The Project Gutenberg eBook of Wilhelms I. Briefe an seinen Vater König Friedrich Wilhelm III. (1827-1839)

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Title: Wilhelms I. Briefe an seinen Vater König Friedrich Wilhelm III. (1827-1839)

Author: German Emperor William I

Editor: Paul Alfred Merbach

Release date: July 24, 2017 [eBook #55193]

Language: German

Credits: Produced by the Online Distributed Proofreading Team at
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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WILHELMS I. BRIEFE AN SEINEN VATER KÖNIG FRIEDRICH WILHELM III. (1827-1839) ***

Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der 1922 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben; dies gilt insbesondere für Wortvariationen. Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Fremdwörter und fremdsprachliche Zitate wurden ohne Korrektur übernommen, sofern der Textzusammenhang dadurch nicht verloren geht.

Im Text wird für ‚et cetera‘ an einigen Stellen die Abkürzung ‚ect.‘ verwendet, anstatt wie sonst üblich ‚etc.‘ Diese Variante wurde hier so belassen. Wie in den meisten Frakturschriften üblich, wird auch hier im Originaltext zwischen den Großbuchstaben ‚I‘ und ‚J‘ nicht unterschieden. In der vorliegenden Fassung werden die auf S. 33 erwähnten ‚Ionischen Inseln‘ daher willkürlich mit ‚I‘ wiedergegeben, obwohl zur damaligen Zeit beide Schreibweisen möglich gewesen wären.

Die auf S. 103 (Brief vom 14. November 1830) erwähnte Berechnung der Anzahl von Gemeinen Soldaten ist offenbar fehlerhaft. Eine Korrektur konnte aber nicht vorgenommen werden, da die Fehlerquelle nicht eindeutig nachvollzogen werden konnte. Die Zahlen wurden so belassen, können aber ohne Weiteres zum Verständnis der Größenordnung dienen.

Die Überschrift zu den Faksimile-Abbildungen am Ende des Buches wurde vom Bearbeiter eingefügt.

Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original gesperrt gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt erscheinen.

Prinz Wilhelm von Preußen
von Franz Krüger im Palais Wilhelms I.


GRÖSSERE BILDANSICHT

Wilhelms I.
Briefe an seinen Vater
König Friedrich Wilhelm III.

(1827–1839)

Dekoration

Herausgegeben von

Paul Alfred Merbach

Verlagssignet

Verlag Karl Curtius / Berlin W. 35
1922

Alle Rechte, insbesondere der Übersetzung, vorbehalten. Die hier in diesem Bande enthaltenen Briefe stehen unter Urheberschutz und dürfen nicht nachgedruckt werden. Etwaige Genehmigung zum Abdruck einzelner Briefe muß vorher von der hierzu allein berechtigten Verlagshandlung eingeholt werden.
American Copyright
1922

*

Druck von Oscar Brandstetter in Leipzig

[S. v]

Inhalt.

  Seite
Vorbemerkung  VII
Vorwort des Herausgebers IX
Der russisch-türkische Konflikt   1
Die Brautwerbung 45
Das eigene Heim 64
Der Hallenser Kirchenstreit 72
Die Pariser Julirevolution 74
Im Dienste des Staates 103
Die Schweizer Reise 138
Personenregister 144

Abbildungen:
(hier zum ersten Male veröffentlicht)

Prinz Wilhelm von Preußen. Nach einer Zeichnung von Franz Krüger im Palais Wilhelms I.

Prinzessin Augusta. Miniaturbild von A. Grahl um 1840.

Das Palais Wilhelm I. vor dem Umbau. Miniaturbild auf einem Prunktisch in den sogenannten Großherzoglichen Gemächern des Palais.

Faksimile des auf Seite 50–52 abgedruckten Briefes.

[S. vii]

Vorbemerkung.

Die auf den nachfolgenden Seiten mitgeteilten Briefe des späteren Kaisers Wilhelm I. haben jahrzehntelang uneröffnet in Berliner Privatbesitz geruht; sie treten hiermit zum erstenmal ans Licht und bilden gleichsam einen jedem Deutschen willkommenen Ausschnitt einer Selbstbiographie des ersten Hohenzollernkaisers. Der Abdruck des gesamten Briefmaterials bleibe einer späteren Zeit vorbehalten, die hoffentlich wieder günstigere Bedingungen für Veröffentlichung derartiger Werke mit sich bringen wird.

Den Herausgeber unterstützten bei seiner Arbeit in entgegenkommendster Weise die Leitung des Geheimen Staatsarchivs (Berlin) durch die Correspondance avec la Mission du roi, St. Pétersbourg; Russie Rep. I, Nr. 97, 1828 und des Hausarchivs (Charlottenburg) durch die Erlaubnis, Teile aus den allerdings nicht vollständig erhaltenen Briefen König Friedrich Wilhelms III. an seinen Sohn veröffentlichen zu dürfen, die Verwaltungen des Hohenzollernmuseums und des Palais Kaiser Wilhelms I. sowie die Staatsbibliotheken in Berlin und München; den genannten Stellen sei auch hier dafür herzlichst gedankt.

Herr Dr. Walther Kühne hat in dankenswerter Weise die Revision mitgelesen.

Berlin, im September 1922.

P. A. M.

[S. ix]

In ein wichtiges Jahrzehnt preußischer, deutscher und europäischer Geschichte während des 19. Jahrhunderts führen die nachfolgenden Briefe des Prinzen Wilhelm von Preußen an seinen königlichen Vater Friedrich Wilhelm III.: sie umfassen die Jahre 1827 bis 1839, die noch zum Zeitalter der Reaktion gehören, aber zum wesentlichen Teile zwischen zwei Revolutionen liegen, die von den mannigfachsten Anschauungen, Strömungen und Tendenzen politischer, gesellschaftlicher, religiöser, literarischer Art erfüllt und durchkreuzt sind, in denen Goethe stirbt und die Romantik ausklingt, in denen Hegel auf der Höhe seines Einflusses steht und die deutsche politische Dichtung des Jungen Deutschland geboren wird, in denen die ersten Eisenbahnen und der Telegraph beginnen, die Entfernungen zwischen den Menschen aufzuheben, in denen die immer inniger werdende Vereinigung von Naturwissenschaft und Technik sich anschickt, dem „erstaunlichsten aller Jahrhunderte“ dadurch seinen Stempel aufzudrücken, daß durch die Herausbildung des vierten Standes eine neue soziale Schichtung entsteht.

Von solchen sachlichen Hintergründen, aus einer Epoche deutschen Sehnens, Werdens und Wesens, die schließlich, nachdem der Briefempfänger schon manches Jahr im Mausoleum des Charlottenburger Schloßparkes den ewigen Schlaf schlief, zum „tollen Jahr“ von 1848 führte, heben sich des Prinzen Berichte, Episteln und Billets an den regierenden König von Preußen, der zugleich sein Vater war, heraus, ohne daß die Mehrzahl der hier nur an[S. x]gedeuteten „Kräfte am Werk“ in ihnen zur anschaulichen Auswirkung, zum schöpferischen Anlaß, zum allzeit lebendigen Ausdruck diente und gelangte. Sie sind vielmehr und in allererster Linie ein bisher unbekannter Beitrag für seine ganz persönliche, menschliche Entwicklung und Art, der das vertraute Bild aus der Zeit seines Reifens zum Manne in der glücklichsten Weise ergänzt und erweitert, eine neue „kostbare Reihe vertraulicher Äußerungen von hohem inneren Werte“, von denen das Wort Erich Marcks’ gilt, daß ihre Bedeutung erst im Zusammenhange der Vorgänge und Mächte einigermaßen zu erfassen ist, die den Prinzen im alten Preußen umgaben..., „es sind dieselben Mächte, deren Betätigung und Wandlung von da ab sichtbar seinem ganzen weiteren Leben Richtung und Aufgabe weisen sollte.“

Es ist oft geschildert worden, wie die Stoß- und Schwungkraft des preußischen Reformgeistes von 1806 bis 1815, der heilige Wille, „in Staat und Heer alle Einrichtungen auf die enge sittliche Gemeinschaft mit dem Volksleben zu begründen“ erlahmte, wie die Arbeit der wirtschaftlichen Befreiung auf dem Lande, die Durchführung der Selbstverwaltung allmählich und immer mehr versickerte, versandete und versumpfte, wie die verheißene Verfassung schließlich versagt ward; „in der deutschen wie in der europäischen Politik trat Preußen in das System der alten konservativen Mächte ein“; die Männer der zukunftweisenden Taten verschwanden, an ihren Platz stellte sich der Landadel und mit ihm, als Ausdruck und Symbol dieses Wechsels, kam „eine ständische Zerlegung des einheitlichen Staates“; das Bürgertum stand noch weit zurück, nur das Beamtentum hat „in diesem letzten Heroenzeitalter der preußischen Bureaukratie“ als die in Wahrheit im Staate regierende Macht dem Adel das Gleichgewicht gehalten. Das bewußte Zurückdrängen schöpferischer Gedanken ward ausgeglichen durch die Stellung des Beamtentums[S. xi] zwischen Staatseinheit und Ständetum. Die schwunglose Mittelmäßigkeit des Königs, dessen starres Preußentum mehr Hemmschuh als Triebkraft war, lastete auf dem Hofe ebenso wie auf den Organen der Regierung; nur in der Stille, den wenigsten bewußt und erkennbar, vollzog sich in diesen hier in Frage kommenden Jahren der zu Ende gehenden Regierung Friedrich Wilhelms III. die für die Zukunft so wichtige Verschmelzung des preußischen mit dem deutschen Geiste, durch die das vielstaatliche Volk es endlich versuchen und erreichen konnte, sich zur Nation und Einheit zu bilden; Prinz Wilhelm, der als König und Kaiser diese Entwicklung zu Ende führen durfte, hat in den Jahren dieser Briefe von solcher deutschen Sehnsucht wahrlich keinen Hauch verspürt.

In knappsten Strichen nur kann hier des Prinzen Wilhelms Werden angedeutet werden. In der Stunde seiner Geburt erlosch — nach Max Lenz’ Wort — der längst verblichene Glanz der Krone des Großen Karl; im März 1797 besiegte Napoleon in Friaul und Kärnten die letzten Heere des letzten der alten Kaiser, „die Verbindung der beiden Völker, auf der das heilige römische Reich deutscher Nation geruht hatte, zerriß“, und während jenseits des Rheines und in etlichen Ländern um das Mittelmeer die Grundlagen eines Imperiums gelegt wurden, das noch einmal dem Willen eines Einzigen das Dasein verdankte, blieb Preußen, ohne zunächst von den wahrhaft grundstürzenden Umwälzungen Europas irgendwie berührt oder gestreift zu werden, was es seit mehr als einem halben Jahrhundert gewesen war, der Staat Friedrichs des Großen, einst der Schrecken und die Bewunderung seiner Feinde, immer noch unbesiegt und unerschüttert, jetzt in stolzer Ruhe nach außen hin verharrend, im Innern durch fleißige Arbeit der Beamten gestützt und gefördert.

In solchem Frieden wuchs auch der zweite Sohn des preußischen[S. xii] Königspaares, Prinz Wilhelm, auf, bis vor den Toren Jenas und Weimars der Staat zerschlagen ward, den Friedrichs Geist gebaut hatte. Es kamen die Jahre der Schmach und Knechtschaft, die in bekannter Weise tief in des Prinzen Leben eingriffen: in einem gefesselten Staat, unter dem hoffnungslosen Kummer des Vaters, in seinem kindlichen Gemüt verwirrt durch den Tod der geliebten Mutter reifte er zum Jüngling heran. Am Aufschwung der Nation nimmt er dann tätigen Anteil, ohne sich irgendwie den Idealen und Zielen eines großen deutschen Vaterlandes hinzugeben. Friedrich Wilhelm III. sind diese Ideale immer fremd geblieben; auch der Sohn des Königs blieb in den Überlieferungen der preußischen Größe gebunden, wie doch die Reformen eines Stein und Hardenberg zunächst Preußen gegolten haben und diesem zugute gekommen sind. Dieses Preußen aber hat alles daran setzen müssen, um nach dem Kriege, der dem einzelnen deutschen Menschen nicht die Freiheit des Tuns und Denkens brachte, seine Stellung als Großmacht zu behaupten. Europäische Aufgaben und Notwendigkeiten führten diesen Staat an die Seite Österreichs und Rußlands; einen lebendigen Ausschnitt solcher Bestrebungen bietet ein wesentlicher Teil der folgenden Briefe.

Des Prinzen Wilhelm Pflichten- und Interessenkreis war in fast ausschließlicher Weise von Anfang an ein rein militärischer: es kam seinen Anlagen, Neigungen und Anschauungen entgegen, der erste Soldat des Staates und der Armee zu sein, einer Armee, die an der allgemeinen Erstarrung nach der Reformzeit teilhatte, deren frischer Tätigkeitsdrang nach 1815 unerstickt war, aber doch unerfüllt blieb, deren Ausbau und Entwicklung jedoch der Prinz alle besten Kräfte seines Wesens zuwandte, seitdem er in den Jahren des Friedens in der Rangstufenleiter bis zum Kommandeur des dritten Armeekorps emporstieg und ernstlich[S. xiii] bemüht war, alle Forderungen solcher Führerposten zu kennen und ihnen bis ins kleinste gerecht zu werden. Er hat immer danach gestrebt, diese weitschichtige Materie völlig zu durchdringen und zu beherrschen; die Sorge um die Armee als Ganzes — in Bereitschaft sein ist alles — und um den einzelnen Mann verläßt ihn nie, wenn er aus der Fremde oder von daheim seinem Vater schreibt; in ausführlichen Briefen, die sich gelegentlich geradezu zu Denkschriften weiten und nachweislich als amtliches Material benutzt werden, wagt er Kritik an Beschlüssen und Maßnahmen des Königs zu üben... hier geht ihm immer die Sache über die Person; dem militärisch-technischen Detail widmet er die gleiche Aufmerksamkeit wie den schwerwiegenden Fragen der inneren oder äußeren Organisation. So ist und bleibt er Offizier, dessen rastlose Arbeit, eiserne Pflichttreue und unermüdliche Lernbegier immer irgendwie der Macht des Staates dienten, an dem sich das Wort seiner Mutter aus dem Juli 1810 bewahrheitete: „Unser Sohn Wilhelm wird, wenn nicht alles trügt, wie sein Vater einfach, bieder und beständig“ —, über den aber auch aus dem Jahre, in dem diese Briefe beginnen, eine Äußerung lautete: „Prinz Wilhelm ist die edelste Gestalt, die man sehen kann, der imposanteste von allen, dabei schlicht und ritterlich, munter und galant, doch immer mit Würde.“ Dabei stand er den liberalen und nationalen Ideen, die stärker als je um 1830 in Norddeutschland um sich griffen, ablehnend gegenüber, und den nationalen Bewegungen, die den Boden der Verträge von 1815 erschütterten, begegnete er vom Standpunkte der großen, „heiligen“ Alliance; er faßte alles unter dem Gesichtspunkte der Revolution und nur im festen Zusammenschluß der „legitimen“ Gewalten meinte er immer wieder, könne man ihnen begegnen.

So stand er auf festem, nüchternem Boden, den er völlig kannte, und war imstande, mit der hier nötigen Klarheit allen[S. xiv] Forderungen und Tatsachen seines Lebens gerecht zu werden. Bevor die hier mitgeteilten Briefe beginnen, war er durch das alles aufwühlende Herzenserlebnis seiner Jugend gegangen, das nach seinem Teile ihn auch zum Manne gereift hatte; das Auf und Ab seiner inneren wie äußeren Beziehungen zu Elisa von Radziwill klingt nur an einer, freilich wichtigsten Stelle dieser Briefe an und der schmerzlichste Abschluß dieser ihn stählenden Episode wird dem Vater gegenüber schriftlich nicht erwähnt: „Ich werde Elisa wiedersehen, ich gehe nach ihrem väterlichen Gute Antonin,“ sagte er am 29. Mai 1829 zur Gräfin Elise von Bernstoff — er war von seinem Vater beauftragt worden, seiner kaiserlichen Schwester entgegen zu fahren — „meine Schwiegermutter selbst hat mir den Wunsch ausgesprochen, daß dieses mein erstes Wiedersehen mit Elisa vor meiner Vermählung überstanden sein möchte.“

Prinz Wilhelm hatte den „Staat als Willen“ über sich erkannt, „er hat sich gefügt, ohne einen Bruch“, wenn er auch die mannigfache „Prinzessinnenschau“, die seiner Verlobung mit Augusta von Weimar vorausging, als innere Qual empfinden mochte. Als aber die endgültige Entscheidung — nach einem hier wohl zum ersten Male bekannt werdenden Schwanken — in dieser Lebensfrage gefallen war, begegnet er der künftigen Gefährtin mit herzlichster Zuneigung, und die Briefe aus dieser Zeit, die die menschlich-wertvollsten sind, bezeugen — auch wohl zum ersten Male —, daß der Prinz nicht nur „voller Attention für die Prinzeß“ war; hier klingt wahrlich mehr als die bisher immer nur beobachtete und behauptete kühle Herzenshöflichkeit durch, hier wird der zurückhaltende Ton, den er sonst nach höfischer Sitte der Zeit und aus seiner eigenen Erziehung heraus dem Vater gegenüber anschlägt, überwunden, und der Mann muß von dem berichten, was ein Inhalt seines Daseins wird und blieb; er tut[S. xv] es nicht in romantischem Überschwang mit tönenden Phrasen, sondern in jener Weise, der der Leser von heute in jedem Worte die aufrichtige Ehrlichkeit der Empfindung anmerkt.

Ein freundlicher Zufall hat es gefügt, daß diese briefliche Liebesidylle aus Weimar, die mit etlichen Unterbrechungen vom Oktober 1828 bis zum März des folgenden Jahres reicht, zwischen zwei größeren Gruppen von Berichten steht, die die Anteilnahme des Prinzen Wilhelm an den Vorgängen der europäischen Politik zeigen — „ich kannte und träumte nur ein selbständiges Preußen, eine Großmacht im europäischen Staatensystem“ hat er zwanzig Jahre später über seine innere Einstellung zu diesen Dingen geurteilt — und dadurch dartun, daß es ihm vergönnt und möglich war, die Welt auf manchen Reisen kennen zu lernen. Die verwandtschaftlich ihm nahe stehenden Höfe von Petersburg und dem Haag hat er öfters besucht; hier kommen die beiden wichtigen Fälle in Frage, wo er, in den ersten Monaten von 1828, die Zuspitzung des russisch-türkischen Konfliktes mit seiner Auswirkung auf die Weltlage beobachten konnte und wo er der Pariser Julirevolution von 1830 ganz nahe sein durfte. Beide Male schickte er seinem Vater „eine Fülle von Berichten“, von denen Erich Marcks’ Erwartung gilt, „daß man sie wohl kennen möchte“.

Seine Sendung nach der russischen Hauptstadt zu Schwester und Schwager hatte diesmal allerdings bereits einen wichtigen Hintergrund und Unterton: er sollte „den Argwohn Rußlands gegen die unabhängig sich zwischen den beiden östlichen Kaisermächten haltende preußische Politik bekämpfen“; gut informiert und ständig beraten hat er diese Mission erfüllt, schon deswegen, weil er von vornherein aus legitimistischen Gründen auf der Seite Rußlands und des Zaren stand, dabei sogar eifrig, aber vergeblich versuchte, seinen Vater zu energischer, kriegerischer Anteilnahme auf russischer Seite zu bewegen. Daß man den Briefen[S. xvi] des Prinzen an den König, die von den Ereignissen des Hoflebens, von winterlichen Festen, von militärischen Einzelheiten natürlich auch zu erzählen wußten, an zuständigen Stellen Bedeutung beimaß, geht aus der Voraussetzung des preußischen Gesandten in Petersburg hervor, „daß der Minister des Auswärtigen in Berlin, Graf Bernstorff, Kenntnis von dem politischen Teile der Berichte des Prinzen an den König hat“, und der vielgewandte, vielhörende und geschwätzige Varnhagen von Ense notiert am 4. April 1828 in seinen „Blättern aus der preußischen Geschichte“: Prinz Wilhelm berichtet sehr fleißig und genau aus Petersburg, seine Briefe gibt der König an Witzleben, seinen allmächtigen Adjutanten.

Der Besuch im Haag — im Juli 1830 — schloß sich an einen Kuraufenthalt des Prinzen Wilhelm in Ems an, das seitdem die öfter aufgesuchte Heilstätte gegen eine in diesen Jahren nie ganz aufhörende Kränklichkeit war; hier war es Zufall, daß er als Gast des niederländischen Hofes Zeuge von Ereignissen sein durfte, die seinen ganzen Anschauungen völlig zuwiderliefen und die ihm Veranlassung wurden, seinen Standpunkt dem Vater und König gegenüber auf das schärfste zu präzisieren. Von den inneren Angelegenheiten und Notwendigkeiten Preußens oder gar Deutschlands ist in den Briefen der nächsten Jahre, in denen das Bürgertum auch hier, wenn freilich sehr langsam und allmählich, „die politische Macht ergriff“, selten etwas zu spüren und zu lesen. Er kann auf einer militärischen Inspektionsfahrt, auf der er seinen Vater vertreten muß, im August und September 1830 die Auswirkung der französischen revolutionären Bewegung im Rheinlande beobachten, kann aus Thüringen, wo Teile des seiner Führung unterstehenden Armeekorps in Garnison lagen, Ähnliches melden und nimmt dann öfter die Gelegenheit wahr, in Berlin in manchmal breiter Ausführlichkeit zu Fragen seines eigent[S. xvii]lichen, d. h. militärischen Berufe das Wort zu ergreifen. Daneben steht die Sorge um den würdigen Ausbau des ihm zur Wohnung angewiesenen Tauentzienschen Palais Unter den Linden und um den Schlößchenbau auf dem Babelsberge bei Potsdam; er weiß hie und da den Vater für die Angelegenheiten ihm, d. h. dem Prinzen nahestehender Persönlichkeiten zu interessieren, wie des Prinzen Radziwill und des Fürsten Solms; einmal taucht eine Frage der preußischen Justizverwaltung und eine des Kirchenregimentes auf, die er im Sinne und zum Vorteil der staatlichen Autorität erledigt wissen möchte, er erörtert brieflich mit dem König die wichtige Frage des Erziehers des Sohnes seiner Ehe, der damals schon als der Thronerbe galt, und meldet dem Vater in jubelnder Beglücktheit die Geburt der Tochter Luise. Mit brieflichen Berichten von einer bis nach Mailand sich ausdehnenden Schweizer Reise, die er mit seiner Frau unternahm und die sich an einen Kuraufenthalt in Ems und Baden-Baden anschloß, endet das Corpus dieser Korrespondenz. Es ist für Prinz Wilhelm sehr charakteristisch, daß ihm die Freude an der neuen Umgebung, durch die ihn diese Fahrt führte, getrübt ward durch ein scheinbares Mißverständnis wegen seiner Anteilnahme an einem Manöver in der Heimat! Von mancher anderen Reise, wie z. B. von den Besuchen in Petersburg zwischen 1829 und 1835 weiß er kaum etwas zu berichten, was des Festhaltens wert wäre, desgleichen von dem Wiener Aufenthalt im März 1835, als es galt, „durch das sichtbare Eintreten Preußens die schwierige Lage der drei Minister zu festigen, die für den schwachsinnigen, aber legitimen Nachfolger Franz’ I., Ferdinand, die tatsächliche Regierung übernahmen“. Dagegen wird seine praktische Anteilnahme an der Weiterbildung der Armee und ihren Forderungen, z. B. in den Fragen über die Länge der Dienstzeit, über die Vermehrung der Kadettenanstalten, über die Dienstreisen, Kosten der Gene[S. xviii]räle — um nur weniges zu nennen — hier erneut dargetan und weiterhin erhärtet.

Diese andeutenden Bemerkungen umschreiben ungefähr den Inhalt der hier veröffentlichten Briefe des Prinzen Wilhelm von Preußen, ohne ihr Detail und ihren Reiz irgendwie zu erschöpfen. Sie sind in ihrer Form, ihrem Stil und Ausdruck der klarste, beste Spiegel ihres Schreibers.

Er weiß in frischer Anschaulichkeit zu schildern, was er sah und erfuhr, er bleibt immer sachlich und versteht aus den Tatsachen, wie sie ihm entgegengetreten, in Verbindung mit der ihm angeborenen und eingegebenen Überzeugung scharf und klar sein Urteil abzuleiten; er vermeidet bewußt jegliche Phrase irgendwelcher Art, weil er weiß, daß sie nicht zu seinem Wesen paßt. „Die Wärme eines herzlichen, schlichten Empfindens, die Sicherheit eines reinen und männlichen Charakters“, die Erich Marcks aus den längst bekannten Briefen an den General Natzmer mit Recht herauslas, ist auch in diesen Briefen an den königlichen Vater zu finden und dringt bei aller anredelosen Beherrschtheit des Tones — wie selten ändert sich die fast formelhafte Unterschrift „Ihr Sie liebender Sohn Wilhelm“ in einen Klang kindlicher Herzlichkeit! — doch immer wieder durch. Im stilistischen und sprachlichen Ausdruck sind freilich die im Original oft schwierig zu entziffernden Briefe noch völlig abhängig von den Grundlagen der Jugendbildung und Jugenderziehung des Prinzen: sie wirken oft in Wortstellung und Satzbau wie aus dem Französischen übersetzt.... das geht stellenweise so weit, daß er die richtige Satzkonstruktion nachträglich korrigiert, wobei manchmal das Gegenteil von dem herauskommt, was er sagen will; zahlreiche Fremdworte finden sich, die hie und da auch mal in nicht richtiger Weise angewendet werden.

Manches freilich vermissen wir in diesen Briefen: nicht ein[S. xix]mal weiß er aus Weimar etwas von Goethe zu erzählen, niemals fällt ein Wort über die mannigfachen Kräfte, die sich nach dessen Tode im deutschen Schrifttum regten und die doch der beste Spiegel einer neuen Wertung der Zeit durch die Zeitgenossen waren; gerade weil Prinz Wilhelm diesem „Neuen“ innerlich ablehnend und fremd gegenüberstand, sucht man wohl nach einem kritischen Worte über das Junge Deutschland und des allmächtigen Metternich Maßnahmen, die gegen diese „Literaten“ gerichtet waren. Auch sonst treten tiefere geistige Interessen nicht hervor[1]; gerade darin aber wird der Gegensatz zu dem kronprinzlichen Bruder ganz klar und deutlich.

Die entscheidenden, ausschlaggebenden Züge seiner Art und seines Wesens, die die Gewähr für seine und damit nach dem Gange der Geschichte auch für unsere Zukunft boten, erkennen wir in diesen Selbstzeugnissen seiner Persönlichkeit: den Offizier, den Anhänger des legitimen Königtums, den konservativen Mann der Arbeit und Pflicht von klarer, kräftiger Zuverlässigkeit, dessen wahre Größe einmal darin bestehen sollte, in weiser Selbsterkenntnis und Selbstbeschränkung den Männern die freie Bahn des Wirkens zu öffnen und zu gönnen, die ihm das Schicksal in den Weg führen sollte... er war ein fertiger Vierziger, als diese Briefreihe mit dem Tode Friedrich Wilhelms III. abbrach. Mit dessen Hinscheiden wandelte sich wohl die preußische Welt, noch aber konnte niemand ahnen, daß Prinz Wilhelm berufen und auserwählt sein sollte, die deutsche Welt zu formen und zu leiten.

[S. xx]

Einmal ist — ganz vorübergehend — in diesen Briefen von dem Denkmal die Rede, das dem Großen Friedrich von Preußen vor den Fenstern des prinzlichen Palais errichtet werden sollte; seine Grundsteinlegung war der letzte offizielle Regierungsakt, dem der alte, längst kranke König von den Fenstern eben dieses Hauses, also gleichsam als Gast seines Sohnes, beiwohnen konnte ... es war am 1. Juni 1840... Prinz Wilhelm leitete den militärischen Teil der Feier... es war des Vaters letzte Freude.... am 7. Juni starb der König.... der neue Herrscher Preußens grüßte den Bruder als Thronfolger und Prinz von Preußen... eine neue Zeit begann für ihn, für Land und Volk; von den Briefen aber, die fast bis zu diesen Tagen reichen, gilt ein Wort Paul Kehrs[2]: „aus jeder Zeile schauen uns längst vertraute Züge entgegen: des Prinzen Schlichtheit und Wahrhaftigkeit, sein Ernst und seine Gewissenhaftigkeit, Gottesfurcht und vornehme Gesinnung, sein militärisches, monarchisches und preußisches Selbstgefühl und Pflichtbewußtsein.“

[S. 1]

Der russisch-türkische Konflikt.

Die durch den Wiener Kongreß und seine Schlußakte im Sommer 1815 wiederhergestellte Ruhe und Ordnung Europas hat ein Jahrzehnt später im Wetterwinkel des Balkans eine erste Störung erfahren; der Aufstand Griechenlands gegen die Türkei galt der Volksmeinung des Kontinents als eine Fortsetzung des Freiheitskampfes, der gegen Napoleon geführt worden war, und die klassizistisch orientierte Bildung der geistigen Oberschicht in den Großmächten Europas glaubte darin antike Ideale eines Miltiades oder Leonidas verlebendigt zu sehen.... begeisterte Männer zogen allenthalben nach Morea, um mit Gut und Blut sich für die Sache der griechischen Freiheit einzusetzen.

Im Gegensatz dazu sah das Regime des Fürsten Metternich in dieser griechischen Erhebung nur Rebellion — die Pforte war ja die legitime Obrigkeit —, die man auf die von Frankreich ausgegangenen revolutionären Ideen, auf die Umsturzbewegungen der Demagogen aller Länder zurückführte; hinzu kam die Befürchtung, daß Rußland den türkisch-griechischen Konflikt zum Anlaß und zur Grundlage weiterer Eroberungspläne machen würde. Die fünf Großmächte Europas — Rußland, Österreich, Frankreich, England und Preußen — waren sich klar und einig darüber, daß eine etwaige Befreiung Griechenlands das Auseinanderfallen der Türkei zur endlichen Folge haben müsse und daß Rußland davon den eigentlichen, wenn nicht sogar den alleinigen Nutzen haben werde. Deswegen war Österreich, an dessen Südostgrenze ein nie gefährlich werdender Nachbar, eben der Türke, saß, gegen jede Veränderung eines ihm vorteilhaften status quo; auch England sah in einer Erstarkung Rußlands eine Bedrohung seiner Stellung im nahen und fernen Orient.

Diesen sich zuspitzenden Gegensätzen in der russischen Außenpolitik standen etliche Schwierigkeiten im Innern gegenüber. Kaiser Nikolaus, der die Lieblingsschwester des Prinzen Wilhelm, Charlotte, zur Gattin hatte, mußte den durch den sogenannten Großmutsstreit hervorgerufenen Aufstand der Dekabristen niederwerfen: sein älterer Bruder Konstantin hatte zwar auf die Regierung nach Alexanders I. Tode verzichtet, da ihm aber ein Teil des Militärs anhing, kam es zu Tumulten.

Wenige Wochen später ward durch das „Protokoll“ vom 23. März/4. April 1826 zwischen Rußland und England eine Regelung der türkisch-griechischen Beziehungen vereinbart[3]; dabei hatte der Kaiser eine schriftliche Erklärung, keine Eroberungen zu machen, nicht abgegeben und „die englische Politik konnte in Zukunft von Rußland auf einem Felde kontrolliert werden, wo sie bisher unfaßbar gewesen war“. Im Spätsommer gab die Pforte in allen strittigen Punkten nach, und der Vertrag von Akkerman war ein voller Sieg der Großmächte über den Sultan. Der wahre Grund dieses plötzlichen Einlenkens aber war der, daß die Türkei für den trotz[S. 2] aller Friedensbemühungen drohenden europäischen Krieg eine Militärreform dringend bedurfte, und deshalb brauchte der Sultan zunächst Frieden!

Unterdessen ging ein anderer von Rußland geführter Krieg glücklich zu Ende: gegen Persien war der General Paskewitsch siegreich; im Februar 1828 erfolgte der Friedensschluß.... der in den Briefen des Prinzen mehrmals genannte Abbas Mirza ward von Kaiser Nikolaus als der allein berechtigte Nachfolger des Schahs anerkannt, und beide Herrscher wollten in Zukunft in Freundschaft und guter Nachbarschaft miteinander leben.

Aus dem erwähnten Protokoll vom 4. April 1826 aber erwuchs am 7. Juli 1827 eine englisch-russisch-französische Tripelalliance, der „trilaterale Vertrag“ der Briefe; „der Kaiser knüpfte an sie die Hoffnung, daß sie vor allem den russischen Interessen förderlich sein werde“. Er hatte schon versucht, aus dem Protokoll möglichsten Nutzen zu schlagen, er hatte die Vereinbarung den Höfen von Berlin, Paris und Wien mitgeteilt und wußte allen Einwendungen geschickt zu begegnen. Der Gedanke, an Stelle des Protokolls den Vertrag zu setzen, ging von England aus; ein Geheimartikel regelte die Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines Kriegsfalles. In der Seeschlacht von Navarino, wo am 20. Juli 1827 die türkische Flotte vernichtet ward, war der Auftakt dazu gegeben. In das Auf und Ab der nächsten Monate führen die folgenden Briefe ein.

Prinz Wilhelm hatte am 22. Dezember 1827 Berlin mit einem nicht mehr vorhandenen Briefe Friedrich Wilhelms III. an seinen kaiserlichen Schwiegersohn verlassen; Petersburg war ihm nicht fremd, hatte er doch 1817 seine Schwester Charlotte zur Vermählung dorthin begleitet; 1823 hatte er den russischen Manövern beigewohnt; im Januar 1826 war er wieder dort, um seinen Schwager als Kaiser zu sehen, und 1834 ist er nochmals an der Newa zu Besuch gewesen, um der Einweihung des Denkmals für Alexander I. beizuwohnen — es sei darüber hier eine Stelle aus einem Briefe an den König vom 24. Juli 1834 zitiert:.... Nun aber mit einem so ehrenvollen Auftrag zu dieser Feier zu gehen, ist für mich eine unbeschreibliche Freude, eine Freude, die unendlich erhöhet wird durch das, was das Herz dabei fühlt. Denn wenn auch Trauer die nächste Veranlassung zu der Feier ist, so ist doch gerade wieder die Errichtung dieser Denk-Säule für den Unvergeßlichen ein Moment, der mit Freuden erfüllt, weil man solches Andenken auf solche Weise verherrlichen will....

Der diesmalige Aufenthalt dauerte „fast fünf Monate“; am Abend vor der Abreise des Prinzen Wilhelm, die am 9. Mai erfolgte, schrieb die Kaiserin Mutter Maria Feodorowna: Le départ du cher prince Guillaume me fait de même répandre bien des larmes; je lui suis tendrement, inviolablement attachée et profondément touchée de son amitié pour moi.

[S. 3]

St. Petersburg, den 19./31. Dezember 1827.

In aller Eile setze ich diese Zeilen auf, um Ihnen meine glückliche Ankunft hierselbst gestern Nachmittag um 5 Uhr zu melden. Es kommt mir noch Alles wie im Traum vor nach den ersten Augenblicken, die Tausende von Bekannten schon gesehen zu haben. Vor allem muß ich natürlich von Charlotte und dem Kaiser und der Kaiserin-Mutter sprechen. Welch’ eine Freude, welch’ eine unbeschreibliche Freude war die des Wiedersehens... Die Kaiserin-Mutter hat mich mit einer Herzlichkeit und Liebe empfangen, die wirklich noch ihre frühere Gnade übersteigt[4].

.... Ich habe hier Alles bisweilen kriegerischer gefunden, als ich es erwartete; die Abreise der Gesandten von Konstantinopel[5] hat nicht[S. 4] wenig dazu beitragen müssen, welche Nachricht vorgestern Abend hier angelangt ist. Jedenfalls wird aber wohl erst das Frühjahr abgewartet werden, ehe etwas geschieht. Der Kaiser hat mir schon über Manches gesprochen, doch noch bin ich nicht im Stande, etwas Zusammenhängendes aufzuschreiben. Er beruft sich stets auf einen gewissen Brief, den er Ihnen geschrieben haben will vor einiger Zeit, weshalb ihm die Äußerungen, welche Sie mir am Abend vor meiner Abreise noch in Beziehung auf Ihre Verhältnisse zu ihm taten, sehr erwünscht zu vernehmen waren...[6].

St. Petersburg, 12./24. Januar 1828.

Gestern sind nach fast fünfwöchentlichem Stillschweigen Nachrichten aus Persien gekommen. Der Friede ist noch immer nicht vom Schah unterzeichnet zurück[7], obgleich Abbas Mirza in Alles eingegangen ist.[S. 5] Auch hatte man in Tawris die Nachricht, daß die Zahlung der Contributionssumme, welche vor der Unterzeichnung verlangt ist, geschehen sei, daß der Schah aber nicht traue, dieselbe Jemand der Seinigen anzuvertrauen, fürchtend, daß sie geplündert werden könnte; er soll sie also einem Engländer übergeben haben, der noch nicht angekommen war. Die Zahlung der ganzen Summe wird teils in Gold, teils in Edelsteinen erfolgen, da das Gold nicht sehr vorrätig sein mag in Persien...

Soeben sagte mir der Kaiser, daß dem letzten Berichte von Pozzo[8] (zufolge) das neue französische Ministerium[9] sich nicht halten würde und daß er sehr gegründete und große Besorgnisse für die innere Ruhe von Frankreich habe. Diese Mitteilungen inquietieren den Kaiser weit mehr als die orientalischen Unruhen, indem Unruhen in Frankreich allerdings von großen Consequenzen wären[10].

St. Petersburg, 23. Januar/4. Februar 1828.

Die Gelegenheit des Generales Bazaine[11] lasse ich nicht unbenutzt, um einiges mitzuteilen, was ich im letzten Briefe nur ganz oberflächlich berührte, da er durch die Post ging. Es ist dies die Mitteilung und Ansicht des Grafen Tatischtschew[12] aus Wien auf die erhaltene Instruktion, dem österreichischen Hofe zu erklären, daß jede Besetzung Seitens Österreichs von türkischem Gebiete, falls Rußland sich zur Occupation von Fürstentümern genötigt sehen sollte, als eine gegen[S. 6] Rußland gerichtete Feindseligkeit betrachtet werden würde. Graf T. behauptet mit Gewißheit versichern zu können, daß Österreich eine solche Maßregel nicht beabsichtige, so lange nämlich rein von der Erfüllung des Tractats vom 6. Juli nur die Rede ist und der Ergreifung aller Mittel, die zu diesem Zwecke führen. Österreich sei viel zu schwach, aber auch viel zu ängstlich deshalb, um es wagen zu wollen, allein gegen Rußland aufzutreten, eine Ängstlichkeit, die sich bei jeder Gelegenheit verrate, trotz den befohlenen Kriegsrüstungen, die überhaupt eine Finte zu sein scheinen, um ihre eigentliche Schwäche zu cachieren. Wenn sie jedoch durch den Lauf der Begebenheiten, einen ausbrechenden Krieg, eine andere Tendenz erhielte, nämlich die der Eroberung und Teilung des türkischen Reiches, so würde in diesem Falle Österreich gewiß nicht ruhiger Augenzeuge bleiben, sondern tätigen Anteil nehmen wollen und zu dem Ende sich den drei Alliierten anschließen, um gemeinschaftliche Sache zu machen. Ja es existierten darüber schon Äußerungen, die anzeigten, daß Österreich in diesem Falle Rechnung mache, Herzegowina, Bosnien und Serbien zu acquérieren, daß es sich, im Falle einer so bedeutenden Vergrößerung Schwierigkeiten opponiert werden sollten, auch mit beiden Ersteren oder gar nur mit einem Teile derselben begnügen würde. Graf T. versichert, die Wahrheit seiner Angaben verbürgen zu können, ebenso wie auch, daß die Sprache, welche er instruiert sei zu führen, falls eine feindliche Maßregel gegen Rußland im Werke zu sein scheine, gewiß das Unterbleiben der Ausführung herbeiführen werde. Denn da er instruiert sei, diese Instruktion geheim zu halten und nur im Notfall davon Gebrauch zu machen, so habe er auch nur gesprächsweise gegen Jemand, von dem er wisse, daß er bestimmt sei, ihn auszuhorchen, etwas von der Möglichkeit solcher Ansichten seines Hofes fallen lassen, was seinen Zweck nicht verfehlt habe, indem einige Tage nachher mehrere Rüstungsbefehle zurückgenommen sein sollen.

Diese Mitteilungen T.’s scheinen wohl sehr erwünschten Inhalts zu sein, in dem sie die Beruhigung gewähren, daß Österreich den kriegrischen Maßregeln des Tractats nicht hinderlich sein wird, die doch wohl zu erwarten stehen, und daß, wenn ein Vertreibungskrieg der Türken die Folge sein sollte, auch dieser nicht gegen Österreichs Interesse ist, wenngleich hiermit allerdings ausgesprochen ist, daß Österreich nicht so uneigennützig in diese große Begebenheit sich einlassen will, als die drei[S. 7] Alliierten es bei der Schließung des Tractates aussprachen sein zu wollen, wenngleich damals von keinem Exterminationskrieg die Rede war. Ob, wenn diese Ansicht Österreichs gegründet ist, (sie) nicht zu benutzen wäre (die in Beziehung auf die Expulsion der Türkei aus Europa mir auch ganz mit der Ihrigen in Übereinstimmung zu sein scheint), um der Pforte zu erklären, daß sie durch die fünf Mächte angegriffen werden würde, wenn sie sich nicht sogleich nachgiebig zeige, ist eine Frage, die sich unwillkürlich aufdrängt, vorzüglich der Kaiser von Österreich sich ja damals mündlich bereits zu einer kategorischen Sprache gegen die Pforte verstanden hat. Diese gemeinschaftliche Eröffnung, die freilich nur durch Preußen und Österreich wird gemacht werden können, da die drei anderen Gesandten nicht mehr in Konstantinopel sind und von deren drei Mächten ja die Pforte auch den Krieg wohl voraussieht, würde der Pforte jede Illusion über die Möglichkeit einer Teilung der Interessen und daraus möglicher Bekriegung der großen Mächte unter einander benehmen und gewiß das letzte Mittel sein, was vielleicht vor Ergreifung feindlicher Maßregeln noch zum Zwecke führte[13].

Ihr Sie zärtlichst liebender, gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 8]

St. Petersburg, 27. Januar/8. Februar 1828.

Der Großfürst Constantin[14] ist gestern hier eingetroffen... da von ihm immer die allarmierenden Gerüchte über Preußens Rüstungen[15] kommen, so langte Ihr Brief und der des Grafen Witzleben[16] mit Ihren Befehlen sehr zum rechten Momente an, indem ich dem Kaiser Alles dieserhalb Beruhigendes von Neuem mitteilte. Da sagte mir der Kaiser, daß Constantin seine Meldungen keineswegs in dem Sinne jetzt genommen wissen wolle, als seien die questionierten Rüstungen gegen Rußland gerichtet, sondern vielmehr für dasselbe und daß es nur scheine, als wolle Preußen diese Rüstungen nicht Wort haben, um sie ganz geheim machen zu können. Auch diese Ansicht war mit der Revue des 5. und 6. Corps bald über den Haufen geworfen. Die heutigen Depeschen des Gesandten Lieven[17] sagen dem Kaiser, daß zu befürchten stände, daß die orientalische Frage bei Eröffnung des Parlaments so bald nicht zur Entscheidung kommen werde, indem so sehr viele wichtigere Fragen, die die innere Administration betreffen, erst zu beseitigen sein würden[18], was dem Kaiser natürlich nicht lieb ist. Die Ernennung[S. 9] Wellingtons[19] zum Premierminister frappiert allgemein. Lieven berichtet aber, daß derselbe sich täglich mehr an ihn anschlösse und ganz zu seiner früheren Ansicht über die orientalische Frage zurückgekehrt sei und daher seinerseits nur das Beste zu erwarten stände. Die Eitelkeit soll den moost honorable Duke gewaltig reiten; und da hat denn ein Brief, den Nicolaus ihm nach der Schlacht von Navarin schrieb[20], der aber erst mit dem letzten Courir anlangte, einen gewaltigen Effekt gemacht, indem Nicolaus, tuend, als ignoriere er gänzlich Wellingtons momentane Umsattlung seiner Ansichten, ihm zu dem großen Seesiege gratulierte und ihm dankt und zurückruft, daß er es gewesen sei, der bei seiner Anwesenheit 1826 hier den Grund zu diesem glorreichen Ereignisse gelegt habe, welches hoffentlich binnen Kurzem zu dem gehofften Resultate führen werde. Dieser Brief konnte nicht mehr à propos kommen als gerade in dem Augenblicke... Alle Anstalten sind gemacht, im Fall der Kaiser der Campagne beiwohnen will, was er jedenfalls nur dann tun will, wenn der Krieg wirklich ausbricht, d. h. also wenn die Donau überschritten wird. Bei Besetzung der Fürstentümer wird er keinen Falls zugegen sein, wie er mehreremals äußerte, da dies keine Eröffnung der Feindseligkeiten ist.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 10]

St. Petersburg, 4./16. Februar 1828.

Der Kaiser bleibt seiner Ansicht und seinem Wunsche getreu, den Frieden aufrecht zu erhalten zu sehen. Aber die seit zwei Jahren gegebenen, immer wieder hinausgeschobenen Fristen, um die Pforte zur Annahme der Vorschläge der Verbündeten zu bringen und die immer trotz Navarin und seiner Folgen nicht erfolgt sind, hätten und müßten endlich ihre Endschaft erreichen. Rußland, England und Frankreich könnten sich daher nun nicht mehr in Unterhandlungen einlassen, sondern sie seien es ihrer Würde und den stattgehabten Ereignissen schuldig, zu handeln. Dies würde in der bestimmten Frist geschehen, der daher auch nur das kurze Ultimatum, dessen in der jüngsten Instruktion an Lieven die Rede ist, vorhergehen würde. Wenn dem Vorschlage, der in der Depesche des Grafen Bernstorff[21] gemacht wird, Folge gegeben werden sollte, so könnte es nur von den zwei Mächten geschehen, die darin als die aufzufordernden bezeichnet sind und die daher diesen Schritt ohne diesseitige Aufforderung tun müßten, welches von den drei verbündeten Mächten nur dankbar anerkannt werden könnte. Der Kaiser hofft sogar, daß Sie diesen Schritt allein sogleich tun würden, ohne sich an die Ansicht der anderen Macht und deren Antwort zu binden, der von dem durch Herrn v. Miltitz[22] zu tuenden Schritt wohl nur Mitteilung und Aufforderung zu gleicher Maßregel zu machen wäre. Dieser durch Herrn v. Miltitz zu gebenden Erklärung würde wohl eine sehr dezisive Maßregel seiner Person im Weigerungsfalle der Pforte[S. 11] anzuempfehlen sein, die derselben alsdann jedes fernere freundschaftliche Verhältnis zu Preußen entrückte. Nur mit diesem Rechtssatze dürfte der ganze zu tuende Schritt Energie haben und Einfluß und Erfolg haben. Daß Österreich eine gleiche Sprache führe, wäre daher sehr wünschenswert. Am meisten wird dann gewünscht, daß einer solchen energischen Maßregel, auch im Weigerungsfalle, der Nachschub geleistet wird, der wenigstens die Einheit der vier Mächte im Princip offenbar dartäte, um so mehr, da, wie ich neulich schon berichtete, von der fünften Macht an eine Opposition gegen kriegerische Intervention nicht mehr füglich geglaubt werden kann und sie dies am allerwenigsten tue und jeden Plan dazu aufgeben würde, wenn die vierte Macht sich zu gemeinsamem Zwecke den drei anderen anschlösse. Auf Preußen sind daher nun auch Aller Augen gerichtet[23].

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

St. Petersburg, 8./20. Februar 1828.

Des Kaisers erste Frage, gleich nachdem ich ihm Mitteilung von Ihrem Anerbieten auf Unterhandlungen gemacht hatte, war: gehet das Anerbieten auf Unterhandlungen oder auf Anschließen zum Handeln[S. 12] zu gemeinschaftlichem Zweck? Ich mußte natürlich näher bezeichnen, daß nur von erneutem, aber gemeinschaftlichem Unterhandeln die Rede sei. In dem Fall, sagte der Kaiser, werde ich den Vorschlag nicht annehmen können. Seit zwei Jahren habe ich die größte Nachgiebigkeit dadurch bewiesen, daß ich der Pforte Termin auf Termin gesetzt habe, um sie zur Nachgiebigkeit zu stimmen, stets mit der Drohung, daß ernstere Maßregeln ergriffen werden würden, wenn diese Nachgiebigkeit nicht erfolge. Die Unterhandlungen mit den verbündeten Mächten haben Zeit gebraucht und so ist es bis vorigen Herbst also erst zur Ergreifung solcher ernsteren Maßregeln gekommen. Die unerwartete Katastrophe von Navarin hat aber dennoch nicht die Pforte biegsam gemacht, die darauf erneuerten Aufforderungen zur Annahme der Intervention wurden verworfen und somit der Abgang der Gesandten unvermeidlich. Alle direkten Unterhandlungen und Verbindungen sind demnach von Seiten der Verbündeten mit der Pforte abgebrochen und die im trilateralen Vertrag angedeuteten ernsteren Maßregeln sind jetzt der Gegenstand der Unterhandlungen der drei Mächte, um sie zur Ausführung zu bringen. Ein erneuerter Versuch, mit der Pforte zu unterhandeln, um auf diesem Wege, der so unzählige Male fruchtlos geblieben ist, zum Ziele zu gelangen, wäre nicht mehr von den drei Verbündeten zu erwarten, da Alles sein Ziel hätte; die Zeit der Nachsicht, die Longanimité etc. sei abgelaufen und aus allen diesen Gründen an die Wiederanknüpfung von friedlichen Unterhandlungen seitens der drei Mächte nicht mehr zu denken. Ganz etwas anderes wäre es, wenn ein Antrag von Seiten Preußens oder Österreichs erfolgte, um sich den Verbündeten anzuschließen, um mit ihnen durch Ergreifung gemeinschaftlicher kriegerischer Maßregeln zum gewünschten Ziele zu gelangen. Oder: wenn Preußen und Österreich ihrerseits bei der Pforte nochmals kräftige Schritte täten, um sie zur Nachgiebigkeit zu zwingen, welchem Schritte jedoch als energischer Nachsatz beigefügt werden müsse, im Weigerungsfalle auch die Gesandten dieser Mächte Constantinopel verlassen würden und daß die Pforte auch von diesen Mächten kriegerische Maßregeln und Anschließen an die drei anderen Mächte zu erwarten habe. Ob eine solche, offene und energische Sprache von Österreich zu erwarten sei, sei freilich nicht mit Bestimmtheit vorauszusehen, dies dürfte aber wohl Preußen nicht abhalten, seinerseits diese bestimmten Schritte zu tun, Österreich[S. 13] dann au fait setzend und dringend zu gleichen auffordernd. Preußens Ansichten in der orientalischen Angelegenheit ständen ganz in Übereinstimmung mit einem solchen Handeln; es sei dem trilateralen Vertrage nicht beigetreten, indem es die in demselben vorgeschlagenen Mittel als nicht zum Zwecke führend erkannt hätte, jedenfalls aber keinen tätigen Teil an deren Ausführung hätte nehmen können, weil es aus diesem letzteren Grunde daher weniger auffallend und weniger störend für das äußere Bestehen der großen Alliance gewesen sei, daß nur drei Seemächte einen Tractat schlossen, der nur Seeoperationen zum Zwecke vorläufig hatte, während es als eine Spaltung der alten Alliance erschienen sein würde, wenn Preußen als keine Seemacht einem dergl. Tractat beigetreten sei und Österreich als eine Seemacht es nicht tat. So sei also auch dieser Schein für die große Alliance erhalten geblieben, während freilich Preußens und Österreichs Nichtbeitritt aus ganz und gar verschiedenen Principien entsprungen sei. Jetzt jedoch handele es sich nicht mehr um eine bloße Seeoperation, sondern um Ergreifung solcher Maßregeln, die leicht zum Kriege führen dürften, und daß diese zum Ziele führen würden, werde Preußen wohl anerkennen und also, da es das Ziel zu erreichen wünsche, sich auch zu Maßregeln entschließen, die zur Erreichung desselben förderlich sind, d. h. also nochmalige dringende Vorstellungen bei der Pforte, mit dem Nachsatze, wie ich ihn bereits angab, dem dann aber auch Folge gegeben werden müßte. Ich selbst hatte ja mündlich Ihre Ansicht hier mitgeteilt, die dahinginge, daß ein Angriff der Mächte der großen Alliance auf die Pforte als allein zum Ziele führend erkannt von Ihnen werde. Über das wie weit eines solchen Angriffs wäre freilich noch nichts zu entscheiden jetzt. Und wenn ich Ihre Ansicht jedoch dahin bestimmt ausgesprochen hätte, daß Sie einen solchen Angriff nur dann als vollständig ansehen würden, wenn Österreich sich zu demselben verstünde, so sei dadurch wohl auch Ihr Wunsch dahin abzusprechen, daß man sich dadurch vergewissere, daß diese Macht nicht etwa gegen die anderen Verbündeten zu Gunsten der Pforte sich erklärte, nicht aber, daß es Ihre Ansicht sei, daß Österreichs Kriegsmacht durchaus notwendig zu verwenden sei, um das Ziel zu erreichen, wozu die russische Armee allein wohl hinreichen würde. Die letzten Nachrichten Tatischtscheffs seien aber über diesen Punkt sehr beruhigend, indem er ja versichere, daß Österreich nicht daran denke, sich[S. 14] den kriegerischen Maßregeln zu widersetzen, die Rußland ect. jetzt zu ergreifen für nötig fände, daß der Kaiser ja mündlich dem Grafen Tatischtscheff versprochen habe, offene und kräftige Maßregeln bei der Pforte zu ergreifen, um sie zur Nachgiebigkeit zu bewegen, alles Schritte, die nicht mehr auf die gefürchtete Opposition dieser Macht deuten, so daß also auch dieselbe nicht mehr zu fürchten sei, selbst wenn auch, wie zu vermuten wäre, dieselbe sich zum Anschließen an die anderen Mächte zur Ergreifung kriegerischer Maßregeln nicht verstehen sollte. Jede und jegliche Besorgnis, daß Österreich doch noch die Opposition selbst kriegerisch ergreifen könnte, ja selbst die Möglichkeit dazu bei dessen inneren und militärischen Verhältnissen würde verschwinden müssen, sobald Preußen sich öffentlich zum Beitritt zum trilateralen Vertrage erklärt, dem es ja eigentlich dem Sinn nach im Geheimen schon beigetreten sei, da die jetzigen zu ergreifenden Maßregeln zum Ziele führend sein würden und an die Störung der großen Alliance nicht bei den oben geschilderten Verhältnissen zu denken sei. Ob es überhaupt doch noch möglich wäre, wenn Preußen dem österreichischen Cabinette seinen Beitritt zum dreiseitigen Vertrage bekannt macht, mit der dringenden Aufforderung und Vorstellung, ein Gleiches zu tun, indem von dem Augenblicke an alle Interessen vereint sein würden, — diese Macht zu dem Beitritt zu bewegen wäre zum wenigsten ein Versuch, der nicht von der Hand gewiesen werden dürfte und den Sie gewiß deshalb unternehmen würden, ohne jedoch Ihre weiteren Schritte deshalb von Österreichs Erklärung abhängig zu machen. Dies ganze Raisonnement gründet sich natürlich darauf, daß die drei verbundenen Mächte fest am Tractat vom 6. Juli halten und nur dessen Ausführung vorläufig vor Augen haben; ja selbst ein weiteres Vorschreiten durch die kriegerischen Operationen ist in dem Vorschlag Rußlands ja nur als Erpressungsmittel und nicht als eine zu machende Eroberung bezeichnet, wenn gleich ein so weites Vorschreiten nur durch die verlängerte Halsstarrigkeit der Pforte erzeugt werden würde, dann auch den Griechen zu Statten kommen solle, indem sie als frei und unabhängig erklärt werden sollen. Bei dem vorgefallenen Ministerwechsel in England und Frankreich und beim Zusammentritt des Parlamentes und der Kammern war eine Veränderung der Grundsätze beider Kabinette in Beziehung auf die orientalische Frage vielleicht zu befürchten. Ich fragte daher auch heute[S. 15] den Kaiser, was er davon hielte, worauf er erwiderte, daß nach den letzten Nachrichten Wellington sich mehr und mehr an Rußland anzuschließen scheine und daß von Frankreich die Erklärung gekommen sei, daß es mit Rußlands Maßregeln sich einverstanden erkläre und fest an dem Bündnis halten werde, selbst wenn England abspringen sollte. Demnach hätte sich also nichts in der Lage der Sachen geändert.

Wenn Sie nun also wirklich dem trilateralen Vertrag beitreten, so fragte der Kaiser, ob Sie dann aber auch gewiß wohl ein Corps stellen würden, welches tätigen Anteil an etwa ausbrechendem Kriege nehmen würde. Ich erwiderte, daß ich Sie nicht danach gefragt hätte, früher aber, als von einer bestimmten Alliance zu dem vorliegenden Zwecke nicht die Rede gewesen sei (wie bis zum Jahre 1826), Ihre Ansicht nicht dahin gegangen wäre, einen tätigen Teil an einem dergleichen Kriege zu nehmen. Jetzt freilich schienen mir die Dinge anders zu liegen. Der Kaiser griff dies so gleich auf und meinte, daß auch die Stellung eines Corps ja am allermeisten die Übereinstimmung und Einigkeit der alten Alliance zu erkennen geben würde und ob es nicht auch der Wunsch unserer Armee sei, Teil am Kriege zu nehmen. Ich konnte seiner Ansicht nur beistimmen und was den letzten Punkt beträfe, so wäre freilich der Wunsch sehr allgemein in unserer Armee, dem Kriege beizuwohnen. Ich komme hierdurch auf einen Punkt zu sprechen, dessen große Wichtigkeit ich vollkommen erkenne und muß daher denselben etwas näher beleuchten. Dieser gedachte Wunsch ist mir nicht etwa allein aufgestiegen, sondern mir von sehr viel Generalen ausgesprochen worden, und wie wäre es auch anders möglich, ihn nicht zu haben, wenn man einmal Soldat ist und ein Krieg bereit ist auszubrechen, für den sich die Regierung erklärt und zu welchem sie sogar in Alliance tritt. Aber namentlich aus dem militärischen Gesichtspunkt betrachtet wird der Wunsch für die Armee nur noch lauter, indem ein Auffrischen des kriegerischen Geistes in jeder Armee nach langem Frieden gewiß eine schöne Sache ist. So weit ich freilich entfernt bin zu meinen, daß dieserhalb von Zeit zu Zeit Krieg gesucht werden müßte, so sehr glaube ich doch auch, daß eine Gelegenheit wie die vorliegende nicht unbenutzt gelassen werden sollte, indem die Politik schon dahin weist. Die Generale, welche mir darüber sprachen,... kamen darin überein, daß eine solche Gelegenheit ja benutzt werden möchte, um Teilen der[S. 16] Armee den Krieg einmal wieder in natura zu zeigen. Und da natürlich die ganze Armee nicht marschieren könne, so würde, um der ganzen doch die Wohltat der Auffrischung dieses Kriegsgeistes, wenigstens per tradition zu gewähren, ein Corps aus allen Regimentern der Armee zu combinieren sein, wie im Jahre 1812. Ob die Rheinprovinz und Westfalen ihr freilich spät eintreffendes Contingent zu stellen hätten, oder ob sie wegen des doch stets zu beobachtenden Nachbarn im Westen ganz von dieser Gestellung zu deponieren wären, hat unser Kriegsrat alles in Weisheit erwogen, wie Sie leicht denken können; wenn einmal so etwas aufs Tapet kommt, so geht es auch munter vorwärts mit Plänen und Projekten. Sie werden meine Dreistigkeit verzeihen, diesen Gegenstand hier behandelt zu haben und das mit einiger Weitläufigkeit und nur nach eigner und einiger Anderer Ansicht, durchaus die Ihrige in diesem Punkte nicht kennend. Ich muß daher Ihre Verzeihung und Ihre Nachsicht hiermit nachsuchen und nur noch hinzufügen, daß mir Minister Motz[24] vor meiner Abreise sagte, er fürchte aus finanziellen Rücksichten die Mobilmachung der Armee jetzt schon nicht mehr, um wieviel weniger also eines Corps nur.

Graf Tatischtschew hat berichtet, daß bei Übergabe des Briefes von Nicolaus an den Kaiser von Österreich vom 7./19. Januar, auf den jedoch noch keine Antwort erfolgt ist, letzterer ihm gesagt habe: er höre, daß man in Rußland unruhig über die militärischen Zurüstungen in Österreich sei; ob man glaube, daß er Rußland angreifen wolle? Wie könne man sich so etwas nur einbilden im Entferntesten und wenn er es wolle, ob er es wohl könne bei der Verfassung seiner Armee. Alle Rüstungen geschehen nur, um, im Falle im Oriente der Krieg ausbräche, Österreichs Grenzen zu schützen gegen jede Invasion...[25]

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 17]

St. Petersburg, 16./28. Februar 1828.

.... wenn ich Ihnen nicht die Nachricht zu geben hätte, daß die gestrigen Meldungen des Grafen Paskiwitsch allerdings die Ihnen vorgestern als Gerücht mitgeteilten Ereignisse bestätigten. Seine Berichte sind vom 5./17. Januar aus Deygurgan freilich sehr lange unterwegs gewesen. Der Hauptinhalt ist folgender: Als am bestimmten Termin die Zahlung der auferlegten Kontribution von Seiten des Schahs nicht erfolgte, zugleich aber auch die Nachrichten eingingen, daß ein Sohn des Schahs seinen Bruder Abbas Mirza beim Vater anzuschwärzen gesucht habe, als einen Feind des Landes, der durch den Friedensschluß Rußland in Besitz so schöner Provinzen zu setzen suche, die sein Erbteil sind, und ihm wohl gar noch andere Pläne zugedacht haben mag und dieser andere Mirza sich erbeten habe, die verlorenen Provinzen wieder zu erobern und dazu Anstalten treffe, so hat Graf Paskiwitsch seinerseits die Friedens-Unterhandlungen abgebrochen und seine Truppen in Marsch gesetzt. Er hofft, daß diese ganze Unternehmung nur eine bloße Demonstration sein wird und zum gewünschten Ziele, nämlich der prompten Zahlung, führen wird. Denn die verlangte Contribution ist bereits vor den Augen eines russischen Bevollmächtigten und des englischen Konsuls, der die richtige Zahlung sehr betrieben hat, in Teheran verladen worden und ist bereits auf halbem Wege nach Tawris, in Zengun, angelangt. Während dem ist nur der Mirza aus Korhassan mit seinen Intriguen durchgedrungen, zugleich sind aber auch türkischerseits Aufforderungen an den Schah ergangen, die Feindseligkeiten fortzusetzen, indem auch ein Bruch der Pforte mit Rußland bevorstände und dadurch letzteres in große Verlegenheit kommen könnte; und so hat der Schah dem Mirza Vollmacht gegeben, seine Schätze anzugreifen und den Krieg fortzusetzen und die verlorenen Provinzen wiederzuerobern, welche er zu seinem Erbteil erklärt hat und Abbas Mirza so gut wie enterbt hat. Dieser ist demnach zu den Seinigen zurückgekehrt, hat aber einen sehr gerührten Abschied von den Russen genommen, bei denen er sich sehr[S. 18] gefiel, einer sehr traurigen Zukunft entgegen gehend... Paskiwitsch will... gegen Zangan marschieren, um so zu sagen der Contribution entgegen zu rücken, deren Auszahlung durch diese Demonstration wie gesagt gehofft wird, der Kaiser hofft und wünscht sehr, daß es nur bei dieser Demonstration sein Bewenden haben werde.

Aus Paris hat der Kaiser gestern sehr zufrieden stellende Nachrichten erhalten, da das Cabinett ganz in seine Ansicht eingeht... Der Kaiser sagte mir soeben, daß er indirekte Nachrichten aus London habe, die immer mehr das Anschließen des englischen Cabinetts an das russische für die orientalischen Verhältnisse bestätigen[26]. Die offiziellen Mitteilungen erwartet er täglich. Aus Constantinopel wird geschrieben, daß Herr v. Ottenfels sich zur Abreise rüste oder abberufen sei; der wahre Zusammenhang sei nicht klar. Auch der holländische Gesandte in Constantinopel hat Schiffe zu seiner Abreise gemietet.

St. Petersburg, 20. Februar/3. März 1828.

Vor einigen Posttagen benachrichtigte ich Sie von der Äußerung des Kaisers, daß der Marsch der Garde binnen Kurzem erfolgen könne und setzte ich hinzu, daß mir dazu noch keine Veranstaltungen getroffen zu sein scheinen. Gestern jedoch sagte er mir, daß die Ordres zur Mobilmachung der Garde in der Ausfertigung begriffen seien und binnen wenig Tagen publiciert werden würden... Die Mobilmachung soll höchstens in 6 Wochen beendigt sein. Auf meine Bemerkung, daß mir der Kaiser vor 6 Wochen ungefähr sagte, er würde die Garden marschieren lassen,[S. 19] falls ein Nachschub durch den Gang des Krieges erforderlich sei — wie dies jetzt mit diesem frühzeitigen Marsch derselben zu vereinbaren sei, wiederholte er, daß die Distance dies erforderte, indem die Garden doch erst im September an der Donau eintreffen würden und daß es jedenfalls sehr gut sei, eine solche Reserve à tout événement bereit und in Bewegung zu haben. Bis heute ahndet noch Niemand in Petersburg diese Maßregel und wird natürlich sie bei ihrem Erscheinen im Auslande viel Lärm machen, daher ich mich beeile, Sie davon in Kenntnis zu setzen.

Der famose Hatischeriff[27] sehe ich, ist auch nun in Berlin bekannt; der Kaiser ist sehr aufgebracht über die Sprache, die dieses Aktenstück über Rußland führt und namentlich über die Stelle, wo die Pforte erklärt, daß alle Nachgebungs-Demarchen und namentlich das Einwilligen in die Forderungen zu Akkerman nur geschehen seien, um Zeit zu gewinnen, um die Rüstungen und die Reorganisation der Armee zu bewerkstelligen. Zugleich sieht der Kaiser diesen Hatischeriff als eine Herausforderung an die ganze Christenheit und namentlich an Rußland (an), so daß nun wohl nichts mehr den Bruch verhüten kann. In diesem Sinne sind auch die letzten Couriere nach Paris und London abgefertigt worden.

Die letzten Nachrichten aus Persien lauten sehr erfreulich. Die feindlichen Kräfte, welche sich bei Maralega sammelten, sind auf die Nachricht des Vormarsches der russischen Truppen auseinander gelaufen. Die russische Avant-Garde, die während der Unterhandlungen schon in Mijana stand, hatte von dort aus ihren Marsch sogleich vorwärts gegen Zangan angetreten, hat also einen bedeutenden Vorsprung.

Soeben sagt mir der Kaiser, daß die Garden heute die Marsch-Ordre erhalten haben und gegen den 1./13. April abmarschieren sollen...

[S. 20]

St. Petersburg, 25. Februar/3. März 1828.

Gestern Abend kamen wiederum gute Nachrichten aus Persien; der Marsch der russischen Truppen hat so auf den Schah gewirkt, daß er sogleich die Abzahlung der Contribution befohlen hat, welche auch bereits ganz bis Zangan gekommen sein soll; 45 Millionen Papier-Rubel, woselbst der russische Commissar aufgefordert wurde, zu seiner eignen Überzeugung irgend einen Sack zu öffnen, um sich zu versichern, daß keine Betrügereien obwalten. Der geöffnete Sack ist auch voller Geld gefunden worden. Außerdem hat sich Ardebil, wo das linke Seitendetachement stand, ohne Schwertstreich ergeben... Wo die Unterhandlungen angeknüpft werden sollen, ist nicht entschieden, indem der dazu geeignetste Ort Mijana durch eine dort einheimische giftige Wanze, welche nur Ausländer sticht und oft tötet, nicht sehr angenehm aus diesem Grunde erscheint. Die Sterblichkeit unter den russischen Truppen ist unglaublich in Persien. Aus London sind Nachrichten gekommen, die aber (noch) immer keine Antwort brachten auf die an Fürst Lieven gegebenen Instruktionen, indem das englische Ministerium völliges Stillschweigen beobachtet. Aus Paris sind dagegen die Mitteilungen stets erfreulicher und anschließender. Der Kaiser hofft, daß der Hatischeriff in London vielleicht noch gut wirken wird; aber wenn auch nicht, so ist der Plan und Wille des Kaisers unabänderlich derselbe.

St. Petersburg, 27. Februar/10. März 1828.

Der Kaiser sieht durch den Hatischeriff seine ganze Lage in sofern verändert an, daß er den Ausbruch der Feindseligkeiten nicht mehr von der Zustimmung Frankreichs und Englands abhängig zu machen braucht, sondern der Pforte geradezu den Krieg erklären wird, indem sie ihm denselben durch jenen Parlamentär angekündigt hat. Denn es kommt jetzt dem Kaiser momentan nicht auf die Pacifierung Griechenland an, sondern darauf, sein Ansehen und seinen Einfluß auf die Pforte aufrecht zu erhalten und die Beleidigung zu rächen, die durch die Nichterfüllung und durch die Darstellungsart des Akkermanschen Tractats Rußland zugefügt ist, nebst den übrigen beleidigenden Ausdrücken. Bei Ergreifung dieser Maßregel erklärt der Kaiser von Neuem, stets dieselben Grundsätze zu befolgen, welche ihn bei Schließung des trilateralen Vertrages leiteten. Erhält Rußland bis in den nächsten[S. 21] Wochen die Beistimmung Englands zu den vorgeschlagenen coërcitifen Maßregeln, welche in der Instruktion an Fürst Lieven vom 6. Januar enthalten sind, bisher aber trotz eines 14tägigen Hinausschiebens des Antworttermines unbeantwortet geblieben sind, so würde alsdann das Ultimatum von den drei Alliierten der Pforte übergeben werden; trifft aber die Erwartung von Englands Anschließen bis dahin nicht ein, so wird der Kaiser allein ein Ultimatum übersenden und abwarten, was England später beschließen wird. Dieser Schritt kann keine Störung unter den Alliierten erzeugen, weil Rußland für Erscheinung des Hatischeriffs individuelle Zwecke gegen die Pforte zu erkämpfen hat. Frankreich hat sich vollkommen mit Rußlands vorgeschlagenen Maßregeln einverstanden erklärt und England nach Kenntnis des Hatischeriffs inständigst zur Annahme dieser Maßregeln erneuert aufgefordert, indem diese Kriegs-Erklärung nur mit den Waffen beantwortet werden könne und dies die Ehre der Alliierten erfordere. Es schlägt vor, den Flotten einige Landungstruppen mitzugeben, um die Schlösser der Dardanellen zu nehmen und zu behaupten, um den Flotten das Vordringen gegen Konstantinopel und die Beschießung desselben dadurch möglich zu machen. (Diese heute eingetroffenen Nachrichten sind mir als ein großes Geheimnis nur vom Kaiser mitgeteilt worden.) Es stehet also noch immer zu hoffen, daß England nachgeben wird und der Krieg gemeinschaftlich erklärt wird. Wo nicht, so würde es seine später zu ergreifenden Maßregeln in der griechischen Angelegenheit den alsdann schon russischer Seits ergriffenen anschließen. Frankreich erklärt es mit Rußland zu halten, selbst wenn England ganz abspringen sollte (was wohl schwerlich zu erwarten ist.) Rußland würde also, falls England dem Krieg nicht beistimmt, seine individuellen Interessen durch denselben verfolgen und also darin nicht von England gehindert werden können; natürlich handelt Rußland dadurch auch indirekt zum Besten der Griechen, mit Frankreich eng verbunden aber direkt zum Besten derselben, denn Frankreich hat ja nur das griechische Interesse vor Augen. Dies giebt allerdings etwas complicierte Verhältnisse.

Aus Wien erfuhr der Kaiser, wie er mir heute sagte, daß auf bestimmten Antrag des Erzherzogs Ferdinand zwei Operations-Pläne ausgearbeitet wurden, der eine, um während der Operationen die Defensive zu beobachten, der andere ein Offensiv-Plan, um eine öster[S. 22]reichische Armee mit der russischen operieren zu lassen. Es soll darüber jedoch ein großes Geheimnis obwalten. Doch hat dies den Kaiser sehr erfreut zu erfahren, weil er doch daraus die Möglichkeit sieht, daß Österreich sich zu einer tätigen Teilnahme zuletzt noch entschließen wird. Er ist daher sehr begierig auf die Schritte, die Sie getan haben werden, sowohl gegen Österreich als für sich selbst.

28. Februar/11. März.

Auch ist die Nachricht eingegangen, aus Bukarest oder Odessa, daß Herr v. Ottenfels im Begriff sei, Constantinopel zu verlassen, weil kein Christ seines Lebens mehr sicher sei. Ob er dies ohne Erlaubnis seines Hofes darf, weiß ich nicht zu entscheiden. Doch meint der Kaiser, daß die Verfolgungen, welche in Constantinopel und in der Türkei gegen die Christen beginnen, nur zu deutlich beweisen, daß der Hatischeriff eine Kriegserklärung gegen die gesamte Christenheit sei und aus diesem Gesichtspunkt betrachtet hofft er, daß Österreich seine bisherigen Grundsätze in der griechischen Angelegenheit wird fahren lassen und dann gemeinschaftliche Sache mit den Alliierten machen wird, womit dann die große Alliance wieder kräftig und ungeteilt dastände, ja es würde ein wahrer Kreuzzug werden (il serait une véritable croisade).

Falls der Krieg ausbricht, so sagt der Kaiser, würde sich die Campagne in drei Abschnitte teilen. Der erste vom April bis Juni; der zweite eine Ruhe bis zum September wegen der großen Hitze und wegen des Mangels an Furage in den Monaten, ehe die Ernte gemacht ist und der dritte vom September bis dahin, wohin die Operationen oder die Nachgiebigkeit der Pforte führen wird. Der Winter sei nicht zu fürchten und also wegen der Jahreszeit kein Abschnitt nötig zu machen. Im ersten Abschnitt müsse der Balkan erreicht werden, die Ruhe also daselbst eintreten, während dem zweiten würden alle Reserven und die Garden zur Armee stoßen (den 1./13. September) und so alsdann mit erneuten Kräften die Operationen des dritten Abschnittes beginnen. Die vorteilhafteste Operations-Linie wird natürlich die längs dem Meere sein von Anfang an, weshalb auch die Flotte des Schwarzen Meeres zur Protegierung der Operationen beordert ist. Nach einigen Nachrichten sollen sich bedeutende türkische Streitkräfte bei Rusdschuk sammeln, dagegen aber auch bei Babatag (in der Gegend, wo die Donau vor ihrem[S. 23] Abflusse die Ecke bildet) Verteidigungsmaßregeln ergriffen sein, als auf der Operations-Linie längs dem Meere liegend, die ihnen wohl auch gefährlich erscheinen mag.

Nach dem Gang, den die Dinge jetzt in der Türkei nehmen, glaubt der Kaiser, daß auf keine Nachgiebigkeit nicht mehr zu rechnen ist, weder jetzt noch später, sondern daß das Ganze mit dem Umsturz der türkischen Macht endigen wird, wenngleich er nur ungern von dieser Möglichkeit spricht. Sollten wir bis Constantinopel wirklich vordringen und ich bin zuerst dort, sagte der Kaiser mir neulich, so sollen die Andern mit meinem Benehmen und Vorschlägen zufrieden sein; kommen mir die Andern etwa auf irgend eine Art zuvor, so setze ich keinen Fuß in Constantinopel und lasse die Andern machen, was sie wollen und meliere mich nicht darein. Ich wiederhole Ihnen nur diese Worte, die der Kaiser wohl nur mir und seinem Schwager sagte, ohne weiteres diplomatisches Gewicht darauf zu legen; denn es dürften doch, wenn es wirklich so weit kommen sollte, wohl Verhältnisse eintreten, die jene Äußerungen vergessenswerth machen dürften. Tritt die andere Chance doch noch ein, daß die Pforte während des Krieges nachgibt endlich, so sind die dann eintretenden Verhältnisse in der erwähnten Instruktion an Lieven vorgezeichnet und die völlige Selbständigkeit Griechenlands dann zunächst stipuliert.

Der Kaiser trat mit der Nachricht ins Zimmer, daß der Friede mit Persien geschlossen sei[28] und zugleich die Schlüssel von Ardibile eingetroffen seien... Der Schah hat augenblicklich, als er die ernstliche Fortsetzung des Krieges erfahren hat, sich nachgiebig gezeigt und die ganze Summe der Contribution der russischen Avant-Garde unweit Zangan überliefert, und war der größte Teil bereits in Mijana eingetroffen. Der Schah hat dem Abbas Mirza aufgetragen, den Frieden sogleich zu unterzeichnen...

[S. 24]

St. Petersburg, 3./15. März 1828.

Gestern ist der erwartete zweite Courier aus London[29] eingetroffen. Die von ihm überbrachten Nachrichten sind die offizielle Antwort des englischen Cabinettes auf die von Rußland gemachten Vorschläge, wie sie in der Instruktion an Fürst Lieven enthalten waren. Sie sind, wie nach meinem letzten Brief schon zu erwarten war, nicht nach Wunsch des Kaisers ausgefallen, indem jene Vorschläge nicht Eingang fanden und dagegen von England eine Demarche vorgeschlagen wird gerade der Art, wie Sie dieselbe durch Grafen Bernstorff vor vier Wochen hierher machen ließen. Der Kaiser wird darauf nur bedingt eingehen, indem aus seiner Antwort an Sie damals schon hervorging, daß er diesen Schritt als zu spät kommend betrachtete; doch will er sich jetzt gerade nicht opponieren; dagegen trennt er aber immer mehr die griechische Frage von den Griefs, die er zufolge des Hatischeriffs individuell gegen die Pforte zu verfolgen hat und wird daher in den ergriffenen Maßregeln dieserhalb nicht die mindeste Änderung entstehen und ganz das geschehen, was mein letzter Brief für den neu eingetretenen Fall voraussagte, nur mit dem Unterschiede, daß die Schritte, welche ich damals als von England allein etwa ausgehend bezeichnete, nun, wenn es angenommen wird, von allen 5 Mächten geschehen werden. So würden also Unterhandlungen und Krieg zugleich gehen und bestehen, nur zu verschiedenen Zwecken; der Krieg aber gemäß einen wichtigen mittelbaren Einfluß auf die Unterhandlungen haben und so durch den Krieg vielleicht der Frieden erhalten werden. Daß den Unterhandlungen, falls sie sich zerschlagen, ein allgemeiner Angriff folgt, dürfte die Drohung sein, mit welcher sie unternommen würden.

[S. 25]

Die gestrigen Nachrichten aus Persien sagen, daß die ganze Contribution ausgeliefert ist und Abba Mirza erneuten Befehl zur schleunigen Unterzeichnung des Friedens erhalten hat...

St. Petersburg, den 6./18. März 1828.

Vorgestern Abend erhielt ich Ihren gnädigen Brief; ich teilte dem Kaiser sogleich Ihre Ansichten über die politischen Verhältnisse mit. Er sagte, daß ihn diese Ihre Ansichten nicht überraschen könnten, da sie mit Ihren früheren übereinstimmten. Doch hätte er es für seine Pflicht gehalten, Ihnen sein Raisonnement vor vier Wochen mitzuteilen, glaubend, daß manche Veränderungen damals eingetreten wären, die vielleicht Ihrerseits ein entscheidendes Handeln und Auftreten, wenn auch nur in Aufforderungen Anderer bestehend, möglich gemacht haben würden. Wenn der Kaiser also auch nicht überrascht über Ihre Antwort war, so tat sie ihm doch leid. Mir gab er jedoch auch das Zeugnis, daß ich stets diese Ihre Antwort vorhergesehen hätte, weil ich Ihre Ansicht genau kannte und sie ihm immer von Neuem vorgehalten habe. Während ich also auf diese Art dem Kaiser Ihre Ansicht opponiere, Ihnen dagegen die des Kaisers mitteile, scheint es, habe ich den Anschein bei Ihnen bekommen, als ließe ich mich durch den Kaiser entrainieren. Das Memoire, was ich dieserhalb durch Graf Bernstorff erhalten soll, wird mich natürlich ungemein interessieren, doch glaube ich dessen Inhalt vorhersagen zu können, da ich, wie gesagt, vermuten darf, daß ich Ihre Ansichten nicht vergessen habe. Sollte mich jedoch meine Äußerung: „daß mir das Handeln Preußens jetzt als das Hauptgewicht erscheine, welches die Inclination der politischen Wagschale bestimmen würde“, eine Äußerung, die ich mir kurz vor dem Abschieds-Augenblick in Berlin schon zu machen mir erlaubte, sollte mir diese Äußerung die Bemerkung zugezogen haben, daß ich Preußens Stellung verkenne, so werde ich allerdings hierüber eine Belehrung in Bernstorffs Mémoire[30] hoffen dürfen zu finden.

Ihre Bemerkungen über die vorauszusehenden Verwickelungen, wenn Rußland Englands Ansichten nicht aufnimmt, teilte ich gleichfalls dem[S. 26] Kaiser mit. Er erwiderte, daß sein jetziges Alleinhandeln der Natur sei, daß diese Verwickelungen wohl nicht zu befürchten seien. Sollten jedoch welche später aus Englands Benehmen entstehen, so könne er wenigstens ruhig darüber sein, daß er sie nicht herbeigeführt habe. Denn im trilateralen Vertrage wäre expreß gesagt, daß, wenn die erste Maßregel der auszusendenden Flotten nicht zum Ziele führe, so werde man zu ernsteren Maßregeln schreiten. Unter diesen ernsteren Maßregeln könnten aber natürlich keine anderen verstanden gewesen sein, als kriegerische. Diese seien nun also vorgeschlagen, nachdem erneute Unterhandlungen nach Navarin(o) sich zerschlagen hätten und den Abgang der Gesandten zur Folge sogar gehabt haben. Statt darauf einzugehen, gemeinschaftliche coërcitife Maßregeln zu unternehmen, wolle man nun von Neuem unterhandeln, also gegen die Bestimmungen des trilateralen Tractates und damit also wiederum den Gang ergreifen, der seit 7 Jahren nicht zum Ziele geführt habe; und welche Garantie sei vorhanden, daß, da man jetzt von Seiten Englands den kriegerischen Maßregeln keine Folge geben wolle, diese Folge-Gebung eintreten würde, wenn die vorgeschlagenen erneuten Unterhandlungen sich etwa zerschlügen und für dies Zerschlagen der Krieg als Folge bestimmt worden wäre? Wahrscheinlich würde man alsdann wieder einige Monate temporieren, dann aber erneut zu Unterhandlungen raten und so ins Unendliche fortfahren.

Doch wie mein letzter Brief schon meldete, wird sich der Kaiser diesen Vorschlägen nicht opponieren, jedoch auch seinerseits sich sehr bestimmt aussprechen und während dem handeln. Denn das fortwährende Temporieren und nicht Ernstmachen müsse ja die Pforte immer mehr bestärken, sich zu opponieren, da immer nur gedroht wird und den ernsthaftesten Drohungen doch keine Folge gegeben wird. So reize man die Pforte also ordentlich zur fortgesetzten Opposition bei jeden erneuten Unterhandlungen.

Im Sommer 1819 bemühte sich Prinz Wilhelm, unterstützt von seiner Schwester Charlotte, die Einwilligung seines königlichen Vaters für seine Verbindung mit der schon seit 1817 geliebten Prinzessin Elise von Radziwill zu erlangen. Friedrich Wilhelm III. schwankte auch in dieser familiären Angelegenheit in seinen Meinungen und Entschlüssen ständig hin und her, um so mehr, als die Unebenbürtigkeit der Prinzessin bald für gleichgültig, bald für hindernd in bezug auf die in Aussicht genommene Eheschließung gehalten ward. Erst im Juni 1826 hat er seine Zustimmung endgültig verweigert. Auf der Reise nach der Schweiz hatte[S. 27] Prinz Wilhelm 1826 bei der Hochzeit seines Bruders Karl mit Maria von Weimar deren jüngere Schwester Augusta kennen gelernt; vielleicht hat er im Anschluß daran in Karlsruhe die oben genannte Prinzessin Cäcilie von Schweden (1807/44) gesehen, die Tochter jenes Gustav IV. Adolf (1778/1837), der mit Friederike von Baden in einer 1812 geschiedenen Ehe vermählt und Mitte Mai 1809 seines Thrones verlustig erklärt worden war; er führte dann ein seltsames Wanderleben und weilte in der fraglichen Zeit als Oberst Gustavsson in Leipzig. Die mannigfachen Absonderlichkeiten dieses Mannes lassen es verstehen, daß der vorsichtige Friedrich Wilhelm III. von der ersten medizinischen Autorität seines Staates, dem „so höchst ehrwürdigen“ Christoph Wilhelm Hufeland (1763/1836), wie der König an seine Tochter Charlotte am 14./26. August 1836 nach Petersburg schrieb (Hohenzollernjahrbuch 1916, S. 169), ein Gutachten über den Geisteszustand Gustav Adolfs IV. einholte, das schließlich in der wichtigen Frage einer künftigen Königin von Preußen den Ausschlag gab; Prinzessin Cäcilie heiratete den Großherzog August von Oldenburg. Prinz Wilhelm hat, wie aus dem obigen Briefe hervorgeht, lange in seinen Empfindungen zwischen den beiden Mädchen hin und her geschwankt; darauf deutet auch eine Briefstelle an den Vater aus Petersburg vom 23. December/4. Januar 1828:.... Beim Beginn des verflossenen Jahres war ich weit entfernt zu glauben, daß dasselbe von Einfluß auf mein künftiges Schicksal sein würde — und doch war es so; wieviel ernster mußte ich also nicht beim Eintritt in das nun vor uns verschlossene gestimmt sein, da es Pläne zur Ausführung bringen dürfte, die jetzt noch unentschieden in mir liegen. Möge der Himmel meine Wahl leiten und mir eine Zufriedenheit schenken, die ich lange entbehren mußte. Ihnen dadurch Freude zu machen und mir stets Ihre Gnade zu vergewissern ist ja dabei mein Hauptaugenmerk.... Des Prinzen Wilhelm Petersburgreise ist oft als eine „Brautfahrt“ gedeutet worden (vgl. Th. Schiemann, Historische Zeitschrift, N. F., Bd. 44, 1892, S. 243/50), was wohl nur in dem Sinne richtig ist, als die Kaiserin-Mutter Maria Feodorowna von Rußland als die Großmutter der Prinzessin Augusta von Weimar deren künftigen Gatten kennen lernen sollte, wenn vielleicht auch ein Satz aus einem Berichte Schölers (14. April/6. Mai 1828) an den König darauf deuten könnte, daß eine russische Großfürstin für den Prinzen Wilhelm von Preußen als Lebensgefährtin in Aussicht genommen war: „Bei der hohen Achtung und wahrhaften Zuneigung, welche Seine Kgl. Hoheit sich hier allgemein erworben haben, teilt die ganze Residenz das Bedauern der kaiserlichen Familie, den Prinzen aus ihrer Mitte scheiden zu sehen und gibt nicht ohne Schmerz eine Hoffnung auf, mit welcher man, in Folge der Eigenheit des menschlichen Herzens, die Erfüllung eines lieben Wunsches keinem Zweifel unterworfen zu halten seit längerer Zeit sich geschmeichelt hatte.“

St. Petersburg, 13./25. März 1828.

Als Sie im Oktober vorigen Jahres von mir eine Erklärung wünschten, welchen Entschluß ich in Folge der im Sommer unternommenen Reise zu fassen gesonnen sei, war meine Antwort, daß die Bestimmung meiner Zukunft von der Wahl zwischen Prinzessin Augusta und Prinzessin[S. 28] Cecile abhängig sei als denjenigen beiden Prinzessinnen, welche mir von den kennengelernten als die ausgezeichnetsten erschienen.

Diese Wahl jedoch damals gleich zu treffen war mir meiner Überzeugung nach nicht möglich, weil dazu eine Kenntnis in gleichem Maße von beiden Prinzessinnen gehörte, ich bis dahin aber nur Prinzessin Augusta in so weit hatte kennen lernen, daß ich mir ein ziemlich gegründetes Urteil über sie erlauben durfte, dahingegen ich Prinzessin Cecile nur erst flüchtig konnte kennen gelernt haben, da ich sie nur wenige Tage sah. Da aber trotz dieser flüchtigen Bekanntschaft Prinzessin Cecile mich dennoch, trotz jener genaueren der Prinzessin Augusta beschäftigte und zwar auf eine Art, die ich nicht von der Hand zu weisen dürfen glaubte, so ging meine Bitte an Sie, die Sie auch genehmigten, dahin, daß ich eine nähere Bekanntschaft der Prinzessin Cecile auf eine nicht auffallende und Niemand compromittierende Art suchen dürfte. Und wenn ich alsdann beide Prinzessinnen in gleichem Maaße kennte, so wollte ich danach meine Wahl festzustellen suchen. Da Sie diese meine Ansichten gut hießen, so würde ich nicht nötig haben, jetzt wieder auf diese Angelegenheit zurückzukommen, wenn ich nicht schon in jener ersten Unterredung in Charlottenburg bemerkt hätte, daß Ihr Wunsch es sei, meine Entscheidung möchte für Prinzessin Augusta ausfallen. Da Sie jedoch deshalb meine Pläne nicht misbilligten, so glaubte ich es auch wagen zu dürfen, auf deren Ausführung mein Augenmerk zu richten. Seit jener Unterredung kamen mir vielerlei Äußerungen zur Kenntnis, die mir das bestätigten, was ich von Ihnen selbst zu verstehen geglaubt hatte, daß nämlich, wenngleich gegen die ganzen Verhältnisse der Prinzessin Cecile nichts einzuwenden sei, was eine Verbindung mit ihr unmöglich oder unpassend machte, doch gerade ihre eigentümliche Stellung, diese Verbindung nicht vorzugsweise wünschenswert machte. Diese Ihre Ansicht glaube ich auch in Ihrer Äußerung enthaltend gefunden zu haben, die Sie mir machten, als ich bei Gelegenheit, daß Sie meine Reise hierher genehmigten, von meiner Zukunft sprach. Sie sagten, Sie müßten nur zu bedenken geben, daß die sehr unangenehme Möglichkeit obwalte, daß das Übel, an welchem der Vater der Prinzessin Cecile litte, auch erblich sei und auch mit überspringenden Generationen erblich sei; ich glaubte also aus dieser Äußerung schließen zu müssen, daß Sie mich durch dieselbe von meinen Absichten detournieren zu suchen wollten.[S. 29] Wenngleich ich die Möglichkeit einer solchen Erblichkeit nicht bezweifeln konnte, so konnte ich jedoch auch nur bemerken, daß mir bis jetzt nirgends ein Zeichen obzuwalten scheine, welches jene Möglichkeit anzeige. Seit meinem Hiersein erfuhr ich nun jedoch, daß diese mögliche Erblichkeit der Geisteskrankheit Ihnen so erheblich erscheint, daß Sie sich durch Hufeland haben ein Gutachten über diese Angelegenheit geben lassen, welches die Möglichkeit des Vererbens eines solchen Übels bestätigt und als wahrscheinlich angibt.

Die Sicherstellung, welche Sie für sich durch dies Gutachten für jede Zukunft, falls ich auf jener Verbindung bestände, zu verschaffen suchten, muß ich vollkommen anerkennen. Ja ich muß die Pflicht anerkennen, welche Ihre väterliche Liebe hat und Ihre höchste Stellung, mich ernsthaft und aufs gewissenhafteste auf diese Möglichkeiten aufmerksam zu machen und mir die Verbindung vollkommen zu untersagen, falls augenscheinlich Gefahr obwaltet.

Aus allem Angeführtem glaube ich aber nunmehr erneuert den Schluß ziehen zu müssen, daß es Ihnen lieb wäre, wenn die mir getanen Vorhaltungen mich bewegen könnten, nach Ihrem Wunsche von der näheren Bekanntschaftmachung der Prinzessin Cecile abzusehen und mich für Prinzessin Augusta zu entscheiden.

Wenn ich nun dies auch nicht unbedingt zu tun vermag, so sehe ich mich dennoch veranlaßt, meinerseits einen Schritt zu tun, der mich über meine Zukunft aufklärt, indem ich nur erlaube, die Frage zu stellen: „ob Sie aus jenen Gründen mit dem quästionierten Gutachten in Händen von Ihrem höchsten und väterlichen Standpunkte aus die Pflicht zu haben glauben, Ihre Einwilligung zu der in Rede stehenden Verbindung zu versagen, falls ich nach genauerer Bekanntschaft der Prinzessin Cecile um deren Hand wirklich anhielte?“

Von Ihrer gnädigen Beantwortung dieser Frage hängt dann natürlich mein ganzes ferneres Verhalten ab.

Glauben Sie Ihre Einwilligung geben zu können, so brauche ich in meinen Plänen nichts zu verändern.

Glauben Sie Ihre Einwilligung nicht geben zu können, so muß ich davon abstehen, die nähere Bekanntschaft der Prinzessin Cecile erst noch machen zu wollen, denn in der Ungewißheit, ob ich Ihre Einwilligung erhalten könnte, darf ich nie diese nähere Bekanntschaft suchen, weil[S. 30] sie leicht dahin führen könnte, daß das Aufgeben dieser Verbindung dann schmerzlicher sein dürfte, als es jetzt noch der Fall sein kann.

Mit kindlicher Liebe habe ich in meinem dankbaren Herzen jeden Schritt bewahrt, den Sie taten, um meine Zukunft sich glücklich gestalten zu sehen. Daher bitte ich auch nunmehr aus der Tiefe des Herzens, daß Sie meine Frage gnädig aufnehmen und ganz nach Ihrer Überzeugung beantworten mögen. Doch muß ich Sie noch darum bitten, mir nicht auf meine Verantwortung für die Folgen der gefürchteten Erblichkeit die mögliche Verbindung mit Prinzessin Cecile zusagen zu wollen und sich zu überzeugen, daß mein Herz noch durchaus nicht für eine der beiden Prinzessinnen sich entscheidender ausspricht wie früher.

Der Grund, warum ich gerade jetzt mit diesem entscheidenden Schritt gegen Sie hervortrete, ist der, daß in dem Falle die ferneren Pläne auf Prinzessin Cecile ganz aufgegeben werden müßten, ich wohl keine bessere und erwünschtere Gelegenheit finden könnte, Prinzessin Augusta noch näher kennen zu lernen und die dann nötig werdenden Schritte einzuleiten und zu tun als bei deren bevorstehender Ankunft hier mit ihrer Mutter... Der Kaiser hat mir mündlich heute beim Fahren zur Parade das förmliche Anerbieten gemacht, ob ich die zu erwartende Campagne nicht mit machen wollte... ich glaubte ihm antworten zu können, daß von einer Mißbilligung Ihrerseits ich nichts zu fürchten haben würde, indem die sich darbietende Gelegenheit wohl für jeden Soldaten zu interessant und wichtig sei, als daß Sie die Teilnahme an derselben versagen würden... daß sich Ihre Einwilligung wohl davon abhängig fühlen würde, in welcher Stellung sich Preußen zur Pforte beim etwaigen Ausbruch des Krieges befinden würde... Der Kaiser hat mich bei Zeiten von diesem seinen Anerbieten in Kenntnis gesetzt, damit ich der Distance wegen nicht zu spät Ihre Willens-Meinung erführe, wenngleich die Kriegs-Deklaration noch nicht erfolgt ist... So liegen Ihrer gnädigen Bestimmung zwei wichtige Fragen vor, deren Lösung ich mit ungemeiner Ungeduld entgegensehe, da sie von dem höchsten Einfluß auf meine ganze Zukunft sein werden. Von Ihrer väterlichen Liebe erwarte ich die Entscheidung, die für mein Herz und für meine militärische Tätigkeit von gleichem unendlichen Werte sein wird.

Ihr Sie zärtlichst liebender gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 31]

20. März/1. April.

.... die Ansicht, daß Preußens... Anschluß am trilateralen Vertrag gewiß den von Österreich nach sich gezogen haben würde. Wenn Sie sich gnädigst erinnern, zu welcher Zeit Ihnen der Kaiser diesen Antrag und die Aufforderung demgemäß auf Preußen zu wirken machte, so werden Sie finden, daß dies der Moment war, wo die Einigkeit der drei Verbündeten auf dem Culminations-Punkt war, Anfang Februar, und es damals also wohl sehr begreiflich war, daß der Kaiser diesen Moment benutzt wünschte, um Preußen und Österreich sich anschließen zu sehen. Aus dieser Zeit-Zusammenstellung glaube ich, dürfte folgen, daß der Kaiser Preußens Interesse nicht verkannte.

Preußen wünschte das gemeinsame Handeln der Mächte der großen Alliance; in jenem Moment war die größte Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß eine solche Vereinigung möglich sei. Jetzt ist es ganz anders.

Es ist dem Kaiser leid..., daß Preußen[31] gar nicht mehr an die Möglichkeit glaubt, auf Österreich wirken zu können, in einem Augen[S. 32]blicke, wie gesagt, wo dieses selbst ernst anfängt zu reden und daß Preußen ein solches Zureden für unnütz hält, weil es nicht auf eine Macht einwirken zu können glaubt, die mit dem Oriente selbst grenzt, während Preußen doch vollkommen damit einverstanden ist, daß die Sachen sich im Oriente ändern müssen und dieserhalb mit Österreich ganz divergierte, es also nicht aufhören müsse, es von seiner Ansicht überzeugen zu wollen. Das feste Halten Preußens an Österreich trotz der völlig divergierenden Ansicht im Prinzip begriff der Kaiser zwar bisher, wegen des Scheines der großen Alliance; jetzt aber, wo sich die Verhältnisse anfangen anders zu gestalten, würde es dem Kaiser sehr wehe tun, wenn Sie sich zu denen halten wollten, mit denen Sie im Prinzip nicht einverstanden sind, während Sie die aufgeben, mit denen Sie übereinstimmend im Prinzipe sind...

Prinzessin Augusta
Miniaturbild von A. Grahl um 1840 im Palais Kaiser Wilhelms I.


GRÖSSERE BILDANSICHT

Was der Kaiser von dem ernsthaften Schritte Österreichs erfahren hat, ist folgendes: daß es der Pforte erklären will — nach Rußlands Vorschlag und Drängen im Januar —, daß sie durchaus jetzt nachgeben müsse, wo nicht, so würde sich auch Österreich den Verbündeten anschließen und gemeinschaftlich mit ihnen über dasselbe kriegerisch herfallen und habe es zu dem Ende ein Corps in Bereitschaft... Von Frankreich hat der Kaiser gestern erneuert die intimsten Versicherungen erhalten, mit dem Bemerken, daß es erneuert die dringendsten Vorstellungen in London mache, um das Kabinett zur Annahme der russischen Proposition zu bringen. Jedenfalls glaubt der Kaiser, Frankreichs ganz sicher zu sein, selbst für den Fall, wenn England ganz abspringen sollte... Den Kaiser hat diese ganze Vereitelung, wie sie jetzt durch Englands Umspringen erzeugt wird, keinen Moment frappiert, indem er von jeher vorher sah, daß England im Trüben fischen wollte und [S. 33]eigentlich allein handeln wollte und egoistisch, zum Nachteil aller anderen handeltreibenden Nationen, in der orientalischen Frage. Die Ruhe Europas ist erhalten, sobald England dem Tractat treu bleibt und den von Rußland und Frankreich vorgeschlagenen Maßregeln beitritt, meint der Kaiser; springt also England jetzt ab, so erzeugt es den Krieg und die Unruhe, wahrscheinlich in ganz Europa, wovon es doch gerade das Gegenteil will. Der Kaiser sagte mir: Die Verhältnisse, die sich in der Türkei gestalten, sind für Rußland zehnmal wichtiger, als für alle andern Staaten, die selbst durch ihren Handel mit jenem Lande in Verbindung stehen. Diesetwegen habe er müssen eine sehr bestimmte Sprache gegen die Pforte gleich bei seinem Regierungsantritte führen und die Akkermannschen Unterhandlungen waren die Folge davon. Als sich diese Verhandlungen zu seinen Gunsten entschieden hätten, habe er nichts weiter wünschen können, denn das seit Jahren compromittierte Ansehen Rußlands bei der Pforte und der Einfluß, den es doch natürlich stets auf dieselbe auszuüben suchen muß, war wiedergewonnen. Aus diesem Grunde hätte er auch nicht nötig gehabt, in der griechischen Angelegenheit etwas zu tun, um so weniger, da er... gar nicht gesonnen gewesen sei, für sie wohl gar aus Enthusiasmus zu handeln. Er hätte also aus diesem Grunde auch nicht nötig gehabt, das englische Anerbieten, zu Gunsten der Griechen zu wirken, anzunehmen und zu deren Pacificirung die Hand zu bieten, wenn er sich nicht hätte sagen müssen, daß sein Zurückweisen dieses Anerbietens England nicht gehindert haben würde, seine Vorschläge und Pläne zur Veränderung der Dinge im Oriente demnach durchzuführen, welche es, alsdann allein handelnd, auch ganz nur zu seinem Vorteile und gewiß zum größten Nachteile Rußlands geordnet haben würde. Eroberungs- und Aquisitions-Pläne möchten gleichfalls wohl bei England obgewaltet haben, wie die Geschichte der Ionischen Inseln beweisen könnte... Frankreichs Handels-Interesse verlangte es, daß die orientalischen Verhältnisse eine andere Gestaltung gewännen; dieses trat nun also auch dieserhalb mit der Sprache hervor. England und Frankreich mußten sich also wegen dieser orientalischen Frage begegnen und gewiß auf eine unangenehme Art. Da nun also nicht anzunehmen war, daß England sich durch Rußlands Refus abhalten lassen würde, seine Absichten im Oriente zu verfolgen, wobei ihm noch zu Statten kam, daß die Griechen sich ja selbst[S. 34] an dasselbe gewandt hatten, um für sie sich zu interessieren, ebensowenig aber anzunehmen war, daß sich Frankreich und England gütlich über jene Verhältnisse vergleichen würden, so nahm der Kaiser das englische Anerbieten an, um dem egoistischen und Allein-Handeln Englands zu begegnen und um ein Zerwürfnis zwischen England und Frankreich zu verhindern und um somit also die Ruhe und Eintracht in Europa zu erhalten. So entstand das Petersburger Protokoll vom 4. April 1826 von Seiten des Kaisers in der Hauptabsicht, Ruhe in Europa zu erhalten, durch die Pacificierung Griechenlands seinen Handel noch mehr zu sichern und somit sein Ansehen bei der Pforte noch mehr zu sichern. Als dies Ansehen durch den Akkermannschen Vertrag hergestellt war, erklärte der Kaiser an England, daß er es seinetwegen nicht mehr nötig habe, dem Protokoll Folge zu geben, indem er Alles erlangt habe zum Besten Rußlands, was er von der Pforte nur verlangen könnte. England erwiderte auf die zweimalige derartige Vorstellung, daß es seinerseits sich in der Notwendigkeit befände, den Bestimmungen des Protokolls durchaus Folge geben zu müssen; dadurch demasquierten sich Englands egoistische Absichten immer mehr in den Augen des Kaisers und er hielt es für notwendig, dieserhalb schon im gedachten Protokoll die Bestimmung ausdrücklich aufzunehmen, daß von keinem Teile Eroberungs- oder Acquisitions-Pläne beabsichtigt würden; somit waren England freilich in ganz Europa die Hände gebunden, nicht dergleichen wahrscheinlich intentionierte verborgene Absichten einseitig ausführen zu können. Rußland kostete es nichts, dies Versprechen zu geben, indem jede Länder-Vergrößerung für dasselbe ein Nachteil sei. Frankreich trat diesen Protokoll-Bestimmungen später bei und verlangte zuerst dessen Umwandlung in ein Tractat. So waren also die verschiedenen Interessen durch einen Tractat vereint und dadurch die Ruhe und Einigkeit Europas gesichert. Diese Verhältnisse konnten also nur gestört werden, wenn ein Teil seinen Verpflichtungen ungetreu wurde, d. h. dem gemeinsamen Verband sich entzog, um einseitigen Plänen Folge zu geben.

Dies Letztere scheint nun allerdings leider Englands jetziges Benehmen sein zu wollen. Wollte es die Pacificierung Griechenlands wirklich, so könnte es jetzt keinen Augenblick anstehen, nachdem alle Mittel erschöpft sind, mit Gewalt auf die Pforte wirken zu wollen. Da es diese Gewalts-Mittel aber gegen seine beiden Alliierten zurückweiset, so gehet[S. 35] daraus wohl deutlich hervor, daß es etwas anderes als die gemeinschaftliche Pacificierung der Griechen wünscht, nämlich dort allein sprechen zu wollen und somit entlarvt es sich selbst.

Englands Plan scheint bestimmt zu sein, sich von dem trilateralen Vertrag zurückziehen zu wollen, dieserhalb jedoch mit Frankreich noch nicht zu brechen, es sich überhaupt angelegen sein zu lassen, auf dem Kontinente Alliierte zu sammeln, wahrscheinlich um Rußland mit denselben vereint zu bedrohen und so vom Türkenkriege abzuhalten. Dies Suchen von Alliierten dürfte also wohl zunächst auf Preußen und Österreich gerichtet sein. Überhaupt kann es Preußen nicht ruhig mit ansehen, daß dergleichen Alliancen sich schließen, wie die zwischen Österreich und England wäre und sein Verweigern zum Beitritt zu derselben dürfte vielleicht selbst dies ganze Projekt hindern und eine Aufforderung Preußens an England, den Frieden Europas dadurch nicht zu stören, daß es einseitig von einem Vertrage abspringt, während seine zwei Mit-Alliierten fest zusammenhalten, von einem Vertrage, an dessen Existenz es selbst schuld ist und den es vorschlug und gegen Rußlands anfängliche Vorstellungen durchsetzte, eine solche Vorstellung Preußens in London, wie gesagt, könne vielleicht noch eine plötzliche Wendung erzielen. Wenn eine allgemeine Verwicklung entsteht, so ist daran nur der englische Egoismus und die österreichische bisherige Starrheit Schuld. Wie traurig.

St. Petersburg, 24. März/5. April 1828.

.... die Armee, die zwischen dem 20. und 25. April den Pruth überschreitet und die der Kaiser, bevor sie die Donau erreicht, einholen will. Jedenfalls will er beim Übergange über die Donau zugegen sein. Wo? hat er mir noch nicht gesagt und da ich nur eine Regel gemacht habe, den Kaiser nach nichts abzufragen, was er mir nicht mitteilen zu wollen zu beabsichtigen scheint, so habe ich darüber, wie überhaupt über den ganzen Operationsplan garnichts erfahren.

Mit welcher Ungeduld sehe ich Ihren Bestimmungen über mich entgegen. Hier kommt es mir unmöglich vor, daß ich an allem, was ich sich hier vorbereiten sehe seit drei Monaten, nicht Teil nehmen sollte und so denkt man es sich hier auch allgemein für unmöglich, daß ich nun nicht mitgehen werde. Der Kaiser erhielt soeben einen Courir aus[S. 36] Paris, der erneut die besten Nachrichten überbrachte und auch aus England die Nachricht, daß, wenngleich sich dasselbe nicht mit Rußlands Maßregeln in soweit einverstanden erkläre, um sich zur Teilnahme an denselben zu verstehen, so würde es jedoch Rußland nicht hindern und aufhalten in seinen Absichten auf die Türkei.... Welch’ ein Glück für die allgemeine Ruhe Europas, wenn England einsiehet, daß es durch sein falsches Benehmen den allgemeinen Krieg im Begriff war anzuzünden ...

Den heute hier erschienenen Friedensschluß in Persien lege ich hier bei[32]... wären wir doch erst soweit mit der Türkei.

Die abgebrochene Contre-Revolution in Portugal ist eine merkwürdige Sache[33]. England wird da auch etwas ins Gedränge kommen.

St. Petersburg, 28. März/9. April 1828.

Aus England sind die letzten Eröffnungen auch günstiger, indem es wenigstens erklärt, sich nicht Rußlands Maßregeln opponieren zu wollen. Von Österreich fehlt noch immer die seit zwei Monaten erwartete Antwort... mit Frankreich ist der Kaiser außerordentlich zufrieden. Dagegen können die portugiesischen Geschichten wohl nur sehr unangenehm erscheinen. Hätte Don Miguel nur nicht schon in Wien die unglückselige Constitution beschworen, so wäre Alles gut. Aber so ist sein Benehmen unverzeihlich...

Gestern sind Nachrichten aus Bukarest angekommen, die von dem Einrücken eines 6000 Mann starken türkischen Corps in Serbien, von Bosnien kommend, Meldung machen. Es sollen große Grausamkeiten vorgefallen sein und den Serben annonciert worden, daß eine größere[S. 37] militärische Occupation folgen werde und alle Waffen abgeliefert werden sollten. Auch sind türkische Truppen in dem kleinen Freistaat Montenegro eingerückt. Der Kaiser ist über die Serbische Occupation sehr entrüstet, weil dieselbe ganz gegen die Tractate ist und ihm daher nur gerechte Waffen gibt, die Pforte nicht länger zu schonen[34]. Aber es ist wirklich wahr, Alles vereinigt sich, des Kaisers Politik höher und gerechter mit jedem Tag zu stellen. Das ist der Preis und der Lohn für Offenheit, Gewandtheit und Festigkeit in der Politik, die dem Kaiser nie genug zu danken sein wird.

St. Petersburg, den 3./15. April 1828.

.... Der Kaiser hat gestern Depeschen aus London und Berlin erhalten. Die ersteren annoncieren ihm officiell, was er schon wußte, daß England ihn in nichts hindern will, aber ihn aus dem Vertrag getreten betrachtet...

Die verbreitete Nachricht des von der Pforte den Griechen angebotenen Waffenstillstandes, um darauf Negotiationen anzuknüpfen, freut den Kaiser sehr, wenn es eine gegründete Nachricht ist, indem wegen der griechischen Angelegenheit er seine Instruktionen gegeben hat an Lieven und mit denen dieserhalb von England vorgeschlagenen Maßregeln teilweis einverstanden ist. Doch dies Alles hält ihn keinen Augenblick auf, seine eigenen Griefs gegen die Pforte mit gewaffneter Hand zu verfolgen. Den 25. April/7. Mai soll die Armee den Pruth überschreiten; am selben Tage will der Kaiser von hier abgehen...

Die Kaiserin-Mutter hat mit Einemmale ihrer Tochter die Reise hierher abgeschrieben[35], um, da sie nur bis zum August bleiben wollte, ihr diese beschwerlichen Reisen nicht so rasch auf einander machen zu[S. 38] lassen, da die Großfürstin noch Carlsbad brauchen soll später. Ich sehe mit desto größerer Ungeduld Ihrer Antwort entgegen. Der Mensch denkt, Gott lenkt, muß ich immer wieder sagen.

St. Petersburg, 5./17. April 1828.

.... Ansicht über Preußen, die Sie zur Grundlage der Antwort an den Kaiser legen wollen[36]; nämlich die, daß eine Erklärung Preußens an die übrigen großen Mächte Europas, daß es mit der russischen Politik einverstanden sei und die Rechtmäßigkeit seiner Maßregeln vollkommen anerkennt, von dem größten Einfluß auf die übrigen Kabinette in diesem Augenblicke sein wird. Die aus dieser offiziellen Erklärung entspringende Folge ist eine Eröffnung gegen Rußland, daß es unter solchen Umständen auf Preußen in sofern zählen könne, als es etwa in der Verfolgung seiner als rechtmäßig anerkannten Maßregeln von irgend einer Macht gestützt werden sollte. Dies ist der Wunsch des Kaisers; mehr verlangt er nicht... Wenn auf diese Art also Rußland, Frankreich und Preußen einverstanden sind, so dürfte sich so leicht wohl keine Separat-Alliance in Europa bilden, der nicht diese drei Mächte widerstehen würden. Aber gerade durch dieses Zusammenhalten im Prinzip der drei genannten Mächte würde es auch andern gar nicht einfallen, ein Separat-Bündnis zu schließen. Preußens Stellung kommt mir dabei vor wie ein drohender Hund, der nur erst noch warnt.

[S. 39]

Heute noch sagte mir der Kaiser beim Abmarsch der Gardejäger-Reserve und der magnifiquen Fuß-Artillerie: je vous jure devant dieu, que je n’aimerais pas mieux que de tenir la même language envers l’Autriche; mais ils ne font rien pour gagner ma confiance. Voilà deux mois que j’attends une réponse de l’empereur d’Autriche sur une lettre que je lui ai écrit deux jours après qu’il me l’avait demandé...

Schon vor längerer Zeit sagte mir der Kaiser, daß, wenn England wirklich ganz abgesprungen wäre, Frankreich aber fest an Rußland gehalten hätte, wodurch es sich dem benachbarten England leicht hätte exponieren können, so würde er mit Frankreich dieselbe Übereinkunft geschlossen haben, welche der selige Kaiser zur Zeit des französischen Einfalls in Spanien mit Frankreich schloß, nämlich es gegen Englands etwaiges Vorhaben zu schützen, zu welchem Ende der Großfürst Konstantin mit seiner Armee zur Disposition Frankreichs gestellt werden würde. Ehe ein Gebrauch dieses zur Disposition-Stellen gemacht worden wäre, dürften freilich noch manche andere Verhältnisse zur Sprache gekommen sein, jedenfalls zeigt es aber, wie sehr der Kaiser diejenigen Staaten achtet und seiner Unterstützung wert hält, die gleich ihm eine feste, offene, gerade, bestimmte und Treue haltende Politik gehen...

Oft ist mir bei uns schon ein Grauen angekommen, wenn die Armee einmal mobil gemacht werden sollte, wegen des Mangels an jeder Vorschrift über diese Mobilmachung. Vor 6 Jahren ist jedem Armee-Corps aufgegeben worden, einen Mobilmachungs-Plan auszuarbeiten; das ist geschehen und man hat natürlich vermutet, daß die Einreichung dieser Arbeiten befohlen wurde, um nach diesen von jedem einzelnen Corps aufgestellten Ansichten eine allgemeine Bestimmung zu bearbeiten und als Vorschrift zu erlassen. Dies ist aber nicht geschehen. So ist also jedes Armee-Corps in diesem Moment zwar mit einer Arbeit versehen, nach der es isoliert handeln würde, wenn schnell eine Mobilmachung einträte; aber eben so viele Corps existieren, eben so viele Verfahrungs-Arten wird es auch geben und dies ist unmöglich für das Ganze. Ich habe diese Arbeit meines Armee-Corps gleich nach Übernahme des Commandos desselben durchstudiert und angefragt, ob die unendlich vielen zur Anfrage und Bestimmung angehaltenen Punkte nicht zur Erledigung eingereicht werden sollten, aber immer gehört, daß die Einreichung noch nicht befohlen wäre. Bei der Wichtigkeit dieses Gegenstandes habe ich[S. 40] mich jetzt, wo mir diese Verhältnisse hier so oft vor Augen treten, für verpflichtet gehalten, Ihrem gnädigen Ermessen diesen Gegenstand einmal in Erinnerung zu bringen...

Es ist heute ein österreichischer Courier angekommen, der aber wiederum nicht eine Zeile dem Kaiser überbracht hat, was ihn natürlich sehr ungehalten stimmt, wobei er jedoch stets seine Ruhe und Heiterkeit behält...

St. Petersburg, 11./23. April 1828.

Auf die Aufforderung in Ihrem Schreiben, den vorgeschlagenen Schritt noch zu tun, ohne den Marsch seiner Armee dadurch aufzuhalten, will der Kaiser jedoch nicht eingehen... Der Grund... sei, daß ja gerade die Propositionen, die er im December vorigen Jahres den Alliierten gemacht und auf die Sie jetzt wünschten, daß er mit einigen Modificationen zurückkäme, namentlich von England nicht angenommen seien, weil von einer Unterstützung mit gewaffneter Hand gegen die Pforte zur Annahme der Vorschläge die Rede gewesen sei. Jetzt, wo ihn individuelle Beleidigungen der Pforte zwingen, die Waffen zu ergreifen, habe er ja neuerdings allgemein erklärt, daß er trotzdem die Erreichung der Bestimmungen des Londoner Vertrages nicht aus den Augen verliere und daher beiden Angelegenheiten de front gehen würden. Hierin glaubt er, würden Sie ungefähr oder eigentlich dasjenige finden, was Sie vorschlügen. Daß nun England hierauf erklärt hat, daß es ihm sich nicht opponieren werde, aber auch nicht ihn mehr als in der Alliance seiend betrachte, dafür könne er nichts und ein erneuter Antrag dieser Art wäre ihm daher unmöglich zu machen... Dennoch versuchte ich aus Ihrem Briefe an mich dem Kaiser Ihren Antrag nochmals so darzustellen und annehmbar zu machen, daß Sie selbst recht wenig auf den glücklichen Ausfall dieses Schrittes bei der Pforte rechneten, aber Sie die Annahme hauptsächlich darum wünschten, um sein Recht nur noch heller erscheinen zu lassen, nachdem alle Versuche gemacht sind, friedlich zum Ziele zu gelangen; aber er gab mir wiederum dieselbe Antwort.

Der österreichische Courier... ist doch der Überbringer der langersehnten Antwort gewesen, was Graf Zichy jedoch einige Tage für sich behalten hat. Das Schreiben... enthält die längst bekannte Demarche[S. 41] Österreichs gegen die Pforte wegen des Waffenstillstandes und eine Menge Besorgnisse über die inneren Verhältnisse von Frankreich und der Halbinsel. Daß Graf Capo d’Istria den Waffenstillstand nicht angenommen hat, sondern die Instruktionen der drei ihn anerkannthabenden Mächte erwartet, die gewiß negativ sein werden, dürften Sie bereits wissen...

St. Petersburg, 14./26. April 1828.

Vorgestern erhielt der Kaiser aus London die Anzeige, daß das englische Kabinett die Proposition der österreichischen Intervention in der orientalischen Angelegenheit gänzlich von der Hand gewiesen habe, indem England niemals darauf eingehen könne, die völlige Freiheit Griechenlands als mit son (Englands) état physique unvereinbar anzuerkennen. Da dieser Vorschlag Österreichs, der ja bei der Pforte einseitig gemacht war, von den drei alliierten Mächten nicht gut geheißen worden ist, so gibt Graf Zichy diesem ganzen Vorschlage den Anstrich, als sei er von der Pforte gekommen und von seinem Hofe nur als ein Vorschlag mitgeteilt worden... Wie leicht übrigens Österreich seine Vorschläge fahren läßt, beweist mir noch mehr die auch vorgestern eingegangene Depesche des Grafen Tatischtscheff, die dem Kaiser meldet, daß er eine offizielle Unterredung mit Graf Metternich gehabt habe, der ihm annoncierte, daß unter den jetzigen Verhältnissen auch Österreich sich bewogen fühle, seine Relationen mit der Pforte aufzugeben und sich in Gemeinschaft mit Preußen dem trilateralen Vertrage anschließen würde... Auf mein Befragen, was er, der Kaiser, für einer Meinung sei wegen dieses Vorschlages, erwiderte er, daß ein Artikel des trilateralen Vertrages festsetze, daß, wer sich demselben anschlösse oder anschließen wolle, nicht zurückgewiesen werden würde... Daß Österreich anfing schwankend zu werden, zeigte sich wohl seit drei Monaten und namentlich seit der gewissen freimütigen Eröffnung von hier aus, die wohl mehr aus dem Leben gegriffen war und mehr Eindruck auf’s österreichische Cabinett gemacht hat, als es dasselbe eingestehen will... Nach dem jetzigen Benehmen und Vorschlägen Österreichs scheint es mir, als wäre eine dergleichen fortgesetzte Einwirkung auf dasselbe und namentlich so, wie sie der Kaiser im Februar von Ihnen wünschte, doch wohl auch zum Ziele führend gewesen und ich sage es mit einigem Stolze, Preußen[S. 42] hätte alsdann den Ruhm gehabt, die Einheit herbeizuführen, die es so sehr wünschte, während es jetzt umgekehrt geschieht und zwar von einer Macht, die sich das enorme Dementi gibt, seine stets vorgeschützten Prinzipien zu verleugnen oder aufzugeben, um das Ziel zu erreichen, was ihr früher ganz fremd sein wollte... Was England zu all dem sagen wird, ist am merkwürdigsten zu erwarten. Gott gebe, daß die Einheit endlich zu Stande kommt. Ob es die Furcht vor dieser wahrscheinlichen Einheit Europas ist oder die Concentrierung der russischen Armee, um die Grenze zu überschreiten, welche die Türken bewogen haben, den Großherrn zu zwingen, in Allem den Forderungen der Alliierten nachzugeben, ist jetzt noch nicht zu entscheiden, weil alle Details fehlen... Der Beweis würde wenigstens in dem Benehmen der Türken liegen, daß die Einheit nicht durch Österreich bisher gestört worden wäre und das Ernstmachen der Kriegsdrohung nicht beständig seit Jahren gegen Rußlands Forderungen und Vorschläge zurückgewiesen worden wäre, wir schon seit sehr langer Zeit zu dem Resultate gelangt sein würden, was sich jetzt ergeben zu wollen scheint.

St. Petersburg, 24. April/6. Mai 1828.

Durch die erste Ihrer Entscheidungen sehe ich mich nun endlich nach einer langen Reihe von Jahren, die voller Bewegung und Unruhe für mein Inneres waren, der Aufklärung und Feststellung meiner Zukunft mit der Gewißheit entgegen, die wenigstens für jetzt dem Teil gewahrt ist, der die Wahl getroffen hat. Die vorläufige Bestimmtheit hängt nun freilich noch von der Annahme der Wahl ab. Wie tief mich der Gedanke angriff, so weit nunmehr über meine Zukunft aufgeklärt zu sein, braucht keiner Worte. Aber die Worte des Dankes gegen Sie, teuerster Vater, kann ich nicht unterdrücken, daß Sie durch Ihren Ausspruch meinem Leben eine bestimmte Richtung gegeben haben. Wie in jeder Ihrer Bestimmungen, die auf mein ganzes Lebensverhältnis Einfluß haben, erkenne ich und erkläre ich auch hier wiederum nur Gottes Führung. Die getroffene Wahl war gewiß Sein Wille. Und so gehe ich getrost einem Zeitpunkt entgegen, der über mein ganzes ferneres Leben entscheidet, wenn die Wahl aufgenommen wird, da es einen Gegenstand betrifft, dem ich längst meine ganze Achtung gewidmet[S. 43] hatte, und an dessen Erwählung nur der Umstand hinderlich war, daß ich nicht leichtsinnig ein so zartes Verhältnis sich gestalten sehen wollte als es sein wird, in welchem nunmehr zwei Schwestern zu einander zu stehen kommen sollen... Was Ihre zweite Entscheidung betrifft, die mir das Beiwohnen der Campagne abschlägt, so können Sie leicht denken, daß ich von der Gewißheit, dieses so innig gewünschte Projekt aufgeben zu müssen, wie vernichtet war... Sie haben diesen Wunsch aus einem Gesichtspunkte abgeschlagen, gegen den ich, unter der Gefahr mich persönlich zu hoch oder zu niedrig anzuschlagen nichts einwenden kann... Hier, kann ich nicht verhehlen, hat Ihre abschlägige Antwort den Eindruck gemacht, als sei sie ein Beweis, daß Preußen doch wohl nicht so Rußlands Partei diesen Moment halte, als man es hoffte und glaubte... Für meine Persönlichkeit ist es mir sehr wert gewesen, daß hier die Freude über die Hoffnung, mich bei der Armee zu sehen, ebenso groß war als jetzt die Trauer, daß es nicht sein kann. Es mag dies etwas egoistisch und eitel lauten und nur auf diese Gefahr durfte ich es aussprechen.

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Der obige Brief ist die Antwort des Prinzen auf ein Schreiben seines königlichen Vaters aus Potsdam vom 20. April 1828:

Die Hauptgegenstände Deiner Briefe, auf die es ankommt, lassen sich auf drei Hauptpunkte reducieren: 1. Deine Verbindungsangelegenheiten, 2. die politischen Angelegenheiten, 3. die Campagne-Projekte betreffend.

Was den ersten Punkt betrifft, so habe ich mich darüber oft genug ausgesprochen, um alles Gesagte nicht von Neuem wiederholen zu müssen. Nach meinem Dafürhalten ist also jetzt leider nur auf Prinzessin Augusta Rücksicht zu nehmen. Gern überschickte ich Dir der Prinzessin Cäcilie wegen ein schriftliches Gutachten Hufelands, allein er ist schleunigst nach Ludwigslust berufen worden, da Alexandrine uns große Besorgnis gegeben. Ich hätte sehr gern gesehen, wenn Du womöglich die Ankunft der Großfürstin in Petersburg abzuwarten im Stande gewesen wärest... Den zweiten Punkt betreffend, muß ich mit Leidwesen bemerken, daß von Neuem Mißverständnisse über das, was hier beschlossen worden, entstanden sind, die ich zu berichtigen für höchst notwendig halte und deshalb[S. 44] beiliegendes P. M. habe anfertigen lassen. Die Nachrichten, die man über die Absichten Österreichs in Petersburg hat, stimmen nicht im geringsten mit den unsrigen, denn unter anderem ist die Armee noch nicht einmal auf den Friedensfuß complett und statt 11000 Pferde, die verlangt worden sind, um die Kavallerie-Regimenter zu complettieren, hat der Kaiser nur 3000 bewilligt. Die Nachricht der 200000 Mann, die man ausgehoben haben soll, ist also nur ein leeres Gerücht gewesen, denn wie gesagt: noch ist vom Kaiser kein Beschluß gefaßt, die Truppen auf den completten Friedensfuß zu setzen. Erst gestern erhielt ich von Wien aus diese Auskünfte. Es muß also durchaus Leute geben, die, um sich wichtig zu machen, dergleichen Gerüchte verbreiten, vielleicht weil sie glauben, sich dadurch angenehm zu machen... Nach allen Nachrichten scheint auch der türkische Einfall in Serbien wenigstens sehr übertrieben dargestellt, wo nicht gar durch die Zeitungen schon widerrufen zu sein.

Nun kommt der dritte und letzte Punkt. Sehr freundschaftlich und gütig war es vom Kaiser, Dir den Vorschlag gemacht zu haben, den türkischen Feldzug mit ihm zu machen. Daß ich es Dir jedoch nicht bewilligen kann, liegt klar zu Tage; die Gründe dazu wirst Du nach einiger Überlegung selbst zu finden im Stande sein. Wenn das Vaterland in Gefahr kommt, dann ist es Zeit, daß die Prinzen vom Hause mit leuchtendem Beispiel vorangehen, bis dahin aber liegen ihnen andere Pflichten ob. Erfahrung läßt sich allerdings in einem solchen Feldzuge sammeln und sein Leben auf’s Spiel zu setzen, finden sich auch wohl Gelegenheiten. Beides steht aber nicht im Gleichgewicht, da die dort zu sammelnde Erfahrung gegen jede andere Kriegsmacht wenig Anwendung finden dürfte; ich wäre also vor Gott verantwortlich, wenn ich zugäbe, daß Du in einer ganz fremden Angelegenheit Dein Leben aufs Spiel setzt.

Demnach also halte ich für passend, daß Du des Kaisers und Charlottens Abreise noch in Petersburg abwartest, dann aber Dich unverzüglich hierher zurückbegiebst. Ich weiß wohl, daß Dir das nicht gefallen wird, allein ich kann und darf nicht anders handeln, als es meine Pflicht ist...

[S. 45]

Die Brautwerbung.

Auf die in Petersburg verbrachten vier Monate folgte im August 1828 ein kurzer Aufenthalt in dem Ostseebad Doberan; Varnhagen v. Ense weiß zu berichten, daß man unterdessen aus Petersburg unter der Hand bei der Prinzessin Marie anfragte, wie sie sich zu einer Heirat ihrer jüngeren Schwester mit dem älteren Bruder ihres Gatten stellen würde; man erhielt am russischen Hofe darüber wohl eine beruhigende Antwort; so sehr aber die Heirat des Prinzen Wilhelm nun auch entschieden war, „so hielt man dies doch noch ganz geheim“, ja im Juni schien sie dem klatschsüchtigen, aber trefflich unterrichteten Beobachter „noch keineswegs in Richtigkeit; man tut auf der russisch-weimarischen Seite sehr kostbar und der Prinz ist eben auch nicht sehr eifrig“. Dieser traf am 11. September in Wien ein, um dort den Manövern beizuwohnen; militärische Interessen und die Schilderung höfisch-gesellschaftlicher Interessen stehen in den Briefen der nächsten Wochen im Mittelpunkt; am 11. November reiste er wieder ab, um, ohne Berlin zu berühren, über Prag und Teplitz nach Weimar zu gehen. Denn von dort war nun der auch für seine Zukunft entscheidende Schritt erfolgt: man erwartete ihn als Brautwerber.

Schon 1823 hatte von Augusta v. Weimar Goethe in Marienbad geäußert, daß sie „ein ganz liebenswürdiges und originelles Geschöpf sei, das schon jetzt ganz seine eigentümlichen Gedanken und Einfälle habe“, und als sie verlobt war, rühmte er „ihren hellen Verstand, ihre hohe Bildung, ihr reiches Wissen: sie hat etwas gelernt, sie kann schon mitsprechen in der Welt“. Dieses Urteil des geistigen Hofes von Weimar wird durch eine Äußerung Wilhelm v. Humboldts bestätigt und ergänzt, der 1827 an den preußischen Minister v. Stein schrieb: „Prinzessin Augusta soll schon in früher, kaum der Kindheit entgangener Jugend einen festen und selbständigen Charakter haben. Ihr lebendiger und durchdringender Geist spricht aus ihrem Blick; ihre Züge sind im höchsten Grade bedeutungsvoll und ihre ganze Gestalt wird sich — wenn sie nicht ein wenig zu stark ist —, in einigen Jahren gewiß noch schöner als sie jetzt schon erscheint, entwickeln.“

Wien, den 26. September 1828.

Mit etwas ruhigerem Herzen kann ich Ihnen heute Mitteilung über die mich am wichtigsten und meisten interessierende Angelegenheit machen[37]. Ich erhielt nämlich gestern einen Brief vom Großherzog[S. 46] von Weimar, der mir sehr herzlich und freundschaftlich auf den meinigen antwortet. Und wenn freilich die Hauptperson noch nicht geredet hat, so bin ich doch schon zufrieden, daß der Vater sich beistimmend ausspricht, indem er schreibt: „Eben so offen wie Sie verehrtester Prinz, mit mir reden, gestehe ich Ihnen, daß ich nicht Nein sagen werde, wenn meine Tochter das Ja, bezüglich auf Sie ausspricht, welches Sie, gnädigster Herr, nicht ungern hören werden. Augusta sah Ew. Kgl. Hoheit freilich nur als erstere gleichsam noch ein Kind war; jetzt muß meine Tochter Sie, verehrtester Prinz, mit anderen Augen betrachten; es ist daher ratsam, daß man sich wiedersehe und spreche. Ich brauche wohl nicht hinzuzusetzen, daß Sie, lieber gnädiger Herr, uns in jeder Hinsicht sehr willkommen sein werden.“

Der Nachsatz enthält also auch zugleich die Weisung, was gewünscht wird und die stillschweigende Antwort auf meine Demarsche bei Prinzessin Augusta selbst. Leider ist es aber nicht mehr möglich, über Berlin bis zum 30. September in Weimar zu sein. Außerdem fehlt mir auch noch eine Antwort von der Groß-Fürstin, die ich wohl jedenfalls abwarten muß, ehe ich nach Weimar reise...

Weimar, den 14. Oktober 1828.

Meinem Reiseplan gemäß bin ich am 12. glücklich hier angelangt, aber nicht, wie ich hoffte, um Mittag, sondern erst Abends 7 Uhr, indem ich beim Passieren des Erzgebirges von einem so ungeheueren Gewitter mit rasendem Sturm und Regengüssen überfallen ward, daß, wenngleich ich die Reise ununterbrochen fortsetzte, doch nur fast im Schritt fahren konnte, da die Nacht über alle Maßen dunkel war. So machte ich die 22 Meilen von Teplitz[38] bis Leipzig in 22 Stunden und mußte, um noch zur Soiree wenigstens hier zu sein, ohne zu dinieren bis hier fahren. Ich gestehe es, ich kam etwas matt an und die Erwartung eines solchen Wiedersehens, das meiner hier wartete, war auch nicht[S. 47] gemacht, meine Kräfte zu stählen. Karl[39] war mir bis Eckartsberga[40] entgegengekommen und fachte meine matten Lebensgeister wenigstens durch gute Aussichten hier auf. Ich machte in Eckartsberga halbe und hier ganze Toilette und erschien dann bei der verwitweten Großherzogin[41], wo, wie alle Sonntage, große Soiree war. Die Herrschaften empfingen mich sehr gnädig und zuvorkommend. Marie hatte aber glücklicher Weise sich mit ihrer Schwester und einer Gräfin Gourief in dem letzten Salon etabliert, sodaß ich dort also ohne viele Zeugen das erste Wiedersehen hatte. Daß dasselbe zwar mit starkem Herzklopfen, sonst aber mit allen den Formen geschah, als sei nichts im Werke, versteht sich. Prinzessin Augusta, die ich embelliert finde, empfing mich mit großer Herzlichkeit, wie ich es immer an ihr gewohnt war. Sie jetzt noch mit ganz anderen Augen betrachtend als früher, kann ich mir nur stets Glück wünschen, daß die Wahl auf sie fiel. Ihr Verstand, Geist, ihre Herzlichkeit und Herzensgüte spricht sich bei jeder Gelegenheit aus. Und ich möchte der Bemerkung gern Raum geben, als dürfte ich mir Hoffnung machen, mit glücklichem Erfolge einst hier abzugehen. Freilich konnte bis jetzt zwischen uns noch nicht viel verhandelt werden, was uns sehr viel näher in der zu erzielenden Beziehung gebracht hätte, denn dazu ist uns noch nicht Marge gegeben worden, aber Anspielungen konnte ich doch fallen lassen, die freilich nur mit starkem Erröten und embarassiertem Ausweichen beantwortet wurden.

Ich wünsche jetzt nur, bald klar über meine Zukunft zu sehen. Die Großfürstin sagte darauf, daß sie ihrer Tochter ganz freien Willen in ihrem Entschluß ließe; ihr einstiges Verhältnis zu Marie sei so delicat, daß sie nur eine wirkliche Neigung dasselbe überschreiten machen könne. Daher müsse eine genaue Bekanntschaft vorausgehen und Sie würden mir gewiß alle Zeit bewilligen hier zu bleiben, um dieselbe machen zu können. Ich bemerkte darauf, daß, was mich beträfe, eine nähere Bekanntschaft zu machen wohl nicht nötig sei, da ich mit Bedacht und Überzeugung, glücklich zu werden, die Hand der Princeß gefordert habe;[S. 48] doch, da mir vor allem daran liegen müsse, daß die Prinzessin mich aus ebenfalls eigener Überzeugung wähle, so würde ich abwarten, bis ich Ihren Beschluß darüber vernehmen würde. Da bis gestern mir jedoch auf keinerlei Weise Gelegenheit geboten ward, die Prinzessin zu sprechen anders als in großem Cerkel, so ließ ich darüber mein Bedauern durch Karl und Marie aussprechen, was denn zur Folge gehabt, daß ich jetzt eine Entrevue haben soll... Ich hoffe zu Gott, daß ich nach diesem Gespräch etwas klarer über die Ansichten der Prinzessin Augusta werde urteilen können als bisher, wo alles nur auf Mutmaßungen und Beobachtungen basiert ist.

Die Morgende verstreichen hier stets mit Jagden, von denen ich vergeblich bisher wegen einer Entrevue zurückbleiben zu dürfen bat.

Ihr Sie zärtlichst liebender Sohn
Wilhelm.

Weimar, den 20. Oktober 1828.

Von hier und meinen hiesigen Verhältnissen kann ich Ihnen die besten Nachrichten geben, wenngleich ich noch nichts officielles mitteilen kann, indem von oben herab man noch schweigt. Aber in den unteren Haupt-Regionen ist es nicht mehr so stumm geblieben und dies ist allerdings die Hauptsache. Da ich nach einigen Tagen Aufenthalt hier bemerkte und nach den Äußerungen der Großfürstin es vielleicht mit Bestimmtheit ersah, daß sie wünschte, die Sache wenigstens nicht zu übereilen, wenn nicht auf die lange Bank zu schieben, dem ich mich ruhig unterworfen haben würde, wenn ich bemerkt hätte, daß Prinzessin Augusta mit dieser Hinausschiebung aus Unentschlossenheit einverstanden war, ich dies Letztere von der Prinzessin keineswegs gewahr ward, sondern mir aus hingeworfenen und sehr gut aufgenommenen und wohl verstandenen Worten die Überzeugung wurde, daß ich Alles zu hoffen hätte, so beschloß ich meinen Angriff direkt zu machen. So kam es denn, daß ich am 16. Abends nach dem Souper allein im Salon stand mit ihr, ihren zerbrochenen Eventail[42] in der Hand haltend; sie verlangte denselben zurück und indem ich ihr denselben hinhielt, legte ich meine Hand in die ihrige, sie fragend: wollen Sie diese behalten? Sie verlor[S. 49] fast alle Contenance vor Rührung, reichte mir aber gleich darauf die Hand hin und dieser Händedruck und ihr Blick sprachen Alles aus, was ihr Mund nicht auszusprechen vermögend war. Sie können denken, wie glücklich ich war und daß die Nacht ziemlich schlaflos dahinstrich. Den ganzen anderen Tag ließ ich ruhig vorübergehen, um die Prinzessin nicht in Verlegenheit zu setzen und nur einzelne Anspielungen erlaubte ich mir. Den 16. erfuhr ich dann von ihr, daß sie der Großfürstin von jener Scene gesprochen habe. Natürlich wollte ich nun gern auch mit dieser sprechen, aber doch abwarten, ob sie nicht zuerst mir ihrer Tochter Antwort sagen würde, die sie mir mitzuteilen gleich in der ersten Unterredung versprach, als ich ihr sagte, daß ich dieselbe ruhig erwarten würde. Da dies aber gestern, am 19., nicht geschah, so erfragte ich durch Prinzessin Augusta, ob ich heute kommen könnte und soeben brachte mir Mary die Antwort, daß ich morgen früh erst zur Groß-Fürstin kommen solle und ließ sie dabei fallen, als wünsche man die Entscheidung bis zum 26.[43], dem Geburtstag der Kaiserin-Mutter, hinauszuschieben. Das würde mich nun gar nicht arrangieren, weil ich, wie Sie sehen, mit der Prinzessin so ziemlich im Klaren bin, diese 8 Tage also noch als eine Comödie verstreichen müssen.

Nach dem Vorgefallenen sehen Sie, daß ich das Ja-Wort der Prinzeß eigentlich bereits habe. Ich glaube mit Zuversicht Ihnen sagen zu können, teuerster Vater, daß ich Ihnen eine Tochter zuführe, mit der Sie zufrieden sein, die Ihnen ihre ganze Liebe schenken wird und der Sie gewiß die Ihrige dann nicht versagen werden. Es ist nicht gut, zu viel Gutes im Voraus weder über innere noch äußere Vorzüge zu sagen; mein Urteil über die letzteren kennen Sie bereits und ich glaube aussprechen zu können, daß die inneren die äußeren übertreffen. Sie werden sich leicht denken können, in welcher Stimmung ich mich befinde, in diesen entscheidenden Tagen, in denen ich mein bisher so bewegtes Leben sich einem sicheren, frohen Ziele sich nähern sehe. Gott schenke mir in Gnaden die Erfüllung der Absichten, zu denen ich mich jetzt berechtigt sehe.

[S. 50]

Weimar, den 25. Oktober 1828.

Kaum weiß ich die Feder zu führen, um Ihnen endlich zu melden, daß der geheimnisvolle Schleier von dem Verhältnis aufgezogen ist, welches sich seiner Entscheidung näherte oder eigentlich im Factum schon entschieden war.

Heute, à la veille des Geburtstages der Kaiserin-Mutter, war dazu ausersehen, um im Familienkreise mir das Ja-Wort der Prinzessin Augusta förmlich zu geben! Die Familie war dazu um 11 Uhr bei der Großfürstin versammelt; die Großfürstin empfing mich im Neben-Zimmer, wohin mich der Großherzog geleitet hatte und umarmten mich beide dort zum Erstenmale als zu ihnen gehörig; sie führten mich nun zu den Übrigen, legten unsere Hände in einander, worauf ich Augusten in die Arme sank, freilich, ohne ein Wort sprechen zu können!!! Die Großherzogin umarmte mich mit einer Herzlichkeit und Innigkeit und solcher Rührung, daß ich fast alle Fassung verlor; so waren denn auch Mary und Carl von einer Herzlichkeit und von einem so tiefen Gefühl, daß ich nie, niemals diese Scene schon wegen Aller Teilnahme vergessen werde, wenn nicht sie es wäre, welche mein Lebensglück mir sichert! Ja! dies kann ich mit aller Überzeugung aussprechen, denn ich habe Augusten in diesen Tagen so ganz kennen gelernt und gesehen, daß ich mich nicht einen Moment in ihr getäuscht habe und sie von jeher richtig beurteilte. Ich preise Gott, der mir in seiner Gnade dies Glück nach so manchem Sturm zu Teil werden läßt und kann nur zu ihm flehen, daß er mich würdig erhalte, dies Glück zu genießen und der Prinzeß das Glück zu bereiten, was mein einziges Streben von nun an sein wird!

Ihr Segen und der der teueren, unvergeßlichen Mutter wird mir nahe sein, jetzt und immerdar, wenn ich mich dessen würdig zeige! Dazu gebe Gott mir die Kraft!

Seit meinem letzten Briefe an Sie hatte ich die Unterredungen mit den zwei Eltern und der Großmutter. Ich kann nicht genug rühmen und loben, wie sehr sämtliche Herrschaften mich mit Gnade und Barmherzigkeit empfingen bei diesem entscheidenden Schritte. Da die Großfürstin sehr wünschte, den heutigen Tag abzuwarten, so konnte ich nach einigem Sträuben doch nichts dagegen einwenden, und ich gab nach.

Wie unendlich gut und liebevoll Augusta in diesen Tagen für mich[S. 51] war und wie ich nun heute seit dem entscheidenden Moment so ganz ihre Liebe zu mir erkannt habe, vermag ich nicht zu schildern. Ich verstehe mich manchmal selbst nicht, denn so wenig bin ich gewohnt, ein Glück festzuhalten und zu besitzen. Die ersten Worte, die mir Augusta heute sagte, zeigten mir eine Tiefe des Gefühls, die sie mir über Alles teuer macht; sie sagte: Möchte ich Ihnen doch jemals die ersetzen können, die ich ersetzen soll! Zweimal wiederholte sie diese Worte! Mehr vermag ich nicht zu sagen!

Sie werden mir wohl erlauben, nun noch 8 bis 10 Tage hier zu bleiben; den Oberst von Lützow sende ich aber nach Berlin mit dieser Freuden-Post, zugleich, weil er meine Geschäfte endlich übernehmen muß. Sie erlauben doch gewiß auch an Karl und Mary nun noch einige Tage über Urlaub zu bleiben, da der erteilte vierwöchentliche Urlaub das heutige schöne Ereignis nicht voraussah.

Die Briefe für Petersburg hat der Oberst Lützow und Sie haben wohl die Gnade, wie bei Karls Versprechung einen Feldjäger mit denselben an die Kaiserin-Mutter zu senden[44]. Den Brief für den Großfürsten Konstantin werde ich morgen nachsenden. Die Großfürstin wünscht, daß bis zur Antwort von der Kaiserin-Mutter Alles noch in Nebel gehüllt bleibe; ich soll es Ihnen ausdrücklich als ihren Wunsch mitteilen. Die Antwort aus Warna[45] wird aber wohl nicht abzuwarten[S. 52] nötig sein. Gott sei Dank, daß Warna über ist. Das war eine Freude und ein Jubel gestern, als ich beim Diner die Estafette mit dieser Nachricht erhielt. Also heute lauter Freude und Frohsinn.

Ich umarme Sie in Gedanken, teuerster Vater, und bitte, der Fürstin mich mit meinem Glück zu Füßen zu legen. Sie wird die Namens-Schwester gewiß freundlich empfangen. Ihren Segen anflehend

Ihr Sie zärtlichst liebender Sohn
Wilhelm.

Weimar, den 31. Oktober 1828.

.... Vor allem war Augusta so gerührt, über Ihre gnädigen Ausdrücke und Bestellungen[46], daß sie kaum die Bestellung dafür an Sie mir auftragen konnte, die jedoch dahin zuletzt lautete: daß sie eigentlich keine Worte in solchem Augenblicke für Sie finden könne, daß sie zu gerührt und beschämt über Ihre Gnade sei und sich so glücklich fühle, Ihnen von nun an näher anzugehören und daß sie nur wünsche, auch in der Folge Ihre Gnade und Liebe zu verdienen. Daß sie sich derselben würdig zeigen wird, kann ich täglich mit mehr Überlegung aussprechen, denn täglich gewinnt Augusta mehr in meinen Augen, in meiner Liebe und Achtung. Doch ich mag ihr Lob nicht zu hoch im Voraus spannen, um sie nicht in der Wirklichkeit hinter demselben zurückbleiben zu sehen...

Wie haben wir uns gefreut über die Rückkehr Nicolaus’ nach Petersburg; welche enorme Freude wird es gewesen sein. Gott sei gepriesen, daß die Campagne doch noch so endigte; denn die letzten Momente waren gar sehr beängstigend. Hoffentlich wird le grand Turc nun im Winter traitable werden.

Weimar, 11. November 1828.

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie auffallend es mir oft ist, in welchem Grade unsere Ansichten über fast alle Lebens-Verhältnisse und überhaupt über alle Gegenstände, die wir besprechen, zusammentreffen und übereinstimmen und wie dennoch Augusta Alles von demselben Gesichtspunkte aus ansieht wie ich. Wie sehr dadurch unser gegenseitiges Vertrauen wächst, läßt sich ermessen und wie froh wir zusammen einer[S. 53] glücklichen Zukunft entgegen sehen. Oft sagt man: die verschiedensten Charaktere geben die besten Ehen; ich denke aber, wir wollen beweisen, daß auch übereinstimmende es recht gut zusammen haben können.

Vorgestern hat die Großfürstin die Unterredung mit mir auf den Zeitpunkt der Vermählung gebracht und gleich damit angefangen zu sagen: nous en sommes pas du tout empressés de marier notre fille. Ich erwiderte, daß in dem Grade, wie man es hier vielleicht nicht sei, man es gerade bei uns im Gegenteil sei; doch ich müßte bitten, zu sagen, was für einen Termin man sich hier denke. Gegen Ende des Sommers, Anfang August, war die Antwort. Ich erwiderte, daß Ihre Ansichten und meine Wünsche darin nicht sehr abwichen, indem wir den Monat Mai wünschten, es also vielleicht nur auf einen Unterschied von zwei Monaten ankäme; doch müßte dieser Unterschied nach unseren Ansichten ausgeglichen werden, indem der Sommer und namentlich der August eine Periode sei, wo ein Beilager in Berlin gar nicht mit dem nötigen Glanze, der doch zu solchen Dingen gehöre und den ich durchaus wünschen müßte, begangen werden könne. Darauf meinte die Großfürstin: dann könnte man ja die Vermählung hier begehen. Dagegen opponierte ich auf das allerbestimmteste, ausführend, daß dies bei keinem Ihrer Söhne der Fall gewesen sei, daß alle meine Verhältnisse und Interessen zu innig mit der Idee, meine Vermählung in Berlin begangen zu sehen, vereint seien, daß ich nie davon abgehen würde. Die Großfürstin sagte darauf, daß, wenn man ihr alle Wünsche abschlüge, sie ihrerseits gewiß in dem des Termines nicht nachgeben werde, denn es sei ihre letzte Tochter und die wäre sie gar nicht expressiert zu verlieren, auch könnte das Trousseau nicht fertig werden, etc. Ich entgegnete, daß Sie gewiß nachgeben würden über den Punkt des Termines, wenn Ihnen Gründe vorgeführt würden, die haltbar seien; die bisher angeführten seien es in meinen Augen keineswegs und würden es auch in den Ihrigen nicht sein, um so mehr, da, wenn der Mai nicht bestimmt werde zur Vermählung, dieselbe bis zum November, December aufgeschoben bleibe, weil die Manöver bis zum Oktober dauerten, die Sie einen Teil des Septembers am Rhein beschäftigten, und dann auch Berlin bis zum December nicht so gefüllt sei, um den gehörigen Glanz den Festlichkeiten zu geben. Da meinte die Großfürstin, das sei um so besser, um so länger behalte sie ihre Tochter, worauf ich aber entgegnete: um so schlimmer, denn um[S. 54] so länger entbehrte ich ihre Tochter, und ich sei alt genug geworden, um keinen langen Aufschub mehr erdulden zu wollen, um so mehr, da auch Karl und Marie nur vom November bis Mai versprochen gewesen wären und Karl doch damals nur 25 Jahre alt war. Kurzum, Jeder blieb bei seiner Meinung und ich endigte damit, daß ich durch den intentionierten Aufschub auch noch die Unannehmlichkeit hätte, nicht einmal häufiger Besuche hier machen zu können, indem ich es mit meiner Pflicht nicht vereinbaren könnte, noch ein zweites Jahr so lange von meinem Wirkungskreise entfernt zu sein, wie in diesem Jahre, indem die Geschäfte nur zu sehr darunter litten, wenn man sie so lange anderen Händen anvertrauen müßte.

Ein ebenso streitiger Punkt war der des Termines der Verlobung. Die Großfürstin will ihn nach Neu-Jahr, weil da die halbe Trauer um ist und man auf einige Tage farbige Kleider und Diamanten usw. anziehen könnte, Conzerte geben ect. Ich versicherte, daß, da die Verlobung doch nur eine Ceremonie sei, ich nicht darauf halte, daß alle jene Dinge dabei sich zutrügen, ich aber durch den gewünschten Termin verhindert würde, früher wiederzukommen, indem ich gehofft hätte, nach Karls Beispiel, gleich nach den Petersburger Antworten verlobt zu werden, also etwa zu Weihnachten; denn daß ich noch einmal herkäme, ohne verlobt zu werden, würde ich natürlich und ganz gewiß nicht tun. Es hinge also nur davon ab, ob ich in 4 Wochen oder in 2 Monaten wiederkommen sollte. Ich werde nun noch mit dem Großherzoge vor meiner Abreise über Alles sprechen und mündlich die Resultate berichten...

Der Fürstin lege ich mich zu Füßen. Seien Sie versichert, daß wir gewiß Alle täglich Gott danken und preisen für das Glück und die Zufriedenheit, die Sie in Ihrem Besitz finden und wir mit Ihnen. Möge es Ihnen lange, lange erhalten werden.

Ihr Sie zärtlichst liebender Sohn
Wilhelm.

Weimar, den 12. November 1828.

Ach! Sie können sich denken, in welchem Zustande wir hier sind. Nein, wie war es denkbar, daß diese teuere Kaiserin[47], die so noch in der Kraft und Fülle der Gesundheit dazustehen schien, so bald uns entrissen[S. 55] werden würde. Ich betrauere in ihr ein Herz, das mir während 11 Jahren mit mütterlicher, wahrhaft mütterlicher Liebe zugetan war und das sich gerade jetzt diesen Namen mit Recht erringen sollte. O wie rührend ist sie noch in ihren letzten Stunden mit meiner Augusta und mir beschäftigt gewesen. Ich kann es nicht verschmerzen, daß sie nicht mehr die Kunde erhielt, daß Alles am Ziel sei...

Weimar den 22. November 1828.

.... Sonst hat die Großfürstin sehr viel Fassung dies Mal gezeigt ... hauptsächlich sagt sie immer, daß ihr der Anblick meines Verhältnisses zu Augusta Ruhe und Frieden wiedergäbe. Sie ist gegen mich von unendlicher Liebe und Herzlichkeit, denn sie sieht mich wie ein Vermächtnis der Kaiserin an, die mich viel mehr kannte als sie bisher und ihr immer so gnädig und liebevoll von mir gesprochen hat...

Wie mir bangt, Sie nach Allem wiederzusehen und zu umarmen, können Sie sich denken. Auf 14 Tage nahm ich von Ihnen Abschied und nun bin ich im dritten Monat schon abwesend.

Wegen des Wiederkommens[48] wird gegenseitig die Zeit zu Weihnachten gewünscht, wo Sie mir vielleicht erlauben, auf 8–10 Tage herzugehen. Die Zeit der Verlobung ist hier noch unschlüssig, teils zum 30. Januar als dem Geburtstag der alten Großherzogin, teils zum 15. Februar als dem Geburtstag der Großfürstin gewünscht, weil dann auch die Hälfte der neuen Trauer um ist. Ich hätte nicht gewünscht, vor der Verlobung wieder herzukommen; doch bei der nun eingetretenen Verzögerung muß ich diesen Plan wohl aufgeben, um so mehr, weil die Verzögerung jetzt einen anzuerkennenden Grund hat, der früher, in meinen Augen, mangelte... Auch habe ich der Großfürstin gesagt, daß ich vermutete, daß nunmehr bei uns wenigstens kein Geheimnis mehr aus meiner Versprechung gemacht werden würde, da keine Antwort mehr, leider, abzuwarten sei.

[S. 56]

Weimar, den 8. Januar 1829.

.... Es scheint ja am politischen Himmel ganz einig mit einem Male auszusehen, in Beziehung auf Griechenland, indem Rußland, Frankreich und England jenes Land als unabhängig gegen die Pforte erklärt haben sollen und daß jeder Schritt von Seiten der Türkei, durch gewaffnete Hand diese Unabhängigkeit anzutasten als ein Angriff auf die drei führenden Mächte betrachtet werden würde. Da dies ganz und gar die Ansicht ist, welche der Kaiser von Österreich und noch mehr Fürst Metternich mir aussprach und es auch wohl die Ihrige gewiß ist, so wäre also in dieser Beziehung eine völlige Einheit der Ansicht eingetreten, wenn nicht Österreich seit den zwei Monaten wieder umgesattelt hat[49].

Berlin, den 5. Februar 1829.

Gestern Abend habe ich die Einlage als Antwort der Großfürstin auf meinen Brief erhalten, in welchem ich ihr in Ihrem Auftrage von dem Zeit-Punkt meiner Vermählung sprach. Daß diese Antwort nicht gleich günstig ausfallen würde, konnte ich wohl vermuten. Daß sie aber so abgefaßt sein würde, wie Sie sehen werden, mußte ich weit entfernt sein zu erwarten, da sie in Ausdrücken und einem Tone geschrieben ist, die ich noch niemals gehört habe. Zum Glück habe ich eine Abschrift der gedachten Stelle meines Briefes behalten, welche ich hier beifüge, um[S. 57] Ihrem eignen Urteile es zu überlassen, ob eine solche Antwort zu erwarten war und jemals zu billigen ist.

.... ich bemerke, daß jene einzige Conversation, welche ich mit der Großfürstin über den Vermählungs-Termin hatte, gar nicht oberflächlich und unvollständig war, denn wir hatten eine Stunde conferiert, als wir unterbrochen wurden; aber Alles war de part et d’autre völlig durchgesprochen, wie ich es Ihnen damals schrieb.

Daß ich neulich nicht wieder von dem Gegenstande sprach, war bei der erneuten Trauer sehr begreiflich. Und jetzt, wo also ein Austausch der Ansichten eingeleitet wird, erhalte ich diese Antwort, die mir vorwirft, im vernichtenden Tone geschrieben zu haben und die Pretension aufstellt, daß Sie hätten selbst schreiben müssen...

Weimar, den 16. Februar 1829.

Schon in Wittenberg hatte ich eine Antwort der Großfürstin auf meinen Brief erhalten, die ich beilege, und also Frieden geschlossen war. Den fand ich also auch durch die Art meines Empfanges als etabliert bestätigt und so störte nichts die Freude des Wiedersehens.

Ich habe gestern meiner Prinzeß das Brautgeschenk, die Perlen, überreicht, die sehr gütig von Allen aufgenommen wurden. Heute übergab die Groß-Fürstin an Augusta ihr Braut-Geschenk, in einem Kamm und Collier von Rubis balais bestehend, ganz superbe.

Um Mitternacht. Die Verlobung ist vorüber und ich dadurch um einen bedeutenden und wichtigen Schritt näher dem so lang ersehnten Ziel. Gott wolle mir stets die Zukunft so heiter und zufrieden gestalten, als sie mir jetzt leuchtet und wie es die Gegenwart ist. Dies ist Alles sagen, was ich vermag, indem es ja alles sagt, was ich über Augustens Eigenschaften aussprechen kann. Die wichtigen Momente im Leben weiß sie gerade auf eine so schöne und hohe Art zu nehmen und mit mir zu besprechen, daß sie mir täglich edler und besser erscheint. Zu Gott flehe ich, daß er sie mir so erhalte und mich ihr würdig.

Ewig ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 58]

Weimar, den 1. März 1829.

Ihre Wünsche sowie die meinigen sind hinsichtlich des Termines und Ortes glücklich erreicht... ich habe mich mit der Großfürstin vor mehreren Tagen völlig über Alles ausgesprochen, Vergangenes und Zukünftiges; über das Vergangene sagt sie, sei Friede geschlossen durch die gegenseitig zuletzt gewechselten Briefe. Über die Zukunft, d. h. Termin und Ort der Vermählung[50], erklärte ich, daß ich Ihnen Alles übergeben hätte, seitdem Sie die Gnade gehabt hätten, auf jenen Brief der Großfürstin an mich zu antworten, ich also ganz nach Ihren Ansichten handeln würde und gleich Ihnen ruhig der Entscheidung entgegen sähe. Schon in dieser Unterredung merkte ich, daß sie entschlossen war, in Alles einzuwilligen, daß aber, wie sie damals sagte Mühe haben würde, den Großherzog zu disponieren.

Weimar, den 10. März 1829.

Gerade in diesem Jahre den heutigen[51] Tag entfernt von Ihnen und dem teueren Ort zu begehen, der uns in der Mittagstunde zusammenführt, können Sie leicht denken, ist mir eine unendlich schmerzliche Entbehrung. Denn wie viel umfassend müßte heute wohl ein Gebet sein, daß an jener Stelle nur um so inbrünstiger und bedeutungsvoller gewesen sein würde. Ich habe ihren Segen erfleht auf Alles, was in diesem Jahre mich so entscheidend treffen soll. Wäre sie noch unter uns, so hoffe ich, würde sie mit der getroffenen Wahl zufrieden gewesen sein[S. 59] und die neue Tochter geliebt haben. An dem heutigen bedeutungsvollen Tag muß ich Ihnen also Augusta von Neuem empfehlen und Ihnen allein, da keine Mutter sie bei uns empfängt, deren Segen aber immer unter uns bleiben wird und so sich auch auf Augusten ausbreiten wird...

Die Mitteilungen kürzlich über unsern Finanz-Zustand haben allgemeines Interesse erregt, da sie den Flor desselben ankündigen. Mir, als Militär, ist dabei natürlich die ersparte Summe von 600000 Tlr. beim Kriegs-Etat in die Augen gesprungen und wenn ich freilich vermuten muß, daß diese Ersparnis für andere militärische oder allgemeine Staats-Haushalts-Angelegenheiten verwandt worden ist, so hat sich bei mir der Wunsch aufgedrängt, ob nicht ein Teil dieser Summe zum Etat des Kriegsministers gebracht werden könnte und zwar, um dafür unsere Cavallerie-Regimenter zu verstärken. Diese Argumentation scheint mir dasjenige zu sein, was Ihre Armee am notwendigsten bedarf, sobald die Finanzen es erlauben. Da Sie selbst vor Kurzem die Ansicht aussprachen und ich durch die Anschauung der starken russischen und österreichischen Cavallerie-Regimenter erneut auf die Wichtigkeit der Argumentation der unsrigen aufmerksam ward, so habe ich mich mit diesem Gegenstande beschäftigt... bei der Wichtigkeit des Gegenstandes und der vielleicht disponiblen Fonds unterstehe ich mich, hierauf aufmerksam zu machen, hoffend, daß diese freilich unberufene Einmischung mir von Ihnen nicht ungnädig aufgenommen werden wird.

Weimar, den 6. Juni 1829.

Um 11 Uhr bin ich hier angelangt und habe Alles wohl angetroffen, wenngleich auch Alles durch die bevorstehende Trennung und die vielen Abschieds-Scenen recht wehmütig gestimmt ist.

Vor allem soll ich aber melden, daß die Groß-Fürstin und der Großherzog sich entschlossen haben, nunmehr auch zur Vermählung nach Berlin zu kommen. Die Großfürstin fragte mich, ob sie es ohne Ihre Einladung tun dürfe; ich erwiderte, daß es den Eltern wohl nie benommen werden könne, ihr Kind zur Vermählung zu begleiten. Nun, dann soll mich der Kaiser beim König melden, sagte die Groß-Fürstin; der Großherzog wird Ihnen selbst dieserhalb schreiben... Sie können sich denken, wie froh Augusta und ich über diesen Entschluß ihrer Eltern sind, der den Abschied noch etwas hinausschiebt. Es ist kaum möglich, unter[S. 60] schöneren und froheren äußeren Auspizien eine Vermählung zu feiern; man könnte ganz hochmütig werden, wenn man nicht die Demut zu Hilfe nimmt. Gott gebe eine so glückliche Zukunft, als der Moment schön ist.

Halle, den 7. Juni 1829.

Die glücklich erfolgte Ankunft Augustens an Ihrer Grenze und im ersten Nachtquartier Merseburg eile ich Ihnen sogleich zu melden. Der heutige Morgen war natürlich ein schwerer Moment für meine arme Braut. Früh 7 Uhr waren wir in der Kirche, wo wir Stärkung und Fassung erflehten. Der Lehrer Augustens predigte und recht von Herzen. Bis 11 Uhr blieben wir dann beisammen en famille. Um halb 12 erfolgte die Abreise. Ich fuhr fort, als das Abschiednehmen begann. An der Grenze erwartete ich Augusta, wo sie kaum eine halbe Stunde nach mir eintraf und ich sie im neuen Vaterlande bewillkommnete. Im starken Regen verließen wir Weimar, aber an der Grenze schien die Sonne herrlich und warm. Möge es ein günstiges Vorzeichen meiner Zukunft sein. Wie glücklich ich mich fühle, Augusta bei uns zu wissen, begreifen Sie. Und nun auch zu sehen, wie sie sogleich nach der schweren Trennung eine Stütze in mir sucht, ist mir unbeschreiblich rührend und tröstlich.

Von der Grenze bis Merseburg fehlte es denn auch nicht an unzähligen Ehrenpforten, Reden, Gedichten, weißgekleideten Mädchen. Alles war sehr hübsch geordnet, ordentlich und herzlich. Morgen will Augusta noch in Merseburg dem Gottesdienste beiwohnen und um 10 Uhr abreisen. Ich habe mich der Etikette wegen hierher begeben, werde aber zur Kirche in Merseburg sein. Gott geleite uns gnädig in Ihre Arme und in die Mitte der teueren Familie.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Weimar, den 26. Oktober 1829.

Preußen scheint in einem nie gekannten Ansehen in Süddeutschland zu stehen und wohl sehr mit Recht. Ein Aufsatz im Hesperus, einer Dresdner Zeitschrift[52], zeugt hiervon aufs deutlichste, den ich mit großem[S. 61] Interesse gelesen habe. Hier ist der Preußen-Sinn noch nicht der stärkste, was sich neuerdings durch den auf 12 Jahre verlängerten Zoll-Verband der kleinen Mächte erweiset. Ich habe hier mehrere der Herren gesprochen, die Alle wünschen sich anzuschließen an Preußen und Bayern ect., aber eine gewisse Rückschau ist allenthalben bemerkbar, die sie nie mit ganzer Sprache herauskommen läßt. Ich habe ihnen also die Zunge zu lösen gesucht und gesagt, daß wir wohl wüßten, daß Preußen von Wien aus als eine gefährliche, sich vergrößernde Macht geschildert würde, daß ich aber ersuchte, den Weg zu beobachten, den Sie seit 15 Friedensjahren[S. 62] gegangen wären, ob da wohl im geringsten eine solche Tendenz bemerkbar sei? Die embarassierten und widersprechenden und nichtssagenden Antworten, die ich darauf erhielt und die mir große Genugtuung waren, vermag ich hier nicht aufzuzeichnen. Auch an diesen Antworten habe ich gesehen, daß die Wahrheit ohne Rückhalt gesagt, Wunder wirkt, da man noch selten gewohnt ist, die Sachen und Verhältnisse beim rechten Namen zu nennen. Trotz dem 12jährigen Bunde kamen jetzt Deputierte nach Berlin, um zu einem gemeinsamen Bunde zu unterhandeln, also sind jene 12 Jahre eine reine Chimäre...

Weimar, den 5. November 1829.

Ich habe noch eine sehr lange und interessante Unterredung mit dem hiesigen Faiseur, Geheimrat Schweitzer[53], gehabt, den mir der Großherzog schickte, um über die Handels-Verhältnisse zu sprechen. Ich habe gegen ihn wie gegen Alle die gleiche offene und wahre Sprache geführt und die Satisfaction gehabt, zu sehen, daß auch dieser aus Verstand und Finesse zusammengesetzte Mann nichts einwenden konnte gegen die Tatsache, die ich anführte, nämlich daß ich niemals ein freundschaftliches Verfahren und kein annäherndes gegen Preußen darin finden könnte, wenn man sich in einem anti-Preußischen Bund auf 12 Jahre länger bindet, während man zugleich mit Preußen unterhandeln will. Da ich ganz und gar die Stellung Preußens so erkannt habe, wie Sie es angeben, so hoffe ich durch die freie Darlegung dieser unserer Stellung hier vielleicht Gutes bewirkt zu haben. Die Groß-Fürstin sprach mir heute ganz in diesem Sinne, nachdem sie noch vor wenigen Tagen, wie ich durch Augusta weiß, eine ziemlich andere Gesinnung offenbart hatte. Ja, sie ging sogar so weit, daß sie sagte: Sie müßten mehr tun, um Deutschland zu sich und von Österreich abzuziehen. Ich erwiderte, daß ich nicht glaubte, daß Sie dies tun würden, da mir dies auch nicht nötig schien, indem es nur Jalousie geben könne, auf der andern Seite aber Sie die Satisfaction bereits hätten, viele Mächte sich Ihnen[S. 63] nähern zu sehen, und in einem Worte faßte ich es so zusammen: Le Roi verra venir les autres.

Eine Klage, die ich öfters schon hörte und hier auch wieder, ist die, daß die Beamten nicht immer in dem geziemenden Tone zum Auslande sprechen und daß namentlich die Räte in den Ministerien und Regierungen darin fehlen und dadurch, daß sie in anmaßendem Ton reden und schreiben, sie mehr die Stimmung gegen Preußen als für dasselbe gewinnen. Eine Prüfung der Befehle in diesem Punkte dürfte gewiß nicht überflüssig sein, obgleich ich meine Überzeugung darüber dahin ausgesprochen habe, daß die Arrogance einiger Beamten doch unmöglich eine Mißstimmung gegen eine sonst so anerkannt erleuchtete Regierung erzeugen könne.

[S. 64]

Das eigene Heim.

Berlin, den 11. März 1830.

Nachdem Sie so gnädig gewesen sind, für Carl und Albrecht bestimmte Palais zu ihren immerwährenden Wohnungen anzuweisen, darf auch ich wohl erneut mit der Bitte herantreten, auch uns ein wirkliches Palais verleihen zu wollen. Da freilich nun alle vorhanden gewesenen prinzlichen Palais, außer der Universität, zu ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückgekehrt sind, so kann erklärlich nichts anderes übrig bleiben, wenn Sie die Gnade haben wollen, mich mit meinen Brüdern gleich zu stellen, als ein Privathaus zu wählen und dasselbe nach Palaisdimensionen einzurichten und umzubauen oder ein ganz neues zu erbauen. Zu letzterem Projekte lag Ihnen bereits früher ein Plan vor.

Wir können aber nicht leugnen, daß seitdem wir unser jetziges Haus bewohnen, uns die Lage desselben in jeder Beziehung so angenehm und so jeder anderen Lage vorzuziehen erscheint, daß wir den Plan gefaßt haben, dasselbe uns von Ihnen als bleibende Palais zu erbitten und es dieserhalb dem notwendigen Umbau zu unterwerfen. Wir haben daher einen Plan zu diesem Umbau selbst entworfen, ihn auch durch Geh. Rat Schinkel[54] prüfen und corrigieren lassen, und dieser Plan ist es, den ich Ihnen in der Anlage untertänigst vorlege[55].

Das Palais Wilhelms I. vor dem Umbau
Miniaturbild auf einem Prunktisch in den sogenannten Großherzoglichen Gemächern im Palais


GRÖSSERE BILDANSICHT

Der große Übelstand, der unserem jetzigen Hause anklebt, ist, daß es weder Hofraum noch Stallungen hat und wegen seiner geringen Ausdehnung und Terrainbesitz keine Vergrößerung erlaubt, ohne das Grund[S. 65]stück, welches der Minister von Schuckmann jetzt inne hat, zu überschreiten.

Ohne Zuziehung dieses Grundstückes zu dem unsrigen ist daher eine Palais-Einrichtung hier für uns unmöglich. Der anliegende Plan zeigt, in welcher Art allein auf eine bequeme Art die Ställe und Remisen angelegt werden können und wie dadurch ein Hofraum noch übrig bleibt, der die notwendigste Größe hat.

Was nun unser Haus an und für sich anbetrifft, so glaubten wir anfänglich die Mauern der unteren Etage conservieren zu können: es hat sich aber gezeigt, daß sie viel zu schwach sind, um einen höheren Bau zu tragen; auch daß die Balkenlagen der Etagen schon so verdorben sind, daß sie erneuert werden müssen. Das Haus wird daher müssen ganz abgerissen werden; die dadurch entstehenden Kosten werden durch das dabei gewonnene Material wiederum gedeckt. Um dem Hause aber einige etwas größere und Palaisdimensionen im Innern geben zu können sowie eine regelmäßige Mitte, die ihm bisher fehlte, so ist eine Vertiefung nach dem Hofe zu, eine Erweiterung auf die Hälfte des kleinen Gartens und ein Überbau über die Gasse nach dem Niederländischen Palais[56] projektiert, wozu die Genehmigung der Tante[57] einzuziehen sein würde. Die so zu gewinnende Mitte ward bedingt durch das Grundstück der Bibliothek, von welchem dennoch einige Fuß genommen werden mußten und daher nicht noch mehr vom kleinen Garten zugezogen werden konnte. Der Rest des Gartens würde in eine Art Terrasse verwandelt werden können. Der kleine Hof hinter dieser Terrasse mußte wegen einiger Bibliotheksfenster ausgespart werden.

Die Einteilung der Wohnungen in den verschiedenen Etagen geht aus den Plänen hervor. Was die Wohnung anbetrifft, so ist sie für den Fall der möglichen Nachkommenschaft bestimmt. Das jetzige Schuckmannsche Haus würde nur die drei Wohnungen der Oberhofmeisterin und der beiden Hofdamen aufnehmen, sowie das Hofmarschallamt, meine beiden Militärbureaus und die Wohnung für das auf Quartier Anspruch habende Domesticale. Sollte dann noch Raum übrig bleiben, so würde ich einige[S. 66] meiner alten Diener, welche bis zu meiner Verheiratung freie Wohnung hier hatten, dort unterbringen, die es wohl verdienen, da einer derselben jetzt 30 Jahre, ein anderer 28 Jahre, 20 Jahre bei mir ist. Außerdem reicht das Kellergelaß im zu erbauenden Palais nicht aus, so daß die des Schuckmannschen Hauses ebenfalls gebraucht würden.

Sie werden sich hiernach gnädigst überzeugen, daß, wenn streng genommen nicht das ganze Schuckmannsche Haus vielleicht gebraucht würde, doch eine Teilung desselben unmöglich ist, es auf der anderen Seite wiederum gar nicht zu entbehren ist. Auch in der Zukunft dürfte es vielleicht noch sehr nützlich werden.

Die Unterbringung des Ministeriums des Innern dürfte keine Schwierigkeiten haben, indem das Haus des Staatskanzlers in sofern disponibel ist, als der Geheimrat v. Stägemann[58] in demselben zur Miete wohnt. Die Bureaus des Ministers Graf Lottum[59], welche sich in jenem Hause befinden, oder die des Ministers v. Schuckmann[60] würden die Acquisition eines kleinen Locals nötig machen. (Als Carl sein Palais erhielt, mußten für den Generalstab und für das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten gleichfalls Locale beschafft werden.) Übrigens wird die Deplacierung des Ministeriums des Innern ungefähr erst in zwei Jahren nötig, da der ganze Bau und die Einrichtung bis zum Einziehen wohl drei Jahre erfordern würde, im dritten Jahre aber erst mit dem Bau der Stallungen vorgeschritten zu werden braucht. Im Schuckmannschen Hause selbst würden nur unbedeutende Wohnungseinrichtungen vorkommen, wie dies in jedem lang bewohnt gewesenen Hause der Fall ist, die Damen sich überdies selbst möblieren müssen und für die Bureaux-Einrichtung alles existiert.

Demungeachtet kommt der Kostenanschlag schon hoch genug und erreicht dieselbe Summe, welche alle diejenigen Projecte erreichten, die ich Ihnen voriges Jahr vorlegte. Der Geh. Rat Schinkel hat nämlich den Bau nach den höchsten Sätzen (die des Museums) angeschlagen, um eher dahinter in der Ausführung zu bleiben, als sie zu übersteigen,[S. 67] wonach derselbe mit der ganzen Einrichtung bis zum Einziehen 340000 Thlr. beträgt. Von den hierin begriffenen 80000 Thlr. Einrichtungskosten gehen die sämtlichen Möbel ab, welche bei der Einrichtung unsers jetzigen Hauses angeschafft wurden, wodurch die Summe noch um Etwas also sich ermäßigt.

Was für eine Einrichtung hinsichtlich unsers jetzigen Hauses und des Schuckmannschen getroffen werden soll, wird von Ihrem Befehl abhängen, ob dieselben nämlich von ihren jetzigen Behörden erkauft werden oder ob sie wie bisher auf deren Rechnung benutzt werden sollen. Das unsrige gehört nämlich dem Militärfond und das Schuckmanns der Landeswitwenkasse. Der Kauf beider Grundstücke würde ungefähr 100000 Thlr. betragen.

Wenn Sie nun die Gnade hätten, diesen Bau zu genehmigen, so würde ich vorschlagen, denselben unter Schinkels Leitung durch einen Militärcommissarius, Capitän Moser, ausführen zu lassen, weil derselbe gewiß manche Ersparnis erzielen wird.

Während des Baues selbst würden wir Sie gnädigst ersuchen, uns im Schloß eine Wohnung zu bestimmen, vielleicht einen Teil des großen Appartements des seligen Königs, sodaß ich meine alten Zimmer wieder bewohnen könnte. Auf diese Art wird keines des gewöhnlich im Gebrauch seienden Fremden-Appartements der Disposition entzogen.

Wir dürfen vielleicht um so rascher einer Entscheidung von Ihnen entgegensehen, da für diesen Sommer unserm Hause, wenn wir es so ferner bewohnen müßten, eine Hauptreparatur bevorsteht, indem das Dach fast ganz neu gebaut werden muß, die Schornsteine so baufällig sind und so feuergefährlich angelegt, daß die Balken seit mehreren Wochen, vom Putz abgefallen, in den Schornstein frei hineinstehen, daß sie neu gebaut werden müssen, wobei sämmtliche Plafonds ruiniert werden und wahrscheinlich auch die Tapeten; die Balkenlage zwischen den Etagen teilweise erneuert werden muß, wodurch also die Parquets und die ganzen Stuben ruiniert würden. Somit würde diese Hauptreparatur sehr viel Geld kosten und doch nur ein sehr schlechtgebautes Haus nur teilweise ausflicken.

Wie schön übrigens das neu zu schaffende Palais den Platz hier zieren würde, brauche ich kaum anzuführen, da es zu den übrigen schönen Gebäuden ein schöner Schluß sein würde, um so mehr, da,[S. 68] wie ich höre, die Statue Friedrichs des Großen hier vor unsern Fenstern errichtet werden soll.

Der Geheimrat Schinkel hängt freilich sehr an seinem früheren Projekt auf dem Packhofe, was gewiß sehr schön ist, aber wegen seiner zurückgezogenen Lage uns mit der hiesigen Lage nicht vergleichbar erscheint. Ich lege dieses Projekt auch wiederum bei[61] und bemerke nur, daß der Kostenbetrag desselben, wie ich ihn voriges Jahr angab, viel zu gering war und er nach den jetzt für den hiesigen Bau von Schinkel angenommenen Sätzen sich nicht auf 300000 Thlr. beläuft, sondern auf 415760 Thlr., wobei der Bau von zwei Quais und der Ankauf des Platzes (aus dem Museumsfond) nicht mit inbegriffen ist.

Um die Übersicht zu haben, wie die jetzigen Grundstücke, welche wir und Schuckmann bewohnen, zu einander liegen und gebaut sind und wie die projektierten Veränderungen sich dazu verhalten, habe ich den Plan C beigefügt. So sehr wir nun erwartungsvoll Ihrer gnädigen Entscheidung entgegen sehen, wohl einsehend, daß es nichts Geringes ist, was für uns wir von Ihrer Gnade erbitten, namentlich wenn ein Vergleich der nötig werdenden Summen gegen die Summe gezogen wird, welche Sie für Carl und Albrecht bewilligt haben, aber dies gehet lediglich aus dem Verhältnis hervor, daß bei uns nicht wie bei den Brüdern von der Einrichtung eines Palais zum Palais, sondern von der Umformung eines Privathauses in ein Palais die Rede ist, da keine Palais mehr vorhanden sind, wenn nicht das Projekt wieder aufgenommen würde, die Universität dadurch wieder disponibel zu machen, daß man sie nach dem dazu einzurichtenden Academiegebäude überträgt.

Sollten wir von Ihrer Gnade die Bewilligung der hier gemachten Vorschläge erlangen, so würden wir Ihnen unendlich dankbar sein, wie wir es schon für so viele Beweise Ihrer Liebe und Gnade ewig sein werden.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Berlin, den 29. April 1830.

Soeben erhalte ich ein Schreiben des Kriegsministers, eine Antwort auf den Vortrag, den ich ihm in Bezug auf meine militärischen Aus[S. 69]gaben gemacht hatte, in welcher er mir Ihre genommene Entscheidung über diesen Punkt mitteilt. Wenngleich ich gehofft hatte, von Ihrer Gnade einen Zuschuß zu erhalten, bei den ganz klar nachgewiesenen Mehrausgaben jährlich von 800 Rthlr., so muß ich Ihre abschlägige Antwort hierauf freilich ruhig hinnehmen, nicht so aber kann ich dies mit der Ankündigung, die Sie mir durch den Kriegsminister machen lassen, daß Sie mich vom Commando der ersten Gardedivision entbinden wollten, wenn mich dasselbe wegen meiner pecuniären Verhältnisse geniere. Vor 10 Jahren berief mich Ihre Gnade zu diesem Commando, noch in einem sehr frühen Alter. Als Sie mich wenige Jahre darauf an die Spitze des III. Armeecorps stellten[62], beließen Sie mir jenes Commando und da durfte ich wagen zu hoffen, daß Ihr Vertrauen und Ihre Zufriedenheit mit meinen Leistungen es war, die mich dieses Vorzuges eines doppelten Commandos würdigten. Die Anhänglichkeit, welche ich an dies mein erstes selbstständiges Verhältnis habe, sowie, ich darf es aussprechen, die Anhänglichkeit, welche mir jene Untergebenen seit 10 und 12 Jahren bewiesen haben, sind Ihnen nicht unbekannt geblieben; meinen ganzen Stolz setzte ich in das bewiesene Vertrauen, einem Commando vorzustehen, von welchem die Instruction in die ganze Armee übergegangen ist und jährlich übergeht. Und diesen mir so teuer gewordenen, ehrenvollen Posten lassen Sie mir jetzt anbieten, um 400 Rthlr. aufzugeben, nachdem Sie durch den Kriegsminister mir sagen ließen, daß Sie annehmen, daß die Prinzen Ihres Hauses es als eine Ehrensache betrachten würden, wenn Ihre Gnade ihnen Militärcommandos anvertraut. Ich darf es Ihnen nicht verschweigen, daß dies Anerbieten, aus diesem Grunde, mein Inneres so gewaltsam erschüttert hat, daß nur Tränen meinem gepreßten Herzen Luft machen konnten. Das Gefühl der Ehre ist in mir so rege, daß es sich nur mit dem Gefühl der Dankbarkeit vergleichen kann, welche mich belebt, daß Ihre Gnade mich berief, in ausgedehntem Wirkungskreise dieses den Militär-Stand allein leitende Princip immer mehr zu verbreiten und recht innig mit dem Geiste meiner Untergebenen zu verschmelzen. Daß Sie dies Ehrgefühl je bei Ihren Söhnen vermissen könnten, ist unmöglich. Unfähig werden Sie mich daher auch halten, aus Mangel an Ehrgefühl und um[S. 70] 400 Rthlr. weniger auszugeben, eine Stelle aufzugeben, die bisher mein Glück wegen ihrer Wichtigkeit und wegen Ihres bewiesenen Vertrauens machte. Sollte ich dies Vertrauen verloren haben, so bin ich jeden Augenblick bereit, einem Würdigeren meine Stelle zu überlassen.

Was nun jedoch den von Ihnen verminderten Zuschuß von 800 Rthlr. betrifft, so muß ich mich wenigstens über den Verdacht rechtfertigen, als wäre jene Forderung unbillig. Denn ich kann nur annehmen, daß dies der Grund ist, der mir Ihre Verweigerung zuzog. Ich unterstehe mich daher Ihnen hier meine ganzen pecuniären Verhältnisse darzustellen.

Der mir bewilligte Etat von 88000 Thlr. ist in seine bestimmten Etats abgeteilt und Ersparnisse bei denselben sind sehr unsicher. Für unsere Person beziehen die Princeß und ich jeder 6000 Thlr. von diesem Haupt-Etat, von welchem, wie Sie leicht denken können, bei der Princeß, die gar nichts von zu Hause erhält, nichts erspart werden kann; ich kann nicht nur nichts zurücklegen, sondern brauche die mir von Ihnen so sehr gnädig verliehenen 11000 Thlr. Zulage vollkommen. Sollten Sie eine Durchsicht meiner Rechnungen befehlen, so scheue ich diese nicht, da ich, eingedenk Ihrer Worte, als Sie mir jene Zulage gaben: „daß wir auch eine gute Anwendung von derselben machen sollten“ versichern darf, daß die Hälfte auf Unterstützungen verwendet ist. Der erste Jahresabschluß meiner Etats-Rechnungen hat eine Ersparnis von 4000 Thlr. ergeben. Davon sind 3000 Thlr. zur Reise nach Weimar gebraucht worden, so daß 1000 Thlr. erspart sind. Sollte eine solche Reise also auch nur ein Geringes mehr einst kosten, so ist gar kein Überschuß vorhanden. Dieser Fall dürfte bereits in diesem Jahre eintreten, wo die schlesische Reise, die zur Revue usw. vorkommen werden. An den mir bewilligten Inspektionsreise-Geldern wird fast nichts erspart, da sie nach dem Bedürfnis bewilligt wurden. Aus dieser getreuen Übersicht werden Sie sich gnädigst überzeugen, wie sehr mich eine, nun also zur Norm werdende Mehrausgabe von jährlich 800 Thlr. genieren muß, da die möglichen Ersparnisse nur hinreichen, extraordinäre Ausgaben wie Reisen ect. zu leisten. Was nun noch die Summe betrifft, welche ich mein Vermögen nenne, und welche aus den Ersparnissen seit meinen Kinderjahren besteht, die mir der General Braun im Jahre 1817 übergab sowie aus der Erbschaft von Mama und aus den Etatersparnissen bis zum vorigen Jahr, so beläuft sich diese auf 70000 Rthlr. Von denselben habe ich[S. 71] beinahe 30000 Thlr. teils zinsenfrei, teils verzinset nach und nach verliehen und dürften mehrere (Teile) dieser Summe, wie ich bereits mehrfach die Erfahrung gemacht habe, wohl nicht zurückzuerhalten sein, ohne geizig und indelicat zu erscheinen.

Das ist also die einzige Summe, über die ich disponieren kann, die sich aber, wie gezeigt, nicht vermehren, sondern nur vermindern kann. Wenn Sie nun gnädigst bedenken, daß ich noch keine Besitzung habe, also weder zur Acquerierung einer solchen noch zur Unterhaltung derselben diese Summe bisher verwandte, ich auch noch kein Palais besitze, dessen Einrichtung gewöhnlich die angeschlagenen und bewilligten Kosten, wie bekannt fast bei allen Bauten, übersteigt, Sie diese Mehrkosten aber, wie bei Carls Palais-Bau, nicht zu übernehmen die Gnade haben, so werden Sie sich ebenso gnädigst überzeugen wollen, daß ich alle Ursache habe, mit meinem sogenannten Vermögen haushälterisch umzugehen, ungerechnet, daß man doch vernünftiger Weise eine Summe sich für unvorhergesehene Fälle und für jede Zukunft zu erübrigen sucht.

Ihrer gnädigen Überzeugung und Ansicht muß ich es nun, nach dieser wahrhaften Darstellung, überlassen zu beurteilen, ob ich eine unbillige Forderung tat, wenn ich um 800 Thlr. Zuschuß antrug und bemerke ich nur nochmals, daß ich beim Generalcommando 6 Zulagen an Adjutanten zu zahlen habe, aus dem Militär-Zuschuß, während Fritz[63] mit demselben Zuschuß nur 3 Zulagen zahlt, hier also eine Vergleichung, wie Sie sie mir durch den Kriegsminister aufstellen lassen, nicht haltbar erscheinen dürfte. Daß ich diese Zulagen jedoch verringern sollte, kann wohl in Ihrer Intention nicht liegen, da es sich mit der Würde meiner Stellung nicht vereinigen läßt.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 72]

Der Hallenser Kirchenstreit.

Ems, den 19. Juli 1830.

Die Ereignisse zu Halle[64] in kirchlicher Hinsicht ziehen die Aufmerksamkeit von ganz Deutschland ungemein auf sich. Überall hört man davon sprechen und ist sehr gespannt auf ihren Ausgang. Niemand kann sich denken, daß die zwei questionierten Professoren im Amt bleiben können, da eine bloße Verwarnung nicht ausreichend erscheint bei der allgemeinen Aufmerksamkeit, die die Sache erregt hat, und ein Exempel zu statuieren wohl im höchsten Grade notwendig geworden ist. Denn bei dem regen Leben für Religion und deren Wahrheiten, das sich jetzt wiederum zeigt, sollte ich meinen, könnte man der entgegengesetzten Richtung der verfälschten Religion nicht kräftig und bestimmt genug entgegentreten. Daher erscheint mir der Ausgang der Halleschen Händel ungemein wichtig in jeder Beziehung. Sehr schlimm ist es freilich, daß die gedruckte Dogmatik[65] dieser Herren so allgemein verbreitet ist, so allgemein nach ihr gelehrt wird und von allen rationalistischen Geistlichen, deren es nur noch zu viele gibt, den jüngeren Theologen empfohlen und gepriesen wird, so daß die Absetzung des Verfassers im Amt zwar noch[S. 73] nicht Allem abhelfen wird, aber doch Allen die Augen öffnen muß... Eine andere Klippe, die zu umschiffen bleibt, ist nun wieder die sogenannte Frömmelei, die affichierte Zungen-Religion, worin mir viel Eitelkeit und überhebendes Wesen zu liegen scheint, sowie ein böser Schritt zum Sectieren und Separieren. Ich höre, daß Herr v. Gerlach, der Bruder des meinigen[66], der jene Hallenser Dinge ans Licht brachte, auch in dieser frömmelnden Richtung sein soll und da wäre es auch wohl weniger eitel gewesen, wenn er die Sache nicht hätte drucken lassen, so ihm ja der Weg offen stand, Ihnen die Anzeige jener Abscheulichkeiten zu machen...

[S. 74]

Die Pariser Julirevolution.

Mit dem Regierungsantritt Karls X. im Jahre 1824 waren in Frankreich rückschrittliche Tendenzen und Elemente erneut ans Ruder gekommen. Gesetzgebung, Verwaltung und Presse gerieten in mannigfache Abhängigkeiten, Parteikämpfe erfüllten die Kammern, Leitungen, Gerichte und Salons, deren Debatten einen europäischen Widerhall fanden. 1828 kam es zu einer regierungsfeindlichen Mehrheit unter den Deputierten; an Stelle des Ministerpräsidenten Villèle amtierte Herr von Martignac, der vergeblich versuchte, eine gemäßigte Mittelpartei zu bilden. Karl X. glaubte daher im Juli 1829 ein Ministerium seiner Wahl einsetzen zu können, an dessen Spitze der unbeliebte Herzog Jules de Polignac trat. Der König hoffte durch Erfolge in der auswärtigen Politik durch Eroberungen am Rhein oder durch Kolonialerwerb in Algier eine Regierung nach seinem Sinne durchführen zu können; als aber die heimgeschickte oppositionelle Mehrheit der Deputierten-Kammer durch die Neuwahlen wieder dorthin zurückkehrte, begann die Situation sich zuzuspitzen; der „rechtlose Willkürakt“, durch den Karl X. mit seinen „Ordonnanzen“ vom 25. Juli 1830 das Wahlrecht einschränkte und die Preßfreiheit aufhob, kostete ihm den Thron. Die Pariser Revolution vom 26. bis 29. Juli, deren allgemeine Bedeutung nach einem Worte Jakob Burckhardts in seinen „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ als europäische Erschütterung viel größer als die spezielle politische war, der dreitägige Aufstand, in welchem die Pariser Liberalen durch das großstädtische Proletariat den legitimen König davonjagen ließen und den nationalen auf den Thron setzten, das Werk der studierenden Jugend und gleich ihr republikanisch gesinnter Arbeiter triumphierte über die militärischen Mittel des verblendeten Königs. Der Befehlshaber der königlichen Truppen, Marschall Marmont, konnte die Lage nicht halten; die „Ordonnanzen“ wurden zurückgezogen und ein volkstümliches Ministerium mit dem Herzog von Mortemart in Aussicht genommen; trotzdem aber verhandelte der König insgeheim mit den Männern um Polignac weiter und verlor somit die letzte Möglichkeit eines Ausgleiches; in der Frühe des 30. Juli hatte der jugendliche Thiers, der Redakteur des „National“, der am meisten zum öffentlichen Widerstande gegen die „Ordonnanzen“ beigetragen hatte, durch einen glänzend stilisierten öffentlichen Aufruf auf den Herzog von Orléans als auf den kommenden Mann Frankreichs hingewiesen. Im Stadthaus von Paris führte der alte Lafayette wie einst im Jahre 1789 die Nationalgarden des Landes, und die Riesenstadt zitterte vor einer Wiederholung blutiger Straßenkämpfe.... da beschleunigte jener meisterhafte Aufruf die Bildung einer Partei Orléans.

Louis Philippe, Herzog von Orléans, hatte sich in den entscheidenden Tagen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen; jetzt erging an ihn die Aufforderung, den Posten eines Generalstatthalters zu übernehmen, der er sich nicht mehr entziehen konnte. Im[S. 75] Laufe des 31. Juli hatte er durch eine Proklamation diese Würde angenommen und zeigte sich mit Lafayette unter der Trikolore dem Volk: das Schicksal Karls X. war besiegelt; am 2. August hat er mit dem Dauphin auf die Krone verzichtet, und wenige Tage später bestieg der „Bürgerkönig“ Louis Philippe den Thron von Frankreich. Seine europäische Anerkennung ist verhältnismäßig rasch erfolgt.... Prinz Wilhelm weiß in den nachfolgenden Briefen dieses Vorgehen der Mächte nicht scharf genug zu tadeln. Im selben Monat, am 25. August 1830, brach in Brüssel die belgische Revolution aus; noch waren die europäischen Kabinette durch die französischen Ereignisse derartig verwirrt, daß sie diesen neuen, gefährlichen Unruhen zunächst verhältnismäßig gleichgültig gegenüberstanden. Durch einen Besuch bei dem ihm verwandten niederländischen Hofe Im Haag hatte Prinz Wilhelm die Ereignisse in Paris fast aus nächster Nähe miterleben können; wenn ihn auch Ende August desselben Jahres eine militärische Inspektionsreise nach dem Rheinland rief, so blieb er doch mit dem niederländischen Hofe in enger Verbindung und erlebte den Beginn der Trennung der durch die Willkür der Großmächte 1814/5 zusammengekuppelten Nationalitäten der Holländer und Belgier.

Das kunstreiche Gebilde des europäischen Friedens mit seinen wohlabgemessenen und aufeinander berechneten Pfeilern, Legitimität der Krone, christlicher Sinn der zur heiligen Allianz vereinten Monarchen-Völker, die je nach ihrer geschichtlich gewordenen Eigentümlichkeit ihren gesetzlichen Anteil am Leben besaßen —, dies Gebäude, umsorgt von den einen, gehaßt von den andern, das selbst die gefährliche Erschütterung des Aufstandes der Griechen gegen ihren legitimen Sultan schließlich überdauert zu haben schien, stürzte zusammen. Kunst, Weisheit und Gesittung, die in seinem Innern Schutz gefunden hatten, schienen aufs neue gefährdet. Nichts Geringers als einen Rückfall in die Barbarei, einen neuen Dreißigjährigen Krieg weissagte Niebuhr. Die Angst, daß wie vor vierzig Jahren das Feuer nicht auf seinen Herd beschränkt bleiben und die Welt wiederum in seine Flammen getaucht werden würde, schien Recht zu bekommen, als die Revolution nach Belgien übergriff. Preußen begann vielleicht gar, nicht allein durch die Nachbarschaft der Rheinprovinz, sondern vor allem durch das nahe verwandtschaftliche Verhältnis seines Königs zu dem Beherrscher des niederländischen Gesamtstaates — Friedrich Wilhelms III. Schwester Wilhelmine war die Gattin des Königs der Niederlande — unmittelbar hineinverwickelt zu werden, ganz abgesehen davon, daß sich für ein revolutionäres Frankreich aus dem benachbarten — belgischen — Ereignis ungeahnte Möglichkeiten zur Wiederaufnahme der Politik von 1792 ergaben. Eine Wolke neuer Revolutionskriege drohte am Horizonte heraufzuziehen.... Doch die belgischen Verhältnisse klärten sich.... die Londoner Botschafterkonferenz gab der von den Revolutionären durchgeführten Trennung ihren nachträglichen Segen; im Januar 1831 wurden unter dem Vorantritte Preußens von dem vereinigten Europa die Grundmauern des zukünftigen belgischen Staates gelegt.

Im Haag, den 28. Juli 1830.

.... Der gestern hier bekannt gewordene Coup d’état des Königs von Frankreich erregt allgemeines Aufsehen und allgemeine Besorgnisse. Die Nachrichten, die man hier haben will, sollen, wenn sie gegründet[S. 76] sind, die Besorgnisse sehr gegründet erscheinen lassen und eine nicht zu berechnende Reaction befürchten lassen. Im entgegengesetzten Falle, d. h. wenn dieser Coup d’état glückt und ohne Reaction verläuft, so ist Charles X. nur Glück zu wünschen, denn die Wirtschaft würde doch zu toll in Frankreich, wenn nicht, so sind leider die Folgen unberechenbar.

Im Haag, den 2. August 1830.

Wenngleich ich annehmen darf, daß Sie von Allem unterrichtet sind, was sich Schreckliches in Paris in den Tagen vom 27. bis 30. ereignet hat, so nehme ich keinen Anstand, dasjenige Ihnen hiermit schleunigst zukommen zu lassen, was man hier teils direkt, teils indirekt erfahren hat. Die Abdication des Königs und des Dauphins zu Gunsten des Herzogs von Bordeaux, unter Vormundschaft des Herzogs von Orléans, scheint sich nicht zu bestätigen. Herr d’Agoult, von dem erst heute die ersten Meldungen eingegangen sind, schreibt, daß Marschall Marmont noch einen Teil von Paris besetzt hält; eine Deputation der sich constituiert habenden Regentschaft hat ihm folgende Vorschläge gemacht: Der König soll sogleich das Ministerium wechseln, sogleich die Ordres vom 25. Juli zurücknehmen und die Kammern zum 3. berufen, dann wolle man weiter mit ihm unterhandeln. Marmont habe erklärt, er habe keine Instruktionen, werde aber Polignac aufsuchen, der in der Nähe sei. Nach einer halben Stunde sei er mit der Antwort gekommen, daß auf solche Conditionen nicht unterhandelt werden könnte, worauf ihm die Deputation erwidert: Voulez-vous donc la guerre civile? was Marmont mit einer stillschweigenden Verbeugung und weggehend beantwortet habe. Der König soll, nach Einigen, mit 8–10000 Mann nach der Vendée, nach Anderen nach Lille sich gewendet haben. In Lille waren auch Unruhen ausgebrochen, die aber durch die Garnison ohne Blutvergießen gestillt worden sind. Nach eben eingehenden Nachrichten hat die Stadt aus ihrer Mitte eine Municipalität gewählt. Die ganze Picardie soll im Aufstand sein. In Rouen sind die Unruhen den Parisern gleich gewesen. Da alle Nachrichten übereinstimmen, daß die Garde und die übrigen Truppen in Paris trotz des enormen Verlustes treu geblieben sind und von der übrigen Armee also wohl dasselbe zu erwarten steht, so behalte ich die Hoffnung, daß, wenn der König nur fest bleibt, er noch im Stande sein wird, die Sache herzustellen, wenn die erste Wut in[S. 77] Paris sich gelegt haben wird und zugleich die Politik des übrigen Europas sich als recht einig und imposant darstellt. Der König der Niederlande, bei dem ich gestern und vorgestern in Loo[67] war, wo gerade diese Nachrichten ankamen, war noch unentschieden, was er tun sollte; bevor er irgend ein Message an Karl X. sendet, falls er sich der Grenze nähert, will er erst abwarten, was derselbe für Maßregeln ergreift, doch scheint es, werden hier die Grenz-Festungen stärker besetzt und armiert und Alles zu einer schleunigen Complettierung und Mobilmachung vorbereitet. Der König hier ist der Ansicht, daß, den Fall ausgenommen, daß Charles X. mit seiner treu bleibenden Armee die Ruhe und seine Autorität wiederherstellt, jeder andere Fall nur die mittelbare oder unmittelbare Einwirkung der bewaffneten Macht der anderen Staaten nach sich ziehen kann, d. h. entweder einen Grenz-Cordon oder geradezu einen Einmarsch in Frankreich auf Wunsch seines Königs, um ihn zu restituieren. Aber dann nur Einheit und Übereinstimmung, um nicht etwa einzeln sich Extras auszusetzen. Mir scheint dies Raisonnement des Königs sehr richtig. Er ist für seine südlichen Provinzen ganz ruhig bis jetzt, und mit Recht, da alle geheimen Nachrichten von dort den Geist als sehr gut beim Empfang der schrecklichen Pariser Begebenheit schildern. Die Festigkeit des Königs diesen Winter hier gegen die Generalstaaten ist von unberechenbarem Nutzen also gewesen, wie man sieht. Gott gebe, daß alles so bleibt.

Das Extra-Blatt des Courier français, welches die heillose Proclamation Lafayettes an die National-Garde enthält, wie die 1000 anderen kleinen Charakter-Züge der citoyens, werden Sie wohl erhalten haben, da es hier angekommen ist wie sonst die gewöhnlichen Zeitungen.

Ihnen den Eindruck, den dies Alles auf mich gemacht hat, zu schildern bin ich nicht im Stande. Bei Lesung dieser Sachen glaubt man Zeitungen von vor 40 Jahren zu lesen. Es ist wirklich gräßlich. Ich hatte den festen Glauben, bei Allem, was man in Frankreich sich trainieren sah, daß dennoch nichts zum Ausbruch kommen würde, weil eben die Nation die Greuel einer Revolution gesehen hat und kennt, und also eher wie jede andere davor zurückbeben müßte. Aber nein. Eine 40jährige bittere Erfahrung hat sie nicht klüger, nicht ruhiger gemacht.

[S. 78]

Sollte es wirklich zu Truppenbewegungen in dieser großen Catastrophe kommen, so darf ich wohl mit Bestimmtheit darauf rechnen, daß Sie mich nicht vergessen werden, wenn selbst mein Corps nicht mobil gemacht würde.

Soeben erfahre ich, daß der englische Ambassadeur hier sich bereits über die französischen Angelegenheiten abgesprochen hat und zwar Englands Verhalten als völlig passiv geschildert, selbst in dem Fall, daß Charles X. die Unterstützung der Alliance in Anspruch nimmt. Daß man hier diese Ansicht nicht teilt und wohl nicht von vielen Gouvernements geteilt werden dürfte, begreift sich leicht, und namentlich ist wohl Niemand mehr interessiert an der Sache als Preußen und Niederland durch die langen Grenzen. Die Unbegreiflichkeit der englischen Politik verleugnet sich also wiederum nicht. Mögen nur die anderen Mächte recht einig sein und einen gemeinschaftlichen raschen Entschluß fassen, denn mir scheint, daß der moralische Eindruck, den dies in Frankreich machen muß, so groß sein wird, daß ein Krieg dadurch évitiert wird. Trennung und Zeitverlust scheint mir in diesem Moment das Unglücklichste zu sein. Graf Douavaroff geht als Courir nach Petersburg auf Wilhelms[68] Wunsch und bringt diesen Brief nach Berlin; vielleicht dürfte von Ihrer Seite diese Gelegenheit nach Petersburg gleich benutzt werden, um Ihre Ansicht dahin zu überbringen.

Soeben erhielt Fritz einen Brief eines niederländischen Generales, der gerade auf Urlaub sich in Paris befunden hat und am 29. Mittags es verließ während der tollsten Massacres. Seine Schilderungen sind schrecklich. Die umgekommenen Menschen werden zwischen 15 und 20000 angegeben. Alle Bäume auf den Boulevards sind umgehauen, um Verhaue zu bilden, damit die Cavalerie nicht agieren konnte.

Im Haag, den 4. August 1830.

Die heutigen Nachrichten aus Frankreich sagen, daß der König auf dem Marsch nach Nantes ist, daß aber die ihn begleitenden Truppen nach und nach (ihn) verlassen und daß die Nachrichten, die man in Paris über die Stimmung der Vendee hat, sehr ungünstig lauten. Wohin wird sich also der König wenden? Der heute angekommene Constitutionel[S. 79] indigniert aufs Äußerste durch seine revolutionäre Sprache und durch die Erzählungen über des Herzogs von Orleans Benehmen. Es scheint danach aber nicht, daß der Herzog für den König und seine nächsten Agnaten zu arbeiten scheint. Die Sache des Königs scheint demnach verloren zu sein, sowie die des Dauphins; werden sie resignieren zu Gunsten des Herzogs von Bordeaux? Wird der Herzog von Orleans die bloße Vormundschaft über den Bordeaux übernehmen wollen? Wird Charles X. nicht die Unterstützung der Alliance in Anspruch nehmen, um die Legitimität wiederherzustellen und einzusetzen? Dies sind wohl Fragen, die ganz Europa jetzt in Bewegung setzen werden und deren Antwort die größten Folgen haben muß.

Wäre doch eine Zusammenkunft der großen Souveraine[69] jetzt schnell möglich, um einen großen schnellen Entschluß zu fassen. Denn bevor man zusammenkommt, muß Alles so klar schon sein, daß man einen Entschluß fassen kann.

Der König ist heute vom Loo hier eingetroffen; es werden die Grenz-Festungen, welche nicht hinreichende Garnisonen haben, stärker besetzt werden, dieselben gegen einen gewaltsamen Angriff vorbereitend armiert werden und zum 1. September, wo die Beurlaubten stets einkommen, aber nicht vollzählig, sollen dieselben complett eingezogen werden, mit Ausnahme der Reserve-Bataillone. Man ist hier natürlich sehr gespannt, was Sie wegen Luxemburg und Saarlouis befehlen werden, so wie überhaupt auf die vorbereitenden Maaßregeln am Rhein,[S. 80] da die Niederlande von Niemand eher und kräftiger Unterstützung erwarten können, als von Preußen, wenn es zum Extreme kommen sollte. Von Thionville aus sind Vorposten gegen unsere Grenze ausgesetzt worden.

Im Haag, den 6. August 1830.

Die Hoffnung, daß der König von Frankreich das Äußerste wagen würde, um seine Macht und sein Ansehen, d. h. seinen Thron wieder herzustellen, ist verschwunden. Die heute hier erhaltene Eröffnungsrede des Herzogs von Orleans in den Kammern zeigt uns offiziell die Resignation des Königs und des Dauphins an. Glücklicherweise nicht die des Herzogs von Bordeaux, welche aber von der sublimen Nation auch verlangt wird. Sollte Charles X. auch zur Resignation für den minorennen Kleinen noch gezwungen werden, so scheint es mir, kann Europa diesen Akt nicht anerkennen; es würde ja die Revolution bis zur letzten Neige anerkennen und legalisieren.

Daß hier nur dieser Gegenstand die stete Conversation macht, können Sie leicht denken. Die Meinungen, die sich hier ausbilden, zerfallen in zwei Hauptabteilungen; 1.) darf man die stattgehabte Revolution ungestraft von Europa gehen lassen, also sie legalisieren, oder muß man ihr auf das Bestimmteste und Entschiedenste entgegen treten und Frankreich züchtigen? 2.) Darf man eine solche Züchtigung vornehmen, ohne befürchten zu müssen, die revolutionären Prinzipien fast in allen Staaten zum Ausbruch zu reizen und wird man nicht vielmehr aus dieser Befürchtung die Revolution anerkennen müssen, was mit anderen Worten heißt, die Revolutions-Partei in ganz Europa cajolieren und zur nächsten Nachahmung des 27. bis 29. Juli anspornen?

Daß ich natürlich zur ersten Abteilung dieses Raisonnements halte, brauche ich wohl kaum erst zu versichern.

Die Revolution ward nach 20jähriger Dauer im Jahre 1814 bekämpft, besiegt und der legale Stand der Dinge durch die Wiedereinsetzung der Bourbons auf den Thron ihrer Väter durch ganz Europa wieder hergestellt. Die Revolutionen von Spanien, Neapel und Piemont wurden durch gewaffnete Hand gedämpft, die abgesetzten Souveräne wieder eingesetzt und ihre Staaten durch vieljährige Occupation der Befreiungsarmee beruhigt. Jetzt bricht in dem Lande, wovon aus aller revolutionäre Stoß ausging, wovon aus er seit 15 Friedensjahren nach[S. 81] allen Seiten hin verbreitet und unterhalten ward, eine neue Revolution aus und der König und seine Dynastie (werden) entthront. Kann Europa in diesem Falle anders handeln, weniger tun, als es in Spanien, Neapel und Piemont tat? Ist der jetzige Fall nicht viel graver, erhebt die Revolution in diesem Moment den Kopf nicht viel mächtiger und gefährlicher als seit 15 Jahren? Mir scheint die Crisis gekommen zu sein, wo es sich entscheiden muß, ob die Legitimität oder die Revolution triumphieren soll. Die Legitimität wird triumphieren, wenn Europa einen einmütigen, allgemeinen Beschluß zur Züchtigung Frankreichs faßt. Die Revolution wird triumphieren, wenn Europa dem jetzigen Treiben in Frankreich ruhig gewähren läßt, sie wird dadurch legalisiert und kein Thron dürfte mehr sicher stehen.

Durch eine Züchtigung Frankreichs wird meiner festen Überzeugung nach der revolutionäre Stoff in Europa unterdrückt und durch strenges Gericht in Frankreich dieser Stoff vielleicht allenthalben — wenigstens auf lange, wenn auch nicht auf immer — ausgerottet.

Die entgegenstehende Ansicht sagt: dieser revolutionäre Stoff ist in Europa viel zu sehr verbreitet (in den Niederlanden, vielleicht linkem Rhein-Ufer, Polen, Italien, Spanien), als daß man es wagen dürfte, gegen die Revolution anzukämpfen; man würde in dem Falle es erleben, daß in allen genannten Ländern jener Stoff zum Ausbruch käme und es wäre sehr die Frage, ob es gelingen würde, ihn mit den eigenen Truppen und Kräften, ein Jeder bei sich, zu überwältigen. Auch habe die jetzige französische Revolution einen Schein von Recht, indem man den König Charles X. beschuldigen könne, seinen Eid einigermaßen gebrochen zu haben (was ich nicht zugeben kann, da ihm der Artikel 14 der Charte das Recht zu extraordinären Maaßregeln beilegt und den Gebrauch desselben freilich seinem Gewissen allein überlassen muß) und wenn, wie ich gern zugebe, Charles X. meiner Ansicht nach jetzt und so nicht hätte diesen Coup d’état ausführen sollen, so hat darüber doch Niemand als die Nation mit ihm zu richten oder gar das Recht, ihn zu entthronen.

Was den ersten Teil dieser entgegenstehenden Ansichten betrifft, so habe ich schon meine Nichtbefürchtungen dieser Art ausgesprochen; sollte eine solche revolutionäre Reaction aber wirklich durch ganz Europa sich erzeugen, nun so ist es immer besser, daß man seine Feinde kennen[S. 82] lernt und sie zu bezwingen sucht; da hoffe ich denn doch, daß ein Jeder bei sich zu Stande zu kommen wissen wird. Denn es ist allenthalben der Kampf aus demselben Prinzip gegen dasselbe Prinzip. Der Sieg steht bei Gott.

Was nun die Züchtigung Frankreichs betrifft, so muß ich freilich gestehen, daß ich sehr glücklich mich preise, die Art derselben nicht vorzuschlagen zu brauchen. Am schwierigsten ist der Fall, wenn der Herzog von Bordeaux unter Vormundschaft des Herzogs von Orleans erhalten wird, weil in diesem Fall einige Legalität sich einmischt; doch nie kann man übersehen, daß die Nation durch Revolution gegen ihren König dahin gelangte. Da aber alle Proklamationen sagen, daß gegen den Bordeaux der Umstand spreche, daß er zu einer Dynastie gehöre, die sich par la grace de dieu genannt habe, jetzt aber ein König nur par la volonté du peuple bestehen könne und solle, so wird an die Erhaltung der Rechte des Bordeaux wohl nicht zu denken sein. Dann scheint mir der Fall klar zu sein: Europa muß mit gewaffneter Hand die Rechte des Herzogs von Bordeaux herstellen und Frankreich mit seiner Revolution und seinem Orléans zu Paaren treiben.

Krieg scheint mir leider unausbleiblich. Handelt Europa nicht so, wie ich hier es andeute, so greift uns Orleans in Zeit von einem Jahre an; das linke Rhein-Ufer ist sein Ziel, um zum Tyrann dann zu werden.

Ob die Züchtigung Frankreichs dann noch in einer langen Occupation oder in Verringerung seines Gebietes bestehen soll, das sind Fragen, die heute wohl schwer zu entscheiden sind.

Aber wenn Europa handelt, so muß es gemeinsam, kräftig, mit aller Macht auftreten und recht vorbereitet in den Kampf treten; denn er wird nicht leicht sein.

Wäre es doch möglich, daß eine Zusammenkunft zwischen Ihnen, den beiden Kaisern und dem hiesigen König möglich wäre; wie rasch und wie viel besser verhandelt sich alles mündlich. Die Heilige Alliance muß jetzt oder niemals zeigen, daß sie noch existiert und ganz im Geiste des seligen Kaisers[70] handeln.

Noch ist in den Niederlanden Alles ruhig; aber in Brüssel spricht man doch schon sehr laut du grand exemple donné de la France; van Maassen c’est notre Polignac, c’est une bonne leçon pour Monsieur[S. 83] van Maassen etc. In Köln aber auch hat der Darmstädter Graf Wittgenstein in einem Zeitungssalon zugesehen, wie die Pariser Nachrichten vom Stuhle herab laut vorgelesen wurden und bei den tollsten Stellen Bravos und Applaudissements erschallt sind.

Das sind ein paar Züge, die beweisen, was zu erwarten wäre, wenn die Pariser Revolution ungestraft hingeht und somit legal wird oder was zu erwarten ist, wenn Orleans das linke Rheinufer erobern will und die Niederlande... Der König hat hier nur die Verstärkung der Artillerie in den Gränz-Plätzen angeordnet, aber nicht die durch Truppen anderer Waffen...

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Im Haag, den 8. August 1830.

Die Nachricht, daß Charles X. der Gefahr des nach Rambouillet gestürmten bewaffneten Haufens in die Hände zu fallen entronnen ist, hat uns freilich sehr erleichtert hier, aber die Gefahr bleibt immer noch sehr dringend für ihn bis zu dem Moment, wo er sich wird embarquieren können...

Den Fürsten Wittgenstein, der die Kölner Mitteilungen gemacht hat, habe ich gestern gesprochen... er meint, daß sie vielleicht nur eine Scene gewesen, wie man sie wohl an vielen Orten erlebt haben würde, ohne deshalb auf einen allgemeinen schlechten Geist rechnen zu können, worin ich ihm ganz beistimme...

Der König hat gestern den General Constant au secret nach London gesandt, um mit dem Herzoge von Wellington zu conferieren, namentlich in militärischer Hinsicht über die hiesigen Lande und wiederum speciale über den Festungsgürtel, der in seiner jetzigen Verfassung ganz offen, unarmiert dasteht. Denn, wenn etwas unternommen werden sollte, so wünscht der König vor Allem, daß dem Beschlusse des Congresses von Aachen[71] zu Folge Preußen und England die zu besetzen übernommenen Festungen auch sofort besetzen würden, was uns wohl 24–30000 Mann kosten würde.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 84]

Im Haag, den 12. August 1830.

Gestern früh erhielten wir hier die Nachricht von der nunmehr wirklich erfolgten Erhebung auf den Thron des Herzogs von Orléans und daß Lafayette diese Art König par la volonté de la sublime nation et par la constitution la plus belle république getauft hat, eine Taufe, die Ironie und Wahrheit zugleich enthält. Was ich und die mit mir Gleichgesinnten hier sagen, werden Sie aus meinem langen Brief folgern, nämlich daß der nun also wirklich bei Seite geschobene und übergangene Herzog von Bordeaux der Anknüpfungspunkt für Europa wird, indem es dessen Rechte auf die Krone behauptet, verteidigt und für ihn Alles wagen müßte. Man hat in den merkwürdigen Sitzungen der Kammern gesehen, wie offen und frei sich Viele für die Legitimität und für den Herzog von Bordeaux ausgesprochen haben. Außerdem stimmen die Nachrichten aus Frankreich darin überein, daß freilich die Revolution sich überall (breit) gemacht hat, weil Paris das unglückliche Beispiel gab, daß aber nur in wenig Orten sich Enthusiasmus gezeigt und vielmehr eine allgemeine Bangigkeit, ein allgemeiner Schrecken über das Geschehene sich ausspricht, fürchtend, daß der blühende Zustand des Landes, die glücklichen Verhältnisse mit dem Auslande usw. sich nur zu leicht ändern werden. Mir scheint es daher, daß man für die Sache des Herzogs von Bordeaux eine große Partei finden würde, obgleich man sich nicht verhehlen darf, daß eine Agression durch Europas Mächte eine große Einheit zur Abwehrung des Feindes erzeugen würde. Aber man hat sie 1815 überwunden und wenngleich nach 15 Friedensjahren sich Vieles consolidiert hat und kräftiger geworden ist, so würde 1830 oder 1831 der gerechten Sache auch der Sieg nicht fehlen.

Lord Bagot, der englische Ambassadeur hier hat... gesagt, daß er gewiß überzeugt sei, daß, wenn der Herzog von Orléans seine Thronbesteigung nur den Mächten anzeige, England gewiß die Antwort geben würde, daß seine Anerkennung von der übereinstimmenden Ansicht aller großen Mächte abhängen müsse, die sich dazu auf einem Congreß gewiß schleunigst versammeln würden.

Geheime Nachrichten, namentlich von der belgischen Grenze her sagen, daß die hiesige liberale Partei von der französischen auf’s inständigste gebeten wird, sich noch ganz ruhig zu verhalten, weil im entgegengesetzten Falle dies die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich ziehen müßte und[S. 85] zu Gegenmaßregeln veranlassen würde. Dies sei es, was sie in Frankreich am meisten fürchten müßten, weil ein Entgegentreten der Regierung gegen das liberale Prinzip jetzt der jungen Revolution nur höchst nachteilig werden könnte und die Angst für das Ausland noch mehr vermehren würde. Darum erscheinen auch mit einem Male in den hiesigen liberalen Blättern ruhigere Artikel. Diese Nachrichten scheinen mir nicht unwichtig der Berücksichtigung in diesen wichtigen Momenten und bei Beurteilung der Meinung Frankreichs und der liberalen Parteien.

Im Haag, den 13. August 1830.

.... als Wilhelm zu mir kam, um mich in Kenntnis von Wellingtons Ansichten zu setzen, die er ihm in einem Briefe... ausspricht. Das kurze Resumee dieses Schreibens ist folgendes: Die Hoffnung, welche seit 1815 bestand, den Frieden in Europa erhalten zu sehen, sei jetzt nicht mehr so groß nach den Ereignissen von Paris. Es sei ihm viel weniger bang für etwaige kriegerische Schritte des Orleans als für dergleichen von Seiten der enthusiasmierten Nationalgarden, die so ziemlich die Anarchie zu ihrem Ziele sich gesetzt zu haben scheinen. Die neue Regierung würde nicht im Stande sein, irgend einem unüberlegten Schritt dieser Banden vorzubeugen noch die Kraft haben, eine Reparation zu machen, falls fremdes Gebiet dabei betreten worden wäre. Kurzum, der Herzog deutet an, daß das Volk stärker als die Regierung ist (das ist es ja gerade, was die Revolution auch wollte) und daß man daher an den Grenzen sehr auf seiner Hut sein müßte. Er rät demnach das zu tun, was Sie für Saarlouis und Luxemburg angeordnet haben, nämlich die Grenzplätze gegen einen gewaltsamen Angriff zu sichern, jedoch alle Anstalten dazu mit dem wenigstmöglichen Aufsehen zu machen, damit keine Jalousie erregt wird. Außerdem rät er, gleichfalls wie Sie bereits befohlen haben, alle Anstalten zu treffen, daß Alles vorbereitet sei zu späteren größeren möglichen Ereignissen und sich immer so zu halten, daß man vorbereiteter als die Franzosen sei. Er schlägt vor, Feldgeschütze nach den Grenzfestungen zu senden, um, falls une colonne mobile Garde nationale sich eine Incursion erlauben sollte, ihr auch mit Geschütz entgegen gehen zu können.

Außerdem läßt der Herzog wissen, daß die Revolution in Paris keineswegs, wie es den Anschein habe, eine Sache des Momentes gewesen[S. 86] sei, sondern ein de longue main vorbereiteter Schlag, indem unter dem vermeintlichen Pöbel allenthalben verkleidete Offiziere, à demi soldé, vieux soldats de Napoléon und andere verkleidete messieurs sich befunden hätten, woher man denn auch die auffallende Ordnung im Gefecht so wie die völlig regelmäßigen Detachierungen zum Verhauen der Wege, zum Errichten der Barrikaden und so Mehreres sich erklären könne. Es war Alles vorbereitet, damit vom 3. bei Eröffnung der Kammern durch Charles X. die Revolution losbrechen sollte, wo man in der Thron-Rede oder sonst auf irgend eine Art Veranlassung dazu zu finden hoffte; die Ordonnanzen vom 25. Juli sollten der Sache zuvorkommen... den Erfolg aber sehen wir. Man sieht also immer deutlicher, daß die armen Bourbons hätten tun können, was sie wollten, ihnen das jetzige harte Los jedenfalls zugedacht war[72].

Im Haag, den 19. August 1830.

Sie werden auch die sehr widersprechenden Nachrichten über die Reise des Königs Charles X. erhalten haben. Vorgestern kam aus Paris die Nachricht, daß der König in Ostende landen würde, um sich dann zu Lande weiter nach Deutschland zu begeben. Gestern kam per Estafette die Nachricht, daß Marschall Moison den Befehl vom Herzog von Orleans erhalten habe, den König in keinem niederländischen Hafen landen zu lassen und wahrscheinlich nach Portsmouth gehen würde. Heute sind keine weiteren Nachrichten gekommen. Ich fürchte, daß der Empfang,[S. 87] den Charles X. in England erhalten wird, sehr niederdrückend für ihn sein dürfte, da, wenn auch niemand wohl seine Partei nehmen kann, doch wohl kein Volk so geneigt ist, seine Gesinnungen laut ausbrechen zu lassen, wie das englische. Übrigens muß man doch in den Befehlen Orleans’, der dem armen König, dem er Krone und Land nahm, nicht einmal erlaubt, frei seine Fluchtreise zu bestimmen, eine Härte und Impertinenz erblicken, die weit geht. Übrigens scheint mir sehr große Gährung in Paris fortwährend zu existieren, die uns alle Zeitungen seit mehreren Tagen wohl zeigten, aber noch mehr die Proclamation des Orleans vom 16. Die Contre-Revolution wird wohl nicht ausbleiben, denn die Ultra-Liberalen, sieht man wohl, sind noch lange nicht zufrieden. Gewiß erleben wir noch blutige Auftritte in Paris und le roi citoyen wird wohl auch müssen unter les concitoyens schießen lassen. Dies wird Europa wohl abwarten wollen; wenn nur dadurch nicht das Legitimitätsprinzip zu kurz kommt!

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Im Haag, den 20. August 1830.

Gestern langte hier aus London die Nachricht ein, daß Charles X. am 17. auf der Reede vor Portsmouth angelangt sei und so lange an Bord des Schiffes bleiben wollte, bis er Antwort aus London auf die Meldung seiner Ankunft erhalten haben würde. Diese Meldung war durch telegraphische Depesche nach London gekommen und die Antwort des Gouvernements noch nicht bekannt.

Eine andere sehr wenig erfreuliche Antwort gab noch gestern Abend der niederländische Ambassadeur, Falk, aus London, daß nämlich das englische Ministerium sehr geneigt sei, den Herzog von Orleans als König anzuerkennen... demnächst wäre jetzt das englische Gouvernement auch geneigt, Don Miguel[73] anzuerkennen, ob aus Legitimität oder revolutionären Prinzipien, weiß ich nicht.

Die Schlußfolge aus Beiden ist aber, daß also vorgeschlagen wird, zwei Revolutionen anzuerkennen oder aber die größte aller Inkonsequenzen zu begehen, in Portugal die Legitimität und zugleich in Frankreich die Revolution anzuerkennen.

[S. 88]

Wenn bloß das confuse englische Ministerium so spräche, so würde ich mich eher von dem Donnerschlage erholen, den mir diese Nachricht gegeben hat; da aber russische und andere Diplomaten diese Ansichten teilen, so gestehe ich, daß mich eine Trauer erfüllt, die ich nicht bergen kann. Also die Revolte des Pariser Pöbels soll von ganz Europa anerkannt werden und ihr Resultat gekrönt. Das, was alle rechtdenkenden Menschen mit Schauder erfüllt hat, soll legalisiert werden? Welch’ eine Aufforderung für alle Übelwollenden zur Nachahmung würde in einer solchen Anerkennung liegen. Wie kann man einer Nation noch Treu und Glauben schenken, wie kann man ihre Eitelkeit durch solche Anerkennung noch mehren und stärken wollen, eine Nation, die zu allen solchen Freveln bereit ist, wie wir sie wieder seit drei Wochen sehen, wie wir sie seit 40 Jahren erlebt haben? Und wenn es noch die Nation wirklich wäre; aber es ist immer nur eine Partei, die den Anstoß gibt, der die betörte und leichtfertige Nation willenlos folgt. Also dieser Partei unterwürfe sich Europa durch jene Anerkennung; welch’ ein Triumph für diese Partei und für alle Revolutionen. Welche Throne würden da noch sicher stehen?

Die Gründe, die England zu diesen Anerkennungs-Ansichten bewegen, sollen die sein, daß es dadurch hofft, einer Republik oder einer Anarchie in Frankreich zuvor zu kommen. Allerdings wird man den sehr schwankenden Thron des Orleans durch Anerkennung consolidieren, aber auf Unkosten des Princips, das alle Throne nur erhalten kann. Aber bei der sehr großen Unsicherheit des Throns des Orleans, die sich täglich officiell und in privaten Unterhaltungen ausspricht, beim Austritt aller Wohldenkenden aus der Kammer, bei der Unzufriedenheit, die bei allen gens de bien existieren soll, bei allen solchen Erscheinungen bedarf es nur des Anstoßes von Außen, um das unsicher fundamentierte Gebäude umzuwerfen und die Legitimität durch den Bordeaux triumphieren zu lassen, dem man freilich eine Constitution zur Seite setzen und zu erhalten wissen muß, die Hand und Fuß hat.

Verzeihen Sie gnädigst diese freimütigen Äußerungen, aber ich war zu ergriffen, um sie Ihnen nicht mitzuteilen.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 89]

Im Haag, den 22. August 1830.

Was mir an Ihrem gnädigen Briefe natürlich das Interessanteste war, war Ihre Ansicht über das, was wegen der Ereignisse in Frankreich zu tun sei. Da ich daraus ersah, daß Sie mit der hier bereits bekannten englischen Ansicht sich einverstanden erklären, und wie man indirect nun auch weiß, daß Österreich so denkt und Rußland so denken wird, so sehe ich freilich, daß ich mit meiner Ansicht das Feld räumen muß, wobei es vielleicht vergönnt sein wird, daß ich meinem Innern die ausgesprochene Überzeugung bewahre und daß Gott gebe, daß meine Besorgnisse nicht kurz über lang eintreffen, namentlich wenn nun noch der Orleans anerkannt wird; dann dürften in 10 bis 15 Jahren viele dergleichen Könige auf Europas Thronen sitzen, wenn auch die mit mir Gleichgesinnten für die gute Sache zu sterben werden gewußt haben.

Da Sie selbst mit Gewißheit annehmen, daß über kurz oder lang wir von der Revolution werden ergriffen werden, weil Frankreich die Eroberung Belgiens und des linken Rheinufers verlangen wird, eine Ansicht, die ich in einem meiner ersten Briefe von hier auch schon auszusprechen wagte, so werden Sie es mir nicht übel nehmen, wenn ich mich auch noch über diesen Gegenstand ausspreche und namentlich, ob nicht ein Angriffskrieg Europas gegen Frankreich jetzt vorzuziehen sei.

Frankreich ist in diesem Augenblick in einem Zustand von Unsicherheit über das, was es getan hat, über die Möglichkeit der Erhaltung des Erlangten, über die Maßregeln, welche Europa ergreifen wird, von dem Alle gewiß Mißbilligung und Strafe fürchten; demnächst daraus folgend sehen wir die Parteiungen täglich in Paris ausbrechen, die der Roi citoyen und die Seinigen mit Proklamationen dämpfen müssen; man sieht in den Journalen bereits die alte Unzufriedenheit mit dem Souverain und den Ministern ausgesprochen (trägt die Zügellosigkeit der Presse unter der vorigen Regierung nicht einen großen Teil der Schuld der jetzigen Revolution?); wir sehen die Armee in einer völligen Reorganisation, mit detachierten Armeen in Algier und Griechenland; wir sehen die freimütigen Äußerungen vieler Pairs und Deputierten, die sich aus den Ämtern zurückziehen, es mit ihrem Gewissen nicht vereinigen könnend, der neuen Regierung zu schwören und zu dienen (und wie stark mag die Partei derer nicht sein, die eben so denken, aber sich[S. 90] nicht ausspricht, die aber auf Europa hofft und wartet als Erlöserin?). Alle diese Verhältnisse werden noch Monate lang so bestehen, aber die Consolidierung des Reichs und der Verhältnisse wird mit Riesenschritten fortschreiten, wenn es erst erfährt, daß Europa nicht intervenieren wird oder gar Orleans anerkennt. Die Unsicherheit und Bangigkeit im Lande verschwindet dann, die Gutgesinnten unterwerfen sich dem Anerkannt-Bestehenden, die Armee ist reorganisiert, die detachierten Corps werden herangezogen.

Wenn so also in Jahr und Tag das neue Frankreich sich consolidiert haben wird und sich kräftig und gerüstet fühlt, einen Schlag nach außen tun zu können, dann wird es uns angreifen. Wenn der Himmel uns dann den Sieg gibt, so wird der Kampf, wie Sie selbst sagen, auch nicht leicht sein, nein, er wird ungleich schwerer als diesen Augenblick sein, da man dann nicht mehr darauf rechnen kann, einen unsicheren und schwankenden Thron, der nur von Parteiungen erzeugt und gehalten wird, mit einem Schlag wie 1815 zu zertrümmern, sondern weil man es alsdann mit einer, das neue Verhältnis teils lieb gewonnenen, teils ruhig ertragenden Nation zu tun haben wird. Und das Ende des Ganzen ist, daß man mit dem Geschöpf der Revolution einen Frieden schließt, wenn die Pariser nicht ihren Orleans wie ihren Napoleon und ihren Charles nach Belieben absetzen wollen und Europa dies abwarten muß, bis es mit dem Herzog von Bordeaux und der Legitimität hervortritt.

Wenn dagegen Europa jetzt mit diesem Princip auftritt und gemeinschaftlich wohl gerüstet in 2–3 Monaten den Krieg erklärte, bis wohin alle Armeen am Rhein concentriert sein könnten, so würde man Frankreich weder durch eine stillschweigende noch durch eine officielle Anerkennung des Geschehenen consolidiert haben, noch es consolidiert finden, sondern man findet es in dem geschilderten Zustande von Unsicherheit über die Möglichkeit der Erhaltung des Geschehenen, in der gerechten Besorgnis, einem Stoß von ganz Europa nicht widerstehen zu können; die gute Partei würde mit Ungeduld den Moment erwarten, wo die Legitimität triumphieren wird und wo der nicht anerkannte Souverain von Europa destituiert wird; man findet die Armee noch nicht organisiert und nicht einmal einen Feldherrn, wie Napoleon, der 1815 Alles electrisierte und der dennoch in einer Schlacht nur von zwei großen und einer kleinen Armee geschlagen unterlag. Wieviel Chancen[S. 91] also für das Gelingen eines Angriffskrieges jetzt gegen Frankreich. Und selbst für den ungünstigst anzunehmenden Fall, den ich der Erste bin, als gewiß aufzustellen, daß im Moment, wo Europa Frankreich den Krieg erklärt, alle Parteien zusammenstimmen und zusammenhalten werden, um den einfallenden Feind abzuwehren, so würde dadurch diese Harmonie im jetzigen Moment von nicht größerer Dauer sein als 1815. So wie damals würde vielleicht mit einem Schlage die Sache beendigt, denn Orleans’ Thron scheint mir nicht einmal so fest zu stehen als der von Napoleon in 100 jours.

Demnach hat es mich also bedünken wollen, daß ein Aggressiv-Krieg Europas jetzt gegen Frankreich nicht nur zum Besten und zum Triumph der guten Sache gereichen würde und die Revolution dadurch allenthalben auf lange Jahre unterdrückt werden würde, sondern auch der Kampf viel leichter und der Erfolg sicherer sein würde. Auch wer weiß, ob, wenn Frankreich einst Belgien und uns angreift, wir auf die Armeen der Verbündeten rechnen können, die sie jetzt des Princips halber stellen müßten oder dann nur auf die tractatmäßigen Corps.

Wie ungeduldig ich bin, zu erfahren, was Europa auch ohne Kriegserklärung beschließen wird, um sein Mißfallen mit der Revolution auszusprechen, begreifen Sie gewiß. Die Nicht-Anerkennung Orleans und die officielle Mißbilligung alles Geschehenen und damit Frankreich seinem Schicksal sich überlassend, dürfte jetzt doch noch nötig sein, um wenigstens einen moralischen Eindruck der Einigkeit Europas zu geben und dadurch Frankreich zittern zu machen.

Verzeihen Sie gnädigst meine freimütigen Äußerungen, aber der Moment ist zu groß, als daß ich es nicht wagen dürfte, mich auszusprechen, wenn es auch nur verhallende Worte sind.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Düsseldorf, den 28. August 1830.

In diesem Augenblick geht durch einen Privat-Brief aus Brüssel die Nachricht hier ein, daß daselbst am 25. Abends bei Aufführung der Muette de Portici ein Aufruhr ausgebrochen ist, der mit Pfeifen im 5. Akt begonnen hat. Darauf hat man die Presse des royalistischen Journales zerstört, die Wohnung des Justizministers und zweier anderer[S. 92] Beamten zerstört; die Rufe Vive la liberté, à bas les ministres, vive Napoléon II wurden ausgestoßen, die Wachen verhielten sich ruhig. Um 2 Uhr Nachts hat, da sich der Aufruhr nicht legte, das Feuer der Truppen begonnen; einige haben zu feuern refusiert, das Volk hatte eine Kanone erobert; das Schloß war in Gefahr und mit Cavallerie umgeben. Um 6 Uhr früh dauerte das Feuer fort; es sollten nach Augenzeugen-Nachrichten viele Menschen tot und blessiert sein.

So wäre denn die Revolution in Spanien und den Niederlanden über die Grenzen gebrochen[74]... Hier soll der Geist gut sein, einige Schreier ausgenommen. Ich bin sehr herzlich hier empfangen worden, mit Illumination und Hurrah und Fackelzug... Ich darf nicht unterlassen, untertänigst zu bemerken, wie schwach unsere Festungen besetzt sind, bei der Concentration des 2. Armee-Corps. Lüttich ist eine schlecht gesinnte Stadt. Jülich hat 100 Mann Garnison, Köln nicht mehr.

Köln, den 29. August 1830.

Die Brüsseler Unruhen scheinen sich gänzlich gelegt zu haben... die ganze Sache scheint nur den Charakter eines Excesses, allerdings der gröbsten und gefährlichsten Natur zu tragen, dem aber unleugbar ein politischer Grund zur Basis diente, der aber glücklicher Weise weder von den Behörden noch dem angesehenen Teile der Bürger geteilt wird...

Da ich nicht das Glück gehabt habe, in der Beurteilung der französischen Revolution und der gegen dieselbe zu unternehmenden Reppressalien[S. 93] und deren Bekämpfung Ihre Intentionen zu treffen, so scheue ich fast, über diese belgischen Ereignisse ein Urteil zu fällen. Aber dennoch drängt es mich, auszusprechen, was daraus werden soll, wenn die Untertanen ad libitum die Souveraine bedrohen und durch Wort und Tat zwingen wollen, die Minister und überhaupt die Regierungsprinzipien nach ihrem Urteil, nach ihrem Willen zu wechseln und zu ändern. Die Ereignisse in Paris seit 3 Jahren sollten doch recht aufmerksam machen, was daraus wird, wenn ewig den Schreiern Concessionen gemacht werden.

So sehen wir aber, wohin man kommt, wenn stets Concessionen gemacht werden, die so lange verlangt und gesteigert werden, bis die Souveränität der der Orleans gleich kommt, das heißt, ein Mannequin!

Ich kann daher meine Ansicht nicht ändern; so lange man nicht mit aller Kraft und Gewalt der Revolution da, wo sie am abscheulichsten ausgebrochen ist und zu Resultaten geführt hat, also in Paris, entgegen tritt, so lange wird man auch das revolutionäre Princip nicht unterdrücken, sondern es nur nähren und bald allenthalben zum Ausbruch bringen!

Alles hier ist Ihrer Person ganz ungemein und unumwunden ergeben. Die Behörden können freilich nicht leugnen, daß es allenthalben Vereine gibt, die bei großen Fabrikstädten wie hier und in Aachen namentlich Unruhen oder unruhige Auftritte herbeizuführen trachten könnten; aber an eine Folge übler Art von dergleichen wäre nicht zu denken.

Lippstadt, den 31. August 1830.

Die Ruhe, welche in den Niederlanden hergestellt zu sein schien, hat sich leider nicht bestätigt und ist im Gegenteil die Sache viel schlimmer geworden... Der König hat Ihre Unterstützung für seinen wankenden Thron in Anspruch genommen...

Leider sehe ich immer mehr meine Ansicht bestätigt, daß die Revolutionäre mit jedem Moment dreister und um sich greifender werden, als deren Principien nicht allgemein bekämpft und auf den Kopf getreten werden. Ich hoffe und rechne sehr darauf, daß die energischen Maßregeln in den Niederlanden die Brüsseler usw. zu Paaren treiben werden...

[S. 94]

Lippstadt, den 1. September 1830.

Heute früh 7 Uhr erhielt ich die erste Meldung von dem Aufstande in Aachen... So niederschlagend auch der Auftritt in Aachen ist, so kann ich doch nicht leugnen, hat er mich nicht überrascht. Die Stimmung jenseits des Rheines ist nicht günstig gewesen: „sie dächten gar nicht daran, preußisch zu bleiben, auch wäre das Ihre Ansicht, denn nur darum, weil sie bald wieder französisch werden würden, hätten Sie ihnen die französische Gesetzgebung gelassen“... Von neuem zeigt sich also, daß die unglückselige französische Gesetzgebung Schuld an der Entfremdung der Gemüter von Preußen ist. Von allen Seiten bin ich wieder angelegen worden, Sie inständig zu bitten, die preußischen Gesetze lieber heute wie morgen einzuführen. Und ich kann nicht anders als aus voller Überzeugung Sie fußfällig zu ersuchen, die jetzige Crisis zu brauchen, um Ihre Gesetze so schnell wie möglich am Rhein einzuführen. Die Revision der Gesetzgebung, bis zu deren Beendigung die Einführung der preußischen Gesetze ausgesetzt bleiben soll, ist noch so weit im Felde, daß unter vielen Jahren an deren Beendigung nicht zu denken ist, um so mehr, als die damit beauftragte Commission auch sehr eigentümlich combiniert sein soll. Dieses beständige Hinausschieben der Einführung der Gesetze am Rhein hat auch schon die Ansicht verbreitet, man fürchte sich eigentlich jetzt, unsere Gesetze einzuführen. Diesem Allem könnten Sie jetzt so rasch ein Ende machen...

Lippstadt, den 3. September 1830.

Die soeben aus Elberfeld eingegangene Meldung des dort statt gehabten Auflaufes eile ich Ihnen zu übersenden. Der Bürgersinn hat sich, wie es scheint, dort und in Köln und in Aachen bei den verschiedenen Aufständen sehr gut gezeigt. Eine aufrührerische Affiliation zwischen allen Fabrikorten ist aber unverkennbar, die unstreitig von revolutionären Emmissairs herrührt; die Revolution sucht allenthalben die Gründe der Unzufriedenheit zu erkunden, um darauf Unruhe zu basieren; bei uns scheint sie aber bis jetzt noch glücklicher Weise keinen nahrhaften Boden zu finden.

Coblenz, den 6. September 1830.

Soeben erhalte ich aus dem Haag die Nachricht, daß Wilhelm von Oranien dort am 3. ganz unerwartet angelangt ist, um die Proposition[S. 95] der Belgier zu überbringen, Belgien als ein eigenes Königreich ganz vom Königreich Holland zu trennen. Unter dieser Bedingung wollten sie ferner die Herrschaft des Königs anerkennen. Wenn ich meine Meinung aussprechen darf, so glaube ich, hätte der König von Hause aus diese Trennung bei Übernahme der Krone verfügen sollen, weil diese beiden Nationen nie zusammenzubringen wären; dies hat mir wenigstens vom ersten Augenblick an eingeleuchtet. Es scheint, daß der König auf diese Trennung eingehen wird als einziges Mittel, Belgien sich zu erhalten ohne Blutvergießen. Was ihm diese Concession kosten wird im Laufe der Zeit, ist unberechenbar, denn wer den Finger gibt, muß bald die ganze Hand nachgeben.

So hätte denn die Revolution in Zeit von 4 Wochen den zweiten Sieg davon getragen...

Wir fangen an, etwas Luft zu schöpfen[75], seit der heutigen Nachricht aus Brüssel. Wilhelm von Oranien hat sich wirklich aufgeopfert, aber auch viel aushalten müssen. In Loewen und Lüttich ist die Gährung noch sehr groß...

Im Haag, den 13. September 1830.

.... daß der König aus Paris aus sicherer Quelle wisse, daß sich daselbst mit einemmale eine Menge deutscher Studenten von vielen Universitäten eingefunden hätten, die plötzlich alle abgereist seien, après avoir reçu le mot d’ordre, wie der König sich ausdrückte, um ce mot d’ordre ihren Corporationen zu überbringen. Es sei dies von großer Wichtigkeit und von den deutschen Fürsten durchaus nicht außer Acht zu lassen, weil etwas sehr Unangenehmes sonst zu erwarten stände.

Der König trug mir auf, Ihnen dies doch gleich wissen zu lassen und habe er es allen Gesandten hier schleunigst mitteilen lassen.

[S. 96]

Was daran wahr sein mag, ist schwer zu entscheiden; indessen in der jetzigen Zeit, wo die Pariser Revolution schon so viele Imitateurs findet, wovon die Ereignisse in Braunschweig[76] neuerdings wieder zeugen — auch von Cassel fängt man an zu sprechen — darf man wohl jede Andeutungen, die auf Conspiration hinweisen, nicht außer Acht lassen. Und wenn diese Studentengeschichte auch nur einen momentanen Aufstand erregen sollte, so kann der doch so manches Menschenleben kosten und daher ist jede Vorsicht wohl heute zu Tage um so mehr sehr zu empfehlen. General Borstell ist benachrichtigt, um für Bonn ein wachsames Auge zu haben und namentlich um zu erfahren zu suchen, ob wirklich Emmissaire in Paris gewesen sind und zurückkehrten und wie ihr Betragen ist. Bekannt ist, daß in den Hundstags-Ferien unglaublich viel deutsche Studenten nach Paris geeilt sind, um die große Nation in der Nähe zu bewundern.

Im Haag, den 14. September 1830.

Sie können sich gar nicht denken, mit welchem Vertrauen Alles auf Sie und Ihre Armee hier sieht. Der Eindruck, den die bei uns sogleich gestillte Emeute hier gemacht hat, ist nicht zu schildern; das Vertrauen zu Preußen ist dadurch um ein Unglaubliches gestiegen. In Alost mußte der Herzog Bernhard von Weimar[77] eine Emeute stillen; er konnte die Impertinenz der Behörden nicht bezwingen, so daß er endlich sagte: wenn sie so fortfahren zu handeln, so sind in 14 Tagen die preußischen Armeen hier, da wird kurzer Proceß gemacht; in 24 Stunden ist das Urteil dann gefällt und ausgeführt. Das hat einen solchen Eindruck gemacht, daß die Gesichter sich verzogen und sogleich klein beigegeben ward.

Im Haag, den 16. September 1830.

Gestern Mittag erfuhren wir hier die traurigen Nachrichten aus Dresden[78]. Die ungestrafte Pariser Revolution findet also, wie ich es leider nur zu wahr ahndete, immer mehr Nachfolger.

[S. 97]

Was nun meine Besuche in den Städten am Rhein betrifft, die ich nach den stattgehabten Emeuten dort machte, so fand ich zuvörderst in Elberfeld eine Niedergeschlagenheit, die nicht zu schildern ist; der Empfang und die Versicherungen von Anhänglichkeit, welche ich 5 Tage dort vorher erlebt hatte, mochten den Anwesenden wohl eine Art Scham erzeugen, die ich mich veranlaßt fand selbst als falsch und unnötig ihnen vorzuhalten. Denn der Aufstand war ja durch die niedrigste Volksklasse erzeugt worden und durch diejenigen, welche jetzt als Repräsentanten der Bürgerschaft vor mir standen, sogleich ohne Militär gedämpft worden, sodaß ihnen ja nichts zur Last fiel, sondern ich im Gegenteil ihnen nur danken konnte für ihr schönes, entschlossenes und festes Benehmen. Diese Worte richteten sie wieder auf, und gewiß ist die Stimmung dort vorzüglich und die Anhänglichkeit an Ihre Person außerordentlich groß. In Köln war ich bei meiner ersten Anwesenheit ohne alle äußeren Zeichen von Enthusiasmus behandelt worden, ja ich möchte eher sagen, daß man in der Stadt fast keine Notiz von mir nahm, obgleich abends die Stadt erleuchtet war, aber schwerlich ganz freiwillig. Um so auffallender war es mir, daß, als ich nun nach dem Auflauf wieder herkam, der auch durch die Bürger allein gedämpft worden war, ich sogleich beim Aussteigen mit Hurrah von den Bürgern und von den Angeseheneren begrüßt ward, was sich auch wiederholte, wo ich mich sehen ließ, woraus ich sehr deutlich entnehmen konnte, daß sich die Bürger etwas darauf zu Gute taten, daß sie ihre Anhänglichkeit an Ruhe und Ordnung, an Ihre Person und an den bestehenden Zustand der Dinge auf eine so eclatante Art durch ihr Benehmen gegen die Aufrührer hatten kund tun können.

Die einzelnen Wünsche, die ich im allgemeinsten gehört habe, gehen hauptsächlich darauf hin, daß man es sehr gern sehen würde, wenn mehr Eingeborene in Westphalen und im Rheinland angestellt würden. Ein anderer Wunsch ist, daß die Geschäfte rascher betrieben werden möchten, indem die Sachen in den Ministerien entsetzlich verschleppt werden. Und dann noch, daß das Unterrichtsministerium praktischer eingreifen möchte, was freilich von Altenstein[79] nicht mehr zu erwarten ist...

[S. 98]

Es sind heute schlechte Nachrichten aus Brüssel gekommen. Man hat dort die Thron-Rede öffentlich verbrannt und ein Auflauf von 5–600 Menschen hat stattgefunden; um 11 Uhr Abends war jedoch die Ruhe hergestellt. Es scheint, daß diese Nachricht zu ernsten Mitteln endlich den Anstoß gibt, aber die Generalstaaten sollen erst diese Mittel vorschlagen und verlangen; damit gehen immer mehrere Tage verloren; die jungen Truppen, die au qui vive stehen, schon einmal zurück mußten und von den Rebellen bearbeitet werden durch Emissairs und Proclamationen, werden mißmutiger; kurzum die Lage ist sehr bedenklich, wenn nicht bald und rasch etwas geschieht. Der König ist sehr niedergeschlagen. Er sagte mir heute: Wie haben sich die Dinge geändert, seitdem Sie bei uns sind; nirgends ist ja mehr Treu und Glauben zu finden; die heiligsten Rechte werden ja nicht mehr respectiert. Dann setzte er hinzu: Meine Lage ist verzweifelt; wenn ein europäischer Krieg ausbricht, so bin ich paralysiert; mein halbes Reich ist in Aufruhr, die Hälfte der Armee jenseits Brüssel in den Festungen isoliert und diese schwach besetzt; bleiben die Truppen nicht treu, so sind diese Festungen alle für Frankreich erbaut, die Finanzen, die blühten, sind schon jetzt gedrückt, die Papiere so gefallen, daß man mit ihnen keinen Handel machen kann; ich habe also gar keine Mittel tätig zu sein, wenn ein Krieg ausbricht...

Nimwegen, den 19. September 1830.

Gleich vorgestern, als nach dem Diner die ersten alarmierenden Nachrichten eintrafen, sandte der König seinen Adjutanten an Fritz, um ihm den Befehl zum Vorrücken gegen Brüssel zu geben, da nun kein Moment zu versäumen sei, die Residenz zum Gehorsam zu zwingen, bevor das platte Land im Aufstand sei. Fritz erhielt zugleich den Befehl, wenn er mit seinem Corps vor Brüssel concentriert stehe, eine Proclamation zu erlassen, in welcher die Stadt im Guten noch einmal zum Gehorsam aufgefordert wird und in welcher der König eine Art Pardon annonciert und nur die Rädelsführer zu strafen verspricht (eine Art limitierte Amnestie, von der Wilhelm sagt, daß sie doch die Hände nicht zu sehr bände; über das Geschehene ist nichts zu sagen, sonst glaube ich, sind die Amnestien nicht zum Heile der Throne ausgeschlagen). Wenn diese Aufforderung nach einigen Stunden Bedenkzeit nicht angenommen, und[S. 99] ausgeführt ist, so soll Fritz den Gehorsam mit Gewalt erzwingen und da habe ich ihn inständigst gebeten, jedes Straßen-Gefecht zu evitieren und Alles durch ein Bombardement zu zwingen suchen. Wahrscheinlich steht Fritz heute Abend schon vor Brüssel, spätestens morgen, sodaß am 21. bestimmt der entscheidende Schlag sein wird. Gott gebe seinen Segen.

Sollte die Sache manquieren, ja dann sagte mir der König gestern ausdrücklich, daß er alsdann Belgien aufgeben müßte für den Moment; er würde eine Defensiv-Stellung von Antwerpen nach Maastricht nehmen und in dieser die Unterstützung der Alliierten abwarten, die er dann sogleich in Anspruch nehmen würde. Er fügte hinzu, daß dann freilich ein allgemeiner Krieg unvermeidlich sei, da ihm Frankreich habe officiell anzeigen lassen, daß, wenn er von Europa unterstützt würde, der sogenannte König Orleans die Revolution Belgiens seinerseits unterstützen würde. Dahin wären wir nun also in Europa gekommen, daß, während fast alle Mächte die Revolution bekämpften, nun schon das Zerwürfnis eingetreten ist, daß eine bedeutende Macht erklärt, die Revolution unterstützen zu wollen, wenn die andern Mächte sie angreifen wollen. Wohin soll das noch führen[80]!

Ich hoffe, daß Fritz von Oranien in Brüssel den Frieden Europas auf einige Jahre wenigstens noch erhalten wird[81].

[S. 100]

Weimar, den 28. September 1830.

Auf der Durchfahrt durch Gotha kommen soeben Reisende an, welche von Hanau bis Fulda, Fulda selbst ausgenommen, alle Städte im Aufruhr gefunden haben. Allenthalben würden, wie vor einigen Nächten in Hanau, die öffentlichen Bureaus und Beamten-Wohnungen geplündert und verbrannt und alles schreie nach Freiheit, der Kurfürst verweigere eine Verfassung, die Wappen wurden abgerissen, die Durchreisenden mußten mit: es lebe die Freiheit rufen, wobei man ihnen eine Axt vors Gesicht hielt; nicht nur die Städte, sondern auch die Bewohner des platten Landes sind im Aufstande; sie jagen die Schulzen und Amtsleute fort, ziehen bewaffnet von einem Ort zum andern, setzen sogleich Wachen und Signale aus, kurzum die Sachen werden natürlich durch immer noch nicht habhaft zu werdende Emmissaire nach ein und demselben Plane geleitet, überall wird gesengt und gebrannt, aber nirgends gestohlen. Auf Zuruf einer Stimme: es ist genug für heute geht alles ruhig auseinander gerade wie in Brüssel bei dem Rufe: c’est assez. Der soeben eintreffende Großherzog von Oldenburg bestätigt nicht nur all’ die eben erzählten Greuel, sondern ist Augenzeuge derselben gewesen, indem auch ihm unter anderm jene Axt vorgehalten worden ist. In Fulda war gestern Mittag bei seiner Abreise die Unruhe auch schon ausgebrochen und die schwachen Behörden hatten sogleich die Licent-Erhebung, welches die Haupt-Forderung der Meuterer ist, aufgehoben. Das Militär sieht überall ruhig zu dem Unwesen zu. Der Großherzog von Oldenburg und der Herzog von Coburg, der mir gestern Rendez-Vous in Gotha gab, sprachen Beide äußerst determiniert, besonders ersterer hatte echte Ansichten über das Militär und seine Leistungen bei solchen Excessen ausgesprochen. Wenn nur endlich irgendwo einmal Ernst und Strenge gegen die Meuterer gezeigt würde und nicht überall die unzeitige Nachgiebigkeit erblickt würde[82]... Der Großherzog von Oldenburg machte den glaube ich ganz zweckmäßigen Vorschlag, man sollte[S. 101] mobile Colonnen formieren in hiesiger Gegend, in Böhmen und Bayern vielleicht, die sich gleich nach den aufgestandenen Gegenden zu begeben hätten, um sie zur Raison zu bringen. Der Herzog von Coburg drängt, wohl sehr mit Recht, auf eine Art Manifest des Bundes, in dem diese unerhörten Frevel öffentlich verpönt und als mit Gewalt zu bekämpfend dargestellt würden.

Weimar, den 14. Oktober 1830.

Sie haben mich durch den Grafen Lottum[83] befragen lassen, was es für eine Bewandtnis mit einer Rede habe, die ich in Coblenz gehalten hätte, die jetzt in mehreren Zeitungen gedruckt stehe. Wenngleich mir der Graf Lottum nicht sagen konnte, auf Befragen, ob Sie den Inhalt dieser sogenannten Rede tadelten, so mußte ich durch seine Sendung durch Sie an mich doch etwas Tadelndes vermuten. Es kann mir daher nichts übrig bleiben, als den wahren Zusammenhang der Sache vorzutragen, um mich dann Ihrem Schicksale zu überlassen. Daß ich keine Reden zu halten pflege, wissen Sie wohl und am allerwenigsten war meine Stellung in den Rhein-Provinzen diesen Sommer dazu geeignet; denn große Reden verfehlen oft ihren Zweck, wenn es auch nur darum wäre, weil die Menschen sich sagen: der will uns durch Redensarten gewinnen. Alles, was ich gesagt habe, war im Conversationstone gesprochen bei der Präsentation der Behörden, wo dann bald diese, bald jene Äußerung zu Einem oder dem Anderen oder auch zu Mehreren zugleich gesagt wird; und beim Interesse des Gegenstandes kam es natürlich oft, daß ein Jeder zu horchen versuchte, was ich sprach, dann also auch alle still waren und man so meinen Worten die Ehre angetan hat, sie in eine Rede zusammenzufassen.

Übrigens sprach ich mich nicht allein in Coblenz so aus, sondern in Cöln, Düsseldorf, Aachen, Lippstadt, Wesel usw.; überall sagte ich dem Sinne nach dasselbe und dies Alles habe ich mir aus den Inhalten Ihres eigenen Briefes... construiert. Demnach ging der Sinn meiner Worte dahin: „daß Sie es bedauerten, zum zweiten Male von der Bereisung der westlichen Provinzen und der dortigen Armee-Corps verhindert zu[S. 102] werden und daß Sie mir aufgetragen hätten, dies den Truppen und den Einwohnern bekannt zu machen“. Wenn im vergangenen Jahre ein so schöner Grund Sie von dieser Reise abgehalten hätte, so wäre es nur im höchsten Grade zu beklagen, daß in diesem Jahre der Grund ein so höchst trauriger, unglücklicher sei; denn bei den jetzigen gestörten Verhältnissen in Frankreich, die ganz Europa in Unruhe und Bewegung zu setzen drohen, hätten Sie natürlich die Residenz nicht verlassen können, um sich mit Ihren Alliierten desto rascher beraten zu können. Was die französische Revolution beträfe, so würden Sie sich nicht in diese inneren Angelegenheiten mischen; man würde die Revolution wie einen Krater beobachten, der in sich selbst ausbrennen müßte und man würde nur auf seiner Hut sein, daß dieser Krater keine Crevasse bekäme, aus der sich der Gährungsstoff auf andere Länder ergießen könne. Sollte Preußen jedoch nicht angegriffen werden, so wären Sie fest entschlossen, alle Ihre Kräfte aufzubieten, um den jetzigen Besitzstand zu erhalten, und Sie würden keinen Mann Ihrer bewaffneten Macht zurücklassen, um auch den letzten Ihrer Untertanen zu beschützen und sich zu erhalten. Was die verschiedenen Aufstände im Preußischen beträfe, so hätten Sie dem wohlgesinnten Teil der Untertanen Gelegenheit gegeben zu zeigen, wie sehr sie Ihrem Szepter anhingen, indem sie den Emeuten allenthalben rasch ein Ziel gesetzt hätten. Ich müßte aber einem Jeden zu bedenken geben, daß man nicht nur durch Aufstände gegen Sie sich auflehnen, sondern daß auch durch Gesinnungen und Handeln eines Jeden in seinem Wirkungskreise Auflehnung entstehen könne, und daher müßte ich namentlich die Behörden aufmerksam machen, genau den geregelten und vorgezeichneten Gang Ihrer Regierungsform ins Auge zu fassen, damit ein Jeder in Ihrem Sinne Recht und Billigkeit ausübe. Jede Abweichung hiervon wäre gegen Ihre Absicht und gegen den Sinn Ihrer Regierung und könne daher eine Ahndung nach sich ziehen.

Wenn Sie gegen diese Worte und deren Sinn etwas zu erinnern finden, so muß ich Belehrung darüber erwarten; ich glaube aber versichern zu können, daß sie nicht nachteilig gewirkt haben und das Interesse, welches Sie an den getrennten Provinzen nehmen, den Einwohnern von Neuem gezeigt und sie sehr erfreut hat.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 103]

Im Dienste des Staates.

Berlin, den 14. November 1830.

Auf meinen dienstlichen Antrag, den Kavallerie-Regimentern die Kriegsreserven-Mannschaften so lange zu belassen, bis die Augmentations-Mannschaft im Februar oder März eintrifft, habe ich heute die abschlägige Bescheidung des Kriegsministers auf Ihren Befehl erhalten. Verzeihen Sie gnädigst, wenn ich noch ein Mal in dieser Angelegenheit mich direkt an Sie wende. Mein Zweck kann ja kein anderer sein, als Ihre Kavallerie vor einem möglichen Erscheinen im Felde zu sichern, der ihr und ihrem Namen nur Nachteil bringen kann.

Die jetzige Stärke eines Kavallerie-Regimentes ist 462 Gemeine; davon sollen nun ein Drittel entlassen werden, also pp. 150 Gemeine; es verbleiben also ausrückender Stand 378 Gemeine. Davon Kranke, Kommandierte ect. vielleicht 18 Mann. Schlagfertiger Stand also 300 Mann.

Mit 300 Pferden also würde ein Kavallerie-Regiment marschieren, wenn im Laufe der nächsten Monate ein Marsch befohlen würde. Wenngleich ich die politischen Ereignisse nicht kenne, so scheint doch aus allem hervorzugehen, daß die Krisis gekommen ist, wo es sich entscheiden muß, ob in wenigen Wochen Belgien sich friedlich gibt oder ob es gezwungen werden muß, dem Willen Europas sich zu beugen. Tritt letzterer Fall ein, so scheint ein Einrücken unserer Truppen so schnell als möglich doch unumgänglich nötig, um noch so viel zu retten als möglich. Dann tritt aber auch der Fall ein, daß die Kavallerie-Regimenter am Rhein schnell aufbrechen müssen und nicht 14 Tage bis 3 und 4 Wochen auf die Einziehung ihrer Kriegsreserven warten können; folglich marschieren sie dann mit 300 Gemeinen. Noch schlimmer gestaltet sich das Ganze für mein Armeekorps. Dasselbe wird doch allerwenigstens nach dem[S. 104] Rhein marschieren müssen, wenn die dortigen Corps vorrücken (freilich wäre es mir lieber, wenn mein Corps gleich mit vor den Feind rücken könnte), dann habe ich also auch aber nur Kavallerie-Regimenter zu 300 Gemeinen; meine Kriegsreserve-Mannschaft kann ich aber unter 6 Wochen nicht in den jetzigen Garnisonen haben und nicht unter 2 Monaten am Rhein. Die jetzt einkommenden Rekruten pp. 150 müssen zurückbleiben oder unausexerciert folgen; dasselbe gilt von den Rekruten, die jetzt oder im Februar kommen sollen.

Ein Regiment hat jetzt etatmäßige Pferde 468; angenommen, es haben nur 18 Pferde ausrangiert, bleiben 450. Folglich, um den neuen Etat von 584 Pferden zu erreichen, bedarf es 134 Pferde; davon erhält es jetzt 60 und im Februar 74 Stück. Wenn also in den nächsten 4 Wochen ein Marsch eintritt, so muß ein Regiment 450 Pferde und 60 Pferde, Summa 510 Pferde mitnehmen; darauf hat es aber nur 300 gedienter Leute und 150 Rekruten, also genau 210 Pferde mehr zu warten, als es Leute zu deren Wartung hat und wenn die Rekruten mit die Pferde warten können, so bleiben immer noch 60 Pferde mehr als wartende Soldaten. In der Garnison in Ruhe läßt sich das allenfalls ertragen, aber auf einem Marsch wäre es ein entsetzlicher Übelstand[84].

Aus allem diesem fühlte ich mich daher bewogen, Ihnen nochmals den Antrag vorzulegen, die Kriegsreserven der Kavallerie-Regimenter des 3., 4., 7. und 8. Armeecorps so lange vor der Hand bei den Regimentern zu belassen, bis die zweite Remonte zur Augmentation eingetroffen ist, ungefähr so im Februar, bis wohin sich so Vieles am politischen Horizonte aufgeklärt haben muß und namentlich, ob man sich noch mehr oder weniger rüsten muß. Tritt bis dahin aber jenes Corps in Marsch, so sind die Kavallerie-Regimenter doch einigermaßen schlagfertig, was ohne Einbehaltung der Kriegsreserven fast nicht möglich ist. Am 23. d. M. sollen die Kriegsreserven meiner Kavallerie abgehen; die der 5. Kavallerie-Brigade sind schon zweimal fort gewesen und zweimal wieder eingezogen worden. Ich habe jedem Mann aus meiner Tasche einen halben Taler geschenkt, um sie einigermaßen für die gehabten[S. 105] Kosten an Kleidung und Putzzeug zu entschädigen. Dies zum dritten Mal zu erleben, was leicht möglich wäre bei der zu erwartenden Entscheidung der Krisis, wäre wohl sehr unangenehm in jeder Beziehung.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

(Ohne Datum.)

Wilhelm Solms hat mich in seiner Heiratsangelegenheit zum Mitvertrauten erwählt. Dieselbe ist Ihnen durch seine Mutter und deren Brüder bekannt gemacht worden, um Ihren Consens zu erbitten. Sie haben dabei ausgesprochen, daß Sie den Wunsch hätten, man möchte doch noch Versuche machen, ob man die Gräfin Kinsky-Mutter nicht vermögen könnte nachzugeben, daß auch die einstigen Töchter aus der zu schließenden Ehe den evangelischen Glauben annähmen. Sie sind darin Wilhelms Wünschen nur unterstützend beigetreten, doch hatte er gleich von Anfang an nicht die Hoffnung, daß seine künftige Schwiegermutter nachgeben würde, da es ihm Mühe gemacht hatte, die evangelische Religion für die Söhne zu erlangen.

Der Herzog Carl, welcher diese Religionsfrage der Töchter nun betrieb, verpflanzte dieselbe auf ein fremdes Terrain, indem er mit dem Gesetze einschreiten wollte, indem er seinem Neffen versicherte, Sie würden Ihren Consens nicht geben, wenn nicht das Gesetz erfüllet würde, d. h. nach des Herzogs Auslegung, die Töchter müßten katholisch werden. Wilhelm Solms, der sich mit der Sache natürlich sehr vertraut gemacht hatte, auch bereits die Einwilligung seiner Mutter und seines Familien-Chefs, von Letzterem sogar durch offizielle Urkunde, hatte, daß die einstigen Töchter katholisch werden sollten, fand in den Gesetzen nirgends die vom Herzog Carl gemachte Auslegung derselben. Denn im Gesetz heißt es ausdrücklich so: die Regel ist, daß alle Kinder der Religion des Vaters folgen; wenn jedoch ein anderes bei den Ehepakten beschlossen wird, so mischt sich das Gesetz nicht darein; nur in dem Falle, daß eine Verschiedenheit der Wünsche obwaltet und eine Einigung nicht möglich ist, so tritt das Gesetz mit der aufgestellten Regel ein. Ja selbst wenn die Brautleute gleicher Meinung waren, bei der Geburt eines Kindes eines der nunmehrigen Eltern desselben aber die Meinung gewechselt[S. 106] haben sollte und eine Einigung gutwillig nicht möglich ist, so schreitet auf Verlangen wiederum das Gesetz mit seiner Regel ein. Diese hier aufgestellte Auslegung des Gesetzes beruht auf den Aussprüchen der Geheimräte v. Raumer, Savigny und Kamptz und ist auch die ganz allgemein in Anwendung kommende Praxis. Wilhelm Solms muß also vermuten, daß sein Onkel in der Auslegung des Gesetzes geirrt habe, was ihm dadurch noch mehr bestätigt ward, daß vor wenig Tagen sich der Herzog völlig lossagt, ferner in der Angelegenheit zu tun haben zu wollen und den Großherzog an seine Stelle setzt. Außerdem hatte aber der Herzog Carl auch noch obengenannte Urkunde des Fürsten Solms als unstatthaft angreifen wollen, obgleich sie schon in Wien mitgeteilt ist, behauptend, die mediatisierten Fürsten dürften dergleichen Dokumente in ihren Familien nicht ausstellen, wenn sie gegen Landesgesetze verstießen. Da aber, wie gezeigt, gegen die Landesgesetze gar nicht verstoßen ist, indem mit Übereinstimmung von allen Parteien die katholische Religion für die Töchter stipuliert ward, so fällt auch dieser Einwurf des Herzogs zusammen, abgesehen davon, daß den mediatisierten Häusern selbst solche Anordnungen zu treffen vorbehalten ist.

Wilhelm Solms ist nun natürlich sehr en peur zu vermuten, daß Ihnen die Sache als eine Ungesetzmäßigkeit vorgestellt sein möchte, was zu berichtigen ich sehr gern für ihn übernommen habe. Der hofft also, wenn der Großherzog Ihnen das Nichtnachgeben der Gräfin Kinsky wird angezeigt haben, Sie Ihren Consens erteilen werden, wenn Sie gesehen haben, daß Alles geschehen war, die Gräfin zu bewegen, Ihrem Wunsche nachzugeben; der Entscheidung Ihres Consenses wird das Gesetz nirgend im Wege stehen. Sie werden Zwei sehr glücklich machen, denn die Briefe der Braut schildern sie als sehr verliebt und sehr ausgezeichnet von Herz und Geist, und Wilhelm ist sehr entzückt und gefällt mir ganz ungemein in der ganzen Angelegenheit[85]...

[S. 107]

Berlin, den 29. März 1831.

Wenngleich ich nicht weiß, ob Ihr Vertrauen dem Prinzen Radziwill[86] beim nächsten Avancement in der Armee eine Regiments-Commando-Stelle verleihen wird, so wäre dies bei seinem Anciennitäts-Verhältnis doch möglich. Ich glaube es daher der Freundschaft für ihn schuldig zu sein, über seine Persönlichkeit und über die daraus etwa entspringende Wahl des ihm anzuvertrauenden Regimentes Folgendes zu sagen.

Sein sehnlichster Wunsch und der seiner Familie ist es, einst das 19. Infanterie-Regiment zu befehligen, indem er demselben nun schon so lange angehört. Der jetzige Commandeur, Oberstleutnant v. Valentini, hat diesen Wunsch sehr begreiflich gefunden, sich ganz erbötig erklärt, ein Regiment zu tauschen, wenn es Ihr Befehl sei. Später hat er jedoch seine Ansicht in dieser Hinsicht plötzlich geändert. Dem General Witzleben teilte ich schon vor längerer Zeit den Wunsch des Prinzen mit. Er erwiderte mir, daß der Prinz zu sehr Pole sei, als daß man ihm dies Regiment anvertrauen könne und daß mehrere Dinge über ihn in dieser Beziehung berichtet seien, die Sie nicht veranlassen würden, ihm das 19. Regiment zu geben. Ich teilte dem Prinzen diese ganze Unterredung und Mitteilung des Generals Witzleben mit. Er war darüber nicht verwundert, weil er sehr wohl wußte, daß man von Posen aus so über ihn berichte. Als Mann von Ehre begnügte er sich zu erwidern, daß er sich nicht rechtfertigen würde, sondern die Zeit entscheiden lassen wollte. Wie wenig er übrigens blind über die Polen ist, wird seine Mitteilung — schon vor einigen Jahren — beweisen, wo er mich benachrichtigte, daß der Geist in Posen usw. anfinge sich zu verschlechtern usw. und daß er dieserhalb beständig zu predigen habe.

Jetzt seit der polnischen Revolution wird, glaube ich, ein Jeder, der ihn unparteiisch hat sprechen hören, ihm das Zeugnis erteilen, daß man nicht richtiger das Verhältnis beurteilen kann als er; aber freilich kann ich ihn dabei nicht lossprechen, manches Ding, was unter dem Großfürsten Konstantin geschehen ist, bei seinem Namen genannt zu haben und vielleicht nicht immer vorsichtig genug. Aber Rebellion bleibe für ihn Rebellion, wenngleich das Interesse von seines Vaters Landsleuten ihm am Herzen liegt. Wenn er sich also in dieser Beziehung mancher Unachtsamkeit wirklich anzuklagen haben mag, so ist das doch sehr weit[S. 108] entfernt von einer Gesinnung, die Mißtrauen gegen ihn aufkommen lassen könnte. Ich darf es Ihnen versichern, Sie können keinen ergebeneren und treueren Offizier in Ihrer Armee haben als ihn, denn Wenige kennen ihn so genau wie ich...

Der Prinz wird natürlich jedes andere Regiment, das Sie ihm übergeben, als ein unschätzbares Vertrauen übernehmen, aber ein sehr schmerzhaftes Gefühl wird es ihm sein und bleiben, glauben zu müssen, daß man aus politischen Gründen ihm mißtraut und daher von seinem jetzigen Regimente entfernt. Verzeihen Sie gnädigst, wenn Freundschaft und Überzeugung diese Zeilen mir eingeben.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Belvedère bei Weimar, den 26. Juni 1831.

Die russische Remonte schlägt außerordentlich gut ein und ist wirklich jetzt magnifique; auch die Augmentations-Pferde sind sehr gut, so auch beim 3. Ulanen-Regiment. Leider kann ich nicht dasselbe von den sogenannten russischen Pferden sagen, welche das 2. Dragoner- und das 3. Husaren-Regiment als Augmentation erhalten haben für die außerordentlich guten, welche sie an die Regimenter des 4., 7. und 8. Corps haben vor 6 Wochen abgeben müssen. Diese sogenannten russischen Pferde sind nicht nur unter der Kritik schlecht, wenigstens zu Dreiviertel der ganzen Masse, sondern sind sie nicht einmal einstellungsfähig, was das Haupterfordernis dieser Augmentationspferde war... Der Kriegsminister ist freilich selbst sehr ungehalten auf diesen Ankauf und wenn er auch Ersatz stellen will, so kann er es doch nicht hindern, daß diese Regimenter statt in vier Wochen erst in mehreren Monaten schlagfertig auf die Kriegsstärke werden. Ich hatte es ihm vorher gesagt und bin wirklich sehr niedergeschlagen, weil meine Cavallerie die einzige in der ganzen Armee ist, der es so ergeht...

Im Neuen Palais, 30. Juli 1831.

In militärisch-cholerischer[87] Beziehung melde ich nur noch, daß auf Aufforderung des Generals v. Thile von gestern der Oberst v. Neumann[S. 109] angewiesen worden ist, eine Compagnie des Kaiser Franz Füselier-Bataillons und eine Escadron jenseits Stettin zu detachieren, indem die dortige Garnison nur 100 Mann disponibel zum Cordon bis zum Haff machen kann, daher die verlangte Aushülfe notwendig wurde. Das Füselier-Bataillon des ersten Garde-Regiments wird, wenn jene Lücke links geschlossen werden muß, auf dem rechten Flügel des Cordons diese Links-Schiebung ersetzen. Die Bataillone sind guten Muts ausmarschiert, um so mehr, weil die Soldaten nicht glauben, daß sie blos gegen die Krankheit, sondern gegen die Polen marschieren, wovon die nur mitgenommenen 15 scharfen Patronen sie nicht zu detrompieren vermochten. Die Bemerkung hörte man allgemein, daß man nach 16 Friedensjahren nicht erwartet hätte, zum ersten Male nach Osten und gegen eine Seuche wieder auszumarschieren und daß die westliche Richtung lieber eingeschlagen worden wäre, einen andern Feind findend. Wer weiß, was über kurz oder lang uns bevorsteht, dann ist die jetzige Zeit ein gutes Aguerriren...

Berlin, den 10. Februar 1832.

Durch den Kriegsminister ist mir Ihr Befehl zugegangen, nach welchem eine sehr bedeutende Beurlaubung bei der Infanterie eintreten soll. Die Staatskassen müssen freilich sehr erschöpft sein, da Sie sich zu dieser Maaßregel entschlossen haben, denn Niemand ist ja fürsorglicher für das Wohl der Armee als Sie und Niemand weiß daher besser als Sie, wie schmerzlich dieser Befehl der Armee sein muß, wie desorganisierend er momentan und vielleicht auf länger auf dieselbe wirken muß. Ich kann daher auch nicht, wenn ich es mir auch gern unterstehen möchte, auf Zurücknahme dieser Anordnung für die ganze Infanterie antragen; aber ich wage es, Ihnen die Lage der Infanterie des dritten Armee-Corps untertänigst vorzutragen. Durch die Dislocation derselben außer ihrem Cordon trifft diese Maßregel dieselbe ungleich härter und führt weniger zum Ziel der Ersparnisse.

1.) Die Beurlaubung wird nicht viel vor Ende des Monats eintreten, sodaß also ungefähr dieselbe nur auf 3 Monate eintritt.

2.) Nach meinem ungefähren Überschlag wird die Entlassung beim dritten Armee-Corps circa 2200 Mann betragen. Der Mann zu 3 Taler monatlich berechnet, gibt die Summe von 10000 Talern, in 3 Monaten also 30000 Taler, welche erspart werden.

[S. 110]

3.) Davon sind jedoch wiederum abzurechnen wenigstens 14 Tage Hin- und 14 Tage Her-Marsch, also wieder ein Monat, sodaß wieder 10000 Taler abzurechnen sind, und es bliebe also nur ca. 20000 Taler Ersparnis.

4.) Wie Wenige werden sich finden, die auf eine so kurze Zeit nach Hause gehen, wie sie kein Unterkommen, kein Verdienst auf 2 Monate finden?

5.) Bei der Aussicht einer großen Revue für das dritte Armee-Corps wird die Maaßregel für dasselbe im höchsten Grade drückend. Die Desorganisation der Truppen tritt in dem Moment ein, wo die Compagnie-Exercier-Zeit beginnt, wo die Rekruten durch die Zusammenstellung mit den alten Mannschaften erst anfangen sich zu orientieren und als Soldaten zu fühlen. Das Fortschreiten der Ausbildung von Stufe zu Stufe, Compagnie-, Bataillon-, Regiments-Exercieren wird unmöglich, teils aus Mangel an Formations-Möglichkeit, teils weil mit vier wachtfreien Nächten die Mannschaft so fatiguirt wird, daß an ein systematisches Exercieren kaum zu denken ist. Jede Vermehrung von Kranken im Frühjahr, die leider jetzt immer zu erwarten ist, jedes kleine Kommando und andere Zufälligkeiten vermindern den wachtgebenden Stand, sodaß bald mit 3, bald mit 2 Nächten wird aufgezogen werden müssen. Bei einer solchen Fatigue hat die Erfahrung, namentlich in Coblenz bis zum Jahre 1830, gelehrt, daß die jungen Leute nicht auf dem Posten sich wach zu erhalten vermögen, sie schlafen ein, werden so betroffen, arretiert, sodaß ihre Existenz höchst gefährdet ist, da sie zwischen Ermattung auf Posten durch Mangel an Schlaf, was die Gesundheit untergräbt, und Arretierung wegen Erliegung der Fatigue zu wählen haben. Dies Bild erscheint grell, ist aber leider aus der Erfahrung von Coblenz gegriffen und findet sich in einem Brief von mir an den General Witzleben aus Ems von 1830. Ich fürchte mit Recht, daß ähnliche traurige Verhältnisse nun in Magdeburg, Erfurt, Cüstrin und Wittenberg eintreten werden. Wie soll bei solchen Fatiguen viel exerciert werden können? Die Ausbildung der Truppe ist also während der drei Monate fast unmöglich.

6.) Am 1. Juni soll die beurlaubte Mannschaft wieder eintreffen bei den Regimentern. Um Ihre Zufriedenheit zu erlangen im Herbst, ist es unumgänglich nötig, daß wie 1827 die Vorübungen der Truppe systematisch[S. 111] in ihrer größeren Zusammensetzung fortschreiten; sonst kann ich nicht verantwortlich sein für Ordnung der Ausführung des Verlangten. Eine desfalsige Berechnung ergibt, daß die Erfurter Garnison in der Hälfte Juli aufbrechen muß; sie hat also kaum 5 Wochen, um mit der Mannschaft im Detail alles nachzuholen, was erforderlich ist. Welch’ ein kurzer Zeitraum für die feine Ausbildung im Detail; welche Anstrengungen, welche Überbietung der Kräfte aller Teile gehört dazu, um zu Stande zu kommen? Eine so übermäßige Anspannung erkältet leicht den höchsten Eifer und die größte Lust. Und wenn es mir auch glückte, das Corps wie vor 6 Jahren Ihnen vorzuführen, so bangt mir wahrlich vor der Frage, was für Kräfte aufgeboten wurden, um in so kurzer Zeit so viel zu erreichen.

Aus dieser, ich fühle es, sehr kühnen und gewagten Darstellung der Folgen, welche die Beurlaubungsmaßregel bei meiner Infanterie haben wird, unterstehe ich mich darauf anzutragen, die Maßregel bei dieser Infanterie zurückzunehmen, teils, weil die Ersparnis-Erzielung bei derselben gering ist, durch ihre Dislocation, teils weil die Kräfte der Mannschaften beim Wachtdienst und bei den übereilten späteren Übungen gefährdet werden... Ich muß bemerken, daß meine Befehle zur Beurlaubung bereits abgegangen sind, eine gnädige baldige Entscheidung also sehr erwünscht ist.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Berlin, den 8. Oktober 1832.

Der gestrige Morgen in Bellevue, wo wir Charles X. und den Dauphin begrüßten, gehört gewiß zu den ergreifendsten Momenten des Lebens. Ich vermag den Eindruck nicht zu schildern, den der Anblick des Mannes, auf einer solchen Reise begriffen, auf mich machte, den man vor 17 Jahren in Folge so mühseliger Anstrengungen und Opfer auf den Thron seiner Väter zurückführen sah. Der Wechsel der entsetzlichen Schicksale trat zu grell hervor, als daß man nicht tief erschüttert sein mußte.

Der König war in seiner bekannten Art heiter und außerordentlich gerührt und dankbar über Alles, was ihm seit seinem Eintritt ins Preußische begegnet ist, denn allgemein soll man ihm die größte Teilnahme[S. 112] verbunden mit dem schuldigen Respect erwiesen haben... Er sprach über die Revolution und sagte, daß er immer nur das Wohl seines Landes im Auge gehabt habe und auch glaube, immer nur die richtigsten Mittel gewählt zu haben; aber freilich einen Fehler habe er gemacht, nämlich den, im Juli 1830 nicht 50000 Mann mehr nach Paris gezogen zu haben, aber er hätte eine solche Maßregel nicht für nötig gehalten, zu sehr auf die Gesinnung des Volkes rechnend. Er fürchtet sehr für Frankreichs Ruhe in den nächsten Monaten bei Eröffnung und während der Sitzung der Kammern, hinzufügend, er wünsche es nicht, denn er wünsche zur die Zufriedenheit des Landes, aber er fürchte nur Unruhen. Le gouvernement a bien de la peine de remettre les affaires en ordre et de se consolider sagte er auch unter anderm. Auch freute er sich über die Bundestagsbeschlüsse und sagte: la liberté de la presse, c’est le reste...

Berlin, den 24. Februar 1833[88].

Es ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl, mit welchem ich (in) diesem Augenblick die Feder ergreife, da ich weiß, daß ich mich über die ganze Zukunft der preußischen Armee aussprechen muß.

Vom Generalleutnant von Witzleben bin ich heute früh aufgefordert worden, mich über die künftige Dienstzeit des Infanteristen nach den mitgeteilten Plänen auszusprechen.

Früh schon hat mich Ihre Gnade und Ihr Vertrauen an die Spitze höherer Truppencommandos berufen, sodaß ich bereits aus den gesammelten Erfahrungen mir ein Urteil zutrauen darf. Wahrscheinlich berufen, dereinst noch die mir anvertrauten Truppen zur Erhaltung Ihres Thrones und Ihres Vaterlandes gegen den Feind zu führen, muß ich auch wissen, wie die Truppen beschaffen sind, mit denen ich so hohe Güter verteidigen soll. Eine Vernachlässigung meiner heiligsten Pflicht würde es sein, wenn ich in einem Augenblicke schweigen wollte, wo es darauf ankommt, die Beschaffenheit dieser Truppe so zu untergraben,[S. 113] daß deren Führer dereinst nicht mehr wissen können, ob sie für deren Gehorsam und Disciplin sich verbürgen können. Eine schwere Verantwortlichkeit würde ich auf mich nehmen, wenn ich in diesem entscheidenden Moment nicht auf das aufmerksam machte, was die Armee bedroht und wenn ich in ein System willigte, von dem ich nur Übles erwarte und vielleicht in einer fernen Zukunft — wenn es zu spät ist — hören müßte: warum hat man damals darein gewilligt, warum hat man nicht gesprochen, als es Zeit war.

Im Monat October habe ich es gewagt, über den fraglichen Gegenstand meine Ansichten ganz in exstenso vorzulegen. Wenn jenes Memoire es nicht vermochte, die Beschließungen abzuwenden, von deren Anwendung ich heute unterrichtet werde, so wird es freilich dieses Schreiben noch viel weniger vermögen, wo ich mich nur auf jenes Memoire beziehen kann. Aber verwahren muß ich mich gegen alle Folgen, die aus dem beabsichtigten Schritt entspringen müssen, und dies hiermit zu tun ist meine Pflicht.

Wohl weiß ich, daß gewichtige Stimmen keinen Übelstand in der verkürzten Dienstzeit des Infanteristen sehen wollen; noch heute sprach ich mit Generalleutnant Grollmann davon, aber wie künftig Unteroffiziere zu beschaffen sein werden, daran hatte er nicht gedacht, gleichfalls nicht, wie nach 16 monatlicher Dienstzeit sich noch Kapitulanten finden werden, die Pflanzschulen der Unteroffiziere. Er sagt, in 16 Monaten könne man einen Unteroffizier vollkommen ausexercieren und felddienstfähig machen; ich versichere dies in 8–10 Monaten tun zu wollen, aber weder in 8, 10 noch 16 Monaten erzieht man einen Soldaten, der es dem Geist nach ist, d. h. einen, der nicht aus Furcht vor Strafe, sondern aus einer gewordenen Überzeugung handelt, wie es ihm gelehrt ist. Wie will man Vertrauen auf einen Soldaten auf Vorposten setzen, der kaum unter den Augen des Vorgesetzten das Befohlene tut, weil er das Befohlene noch nicht inne hat und haben kann. Wie wird im Kriege die Disciplin in einer Truppe zu erhalten sein, die sie in 16 Monaten kaum der Idee nach kennen gelernt hat, dem Geiste nach aber gar nicht; wie wird diese Disciplin in der Landwehr, bei der Composition ihrer Offiziere aussehen, da sie in 16 Monaten nicht erlernt ist, geschweige denn nach 10 Jahren der Beurlaubung. Es gibt deutsche Armeen, die bei ihrer kurzen Dienstzeit weder das Vertrauen[S. 114] des In- noch Auslandes haben; die aber wohl ein Renomee sich gemacht haben, das der Indisciplin. Die Preußische Armee zeichnete sich von jeher durch das Gegenteil aus; sie besitzt, und mit Recht, das Vertrauen des In- und Auslandes, weil ein Jeder fühlt, daß sie allein noch in Deutschland auf richtige Prinzipien gegründet ist, daß ihre Glieder zu wirklichen, kräftigen Kriegern erzogen werden, weil ihnen die Zeit dazu vergönnt ist. — Wie wird sich das Alles ändern, wenn nun die Dienstzeit des Soldaten denen der andern Heere gleichkommt, auf die gerade dieserhalb man kein Vertrauen setzt.

Wenn wirklich die Reducierung der Dienstzeit von 36 auf 16 Monate stattfinden soll, so wird man sich vor einer Haupttäuschung zu wahren haben, nämlich der, daß man nicht mehr die Ansprüche an die Armee und Landwehr einst beim Beginn eines Krieges mache, die man an sie zu machen berechtigt war, als das Edikt vom Jahr 1814 erschien. Durch die Reducierung der Dienstzeit tritt die Infanterie auf die Linie der anderen kleinen deutschen Armeen und man ist nicht berechtigt, mehr von der unsrigen als von jenen zu verlangen. Das Edikt vom Jahre 1814 zeigte eine Armee von Linientruppen beim Beginn eines Krieges, in welcher eine feste soldatische Ausbildung möglich war, und daneben die Landwehr, welche durch jene feste soldatische Ausbildung gegangen war und daher ein Stamm sein konnte, trotz der langen Beurlaubung jener Ausbildung in allen Teilen Ehre zu machen. Jetzt nun soll der Vordersatz schwinden, was soll aus dem Nachsatz werden?

Die schöne Haltung der Armee gibt am meisten Stoff für die Laien, um die Behauptung der verkürzten Dienstzeit aufzustellen. Man kehre den Satz um: gesetzt, es wäre nicht gelungen, die Armee so schön zu erhalten, sondern das Gegenteil, würden die Laien nicht selbst behaupten, die Dienstzeit müsse verlängert werden? Denn es sehe die Truppe zum Erbarmen aus? Ganz einfach und schlagend ist der Satz, da ein Soldat 3 Jahre dienen muß, um dem Geist nach Soldat zu sein, so kann er auch so gut aussehen, wie der preußische Soldat aussieht, aber nicht um so gut auszusehen, soll er drei Jahre dienen.

Schließlich kann ich nicht unberührt lassen, daß ich aus sicherer und sehr wohl unterrichteter Quelle weiß, daß auch das Jahr 1832 wieder Überschüsse im Jahres-Abschluß liefert, die den früheren nicht nachstehen: ich muß daher noch einmal auf die im Memoire vom Oktober[S. 115] abgesprochene Ansicht zurückkommen; man zweige anderthalb Millionen von diesen nun seit 3 Jahren constant sich bleibenden Überschüssen zum Militär-Etat ab, lege das andere in den Schatz und Erlassung von Steuern möge eintreten, wenn jener gefüllt ist, aber ehe jene Millionen nicht zum Militär-Etat gebracht sind, darf kein Steuer-Erlaß eintreten. Ist dieser erst eingetreten, und die Dienstzeit verkürzt, wer kann dann jemals daran denken, eine Steuer-Erhöhung und eine verlängerte Dienstzeit wieder vorzuschlagen? So stehen wir am Wendepunkt dieser ins tiefste Innerste mich erschütternden Frage, deren Lösung das Schicksal des Vaterlandes und des Thrones in sich schließt. Tief ergriffen und schmerzlich bewegt verbleibe ich

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Im neuen Palais, 30. Juli 1833.

Eine zweite Bitte, die ich vorzutragen wage, verdient eine sehr zarte Behandlung, da Sie mir dieselbe bereits vor 7 Jahren zwar nicht definitiv abgeschlagen, jedoch durch Ihre Nicht-Entscheidung auch nicht genehmigten. Es ist dies das Projekt eines kleinen Besitztums auf dem Babelsberg[89]. Sie fanden das damalige Projekt zu groß und zu kostspielig. Das, was ich jetzt vorzutragen wage, wird diesen Vorwurf nicht verdienen, da es nur eine Cottage von 50 Fuß Quadrat und eine kleine Garten-Anlage rund herum in sich begreift. Der ganze übrige Berg würde bleiben, wie er ist und nur gangbarer gemacht werden. Die projektierte Anlage würde am unteren Abhange zunächst dem Fischerhäuschen zu liegen kommen, mit einem kleinen Teil des offenen Feldes;[S. 116] das Ganze würde ungefähr 6000 Tlr. abzuführen kosten. Die neu angelegten Promenaden auf dem Berge, die jedoch weder von mir angelegt noch bezahlt sind, haben durch die schönen Aussichten, die sie gewähren, den Wunsch von neuem in mir rege gemacht, jenes frühere Projekt wieder aufzunehmen, da ich mich in der Wahl der schönen Lage wohl nicht geirrt habe. Augusta teilt sehr meinen Wunsch und den Gefallen an einem kleinen Besitztum. Im Gewährungsfall würde ich den Berg in Erbpacht nehmen, jährlich 90 Tlr., weil ich keinen andern Besitz-Titel anzugeben habe. Da die Zeiten jetzt friedlich sind, so darf ich hoffen, Ihre gnädige Einwilligung zu erhalten...

Weimar, den 23. Oktober 1833.

.... Ich war gestern in Erfurt... nach der Parade führte die Infanterie ein kurzes Exercieren aus. Die Truppen sahen sehr gut aus, wenngleich die schönen gedienten Leute vom Herbstmanöver zu vermissen waren... Auch das hiesige Bataillon habe ich in Parade gesehen. Es war sehr schwach... die Haltung ist mit einem gewöhnlichen Landwehrbataillon früherer Art zu vergleichen, da die Mannschaften erst vier Wochen bei der Fahne sind... exerciert ward nicht, so daß ich von dem neu eingeführten preußischen Reglement nicht urteilen konnte. Die Griffe haben sie nicht eingeführt, da sie noch französische Gewehre besitzen, also die preußische Chargierung nicht annehmen können. Es wäre vielleicht nicht unzweckmäßig, zu versuchen, das preußische Gewehr hierher zu verpflanzen, damit ein Anfang zur Egalisierung des Kalibers gemacht würde...

Weimar, den 31. Oktober 1833.

.... Vor einigen Tagen habe ich den nun von Ihnen bestimmten Infanterie-Etat und die auf 2 Jahre bestimmte Dienstzeit zugeschickt erhalten. Ich sehe, daß auf die Gegenrechnung, welche ich in meiner Eingabe im Juli machte, nicht berücksichtigt worden ist. Ich kann nur wünschen, daß meine Rechnung unrichtig war; indessen nach den bisherigen Erfahrungen muß ich fürchten, daß ich mich nicht verrechnete. Da nun zur großen Revue vor Ihnen, also höchstens alle vier Jahre, die Kriegsreserven-Rekruten eingezogen werden sollen, so sind die Bataillone[S. 117] vier Jahre lang incomplet, so daß beim Ausmarsch so viele rohe Rekruten eingezogen wenden müssen, als das Manquement beträgt und dies wirkt ebenso auf die Landwehr; ich bin daher nicht ohne Besorgnis.

Berlin, den 1. März 1834.

Die Vorbereitungen zum Umbau unsers Palais sind nunmehr so weit vorgeschritten, daß derselbe auf dem bisher innegehabten Grundstück unter den Linden in der Mitte dieses Monats beginnen kann, so daß bereits im Herbst das erneuerte Gebäude unter Dach sein kann. Mit Ihrer gnädigen Erlaubnis würden wir daher um die angegebene Zeit unsern Umzug nach dem Schlosse bewerkstelligen. Den Vorstellungen des Hofmarschalls v. Malzahn habe ich gern nachgegeben, wenn ich Ihre Genehmigung nachsuche, nicht die früher gewählten Räume bewohnen zu dürfen, sondern das kleine Appartement des seligen Königs, da dasselbe alle Bequemlichkeiten darbietet, die dem zuerst gewählten durch das Erscheinen des Kleinen[90] nun abgehen.

In der Anlage überreiche ich untertänigst die Pläne des Baurats Langhans[91], die die Genehmigung des Geheimrats Schinkel erhalten haben. Von den mitkommenden Façaden erscheint die im Florentinischen Stil mit den Bogenfenstern wegen ihrer Seltenheit in Berlin vielleicht den Vorzug zu verdienen. Sollten Sie jedoch den anderen den Beifall zollen, so sehe ich Ihren Befehlen entgegen, die ich aber vielleicht bald erbitten darf, damit der Baumeister sich auf das eine oder andere präpariere...

Dobberan, den 13. August 1834.

.... Durch den Hofmarschall von Malzahn bin ich benachrichtigt worden, daß Sie die Kosten der Instandsetzung der Fenster, Küchen usw. in dem mir im Schloß angewiesenen Räumen, nicht übernehmen zu wollen befohlen haben. Ich darf mich wenigstens über jenen Antrag rechtfertigen, denn ich habe ihn beim Hofmarschall gemacht, in der[S. 118] Voraussetzung, daß es seine Pflicht sei, die angewiesenen Räume in solchem Zustand zu überweisen oder herzustellen, daß sie brauchbar sind. In Küche und Keller war dies in einem so hohen Grade nicht der Fall, daß Sie die Details kaum glauben würden. Wie wenig aber die Wohnung selbst gegen die Winterwitterung geschützt ist, beweist die gemachte Aufnahme zu den Reparaturen, die der Kastellan besorgt hat und auch, daß Alexandrine[92] vorigen Winter ein Zimmer ganz hat verlassen müssen, weil es nicht mehr wegen Zug und Kälte bewohnbar war.

Ich glaubte diese Ausführungen machen zu dürfen, um wenigstens den Glauben von mir abzuwenden, als habe ich etwas Unbilliges verlangt. Die verlangte Summe war allerdings nicht bedeutend, aber ich glaubte das Recht auf meiner Seite zu haben, als ich dem Hofmarschall den Antrag machte, während ich mir ein Palais baue, die einstweilen überwiesenen Schloß-Zimmer nicht auch noch im baulichen Zustande halten zu müssen.

Wien, den 14. März 1835.

.... Immer mehr muß man die Weisheit bewundern, mit welcher der verstorbene Kaiser seine letzten Anordnungen traf, die, wenn sie auch länger schon mit dem Fürsten Metternich vorbesprochen waren, doch nur in den letzten Lebensaugenblicken zu Papier gebracht wurden. Das so zu nennende politische Vermächtnis für seinen Nachfolger, wovon mir Fürst Metternich eine Abschrift im engsten Vertrauen für Sie mitgeben wird, ist ein Muster von Weisheit, Einfachheit und Kürze und muß einen tiefen und heilsamen Eindruck auf Jeden machen. Die Einigkeit der kaiserlichen Familie fährt fort, sich bei jeder Gelegenheit abzusprechen; dieselbe Einigkeit in den Grundsätzen, zu den Handlungen, und in den allgemeinen politischen Ansichten ist bei allen höchsten Beamten und bei Allen, die ich sonst noch gesprochen habe, ungemein erhebend und erfreulich zu sehen. Die Armee soll in einer musterhaften Verfassung sein und durch ein enormes Avencement, was lauter junge Männer an die Spitze der Truppen brachte, auch in ihrem geistigen Elemente im höchsten Grade belebt. Durch alle diese Verhältnisse erscheint Österreich in diesem Moment trotz des entsetzlichen Stoßes, den es soeben erlitten hat, dennoch auf einem Standpunkt[S. 119] zu stehen, der volle Anerkennung verdient und der, wenn Menschen und Umstände so verbleiben, eine ungetrübte Zukunft versprechen; und daß die am Ruder stehenden Männer keine veränderten Umstände herbeiführen wollen, dafür bürgt das Gefühl des notwendigen Zusammenhaltens Aller; hier liegt die ganze Garantie für die Zukunft.

Berlin, den 24. April 1835.

Der Kriegsminister benachrichtigt mich heute in einem Privatschreiben, was Sie infolge seines erneuten Vortrages über die Dienstreisen zu erklären geruht haben. Ich muß zwar vermuten, daß der Minister bei dieser Gelegenheit auch meine Vorstellungen erwähnt hat, die ich ihm auf die Cabinetsordre vom 18. März gemacht habe. Da jedoch Ihre anderweitigen Erklärungen, die ich heute in Erfahrung bringe, die Besorgnisse für das fernere Wohl der Armee, welche mir meine Eingaben an den Kriegsminister diktierten, leider nicht benehmen, so halte ich es für meine Pflicht, als eines der Organe der Armee und vermöge meiner Kindesstellung zu Ihnen, hier in der Kürze die Gründe nochmals auszuführen, welche mir jene Besorgnisse einflößen.

Bei einer Armee von langer Dienstzeit läßt es sich einigermaßen denken, daß eine mehrmalige Inspicierung im Jahre durch die höchsten Vorgesetzten überflüssig sein mag, wenngleich ihr Unterbleiben auch hier niemals vorteilhaft auf den Geist der Truppen wirken wird; denn diese wollen ihren Vorgesetzten doch sehen und kennen lernen und werden es ihnen immer als Faulheit auslegen, wenn sie dieselben niemals in ihre Dislocierungen sich begeben sehen, wo man sich nach dem Ergehen der Truppe erkundigen kann, Mängeln abhelfen, kurzum Interesse für ihr Wohlergehen an den Tag legen siehet. Bei einer Armee jedoch wie die preußische, wo in der Linieninfanterie namentlich jährlich jetzt die Hälfte sich erneut und in der Kavallerie ein Drittel, da ist eine unausgesetzte Kontrolle der höheren Vorgesetzten durchaus von Nöten, teils um im Allgemeinen Spannung zu erzeugen, und auf der anderen Seite Aufmunterung, teils um Egalité in den Regimentern einer Brigade und eines Armee-Corps herbeizuführen. Selbst nach den heute erhaltenen Erklärungen ist es den Brigadekommandeuren völlig untersagt, ihre Regimenter anders als im Herbst bei den Regimentsconcentrationen zu be[S. 120]sichtigen. Wenn sie nun hierbei in den Details Mängel entdecken, so ist nun keine Zeit mehr, um dieselben zu redressieren; dieselben werden sich also auf die fernere Brigade- und Divisionsübung ausdehnen und erst im Laufe des nächsten Jahres zur Abstellung kommen; ob sie aber abgestellt sind, davon soll sich der Brigadecommandeur nicht überzeugen dürfen, bis ein volles Jahr verlaufen ist und die nächste Regimentsconcentration eintritt, denn die Cabinettsordre sagt ausdrücklich, daß ein Truppenteil nur inspiciert werden soll, wenn er in seiner Ausbildung zurückgekommen ist; ein solches Zurückkommen ist aber sehr relativ und jedenfalls wird künftig des Brigadecommandeurs Erscheinen nur als eine Strafe zu betrachten sein, während es jetzt Ermunterung war. Da, wie ich heute erfahre, es den commandierenden Generalen ferner zwar gestattet sein soll, bei Gelegenheit der Landwehr-Inspicierung auch die Linientruppen zu sehen... wenn sie diese nun aber nicht zur Zufriedenheit ausgebildet finden, so trifft den Brigade- oder Divisionscommandeur unmöglich ein Vorwurf, denn sie durften sie ja nicht selbst zuvor inspicieren und sie sind also aller Verantwortlichkeit frei. Darf ich hiernach wohl noch auf die Stellung aufmerksam machen, in welche somit die höheren Vorgesetzten zu ihren Untergebenen gestellt werden? Erscheinen sie hiernach nicht während 11 Monate im Jahr völlig überflüssig und bloß für das Bureaugeschäft da zu sein? Der commandierende General und der Regimentscommandeur sind demnach die einzigen controllierenden und also verantwortlichen Behörden. Und wenn selbst, wie mir der Kriegsminister bemerkte, auch die Inspicierungen durch den commandierenden General nicht nötig erscheinen, so wäre also alle Verantwortlichkeit über die Ausbildung der Truppen einzig und allein dem Gutdünken der Regimentscommandeure überlassen. Ob dann die so oft lobend anerkannte Gleichmäßigkeit ferner noch erhalten werden kann und ob nicht vielmehr jedes Regiment nach der einseitigen Ansicht seines Kommandeurs ausgebildet sein wird, muß ich untertänigst zu beurteilen anheimstellen. Wenigstens würde es sehr hart sein, wenn irgend ein höherer Vorgesetzter künftighin für den Zustand seiner Truppen noch verantwortlich gemacht würde; jedenfalls müßte er sich immer ausbitten, nicht bevor ein Jahr abgelaufen ist, ein tadelndes Urteil aussprechen zu hören und im Laufe dieses Jahres muß er es wieder dem guten Willen des Regimentscommandeurs überlassen, ob er das Getadelte bessern will, da der Bri[S. 121]gade- oder Divisionscommandeur erst nach einem Jahre nachsehen darf, ob er gebessert hat.

Außer den Übelständen, daß alle Kontrolle aufhört über die Truppen, wenn der neue Befehl durchgeführt wird, tritt auch noch der ein, daß die nähere Kenntnis der Führer der isoliert stehenden Truppenteile völlig aufhört. Je mehr Truppen zusammen sind zum Herbstmanöver, je weniger ist Kennenlernung der Einzelnen möglich; auch erlauben die Fatiguen dieser Zeit gar keine geselligen Vereinigungen, die einzige Art, wie man Individuen kennen lernt. Hierzu dienten nun gerade die Inspektionsreisen der verschiedenen Vorgesetzten hauptsächlich; wie soll aber künftig ein Brigadecommandeur in der Conduitenliste über die einzelnen Offiziere ein Urteil fällen können, die er nur im Gewühl des Herbstmanövers ein Mal im Jahre sieht? Wie steigert sich die Unmöglichkeit eines gediegenen Urteiles über die Untergebenen für die höheren Generale?

Alle Kenntnis der Garnisonen und Garnison-Einrichtungen hört künftig für die höheren Befehlshaber auf, gewiß zum größten Nachteile der Truppen, da man sich künftig ganz auf das Urteil eines Intendanturbeamten verlassen muß.

Wenn ich somit im Allgemeinen mich ausgesprochen habe über das Princip, was durch die neue Verordnung aufgestellt werden soll, so muß ich nun auch noch untertänigst von der Veranlagung sprechen, aus welchem das alte Prinzip aufgehoben wird. Es ist dies der Kostenpunkt, denn die Reisen sollen enorm kosten. Aus folgender Berechnung hoffe ich ziemlich klar zu zeigen, daß es wenigstens nicht die Generale sein können, welche die enormen Kosten veranlassen.

Im dritten Armee-Corps haben sämtliche Generale im Jahre 1834 2800 Taler verreist; in runder Summe 3000 Taler. Wenn man dies auf neun Generalcommandos anwendet, so ergibt sich eine Summe von 27000 Talern. Wenn man nun annimmt, daß kein Armee-Corps so übel hinsichtlich der Reisen dislociert ist als das dritte, indem nirgends so viele Bataillone isoliert garnisonieren (in Königsberg, Danzig, Stettin, Magdeburg, Erfurt, Posen, Breslau, Neiße, Münster, Wesel, Köln, Coblenz und Trier liegen Bataillone), so dürfte hieraus folgern, daß in anderen Armee-Corps auch viel weniger Reisen vorkommen und also noch gegen jene 3000 Taler erspart werden müßte. Dagegen sind einige Bezirke größer als der dritte und ich will daher sogar annehmen, daß[S. 122] nicht allein 27000, sondern 30000 Taler jährlich verreist werden, d. h. auf die Art, wie meine Generale im Jahre 1834: der Divisionsgeneral zweimal, der Brigadegeneral dreimal. Da nun der Reiseetat, wie er ausgeworfen ist, 190000 Taler beträgt, so bleiben 160000 Taler übrig für die Generalinspekteure und für die Inspekteure, Regimentscommandeure, wenn sie über vier Meilen haben, und für das Civil-Personal des Kriegsministeriums. Nun hat mir aber der Kriegsminister versichert, der Etat sei um 200000 Taler überschritten worden, also seien 390000 verreist worden. Wie das möglich gewesen ist, bleibt mir ein unauflösliches Rätsel. Ich weiß allerdings, daß ein General 11000 Taler allein verreist hat, ein anderer dagegen nur 600; aber selbst wenn man 11000 mit 2 Armee-Corps multipliciert, so kommen 22000 Taler auf die commandierenden Generale und es bleiben immer noch 222000 Taler übrig. Eines klareren Beweises bedarf es wohl schwerlich, daß es die Inspektionsreisen der Generale nicht sind, welche, wenn sie auf das Notwendigste beschränkt werden wie im dritten Armee-Corps, jene ungeheuere Mehrausgabe verursachen. Wenn diese Beschränkungen allenthalben einträten, d. h. der commandierende General ein Mal, der Divisionscommandeur zwei Mal und der Brigadecommandeur drei Mal im Jahre reist oder das den verschiedenen Generälen sagte, daß sie, je nach ihrer Categorie, nicht mehr als eine gewisse Summe liquidieren dürften, die aber nach obiger Reisezahl berechnet werden kann und wie ich dies dem Kriegsminister speciell berechnet habe, so würde der Reiseetat nicht überschritten werden und dadurch alle Vorgesetzten in der Möglichkeit sein, ihre Truppen von Zeit zu Zeit zu inspicieren.

Wenngleich ich kaum erwarten darf, daß diese Auseinandersetzungen Sie zu einer nochmaligen Recherche der ganzen Angelegenheit bewegen werden, namentlich, auf welche unverantwortliche Art jene enorme Summe hat können verreist werden, so glaube ich doch nicht schweigen zu dürfen, um so mehr, da mir noch nach meiner Eingabe an den Kriegsminister die Äußerungen vieler Generale zukamen, die ganz wie ich diese Angelegenheit betrauern.

Uns allen erscheint es sehr leicht, den existierenden Mißbräuchen entgegen zu arbeiten, ohne deshalb ein neues Princip der Ökonomie wegen in der Armee einzuführen, die sich beim alten Princip sehr wohl[S. 123] befand, während das neue nur Schmerz erregt hat. Denn allen Generalen kann es doch nur schmerzlich sein, ihnen eine Stellung gegeben zu sehen, von welcher aus sie auf die richtige Bearbeitung des ihnen anvertrauten Materiales keine Einwirkung haben sollen und sich daher auch aller Verantwortlichkeit überhoben zu sehen. Das unausbleibliche Gefühl, überflüssig zu sein, muß sich einem Jeden aufdrängen und kann unmöglich auf den Geist der Armee günstig wirken. Sehr wohl weiß ich, daß ich viel wage, mich so unumwunden über eine bereits von Ihnen erlassene Ordre auszusprechen. Aber täglich mehr mich überzeugend, welchen Eindruck diese Bestimmung auf die Befehlshaber gemacht hat, halte ich mich um so mehr verpflichtet, nicht zu schweigen, und Ihnen im Namen der Beteiligten zu zeigen, zu welchen Consequenzen jene Anordnungen führen.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Ludwigslust, den 12. Juni 1835.

Während meiner diesjährigen Inspectionsreise werde ich fast von allen Landesbehörden mit der Bitte angegangen, ob es nicht möglich sei, die Rekrutengestellung statt am 1. April im Herbst, also etwa am 1. Oktober eintreten zu lassen. Da natürlich dies der einstimmige Wunsch aller Militärs ist, so werde ich binnen kurzem mich unterstehen, einen officiellen Antrag untertänigst dieserhalb einzureichen, um wenigstens für das 3. Armee-Corps diesen Einstellungstermin zu erlangen.

Ich bin beständig für denselben gewesen und gab nur in der Kommission und in meinem Berichte deshalb nach, weil man eine Gleichmäßigkeit des Einstellungstermines beliebte und die nördlichen Armee-Corps die Winterkälte ohne Exercierhäuser gegen jenen Termin einwendeten. Im 3. Armee-Corps fällt dieser Grund fort, da fast überall Exercierhäuser oder Gelasse sind, auch die Garde sich ja bis vor 5 Jahren ohne dergleichen behalf. Für die Einwohner wäre dieser Termin deswegen unendlich vorteilhafter, weil alle Unsicherheit über die Einstellung des Einzelnen fortfällt, wenn er nicht 6 Monate zu Haus gehen muß, denn während der Zeit stellen die Regimenter Freiwillige ein und brauchen daher um so weniger Cantonisten; die also, welche nicht gebraucht werden,[S. 124] es aber erst im März erfahren, sind nun ohne Brot, da ihre Dienste gekündigt waren, die Einstellung der sogenannten Brotlosen fällt auch fort, d. h. derjenigen, welche im Herbst gleich erklären, ohne sofortige Einstellung nicht leben zu können; für Jeden solcher Rekruten muß nun also ein anderer entlassen werden, der noch nicht 2 Jahre dient. Durch alles dies entsteht eine Unsicherheit bei den Einzustellenden und eine Not für den Einzelnen, die mit einem Male gehoben wäre, wenn im Herbst ausgehoben und gleich eingestellt würde...

Berlin, den 14. Januar 1836.

In den Anlagen unterstehe ich mich, Ihnen untertänigst vorzulegen:

1.) einige Bemerkungen über zweckmäßig scheinende Einrichtungen bei der russischen Truppe;

2.) meine Ansicht über die jetzt im Werk stehende Veränderung der Kadettenanstalten;

3.) Vorschläge über Besetzung einiger Vakanzen im 3. Armee-Corps. Die Ansichten ad zwei habe ich weder den früheren noch den jetzigen Cadetten-Commandos mitgeteilt, obgleich sie denen des früheren entsprossen sind. Ich habe sie natürlich nur in allgemeinen Umrissen hingestellt, glaube aber, sie doch nicht unterdrücken zu dürfen in einem Moment, wo von Umformung dieser Anstalten die Rede ist.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Bei dem mir erst vor kurzem bekannt gewordenen Plan der Vermehrung der Kadettenanstalten durch Gründung zweier, in Schlesien und in Westphalen, welche zur Berliner so gestellt werden sollen in Gemeinschaft mit der Culmer und Potsdamer, daß aus den Provinzial-Anstalten die Zöglinge nur als Port d’Epee-Fähnriche in die Armee treten sollen, während die ausgezeichneten Zöglinge derselben nach dem Berliner Corps kommen sollen, um daselbst bis zum Austritt als Offiziere gebildet zu werden, liegt eine gewiß sehr heilsame Ansicht und Absicht zu Grunde. Doch scheint dabei ein früherer Plan des Generals v. Braase, den er vor Jahren schon dem Kriegsminister einreichte, ganz übersehen worden zu sein. Die Grundidee ist allerdings dieselbe, doch unterscheidet sich dieser Plan von dem im Werk stehenden dadurch, daß

[S. 125]

1.) das Berliner Kadettencorps einen verringerten Etat von Zöglingen als jetzt erhalten sollte und daß dadurch

2.) bei einer solchen Verringerung die Kosten der neu zu errichtenden Anstalten ganz gedeckt werden können.

Die Ansichten, die für 1 sprechen, sind das gewiß vielfach gefühlte Bedürfnis, sich in der Armee einzelne Offiziere zu erziehen und zu bilden, die durch Vielseitigkeit der geistigen Bildung und durch eine höhere und feinere Erziehung zu mehrseitigen Verhältnissen vorbereitet sind und gebraucht werden können. Je höher man die Ansprüche steigert, je geringer wird die Anzahl der zu dirigierenden Zöglinge sein müssen und desto sorgfältiger wird alsdann Auswahl in den Vor-Anstalten zu treffen sein. Wenn der Etat dieser Anstalt auf 100 Zöglinge festgesetzt würde, so wäre dies wohl das Maximum, bei welchem man noch eine so sorgfältige Erziehung und Ausbildung erwarten kann als hier gewünscht wird. Unzertrennlich von einer solchen Anstalt ist jedoch ein längeres Verweilen in derselben. Es würde zu erwägen sein, ob dieses längere Verbleiben für alle Zöglinge durchgängig stattfinden sollte oder ob, wenn etwa das 19. Jahr als Austritt aus der Anstalt festgesetzt würde, mit welchem sie als Offizier zur Armee übertreten, die Fähigsten unter den Abscheidenden zwar auch zu Offizieren avancierten, aber nun noch vielleicht zwei Jahre eine fernere Ausbildung erhielten, nach welcher Zeit sie erst patentiert zur Armee versetzt würden, entweder mit dem Datum ihres Avancements zum Offizier oder bei ausgezeichneten Fähigkeiten und großer Application mit selbst vordatierten Patenten. Es würde dies eine Begünstigung sein, wie sie jetzt den Portepee-Fähnrichen zu Teil wird, welche nach vorzüglichem Examen ohne Vorschlag Allerhöchst avanciert worden. Wenn dies längere Verbleiben der Fähigsten beliebt würde, so könnten diese Zöglinge vielleicht danach in den Sommer- oder Herbst-Monaten Teil an den praktischen Übungen der Truppen nehmen. Eine Hauptbedingung würde für diese fähigsten Zöglinge bei ihrem Übertritt zur Armee die sein, daß sie, wenn sie auch noch so fähig für den Generalstab oder die Adjutantur qualificiert schon befunden würden, sie jedenfalls erst auf mehrere Jahre zum praktischen Dienst eintreten müßten bei der Truppe.

ad 2.) durch die Verringerung des Etats des Berliner Cadettenhauses werden Räume und Gebäude disponible, die verkauft werden[S. 126] können. Der ganze Hausetat wird verringert und daher wohlfeiler, so daß aus diesen Ersparnissen ect. die Neueinrichtungskosten der zwei zu errichtenden Anstalten gedeckt werden können, sowie deren Neuetats keine Mehrkosten erzeugen würden.

Der bereits gehörte Einwand, daß die Officiere, welche die Kriegsschule besuchen, solche Individuen wären, als die sind, welche man hier im Auge hat und schaffen will, ist nicht haltbar, denn 1. werden die die Kriegsschule besuchenden Officiere der Natur der Sache nach nur in derselben unterrichtet, aber nicht ferner erzogen, und 2. findet zum Besuche dieser Schule keine Auswahl beim Anmelden durch höhere Vorgesetzte statt, sondern, wer die Fähigkeiten, das Examen machen zu können, in sich fühlt, meldet sich und nur das Bestehen im Examen entscheidet über ihre Annahme. Der große Nutzen, den die Kriegsschule übrigens stiftet, ist unverkennbar und muß dieselbe unverändert fortbestehen.

Der ganze hier gemachte Vorschlag ähnelt in Einigem der ehemaligen Ecole militaire; nur daß die Zahl der Schüler größer ist und die Kosten nicht so disproportioniert wie in jener Anstalt wären. Folgendes würden ungefähr die zur Ausführung kommenden Änderungen in den verschiedenen Cadettenanstalten sein:

Die vier Provinzial-Cadettenanstalten werden etatmäßig auf 204 Köpfe gebracht; gibt 816 Zöglinge; das Berliner Cadettencorps wird etatmäßig stark 100 Zöglinge; Summa 916 Zöglinge.

Die Annahme in den Provinzial-Cadettenanstalten findet wie bisher statt mit dem 11. Jahre. Die Zöglinge verbleiben in denselben bis zum 17. Jahre, also 6 Jahre. Nach bestandenem Port d’Epee-Fähnrichs-Examen scheiden jährlich 34 aus, in Summa 136 Zöglinge und zwar 24 treten zur Armee über und 10 treten in das Berliner Cadettencorps, also 96 und 40 Zöglinge. Die auf solche Art erfolgende Complettierung des Berliner Cadettencorps ergibt ein Manquement von 20 Köpfen, welches absichtlich geschieht, um einer oder der anderen Anstalt Spielraum zu lassen, einige Zöglinge mehr hierher abzugeben, wenn sich mehr qualificierte vorfinden als 10. Das Verbleiben in dem Corps ist auf 2 Jahre festgesetzt, so daß jährlich die Hälfte, also 40 Zöglinge als Officiere in die Armee übertreten. Diese Anzahl verringert sich, je nach dem einige Zöglinge nach erfolgtem Officiers-Examen und nach[S. 127] Ernennung zu Officieren noch zu der höheren Bildungsklasse in der Anstalt zurückgehalten werden.

Die obigen jährlich übertretenden 96 Port d’Epee-Fähnriche und diese jährlich übertretenden 40 Officiere geben vorstehende 136 Individuen, die jährlich der Armee aus den Anstalten zuwachsen und welche Anzahl daher jährlich in den Anstalten neu aufgenommen werden kann. Für die zur höhern Bildungsstufe ausgewählten Zöglinge würde gleichfalls eine zweijährige Dauer angenommen als längeres Verbleiben in der Anstalt. Die Zahl dieser Eleven bleibt unbestimmt, dürfte aber 20 nicht überschreiten.

Da es vorkommt, daß fähige junge Leute in einem Jahre das Port d’Epee und Officiers-Examen machen, und dies vielleicht bei allen den Zöglingen zu erwarten stünde, welche zum Übertritt ins Berliner Cadettencorps ausersehen sind, so könnte angeordnet werden, damit sie ihren Mitzöglingen, die bald nach ihrem Übertritt zu Regimentern das Officier-Examen machen, nicht in der Anciennität einst unverschuldet nachstehen, daß diese Zöglinge bereits die ersten Jahre ihres Eintritts ins Berliner Corps zum Officier-Examen zugelassen werden. Bestehen sie im Examen, so könnte man ihnen gestatten, den Officierdegen zu tragen und würde ihnen Patente beim Austritt im nächsten Jahre von jenem Examentermine verleihen.

Wilhelm.

Marienbad, den 17. Juli 1836.

Eine interessante Mitteilung hat mir der König von Württemberg gemacht, die über die Schlauheit Louis Philipps einiges Licht gibt. Schon vor 3 Jahren ließ Letzterer durch eine Dame aus Paris, die in Stuttgart verschwägert ist, unter der Hand den König von Württemberg sondieren, ob der Herzog von Orleans wohl rechnen könnte, die Hand einer der Töchter des Königs zu erhalten; der König lehnte die Sache in ausreichender Antwort gänzlich ab. Demungeachtet erschien im vorigen Jahre, 1835, der französische Gesandte in Karlsruhe, Mr. de Mornais, in Stuttgart mit der officiellen Mission, um die Hand der ältesten Princeß für den Herzog von Orleans anzuhalten, wobei er den Auftrag hatte zu sagen, daß diese Verbindung in jeder Beziehung günstig für Württemberg sei, daß sie es aber dadurch noch mehr werden[S. 128] solle, indem Louis Philipp verspreche, den württembergischen Ländern jeden möglichen Vorteil zu verschaffen; denn, da es doch natürlich sei, daß über kurz oder lang ein Bruch mit Frankreich erfolge oder daß Unruhen in Deutschland ausbrächen, so würde er dann natürlich die Propaganda loslassen, wobei er aber verspreche, daß Württemberg von derselben so wie überhaupt bei jeder Gelegenheit verschont bleiben solle; bei einem Friedensschluß jedoch oder bei sonstiger Veranlassung werde Louis Philipp Alles anwenden, um das Königreich Württemberg bedeutend zu vergrößern.

Der König von Württemberg refusierte aber ganz bestimmt die Hand seiner Tochter, weil er dieselbe in Deutschland etabliert sehen wollte; übrigens sei er mit seiner jetzigen Lage völlig zufrieden, so daß also alle Verheißungen ihn nicht umstimmen würden und sei er entschieden, mit Deutschland Freud’ und Leid zu teilen...

Marienbad, den 3. August 1836.

Soeben erhalte ich aus Berlin die amtliche Mitteilung, daß Sie nicht die Gnade gehabt haben, auf meinen Vorschlag wegen der Verlegung des Einstellungstermines des Infanterie-Ersatzes vom Frühjahr auf den Herbst einzugehen. Ich kann nicht leugnen, daß mich diese Ihre Entscheidung recht bekümmert, da ich aus den entwickelten Gründen, militärischen sowohl wie administrativen, hoffen durfte, daß wenigstens ausnahmsweise, behufs der nächsten großen Revue des dritten Armeecorps das Verfahren genehmigt werden würde, um so mehr... als ich aus dem Kriegsministerium erfuhr, daß in demselben sowohl die Stimmen dafür sind als auch von den höchsten Zivilbehörden schon mehreremals dringend diese Angelegenheit in Anregung gebracht worden ist. Es kann also wohl nur die Privatansicht des Generals Schöler im kriegsministeriellen Bericht an Sie sich gegen die Maßregel ausgesprochen haben; der General v. Witzleben hätte es gewiß nicht getan. Die Ansicht, daß es eine Abweichung von dem Bestehenden sei, welche erst triftig untersucht werden müßte, darf ich vielleicht insofern bekämpfen, als im Bereich des dritten und vierten Armeecorps alle Militär- und Civilbeamten für die Verlegung sind, so daß also einer ausnahmsweisen oder versuchsweisen Ausführung gar nichts im Wege stehen würde und[S. 129] dieselbe vom gemeinen Mann selbst als eine große Erleichterung angesehen wird. Ich würde auf eine allgemeine Veränderung auf meinen Bericht allein niemals gerechnet haben, da die Zeit zu kurz war, vom Juli bis zum September die Sache in allen Provinzen untersuchen zu lassen. Aber da so viele gewichtige Stimmen sich dafür ausgesprochen haben, so rechnete ich wirklich mit Bestimmtheit auf die versuchsweise Einführung bei meinem Corps, welche Bitte ich nochmals auszusprechen mich unterfange.

Wollten Sie vielleicht noch ein anderes Urteil hören, so würde ich vorschlagen, den General v. Röder zu einem Bericht aufzufordern. General v. Natzmer[93] spricht mir fast täglich hier von dieser Angelegenheit und von seinem sehnlichen Wunsch, sie in Anwendung kommen zu sehen...

Babelsberg, den 17. Oktober 1837.

Wenn mit dem morgigen Tage mein Sohn sein 6. Jahr zurücklegt und dies öfters der Termin gewesen ist, an welchem die Prinzen Ihres Hauses aus den Händen der Bonnen in die der Gouverneure überzugehen pflegen, bisher dieses Überganges meines Sohnes jedoch noch nicht Erwähnung geschehen ist, so halte ich es für meine Pflicht, mich darüber heute noch gegen Sie auszusprechen. Die Madame Godet, dessen Sorge der Kleine bisher anvertraut war, ist in jeder Beziehung so ausgezeichnet und von so eminent-günstigem Einfluß auf die Entwicklung desselben gewesen, daß wir nicht dankbar genug sein können, daß sie uns vom Schicksal zugeführt worden ist. Dies ist aber auch der Grund, warum wir es sehr wünschen, daß der Kleine noch eine Zeit lang ihrer Pflege und Erziehung anvertraut bleibe, so daß nur erst im Laufe des Sommers wir den Übergang zu einem Gouverneur wünschen können. Was nun die Wahl selbst eines Gouverneurs betrifft, so ist sie unendlich schwer, wenn ich bedenke, welcher Zukunft mein Sohn vielleicht entgegen geht. Ich fühle die ganze Verantwortung nur zu schwer auf mir lasten, welche diese Wahl mit sich führt und ich muß[S. 130] gestehen, daß dieselbe eigentlich noch nicht fest bei mir ist. Mein Plan ist, einen älteren Offizier zu wählen als eigentlichen Gouverneur, unter ihm aber einen jüngeren Offizier angestellt zu sehen, der zugleich von jenem älteren die Richtung erhält, den Kleinen aber hauptsächlich dann leiten soll, wenn jener ältere Offizier durch Familienverhältnisse oder sonstige Abhaltungen behindert ist, um ihn zu sein. Vorläufig habe ich zum Gouverneur den Oberstleutnant von Unruh, meinen Adjutanten, ausersehen, ihm jedoch noch niemals davon sprechen wollen, bevor ich Ihre Ansicht kenne. Für den jüngeren Offizier ist meine Wahl noch nicht so festgestellt und werde ich mir vorbehalten, hierüber, wenn Sie den ganzen Plan genehmigen, später Vortrag zu machen.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Berlin, den 31. Mai 1838.

Ihren Wunsch, bei meinem Sohne außer dem Obersten v. Unruh als Gouverneur keinen zweiten jüngeren Offizier, sondern einen Zivil-Gouverneur anzustellen, habe ich natürlich nur als einen Befehl ansehen können und habe ich sofort Erkundigungen über dergleichen junge Männer angestellt. Es hat sich als ein ganz vorzügliches Subjekt der Sohn der jetzigen Bonne des Kleinen, Herr Godet[94] in Neuchatel herausstellt, den wir bereits seit längerer Zeit kennen, als er seine Studien hier machte. Da er sich der Theologie widmet, so adressierten sich unsere Erkundigungen an den Hofprediger Stracht und den Professor Neander[95], welche Beide dem jungen Godet das ungeteilteste Lob, namentlich Letzterer, erteilte.

Ich habe daher dem jungen Manne das Anerbieten, die Stellung bei meinem Sohne anzunehmen, gemacht und sehe seiner Antwort entgegen.

[S. 131]

Der beste Termin zum Wechsel des Erziehungspersonales dürfte nun wohl erst der Herbst sein, indem mit den neuen Hoffnungen in meiner Familie dann gleich Alles auf ein Mal verändert werden könnte, um so mehr, da wir hoffen, Madame Godet bei dem zu erwartenden Kinde, wenn der Himmel Alles gnädig wendet, ihre Stelle anzuweisen. Auch ist durch die Feuersbrunst auf dem Babelsberge kein Gelaß mehr vorhanden, wo Gouverneur und Instructeur untergebracht werden könnten für diesen Sommer. Dagegen soll Oberst Unruh, wenn er mit mir vom Rhein zurückgekehrt sein wird, so viel als möglich sich in der Gesellschaft des Kleinen befinden.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Saarlouis, den 21. Juni 1838.

.... Aachen habe ich seit 8 Jahren noch unglaublich verschönert gefunden... Es herrscht viel Elegance und Luxus in Toiletten und Equipagen, sodaß ich ganz frappiert war. Die Zweige der Industrie in und um Aachen nehmen unglaublich zu, sowie auch auf der Straße von Trier hierher. Ich habe vielerlei Fabriken besichtigt... in Malmedy (ein so echt französisches Völkchen, daß man sich inmitten nach Frankreich versetzt glaubt, der enormen Patrioten ihren Reden nach zu urteilen) ..., die alle in Flor sind und außerordentlich in ihren grandiosen Anlagen, Einrichtungen und Resultaten sind. Es ist eine wahre Freude zu sehen...

Berlin, den 6. Oktober 1838.

Sie haben gnädigst vorläufig die Wahl des Obersten v. Unruh als Gouverneur meines Sohnes zu genehmigen geruht. Da dies Verhältnis nunmehr vollständig eintreten muß, so wollte ich nun die desfalsige Ernennung hiermit antragen. Die große Gewissenhaftigkeit des Obersten v. Unruh hat ihn aber den Wunsch aussprechen lassen, die Gouverneurstellung ihm vorläufig nur als ein Commando zu übertragen, während er noch mein persönlicher Adjutant bleibt, damit, wenn er oder ich die gewünschte Qualification zu seinem Amt nicht entsprechend fände, sein Rücktritt zu mir für beide Teile weniger empfindlich wäre. Da ich diese Ansicht nur teilen kann, so will ich also untertänigst hiermit darauf[S. 132] antragen, den Oberst v. Unruh nur zur Führung meines Sohnes mit Beibehalt seines Verhältnisses als mein Adjutant commandieren zu lassen.

Zum Untererzieher haben Sie gleichfalls vorläufig den Herrn Friedrich Godet zu wählen genehmigt; seine Ernennung würde daher nunmehr auch erfolgen müssen.

Beide Herren haben bereits seit diesem Sommer meinen Sohn des Öfteren besucht und sich mit ihm bekannt gemacht, um den Übergang mit einem Male nicht zu plötzlich für das Kind zu machen.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Berlin, den 30. November 1838.

Schon nach meiner Rückkehr von der ersten Inspektionsreise am Rhein im Sommer dieses Jahres hatte ich es für meine Pflicht gehalten, Ihnen Meldung von dem Eindruck zu machen, welchen mir die Stimmung der Bewohner in jenen Provinzen gemacht hatte. Was ich Ihnen gleich anfangs mündlich meldete, wollte ich schriftlich vervollständigen. Die Zeit in Teplitz ließ nur jedoch kaum so viel Muße, die militärischen Arbeiten zu vollenden; die zweite Inspektionsreise, die Herbstmanöver und vor allem die schon zum 4. Oktober damals anberaumte Ankunft der Oberpräsidenten jener Provinzen ließen jene Arbeiten unvollendet. Ich sehe mich jedoch jetzt veranlaßt, einen Teil jener Bemerkungen aufzunehmen und zur Sprache zu bringen, indem ich erfahren habe, daß dieser Gegenstand bereits Ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Es ist dies die Stellung des Minister von Kamptz[96] als Justizminister für die Rhein-Provinz oder für die französische Gesetzgebung.

Meine pflichtmäßige Überzeugung muß ich nach Allem, was ich darüber fast täglich auf meiner Reise hörte, dahin aussprechen, daß der Minister v. Kamptz alles und jedes Vertrauen in der Provinz verloren hat, jeglicher Achtung ermangelt und somit seine fernere Belassung in der Stellung unhaltbar geworden ist.

Die Gründe zu dieser Stimmung sind sehr kurz gefaßt folgende: Herr v. Kamptz hat bei Übernahme des Ministerium teils öffentlich,[S. 133] teils privatim erklärt, daß er Alles, was in seiner Macht stände, anwenden würde, um die französische Gesetzgebung abzuschaffen; er wolle sie, was er auch völlig erfüllt hat, so durchführen, daß sie in ihrer Konsequenz gestört werde und somit von selbst fallen müsse. Darauf hat er in zwei Jahren eine Rundreise in der Provinz gemacht und nun mit einem Male die entgegengesetzte Sprache geführt, sich auf das Lebendigste für die Erhaltung der französischen Gesetzgebung ausgesprochen und seine bonnes offices zu diesem Zwecke versichert. Kaum von dieser Rundreise zurückgekehrt, hat er sich wieder ganz in der früheren Art ausgesprochen und in Privatbriefen vernehmen lassen und wieder in der früheren Richtung verfahren. Es bedarf wohl gar keines Kommentars, um die Mißstimmung aller Klassen der Bevölkerung, aber namentlich des Beamtenstandes und der gebildeten Mittelklasse zu erklären, wenn man einen so hochgestellten Staatsmann so veränderlich in seinen Ansichten erblickt, von dem das Wohl und Wehe der Bevölkerung abhängen soll. Hierzu gesellt sich nun aber noch eine Schwäche in der Behandlung der Personal-Verhältnisse, welche noch weniger dem Ministerium Kamptz Achtung erwerben kann. Er steht mit vielen Justizbeamten in Correspondenz, die ihm so zu sagen den Hof machen; die Personen begünstigt er bei Anstellungen und Beförderungen, wobei die ärgsten Mißgriffe vorgekommen sein sollen. Außerdem hat er das ihm in einzelnen Fällen von Ihnen delegierte Begnadigungsrecht in einem Maaße mißbraucht und ausgedehnt, daß es fast sprichwörtlich am Rhein geworden ist, wenn ein Verbrecher nach der Strenge der Gesetze verurteilt wird, derselbe gar bald zum Nachteil der Mitmenschen von Herrn v. Kamptz begnadigt werden würde.

Wenn derselbe somit also alle Achtung, alles Vertrauen und Ansehen verloren hat, so ist es nur zu erklärlich, wie sich gegen denselben nur eine Stimme in dieser Beziehung erhoben hat, ja wie leider sich in den Reihen der Justizbeamten eine Opposition gegen ihren Minister erhebt, die an und für sich gewiß sehr sträflich, aber wahrlich nicht zu verwundern ist.

Wenn alle diese Ansichten und Mitteilungen einzeln nur mir zu Ohren gekommen wären, so würde ich noch kein großes Gewicht darauf gelegt haben; aber ich kann versichern, daß meine Umgebung auf der Reise mir fast täglich aus jedem Nachtquartier dieselben Mitteilungen zu[S. 134] machen hatte, sodaß es unter uns fast schon zur täglichen Begrüßung gehörte, was man Neues über Herrn v. Kamptz vernommen habe. Somit ist die Stimmung gegen denselben also als eine ganz allgemein mauvaise nur anzusehen. Sie ist aber um so übler, als die Justiz doch diejenige Partei ist, welche Jedermann einleuchtend ist und die am allermeisten besprochen wird. Eine so begründete Mißstimmung aber über diese Branche bestehen zu lassen, während noch so viele andere Gründe zur Aufregung in jener Provinz vorhanden sind in diesem Augenblick, scheint einer großen Aufmerksamkeit wert. Und da die Abhülfe für den gegebenen Fall rasch gefunden ist, und mit Schonung für die Person eintreten kann, die Ruhe, das Vertrauen der Provinz aber vor Allem jetzt erhalten werden muß, so habe ich keinen Anstand nehmen dürfen, mich hier offen auszusprechen.

Ich hoffe von Ihnen nicht mißverstanden zu werden bei diesem Schritt; es ist der erste der Art, den ich tue, wohl wissend, daß mir für gewöhnlich die Einmischung in solche Verhältnisse nicht zusteht. Aber meine Stellung im Laufe dieses Jahres zur Rhein-Provinz, die Dringlichkeit des questionierten Verhältnisses, das mir nur zu klar geworden ist, ließen mich zum Besten Ihres Dienstes und des Landes diese Zeilen aufsetzen.

Was nun noch die französische Gesetzgebung an und für sich anbetrifft, so gehöre ich zwar zu denen, die sie so früh wie möglich abgeschafft zu sehen wünschen. Indessen, da man dieselbe nun 25 Jahre in Kraft gelassen hat, so scheint es mir nicht möglich, sie anders als bei Erscheinen der umgearbeiteten allgemeinen Gesetzgebung aufheben zu können, ohne die Stimmung am Rhein jetzt zu irritieren. Die Provinz hierüber zu beruhigen, dürfte sehr wichtig sein; bis zum Erscheinen jener revidierten Gesetzgebung aber ist gewiß es von Wichtigkeit, daß die französischen Gesetze in’s Deutsche übersetzt werden und als rheinisches Recht in Kraft bleiben. Diese Arbeit in Jahresfrist vollenden zu können, wird allgemein versichert.

Wenn der Minister v. Kamptz die Revision der Gesetzgebung vorläufig noch behält, so wird ihm die Entbindung vom Rheinischen Ministerium weniger empfindlich sein. Dasselbe soll, allen gehörten Ansichten nach, am besten wieder mit dem Justizministerium zu verbinden sein, wo es ein Departement bilden würde, an dessen Spitze zu stellen all[S. 135]gemein der Regierungspräsident Reppenthal zu Köln als der Fähigste zu diesem Posten bezeichnet wird. Ihre Entschuldigung über den gewagten Schritt mir untertänigst erbittend, verbleibe ich

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Berlin, den 3. December 1838, ½12 Nachts.

Gott hat unsere Wünsche und Hoffnungen auf das gnädigste in Erfüllung gehen lassen. Zehn Minuten vor 11 Uhr ist Augusta sehr rasch und glücklich von einer Tochter[97] entbunden worden. Nicht genug können wir Gott danken für die so leichte und rasche Entbindung. Welch’ ein Kontrast mit vor 7 Jahren. Gestern Mittag empfand Augusta einige Anzeichen, daß es recht bald zur Entbindung kommen würde. Da es heute ganz so wie gestern blieb, so fuhr sie um 2 Uhr spazieren. Um 5 empfand sie etwas mehr Schmerzen; die Hebamme erklärte aber, daß bis Morgen Mittag an nichts zu denken sei. Um ½8 wurden die Schmerzen heftiger und häufiger und um 9 erklärte die Hebamme, daß die Geburt in ganz Kurzem bevorstände. Trotz der langen Erwartung waren wir auf diese Schnelle nicht gefaßt, sodaß Alles über Hals und Kopf arrangiert ward. Augusta ging ins Bett um ½10 und um 11 Uhr weniger 10 Minuten war sie entbunden ohne alle künstlichen Mittel, bloß durch die Hebamme im Beisein von Dr. Hack.

Augusta hat im Ganzen eigentlich wenig gelitten, was schon in der kurzen Dauer der Wehen begründet ist. Dennoch war sie sehr erschöpft und mehreren Ohnmachten nahe. Nach ¼stündigem Schlaf kam sie ganz zu sich und fühlt sich wohl.

Mademoiselle ist sehr blühend und stark zur Welt gekommen und hat gewaltig geschrien, bis der unersättliche Durst gestillt ward.

Gott gebe, daß Mutter und Tochter ferner sich Seines Segens zu erfreuen haben.

Ihr sehr glücklicher Sohn
Wilhelm.

[S. 136]

Berlin, den 18. Juni 1839.

Soeben war der Fürst Wittgenstein bei mir, um mir Ihre gnädigen Bestimmungen wegen der Geldangelegenheiten bei meiner bevorstehenden Badereise anzuzeigen sowie das Geschenk eines Landaulet-Reise-Wagens, welchen die Ärzte für wünschenswert halten.

Kaum weiß ich Worte zu finden, um Ihnen meinen tiefgefühlten Dank für diese Beweise Ihrer unendlichen Gnade, Liebe und Fürsorge auszusprechen. Es sind Beweise, die mir so tief ins Herz gehen, daß ich kaum Herr meiner Thränen bin, wenn ich die Bedeutung dieser Gnaden mir klar mache.

Möge der Himmel mir die verlorene Gesundheit wiederschenken und es mir dann vergönnt sein, mit neuer Kraft mich Ihrem Dienst zu weihen und damit die kindliche Dankbarkeit abzutragen, zu der ich immer, aber heute mehr wie je, verpflichtet bin.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Berlin, den 15. Juni 1839.

Bei der unendlich gnädigen Art, mit welcher Sie für meine diesmalige Badereise gesorgt haben, wird es mir schwer, mit folgendem Vortrage Sie anzugehen und ich muß es, weil der Dr. Kuntzmann mir wiederholt es zur Pflicht gemacht hat. Es ist auch nicht für mich, sondern für Augusta, daß ich sprechen muß. Sie leidet seit ihrem letzten Wochenbett wieder so bedeutend an Dérangement des Unterleibes, daß ihr der Gebrauch Marienbads unerläßlich geworden ist und zwar an der Quelle, indem der Gebrauch dieses Brunnens hier schon fast gar keine Wirkung mehr tut. Der Grund, warum ich so spät mit diesem Vortrag komme, liegt in dem Kampf, den ich mit Augusta und ihrem Arzt gehabt habe, indem Letzterer auf die Badereise bestand, Erstere jedoch aus Discretion gegen Sie wegen der zu erbittenden Reisemittel durchaus sich sträubte auf den Plan einzugehen. Wenn ich nun diese Discretion doppelt in diesem Jahre teilen müßte, so gebietet es mir doch auf der anderen Seite die Pflicht für Augustas Gesundheit, Ihre Erlaubnis zu dieser Badereise nachzusuchen und um die nötigen Reisemittel zu bitten.

[S. 137]

Der Schein einer Vergnügungsreise dürfte doch wohl auf diese Reise nicht zu werfen sein, weil, als solche betrachtet, wohl nichts natürlicher gewesen wäre, als daß Augusta mich nach meiner schweren Krankheit nach Ems begleitet hätte, was für sie und mich eine Beruhigung gewesen wäre. Aber aus obiger Diskretion haben wir diesem Wunsch nicht nachgegeben und als Ihre gnädige Bestimmung über die pecuniären Verhältnisse meiner Reise mir bekannt wurden, war nun schon des Dr. Kuntzmann dringende Bitte wegen Marienbad geschehen, sodaß nun eine nachträgliche Bitte um Augustas Mitreise nach Ems auch nicht mehr zulässig war.

Im Falle Ihrer Genehmigung wird Augusta jedenfalls ihre Reise nicht vor Mitte Juli antreten, um zu Ihrer Disposition bis zu Ihrer Abreise nach Teplitz zu bleiben und würde ich sie dann auf meiner Rückreise in Marienbad abholen können.

Durch Fürst Wittgenstein darf Augusta Ihrer gnädigen Entschließung wohl entgegen sehen.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

[S. 138]

Die Schweizer Reise.

Frankfurt a. M., den 3. August 1839.

Wieder zur Feder muß ich greifen, und dieses Jahr aus großer Entfernung, um Ihnen am heutigen teueren Tage[98] meine ebenso untertänigen wie herzlichsten und kindlichsten Wünsche für Ihr Heil und Wohl darzubringen. Möge Gottes Segen ferner wie bisher auf Ihnen ruhen und die Genugtuung für Ihren erhabenen und schweren Beruf auch ferner wie bisher Ihnen werden, im Hinblick auf die Segnungen, welche Sie verbreiten. Möge es mir gelingen, mir Ihre Gnade zu erhalten und Ihre väterliche Liebe, die sich in der neuesten Zeit so unendlich gnädig gegen mich aussprach und mich zu tief gerührtem Dank verpflichtet, zu verdienen. Meine Leistungen dereinst sollen Zeugnis von diesem meinem Danke und von meinem Willen geben.

Am 28. Nachmittags habe ich Ems[99] verlassen mit den Gefühlen der Dankbarkeit gegen die Vorsehung, die mir dort die Grundlage zur völligen Wiederherstellung gewährt zu haben scheint...

Bei meiner Ankunft hier empfing ich den Brief von Oberst v. Lindheim vom 23. Juli, den er mir in Ihrem Auftrage schrieb und also 8 Tage brauchte, um mich zu erreichen. Von Ihrer gnädigen Fürsorge für meine Gesundheit und der dieserhalb aufgestellten Bedenken gegen einen Aufenthalt in Baden-Baden bin ich tief durchdrungen... Die lebendigere Lebensweise in Baden-Baden mitzumachen oder nicht, hängt[S. 139] von meinem Befinden ab und dürfte ich wohl kein großes Behagen an der französischen Welt haben, welche dort leider die Hauptgesellschaft bilden soll und der ich mich wohl nicht anschließen werde und mit dem Vorschützen meiner Gesundheit genug Veranlassung habe, mich zurückzuhalten, ohne anzustoßen...

Das Resumé dürfte also sein, daß die gehegten Bedenken gegen einen Aufenthalt in Baden-Baden verschwinden dürften, teils weil meine Gesundheit so fortgeschritten ist, daß ich Manches schon zu ertragen vermag, woran freilich bei meiner Abreise von Berlin nicht zu glauben war, teils aber die Lebensweise ganz in meiner Hand liegt. Wenn ich demnach also den 6. in Baden-Baden einzutreffen gedenke, so kann ich es nicht unterlassen, Ihnen nochmals für Ihre gnädigen Bedenken für meine Gesundheit meinen tiefgefühltesten Dank abzustatten. Diese Ihre väterliche Fürsorge geht noch deutlicher aus dem Opfer hervor, welches Sie mir im Briefe des Obersten Lindheim zu bringen befehlen. Das Aufgeben der Beiwohnung der Herbstmanöver ist ein schwerer, schwerer Entschluß. Alles hatte ich getan, um dieses Opfer nicht nötig zu haben zu bringen. Freilich muß ich es selbst eingestehen, daß Vorfälle eintreten könnten, die mir nachteilig werden dürften bei den Manövern und daß es vorsichtiger ist, wenn ich Ihrer gnädigen Anweisung Gehör gebe... Somit werde ich also verzichten müssen auf das, worauf ich mich so sehr gefreut hatte und namentlich auf ein Lager bei Potsdam, was ich selbst in diesem Jahre vorschlagen wollte. Dazu kommt noch, daß ich alle Läger bei Potsdam bisher versäumte; 1828 war ich in Wien, 1830 nach der Juli-Empörung befahlen Sie mir, die Revue über die vierte Armee-Abteilung abzunehmen. Auch die 6. Division wieder zu sehen, würde mir so große Freude gemacht haben. Doch der Vernunft werde ich wohl Gehör geben müssen. Wenn ich also dies große Opfer bringe, so darf ich dagegen mir eine Gnade ausbitten, die darin besteht, daß Sie mir gestatten, Augusta nach ihrer beendigten Kur nach Karlsruhe kommen zu lassen, um die fünf Wochen, welche ich nach Schluß meiner Kur bis zur Rückkehr nach Berlin (22. August bis Ende September) übrig habe, mit ihr zuzubringen und eine kleine Reise nach der Schweiz, vielleicht bis an die italienischen Seen, zu unternehmen. Diese Zerstreuung würde, mit der Freude, Augusta die herrlichen Gegenden sehen zu lassen, mich einigermaßen über das, was ich in der Heimat[S. 140] aufgeben muß, hinwegführen, ohne in eine Art Hypochondrie zu verfallen, was sonst möglich wäre, wenn ich tagtäglich, wenn auch entfernt, aber doch unbeschäftigt, nach Potsdam denken müßte...

Baden-Baden, den 20. August 1839.

.... Gestern Abend 7 Uhr ist Augusta glücklich hier angekommen. Sie können sich leicht unsere Freude denken. Denn unser Abschied war sehr, sehr schwer; ich ging selbst sehr besorgt um meine Gesundheit ab und Augusta war es wohl noch mehr als ich. Nun fand sie mich so ganz hergestellt und gesund aussehend, wie sie es selbst versichert es nicht erwartet zu haben. Dieser ihr Ausspruch wird hoffentlich auch Ihnen beweisen, daß meine früheren Darstellungen über meinen Zustand nur die Wahrheit enthielten und ich gewiß somit am besten alle Gerüchte widerlege, die man über Unvorsichtigkeit usw. meinerseits verbreitet hatte...

Baden-Baden, den 23. August 1839.

Nach Augustens Ankunft am 21. haben wir täglich Excursionen in der schönen Umgegend gemacht und wurden stets vom Wetter begünstigt. Gestern hatten wir einen Regentag und auch gestern noch kühles Wetter. Morgen werden wir der Großherzogin Sophie unsern Besuch in Karlsruhe machen; es ist gerade der Geburtstag des abwesenden Großherzogs. Am 30. gehen wir nach Freiburg,

den 1. nach Zürich,
den 2. nach Luzern,
den 3. auf den Righi,
den 4. nach Wasen im Reußtal, d. h. bei schönem Wetter, sonst zurück nach Luzern und so nach Thun usw. bis zum 8.
den 5. über die Furka nach der Grimsel,
den 6. nach Meyringen,
den 7. nach Grindelwald,
den 8. nach Lauterbrunn und Interlaken,
den 9. nach Bern,
den 10. nach Neuchatel,
den 11. daselbst,
den 12. nach Lausanne,
den 13. nach Chamouny,
[S. 141] den 14. nach Martigny,
den 15. nach Brieg,
den 16. über den Simplon,
den 17. auf den Lago maggiore und nach Mailand,
den 18. nach Como,
den 19. am Comer See,
den 20. über den Splügen,
den 21. den halben Weg nach Insbruck,
den 22. nach Insbruck,
den 23. nach St. Johann,
den 24. nach Salzburg,
den 25. nach Vels,
den 26. nach Budweis,
den 27. nach Prag,
den 28. nach Dresden,
den 29. nach Berlin.

Sollten die Witterungs- oder die Gesundheitsverhältnisse eine Änderung herbeiführen, so würden wir namentlich die kleineren Excursionen in den kleinen Cantons unterlassen und dann um so viel früher den Simplon überschreiten. Da ich Mailand zu besuchen nicht in meinem Briefe aus Frankfurt a. M. vom 3. August erwähnte, so werde ich, da Sie auf diesen Brief Augustas Weiterreise gestatteten, die zwei Reisetage nach Mailand mehr nicht zur Liquidation bringen, um Ihre Gnade nicht zu mißbrauchen.

Nach diesem Plan hoffen wir also zu Augustas Geburtstag zurück zu sein; aber freilich mit Gewißheit läßt es sich nicht vorhersagen, ob nicht ein paar Tage manquieren könnten.

Es wird mir heute aus Berlin geschrieben, daß Sie noch nicht bestimmt hätten, wer die Manöver bei Potsdam commandieren wird, was mich ordentlich tourmentiert. Auch soll ja im Lehrbataillon und der Spandauer Garnison eine ungewöhnliche Krankenzahl einreißen; wenn nur nicht wieder die Cholera kommt, die schon in Schlesien sich zeigen soll. Dies Alles geht mir so im Kopfe herum, daß mir meine Abwesenheit immer schwerer wird, da gerade unter solchen Verhältnissen so Vieles anzuordnen sein würde, was Fürsorge erheischt.

Ich fühle jetzt fast zum ersten Male in meinem Leben, wie ohne[S. 142] Gesundheit Alles zerstört ist und man zu nichts taugt. Gott sei Dank, daß ich sagen kann, daß ich völlig hergestellt bin, was ich seit kurzem auch daran bemerke, daß ich unwillkürlich einen raschen Schritt wieder angenommen habe, den ich lange vermißt. Nächst Gottes gnädigem Beistande verdanke ich Ihrer Gnade zu meiner Wiederherstellung so viel, da Sie mir so Alles bewilligten, was zu meiner Beruhigung gereichte. Aber meinen Arzt, den Dr. Großheim, muß ich speciell Ihrer Gnade empfehlen, dem ich unendlich viel verdanke und der stets Ansprüche auf meine vollkommenste Anerkennung haben wird.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Karlsruhe, den 30. August 1839.

.... Gleich nach meiner Ankunft hier besichtigte ich mit dem General Lassolaye die von ihm vervollkommneten Geschütz-Lafetten, deren Konstruktion Ihnen eingeschickt worden ist. Die Sache erscheint ungemein praktisch für die Leichtigkeit und Gelenkigkeit, ohne Verminderung der Haltbarkeit. Ich bin aber nicht Techniker genug, um etwaige Übelstände zu ergründen; doch erscheint die Erfindung, die sich in den schlechtesten Gebirgswegen bewährt hat, jedenfalls beachtenswert...

Bern, den 12. September 1839.

Gestern bei meiner Ankunft hierselbst erhielt ich ein Schreiben des Fürsten Wittgenstein vom 29. v. M., in dem er mir in Ihrem Auftrage schreibt, daß Sie mir meine weitere Reise oder Rückkunft lediglich anheimstellen, indem Sie mich zwar vom Kommando der Manöver entbunden hätten, aber dies meine Rückkunft nicht ausgeschlossen habe. Welch’ einen Eindruck diese Ihre Ansicht auf mich gemacht hat, vermag ich nicht zu beschreiben. Keine Ahnung hatte ich von derselben. Ich bin drei Wochen ohne Antwort geblieben auf meine Anfrage, ob ich, da ich das schwere, schwere Opfer brächte, nicht zum Manöver zurückzukehren, mit Augusta diese Zeit in der Schweiz verreisen dürfte. Erst am 19. August erfuhr ich durch Luisens Brief an Augusta, daß Sie deren Reise zu mir und ihre fernere Reise mit mir genehmigt hätten. In Karlsruhe erhielt ich Ihren gnädigen Brief vom 20. August, worin Sie sogar eine Andeutung wegen einer Traubencur in Meran, also zum[S. 143] Oktober, machen; wie konnte ich nach diesem Allen annehmen, daß Sie meine Rückkehr zur Manöverzeit erwarten? Auch darf ich es frei gestehen, daß ich nicht es mir klar zu machen weiß, in welcher Art sich meine Anwesenheit in Berlin und Potsdam nach Ihren Intentionen gestalten sollte, ob, wenn ich hergestellt, als Zuschauer bei einem Truppenkommando erscheinen sollte oder hätte kommandieren sollen, so lange es schön Wetter und nicht fatiguant war, oder ob ich als Reconvalescent hätte, wie im Frühjahr, zu Hause bleiben sollen?

Wäre mir Fürst Wittgensteins Brief 48 Stunden früher zugekommen, so wäre ich Tag und Nacht nach Berlin geeilt und hätte am 15. September mir Ihre Befehle selbst in dieser Beziehung erbeten; das ist nun unmöglich. Ja, wenn mir Ihre Intention nur in Baden bekannt geworden wäre, so hätte ich den ersten Plan meines Arztes, nach der Molkencur eine kleine Schweizertour bis zum Beginn der Manöver, selbst mit Augusta ausführen können. So aber ist Fürst Wittgensteins Brief an dem Tage, den 29. v. M., geschrieben, an welchem wir unsere Reise begannen und mir hier zugekommen, nachdem wir 14 Tage verreiset sind und zwar heute, wo das Lager bezogen wird. Den Brief des Oberst v. Lindheim vom 23. Juli aus Teplitz konnte ich aber auf keinerlei Art so auslegen, daß ich nach Berlin kommen sollte, ohne mein Kommando zu übernehmen. Und wenn ich dies hätte übersehen zu verstehen, so hätte ich wohl erwarten dürfen, daß mir mein Mißverstehen sogleich angedeutet worden wäre, als ich am 3. August Augustas Reise zu mir und mit mir während der Manöverzeit bei Ihnen beantragte. Dies Alles aber geschah nicht, sondern Ihre Genehmigung zur Schweizer Reise erfolgte ohne alle Restriction. Somit ich also in jeder Beziehung recht unglücklich bin. Denn ich sehe nun, daß ich gegen Ihren Willen abwesend vom Manöver bin und gegen Ihren Willen reise. Mir wollen Sie gnädigst dieses unglückliche Mißverständnis nicht aufbürden, und schicke ich dieserhalb dem Fürsten Wittgenstein heute die nötigen Briefe und Korrespondenzen zu. Unsere Reise ist über alle Begriffe vom Wetter begünstigt; die himmlischsten Sommertage begleiten uns fortwährend, so daß wir Alles im vollsten Maaße genießen und ich war bis heute vollkommen wohl.

Ihr gehorsamer Sohn
Wilhelm.

Personenregister


Faksimile des Briefes auf den Seiten 50–52

Faksimile 1, Brief S. 50-52


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Faksimile 2, Brief S. 50-52


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Faksimile 3, Brief S. 50-52


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Faksimile 4, Brief S. 50-52


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Fußnoten:

[1] Ein einziges Mal fällt in diesen Briefen ein Wort über ein Ereignis des Theaters... aus dem Neuen Palais schreibt der Prinz am 19. Juli 1835 an seinen Vater: Vor einigen Tagen haben wir die erste Aufführung des Cheval de bronze gesehen. Das Ganze ist sehr schön ausstaffiert; das Sujet etwas matt mitunter und die Musik bei weitem nicht so in die Ohren fallend, wie Aubers frühere Opern, obgleich mehrere sehr hübsche Stellen vorkommen; der erste Akt läßt einen vorzüglich sehr ruhig.

[2] Festschrift der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft, 1921, S. 261.

[3] Vgl. S. 34.

[4] Friedrich v. Schöler (1772/1840), der von 1807 bis 1834 als ausgezeichneter und in schwierigen Situationen bewährter Diplomat bei der preußischen Gesandtschaft in Petersburg tätig war, ehe er in gleicher Eigenschaft an den Frankfurter Bundestag übersiedelte, hat in seinen regelmäßigen Berichten an Friedrich Wilhelm III., die für einen Teil dieser Veröffentlichung trotz ihrer Verwertung in Th. Schiemanns Geschichte Rußlands noch manch’ wertvollen Beitrag liefern, sofort von der Anwesenheit des Prinzen Wilhelm in der russischen Hauptstadt Notiz genommen: „Seine Kgl. Hoheit ist im Winterpalais abgestiegen, in einem neuen Appartement, den Zimmern Ihrer Majestät der regierenden Kaiserin so nahe als möglich; die Wohnung Sr. Majestät des Kaisers liegt ebenfalls in diesem Teil des Schlosses; Seine Kgl. Hoheit waren daher so zu sagen im Augenblick des Eintretens von den Armen der ganzen kaiserlichen Familie auf das liebevollste und herzlichste umfangen.“ (Schöler an den König, 21. 12./2. 1. 1827/8) — Prinz Wilhelm selbst berichtet über Schwester und Schwager: „Nicolas ist unbegreiflich stark geworden, so, daß er von hinten dem seligen Kaiser erinnert; dabei ist er auch im Gesicht viel wohler und stärker als vorig(es) Jahr, sodaß dieses Kaiser-Paar seines Gleichen suchen kann.“

[5] „Am 8. December verließen die Botschafter von England, Sir Stratfort Canning, und Frankreich, General Graf Guilleminot, und am 16. December auch der russische Gesandte, v. Ribeaupierre, Konstantinopel, um sich über Smyrna nach dem Occident zu begeben. Fast gleichzeitig traf von Wien die Nachricht ein, daß Metternich, offenbar im Gefühl der Unmöglichkeit, unter den obwaltenden Umständen der Stimme der Billigkeit und Mäßigung Gehör zu verschaffen, die ihm übertragene Vermittlung ablehne. Der österreichische Internuntius Baron v. Ottenfels — von den Vertretern der Großmächte der einzige, der bis dahin in einiger Verbindung mit den türkischen Ministern geblieben war — verlor damit ebenfalls alles Vertrauen, und die Pforte stand ohne jeglichen diplomatischen Rat da.“ (G. Rosen, Geschichte der Türkei, 1826 bis 1856, Erster Teil, 1866, S. 55.) Dazu die Bemerkung des Prinzen Wilhelm, St. Petersburg, 23. Dec./4. Jan. 1827/8: .... Vor drei Tagen erhielt der Kaiser die Nachricht, daß Ribeaupierre nicht nach Odessa, sondern widriger Winde halber nach Triest hat gehen müssen, ein Zufall, der dem Kaiser sehr lieb ist, indem er sagte: der Himmel habe die Instruktion ihm zukommen lassen, die er vergessen habe, ihm nach Konstantinopel zu senden. Ribeaupierre erhält Befehl, in Triest zu bleiben und sich womöglich mit seinen zwei Kollegen fortwährend in Kommunikation zu erhalten.

[6] Auf einen nicht erhaltenen Brief vom 4./16. Januar 1828 bezieht sich folgender Satz aus einem Schreiben Friedrich Wilhelms III. an seinen Sohn aus Berlin, den 18./30. des genannten Monats:.... Der Bericht hatte für mich das bedeutendste Interesse, da ich aus ihm besser als auf irgend eine Weise die Art ersah, wie man oder besser gesagt, wie der Kaiser seine Lage und die Lage der Dinge im Orient überhaupt in Beziehung auf die griechische Angelegenheit beurteilt. Du hast in diesem Berichte auf’s Neue zu beweisen, mit welcher Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe Du einem so wichtigen Gegenstand zu folgen weißt und freut es mich, Dir darüber meine Zufriedenheit ausdrücken zu können....

[7] „Der erste Grund an der Verzögerung, welche die Ausführung des Friedensbeschlusses erleidet, bleibt immer die Liebe des Schahs zu seinen Schätzen. Er soll sich nicht entschließen können mehr als 100000 Kruß, die ungefähr zweimal so viel Silberrubel wert sein mögen, in einem Tage auszugeben. Da nun Sr. Majestät genötigt ist, sich von dem Werte von 5 Millionen Kruß oder 40 Millionen Rubel Banco-Assignationen zu trennen, so würde die Auszahlung jedenfalls etwas lange dauern, wenn General Paskewitsch nicht die Mittel hätte, einige Beschleunigung in dieselbe zu bringen. Indeß soll die Fortschaffung dieses baren Geldes von Teheran bis Tawris nicht unbedeutende Schwierigkeiten haben, unter welchen die Neigung des früheren Besitzers desselben, bei dieser Gelegenheit wieder zu dem ihrigen zu gelangen, vielleicht nicht die kleinste sein dürfte.“ (Schöler, 25. Jan./6. Febr. 1823.)

[8] Der russische Gesandte in Paris.

[9] Das ausgesprochen reaktionäre Ministerium Villèle war Anfang Januar 1823 durch den gemäßigten Royalisten Martignac ersetzt worden, der eine freiheitlichere innere Entwicklung anstrebte.

[10] „Prinz Wilhelm hat aus Petersburg an den Major v. Wilisen geschrieben, der Kaiser Nikolaus werde in keinem Falle von seinem bisherigen Gange hinsichtlich der Türken nachlassen; der Krieg sei unvermeidlich, wenn die Türken nicht nachgeben. Er ist sehr gegen Österreich, dessen Schuld es sei, daß man nicht längst aufs Reine gekommen sei und dem allein alles bevorstehende Blutvergießen zur Last falle. Mit dem jetzigen französischen Ministerium ist man in Petersburg sehr zufrieden, nennt es das ministère des braves gens und lacht über den Grafen Pozzo di Borgo, der da meint, es könne und dürfe keinen Bestand haben.“ (Varnhagen v. Ense in seinen „Blättern aus der Preußischen Geschichte“, am 5. Januar 1828.)

[11] Der „Kaiserliche IngenieurGeneral“ Pierre-Dominique Bazaine (1783/1838) war durch Napoleons Vermittlung seinerzeit in russische Dienste getreten und galt als ein ausgezeichneter Fachmann.

[12] Russischer Botschafter in Wien.

[13] Die allgemeine politische Situation war in diesen Tagen völlig ungeklärt: „Österreich hat gegen die drei Mächte, welche den Londoner Vertrag unterzeichnet haben, eine ziemlich dreiste Sprache angenommen; das Verhältnis beider Kaiserhöfe zu einander ist sehr gereizt und gerade das beunruhigt den König“, notierte Varnhagen von Ense in seinen Blättern aus der preußischen Geschichte am 5. Januar 1828. Auch Schölers Berichte wissen davon zu melden: „Die Meinung, daß Rußland den Krieg mit der Pforte wünsche, oder die Meinung, daß es diesen Krieg scheue, sind beide gleich große, aber häufig, bald hier, bald dort genährte Irrtümer, die wesentlich dazu beigetragen haben, die gegenwärtige Verwicklung der griechischen Pacificationsangelegenheiten herbeizuführen.“ (Schöler am 24. 12./5. 1. 1827/8); „Österreich verfolgt ganz unbegreiflicher Weise den höchst bedenklichen Zweck, die Übereinstimmung der verbündeten Mächte so viel als möglich zu hindern“ (Schöler am 28. 12./9. 1. 1827/8), und Friedrich Wilhelm III. schreibt aus Berlin seinem Sohn am 5./17. Februar 1828:.... besonders haben mir die politischen Neuigkeiten, die Angelegenheiten Rußlands in Beziehung auf Österreich betreffend, angenehm sein müssen, da sich ziemlich bestimmt daraus ergiebt, daß letzteres Kabinett sich in einem wünschenswerteren Sinn als seither ausspricht. Im übrigen befinden wir uns noch immerfort in einer gewissen Krisis in Betreff der orientalischen Angelegenheit, da sich England seit dem Ministeriumwechsel noch immer nicht recht über seine eigentlichen Absichten darüber erklärt hat....

[14] Der ältere Bruder des Kaisers Nicolaus lebte in Warschau, nachdem er im Dezember 1825 im „Großmutsstreit“ auf die Krone verzichtet hatte.

[15] „Das alberne Gerücht, daß im Falle eines Türkenkrieges preußische Truppen das Königreich Polen besetzen und verwahren werden, ist überall verbreitet und wird gar sehr geglaubt.“ (Varnhagen von Ense, Blätter aus der Preußischen Geschichte, Eintragung vom 5. Januar 1828.)

[16] Job v. Witzleben (1783/1837, seit 1834 preußischer Kriegsminister) war Generaladjutant des Königs, „zwanzig Jahre lang der mächtigste Untertan im Staate“ und, wie Friedrich Wilhelm III. sagte, „mein Freund und Mitarbeiter an den großen Plänen zur Beglückung des Volkes“.

[17] Christoph Lieven (1774/1839), der russische Botschafter in London.

[18] „Erwägt man, daß der Kaiser vor einiger Zeit noch gegen den Prinzen Wilhelm des Umstandes gedachte, daß die vielen inneren Geschäfte die neuen englischen Minister hindern würden, sogleich die auswärtigen in Erwägung zu ziehen, dagegen aber jetzt, und seit kurzem erst mit besonderer Bestimmtheit von dem Termine des Einrückens in die Fürstentümer spricht, so hat man die Erklärung dieser Verschiedenheit in den Äußerungen des Monarchen“ — eine widersinnige, zwecklose Phrase in der Eröffnungsrede des englischen Parlamentes, die man der Eitelkeit des Herzogs Wellington und dem Einflusse des Fürsten Esterhazy, des österreichischen Gesandten, zuschreibt, hat die Empfindlichkeit des Kaisers sehr erregt —; „es bleibt nur zu wünschen, das die Vorliebe des — englischen — Königs für den österreichischen Botschafter und die eigne Verfeindung mit dem russischen den nunmehrigen Premierminister von England zu keiner falschen Maßregel verleite.“ (Schöler, 9./21. Februar 1828.)

[19] Der Sieger von Waterloo, Wellington, (1769/1852) übernahm Mitte Januar 1828 die Leitung des englischen Ministeriums.

[20] „Alles, was von dem Ministerio unter Herzog Wellington zu erwarten ist, wird demnach wirklich auch nicht weiter gehen, als bisher, nämlich den Ereignissen sich nach wie vor hingebend wird das Ministerium ebenso als die beiden letzteren nur den Vorwurf, daß man den Bedingungen des Tractates nicht nachgekommen sei, möglichst zu vermeiden und dadurch den Kaiser Nicolaus abzuhalten suchen, seinen eignen Weg zu gehen. Seinerseits hat dieser Monarch unterdeß einen Schritt getan, der keinen Zweifel übrig läßt, daß er selbst dem Erfinder des Protokolls vom 4. April wenigstens kein Übermaß von Neigung zur Erfüllung desselben in seiner erweiterten Gestalt zutraue, indem er sich bewogen gefühlt hat, persönlich an den Herzog von Wellington zu schreiben und demselben die besondere Berücksichtigung zu Gemüte zu führen, die Herzog Wellington — mehr als jeder Andere — der Erfüllung des Zweckes jenes Protokolls zu widmen verpflichtet sei. Die Antwort des Herzogs ist noch nicht erfolgt, indeß weiß man aus den neusten Berichten des Fürsten Lieven, daß das kaiserliche Schreiben seine Wirkung nicht verfehlt und die bestimmteste Zusage von Seiten des neuen Premierminister veranlaßt hat, die Stipulationen des Vertrages gewissenhaft zu erfüllen und Alles aufzubieten, die Zwecke desselben vollständig zu erreichen. Hiernach scheint denn wirklich jenes Schreiben zur glücklichen Stunde angekommen zu sein, da Fürst Lieven früher gemeldet hatte, daß ihm über die guten Dispositionen des Herzogs nur indirect Versicherungen gemacht worden wären.“ (Schöler, 28. Januar/9. Februar 1828.)

[21] Christian Günther Graf v. Bernstorff (1769/1835) war im April 1818 auf Hardenbergs Veranlassung aus dem dänischen in den preußischen Staatsdienst übergetreten und leitete damals die auswärtige Politik. „Wenn Bernstorff in den deutschen Angelegenheiten dem österreichischen Staatslenker einen allzu gefälligen Vortritt ließ, so lehnte er sich beim Eintritt der großen Ereignisse von weltgeschichtlicher Bedeutung bis zur Gefahr an Rußland; denn mit seiner Bezeichnung der Zumutungen Rußlands an die Pforte im Jahre 1828 als ‚gerechte Anforderungen‘, wobei er freilich wohl nur an die von der öffentlichen Meinung ersehnte Befreiung Griechenlands gedacht haben mochte, hätte er leicht einen Krieg wider Preußen hervorrufen können, in welchem die Westmächte sich mit Österreich zu seiner Vernichtung zusammen gefunden haben würden“ (Allg. Deutsche Biogr. Bd. 2, S. 498).

[22] Der preußische Gesandte in Konstantinopel.

[23] Dazu die ausführliche Äußerung Friedrich Wilhelms III. an seinen Sohn, Berlin, den 28. Februar/8. März 1828:.... mit einigem Befremden ersehe ich durch sie (d. i. Deine Briefe), daß man die politischen Verhältnisse Preußens aus einem Gesichtspunkte anzusehen fortfährt, den ich durchaus als unrichtig annehmen muß, ja, daß man Dich selbst fast dahin gebracht hat, diese Ansichten einigermaßen zu teilen. Allerdings haben sich seit Deiner Abreise von hier die orientalischen Angelegenheiten in einer für mich aber keineswegs unerwarteten Weise gestaltet. Die unsrigen sind jedoch dieselben geblieben und mußten auch ganz natürlich dieselben bleiben, wenn man nicht durchaus die Stellung Preußens verkennen will. Pour refraichir nos idées, wie man zu sagen pflegt, habe ich den Grafen Bernstorff beauftragt, ein Mémoire für Dich anzufertigen, das ich Dir.... überschicken werde. Es enthält eine deutliche Übersicht über die jetzige Lage der Dinge, und die darin abgesprochenen Grundsätze sind vollkommen die meinigen. Ich überlasse Dir, davon beliebigen, aber vorsichtigen Gebrauch zu machen. Im allgemeinen ist die Lage Europas sehr bedenklich, zumal wenn Rußland mit den Ansichten Englands nicht einverstanden sein sollte und isoliert zu handeln entschlossen wäre, woraus unabsehbare Verwicklungen entstehen müßten, die höchst traurige Folgen haben müßten. Daß also unter solchen Umständen an eine tätige militärische Teilnahme unsererseits nicht gedacht werden kann, liegt klar zu Tage. Truppen zu haben, ist allerdings eine wesentliche Sache, allein blos um dies zu erlangen, macht man noch keinen Krieg nicht....

[24] Friedr. Christ. Ad. v. Motz (1775/1830) war von 1825 an preußischer Finanzminister, der für das Zustandekommen des deutschen Zollvereines von größtem Einfluß war.

[25] Wie verworren die politische Lage in dieser Zeit war, zeigt ein Satz aus einem gleichzeitigen, umfangreichen Berichte Schölers an den König vom 9./21. Februar 1828; die preußischen Gesandten „an den verbündeten Höfen“ hatten berichtet, „als ob man in Paris die Besetzung der Fürstentümer von Rußland nicht anders als unter Zustimmung der beiden anderen Mächte befahre, in London aber zu dieser Besetzung weder als isolierte russische Maßregel noch im Auftrage der Alliance seine Zustimmung zu geben gedenke. Rußland seinerseits hingegen erklärt, daß es fortwährend nur mit seinen Verbündeten in Übereinstimmung handeln werde.“

[26] „In der Tat, es dürfte schwer sein etwas zu erdenken, was mehr im Stande wäre, die Mäßigung des Kaisers Nicolaus zu Ende zu treiben und den Entschluß, allein gegen die Pforte loszubrechen, bei ihm zur Reife zu bringen als diese wiederholten Versuche Österreichs, die Alliierten von Rußland in einen Mittelweg zu ziehen, zu dem sie ohnehin mehr oder weniger geneigt sind, auf welchem aber die Herstellung des russischen Einflusses in Konstantinopel voraussichtlich in dem Maße nicht erreicht werden kann, in welchem er früher bestanden, Kaiser Nicolaus ihn durch die Konvention von Ackerman ihn wiederzugewinnen und nie mehr aufzugeben feierlich erklärt hat. Das berührt gerade die Stelle, die Österreichs Politik in der griechischen Angelegenheit wund gerieben und so empfindlich gemacht hat, daß jede Berührung höchst bedenklich wird; aber es ist zugleich der Punkt, über den die Täuschungen des Fürsten Metternich so lange angehalten haben, daß deren Übung unmöglich geworden scheint.“ (Schöler, 16./28. Februar 1828.)

[27] Türkische Bezeichnung für einen Erlaß des Sultans, der einen hochpolitischen Inhalt hat. Schöler bezeichnet den hier in Frage kommenden Hatischeriff (am 22. 2./5. 3. 1828) als „ein Denkmal muselmännischen Unsinns und tief eingewurzelten Hasses gegen Rußland und die ganze Christenheit, in welchem der Sultan unverhohlen ausspricht, daß die in Ackerman eingegangenen Bedingungen sämtlich zu erfüllen keineswegs seine Absicht sei und er, im Voraus überzeugt, daß der Säbel entscheiden müsse, nur gezögert habe, um Zeit zur hinreichenden Rüstung zu gewinnen.“

[28] Der König an seinen Sohn, Berlin, den 20. März 1828:.... Sehr wichtige Nachrichten gabst Du mir durch Deine Briefe. Der Persische Frieden ist unter ihnen die erfreulichste. Die orientalischen Angelegenheiten verwirren sich immer mehr, ein klares Bild sich jetzt von ihnen zu machen, ist unmöglich, die von mir von jeher vermutete Verschiedenheit der Ansichten und Interessen der größeren Mächte Europas fangen an, sich sehr deutlich zu zeigen, da England einen ganz neuen und ganz anderen Weg einzuschlagen auf dem Punkte steht, doch weiß ich darüber noch nichts ganz offizielles. Spränge es gänzlich ab, so wäre die Verwirrung unberechenbar....

[29] „Der am 3./15. März aus London in Petersburg eingetroffene Kurir überbrachte die Nachricht“, daß in der dortigen Ministerkonferenz die Abrede getroffen sei: noch einmal — also trotz des Hattischerifs — und zwar mit Zuziehung von Preußen und Österreich, Anträge in Konstantinopel zu machen. Dem gegenüber präzisierte Rußland seinen Standpunkt folgendermaßen: es fordert Genugtuung für die Verletzung seiner Traktate mit der Pforte und erklärt, selbige unverzüglich annehmen zu wollen, zugleich aber in Hinsicht der griechischen Angelegenheit den Vertrag vom 6. Juli zu befolgen. „Das gibt also eine Beratung, den Krieg zu vermeiden und den wirklichen Krieg daneben; wie lange wird hierbei das freundschaftliche Vernehmen unter den drei verbündeten Mächten bestehen können?“ (Schöler an den preußischen Minister des Auswärtigen, Graf Bernstorff, 3./15. März 1828.)

[30] Das Mémoire, in französischer Sprache — also wohl auch für den Zaren bestimmt —, stellte in 28 Punkten die Lage dar. Vgl. dazu Anm. S. 11.

[31] Kaiser Nikolaus sagte auf der Parade zu Schöler am 3./20. März: „daß Preußen sich gegen die andern Mächte nach wie vor für Rußlands Recht erklärt, von einer tätigen Unterstützung ist nie die Rede gewesen“. Fast zur selben Zeit faßte der König in einem Brief an seinen Sohn (16./28. März 1828) die Lage dahin zusammen:.... Alles, was jetzt in der politischen Welt vorgeht, sind die Folgen des Protokolls und des trilateralen Vertrages; wollte man durch diese dahin kommen, wo wir gekommen sind, so ist der Zweck erreicht, denn daß das Resultat derselben das ergeben würde, was es ergeben hat, daran habe ich keinen Augenblick gezweifelt, daher ich auch die jetzige Lage der Dinge als etwas keineswegs unerwartetes betrachte. Wohin sie aber führen kann, ist nicht leicht vorauszusehen, denn daß der Trilateralvertrag ohne Krieg ein Unding war, war klar vorauszusehen. Et j’en reviens toujours à nos moutons, das heißt auf die Grundsätze, die ich über diese Angelegenheit von Anfang an ausgesprochen habe, niemand aber wollte darauf hören. Nun ist die Verwirrung der Meinungen da; meine Schuld ist es nicht, denn ich habe zu Gunsten Rußlands bei Österreich und England zu wirken versucht, so viel ich vermochte ohne Unterlaß, allein umsonst. Österreich blieb wenigstens seiner Politik treu, aber was soll man von England denken? Wellington ist freilich nicht Canning und was dieser gebraut hat, will jener nicht ausbaden, weil, wie es klar genug war, Englands Interesse keinen verderblichen Krieg mit der Pforte haben will.... Schöler präzisierte Preußens Notwendigkeiten und Möglichkeiten sehr scharf: „Nun scheint aber Preußen mir die Macht zu sein, die diese Aufgabe, Europa vor einem allgemeinen Kriege zu bewahren, und damit zugleich die Frage lösen könne, welche Stellung sie in dem europäischen Staatenvereine einnähme und alle Verhältnisse scheinen mir dazu anzumahnen, gleichsam zu dem Entschlusse hinzudrängen, dieser Lösung uns zu unterziehen. Wenn Preußen, mit allen seinen bisherigen Erklärungen übereinstimmend, ernst und milde ausspricht, öffentlich ausspricht, daß es Rußlands volle Befugnis, ja selbst Verpflichtung, die Pforte zu Paaren zu treiben, anerkenne, und im eintretenden Falle nach dieser Überzeugung verfahren werde, dann werden England und Österreich sich gewiß nicht zu Schritten entschließen, zu denen sie ohnehin keine wahrhafte Verletzung eines wesentlichen Interesse auffordert. Eine solche Erklärung berechtigt aber vollkommen andererseits auch hinzuzufügen, daß selbige nur auf das Vertrauen in des Kaisers Mäßigung und festen Entschluß, sich keine anderweitigen Vorteile anzueignen, begründet sei, folglich auch nur mit diesem Vertrauen bestehen und gültig bleiben kann.“ (Schöler an Graf Bernstorff, 1/13. April 1828, dem Sinne nach identisch mit einem zwei Tage vorher an den König abgeschickten Bericht.)

[32]Supplément extraordinaire au Journal de St. Pétersburg. Nr. 36“; es enthält in französischer Sprache die 16 Artikel des Friedensvertrages zwischen Rußland und Persien.

[33] Dom Pedro von Portugal hatte Anfang Mai 1826 auf die Krone verzichtet, übertrug sie auf seine siebenjährige Tochter Maria II. da Gloria und verlobte diese mit ihrem Oheim Miguel, den er im Juli des nächsten Jahres zum Regenten ernannte. Kaum war dieser jedoch im Februar 1828 in Lissabon angelangt, so hob er die Verfassung auf und ließ diesen Gewaltstreich durch die wieder einberufenen alten Landstände, die Cortes, gutheißen und sich am 30. Juni zum absoluten König ausrufen. Die hieraus entstehenden Wirren sind erst 1834 zu Ende gegangen.

[34] Am 14. April 1828 erließ Kaiser Nikolaus I. das Manifest, das die Kriegserklärung Rußlands an die Türkei enthielt.

[35] Die geplante Begegnung kam nicht zustande; am 21. April/3. Mai 1828 schrieb der Prinz seinem Vater aus Petersburg: Ein vor vier Tagen wieder eingetroffener Kurir aus Weimar brachte die Nachricht, daß die Großfürstin Marie dennoch kommt.... durch die so verspätete Reise der Großfürstin ist also auch mir jede Möglichkeit genommen, sie zu sehen. Ihre Entscheidung meinetwegen mag nun ausfallen wie sie wolle.... die Gelegenheit mir zu nehmen, einen Krieg mit zu machen, den man wünschen darf im Vergleich zu allen anderen möglichen Kriegen, kann ich mir nicht möglich denken.

[36] Der König an Prinz Wilhelm, Potsdam, den 9. April 1828:.... Mit dem von hier abzusendenden Feldjäger geht ein Antwortschreiben von mir an den Kaiser ab. Es ist die Antwort auf das, was mir durch Alopeus zugekommen ist, benebst einer Kopie der Instruktionen, die unsere Gesandten in London, Paris und Wien erhalten, um, nach des Kaisers Wunsch das Recht (bei den besagten Höfen) geltend zu machen, seine Angelegenheiten mit der Pforte allein zu betreiben, d. h. dieser den Krieg zu erklären wegen der Verletzungen des Traktats von Akkerman und der in dem Hattischerif ausgesprochenen Beleidigungen Rußlands. So sehr ich nun auch dies Recht anerkennen muß, das als eine immidiäre Folge des deplorablen Trilateral-Traktats anzusehen ist, so unumwunden habe ich mich dennoch darüber aussprechen müssen, wie wünschenswert es gewesen wäre, dies in anderer Weise geltend zu machen, um auch den letzten Schein von sich zu entfernen, als sähe Rußland sich wegen dieser Angelegenheit für gänzlich entbunden an, sie mit dem Trilateral-Traktat in Verbindung zu bringen.... Nach meiner Ansicht wäre es noch jetzt nicht zu spät, die von mir angeschlagene Sprache gegen die übrigen Mächte zu führen, denn wenn keine Zeit verloren wird, so werden die Operationen bis zur Donau auf keine Weise gehemmt, aber die Meinung für Rußlands gerechte Sache würde in den Augen der Welt noch unendlich dadurch gewinnen müssen.....

[37] Am 22. September 1828 hatte der Prinz an seinen Vater aus Wien geschrieben: Alles (wegen meiner Abreise) würde sich freilich ändern, wenn ich entscheidende Antworten aus Weimar erhielte und zwar günstige; der 30. September wird alsdann dort ein wichtiger Tag und ich gerate aufs Neue zwischen zwei Feuer. Meine Ungeduld über diesen Punkt wächst mit jedem Tage.

[38] Von dort schreibt der Prinz am 10. Oktober 1828 an seinen Vater: Ich unternehme diesen entscheidenden, wohl für mein ganzes Dasein entscheidenden Weg mit allem Vertrauen zu Gott, daß er mich nach Seinem Willen leiten, führen und ans Ziel bringen wird. Ist dieser Weg Sein Wille nicht, so wird Er mir Kraft und Standhaftigkeit geben, um Prüfungen zu bestehen.

[39] Prinz Karl v. Preußen, der dritte Sohn Friedrich Wilhelms III. (1801/83), vermählt seit 1827 mit Maria v. Weimar (1808/77), der älteren Schwester der Prinzessin Augusta.

[40] Kleines Städtchen in der Nähe von Großheringen bei Weimar.

[41] Luise Augusta v. Hessen, die von 1775 bis 1828 mit Karl August von Weimar vermählt war.

[42] Fächer.

[43] Die Kaiserin-Mutter Maria Feodorowna (Sophie Dorothea von Württemberg), die Enkelin einer Schwester Friedrichs des Großen und zweite Gattin Pauls I. von Rußland, war am 25. Oktober 1759 geboren und starb am 5. November 1828 (vgl. S. 54).

[44] Der König teilte der Kaiserin-Mutter aus Charlottenburg am 26./28. Oktober 1828 die Verlobung seines Sohnes mit; der Brief hat die Adressatin, die am 5. November 1828 starb, nicht mehr erreicht. An ihrer Stelle antwortete Kaiser Nikolaus Mitte November desselben Jahres (Publikationen aus den Preußischen Staatsarchiven, Bd. 75, 1900, Nr. 410, 455). — Dem Brautpaar gratulierte Friedrich Wilhelm III. mit folgenden Zeilen: Charlottenburg, den 27. Oktober 1828. .... Ein unter so günstigen Umständen geschlossener Bund gewährt sich die heitersten Aussichten für die Zukunft und wird auch sicher von Gott gesegnet werden. Daß der Segen einer liebevollen Mutter nicht ausgeblieben wäre, hätte sie dies frohe Ereignis erleben können, dafür glaube ich Bürge sein zu dürfen. Daß der meinige dabei nicht ausbleiben kann, versteht sich von selbst und recht übermäßig habe ich zu Gott gebetet, daß er Alles zum Besten lenken wolle.

Deiner Auserwählten bitte ich in meinem Namen zu sagen, daß sie sowohl von mir als unserer ganzen Familie mit eben der Herzlichkeit und Zuvorkommenheit aufgenommen werden würde, wie ihre Schwester Marie und daß wir uns glücklich schätzen, sie von nun an als die unsrige betrachten zu dürfen....

[45] Die Belagerung des türkischen Warna am Schwarzen Meer, bei der seit Anfang September Kaiser Nikolaus zugegen war, bildete ein Hauptereignis des russisch-türkischen Krieges; sie ging am 9. Oktober nach einer Dauer von 89 Tagen zu Ende.

[47] Vgl. S. 49.

[48] Am 28. Dezember 1828 heißt es aus Weimar:.... Von den sehr zufriedenen Gesichtern, die mich hier empfangen haben, brauche ich wohl kaum eine Schilderung zu machen. Augusta war ganz content, wie es schien, mich wiederzusehen, und ich war es nicht minder. Sie war per attention bei meiner Ankunft nur in halber Trauer, das heißt in Grau, was mir gar lieb war, denn außer am Versprechungstag und dem Geburtstag der lieben, seligen Kaiserin sah ich sie nur schwarz....

[49] Am 17. Oktober 1828 hatte der König seinem Sohn aus Potsdam geschrieben: „.... Deine letzten Briefe aus Teplitz waren in der Tat mit so richtiger Fassungsgabe ausgesetzt, daß sie nicht leicht etwas zu wünschen übrig ließen und ich kann nicht unterlassen, Dir darüber meine ganze Zufriedenheit und mein ganzes Wohlgefallen auszudrücken. Wenn man so reist und beobachtet, wie Du, geschieht es mit Nutzen und trägt Früchte. Die politischen Unterredungen, die Du mit dem Kaiser und mit Metternich gehabt, haben ganz besonders meine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Ich hoffe, sie sollen nicht ohne Nutzen geblieben sein für das, was jetzt fast ausschließlich die größeren Mächte Europas beschäftigt. Mehr ins Detail einzugehen ist jetzt nicht der Augenblick.“ Vgl. dazu: „Der Kaiser von Österreich und Metternich haben mit dem Prinzen Wilhelm in Wien sehr ernstlich über die griechisch-türkischen Sachen gesprochen und ihn für die österreichische Ansicht zu gewinnen gesucht. Der Prinz sagte dem Kaiser dagegen, Österreich habe sich die öffentliche Meinung und mit ihr manchen Vorteil entfremdet, weil es die Griechen gleich von Anfang so sehr herabgesetzt, wenigstens ihre Sache und ihren Mut hätte man anerkennen müssen; ‚Schauens, Sie mögen Recht haben‘, sagte der Kaiser.“ (Varnhagen v. Ense, Blätter aus der preußischen Geschichte, Eintragung vom 2. Dezember 1828.)

[50] In dem Briefe von Prinz Wilhelm an seinen Vater aus Weimar vom 5. März 1829 taucht zum ersten Male der Vorschlag des Prinzen an die Großfürstin auf, das mit ihrem Bruder, dem Zaren, geplante Wiedersehen nicht in Warschau, sondern in Berlin gelegentlich seiner, d. h. des Prinzen Wilhelm Vermählung mit Augusta zu ermöglichen; Prinz Wilhelm bittet seinen Vater, daß er seiner Tochter und seinem Schwiegersohne diesen Vorschlag machen soll.... „es wäre das Glückseligste, was mir geschehen könnte und ein Wunsch ginge in Erfüllung, an dessen Erreichbarkeit ich nie gedacht hätte.“ Am 15. März schreibt Prinz Wilhelm an seinen Vater: „Daß Sie an Charlotte schrieben, um sie nach Berlin einzuladen, noch ehe ich darum bat, ist gar zu prächtig.“

[51] Todestag der Königin Luise. — Am 18. Juli, ihrem Geburtstag, schreibt der Prinz an seinen Vater:.... Wir werden morgen zum Monument nach Charlottenburg gehen.... meine Gebete an der heiligen Stätte sind jetzt neuer Art, da ich ja für ein Glück dort zu danken habe, das gewiß von oben gehalten und gesegnet wird....

[52] In der bei Cotta in Stuttgart — nicht in Dresden! — erscheinenden „encyclopädischen Zeitschrift für gebildete Leser“ Hesperus (1829) war in den Nummern 206 bis 219 ein anonymer — „der Verfasser ist Katholik und Süddeutscher, war nie preußischer Untertan und ist auch jetzt in keinerlei Verband mit Regierung oder Untertanen dieses Landes“ — Aufsatz aus dem November 1828: Ein neues Manuskript aus Süddeutschland, veröffentlicht worden, worin sich folgende Sätze finden: „Da erscheint die Morgenröte Deutschlands; man erstaunt über die Taten der Preußen.... eine unbekannte Kraft überwältigt Alles und siegt, die Riesenkraft der Einheit.... der Wiener Congreß täuscht Alles, noch hoffen Alle Alles von Preußen, auch diese Hoffnung schwindet. In jetziger Zeit, wo die moralische Kraft so viel zählt, mag man Preußen mit Recht den ersten Staaten beizählen, besonders wenn man seine vortrefflich eingerichtete Militärmacht, das Aufblühen seiner Finanzen, seiner Nahrungsquellen und seiner Bevölkerung sowie die Tätigkeit der Regierung, was Erhaltung und Bildung betrifft, mit in Anschlag bringt.“ Dann wird die Frage aufgeworfen, „ob Preußen die Eigenschaften hat, Deutschlands Schicksal zu leiten“; bei der Beantwortung wird zunächst festgestellt, daß „Preußen von allen deutschen Ländern am meisten in physischer und geistiger Kultur fortschreitet“, und das Für und Wider einer Alliance der übrigen deutschen Staaten mit Preußen erwogen: „die Alliance mit Preußen gäbe der Politik der deutschen Fürsten ihren wahren nationalen Haltepunkt, ohne daß ihre Selbständigkeit und Freiheit darunter leiden könnte; das Gewicht dieser echt deutschen Alliance gäbe erst Europa ein festes Centrum...., hier wäre der Embryo eines ewigen Friedens gefunden.“ Als Ergänzung zu diesen Gedankengängen diene eine Stelle aus einer in der gleichen Zeitschrift Nr. 247 vom 15. Oktober gedruckten Korrespondenz aus Rheinbayern: „der mit Preußen abgeschlossene Handelsvertrag ist bekannt gemacht worden und gewiß muß ganz Deutschland dem hochherzigen Monarchen, der es sich so mit Wärme angelegen sein läßt, Deutschland von den lästigen Binnenzöllen zu befreien und es zu vereinen, den wärmsten Dank zollen.“ Vgl. dazu folgende Briefstelle Friedrich Wilhelms III. an seinen Sohn: Berlin, den 31. Oktober 1829. .... Die sonderbare politische Stimmung oder Mißstimmung, die in Weimar zum Nachteile Preußens herrscht, ist ebenso absurd wie lächerlich und mir längst bekannt. Es ist dies die Folge des abgeschmackten Finassierens, dessen sich die mehresten deutschen Staaten angesteckt finden lassen. Das Warum ist schwer zu ergründen, da Hirngespinste die Stelle der Gründe vertreten müssen. Gottlob, daß sich’s an vielen Orten jetzt schon anders gestaltet, wie Du selbst es bemerkt hast. Mir macht alles dies weder kalt noch warm. Sollen die Herren sich mit Preußen verständigen, gut; wollen sie nicht, auch gut. Preußen bleibt nichtsdestoweniger, was es ist.

[53] Christian Wilhelm Schweitzer (1781/1856) war nach etlichen Jahren der Lehrtätigkeit in Jena 1818 als Geheimer Staatsrat in das Weimarsche Ministerium eingetreten, wo er sehr bald auf allen Gebieten der Verwaltung usw. die ausschlaggebende Stimme hatte, bis er im März 1848 zurücktreten mußte.

[54] Karl Friedrich Schinkel (1781/1841), einer der bedeutendsten Architekten des 19. Jahrhunderts, hatte bereits das alte Johanniterordenpalais in Berlin zum Palais des Prinzen Karl umgebaut; in Schinkels Sammlung architektonischer Entwürfe, Berlin, 1819/40, Tafel 134/5, finden sich zwei Entwürfe für das Palais Wilhelms I.

[55] Der erwähnte Plan liegt dem Originale des Briefes nicht bei.

[56] Das heute noch neben dem Palais stehende Gebäude, in dem jahrzehntelang das königliche Hausministerium untergebracht war.

[57] Die Schwester Friedrich Wilhelms III., Wilhelmine, war mit Wilhelm I., König der Niederlande, vermählt; ihr hatte das Palais ursprünglich gehört.

[58] Friedr. Aug. Stägemann (1763/1840), der Mitarbeiter Steins und Hardenbergs am preußischen Reformwerk, als Mitglied des Staatsrates in ausschlaggebender innerpolitischen Stellung.

[59] Vgl. Anm. S. 101.

[60] Kaspar Friedrich v. Schuckmann (1755/1834), ausgezeichneter preußischer Staatsmann, seit 1814 Minister.

[61] Auch dieser Plan liegt dem Originale nicht bei.

[62] Im Jahre 1824.

[63] Der Kronprinz.

[64] Die beiden Hallenser Theologie-Professoren Wegscheider und Gesenius waren die gefeierten Wortführer des protestantischen Rationalismus; der Berliner Theologieprofessor E. W. Hengstenberg ließ in seiner Evangelischen Kirchenzeitung im Januar 1830 (Nr. 5/6) einen anonymen, in Wahrheit aber von dem Berliner Geistlichen Otto v. Gerlach auf Grund „gut nachgeschriebener Kolleghefte und mündlicher Erzählungen der Zuhörer“ verfaßten Artikel: Der Rationalismus auf der Universität Halle erscheinen, in dem in beweglichen Worten auf die „Wunden hingewiesen ward, die der Unglaube diesen durch die Reformation so reichlich gesegneten Ländern geschlagen hat und zu schlagen fortfährt“. Friedrich Wilhelm III. ließ eine Untersuchung gegen die beiden Hallenser Professoren einleiten, die aber schließlich im Sande verlief.

[65] Wegscheiders Institutiones theologiae christianae dogmaticae erschienen erstmalig bereits 1815.

[66] Leopold v. Gerlach (1790/1861) war seit 1826 der persönliche Adjutant des Prinzen Wilhelm und seitdem auf das engste mit ihm verbunden.

[67] Loo ist das Sommerschloß des niederländischen Königspaares.

[68] Der König der Niederlande.

[69] Als im Sommer 1832 der Plan einer Zusammenkunft der Herrscher von Preußen, Rußland und Österreich daran scheiterte, daß in dem dafür in Aussicht genommenen Teplitz die Cholera ausgebrochen war, schrieb Prinz Wilhelm aus Alexandria am 12./24. Juli 1832 an seinen Vater: Darf ich mein Gefühl aussprechen, so stimmt es ganz mit dem des Kaisers (d. h. mit dem Bedauern über das Scheitern des Planes) zusammen. Denn diese Zusammenkunft war es, welche mein erster Gedanke nach der Revolution war. Jetzt, wo ohne solche Zusammenkunft man freilich eins geworden ist, die Verhältnisse in Frankreich aber täglich besorglicher werden, die bisherige Ruhe doch auch mit Opfern erkauft ist, die eine inhaltschwere Consequenz in sich schließen, da erscheint mir gerade der jetzige Moment so sehr geeignet und wichtig zur Zusammenkunft, um sich über die Dauer dieses precairen Zustandes Europas zu beraten. Denn wenn Fürst Taillerand auf die Frage, wie dieser Zustand sich lösen werde, geantwortet haben soll: ça finira par un hazard, so frage ich immer: mais à quand ce hazard?, und in diesem quand liegt der Ruin fast aller großen Staaten.

[70] D. h. russischen.

[71] Im Herbst 1818, wo die Mächte der Heiligen Allianz gegenseitige Übereinkommen für den Fall neuer Revolutionen getroffen hatten.

[72] Aus den Antworten des Königs an Prinz Wilhelm sei nur die folgende Briefstelle zitiert: Pfaueninsel, den 16. August 1830. Einige Wochen sind es erst her, daß ich Dir geschrieben, lieber Wilhelm, und was hat sich alles in dieser kurzen Zeit zugetragen. Unerhörtes, so viel Unerhörtes, daß das Schicksal Europas und insbesondere Preußens und Belgiens wieder ganz so auf der Spitze steht als in dem unseligen Zeitraume von 1789 zu 1814. Wahrlich, ein beugender und erdrückender Gedanke, und doch ist dem so und nicht anders.... Frankreich provozieren, hieße ein gefährliches Spiel wagen, obgleich mit Gewißheit über kurz oder lang mit Krieg zu rechnen ist, da es gewißlich die Gelegenheit vom Zaun brechen wird, um sich je eher, je lieber Belgiens und des linken Rheinufers zu bemächtigen. Daß dies nun und nimmermehr von uns zugegeben werden kann, unterliegt wohl keinem Zweifel, dann aber ist auch mit Gewißheit auf die öffentliche Meinung und auf den Schutz und Beistand unserer früheren Alliierten zu rechnen, obgleich wir auch dann kein leichtes Spiel haben werden.... (Dieser Brief stimmt fast wörtlich mit einem Schreiben Friedrich Wilhelms III. an seine Tochter Charlotte, Kaiserin von Rußland, vom gleichen Tage überein: vgl. Hohenzollernjahrbuch 1916, S. 152.)

[74] Als Ergänzung möge hier das briefliche Bekenntnis des Königs an seine Tochter Charlotte vom 9./21. Dezember 1830 dienen (vgl. Hohenzollern-Jahrbuch 1916, S. 154): „Einen schlimmeren und verwickelteren politischen Zustand der Dinge in Europa habe ich noch nicht erlebt, und wie viel Schlimmes erlebte ich nicht schon! Daß hierbei die Lage Preußens die allerschlimmste zu nennen ist, ist wohl einleuchtend. An dessen südwestlicher Grenze das kecke, übermütige, kriegslustige Frankreich, alles Bestehende bedrohend, und neben diesem das noch im offenbaren Aufruhr befindliche, keinem vermittelnden Vorschlage Gehör gebende, rein tolle Belgien; den Geist der Unruhe, der im deutschen Vaterlande spukt, will ich ganz übergehen, obgleich auch er die größte Aufmerksamkeit erfordert; und nach Osten.... das verräterische und fanatische Polen.... wahrlich, es möchte schwer sein, sich eine schlimmere Lage zu denken. Mäßigung, kaltes Blut und sich nach Möglichkeit auf das Schlimmste gefaßt zu machen und vorzubereiten, ist alles, was dabei zu tun ist. Das Übrige ist von der Vorsehung zu erwarten, die sich doch des armen Europas über kurz oder lang wieder erbarmen wird.“

[75] Am 7. September 1830 heißt es ebenfalls aus Koblenz: Wie richtig es ist, gerade hier Truppen aus den alten Provinzen zu haben, in dieser bewegten Zeit, darf ich wohl aussprechen, ohne Mißtrauen gerade gegen die hiesigen Truppen zu zeigen, deren Geist sich excellent ausspricht. Aber Vorsicht ist ja nie überflüssig. Und wer weiß, was eine Proklamation von Frankreich beim Einfall in unser Land bewirken könnte. Jetzt haben die Bürger ihr Hab und Gut gegen den Pöbel-Aufstand verteidigt, ob sie es aber auch gegen einen Feind tun würden, dem sie so lange anhingen und zu dem sie noch immer hinsehen, ist die Frage; die Behörden sagen ja, ganz sicher bin ich nicht darüber.

[76] Herzog Karl II., der den Revolutionen in Paris und Brüssel zufällig beigewohnt hatte, mußte am Abend des 6. September 1830 der plötzlich und endlich ausbrechenden Wut des Volkes weichen und sein Land für immer verlassen.

[77] Bernhard v. Weimar, der zweite Sohn Karl Augusts (1792/1862), trat 1815 in die Dienste des neugebildeten Königreiches der Niederlande; er hat an der Niederwerfung der belgischen Revolution den wesentlichsten Anteil gehabt.

[78] Kurzer Aufstand am 9. September 1830.

[79] Karl v. Stein zum Altenstein (1770/1840) beeinflußte als preußischer Unterrichtsminister das geistige Leben des hier in Frage kommenden Zeitabschnitts wesentlich.

[80] Aus Charlottenburg meldet am 19. September 1830 der König seinem Sohn: „.... Auch hier haben wir, um in der jetzigen allgemeinen Mode nicht zurückzubleiben, einige tumultuarische Pöbel-Bewegungen gehabt, welche zwar sogleich im Entstehen unterdrückt wurden, dennoch aber es nötig gemacht haben, einen Teil der Garnison während der Nacht auf den Beinen zu halten....“ Nach einer brieflichen Notiz des Königs an seine Tochter Charlotte vom 13./25. September 1830 (vgl. Hohenzollernjahrbuch 1916, S. 152) war „Onkel Karl“, d. i. Herzog Karl von Mecklenburg, der bekannte Stiefbruder der Königin Luise, der Wiederhersteller der äußeren Ordnung in Berlin gewesen: „er hat sich mit großer Umsicht, Vorsicht und Festigkeit benommen und ist als der Hauptleiter des Ganzen anzusehen; ihm also verdankt man hauptsächlich, daß der Unordnung auf rechte Weise gesteuert ist und seitdem, wenigstens für jetzt, völlige Ruhe herrscht.“

[81] An seine Tochter Charlotte schreibt Friedrich Wilhelm III. nach Petersburg am 13./25. September 1830 (vgl. Hohenzollernjahrbuch 1916, S. 153): „Aus Belgien erwartet man mit Ungeduld und, ich möchte sagen, mit Bangigkeit Nachricht, indem Fritz Oranien (Pr. Fr. d. Niederlande, des Königs Schwiegersohn) am 17. Ordre empfangen hat, auf Brüssel zu marschieren, um die Revolution durch die Gewalt zu besiegen. Möchte es ihm gelungen sein.“

[82] Am 1. Oktober 1830 heißt es aus Weimar an den Vater:.... Die Umgegend hier ist noch immer in Gährung. Es sind 400 Mann nach Jena geschickt worden, um Arrestationen vorzunehmen und die Bürgerschaft zum Ablegen der Waffen zu nötigen, was auch sogleich erfolgt ist. Aus Ilmenau war auch eine Deputation hier; man hat sie aber ernsthaft auf den ungesetzlichen Schritt aufmerksam gemacht und sie sind ganz beschämt abgegangen....

[83] Karl Friedrich Heinrich Graf v. Wylich und Lottum (1767/1841) war ursprünglich als Offizier im militärischen Verwaltungsdienste tätig; seit 1818 hat er als Mitglied des preußischen Staatsrates die Finanzgeschäfte geführt, ohne irgendwie schöpferisch hervorzutreten.

[84] Am nächsten Tage korrigiert Prinz Wilhelm die Zahlen seines Schreibens in einer ergänzenden Tabelle, „da ich den Pferdebestand eines Kavallerieregiments bald exclusive, bald inclusive Unteroffiziere berechnet habe“.

[85] Prinz Wilhelm blieb auch weiterhin um Wilhelm Solms besorgt; aus Belvedere bei Weimar heißt es am 26. Juni 1831: Soeben erhalte ich einen Brief von Wilhelm Solms, der mir in seiner Herzens-Angst schreibt, indem ihm die Nachricht zugekommen sei, Sie wollten ihn nicht, seinem und seines Bruders und seiner Mutter Wunsch gemäß, nach Düsseldorf versetzen, sondern zu einem andern Regimente am Rhein. Ich glaube zwar nicht, daß dies Gerücht wahr ist, doch wollte ich nochmals Ihre Gnade für ihn in Anspruch nehmen, daß es bei seiner Versetzung nach Düsseldorf verbleibe, die ja so ganz für sein Verhältnis paßt.

[86] Wilhelm Radziwill, der Bruder der Prinzessin Elisa (1797/1870).

[87] Die Cholera drang im Sommer 1831 zum ersten Male als Seuche in Deutschland ein.

[88] Dieser Brief ist der einzige der Sammlung, der schon gedruckt ist (bei E. Berner, Kaiser Wilhelms des Großen Briefe, Reden und Schriften, Bd. 1, 1906, S. 108/12); das ist wohl nur dadurch zu erklären, daß Friedrich Wilhelm III. das Schreiben seines Sohnes wegen des darin behandelten Gegenstandes an die oberste Militärbehörde weitergab, wo zu den betreffenden Akten eine Abschrift davon genommen ward, ehe das Original wieder an den König zurückgelangte.

[89] Als Knabe hatte Prinz Wilhelm auf dem „Babertsberge“ eine Feldschanze angelegt; jetzt plante er dort ein einfaches Schlößchen. Auf der ersten Seite des dort benutzten Fremdenbuches machte der Prinz folgende Eintragung: Am 3. August 1833 erteilte mir der König die Erlaubnis, meinen Lieblingsplan, auf dem Babelsberg ein Landhaus und Garten gründen zu dürfen, in Ausführung zu bringen. Unter Leitung des Gartendirektors Lenné begannen sogleich die ersten Gartenanlagen. Im Oktober entwarf der Oberlandesbaudirektor Schinkel das Projekt zum Schlößchen und in den ersten Tagen des März 1834 begann der Bau desselben unter Leitung des Hofbauinspektors Gebhardt. Am ersten des Monats Juny ward der Grundstein gelegt und im September 1835 ward der Ausbau vollendet und das Schlößchen am 15. Oktober, als am Geburtstag meines Sohnes, eingeweiht.

[90] Der am 18. Oktober 1831 im Neuen Palais zu Potsdam geborene spätere Kaiser Friedrich III.

[91] Karl F. Langhans (1781/1869), der Sohn des Erbauers des Brandenburger Tores: „.... das einfache, durch edle und stattliche Verhältnisse ausgezeichnete Palais, eine Schöpfung, in der sich Langhans, ohne Schinkels Schüler gewesen zu sein, diesem ebenbürtig erwies“ (Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 17, S. 686).

[92] Die jüngere Schwester des Prinzen Wilhelm, seit 1822 mit dem Erbgroßherzog Paul Friedrich v. Mecklenburg vermählt.

[93] Oldwig v. Natzmer (1782/1861), des Prinzen „Lehrer in militärischen Dingen“ und darüber hinaus sein menschlicher Vertrauter; die beiden Veröffentlichungen von G. v. Natzmer: Aus dem Leben O. v. N., 1870, und Unter den Hohenzollern, 1887/9, sind wesentliche Ergänzungen zu den hier veröffentlichten Briefen.

[94] Fr. Godet (1812/1900) hatte in Neuchâtel, Bonn und Berlin studiert und war von 1838 bis 1846 Erzieher des kleinen Prinzen; er ging als Geistlicher dann wieder in seine schweizerische Heimat zurück. Ihm folgte als Erzieher des Prinzen Ernst Curtius; vgl. darüber: Ernst Curtius, Ein Lebensbild in Briefen, 1913, Bd. 1, S. 237 ff.

[95] August Neander (1789/1850) war ursprünglich Jude gewesen und trat dann zum Protestantismus über. In Heidelberg und Berlin — hier seit 1813 — hat er als der bedeutendste Kirchenhistoriker seiner Zeit gewirkt.

[96] Karl Chr. Alb. Heinr. v. Kamptz (1769/1849), ein stark reaktionärer Beamter, war Vorsitzender der Justizabteilung des preußischen Staatsrates.

[97] Die spätere Großherzogin Luise von Baden.

[98] Geburtstag des Königs.

[99] Die Kur war erfolgreich: am 18. August 1839 schreibt Prinz Wilhelm aus Baden-Baden an seinen Vater: Ob es die Nachfolge von Ems ist oder die Molkenkur oder die hiesige Luft, vermag ich nicht anzugeben, wenn ich versichern kann, daß seit einigen Tagen jede Spur meines Brustleidens verschwunden ist, was eine große Beruhigung und Freude mir gewährt. Wahrscheinlich werden wohl alle drei Ursachen zu dem günstigen Zustande meiner Gesundheit beigetragen haben....