das an das alte Feste der Ostara, der Göttin des neu strahlenden Lichtes, anknüpft, werden deshalb hie und da Osterfeuer entzündet. An den Ostarakult erinnern die Namen mancher Höhen als Osterstein und der Gebrauch des Osterwassers. Im ehemaligen slavischen Wohngebiete erinnerte an das altgermanische Frühlingstotenfest das Lied:

Wir alle, wir alle kommen 'raus
und tragen heute den Tod hinaus,
Komm' Frühling, wieder mit ins Dorf,
Willkommen, lieber Frühling.

Auch der Inhalt dieser Reime ist weit bis nach Schlesien hinüber bekannt gewesen, wo noch vor vier Jahrzehnten, unter dem Gesange eines ähnlichen Liedes eine Strohpuppe im Umzuge geprügelt und dann in den Fluß geworfen wurde (das sog. Todaustreiben).

Die Nahrung ist nach den verschiedenen Abstufungen von der Wohlhabenheit bis zur dürftigsten Armut eine sehr verschiedene. Der Flachländer ist vor dem Gebirgsbewohner auch hier wieder sehr bevorzugt, da im Gebirge auf dem Küchenzettel die Kartoffel den ersten Rang einnimmt. Für viele Industrieplätze gilt der Satz:

Kartoffeln in der Früh,
Zum Mittag in der Brüh,
Des Abends mitsamt dem Kleid,
Kartoffeln in Ewigkeit.

Da gibt es höchstens des Sonntags einmal Fleisch, niemals dürfen auf dem Sonntagstische aber die Klöße (Hütes) fehlen, aus rohen Kartoffeln bereitet. Predigt nun der Geistliche im Vormittagsgottesdienst zu lange, so daß die Frauen zur Bereitung der Speisen zu spät nach Hause kommen, dann nennt man ihn wohl auch »Kloßverderber«. Die bei Festlichkeiten unentbehrliche Wurst wird auf dem Rost gebraten. Am Martinstage steht der Gänsebraten in hohen Ehren und zu Weihnachten werden überall Schlachtfeste gefeiert. So bringt die Kost besonderer Tage Abwechselung in das Einerlei der Wochentagsgerichte und mit der Verbesserung der Tafelfreude auch eine Verbesserung der Stimmung.

Viele Sagen sind im Volksmunde noch vorhanden, denen vielfach ein tief sittlicher Sinn zu Grunde liegt. Alle unheimliche Macht des Bösen, die dem Menschen feindlich entgegentritt, wird durch das Kreuz und den Namen Gottes gebrochen. Manche Sagen lassen noch einen heidnischen Kern erkennen oder knüpfen an das Entstehen oder Vergehen der Burgen und Schlösser an. Da gibt es Verzauberungen und Verwünschungen, und manch Berg und Wald, Kloster und Burg, Quelle und Fluß sind umrankt von Mären und Sagen. Vielfach klingt Erwartung und Freude an Reichtum, Ehre und Gold hinein, und wo der Mensch am ärmlichsten sein Dasein fristet, kommt die verklärende Sage, um ihn über die rauhe Wirklichkeit hinwegzutäuschen.

Die Trachten, die früher im deutschen Volksleben so reizvoll wirkten, sind auch in Thüringen fast verschwunden und im großen Kulturbrei aufgelöst. Nur hie und da sind noch schwache Reste vorhanden, zumeist beim weiblichen Geschlecht. Die großknöpfigen Röcke, die dreieckigen Hüte, die Kniehosen und Schnallenschuhe der Männer sind fast nirgends mehr zu finden, ebensowenig die großen Tuchmäntel und die runden Haarkämme der Frauen. Die mit weißer Leinwand unterlegten, auch im Sommer getragenen Pelzhauben der Frauen Brotterodes sind ebenso verschwunden, wie die gesichtsverhüllenden weißen Schleier, die nur Augen, Nase und Mund frei ließen. In der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts trugen wohlhabende Bürgerfrauen im Rudolstädtischen feine blaue Tuchmäntel mit Goldbortenkragen, sowie auf dem Kopfe ellenhohe von Gold strotzende Grenadiermützen, die hinten mächtige Büsche kostbarer Bänder wehen ließen.

Abb. 91. Arnstadt, im Hintergrund die drei Gleichen.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

Ganz müssen mir hier die Kleiderarten des Mittelalters unberücksichtigt lassen, die im allgemeinen wenig mit Volkstrachten, die für einzelne Landesteile bezeichnend sind, zu thun hatten; so z. B. im XVI. Jahrhundert die silbernen Gürtel der Kreuzburger mit daranhängenden, klingenden Glöcklein, und die dicken baumwollenen Wämser mit hölzernen Schilden oder Brusteisen, um die Pfeilschüsse abzuwehren. Der überall in Deutschland verbotene Kleideraufwand scheint auch in den Thüringischen Landen verbreitet gewesen zu sein, denn 1420 verbot der Rat der Stadt Erfurt den übermäßigen Gebrauch von Gold, Silber und seidenen Kleidern, und zur Hochzeit durfte keine[S. 104] Krämerin oder Dienstmagd Perlen zum Kranze oder Haarband tragen.

Abb. 92. Plan von Erfurt um 1650 (nach einem gleichzeitigen Stiche).
Volkstrachten.

Der blauleinene Kittel der Männer ist nicht als Tracht aufzufassen, da er bei Landbauern und Fuhrleuten bis nach Frankreich verbreitet ist. Die Frauen halten insofern an alter Überlieferung fest, als sie bei festlichen Gelegenheiten eine große Zahl von Röcken übereinander tragen, meist von dunkler Farbe und vorn mit einer großen Schürze verhängt. Der Kopf ist turbanartig mit einem schwarzen Kopftuche[S. 106] umwunden, wie in Friedrichroda, oder trägt hohe Mütze mit lang herabfallenden Bändern, wie in Brotterode; dazu kommt noch der durch ganz Thüringen verbreitete aus Kattun gefertigte Kindermantel (Abb. 7578). In Ruhla war früher üblich, um das nach hinten gekämmte mit rund gewundenen Zöpfen festgehaltene Haar bunte Tücher zu schlingen; die Ärmel sind vielfach im oberen Teile in Stufen geteilt und in enge Fältchen gelegt. Oft hat die Kegelhaube oder Bandmütze Einlagen von bunter Perlenstickerei oder ist mit großen Schleifen oder Federbüschen geziert, bei den Bräuten oben mit einer Flitterkrone geschmückt.

Abb. 93. Erfurt, von der Grolmanshöhe aus gesehen.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)

In Hötzelsroda bei Eisenach trägt man ebenfalls das turbanartige Kopftuch oder auch große dunkle Hauben, in der Form den niederländischen nicht unähnlich. Auch hier ist der Ärmel im oberen Teile stark gefältelt, und über die Schulter fällt ein mit Band besetzter Kragen. Die Kleider sind dunkel und nur die Schürzen bringen eine etwas lebhaftere Färbung hinein. Abb. 79 zeigt einen Kirchgang, wozu die blumengeschmückten Bänderhauben mit den großen Seidenschleifen, die Spitzkappe und der dunkle Radmantel zur Geltung kommen. In Öchsen bei Vacha gibt sich die Mädchentracht in einigen Resten ans Alte anklingend: die Halsketten, das buntfarbige Brusttuch, das dunkle Mieder und die kurzen Hemdärmel (Abb. 80) sind bezeichnend, während Röcke und Schürzen ziemlich neue Formen zeigen. Belangreicher ist die Tracht der Burschen mit den langen Westen, die mit ihren langen Knopfreihen bis ans bunte Halstuch reichen, den knopfbesetzten Jacken oder langen Röcken und den weißen Hosen, die entweder lang oder als Kniehose getragen werden. Im letzten Falle ist der Unterschenkel von einem wollenen Wadenstrumpf bedeckt, und an den Füßen prangen die niederen Schuhe mit den großen Schnallen.

Abb. 94. Dom und Severinskirche zu Erfurt.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

Auch im Altenburgischen sind von der Tracht nur noch einige Reste vorhanden, und in entlegenen Dörfern sieht man zuweilen das ältere Geschlecht in der alten Gewandung (Abb. 81 u. 82). Bei der Männertracht sind die kleinen Hüte, das schwarzseidene Halstuch, die dunklen Tuchjacken oder langen Tuchröcke, die ledernen unter dem Knie zusammengebundenen Hosen und lange Stiefel noch gebräuchlich. Auffallender als beim Melcher ist die Tracht bei der Marje (Melchior und Marie, wie die Träger altenburgischer Tracht allgemein heißen). Der Kopf wird eng umschlossen von der Haube, die hinten ein Pappgestell[S. 107] trägt, um das Kantentuch in voller Breite zu entfalten. Der Brustlatz ist eine stoffüberzogene Pappe und steht in ärgster Feindschaft mit dem Teil des Körpers, den er bedeckt. Der eng gefältelte Rock umschließt panzerartig den Leib und läßt die Waden frei, darüber wird dann noch eine große Schürze mit langen Bändern getragen. Der Kopf einer Braut wurde mit dem Hormt geschmückt (Abb. 83), einem hohen Aufbau aus Pappe, mit rotem Damast überzogen und mit Goldplättchen behängt, die bei jedem Schritt aneinander klingen.

Anlage der Wohnplätze.

Unser Gebiet zeigt in seinem größten Teile, wo altgermanische Siedelungen bestehen, in seinen Ortschaften die fränkische Hausanlage. Das Wohnhaus steht mit dem Giebel der Straße zugewandt und ist meist von der Breitseite aus zugänglich. In der Mitte und im Nordwesten des Gebirges sind die Häuser meist mit Ziegeln oder Schindeln gedeckt und damit auch an den Wetterseiten verkleidet. Im Südosten, im Gebiete des Schiefergebirges, sind sie nicht nur mit Schiefer gedeckt, sondern oft auf allen Seiten bis zum Erdboden herab mit Schiefertafeln bekleidet, deren düstere Fläche hie und da durch hellfarbige Tafeln in Form irgend einer Zeichnung unterbrochen ist. Vielfach findet man im Erdgeschoß eine Laube oder offene Galerie an der Hälfte der Hauslangseite, oben verdacht, so daß bei schlechtem Wetter der Zugang zu den Thüren trocken bleibt. Hier werden Pferdegeschirre u. dergl. aufgehängt, manchmal auch das Brennholz aufgestapelt.

Abb. 95. Rolandsäule in Erfurt.

Einfach und eng sind die Wohnungen in den Industriegegenden, bei den Kleinfeuerarbeitern von Suhl und Schmalkalden, bei den Holzarbeitern bei Sonneberg, bei den Griffelarbeitern. Aus dem ursprünglichen einstöckigen Holzbau entwickelte sich später beim Bauernhause ein oberes Stockwerk aus Fachwerk mit Lehmfüllung. In neuerer Zeit wird das untere Stockwerk vielfach als Steinbau, das obere als Fachwerkbau ausgeführt. Die Hausthür führt in einen bis zur Rückwand durchgehenden Raum, an den auf der einen Seite der Wohnraum, auf der andern Seite die Kammern stoßen. Die übrigen Wirtschaftsräume, Ställe, Scheune, Schuppen, sind nur bei kleinem Besitz sämtlich hinter die Kammern unter demselben Dache angebaut. Bei den Hufenbauern stehen hier in der Regel nur die Pferde und Kühe. In den größeren Besitzungen sind für alle diese Wirtschaftsbedürfnisse besondere, wenn auch aneinander stehende Gebäude errichtet, die je nach dem verfügbaren Platze einen regelmäßigen oder unregelmäßigen Hofraum einschließen. Dieser Hof ist gegen die Straße durch Zaun oder Mauer und einem Thorweg mit Nebenthor abgeschlossen und hat einen etwa morgengroßen Hausgarten hinter sich, den die Verzäunung des Gehöftes mit einschließt (Abb. 84). Die gesamte Einrichtung ist nur auf das nächste Bedürfnis einer Familie beschränkt, weshalb auch nur eine Stube heizbar ist. In dieser Stube ist in unmittelbarer Verbindung mit dem Hauptherde im Flur der Stubenherd oder der Ofen errichtet, worin im Winter gekocht wird. Im Sommer wird auf dem Herd im Flur gekocht, und während des ganzen Jahres hier solche Arbeiten verrichtet, die Kessel und größere Gefäße erfordern oder Dampf und Geruch verbreiten, wie Waschen, Backen und dergleichen.

[S. 108]

Abb. 96. Rathaus zu Erfurt.
(Nach einer Photographie von K. Festge in Erfurt.)
Dorfanlage.

Viele Bauten weichen aber von der Grundform des fränkischen Hauses ab, die Industrie brachte ein dichteres Zusammenwohnen und eine je nach den Bedürfnissen enge Bauweise, oft mit geschlossenen Gassenfronten. Der größte Teil des Thüringischen Gebiets zeigt in der Anlage des Wohnorts die volksmäßigen Gewanndörfer des Germanen. Gewann (von »giwinnan« = durch Arbeit gewinnen) bezeichnet einen Feldabschnitt. Waren die Gewannen urbar gemacht, so erhielt jede berechtigte Dorffamilie einen Anteil, dessen Fläche sich nach der Möglichkeit der Bearbeitung an einem Arbeitstage, auch Tagewerk oder Morgen genannt, richtete; jeder dieser Anteile hieß Morgen. Die Gesamtheit dieser zerstreuten Anteile bildete nebst Haus, Hof und Garten und dem Nutzungsrechte aus dem aus Wald oder Weideland bestehenden Marklande die Hufe. Neben diesem altgermanischen Dorfe findet sich eine andere Form in der Waldhufenkolonie, deren Verbreitung von Itz und Schwarza südöstlich bis über die Saale hinaus nachweisbar ist. Hier liegen die Hufen einander parallel in zusammenhängenden Streifen, fast senkrecht zur Dorfstraße.

Nördlich von dem zuletzt genannten Gebiet, westlich bis zur Saale reichend, war ehemals slavisches Siedelungsgebiet, in dem vorwiegend in der Zeit vom XII. bis XIV. Jahrhundert deutsche Kolonialdörfer gegründet wurden. Im slavischen Siedelungsgebiete war das slavische Runddorf (Rundling) die ursprünglich gewählte Anlage. Um einen kreisrunden mit einem Teich versehenen Platz stehen die Gehöfte im Kreise herum, das Hauptthor dem Platze zugewandt. Nach der Außenseite erstrecken sich dann den Gehöften zunächst die Gärten und dann die Felder. Der Dorfplatz war meist nur von einer Seite aus zugänglich und die Hauptstraße führte abseits des Dorfes vorüber. Die vielen Ortsnamen mit der Endung »rode« weisen in ihren ersten Bestandteilen meist Personennamen auf (Friedrichroda u. s. w.) und deuten auf das Urbarmachen von Waldstellen, Roden. Die Ortsnamenendung »leben« (von leba oder leiba = das Übriggelassene, der Nachlaß) fällt in ihrer Verbreitung zusammen mit dem nördlichsten Vordringen der Thüringer.

Volksdichte und Konfessionen.

Die Volksdichte ist in Thüringen zwar[S. 109] in Abhängigkeit von der Bodenform und Höhenlage, aber doch vielfach beeinflußt durch die Industrie, die selbst in sonst dünner bevölkerten Landschaften oder Thälern eine Häufung der Bevölkerung veranlaßte. Im ganzen Thüringischen Gebiete wohnen fast 2½ Mill. Menschen, in den Thüringischen Staaten allein fast 1½ Mill., auf dem qkm 128. Die dünnste Bevölkerung hat Schwarzburg-Sondershausen mit 91 Menschen auf dem qkm, es folgen dann Schwarzburg-Rudolstadt mit 94, Sachsen-Weimar mit 94, Sachsen-Meiningen mit 95, Sachsen-Coburg-Gotha mit 111, Sachsen-Altenburg mit 136, Reuß jüngere Linie mit 160, Reuß ältere Linie mit 213 Bewohnern auf 1 qkm (die Durchschnittszahl für das Deutsche Reich ist 97). Läßt man die Städte mit über 20000 Einw. aus der Berechnung, so ergibt sich für den größten Theil Thüringens nur eine Volksdichte von 75–100 auf den qkm, höher stellt sich die Umgegend von Erfurt und der Industriestreifen südlich des Gebirges, wo 100–150, in der Umgegend von Sonneberg sogar 150–200 Menschen auf den qkm kommen. In den am dichtesten bewohnten Gebieten bei Naumburg und Weißenfels leben mehr als 200 Menschen auf dem qkm. Dicht bevölkert ist der Fuß des Gebirges, der durch den schon früher erwähnten Städtekranz an der Gesteinsgrenze gekennzeichnet wird. Im mittleren und nordwestlichen Thüringerwald wohnen deshalb fast ¾ seiner Bevölkerung in der Höhenlage von 400–700 m, im Schwarzagebiete in 400–600 m. Die Mehrzahl der Gesamtbevölkerung gehört der evangelischen Konfession an, nur in Erfurt sind 3/10 der Bevölkerung katholisch, ebenso im nordwestlichen Meiningen, dieses ehemals zur Abtei Fulda, Erfurt zum Bistum Mainz gehörig. Im bayerischen Anteil des Frankenwalds steigt die Zahl der Katholiken auf 5/107/10 der Gesamtbevölkerung; es sind dies früher zum Bistum Bamberg gehörige Gebiete. Das nördliche Eichsfeld, das Gebiet des alten Bistums Heiligenstadt, ist fast ganz katholisch, nur im Kreise Mühlhausen überwiegen die Evangelischen.

Abb. 97. Das tolle Jahr.
Wandgemälde von Prof. Janssen im Rathaussaal zu Erfurt.
(Nach einer Photographie von K. Festge in Erfurt.)

[S. 110]

XII.

Am Fuße des Gebirges, wo aus dem Waldgebiete die Bäche hinaushüpfen ins freiere Land, ist wie eine Schmuckkette eine lange Reihe lieblicher Ortschaften und schmucker Städte erbaut, oft gegen den ebeneren Teil des Landes durch grüne Hügel abgeschlossen. Außerhalb dieser Linie zieht die große Verkehrsstraße von Ost nach West. Hier liegen die Vermittelungspunkte des Waldes mit dem flachen Lande und viele dieser lauschigen Plätze sind beliebte Sommerfrischen geworden.

Abb. 98. Das Trocknen von Strohblumen in der Gärtnerei von J. C. Schmidt in Erfurt.
Abb. 99. Einsammeln von Stiefmütterchensamen in der Gärtnerei von J. C. Schmidt in Erfurt.
Nordvorland.

Das nördliche Vorland des Thüringerwalds beschränkt sich geologisch nur auf die schon früher besprochene Zechsteinzone. In Bezug auf die Oberflächenform entwickelt sich das Vorland erst südöstlich des Erbstromes bis über Ohrdruf hinaus, wo die Muschelkalkplatte von Gossel und Crawinkel bis an den Fuß des Gebirges reicht. Muschelkalk und Buntsandstein treten dann aber in breitester Entwickelung auf und reichen mit wenigen Unterbrechungen fast bis Erfurt und Weimar, zwischen Ilm und Saale die Ilmplatte bildend, die in natürlichem Zusammenhange steht mit der Saalplatte. Nördlich davon dehnt sich das Thüringische Becken aus, dessen Mitte etwa durch das nur 124 m über dem Meere liegende Städtchen Sömmerda bezeichnet wird, weiter aber umrahmt ist von den nördlichen Grenzhöhen, die in großem Bogen vom Hainich über das Eichsfeld, den Dün, die Hainleite und die Finne reichen.

Abb. 100. Weimar um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stich von Merian).
Leina. Hörselberge.

Die südlich von Friedrichroda herabkommende Leina bildet den Oberlauf der Hörsel. Die Leina tritt bei Schönau vor dem Walde aus den Bergen, wo Landgraf Balthasar 1369 den kleinen Leinakanal abzweigte, um Gotha mit Wasser zu versorgen. Der Kanal mündet nordwestlich von Gotha in die Nesse, die sich bei Eisenach in die Hörsel ergießt. Da das Wasser des Kanals nicht ausreichte,[S. 111] wurde 1653 ein zweiter angelegt, der als Leinakanal bei Georgenthal von der Apfelstedt abzweigt und bei Emleben sich mit dem älteren Kanal vereinigt. Auf diese Weise ist eine Gabelteilung (Bifurkation) hergestellt worden, welche die Wasserscheide durchschneidet und die beiden Stromgebiete der Elbe und Weser miteinander verbindet. Die Hörsel mündet nach einem Laufe von 55 km bei Hörschel in die Werra. Östlich von Eisenach erhebt sich zwischen Hörsel und Nesse der 486 m hohe Muschelkalkwall der sagenreichen Hörselberge, mit der kleinen Venushöhle oder[S. 112] dem Hörselloch. Das Hörselthal bildet einen wichtigen Durchgangspunkt für den Verkehr von Westen, der nach Osten über Gotha und Erfurt nach Weimar und Leipzig seine Wege zog und jetzt von der Thüringischen Eisenbahn (1847 vollendet) durchfahren wird, die nach Norden und Süden zahlreiche Zweige aussendet. Die Lage Thüringens gibt die natürlichen Bedingungen für einen Durchgangsverkehr im Südteile des Thüringischen Beckens, und schon die alte Straße Frankfurt a. Main-Leipzig lief durch Hörsel- und Assethal nach Gotha, um dann über Buttstädt, Eckartsberga, Naumburg und Weißenfels nach Leipzig zu führen. Seit dem XVI. Jahrhundert wurde diese »Hohestraße« die Hauptverbindung zwischen dem Rhein und dem Handelsmittelpunkt Leipzig; schon zu Anfang des XVII. Jahrhunderts bestand hier eine Postverbindung, die aber erst am Ende desselben Jahrhunderts in eine Fahrpost umgewandelt wurde.

Abb. 101. Weimar mit dem Schloß.
(Nach einer Photographie von L. Held in Weimar.)
Waltershausen. Tenneberg.

Von Wutha führt eine Zweigbahn bis Ruhla; von Fröttstädt nach Friedrichroda, die weitergeführt wurde über Ohrdruf nach Gräfenroda. Waltershausen (5600 Einw.), am Fuße des Burgbergs gelegen (Abb. 85), ist eine Hauptstätte für Puppen- und Spielwarenherstellung, die erst im Laufe des XIX. Jahrhunderts eingeführt wurde. Die Fertigstellung der Puppenbestandteile beschäftigt außerdem noch viele fleißige Hände in den benachbarten Gebirgsorten. Ein altes Gebäude ist die am Burgweg liegende Kemnate, aus dem XIV. Jahrhundert, einst ein Rittersitz, heute eine Spielwarenfabrik. Auf der Muschelkalkhöhe des Burgbergs erhebt sich Schloß Tenneberg (Abb. 86), etwa um 1591 errichtet, 1729 erneuert und umgebaut. Beim Austritt des Badewassers aus dem Gebirge liegt Schnepfenthal, die berühmte gothaische 1784 von Salzmann gegründete Erziehungsanstalt, in der u. a. einst der Geograph Karl Ritter Schüler war.

Gotha.

Gotha (31700 Einw.), die Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Coburg-Gotha, ist abwechselnd mit Coburg Residenz. Sie ist umgeben von schönen Gartenanlagen, die an[S. 113] Stelle der alten Festungswerke angelegt wurden, und weithin zerstreuten Landhäusern (Abb. 87 und 88). Gotha ist eine alte Stadt, schon im Jahre 930 von Mauern geschützt, und war beherrscht vom alten Schlosse Grimmenstein, auf dessen Ruinen später das Schloß Friedenstein gebaut wurde.

Abb. 102. Weimar, von Osten aus gesehen.
(Nach einer Photographie von L. Held in Weimar.)

Der Name Grimmenstein erscheint zuerst seit 1316 unter Friedrich dem Gebissenen. Hierher flüchtete 1564 der vom Reich geächtete Ritter von Grumbach in seiner Eigenschaft als Unterthan und herzoglicher Rat, was für die Burg und Stadt Gotha die verderblichsten Folgen hatte. Zur Vollstreckung der Acht gegen Grumbach und seiner fürstlichen Beschützer belagerten die Truppen des Kurfürsten August die Burg, die nach der Eroberung vernichtet wurde, während in der Stadt Grumbach er und seine Genossen durch Hinrichtung einen schmachvollen Tod erleiden mußten.

Die Stadt hat bedeutende Sammlungen (im Schlosse Friedenstein eine Bibliothek von 210000 Bänden und 7000 Handschriften) und gemeinnützige Anstalten, ist eine wichtige Stätte des Buchhandels und bekannt durch ihre Wurst- und Schuhwaren. Östlich der Stadt erhebt sich der schmale Wall des Seebergs, dessen der Keuperformation angehörige Rhätsandsteine treffliche Bausteine liefern. Westlich steigt die Muschelkalkhöhe des Krahnbergs empor, von dessen Höhe man[S. 114] einen schönen Überblick des Thüringerwalds hat. Das Dorf Siebleben (2300 Einw.) wird von vielen Arbeitern bewohnt, die in gothaischen Fabriken thätig sind. Hier liegt Schloß Mönchshof, eine herzogliche Besitzung, und das Landhaus des 1895 verstorbenen Dichters Gustav Freytag (Abb. 89).

Abb. 103. Luther als Junker Jörg, von Lukas Cranach.
Aus dem Großherzoglichen Museum zu Weimar.
(Nach einer Photographie von K. Schwier in Weimar.)
Ohrdruf. Plaue. Arnstadt.

An den Ufern der Ohra, 370 m hoch, liegt die gothaische Stadt Ohrdruf (6200 Einw.), ein märchenumwobener stiller Ort (Abb. 90), dessen Bewohner gewerbfleißig sind und am Flusse allein mehr als dreißig Mühlen aller Art errichtet haben. Hier baute 724 Bonifatius (Winfried), der Apostel der Deutschen, die erste christliche Kirche in den thüringischen Landen. Zwischen Wolfis (1900 Einw.), Crawinkel (1500 Einw.) und Gossel (800 Einw.) dehnt sich die kahle Muschelkalkplatte aus, über die früher die alte Waldstraße von Oberhof nach Erfurt führte, die Heimat der Hollandgänger, der Frachtfuhrleute, die Kienruß bis nach den Niederlanden führten und Kolonialwaren dafür mitbrachten. Bei Crawinkel steht quarzhaltiger Porphyr an, der zu Mühlsteinen gebrochen wird. Nach Osten sind mehrere Thäler in den Muschelkalk eingeschnitten, die ins Gerathal ausmünden. Frankenhain (900 Einw.) ist ein Hauptplatz für Pech- und Kienrußherstellung. Bei dem von einer alten Burgruine überragten Liebenstein verschwindet in der Sonnenhitze oft die wilde Gera im Geröll des Muschelkalks, während sie im Frühling als reißender Gebirgsbach zu Thal stürzt. Geschwenda (1600 Einw.), zu Schwarzburg-Sondershausen gehörig, hat Holzverarbeitung als Haupterwerbsquelle und die Geschwendaischen Blumenstöcke werden bis in die Gärtnereien von Erfurt und Bamberg verschickt.

Das sondershäusische Städtchen Plaue (1500 Einw.), ein stiller und alter Ort, ist überragt von der Ruine der 1324 erbauten Ehrenburg. Die Muschelkalkhöhen der Reinsberge wurden ehemals von der Reinsburg gekrönt, die Ende des XIII. Jahrhunderts von Rudolf von Habsburg fast dem Erdboden gleich gemacht wurde. Bei dem nahen Dörfchen Angelroda erhebt sich der schimmernde Muschelkalkberg des Weißensteins, südlich davon öffnet sich die zerklüftete Schlucht der Kammerlöcher. Das breite kahle Thal des Plaueschen Grundes führt hinab nach dem in lieblichem Hügellande gelegenen Arnstadt (13600 Einw.), der Hauptstadt der schwarzburg-sondershäusischen Oberherrschaft (Abb. 2 und 91), von fruchtbaren Obstgärten umsäumt. Urkundlich schon 704 erwähnt, ist die Stadt heute in[S. 115] Industrie und Handel wichtig; hier soll die Cervelatwurst zum erstenmale hergestellt worden sein. Im lindenbeschatteten Schloßgarten liegt die Ruine der Burg Neideck, die 1279 vom Grafen von Käfernburg erbaut wurde. Im VIII. Jahrhundert erstand wahrscheinlich die bei Oberndorf gelegene Käfernburg (Kevernburg), seit Ende des XVI. Jahrhunderts verfallen. Arnstadt hat ein schönes 1581 gebautes Rathaus und die herrliche Liebfrauenkirche, die Ende des XII. Jahrhunderts in romanischem Stil begonnen, seit dem XIV. Jahrhundert in gotischem Stil weiter ausgebaut und erst in neuester Zeit ausgestaltet wurde.

Ichtershausen. Die drei Gleichen.

Flußabwärts führt an der Saline Arnshall eine Zweigbahn bis Ichtershausen (2550 Einw.), einem gothaischen Flecken, der Nadel- und Stahlwarenfabrikation treibt, in denen 800 Arbeiter beschäftigt sind, die täglich mehr als 2 Mill. Nähnadeln liefern. Im XII. Jahrhundert bestand hier ein Cistercienser-Nonnenkloster, das der Reformation weichen mußte. Die Klosterkirche wurde 1525 in ein evangelisches Gotteshaus umgewandelt und die Nonnen mit dem fürstlichen Ruhegehalt von acht Gulden jährlich entschädigt. Das nördlich gelegene Molsdorf ist bekannt durch sein Schloß, das dem lebenslustigen Grafen Gotter gehörte, dem Freunde Friedrichs des Großen. Parallel vorgelagert der sich zwischen Ohrdruf und Arnstadt ausdehnenden Muschelkalkplatte erheben sich einige Keuperhöhen, von deren Kegeln die sagenumwobenen Drei Gleichen weit ins Land hinausleuchten. Die beiden Ruinen liegen auf preußischem, die dritte noch erhaltene Burg auf gothaischem Gebiet. Die eigentliche Burg Gleichen (Wanderslebener Schloß) stammt aus dem XI. Jahrhundert, kam Ende des XVI. Jahrhunderts zu Mainz, Ende des XVIII. Jahrhunderts an Erfurt und damit 1803 an Preußen. König Friedrich Wilhelm III. schenkte sie einem General, der mit seinem Kunstverständnis das schönste Gebäude abbrechen und am nördlichen Fuß des Berges einen Schafstall daraus bauen ließ.

Abb. 104. Goethes Gartenhaus im Park zu Weimar.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

Hier spielt die Sage des Grafen Ernst von Gleichen mit den zwei Frauen, der mit dem Kaiser Friedrich II. in den Kreuzzug gegen die Türken zieht und 1228 in Palästina gefangen wird. Melechsala, die schöne Tochter eines türkischen Emirs, entflieht mit ihm, und beide gelangen glücklich nach Thüringen, wo in »Freudeuthal«, dem Vorwerk der Burg Wandersleben, die Gräfin den Gemahl und seine Retterin empfängt, die nach ihrem Übertritt zum Christentum dem Grafen auch noch angetraut wurde. Alle drei sollen in Frieden und Einigkeit miteinander gehaust haben — so glaubte man wenigstens lange Zeit, und in der Peterskirche zu Erfurt zeigte man den Grabstein, auf dem der Graf mit zwei Frauen, eine in türkischer Kleidung, dargestellt war. Dieser Grabstein stammt aus dem XIII. Jahrhundert, während die Sage erst im XVI. Jahrhundert entstanden war. Der Grabstein war das Abbild eines Grafen von Gleichen mit zwei christlichen Frauen, mit denen er aber nicht gleichzeitig, sondern nacheinander vermählt war.

Das Mühlberger Schloß, über deren Gemäuer sich ein 24 m hoher Thurm erhebt, ist die schönste der Ruinen, urkundlich zuerst Anfang des VIII. Jahrhunderts erwähnt. Die Wachsenburg ist die höchste der Burgen (414 m) und bietet von ihren bewohnten Gebäuden eine weite Rundsicht. Im X. Jahrhundert wurde hier ein Kloster errichtet, wohl aber erst im XIV. Jahrhundert in eine Burg umgewandelt.

Erfurt.

Die »Gartenstadt« Erfurt (78200 Einw.), das alte Erpesfurt, ist einer der[S. 116] ältesten thüringischen Orte, schon im VIII. Jahrhundert von Bonifatius als ein alter Ort, als »eine Stadt der heidnischen Bauern« bezeichnet und zum Sitz des Bistums auserkoren. Die Stadt liegt fast in der Mitte Thüringens und ist dadurch schon frühzeitig zu Bedeutung gelangt, besonders vom XIII. bis zum XV. Jahrhundert, als es Mittelpunkt des Waidbaues war, und von 1392 an auch Sitz der ersten deutschen Universität, die 1816 aufgehoben wurde. Die Religionskriege des XVI. und XVII. Jahrhunderts bedingten den Rückgang der Stadt, die schon durch Verlegung des Bistums nach Mainz Einbuße erlitten hatte. 1802 kam Erfurt an Preußen und gelangte zu neuer Blüte, nachdem 1874 die Festungswerke gefallen waren. Erfurt ist Hauptort eines preußischen Regierungsbezirks und liegt am Grenzgebiete von Muschelkalk und Keuper im Diluvium, durchflossen von mehreren Armen der Gera. Das Städtebild mahnt heute noch mit zahlreichen Kirchen an die frühere Verbindung mit Mainz (Abb. 92 und 93, die Stadt mit den mittelalterlichen Befestigungen darstellend). Von den Kirchen ist am bedeutendsten der katholische Dom (Abb. 94) und die Severinskirche, beide im XIV. Jahrhundert erbaut.

Abb. 105. Goethes Haus in Weimar.
(Nach einer Photographie von K. Schwier in Weimar.)

1392 erfolgte die Gründung einer Universität, die zu hoher Blüte gelangte und aus welcher Ulrich von Hutten und Martin Luther hervorgingen. In späteren Jahren sank sie aber immer mehr und ging 1803 völlig ein. Der Erfurter Roland (Abb. 95) stammt aus dem Jahre 1591 und wurde an Stelle eines Kreuzes errichtet, das zwischen den Mauern auf dem Fischmarkte stand, früher der »Römer« oder »steinerne Mauer« genannt. Er ist eine 2 m hohe steinerne Figur und zeigt den Charakter der Spätrenaissance. Die Rolandsäulen, die weit über das nördliche und östliche Deutschland verbreitet sind, entsprechen überall den alten früher auf den Märkten stehenden Kreuzen und wurden damit die Wahrzeichen der Marktfreiheit und des Marktrechtes. Auf dem Fischmarkt erhebt sich das neue von 1869 bis 1875 erbaute Rathaus (Abb. 96), in dessen Treppenhaus und Wandelgängen Gemälde aus der Gleichen-, Tannhäuser- und Faustsage wie[S. 117] aus Luthers Leben von Professor Kämpffer angebracht sind. Den großen Festsaal schmücken die Bilder von Professor Janssen aus der Geschichte Erfurts, beginnend mit der Einführung des Christentums, ferner der Mitarbeit Erfurts bei der Zerstörung der Raubritterburgen, der Blütezeit der Universität, der Darstellung des »tollen Jahres« (Abb. 97), als 1509 der Volksunwille sich gegen den Übermut und die Verschwendung der Gemeindeverwaltung aufbäumte, die Unterwerfung Erfurts unter das Erzstift Mainz, und endlich, da die Stadt preußisch geworden war, der Besuch Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise in Erfurt.

Abb. 106. Schillers Haus in Weimar.
(Nach einer Photographie von K. Schwier in Weimar.)
Erfurts Gartenbau.

Hoch entwickelt ist der Gartenbau, der Erfurt zur ersten Gartenstadt Deutschlands macht und Blumen und Gemüse von außerordentlichen Massen liefert. Der Anfang des Erfurter Gemüsebaues stand in Verbindung mit der Landkultur im Dreienbrunnen zwischen Erfurt und Hochheim. Die Quellen entspringen dem Fuße des Steigers und bewässern das Land, und durch viele Gräben (Klingen) leitete man das befruchtende Naß. Hier wurde schon im Mittelalter die an den Wasserläufen wild wachsende Kresse gesammelt, die später gärtnerisch gezogen lange Zeit den wichtigsten Versandartikel der Erfurter Gärtnereien bildete. Bis zum XVI. Jahrhundert beschränkte man sich lediglich auf Waid-, Obst- und Gemüsebau, erst in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts wandte man sich dem Anbau von Handelspflanzen zu, aber erst in neuer Zeit hat die Blumen- und Samenkultur den Aufschwung genommen, der Erfurt an die erste Stelle gerückt hat. Für Palmen und Gräser aus allen Weltteilen gibt es große Trocken- und Färbeanlagen, und die Gärtnerei von Schmidt hält am Kap der guten Hoffnung eine besondere Farm für Pflanzenkulturen. In den großen Gewächshäusern gedeihen viele Tausende von Kamelien, Primeln, Cyclamen, Palmen, Syringen u. s. w. Beim Beginn des Sommers werden die Gewächshäuser entleert und ihr Inhalt auf die Felder verteilt. Da sieht man ein Hektar Land nur mit Rosen bedeckt, etwa 20 Hektar mit Immortellen, deren Trocknung in großen Kästen geschieht (Abb. 98), und 20 Hektar mit Stiefmütterchen, deren[S. 118] Samenlese in Abb. 99 veranschaulicht wird. Dabei gibt es in Erfurt etwa 20 andere große Firmen, die jede ihre besonderen Kulturen besitzt: Clematis, Fuchsien, Palmen, Zwiebelgewächse oder Zwergblumenkohl. Für den Samenhandel liefert Erfurt nur einen Teil des zum Verkauf bestimmten Samens. Die Benarysche Gärtnerei besitzt dafür in außereuropäischen Ländern große Samenzüchtereien. In ihren Erfurter Züchtereien finden sich ganze Hektaren mit Astern in allen Formen und Farben bedeckt, Stiefmütterchen u. s. f., auf Holzgestellen 100000 Levkoypflanzen in Töpfen und in einem Gewächshause 30000 Primeln. Das sind gewaltige Zahlen, die einen Anhalt zur Beurteilung der Erfurter Gärtnerei geben. Auch die Industrie ist bedeutend und ernährt die Hälfte von Erfurts Bevölkerung; in der Schuhwarenherstellung sind allein 2500 Arbeiter beschäftigt. Unweit der Stadt liegt das Dorf Ilversgehofen (6650 Einw.) mit einem Steinsalzbergwerk, dessen Salzlager 24 m Mächtigkeit hat.

J. H. Meyer, Goethe, Einsiedel, Amalia, E. u. Ch. Gore, Luise v. Göchhausen. Herder.
Abb. 107. Abendkreis der Herzogin Amalia.
(Verkleinert nach einer Aquarelle von G. M. Kraus, etwa aus dem Jahre 1795, auf der Großherzoglichen Bibliothek in Weimar.)
Ilmplatte.

In dem ganzen Gebiete zwischen Gera und Ilm bis zu einer Linie Erfurt-Weimar herrscht mit wenigen Ausnahmen Buntsandstein und Muschelkalk vor. Wir bezeichnen dies Gebiet als westliche Ilmplatte, die in Zusammenhang steht mit der östlichen Ilmplatte, dem Gebiet zwischen Ilm und Saale; beide südlich bis an den Fuß des Gebirgs reichend. Bei Rudolstadt, im oberen Teile des Schaalbachthales, liegt das Dörfchen Keilhau mit der bekannten von Fröbel 1807 gegründeten Erziehungsanstalt in schön bewaldeter Umgebung, am Fuße des von einem Turm gekrönten 476 m hohen Steiger, eines Muschelkalkberges. Nördlich der Straße Rudolstadt-Stadtilm breitet sich das Schöne Feld aus, eine wald- und wasserlose Muschelkalkfläche. Im Remdathale liegt das weimarische Stadt-Remda (1200 Einw.), in einem Nebenthal der Remda oder Rinne das rudolstädtische Städtchen Teichel (500 Einw.). Die Muschelkalkhöhen der Ilmplatte streichen meist westöstlich in einer Mittelhöhe von 400–500 m (am höchsten im 585 m hohen Siegerberg bei Stadtilm), in kräftiger Entwickelung und vielfach von Thälern zerschnitten zum Saalthale abfallend.

[S. 119]

Abb. 108. Karl August bei Goethe.
(Gezeichnet und gestochen von Schwerdgeburth in Weimar.)
Stadtilm. Kranichfeld. Blankenhain.

Im freundlichen Ilmthale liegt das rudolstädtische Städtchen Stadtilm (3100 Einw.), mit schöner in den ältesten Teilen aus dem XII. Jahrhunderte stammender, einst der Jungfrau Maria geweihter Kirche. Die »höchste Brücke in Thüringen« verbindet beide Türme miteinander. Bis zum Städtchen Kranichfeld (1850 Einw., davon 1050 meiningisch, 800 weimarisch) reicht die Bahnverbindung von Weimar her, die über Berka und Tannroda führt und von Berka noch einen Zweig nach Blankenhain sendet. Die Besitzverhältnisse in Kranichfeld springen in buntester Weise durcheinander. Die Häuser derselben Straße gehören zu den obengenannten Staaten und die Staatsangehörigkeit hat man durch verschiedenfarbige Hausnummerschilder kenntlich gemacht. Die Grenzen gehen aber manchmal mitten durch ein Haus hindurch,[S. 120] was oft zu den ergötzlichsten Zuständen führen kann. Tannroda (1000 Einw.) und Blankenhain (2900 Einw.) sind weimarische Sommerfrischen und liegen mit Berka auf einer Buntsandsteinscholle, die großenteils mit schönen Nadelwäldern bedeckt ist. Berka an der Ilm (1850 Einw.) ist ein stiller Badeort in windgeschützter Lage. Beim Dorfe Buchfart befinden sich in der Felswand des linken Ilmufers Höhlen, Burg Buchfart genannt, die wohl noch aus heidnischer Zeit stammen, mit einem in den Muschelkalk gearbeiteten Weg, durchschnittlich 15 m über der Thalsohle, der am äußeren Rande durch Mauerwerk geschützt war. Bei Mellingen (1050 Einw.) biegt die Ilm rechtwinklig um und nimmt den Madelbach auf, in dessen flacher Thalung das Städtchen Magdala (800 Einw.) liegt. Der untere Teil der östlichen Ilmplatte zeigt einförmigen Charakter, auf Buntsandstein teilweis Keuper und Diluvialablagerungen tragend und von einigen kleinen Thälern nur wenig eingeschnitten. In einem kleinen meiningischen Gebietsteile liegt das Dorf Vierzehnheiligen mit einer Wallfahrtskirche, vom Herzog Wilhelm von Weimar als Sühne nach dem sächsischen Bruderkrieg 1464 errichtet. Auf den benachbarten Fluren kam 1806 die Schlacht bei Jena zur Entscheidung.

Abb. 109. Herderdenkmal in Weimar.
(Nach einer Photographie von K. Schwier in Weimar.)
Weimar.

An einer nochmaligen nach Nordost gerichteten Umbiegung der Ilm liegt Weimar (27000 Einw.), die Hauptstadt des Großherzogtums Sachsen. Von alters her schon Grafen- und Fürstensitz, hat die Stadt unter dem Schutz kunstsinniger Herzöge sich weiter entwickelt und ist heute zu einer stillen und vornehmen Residenz geworden (Abb. 100 bis 102).

Am Anfang des XI. Jahrhunderts Wimmare (= Weidenbach) genannt, begann für den Ort im XII. Jahrhundert eine Zeit der Blüte, die sich trotz aller Wechsel erhalten hatte und andauerte, als 1554 Weimar Hauptstadt des neuen Herzogtums Weimar wurde. Zur selben Zeit kam die Renaissance in Deutschland zu voller Entfaltung, und mit reger Bau- und Kunstthätigkeit wurde der künstlerische Sinn auch ins Volk getragen. 1552 erhielt Lukas Cranach seine staatliche Bestallung und schuf die herrlichen Altargemälde für die Stadtkirche, malte auch Luther als Junker Jörg (Abb. 102), welches Bild sich im Großherzoglichen Museum befindet. Nach dem dreißigjährigen Kriege war wie überall unfruchtbare Stille und Öde eingetreten. Erst mit dem XVIII. Jahrhundert kommt frischeres Leben mit dem Neubau der Schlösser zu Weimar und Ettersburg, sowie der Anlage von Gärten. Von hehrem Glanze aber war Weimar umflossen, als Anna[S. 121] Amalia, die geistvolle Wittwe des zwanzigjährig gestorbenen Herzogs Ernst August Konstantin, von 1758 bis 1775 die Regentschaft führte. Sie hatte 1772 Wieland als Prinzenerzieher berufen, und nun begann die klassische Zeit für Weimar. Der geniale Karl August, der von 1775 bis 1828 regierte, versammelte an seinem Hofe die edelsten Geister Deutschlands, so daß Weimar zum Mittelpunkte für Kunst und Wissenschaft wurde.

Weimars klassische Zeit.

Am 7. November 1775 kam Goethe nach Weimar, wo er der Freund des Fürsten und Minister wurde und bis zu seinem am 22. März 1832 erfolgten Tode blieb. Auf seine Empfehlung kam Herder als Generalsuperintendent hierher. Schiller zog von Jena 1801 nach Weimar, wo er 1805 starb. Auch in der bildenden Kunst war eine Änderung eingetreten, da das Rokoko dem Einfacheren und Bescheideneren der klassischen hellenisierenden Richtung wich. Mit offenem Sinn wurde auch für die Verschönerung der Natur viel gethan; so begann 1784 die Anlage und Gestaltung des großen Parkes unter Mitwirkung von Goethe und Bertuch. Hier steht Goethes Gartenhäuschen (Abb. 104), während sein Wohnhaus in der Stadt (Abb. 105), das der Dichter über 40 Jahre lang bewohnte, jetzt in ziemlich derselben Ausstattung, die es zu Lebzeiten Goethes gehabt, zum Goethe-Nationalmuseum umgewandelt ist. Ein freundliches Haus mit grünen Fensterläden (Abb. 106) war seit 1802 das Wohnhaus Schillers.

Abb. 110. Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar.
(Nach einer Photographie von K. Schwier in Weimar.)

Nachdem Karl August die Regierung übernommen hatte, lebte die Herzogin Anna Amalia ganz der Litteratur, der Malerei und Musik, wie das bekannte Bild ihres Abendkreises (Abb. 107) trefflich schildert. Nach einer Reihe von Jahren waren die Tollheiten der Sturm- und Drangperiode, die der junge Fürst und der junge Goethe miteinander vollbrachten, langsam verflogen, die Freundschaft blieb aber eine dauernde bis zu den spätesten Jahren, war doch der Dichter auch der Staatsmann, der seinem Fürsten immerdar ein guter Berater war (Abb. 108). Vom Ilmflüßchen, das am Schlosse Karlsburg vorüberfließt, sang Schiller die zierlichen Verse:

Meine Ufer sind arm; doch höret die leisere Welle,
Führet der Strom sie vorbei, manches unsterbliche Lied.

An Stelle der alten Burg wurde im XV. Jahrhundert das Schloß erbaut, nach dem Umbau von 1651 bis 1654 unter Wilhelm IV. erst Wilhelmsburg genannt, brannte jedoch 1774 ab. An seine Stelle und mit Benützung seiner Umfassungsmauern wurde von 1789 bis 1803 das großherzogliche Residenzschloß gebaut, die[S. 122] Karlsburg, nach französischem Muster und mit seinen drei Flügeln einen rechtwinkligen Hof einschließend.

Unter der Regierung des Großherzogs Karl Alexander und seiner kunstsinnigen Gemahlin Sophie wurden die klassischen Überlieferungen aufs treueste weiter gepflegt, und Stadt und Land Weimar nahm einen erneuten Aufschwung. Nächst der großartigen Erneuerung der Wartburg wurde 1863–1869 das Museum in italienischer Renaissance erbaut und Preller herbeigezogen, dessen berühmte Odysseebilder einen dauernden Schmuck des Hauses bilden. Im Jahre 1860 wurde die Kunstschule gegründet. In Erinnerung an die berühmteste Zeit Weimars wurden die Denkmäler von Herder 1850 auf dem Platze vor der Stadtkirche (Abb. 109), von Goethe und Schiller (Abb. 110), nach Rietschels Modell 1857 vor dem Theater errichtet, und von Wieland (Abb. 111) 1857 vor dem ehemaligen Frauenthore.

Abb. 111. Wieland-Denkmal in Weimar.
(Nach einer Photographie von K. Schwier in Weimar.)

Mit großer Sorgsamkeit sind Häuser wie Zimmer unserer Dichter in treu erhaltenem Zustande der Gegenwart überkommen. Alle diese Stätten haben jetzt ihren Mittelpunkt in dem von der Großherzogin Sophie gestifteten Goethe-Schiller-Archiv, das wie ein weißes Schloß von der Anhöhe am rechten Ilmufer auf die Stadt herabschaut. In hellen freundlichen Hallen sind in Schränken die kostbaren Handschriften von Schiller und Goethe, aber auch von vielen neueren Dichtern aufbewahrt.

In dem entfernteren Teile des herrlichen Parkes erhebt sich das 1724 bis 1734 erbaute Schloß Belvedere (Abb. 112), von Herzog Ernst August im Stil jener kleinen französischen Schloßgebäude erbaut, wie sie seit der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts an den Fürstenhöfen Deutschlands nachgeahmt wurden. Zwischen diesem Lustschloß und dem schon früher genannten Mellingen liegt das Dorf Taubach, dessen Kalktuffe bekannt sind als Fundort von Geräten aus der älteren Steinzeit nebst Tierresten, deren gemeinsames Vorkommen beweist, daß zu gleicher Zeit mit den großen diluvialen Säugetieren Menschen lebten.

Flußabwärts liegt inmitten schöner Gartenanlagen Schloß und Dorf Tiefurt (= tiefe Furt). Der Ort wurde schon im XIII. Jahrhundert erwähnt. Das Schloß (Abb. 113), ein einfacher von prächtigem Garten umgebener Bau, ist berühmt durch den Sommeraufenthalt der Herzogin Anna Amalia, an den sich viele und heitere Erinnerungen aus Weimars Glanzzeit knüpfen. Die Erlebnisse der Tiefurter Tafelrunde wurden im »Tiefurter Journal« niedergelegt, das nur handschriftlich hergestellt wurde. Hier und in Ettersburg wurde Liebhabertheater gespielt, wobei verschnittenes Buschwerk die Kulissen, Bäume, Wiesen und Quellen die schönste natürliche Dekoration abgaben, nach Goethes Worten:

[S. 123]

In engen Hütten und im reichen Saal,
Auf Höhen Ettersburgs, in Tiefurts Thal,
Am lichten Zelt, aus Teppichen der Pracht
und unter dem Gewölb der hohen Nacht.
Abb. 112. Schloß Belvedere.
(Nach einer Photographie von K. Schwier in Weimar.)
Apolda.

Abseits der Ilm, am Herressener Bach, dehnt sich Apolda (20800 Einw.) aus, die bedeutendste Fabrikstadt des weimarischen Landes. Schon im XVI. und XVII. Jahrhundert wurde hier die Herstellung von wollenen Strick- und Wirkwaren betrieben, die heute 6000 Menschen beschäftigt und eine Jahresproduktion von 15 Mill. Mark liefert. Das Bachthal wird von der Eisenbahn auf einem 22 m hohen, 910 m langen Viadukt überschritten. Unweit der Mündung der Ilm, die nach 125 km langem Laufe sich bei Großheringen in die Saale ergießt, liegt wie ein grünes Schmuckkästchen Stadtsulza (2300 Einw.), dicht neben Bergsulza und Dorfsulza, umrahmt von Wald und Weinbergen (Abb. 114). Sulza ist ein besuchtes Solbad mit reichen Solquellen.

Thüringisches Becken.

Nördlich von Weimar erhebt sich der breite schön bewaldete Muschelkalkrücken des Ettersberges, im höchsten Punkte zu 481 m ansteigend, an seinem Nordfuß das Dorf und Schloß Ettersburg, wo Goethe mit seinen Genossen wie in Tiefurt manche Kurzweil trieb. Weit nach Westen und Norden dehnt sich das Thüringische Becken (oft als Thüringische Hochebene bezeichnet) aus, die fruchtbare Kornkammer Mitteldeutschlands, zwischen den Horstgebirgen des Thüringerwalds und des Harzes, von denen die aufgebogenen Ränder des Beckens durch im Mittel 10 km breite Landstreifen getrennt sind, die für den westöstlichen Verkehr Wichtigkeit haben. Zwischen den Vorlandstreifen erhebt sich eine große Muschelkalkplatte, in die das jüngste Glied der Trias, der Keuper, beckenförmig eingesenkt ist. Der Zusammenhang des eingelagerten Keuperbeckens erlitt eine Störung durch von Nordwest nach Südost streichende Verwerfungsspalten, längs deren Bruchlinien auf der einen Seite ganze Landschollen in die Tiefe sanken, anderseits ältere Gesteinsschichten eine Aufrichtung erfuhren und Höhenzüge im früher zusammenhängenden Keuperbecken bildeten. In langen Zeiträumen wurden diese Höhenzüge von den sie bedeckenden[S. 124] Keuperschichten durch Abtragung entblößt und trennten nun als Querriegel von Muschelkalk das Keuperbecken in mehrere parallele Mulden, die weiterhin von Flüssen durchbrochen und nun zu einem großen Keuperbecken umgestaltet wurden.

Abb. 113. Schloß Tiefurt.
(Nach einer Photographie von K. Schwier in Weimar.)
Geologische Verhältnisse des Thüringischen Beckens.

Den ältesten Bestandteil der Trias bildet der Buntsandstein, der in seiner lockeren Beschaffenheit den abtragenden Kräften wenig Widerstand entgegensetzt und deshalb fast überall sanft gerundete Formen zeigt. Der Ackerbau hat hier durch Abschwemmung viel zu leiden und ist noch am günstigsten für Kartoffeln. Die Buntsandsteinwände am rechten Wipperufer lassen in ihrer Steilheit die Einlagerung festeren Muschelkalks erkennen. Der Muschelkalk hat ein festeres Gefüge und bildet im Thüringischen Becken noch heute die höchsten Erhebungen, die sich durch eigenartige Formen von ihrer Umgebung abheben. Sie sind durch kammartige scharfe Höhen und steile Böschungen ausgezeichnet, während die Flüsse tiefe Thäler in das Gestein nagen und oft senkrechte über 100 m hohe Uferwände haben, die entweder mit dichtem Gestrüpp bewachsen sind oder durch leuchtende Farben ihrer kahlen Gehänge der Landschaft einen eigenartigen Reiz verleihen. Für den Landbau ist der Muschelkalk wegen der schweren Verwitterung seines Gesteins, dessen geneigte Schichten der Abschwemmung sehr ausgesetzt sind, und wegen seiner Wasserarmut schlecht geeignet. In flachen Mulden finden sich häufig thonige und lettige Schichten, die zwar Feuchtigkeit genug haben, aber undurchlässig sind und einen zähen, schwer zu bearbeitenden Boden liefern. Der Keuper ist aus weichen Gesteinen zusammengesetzt: bunte Mergel, weiche Sandsteine, mit stockförmigen Einlagerungen von Gips- und Thonschichten durchsetzt, und bildet fast überall einen sehr fruchtbaren Boden. Bei der geringen Neigung der Schichten und ihrer Weichheit gibt es keine Abschwemmung, aber überall tiefe Ackerkrume, und die Oberflächenformen bieten in ihren sanften breit hingelagerten Hügeln einförmige Landschaftsformen, die nur durch die grünen Thäler ihrer Flüsse und Bäche angenehme Unterbrechung erfahren. Außerordentlich wichtig sind noch diejenigen Schichten, die in neuester Zeit entstanden und noch entstehen: Diluvium und Alluvium. Viele breite Flußthäler sowie einige Punkte der Hainleite und die Nordabhänge dieses Höhenzuges,[S. 125] die Flanken des Kyffhäusers, die wellenförmigen Erhebungen des Nordvorlandes sind bedeckt von diluvialen Löß- und Lehmlagern (Löß ist magerer Thonboden, frei von abschlämmbarem Sande; Lehm ist kalkfreier Thon, mit 15 bis 30 vom Hundert Quarzsand vermischt). Diese Bedeckungen bilden die fruchtbarsten Fluren und Thalböden des Thüringischen Beckens.

Mühlhausen.

Der größte Teil des Beckens entwässert zur Unstrut (d. h. Große Strut = sumpfiges Ried- und Gestrüppland), die als der eigentliche Hauptfluß Thüringens anzusehen ist, obwohl sie nur ein Nebenfluß der Saale ist, in die sie bei Naumburg nach 185 km langem Laufe mündet. Die Quelle der Unstrut liegt bei Kefferhausen unweit des Städtchens Dingelstädt (3600 Einw.) auf dem Eichsfelde. Einer der wichtigsten Plätze ist hier die ehemalige Reichsstadt Mühlhausen (30100 Einw.), ein alter Handelsplatz und früher berühmt wegen ihres Waidbaues (Abb. 115). In den Bauernkriegen hatte sie viel zu leiden; der Wiedertäufer Thomas Münzer wurde nebst anderen Führern hier hingerichtet. Von ihren vielen Kirchen sind die hervorragendsten die gotischen Marien- (Obermarkt-) und St. Blasii- (Untermarkt-) Kirchen, beide aus dem XIV. Jahrhundert. In der Industrie sind 65 vom Hundert der Bevölkerung thätig, besonders wichtig ist Textilindustrie. In Mühlhausen war früher, wie schon der Name andeutet, ein schwunghafter Mühlenbetrieb vorhanden, doch wurden im Laufe der Zeit viele Mühlen in Wollspinnereien umgewandelt. Die Wollindustrie wird seit dem XV. Jahrhundert betrieben. Von der schön bewaldeten Muschelkalkhöhe des Hainich fließt der Unstrut ein reiches Wassernetz zu, das die Fruchtbarkeit noch erhöht und den Anbau von Küchen- und Handelsgewächsen begünstigt, wie bei dem preußischen Flecken Großengottern (2300 Einw.). Vom Hainich läuft der Grenze zwischen gothaischem und preußischem Gebiete entlang dem Muschelkalkzug der Haartberge (richtiger Hart = Waldhöhe), bis zu 363 m ansteigend, aber nur noch wenig bewaldet, deren Fortsetzung östlich des Tonnabaches die ebenfalls aus Muschelkalk bestehende schön bewaldete Fahnersche Höhe ist, im höchsten Punkte 410 m messend. Ihre Ausläufer nach Südost leiten hinüber zum Steigerwald (345 m) bei Erfurt, und zu den Höhen bei Berka und Kranichfeld, wo die Muschelkalkmasse des Kirchheimer Bergs bis zu 513 m ansteigt.

Abb. 114. Bad Sulza.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Langensalza. Tennstedt. Kölleda.

Westlich von Erfurt entspringt die Nesse, deren grünes Wiesenthal von fruchtbaren Feldern begrenzt wird. Bei Bufleben ist die Saline Ernsthalle seit 1828 in Betrieb.[S. 126] Eine Zweigbahn führt durchs Nessethal nach Friedrichswerth (im Volksmunde noch Erf genannt), das seinen Namen von dem im XVII. Jahrhundert vom Herzog Friedrich I. von Gotha erbauten Schlosse hat, und dann im Thal des Biberbachs aufwärts bis Großenbehringen. Bei dem kleinen gothaischen Flecken finden sich die umfangreichen Überreste einer vorhistorischen Burg. Im Unstrutthale abwärts von Mühlhausen liegen die Gemüseanlagen des preußischen Städtchens Thamsbrück (1000 Einw.). An der Salza liegt die Stadt Langensalza (11500 Einw.), mit Schwefelbad und lebhafter Industrie. Zwischen hier und dem an der Unstrut liegenden Dorfe Merxleben wurde 1866 die Schlacht von Langensalza geschlagen. Von Eisenach durchs Nessethal und über Großenbehringen nach Langensalza führte schon in alter Zeit eine wichtige Handelsstraße, die hier mit der Casseler Straße sich vereinte, um dann über Tennstedt, Weißensee und Kölleda nach Eckartsberga zu ziehen. Am Tonnabache liegen das Dorf Burgtonna (800 Einw.) und der Flecken Gräfentonna (1900 Einw.) mit Kalktuff- und Gipsbrüchen. Das alte Schloß der Grafen von Gleichen dient jetzt als Zuchthaus; der Ort wird schon 845 urkundlich erwähnt.

Abb. 115. Mühlhausen.
(Nach einer Photographie von J. Tellgmann in Mühlhausen.)

In der weiteren Umgebung Erfurts sind im fruchtbaren Gelände noch große ländliche Ortschaften vorhanden, u. a. die Dörfer Elxleben (1250 Einw.) und Walschleben (1600 Einw.). Von Döllstädt (800 Einw.), einer der ältesten gothaischen Orte, führt eine Zweigbahn über Herbsleben (2350 Einw.), einem gothaischen Marktflecken in fruchtbarer Lage an der Unstrut, nach dem preußischen Städtchen Tennstedt (2900 Einw.), mit einem kleinen Schwefelbad. Oberhalb ihrer Mündung in die Unstrut liegt an der Gera das Städtchen Gebesee (2150 Einw.); an der Bahnkreuzung das Dorf Straußfurt (1100 Einw.). An der schmalen Gera liegen der weimarische Flecken Haßleben (1250 Einw.) und der gothaische Flecken Werningshausen (800 Einw.), wo Handelspflanzen gebaut werden. Von Süden fließt der Gera die Gramme zu, in deren Gebiet die dicht bei einander gelegenen Dörfer auf gute Bodenbeschaffenheit weisen. Vieselbach (1200 Einw.) und Großrudestedt (1050 Einw.) sind weimarisch. In der Nähe von Udestedt (900 Einw.) steht ein alter Turm als letzter Rest des ehemaligen Klosterhofes Barkhausen, der dem Kloster Georgenthal gehörte. Östlich von Großrudestedt liegt Schloßvippach (1200 Einw.), ein weimarischer Flecken mit altem Schloß, und das Städtchen Neumark (500 Einw.). Von den Höhen des Ettersberges fließen der Scherkonde eine große Zahl von Quellbächen zu. Hier liegt die Stadt Buttelstedt (900 Einw.), früher wichtig als Haltepunkt an der großen Handelsstraße Erfurt-Eckartsberga. An diesem Straßenzuge liegt auch Buttstädt (2600 Einw.), eine alte Stadt mit Pferdemärkten, durch Eisenbahn verbunden mit Großheringen und Rastenberg, Weimar und Sömmerda. An letztgenannter Strecke liegt das preußische Kölleda (3500 Einw.), ein Ackerstädtchen mit Anbau von Handelspflanzen.

Sömmerda.

In der Mitte des Thüringischen Beckens liegt an der Unstrut die preußische Stadt Sömmerda (4600 Einw.), der Geburtsort des Pädagogen Salzmann und des Erfinders[S. 127] des Zündnadelgewehres v. Dreyse. Dieser tiefste Teil des Thüringischen Beckens war ehemals ein versumpftes Seegebiet und nicht zur Besiedelung einladend, weshalb trotz der Fruchtbarkeit des Bodens große Städte fehlen. Thüringen ist an stehenden Gewässern überhaupt arm, da die größeren Seebecken trocken gelegt wurden, so der große und der kleine Weißensee bei der gleichnamigen Stadt (2450 Einw.), nordwestlich von Sömmerda; im benachbarten weimarischen Gebiete der ehemalige See bei Neuhausen und der Schwansee, jetzt zum Teil als Waldland bepflanzt; ferner ein See westlich von Tennstedt und der Wangenheimer See südlich der Hart.

Volksdichte im Thüringischen Becken.

Die Volksdichte im Thüringischen Becken ist in außerordentlicher Abhängigkeit von der Naturbeschaffenheit des Bodens. Von der Gesamtbevölkerung wohnen hier 44 vom Hundert auf Buntsandstein, 24 vom Hundert auf Muschelkalk, und 32 vom Hundert auf Keuper. Bevorzugt ist also der Buntsandstein, weniger durch seine Eigenschaften als infolge seiner Ausbreitung am Fuß des Thüringerwalds und des Harzes, wo ein alter Durchgangsverkehr die Entwickelung städtischer Ortschaften erlaubte, wodurch wieder Handel und Gewerbe begünstigt wurden. Der Muschelkalk ist für den Ackerbau wenig geeignet, da die Härte seiner Gesteine den Angriffen von Luft und Wasser widersteht. Er bildet deshalb vorwiegend die Höhen des Beckengebiets und seine nördliche Umrandung, trockene oft rauhe Hochflächen, wo stellenweise (wie z. B. auf dem Eichsfelde) nicht einmal der Hafer reif wird und wo die Kartoffel die einzig sichere Frucht ist. Trotz guten Baugrundes und guten Baumaterials trägt die Wasserarmut die Schuld an dem Mangel stärkerer Besiedelung. Den besten Boden liefert, wie schon oben erläutert wurde, der Keuper, der zugleich die tieferen und klimatisch bevorzugten Lagen einnimmt und fast ausschließlich dem Ackerbau dienstbar gemacht ist. Da er selten guten Baugrund bietet, finden wir die größten Siedelungen an der Gesteinsgrenze, am Rande des Muschelkalks, wo guter Baugrund und ein fruchtbares Hinterland vorhanden sind, wo auch die Überschwemmungen der Flußgebiete fehlen und wo eine günstigere Verkehrslage besteht. Einschließlich der Städte beträgt die mittlere Dichte für den Buntsandstein 117 Bewohner auf den qkm, für den Muschelkalk 69, für den Keuper 146. Von der Gesamtbevölkerung des Triasbeckens entfallen 30 vom Hundert auf die Städte.

Abb. 116. Schloß Neuenburg bei Freyburg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Helbe-, Wipper- und Unstrutthal.

Die Unstrut nimmt auf ihrer linken[S. 128] Seite wasserreiche Zuflüsse auf, von Sömmerda abwärts zunächst die 57 km lange Helbe, die auf den sanft geneigten Südhängen des Dün beim sondershäusischen Dorfe Großkeula (900 Einw.) entspringt. Sie durchfließt in einem nördlichen Bogen zunächst ein enges gewundenes Waldthal, bis sie bei Ebeleben in die Beckenlandschaft tritt, auch dann noch streckenweise zwischen steilen Uferhängen strömend. Ebeleben (1500 Einw.) ist ein sondershäusischer Flecken, in dessen Nähe noch große Teiche bestehen. Das benachbarte Marksußra war früher ein Nonnenkloster. Im oberen Flußgebiete sind noch folgende zu Sondershausen gehörige Orte wichtig: Schernberg (1200 Einw.), Holzthaleben (1200 Einw.) und die Städtchen Großenehrich (1000 Einw.) mit zahlreichen Mühlen, Clingen (1200 Einw.) und Greußen (3400 Einw.) mit wichtiger Gärtnerei. Von hier aus abwärts ist die Helbe in langen parallelen Wasserläufen abgeleitet, die ein fruchtbares Kulturland einschließen. Westlich an der Bahn nach Mühlhausen liegt die zu Reuß ältere Linie gehörige Stadt Schlotheim (2400 Einw.). Aus dem Buntsandstein und Muschelkalk des nördlichen Höhenkranzes bricht die Wipper, in südlichem Bogen beim preußischen Städtchen Kindelbrück (1600 Einw.) vorüberfließend. Nach einem 85 km langen Laufe mündet sie bei Sachsenburg in die Unstrut.

Abb. 117. Jahnhaus in Freyburg.

Hier hat die Unstrut den Muschelkalk- und Buntsandsteinwall durchnagt, die Sachsenburger Pforte bildend, und fließt dann nach Nordost. Früher behielt sie diese Richtung bei und mündete bei Salzmünde in die Saale, an der Stelle der heutigen Salzkemündung, wie sich aus Funden von Thüringerwaldgeröll nachweisen läßt. Ein jüngerer Durchbruch ließ endlich die Unstrut von Artern nach Südosten die Triasplatte von Nebra nach Freyburg einsägen. Hier steht Buntsandstein, weiter abwärts Muschelkalk an. Das Thal ist zwar nicht durch große landschaftliche Reize ausgezeichnet, bietet aber eine Reihe schöner Einzelbilder, über deren Städten, Fluren und Ruinen Geschichte und Sage ihre Zauber gegossen haben. Der Hauptort des Unstrutthales ist Freyburg (3300 Einw.), der jüngste fast von allen Orten des Thales. Etwa um das Jahr 1090 ließ Ludwig der Springer (der Salier), der Erbauer der Schauenburg und der Wartburg, auf der Muschelkalkhöhe eine »neue Burg« anlegen, Schloß Neuenburg (Abb. 116), zu dessen Füßen am Ufer des Flusses sich Freyburg entwickelte. Die Stadt treibt besonders Weinverarbeitung und ist bekannt als Wohnort des Turnvaters Jahn, der hier von 1825 bis 1852 lebte. Zur Erinnerung an ihn wurde 1894 eine schöne Turnhalle errichtet (Abb. 117), auf dem alten Friedhof Freyburgs an der Stelle von Jahns früherem Grabe. Seine sterblichen Überreste haben unter dem Giebel der Halle eine neue Ruhestätte gefunden. Hier ist in einer Nische auch die Schillingsche Büste Jahns neu aufgestellt worden, die das frühere Grab schmückte. Die alte Stadtkirche stammt in ihren Haupt[S. 129]teilen aus dem XIII. Jahrhundert. Bei Freyburg bestand schon früh eine große Brücke, über die der alte Handelsweg von Leipzig und Halle nach dem inneren Thüringen führte. Der untere Teil der Unstrut ist durch Stauschleusen für kleine Fahrzeuge schiffbar gemacht worden. Das Dorf Groß-Jena war im XI. Jahrhundert eine ansehnliche Stadt, wo Markgraf Eckard I. seine Residenz hatte. An den Thalwänden grünen überall Weingärten, in deren südlich gelegenen Sandsteinfelsen biblische auf Wein bezügliche Figuren und Inschriften eingehauen sind, aus der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts stammend.

Abb. 118. Vitzenburg und Unstrutthal.
(Nach einer Photographie von F. Herrfurth in Merseburg.)

XIII.

Finne. Schrecke. Schmücke.

Die Steilwände an der östlichen Thalseite sind die Abbrüche der Querfurter Platte, die mit der kleinen Ziegelrodaer Platte (höchster Punkt 296 m) ein Ganzes bildet und nordwärts vom Rohnethal und dem Hornburger Sattel begrenzt wird, dem Übergang vom Rohnethal in das Becken des ehemaligen Salzigen Sees. Westlich der unteren Unstrut dehnt sich von Südost nach Nordwest die Finne aus, eine Buntsandsteinplatte von 270 m mittlerer Höhe, die gegen das Unstrutthal sanft geneigt und durch zahlreiche bewaldete Thäler, die nahe ihrer Mündung ins Unstrutthal meist ausgedehnte Obstanlagen aufweisen, zerschnitten ist. Die Oberfläche ist leicht gewellt, der mit einem Muschelkalkgürtel besetzte Westrand bricht aber steil ab und ist auf seiner Höhe bewaldet. Im Nordwesten trennt das Thal der Helder das Gebirge in zwei Äste, die sich verschmälern und kammartig entwickeln: die Schmücke und die Schrecke, beide mit schönen Buchenwäldern bedeckt. Hier erheben sich auch die höchsten Punkte, der Kinselsberg mit 384 m, und der Steiger 362 m Höhe. Der Name Finne (im XII. Jahrhundert Vinne oder Uinna d. h. fenna oder fenni = Kot, Sumpf) deutet auf die Undurchlässigkeit der im Sandstein vorhandenen wagerechten Mergel- und Thonschichten hin, die auch den Ackerbau ungünstig beeinflussen. Die Bevölkerung dieses Gebiets spricht deshalb von der »kalten Finne«. Schrecke oder Hohe Schrecke (von scricchan und screcchôn = springen) bedeutet emporspringender Berg, wegen seiner Steilheit; Schmücke (wahrscheinlich von smiugan = schmiegen) im Gegensatze hierzu einen sich schmiegenden, sanft ansteigenden Berg.

Burgscheidungen. Querfurt. Nebra.

Oberhalb Freyburg liegt in weiter wiesenreicher Thalebene, umgeben von reichen Obstbaumpflanzungen, das Städtchen Laucha,[S. 130] (2400 Einw.), ursprünglich wohl eine slawische Gründung, im XII. Jahrhundert zuerst urkundlich erwähnt. Die bedeutendsten Zuflüsse von der Finne her sind der Haselbach und Biberbach, in dessen Thal Bibra (1500 Einw.) liegt, ein kleines schon im VIII. Jahrhundert erwähntes Städtchen mit Stahlbad. Auf einem Sandsteinkegel, von der Unstrut halbinselartig umflossen, ragt Burgscheidungen (Scidingi = »an der Scheide« des geteilten thüringischen Reiches) empor, wo 531 die Franken und Sachsen das Königreich Thüringen in Trümmer schlugen. An Stelle der alten Befestigungen sind jetzt schöne Gartenanlagen getreten, das alte Schloß erhielt seine jetzige Gestalt im XVIII. Jahrhundert. Auf der mittleren Fläche der Platte, nur 160 m hoch, liegt die Stadt Querfurt (5200 Einw.), die Furt an der Querne, vom großen Verkehr abseits und eine alte Stadt, die nebst dem Gebiete der Kreise Querfurt und Eckartsberga 1815 an Preußen fiel. Vom linken Felsufer der Unstrut glänzt das neue Schloß Vitzenburg (Abb. 118) in die Lande hinaus, wo ehemals eine Reichsburg stand, die schon im VIII. Jahrhundert erwähnt wurde. Gegenüber liegt am hohen rechten Ufer Nebra (2300 Einw.), eine Gehängesiedelung an der Stelle, wo die Straße von Eckartsberga nach Querfurt den Fluß überschreitet. Die feste Brücke bestand mindestens seit dem XIII. Jahrhundert, der Ort selbst war eine im VIII. Jahrhundert gegründete Slavensiedelung, die aber unten am Flusse unterhalb der heutigen Stadt lag. Der feinkörnige wertvolle Sandstein der Nebraer Steinbrüche wird weithin verfrachtet.

Abb. 119. Schloß Heldrungen im Jahre 1645 (nach dem gleichzeitigen Stich von Merian).
Memleben. Wiehe. Roßleben. Artern.

Die Thalränder treten hier an der Steinklöbe, dem Durchbruch der Unstrut durch den Sandstein, eng aneinander, weichen von Memleben an auf dem rechten Ufer aber weit zurück. Hier breitet sich die Aue des Unstrutrieds aus, ehemals Sumpffläche, auf Veranlassung des Mainzer Erzstifts und der Cistercienser entsumpft und dem Landbau gewonnen. Im Dorfe Memleben bestand am Anfang des X. Jahrhunderts ein befestigter Königshof, wo 936 König Heinrich I., 973 sein Sohn Otto I. starben. Die epheuumrankten Ruinen der zum ehemaligen Benediktinerkloster gehörigen Kirche deuten auf ein Bauwerk vom Anfange des XIII. Jahrhunderts. Am Fuß der Berge liegt das Städtchen Wiehe (1150 Einw.), schon am Ende des X. Jahrhunderts eine Reichsburg. Die Stadt ist[S. 131] Geburtsort des Geschichtsschreibers Ranke. Oben im Bergwald finden sich die Reste der Burg Rabenswald und an den Hängen des Kinselsberges diejenigen der Monraburg. Beim Dorfe Donndorf (900 Einw.) auf einem Hügel steht eine Erziehungsanstalt, früher ein Cistercienser-Nonnenkloster. Auf niederem Kalkfelsen am linken Ufer erhebt sich das Kammergut Wendelstein, deren Gebäude früher eine befestigte Burg bildeten. Ein hier bestehendes Gestüt hatte ein Ende, als 1813 Theodor Körner als Führer einer Reitertruppe sämtliche Pferde als Beute für die Lützowsche Freischar entführte. Am Eisenbahnübergang über die Unstrut liegt das bedeutende Dorf Roßleben (2300 Einw.), berühmt durch seine sogenannte Klosterschule, die im großen Gebäude an der Stelle eines Augustinerklosters 1554 errichtet wurde. Auf der Höhe der Sandsteinplatte liegt das Dorf Ziegelroda und die Mauerreste der Lutisburg. An der Mündung des Riedgrabens liegt die Salinenstadt Artern (4900 Einw.), schon im VIII. Jahrhundert erwähnt, einer der ältesten Orte der Goldenen Aue. Unter dem Gips des oberen Zechsteins ist hier ein etwa 130 m mächtiges Steinsalzlager erbohrt, aus dem eine Solquelle entspringt, deren Wasser versotten oder zu Badezwecken gebraucht wird. Das Gebiet ist reich an Salzpflanzen, die hier wie bei Kölleda, Weißensee, Artern, Numburg, Luisenhall bei Erfurt und Salzungen vorkommen.

Abb. 120. Die Sachsenburgen.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Rastenberg. Heldrungen.

Am südlichsten Punkt der Finne bildet das Thal der Emse einen bequemen Zugang ins Thüringische Becken, wo in der Nähe des Dorfes Auerstädt 1806 die für Preußen so unglückliche Schlacht geschlagen wurde. Bei Eckartsberga (1900 Einw.), einem freundlichen Städtchen, ist im Gelände eine Einsenkung, die Eckartsbergaische Pforte, der Durchgangspunkt der alten Handelsstraße. Am Ausgang des lieblichen Mühlthales liegt die weimarische Stadt Rastenberg (1200 Einw.) mit Stahlbad. In der flachen Thalmulde des Helderbaches ist Heldrungen (2700 Einw.) erbaut, nach seinem alten Schlosse auch Schloßheldrungen genannt (Abb. 119). Das Schloß ist von breiten Wassergräben umgeben und gibt mit seinen Türmen ein mittelalterliches Bild. Am gegenüberliegenden Unstrutufer liegt das weimarische Dorf Oldisleben (2000 Einw.), mit Mühlen und Zuckerfabrik. Das im XI. Jahrhundert gegründete Benediktinerkloster wurde im Bauernkriege zerstört. Oberhalb der Wippermündung erheben sich am Berghange 254 m hoch die Sachsenburgen (Abb. 120), von deren Turm man[S. 132] einen weiten Blick in die thüringische Landschaft genießt. Sie wurden im XIII. Jahrhundert erbaut, sind also nicht als Grenzbefestigungen der Sachsen gegen die Franken aufzufassen, die im Thale des Solgrabens Frankenhausen erbaut haben sollen.

Abb. 121. Sondershausen um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stich von Merian).
Hainleite. Dün.

In gleicher Streichrichtung von Finne und Schmücke erstreckt sich der Gebirgswall der Hainleite, an der oberen Wipper in ostwestliche Richtung übergehend in den Dün, der mit dem Eichsfeld und dem Hainich im Norden und Westen dann das Thüringische Becken umgrenzt. Der östlichste Teil der Hainleite gipfelt mit 331 m und wird vom übrigen Gebirgsteil durch den Durchbruch der Wipper, die in engem gewundenen Thale sich den Weg zur Unstrut gebahnt hat, getrennt. Westlich der Wipper steigt der Kamm allmählich höher, im aussichtsreichen Possen 424 m, in der Wetternburg 465 m, im Katzenstein 471 m. Außer dem Wipperdurchbruch ist die Hainleite noch mehrmals schluchtartig durchbrochen, vom Hachsbach beim Dorfe Hachelbich, und vom Bebrabach bei Sondershausen, der Übergangsstelle der Bahn Erfurt-Nordhausen. Nach der Mitte Thüringens fällt das Gelände in sanfter Abdachung, nach Norden bricht es in steiler Wandung zum Wipperthale ab, von Friedrichslohra bis zum Kloster Reifenstein einen 20 km langen ununterbrochenen Rand bildend, der schon zum Dün gehört. Hier steigt die höchste Erhebung im Köhlerberg bis 494 m an, im Hockelrain bis 517 m. Der Dün reicht bis Heiligenstadt und geht südwestlich langsam in das Eichsfeld über. Die aus Wellenkalk bestehenden untersten Schichten des Muschelkalks verleihen der Hainleite und dem Dün ihre eigentümlichen Formen und bilden eine deutliche Stufe, wenn sie sich auch nicht überall zu einer kleinen Hochfläche erweitert, wie dies südlich von Sondershausen der Fall ist. Die an den steileren Hängen der Hainleite und auch der nördlich der oberen Wipper sich erhebenden Muschelkalkgruppe der Ohmberge (höchster Punkt die wilde Kirche 523 m) emporstrebenden Äcker und Berggräben verdanken ihren thonigen Boden dem Röth oder oberen Buntsandstein. Von Wichtigkeit sind auch die Thonschichten an der oberen Grenze des Röths, weil auf ihnen eine Reihe von Quellen zu Tage gehen. Einige wechsellagernde Schaumkalkschichten, sowie Dolomitbänke des oberen Muschelkalks liefern Straßen- und Bausteine. Der aus der Zersetzung der Wellenkalkschichten hervorgehende Boden ist Träger und Ernährer der schönen Buchenwälder, dagegen nur selten lohnender Ackerboden; die Äcker des mittleren und oberen Muschelkalks sind zwar fruchtbarer, aber oft thonig und mit zahllosen Steinen übersät. Eine Ausnahme findet sich in der Nähe der Wipperquelle in den Ohmbergen, wo in einer Höhe von 450 bis 490 m dem Wellenkalk eine Abteilung der Kreideformation auflagert.

Abb. 122. Sondershausen, vom Waldschlößchen aus gesehen.
Sondershausen. Der Kyffhäuser.

Beim Dorfe Göllingen ist von der Wipper ein Stollen abgezweigt, durch den der Stadt Frankenhausen Wasser zugeführt wird, da in der sogenannten kleinen Wipper zu wenig Wasser vorhanden ist. Der bedeutendste Wohnplatz im Wipperthale ist Sondershausen (7000 Einw.), die Hauptstadt des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen, in freundlicher Lage und von Bergen umrahmt (Abb. 121 und 122). Das aus dem XVI. Jahrhundert stammende Schloß ist von schönen Parkanlagen umgeben.[S. 134] Auf dem Possen steht ein fürstliches Jagdschloß und ein 50 m hoher Turm, der hoch über den Buchenwipfeln eine umfassende vom Thüringerwald bis zum Harz reichende Rundsicht bietet. Vom Sandsteinplateau der alten Grafschaft Hohnstein entwickelt sich der Gebirgszug der Windleite, im Paßberg 352 m hoch, nördlich von Sondershausen zwischen Wipper und Helme sich von Ost nach West erstreckend und durch zahlreiche Bäche mannigfach gegliedert. Östlich davon erhebt sich als kleines, nur 75 qkm umfassendes Massengebirge der Kyffhäuser, der seinen Steilabfall nach Norden hat und auf seiner platten welligen Oberfläche im Lengefelde 466 m Höhe erreicht. Am Nordrand tritt ein schmaler Gürtel altkrystallinischer Gesteine zu Tage: die aus Granit bestehenden Heidekraut tragenden Bärenköpfe am Nordfuße des von der Kyffhäuserruine gekrönten Berges, und Gneis (Hornblendegneis an der Rotenburg). Als Hauptmasse des Gebirges folgt dann Rotliegendes, stellenweise zu quarzitischen Konglomeraten vergröbert und mit Schieferthonlagen durchsetzt. Im Westen und Süden lehnt sich daran ein breiter Zug der Zechsteinformation mit landschaftlich wirkungsvollen Gipsfelsen. Löß deckt mantelartig das Gebirge, besonders im Osten und an den Thalgehängen. Trotz armer Bewässerung ist seine Bewaldung üppig und deckt 55 vom Hundert der Fläche, vorwiegend Rotbuche und Eiche; erst seit 60 bis 70 Jahren sind Fichten angepflanzt worden. Bei der aus dem Zechstein kommenden Salzquelle in der Nähe von Numburg sind 25 echte Salzpflanzen nachgewiesen, ein Beweis für die Abhängigkeit der Pflanzenverbreitung von der chemischen Natur des Bodens. Der Kyffhäuser ist ferner eine Heimstätte lebender Nachkommen der in der sogenannten Steppenperiode oder der Lößzeit (wahrscheinlich zwischen der ersten und zweiten Vereisungsperiode) aus Südosten eingewanderten Gewächse. Fast die Hälfte dieser dem Osten und Südosten Europas als Stammland angehörige Pflanzen finden hier ihren äußersten nordwestlichen Standpunkt; hierher gehört das »Kyffhäufergras« genannte Fiedergras.

Abb. 123. Die Rothenburg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)

Der Kyffhäuser gehörte mit dem nahe an seinem Ostfuße gelegenen preußischen Dorfe Tilleda (1100 Einw.) zu den Krongütern, welche die Kaiser der älteren Zeit in fast allen Teilen des Reiches besaßen. Wann eine Reichsburg auf dem Kyffhäuser erbaut wurde, weiß man nicht; sicher ist nur, daß die kaiserliche Burg Kufese 1118 von den aufständischen thüringischen und sächsischen Fürsten zerstört, bald nachher aber wieder aufgebaut wurde. Rudolf von Habsburg ernannte 1290 den Grafen Friedrich von Beichlingen-Rothenburg zum Burggrafen von Kufese, dessen auf der Rothenburg sitzendes Geschlecht indessen 1373 seine Herrschaft Schulden halber an den Landgrafen von Thüringen abtrat. Diese verpfändeten sie 1378 an die Grafen von Schwarzburg, die seitdem im Besitz der Herrschaft verblieben. Die Burg verfiel im Mittelalter, doch wurde 1433 die Burgkapelle erneuert und blieb bis zur Reformation ein viel besuchter Wallfahrtsort. Von Norden aus gesehen bilden die Reste der Rothenburg (Abb. 123), die um 1100[S. 135] gegründet wurde, und der alte Kyffhäuserturm (Abb. 124) die Eckpfeiler des Gebirges. Neben dem alten Turm erhebt sich auf 96 m langer und 61 m breiter Plattform das von Deutschlands Kriegern 1890–1896 errichtete Denkmal für Kaiser Wilhelm I. (Abb. 125). An der Rückseite eines viereckigen Hofes, der mit seiner kräftigen Architektur das aus dem Berge gestiegene Schloß des sagenhaften Staufenkaisers versinnbildlicht, befindet sich das Standbild Friedrich Barbarossas. Am Oberbau des Denkmals, das von der Plattform bis zur Spitze 69 m hoch ist, tritt über dem Standbilde Barbarossas das mächtige Reiterstandbild Kaiser Wilhelms heraus, weit hinausblickend in die deutschen Lande (Abb. 126). Bei der Kyffhäusersage soll es sich ursprünglich nicht um Friedrich I. Barbarossa, sondern um den in Italien 1250 plötzlich verstorbenen Friedrich II. gehandelt haben, an den sich später Prophezeiungen von einstiger Eroberung des heiligen Grabes und allgemeine Besserung kirchlicher und gesellschaftlicher Zustände knüpften. Die letzteren Vorstellungen verblaßten nach der Reformation, von da ab saß Kaiser Rotbart drunten am Tisch von Marmelstein und wachte alle hundert Jahre nur einmal auf. Dann mußte sein Zwerg zur Welt hinaufsteigen, um zu schauen, ob die Raben noch immer fliegen. Und dann versank der alte Held wieder in tiefen Schlaf. Mit Rückerts bekanntem Liede: »Der alte Barbarossa« empfing die Sage und das Sehnen im deutschen Volke neue Kraft. Mit dem Wiedererstehen des geeinigten Deutschen Reiches hatte sich endlich die Verheißung der Sage erfüllt. Das mächtige Denkmal ist uns ein Markstein in der Geschichte des deutschen Volkes geworden und ein kraftvolles Erinnerungszeichen an die Macht und Größe des Vaterlandes.

Abb. 124. Kyffhäuserturm.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Frankenhausen.

Auf dem Rücken des Gebirges liegt 384 m hoch auf einer Waldwiese das Jagdschloß Rathsfeld. Am Südwestfuße unterhalb der Reste der Falkenburg befindet sich die Barbarossahöhle, durch einen 178 m langen Stollen zugänglich gemacht. Ein Teil des Raumes wird von kleinen Teichen eingenommen, und von der Decke hängen vielgestaltige Gips- und Anhydritbildungen, vielfach aufgehängten Fellen ähnlich. Frankenhausen (5950 Einw.) ist die Hauptstadt der schwarzburg-rudolstädtischen Unterherrschaft (Abb. 127 und 128), am Südfuße des Kyffhäusers gelegen. Hier wurde in einer Tiefe von 400 m ein Steinsalzlager erbohrt, dessen Quellen für Badezwecke benützt werden. Außerhalb der Stadt erhebt sich der Schlachtenberg, wo 1525 dem Bauernkrieg ein Ende gemacht wurde:[S. 136] 5000 Erschlagene lagen in den Feldern und Straßen umher, 300 Bauern wurden vor dem Rathause enthauptet. Thomas Münzer, der Anführer der Aufständischen, wurde hier gefangen und auf dem Hochgericht von Mühlhausen enthauptet. Am Abhange des Berges steht der Hausmannsturm, der Rest der alten Frankenburg. Frankenhausen wurde in Verbindung mit Salzgewinnung seit dem X. Jahrhundert genannt. Das Flußthal ist wohl angebaut, so daß die Dörfer wohlhabend sind; Ringleben hat 1300 Einw.

Abb. 125. Kaiserdenkmal auf dem Kyffhäuser.
(Nach eigener Photographie der Verlagshandlung.)
Goldene Aue.

Der Kyffhäuser sendet seine westlichen Ausläufer bis Auleben und Badra vor, wo der jüngere Zechsteingips unter den steil abbrechenden Schichten des unteren Buntsandsteins der Windleite verschwindet. Bei Badra steht Gips und der Hauptdolomit des Zechsteins an, der auch am Galgen- und Schlachtenberge bei Frankenhausen entwickelt ist. Vom Badraer Sattel schiebt sich ein kleiner Höhenzug nach Südosten und zwingt dort die Wipper, die Hainleite zu durchbrechen. Nördlich vom Kyffhäuser breiten sich die fruchtbaren auf Buntsandstein liegenden Diluvialablagerungen der Goldenen Aue aus. Am Anfang des XII. Jahrhunderts war das Helmethal von Nordhausen bis Artern noch ein sumpfiges wenig bewohntes Land, in das die Cistercienser vom Kloster Walkenried erst Kultur brachten. Die Mönche zogen Vlämen ins Land, die nach niederländischer Art urbar machten und eine Anzahl Ortschaften gründeten. In diesen vlämischen Kolonistendörfern (Horne, Ellre, Weydenhorst und die Orte mit der Endung »riet«) lagen die Bauernhöfe am Flusse entlang, an dem sich auch die einzige Fahrstraße hinzog; seitwärts von den Bauernhöfen am Eingang des Dorfes stand die Kirche. Hinter den Höfen schloß sich in langen Streifen, so breit wie das Gehöft, der Acker an. Die Form der Bauernhöfe war die fränkische. Die Entwässerung des oberen Riets (oder Rieds) geschah durch tiefe Gräben, neben denen hohe Dämme erbaut wurden. Querdämme schlossen die Gebiete der einzelnen Ortschaften ab. Im unteren[S. 138] Riet war längs des linken Ufers der kleinen Helme ein Flutgraben gezogen worden.

Abb. 126. Der Kyffhäuser mit Blick in die Goldene Aue.
(Nach eigener Photographie der Verlagshandlung.)
Abb. 127. Frankenhausen um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stich von Merian).
Das Eichsfeld.

Am Fuße der Rothenburg liegt das stille Städtchen Kelbra (2700 Einw.). Die Goldene Aue bietet eine für den Verkehr wichtige Niederung, die von der Eisenbahn Halle-Cassel benutzt wurde. Die Helme, die gewissermaßen Thüringen vom Harz scheidet, hat eine Länge von 84 km und ist einer der wichtigsten Nebenflüsse der Unstrut, da sie aus dem Harz viele wasserreiche Zuflüsse aufnimmt; ihr Ursprung ist auf der niederen Wasserscheide zwischen Elbe und Weser, westlich vom preußischen Dorfe Stöckey. Die Wipperquelle liegt in der Stadt Worbis am Südfuße der Ohmberge, nur wenig entfernt von den Quellen der Hahle und Leine. Nach Aufnahme der Ohne durchströmt die Wipper bei Sollstedt das Eichsfelder Thor, wo die Muschelkalkhöhen der Bleicherodaer Berge und der Hainleite nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind. Westlich von Worbis (2000 Einw., davon ¾ katholisch) dehnt sich bis zum Grabeneinbruch des Leinethales (oder der Göttinger Senke) das meist aus Buntsandstein bestehende Untere Eichsfeld aus, von einer mittleren Höhe von 380 m. In den Thälern finden sich frische Wiesengründe, auf den Höhen sorgsam gepflegte Äcker, die neben Getreide und Kartoffeln auch Tabak, Flachs und Zuckerrüben tragen. Trotzdem sind aber bei einer verhältnismäßig dichten Bevölkerung und dem Mangel größerer gewerblicher Anlagen die Ortschaften ziemlich arm.

Abb. 128. Frankenhausen.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Heiligenstadt.

Der Hauptort des Eichsfeldes ist Heiligenstadt[S. 139] (6700 Einw., davon 5/6 katholisch), das schon 1227 vom Erzbischof von Mainz Stadtrechte erhielt. Seine drei Stadtkirchen sind im XIII. und XIV. Jahrhundert erbaut worden. Das obere Eichsfeld ist die vom Dün nach Westthüringen hinüberleitende Muschelkalkplatte, im Mittel etwa 450 m hoch und klimatisch ungünstiger als das untere Eichsfeld; der Warteberg steigt bis 512 m empor. Die steil abfallenden Wände sind vielfach von Thälern durchschnitten, so vom Lutterbach im Norden und dem Frieda- und Rosapp-(Roseppe-) Bache im Süden, und die halbinselartig geformten Randstücke der Muschelkalkplatte sind zumeist von schönen Buchenwäldern geschmückt. Westlich dieser Thäler erhebt sich auf einem Buntsandsteinsockel der vielfach von Bächen eingeschnittene Muschelkalkrücken der Goburg, im Hohenstein (566 m) den höchsten Punkt des ganzen Eichsfelds tragend. Der Landbau ist auf dem Kalkboden nur dürftig, so daß viele arme Gebiete vorhanden sind, deren Bewohner dann Weberei treiben oder allsommerlich als Feldarbeiter nach der Provinz Sachsen gehen. Bei Küllstedt wird das obere Eichsfeld in 400 m Höhe von diesem Tunnel durchbrochen, durch den eine Bahnlinie führt, die Dingelstädt mit Eschwege verbindet.

Abb. 129. Lutherdenkmal in Möhra.
Abb. 130. Salzungen.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Treffurt. Creuzburg. Südvorland.

Nach Südosten streckt sich vom oberen Eichsfeld der breite Muschelkalkrücken des Hainich, dessen Höhen mit prächtigen Buchenwäldern bewachsen sind und nirgends 500 m Höhe erreichen. Der Muschelkalk reicht hier südlich bis zur Hohleite (387 m), den Hörselbergen[S. 140] und den Krahnbergen westlich von Gotha. An einigen Stellen lagern über den Triasschichten in unbedeutender Entwickelung Thone mit Sandstein und Kalkbänken, die dem Lias (Jura) zugehören, so auf der Hohleite und dem Moseberg (nordwestlich von Eisenach), am Seeberg (bei Gotha) und am Röhnberg (in der Nähe der drei Gleichen). Der Muschelkalk reicht westlich weit bis ins hessische Gebiet; in zahllosen Schlangenwindungen hat sich die Werra ihr tiefes Bett in den Muschelkalk eingesägt. Hier liegt das preußische Städtchen Treffurt (2000 Einw.), nördlich bewacht von der Burgruine Normannstein, südlich vom steil bis 501 m aufragenden Heldrastein. Das alte Creuzburg (1800 Einw.) ist weimarisch und war einst die Sommerhauptstadt der thüringischen Landgrafen. Die alte Verkehrsstraße zog früher über Creuzburg nach Frankfurt, seit Eröffnung der thüringischen Eisenbahn ist der Ort aber von allem Verkehr verlassen und ein stilles Landstädtchen geworden. Nahebei liegt das kleine Solbad Wilhelmglücksbrunn. Am Durchbruch der Werra liegt in anmutiger Gegend das Dorf Hörschel, urkundlich schon im X. Jahrhundert genannt, der westliche Endpunkt des Rennsteigs. In der Nähe des Dorfes Lauchröden ragen die Ruinen der Brandenburg empor.

Abb. 131. Schloß Landsberg.

XIV.

Das Eltethal ist im unteren Teile von beackerten Höhen eingefaßt, nimmt weiter oben das Gepräge eines stillen Waldthals an, dessen Sohle aber noch mit Feldern und Wiesen besetzt ist. Südlich des Dorfes Förtha erhebt sich die basaltreiche Pflasterkutte, nördlich die Stoppelkuppe, deren Basalte noch heute gebrochen werden. Der Zechsteingürtel, der hier das Eltethal überspringt und bis über Liebenstein hinaus sich fortsetzt, war früher für den Bergbau von Bedeutung, der bei Möhra, Kupfersuhl und Schweina auf Kupfer betrieben wurde und von dem noch heute so manche grün bewachsene Halde Zeugnis gibt. Nach der Gebirgsseite erstreckt sich das Rotliegende, und auf ihm wachsen die üppigen Buchenwälder, die bis zu den Höhen des Rennsteigs hinaufreichen. Dem Gebirgswall Thüringens ist hier ein welliges Südvorland vorgelagert, wo fast parallel mit der Hauptrichtung des Thüringerwalds die Werra in einem breiten offenen Thale nach Nordwesten zieht. Die Werra ist nach Größe und Namen der Quellfluß der Weser (Wisaraha, Wirraha = Westfluß); Weser und Werra sind nur verschiedene Namen für dasselbe Wort.

Abb. 132. Meiningen.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)

Im Nordosten des Südvorlandes breitet[S. 142] sich eine dicht bewaldete Buntsandsteinfläche aus, die nach Südwesten zur unbewaldeten und reizlosen Marisfelder Mulde einfällt. Diese Mulde wird im Südwesten von einem teilweis bewaldeten Muschelkalkplateau begrenzt, das Werra und Hasel durchbrochen haben. Ähnlich ist das Gelände im Südosten der Marisfelder Mulde bis auf die eigenartige Gegend des sogenannten »Kleinen Thüringerwalds«, wo Granit, Porphyr, Rotliegendes, Zechstein, Buntsandstein und Muschelkalk mit ihren verschiedenen Abtragungs- und Verwitterungsformen ein überaus lebendiges und buntfarbiges Landschaftsbild abgeben. Die im Graben der Marisfelder Mulde enthaltenen Keuperschichten zeigen, daß natürliche Abtragung die Oberfläche dieser Gegend um mindestens 460 m erniedrigt hat. Der südlich der Muschelkalkmauer gelegene Teil gehört bereits zum Grabfeld und besteht aus Keuper, der teilweis durch Diluvialbedeckung verhüllt ist und ausgedehnte wenig gegliederte Hochflächen bildet. Der vorherrschend weiche und thonige Boden wird von Kulturflächen eingenommen, der Wald tritt sehr zurück.

Abb. 133. Schillerhaus in Bauerbach.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Marksuhl. Möhra. Frauensee.

Zwischen dem Markte Gerstungen (1550 Einw.) und dem weimarischen Städtchen Berka an der Werra (1050 Einw.) führt von der Werra das sonnige breite Thal der Suhle aufwärts. Das von der oberen Suhle und der oberen Elte umschlossene Gebiet war der alte Bergwerksgrund, der seinen Mittelpunkt im Dörfchen Eckardshausen hatte. Der Hauptort des Thales ist der Flecken Marksuhl (1000 Einw.), zuerst im XIII. Jahrhundert genannt und früher eine Haltestelle an der alten Bergstraße von Vacha nach Eisenach. Der Name Suhl bedeutet »sumpfige Gegend«, ist also von derselben Bedeutung wie der in derselben Richtung mit dem Suhlethal gelegene jetzt auch trockene Moorgrund, beide nur von einer niedrigen Wasserscheide getrennt. Im oberen Moorgrund liegt das Dorf Möhra, wo Luthers Eltern wohnten und wo ihm auf dem Kirchplatz ein Standbild errichtet wurde (Abb. 129). Die Buntsandsteinplatte innerhalb des Werraknies ist zum Teil mit Fichten- und Buchenwald bedeckt, während in den schmalen Thalgründen kleine Wiesen in hellem Grün leuchten. Bei Dönges ist der kleine Hautsee eingebettet, auf dessen Wassern eine schwimmende Insel ruht, deren Kiefern und Birken mit ihren Wurzeln den festen Zusammenhalt geben. Im Buchenwald versteckt liegt das weltabgeschiedene stille Dörfchen Frauensee, dessen rote Dächer sich im dunklen See spiegeln, eine ruhige Sommerfrische an[S. 143] der Stelle, wo im XII. Jahrhundert ein zum Stift Hersfeld gehöriges Cistercienser-Nonnenkloster gegründet wurde.

Wo die alten Hauptverkehrswege das Gebirge überschritten oder umgingen, wie im Werrathal, entwickelte sich eine dichtere Besiedelung. Im XIII. und XIV. Jahrhundert entstand eine Anzahl kleiner Städte, von denen es viele in den folgenden Jahren zu hoher Blüte brachten, die aber durch die Greuel des dreißigjährigen Krieges zerstört wurden. Im Werragebiete fielen fast neun Zehntel der Bevölkerung dem Kriege zum Opfer, und es waren zwei Jahrhunderte erforderlich, um die Lücken wieder zu ergänzen. Vom Goldbrunnen oberhalb des Ortes Wüstensachsen im Rhöngebirge rinnt die Ulster und mündet nach 49 km langem Lauf unterhalb Philippsthal in die Werra. Die weimarische Stadt Geisa (1500 Einw.) wird urkundlich schon im VIII. Jahrhundert erwähnt. Das Thal wird hier breiter und schöner und bildet die fruchtbarste Gegend des eisenachischen Oberlands, zu beiden Seiten von den schöngestaltigen Basaltkuppen der vorderen Rhön bewacht: Suchenberg (585 m), Rockenstuhl (529 m) und der Gipfelreihe vom Roßberg (689 m) bis zum Ulsterberg (476 m), meist Aussichtsberge mit umfassender Rundsicht. An der Einmündung der Öchse in die Werra liegt das im IX. Jahrhundert gegründete weimarische Städtchen Vacha (1500 Einw.), dem Vereinigungspunkte zahlreicher Straßen, die früher dem Ort lebhaften Verkehr brachten. Das Werrathal ist hier breit und sonnig, aber heiteren Gepräges und fruchtbarer Wiesengelände voll, von Bergen und grünen Wäldern umgrenzt. Südlich der Stadt erhebt sich der 627 m hohe mit Basaltblöcken bedeckte Öchsenberg, an dessen Ostfuße das stille waldumsäumte Öchsenthal hinaufsteigt bis zu der Höhe zwischen Bayerberg (706 m) und Sachsenburg (707 m). Dichter Buchenwald schmückt diese basaltischen Vorberge der Rhön; vom Turm des Bayerbergs hat man einen schönen Blick auf Thüringerwald und Rhön.

Abb. 134. Hildburghausen.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Eisenachisches Oberland. Ostheim.

Am Fuße des Ellenbogen (813 m) entspringt die Felda, die zuerst eine wellige Hochfläche durchströmt, unterhalb Kaltennordheim in ein enges Buntsandsteinthal tritt, das sich aber später erweitert, während der unterste Teil ein enges Felsenbett bildet. Die Quelle liegt 660 m hoch, die Mündung bei Dorndorf 230 m. Bis zum weimarischen Markte Kaltennordheim (1650 Einw.), reicht die schmalspurige Felda-Eisenbahn.[S. 144] Das Eisenacher Oberland ist klimatisch nicht günstig gestellt, ein langdauernder Winter und kalte Winde mindern den Ertrag der Landwirtschaft. Das Gebiet trägt im allgemeinen den rauhen Charakter der Rhön. Ein Zeichen von wirtschaftlicher Schwäche ist die ziemlich lebhafte Auswanderung der Bevölkerung. Zwischen buchenbewaldeten Bergen liegt der Markt Dermbach (1150 Einw.), wo 600 Menschen mit Korkschneiderei beschäftigt sind. Im Feldathale wird in Schnitzerei und Drechslerei viel Hausindustrie getrieben, deren Hauptort Empfertshausen ist, von wo aus meist für Ruhla, aber auch für Eisenach, Fischbach, Cabarz und Waltershausen gearbeitet wird. Eine vom Staate unterstützte Fachschule sorgt für künstlerische Ausbildung. Das weimarische Lengsfeld (1200 Einw.) ist die einzige Stadt im Feldathale. In dem meiningischen Gebietsteil Dietlas wurde in einer Tiefe von 436 m Steinsalz erbohrt. Ein weimarischer Landesteil liegt, rings von bayerischem Gebiet umschlossen, an den Ostabhängen der Rhön bis über den Streubach hinaus. Der Hauptort ist hier Ostheim (2300 Einw.), eine alte Stadt, die 804 dem Stifte Fulda geschenkt wurde und deren alte Mauern und Türme noch großenteils stehen. In der Umgebung sind viele Mühlen, und es wird erheblicher Kirschenbau getrieben.

Abb. 135. Feste Heldburg.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Ostheim.

Auf einer dicht bis zur Werra vortretenden Sandsteinkuppe liegt im Buchenschatten die Kraienburg, ein ehemaliger Wachtposten für den entlang der Werra ziehenden Handelsweg. Von den letzten Resten der aus dem XII. Jahrhundert stammenden Burg wurden die Säulen aus den romanischen Fenstern gebrochen und bei der Wiederherstellung der Wartburg zur Ausschmückung der offenen Halle im Burggärtlein benützt. Viele Mauersteine der Burg wurden in dem an der Werra liegenden Dorfe Tiefenort (1750 Einw.) zu Häusern verbaut. In der Nähe besteht ein Kalibergwerk. Überall im Südvorlande tauchen aus der Masse des Buntsandsteins und Muschelkalks kegelförmige Inseln von Basalt empor. Einer der schönsten Gipfel ist der Bleßberg (645 m), von dessen schön bewaldeten Hängen das Arnbachthal zur Werra hinabführt. Hier liegt Salzungen (4400 Einw.), urkundlich schon im VIII. Jahrhundert erwähnt, im Grenzgebiete des alten Westergaus, von Henneberg und Franken. Das Salzwerk hat großen Reichtum an Sole, die in verschiedenen Quellen von 5 bis 27 vom Hundert Salzgehalt hat; der Jahresversand von Salz beläuft sich auf[S. 145] 125000 bis 150000 Metercentner. Als Badeort wird Salzungen jährlich von über 2000 Personen besucht. Der Salzunger See ist durch einen Erdfall entstanden (Abb. 130). Am Lindenberg bei Leimbach wurde eine Kohlensäurequelle erbohrt, die unter einer Druckspannung von 32 Atmosphären dem Boden entströmt und in einem Kohlensäurewerk verarbeitet wird. Gegenüber von Salzungen am rechten Werraufer stand ehemals Kloster Allendorf, heute nur noch im Namen erhalten, und die Burg Frankenstein, die schon 1330 im Verfall war und dem Geschlechte der Frankensteiner gehörte, die einst auch die Frankenburg bei Helmers, die Burg auf dem Mätilstein bei Eisenach, Altenstein und die Kraienburg besaßen.

Meininger Oberland.

Vom hohen Rain (701 m) und der Stoffelskuppe (616 m) rinnen die Quellwasser der Rosa hinab, in deren anmutigem Thale einst eine alte Heerstraße aufwärts führte. Oberhalb Roßdorf schimmern einige Waldteiche, über denen sich die aus Sandstein und Muschelkalk emporragenden Basaltköpfe aufbauen; hier kam es 1866 zum Kampfe zwischen Preußen und Bayern. Georgenzell war, wie schon der Name andeutet, ein Anfang des XIV. Jahrhunderts gegründetes Cistercienserkloster, das nur wenig länger als 200 Jahre bestand. Viel hatte diese Gegend zwischen Werra und Rhön im Bauernkriege und im dreißigjährigen Kriege zu leiden. Manch einsames Haus oder von Pflanzen überwucherte Mauerreste zeugen von verschwundenen menschlichen Siedelungen, und Flur- oder Forstnamen deuten auf eine bewegte Vergangenheit. Der Name der Kilianskuppe (510 m) erinnert an den Heidenapostel Kilian, den Schutzheiligen Würzburgs, der hier 687 eine Kapelle errichtet haben soll, also 60 Jahre früher, als Winfried (Bonifatius) die kleine Kirche auf dem Altenstein gründete. Zwischen Rosa- und Schwarzbachthal dehnen sich die schönen Jagdgründe des weimarischen Zillbachs aus. Westlich der Zillbacher Waldungen liegt das im Bauernkriege gefallene Kloster Sinnershausen, ehemals ein besuchter Wallfahrtsort, heute ein von Hecken und Waldbäumen umgebener Gutshof.

Abb. 136. Hof der Feste Heldburg.
(Nach einer Photographie von Junghanns & Koritzer, Leipzig-Meiningen.)
Wasungen.

An der Mündung der Truse in die Werra liegt der Markt Frauenbreitungen,[S. 146] mit dem benachbarten Herrenbreitungen eine frühere Klostergründung. An der Mündung des Rosathals ist Wernshausen (1100 Einw.) erbaut. Ein freundliches Städtebild bietet Wasungen (2600 Einw.), urkundlich schon im IX. Jahrhundert erwähnt, der Mittelpunkt des seit dem XVII. Jahrhundert im Werrathale bestehenden Tabakbaues. Vom XI. bis XIII. Jahrhundert war hier die Hauptstadt der Grafen von Henneberg, die östlich über der Stadt eine Burg besaßen.

Zwischen den Thälern des Katzbachs und des Herpfbachs erhebt sich aus dem Muschelkalk die basaltische Große Geba, 751 m hoch, von deren Gipfelhaus sich eine Aussicht erschließt, die den Blick vom Kreuzberge der hohen Rhön noch an Schönheit übertrifft: den Thüringerwald von der Wartburg bis zum Fichtelgebirge, in dunkler Waldespracht breit hingelagert, westlich die Masse der Rhön und weiter nach Norden die hessischen Berge bis zum Meißner und dem Habichtswalde bei Cassel. Südlich des Herpfthals erhebt sich die Basaltkuppe des Hutsbergs (631 m) mit der von Buchen umrauschten Ruine des Henneberger Schlosses. Von dem Ansehen, das die drei Burgen Henneberg, Hutsberg und Landsberg als Schirmburgen einst beim Volke genossen, zeugt noch das aus ihren Namen zusammengestellte Sprichwort: »Henne hüt's Land!« Durch einen schmalen Sattel ist der Hutsberg verbunden mit dem Muschelkalkkegel des Neubergs (637 m). An der gegenüberliegenden Werraseite erhebt sich der Basaltkegel des Dolmar (740 m), dessen Rundsicht bis zum Fichtelgebirge reicht und die des Inselbergs übertrifft. Auf dem Gipfel, der auf preußischem Gebiete liegt, steht ein Häuschen. Der Nordhang ist mit Buchen bestanden, der Muschelkalk des Südhanges ist für Ackerzwecke urbar gemacht. Hier liegt das Dorf Kühndorf, schon im VIII. Jahrhundert urkundlich erwähnt und einst der Sitz einer Komturei des Johanniterordens.

Meiningen. Bauerbach. Grimmenthal.

Am Ausgang der schön bewaldeten Haßfurtschlucht erhebt sich aus einem Muschelkalkhügel die turm- und zinnengekrönte Burg Landsberg (Abb. 131), 1836–1840 als mittelalterliche Burg an Stelle der im Bauernkriege zerstörten Burg Landeswehr erbaut. Weiter südlich auf dem Bergrand westlich der Werra liegt die Ruine Habichtsburg. Umgeben von einem Kranze mit üppigen Gärten besetzter stufenförmiger Kalkberge liegt an der Werra Meiningen (12900 Einw.), die Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Meiningen (Abb. 132). Meiningen wurde als Dorf schon im VII. Jahrhundert genannt und 1008 vom Kaiser Heinrich II. zur Stadt erhoben; 1542 kam es an die Grafen von Henneberg und nach deren Aussterben 1583 an die Ernestinische Linie von Sachsen. In dem Ende des XVII. Jahrhunderts erbauten Schlosse befindet sich eine Bibliothek von 45000 Bänden und andere Sammlungen. Das Hoftheater ist durch seine Musteraufführungen weithin berühmt, der herzogliche englische Garten ist eine der schönsten Anlagen. Auf dem neuen Gottesacker ruhen der thüringische Märchendichter Bechstein, der Komponist Zöllner und der Alpenbeschreiber Schaubach. Westlich reichen die Landhäuser Meiningens fast bis zu dem auf der Muschelkalkhochfläche liegenden Dorfe Dreißigacker, von 1796–1843 Sitz einer Forstschule, die von Bechstein gegründet und aus Waltershausen hierher verlegt worden war.

Veßra. Hildburghausen.

Südlicher zwischen den Thälern des Sülzbachs und des Harlesbachs am Fuße des 569 m hohen Heiligen Berges liegt die Ruine Henneberg, einst die Stammburg der Henneberger, deren schöner Bau im Bauernkriege in Trümmer sank. Am Ostfuße des Heiligen Berges liegt das Dörfchen Bauerbach, berühmt durch Schillers Aufenthalt, der nach seiner Flucht aus Stuttgart auf dem Gute der Frau von Wolzogen unter dem Namen »Dr. Ritter« vom Dezember 1782 bis zum 20. Juli 1783 ein gastliches Obdach fand (Abb. 133). An der Haselmündung ist Grimmenthal Kreuzungspunkt der Werrabahn mit der Linie Ritschenhausen-Erfurt. Früher war Grimmenthal ein von jährlich 40000 Pilgern besuchter Wallfahrtsort, damals noch Grünthal geheißen. Oberhalb der Felsenge des Nadelöhrs bei Henfstädt, wo beim Bau der Eisenbahn dem Flusse ein neues Bett angewiesen wurde, schaut die Ruine Osterburg herab, in der Nähe des benachbarten meiningischen Städtchens Themar (2000 Einw.) Zwischen Hasel und Schleuse ragt der gesteinsbunte schon oben erwähnte Kleine Thüringerwald empor, im Schneeberg bis 687 m hoch ansteigend. An der Mündung der Schleuse in die Werra erhebt[S. 147] sich das Kloster Veßra (Vescera), dessen Namen früher das ganze Schleusethal führte, heute ein preußisches Kammergut. Gegründet wurde es 1130 und mit Prämonstratensern besetzt, die schöne Klosterkirche wird leider als Scheune benützt; sie war vor dem Bau der Egidienkapelle an der Schleusingischen Johanniskirche die Totengruft der Hennebergischen Grafen. Hildburghausen (6900 Einw.), ehemals Residenz, ist eine freundlich gelegene betriebsame Stadt an der Werra (Abb. 134), die urkundlich zuerst im XIII. Jahrhundert genannt wurde. Hildburghausen liegt 372 m hoch, Eisfeld 430 m, die Werraquelle am Saarberge bei Siegmundsburg 708 m, so daß der obere Flußteil ein ziemlich kräftiges Gefälle hat. Obwohl die Werra besonders von der rechten Seite viele wasserreiche Zuflüsse empfängt, ist sie doch innerhalb der Grenzen Thüringens nicht schiffbar, weil die Wassermassen dafür nicht ausreichen, obwohl es an Versuchen zur Schiffbarmachung schon vom XIII. Jahrhundert an nicht gefehlt hat. Geologisch belangreich sind die Tierfährten auf Platten des Buntsandsteins bei Heßberg unweit Hildburghausen. Es sind dies eigentümliche Fußstapfen, die mit dem Abdruck einer Hand Ähnlichkeit haben und von Froschsauriern (Chirotherium = Handtier) herrühren. Schöne Sammelstücke befinden sich in Hildburghausen und im Kloster Banz bei Lichtenfels.

Abb. 137. Schloß Rosenau.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Gleichberge. Römhild.

Zwischen Springbach und dem oberen Milzthale, das in weitem Halbkreise die Bergmasse umschlingt, erheben sich die beiden Gleichberge (641 und 678 m hoch). Ihre schön bewaldeten aus der Keuperumgebung aufragenden Basaltgipfel sind im Gelände zwischen Thüringerwald und Rhön weit hinaus sichtbar. Auf einem Seitenvorsprung des Großen Gleichbergs (auch Bärenburg geheißen) befinden sich geschichtete Steinwälle, Altenburg genannt, die wahrscheinlich nur ein umwalltes Viehgehege darstellten, das frühestens aus dem VI. Jahrhundert stammt. Auf dem Kleinen auch Steinsburg genannten Gleichberge befindet sich eine gut durchdachte und kriegsmäßig ausgeführte Festungsanlage der La Tène-Periode (vorrömischen Eisenperiode), die mit ihrem dreifachen Steinwallgürtel alle übrigen vorhistorischen Befestigungen auf deutschen Berghöhen weit übertrifft. Drei starke Quellen, von denen jetzt zwei nach ihrer Verschüttung erst weiter unten zu Tage treten, waren in das Bereich der Umwallungen eingezogen. Westlich der[S. 150] Gleichberge liegt am Ufer der Spring das zuerst im IX. Jahrhundert erwähnte freundliche Ackerstädtchen Römhild (1700 Einw.), ehemals die Residenz der gefürsteten Grafschaft Henneberg-Römhild. Die im XV. Jahrhundert erbaute Stiftskirche beherbergt zahlreiche Stein- und Erzbilder der hennebergischen Grafen und schöne Sarkophage vom berühmten Nürnberger Bildhauer und Erzgießer Peter Vischer. Von der aus dem XII. Jahrhundert stammenden Feste Hartenburg ist nur noch Wall und Graben[S. 151] übriggeblieben. In dem am Südfuße des Großen Gleichbergs gelegenen Flecken Gleicherwiesen sind ein Drittel der Bevölkerung Juden, etwa ein Fünftel im Flecken Bibra südlich von Meiningen und in den Dörfern Bauerbach und Berkach, was an hessische Verhältnisse erinnert.

Abb. 138. Coburg um 1650 (nach dem gleichzeitigen Stich von Merian).
Abb. 139. Coburg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Abb. 140. Feste Coburg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Abb. 141. Das Reformatorenzimmer in der Feste Coburg.
Heldburg. Rodach.

Aus der fruchtbaren leichtgewellten Keuperfläche ragen hier und da Basaltkegel empor. Auf einem derselben erhebt sich die buchenumrahmte Ruine Straufhain, die zuerst im XII. Jahrhundert genannt wurde, in der Nähe des Fleckens Streufdorf. Am Kreckbach liegt das stille Städtchen Heldburg (1100 Einw.), berühmt wegen der auf einer Basaltkuppe aufstrebenden Feste Heldburg, der »fränkischen Leuchte«, weil sie in hoher Schönheit weit hinausleuchtet in die fränkischen Gaue (Abb. 135). Im IX. Jahrhundert gehörte sie zum Stift Fulda, war eine kurze Zeit hennebergisch und gehörte seit 1374 den Wettinern. Im XVI. Jahrhundert wurde sie ausgebaut, verfiel aber nach dem dreißigjährigen Kriege und wurde erst in neuester Zeit wiederhergestellt. Der Hof ist außerordentlich malerisch, besonders der Teil mit den beiden Erkern in Renaissance (Abb. 136). Die von Hildburghausen über Stadt Heldburg führende Zweigbahn endet bei Friedrichshall, das eine berühmte Bitterwasserquelle besitzt. Von Straufhain zieht ein meist schön bewaldeter viel gegliederter Keuperrücken in weitem Bogen nach Südosten und Osten, von der Rodach und der Itz durchbrochen, die beide südlich dem Main zufließen. An der Rodach liegt das meiningische Städtchen Ummerstadt (800 Einw.), weiter oberhalb das durch Zweigbahn mit Coburg verbundene coburgische Rodach (1900 Einw.).

Abb. 142. Rückerts Haus in Neuses.
Veilsdorf. Rosenau. Neustadt. Coburg.

An der Mündung des Weidbachs in die Werra ist der Flecken Veilsdorf (900 Einw.) erbaut. Das benachbarte Kloster Veilsdorf ist jetzt Porzellanfabrik, das Kloster wurde im Bauernkriege zerstört. Von hier zieht der Muschelkalkrücken der Langen Berge nach Südosten, bei Tiefenlauter von der Lauter in engem Thale durchbrochen. Nach dem Austritt der Itz aus den Muschelkalkbergen reihen sich eine ganze Anzahl Wohnstätten im grünen flachen Thale aneinander. Hier erhebt sich inmitten herrlicher Gartenanlagen das herzogliche Lustschloß Rosenau (Abb. 137), auf niederem Hügel in gotischem Stile erbaut. Nördlich von Rosenau an den Lehnen des Herrnbergs liegen die von[S. 152] Pflanzen überwucherten Trümmer der Lauterburg. Zu Füßen des bewaldeten Buntsandsteinkegels des Mupperg liegt an der Röden die coburgische Stadt Neustadt an der Heide (5450 Einw.), die Spielwaren herstellt und dafür eine Modellierschule besitzt. Unterhalb der Mündungen von Lauter und Sulz breitet sich im grünen Itzthal Coburg (18700 Einw.) aus, die Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Coburg (Abb. 138 und 139). Die innere Stadt ist alt, aber freundlichen Charakters, von fränkischer lebensfroher Bevölkerung bewohnt. Die neueren Stadtteile dehnen sich weit aus mit ihren in Gärten liegenden Häusern. Die Stadt wurde erst Anfang des XIII. Jahrhunderts zuerst erwähnt und ist heute Sitz zahlreicher Behörden und Unterrichtsanstalten. An Stelle eines Barfüßerklosters wurde im XVI. Jahrhundert das Residenzschloß Ehrenburg erbaut, die Neubauten wurden seit 1816 in englischer Gotik errichtet.

Abb. 143. Rückertdenkmal in Neuses.
Korbwarenindustrie.

Coburg ist seit etwa 40 Jahren zum Hauptorte des Korbwarenhandels geworden, mit weit zerstreuter Arbeiterschaft, der Zahl nach am stärksten in Sonnefeld, Weidhausen und Gestungshausen. In Sonnefeld sind mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Korbflechterei thätig. Die Korbflechterei ist erst am Anfang des XIX. Jahrhunderts begonnen worden, hier wie im benachbarten Oberfranken, wo zuerst die Weiden des Mainthals unentgeltlich das Material lieferten. Wie so häufig waren wenig fruchtbare Ländereien, sowie die zersplitterten Besitzverhältnisse von Grund und Boden der Anlaß zum Anfang von Hausindustrien, so hier der Korbflechterei. Der Ausbreitung des Korbflechtergewerbes entsprach die Ausdehnung des Absatzgebietes, zu welchem Zwecke die Korbwaren-Großhändler schon in den zwanziger Jahren des genannten Jahrhunderts bis Amerika vordrangen. Die einheimische Weide reichte für den Bedarf nicht aus, und da aus mancherlei Gründen Weidenkulturen nicht gepflegt wurden, so machte sich die Einfuhr fremder Weiden nötig, besonders aus Preußen, Österreich und Frankreich. In Oberfranken ist die Korbflechterei durchweg Hausindustrie, meist in Dörfern der Bezirke Lichtenfels und Kronach; der Vertriebsort der Ware ist Lichtenfels. Alle Hände der Familie sind auch in dieser Hausindustrie beschäftigt, und je nach Kraft und Geschicklichkeit ist die Arbeitsteilung durchgeführt. Die Korbwaren sind in einer außerordentlich großen Artenzahl vorhanden, von dem kleinsten Gegenstande von Eigröße bis zum Korb von der Größe eines Kubikmeters. Dazu kommen noch Taschen, Spielzeug, Blumentische, Gartenmöbel und viele andere Luxus- und Gebrauchsgegenstände.

Feste Coburg.

Beherrschend über der Stadt Coburg ragt wie ein Wachtposten im lieblichen Itzthal inmitten eines Kranzes landschaftlicher Schönheit die mächtige Feste Coburg empor (Abb. 140). Sie liegt auf dem westlichen Vorsprung des 457 m hohen Bausenbergs und ist mit ihren zackigen Türmen und Giebeln, Erkern und Söllern ein treffliches Bild einer mittelalterlichen Burganlage und eine Stätte wechselnder Geschichte. Im[S. 153] Jahre 1530 fand hier Luther Schutz und ein gastliches Heim, und von hier aus soll zum erstenmale das Lied: »Ein' feste Burg ist unser Gott« hinaus in die deutschen Lande geklungen sein. Ein trauliches Gemach ist als Luther- oder Reformatorenzimmer (Abb. 141) geschmackvoll ausgestattet, mit den Bildnissen Luthers, seiner Gattin Katharina und einer Anzahl Reformatoren. Die Leiden des dreißigjährigen Krieges gingen auch hier nicht spurlos vorüber, da 1632 die Stadt von Wallenstein eingenommen wurde, die alte Feste sich brav verteidigte, aber 1634 sich trotzdem ergeben mußte. Erst in der Mitte des XIX. Jahrhunderts wurde die Wiederherstellung der Burg vollendet, die nun in neuer Schönheit erglänzt. Das am meisten malerische Gebäude ist der mit Bogengängen verzierte Fürstenbau, wie andere Räume der Burg mit Waffen und Kunstschätzen gefüllt, darunter eine Kupferstich- und Holzschnittsammlung von 200000 Blättern. Die Feste Coburg, auch »fränkische Krone« genannt, gewährt von ihren Wällen aus ein prachtvolles Rundbild, von der Rhön über den dunklen Thüringerwald und Frankenwald bis zum Fichtelgebirge, südwärts auf die sonnigen Berge des fränkischen Jura.

Abb. 144. Schloß Callenberg.
(Nach einer Photographie von Sophus Williams in Berlin.)
Neuses. Callenberg. Sonnefeld.

Unweit Coburg am Sulzbache liegt das Dörfchen Neuses, wo Friedrich Rückert seinen Liebesfrühling lebte und sang und wo vor seinem Wohnhause (Abb. 142) im schattigen Garten dem Andenken des vaterlandsliebenden Sängers eine Marmorbüste (Abb. 143) errichtet wurde. In schönem, wildreichem Waldpark erhebt sich das herzogliche Schloß Callenberg (Abb. 144), in gotischem Stile mit Zinnen, Türmen und Erkern, eine hübsche Nachahmung einer mittelalterlichen Burg und mit fürstlicher Pracht ausgestattet. Östlich von Coburg, im oberen Thale des Bieberbachs liegt der Marktflecken Sonnefeld (1300 Einw.), im Mittelpunkte des großen Gebiets, wo Korbflechterei als Hausindustrie betrieben wird. Im XIII. Jahrhundert wurde Sonnefeld als Cistercienserkloster gegründet, das aber nur drei Jahrhunderte bestand; nur die Kirche erinnert heute noch an verschwundene Herrlichkeit. Weit im bayerischen Franken liegen einige coburgische Gebietsteile verstreut, das umfangreichste ist das an den Südhängen der Haßberge ausgebreitete Gebiet mit dem Städtchen Königsberg (900 Einw.), in fruchtbarem Gelände, wo Wein- und Obstbau getrieben wird.

Banz. Vierzehnheiligen.

Unsere Reise in Thüringen ist hier vollendet, aber der Wanderer wird vom[S. 154] südöstlichsten Teile Thüringens nicht Abschied nehmen, ohne noch einige Kilometer weiter ins Mainthal zu pilgern. Hier erhebt sich am rechten Mainufer Kloster Banz, ein ehemaliges Dominikanerkloster, jetzt eins der schönsten fränkischen Schlösser mit wertvoller naturwissenschaftlicher Sammlung. Jenseits des weiten grünen Mainthales oberhalb des bayerischen Städtchens Staffelstein steigen wir hinauf zum Staffelberg (539 m), wie der das Schloß Banz tragende Höhenzug schon der Juraformation angehörig, durch steil abfallende Thalränder und auf den Höhen durch wellige Tafellandschaften ausgezeichnet. Hier lassen wir nochmals den Blick hinüberschweifen über die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen bis zu den walddunklen Bergen Thüringens, südwärts in die sonnigen Gefilde Bayerns. Treffend hat Scheffel diesen Platz in seinem Wanderlied besungen:

Wohlauf, die Luft geht frisch und rein,
Wer lange sitzt, muß rosten;
Den allersonnigsten Sonnenschein
Läßt uns der Himmel kosten.
Jetzt reicht mir Stab und Ordenskleid
Der fahrenden Scholaren,
Ich will zu guter Sommerszeit
Ins Land der Franken fahren!
. . . . . . . . . . . .
Zum heiligen Veit von Staffelstein
Komm ich emporgestiegen
und seh' die Lande um den Main
Zu meinen Füßen liegen:
Von Bamberg bis zum Grabfeldgau
Umrahmen Berg und Hügel
Die breite, stromdurchglänzte Au —
Ich wollt', mir wüchsen Flügel.
. . . . . . . . . . . .
Einsiedel, das war mißgethan,
Daß du dich hubst von hinnen,
Es liegt, ich seh's dem Keller an,
Ein guter Jahrgang drinnen.
Hoiho! die Pforten brech' ich ein
und trinke, was ich finde ...
Du heiliger Veit von Staffelstein,
Verzeih mir Durst und Sünde!
Abb. 145. Sächsisches Wappen (nach Keßler von Sprengseysen, Topographie von Coburg v. Jahre 1781).

[S. 155]

Statistische Übersicht.

Flächeninhalt in qkmBevölkerung (1895)
a) Ernestinische Länder.
Großherzogtum Sachsen-Weimar3615339200
Herzogtum Sachsen-Meiningen2468234000
" Sachsen-Coburg-Gotha1958216600
" Sachsen-Altenburg1324180300
b) Schwarzburgische Fürstentümer.
Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt94188700
" Schwarzburg-Sondershausen86278100
c) Reußische Fürstentümer.
Fürstentum Reuß älterer Linie31667500
" Reuß jüngerer Linie826132100
d) Königreich Preußen.
Regierungsbezirk Erfurt mit Ausnahme von Nordhausen und eines Teils der Grafschaft Hohnstein
etwa3450391000
Vom Regierungsbezirk Merseburg die Kreise Zeitz, Naumburg, Weißenfels, Querfurt, Eckartsberga und Teile der Kreise Sangerhausen und Merseburg
etwa2715337000
Vom Regierungsbezirk Cassel der Kreis Schmalkalden
"  28034000
e) Königreich Bayern.
Vom Regierungsbezirk Oberfranken die Bezirksämter Kronach, Naila, Stadtsteinach und Teile der Bezirksämter Münchberg und Hof nebst der Stadt Hof
etwa1140130000

Übersicht der geologischen Formationen.

I. Archäische Formationsgruppe.

II. Paläozoische Formationsgruppe.

1. Kambrische Formation.
2. Silur.
3. Devon.
4. Karbon.

a) Unter-Karbon (Kulm).

b) Ober-Karbon (produktive Steinkohlenformation).

5. Permische Formation (Dyas).

a) Rotliegendes.

b) Zechstein.

III. Mesozoische Formationsgruppe.

1. Trias.

a) Buntsandstein.

b) Muschelkalk.

c) Keuper.

2. Jura.

a) Lias.

b) Dogger (brauner Jura).

c) Malm (weißer Jura).

3. Kreideformation.

IV. Känozoische Formationsgruppe.

1. Alt-Tertiär.
2. Jung-Tertiär.

V. Quartäre Formation.

a) Diluvium.

b) Alluvium.

[S. 156]

Litteratur.

Nur einige der wichtigsten Werke sind hier genannt:

F. Regel: Thüringen. Ein geographisches Handbuch. 3 Bde. Jena, 1892–1896.

Behandelt im weitesten Umfange Land, Biogeographie und Kulturgeographie und ist eine außerordentlich fleißige und verdienstvolle Arbeit.

Fr. Regel: Entwickelung der Ortschaften im Thüringerwald. Ergänzungsheft Nr. 76 zu Petermanns Mitteilungen. Gotha. 1884.

Gibt eine Darstellung der Verkehrsentwickelung und der Siedelung unter Heranziehung eines reichen Urkundenmaterials.

Fr. Regel: Forstwirtschaft in Thüringen. Geographische Blätter. Bd. XV. Bremen, 1892.

Bespricht die Verbreitung und Kultur des Waldes im Thüringerwald.

F. Spieß: Physikalische Topographie von Thüringen. Weimar, 1875.

Ist eine eingehende und heute noch wertvolle Beschreibung aller physischen Verhältnisse des ganzen thüringischen Gebiets.

H. Pröscholdt: Der Thüringerwald und seine nächste Umgebung. Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde. V. Bd. Stuttgart, 1891.

Gibt eine auf dem neuesten Standpunkt stehende Darstellung der geologischen Verhältnisse und ihrer Entwickelung.

C. Kaesemacher: Die Volksdichte der Thüringischen Triasmulde. Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde. VI. Bd. Stuttgart, 1892.

Untersucht die Volksdichte mit Rücksicht auf die geologischen Verhältnisse des Bodens.

H. Leinhose: Bevölkerung und Siedelungen im Schwarzagebiet. Inaugural-Dissertation. Halle a. d. S., 1890.

Untersucht die Volksdichte mit Rücksicht auf Höhenstufen.

J. Bühring und L. Hertel: Der Rennsteig des Thüringerwaldes. Jena, 1896.

Das beste Buch über den Rennsteig mit wertvollen geschichtlichen Untersuchungen.

E. Sax: Die Hausindustrie in Thüringen (Sammlung nationalökonomischer und statistischer Abhandlungen), 3 Hefte. Jena, 1884–1888.

Eingehende wirtschaftsgeschichtliche Studien mit Angaben über Innungen u. s. w.

H. Gebhardt: Zur bäuerlichen Glaubens- und Sittenlehre. Gotha, 1895.

Schildert Leben und Denken des Flachlandbauern Thüringens, seine Sitten und Bräuche und seine Stellung zu Glauben und Kirche.

H. Größler: Führer durch das Unstrutthal von Artern bis Naumburg. 2 Teile. Freiburg a. d. U., 1892 u. 1893.

Mit besonderer Rücksicht auf Ortsgeschichte.

A. Trinius: Thüringer Wanderbuch. 6 Bde. Minden, 1886–1896.

Gemütvolle Schilderungen mit Beziehungen auf Ortsgeschichte und Sage.

Anding und Radefeld: Thüringen (Meyers Reisebücher). 13. Aufl. Leipzig, 1896.

Das handlichste und zuverlässigste Reisebuch über den größten Teil Thüringens.

Specialkarte des Deutschen Reichs: 1 : 100000, herausg. von den preußischen, sächsischen und bayerischen Generalstäben.

Für unser Gebiet sind 28 Blätter nötig, die nach dem Zeitpunkt ihrer Herstellung sehr ungleichwertig sind.

F. Beyschlag: Geognostische Übersichtskarte des Thüringerwalds, 1 : 100000, herausg. von der Kgl. Preuß. Geologischen Landesanstalt. Berlin, 1897.

Ist die beste geologische Karte und für das Studium unentbehrlich.

R. Lepsius: Geologische Karte des Deutschen Reiches in 27 Blättern. 1 : 500000. Gotha, 1897.

Unser Gebiet ist in den Blättern 13, 14, 18 und 19 dargestellt, die geologische Darstellung von großer Anschaulichkeit.

Andrees Handatlas, Blatt Thüringen 1 : 500000. Bielefeld u. Leipzig, 1898.

Die beste Übersichtskarte kleinen Maßstabes mit reichem Inhalt.

Anmerkungen zur Transkription

Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen gebräuchlich waren, wie: Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: