The Project Gutenberg eBook of Erdgeist

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Title: Erdgeist

Author: Frank Wedekind

Release date: July 12, 2017 [eBook #55103]

Language: German

Credits: Produced by Peter Becker, Jens Sadowski, and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ERDGEIST ***

Frank Wedekind

Erdgeist

Tragödie in vier Aufzügen

„Mich schuf aus gröberm Stoffe die Natur,

Und zu der Erde zieht mich die Begierde.

Dem bösen Geist gehört die Erde, nicht

Dem guten. Was die Göttlichen uns senden

Von oben, sind nur allgemeine Güter;

Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich,

In ihrem Staat erringt sich kein Besitz.

Den Edelstein, das allgeschätzte Gold

Muß man den falschen Mächten abgewinnen,

Die unterm Tage schlimmgeartet hausen.

Nicht ohne Opfer macht man sie geneigt,

Und keiner lebet, der aus ihrem Dienst

Die Seele hätte rein zurückgezogen.“

Georg Müller Verlag München und Leipzig

Übersetzungs- und Aufführungsrecht vorbehalten. Nachdruck verboten. Den Bühnen und Vereinen gegenüber Manuskript. Das Aufführungsrecht ist ausschließlich zu erwerben durch den Verlag Georg Müller, München.

Willy Grétor
gewidmet

Personen

Medizinalrat Dr. Goll.
Dr. Schön, Chefredakteur.
Alwa, sein Sohn.
Schwarz, Kunstmaler.
Prinz Escerny, Afrikareisender.
Schigolch.
Rodrigo, Artist.
Hugenberg, Gymnasiast.
Escherich, Reporter.
Lulu.
Gräfin Geschwitz, Malerin.
Ferdinand, Kutscher.
Henriette, Zimmermädchen.
Ein Bedienter.

Die Rolle Hugenberg wird von einem Mädchen gespielt.

Rechts und links vom Schauspieler.

Prolog

Ein Tierbändiger tritt, nachdem der aufgezogene Vorhang einen Zelteingang hat sichtbar werden lassen, in zinnoberrotem Frack, weißer Krawatte, langen schwarzen Locken, weißen Beinkleidern und Stulpstiefeln, in der Linken eine Hetzpeitsche, in der Rechten einen geladenen Revolver, unter Zimbelklängen und Paukenschlägen aus dem Zelt:

Hereinspaziert in die Menagerie,

Ihr stolzen Herrn, ihr lebenslust’gen Frauen,

Mit heißer Wollust und mit kaltem Grauen

Die unbeseelte Kreatur zu schauen,

Gebändigt durch das menschliche Genie.

Hereinspaziert, die Vorstellung beginnt! —

Auf zwei Personen kommt umsonst ein Kind.

Hier kämpfen Tier und Mensch im engen Gitter,

Wo jener höhnend seine Peitsche schwingt

Und dieses, mit Gebrüll wie Ungewitter,

Dem Menschen mörderisch an die Kehle springt;

Wo bald der Kluge, bald der Starke siegt,

Bald Mensch, bald Tier geduckt am Estrich liegt;

Das Tier bäumt sich, der Mensch auf allen Vieren!

Ein eisig kalter Herrscherblick —

Die Bestie beugt entartet das Genick

Und läßt sich fromm die Ferse drauf postieren.

Schlecht sind die Zeiten! — All die Herrn und Damen,

Die einst vor meinem Käfig sich geschart,

Beehren Possen, Ibsen, Opern, Dramen

Mit ihrer hochgeschätzten Gegenwart.

An Futter fehlt es meinen Pensionären,

So daß sie gegenseitig sich verzehren.

Wie gut hat’s am Theater ein Akteur!

Des Fleischs auf seinen Rippen ist er sicher,

Sei auch der Hunger ein ganz fürchterlicher

Und des Kollegen Magen noch so leer. —

Doch will man Großes in der Kunst erreichen,

Darf man Verdienst nicht mit dem Lohn vergleichen.

Was seht ihr in den Lust- und Trauerspielen?! —

Haustiere, die so wohlgesittet fühlen,

An blaßer Pflanzenkost ihr Mütchen kühlen

Und schwelgen in behaglichem Geplärr,

Wie jene Andern — unten im Parterre:

Der eine Held kann keinen Schnaps vertragen,

Der andre zweifelt, ob er richtig liebt,

Den dritten hört ihr an der Welt verzagen,

Fünf Akte lang hört ihr ihn sich beklagen,

Und niemand, der den Gnadenstoß ihm gibt. —

Das wahre Tier, das wilde, schöne Tier,

Das — meine Damen! — sehn Sie nur bei mir.

Sie sehen den Tiger, der gewohnheitsmäßig,

Was in den Sprung ihm läuft, hinunterschlingt;

Den Bären, der, von Anbeginn gefräßig,

Beim späten Nachtmahl tot zu Boden sinkt;

Sie sehn den kleinen amüsanten Affen

Aus Langeweile seine Kraft verpaffen;

Er hat Talent, doch fehlt ihm jede Größe,

Drum kokettiert er frech mit seiner Blöße;

Sie sehn in meinem Zelte, meiner Seel’,

Sogar gleich hinterm Vorhang ein Kameel! —

Und sanft schmiegt das Getier sich mir zu Füßen,

Wenn — (er schießt ins Publikum) — donnernd mein Revolver knallt.

Rings bebt die Kreatur; ich bleibe kalt —

Der Mensch bleibt kalt! — Sie ehrfurchtsvoll zu grüßen.

Hereinspaziert! — Sie traun sich nicht herein? —

Wohlan, Sie mögen selber Richter sein!

Sie sehn auch das Gewürm aus allen Zonen:

Chamäleone, Schlangen, Krokodile,

Drachen und Molche, die in Klüften wohnen.

Gewiß, ich weiß, Sie lächeln in der Stille

Und glauben mir nicht eine Silbe mehr —

(er lüftet den Türvorhang und ruft in das Zelt:)

He, Aujust! Bring mir unsre Schlange her!

(Ein schmerbäuchiger Arbeiter trägt die Darstellerin der Lulu in ihrem Pierrotkostüm aus dem Zelt und setzt sie vor dem Tierbändiger nieder)

Sie ward geschaffen, Unheil anzustiften,

Zu locken, zu verführen, zu vergiften —

Zu morden, ohne daß es einer spürt.

(Lulu am Kinn krauend:)

Mein süßes Tier, sei ja nur nicht geziert!

Nicht albern, nicht gekünstelt, nicht verschroben,

Auch wenn die Kritiker dich weniger loben.

Du hast kein Recht, uns durch Miaun und Fauchen

Die Urgestalt des Weibes zu verstauchen,

Durch Faxenmachen uns und Fratzenschneiden

Des Lasters Kindereinfalt zu verleiden!

Du sollst — drum sprech ich heute sehr ausführlich —

Natürlich sprechen und nicht unnatürlich!

Denn erstes Grundgesetz seit frühster Zeit

In jeder Kunst war Selbstverständlichkeit!

(Zum Publikum)

Es ist jetzt nichts Besondres dran zu sehen,

Doch warten Sie, was später wird geschehen:

Mit starkem Druck umringelt sie den Tiger;

Er heult und stöhnt! — Wer bleibt am Ende Sieger?! — —

Hopp, Aujust! Marsch! Trag sie an ihren Platz —

(Der Arbeiter nimmt Lulu quer auf die Arme; der Tierbändiger tätschelt ihr die Hüften.)

Die süße Unschuld — meinen größten Schatz!

(Der Arbeiter trägt Lulu ins Zelt zurück.)

Und nun bleibt noch das Beste zu erwähnen:

Mein Schädel zwischen eines Raubtiers Zähnen.

Hereinspaziert! Das Schauspiel ist nicht neu,

Doch seine Freude hat man stets dabei.

Ich wag’ es, ihm den Rachen aufzureißen,

Und dieses Raubtier wagt nicht zuzubeißen.

So schön es ist, so wild und buntgefleckt,

Vor meinem Schädel hat das Tier Respekt!

Getrost leg’ ich mein Haupt ihm in den Rachen;

Ein Witz — und meine beiden Schläfen krachen!

Dabei verzicht’ ich auf des Auges Blitz;

Mein Leben setz’ ich gegen einen Witz;

Die Peitsche werf’ ich fort und diese Waffen

Und geb’ mich harmlos, wie mich Gott geschaffen. —

Wißt ihr den Namen, den dies Raubtier führt? — —

Verehrtes Publikum — — Hereinspaziert!!

Der Tierbändiger tritt unter Zimbelklängen und Paukenschlägen in das Zelt zurück.

Erster Aufzug

(Geräumiges Atelier. — Rechts hinten Entreetür, rechts vorn Seitentür zum Schlafkabinett. In der Mitte ein Podium. Hinter dem Podium eine spanische Wand. Vor dem Podium ein Smyrnateppich. Links vorn zwei Staffeleien. Auf der hinteren das Brustbild eines jungen Mädchens. Gegen die vordere lehnt eine umgekehrte Leinwand. Vor den Staffeleien, etwas gegen die Mitte vorn, eine Ottomane. Darüber ein Tigerfell. Rechts an der Wand zwei Sessel. Im Hintergrund eine Trittleiter.)

Erster Auftritt

Schwarz und Schön

Schön

(auf dem Fußende der Ottomane sitzend, mustert das Brustbild auf der hinteren Staffelei)

Wissen Sie, daß ich die Dame von einer ganz neuen Seite kennen lerne?

Schwarz

(Pinsel und Palette in der Hand, steht hinter der Ottomane)

Ich habe noch niemanden gemalt, bei dem der Gesichtsausdruck so ununterbrochen wechselte. — Es war mir kaum möglich, einen einzigen Zug dauernd festzuhalten.

Schön

(auf das Bild deutend, ihn ansehend)

Finden Sie das darin?

Schwarz

Ich habe das Erdenklichste getan, um durch meine Unterhaltung während der Sitzungen wenigstens etwas Ruhe in der Stimmung hervorzurufen.

Schön

Dann verstehe ich den Unterschied.

Schwarz

(taucht den Pinsel ins Ölnäpfchen und überstreicht die Gesichtszüge)

Schön

Glauben Sie, es wird dadurch ähnlicher?

Schwarz

Man kann nicht mehr tun, als es mit der Kunst so gewissenhaft wie möglich nehmen.

Schön

Sagen Sie mal ...

Schwarz (zurücktretend)

Die Farbe ist auch wieder etwas eingeschlagen.

Schön

(ihn ansehend)

Haben Sie jemals in Ihrem Leben ein Weib geliebt?

Schwarz

(geht auf die Staffelei zu, setzt eine Farbe auf und tritt auf der anderen Seite zurück)

Der Stoff ist noch nicht genügend abgehoben. Man sieht noch nicht recht, daß ein lebender Körper darunter ist.

Schön

Ich zweifle nicht daran, daß die Arbeit gut ist.

Schwarz

Wenn Sie hierher treten wollen.

Schön

(sich erhebend)

Sie müssen ihr wahre Schauergeschichten erzählt haben.

Schwarz

So weit wie möglich zurück.

Schön

(zurücktretend, stößt die an die vordere Staffelei gelehnte Leinwand um)

Pardon ...

Schwarz

(den Rahmen aufhebend)

O bitte ...

Schön (betroffen)

Was ist das ...

Schwarz

Kennen Sie sie?

Schön

Nein.

Schwarz

(setzt das Bild auf die Staffelei. Man sieht eine Dame als Pierrot gekleidet mit einem hohen Schäferstab in der Hand)

Ein Kostümbild.

Schön

Die ist Ihnen aber gelungen.

Schwarz

Sie kennen sie?

Schön

Nein. Und in dem Kostüm?

Schwarz

Es fehlt noch die ganze Ausführung.

Schön

Na ja.

Schwarz

Was wollen Sie. Während sie mir steht, habe ich das Vergnügen, ihren Mann zu unterhalten.

Schön

Sagen Sie ...

Schwarz

Über Kunst natürlich, um mein Glück zu vervollständigen.

Schön

Wie kommen Sie denn zu der reizenden Bekanntschaft?

Schwarz

Wie man dazu kommt. Ein steinalter, wackliger Knirps fällt mir hier herein, ob ich seine Frau malen könne. Nun natürlich, und wenn sie runzlich wie Mutter Erde ist. Andern Tags Punkt zehn fliegen die Türen auf, und der Schmerbauch treibt dies Engelskind vor sich her. Ich fühle jetzt noch, wie mir die Kniee schwankten. Ein stocksteifer, saftgrüner Lakai mit einem Paket unter dem Arm. Wo die Garderobe sei. Denken Sie sich meine Lage. Ich öffne die Tür da (nach rechts deutend). Nur ein Glück, daß schon alles in Ordnung war. Das süße Geschöpf huscht hinein, und der Alte postiert sich als Schanzkorb davor. Zwei Minuten darauf tritt sie in diesem Pierrot heraus. (Den Kopf schüttelnd) Ich habe nie so was gesehen. (Geht nach rechts und starrt an die Schlafzimmertür hin.)

Schön

(der ihm mit dem Blick gefolgt)

Und der Schmerbauch steht Schildwache?

Schwarz

(sich umwendend)

Der ganze Körper im Einklang mit dem unmöglichen Kostüm, als wäre er darin zur Welt gekommen. Ihre Art, die Ellbogen in die Taschen zu vergraben, die Füßchen vom Teppich zu heben — mir schießt oft das Blut zu Kopf ...

Schön

Das sieht man dem Bild an.

Schwarz (kopfschüttelnd)

Unsereiner, wissen Sie ...

Schön

Hier führt das Modell die Konversation.

Schwarz

Sie hat den Mund noch nicht aufgetan.

Schön

Ist’s möglich!

Schwarz

Erlauben Sie, daß ich Ihnen das Kostüm zeige. (Nach rechts ab.)

Schön

(allein, vor dem Pierrot)

Eine Teufelsschönheit. (Vor dem Brustbild) Hier ist mehr Fond. (Nach vorn kommend) Er ist noch etwas jung für sein Alter.

Schwarz

(kommt mit einem weißen Atlaskostüm zurück)

Was das für Stoff sein mag?

Schön

(den Stoff befühlend)

Atlas.

Schwarz

Und alles in einem Stück.

Schön

Wie kommt man denn da hinein?

Schwarz

Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Schön

(das Kostüm bei den Beinen nehmend)

Diese riesigen Hosenpfeifen!

Schwarz

Die linke rafft sie hinauf.

Schön

(auf das Bild sehend)

Bis übers Knie!

Schwarz

Sie macht das zum Entzücken.

Schön

Und transparente Strümpfe?

Schwarz

Die wollen nämlich gemalt sein.

Schön

O, das können Sie.

Schwarz

Dabei von einer Koketterie!

Schön

Wie kommen Sie auf den entsetzlichen Verdacht?

Schwarz

Es gibt Dinge, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen läßt. (Trägt das Kostüm in sein Schlafzimmer.)

Schön (allein).

Wenn man schläft ....

Schwarz

(kommt zurück, sieht nach der Uhr)

Wenn Sie übrigens ihre Bekanntschaft machen wollen ...

Schön

Nein.

Schwarz

Sie müssen im Augenblicke hier sein.

Schön

Wie oft wird denn die Dame noch sitzen müssen?

Schwarz

Ich werde die Tantalusqual wohl noch ein Vierteljahr zu erdulden haben.

Schön

Ich meine die Andere.

Schwarz

Entschuldigen Sie. Dreimal höchstens. (Ihn zur Tür geleitend) Wenn mir die Dame dann nur ihre Taille dalassen will.

Schön

Mit Vergnügen. Lassen Sie sich bald wieder bei mir sehen. (Stößt in der Tür auf Dr. Goll und Lulu) In Gottes Namen.

Zweiter Auftritt

Dr. Goll. Lulu. Die Vorigen.

Schwarz

Darf ich vorstellen ...

Goll (zu Schön)

Was treiben denn Sie hier?

Schön

(Lulu die Hand küssend)

Frau Medizinalrat.

Lulu

Sie wollen doch nicht schon gehen?

Goll

Welcher Wind führt denn Sie hierher?

Schön

Ich habe mir das Bild meiner Braut angesehen.

Lulu

(nach vorn kommend)

Ihre Braut ist hier?

Goll

Sie lassen hier also auch arbeiten?

Lulu

(vor dem Brustbild)

Sieh da! Bezaubernd! Entzückend!

Goll

(sich umsehend)

Sie halten sie wohl hier irgendwo versteckt?

Lulu

Das ist also das süße Wunderkind, das Sie zu einem neuen Menschen gemacht ...

Schön

Sie sitzt meistens am Nachmittag.

Goll

Und davon erzählen Sie einem nichts?

Lulu

(sich umwendend)

Ist sie denn wirklich so ernst?

Schön

Wohl noch die Nachwirkung der Pensionszeit, gnädige Frau.

Goll

(vor dem Brustbild)

Man sieht, daß Sie eine tiefgehende Wandlung durchgemacht haben.

Lulu

Nun dürfen Sie sie aber auch nicht mehr länger warten lassen.

Schön

In vierzehn Tagen denke ich unsere Verlobung bekannt zu machen.

Goll (zu Lulu)

Laß uns keine Zeit verlieren. Hopp!

Lulu (zu Schön)

Denken Sie, wir fuhren im Trab über die neue Quaibrücke. Ich habe selber kutschiert.

Schön

(will sich verabschieden)

Goll

Nein, nein. Wir Beide sprechen nachher weiter. Geh, Nellie. Hopp!

Lulu

Jetzt kommt’s an mich!

Goll

Unser Apelles leckt sich schon die Pinsel ab.

Lulu

Ich hatte mir das viel amüsanter vorgestellt.

Schön

Sie haben dabei immerhin die Genugtuung, uns den seltensten Genuß zu bereiten.

Lulu

(nach rechts gehend)

Na, warten Sie nur.

Schwarz

(vor der Schlafzimmertür)

Wenn Frau Obermedizinalrat so freundlich sein wollen. (Schließt die Tür hinter ihr und bleibt davor stehen.)

Goll

Ich habe sie in unserm Ehekontrakt nämlich Nellie getauft.

Schön

So? — Ja.

Goll

Was halten Sie davon?

Schön

Warum nennen Sie sie nicht lieber Mignon?

Goll

Das wäre auch was. Daran habe ich nicht gedacht.

Schön

Glauben Sie, daß der Name soviel dabei ausmacht?

Goll

Hm — Sie wissen, ich habe keine Kinder.

Schön

(sein Zigarettenetui aus der Tasche nehmend)

Sie sind doch aber auch erst ein paar Monate verheiratet.

Goll

Danke. Ich wünsche mir keine.

Schön

Rauchen Sie eine Zigarette?

Goll

(sich bedienend)

Ich habe an dem einen vollkommen genug. (Zu Schwarz) Sagen Sie mal, was macht denn eigentlich Ihre kleine Tänzerin?

Schön

(sich nach Schwarz umwendend)

Sie und eine Tänzerin?

Schwarz

Die Dame saß mir damals nur aus Gefälligkeit. Ich kenne die Dame von einem Ausflug des Cäcilienvereins her.

Goll (zu Schön)

Hm — ich glaube, wir kriegen anderes Wetter.

Schön

Das geht wohl nicht so rasch mit der Toilette?

Goll

Das geht wie der Blitz! Die Frau muß Virtuosin in ihrem Fach sein. Das muß jeder von uns in seinem Fach, wenn das Leben nicht zur Bettelei werden soll. (Ruft) Hopp, Nellie!

Schwarz

(an der Tür)

Frau Obermedizinalrat!

Lulu

(von innen)

Gleich, gleich.

Goll (zu Schön)

Ich begreife solche Stockfische nicht.

Schön

Ich beneide sie. Diese Stockfische kennen nichts Heiligeres als ihr Hungertuch. Sie fühlen sich reicher als Unsereiner mit 30000 Mark Renten. Sie können übrigens nicht über einen Menschen urteilen, der von Kindesbeinen an von der Palette in den Mund gelebt hat. Nehmen Sie es auf sich, ihn zu finanzieren. Es ist ein Rechenexempel. Mir fehlt der moralische Mut. Man verbrennt sich auch leicht die Finger ...

Lulu

(als Pierrot aus dem Schlafzimmer tretend)

Da bin ich.

Schön

(wendet sich um, nach einer Pause)

Superb!

Lulu (tritt näher)

Nun?

Schön

Sie beschämen die kühnste Phantasie.

Lulu

Wie gefall’ ich Ihnen?

Schön

Ein Bild, vor dem die Kunst verzweifeln muß.

Goll

Finden Sie nicht auch?

Schön (zu Lulu)

Sie wissen doch wohl nicht recht, was Sie tun.

Lulu

Ich bin mir meiner vollkommen bewußt!

Schön

Dann dürften Sie etwas besonnener sein.

Lulu

Ich tue ja doch nur meine Schuldigkeit.

Schön

Sie sind gepudert?

Lulu

Was fällt Ihnen ein!

Goll

Sie hat eine weiße Haut, wie ich sie noch nirgends gesehen habe. Ich habe unserem Raffael auch gesagt, er möge sich mit dem Fleisch nur ja so wenig wie möglich abgeben. Ich kann mich einmal für die moderne Klexerei nicht begeistern.

Schwarz

(an den Staffeleien, seine Farben präparierend)

Dem Impressionismus dankt es die heutige Kunst jedenfalls, daß sie sich alten Meistern ohne Erröten an die Seite stellen darf.

Goll

Für ein Stück Schlachtvieh mag sie ja ganz angebracht sein.

Schön

Nur um Gotteswillen keine Aufregung!

Lulu

(fällt Goll um den Hals und küßt ihn)

Goll

Man sieht dein Negligé. Du mußt es herunter ziehen.

Lulu

Ich hätte es am liebsten weggelassen. Es geniert nur.

Goll

Er wäre imstande und malte es hin.

Lulu

(nimmt den Schäferstab, der an der spanischen Wand lehnt, auf das Podium steigend, zu Schön)

Was würden Sie jetzt sagen, wenn Sie zwei Stunden Parade stehen müßten?

Schön

Meine Seele verschriebe ich dem Teufel, um mit Ihnen tauschen zu dürfen.

Goll

(sich rechts setzend)

Kommen Sie hierher. Hier ist nämlich mein Beobachtungsposten.

Lulu

(das linke Beinkleid bis zum Knie hinaufraffend, zu Schwarz)

So?

Schwarz

Ja ...

Lulu

(es um eine Idee höher raffend)

So?

Schwarz

Ja, ja ...

Goll

(zu Schön, der auf dem Sessel neben ihm Platz genommen hat, mit einer Handbewegung)

Ich finde sie nämlich von hier aus noch vorteilhafter.

Lulu

(ohne sich zu rühren)

Ich bitte sehr! Ich bin von allen Seiten gleich vorteilhaft.

Schwarz (zu Lulu)

Das rechte Knie weiter vor, bitte.

Schön

(mit einer Geste)

Der Körper zeigt vielleicht feinere Linien ...

Schwarz

Die Beleuchtung ist heute zum mindesten halbwegs erträglich.

Goll

Sie müssen sie flott hinwerfen! Fassen Sie Ihren Pinsel etwas länger!

Schwarz

Gewiß, Herr Medizinalrat.

Schön

Behandeln Sie sie als Stillleben!

Schwarz

Gewiß, Herr Doktor. (Zu Lulu) Sie pflegten den Kopf um eine Idee höher zu halten, Frau Medizinalrat.

Lulu

(den Kopf hebend)

Malen Sie mir die Lippen etwas geöffnet.

Schön

Malen Sie Schnee auf Eis. Wenn Sie sich dabei erwärmen, dann wird Ihre Kunst sofort unkünstlerisch.

Schwarz

Gewiß, Herr Doktor!

Goll

Die Kunst, wissen Sie, muß die Natur so wiedergeben, daß man wenigstens geistig dabei genießen kann!

Lulu

(den Mund etwas öffnend, zu Schwarz)

So — sehen Sie. So halte ich sie halb geöffnet.

Schwarz

Sobald die Sonne kommt, wirft die Mauer von gegenüber warme Reflexe herein.

Goll (zu Lulu)

Du mußt dich in deiner Stellung überhaupt so verhalten, als ob unser Velasquez hier gar nicht vorhanden wäre.

Lulu

Ein Maler ist doch auch eigentlich gar kein Mann.

Schön

Ich glaube nicht, daß Sie von einer rühmlichen Ausnahme so ohne Weiteres auf die ganze Zunft schließen dürfen.

Schwarz

(von der Staffelei zurücktretend)

Ich hätte mir im vergangenen Herbst doch lieber ein anderes Atelier mieten müssen.

Schön (zu Goll)

Was ich fragen wollte — haben Sie die kleine O’Morphi schon als peruanische Perlenfischerin gesehen?

Goll

Morgen sehe ich sie mir zum viertenmal an. Der Fürst Polossow führte mich hin. Sein Haar ist vor Entzücken schon wieder dunkelblond geworden.

Schön

Sie finden sie also auch so fabelhaft?

Goll

Wer will das je im Voraus beurteilen!

Lulu

Ich glaube, es hat geklopft.

Schwarz

Entschuldigen Sie mich einen Augenblick. (Geht zur Türe und öffnet)

Goll

Du darfst ihn getrost etwas unbefangener anlächeln.

Schön

Dem macht das gar nichts.

Goll

Und wenn! — Wozu sitzen wir Beide denn hier!

Dritter Auftritt

Alwa Schön. Die Vorigen.

Alwa

(noch hinter der spanischen Wand)

Darf man eintreten?

Schön

Mein Sohn.

Lulu

Das ist ja Herr Alwa!

Goll

Kommen Sie nur ungeniert herein!

Alwa

(vortretend, reicht Schön und Goll die Hand)

Herr Medizinalrat ... (sich nach Lulu umwendend) Seh ich recht? — Wenn ich Sie doch nur für meine Hauptrolle engagieren könnte!

Lulu

Ich würde für Ihr Stück wohl kaum gut genug tanzen.

Alwa

Aber Sie haben doch einen Tanzlehrer, wie man ihn an keiner Bühne Europas findet!

Schön

Was führt dich denn hierher?

Goll

Sie lassen hier wohl auch insgeheim irgend Jemanden porträtieren?

Alwa (zu Schön)

Ich wollte dich zur Generalprobe abholen.

Schön

(erhebt sich)

Goll

Lassen Sie denn heute schon in vollem Kostüm tanzen?

Alwa

Versteht sich. Kommen Sie mit. In fünf Minuten muß ich auf der Bühne sein. (Zu Lulu) Ich Unglücklicher!

Goll

Ich habe ganz vergessen — wie nennt sich doch Ihr Ballett?

Alwa

Dalailama.

Goll

Ich glaubte, der wäre im Irrenhaus.

Schön

Sie meinen Nietzsche, Herr Sanitätsrat.

Goll

Sie haben recht. Ich verwechsle die Beiden.

Alwa

Ich habe dem Buddhismus auf die Beine geholfen.

Goll

An den Beinen erkennt man den Bühnendichter.

Alwa

Die Corticelli tanzt den jugendlichen Buddah als hätte sie am Ganges das Licht der Welt erblickt.

Schön

Solang die Mutter noch lebte, tanzte sie mit den Beinen ...

Alwa

Als sie dann frei wurde, tanzte sie mit dem Verstande ...

Goll

Jetzt tanzt sie mit dem Herzen!

Alwa

Wenn Sie sie sehen wollen?

Goll

Danke.

Alwa

Kommen Sie doch mit!

Goll

Unmöglich!

Schön

Wir haben übrigens keine Zeit zu verlieren.

Alwa

Kommen Sie mit, Herr Medizinalrat. Im dritten Akt sehen Sie Dalailama in seinem Kloster, mit seinen Mönchen.

Goll

Mir wäre es lediglich um den jugendlichen Buddah zu tun.

Alwa

Was hindert Sie denn?

Goll

Es geht nicht. Es geht nicht.

Alwa

Wir gehen nachher zu Peters. Da können Sie Ihrer Bewunderung Ausdruck geben.

Goll

Dringen Sie nicht weiter in mich. Ich bitte Sie.

Alwa

Sie sehen die zahmen Affen, die beiden Bramanen, die kleinen Mädchen ...

Goll

Bleiben Sie mir nur um Gottes Willen mit den kleinen Mädchen vom Halse!

Lulu

Reservieren Sie uns eine Proszeniumsloge auf Montag, Herr Alwa!

Alwa

Wie konnten gnädige Frau daran zweifeln.

Goll

Wenn ich zurückkomme, hat mir der Höllenbreugel das ganze Bild verpatzt!

Alwa

Das wäre doch kein Unglück. Das läßt sich übermalen.

Goll

Wenn man dem Caravacci nicht jeden Pinselstrich expliziert ...

Schön

Ich halte Ihre Befürchtungen übrigens für unbegründet.

Goll

Das nächste Mal, meine Herren!

Alwa

Die Bramanen werden ungeduldig! Die Töchter Nirvanas schlottern in ihren Trikots!

Goll

Verdammte Klexerei!!

Schön

Man wird uns auszanken, daß wir Sie nicht mitbringen.

Goll

In fünf Minuten bin ich zurück. (Stellt sich links vorn hinter Schwarz und vergleicht das Bild mit Lulu.)

Alwa (zu Lulu)

Mich ruft leider die Pflicht, gnädige Frau.

Goll (zu Schwarz)

Sie müssen hier ein wenig mehr modellieren. Das Haar ist schlecht. Sie sind nicht genug bei der Sache ...

Alwa

Kommen Sie.

Goll

Nun nur Hopp! Zu Peters bringen mich keine zehn Pferde.

Schön

(Alwa und Goll folgend)

Wir nehmen meinen Wagen, der unten steht.

Vierter Auftritt

Schwarz. Lulu.

Schwarz

(beugt sich nach links, spuckt aus)

Pack! — Wäre doch das Leben zu Ende! — Der Brotkorb! — Brotkorb und Maulkorb! — Jetzt bäumt sich mein Künstlerstolz. (Nach einem Blick auf Lulu) Diese Gesellschaft! — (Erhebt sich, geht nach rechts hinten, betrachtet Lulu von allen Seiten, setzt sich wieder an die Staffelei) Die Wahl würde einem schwer. — — Wenn ich Frau Obermedizinalrat ersuchen darf, die rechte Hand etwas höher.

Lulu

(nimmt den Schäferstab so hoch sie reichen kann, für sich)

Wer hätte das für möglich gehalten!

Schwarz

Ich bin wohl recht lächerlich?

Lulu

Er kommt gleich zurück.

Schwarz

Ich kann nicht mehr tun als malen.

Lulu

Da ist er.

Schwarz

(sich erhebend)

Nun?

Lulu

Hören Sie nicht?

Schwarz

Es kommt jemand ...

Lulu

Ich wußte es ja.

Schwarz

Es ist der Hausmeister. Er fegt die Treppe.

Lulu

Gott sei Dank.

Schwarz

Sie begleiten Herrn Obermedizinalrat wohl auf seine Praxis?

Lulu

Das fehlte mir noch!

Schwarz

Weil Sie es nicht gewohnt sind, allein zu sein.

Lulu

Wir haben zu Hause eine Haushälterin.

Schwarz

Die Ihnen Gesellschaft leistet?

Lulu

Sie hat viel Geschmack.

Schwarz

Wofür?

Lulu

Sie zieht mich an.

Schwarz

Sie gehen wohl viel auf Bälle?

Lulu

Nie.

Schwarz

Wozu brauchen Sie denn dann die Toiletten?

Lulu

Zum Tanzen.

Schwarz

Sie tanzen wirklich?

Lulu

Csardas — Samaqueca — Skirtdance ...

Schwarz

Widert Sie denn das nicht an?

Lulu

Sie finden mich häßlich?

Schwarz

Sie verstehen mich nicht. — Wer gibt Ihnen denn den Unterricht?

Lulu

Er.

Schwarz

Wer?

Lulu

Er.

Schwarz

Er?

Lulu

Er spielt Violine. — — —

Schwarz

Man lernt jeden Tag ein neues Stück Welt kennen.

Lulu

Ich habe in Paris gelernt. Ich nahm Stunden bei Eugenie Fougère. Sie hat mich auch ihre Kostüme kopieren lassen.

Schwarz

Wie sind denn die?

Lulu

Grünes Spitzenröckchen bis zum Knie, ganz in Volants, dekolletiert natürlich, sehr dekolletiert und fürchterlich geschnürt. Hellgrüner Unterrock, dann immer heller. Schneeweiße Dessous mit handbreiten Spitzen ...

Schwarz

Ich kann nicht mehr ...

Lulu

Malen Sie doch!

Schwarz

(mit dem Spachtel schabend)

Ist Ihnen denn nicht kalt?

Lulu

Gott bewahre! Nein. Wie kommen Sie auf die Frage? Ist Ihnen denn so kalt?

Schwarz

Heute nicht. Nein.

Lulu

Gottlob kann man atmen!

Schwarz

Wieso ...

Lulu

(atmet tief ein)

Schwarz

Lassen Sie das bitte! — (Springt auf, wirft Pinsel und Palette weg, geht auf und nieder) Der Stiefelputzer hat es wenigstens nur mit ihren Füßen zu tun. Seine Farbe frißt ihm auch nicht ins Geld. Wenn mir morgen das Abendbrot fehlt, fragt mich kein Weltdämchen danach, ob ich mich aufs Austernschlecken verstehe.

Lulu

Ist das ein Unhold!

Schwarz

(nimmt die Arbeit wieder auf)

Was jagt den Kerl auch in diese Probe!

Lulu

Mir wäre es auch lieber, er wäre dageblieben.

Schwarz

Wir sind wirklich die Märtyrer unseres Berufes!

Lulu

Ich wollte Ihnen nicht weh tun.

Schwarz

(zögernd, zu Lulu)

Wenn Sie links — das Beinkleid — ein wenig höher ..

Lulu

Hier?

Schwarz

(tritt zum Podium)

Erlauben Sie ...

Lulu

Was wollen Sie?

Schwarz

Ich zeige es Ihnen.

Lulu

Es geht nicht.

Schwarz

Sie sind nervös ... (Will ihre Hand fassen)

Lulu

(wirft ihm den Schäferstab ins Gesicht)

Lassen Sie mich in Ruhe! (Eilt zur Entreetür) Sie bekommen mich noch lange nicht.

Schwarz

Sie verstehen keinen Scherz.

Lulu

Doch, ich verstehe alles. Lassen Sie mich nur frei. Mit Gewalt erreichen Sie gar nichts bei mir. Gehen Sie an Ihre Arbeit. Sie haben kein Recht mich zu belästigen. (Flüchtet hinter die Ottomane) Setzen Sie sich hinter Ihre Staffelei.

Schwarz

(will um die Ottomane)

Sobald ich Sie für Ihre Launenhaftigkeit bestraft habe.

Lulu (ausweichend)

Dazu müssen Sie mich aber erst haben. Gehen Sie. Sie erwischen mich doch nicht. — In langen Kleidern wäre ich Ihnen längst in die Hände gefallen. — Aber in dem Pierrot!

Schwarz

(sich der Länge nach über die Ottomane werfend)

Habe ich dich!

Lulu

(schlägt ihm das Tigerfell über den Kopf)

Gute Nacht! (Springt über das Podium, klettert auf die Trittleiter) Ich sehe über alle Städte der Erde weg ...

Schwarz

(sich aus der Decke wickelnd)

Dieser Balg!

Lulu

Ich greife in den Himmel und stecke mir die Sterne ins Haar.

Schwarz

(ihr nachkletternd)

Ich schüttle, bis Sie herunterfallen.

Lulu

(höher steigend)

Wenn Sie nicht aufhören, werfe ich die Leiter um. Werden Sie meine Beine loslassen. — Gott schütze Polen! (Bringt die Leiter zu Fall, springt auf das Podium und wirft Schwarz, wie er sich vom Boden aufrafft, die spanische Wand an den Kopf. Nach vorn eilend, an den Staffeleien) Ich habe Ihnen ja gesagt, daß Sie mich nicht bekommen.

Schwarz

(nach vorn kommend)

Lassen Sie uns Frieden schließen. (Will sie umfassen)

Lulu

Bleiben Sie mir vom Leib, oder ... (Sie wirft ihm die Staffelei mit dem Brustbild entgegen, daß beides krachend zu Boden stürzt)

Schwarz

(schreit auf)

Barmherziger Gott!

Lulu

(links hinten)

Das Loch haben Sie selber hineingeschlagen.

Schwarz

Ich bin ruiniert! Zehn Wochen Arbeit, meine Reise, meine Ausstellung. — Jetzt ist nichts mehr zu verlieren. (Stürzt ihr nach)

Lulu

(springt über die Ottomane, über die umgestürzte Trittleiter, kommt über das Podium nach vorn)

Ein Graben! — Fallen Sie nicht hinein! (Stapft durch das Brustbild) Sie hat einen neuen Menschen aus ihm gemacht! (Fällt vornüber)

Schwarz

(über die spanische Wand stolpernd)

Ich kenne kein Erbarmen mehr.

Lulu

(im Hintergrund)

Lassen Sie mich jetzt in Ruhe. — Mir wird schwindlich. — — O Gott, o Gott ... (Kommt nach vorn und sinkt auf die Ottomane)

Schwarz

(verriegelt die Tür. Darauf setzt er sich neben sie, ergreift ihre Hand und bedeckt sie mit Küssen, hält inne; man sieht ihm an, daß er einen inneren Kampf kämpft)

Lulu

(schlägt die Augen auf)

Er kann zurückkommen.

Schwarz

Wie ist dir?

Lulu

Als wäre ich ins Wasser gefallen ...

Schwarz

Ich liebe dich.

Lulu

Ich liebte einmal einen Studenten.

Schwarz

Nellie ...

Lulu

Mit vierundzwanzig Schmissen ...

Schwarz

Ich liebe dich, Nellie.

Lulu

Ich heiße nicht Nellie.

Schwarz (küßt sie)

Lulu

Ich heiße Lulu.

Schwarz

Ich würde dich Eva nennen.

Lulu

Wissen Sie, wieviel Uhr es ist?

Schwarz

(nach der Uhr sehend)

Halb elf.

Lulu

(nimmt die Uhr und öffnet das Gehäuse)

Schwarz

Du liebst mich nicht.

Lulu

Doch ... Es ist fünf Minuten nach halb elf.

Schwarz

Gib mir einen Kuß, Eva!

Lulu

(nimmt ihn am Kinn und küßt ihn, wirft die Uhr in die Luft und fängt sie auf)

Sie riechen nach Tabak.

Schwarz

Warum sagst du nicht Du?

Lulu

Es würde unbehaglich.

Schwarz

Du verstellst dich!

Lulu

Sie verstellen sich selber, wie mir scheint. — Ich mich verstellen? Wie kommen Sie nur darauf? — Das hatte ich niemals nötig.

Schwarz

(erhebt sich, fassungslos, sich mit der Hand über die Stirn fahrend)

Allmächtiger! Ich kenne die Welt nicht ...

Lulu (schreit)

Bringen Sie mich nur nicht um!

Schwarz

(sich rasch umwendend)

Du hast noch nie geliebt ...!

Lulu

(sich halb aufrichtend)

Sie haben noch nie geliebt ...!

Goll

(von außen)

Machen Sie auf!

Lulu

(ist aufgesprungen)

Verstecken Sie mich! O Gott, verstecken Sie mich!

Goll

(gegen die Tür polternd)

Machen Sie auf!

Schwarz

(will zur Tür).

Lulu

(hält ihn zurück)

Er schlägt mich tot.

Goll

(gegen die Tür polternd)

Machen Sie auf!

Lulu

(vor Schwarz niedergesunken, umfaßt seine Knie)

Er schlägt mich tot. Er schlägt mich tot.

Schwarz

Stehen Sie auf ... (Die Tür fällt krachend ins Atelier.)

Fünfter Auftritt

Goll. Die Vorigen.

Goll

(mit blutunterlaufenen Augen stürzt mit erhobenem Stock auf Schwarz und Lulu los)

Ihr Hunde! — Ihr ... (keucht, ringt einige Sekunden nach Atem und schlägt vornüber auf die Diele)

Schwarz

(wankt in den Knieen)

Lulu

(hat sich zur Tür geflüchtet) — (Pause.)

Schwarz

(tritt an Goll heran)

Herr — Herr Medi — Herr Medizi — Herr Medizinal — Herr Medizinalrat.

Lulu

(in der Tür)

Bringen Sie doch bitte erst das Atelier in Ordnung.

Schwarz

Herr Obermedizinalrat. (Beugt sich nieder) Herr ... (Tritt zurück) Er hat sich die Stirne geritzt. Helfen Sie mir, ihn auf die Ottomane legen.

Lulu

(bebt scheu zurück)

Nein, nein ...

Schwarz

(sucht ihn umzukehren)

Herr Medizinalrat.

Lulu

Er hört nicht.

Schwarz

Helfen Sie mir doch nur.

Lulu

Wir heben ihn zu zweit auch nicht.

Schwarz

(sich emporrichtend)

Man muß zum Arzt schicken.

Lulu

Er ist furchtbar schwer.

Schwarz

(seinen Hut nehmend)

Seien Sie doch bitte so freundlich und richten Sie, bis ich zurück bin, die Stellagen ein wenig zurecht. (Ab)

Sechster Auftritt

Lulu. Goll.

Lulu

Auf einmal springt er auf. — (Eindringlich) Bussi! — — Er läßt sich nichts merken. — (Kommt in weitem Bogen nach vorn) Er sieht mir auf die Füße und beobachtet jeden Schritt, den ich tue. Er hat mich überall im Auge. — (Sie berührt ihn mit der Fußspitze) Bussi! — (Zurückweichend) Es ist ihm ernst. — — Der Tanz ist aus. — — Er läßt mich sitzen. — — Was fang’ ich an? — — (Beugt sich zur Erde) Ein wildfremdes Gesicht! — (Sich aufrichtend) Und niemand, der ihm den letzten Dienst erweist. — Ist das trostlos ...

Siebenter Auftritt

Schwarz. Die Vorigen.

Schwarz

Noch nicht wieder zur Besinnung gekommen?

Lulu

(links vorn)

Was fang’ ich an ...

Schwarz

(über Goll gebeugt)

Herr Medizinalrat.

Lulu

Ich glaube beinah, es ist ihm ernst.

Schwarz

Reden Sie doch anständig!

Lulu

Er würde mir das nicht sagen. Er läßt sich von mir vortanzen, wenn er sich nicht wohl fühlt.

Schwarz

Der Arzt muß im Augenblick hier sein.

Lulu

Arznei hilft ihm nicht.

Schwarz

Aber man tut doch in solchem Falle, was man kann.

Lulu

Er glaubt nicht daran.

Schwarz

Wollen Sie sich denn nicht wenigstens umziehen?

Lulu

Ja. — Gleich.

Schwarz

Worauf warten Sie denn noch?

Lulu

Ich bitte Sie ...

Schwarz

Was denn ...?

Lulu

Schließen Sie ihm die Augen.

Schwarz

Sie sind entsetzlich.

Lulu

Noch lange nicht so entsetzlich wie Sie!

Schwarz

Wie ich?

Lulu

Sie sind eine Verbrechernatur.

Schwarz

Rührt Sie denn dieser Moment gar nicht?

Lulu

Mich trifft es auch mal.

Schwarz

Ich bitte Sie, jetzt schweigen Sie endlich mal!

Lulu

Sie trifft es auch mal.

Schwarz

Das brauchten Sie Einem in einem solchen Augenblick wirklich nicht noch zu sagen.

Lulu

Ich bitte Sie ...

Schwarz

Tun Sie was Ihnen nötig scheint. Ich kenne das nicht.

Lulu

(rechts von Goll)

Er sieht mich an.

Schwarz

(links von Goll)

Mich auch ...

Lulu

Sie sind ein Feigling!

Schwarz

(schließt Goll mit dem Taschentuch die Augen)

Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich dazu verurteilt bin.

Lulu

Haben Sie es denn Ihrer Mutter nicht getan?

Schwarz (nervös)

Nein.

Lulu

Sie waren wohl auswärts?

Schwarz

Nein!

Lulu

Oder Sie fürchteten sich?

Schwarz (heftig)

Nein.

Lulu

(bebt zurück)

Ich wollte Sie nicht beleidigen.

Schwarz

— Sie lebt noch.

Lulu

Dann haben Sie doch noch Jemanden.

Schwarz

Sie ist bettelarm.

Lulu

Das kenne ich.

Schwarz

Spotten Sie meiner nicht!

Lulu

Jetzt bin ich reich ...

Schwarz

Es ist grauenerregend. (Geht nach links) Was kann sie dafür!

Lulu (für sich)

Was fang’ ich an.

Schwarz (für sich)

Vollkommen verwildert!

(Schwarz links, Lulu rechts, sehen einander mißtrauisch an)

Schwarz

(geht auf sie zu, ergreift ihre Hand)

Sieh mir ins Auge!

Lulu (ängstlich)

Was wollen Sie ...

Schwarz

(führt sie zur Ottomane, nötigt sie neben ihm Platz zu nehmen)

Sieh mir in die Augen!

Lulu

Ich sehe mich als Pierrot darin.

Schwarz

(stößt sie von sich)

Verwünschte Tanzerei!

Lulu

Ich muß mich umziehen ...

Schwarz

(hält sie zurück)

Eine Frage ...

Lulu

Ich darf ja nicht antworten.

Schwarz

(wieder an der Ottomane)

Kannst du die Wahrheit sagen?

Lulu

Ich weiß es nicht.

Schwarz

Glaubst du an einen Schöpfer?

Lulu

Ich weiß es nicht.

Schwarz

Kannst du bei etwas schwören?

Lulu

Ich weiß es nicht. Lassen Sie mich! Sie sind verrückt!

Schwarz

Woran glaubst du denn?

Lulu

Ich weiß es nicht.

Schwarz

Hast du denn keine Seele?

Lulu

Ich weiß es nicht.

Schwarz

Hast du schon einmal geliebt —?

Lulu

Ich weiß es nicht.

Schwarz

(erhebt sich, geht nach links, für sich)

Sie weiß es nicht!

Lulu

(ohne sich zu rühren)

Ich weiß es nicht.

Schwarz

(mit einem Blick auf Goll)

Er weiß es ...

Lulu

(sich ihm nähernd)

Was wollen Sie wissen?

Schwarz (empört)

Geh, zieh dich an!

Lulu

(geht ins Schlafkabinett)

Achter Auftritt

Schwarz. Goll.

Schwarz

Ich möchte tauschen mit dir, du Toter! Ich gebe sie dir zurück. Ich gebe dir meine Jugend dazu. Mir fehlt der Mut und der Glaube. Ich habe mich zu lange gedulden müssen. Es ist zu spät für mich. Ich bin dem Glück nicht gewachsen. Ich habe eine höllische Angst davor. Wach auf. Ich habe sie nicht angerührt. Er öffnet den Mund. — Mund auf und Augen zu, wie die Kinder. Bei mir ist es umgekehrt. Wach auf! Wach auf! (Kniet nieder und bindet ihm sein Taschentuch um den Kopf) Hier flehe ich zum Himmel, er möge mich befähigen, glücklich zu sein. Er möge mir die Kraft geben und die seelische Freiheit, nur ein klein wenig glücklich zu sein. Um ihretwillen, einzig um ihretwillen.

Neunter Auftritt

Lulu. Die Vorigen.

Lulu

(tritt aus dem Schlafkabinett, vollständig angekleidet, den Hut auf, die rechte Hand unter der linken Achsel; zu Schwarz, den linken Arm hebend)

Würden Sie mich hier zuhaken. Meine Hand zittert.

Zweiter Aufzug

(Sehr eleganter Salon. Rechts hinten Entreetür. Vorne rechts und links Portieren. Zu der links führen einige Stufen hinan. An der Hinterwand über dem Kamin in prachtvollem Brokatrahmen Lulus Bild als Pierrot. Links ein hoher Spiegel. Davor eine Chaiselongue. Rechts ein Schreibtisch in Ebenholz. In der Mitte einige Sessel um ein chinesisches Tischchen.)

Erster Auftritt

Lulu. Schwarz. Dann Henriette.

Lulu

(in grünseidenem Morgenkleid steht regungslos vor dem Spiegel, runzelt die Stirn, fährt mit der Hand darüber, befühlt ihre Wangen, trennt sich vom Spiegel mit einem mißmutigen, halb zornigen Blick, geht nach rechts, sich mehrmals umwendend, öffnet auf dem Schreibtisch eine Schatulle, zündet sich eine Zigarette an, sucht unter den Büchern, die auf dem Tisch liegen, nimmt eines zur Hand, legt sich auf die Chaiselongue, dem Spiegel gegenüber, läßt, nachdem sie einen Moment gelesen, das Buch sinken, nickt sich ernsthaft zu, nimmt die Lektüre wieder auf.)

Schwarz

(Pinsel und Palette in der Hand, tritt von rechts ein, beugt sich über Lulu, küßt sie auf die Stirn, geht nach links die Stufen hinan, wendet sich in der Portiere um)

Eva!

Lulu (lächelnd)

Befehlen?

Schwarz

Ich finde, du siehst heute außerordentlich reizend aus.

Lulu

(mit einem Blick in den Spiegel)

Es kommt auf die Ansprüche an.

Schwarz

Dein Haar atmet eine Morgenfrische ...

Lulu

Ich komme aus dem Wasser.

Schwarz

(sich ihr nähernd)

Ich habe heute furchtbar zu tun.

Lulu

Das redest du dir ein.

Schwarz

(legt Pinsel und Palette auf den Teppich und setzt sich auf den Rand der Chaiselongue)

Was liest du denn da?

Lulu (liest)

Plötzlich hörte sie einen Rettungsanker die Treppe heraufwinken.

Schwarz

Wer in aller Welt schreibt denn so ergreifend?

Lulu (liest)

Es war der Geldbriefträger.

Henriette

(durch die Entree, eine Hutschachtel am Arm, setzt eine Tablette mit Briefen auf den Tisch)

Die Post. — Ich gehe der Putzmacherin den Hut bringen. Haben gnädige Frau noch etwas zu befehlen?

Lulu

Nichts.

Schwarz

(winkt ihr, sich zu entfernen)

Henriette

(verschmitzt lächelnd ab)

Schwarz

Was hast du vergangene Nacht denn alles geträumt?

Lulu

Das hast du mich heute doch schon zweimal gefragt.

Schwarz

(erhebt sich, nimmt die Briefe von der Tablette)

Ich zittere vor Neuigkeiten. Ich fürchte jeden Tag, die Welt könnte untergehen. (Zur Chaiselongue zurückgekehrt, Lulu einen Brief gebend) An dich.

Lulu

(führt das Billet zur Nase)

Die Corticelli. (Birgt es in ihrem Busen)

Schwarz

(einen Brief durchfliegend)

Meine Samaquecatänzerin verkauft — für 50000 Mark!

Lulu

Wer schreibt denn das?

Schwarz

Sedelmeier in Paris. Das ist das dritte Bild seit unserer Verheiratung. Ich weiß mich vor meinem Glück kaum zu retten.

Lulu

(auf die Briefe deutend)

Da kommt noch mehr.

Schwarz

(eine Verlobungsanzeige öffnend)

Sieh da! (Gibt sie Lulu.)

Lulu (liest)

Herr Regierungsrat Heinrich Ritter von Zarnikow beehrt sich, Ihnen von der Verlobung seiner Tochter Charlotte Marie Adelaide mit Herrn Dr. Ludwig Schön ergebenste Mitteilung zu machen.

Schwarz

(einen anderen Brief öffnend)

Endlich! Es ist ja eine Ewigkeit, daß er darauf lossteuert, sich vor der Welt zu verloben. Ich begreife nicht, ein Gewaltmensch von seinem Einfluß. Was steht denn seiner Heirat eigentlich im Wege!!

Lulu

Was ist das, was du da liest?

Schwarz

Eine Einladung, mich an der internationalen Ausstellung in Petersburg zu beteiligen. — Ich weiß gar nicht, was ich malen soll.

Lulu

Irgend ein entzückendes Mädchen natürlich.

Schwarz

Wenn du mir dazu Modell stehen willst?

Lulu

Es gibt doch, weiß Gott, auch andere hübsche Mädchen genug.

Schwarz

Ich gelange aber einem andern Modell gegenüber, und wenn es pikant wie die Hölle ist, nicht zu dieser vollen Ausbeutung meines Könnens.

Lulu

Dann muß ich ja wohl. — Ginge es denn nicht vielleicht auch liegend?

Schwarz

Am liebsten möchte ich das Arrangement wirklich deinem Geschmack überlassen. (Die Briefe zusammenfaltend) Daß wir nicht vergessen, Schön jedenfalls heute noch zu gratulieren. (Geht nach rechts und schließt die Briefe in den Schreibtisch)

Lulu

Das haben wir doch längst getan.

Schwarz

Seiner Braut wegen.

Lulu

Du kannst es ihm ja noch einmal schreiben.

Schwarz

Und jetzt zur Arbeit. (Nimmt Pinsel und Palette auf, küßt Lulu, geht links die Stufen hinan, wendet sich in der Portiere um) Eva!

Lulu

(läßt ihr Buch sinken, lächelnd)

Befehlen?

Schwarz

(sich ihr nähernd)

Mir ist täglich, als sähe ich dich zum allererstenmal.

Lulu

Du bist schrecklich.

Schwarz

(sinkt vor der Chaiselongue in die Knie, liebkost ihre Hand)

Du trägst die Schuld.

Lulu

(ihm die Locken streichelnd)

Du vergeudest mich.

Schwarz

Du bist ja mein. Du bist auch nie bestrickender, als wenn du nur um Gottes willen einmal ein paar Stunden recht häßlich sein solltest! Ich habe nichts mehr, seit ich dich habe. — Ich bin mir vollständig abhanden gekommen ...

Lulu

Nicht so aufgeregt!

(Es läutet auf dem Korridor)

Schwarz (zusammenfahrend)

Verwünscht.

Lulu

Niemand zu Hause!

Schwarz

Vielleicht ist es der Kunsthändler ...

Lulu

Und wenn es der Kaiser von China ist.

Schwarz

Einen Moment. (Ab)

Lulu (visionär)

— Du? — du? — (Schließt die Augen)

Schwarz (zurückkommend)

Ein Bettler, der den Feldzug mitgemacht haben will. Ich habe kein klein Geld bei mir. (Pinsel und Palette aufnehmend) Es ist auch die höchste Zeit, daß ich endlich an die Arbeit gehe. (Nach links ab)

Lulu

(ordnet vor dem Spiegel ihre Toilette, streicht sich das Haar zurück und geht hinaus)

Zweiter Auftritt

Lulu. Schigolch.

Schigolch

(von Lulu hereingeführt)

Ich hatte ihn mir etwas chevaleresker gedacht; ein wenig mehr Nimbus. Er ist etwas verlegen. Er brach ein wenig in die Knie, als er mich vor sich sah.

Lulu

(rückt ihm einen Sessel zurecht)

Wie kannst du ihn auch anbetteln?

Schigolch

Deswegen habe ich meine siebenundsiebzig Lenze nämlich hergeschleppt. Du sagtest mir, er halte sich morgens an seine Malerei.

Lulu

Er hatte noch nicht ausgeschlafen. Wieviel brauchst du?

Schigolch

Zweihundert, wenn du so viel flüssig hast; meinetwegen dreihundert. Es sind mir einige Klienten verduftet.

Lulu

(geht an den Schreibtisch und kramt in den Schubladen)

Bin ich müde!

Schigolch

(sich umsehend)

Das hat mich nämlich auch bewogen. Ich hätte lange gerne gesehen, wie es jetzt so bei dir zu Hause aussieht.

Lulu

Nun?

Schigolch

Es überläuft einen. (Emporblickend) Wie bei mir vor fünfzig Jahren. Statt der Bummelagen hatte man damals noch alte verrostete Säbel. Den Teufel noch mal, du hast es weit gebracht. (Scharrend) Die Teppiche ...

Lulu

(gibt ihm zwei Billets)

Ich gehe am liebsten barfuß darauf.

Schigolch

(Lulus Porträt betrachtend)

Das bist du?

Lulu (zwinkernd)

Fein?

Schigolch

Wenn das alles Gutes ist.

Lulu

Einen Süßen?

Schigolch

Was denn?

Lulu

(erhebt sich)

Elixir de Spaa.

Schigolch

Hilft nichts! — Trinkt er?

Lulu

(nimmt aus einem Schränkchen neben dem Kamin Karaffe und Gläser)

Noch nicht. (Nach vorn kommend) Das Labsal wirkt so verschieden!

Schigolch

Er schlägt aus?

Lulu

(zwei Gläser füllend)

Er schläft ein.

Schigolch

Wenn er betrunken ist, kannst du ihm in die Eingeweide sehen.

Lulu

Lieber nicht. (Setzt sich Schigolch gegenüber) Erzähl’ mir.

Schigolch

Die Straßen werden immer länger, und die Beine immer kürzer.

Lulu

Und deine Harmonika?

Schigolch

Hat falsche Luft, wie ich mit meinem Asthma. Ich denke nur immer, das Ausbessern ist nicht mehr der Mühe wert. (Stößt mit ihr an)

Lulu

(leerte ihr Glas)

Ich glaubte schon, du wärest am Ende ...

Schigolch

... am Ende schon auf und davon? — Das glaubte ich auch schon. Aber wenn so erst die Sonne hinunter ist, dann läßt es einen doch noch nicht ruhen. Ich hoffe auf den Winter. Da wird (hustend) mein — mein — mein Asthma wohl eine Fahrgelegenheit ausfindig zu machen wissen.

Lulu

(die Gläser füllend)

Du meinst, man könnte dich drüben vergessen haben?

Schigolch

Wär schon möglich, weil es ja nicht der Reihe nach geht. (Ihr das Knie streichelnd) Nun erzähl’ du mal — lange nicht gesehen — meine kleine Lulu.

Lulu

(zurückrückend, lächelnd)

Das Leben ist doch unfaßlich!

Schigolch

Was weißt du! Du bist noch so jung.

Lulu

Daß du mich Lulu nennst.

Schigolch

Lulu, nicht? Habe ich dich jemals anders genannt?

Lulu

Ich heiße seit Menschengedenken nicht mehr Lulu.

Schigolch

Eine andere Benennungsweise?

Lulu

Lulu klingt mir ganz vorsündflutlich.

Schigolch

Kinder! Kinder!

Lulu

Ich heiße jetzt ...

Schigolch

Als bliebe das Prinzip nicht immer das gleiche!

Lulu

Du meinst?

Schigolch

Wie heißt es jetzt?

Lulu

Eva.

Schigolch

Gehupft wie gesprungen!

Lulu

Ich höre darauf.

Schigolch

(sieht sich um)

So habe ich es für dich geträumt. Du bist darauf angelegt. Was soll denn das?

Lulu

(sich mit einem Parfümflacon besprengend)

Heliotrop.

Schigolch

Riecht das besser als du?

Lulu

(ihn besprengend)

Das braucht dich wohl nicht mehr zu kümmern.

Schigolch

Wer hätte den königlichen Luxus vorausgeahnt!

Lulu

Wenn ich zurückdenke — — Hu!

Schigolch

(ihr das Knie streichelnd)

Wie geht’s dir denn? Treibst du immer noch Französisch?

Lulu

Ich liege und schlafe.

Schigolch

Das ist vornehm. Das sieht immer nach so was aus. Und weiter?

Lulu

Und strecke mich — bis es knackt.

Schigolch

Und wenn es geknackt hat?

Lulu

Was interessiert dich das!

Schigolch

Was mich das interessiert? Was mich das interessiert? Ich wollte lieber bis zur jüngsten Posaune leben und auf alle himmlischen Freuden Verzicht leisten, als meine Lulu hienieden in Entbehrung zurücklassen. Was mich das interessiert? Es ist mein Mitgefühl. Ich bin ja mit meinem besseren Ich schon verklärt. Aber ich habe noch das Verständnis für diese Welt.

Lulu

Ich nicht.

Schigolch

Dir ist zu wohl.

Lulu (schaudernd)

Blödsinnig ...

Schigolch

Wohler als bei dem alten Tanzbär?

Lulu (wehmütig)

Ich tanze nicht mehr ...

Schigolch

Für den war es auch Zeit.

Lulu

Jetzt bin ich ... (Stockt)

Schigolch

Sprich, wie es dir ums Herz ist, mein Kind! Ich hatte Vertrauen in dich, als noch nichts an dir zu sehen war als deine zwei großen Augen. Was bist du jetzt?

Lulu

Ein Tier ...

Schigolch

Daß dich der! — Und was für ein Tier! — Ein feines Tier! — Ein elegantes Tier — Ein Prachtstier! — — — Dann will ich mich man beisetzen lassen. — Mit den Vorurteilen sind wir fertig. Auch mit dem gegen die Leichenwäscherin.

Lulu

Du hast nicht zu fürchten, daß du noch mal gewaschen wirst!

Schigolch

Macht auch nichts. Man wird doch wieder schmutzig.

Lulu

(ihn besprengend)

Es würde dich noch mal ins Leben zurückrufen.

Schigolch

Wir sind Moder.

Lulu

Bitte recht schön! Ich reibe mich täglich mit Kammfett ein und dann kommt Puder darauf.

Schigolch

Auch wohl der Mühe wert, der Zierbengel wegen.

Lulu

Das macht die Haut wie Satin.

Schigolch

Als wäre es deswegen nicht auch nur Dreck.

Lulu

Danke schön. Ich will zum Anbeißen sein.

Schigolch

Sind wir auch. Geben da unten nächstens ein großes Diner. Halten offene Tafel.

Lulu

Deine Gäste werden sich dabei kaum überessen.

Schigolch

Geduld, Mädchen! Dich setzen deine Verehrer auch nicht in Weingeist. Das heißt schöne Melusine, solang es seine Schwungkraft behält. Nachher? Man nimmt’s im zoologischen Garten nicht. (Sich erhebend) Die holden Bestien bekämen Magenkrämpfe.

Lulu

(sich erhebend)

Hast du auch genug?

Schigolch

Es bleibt noch genug übrig, um mir eine Terebinthe aufs Grab zu pflanzen. — Ich finde selber hinaus. (Ab)

Lulu

(begleitet ihn und kommt mit Dr. Schön zurück)

Dritter Auftritt

Lulu. Schön.

Schön

Was tut denn Ihr Vater hier?

Lulu

Was haben Sie?

Schön

Wenn ich Ihr Mann wäre, käme mir dieser Mensch nicht über die Schwelle.

Lulu

Sie können getrost Du sagen; er ist nicht hier.

Schön

Ich danke für die Ehre.

Lulu

Ich verstehe nicht.

Schön

Das weiß ich. (Ihr einen Sessel bietend) Darüber möchte ich nämlich gerne mit Ihnen sprechen.

Lulu

(sich unsicher setzend)

Warum haben Sie mir denn das nicht gestern gesagt?

Schön

Bitte, jetzt nichts von gestern. Ich habe es Ihnen vor zwei Jahren schon gesagt.

Lulu (nervös)

Ach so. Hm.

Schön

Ich bitte dich, deine Besuche bei mir einzustellen.

Lulu

Darf ich Ihnen ein Elixir ...

Schön

Danke. Kein Elixir. Haben Sie mich verstanden?

Lulu

(schüttelt den Kopf)

Schön

Gut. Sie haben die Wahl. — Sie zwingen mich zu den äußersten Mitteln — entweder sich Ihrer Stellung angemessen zu benehmen ...

Lulu

Oder?

Schön

Oder — Sie zwingen mich — ich müßte mich an diejenige Persönlichkeit wenden, die für Ihre Aufführung verantwortlich ist.

Lulu

Wie stellen Sie sich das vor?

Schön

Ich ersuche Ihren Mann, Ihre Wege selber zu überwachen.

Lulu

(erhebt sich, geht links die Stufen hinan)

Schön

Wo wollen Sie denn hin?

Lulu

(ruft unter der Portiere)

Walter!

Schön (aufspringend)

Bist du verrückt?!

Lulu

(sich zurückwendend)

Aha!

Schön

Ich mache die übermenschlichsten Anstrengungen, um dich in der Gesellschaft zu erhöhen. Auf deinen Namen kannst du zehnmal stolzer sein, als auf meine Vertraulichkeit ...

Lulu

(kommt die Stufen herunter, legt Schön den Arm um den Hals)

Was fürchten Sie denn jetzt noch, wo Sie am Ziel Ihrer Wünsche sind?

Schön

Keine Komödie! Am Ziel meiner Wünsche? Ich habe mich verlobt, endlich! Ich habe jetzt den Wunsch, meine Braut unter ein reines Dach zu führen.

Lulu

(sich setzend)

Sie ist zum Entzücken aufgeblüht in den zwei Jahren.

Schön

Sie sieht einem nicht mehr so ernsthaft durch den Kopf.

Lulu

Sie ist jetzt erst ganz Weib. Wir können einander treffen, wo es Ihnen angemessen scheint.

Schön

Wir werden einander nirgends treffen, es sei denn in Gesellschaft Ihres Mannes!

Lulu

Sie glauben selber nicht an das, was Sie sagen.

Schön

Dann muß doch Er daran glauben. Ruf’ ihn nur! Durch seine Verheiratung mit dir, durch das, was ich für ihn getan, ist er mein Freund geworden.

Lulu

(sich erhebend)

Meiner auch.

Schön

Dann werde ich mir das Schwert über dem Kopf herunterschneiden.

Lulu

Sie haben mich ja an die Kette gelegt. Ihnen verdanke ich doch mein Glück. Sie bekommen Freunde die Menge, wenn Sie erst wieder eine hübsche junge Frau haben.

Schön

Du beurteilst die Frauen nach dir! — Er ist ein Kindergemüt. Er wäre deinen Seitensprüngen sonst längst auf die Spur gekommen.

Lulu

Ich wünsche nicht mehr! Er würde seine Kinderschuhe dann endlich ausziehen. Er pocht darauf, daß er den Heiratskontrakt in der Tasche hat. Die Mühe ist überstanden. Jetzt kann man sich geben und sich gehen lassen, wie zu Hause. Er ist kein Kindergemüt! Er ist banal. Er hat keine Erziehung. Er sieht nichts. Er sieht mich nicht und sich nicht. Er ist blind, blind, blind ...

Schön

(halb für sich)

Wenn dem die Augen aufgehen!!

Lulu

Öffnen Sie ihm die Augen! Ich verkomme. Ich vernachlässige mich. Er kennt mich gar nicht. Was bin ich ihm. Er nennt mich Schätzchen und kleines Teufelchen. Er würde jeder Klavierlehrerin das gleiche sagen. Er erhebt keine Pretensionen. Alles ist ihm recht. Das kommt, weil er nie in seinem Leben das Bedürfnis gefühlt hat, mit Frauen zu verkehren.

Schön

Ob das wahr ist!

Lulu

Er gesteht es ja ganz offen ein.

Schön

Jemand, der seit seinem vierzehnten Jahr Kreti und Pleti porträtiert.

Lulu

Er hat Angst vor Frauen. Er bebt für sein Wohlbefinden. — Mich fürchtet er nicht!

Schön

Wie manches Mädchen würde sich in deinem Fall Gott weiß wie selig preisen.

Lulu

(zärtlich bittend)

Verführen Sie ihn. Sie verstehen sich darauf. Bringen Sie ihn in schlechte Gesellschaft. Sie haben die Bekanntschaften. Ich bin ihm nichts als Weib und wieder Weib. Ich fühle mich so blamiert. Er wird stolzer auf mich sein. Er kennt keine Unterschiede. Ich denke mir das Hirn aus, Tag und Nacht, um ihn aufzurütteln. In meiner Verzweiflung tanze ich Cancan. Er gähnt und faselt etwas von Obscönität.

Schön

Unsinn. Er ist doch Künstler.

Lulu

Er glaubt es wenigstens zu sein.

Schön

Das ist schon die Hauptsache!

Lulu

Wenn ich mich als Modell hinstelle. Er glaubt auch, er sei ein berühmter Mann.

Schön

Dazu haben wir ihn auch gemacht!

Lulu

Er glaubt alles! Er ist mißtrauisch, wie ein Dieb und läßt sich anlügen, daß man jeden Respekt verliert. Als wir uns kennen lernten, machte ich ihm weis, ich hätte noch nie geliebt ...

Schön

(fällt in einen Lehnsessel)

Lulu

Er hätte mich ja sonst für ein verworfenes Geschöpf gehalten!

Schön

— Du stellst weiß Gott was für exorbitante Anforderungen an legitime Verhältnisse!

Lulu

Ich stelle keine exorbitanten Anforderungen. Oft träumt mir sogar noch von Goll.

Schön

Der war allerdings nicht banal.

Lulu

Er ist da, als wär’ er nie fortgewesen. Nur geht er wie auf Socken. Er ist mir nicht böse. Er ist furchtbar traurig. Und dann ist er furchtsam, als wäre er ohne polizeiliche Erlaubnis da. Sonst fühlt er sich behaglich mit uns. Nur kommt er nicht darüber hinweg, daß ich seither so viel Geld zum Fenster hinausgeworfen habe ...

Schön

Du sehnst dich nach der Peitsche zurück!

Lulu

Mag sein. Ich tanze nicht mehr.

Schön

Erzieh’ ihn dir dazu.

Lulu

Das wäre verlorne Müh’!

Schön

Unter hundert Frauen sind neunzig, die sich ihre Männer erziehen.

Lulu

Er liebt mich.

Schön

Das ist freilich fatal.

Lulu

Er liebt mich ...

Schön

Das ist eine unüberbrückbare Kluft.

Lulu

Er kennt mich nicht, aber er liebt mich! Hätte er nur eine annähernd richtige Vorstellung von mir, er würde mir einen Stein an den Hals binden und mich im Meer versenken, wo es am tiefsten ist!

Schön (sich erhebend)

Kommen wir zu Ende!

Lulu

Wie Ihnen beliebt.

Schön

Ich habe dich verheiratet. Ich habe dich zweimal verheiratet. Du lebst im Luxus. Ich habe deinem Mann eine Position geschaffen. Wenn dir das nicht genügt und er sich dazu ins Fäustchen lacht, ich trage mich nicht mit idealen Forderungen, aber — laß mich dabei aus dem Spiel!

Lulu

(mit entschlossenem Ton)

Wenn ich einem Menschen auf dieser Welt angehöre, gehöre ich Ihnen. Ohne Sie wäre ich — ich will nicht sagen wo. Sie haben mich bei der Hand genommen, mir zu essen gegeben, mich kleiden lassen, als ich Ihnen die Uhr stehlen wollte. Glauben Sie, das vergißt sich? Jeder andere hätte den Schutzmann gerufen. Sie haben mich zur Schule geschickt und mich Lebensart lernen lassen. Wer außer Ihnen auf der ganzen Welt hat je etwas für mich übrig gehabt? Ich habe getanzt und Modell gestanden und war froh, meinen Lebensunterhalt damit verdienen zu können. Aber auf Kommando lieben, das kann ich nicht!

Schön

(die Stimme hebend)

Laß mich aus dem Spiel! Tu’ was du willst. Ich komme nicht, um Skandal zu machen. Ich komme, um mir den Skandal vom Halse zu schaffen. Meine Verbindung kostet mich Opfer genug! Ich hatte vorausgesetzt, mit einem gesunden jungen Mann, wie ihn sich eine Frau in deinem Alter nicht besser wünschen kann, würdest du dich endlich zufrieden geben. Wenn du mir verpflichtet bist, dann wirf dich mir nicht zum drittenmal in den Weg! Soll ich denn noch länger warten, bis ich mein Teil in Sicherheit bringe? Soll ich riskieren, daß mir der ganze Erfolg meiner Konzessionen nach zwei Jahren wieder ins Wasser fällt? Was hilft mir dein Verheiratetsein, wenn man dich zu jeder Stunde des Tages bei mir ein- und ausgehen sieht? — Warum zum Teufel ist Dr. Goll nicht auch wenigstens ein Jahr noch am Leben geblieben! Bei dem warst du in Verwahrung. Dann hätte ich meine Frau längst unter Dach!

Lulu

Was hätten Sie dann! Das Kind fällt Ihnen auf die Nerven. Das Kind ist zu unverdorben für Sie. Das Kind ist viel zu sorgfältig erzogen. Was sollte ich gegen Ihre Verheiratung haben! Aber Sie täuschen sich über sich selber, wenn Sie glauben, mir Ihrer bevorstehenden Verheiratung wegen Ihre Verachtung zum Ausdruck geben zu dürfen!

Schön

Verachtung?! — Ich werde dem Kind schon die richtige Façon geben! Wenn etwas verachtenswert ist, so sind es deine Intriguen!

Lulu (lachend)

Bin ich auf das Kind eifersüchtig? — Das kann mir doch gar nicht einfallen ...

Schön

Wieso denn das Kind! Das Kind ist nicht einmal ein ganzes Jahr jünger als du. Laß mir meine Freiheit, zu leben, was ich noch zu leben habe! Sei das Kind erzogen, wie es will, das Kind hat gerade so wie du seine fünf Sinne ...

Vierter Auftritt

Schwarz. Die Vorigen

Schwarz

(einen Pinsel in der Hand, links unter der Portiere)

Was ist denn los?

Lulu (zu Schön)

Nun? Reden Sie doch.

Schwarz

Was habt ihr denn?

Lulu

Nichts was dich betrifft ...

Schön (rasch)

Ruhig!

Lulu

Man hat mich satt.

Schwarz

(führt Lulu nach links ab)

Schön

(blättert in einem der Bücher, die auf dem Tisch liegen)

Es mußte zur Sprache kommen. — — Ich muß endlich die Hände frei haben.

Schwarz (zurückkommend)

Ist denn das eine Art zu scherzen?

Schön

(auf einen Sessel deutend)

Bitte.

Schwarz

Was ist denn?

Schön

Bitte.

Schwarz (sich setzend)

Nun?

Schön (sich setzend)

Du hast eine halbe Million geheiratet ...

Schwarz

Ist sie weg?

Schön

Nicht ein Pfennig.

Schwarz

Erklär’ mir den eigentümlichen Auftritt.

Schön

Du hast eine halbe Million geheiratet ...

Schwarz

Daraus kann man mir kein Verbrechen machen.

Schön

Du hast dir einen Namen geschaffen. Du kannst unbehelligt arbeiten. Du brauchst dir keinen Wunsch zu versagen ...

Schwarz

Was habt ihr beide denn gegen mich?

Schön

Seit sechs Monaten schwelgst du in allen Himmeln. Du hast eine Frau, um deren Vorzüge die Welt dich beneidet und die einen Mann verdient, den sie achten kann ...

Schwarz

Achtet sie mich nicht?

Schön

Nein.

Schwarz (beklommen)

— Ich komme aus den düstren Tiefen der Gesellschaft. Sie ist von oben her. Ich hege keinen heißeren Wunsch, als ihr ebenbürtig zu werden. (Schön die Hand reichend) Ich danke dir.

Schön

(halb verlegen seine Hand drückend)

Bitte, bitte.

Schwarz

(mit Entschlossenheit)

Sprich!

Schön

Nimm sie etwas mehr unter Aufsicht.

Schwarz

Ich — sie?

Schön

Wir sind keine Kinder! Wir tändeln nicht. Wir leben. — Sie fordert ernst genommen zu werden. Ihr Wert gibt ihr das volle Recht dazu.

Schwarz

Was tut sie denn?

Schön

— Du hast eine halbe Million geheiratet!

Schwarz

(erhebt sich, außer sich)

Sie ...

Schön

(nimmt ihn bei der Schulter)

Nein, das ist der Weg nicht! (Nötigt ihn sich zu setzen) Wir haben hier sehr ernst mit einander zu sprechen.

Schwarz

Was tut sie?!

Schön

Rechne dir erst genau an den Fingern nach, was du ihr zu verdanken hast, und dann ...

Schwarz

Was tut sie — Mensch!!

Schön

Und dann mach’ dich für deine Fehler verantwortlich und nicht sonst jemand.

Schwarz

Mit wem? Mit wem?

Schön

Wenn wir uns schießen sollen ...

Schwarz

Seit wann denn?!

Schön (ausweichend)

— Ich komme nicht hierher, um Skandal zu machen. Ich komme, um dich vor dem Skandal zu retten.

Schwarz (kopfschüttelnd)

— Du hast sie mißverstanden.

Schön (verlegen)

Damit ist mir nicht gedient. Ich kann dich in deiner Blindheit nicht so weiterleben sehen. Das Mädchen verdient eine anständige Frau zu sein. Sie hat sich, seit ich sie kenne, zu ihrem Besseren entwickelt.

Schwarz

Seit du sie kennst? — Seit wann kennst du sie denn?

Schön

Etwa seit ihrem zwölften Jahr.

Schwarz (verwirrt)

Davon hat sie mir nichts gesagt.

Schön

Sie verkaufte Blumen vor dem Alhambra-Café. Sie drückte sich barfuß zwischen den Gästen durch, jeden Abend zwischen zwölf und zwei.

Schwarz

Davon hat sie mir nichts gesagt.

Schön

Daran hat sie recht getan! Ich sage es dir, damit du siehst, daß du es nicht mit moralischer Verworfenheit zu tun hast. Das Mädchen ist im Gegenteil außergewöhnlich gut veranlagt.

Schwarz

Sie sagte, sie sei bei einer Tante aufgewachsen.

Schön

Das war die Frau, der ich sie übergab. Sie war die beste Schülerin. Die Mütter stellten sie ihren Kindern als Vorbild hin. Sie besitzt Pflichtgefühl. Es ist einzig und allein dein Versehen, wenn du bis jetzt versäumt hast, sie bei ihren besten Seiten zu nehmen.

Schwarz (schluchzend)

O Gott ...!

Schön (mit Nachdruck)

Kein o Gott!! An dem Glück, das du gekostet, kann nichts etwas ändern. Geschehen ist geschehen. Du überschätzest dich gegen besseres Wissen, wenn du dir einredest, zu verlieren. Es gilt zu gewinnen. Mit dem „O Gott“ ist nichts gewonnen. Einen größeren Freundschaftsdienst habe ich dir noch nicht erwiesen. Ich spreche offen und biete dir meine Hilfe. Zeig’ dich dessen nicht unwürdig!

Schwarz

(von jetzt an mehr und mehr in sich zusammenbrechend)

Als ich sie kennen lernte, sagte sie mir, sie habe noch nie geliebt.

Schön

Wenn eine Witwe das sagt! Ihr gereicht es zur Ehre, daß sie dich zum Manne gewählt. Stelle die nämliche Anforderung an dich, und dein Glück ist makellos.

Schwarz

Er habe sie kurze Kleider tragen lassen.

Schön

Er hat sie doch geheiratet! — Das war ihr Meisterstreich. Wie sie den Mann dazu gebracht, ist mir unfaßlich. Du mußt es jetzt ja wissen. Du genießt die Früchte ihrer Diplomatie.

Schwarz

Woher kannte Dr. Goll sie denn?

Schön

Durch mich! — Es war nach dem Tode meiner Frau, als ich die ersten Beziehungen zu meiner gegenwärtigen Verlobten anknüpfte. Sie stellte sich dazwischen. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, meine Frau zu werden.

Schwarz

(wie von einer entsetzlichen Ahnung befallen)

Und als ihr Mann dann starb?

Schön

— Du hast eine halbe Million geheiratet!!

Schwarz (jammernd)

Wär’ ich geblieben, wo ich war! Wär’ ich Hungers gestorben!

Schön (mit Überlegenheit)

Glaubst du denn, ich mache keine Zugeständnisse? Wer macht keine Zugeständnisse? Du hast eine halbe Million geheiratet. Du bist heute einer der ersten Künstler. Dazu kommt man nicht ohne Geld. Du bist nicht derjenige, um über sie zu Gericht zu sitzen. Bei einer Herkunft, wie sie Mignon hat, kannst du unmöglich mit den Begriffen der bürgerlichen Gesellschaft rechnen.

Schwarz (ganz wirr)

Von wem sprichst du denn?

Schön

Ich spreche von ihrem Vater. Du bist Künstler, sag’ ich. Deine Ideale liegen auf einem andern Gebiete, als die eines Lohnarbeiters.

Schwarz

Ich verstehe von alledem kein Wort.

Schön

Ich spreche von den menschenunwürdigen Verhältnissen, aus denen sich das Mädchen dank seiner Führung zu dem entwickelt hat, was sie ist!

Schwarz

Wer denn?

Schön

Wer denn? — Deine Frau.

Schwarz

Eva??

Schön

Ich nannte sie Mignon.

Schwarz

Ich meinte, sie hieße Nellie?

Schön

So nannte sie Dr. Goll.

Schwarz

Ich nannte sie Eva ...

Schön

Wie sie eigentlich hieß, weiß ich nicht.

Schwarz (geistesabwesend)

Sie weiß es vielleicht.

Schön

Bei einem Vater, wie sie ihn hat, ist sie ja bei allen Fehlern, das helle Wunder. Ich verstehe dich nicht ...

Schwarz

Er ist im Irrenhause gestorben ...?

Schön

Er war ja eben hier!

Schwarz

Wer war da?

Schön

Ihr Vater.

Schwarz

Hier — bei mir?

Schön

Er drückte sich, als ich kam. Da stehen ja noch die Gläser.

Schwarz

Sie sagt, er sei im Irrenhause gestorben.

Schön (ermutigend)

Laß sie Autorität fühlen! Sie verlangt nicht mehr, als unbedingt Gehorsam leisten zu dürfen. Bei Dr. Goll war sie wie im Himmel, und mit dem war nicht scherzen.

Schwarz (kopfschüttelnd)

Sie sagte, sie habe noch nie geliebt ...

Schön

Aber mach’ mit dir selber den Anfang. Raff’ dich zusammen.

Schwarz

Geschworen hat sie!

Schön

Du kannst kein Pflichtgefühl fordern, bevor du nicht deine eigene Aufgabe kennst.

Schwarz

Bei dem Grabe ihrer Mutter!!

Schön

Sie hat ihre Mutter nie gekannt. Geschweige das Grab. — Ihre Mutter hat gar kein Grab.

Schwarz (verzweifelt)

Ich passe nicht hinein in die Gesellschaft.

Schön

Was hast du?

Schwarz

Einen grauenhaften Schmerz.

Schön

(erhebt sich, tritt zurück, nach einer Pause)

Wahr’ sie dir, weil sie dein ist. — Der Moment ist entscheidend. Sie kann morgen für dich verloren sein.

Schwarz

(auf die Brust deutend)

Hier, hier.

Schön

Du hast eine halbe ... (sich besinnend) Sie ist dir verloren, wenn du den Augenblick versäumst!

Schwarz

Wenn ich weinen könnte! — Oh, wenn ich schreien könnte!

Schön

(legt ihm die Hand auf die Schulter)

Dir ist elend ...

Schwarz

(sich erhebend, anscheinend ruhig)

Du hast recht, ganz recht.

Schön

(seine Hand ergreifend)

Wo willst du hin?

Schwarz

Mit ihr sprechen.

Schön

Recht so. (Begleitet ihn zur Türe rechts)

Fünfter Auftritt

Schön. Gleich darauf Lulu.

Schön (zurückkommend)

Das war ein Stück Arbeit. (Nach einer Pause, nach links sehend) Er hatte sie doch vorher ins Atelier gebracht ..?

(Fürchterliches Stöhnen von rechts)

Schön

(eilt an die Tür rechts, findet sie verschlossen)

Mach’ auf! Mach’ auf!

Lulu

(links aus der Portiere tretend)

Was ist ...

Schön

Mach’ auf!

Lulu

(kommt die Stufen herab)

Das ist grauenvoll.

Schön

Hast du kein Beil in der Küche?

Lulu

Er wird schon aufmachen ...

Schön

Ich mag sie nicht eintreten.

Lulu

Wenn er sich ausgeweint hat.

Schön

(gegen die Tür stampfend)

Mach’ auf! (Zu Lulu) Hol’ mir ein Beil.

Lulu

Zum Arzt schicken ...

Schön

Du bist nicht bei Trost.

Lulu

Das geschieht Ihnen recht.

(Es läutet auf dem Korridor. Schön und Lulu starren einander an.)

Schön

(schleicht nach hinten, bleibt in der Tür stehen)

Ich darf mich jetzt hier nicht sehen lassen.

Lulu

Vielleicht der Kunsthändler. (Es läutet)

Schön

Aber wenn wir nicht antworten ...

Lulu

(schleicht nach der Türe)

Schön

(hält sie auf)

Bleib. Man ist sonst auch nicht immer gleich bei der Hand. (Geht auf den Fußspitzen hinaus)

Lulu

(kehrt zu der verschlossenen Tür zurück und horcht)

Sechster Auftritt

Alwa. Schön. Die Vorigen. Später Henriette

Schön

(Alwa hereinführend)

Sei bitte ruhig.

Alwa (sehr aufgeregt)

In Paris ist Revolution ausgebrochen.

Schön

Sei ruhig.

Alwa (zu Lulu)

Sie sind totenbleich.

Schön

(an der Tür rüttelnd)

Walter! — Walter! (Man hört röcheln)

Lulu

Gott erbarm dich ...

Schön

Hast du kein Beil geholt?

Lulu

Wenn eines da ist ... (Zögernd nach rechts hinten ab)

Alwa

Er mystifiziert uns.

Schön

In Paris ist Revolution ausgebrochen?

Alwa

Auf der Redaktion rennen sie sich den Kopf gegen die Wand. Keiner weiß, was er schreiben soll.

(Es läutet auf dem Korridor)

Schön

(gegen die Tür stampfend)

Walter!

Alwa

Soll ich sie einrennen?

Schön

Das kann ich auch. Wer da noch kommen mag! (Sich emporrichtend) Das freut sich des Lebens und läßt es andere verantworten!

Lulu

(kommt mit einem Küchenbeil zurück)

Henriette ist nach Hause gekommen.

Schön

Schließ’ die Tür hinter dir.

Alwa

Geben Sie her. (Nimmt das Beil und stößt es zwischen Pfosten und Türschloß)

Schön

Du mußt es kräftiger fassen.

Alwa

Es kracht schon. (Die Tür springt aus dem Schloß. Er läßt das Beil fallen und taumelt zurück) — — (Pause)

Lulu

(auf die Tür deutend, zu Schön)

Nach Ihnen.

Schön

(weicht zurück).

Lulu

Ihnen wird — schwindelig ...?

Schön

(wischt sich den Schweiß von der Stirn und tritt ein)

Alwa

(auf der Chaiselongue)

Gräßlich!

Lulu

(sich am Türpfosten haltend, die Finger zum Mund erhoben, schreit jäh auf)

Oh! — Oh! (Eilt zu Alwa) Ich kann nicht hier bleiben.

Alwa

Grauenhaft!

Lulu

(ihn bei der Hand nehmend)

Kommen Sie.

Alwa

Wohin?

Lulu

Ich kann nicht allein sein. (Mit Alwa nach links ab.)

Schön

(kommt von rechts zurück, ein Schlüsselbund in der Hand; die Hand zeigt Blut; zieht die Tür hinter sich zu, geht zum Schreibtisch, schließt auf und schreibt zwei Billets)

Alwa

(von links zurückkommend)

Sie zieht sich um.

Schön

Sie ist fort?

Alwa

Auf ihr Zimmer. Sie zieht sich um.

Schön (klingelt).

Henriette (tritt ein).

Schön

Sie wissen, wo der Doktor Bernstein wohnt.

Henriette

Gewiß, Herr Doktor. Gleich nebenan.

Schön

(ihr ein Billet gebend)

Bringen Sie das hinüber.

Henriette

Im Falle, daß der Herr Doktor nicht zu Hause sind?

Schön

Er ist zu Hause. (Ihr das andere Billet gebend) Und das bringen Sie auf die Polizeidirektion. Nehmen Sie eine Droschke.

Henriette (ab)

Schön

Ich bin gerichtet.

Alwa

Mir erstarrt das Blut.

Schön (nach rechts)

Der Narr!

Alwa

Es ist ihm wohl ein Licht aufgegangen?

Schön

Er hat sich zuviel mit sich selbst beschäftigt.

Lulu

(auf den Stufen links in Staubmantel und Spitzenhut).

Alwa

Wo wollen Sie denn jetzt hin?

Lulu

Hinaus. Ich sehe es an allen Wänden.

Schön

Wo hat er seine Papiere?

Lulu

Im Schreibtisch.

Schön (am Schreibtisch)

Wo?

Lulu

Rechts unten. (Kniet vor dem Schreibtisch nieder, öffnet eine Schublade und leert die Papiere auf den Boden) Hier. Es ist nichts zu fürchten. Er hatte keine Geheimnisse.

Schön

Jetzt kann ich mich von der Welt zurückziehen.

Lulu (knieend)

Schreiben Sie ein Feuilleton. Nennen Sie ihn Michel Angelo.

Schön

Was hilft das — (nach rechts deutend) Da liegt meine Verlobung.

Alwa

Das ist der Fluch deines Spiels!

Schön

Schrei es durch die Straßen!!

Alwa

(auf Lulu deutend)

Hättest du, als meine Mutter starb, an dem Mädchen gehandelt, wie es recht und billig gewesen wäre.

Schön (nach rechts)

Da verblutet meine Verlobung!

Lulu (sich erhebend)

Ich bleibe nicht länger hier.

Schön

In einer Stunde verkauft man die Extrablätter. Ich darf mich nicht über die Straße wagen.

Lulu

Was können Sie denn dafür?

Schön

Deshalb gerade! Mich steinigt man dafür!

Alwa

Du mußt verreisen.

Schön

Um dem Skandal freies Feld zu lassen!

Lulu

(an der Chaiselongue)

Vor zehn Minuten noch lag er hier.

Schön

Das ist der Dank, für das, was ich für ihn getan habe! Wirft mir in einer Sekunde mein ganzes Leben in Trümmer!

Alwa

Mäßige dich, bitte!

Lulu

(auf der Chaiselongue)

Wir sind unter uns.

Alwa

Und wie!

Schön

(zu Lulu)

Was willst du der Polizei sagen?

Lulu

Nichts.

Alwa

Er wollte seinem Geschick nichts schuldig bleiben.

Lulu

Er hatte immer gleich Mordgedanken.

Schön

Er hatte, was sich ein Mensch nur erträumen kann!

Lulu

Er hat es teuer bezahlt.

Alwa

Er hatte, was wir nicht haben!

Schön

(jäh aufbrausend)

Ich kenne deine Gründe. Ich habe nicht Ursache, Rücksicht auf dich zu nehmen! Wenn du alles in Bewegung setzst, um keine Geschwister neben dir zu haben, so ist das für mich ein Grund mehr, mir andere Kinder zu erziehen.

Alwa

Du bist ein schlechter Menschenkenner.

Lulu

Geben Sie doch selber ein Extrablatt aus.

Schön

(im Ton der heftigsten Empörung)

Er hatte kein moralisches Gewissen! (indem er plötzlich seine Fassung wiedergewinnt) Paris revolutioniert —?

Alwa

Unsere Redakteure sind wie vom Schlag getroffen. Alles stockt.

Schön

Das muß mir darüber hinweghelfen! — — Wenn nun nur die Polizei käme. Die Minuten sind nicht mit Gold zu bezahlen.

(Es läutet auf dem Korridor)

Alwa

Da sind sie ...

Schön

(will zur Türe)

Lulu (aufspringend)

Warten Sie, Sie haben Blut.

Schön

Wo ...?

Lulu

Warten Sie, ich wische es weg. (Besprengt ihr Taschentuch mit Heliotrop und wischt Schön das Blut von der Hand)

Schön

Es ist deines Gatten Blut.

Lulu

Es läßt keine Flecken.

Schön

Ungeheuer!

Lulu

Sie heiraten mich ja doch.

(Es läutet auf dem Korridor)

Lulu

Nur Geduld, Kinder.

Schön

(rechts hinten ab)

Siebenter Auftritt

Escherich. Die Vorigen.

Escherich

(von Schön hereingeleitet, atemlos)

Erlauben Sie, daß ich — daß ich mich Ihnen — Ihnen vorstelle ...

Schön

Sie sind gelaufen?

Escherich

(seine Karte überreichend)

Von der Polizeidirektion her. Ein Selbstmord, hör’ ich.

Schön (liest)

Fritz Escherich, Korrespondent der Kleinen Neuigkeiten. — Kommen Sie.

Escherich

Einen Moment. (Nimmt Notizbuch und Bleistift vor, sieht sich im Salon um, schreibt einige Worte, verbeugt sich gegen Lulu, schreibt, wendet sich zu der erbrochenen Tür, schreibt) Ein Küchenbeil ... (Will es aufheben).

Schön

(ihn zurückhaltend)

Bitte.

Escherich (schreibt)

Tür aufgebrochen mit Küchenbeil. (Untersucht das Schloß.)

Schön

(die Hand an der Tür)

Sehen Sie sich vor, mein Lieber.

Escherich

Wenn Sie jetzt die Liebenswürdigkeit haben wollen, die Tür zu öffnen.

Schön

(öffnet die Türe).

Escherich

(läßt Buch und Bleistift fallen, fährt sich in die Haare)

O du barmherziger Himmel noch mal ...!

Schön

Sehen Sie sich alles genau an!

Escherich

Ich kann nicht hinsehen.

Schön

(ihn höhnisch anschnauzend)

Wozu sind Sie denn hergekommen!!

Escherich

Sich mit dem — Ra — Rasiermesser — den Ha — Hals abschneiden ...

Schön

Haben Sie alles gesehen?

Escherich

Das muß ein Gefühl sein!

Schön

(zieht die Tür zu, tritt zum Schreibtisch)

Setzen Sie sich. Hier ist Papier und Feder. Schreiben Sie.

Escherich

(der mechanisch Platz genommen)

Ich kann nicht schreiben ...

Schön

(hinter seinem Stuhl stehend)

Schreiben Sie! — Verfolgungswahn ...

Escherich (schreibt)

Ver—fol—gungs—wahn.

(Es läutet auf dem Korridor)

Dritter Aufzug

Garderobe im Theater, mit rotem Tuch ausgeschlagen. Links hinten die Tür. Rechts hinten eine spanische Wand. In der Mitte, mit der Schmalseite gegen den Zuschauer, ein langer Tisch, auf dem Tanzkostüme liegen. Rechts und links vom Tisch je ein Sessel. Links vorn Tischchen mit Sessel. Rechts vorn ein hoher Spiegel, daneben ein hoher, sehr breiter, altmodischer Armsessel. Vor dem Spiegel ein Puff, Schminkschatulle etc. etc.

Erster Auftritt.

Lulu. Alwa, gleich darauf Schön.

Alwa

(links vorn, füllt zwei Gläser mit Champagner und Rotwein)

Seit ich für die Bühne arbeite, habe ich kein Publikum so außer Rand und Band gesehen.

Lulu

(unsichtbar, hinter der spanischen Wand)

Geben Sie mir nicht zuviel Rotwein. — Sieht er mich heute?

Alwa

Mein Vater?

Lulu

Ja.

Alwa

Ich weiß nicht, ob er im Theater ist.

Lulu

Er will mich wohl gar nicht sehen?

Alwa

Er hat so wenig Zeit.

Lulu

Seine Braut nimmt ihn in Anspruch.

Alwa

Spekulationen. Er gönnt sich keine Ruhe. — (Da Schön eintritt) Du? Eben sprechen wir von dir.

Lulu

Ist er da?

Schön

Du ziehst dich um?

Lulu

(über die spanische Wand wegsehend, zu Schön)

Sie schreiben in allen Zeitungen, ich sei die geistvollste Tänzerin, die je die Bühne betreten, ich sei eine zweite Taglioni und was weiß ich, und Sie finden mich nicht einmal geistvoll genug, um sich davon zu überzeugen!

Schön

Ich habe soviel zu schreiben. Du siehst, daß ich recht hatte. Es waren kaum mehr Plätze zu haben. — Du mußt dich etwas mehr im Proszenium halten!

Lulu

Ich muß mich erst an das Licht gewöhnen.

Alwa

Sie hat sich strikte an ihre Rolle gehalten.

Schön

(zu Alwa)

Du mußt deine Darsteller besser ausnützen! Du verstehst dich noch nicht genug auf die Technik. (Zu Lulu) Als was kommst du jetzt?

Lulu

Als Blumenmädchen ...

Schön

(zu Alwa)

In Trikots?

Alwa

Nein. In fußfreiem Kleid.

Schön

Du hättest dich lieber nicht mit dem Symbolismus einlassen sollen!

Alwa

Ich sehe der Tänzerin auf die Füße.

Schön

Es kommt darauf an, worauf das Publikum sieht! Eine Erscheinung wie sie hat deine symbolistischen Hanswurstiaden gottlob nicht nötig.

Alwa

Das Publikum sieht nicht danach aus, als ob es sich langweilte!

Schön

Natürlich! Weil ich in der Presse seit sechs Monaten auf ihren Erfolg hingearbeitet habe. — War der Prinz hier?

Alwa

Es war niemand hier.

Schön

Wer wird eine Tänzerin zwei Akte hindurch in Regenmänteln auftreten lassen!

Alwa

Wer ist denn der Prinz?

Schön

— Wir sehen uns noch?

Alwa

Bist du allein?

Schön

Mit Bekannten. — Bei Peters?

Alwa

Um Zwölf?

Schön

Um Zwölf. (Ab)

Lulu

Ich hatte schon daran verzweifelt, daß er je kommen werde!

Alwa

Lassen Sie sich durch seine griesgrämigen Nörgeleien nicht beirren. Wenn Sie nur ja darauf achten wollen, daß Sie Ihre Kräfte nicht vor Beginn der letzten Nummer vergeuden.

Lulu

(tritt hinter der spanischen Wand vor, in antikem fußfreiem ärmellosem weißem Kleid mit rotem Saum, einen bunten Kranz im Haar, einen Korb voll Blumen in den Händen)

Lulu

Er scheint es gar nicht gemerkt zu haben, wie geschickt Sie ihre Darsteller ausnützen!

Alwa

Ich werde doch im ersten Akt nicht Sonne, Mond und Sterne verpaffen.

Lulu

(das Glas an den Lippen)

Sie enthüllen mich gradatim.

Alwa

Ich wußte doch, daß Sie sich darauf verstehen, Kostüme zu wechseln.

Lulu

Hätte ich meine Blumen so vor dem Alhambracafé verkaufen wollen, man hätte mich schon gleich in der ersten Nacht hinter Schloß und Riegel gesetzt.

Alwa

Warum denn! Sie waren ein Kind!

Lulu

Wissen Sie noch, wie ich zum erstenmal in Ihr Zimmer trat?

Alwa (nickt)

Sie trugen ein dunkelblaues Kleid mit schwarzem Sammet.

Lulu

Man mußte mich verstecken und wußte nicht wo.

Alwa

Meine Mutter lag damals schon seit zwei Jahren auf dem Krankenbett ...

Lulu

Sie spielten Theater und fragten mich, ob ich mitspielen wolle.

Alwa

Gewiß! Wir spielten Theater!

Lulu

Ich sehe Sie noch, wie Sie die Figuren hin und herschoben.

Alwa

Es war mir noch lange die entsetzlichste Erinnerung, wie ich mit einem mal klar in die Verhältnisse sah.

Lulu

Da wurden Sie eisig gemessen gegen mich.

Alwa

Ach Gott — ich sah etwas so unendlich hoch über mir stehendes in Ihnen. Ich hegte vielleicht eine höhere Verehrung für Sie, als für meine Mutter. Denken Sie, als meine Mutter starb, — ich war siebzehn Jahre alt — da trat ich vor meinen Vater und forderte ihn auf, daß er Sie augenblicklich zu seiner Frau mache, sonst müßten wir uns duellieren.

Lulu

Das hat er mir damals erzählt.

Alwa

Seit ich älter bin, kann ich ihn nur noch bemitleiden. Er wird mich nie begreifen. Da phantasiert er sich eine kleine Diplomatie zusammen, die mich dazu bestimmen soll, seiner Verheiratung mit der Komtesse entgegenzuarbeiten.

Lulu

Blickt sie denn immer noch so unschuldig in die Welt hinaus?

Alwa

Sie liebt ihn; das ist meine Überzeugung. Ihre Familie hat alles in Bewegung gesetzt, um sie zum Rücktritt zu veranlassen. Ich glaube nicht, daß ihr ein Opfer auf dieser Welt zu groß wäre um seinetwillen.

Lulu

(hält ihm ihr Glas hin)

Noch etwas, bitte.

Alwa

(ihr einschenkend)

Sie trinken zu viel.

Lulu

Er soll an meinen Erfolg glauben lernen! Er glaubt an keine Kunst. Er glaubt nur an Zeitungen.

Alwa

Er glaubt an nichts.

Lulu

Er hat mich ans Theater gebracht, damit sich eventuell jemand findet, der reich genug ist, um mich zu heiraten.

Alwa

Nun ja! Was braucht uns das zu kümmern!

Lulu

Mich soll es freuen, wenn ich mich in das Herz eines Millionärs hineintanzen kann.

Alwa

Gott verhüte, daß man Sie uns entführt!

Lulu

Sie haben doch die Musik dazu komponiert.

Alwa

Sie wissen, daß es immer mein Wunsch war, ein Stück für Sie zu schreiben.

Lulu

Ich bin aber gar nicht für die Bühne geschaffen.

Alwa

Sie sind als Tänzerin auf die Welt gekommen.

Lulu

Warum schreiben Sie Ihre Stücke denn nicht wenigstens so interessant, wie das Leben ist?

Alwa

Weil uns das kein Mensch glauben würde.

Lulu

Wenn ich mich nicht besser aufs Theaterspielen verstände, als man auf der Bühne spielt, was hätte aus mir werden wollen!

Alwa

Ich habe Ihre Rolle doch mit allen erdenklichen Unmöglichkeiten ausgestattet.

Lulu

Mit solchem Hokuspokus lockt man in der Wirklichkeit noch keinen Hund vom Ofen.

Alwa

Mir ist es genug, daß sich das Publikum in die wahnsinnigste Aufregung versetzt sieht.

Lulu

Ich möchte mich aber gern selbst in die wahnsinnigste Aufregung versetzt sehen! (Trinkt)

Alwa

Dazu scheint Ihnen auch nicht viel mehr zu fehlen.

Lulu

Wie können Sie sich darüber wundern, da mein Auftreten doch einen höheren Zweck hat! Es gehen schon Einige da unten ganz ernstlich mit sich zu Rate. — Ich fühle das, ohne daß ich hinsehe.

Alwa

Wie fühlen Sie denn das?

Lulu

Keiner ahnt was vom Andern. Jeder meint, er sei allein das unglückliche Opfer.

Alwa

Wie können Sie denn das fühlen?

Lulu

Es läuft einem so ein eisiger Schauer am Körper herauf.

Alwa

Sie sind unglaublich ... (Eine elektrische Klingel tönt über der Tür)

Lulu

Mein Tuch ... Ich werde mich im Proscenium halten!

Alwa

(ihr einen breiten Shawl über die Schultern legend)

Hier ist Ihr Tuch.

Lulu

Er soll nichts mehr für seine schamlose Reklame zu fürchten haben.

Alwa

Wahren Sie Ihre Selbstbeherrschung!

Lulu

Gebe Gott, daß ich einem den letzten Funken Verstand zum Kopf hinaus tanze. (Ab)

Zweiter Auftritt

Alwa (allein)

Über die ließe sich freilich ein interessanteres Stück schreiben. (Setzt sich links, nimmt sein Notizbuch vor und notiert. Aufblickend) Erster Akt: Dr. Goll. Schon faul! Ich kann den Dr. Goll aus dem Fegefeuer zitieren, oder wo er seine Orgien büßt, man wird mich für seine Sünden verantwortlich machen. — (Langanhaltendes, stark gedämpftes Klatschen und Bravorufen wird von außen hörbar) — Das tobt, wie in der Menagerie, wenn das Futter vor dem Käfig erscheint. — Zweiter Akt: Walter Schwarz. Noch unmöglicher! Wie die Seelen die letzte Hülle abstreifen im Licht solcher Blitzschläge! — Dritter Akt? — Sollte es wirklich so fort gehen?! — (Die Garderobiere öffnet von außen und läßt Escerny eintreten)

Dritter Auftritt

Escerny. Alwa.

Escerny

(tut als ob er zu Hause wäre und nimmt, ohne Alwa zu beachten rechts neben dem Spiegel Platz)

Alwa

(links sitzend, ohne auf Escerny zu achten)

Es kann im dritten Akt nicht so fortgehen!

Escerny

Bis zur Mitte des dritten Aktes schien es heute nicht so gut zu gehen, wie sonst.

Alwa

Ich war nicht auf der Bühne.

Escerny

Jetzt ist sie wieder in vollem Zug.

Alwa

— Sie zieht die Nummer in die Länge.

Escerny

Ich hatte bei Herrn Dr. Schön einmal das Vergnügen, der Künstlerin zu begegnen.

Alwa

Mein Vater hat sie durch einige Besprechungen in seiner Zeitung beim Publikum eingeführt.

Escerny

(sich leicht verneigend)

Ich konferierte mit Herrn Dr. Schön der Herausgabe meiner Forschungen am Tanganjika-See wegen.

Alwa

(sich leicht verneigend)

Seine Äußerungen lassen keinen Zweifel darüber, daß er das lebhafteste Interesse an Ihrem Werk nimmt.

Escerny

Wohltuend berührt es an der Künstlerin, daß das Publikum für sie gar nicht vorhanden ist.

Alwa

Das Sichumkleiden hat sie schon als Kind gelernt. Aber ich war überrascht, eine so bedeutende Tänzerin in ihr zu entdecken.

Escerny

Wenn sie ihr Solo tanzt, berauscht sie sich an ihrer eigenen Schönheit — in die sie selber zum Sterben verliebt zu sein scheint.

Alwa

Da kommt sie. (Erhebt sich, öffnet die Tür)

Vierter Auftritt

Lulu. Die Vorigen.

Lulu

(ohne Kranz und Blumenkorb, zu Alwa)

Sie werden herausgerufen. Ich war dreimal vor dem Vorhang. (Zu Escerny) Herr Dr. Schön ist nicht in Ihrer Loge?

Escerny

In meiner Loge nicht.

Alwa

(zu Lulu)

Haben Sie ihn nicht gesehen?

Lulu

Er wird wieder fort sein.

Escerny

Er hat die letzte Parquetloge links.

Lulu

Er scheint sich meiner zu schämen!

Alwa

Er hat keinen guten Platz mehr bekommen.

Lulu

(zu Alwa)

Fragen Sie ihn doch, ob ich ihm jetzt besser gefallen habe.

Alwa

Ich werde ihn heraufschicken.

Escerny

Er hat applaudiert.

Lulu

Hat er das wirklich?

Alwa

Gönnen Sie sich etwas Ruhe. (Ab)

Fünfter Auftritt

Lulu. Escerny.

Lulu

Ich muß mich ja wieder umziehen.

Escerny

Aber Ihre Garderobiere ist ja nicht hier?

Lulu

Ich kann das rascher allein. Wo sagten Sie, daß Dr. Schön sitzt?

Escerny

Ich sah ihn in der hintersten Parquetloge links.

Lulu

Jetzt habe ich noch fünf Kostüme vor mir: Dancinggirl, Ballerina, Königin der Nacht, Ariel und Lascaris ... (Tritt hinter die spanische Wand zurück.)

Escerny

Würden Sie es für möglich halten, daß ich bei unserem ersten Rencontre nicht anders gewärtig war, als mit einer jungen Dame aus der literarischen Welt bekannt zu werden? — — — (Setzt sich rechts neben den Mitteltisch, wo er bis zum Schluß der Szene sitzen bleibt) Sollte ich mich in der Beurteilung Ihrer Natur irren, oder habe ich das Lächeln, das die dröhnenden Beifallsstürme auf Ihren Lippen hervorrufen, richtig gedeutet? — —: daß Sie unter der Notwendigkeit, Ihre Kunst vor Leuten von zweifelhaften Interessen entwürdigen zu müssen, innerlich leiden? — — — (Da Lulu nicht antwortet) Daß Sie den Schimmer der Öffentlichkeit jeden Augenblick für ein ruhiges, sonniges Glück in vornehmer Abgeschlossenheit eintauschen würden? — (Da Lulu nicht antwortet) Daß Sie Hoheit und Würde genug in sich fühlen, einen Mann zu Ihren Füßen zu fesseln — um sich an seiner vollkommenen Hilflosigkeit zu erfreuen? — — — (Da Lulu nicht antwortet) Daß Sie sich an einem würdigeren Platz als hier in einer mit reichlichem Komfort ausgestatteten Villa fühlen würden — bei unbegrenzten Mitteln — um durchaus als Ihre eigene Herrin zu leben?

Lulu

(in kurzem hellen Plissé-Unterrock und weißem Atlaskorset, schwarze Schuhe und Strümpfe, Schellensporen unter den Absätzen, tritt hinter der spanischen Wand vor, mit dem Schnüren ihres Korsets beschäftigt)

Wenn ich nur einen Abend mal nicht auftrete, dann träume ich die ganze Nacht hindurch, daß ich tanze, und fühle mich am folgenden Tag wie gerädert ...

Escerny

Aber was könnte es Ihnen dabei ausmachen, statt dieses Pöbels nur einen Zuschauer, einen Auserwählten, vor sich zu sehen?

Lulu

Das könnte mir gleichgültig sein. Ich sehe ja doch niemanden.

Escerny

Ein erleuchteter Gartensaal — das Plätschern vom See herauf ... Ich bin auf meinen Forschungsreisen nämlich zur Ausübung eines ganz unmenschlichen Despotismus gezwungen ...

Lulu

(vor dem Spiegel, sich eine Perlenkette um den Hals legend)

Eine gute Schule!

Escerny

Wenn ich mich jetzt darnach sehne, mich ohne irgendwelchen Vorbehalt der Gewalt einer Frau zu überliefern, so ist das ein natürliches Bedürfnis nach Abspannung ... Können Sie sich ein höheres Lebensglück für eine Frau denken, als einen Mann vollkommen in ihrer Gewalt zu haben?

Lulu

(mit den Absätzen klirrend)

O ja!

Escerny (verwirrt)

Unter gebildeten Menschen finden Sie nicht Einen, der Ihnen gegenüber nicht den Kopf verliert.

Lulu

Ihre Wünsche erfüllt Ihnen aber niemand, ohne Sie dabei zu hintergehen.

Escerny

Von einem Mädchen wie Sie betrogen zu werden, muß noch zehnmal beglückender sein, als von jemand anders aufrichtig geliebt zu werden.

Lulu

Sie sind in Ihrem Leben noch von keinem Mädchen aufrichtig geliebt worden! (sich rücklings gegen ihn stellend, auf ihr Korset deutend) Würden Sie mir den Knoten auflösen. Ich habe mich zu fest geschnürt. Ich bin immer so aufgeregt beim Ankleiden.

Escerny

(nach wiederholtem Versuch)

Ich bedaure; ich kann es nicht.

Lulu

Dann lassen Sie. Vielleicht kann ich es. (Geht nach rechts)

Escerny

Ich gestehe ein, daß es mir an Geschicklichkeit gebricht. Ich war vielleicht im Verkehr mit Frauen nicht gelehrig genug.

Lulu

Dazu haben Sie in Afrika wohl auch nicht viel Gelegenheit?

Escerny (ernst)

Lassen Sie mich Ihnen offen gestehen, daß mir meine Vereinsamung in der Welt manche Stunde verbittert.

Lulu

Gleich ist der Knoten auf ...

Escerny

Was mich zu Ihnen hinzieht, ist nicht Ihr Tanz. Es ist Ihre körperliche und seelische Vornehmheit, wie sie sich in jeder Ihrer Bewegungen offenbart. Wer sich so sehr wie ich für Kunstwerke interessiert, kann sich darin nicht täuschen. Ich habe während zehn Abenden Ihr Seelenleben aus Ihrem Tanze studiert, bis ich heute, als Sie als Blumenmädchen auftraten, vollkommen mit mir ins Klare kam. Sie sind eine großangelegte Natur — uneigennützig. Sie können niemanden leiden sehen. Sie sind das verkörperte Lebensglück. Als Gattin werden Sie einen Mann über alles glücklich machen ... Ihr ganzes Wesen ist Offenherzigkeit. — Sie wären eine schlechte Schauspielerin ...

(Die elektrische Klingel tönt über der Tür)

Lulu

(hat die Schnüre ihres Korsets etwas gelockert, holt tief Atem, mit den Absätzen klirrend)

Jetzt kann ich wieder atmen. Der Vorhang geht auf. (Sie nimmt vom Mitteltisch ein Skirtdancekostüm — Plissé, hellgelbe Seide, ohne Taille, am Hals geschlossen, bis zu den Knöcheln reichend, weite Blousenärmel, — und wirft es sich über) Ich muß tanzen.

Escerny

(erhebt sich und küßt ihr die Hand)

Erlauben Sie mir, noch ein wenig hierzubleiben.

Lulu

Bitte, bleiben Sie.

Escerny

Ich bedarf etwas der Einsamkeit. (Lulu ab)

Sechster Auftritt

Escerny (allein)

Was ist Noblesse? — Ist es Verschrobenheit, wie bei mir? — Oder ist es leibliche und geistige Vervollkommnung, wie bei diesem Mädchen? — (Klatschen und Bravorufen wird hörbar) Wer mir den Glauben an die Menschen zurückgibt, gibt mir mein Leben zurück. — Sollten Kinder dieser Frau nicht fürstlicher sein an Leib und Seele, als Kinder, deren Mutter nicht mehr Lebensfähigkeit in sich hat, als ich bis heute in mir fühlte? (Er setzt sich links vorn, schwärmerisch) Der Tanz hat ihren Körper geadelt ...

Siebenter Auftritt

Alwa. Escerny.

Alwa

Man ist keinen Moment sicher, daß nicht ein armseliger Zufall der Vorstellung den Garaus macht! (Er wirft sich rechts neben dem Spiegel in den Armsessel, so daß die beiden Herren gerade umgekehrt wie vorher placiert sind. Beide führen die Unterhaltung etwas blasiert und apathisch)

Escerny

So dankbar hat sich das Publikum aber noch nie gezeigt.

Alwa

Sie hat den Skirtdance beendet.

Escerny

— Ich höre sie kommen ...

Alwa

Sie kommt nicht. — Sie hat keine Zeit. — Sie wechselt das Kostüm hinter der Kulisse.

Escerny

Sie hat zwei Ballerinakostüme, wenn ich nicht irre?

Alwa

Ich finde, daß ihr das weiße besser steht, als das in Rosa.

Escerny

Finden Sie?

Alwa

Sie nicht?

Escerny

Ich finde, sie sieht in dem weißen Tüll zu körperlos aus.

Alwa

Ich finde, sie sieht in dem Rosatüll zu animalisch aus.

Escerny

Ich finde das nicht.

Alwa

Der weiße Tüll bringt mehr das Kindliche ihrer Natur zum Ausdruck!

Escerny

Der Rosatüll bringt mehr das Weibliche ihrer Natur zum Ausdruck!

(Die elektrische Klingel tönt über der Tür)

Alwa (aufspringend)

Um Gottes willen, was ist da los!

Escerny

(sich gleichfalls erhebend)

Was ist mit Ihnen?

(Die elektrische Klingel tönt fort bis zum Schlusse der Szene)

Alwa

Da ist was passiert ...

Escerny

Wie können Sie gleich so erschrecken?

Alwa

Das muß eine höllische Verwirrung sein. (Ab)

Escerny (folgt ihm)

(Die Tür bleibt offen. Man hört gedämpfte Walzerklänge)

(Pause)

Achter Auftritt

Lulu

(in langem Theatermantel, tritt ein und zieht die Tür hinter sich zu. Sie trägt ein Rosa-Ballettkostüm mit Blumenguirlanden, geht quer über die Bühne und nimmt in dem Armsessel neben dem Spiegel Platz. — Pause)

Neunter Auftritt

Alwa. Lulu. — Gleich darauf Schön.

Alwa

Sie hatten einen Ohnmachtsanfall?

Lulu

Ich bitte Sie, schließen Sie zu.

Alwa

Kommen Sie wenigstens auf die Bühne.

Lulu

Haben Sie ihn gesehen?

Alwa

Wen gesehen?

Lulu

Mit seiner Braut??

Alwa

Mit seiner ... (Zu Schön, der eintritt) Den Scherz hättest du dir sparen können!

Schön

Was ist mit ihr? (Zu Lulu) Wie kannst du die Szene gegen mich ausspielen!!

Lulu

Ich fühle mich wie geprügelt.

Schön

(nachdem er die Tür verriegelt)

Du wirst tanzen — so wahr ich mir die Verantwortung für dich aufgeladen!

Lulu

Vor Ihrer Braut?

Schön

Hast du ein Recht, dich darum zu kümmern, vor wem? — Du bist hier engagiert. Du erhältst deine Gage ...

Lulu

Ist das Ihre Sache?

Schön

Du tanzt vor Jedem, der sein Billet löst. Mit wem ich in meiner Loge sitze, hat keine Beziehung zu deiner Tätigkeit!

Alwa

Wärest du in deiner Loge sitzen geblieben! (Zu Lulu) Sagen Sie mir bitte, was ich tun soll. (Von außen wird gepocht) Da ist der Direktor. (Ruft) Gleich, gleich. Einen Augenblick. (Zu Lulu) Sie werden uns nicht zwingen wollen, die Vorstellung abzubrechen!

Schön

(zu Lulu)

Auf die Bühne mit dir!

Lulu

Lassen Sie mir nur einen Augenblick. Ich kann jetzt nicht. Mir ist sterbenselend.

Alwa

Hol’ der Henker den ganzen Kulissenkram!

Lulu

Schalten Sie die nächste Nummer ein. Das merkt kein Mensch, ob ich jetzt tanze oder in fünf Minuten. Ich habe keine Kraft in den Füßen.

Alwa

Aber dann tanzen Sie?

Lulu

So gut ich kann ...

Alwa

So schlecht Sie wollen. (Da von außen gepocht wird) Ich komme. (Ab)

Zehnter Auftritt

Schön. Lulu.

Lulu

Sie haben recht, daß Sie mir zeigen, wo ich hingehöre. Das konnten Sie nicht besser, als wenn Sie mich vor Ihrer Braut den Skirtdance tanzen lassen ... Sie tun mir den größten Gefallen, wenn Sie mich darauf hinweisen, was meine Stellung ist.

Schön (höhnisch)

Bei deiner Herkunft ist es ein Glück sondergleichen für dich, daß du noch Gelegenheit hast, vor anständigen Leuten aufzutreten!

Lulu

Auch wenn Sie über meiner Schamlosigkeit nicht wissen, wohinsehen.

Schön

Albernes Geschwätz! — Schamlosigkeit? — Mach’ aus der Tugend keine Not! — Deine Schamlosigkeit ist das, was man dir für jeden Schritt mit Gold aufwiegt. Der eine schreit Bravo, der andere schreit Pfui — das heißt für dich das Gleiche! — Kannst du dir einen glänzenderen Triumph wünschen, als wenn sich ein anständiges Mädchen kaum in der Loge zurückhalten läßt?!! Hat dein Leben denn ein anderes Ziel?! — So lang du noch einen Funken Achtung vor dir selber hast, bist du keine perfekte Tänzerin! Je fürchterlicher es den Menschen vor dir graut, um so größer stehst du in deinem Beruf da!!

Lulu

Es ist mir ja auch vollkommen gleichgültig, was man von mir denkt. Ich möchte um alles nicht besser sein, als ich bin. Mir ist wohl dabei.

Schön

(in moralischer Empörung)

Das ist deine wahre Natur! Das nenne ich aufrichtig. — Eine Korruption!!

Lulu

Ich wüßte nicht, daß ich je einen Funken Achtung vor mir gehabt hätte.

Schön

(wird plötzlich mißtrauisch)

Keine Harlequinaden ...

Lulu

O Gott — ich weiß sehr wohl, was aus mir geworden wäre, wenn Sie mich nicht davor bewahrt hätten.

Schön

Bist du denn heute vielleicht etwas anderes??

Lulu

Gott sei dank, nein!

Schön

Das ist echt!

Lulu (lacht)

Und wie überglücklich ich dabei bin!

Schön (spuckt aus)

Wirst du jetzt tanzen?

Lulu

Wie und vor wem es ist!

Schön

Also dann auf die Bühne!!

Lulu

(kindlich bittend)

Nur eine Minute noch. Ich bitte Sie. Ich kann mich noch nicht aufrecht halten. — Man wird klingeln.

Schön

Du bist dazu geworden, trotz allem, was ich für deine Erziehung und dein Wohl geopfert habe!

Lulu (ironisch)

Sie hatten Ihren veredelnden Einfluß überschätzt?

Schön

Verschone mich mit deinen Witzen.

Lulu

— Der Prinz war hier.

Schön

So?

Lulu

Er nimmt mich mit nach Afrika.

Schön

Nach Afrika?

Lulu

Warum denn nicht? Sie haben mich ja zur Tänzerin gemacht, damit Einer kommt und mich mitnimmt.

Schön

Aber doch nicht nach Afrika!

Lulu

Warum haben Sie mich denn nicht ruhig in Ohnmacht fallen lassen, und im stillen dem Himmel dafür gedankt?

Schön

Weil ich leider keinen Grund hatte, an deine Ohnmacht zu glauben!

Lulu (spöttisch)

Sie hielten es unten nicht aus ...?

Schön

Weil ich dir zum Bewußtsein bringen muß, was du bist und zu wem du nicht aufzublicken hast!

Lulu

Sie fürchteten, meine Glieder könnten doch vielleicht ernstlich Schaden genommen haben?

Schön

Ich weiß zu gut, daß du unverwüstlich bist.

Lulu

Das wissen Sie also doch?

Schön (aufbrausend)

Sieh mich nicht so unverschämt an!!

Lulu

Es hält Sie niemand hier.

Schön

Ich gehe, sobald es klingelt.

Lulu

Sobald Sie die Energie dazu haben! — Wo ist Ihre Energie? — Sie sind seit drei Jahren verlobt. Warum heiraten Sie nicht? — Sie kennen keine Hindernisse. Warum wollen Sie mir die Schuld geben? — Sie haben mir befohlen, Dr. Goll zu heiraten. Ich habe Dr. Goll gezwungen, mich zu heiraten. Sie haben mir befohlen, den Maler zu heiraten. Ich habe gute Miene zum bösen Spiel gemacht. — Sie kreieren Künstler, Sie protegieren Prinzen. Warum heiraten Sie nicht?

Schön (wütend)

Glaubst du denn vielleicht, daß du mir im Weg stehst?!

Lulu

(von jetzt an bis zum Schluß triumphierend)

Wüßten Sie, wie Ihre Wut mich glücklich macht! Wie stolz ich darauf bin, daß Sie mich mit allen Mitteln demütigen! Sie erniedrigen mich so tief — so tief, wie man ein Weib erniedrigen kann, weil Sie hoffen, Sie könnten sich dann eher über mich hinwegsetzen. Aber Sie haben sich selber unsäglich weh getan durch alles, was Sie mir eben sagten. Ich sehe es Ihnen an. Sie sind schon beinahe am Ende Ihrer Fassung. Gehen Sie! Um Ihrer schuldlosen Braut willen, lassen Sie mich allein! Eine Minute noch, dann schlägt Ihre Stimmung um, und Sie machen mir eine andere Szene, die Sie jetzt nicht verantworten können!

Schön

Ich fürchte dich nicht mehr.

Lulu

Mich? — Fürchten Sie sich selber! — Ich bedarf Ihrer nicht. — Ich bitte Sie, gehen Sie! Geben Sie nicht mir die Schuld. Sie wissen, daß ich nicht ohnmächtig zu werden brauchte, um Ihre Zukunft zu zerstören. Sie haben ein unbegrenztes Vertrauen in meine Ehrenhaftigkeit! Sie glauben nicht nur, daß ich ein bestrickendes Menschenkind bin; Sie glauben auch, daß ich ein herzensgutes Geschöpf bin. Ich bin weder das eine, noch das andere. Das Unglück für Sie ist nur, daß Sie mich dafür halten.

Schön (verzweifelt)

Laß meine Gedanken gehen! Du hast zwei Männer unter der Erde. Nimm den Prinzen, tanz’ ihn in Grund und Boden! Ich bin fertig mit dir. Ich weiß, wo der Engel bei dir zu Ende ist und der Teufel beginnt. Wenn ich die Welt nehme, wie sie geschaffen ist, so trägt der Schöpfer die Verantwortung, nicht ich! Mir ist das Leben keine Belustigung.

Lulu

Dafür stellen Sie auch Ansprüche an das Leben, wie sie höher niemand stellen kann ... Sagen Sie mir, wer von uns beiden ist wohl anspruchsvoller, Sie oder ich?!

Schön

Schweig! Ich weiß nicht, wie und was ich denke. Wenn ich dich höre, denke ich nicht mehr. In acht Tagen bin ich verheiratet. Ich beschwöre dich — bei dem Engel, der in dir ist, komm mir derweil nicht mehr zu Gesicht!

Lulu

Ich will meine Türe verschließen.

Schön

Prahl’ noch mit dir! — Ich habe, Gott ist mein Zeuge, seit ich mit der Welt und dem Leben ringe, noch niemandem so geflucht!

Lulu

Das kommt von meiner niederen Herkunft.

Schön

Von deiner Verworfenheit!!

Lulu

Mit tausend Freuden nehme ich die Schuld auf mich! Sie müssen sich jetzt rein fühlen. Sie müssen sich jetzt für den sittenstrengen Mustermenschen, für den Tugendbold von unerschütterlichen Grundsätzen halten — sonst können Sie das Kind in seiner bodenlosen Unerfahrenheit gar nicht heiraten ...

Schön

Willst du, daß ich mich an dir vergreife!

Lulu (rasch)

Ja! Ja! Was muß ich sagen, damit Sie es tun? Um kein Königreich möchte ich jetzt mit dem unschuldigen Kinde tauschen! Dabei liebt das Mädchen Sie, wie noch kein Weib Sie je geliebt hat!!

Schön

Schweig, Bestie! Schweig!

Lulu

Heiraten Sie sie — dann tanzt sie in ihrem kindlichen Jammer vor meinen Augen statt ich vor ihr!

Schön

(hebt die Faust)

Verzeih’ mir Gott ...

Lulu

Schlagen Sie mich! Wo haben Sie Ihre Reitpeitsche! Schlagen Sie mich an die Beine ...

Schön

(greift sich an die Schläfen)

Fort, fort ...! (Stürzt zur Türe, besinnt sich, wendet sich um) Kann ich jetzt so vor das Kind hintreten? — Nach Hause! — Wenn ich zur Welt hinaus könnte!

Lulu

Sein Sie doch ein Mann. — Blicken Sie sich einmal ins Gesicht. — Sie haben keine Spur von Gewissen. — Sie schrecken vor keiner Schandtat zurück. — Sie wollen das Mädchen, das Sie liebt, mit der größten Kaltblütigkeit unglücklich machen. — Sie erobern die halbe Welt. — Sie tun, was Sie wollen — und Sie wissen so gut wie ich — daß ...

Schön

(ist völlig erschöpft auf dem Sessel links neben dem Mitteltisch zusammengesunken)

Schweig!

Lulu

Daß Sie zu schwach sind — um sich von mir loszureißen ...

Schön (stöhnend)

Oh! Oh! du tust mir weh!

Lulu

Mir tut dieser Augenblick wohl — ich kann nicht sagen wie!

Schön

Mein Alter! Meine Welt!

Lulu

— Er weint wie ein Kind — der furchtbare Gewaltmensch! — Jetzt gehen Sie so zu Ihrer Braut und erzählen Sie ihr, was ich für eine Seele von einem Mädchen bin — keine Spur eifersüchtig!

Schön (schluchzend)

Das Kind! Das schuldlose Kind!

Lulu

Wie kann der eingefleischte Teufel plötzlich so weich werden. — — Jetzt gehen Sie aber bitte. Jetzt sind Sie nichts mehr für mich.

Schön

Ich kann nicht zu ihr.

Lulu

Hinaus mit Ihnen! Kommen Sie zu mir zurück, wenn Sie wieder zu Kräften gelangt sind.

Schön

Sag’ mir um Gottes Willen, was ich tun soll.

Lulu

(erhebt sich; ihr Mantel bleibt auf dem Sessel. Auf dem Mitteltisch die Kostüme beiseite schiebend)

Hier ist Briefpapier ...

Schön

Ich kann nicht schreiben ...

Lulu

(aufrecht hinter ihm stehend, auf die Lehne seines Sessels gestützt)

Schreiben Sie! — Sehr geehrtes Fräulein ..

Schön (zögernd)

Ich nenne sie Adelheid ...

Lulu

(mit Nachdruck)

Sehr geehrtes Fräulein ...

Schön (schreibend)

— Mein Todesurteil!

Lulu

Nehmen Sie Ihr Wort zurück. Ich kann es mit meinem Gewissen — (da Schön die Feder absetzt und ihr einen flehentlichen Blick zuwirft) Schreiben Sie Gewissen! — nicht vereinbaren, Sie an mein unseliges Los zu fesseln ...

Schön (schreibend)

Du hast recht. — Du hast recht.

Lulu

Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich Ihrer Liebe — (da sich Schön wieder zurückwendet) Schreiben Sie Liebe! — unwürdig bin. Diese Zeilen sind Ihnen der Beweis. Seit drei Jahren versuche ich mich loszureißen; ich habe die Kraft nicht. Ich schreibe Ihnen an der Seite der Frau, die mich beherrscht. — Vergessen Sie mich. — Doktor Ludwig Schön.

Schön (aufächzend)

O Gott!

Lulu

(halb erschrocken)

Ja kein O Gott! — (mit Nachdruck) Doktor Ludwig Schön. — Postskriptum: Versuchen Sie nicht mich zu retten.

Schön

(nachdem er zu Ende geschrieben, in sich zusammenbrechend)

Jetzt — kommt die — Hinrichtung ...

Vierter Aufzug

Prachtvoller Saal in deutscher Renaissance mit schwerem Plafond in geschnitztem Eichenholz. Die Wände bis zur halben Höhe in dunklen Holzskulpturen. Darüber an beiden Seiten verblaßte Gobelins. Nach hinten oben ist der Saal durch eine verhängte Galerie abgeschlossen, von der links eine monumentale Treppe bis zur halben Tiefe der Bühne herabführt. In der Mitte unter der Galerie die Eingangstür mit gewundenen Säulen und Frontespice. An der rechten Seitenwand ein geräumiger hoher Kamin. Weiter vorn ein Balkonfenster mit geschlossenen schweren Gardinen. An der linken Seitenwand vor dem Treppenfuße eine geschlossene Portiere in genueser Sammet.

Vor dem Kamin steht als Schirm eine chinesische Klappwand. Vor dem Fußpfeiler des freien Treppengeländers auf einer dekorativen Staffelei Lulus Bild als Pierrot in antiquisiertem Goldrahmen. Links vorn eine breite Ottomane, rechts davor ein Fauteuil. In der Mitte des Saales ein vierkantiger Tisch mit schwerer Decke, um den drei hochlehnige Polstersessel stehen. Auf dem Tisch steht ein weißes Bouquet.

Erster Auftritt

Schön. Lulu. Gräfin Geschwitz.

Geschwitz

(auf der Ottomane, in pelzbesetzter Husaren-Taille, hoher Stehkragen, riesige Manschettenknöpfe, Schleier vor dem Gesicht, die Hände krampfhaft im Muff; zu Lulu)

Sie glauben nicht, wie ich mich darauf freue, Sie auf unserem Künstlerinnenball zu sehen.

Schön

(links vorn)

Sollte denn für Unsereinen gar keine Möglichkeit bestehen, sich einzuschmuggeln?

Geschwitz

Es wäre Hochverrat, wenn jemand von uns einer solchen Intrigue Vorschub leistete.

Schön

(geht hinter der Ottomane durch zum Mitteltisch)

Die prachtvollen Blumen.

Lulu

(im Fauteuil, in großblumigem Morgenkleid, das Haar in schlichtem Knoten, in goldener Spange)

Die hat mir Fräulein von Geschwitz gebracht.

Geschwitz

O bitte. — Sie werden sich doch jedenfalls als Herr kostümieren?

Lulu

Glauben Sie denn, daß mich das kleidet?

Geschwitz

(auf das Bild deutend)

Hier sind Sie wie ein Märchen.

Lulu

Mein Mann mag es nicht.

Geschwitz

Ist es von einem hiesigen?

Lulu

Sie werden ihn kaum gekannt haben.

Geschwitz

Er lebt nicht mehr?

Schön

(rechts vorn, mit tiefer Stimme)

Er hatte genug.

Lulu

Du bist verstimmt.

Schön

(beherrscht sich)

Geschwitz

(sich erhebend)

Ich muß gehen, Frau Doktor. Ich kann nicht länger bleiben. Wir haben heute abend Aktzeichnen, und ich habe noch so viel für den Ball vorzubereiten. — (Grüßend) Herr Doktor. (Von Lulu geleitet, durch die Mitte ab.)

Zweiter Auftritt

Schön

(allein, sich umsehend)

Der reine Augiasstall. Das mein Lebensabend. Man soll mir einen Winkel zeigen, der noch rein ist. Die Pest im Haus. Der ärmste Tagelöhner hat sein sauberes Nest. Dreißig Jahre Arbeit, und das mein Familienkreis, der Kreis der Meinen ... (sich umsehend) Gott weiß, wer mich jetzt wieder belauscht! (Zieht einen Revolver aus der Brusttasche) Man ist ja seines Lebens nicht sicher! (Er geht, den gespannten Revolver in der Rechten haltend, nach rechts und spricht an die geschlossene Fenstergardine hin) Das mein Familienkreis! Der Kerl hat noch Mut! — Soll ich mich denn nicht lieber selber vor den Kopf schießen? — Gegen Todfeinde kämpft man, aber der ... (er schlägt die Gardine in die Höhe; da er niemand dahinter versteckt findet:) Der Schmutz — der Schmutz ... (er schüttelt den Kopf und geht nach links hinüber) der Irrsinn hat sich meiner Vernunft schon bemächtigt, oder — Ausnahmen bestätigen die Regel! (Er steckt, da er Lulu kommen hört, den Revolver ein)

Dritter Auftritt

Lulu. Schön (Beide links vorn)

Lulu

Könntest du dich für heute nachmittag nicht frei machen?

Schön

Was wollte diese Gräfin eigentlich?

Lulu

Ich weiß nicht. Sie will mich malen.

Schön

Das Unglück in Menschengestalt, das einem seine Aufwartung macht.

Lulu

Könntest du dich denn nicht frei machen? Ich würde so gerne mit dir durch die Anlagen fahren.

Schön

Gerade der Tag, an dem ich auf der Börse sein muß. Du weißt, daß ich heute nicht frei bin. Meine ganze Habe treibt auf den Wellen.

Lulu

Lieber wollte ich schon beerdigt sein, als mir mein ganzes Leben so durch meine Habe verbittern lassen.

Schön

Wem das Leben leicht wird, dem fällt das Sterben nicht schwer.

Lulu

Als Kind hatte ich auch immer die entsetzlichste Angst vor dem Tod.

Schön

Deswegen habe ich dich ja geheiratet.

Lulu

(an seinem Hals)

Du bist schlecht gelaunt. Du machst dir zu viel Sorgen. Seit Wochen und Monaten habe ich nichts mehr von dir.

Schön

(ihr Haar streichelnd)

Dein Frohsinn sollte meine alten Tage erheitern.

Lulu

Du hast mich ja gar nicht geheiratet.

Schön

Wen hätte ich denn sonst geheiratet?

Lulu

Ich habe dich geheiratet!

Schön

Was ändert denn das daran?

Lulu

Ich fürchtete immer, es werde vieles ändern.

Schön

Es hat auch viel unter die Füße gestampft.

Lulu

Nur Gottlob eines nicht!

Schön

Darauf wäre ich begierig.

Lulu

Deine Liebe zu mir.

Schön

(zuckt mit dem Gesicht, winkt ihr voranzugehen. Beide nach links vorn ab).

Vierter Auftritt

Gräfin Geschwitz

(öffnet vorsichtig die Mitteltür, wagt sich nach vorn und lauscht; schrickt zusammen, da Stimmen auf der Galerie laut werden)

O Gott, da ist jemand ... (Versteckt sich hinter dem Kaminschirm).

Fünfter Auftritt

Schigolch. Rodrigo. Hugenberg.

Schigolch

(tritt über der Treppe aus den Gardinen, wendet sich zurück)

Der Junge hat sein Herz wohl im Café „Nachtlicht“ zurückgelassen?!

Rodrigo

(zwischen den Gardinen)

Er ist noch zu klein für die große Welt und kann noch nicht so weit zu Fuß gehen. (verschwindet)

Schigolch

(kommt die Treppe herunter)

Gott sei Dank, daß wir endlich wieder zu Hause sind! Welcher Stinkpeter wohl wieder die Treppe gewichst hat! Wenn ich mir meine Knochen vor der Heimrufung noch mal in Gips gießen lassen muß, dann kann sie mich zwischen den Palmen hier ihren Relationen als medizeische Venus vorstellen. Nichts als Klippen. Nichts als Fallstricke.

Rodrigo

(kommt, Hugenberg auf den Armen tragend, die Treppe herunter)

Das hat einen königlichen Polizeidirektor zum Vater und nicht soviel Courage im Leib wie der abgerissenste Landstreicher!

Hugenberg

Wenn es auf nichts als auf Tod und Leben ginge, dann solltet ihr mich kennen lernen!

Rodrigo

Das Brüderchen wiegt samt seinem Liebeskummer nicht mehr als sechzig Kilo. Darauf will ich mich jede Minute hängen lassen.

Schigolch

Wirf ihn an den Plafond hinauf und fang ihn mit den Füßen auf. Das peitscht ihm sein junges Blut gleich von vornherein in die richtige Wallung.

Hugenberg

(mit den Beinen strampelnd)

O je, o je, ich werde von der Schule gejagt!

Rodrigo

(ihn am Treppenfuß niedersetzend)

Du bist noch auf gar keiner vernünftigen Schule gewesen!

Schigolch

Hier hat sich schon mancher die ersten Sporen verdient. Nur ja keine Schüchternheit! Zuerst werde ich euch einen Tropfen vorsetzen, wie er für Geld nirgends zu haben ist. (Er öffnet ein Schränkchen unter der Treppe)

Hugenberg

Wenn sie jetzt aber nicht unverzüglich angetanzt kommt, dann verhaue ich euch beide, daß ihr euch noch im Jenseits den Buckel reibt.

Rodrigo

(hat sich rechts an den Tisch gesetzt)

Den stärksten Mann der Welt will das Brüderchen verhaun! (Zu Hugenberg) Laß dir von Mutterchen erst lange Hosen anziehen.

Hugenberg

(sich links an den Tisch setzend)

Ich wünschte lieber, du borgtest mir deinen Schnurrbart.

Rodrigo

Willst du vielleicht, daß sie dich gleich zur Türe hinauswirft?

Hugenberg

Zum Henker noch mal, wenn ich nur schon wüßte, was ich ihr sagen soll!

Rodrigo

Das weiß sie schon selber am besten.

Schigolch

(setzt zwei Flaschen und drei Gläser auf den Tisch)

Die eine habe ich gestern schon angebrochen. (Er füllt die Gläser)

Rodrigo

(Hugenbergs Glas schützend)

Gib ihm nicht zu viel, sonst müssen wir beide es ausbaden.

Schigolch

(sich mit beiden Händen auf die Tischplatte stützend)

Rauchen die Herren?

Hugenberg

(sein Zigarrenetui öffnend)

Da sind Habanna-Importen!

Rodrigo (sich bedienend)

Von Papa Polizeidirektor?

Schigolch (sich setzend)

Ich habe alles im Hause. Braucht nur zu befehlen.

Hugenberg

— Ich habe ihr gestern ein Gedicht gemacht.

Rodrigo

Was hast du ihr gemacht?

Schigolch

Was hat er ihr gemacht?

Hugenberg

Ein Gedicht.

Rodrigo (zu Schigolch)

Ein Gedicht.

Schigolch

Einen Taler hat er mir versprochen, wenn ich auskundschafte, wo er mit ihr allein zusammentreffen kann.

Hugenberg

Wer wohnt denn eigentlich hier?

Rodrigo

Hier wohnen wir!

Schigolch

Jour fix — jeden Börsentag! — Zum Wohl! (Sie stoßen an)

Hugenberg

— Soll ich es ihr vielleicht zuerst vorlesen?

Schigolch (zu Rodrigo)

Was meint er?

Rodrigo

Sein Gedicht. Er will sie gerne zuerst ein wenig auf die Folter spannen.

Schigolch

(Hugenberg fixierend)

Die Augen! Die Augen!

Rodrigo

Die Augen, ja! Die haben sie seit acht Tagen um ihren Schlaf gebracht.

Schigolch (zu Rodrigo)

Du kannst dich einpökeln lassen.

Rodrigo

Wir beide können uns einpökeln lassen! Zum Wohl, Gevatter Tod.

Schigolch (anstoßend)

Zum Wohl, Springfritze! Wenn es später noch besser kommt, dann bin ich jeden Augenblick zum Aufbruch bereit; aber ... aber ...

Sechster Auftritt

Lulu. Die Vorigen. Später Ferdinand.

Lulu

(von links, in eleganter Pariser Balltoilette, weit dekolletiert, mit Blumen vor der Brust und im Haar)

Aber Kinder, Kinder, ich erwarte Besuch!

Schigolch

Aber das kann ich euch sagen, die müssen es sich da drüben was kosten lassen!

Hugenberg

(hat sich erhoben)

Lulu

(sich auf die Armlehne seines Sessels setzend)

Sie sind in eine nette Gesellschaft geraten. Ich erwarte Besuch, Kinder.

Schigolch

Da muß ich mir wohl auch was vorstecken. (Sucht in dem Bouquet, das auf dem Tisch steht)

Lulu

Sehe ich gut aus?

Schigolch

Was sind das, was du da vorhast?

Lulu

Orchideen. (Sich mit der Brust über Hugenberg neigend) Riechen Sie.

Rodrigo

Sie erwarten wohl den Prinzen Escerny?

Lulu

(schüttelt den Kopf)

Gott bewahre!

Rodrigo

Also wieder jemand anders!

Lulu

Der Prinz ist verreist.

Rodrigo

Sein Königreich auf Auktion bringen?

Lulu

Er kundschaftet eine frische Völkerschaft in der Gegend von Afrika aus. (Erhebt sich, eilt die Treppe hinauf und tritt in die Galerie ein)

Rodrigo (zu Schigolch)

— Er habe sie nämlich ursprünglich heiraten wollen.

Schigolch

(sich eine Lilie vorsteckend)

Ich habe sie ursprünglich auch heiraten wollen.

Rodrigo

Du hast sie ursprünglich heiraten wollen?

Schigolch

Hast du sie nicht auch ursprünglich heiraten wollen?

Rodrigo

Jawohl habe ich sie ursprünglich heiraten wollen!

Schigolch

Wer hat sie nicht ursprünglich heiraten wollen!!

Rodrigo

— So gut hätte ich’s nie gekriegt!

Schigolch

Sie hat es keinen bereuen lassen, daß er sie nicht geheiratet hat.

Rodrigo

— Sie ist also nicht dein Kind?

Schigolch

Fällt ihr nicht ein.

Hugenberg

Wie heißt denn ihr Vater?

Schigolch

Sie hat mit mir renommiert!

Hugenberg

Wie heißt denn ihr Vater?

Schigolch

Was meint er?

Rodrigo

Wie ihr Vater heißt.

Schigolch

Sie hat nie einen gehabt.

Lulu

(kommt von der Galerie herunter und setzt sich wieder zu Hugenberg auf die Armlehne)

Was habe ich nie gehabt?

Alle drei

Einen Vater.

Lulu

Ja gewiß, ich bin ein Wunderkind. (Zu Hugenberg) Wie sind Sie denn mit Ihrem Vater zufrieden?

Rodrigo

Er raucht wenigstens eine anständige Zigarre, der Herr Polizeidirektor.

Schigolch

Hast oben zugeschlossen?

Lulu

Da ist der Schlüssel.

Schigolch

Hättest ihn lieber stecken lassen.

Lulu

Warum denn?

Schigolch

Damit man von außen nicht aufschließen kann.

Rodrigo

Ist er denn nicht auf der Börse?

Lulu

O doch, aber er leidet an Verfolgungswahn.

Rodrigo

Ich nehme ihn auf die Füße und jupp — daß er oben an der Decke kleben bleibt.

Lulu

Sie jagt er mit einem Viertelsseitenblick durch ein Mausloch.

Rodrigo

Was jagt er? Wen jagt er? (Seinen Arm entblößend) Sehen Sie sich bitte den Biceps an.

Lulu

Zeigen Sie. (Geht nach rechts)

Rodrigo

(sich auf den Arm schlagend)

Granit. — Schmiedeeisen.

Lulu

(befühlt abwechselnd Rodrigos Oberarm und ihren eigenen)

Wenn Sie nur nicht so lange Ohren hätten ...

Ferdinand

(durch die Mitte eintretend)

Herr Doktor Schön.

Rodrigo (aufspringend)

Der Lumpenkerl. (Will hinter den Kaminschirm, fährt zurück) Gott behüte einen! (Versteckt sich rechts vorn hinter den Gardinen.)

Schigolch

Gib mir den Schlüssel her! (Nimmt Lulu den Schlüssel ab und schleppt sich die Treppe zur Galerie hinauf.)

Hugenberg

(ist vom Sessel unter den Tisch geglitten).

Lulu

Ich lasse bitten.

Ferdinand (ab)

Hugenberg

(lauscht vorn unter dem Saum der Tischdecke vor, für sich)

Er bleibt hoffentlich nicht — dann sind wir allein ...

Lulu

(berührt ihn mit der Fußspitze)

St!

Hugenberg (verschwindet)

Siebenter Auftritt

Alwa Schön. Die Vorigen.

Ferdinand

(läßt Alwa eintreten. Ab)

Alwa

(in Soireetoilette)

Die Matinee wird, wie ich mir denke, bei brennenden Lampen stattfinden. Ich habe ... (Schigolch bemerkend, der sich mühsam die Treppe hinaufschleppt) Was ist denn das?

Lulu

Ein alter Freund deines Vaters.

Alwa

Mir völlig unbekannt.

Lulu

Sie haben den Feldzug zusammen mitgemacht. Es geht ihm entsetzlich ...

Alwa

Ist denn mein Vater hier?

Lulu

Er hat ein Glas mit ihm getrunken. Er mußte auf die Börse. — Wir dejeunieren aber doch vorher?

Alwa

Wann geht es denn an?

Lulu

Nach zwei. (Da Alwa Schigolch mit dem Blick folgt) Wie findest du mich ...?

Schigolch

(über die Galerie ab)

Alwa

Sollte ich dir das nicht lieber verschweigen?

Lulu

Ich meine ja nur die Toilette.

Alwa

Deine Schneiderin kennt dich offenbar besser als ich — mir erlauben darf, dich zu kennen.

Lulu

Als ich mich im Spiegel sah, hätte ich ein Mann sein wollen ... (Sich unterbrechend) mein Mann! —

Alwa

Du scheinst deinen Mann um das Glück zu beneiden, das du ihm bietest. (Lulu links, Alwa rechts vom Mitteltisch. Er betrachtet sie mit scheuem Wohlgefallen.)

Ferdinand

(durch die Mitte mit Service, deckt den Tisch und legt zwei Kuverts auf; Flasche Pommery, Hors d’Oeuvres).

Alwa

Haben Sie Zahnschmerzen?

Lulu

(zu Alwa hinüber)

Nicht.

Ferdinand

Herr Doktor ...?

Alwa

Er scheint mir heute so weinerlich.

Ferdinand

(durch die Zähne)

Man ist auch nur ein Mensch. — — (Ab)

(Beide setzen sich zu Tisch)

Lulu

— Was ich immer am höchsten an dir schätzte, ist deine Charakterfestigkeit. Du bist deiner so vollkommen sicher! Wenn du auch fürchten mußtest, dich deshalb mit deinem Vater zu überwerfen, du bist trotzdem immer wie ein Bruder für mich eingetreten.

Alwa

Lassen wir das. Es ist nun einmal mein Los ... (Er will vorne die Tischdecke heben.)

Lulu (rasch)

Das war ich.

Alwa

Nicht möglich! — Es ist nun einmal mein Los, bei den leichtsinnigsten Gedanken immer das allerbeste zu erzielen.

Lulu

Du redest dir etwas ein, wenn du dich vor dir selber schlecht machst.

Alwa

Warum schmeichelst du mir so? — Es ist wahr, es lebt vielleicht kein so schlechter Mensch wie ich — der so viel Gutes zuwege gebracht hätte.

Lulu

Auf jedenfall bist du der einzige Mann auf dieser Welt, der mich beschützt hat, ohne mich vor mir selbst zu erniedrigen!

Alwa

Hältst du das für so leicht ...?

Achter Auftritt

Schön. Die Vorigen.

Schön

(erscheint auf der Galerie zwischen den beiden mittleren Säulen, indem er vorsichtig den Vorhang teilt. Über die Bühne wegsprechend)

Mein eigener Sohn!

Alwa

... Mit deinen Gottesgaben macht man seine Umgebung zu Verbrechern, ohne sich’s träumen zu lassen. — Ich bin auch nur Fleisch und Blut, und wenn wir nicht wie Geschwister nebeneinander aufgewachsen wären ...

Lulu

Deshalb gebe ich mich auch nur dir allein ganz ohne Rückhalt. Von dir habe ich nichts zu fürchten.

Alwa

Ich versichere dir, es gibt Augenblicke, wo man gewärtig ist, sein ganzes Innere einstürzen zu sehen. — Je mehr Selbstüberwindung ein Mann sich aufbürdet, um so leichter bricht er zusammen. Darüber hilft nichts hinweg als ... (er will unter den Tisch sehen)

Lulu (rasch)

Was suchst du denn?!

Alwa

Ich beschwöre dich, laß mich mein Glaubensbekenntnis für mich behalten! Als unantastbares Heiligtum warst du mir mehr, als du in deinem Leben mit all deinen Gaben irgend sonst jemandem sein konntest!

Lulu

Wie denkst du darin doch so ganz anders als dein Vater!

Ferdinand

(kommt durch die Mitte, wechselt die Teller und serviert Brathähnchen mit Salat).

Alwa

(zu Ferdinand)

Sind Sie krank?

Lulu

(zu Alwa)

Laß ihn doch!

Alwa

Er zittert wie im Fieber.

Ferdinand

Ich bin das Servieren noch nicht so gewohnt.

Alwa

Sie müssen sich was verschreiben lassen.

Ferdinand

(durch die Zähne)

Ich kutschiere gewöhnlich. — — (Ab)

Schön

(auf der Galerie, über die Bühne wegsprechend)

Der also auch. (Nimmt hinter der Brüstung Platz, sich nach Erfordernis mit dem Vorhang deckend.)

Lulu

Was sind das für Augenblicke, von denen du sprachst, wo man gewärtig ist, sein ganzes Innere zusammenstürzen zu sehen?

Alwa

Ich wollte nicht davon sprechen. — Ich möchte nicht gern über einem Glas Champagner verscherzen, was mir während zehn Jahren mein höchstes Lebensglück gewesen.

Lulu

Ich habe dir weh getan. Ich will nicht wieder davon anfangen.

Alwa

Versprichst du mir das für immer?

Lulu

Meine Hand darauf. (Reicht ihm ihre Hand über den Tisch)

Alwa

(ergreift sie zögernd, preßt sie in der seinigen, drückt sie lang und innig an seine Lippen)

Lulu

Was tust du ...

Rodrigo

(steckt rechts den Kopf aus den Gardinen)

Lulu

(wirft ihm über Alwa hinweg einen wütenden Blick zu)

Rodrigo

(zieht sich zurück)

Schön

(auf der Galerie, über die Bühne wegsprechend)

Und da ist noch einer!

Alwa

(ihre Hand haltend)

Eine Seele — die sich im Jenseits den Schlaf aus den Augen reibt ... O diese Hand ...

Lulu (harmlos)

Was findest du daran ...

Alwa

Einen Arm ...

Lulu

Was findest du daran ...

Alwa

Einen Körper ...

Lulu (unschuldig)

Was findest du daran ...

Alwa (erregt)

Mignon!

Lulu

(völlig verständnislos)

Was findest du daran ...

Alwa (leidenschaftlich)

Mignon! Mignon!

Lulu

(wirft sich auf die Ottomane)

Sieh mich nicht so an — um Gottes willen! Laß uns lieber gehen, ehe es zu spät ist. Du bist ein verworfener Mensch!

Alwa

Ich sagte dir ja, ich bin der niederträchtigste Schurke ...

Lulu

Das sehe ich!!

Alwa

Ich habe kein Ehrgefühl — keinen Stolz ...

Lulu

Du hältst mich für deinesgleichen!

Alwa

Du? — du stehst so himmelhoch über mir wie — wie die Sonne über dem Abgrund ... (Kniend) Richte mich zu Grunde! — Ich bitte dich, mach’ ein Ende mit mir! — Mach’ ein Ende mit mir!

Lulu

Liebst du mich denn?

Alwa

Ich bezahle dich mit allem, was mein war!

Lulu

Liebst du mich?!

Alwa

Liebst du mich — Mignon ...?

Lulu

Ich? — Keine Seele.

Alwa

Ich liebe dich. (Birgt seinen Kopf in ihrem Schoß)

Lulu

(beide Hände in seinen Locken)

— Ich habe deine Mutter vergiftet ...

Rodrigo

(steckt rechts den Kopf aus den Gardinen, sieht Schön auf der Galerie sitzen und macht ihn durch Zeichen auf Lulu und Alwa aufmerksam)

Schön

(richtet seinen Revolver gegen Rodrigo)

Rodrigo

(bedeutet ihn, den Revolver auf Alwa zu richten)

Schön

(spannt den Revolver und zielt auf Rodrigo)

Rodrigo

(fährt hinter die Gardinen zurück)

Lulu

(sieht Rodrigo zurückfahren, sieht Schön auf der Galerie sitzen, erhebt sich)

Sein Vater!

Schön

(erhebt sich, läßt den Vorhang vor sich nieder)

Alwa

(bleibt regungslos auf den Knieen)

(Pause)

Schön

(eine Zeitung in der Hand, nimmt Alwa bei der Schulter)

Alwa!

Alwa

(erhebt sich wie schlaftrunken)

Schön

In Paris ist Revolution ausgebrochen.

Alwa

Nach Paris ... laß mich nach Paris ...

Schön

Auf der Redaktion rennen sie sich den Kopf gegen die Wand. Keiner weiß, was er schreiben soll ... (Entfaltet das Zeitungsblatt, geleitet Alwa durch die Mitte hinaus)

Rodrigo

(stürzt rechts aus den Gardinen, will die Treppe hinan)

Lulu

(vertritt ihm den Weg)

Sie können hier nicht hinaus.

Rodrigo

Lassen Sie mich durch!

Lulu

Sie rennen ihm in die Arme.

Rodrigo

Er jagt mir sein Pistol durch den Kopf.

Lulu

Er kommt.

Rodrigo (zurücktaumelnd)

Himmel, Tod und Wolkenbruch! (Hebt die Tischdecke)

Hugenberg

Kein Platz!

Rodrigo

Verdammt und zugenäht! (Sieht sich um, verbirgt sich links hinter der Portiere)

Schön

(durch die Mitte, verschließt die Tür, geht, den Revolver in der Hand, auf das Fenster rechts vorn zu, schlägt die Gardine in die Höhe)

— Wo ist denn der hin?

Lulu

(auf den untersten Treppenstufen)

Hinaus.

Schön

Über den Balkon hinunter??

Lulu

Er ist Kunstturner.

Schön

Das war nicht vorauszusehen. — (sich gegen Lulu wendend) Du Kreatur, die mich durch den Straßenkot zum Martertode schleift!

Lulu

Warum hast du mich nicht besser erzogen?

Schön

Du Würgengel! Du unabwendbares Verhängnis! Mörder werden oder im Schmutz ertrinken; mich einschiffen wie ein entlassener Sträfling, oder mich über dem Morast aufhängen. Du Freude meines Alters! Du Henkerstrick!

Lulu (kaltblütig)

Schweig doch und bring mich um!

Schön

Ich habe dir Hab und Gut verschrieben und nichts gefordert, als die Achtung, die meinem Haus jeder Dienstbote zollt. Dein Kredit ist erschöpft!

Lulu

Ich kann noch auf Jahre für meine Rechnung einstehen. (Von der Treppe nach vorn kommend) Wie gefällt dir mein neues Kleid?

Schön

Weg mit dir, sonst schlägt’s mir morgen über den Kopf, und mein Sohn schwimmt in seinem Blute. Du haftest mir als unheilbare Seuche an, an der ich bis in mein Grab meine Lebenszüge verächzen soll. Ich will mich heilen. Begreifst du mich? (Ihr den Revolver aufdrängend) Das ist dein Specificum. — Brich nicht in die Knie! — Du sollst es dir selbst applizieren. Du oder ich, wir messen uns.

Lulu

(hat sich, da die Kräfte sie zu verlassen drohen, auf den Diwan niedergelassen; den Revolver hin und herdrehend)

Das geht ja nicht los.

Schön

Weißt du noch, wie ich dich der Korrektionspolizei aus den Krallen riß?

Lulu

Du hast viel Zutrauen ...

Schön

Weil ich eine Dirne nicht fürchte? Soll ich dir die Hand führen? Hast du selbst kein Erbarmen mit dir? (Da Lulu den Revolver gegen ihn richtet) Keinen blinden Lärm!

Lulu

(knallt einen Schuß gegen den Plafond)

Rodrigo

(springt aus der Portiere, die Treppe hinauf, über die Galerie ab).

Schön

Was war das ...?

Lulu (harmlos)

Nichts.

Schön

(die Portiere hebend)

Was kam da herausgeflattert?

Lulu

Du leidest an Verfolgungswahn.

Schön

— Hältst du noch mehr Männer hier versteckt? (Ihr den Revolver entreißend) Ist sonst noch ein Mann bei dir zu Besuch? (Nach rechts gehend) Ich will deine Männer regalieren! (Schlägt die Fenstergardinen in die Höhe, wirft den Kaminschirm zurück, packt die Geschwitz am Kragen und schleppt sie nach vorn) Kommen Sie durch den Rauchfang herunter?

Geschwitz

(in Todesangst zu Lulu)

Retten Sie mich vor ihm.

Schön

(sie schüttelnd)

Oder sind Sie auch Kunstturner?

Geschwitz (wimmernd)

Sie tun mir weh.

Schön

(sie schüttelnd)

Jetzt müssen Sie notwendig noch zum Diner bleiben. (Schleppt sie nach links, stößt sie ins Nebenzimmer, verschließt die Tür hinter ihr) Wir wollen keine Ausrufer. (Setzt sich neben Lulu, drängt ihr den Revolver auf) Es ist noch genug für dich drin. — Sieh mich an! Ich kann in meinem Haus meinem Kutscher nicht helfen, mir die Stirn zu verzieren. Sieh mich an! Ich bezahle meinen Kutscher. Sieh mich an! Vergönne ich meinem Kutscher was, wenn ich den infamen Stallgeruch nicht verschnupfen kann?

Lulu

Laß anspannen. Bitte. Wir fahren in die Oper.

Schön

Wir fahren zum Teufel! Jetzt kutschiere ich. (Den Revolver in ihrer Hand von sich ab und auf Lulus Brust wendend) Glaubst du, man läßt sich mißhandeln, wie du mich mißhandelst, und besinnt sich zwischen einer Galeerenschande von Lebensabend und dem Verdienst, die Welt von dir zu befreien? (Hält sie am Arm nieder) Komm zu Ende. Es soll mir die glücklichste Erinnerung meines Lebens sein. Drück’ los!

Lulu

— Du kannst dich scheiden lassen.

Schön

(sich erhebend)

Das war noch übrig. Damit morgen ein Nächster seinen Zeitvertreib findet, wo ich von Abgrund zu Abgrund geschaudert, den Selbstmord im Nacken und dich vor mir. Das wagt sich dir über die Lippen? Was ich von meinem Leben in dich hineingelebt, soll ich wilden Tieren vorgeworfen sehen? Siehst du dein Bett mit dem Schlachtopfer darauf? Der Junge hat Heimweh nach dir. — Hast du dich scheiden lassen? Du hast ihn unter die Füße getreten, ihm das Gehirn ausgeschlagen, sein Blut in Goldstücken aufgefangen. Ich mich scheiden lassen! Läßt man sich scheiden, wenn die Menschen ineinander hineingewachsen und der halbe Mensch mitgeht? (Nach dem Revolver langend) Gib her.

Lulu

Erbarmen!

Schön

Ich will dir die Mühe abnehmen.

Lulu

(reißt sich von ihm los, den Revolver niederhaltend, in entschiedenem selbstbewußten Ton)

— Wenn sich die Menschen um meinetwillen umgebracht haben, so setzt das meinen Wert nicht herab. — Du hast so gut gewußt, weswegen du mich zur Frau nimmst, wie ich gewußt habe, weswegen ich dich zum Mann nehme. — Du hattest deine besten Freunde mit mir betrogen, du konntest nicht gut auch noch dich selber mit mir betrügen. — Wenn du mir deinen Lebensabend zum Opfer bringst, so hast du meine ganze Jugend dafür gehabt. Du verstehst dich zehnmal besser als ich darauf, was höher im Wert steht. Ich habe nie in der Welt etwas anderes scheinen wollen, als wofür man mich genommen hat, und man hat mich nie in der Welt für etwas anderes genommen, als was ich bin. — Du willst mich dazu zwingen, mir eine Kugel ins Herz zu jagen. Ich bin keine sechzehn Jahre mehr; aber um mir eine Kugel ins Herz zu jagen, dafür bin ich mir doch noch zu jung!

Schön

(auf sie eindringend)

Nieder, Mörderin! Nieder mit dir! In die Knie, Mörderin! (Er drängt sie bis vor die Treppe. Die Hand erhebend) Nieder — und wage nicht wieder aufzustehn!

Lulu

(ist in die Knie gesunken).

Schön

Bete zu Gott, Mörderin, daß er dir Kraft gibt! Flehe zum Himmel, daß er dir die Kraft dazu verleiht!

Hugenberg

(unter dem Tisch aufspringend, den Sessel beiseite stoßend)

Hilfe!

Schön

(wendet sich gegen Hugenberg, Lulu den Rücken kehrend).

Lulu

(feuert fünf Schüsse gegen Schön und hört nicht auf, den Revolver abzudrücken).

Schön

(vornüberstürzend, von Hugenberg aufgefangen, der ihn in den Sessel niederläßt)

Und — da — ist — noch — einer ...

Lulu

(auf Schön zustürzend)

Allbarmherziger ...

Schön

Aus meinen Augen! — — — Alwa!

Lulu

(auf den Knien)

Der Einzige, den ich geliebt!

Schön

Dirne! Mörderin! — Alwa! Alwa! — Wasser!

Lulu

Wasser; er verdurstet. (Füllt ein Glas mit Champagner und setzt es Schön an die Lippen)

Alwa

(kommt über die Galerie, die Treppe herunter)

Mein Vater! Um Gottes willen, mein Vater!

Lulu

Ich habe ihn erschossen.

Hugenberg

Sie ist unschuldig!

Schön

(zu Alwa)

Du bist es. Es ist mißglückt.

Alwa

(will ihn aufheben)

Du mußt zu Bett. Komm.

Schön

Faß mich nicht so an. — Ich verdorre ...

Lulu

(kommt mit dem Champagnerkelch).

Schön (zu Lulu)

Du bleibst dir gleich. (Nachdem er getrunken, zu Alwa) Laß sie nicht entkommen. — Du bist der Nächste ...

Alwa

(zu Hugenberg)

Helfen Sie mir, ihn aufs Bett bringen.

Schön

Nein, nein, bitte, nein. Sekt, Mörderin ...

Alwa (zu Hugenberg)

Fassen Sie mit an. (nach links deutend) Ins Schlafzimmer. (Beide richten Schön empor und führen ihn nach rechts. Lulu bleibt neben dem Tisch, das Glas in der Hand)

Schön (stöhnend)

O Gott, o Gott, o Gott ...

Alwa

(findet die Tür verschlossen, dreht den Schlüssel und öffnet)

Gräfin Geschwitz

(tritt heraus)

Schön

(sich bei ihrem Anblick steif emporrichtend)

Der Teufel! — (schlägt rücklings auf den Teppich)

Lulu

(wirft sich neben ihn, nimmt seinen Kopf auf den Schoß, küßt ihn)

Er hat es überstanden. — (Richtet sich auf, will die Treppe hinan)

Alwa

Nicht von der Stelle! —

Geschwitz (zu Lulu)

Ich glaubte, du wärest es.

Lulu

(sich vor Alwa niederwerfend)

Du kannst mich nicht dem Gericht ausliefern. Es ist mein Kopf, den man mir abschlägt. Ich habe ihn erschossen, weil er mich erschießen wollte. Ich habe keinen Menschen auf der Welt geliebt, als ihn. Alwa, verlang, was du willst. Laß mich nicht der Gerechtigkeit in die Hände fallen. Es ist schade um mich! Ich bin noch jung. Ich will dir treu sein mein Leben lang. Ich will nur dir allein gehören. Sieh mich an, Alwa. — Mensch, sieh mich an! Sieh mich an!

(Von außen wird an die Türe gepoltert)

Alwa

Die Polizei. (Geht um zu öffnen)

Hugenberg

Ich werde von der Schule gejagt.

Georg Müller Verlag München

Frank Wedekind

Die junge Welt.
Komödie in drei Aufzügen.
2. Auflage. 2.— M., gebunden 3.— M.

Frühlings Erwachen.
Eine Kindertragödie.
25. Auflage. 2.— M., gebunden 3.— M.

Der Liebestrank.
Schwank in drei Aufzügen.
2. Auflage. 2.— M., gebunden 3.— M.

Erdgeist. (Lulu, I. Teil.)
Eine Tragödie.
3. Auflage. 2.50 M., gebunden 3.50 M.

Die vier Jahreszeiten.
Gedichte.
4. Auflage. 3.— M., gebunden 4.— M.

Feuerwerk.
Erzählungen.
4. und 5. Auflage. 3.— M., gebunden 4.— M.

Der Kammersänger.
Drei Szenen.
4. Auflage. 1.50 M., gebunden 2.50 M.

Der Marquis von Keith.
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2. Auflage. 2.— M., gebunden 3.— M.

Die Büchse der Pandora. (Lulu, II. Teil.)
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Neu bearbeitet und mit einem Vorwort versehen.
5. und 6. Auflage. 3.— M., gebunden 4.— M.
7. neubearbeitete Bühnenausgabe geheftet 2.— M., gebunden 3.— M.

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2. Auflage. 2.— M., gebunden 3.— M.

König Nicolo oder So ist das Leben.
Schauspiel in drei Aufzügen.
3. Auflage. geheftet 2.— M., gebunden 3.— M.

Tod und Teufel.
(Totentanz.) Drei Szenen.
3. und 4. Auflage. 1.50 M., gebunden 2.50 M.

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Anmerkungen zur Transkription

Der Text folgt der Ausgabe im Georg Müller Verlag, München und Leipzig, 1912.

Die Schreibweise und Zeichensetzung des Originales wurden weitgehend beibehalten. Nur offensichtliche Fehler wurden, teilweise unter Verwendung weiterer Ausgaben, korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher):