The Project Gutenberg eBook of Der Weihnacht-Abend This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Der Weihnacht-Abend Author: Gustav Schilling Release date: December 21, 2016 [eBook #53780] Language: German Credits: Produced by the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project. *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WEIHNACHT-ABEND *** Produced by the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project. [Illustration: Tollkühner!] Der Weihnacht-Abend. Von Gustav Schilling. Wien, 1817. Bey Anton Pichler. Der Weihnacht-Abend. Erstes Kapitel. Der Nordwind blies, der Schnee fiel in großen Flocken, die Regenschirme zärtlicher Eltern und Liebhaber bedeckten den Christmarkt. »Laßt mich ein Kind seyn!« sprach Woldemar und zog seinen Freund in das sehenswerthe Gedränge. Hier feilschten Mädchen eine Wiege, dort stand der grämliche Küster unter einer Glorie von Hannswürsten, der General vor dem Stalle zu Bethlehem, der Staats-Rath unter Steckenpferden. Eine Reihe neugebackener, reich versilberter Potentaten lockte die täuschbaren Kinder an. »Hierher meine gnädigen Herrn!« rief des Hof-Conditors süße Rosine. »Sehen Sie nur die schöne Bescheerung. Rosseaus Grab, Harlekins Hochzeit, Mariä Verkündigung und diese niedliche Papagena.« Die Freunde traten näher, besahen das Grab, die Hochzeit, das Mädchen selbst. Lachend verglich sie Julius der Vogelfängerin, Woldemar aber erröthete, denn nur ein Säugling bedeckte Papagenas gesegnete Brust; die Verlegenheit macht' ihn zum Käufer und Rosine öffnete dankbar ihr Döschen, um ihn mit ächten Diabolini's zu bewirthen. Der Adjutant störte die Gäste. Wenn es Dir, »sprach er zu Woldemar« anders noch Ernst damit ist in das neue Frey-Corps zu treten so eile, Dich dem General vorzustellen. Er steht im Begriff zu der Armee abzugehn. Wisse Freund, »erwiederte dieser« daß mein Schicksal in den Händen einer unschlüssigen Fee liegt, die mich bald anzieht, bald entfernt, mir heute räth in den Krieg zu ziehen, mich morgen dann nicht lassen will -- Doch soll es sich noch heut entscheiden. Damit steckt' er die wächserne Papagena ein und verschwand unter dem Haufen. Zweytes Kapitel. Herr Wahl, der Oheim, und Vormund dieser Schicksals-Göttin saß indeß daheim vor dem Hauptbuch, freute sich der eben gezogenen Bilanz, hieß den Seidenhändler Merker viel freundlicher als sonst willkommen und sprach sofort vom Curs, von Geschäften, vom plötzlichen Fall eines bedeutenden Hauses. Herr Merker schnippte den Staub von seinem Ermel, zog den Stockknopf vom Munde, räusperte sich und rief: »Was fällt das fällt! Wir, denk' ich, bleiben stehen.« So Gott will! brummte der Alte und faltete in stiller Andacht seine Hände. Ich stehe gut. Ist mir bekannt. Doch immer noch auf Freyers Füßen. Geduldig zwar, doch auch zuweilen mit Ungeduld. Wenn Ihre Jungfer Nichte sich endlich nun entschliessen wollte -- oder bereits entschlossen hätte -- Wie? Dann »fiel der Oheim ein« wäre uns beyden geholfen, denn das Mädchen ist meine einzige Sorge. Ich sollte mich ärgern, aber das hilft nichts -- Ein Machtwort sprechen, Herr Kollege, ein Machtwort -- Da sey Gott für! Der gab ihr ja, wie uns, den freyen Willen. So? -- Ja! und vier Liebhaber zu meiner Plage. Bedeuten nichts! den einen haßt, den andern verachtet sie, der dritte ward ihr verdächtig, der vierte endlich ist ein armer Teufel. Ohne Mittel, ohne Tittel, ein Herr _von_ -- _von nichts_ sag' ich Ihnen. Das sind die Schlimmsten -- Ein redliches Gemüth übrigens -- Heuchelschein! Dem sollten Sie das Haus verbiethen! Ey bewahre! Herminchen sieht ihn nicht ungern, und wer ihr zusagt, den nehme sie. Die Bräute sind wie Lämmer zu betrachten, die zur Schlachtbank geführt werden; wie arme Sünderinnen denen denn, nach hergebrachter, christlicher Sitte, jedes billige Verlangen allerdings zu gewähren ist. Um ihrer selbst willen nimmt sie ja doch keiner. Den einen kirrt der Mutterwitz, den andern ein Grübchen, den dritten nichts besseres: Sie und Ihres Gleichen -- solide Leute mein' ich -- die Mitgift. Und was wird ihr denn für die und für jenes? Evens Erbtheil! die herbe Knechtschaft, Schmerz und Jammer. Wir gehen indeß ein bischen da- ein bischen dorthin und gehaben uns wohl. Hermine hüpfte jetzt herein, an dem Freyer vorüber zum Onkel hin, welcher nach einem leisen, scherzhaften Wortwechsel das Zimmer verließ. Sie wollt' ihm folgen als Herr Merker unter steifen Verbeugungen ihren Arm ergriff und Anstalt zu einem Handkuß machte. Das Mädchen zog den Arm zurück, er folgte ihr mit gespitztem Munde, bald tief hinab, bald in die Höhe nach und immer lauter lachte sie, und immer schneller flog die Hand bald rechts, bald links um seinen Scheitel. Der Geneckte ließ jetzt ab; doch stampfte er ein wenig mit dem Fuße. Hermine zog einen niedlichen Pantalon aus dem Ridikül, bedeckte ihn mit Küssen, nannt ihn mit süßen Nahmen, ließ das Männchen aus ihrer Hand in die seine hüpfen und sprach »Den bescheerte mir der heilige Christ.« Herr Merker sah in dem Sprunge des Püppchens ein Merkzeichen ihrer Gunst. »Da hab ich mich besser angegriffen!« rief er, an seine Tasche schlagend. Wahrhaftig? O, ich glückliche. Und das konnten Sie über sich gewinnen? Was seyn muß, muß seyn! sprach er mit Achselzucken. Nun, so bescheeren Sie denn! Wir werden ja sehen. Die Gabe schildert den Geber, sie ist das Probemaß seines Geschmacks, und seiner Empfindungs-Weise. Für's erste »hob er an« etwas Sammt zu einer Besetzung, und der ist _extra_, Theuerste! Dann diesen Ring; ein Erbstück von der seligen Großmutter. Solche Kleinodien machen sich rar. Endlich und zuletzt einen sogenannten Koselschen Gulden den ich in Ihrer Münz-Sammlung vermißte -- Wenig mit Liebe. Nehmen Sie! Ohne Widerrede! Das Mädchen ließ den Sammt auf die Tafel, den Ring in seinen Hut, und das seltene Kabinets-Stück zu Boden fallen, drehte sich unter einem hellen Gelächter um ihre Achse und verschwand. Herr Merker wußte nicht wie ihm geschah. Ein sauberes Lamm! »sprach er endlich« Ey wenn Du doch heute noch auf die Schlacht-Bank geführt würdest! Drittes Kapitel. Ein Anbether folgte heute den andern, doch Hermine ließ sich verläugnen, sandte ihre Kains Opfer zurück und sah vergebens bis zum Abend dem einzigen Willkommenen entgegen. Woldemar ließ sich nicht blicken. Sie zögerte mit dem Nacht-Essen, sie eilte von Minute zu Minute ans Fenster und als der Onkel endlich zu Bette ging, voll Mißmuth in ihr Schlafgemach. »Der Undankbare!« schalt das Mädchen und warf den Ueberrock ab. »Der Bestandlose!« fuhr sie fort, und löste mit Ungestüm die Schleifen. »Der Verblendete!« setzte sie seufzend hinzu und nahm jetzt befremdet eine wächserne Papagena wahr. Lächelnd saß das Püppchen unter dem Spiegel; es lag ein Notenblatt zu seinen Füßen. _Er ist Dir nah!_ sprach der Text -- Er ist Dir nah, er lauscht am Freuden-Quelle. Des Kühnen Muth, der Sehnsucht heiße Welle, Der Liebe Schmerz dräng ihn zur stillen Zelle In's Heiligthum der Zauberin. Hermine ließ das wahrsagende Blatt fallen und warf bestürzt ihre leuchtenden Augen umher, da rauschte der Vorhang des Alkovens und Woldemar trat, einem Genius gleich, aus dem Dunkel. Sie wollt' ihrem Mädchen rufen, wollte zürnen, wollte fliehen und floh -- in seinen Arm. »Tollkühner!« stammelte sie unter den Küssen des Jünglings. Er zog die Liebliche an's Herz, ihre Thränen bedeckten ihn; sie verbarg das glühende Gesicht an seiner Brust. »Mein also?« rief er aus. »O himmlische Weih-Nacht!« Viertes Kapitel. Früher als zu fürchten stand, ging Merkers letzter Segen in Erfüllung. Woldemar kehrte spät genug von dem Freuden-Quelle zurück; seine Wangen brannten, seyn Herz bebte; er sah begeistert zu den verblichenen Sternen auf, im Morgenroth die Farbe der Braut, im Wolkenflug den Tanz der schönsten Horen: entzückende, bedeutungsvolle Träume reiheten sich an die selige Wirklichkeit und auch diese erschien ihm, als er am hohen Mittag erwachte, nur wie ein Trugbild des Phantasus, denn die feurige Welle deren das Notenblatt gedachte, trug ihn weit über die Grenze seines Willens und seiner Erwartung hinaus. Gestern erst hatte der Verschlossene, von dem Adjutanten gedrängt, einige Worte über das Geheimniß seines Herzens verlohren. Jetzt war der Wurf gelungen, jetzt sollte Julius sich mit ihm freun, jetzt sollte der Wildfang in Herminens Nähe geführt, von ihrer Anmuth gewonnen, von ihrem Werth ergriffen, erleuchtet von dem Himmelsglanz dieser Seele, zu dem längst verscherzten Glauben an die sittliche Güte des bessern Geschlechtes zurückkehren. Lästige Besuche hielten ihn fest, es war schon Abend, als Woldemar in des Freundes Behausung kam. Zwar fand er sie verschlossen, aber er hatte Licht gesehn, schlich, vertraut mit den Zugängen durch eine Hinterthür und trat, überraschend genug, in's Kabinet. Julius sprang aus dem Arm eines Mädchens empor, das sich laut schreiend aufraffte und durch die offene Thür entfloh. Woldemar stürzte ihr nach. »Hermine!« rief er, aber sie war unter dem Schutze der Nacht verschwunden. Er stand erstarrt auf offener Straße. Daß sie es war, litt keinen Zweifel, der Irrthum lag ausser dem Gebiete der Möglichkeit. Er hatte ihr Gesicht gesehn, jeden Zug unterschieden. Das war ihr Hauskleid, das ihr Palatin und das sein Liebling unter ihrem Häubchen. »Du Störenfried!« sprach Julius der ihm gefolgt war. Sage mir »fragte Woldemar« auf Deine Seele frag ich Dich, war das die Wahl? Julius schwieg betroffen still. Sie war's! gestand er endlich. Sie war's? rief jener aus und schlich sich heim. Der Zustand seines Gemüths kann leichter empfunden als beschrieben werden. Unglücklicher »sprach sein Gewissen« wie mancher Pflicht hast Du entsagt, wie manches Glück verschmäht, wie manche Blume der Jugend hingeworfen, um der Eigensucht deines Götzen, den Launen einer Buhlerin zu fröhnen! Der Adjutant unterbrach dieses heilsame Selbst-Gespräch. Noch immer »sagte er« läuft Dir das Glück nach. Ich komme jetzt um anzufragen, ob Dich die räthselhafte Göttin deren Du gestern gedachtest auch heute noch am Ziegel hält? Woldemar wendete sich schaamroth ab. Jener drehte ihn schnell um seine Achse, sah ihm tief in die unstäten Augen und sprach »Täuscht mich nicht alles, so ward die Fee zur Furie, oder zur Hexe, oder zum unerbittlichen Schicksal. Hin ist hin! Ermanne Dich, tritt zu den Freykorps. Der Würgengel ist ein wohlthätiger Genius, der alle diese zwerghaften Quälgeister des Stilllebens austreibt und die entarteten, verzauberten Männer von dem Rocken ihrer Omphale losschließt; das Bett der Ehre ist reitzender als das der Schäferin, und der Riese der Gefahr minder furchtbar als eine schmollende Tyrannin mit dem feindseligen Gesindel ihrer Grillen.« Führe mich zum General, »fiel Woldemar erheitert ein« ich bin der Deine. Mit Freuden weih ich mich von nun an dem Tode. Schlag ein! »entgegnete der Adjutant, und drückte ihn an seine Brust.« Hand in Hand zum ernsten Waffentanze! Bestelle Dein Haus, wir gehn nach wenigen Stunden zur Armee ab. Fünftes Kapitel. Als Julius am Morgen der schlaflos hingebrachten Nacht zu dem Freund eilte, um sich von der eigentlichen Triebfeder seines gestrigen Ueberfalls und Benehmens zu unterrichten, klopft' er lange ungehört an alle Thüren. Endlich kam der Wirth herbey, beklagte den Verlust eines so lieben Hausgenossen, erzählte dem Baron, daß ihm Woldemar einige Koffer in Verwahrung gegeben und vor Tage noch mit Extrapost abgereist sey. Dieser bestand auf einem Briefe, welchen sein Freund nothwendig für ihn zurückgelassen haben müsse und vermochte den Wirth die Zimmer zu öffnen, doch fand sich nirgends ein solcher vor, wohl aber lag Herminens Schattenriß zerrissen am Boden. Julius begriff so wenig wie sich dieß Bild zu dem Geflohenen, als gestern Woldemar, wie das Original in die Arme des Barons sich habe verlieren können. Erblassend las er die Stücke auf und kehrte, jenem gleich, von Mißtrauen, Aerger und Argwohn gefoltert, zurück. Woldemar zog indeß in Erinnerungen an den kurzen Göttertraum seines Lebens versunken, dem fernen Ziele der neuen Bestimmung entgegen und verwünschte diese bereits, als er sich, um ihm die nöthigen Vorkenntnisse zu verschaffen, im Rücken der Armee, bey dem Depot des Regiments angestellt sah. Die Edelfrau des Rittersitzes auf dem man ihm sein Quartier anwies, empfing den erstarrten, mit Eis und Schnee bedeckten Officier aufs wohlwollendste und führte ihn unter herzlichen Aeußerungen von Theilnahme in ein freundliches Stübchen, das mit allen, lang entbehrten Bequemlichkeiten versehen war. Ueberall sprachen ihn Bilder des Friedens, Symbole eines schön geordneten Lebens an; er sah in der gütigen Baronin seine selige Mutter, in dem holden, geschäftigen Fräulein den Schutzgeist des Hauses, in ihrer reitzenden, geistvollen Gesellschafterin den traulichen Genius der Freundschaft. Die Wolken des tiefen, lang genährten Unmuths brachen sich, ein heller Sonnenblick fiel in sein Herz. Woldemar eilte, sich umzukleiden und wartete der Baronin auf. Sie nahm das Wort, unterhielt ihn von den unseligen Früchten des Kriegs, von den Schrecken die er verbreitete, von der Angst in die er sie schon oft versetzt, von dem hoffnungsvollen, einzigen Sohne, den ihr die erste Schlacht geraubt habe. Der Zuhörer hatte indeß bald zu dem Flügel auf dem Auguste nur einzelne, leise Töne anschlug, bald an den Nähtisch der Gesellschafterin hingesehen, hatte des Fräuleins blonde Locken mit Julianens schwarzen Flechten, ihr blaues, himmelreines Auge mit diesen dunkeln, misterischen, Augustens zarten, wie von Geisterhand gewebten Bau mit der üppigen Fülle der Frau von Wessen verglichen, die ihm jetzt als die Wittwe des Gefallenen vorgestellt ward. Auguste hörte kaum des verlohrnen Bruders gedenken, als ihre Hand unwillkührlich ein Adagio anschlug; schnell aber zog sie sich zurück, um den Perlen des schwesterlichen Thränen-Opfers zu begegnen: Frau von Wessen hingegen nähete gleichmüthig fort und sprach mit süßem Silberton »O, lassen wir ihn ruhn, _ma mere_! Welche Hölle wird das Leben, wenn uns der schwarze Geist der Vergangenheit die Genüsse der Gegenwart verkümmern darf. Ich für meinen Theil habe mich gewöhnt jeden Abend aus der Lethe zu trinken, um mit jedem Morgen zu einem neuen Leben aufzustehen.« Auf diesem Wege »entgegnete Woldemar« wird uns der schwarze Geist allerdings immer gerüstet finden und keine lächelnde Hore ungenossen vorüber fliehen. Verständ' ichs nur mich an den heiligen Strom zu betten. »Der Wille macht ihn dienstbar« entgegnete Julie. »Der Leichtsinn vielmehr!« fiel die Baronin ein. »Die göttliche Gabe!« erwiederte jene. Wir klagen fort und fort ein Schicksal an, daß nur den Feigen geißelt und verfolgt. Aber man ziehe doch -- es gilt den Versuch -- jede vorschnelle Sorge für die Zukunft, jede unnütze Nachwehe der Vergangenheit, jede Distel des ziellosen Stunden-Kummers aus dem Strauß eines Jahres, und ich bin gewiß daß uns der freundliche Rest mit den wenigen, unvertilgbaren Dornen versöhnen wird. Die Baronin, welche nach Art allezeitfertiger Kreuzträgerinnen Geschmack am Leide, Zerstreuung in der Klage, Genuß im Kummer fand und wie jene der Hoffnung lebte, dort um so herrlicher zu prangen, je demüthiger und zerknirschter sie sich hier unter der Hand Gottes gekrümmt habe, bewies in einer ausführlichen Gegenrede die Unzureichbarkeit dieses Receptes. Auguste blätterte in ihren Noten, Woldemar aber warf bereits, dem Rathe gemäß, den verdächtigen Freund und die tugendlose Braut aus dem Kranz seines Lebens, um ihn durch jene glühende Rose und dies liebliche, mit dem Himmelsthau der Thränen bedeckte Veilchen zu ergänzen. Selbst seine Anstellung bey dem Depot, vorhin eine Quelle des Mißmuths, ward jetzt als eine göttliche Schickung ganz ohne Murren hingenommen und der liebenswerthe Gast kehrte erst spät am Abend, von dem Wohlwollen der Töchter und dem Zutrauen der Mutter begleitet, in das heimliche Stübchen zurück. Sechstes Kapitel. Schnell genug »schrieb ihm Julius bald darauf« hat sich das seltsame Räthsel, welches uns entzweyte und den friedlichen Schäfer zum Wehrwolf machte, gelöst. Der Freund eilt deshalb, den unschuldigsten aller jetzt lebenden Freybeuter mit Aufschlüssen zu versehen, die Dich ohnfehlbar aus dem eisernen Felde an das Herz einer viel süßern Beute zurückführen werden. Ich kam, wie Du weißt, im November von Paris zurück, bezog mein gegenwärtiges Quartier, stellte mich aus angestammter Galanterie den sämmtlichen Hausgenossen vor und fand im Laufe dieser Arbeit einen Schatz der weder von Tanten noch Riesen, noch Drachen bewacht, des Schutzes dennoch mehr als einer bedürftig schien. Das einsame Mädchen ließ mich zu wiederholten Mahlen die Schelle ziehen. Sie sah, (ich merkte es deutlich) durch's Schlüßelloch, öffnete endlich, im Glauben an die Arglosigkeit, welche ich während dieser Besichtigung auf Stirn und Lippe treten ließ, das enge Dachstübchen, führte mich über eine Saat von Flohr-Schnitzeln zu dem einzigen Stuhle hin und nahm, dem Gaste gegenüber, auf ihrem Bettchen Platz. Ich verglich sie nach den ersten Begrüssungen der Perl, die des Zufalls Laune in eine unscheinbare Wohnung vergräbt, sie aber bestand darauf nur ein Blümchen zu seyn, das des Zufalls Spiel vor kurzem hergeweht habe. Ein Wort veranlaßte das andere, meine Theilnahme erweckte Vertrauen, die reiche Stickung meines Kleides Hoffnungen auf einen Engel vom Himmel, und so erfuhr ich denn, daß die bildschöne Putzmacherin ein Kind der Liebe, daß sie um gewisse Rechte geltend zu machen, hieher gekommen sey und sich bis zu Austrag dieser Angelegenheit von der Arbeit ihrer Hände nähre. Du glaubst nicht wie reitzend Therese durch dieß Geständniß in meinen Augen ward, mit welcher Schonung, welchem himmlischen Erröthen sie ihrer Mutter, in wenig leisen, kaum vernehmbaren Tönen jener Schwäche zieh, wie sichtlich es ihr weh that, vom jungfräulichen Zartgefühl gebunden, den Fehltritt, welcher der Erde eine Grazie gab, unentschuldigt lassen zu müssen. Ich that es jetzt an ihrer Statt, und gebehrdete mich so ehrbar und zierlich wie der Engel der Verkündigung in alten Comödien. Auch wollte Therese bereits von der Frau Wirthin eine Schilderung meiner mannigfaltigen Vorzüge vernommen haben, und es kostete mir nicht wenig, die Frau Hausbesitzerin der Partheylichkeit zu bezüchtigen. Jetzt gab es endlich eine Pause. Sie machte, des Lebewohls gewärtig, eine leise Bewegung, ich aber hielt noch unverrückt das Wasserglas und zwey Semmel-Schnitten, wahrscheinliche Reste ihres Mittags-Mahls im Auge und vermißte zu meinem Verdruß den kecken Muth mit dem ich oft so mancher ihrer Schwestern einen viel zweydeutigern Beystand geboten hatte. Es gibt »sprach ich endlich im Ton der Weihe« es gibt der Wölfe die im Schafskleid, der Satans Engel, die im Lichtgewand guter Genien einhertreten, so viele -- so viele -- daß -- »Ein Blick in ihre hellen, lauschenden Augen brachte mich so schnell um die Folgerung, daß ich in der Verlegenheit, mit der Hand einen Gedankenstrich durch die Luft beschrieb, und kleinlaut fortfuhr« Kurz und gut! Sie dürfen mich unbedenklich als einen Vormund ansehen, der Ihnen das väterliche Erbtheil schuldig blieb. Meine rechte Hand faßte während der großmüthigen Erklärung die ihre, die linke warf einige Dukaten in das halbvolle Wasserglas. Ich sah; ich setzte vielleicht sogar -- Du glaubst mir das aufs Wort -- schon manches Mädchen in Verlegenheit, doch sah ich keine je in einer reitzendern. Sollte sie um den Vorschuß zurückzugeben, den Gesetzen des Anstandes entgegen, vor meinen Augen Fischerey treiben? Die kleinen Finger reichten, es sprang ins Auge, nicht zu dem Gold hinab; dazu machte der reine Mangel an Gefäßen die Entfernung des überflüßigen Wassers ohnmöglich, und der gütige Geber war verschwunden als sie noch im Kampfe zwischen Schaam und Bedürfniß, wie Eva vor dem Gold-Fruchtbaum stand. Erbaut von dieser guten That, wie mein Herz sie zu nennen beliebte, gelob' ich mir noch auf der Treppe nie mehr als ihr Vormund werden zu wollen, und treffe im Vorsaal auf den Jäger des Vaters, der mich an sein Sterbebett bescheidet. Ich eil' auf das Gut, find ihn im Sarge und im Gefolge seines Todes eine Masse von Geschäften, die mich dort bis Weihnacht festhält. Vergessen ist Therese, der Gedank' an sie ging in den Wunden des Verwaisten, im Würbel ernster Zerstreuungen unter; eine süße Erinnerung spricht mich bey der Rückkehr in meine Wohnung an. Ich gedenke der gelobten Vormundschaft, widerrathe mir, den neulichen Besuch zu wiederholen und sinne eben auf Mittel sie durch die dritte Hand mit einem Weihnacht-Geschenk zu erfreuen, als man leis an meine Thüre klopft. Sie thut sich auf, ein Engels-Köpfchen sieht in's Zimmer. Sind Sie allein? fragt ihre Flöten-Stimme und Therese steht vor mir. Ich schiebe, des Bedienten wegen, ihr unbewußt den Riegel vor und führe, betroffener als sie selbst, die schüchterne, zitternde Taube zum Sopha. Zu Ihnen »flisterte sie und drückte schneller als ich dem wehren konnte, meine Hand an den rosigen Mund« Zu Ihnen darf sich wohl ein Mädchen wagen? Ich gestehe Dir, Woldemar, daß mein neuer Adam, eingedenk jenes Gelübdes, sich jetzt ein wenig überhob und schon im Geiste die süßen Zinsen abwies, die mir die gewissenhafte Schuldnerin ganz augenscheinlich entgegen trug; daß mich daher die Schaamröthe um so brennender überlief, als sie jene Goldstücke in die Hand des Lehners drückte, und mit sichtlicher Rührung sprach -- Der gute Geist der mir diesen Helfer erweckte, hat meine Sache geführt; hat mich in einer gefürchteten Feindin, eine großmüthige Wohlthäterin finden lassen -- »Wohl nur einen Wohlthäter?« unterbrach ich sie, von dem grämlichsten Unmuth übereilt, mit satirischem Lächeln. Therese sah mich schwer beleidigt an -- so ohngefähr wie ein Engel den verhärteten Sünder fixiren würde, und helle Wemuthsthränen fielen jetzt aus ihren Augen. Sie fielen in mein Herz, es bat um Verzeihung; einem Verzückten gleich, sprach ich von dem Sonnenglanz ihrer Unschuld, schlang den Arm um Theresens Nacken und plötzlich standst Du, einem Nachtgespenst gleich, vor der heiligen Gruppe. Das Mädchen entsetzt sich, springt nach der Thür, flieht auf ihr Zimmer. Ich stürze Dir nach, erstaunt über den lebhaften Antheil den Du an meinem Schützling nimmst. Ich sehe in diesem Ueberfalle das Treiben der Eifersucht, und überzeuge mich des Angstrufs eingedenk mit dem sie fortstürzt, um so schneller, daß diese Heilige nur eine Heuchlerin, und Du selbst die vorgebliche Wohlthäterin seyst. Sie zu entlarven eil ich nun nach ihrem Zimmer, es ist verschlossen; ich höre sie schluchzen: vergebens drängen sich meine Beschwörungen durch das ansehnliche Schlüsselloch. Ich sehe jetzt hindurch, sehe das Mädchen auf seine Knie hingeworfen, die Hände gefaltet zum Himmel erhoben, und in allen dem nur das Spiel einer Kokette die sich bemerkt weiß. Mein Argwohn wird, als ich am Morgen Theresens Schattenriß zerstückt in Deinem Zimmer finde, von neuem zur Gewißheit. Ich schreib' ihr, lege die Stücke des Bildes bey, nenne sie einen Satans-Engel; zerreiße den tobenden, halb fertigen Straf-Prediger, schreib' einen zweyten, verbrenne die Kriegs-Erklärung und zwinge mich endlich zu dem dritten, bescheidenern, auf welchen mir am folgenden Morgen die beyliegende, das Räthsel erfreuend auflösende Antwort zukam. Du kannst denken, guter Woldemar, wie feurig meine Reue, wie viel beschämender noch als die gestrige, meine heutige Abbitte war -- Siebentes Kapitel. So weit hatte Woldemar gelesen und still ergrimmt der Fabel gelacht mit der man ihn jetzt, einem Kinde gleich, verblenden wollte, als plötzlich in der Nähe Schüsse fielen. Er sah die Besatzung des Dorfs in regellosen Haufen dem Schlosse zustürzen, warf den Brief samt der ansehnlichen, noch ungelesenen Beylage auf den Tisch, griff zu den Waffen und eilte in den Hof hinab. Der Feind! rief ihm Frau von Wessen aus dem Keller-Halse nach; ohnmächtig lag Auguste vor der Treppe. Er trug sie in den Arm der Schwägerin. Der Feind! riefen die herbeyströmenden Rekruten und Woldemar rief nach dem Hauptmann. Den aber hatte bereits eine Kugel getödtet und alles floh nun dem Neuling zu. Das Schloß war allerdings fest genug, es einige Stunden lang gegen ein fliegendes Corps zu vertheidigen und da es die Geld- und Feld-Geräths-Wagen des Regiments enthielt, ein Gegenstand von hoher Bedeutung. Der Gärtner der Baronin hatte bereits die Zugbrücke aufgezogen, der Verwalter die Thore zugeworfen, der Jäger jedem dienstbaren Geiste seiner Herrschaft ein Gewehr in die Hand gedrückt. Woldemar begriff die Möglichkeit einer solchen Erscheinung um so weniger, da er sich vier Meilen hinter der Armee, von Truppen umgeben, kurz in Abrahams Schooß wußte. Aber der kühne Partheygänger hatte sich denn doch, trotz dem Heere das auf seinen Lorbern ruhte, von dem Schnee-Gestöber begünstigt, durch das Gebürge geschlichen. Eben befand er sich mit Geißeln, Brandschatzungen, und einer erbeuteten Kriegs-Kasse beschwert auf dem Rückweg und würde die Wessenburg wohl ganz unangetastet gelassen haben, wenn nicht Woldemars Hauptmann den Vortrab des feindlichen Zugs, auf einen Dienstritt entdeckt, und sich ihm mit allem was sich aufraffen ließ, in den Weg geworfen hätte. Der Kühne fiel, und die Freyjäger flohen nun dem Schlosse zu, das der Führer des Vortrapps mit Ungestüm angriff. Woldemar fühlte lebhaft was er den Damen, dem Vaterland, der Ehre seines Degens schuldig sey und belebte durch wenig erhebende Worte den gesunkenen Muth seiner Brüder. Ihr Widerstand verwickelte den Feind der indeß von den herbey fliegenden Schaaren seiner Verfolger ereilt, umringt und zusamt der gemachten Beute gefangen ward. Achtes Kapitel. Als Woldemar am folgenden Morgen, von dem Schmerz einer empfangenen Kopfwunde geweckt, aus tiefer Betäubung erwachte, stand die Baronin zu des Bettes Häupten und Frau von Wessen neben ihr. Diese lächelte, jene weinte, der Wundarzt gab den besten Trost; bald darauf erschien auch der Adjutant; er warf ihm unter zweydeutigen Glückwünschen ein Hauptmanns-Patent auf die Decke. Da siehst Du »sprach er« wie blind das Glück, wie mächtig der Kriegs-Gott in den Schwachen ist. Dein zufälliger, folgenreicher Widerstand hat Dir plötzlich einen Nahmen gemacht und eine Stelle verschafft nach der ich seit zwanzig Dienst-Jahren vergebens strebte. Eben kam auch Auguste herbey, sprach von den Schrecken des Gefechts, von Woldemars Ritterdienst und seinem Heldenmuth. Mutter und Schwägerin stimmten ein und der Adjutant kehrte nach einem frostigen Lebewohl, mit verbittertem Gemüth auf seinen Posten zurück. Woldemar sah jetzt -- wie am Morgen der Weih-Nacht in der er die stille Myrte brach -- auch in dem schnell erworbenen Lorber nur ein Gaukel-Spiel der Phantasie, in dem Patent nur ein Papier das ihn an jenen Brief erinnerte, nach dem er jetzt, vom Fiebertraum erwacht, mit Sehnsucht fragte. Vergebens suchte die Baronin das Stübchen, der Bediente seine Taschen, der Wundarzt den Zwinger des Schlosses aus; weder der Brief, noch die bedeutende Beylage war zu finden und der herbey gerufene Jäger, welcher aus diesem Zimmer auf die Feinde schoß, gestand daß er allerdings einige hier gelegene Papiere unbesehen zu Pfropfen für sein Gewehr verbraucht habe. Frau von Wessen bot sich dem Kranken zum Sekretär an, und er sagte ihr mitten im Schmerz einige Zeilen für den verdächtigen Freund in die Feder. Nur der Wohlstand konnte die holde Pflegerin für kurze Zeiträume vor seinem Bett entfernen und diese zarte, unerschöpfliche Sorgfalt gewann ihr schnell genug das erkenntlichste Herz. Julie errieth seine Wünsche, seine Winke, seine Verhältnisse; scheuchte mit lieblichen Liedern jede Grille, mit zarter Hand jede Winter-Fliege vom Bette des Kranken, bot ihm die hülfreiche bey jedem Verbande und führte ihn allgemach durch eine Reihe wohlthuender Situationen. Das Wundfieber nahm zusehends ab, schon vermocht er außerhalb des Bettes zu dauern und auch Auguste wagte sich nun wieder in des Freundes Nähe. Sehen Sie »sprach Julie, als sie eines Abends an seiner Seite spann« ich bin die Parze die Ihr Leben spinnt. Ein langer Faden, rein und glänzend. Hygea vielmehr! erwiederte er. Hygea spann ja nicht! »sagte das abgehende Fräulein« nur Schlangen nährte die -- Heilbringende! rief ihr Woldemar nach. »Galt das mir oder Ihnen?« lispelte Julie. Der Zorn röthete schnell ihre Wangen. Rasch ergriff er den Arm der Spinnerin. Meine Hygea! sprach der Dankbare, von süßen Regungen durchdrungen. Die Schlange sticht! erwiederte Frau von Wessen und verletzte seine Hand mit der Spindel. Ein Tropfen Blut trat hervor. Sie küßt' ihn lachend weg, er zog sie an das Herz. Die dunkeln, verlangenden Augen glänzten hart vor den seinen, die lüsterne Lippe vermählte sich dem begehrenden Munde, Juliens Busen schlug voll glühender Sinnlichkeit an Woldemars Brust. Neuntes Kapitel. Frau Tochter »sprach die Baronin, als jene in das Familien-Zimmer hinab kam« vergebens hab ich bisher als Freundin Sie gewarnt, als Mutter Sie gebeten dieses thörichte Herz zu bewahren, und Ihrem Leichtsinn nicht die Ehre meines Nahmens preis zu geben -- Ihren Begierden vielmehr! Unwürdige! So ehrst Du das Gedächtniß Deines Gatten? Julie stellte den Rocken bey Seite, setzte sich zum Nähtisch hin und wiederholte mit Gelassenheit -- Begierden? Unwürdige? Sie sind sehr aufgebracht, _ma mere_! Der junge Mann hat Zartgefühl. Er muß die Zudringliche verachten. Eine so gute Christin sollte gütiger seyn, gnädige Frau; gerechter wenigstens; denn selbst das höchste Gebot entschuldigt die Zudringlichkeit der Menschenliebe. Daß ich ihm wohl will, ist in der Regel. Sehr wohl, _ma mere_! Nie sah mein Auge in ein reineres, nie begegnete mein Herz einem wärmern. Darum empört mich ihre Härte nicht. Was gibt es süßeres als um den Mann zu leiden, den wir lieben? Also ein Anschlag auf seine Hand? Auf Anschläge verstehen sich in der Regel die Mütter nur. Ich folge kindlich dem Gefühle. Nur leider nicht dem Zartgefühl. Ihr seliger Mann hat das erfahren. Friede sey mit ihm. Er weiß nun, wer ihm wohl und wer mir übel wollte. Ich wollte Dein Glück, Undankbare! Glück macht die Liebe nur und nur _Sie_ hat er geliebt. Gefürchtet vielmehr. Mein Herz war lauter Flamme, das seine lauter Erz, und immer spröder ward es, bis der Tod es brach. Du brachst es früher schon! Julie warf einen glühenden Blick auf die Mutter, verbarg ihr empörtes Gefühl hinter einem unholden Lächeln und schwieg. Sähe der Hauptmann dies Gesicht »fuhr jene fort« er würde noch entschiedener zurücktreten. Er würde mich bedauern und erlösen. Erlösen, sagst Du? Geh, ich verwerfe Dich! Sie werfen mich in seinen Arm. Ich komm' aus diesem! Die Baronin faltete seufzend die Hände und schlich abseits, dem Himmel ihre Noth zu klagen. Zehntes Kapitel. Hygea hatte den genesenden Jüngling in der feurigsten Wallung verlassen. Noch glühte jener Wonnekuß auf seinen Lippen, noch sah er diese flammenden Augen, die Fülle der schnell bewegten Brust. Sein ganzes Wesen war in Aufruhr und die seltsamste Erscheinung weckte ihn nach Mitternacht vom Schlummer auf. Der volle Mond beschien ein niedliches Gespenst das aus der Wand hervor zu schweben schien, nun seinem Bette näher tratt und zögernd an ihm lauschte. Woldemar bog sich mit klopfenden Herzen nach der Mauer zurück, wollte seinen Sinnen nicht trauen, wagt' es kaum einen Blick auf die Erscheinung zu werfen, und kämpfte noch unentschlossen mit sich selbst als der seltsame Zuspruch wieder aufbrach und mit der Leichtigkeit eines Schattens zurückkehrte. Schnell wuchs sein Muth, er schlich ihm durch die Oeffnung nach und stand jetzt vor dem Bett in dem die Frau von Wessen schlief. Betroffen weilte er an der fesselnden Stätte und traf, als ihn sein Genius fortzog, auf ein zweytes in dem Auguste, lächelnd wie die Unschuld ruhte. Woldemar, der bis dahin die heimliche Tapeten-Thür übersehn und nie geahnt hatte, daß sein Stübchen an diese Schatzkammer grenze, machte sie bey der Rückkehr mit leiser Schonung zu und glaubte zuversichtlich durch die Nachwehen des Wundfiebers zum Geisterseher geworden zu seyn, denn hätte selbst -- der Fall war nicht denkbar -- sich eine dieser Schläferinnen zu einem solchen Schritt vergessen können, so würde er ja die Fliehende ereilt oder erkannt haben. Das unerklärbare Räthsel beschäftigte ihn bis zum Morgen, jetzt aber wich der Glaube an das Spiel einer krankhaften Phantasie dem Erstaunen mit welchem er ein himmelblaues, vor seinem Bette liegendes Band erblickte, und dieses dem Schauer des Fiebers, das im Gefolge der erschütternden Zauberspiele dieser Stunden zurückkehrte. Eilftes Kapitel. Auch die Baronne war am Morgen erkrankt, hatte den Beystand der Schwiegertochter zurückgewiesen und Auguste, gewöhnt der Feindin wohlzuthun, für dies Mahl vergebens alles aufgebothen den Groll des tief empörten Mutterherzens zu beschwören. Julie schlich sich, von der Mutter verschmäht, zu dem Freunde hinüber der bey ihrem Eintritt seinen Rückfall vergaß, und schüttete ihr Herz vor ihm aus. Der Kindheit Freuden hatte ihr, laut dieser Geständnisse, eine grausame Stiefmutter, die Blumen der Jugend ein liebloser Gatte und die herrschsüchtige Baronin geraubt. Diese verkenne, Auguste beneide sie, und beyde sähen in dem heiligen Mitgefühl, in dem reinen Feuer der Theilnahme das sie zur Pflegerin des edelsten Mannes gemacht habe, nur den schlau berechneten Plan einer Kokette. Helle Thränen begleiteten die rührende Elegie, sein fieberhaft reitzbares Herz sprach nur zu laut für die Weinende. Sie nannte ihn ihren einzigen Freund, er aber nannte sich ihren ewigen Schuldner und gedachte seufzend gewisser Fesseln, die seine feurige Vergeltungs-Lust für den Augenblick noch gefangen hielten. Daß mein Gemüth »erwiederte Julie« die Heiligkeit dieser Pflichten kennt, daß es selbst die Ansprüche einer Unwürdigen zu ehren versteht, bezeugt die Fassung mit der es in jener Nacht das feurigste aller Gelübde zurückwies. Welche Gelübde? »sprach er im Herzen zu sich selbst.« In welcher Nacht? Oder hätte die Krankheit Sie in jener unvergeßlichen Stunde zum bewußtlosen Schwätzer gemacht? Wohl Ihnen dann! Dann wäre ja Hermine nur ein Traumbild, das mit der wiederkehrenden Besinnung in sein Nichts zerfloß und ihre Treulosigkeit ein Phantom das im Morgenrothe der Genesung unterging. Woldemar sah verstummt zu Boden. Und Wohl auch mir! »fuhr Frau von Wessen fort« der da ein Gott die Kraft verlieh, dem feurigsten aller Männer zu widerstehen, und die Erhörung zu verzögern. Unseliges Verhängniß! »rief er und sprang auf« O, warum streifte mich der Fittich des Würgengels nur? Wie gern schlief ich in seinem Arme! Oder am Herzen der Verlobten? Ich bin sehr elend! Nimm mich an das Deine. An das hart verletzte, das ich heilen will und muß. Nicht also, guter Woldemar, ein Engel wird diese Wunden verbinden, der Engel der Vergeltung der unsere Opfer zählt und unsere Thränen. Ich will alles gut machen! »rief er, hingerissen von der Fluth seiner Gefühle, von einer unzeitigen Großmuth gemeistert« ja, ich gelob es! Nur das Mitleid sagst Du, die Theilnahme nur, nur die laue Hand der Freundschaft hätte Dich Wochenlang an meinem Bette festgehalten? Nur um ihretwillen hättest Du dem Grolle der Schwester, dem Zorne der Baronin, der Verläumdung bösartiger Thoren getrotzt? Nur aus Rücksicht auf die geflohene Treulose meiner Hand entsagt, die ich Dir -- zwar in des Fiebers Gluth -- doch wahrlich, inspirirt von meinem Engel both? Still, Frevler -- Still! »rief Juliane jetzt.« Sie fühlen nicht wie tief mich diese Zweifel beugen; die Flamme nicht, die an unheilbare Wunden schlägt. O warum muß die böse Fee zwischen mich und den Abgott meines Lebens treten? Lieblicher hatte nie eine Frage seinem Ohr geschmeichelt, schneller nie ein Zauber sein Herz umstrickt, kein sterblich Weib ihn je so magisch angezogen. Die Spiegel ihrer Seele flammten wie Sterne durch die Nacht des Grams, der Wehmuth Genius schien aus dem Rosenkelche dieser Lippen ihn um Erbarmen anzuflehen. Er faßte sie mit starkem Arm, er hob sie hoch, an's Herz empor und bedeckte die Schluchzende mit zahllosen Küssen. Ich bin der Deine! »rief er« wirst Du dies zweyte heißere Gelübde verschmähen? Liebling -- Bräutigam! Himmlischer Geist! stammelte Julie und ließ die Lippen des Trunkenen schalten. Man klopfte, er vernahm es nicht. Auguste trat herein ihre Schwägerin abzurufen; sie wand sich sanft aus seinem Arm, sprach zu dem Fräulein, dessen Antlitz ein edles Schaamroth überflog. »Nimm hier kein Aergerniß, wir sind verlobt!« und hüpfte fort. Auguste verbeugte sich gegen den Hauptmann, und wollte der Braut folgen, Woldemar aber faßte ihre Hand und bestätigte in gebrochenen Worten Juliens Versicherung. Ich kenne »erwiederte das Fräulein« die Gesinnungen meiner Mutter zu wenig und die Gefahren Ihres Standes zu genau um Beyden jetzt schon Glück zu wünschen. Er ließ beleidigt Augustens Hand fallen. Aber wie kömmt dieß Band in Ihr Zimmer? »fragte sie jetzt, und nahm es vom nahen Tische weg« vergebens hab ich es heut' am Morgen gesucht. Ein Strumpfband vielleicht? Sie verstummte. Oder etwa gar der Gürtel der Vesta? Auf jeden Fall sind Sie im Stande mir das Räthsel zu lösen. Vor meinem Bette fand ich es. Ihr Schutzgeist, Fräulein, trug diesen Talismann mitten in der Nacht in mein Zimmer. Auguste wechselte die Farbe, der Hauptmann sah ihr starr in's Gesicht -- »Und die misterische Pforte hier -- unstreitig führt sie in das Geisterreich; aus ihr tratt der willkommene Gast hervor, durch sie kehrt' er zurück. So ist es -- auf mein Ehrenwort!« Ihre Hände bebten, ihre Wangen verblichen, sie wankte sprachlos aus dem Zimmer. Zwölftes Kapitel. Woldemar sah ihr staunend nach. Sein Kopf brannte, sein Herz glühte, Feuer rann in seinen Adern, er eilte Luft zu schöpfen, in den Zwinger der das Schloß umgab. Die Erscheinungen dieser Zeit schwebten wie Geistertänze vor seiner Seele und der Schutt und die Blutspuren im Schnee weckten Erinnerungen an jenes ehrenvolle Gefecht in ihm auf. Er freute sich der gelungenen That, dachte des Getümmels das ihr voranging, des empfangenen Briefes den der Jäger der Baronin in seinem Diensteifer verbracht hatte und eilte zu sehen ob sich nicht Reste desselben auffinden ließen, unter sein Fenster hin. Lange störte er vergebens zwischen Eis und Schnee und dem Abbiß der Patronen, fand endlich ein bedeutend scheinendes, zerrissenes Blättchen und las -- »Die großmüthige Schwester -- das Häubchen von ihrem Kopfe -- zur Täuschung ähnlich --« Eine kalte Hand griff ihm in's Herz. Er sann und sann und suchte jetzt angsthafter; ihn aber suchten die Bedienten, denn eine Ordonanz aus dem Hauptquartier war gekommen. Der Husar erbat sich einen Empfangschein und übergab die Depesche. Woldemar fertigte ihn ab, öffnete den Befehl, sah sich angewiesen mit der unterhabenden Mannschaft alsogleich aufzubrechen, des fördersamsten im Haupt-Quartier einzutreffen, oder falls sein Gesundheits-Zustand ihm dies für seine Person nicht gestatte, ohne Zögerung nach dem Lazareth abzugehn. Schnell ward gepackt, gesattelt, und der General-Marsch geschlagen, denn kein Augenblick war zu verlieren wenn das entfernte Ziel, den Worten der Depesche gemäß, erreicht werden sollte. Dreyzehntes Kapitel. Julie hatte indeß, trotz dem bestimmten Verbote, die kranke Schwiegermutter heimgesucht, das gestrige unkindliche Benehmen mit der Heftigkeit ihres Charakters entschuldigt, ihre Hände mit Küssen bedeckt, heilige Sprüche und schöne Sentenzen zu Mittlern gemacht und so den Zorn der gutmüthigen Baronin in Wehmuth, den stillen Groll in herzliche Vergebung aufgelöst. Jetzt hielt Frau von Wessen ihrem Woldemar eine Schutzrede der die Mutter um so weniger zu widersprechen vermochte, da sie früher selbst seiner Bescheidenheit, seiner Sittlichkeit, und so mancher liebenswürdigen Eigenschaft die ihn auszeichnete, das gebührende Lob ertheilt hatte. Zu allen dem »fuhr jene fort« hat Ihnen Gott in dem edlen Mann einen Engel gesandt, denn wie wäre es uns ergangen, wenn er nicht Wunder that. Dieses Haus läg in der Asche, Sie vielleicht im Grabe, ich und Auguste ständen, des Aergsten gar nicht zu gedenken, geplündert und verlassen am Scheidewege. Was wir sind, was wir haben, erhielt uns seine Hand und die wollten Sie aus der Hand seiner Vergelterin reißen? Der Himmel selbst belohnte diese That und öffnete ihm eine glänzende Laufbahn. Gewiß würde die Baronin in Hinsicht auf den Werth des Freyers, auf den Schutz, welchen sie ihm dankte, dieß Einverständniß wohl eher begünstigt als gescholten haben, wenn ihr das Glück der Tochter nicht näher als das der Verwandtin am Herzen gelegen hätte. Sie kannte nur zu gut den Quell des stillen Grams der aus Augustens verweinten Augen sprach und begriff nicht, wie ein so zartfühlender Mann, blind für den Zauber dieser Himmelsblume, nach der dornigten prahlenden Rose zu greifen vermochte. Da indeß die Ehen, ihrem Glauben zu Folge, des Himmels Sache waren und die Frau von Wessen bereits als verlobte Braut um ihren Segen bat, so vergab sie mit sanften Worten den übereilten Schritt, behielt sich das Weitere bis zu ihrer Genesung vor und drang darauf daß Woldemar zuförderst einem Stande, der Julien bereits zur Wittwe gemacht habe, entsagen solle. Frau von Wessen erklärte selbst diese Bedingung für zweckvoll und unerläßlich und sah jetzt, still entzückt, in der sinkenden Sonne den Herold des Braut-Abends. Da ward es plötzlich lebhaft auf dem Hofe, des Hauptmanns Leute liefen durch einander, der eine sattelte, der andere sprach von nahem Blutvergießen, der Ruf der Trommel scholl aus dem Dorf herauf. Die Kniee wankten unter ihr, sie stürzte geisterbleich hinüber, in Woldemars Arm. Was soll das? »fragte er mit verbissenem Schmerz« Warst Du nicht eines Soldaten Frau? Euch ziemt, wie uns, gefaßter Muth. Doch zu schrecklich war der jähe Sturz vom Sonnenziele in die Nacht des Grams, zu tief der Fall für ein so zügelloses Herz das jedes Lächeln des Geschicks zum Himmel hob, jeder Umfall in die Höhle des Jammers hinabwarf. Wimmernd hing sie an Woldemars Halse, hielt ihn krampfhaft umfaßt und ihre Lippen zuckten gichterisch. Bald sehen wir uns wieder! »tröstete er mit halber Stimme.« _Oft!_ sagt mein Herz -- nach wenig Tagen vielleicht, und am Ziele winkt ein Hafen in dem uns nichts mehr trennen soll. Aber die Jammernde verwarf jeden Trost. Nimm! »rief sie und schnitt mit schonungsloser Hast eine Flechte von dem glänzenden Haupthaar.« Nimm und gedenke mein! Und meiner nur! Gelobend bedeckte er ihren bebenden Mund mit heißen Küssen und bat sie dann, die kranke Mutter auf seinen Abschieds-Besuch vorzubereiten. Julie ging nach langen Bitten, doch wenige Schritte nur. Laut schreyend flog sie an seinen Hals zurück. Ihre zuckenden Augen brachen, entgürtelt flog der Busen, das lose Haar um ihre Scheitel. Sie lag noch bewußtlos im Arm ihrer Kammerfrau als Woldemar in der furchtbarsten Stimmung seines Lebens über die donnernde Zugbrücke sprengte. Schaudernd blickte er vom Thal aus nach dem Schlosse hinauf, dessen Fenster das Spätroth vergoldete, gab den räthselhaften Geistern dieser Burg gute Nacht, und saugte das Blut aus der Lippe die Julie im Wahnsinn ihres Schmerzes verletzt hatte. Vierzehntes Kapitel. Als man den Hauptmann nach jenem Gefechte verwundet und betäubt auf sein Zimmer zurücktrug, übernahm Frau von Wessen wie bekannt die Rolle der Wärterin und ließ deshalb um in seiner Nähe zu bleiben, ihr Bett ohne der Mutter Wissen, in jene leere, nachbarliche Kammer versetzen. Erst späterhin bemerkte die Baronin diesen ihr höchst mißfälligen Uebelstand, wieß Julien auf der Stelle einen Platz in ihrem eigenen Schlafzimmer an, gesellte ihr, als diese Weisung unbeachtet blieb, Augusten bey und verschloß die bewußte Tapeten-Thür. Frau von Wessen aber schloß sie, um sich einen weiten Umweg zu ersparen, am folgenden Morgen wieder auf und aus angebohrner Furcht vor Dieben und Kobolden, Nacht für Nacht die andere zu, welche über den unheimlichen Saal in die Zimmer der Baronin hinüber führte. Auguste hingegen der es nie beykam den lieben Gast auf einem Schleifwege heimsuchen zu wollen, glaubte die streitige, von der Mutter gesperrte Thüre noch immer fest verschlossen, und ahnte nicht daß ihr Verhängniß sie im tiefsten Nachtkleid und in der verdächtigsten Stunde hindurch, und an das Bett eines feurigen, hoffnungslos geliebten Mannes führen werde. Oft genug ward die vermißte Nachtwandlerin in frühern Zeiten bald von dem Simse des Fensters bald aus irgend einem entlegenen Verstecke zurückgehohlt. Das Übel nahm mit den Jahren ab und immer hatte man sie bey den seltenern Rückfällen von der verschlossen gefundenen Thüre ohne weiteres in ihr Bettchen zurückkehren sehn. Welch Entsetzen mußte daher dieses reine, von dem erklärten Brautstand der Schwägerin so eben gebrochene Herz ergreifen, als Woldemars spöttisches Lächeln, als sein zum Pfand gesetztes Ehrenwort die leise Ahnung einer schrecklichen Möglichkeit zur Überzeugung erhob. Die kranke Baronin lag indeß während des Aufbruchs der Besatzung, von allen den Ihrigen verlassen da. Sie hörte den Lärm, das Wirbeln der Trommeln, den Hufschlag der Rosse und schellte vergebens. Die Bedienten kannegießerten im Hofe mit den marschfertigen Jägern, die Jungfer lag, in Thränen aufgelöst, an des Feldscheers Brust, das Stuben-Mädchen wollte den Pfeifer nicht lassen, Juliens Kammerfrau saß erstarrt vor der verzweifelnden Braut, und Augustens alte Wärterin lief der schluchzenden Enkelin nach, die ihrem Trommelschläger den Wirbel verdarb. Das Getöse nahm kein Ende, der zersprungene Klingeldrath lag am Boden, und die Baronin, welche jetzt nichts sicherer glaubte, als daß der Feind zu Folge eines zweyten gelungenern Überfalls das Schlimmste beginne, sprang, von der Angst geheilt, plötzlich auf, um ihre Küchlein mit Hand und Mund bis auf den letzten Odemzug zu vertheidigen. Aber noch stand im Vorsaal alles auf dem gewohnten Platz. Von Zimmer zu Zimmer eilte sie nach Juliens Schlafkammer, trat jetzt erblassend vor ein Schreckbild das unter wilden Krämpfen ächzte und nahm, nach Hülfe rufend, Augusten wahr, die einer Sterbenden gleich vor ihrem Bette kniete und taub für allen Jammer dieser Scene schien. Welch ein Abend! Welch eine Masse von Seufzern und von Thränen, von denen ach, so wenige ein Gegenstand für die wohlthuende, Schmerz und Thränen wiegende Vergelterin seyn konnten. Zerstört im Innersten klagte Julie ihr Geschick an; in Thränen edler Schaam gebadet, verging die holde Nachtwandlerin; sprachlos stand die schluchzende Mutter zwischen der Gruppe und die betäubten Bräute des Frey-Corps sprangen mit verweinten Augen bunt durch einander ab und zu und hohlten in der Zerstreuung Öhl statt des Essigs, Tinte statt des Balsams und den Pastor statt des Baders herbey. Fünfzehntes Kapitel. Woldemar hatte indeß das Ziel seiner Bestimmung erreicht, sich gesund gemeldet und eine Masse lästiger Dienst-Geschäfte vorgefunden, die den Unkundigen bey dem Mangel an Rathgebern und Freunden, bey der feindseligen Stimmung die sein frühes Glück veranlaßte, schnell genug mit einem Stand entzweyten an dem ihn doch das eiserne Band der Pflicht und des Ehrgefühls festhielt. Auf der Wessenburg herrschte jetzt nach langen Stürmen eine Windstille. Juliens Arzt war der Leichtsinn, Augustens Trost das Bewußtseyn geworden und der himmlische Frühling goß das Füllhorn der Erneuung über sie aus. Eben war die Mutter mit Woldemars Braut auf ein nachbarliches Gut gefahren als sich ein fremder Baron bey dem Fräulein ansagen ließ. Viel lieber hätte die Einsame den unwillkommenen Gast abgewiesen aber es fehlt' ihr für den Augenblick an einer glaubwürdigen Entschuldigung und so ward er denn angenommen. Ein junger, blendend schöner Mann trat in das Zimmer. Sein hoher Wuchs, sein Apollons-Kopf, die würdevolle Anmuth seines Benehmens, gewann in voraus ein Gemüth dem der zärteste Sinn für die Gabe der Grazien anhing und der Gegenstand welcher ihn zu Augusten führte, war bedeutend genug ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Julius hatte nehmlich nach dem Empfange jener wenigen, nichts sagenden Zeilen welche Frau von Wessen damahls in Woldemars Nahmen schrieb, vergebens einer Antwort auf seine dringende, Herminens Ehre rettende Zuschrift entgegen gesehen; hatte endlich an den Adjutanten geschrieben, und von diesem einige Winke, Weisungen und Aufschlüsse empfangen die ihn zu der Reise nach dem fernen Schauplatz des Kriegs bestimmten. Von den Verhältnissen in denen sein getäuschter Freund hier stand wie von dem Charakter der handelnden Personen unterrichtet, hatte er im Posthause bereits seit Tagen den günstigen Augenblick erwartet, der ihm, Augusten ohne Zeugen zu sprechen, vergönnen würde. Er stellte sich ihr jetzt als Woldemars Vertrauten dar, den der Beruf, viel Unheil zu verhüten, vor ihre Augen geführt habe; bedauerte ihre Langmuth durch Weitläufigkeit erschöpfen zu müssen, unterhielt das Fräulein zuförderst mit Woldemars heimischen Verhältnissen, und von der seltsamen Katastrophe die ihn aus jenen weg, in den Krieg trieb. Aber es fehlte viel daran daß seine Weitläuftigkeit das Fräulein ermüdet hätte: sie war ganz Ohr, und ihre Theilnahme machte sie von Minute zu Minute liebenswerther. Herminens Vater »fuhr Julius fort« hatte als Handlungs-Diener das Glück, der Tochter seines reichen Herrn zu gefallen, und im Gefolge dieser Gunst das Unglück, sich zu einem Schritte zu vergessen, der Theresen das Leben gab. Des Vaters Blindheit und der Beystand der Mutter machten die Verheimlichung möglich, der junge Mann ward nach Holland, das Kind der Liebe in ein entferntes Waisenhaus versetzt und des Kindes Mutter mit größerm Glück als Recht die Gattin eines bedeutenden Wechslers. Er starb im ersten Ehejahr und setzte sie zur Erbin ein. Der frühere Vertraute kam zurück, machte die verjährten Rechte geltend, verloschene Gefühle in dem Herzen der Wittwe wieder rege, und ward ihr Gemahl. Sie gebar ihm Herminen und starb in dem Kindbett. Er folgte ihr nach wenig Monden, vom Schlage getroffen nach, und sein redlicher Bruder nahm den verwaisten Säugling auf. Falsche Schaam, die Quelle so manches Unheils, hatte es der Verschiedenen ohnmöglich gemacht sich späterhin zu diesem Kinde zu bekennen, doch sorgten die Eltern aus der Ferne für sein Wohl. Des Vaters schneller Tod entriß Theresen die letzte Stütze, denn es fand sich weder ein Testament noch irgend etwas das ihr Daseyn bezeichnet hätte, vor. Die Vorsteher jenes Waisenhauses überließen die heran Wachsende einer Dame, der sie ihre Bildung dankt, als aber diese zufolge einiger verlohrnen Rechtsstreite verarmte, und sie jetzt in die fremde Welt hinaus treten mußte, machten Bildung und Anmuth ihre Lage nur um so kritischer. Der Thee unterbrach jetzt den Erzähler. Auguste kredenzte ihn; Julius bemerkte mit Wohlgefallen ein Paar der zartesten Hände und die ganz eigene Annehmlichkeit, welche Augustens Gliederspiel über die kleinste ihrer Bewegungen verbreitete. Hermine »fuhr er fort, und rückte ihr vertraulich näher« Hermine stört vor kurzem in der Schatulle ihrer Mutter, und trifft da, von dem guten Geist des Zufalls geleitet auf ein geheimes, mit Quittungen und Briefen angefülltes Fach, welches außer dem überraschenden Beweiser der mütterlichen Verirrung sichere Hülfsmittel enthält, die Spur der nie geahnten Schwester aufzufinden. Hermine sieht eine höhere Fügung in dem Ohngefähr, fühlt sich so geneigt als berufen die Verlassene mit ihrem Ueberfluße zu erfreuen, macht den Oheim zum Vertrauten und wird nicht müde ihn um Beystand und Vermittlung anzugehn. Der Onkel untersucht, überzeugt sich, empfiehlt ihr Verschwiegenheit; will erst das _Wie_ und _Wo_ erforschen, sich von dem Werth oder Unwerth der Person unterrichten, und der Wallung eines schönen Herzens durch weise Vorsicht Maß und Ziel setzen. Aber das übervolle hat sich bereits am Busen einer Freundin entladen und diese das Geheimniß unter dem Siegel der Verschwiegenheit ihrem Bruder, Herminens hoffnungslosesten Anbeter mitgetheilt. Armuth, Habsucht und der Groll verschmähter Liebe bestimmen ihn, die Entdeckung zu seinem Vortheil zu benutzen: er durchreist die bezeichnete Gegend und findet nach manchem Kreuzzug die Gesuchte zwischen Hunger und Kummer mitten inne. Augustens Mädchen rief jetzt das Fräulein ab. Sie kehrte nach wenigen Minuten zurück, entschuldigte ihre Abwesenheit mit der angenehmen Sorge für sein Nachtlager und bat den Baron der ihr für diese Güte den feurigsten Dank sagte, um die Fortsetzung der Geschichte. Goldne Berge »erzählte Julius« werden jetzt Theresen gegen eine billige Vergeltung zugesichert, der Beweis ihrer Abkunft so überzeugend geführt, der Umfang ihrer Ansprüche so klar in's Licht gestellt, daß sie nicht länger zögern mag, diese Kette schmerzlicher Entbehrungen mit dem verhießenen Ueberfluß zu vertauschen. Sie eilt, von den trefflichsten Zeugnissen ihres Wohlverhaltens unterstützt nach der Vaterstadt, erschreckt den Oheim durch die sprechende Aehnlichkeit mit Herminen, die von der plötzlichen Erscheinung überrascht, von diesen Zeugnissen gewonnen, von dem Anblick ihres Ebenbildes erschüttert an des Mädchens Hals fliegt, und die gefundene Schwester feurig willkommen heißt. Therese vernimmt mit Erstaunen, was bereits von hieraus für sie geschah, sieht sich statt der Verläugnung auf die sie gefaßt war, mit den zärtlichsten rein vom Herzen kommenden Liebkosungen überhäuft, und beschließt, in Schaam und Rührung aufgelöst, Gleiches mit Gleichem, die Großmuth durch Mäßigung zu vergelten. Ein seltsamer Wettstreit entspinnt sich nun. Hermine dringt auf eine Theilung der Erbschaft, Therese will sich dagegen nur vor dem Hunger geschützt, nur als eine Hülfsbedürftige geduldet sehen, am wenigsten im Kreise der Familie unter ihrer wahren Gestalt auftreten. Jene trägt ihre besten Kleider zur Auswahl für Theresen herbey, diese wählte sich einen häuslichen, schon getragenen Anzug. -- Und so blieb denn das Mädchen meine Haus-Genossin, so verkannte Woldemar, der in diesem Momente weder die unzartere Haut noch das dunklere Haar in Betracht zog, seine schuldlose Braut -- Die ihn »fiel Auguste ein« mit dem Daseyn einer solchen Schwester, schon um dieser gefährlichen Aehnlichkeit willen hätte bekannt machen sollen -- Ohnfehlbar »entgegnete Julius und das Fräulein erröthete« schloß ihr nur die zarte Verschämtheit, oder die Achtung für den Ruf und die Asche ihrer Mutter den Mund. Ich bin am Ziele »setzte er mit einer leichten Verbeugung hinzu« und Tag und Nacht gereist das unseligste aller Mißverständnisse auszugleichen, oder, wenn mir das nicht gelingen sollte, der Gekränkten eine Genugthuung zu verschaffen, die das Gesetz der Ehre vorschreibt. Auguste seufzte tief und sprach »Am Ende war vielleicht die übereilte Entfernung Ihres Freundes eine unerkannte Wohlthat des Himmels der das edelste Mädchen auf diesem Wege von dem bestandlosen Manne befreyt hat.« Meynen Sie? fragte er, und sah ihr tief in das blaue Augen-Paar. Denn Ihrem Woldemar »fuhr sie fort« weint bereits eine neuere Braut nach. Man sagte mir das: ich glaubte es nicht. Jetzt -- O jetzt muß ich's fürchten! Sie sind sein Freund. An Ihnen ist es, ihm den vorgefaßten Argwohn zu benehmen, ihn an ein Herz, das er zerrieß zurück zu führen. O, nun es so weit ist, sind wir geschieden -- der Rächer tritt nun an des Warners Platz. Nein, edler Mann »sprach sie mit flehendem Silberton« der Warner muß zum Engel und nicht müde werden bis ihm die gute That gelingt. Julius küßte von dem Zauber dieser Töne, und von dem Geiste dieses Raths ergriffen, Augustens Hand, als die zurück gekommene Julie hereinrauschte, betroffen stehen blieb und die Gruppe mit blitzenden Augen maß. Das Fräulein stellte ihr in dem Gaste Woldemars Freund vor. Sie erwiederte seinen Gruß mit dem anmuthigsten Lächeln, zitterte bereits im Herzen vor den Zwecken dieses augenscheinlichen Störenfrieds und griff zu den magischen Waffen ihres Zaubers. Aber Julius sah durch den täuschenden Schleyer der Grazie in ein harmvolles Herz, in diesen unstäten Blicken, in dieser leisen, jeden Scherz verkümmernden Angst den regen Argwohn ihrer Schuld -- und als er sie jetzt über dem Fräulein vergessen zu wollen schien, da ward die Charis plötzlich zur _Ate_, der Groll der Mißgunst trat auf ihre Stirn, Auguste aber zog sich mit sanften Erröthen hinter den Heiligen-Schein der Sittlichkeit zurück. Frau von Wessen faßte sich schnell; überschüttete die verstummte Schwätzerin mit Schmeicheleyen, lenkte nun, von dem Spiele seines Humors erheitert, das Gespräch auf den Hauptmann, dessen bis jetzt nur beyläufig gedacht worden war und erschöpfte sich in seinem Lobe. Julius begleitete es mit den Gebehrden des Beyfalls, erbat sich, als Auguste verschwunden war die Erlaubniß eine so theilnehmende Gönnerin seines Vertrauten von dem seltsamen Mißgeschick ihres gemeinsamen Freundes unterhalten zu dürfen und wiederhohlte Wort für Wort die Geschichte. Julie sah ihm erst in's Auge, dann zum Himmel, von diesem zu Boden. Sie spielte bald mit dem Ridikül, bald mit den Gliedern ihrer Kette, erröthete, verblaßte, und stand eben im Begriff den Erzähler für ihre Ansprüche zu gewinnen, als die Baronin mit einem Brief in's Zimmer trat. Sie übersah den Fremden in ihrer Bestürzung. Lies! »sprach sie kaum vernehmbar« die Armee ist geworfen -- der Feind im Anzug. Julie verschlang mit feurigen Augen den Inhalt der Nachricht. Er wird vermißt! »rief sie die Hände ringend« Woldemar ist gefangen oder gefallen! Der Himmel selbst »erwiederte Julius« scheint dies Herz an die Entbehrung seines Lieblings gewöhnen zu wollen. Sie wissen also »entgegnete Frau von Wessen« daß Woldemar der Meine ist? Aber wissen Sie wohl auch, daß weder ein Mährchen, noch sein Erfinder, weder die Schlauheit einer Neben-Buhlerin, noch die Beredtsamkeit ihres Wortführers, mir ihn entreißen wird? Ich weiß nur »fiel er ein« daß der Feind gegen den er dies Schloß vertheidigte, bey weitem nicht sein schlimmster war und daß sein Weg zu Ihnen nur über mich geht. Aber wir streiten vielleicht über die Pflichten eines Todten, und thäten doch, falls diese Nachrichten gegründet sind viel besser, zu packen und zu fliehen. Julie kehrte ihm tief empört den Rücken und folgte der Baronin, welche taub für den Wortwechsel mit dem Himmel verkehrt hatte. Julius traf im Fortgehn auf das Fräulein. Werden wir uns widersehn? »sprach er« und wie, und wenn? Längstens dort! »entgegnete sie« und so Gott will, an einem schönern Tage. Er drückte gerührt ihre Hand an die Lippen. Sie müssen fliehen »sprach er« wer begleitet, wer beschützt Sie denn? Himmel und Erde »entgegnete sie« der Mutter Gebet und unser Jäger. Die Baronin kam in diesem Augenblick herzu. Sie hatte von Julien vernommen wer er sey, sah in dem unerwarteten Gaste einen ihr in der Stunde der Noth gesandten, erbeteten Beystand und bot ihm nach den ersten Begrüssungen den Platz in ihrem Wagen an. Augustens Augen unterstützten mit sanften, beredtsamen Blicken das Erbieten, der Freyherr sagte zu. Sechzehntes Kapitel. Nur zu lange ließen wir indeß Herminen aus den Augen, deren Lage nach Woldemars übereilter Flucht unter die trostlosesten hinabfiel. Julius war nach jener Begebenheit, durch Theresens Vermittlung ihr bekannt, war ihr Freund, ihr Rathgeber geworden, und des Mädchens letzte Hoffnung beruhte auf dem Erfolge seiner Reise. Muth- und ruheloser als je, lag sie eines Abends an dem Herzen ihrer heimlichen vertrauten Schwester, als diese tröstend zu ihr sprach -- Schon manche Braut, meine Geliebte, ward getäuscht, schon manches feste Band durch Zufälle, Mißverständnisse oder die Bestandlosigkeit der Männer zerrissen und nicht selten segneten späterhin die Getäuschten ihr Schicksal. Wüßtest Du doch was ich verschweigen sollte! Hermine sah, den Trost verschmähend in ihren Busen nieder. Ach! Schwester »klagte sie« Du kennst den Umfang meines Unglücks nicht. Gestehe nur »entgegnete Therese« daß Julius der liebenswürdigste aller Männer ist. Mir wenigstens sagt mein Gefühl daß ich an seiner Hand den lieblosen Hitzkopf bald vergessen, daß ich dem Himmel danken würde, der mich durch kurzen Schmerz zu einem solchen Ziele führt. Das ist Dein Fall. Es kostet meinem Herzen viel, gestand er mir am Abend vor seiner Abreise, den Günstling eines Mädchens zu versöhnen, das mich gefesselt und begeistert hat. Aber ich gelobe mir, die Pflicht der Ehre und der Freundschaft zu erschöpfen; und sollte es auch mein Leben gelten, ich erschöpfe sie! Ein reitzendes -- Du mußt alles wissen, Hermine -- Ein gefährliches, verbuhltes Weib sagte er, hat wie der Adjutant mir schreibt, den Thörichten umstrickt, und find' ich ihn verlohren, so tritt der Mittler kühn an seinen Platz, und Sie, Therese, ebenen mir den Weg. Ich versprach ihm das, Liebe! Hermine weinte laut. Ihre Lippen zitterten, das übereilte Geständniß der Schwester hatte ihr Innerstes zerrissen. »Wehe mir!« rief sie, als der wilde Schmerz endlich Worte fand. »Wehe mir, denn unserer Mutter Schicksal ist das meine.« Therese sah verbleichend an ihr herab. Rechte nicht mit der Unglücklichen »fuhr sie fort« welche Sterbliche wär' in jener Versuchung bestanden? Es gab eine Nacht, Therese, in der dies Herz von Sehnsucht aufgelöst, dem Liebling alle seine Blüthen zudachte -- in der ich die Arme verlangend nach dem Bräutigam ausstreckte, in der die schöne Feen-Welt der Wunder zurückkehrte. O, fühle, liebe, verlange wie ich, und tritt nun nach einem endlosen, verschmachteten Tage, in die einsame Kammer -- Deine Lippe lispelt seinen Nahmen, die warme Phantasie träumt ihn an's Ziel in Deinen Arm; da rauscht es hinter Dir, des Lieblings Geist erscheint, kommt näher zieht Dich an die Brust und wird -- und wird zu Deinem Manne! Der Oheim unterbrach die Schwestern. Ein Geschäft führte ihn her, doch das Wort erstarb auf seiner Zunge, als er Herminen einer Sterbenden ähnlich, der Ohnmacht nahe fand. So sage doch endlich was Dein Herz bekümmert! »sprach der Erschrockene« Kann ich helfen? Sie neigte sich schluchzend auf seine Hand. Willst Du heyrathen? Ich sage _Ja_! Ledig bleiben? Desto besser! Ein ehrlicher Mann kann in Voraus alles gewähren, was ein braves Mädchen verlangen mag. Nach Pyrmont soll ich, will der Arzt. Willst Du das auch, so reisen wir zusammen. Gern, gern! rief diese jetzt. Hinaus! Weit in die Ferne! vielleicht, daß dort ein Heilbad für mich quillt. Der Diener welcher ihn eben abrief, brachte Herminen einen Brief. Er war von Julius. Zitternd erbrach sie ihn. Siebzehntes Kapitel. Noch verbarg die Frau von Wessen, von Aerger, Gramm und Angst bedrängt, ihre besten Geräthschaften, als ein Trupp feindlicher Husaren in den Hof sprengte, zum Willkommen mit Pistolen in die Fenster schoß und den angespannten Wagen umringte. Die Baronin saß bereits, der Töchter gewärtig, in diesem, Julius stand mit ihrem Staub-Mantel in der Hand vor Augusten, eine Kugel schlug zwischen beyden hindurch. Schnell gefaßt warf er das leichte Mädchen auf den Arm und stürzte mit ihr durch die Gartenthür den Hügel hinab. Sie wieß zum nahen Walde, nach einem Fußpfad hin, der tief in den Forst zu der Wohnung eines Wildhüters führte. Bergab, bergauf schlang sich der unwegsame Pfad und bald verschwanden Kraft und Odem. Die schöne Bürde glitt am Fuß einer Eiche von seinem Arm, er sank erschöpft an ihre Seite. Das Bedenken, mit einem solchen Manne und von ihm verpflichtet in dieser Wildniß allein zu seyn, ging in dem Gram über das Schicksal der Mutter, über die höchst gewisse Plünderung des Schlosses, über das unselige Verhängniß ihrer Zukunft unter. Schrecklich brauste jetzt der Donner des Geschützes durch den Hayn. Auguste raffte sich verstummend auf und eilte fort. Er stürzte der Besinnungslosen nach und immer dunkler ward der Wald; die Sonne sank, man kam zur Wildhütte. Der alte Jäger erstaunte, die Tochter seiner Herrschaft hier zu sehen, erquickte die Hinsinkende mit Brot und Milch und versprach, bewegt von des Fräuleins befehlender Bitte und dem Golde das ihm Julius verhieß, sich nach dem Einbruche der Nacht auf die Wessenburg zu schleichen, und wo möglich die dort Verlassenen ihnen nachzuführen. Er füllte die Lampe mit Oehl, schloß die Thüre hinter den Einsamen zu und ging davon. Auguste sah umher, sah dem lauschenden Gefährten in's Auge, untersuchte das Thürschloß, schlich weinend auf und ab und warf sich jetzt auf ihre Kniee nieder. Sie sprach mit Gott. Laut betete das schmerzerfüllte Mädchen und unwillkührlich falteten sich die Hände des Hörers. Ihr Angesicht verklärte sich; ein leises Amen flog, wie Geister Säuseln, von den Lippen der Beterin. Julius faßte, als sie sich jetzt mit freudigem Muth erhob, bis zu Thränen gerührt, ihre Hand. Wie ist Ihnen denn? fragte sie, voll zärtlicher Theilnahme und trocknete die Perlen des heiligen Mitgefühls von seinen Wangen. Wie dem Gerechten! entgegnete er. Ich glaubte den himmlischen Gespielen wieder zu sehn, der einst die seligen Träume des Knaben verschönte -- Den Engel der in des Kindes Glauben lebte, und mit des Jünglings Unschuld floh. Sie haben da eine Kirche vor mir aufgethan, in der ich, unrein wie der Zöllner stand. Den fürcht' ich nicht! erwiederte Auguste und setzte sich vertrauend an seine Seite. Julius pries, um diesem Vertrauen zu entsprechen und ihre Besorgnisse durch ein ernstes Gespräch zu zerstreuen, den Heilquell des Glaubens. Er sprach von seinem wohlthuenden Einfluß auf die Bildung des Herzens; gedachte der väterlichen Lehren, des mütterlichen Vorbildes, der Fluth der Sinnlichkeit die seine Gelübde und die reiche Saat der elterlichen Mühe verschlang. Plötzlich »fuhr er fort, denn sie hörte ihm mit Andacht zu« faßte mich eine Hand. Es war die Hand des Todes-Engels, der mich am Sarge meines Vaters mahnte. Fremdlinge und Verwandte umgaben ihn; ihre Klagen, ihre Thränen, ihr Lob weihte seine Asche. Die Feinde selbst ehrten sein geheiligtes Andenken. Und was würden sie denn am Sarkophag des Sohnes sagen? »fragt ich mich auf dem Wege zu der väterlichen Gruft!« Wo sind die Opfer die du dem Glauben an die ewige Wahrheit der Tugend gebracht hast? Die Saaten für jene Welt gesät? Die Siege über das thörichte Herz errungen? Jetzt zeige die Wunden auf, die du heiltest, die Keime der Fruchtbäume die du gepflanzt hast! Beschämt, vernichtet, stand ich vor dem innern Richter, wendete den Blick in mein Innerstes und verzweifelte für den Augenblick an der Rettung aus dem verzauberten Schloß, denn an jeden Finger hing sich eine Schooßsünde die mich nicht lassen wollte. Meine Arme lähmte die Unthätigkeit, eine schmeichelnde Vertraute meinen Willen; in jedem Winkel spottete ein Satyr den grämlichen Pedanten aus. »Still« sprach das Fräulein zu dem Beichtsohn. Eben klopfte man an den Fensterladen. Auguste bebte, Julius zog die Pistolen hervor, und verbarg das Licht. »Aufgemacht!« rief es. Zwar mischte sich ein bittender Ton in die Stimme, aber Satan bat ja schon öfters mit Engels-Zungen um Einlaß. »Ich bin es, guter Jakob!« versicherte Frau von Wessen. Julius antwortete an des Wildhüters Statt. Aber die Thür war von innen nicht zu öffnen und der Alte hatte den Schlüssel mitgenommen. Sie werden doch eine Hand für mich frey haben »entgegnete Julie« um mir durch den geöffneten Fensterladen herein zu helfen. Er folgte schnell dem Winke und zog die Füllreiche nicht ohne Anstrengung, nach manchem fehlgeschlagenen Versuch hindurch. Vergebens hatte Auguste während dem zu wiederhohlten Mahlen nach dem Schicksal der Mutter gefragt. Das »sprach die Schwägerin, als sie jetzt wieder auf ihren Füßen stand« das kann kein Gegenstand für ein so pflichtvergessenes Mädchen seyn, das allen dem was ihr am theuersten seyn sollte, den Rücken kehrt, um mit ihrem Retter davon zu laufen. Verzeihen Sie mein Herr, wenn etwa die verwünschte Dritte den Erguß der feurigen Dankbarkeit unterbrach. Ihre Verzeihung »fiel Julius ein« ist um so überflüßiger, da wir vor Gottes Augen wandelten. Der Wittwe Hohngelächter empörte ihn. Vor Gottes Augen! »wiederhohlte er« wir dürfen keck die bösen Geister Lügen strafen. Was kümmert's mich! »entgegnete sie« Laß uns Friede machen und Entschlüsse fassen, denn diese Nacht dauert nicht ewig und meine Kräfte sind erschöpft. Rund um erleuchten feindliche Wachtfeuer den Himmel, nur gegen Osten hin scheint mir der Weg noch frey zu seyn. Auguste warf sich schluchzend an ihren Hals. Sage mir »flehte sie« wie und wo Du die Mutter verließest, denn eine furchtbare Ahnung bedrängt mein Herz. Quälle mich nicht »entgegnete Julie« Und wenn Dich nun vorhin jemand beschworen hätte, ihm zu sagen wo die vermißte Schwägerin blieb, was hättest Du denn zu erwiedern vermocht? Konnt' ich Dich aufsuchen? versetzte Auguste -- Dem nahen, sichern Tod entflohen wir und tief im Wald erst kam mir die Besinnung wieder. Das ist auch _mein_ Fall. Mich aber nahm kein beschützender Mann an sein Herz. Mir selbst überlassen mußte ich Rettung suchen, und nur die Schrecken der Nacht, nur die grause Furcht vor Ungeheuern, nur der Gedanke an Woldemars Schicksal begleitete mich. Ueber mir rauschten die Wipfel wie der Fittich des Würgengels, aus jedem Dickicht sah bald ein weißer Geist, bald eine blutige Gestalt hervor und während dem Du hier in schöne Augen sahst, hat mir kein Stern geglänzt, sah ich nur Bilder des Entsetzens. Auguste drückte die Hand der Schwägerin an ihre Lippen. Arme Schwester »sagte sie« Ich hab auch recht für Dich gezittert und gebetet. Dann hat mir freylich nichts begegnen können »entgegnete diese und lächelte wegwerfend.« Wie? »fragte Julius« Sie könnten die Vorsprache eines so himmlischen Gemüths verschmähen? Die geheime, durch tausend Erfahrungen bewährte Kraft eines feurigen Gebets bezweifeln? Ich für mein Theil muß zur Ehre des guten Geistes bekennen, daß ihn mein Herz in bangen, schrecklichen Stunden, in Lagen die ich für die äußersten, in Augenblicken die ich für meine letzten hielt, nie vergebens um Licht und Rettung anrief. Ich für mein Theil »erwiederte Julie« gestehe dagegen, daß mir bis jetzt der gute Geist der Besonnenheit noch immer viel sicherer als ein feuriges Gebet aus der Noth half, aber selbst das eiserne Fatum hat seine Günstlinge und ich zählte Sie schon beym ersten Anblick unter diese. So macht mich denn zur Genossin des Lichts und des Raths den diese Bethstunde vom Himmel herablockte. Mir scheint es ganz ohne Zuthun einer Schicksals-Macht höchst gerathen noch vor Tages Anbruch der nächsten Station zuzueilen, und falls sich da um keinen Preis Pferde vorfänden, auf gutes Glück mit der geschlagenen Armee fortzuziehen. Hat ihre Niederlage sie nicht um allen Rittersinn gebracht so wird er sich gewiß zu Gunsten junger Damen äußern, die aus verweinten Augen sehen. Julius und Auguste entgegneten einstimmig daß man für's erste die Rückkehr des alten Wildhüters abwarten müsse, dem es bey seiner Kenntniß aller Schliche gewiß gelingen werde, die Baronin aus dem Schloß und in ihre Arme zu führen. Deine Zweifel aber an der Thätigkeit einer höhern, leitenden und erhebenden Hand »setzte Auguste hinzu« sind bereits durch die Fassung mit der Du ganz wider Erwarten die Sage von Woldemars Unglück hinnahmst und durch das Wunder, welches Dich durch die Nacht und die Feinde und den unwegsamen Wald in unsere Mitte brachte, widerlegt. Schnell erglühend sagte Julie »Ich fand noch eben Kraft genug in mir, den Triumph der schadenfrohen Mißgunst durch Gleichmuth und Entsagung zu verkümmern, und unter diesen Umständen in der Nachricht von des Hauptmanns Schicksals den besten Trost.« Julius setzte sich bereits zurecht, der erklärten, unversöhnbaren Widersacherin die Spitze zu bieten, als der alte Jäger in das Stübchen trat und Augusten ein Billet von der Baronin überreichte. Geliebte Tochter »las das Fräulein mit zitternder, von Furcht und Hoffnungen bewegter Stimme« ich melde Dir daß sich Deine Mutter zwar, gleich dem Daniel in der Löwen-Grube befindet, doch gleich wie er, ganz unversehrt daraus hervorzugehn gedenkt. Es liegt bereits ein feindlicher Oberster in dem Gast-Zimmer dessen Ankunft allem Unwesen schnell ein Ende macht. Ich kann die Güte mit der er hier verfährt, nicht beschreiben und rathe Euch deshalb sogleich zurückzukommen, da er nicht allein meine vorgehabte Entfernung gut geheißen sondern sich selbst erboten hat, uns in dem zugestandenen Wagen bis über die Vorposten begleiten zu lassen etc. Auguste schlug hoch erfreut in ihre Hände, und Julius bot ihr den Arm. Lassen Sie uns eilen »sprach er« denn leicht könnt vor Abends noch ein Unhold an die Stelle des menschlichen Schutzgottes treten. Achtzehntes Kapitel. Der Wagen stand jetzt wieder, als die Flüchtlinge in den Hof traten, wie gestern, angespannt vor der Thür, und die Baronin reisefertig an demselben. Vor allem »sprach Julie zu dieser« lassen Sie uns Erschöpfte erst ein wenig frühstücken, mich dann nach meinen, im größten Wirwarr verlassenen Sachen sehen und nebenher auch dem Obersten für seine großmüthige Schonung danken. Damit flog sie singend die Treppe hinauf und an dem Zimmer des feindlichen Gastes vorüber. Begierig das kecke Vöglein zu sehn, welches hier unter der Schärfe des Schwerts noch Sinn für solche Läufer habe, steckte der junge Held den Kopf aus der Thüre und fand sich auf's Angenehmste überrascht. Frau von Wessen schien erschrocken, trat ihm mit reitzender Demuth entgegen, dankte dem Gütigen in den gewähltesten Ausdrücken seiner Sprache, hoffte, sich als die Wittwe eines gefallenen Soldaten schonender Rücksichten gewürdigt zu sehn und war nach einem viertelstündigen Aufwand ihrer magischen Künste der willkommensten aller Eroberungen gewiß. So eben »sprach sie zu der ängstlich treibenden Mutter« hat mir der Oberste noch den großen Rüst-Wagen zugestanden auf den ich alles was wir bereits verlohren gaben, packen lassen und Ihnen dann folgen werde. Seine Husaren und der Verwalter sollen mein Schutz und mein Schirm seyn. Im Zollhaus erwarten Sie mich. Die Baronin erklärte dagegen, ohne sie nicht von der Stelle weichen zu wollen. Da nun der gedachte Rüstwagen fürs erste einer Ausbesserung bedurfte, so verzögerte sich die Abreise von Stunde zu Stunde, und ward endlich, als sich die Mutter im Gefolge der ausgestandenen Schrecknisse plötzlich von ihren Krämpfen befallen sah, auf einen der folgenden Tage verschoben. Alle außer ihr fanden dabey für den Augenblick ihren Vortheil. Der Oberste hatte nächst dem Ruhm nichts lieber als das _Schöne_ und Frau von Wessen gefiel sich vor allem in der Rolle der Delila. Julius fand in den Offizieren geistreiche, unterrichtete, seinem Sinne zusagende Männer und täglich mehr Veranlassung, der schüchternen Auguste die Einsamkeit in die sie sich, trotz der anziehenden Gäste, zu seiner höchsten Befriedigung vergrub, erträglich zu machen. Bald darauf lief auch die Bestätigung von Woldemars Gefangenschaft ein. Er hatte, laut eines vertrauten Briefes des Adjutanten, den Erwartungen die sein erstes Probestück erregte und der Rolle zu der ihn seine Beförderung erhob, so wenig entsprochen, sich auf einem Außen-Posten so zweckwidrig benommen, sich späterhin so unvorbereitet überfallen lassen, daß seine Stelle wie billig bereits vergeben und besetzt worden war. Plötzlich entstand eines Morgens großer Lärm in dem Hofe und dem Hause. Es gab ein Seitenstück zu Woldemars Aufbruch; eine Ordre welche den Genius der Wessenburg zu der Armee des Innern abrief, brachte Freunde und Feinde in Bewegung. Die Baronin bereitete sich jetzt aufs neue zur Flucht, Julius empfahl dem Obersten auf gut Glück seinen Kriegsgefangenen Freund und benutzte dessen Erbieten, ihn mit Wechseln und Nachrichten zu versehn. Sein Brief sprach um so nachdrücklicher für die Verlassene, da ihm Theresens letzte Zuschrift für immer alle Hoffnung auf die Hand ihrer Freundin benommen hatte. Alles war zum Aufbruch bereit als Julie in der Mutter Zimmer trat, ihr mit feierlichem Ernst die Hand küßte und sich als die Braut des Obersten auf immer beurlaubte. Zwar »sprach sie« ist der Schritt gewagt; aber in der Liebe ist ja, nach des Meisters Ausspruch alles nur ein Wagstück -- Zwar bin ich Woldemars Verlobte, der aber sitzt an fernen Wasserflüssen und weiß noch immer nicht was er will -- Zwar ist mein Bräutigam der feurigste Republikaner, doch wer die Freyheit ehrt, wird auch die Rechte des Weibes achten. Zwar ist er Katholik, doch sind ja seine Götter auch die Meinen und Amor unser Schutzpatron. Die Mutter stand verstummt und sah mit gefalteten Händen gen Himmel. Ihnen, Herr Baron »fuhr Julie, sich zu diesem wendend, fort« Ihnen, dessen langweiliger Intrike mein rascher Entschluß über den Graben hilft, wünsch' ich an Augustens Hand das beste Glück und eine Wildhütte um es auszulassen. Warum erröthest Du, Gustel? Es ist nichts gewisseres als daß er der Deine wird -- Ich seh, Ihr steht auf Kohlen. Gleiches mit Gleichem! Oft genug habt ihr mich auf Nesseln gestellt. Gott segne Sie, _ma mere_, und Ihre Bethstunden, Herr Baron und Dein Ehebett, Fräulein! Damit verschwand sie. Die Baronin eilte ihr nach. Auguste weinte, tief verletzt, hinter ihrem Tuche, Julius neigte sich liebkosend zu ihr herab und sagte -- Möchte der Segen dieser unholden Wahrsagerin ausgehen! ihr böser Wille befördert seltsam genug den schönsten Zweck und ich darf nun keck und ohne Zögerung eines Verhältnisses gedenken das zu den zärtesten des Lebens gehörte. Kein Wort also von Gefühlen und Gelübden die mein Geschlecht so oft zu gewöhnlichen Behelfen herabwürdigt. Sprach Frau von Wessen aus Augustens Seele so wär' es wohl gerathen, die edle Schaamröthe an meinem Herzen zu verbergen? Sie schwieg, er schlang den Arm um ihren Leib -- »Auguste!« sprach er leise und zog das Tuch von dem lieblichen Antlitz. Die blauen, thränenschweren Augen bethaueten seine Hand mit warmen Tropfen. Ich fühl es lebhaft »fuhr er fort« daß die Wildhütte zu meinem Glücke hinreichen, daß sich, an diesem Herzen alle wilden Wünsche des meinen in sanfte Sehnsucht nach den Hütten des Friedens auflösen würden, und was das Ihre fühlt, verräth dies Auge. Auguste lehnte sich, still entzückt an seine Schulter und lispelte mit bebender Stimme -- »_Innige Liebe!_« Er küßte den Mund der diese Worte sprach, unter freudigen Schauern, und eilte Arm in Arm mit ihr der eintretenden, trostlosen Mutter entgegen. Neunzehntes Kapitel. Woldemar war indeß von einer gefährlichen Krankheit genesen und sah noch immer, von jeder Nachricht aus der Heimath abgeschnitten, entblößt von Geld und allen Gütern, die das Leben versüßen, der Auswechslung entgegen. Nacht für Nacht erschien ihm Hermine, bald im Glanze der Unschuld, bald als eine weinende, reuige Sünderin. Bald auch täuschten die Entzückungen der Weih-Nacht den Schläfer, oder die glühende heiß umfangende Julie ward vor den Augen des Erwachenden zur Stroh-Garbe des Lagers auf dem ihn die gaukelnde Phantasie hohnneckte. Immer öder und leerer ward sein Inneres. Tage lang sah er, gedankenlos hinstarrend, in den Strom der an dem Kloster das die Gefangenen barg, vorüberrauschte, und sein Gemüth erlag unter der Bürde der Schwermuth. Sterben! Schlafen! »rief er mit Hamlet aus« das ist eine Vollendung der brünstigsten Wünsche werth. Vielleicht auch träumen! »sprach Gregor, sein Schlaf-Geselle« nur bette Dich gut! Wenn selbst das Leben, wie unsere Weisen sagen, ein Traum ist, so wird es Pflicht sich immer die angenehmsten zu bereiten. Der Verdruß über diese närrische Welt, die Schaam über dieß thörichte Herz, der Gram über Mangel und Unfälle, haben früher den besten Theil meines Daseyns verkümmert und selbst die kleinen, unvermeidlichen Uebel zu erdrückenden Lasten gemacht. Endlich erschien mir, spät genug, ein heilsamer Tröster. Er schlug das schwarze Buch der Wirklichkeit vor mir zu, und führte mich in sein Freudenreich. Bist Du elend? Hat Dich die Freundschaft verrathen? Die Liebe betrogen? Dein Feuer-Eifer in Händel verwickelt? Dein Sinn für Recht und Wahrheit die Menschen gegen Dich empört? Nun, so flieh aus der Jammer-Höhle und folge mir nach. Ich weiß ja wohl »versetzte Woldemar« daß Deine Kopfwunde bedeutendere Folgen als die meine hatte. Fürchte das nicht! »entgegnete Gregor« Tiefer als diese -- ach, ganz unheilbar sind die Wunden meines Herzens, doch eine Wunderthäterin verbindet sie. Welcher Unsterblichen »frag ich mit dem Dichter« soll der höchste Preis seyn? -- Der Phantasie! In ihrem Reiche lag das Paradies; in ihm liegt Elisium. Dort sind die Blüthen-Bäume meiner Jugend gereift; dort lebt das Weib, dort stirbt der Freund für mich! Lob sey der Göttin! Ihr Nektar begeistert ohne zu berauschen, ihr Kuß berauscht ohne zu entzaubern; ewig säuselt des Lenzes Hauch durch den Hesperischen Hayn und Kühlung um des Wallers Schläfe. So sage denn endlich was Du mit diesem Pathos gesagt haben willst? Könnte die Einbildungs-Kraft den Essig des Lebens in Honig, den Kerker zum Faul-Bett, die Geißel des Schicksals zur sammtenen Hand der Charis umschaffen, so wollt ich heute noch jeder bessern Geisteskraft absterben. Wer von dem Farbenspiele seines Gemüths spricht »versetzte Gregor« wird der Mißdeutung nie entgehen. Zerfallen mit der Gegenwart anticipirt mein Herz das Heil der Zukunft und lebt schon jetzt im Geist auf bessern Sternen. Eine Dame rollte pfeilschnell, im Phaeton, an dem vergitterten Fenster vorüber. O Himmel! »rief Woldemar« Meine Braut! -- »Mein Weib!« rief Gregor und rieb sich, wie aus einem Traum erwachend, Stirn und Augen »Ja -- Ja! ich wache, sehe, lebe noch und das war Julie.« Julie von Wessen! »fiel der Hauptmann ein« die Wittwe eines Officiers. Wittwe? sagte dieser -- O, wollte Gott! Woldemar blickte ihm starr in's Gesicht. Jenes Geschwätz, und diese Aeußerungen schienen auf heimliche Verrücktheit hinzudeuten, und dennoch sah ein ruhiger, besonnener Geist aus seinen Augen. Deine Braut! rief Gregor mit einem seltsamen Lächeln. Die auf jeden Fall einer von uns verkannt hat. Du nanntest sie bey ihrem Nahmen. Sie trägt den meinen. Armer Gregor! Sag: Aermster Wessen -- So nenn' ich mich. Woldemar schüttelte zweifelhaft den Kopf. Dein Erstaunen »fuhr jener fort« beweist daß Du sie kennst und daß sie mich zu den Todten warf. Auch lag ich bereits unter diesen. Eine mitleidige Bäuerin, welche die Opfer des Schlachtfeldes verscharren half, fand noch Spuren des Lebens in dem Verscheidenden und entriß mich dem sanften Erlöser. Ich ward in ihre Hütte getragen, verbunden, gepflegt und kam nur allmählich aus dem finstern Gebiete des Nichtseyns zurück. Man hatte mich Unbekannten, zur Ehre des Schutzheiligen meiner Weckerin, Gregor genannt. Ich ward unter diesem Nahmen in das Haupt-Spital, und späterhin mit mehrern genesenden Gefangenen in das Innere abgeführt. Mein Zustand verschlimmerte sich von neuem. Was ich auch, nach der endlichen Herstellung zu meinem Besten that und sagte, ward als ein Hirngespinnst des Wahnsinns belächelt, da man mich nackend, ohne Kennzeichen meines Ranges unter den Leichnamen hervorzog, und ich mich späterhin nur mit diesem Kittel bedeckt fand. Thränen stürzten jetzt aus seinen Augen. Noch leidet freylich mein Kopf »fuhr er mit fallender Stimme fort, und bedeckte mit der Hand die tiefe Narbe« doch mein Gemüth leidet noch mehr. Ich habe eine zärtliche Mutter verlassen. Sie wird bitterlich um mich weinen. Eine traute Schwester -- Tief und herzlich wird sie um den Verlohrnen trauern. Ein treulos Weib! -- Es wird den Schmerz erheucheln wie einst die Liebe. Schnell ergriffen sprang er auf. »Sagtest Du nicht daß sie hier sey?« Mit nichten! »erwiederte Woldemar und drückte ihn auf sein Lager zurück« Doch Deine fromme Mutter lernt ich kennen und diese Schwester ward mir werth. Ermanne Dich nur! Die Rückkehr des Verlohrnen wird diese Thränen überschwenglich vergelten und alles schnell zum Besten kehrn. Aber Gregor vernahm des Trösters Stimme nicht. Er starrte bewußtlos vor sich hin, und vergrub sich tief in sein Stroh. Woldemar stand noch, von den schmerzlichsten Empfindungen bewegt, vor dem Unglücks-Gefährten, als der Aufwärter in die Zelle trat und ihm ein geöffnetes Paquet übergab, daß seiner Aeußerung zu Folge ein eben durchreisender Officier für ihn mitgebracht habe. Er erkannte auf den ersten Hinblick die Hand des Julius und ein freundlicher Sonnenstrahl fiel durch die Nacht der Schwermuth in sein Herz. Zwanzigstes Kapitel. Der plötzliche Tod des Oheims, welcher kurz nach seiner Ankunft in Pyrmont erkrankte, hatte Herminen schnell zur reichen Erbin gemacht, und sie der traurigen Gewißheit überhoben, sein Vertrauen durch das unabwendbare Geständniß ihrer Lage verscherzt zu sehn. Ein freundliches, in der Nähe jenes Heilquells gelegenes Landgut ward zum Verstecke gewählt, und der Geistliche desselben, der sich am Sterbebette des Oheims die Achtung der Schwestern erwarb, zu ihrem Geschäfts-Träger gemacht; denn für immer hatte Hermine auf die Rückkehr in ihre Heimath Verzicht gethan. Die Blätter verbleichen »sprach sie eines Abends zu Theresen, als die Schwestern Arm in Arm durch den Garten des freundlichen Besitzthums schlichen« verblich ich doch mit diesen! Kein Meer reicht hin den Flecken auszuwaschen, der Tod allein kann ihn vertilgen. Bescholten und verbannt werd ich vergehen -- schnell wie mein Kranz verblühn, und unbekränzt in's Grab getragen werden. Auch die Reue hat ihre Grenzen »erwiederte Therese« und der Gram sein Ziel. Die Gattin gab sich nur dem Gatten hin. Er ist der Schuldige, Du nur das Opfer. Schon öfter hat ein Fall die Fallende erhoben, ist die Myrte zur Palme, die Büßerin ein Vorbild hoher Tugend worden. Und wenn mich meine Augen nicht trügen »fuhr sie fort und zeigte nach der Gitterthür« so erscheint uns eben dort ein hülfreicher Freund. Es war Julius der an Augustens Arm in den Garten tratt. Erblassend floh Hermine durch den Laubengang; wo hätte sie den Muth hergenommen sich in dieser Gestalt vor ihm sehen zu lassen. Ich komme weit her »sprach er zu Theresen« um Ihnen meine Frau vorzustellen, vergebens wies man uns an der Pforte des Paradieses ab. »Ich bin Gott Vater!« versicherte ich und glaub es nun selbst, denn Eva hat sich schnell versteckt. Wohl jeder die ihn nicht scheuen darf! Deren frommen Augen die wunderseltsame Kraft ward, den kecken Versucher in einen ehrbaren Vormund zu verwandeln. Denken Sie mir nicht an jenen Tag »fiel die junge Wahl seufzend ein« wir leiden noch an seinen Folgen. Aber den Vormund heiß' ich willkommen und freue mich des Engels den er dem Glück und seinem guten Rechte dankt. Komm an mein Herz, edles Mädchen! sprach Auguste, und umarmte Theresen. Sie sehn »versetzte Julius« daß wir alles erschöpfen die Pförtnerin dieses Klosters zu gewinnen und ihre Dankbarkeit wird dagegen nichts unversucht lassen, die falsche Schaam der mütterlichen Jungfrau zu beschwören, deren Zustand sie in meinen Augen um so reitzender macht. Das dürfte ganz ohnmöglich seyn! entgegnete ihre Schwester, und ein Mann, dessen Zartgefühl mich ehedem selbst mit seinem unzarten Geschlechte versöhnte, wird eine so seltene Tugend der leidigen Neugierde nicht zum Opfer bringen wollen. Sie bedürfen eines Mannes Rath! sprach er ernstwerdend. Den liefert das Pfarrhaus. Und bald auch -- den Herrn Pathen. Erröthend kehrte sich Therese zur Baronin, die ihn mit einem Fächerschlag zur Ruhe wies. Wenn ich hier nützlich seyn könnte »sprach sie zu jener« so nehmen Sie mich auf, denn mein Mann hat eine Geschäfts-Reise vor und ich war so lange schon mit dem Fröhlichen froh, daß ich recht gern wieder ein Weilchen mit dem Weinenden weinen möchte. Dieser Wechsel hat sein Gutes und man bedarf ja vielleicht auch, früh oder spät, theilnehmender Seelen. Sie sind ein Bothe von Gott gesandt! erwiederte Therese, und diese großmüthige Herabneigung wird ein verstörtes, in edle Schaam versunkenes Gemüth viel schneller als mein längst verbrauchter Trost erheben. Mir ist »sprach Julius« bey allem dem ganz wunderbar ums Herz, und mein Innerstes mit dem tiefsten Groll gegen den Urheber dieser Pein erfüllt, der um jeden Preis alles gut machen soll! Meines Mannes Reise »versicherte Auguste« hat diesen Zweck. Therese weinte jetzt und sagte »Dieser Urheber bin ich!« Oder der Himmel »entgegnete Julius« der Sie zum Ebenbild der Schwester schuf, oder die Hölle vielmehr die da ganz ohne Mühe eine Saat himmlischer Freuden mit Unkraut bedecken konnte. Aber, gute Wahl, mir ist leid für die Leidende. Sie fühlt zu tief um nicht auf Kosten ihres Lebens zu empfinden. Es wird in diesem Sturm versinken. Das ist's was ich fürchte »klagte diese.« Ich fürchte nichts! »sprach die Baronin« wir sind zum Schmerz berufen; verstören nur -- zerstören wird er nicht. Wir Unschuldige sind gemacht die Sünde dieser Welt, die Schuld der Schuldigen zu tragen. Für die Wahrheit küß' ich Ihre Hand! »rief Therese.« Der liebende Gatte that ein Gleiches, sie schlang den Arm um beyder Nacken, die Wangen der Umfangenen berührten sich. Therese »flehte Julius« bey dem schönen Sinn dieser Gruppe beschwör ich Sie, mich Ihrer Schwester vorzustellen; mich wenigstens nur ihr liebes, leidendes Gesicht sehn zu lassen. Der Anblick soll mich stärken für meine Zwecke und der thätigste ihrer Freunde verdient ja doch, ich fühl' es lebhaft, diese Güte. Da trat Hermine plötzlich, einem Geiste gleich, hinter der Hecke hervor und neigte sich laut weinend an seine Brust. Sie haben viel für mich gethan! »sprach sie mit gebrochner Stimme« mehr als ich je vergüten kann; doch diese holde Frau wird es vergüten. Ich stehe am Grabe, Julius; es ist mein letzter Dank! Und auch den letzten Segen leg ich in Ihrem Herzen nieder. Ich bin nicht mehr wenn Sie _Ihn_ wiedersehn. Thränen füllten seine Augen. Hermine drückte des Freundes Hand, und einen Kuß auf seine Lippe. Theilt Euch in diesen! sprach sie mit dem Flötenton der innersten Wehmuth und sank erbleichend an Theresens Herz. Leidende Heilige! »rief Julius erschüttert aus.« Der lichte Geist der Hoffnung umschwebe Sie! Wenn ich zurückkehre wird sich ein Blümchen an die Rose schmiegen, und der entzückte Gatte, wie Hüon vor Amanden stehn. Ich werde vor Gott stehn »erwiederte sie« und Ihr gerührt an meinem Grabe. Julius verwies ihr die bangen Zweifel und machte sich reisefertig. Lebe wohl! »sprach die tiefbewegte Auguste und floh an den Hals ihres scheidenden Gatten« Dem Herrn befehl ich Deine Wege! Umfangend hob er sie empor. Lebe wohl! »flisterte sie« mein Liebling, meines Lebens Licht! Meine Wonne! Als Julius verschwunden war, faßte Woldemars Braut die Hände der neuen Freundin und der Schwester, drückte beyde an ihr Herz und sprach -- Wie sanft wird sich's in diesen Armen sterben! Ein und zwanzigstes Kapitel. Dem Briefe des Julius welchen der Aufwärter dem Hauptmann überbrachte war ein kleines, mit Bleystift geschriebenes Blättchen, von der Hand der Frau von Wessen beygefügt. Es beschied den Vertrauten mit dem Schlage der bezeichneten Abendstunde in den Gasthof wo sie abtrat, und mehr als eine Triebfeder drängte ihn, der Einladung zu folgen. Woldemar fand sie allein, schöner als je, in einem idealischen Nachtkleid und ward mit bräutlicher Traulichkeit von ihr umfangen. Ihr Selbstgefühl »sprach sie, als er an ihrer Seite Platz genommen hatte« wird mir für die Großmuth Dank wissen mit der ich mein höchstes Gut, den Liebling meiner Seele, einer heiligen, gebietenden Rücksicht zum Opfer bringe. Lob sey dem leichten Sinne der mir dies Opfer möglich und den Verlust erträglich macht. Auch Sie »fuhr Julie, als sein stoischer Gleichmuth die Antwort verzögerte, mit süßem Lächeln fort« Auch Sie gewinnen offenbar, denn ein so fehlervolles Weib ist nur für kurze Flitterwochen gut und jungem Weine gleich, der schnell begeistert aber Kopfweh macht. Sie nicken? Das ist ehrlicher als galant, und auch ich will ehrlich seyn. Wie innig hing mein Herz an diesem Woldemar. Wie gern hätt' ich das Süßeste mit ihm getheilt, doch er verstand mich nicht, zagte nur wo er begehren sollte, und zittert vor dem schönsten Verhältniß. Mag eine Prüde sich mit kalter Tugend brüsten, ich schlage schaamroth an dies warme Herz. Ach, nur die Dankbarkeit gewann das Ihre, nur der redliche Wille ein geträumtes Gelübde zu erfüllen, nöthigte diesem Munde die längst bereuete Verheißung ab. Doch jenes hatte meine Leidenschaft erfunden und diese geb ich hier zu Gunsten einer weinenden Braut zurück. Um endlich die Erinnerung an mich nicht zu den schmerzlichsten Ihres Lebens geworfen zu sehen, wird sich mein künftiger Gemahl für Ihre Befreyung verwenden. Das war ein Wohllaut! Woldemar lächelte wieder, dankte, lauschte, erfuhr mit Verwunderung wie eigentlich Augustens blaues Band in seine Nähe kam und sagte, mit dem Geist dieser Burg versöhnt »Ein Vertrauen ist des andern werth, und nicht bey mir darf die großmüthige Verwendung dieses sogenannten, künftigen Gemahls beginnen. Vor allem bieten Sie die Hand um den bisherigen zu retten. Noch lebt ihr Wessen, er ist hier. Seit wenig Tagen theil ich mein Stroh mit ihm, und auch sein Unglück.« Julie sah ihn verblassend an, und eben führte Woldemar den Beweis als plötzlich Waffen auf dem Saale klangen und die kleine Tochter des Wirths ein leises _Sauvès Vous!_ in's Zimmer rief. Der Polizey-Beamte folgte der Warnerin auf dem Fuße nach und nahm die Frau von Wessen als Gefährtin des verdächtig gewordenen Obersten und nebenher auch den Gefangenen in Verhaft -- Verhaft und Guillotine aber waren, in jener Schreckens-Zeit fast immer Synonimen. Zwey und zwanzigstes Kapitel. Da siehst Du nun »sprach Therese, und hob die Wiege vor das Bett der tief bewegten Mutter hin« wie wenig Glauben auch die bängste Ahnung verdient. Wir zitterten, von Deinem Beyspiel angesteckt, vor der entscheidenden Stunde; aber sie nahm unsern Kummer mit, und gab uns diesen Liebes-Gott. O Hoffnung, o Geduld! Ihr seyd die Perlen unsers Kranzes. Auguste weihte den Knaben mit stillen Segnungen, Therese ihn mit lauten Küssen, Hermine mit heiligen Thränen ihr Ebenbild. Zwar »sprach Auguste« sind die Männer die begünstigten Schooßkinder des Himmels, aber wiegt wohl ihr höchster Genuß, ihr süßester Rausch, ihr schönster Gedanke das Entzücken einer Mutter auf? Die Männer »fiel Therese ein« sind wilde Bäume, und höchstens nur zum Rauschen gut, bis sich die Dryas naht und sie begeistert. Potz tausend! »rief Auguste« das ging hoch. Aber vom Herzen! Ist auch das Bild gesucht so paßt es doch und der Himmel verzeihe jeder die ihnen zu viel thut. Ich glaube, das hält schwer. Die Undankbaren! Mit einem hoffärtigen »Ich danke dir Gott!« sehn sie auf unsere Kinderstuben nieder und in dem sanften, wachenden, erhaltenden Schutzengel des Hauses nur die gebrechliche Dienerin ihrer Begierde. Des Heldentods der schmerzenreichen Mütter wird kaum gedacht; weder der Ruhm noch ein Ehrensold vergilt unsere Entbehrungen und unsere Opfer -- Geräuschlos bringen wir die größten dar; ruhmredig prahlen _Sie_ mit den kleinsten. Fast immer folgt ihnen die Vergeltung auf dem Fuß, wir werden fort und fort an eine andere Welt verwiesen. »Dein Eifer, Mädchen, hat das Kind erweckt« schalt Auguste und legt' es an der Mutter Brust. Hermine versank in dem Anschaun des Lieblichen und vergab sich jetzt die schwache Stunde. Wie hold du bist »sprach sie den Schmerz vergessend.« Wie diese Augen glänzen -- die Lippe lächelt schon! Als hätt' ihn mir die gute Fee gebracht. Die Freundinnen stimmten bey; der Kleine ward, wie einst Latonens Sohn von den Göttinnen, bewundert, geliebkost und gewiegt. Ich wollte »sagte jetzt Therese, um die erschöpfte Schwester einzuschläfern« daß es noch Feen gäbe, das Leben wäre dann um eins so schön. Meine Gräfin hatte ein altes Buch voll solcher Mährchen, es war bey weitem besser als manch Dutzend unserer Zauber-Romane -- Die Fingerzeige der weisen und mächtigen Balsamine haben mich oft mit dem Schicksal versöhnt und mein Herz von der Sucht der Wünsche, von dem Verlangen nach den scheinbaren Gütern des Lebens geheilt. So spricht sie unter anderm einst, nach der Feen Weise, als altes Mütterchen, Fräulein Amanden um ein Almosen an. Amanda, welche eben in Thränen schwimmt, begabt sie reichlich und wird nun in aller Demuth gefragt, warum sie denn die Rosen und Lilien ihres lieblichen Angesichts mit dieser Perlen-Fluth bethaue? Die Herzlichkeit der Alten erweckt Vertrauen. Eines Liebhabers wegen! sagte Amanda. Ist er denn unbeständig? Treu wie Gold! Eifersüchtig? So will sie ihn -- Arm? Unglücklich? Gefährlich krank? Mit nichten! gesund und reich, und ganz wie er seyn soll, aber alle diese Vorzüge werden von seiner Häßlichkeit verdunkelt. Zwar bin ich ihm »versichert sie« dem ohnbeschadet vom Herzen gut, doch die Schwestern und Freundinnen werden nicht müde meines Geschmacks zu spotten, und lächeln schadenfroh so oft er mich die Seine nennt. Wag' ich es dann, der Lieblosigkeit zum Trotz, ihm unter mehr als vier Augen ein schönes Wort zu sagen, oder wohl gar einen Kuß auf seinen ungebührlich großen Mund zu drücken, so greift die eine nach ihrem Tuch, die andere kichert hinter ihren Fächer, die dritte lacht ihr Strickzeug an und meine Schammröthe verwundet sein Innerstes. Balsamine schlich jetzt zum nahen Kreuzweg hin, pflückte dort nach langer Wahl ein grün und gelbes Blümchen, kam zurück und sprach: das _Gute_ war immerdar heilbringender als das _Schöne_ und ein reizloser Mann viel reizender als zehn Werthlose; doch wächst für den gedachten Uebelstand ein wundersames Hausmittel am Wege das Du nach Belieben gebrauchen magst. Hat dein unlieblicher Freund zu dreyen Mahlen an dies Blümchen gerochen, so wird er schnell genug der Schönste aller Schönen werden. Amanda glaubte sich gefoppt und suchte die Vorlaute durch einen wegwerfenden Blick zu entfernen, Balsamine aber legte das grün und gelbe Wunder-Blümchen auf ihren Schooß und sagte -- »Nur siehe zu, was Du thust, denn manches Uebel ist ein Gut. Schon mancher warf mit der stinkenden Muschel die köstliche Perl weg und den Kern statt der Schale. Treuherz folgt in Noth und Tod, aber Schönlieb ist aller Mädchen Schatten.« Das Fräulein sprach »Es ist schon gut, sie kann nun gehn.« Die Alte ging, Amanda sah ihr nach und ihren Amatus in der Allee herabkommen. Die Schwestern haben Recht! »gestand sie sich« er wird von Tage zu Tage garstiger. Kein Ziegeuner kann bräuner, keine Mohren-Nase stumpfer, kein Juden-Kinn verletzender seyn. Amatus sah von Ferne schon die Falten ihrer Stirn, die hängende Unterlippe, den starren, auf ihre Arbeit gehefteten Blick und setzte sich seufzend an ihre Seite. Sie seufzte auch und schob die Thränen, die sich unaufhaltsam in ihre himmelblauen Augen drängten, auf Rechnung eines heftigen Schnupfens. Er suchte sie durch die Versicherung daß sich jedes heftige Uebel in der Regel am schnellsten erschöpfe, zu erheitern, spielte mit ihrer Busen-Locke und langte bald darauf auch nach dem seltsamen Blümchen das noch auf ihrem Schooße lag. Wollte Gott, dachte sie und sprach im Scherze »_Riech ein Mahl!_« Es riecht nach gar nichts! »versetzte er, und drückt' es tief in die häßliche Stumpfnase« es kriebelt nur! Ists möglich? »rief Amanda in ihre Hände schlagend« Ja, ja, sie wächst! Ich seh's genau; die Nase streckt sich! Mehr verlang ich nicht! Aber schon verschmolz der schwarze Stachelbart in blaue Schatten, die weit geschlitzten Lippen schlossen sich zum Rosenkelche, des Herzens sanfte Flamme strahlt' aus dem verklärten Augen-Paar, und als ihm die Ungenügsame das Blümchen zum dritten Mahl hart vor die umgeschaffene Nase hielt, wich das Mulatten-Gelb dem herrlichsten Inkarnat der je einen Feen-Günstling verlieblichte, wurden die röthlichen Lichtspieße zu goldenen Locken, formte sich der vieleckige Scheitel zum Apollons-Kopf um. O Du Göttlicher! rief das Fräulein, erfreute ihn mit feurigen Küssen und beschwor den Verwunderten sie heute auf den Ball zu begleiten. Amatus war entzückt den Dämon ihrer Laune so schnell entfliehen zu sehn und gab Amanden stracks den Arm. Ihm war als hab er immer so ausgesehn und allen Freundinnen und Bekannten als hab ihnen nur von der Häßlichkeit des engelschönen Mannes geträumt -- Jetzt lächelte, statt der Spottsucht, das Verlangen aus diesen; jetzt hatte jede die sonst auf alle Tänze versagt war, die besten für ihn aufgehoben, und die ihn gestern noch wie einen Unhold flohn, suchten den unstäten heute mit allen ihren Zauberkünsten fest zu halten -- Leiser! »bat Auguste« sie schlummert sanft. »So schlafen wir auch!« entgegnete die Erzählerin und setzte sich, erschöpft von Nachtwachen zurecht, um nun ein wenig auszuruhn. Die Baronin aber, der das Mährchen gefallen hatte, versicherte, sie werde sich durch diesen unzeitigen Schlaf die Nacht verderben, und auch Hermine schlug jetzt die sanften Augen auf, und erbat sich die Fortsetzung. Wenn Ihr es denn befehlt, gnädige Frauen! »sprach Therese,« so will ich in der wunderseltsamen Geschichte des grünen und gelben Blümchens fortfahren und wünsche nur, daß mein ungeschicktes Bestreben, Eure Nachsicht verdienen mögen. Auguste nickte lächelnd, Hermine warf ihr einen Kuß zu und diese sprach -- Ihr könnt glauben, daß sich Amanda vor Freuden nicht zu fassen wußte, wenn die Eine sie die beneidenswertheste Braut nannte, die Andre nicht müde ward ihr jeden seiner Reitze vorzuzählen; wenn eine Dritte, Vierte und Fünfte bey jeder Liebkosung die er Amanden brachte, aus Mißgunst theils und theils aus Mitgefühl erröthete. Aber die Freude der Eigensucht ist ein flüchtiger Wildfang. Er fliegt am Arm der eitlen Hore fort und keine Fessel bindet ihn. Immer hatte der Vielgetreue sonst, von den Grazien gemieden, des Winkes seiner Braut gewärtig gestanden, jetzt mußte sie oft Stundenlang den zarten Hals verlängern um ihn im dichten Mädchen-Kreise auszuspüren. Sonst labte er sie während der Tänze mit Thee, kredenzte ihr bey Tafel den Wein und den Kühltrank, jetzt trank er diesen, erhitzt vom Walzer selbst, und hatte dann soviel mit seiner Mühmchen-Schaar und ihren Nachbarinnen zu verkehren, daß die Vergessene oft voll Ingrimms in den Fächer biß. Sonst pries er sich selig sein gewaltiges Haupt auf dem Halse einer Huldgöttin wiegen zu dürfen, jetzt scheinen diese Wiegen im Preise gesunken und Hände, die ihm sonst im Pfänderspiel bald Schnippchen schlugen, bald in die Wade stachen, lockten den verwandelten Amatus jetzt, der Taube gleich, mit sanften Flügel-Schlägen. Bald schwindelte ihm der Apollons-Kopf, die Weibergunst blies ein Licht seines Verstandes nach dem andern aus; nur wie zur Frohne schlich er nun mit dem getheilten, erkälteten Herzen zu der schmollenden Braut. Die fromme Gutmüthigkeit, die reine Treue, die sittliche Güte, der schöne Kranz seltener Vorzüge, über dem Amanda früher oft die vermißte Blume der Körper-Schönheit vergessen hatte, war bis auf die letzte Spur verschwunden. Die getäuschte Braut verwünschte ihre Uebereilung, sah täglich nach allen Winden hin der alten Bettlerin entgegen und in jedem Spital-Weibe Balsaminen. Aber diese ließ sich weder hören noch sehen. Als endlich das zerfallene Paar eines Abends wieder in finsterer Zwietracht auf der Rasenbank saß, fiel Amanden am Schluß ihrer Gesetz-Predigt, die, gleich allen Predigten, wo nicht ungehört, doch unbeachtet blieb, der Kreuzweg in's Auge. Sie gedachte des Störenfrieds welchen das Mütterchen dort gepflügt hatte, sammelte von einem Gedanken überrascht, die ganze Flora dieses Platzes in ihre Schürze, tratt vor den schweigenden Flattergeist hin und sprach -- Wie kräftig! Riech ein Mahl! Spöttisch warf er den Kopf in die Höhe, Amanda aber flehte jetzt so liebevoll und hob ihr Schürzchen so hoch empor, daß Amatus endlich der unschuldigen Bitte nachgab, zu ihrer Verzweiflung immer noch schöner ward, und nach öfterm Gähnen plötzlich davon ging. Sie sah ihm hoffnungslos, wie damahls Balsaminen nach, und o Himmel, da kam die Fee ganz unverhofft am Krückenstabe in der Allee herab. Amanda griff zu ihrer Arbeit und that als habe sich kein Wässerchen durch ihre Schuld getrübt. Guten Abend, schönes Fräulein! »sprach das Mütterchen« ich seh ihr weint nicht mehr, und werdet mir nun um so williger eine Gabe reichen. Ich wollte alles was ich habe, darum geben »entgegnete Amanda« wenn mein Liebster noch häßlicher als zuvor, und wieder der Alte wäre. Euer verwünschtes Blümchen hat nichts als Unheil angestiftet, und wenn Ihr mich lieb habt und Euch mein Unglück zu Herzen geht, so sorgt dafür daß er künftig nur mir gefalle, denn wenn auch seine Nase den Kunstsinn nicht befriedigte, so würde ich ihn doch viel lieber ganz ohne diese, als in einer so hoch stehenden sehen; auch zieh ich jetzt ein Auge, das liebevoll an meinen Winken hängt, und wäre es grau und schielend, den schönsten Sternen vor, die ohne Auswahl allen leuchten. Ihr hättet bedenken sollen »sprach die Fee« daß es auf Erden keinen Gewinn ohne Verlust, kein Licht ohne Schatten geben kann, und daß die reichsten Geschenke der Natur, in der Regel, durch die häßlichsten Fehler verdunkelt oder aufgewogen werden. Die Vollkommenheit, schönes Fräulein, erscheint hienieden, gleich dem Silberblick edler Metalle, nur wie ein flüchtiges Meteor, und der Phönix ist kein Spielzeug für Kinder die noch, wie Ihr, dem unscheinbaren Kleinod einen rothbäckigen Hampelmann vorziehn. Das Fräulein gab ihr in allem Recht, bat aber flehentlich um irgend ein anderes Blümchen, das den unseligsten aller Zauber zu lösen, und ihren Amatus wieder so häßlich, aber dabey auch wieder so gut als zuvor zu machen vermöge. Euer nächster Kuß »erwiederte Balsamine« wird, wenn es Euch anders Ernst damit ist, die Wirkungen des Blümchens aufheben, nur sehet, zu was ihr thut, denn wer nach dem Unvergänglichen strebt, darf kein Opfer scheun, und den Götzen nicht schonen, wenn er die Götter versöhnen will. Am Ende könntet Ihr mich wohl wie gestern verwünschen und ich würde dann ganz unfähig seyn ein so bestandloses Herz zum dritten Mahle zufrieden zu stellen. Aber seht, dort kömmt Euer Ungetreuer mit einer ganzen Schaar lockender Jungfrauen in der Allee herab. So lebt denn wohl, armes Fräulein und fortan in der festen Ueberzeugung, daß nur ein bösartiges Gemüth den Menschen entstellt, ein edles hingegen auch über die entschiedenste Häßlichkeit einen gewinnenden Zauber verbreitet. Amanda vernahm diese Worte kaum und bemerkte das plötzliche Verschwinden der Fee um so weniger, da ihre gefährlichste Nebenbuhlerin an seinem Arme wandelte und die andere ihm ein Liedchen vorsang, daß die Sehnsucht des liebekranken Herzens aussprach. Sie rauschte einer Windsbraut ähnlich, nach der Allee hin. Amatus ließ, von dem Anblick bestürzt, den Arm der Begleiterin aus dem seinen fallen und fühlte seine Lippe mit tausend gierigen Küssen bedeckt. Der Mädchen-Kreis schlich spöttelnd und beschämt abseits, sie aber lachte laut als das Antlitz des Geküßten plötzlich in die frühere, abschreckende Form zurückschnellte. Sie lachte zu früh. O Himmel »rief jetzt Amatus« wie siehst Du aus? Was ist meiner Amanda begegnet? Welcher schadenfrohe Zauberer hat Dich Arme in einen Spiegel verwandelt der mein abstoßendes Ebenbild zurückwirft? Erblassend warf Amanda einen Blick in den Bach der zu ihren Füßen wallte, und sank bewußtlos an ihm nieder, denn Amatus hatte Recht. Ermahne Dich! »bat er, als das frische Wasser mit dem er die Verwandelte bespritzte, sie aus dem Scheintod des Entsetzens erweckte« Wir wollen nun recht glücklich seyn! Mir ist aus der Götterlehre bekannt wie es dem Häßlichen erging als es sich mit dem Schönen vermählt hatte, und welche Rolle dem armen Vulkan an der Seite der Liebesgöttin zu Theil ward. Dieser Sorge seh ich mich jetzt auf immer überhoben und Ergebung in das unbeugsame Schicksal wird Amanden in meinen Augen viel reitzender als vorhin machen. Die Unglückliche beweinte jetzt ihr thörichtes Beginnen und fast ging ihr der doppelte Verlust ihres schuldlosen Freundes mehr noch als der eigene, verschuldete zu Herzen. Der Bräutigam aber war nie fröhlicher gewesen und die junge Frau bereits seit Jahr und Tag mit dem Schicksal versöhnt, als ein engelschönes Kind sie für das mannigfache, aus dem Verkehr mit der Fee erwachsene Unheil entschädigte. Kaum hatte Amanda den Kleinen an ihr Herz gedrückt als sie plötzlich wieder schöner denn je ward; kaum neigte sich der gerührte Gatte zu dem Engel nieder als ihm dasselbe wiederfuhr. Das liebende Paar umarmte sich, still entzückt, über dem Kinde und ich Ungeliebte bitte die gütige und weise Balsamine, daß sie meine gnädigen Frauen sowohl als diesen kleinen Fee-Sohn in ihren freundlichen und mächtigen Schutz nehme. Allerliebst! »sprach Auguste« und Dir bescheere sie einen Amatus. Hermine, die zu schlummern schien, richtete sich plötzlich auf und sprach -- Es ist nicht gut daß Ihr es wagtet mich so plötzlich, so ohne alle Vorbereitung zu erfreuen. Aber, warum zaudert Er denn? Führt ihn doch näher -- Her an mein Herz! Ach, Du Geliebter! Auguste und Therese sahen sich betroffen an und nach der Thüre hin an der Herminens Augen fest hingen, dort aber ließ sich nichts erblicken und die Kranke sank mit geschlossenen Augen in das Kissen zurück. Drey und zwanzigstes Kapitel. Hermine hatte in den folgenden Abenden genau um dieselbe Stunde dieselbe Vision und versank darauf jedes Mahl in einen tiefen Schlaf, ohne sich beym Erwachen des Vorgangs bewußt zu seyn. Augusten faßte allgemach das Grauen, wenn die bleiche Dulderin oft mitten unter traulichen Gesprächen nach irgend einem dunkeln Winkel des Zimmers hinwies und getäuscht von Sehnsucht und Phantasie den Gatten ihres Herzens im leeren Raum sah. Der Arzt verschrieb, demonstrirte, tröstete und unterhielt die Damen mit ähnlichen Beyspielen die sie immer noch furchtsamer machten und Therese kehrte bereits in der Stille zu dem verworfenen Glauben an die Möglichkeit sogenannter Ahnungen zurück und sah von Tage zu Tage einer Trauerpost entgegen. Eben nahte sich der Zeiger eines Abends der Geister-Stunde als Hermine die Schlummernden mit angsthafter Stimme bey ihren Nahmen rief und sie bat die Gartine des Fensters aufzuziehen, denn es hat »setzte sie unter Schauern hinzu« zu wiederhohlten Mahlen leis' und seltsam an die Scheibe geklopft. Beyde Freundinnen eilten an ihr Bett hin, sprachen ihr zu und hörten beyde jetzt an der bezeichneten Stätte dasselbe Klopfen. Ich wache schon seit einer Stunde »entgegnete Hermine« bin ohne Fieber und habe mit Entsetzen, leise, klägliche Seufzer vernommen, die dem Klange der Scheibe vorangingen. Fürchtet Ihr Euch so ruft die Wärterin, denn daß ein Mensch oder ein Geist vor ihm lauscht, ist außer Zweifel. Die Wärterin, welche in der offen stehenden Kammer schlief und von dem Gespräch erwacht war, kam jetzt herein, glaubte, vertraut mit Herminens Zustand, die Kranke durch Erfüllung ihres Willens zu beruhigen, zog die Gardine rasch empor und fuhr mit einem Angst-Geschrey zurück. Ohnmächtig sank Auguste am Bette nieder, Therese verbarg ihr Gesicht in den Kissen der Schwester, Hermine aber wendete sich erbleichend nach der Wandseite und lispelte -- »Er hat vollbracht.« Vier und zwanzigstes Kapitel. Julius eilte indeß mit Pässen einer neutralen Macht und geltenden Empfehlungen ausgerüstet, nach der Grenze und traf in Straßburg auf einen Officier von dem Gefolge des Obersten, der in jenen stürmischen Tagen auf der Wessenburg sein täglicher Gesellschafter war. Er ging so eben, dem Tod entronnen, zur Armee zurück, erzählte ihm, daß der unglückliche Oberste die humane in Feindes Land geübte Schonung mit dem Leben habe bezahlen müssen, daß er selbst nur durch Zufall demselben Schicksal entgangen, und daß der Entschluß, sich einem Freund zu Liebe in den Strudel dieser tobenden See werfen zu wollen, mehr als tollkühn sey. Der Officier schilderte ihm das Reich der Schrecken mit so lebhaften Farben, verhieß ihm den gewissen Tod mit so reger Zuversicht, stellte ihm die Nutzlosigkeit dieses Wagstücks so klar vor Augen, daß Julius die Erfüllung der Pflichten gegen sich selbst, jeder entferntern vorzog. Er kehrte fürs erste zu seiner Schwieger-Mutter zurück, welche wieder auf der Wessenburg hauste, die zufolge geschlossener Verträge jetzt auf neutralem Gebiete lag, unterrichtete Augusten schriftlich von der Vergeblichkeit seiner Bemühungen und von der Nothwendigkeit, die gehäuften, durch den Krieg verstörten Angelegenheiten der Baronin in Ordnung zu setzen. Vergebens hatte er bey jenem Zusammentreffen mit dem feindlichen Freunde nach Woldemars Schicksal geforscht, denn der Officier war kaum freygesprochen, als er ohne Zögerung auf das Feld der Ehre zurückeilte. Er wußte nur, daß es der schönen Frau von Wessen, kraft ihrer Reitze, ihrer Geistes-Gegenwart und Gewandtheit gelungen sey, den Blutdurst der Richter in milde, menschliche Schonung zu verwandeln, und daß man sie zugleich mit jenem auf freyen Fuß gesetzt habe. Fünf und zwanzigstes Kapitel. Julius fand bey seinem endlichen Eintritt in Herminens Asyl, Theresen in Thränen, seine Auguste der weißen Rose gleich und die Kranke noch bettlägerig. Jene sah nicht ohne tiefen Schmerz, die theure vielgeliebte Schwester allmählig vergehen, diese sah den Freuden der Mutter entgegen, Hermine duldsam und ergeben in das offene Grab. Der Geist des Geliebten war seit jenem Abend gewichen, selten nur gedachte sie seiner und auch dann nur wie die Erinnerung eines längst verschiedenen Jugend-Gespielen gedenken mag. Auguste hatte nach dem Ergusse der ersten Begrüssungen nichts wichtigeres als ihren herzgeliebten Gatten von allem was sie hier erfuhr, empfand und leistete, von Herminens Zustand und der Erscheinung jener Nacht zu unterhalten. Welchen Zuwachs »fuhr sie fort« meine natürliche Bänglichkeit unter diesen Eindrücken und Umgebungen erleiden mußte und unter welchen Empfindungen ich in jener Schreckensstunde nach der Gardine hinsah, wirst Du selbst fühlen. Aber denke Dir auch jetzt mein Entsetzen, als der Vorhang nun aufrauschte und ein bleiches Gespenst durch die Scheibe sah. Der Sturmwind hob ihm die verwilderten Haare gen Berge, sein Stöhnen zerriß mein Ohr, mein Auge ward von bekannten Zügen festgehalten und als ich der Sinne wieder mächtig ward, hatten die Bedienten bereits den Garten durchsucht, hatten ein halb erstarrtes, in Lumpen verhülltes Schreckbild unter dem Fenster aufgefunden, und den Unglücklichen in das Gewächshaus gesperrt. Noch lag Hermine sprachlos da und zeugte zu der Kirche hin. Wir sandten nach dem Geistlichen. Er hörte mit Erstaunen was uns begegnet sey, vernahm die Bedienten, ließ sich in das Gewächshaus führen und bereitete mich nach der Rückkehr aus diesem, auf das Daseyn meines todt geglaubten, beweinenswerthen Bruders vor, den er sofort für den Augenblick bey sich aufnahm. Julius faßte voll Erstaunen ihre Hände. Eine Wunde »fuhr Auguste fort« deren Narbe sich über die Scheitel bis in den Nacken hinabzieht, ist die wahrscheinliche Quelle seines Wahnsinns, denn bis jetzt nur wenig lichte Augenblicke unterbrachen. Er vertraute dem Pastor während eines solchen, daß er schon halb begraben, durch das Mitleid einer Bäuerin gerettet, geheilt, in das Innere Frankreichs abgeführt worden sey; daß ihm der heilige Gregor erschienen, ihm zur Flucht behülflich gewesen sey; daß sein Aussehn, sein Zustand und das Geleite des Heiligen ihm den Weg gebahnt habe. Er will zuerst auf der Wessenburg gewesen, dort nicht eingelassen worden und von den Hirten hierher gewiesen worden seyn. Auch hier fertigt der Gärtner den sinnlosen, scheinbar wilden Mann vor der Thür ab, er aber steigt bey Nacht über die Garten-Mauer, schleicht zu dem erleuchteten Fenster hin und veranlaßt die schrecklichste aller Scenen. Gern, ach, gern »setzte die Baronin unter herzlichen Thränen hinzu« wär ich längst an seinen Hals geflogen und hätt' ihm die gesuchte, lang entbehrte Schwester finden lassen, aber der Pastor gestattet es nicht und besteht auch darauf, die Mutter in dem Glauben an seinen Tod zu erhalten. Darum verschob ich die Mittheilung dieser erschreckenden Neuigkeit bis auf Deine Herkunft, und Du wirst Dir nun leicht erklären können warum wir, trotz des Dranges Deiner Geschäfte, und der Triftigkeit Deiner Gründe auf dieser bestanden. Julius säumte nicht, sich von dem Daseyn eines so merkwürdigen als Schrecken erregenden Verwandten zu überzeugen, fand ihn tief im Stroh vergraben das er dem einladendsten Bette vorzog und den Leibes- wie den Seelen-Arzt an seiner Seite. Jener erklärte ihn, kraft den Folgen der Wunde welche das edlere Gehirn verletzt habe, für unheilbar, und man kam überein, den Unglücklichen einer nahen Versorgungs-Anstalt zu übergeben. Tief bewegt kehrte der Baron jetzt an Herminens Bett zurück die ihm mit Innigkeit ihre brennende Hand reichte, ihm ihr liebliches Kind an das Herz legte, und den Freund mit süßen, tief eindringenden Worten bat, das nahe Weihnachts-Fest in ihrem Hause zu begehen. Gern will ich das! »sprach Julius, ergriffen von Erinnerungen« nur geloben Sie mir auch dagegen, es mit Heiterkeit zu feyern, und Ihren Gram in den Strom der ewigen Liebe zu versenken welche diesen Tag vor allen zum Freudenfest weihte. Mit einem schmerzlichen Lächeln versetzte sie »Bald, theurer Julius, bald wird mich dieser Strom umfangen.« Sechs und zwanzigstes Kapitel. Zugleich mit Julien war auch Woldemar auf freyen Fuß gestellt worden. Sie suchte ihn jetzt selbst in seiner Zelle heim und hörte nicht ungern daß Herr von Wessen während dem, die Aufmerksamkeit der Wächter und Schildwachen getäuscht und sich aus dem Staube gemacht habe. Woldemar hielt der Lieblosen eine ausführliche Straf-Predigt. Er rieth ihr, sich nun ohne Zögern um Pässe zu bewerben und in die Arme ihrer Schwiegermutter zurückzukehren, wo die Verkündigung der Existenz des Sohnes, der vielleicht bereits auf dem Wege nach der Heimath sey, der verlohrnen Tochter eine günstige Aufnahme verschaffen werde; sie aber setzte sich auf seinen Schooß und sprach -- Da sey Gott für, daß ich einem Verrückten nachziehen sollte, dessen Hand mir ein unglückliches Verhältniß aufdrang; den die Erfahrung, daß es keine Rose ohne Dornen gebe, zu einem erklärten Widersacher machte und der über Verrath und Treulosigkeit schrie, wenn ich mich wohlwollender zu den geistreichen, theilnehmenden Freunden als an den Schöpfer der Pein und der Zwietracht hinneigte. Ich bin wie ich bin, guter Woldemar, und Liebe nur vermag die Flügel des flüchtigen Sinnes zu binden, der mich so oft schon durch den Himmel zur Hölle, und wieder empor trug. Wollte das Gemüth jeden wirklichen oder möglichen Unfall, das Herz jeden Schmerz und jede Verirrung nach Würden berechnen, betrauern und festhalten, so würde unser Auge vom Weinen erblinden, der Selbstmord ansteckender als der Schnupfen und die Schwermuth der allgemeine Charakter des Menschen-Geschlechts werden. Wer in der Narbe noch die Wunde sieht, wird das Wundfieber nie verlieren, und nur der unnütze Rückblick auf vergangene Schrecken versteinerte Loths Ehehälfte. Ich bin vergnügt das Leben aus dem Sturme gerettet zu haben. Was er mir raubte, verschlingt der Lethe; er ist vergessen. Sie lächelten wo Männer bebten »entgegnete Woldemar« und machten den Tyger zum sehnsüchtigen Kinde. Aber nicht alle sind zähmbar und unser Leben schwebt noch immer, nach wie vor, auf eines Haares Spitze. So mög' es hinabfallen! ist doch dieses Stündchen noch unser. Willst Du lachen oder weinen? Ich will es auch. Die frühern Rechte geltend machen? Da sind meine Lippen. Küsse Dich satt, treuloser Bräutigam, denn daß Du hienieden noch lachen und weinen und küssen kannst, ist ja mein Werk. Ich habe Dich erlöst von dem Uebel; komm, bete mich an. Erröthend wendete er das Gesicht von ihr ab, doch Julie schlang den Arm um des Spröden Hals, strich das Haar aus seiner Stirn und gedachte jetzt der schlaflosen Nächte, die ihr die Narbe dieser Stirn gekostet hatte; gedachte der süßen, berauschenden Situationen auf der Wessenburg, der Blüthen und der Früchte die sie dort in den Kranz seines Lebens webte. Er aber wand sich aus dem Arm der Versucherin und sprach »Bedauern Sie den albernen Thoren, der nur das Achtungswerthe lieben kann, doch Blumen die für Jeden blühn, wie die benagte Frucht verschmäht.« Julie sah ihn mit blitzenden Augen und glühenden Wangen an. »Benagt? Verschmäht?« fragte sie, schnell empört. So bedaure denn auch das Geschlecht das sich nie ungerochen verschmähen ließ. Ein Officier unterbrach sie; er forderte den Gefangenen vor die Schranken des Ausschusses, um dort über seinen geflüchteten Unglücks-Gefährten Auskunft zu geben. Sieben und zwanzigstes Kapitel. Therese trat am Weihnachts-Abend mit dem Kind auf ihrem Arm an Herminens Bett, und von des Kindes Arme sah ein Wachs-Püppchen auf die Mutter herab. Das hat ihm der heilige Christ bescheert »sprach die Schwester« ich fand es unter Deinen Papieren. Hermine verhüllte plötzlich ihr Gesicht. Das war die Papagena die ihr in jener Nacht sein Daseyn verkündigte; das treue, prophetische Bild ihrer Zukunft, und jetzt gleich ihr verblichen. Ein Reihentanz verloschener Erinnerungen schwebte von dem Püppchen belebt, an ihrer Seele vorüber. Sie gedachte des Ueberraschenden »_Er ist Dir nah!_« der bangen Betroffenheit, des süßen Schrecks, des magischen Schlages mit dem der Inhalt des Notenblatts ihr Herz traf; der Thränen die sie an dem seinen weinte, des himmlischen Wahnsinns der aus des Lieblings Augen glänzte, von seinen Lippen floß, durch seine Nerven schauerte -- Gedachte der nahmenlosen, unendlichen Wonne, der ach, der nahmenlose Jammer folgte, zog jetzt das Kind zusammt dem deutungsvollen Bild an ihre Brust und bedeckte sie beyde mit Küssen und Thränen. Wenn ich bedenke »fuhr sie gefaßter fort« wie vor dem Jahre alles so anders war! Der selige Onkel schenkte mir willkommene Dinge, drückte mich liebend an die Brust und nannte mich ein Herzens-Kind. O, welch ein Wechsel! Der Wechsel »erwiederte Therese« erhebt uns, indem er uns niederbeugt. Verklage Dein Schicksal nicht. Wie glücklich ist der Traurige dem noch die Freundschaft weinen hilft; o wie beneidenswerth der Kranke an dessen Bett die Liebe wacht. Sey gerecht und erheitere Dich. Sieh, wir erschöpfen alles für diesen Zweck. Ist auch der Onkel todt, so soll es Dir doch nicht an Gaben fehlen, wie dieser Tag sie mit sich bringt. Herzliebste Schwester »bat die Kranke« Habe Geduld mit mir! Wie sollt ich nicht! Du guter Engel? Meine Wohlthäterin, meine Schwester, meine Geliebte! Damit küßte Sie tief bewegt Herminens Hand. Die junge Baronin unterbrach die Vertrauten. Ihre Jungfern trugen einen lichterreichen Tisch in das Zimmer und stellten ihn vor dem Bett der Freundin nieder. Auguste schlug in ihre Hände. Schaut auf »rief sie aus« der heilige Christ ist da, laßt Euch bescheeren. Die Kranke richtete sich lächelnd auf, lächelnd starrte ihr kleiner Woldemar die Lichter an. Fürs erste »sprach Auguste« ein Hannswurst für den Kleinen. Ganz meines Mannes Ebenbild -- Und dann dies Jäckchen, das ich für ihn strickte, und für Dich Hermine dies gestickte Morgenkleid. Bey jedem Stich dacht ich des süßen Lächelns mit dem Du es empfangen würdest. So lächle denn! ich bitte Dich. Helft mir heraus! »bat Hermine« ich muß es anprobieren. Die Freundinen sahen sich verwundert an, und erstaunten als sie darauf bestand, über die Kraft-Aeußerung mit der die Kranke ganz im Widerspruch mit ihrer Schwäche dem Bett entschlüpfte und auf Theresen gestützt sich von Augusten bekleiden ließ. Endlich und zuletzt »sprach diese« hab ich auch für ein Spitzen-Häubchen gesorgt. O sieh, das läßt Dir allerliebst. Wenn sich der Reichthum erschöpft hat »fiel jetzt Therese ein« so tritt die Armuth bescheiden und verschämt herbey und opfert ihr Schärflein. Verschmäh es nicht! meine Haare sind es, in ein Halsband geflochten. Doch würde auch jedes einzelne zu einem Segen, sie würden dennoch nicht die Dankgefühle meines Herzens erschöpfen. Hermine schlang es hastig um ihren Hals und ließ sich vor den Pfeiler-Spiegel führen. Lange betrachtete sich die Schweigende, und lispelte jetzt mit sinkender Stimme -- »Die Braut im Sterbekleide!« Das Kind sah von dem Arm der Wärterin an der erhabenen Gestalt der Mutter auf. Sie ergriff es. Hier »sprach sie zu den Freundinnen und legt' es in ihre Hände.« Hier habt ihr ein Gegen-Geschenk. Mein köstlichstes! Ermattet wankte sie zum Sopha hin. Acht und zwanzigstes Kapitel. Das Schicksal schien sich endlich an dem armen Gefangenen erschöpft zu haben. Ganz unverhofft erhielt Woldemar durch die Vermittlung eines Gesandten, dessen Gemahlin seinem Hause verwandt war, die Erlaubniß, auf sein Ehrenwort nach Deutschland zurückzukehren. Er eilte nicht, er flog über den Rhein nach der Wessenburg, wo man ihn denn an Ort und Stelle wies. Mitten in der Nacht dieses denkwürdigen Weihnachts-Abends erreichte Woldemar das lang ersehnte Ziel. _Er ist Dir nah!_ rief der Entzückte, sprang vom Pferde, sah die Fenster noch erleuchtet, die Thür unverschlossen und suchte jetzt, um nicht durch die Gewalt der Ueberraschung Unheil anzurichten, vergebens ein dienstbares Wesen auf. Da stürzte plötzlich eine verweinte Gestalt mit einem Kind in dem Arm aus der nächsten Thür hervor. Woldemar drängte sie zurück. Sie ists! »rief er, den Vorsatz vergessend, hingerissen von dem Zauberbilde der Erscheinung« Du bist's! Das ist mein Kind! Er warf sich zu des Mädchens Füßen. Unglücklicher! »stammelte sie« ich bin es nicht! -- Ich bin Therese! Woldemar sprang empor. Aber Sie lebt! Sie ist hier! »fiel er ein.« Wo? Wo find ich Sie und _Wie_? -- Das erweckte Kind schrie unter seinen Küssen. Geben Sie die Hoffnung auf »sprach Therese« meine Schwester noch in dieser Nacht zu sehn. Hoch über der Wirklichkeit schwebt die Phantasie und das Bild das jetzt vor Ihrer Seele steht wird dem Originale schwerlich gleichen. Ich weiß »entgegnete er« was sie gelitten hat und bin auf den Anblick eines Schattens gefaßt, denn die alte Baronin verwundete mein Herz durch die Schilderung ihres Zustandes. Aber mein Hierseyn wird Wunder thun und stände sie schon mit einem Fuß im Grabe, ich reiße die Verscheidende empor und hauche neues Leben in ihre Brust. Ach, _Einer_ nur vermochte das und dieser einzige stieg gen Himmel. Sie lebt! sie liebt! Sie harrt auf mich. O, eilen Sie, den Retter zu verkündigen der alle Wunden heilen wird. Ich fühle mich diesem Auftrage nicht gewachsen »erwiederte Therese« und gehe, den Baron zu hohlen. Hier ist Ihr Kind. Verfahren Sie säuberlich mit dem Kleinen. Das Mädchen ging. Unter Schauern der Vaterwonne sah er in des Knaben Augen. Sie glichen den Augen seiner Mutter die ihn so oft im Innersten bewegten. »Willkommen!« sagten die Himmelreinen. Jetzt regt' es sich im Neben-Zimmer. Der Sehnsucht Wellen drängten ihn: er trug das Kind in seine Wiege, schlich zu der Thüre hin und öffnete sie, verstohlen, mit leiser Vorsicht. -- Da lag Hermine, bräutlich angethan, in dem Sopha: das Nachtlicht goß seinen bleichen Schimmer über die Schläferin aus. Mein Freund! Mein Woldemar! flisterte in diesem Augenblick eine Stimme hinter ihm, er fühlte sich mit starkem Arm zurückgezogen und lag am Herzen seines Julius. So reizend »versetzte Woldemar nach den ersten Begrüssungen und wies nach der halb geöffneten Thüre hin« so magisch anziehend hab ich _Sie_ nie gesehn. O, weckt sie auf! Erweckt die Schläferin zum neuen Leben -- Vermöcht ich das! sprach Julius mit zitternder, vom Schmerz erstickter Stimme. Du weinst? »rief Woldemar« Gott! Dein Gesicht entstellt der Schrecken -- Mir ist nicht wohl. Nicht wohl? Und das wär' alles? Mir bricht das Herz! Um meinet willen? Wie? Sie schläft. Du sagst es selbst -- Wohl schläft sie sanft und süß -- Den langen Schlaf! Ein Engel nur kann sie erwecken. Woldemar starrte den Weinenden an und stürzte laut aufschreyend zu der Todten hin. Sie war noch lau, vor wenig Stunden hatte sie der Nervenschlag getroffen. Lichter! Lichter! »rief er« daß ich sie sehe, daß dies Heiligenbild sich in mein Allerinnerstes versenke! Therese schlich, auf Trostmittel sinnend, herbey, Auguste rang die Hände. Laßt ihn toben »sagte Julius« laßt ihn schreyn! Und zu dem Vergehenden sprach er »Ist es nicht tröstlicher das Kleinod unsers Lebens im Sarge als an dem Herzen eines Dritten zu finden?« Neun und zwanzigstes Kapitel. Als Hermine von dem Spiegel, zu dem sie die letzte Anwandlung ihrer Weiblichkeit hinzog, auf das Sopha zurückschlich, rieth ihr Auguste die ungeübten Kräfte nicht über die Gebühr zu versuchen, und beyde versprachen diese Gedächtniß-Nacht an ihrem Bette feyern zu wollen; die Kranke aber schien, von jener traurigen Apathie erlöst, sich wieder nach dem Irrdischen zu sehnen, sich in dem edlen, idealen Gewande zu gefallen und zog mit reger Lebenskraft die Freundinnen an ihre Seite. Der Arzt, welcher jetzt seinen Abend-Besuch ablegte, erstaunte, Herminen außer dem Bett und in diesem Anzuge zu sehn, fand sie jedoch viel besser als am Morgen, ohne Fieber und in einer gemüthlichen, ihm höchst erwünschten Stimmung. Auch der Pastor kam, ihr zu dem Wiegenfest des großen Dulders Glück zu wünschen, der jetzt ihr Tröster und ihr Vorbild war, erschrack nicht wenig sie im Familien-Kreise zu finden und schöpfte, gleich dem Arzt, von ihrem Aussehn und Benehmen getäuscht, neue Hoffnungen. Als aber bald darauf die Stunde schlug, in welcher sie vordem das Bild der Entflohenen in dem beschatteten Winkel des Zimmers sah, verfärbte sich mit einem Mahl die Kranke, umfaßte krampfhaft Theresens Hals, als sollte diese sie vor der gewaltigen Hand des Todes schützen, und sank entfesselt an die schwesterliche Brust. Freundschaft und Liebe bot vergebens alle Mittel zu ihrer Belebung auf; Freundschaft und Liebe drückte ihr endlich die sanften Augen zu und flocht ein Palmen-Reis in ihre Locken. Sie ward in jenem Sterbekleide das ihr hienieden die größte Freude gemacht hatte, von den Jünglingen des Dorfs zu Grabe getragen, und als man den Sarg verschloß, sank Therese, welche bis dahin beyde Männer durch ihre Fassung beschämt hatte, bewußtlos nieder und verfiel in eine Gefahr drohende Krankheit. Sie sah sich für die Quelle aller jener unseligen Verhängnisse, für die eigentliche Ursache des Todes ihrer Schwester an und würde ohne den mächtig erhebenden, trostreichen Beystand des Predigers in unheilbare Schwermuth versunken seyn. Dreyßigstes Kapitel. Wir wenden uns von diesen Trauer-Szenen um die Leidtragenden in eine lichtere Zukunft zu begleiten. Außer dem bittern Gram über eine Reihe von Uebereilungen hatte auch die Geschichte seiner Gefangennehmung, der Schmerz gekränkter Ehre Woldemars Herz zerrissen und das Bewußtseyn der erschöpften Pflicht reichte nicht hin eine Wunde dieser Gattung zu bedecken. Julius begleitete ihn bald nach Herminens Todtenfeyer in die Hauptstadt. Er trat mit ruhigem, gefaßtem Muth dem Groll der Falschen, dem Vorurtheil der Täuschbaren, dem Verfolgungs-Geist mächtiger Feinde entgegen, beschämte diese und drang auf ein Kriegsrecht das ihn freysprach und belobte. Die eben erfolgte Auswechslung der Gefangenen überhob ihn der Rückkehr in die Nachbarschaft der Guillotine, welche seitdem die Frau von Wessen bereits ein Dutzend Mahl zur Wittwe gemacht hatte, und so kehrte denn Woldemar frey und versöhnt mit dem Schicksal auf Herminens Landgut zurück, das ihm der letzte Wille seiner verewigten Freundin zugetheilt hatte. Ihr kommt zur rechten Stunde! »rief Auguste die jetzt ihrer Niederkunft nahe war, den Freunden entgegen« Wir dürfen keinen Tag länger säumen nach Wessenburg, in die Arme der verlangenden Mutter zu eilen, und doch ist der gute Rath hier eben sehr theuer. Therese kann, wie sich von selbst versteht, nicht bey dem ledigen Manne bleiben und doch Keine von uns es über sich gewinnen das theuere Weihnachts-Geschenk der Hand einer Wärterin zu überlassen. Julius dachte bereits auf einen Vorschlag zur Güte, und zu dem Hauptmann sprach Auguste »Therese ist hergestellt.« Er schwieg -- Sie blüht wie diese Frühlings-Blumen »fuhr jene fort.« Verwaist, und einsam steht sie auf der Welt, geziert mit Reitz und Seelen-Güte, der Schwester Ebenbild, die Erbin ihres Herzens und ihres Goldes. Genug »versicherte sie mit steigendem Eifer« ich lege mein Haupt nicht sanft, mich eher nicht ins Wochenbett, bis sie die Ihre ist. Woldemar aber vernahm kein Wort dieser Rede, denn alle Schrecken jener Nacht hatten sein verletzbares Herz beym Anblick dieses Zimmers überfallen. Er starrte das Sopha an, auf dem sie damahls, lieblich geschmückt von einem Tanz erschöpft, zu ruhen schien und ihr lächelndes Himmelsbild über diesem, mit Flohr bekränzt, umschlungen mit Zypressen-Zweigen. Wo sind Sie? fragte die Baronin und weckte den Träumer, denn eben trat Therese mit seinem Kind auf ihrem Arm in's Zimmer. Er fuhr empor, schritt auf sie zu und riß das holde Ebenbild der Todten mit einem Klageton ans Herz. Therese wurde roth. Gelobt sey der Genius »rief er aus« der mich durch diesen Zauberspiegel täuscht. Zur Hälfte nur hab ich die theuere Braut verlohren. Die schönere Hälfte lebt in diesen Zügen, sie lebt in diesem Herzen, und ach, in diesem Kinde fort. Zerbrich Dir den Kopf nicht länger »flisterte Auguste in des Gatten Ohr« es scheint als wolle sich das Auskunfts-Mittel ganz ohne unser Zuthun finden. Therese hatte indeß ihr glühendes Gesicht an des Knaben Brust verborgen. Wo warst Du denn? fragte die Freundin. An _Ihrem_ Grabe »sprach Therese« der Abend ist so schön und der Kirchhof mit Blüthen bedeckt. O, führen sie mich hin! »bat Woldemar« meine Augen werden diese Blüthen bethauen. »Herzlich gern« erwiederte sie und winkte Augusten, ihr zu folgen, doch diese versagte lächelnd die Gewährung, hing sich an ihres Gatten Hals und hielt auch den zurück. Der Gottes-Acker stieß an den Garten, eine Thüre verband sie. Hoch über alle ragte das Grab seines Lieblings unter der Linde. Die Stimme der Schläferin schien aus dem Dunkel des sanft bewegten Laubes zu flistern, ihr freundlicher Geist ihm in den wallenden Halmen des Hügels zu nicken. O ewige Liebe »rief er aus« nur hier kein Ende! Nur dort kein Grab! Inniger drückte Therese den Knaben ans Herz, sah tief bewegt in die sinkende Sonne und sagte »So starb sie!« Woldemars Stimme lockte die Seele der Sinnenden zu dem Grabe zurück. Meine Zukunft »sprach er« soll eine fortwährende Todten-Feyer seyn. Am sichersten »erwiederte sie« wird ein reines, sittlich schönes Leben diesen heiligen Schatten versöhnen. Wer leitet mich zur ebenen Bahn? »fragte der Weinende« Therese antwortete »Das Schicksal der Dulderin!« Woldemar sah ihr in's Auge. Wehmuth und Sehnsucht, Anmuth und Liebe begegneten sich im stummen Wechselspiel der Blicke. Hermine »sprach er« starb an Deinem Herzen. Laß mich an ihm genesen und diese Hand geleite mich! Therese drückte voll Innigkeit die seine, und wie im letzten Augenblick Hermine sie umfing, so umfing jetzt Woldemar die Braut auf ihrem Grabe. Anmerkungen zur Transkription Die variierende Schreibweise des Originals wurde weitgehend beibehalten, ebenso die teilweise ungewöhnliche Platzierung der Anführungszeichen. Anstatt des Namens Julie steht gelegentlich Juliane. Offensichtliche oder sinnentstellende Fehler wurden korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher): [S. 16]: ... ihren Häubchen. ... ... ihrem Häubchen. ... [S. 20]: ... Wolken des tiefen, land genährten Unmuths ... ... Wolken des tiefen, lang genährten Unmuths ... [S. 23]: ... dieses Receptes. Auguste blättert in ... ... dieses Receptes. Auguste blätterte in ... [S. 34]: ... hatte sich den doch, trotz dem Heere ... ... hatte sich denn doch, trotz dem Heere ... [S. 51]: ... in seinem Diensteifer verbraucht hatte und ... ... in seinem Diensteifer verbracht hatte und ... [S. 53]: ... General-Marsch geschlagen, den kein Augenblick ... ... General-Marsch geschlagen, denn kein Augenblick ... [S. 58]: ... in ihren eigenen Schlafzimmer an, gesellte ... ... in ihrem eigenen Schlafzimmer an, gesellte ... [S. 58]: ... bey und verschloß die bewußte Tapaten-Thür. ... ... bey und verschloß die bewußte Tapeten-Thür. ... [S. 63]: ... und so ward er den angenommen. ... ... und so ward er denn angenommen. ... [S. 63]: ... Nahmen schrieb, vergebens einer Anwort auf ... ... Nahmen schrieb, vergebens einer Antwort auf ... [S. 63]: ... seine dringende, Herminens Ehre rettend ... ... seine dringende, Herminens Ehre rettende ... [S. 69]: ... dringt auf eine Theilung der Erbschnft, ... ... dringt auf eine Theilung der Erbschaft, ... [S. 95]: ... Pötzlich entstand eines Morgens großer ... ... Plötzlich entstand eines Morgens großer ... [S. 98]: ... an diesem Herzen alle wilde Wünsche des meinen ... ... an diesem Herzen alle wilden Wünsche des meinen ... [S. 99]: ... Julie ward vor dem Augen des Erwachenden ... ... Julie ward vor den Augen des Erwachenden ... [S. 112]: ... Stimme« mehr als ich je verguten kann; ... ... Stimme« mehr als ich je vergüten kann; ... [S. 121]: ... die eine nach ihren Tuch, die andere kichert ... ... die eine nach ihrem Tuch, die andere kichert ... [S. 124]: ... goldenen Locken, formte sich die vieleckige ... ... goldenen Locken, formte sich der vieleckige ... [S. 132]: ... an ihm nieder, den Amatus hatte ... ... an ihm nieder, denn Amatus hatte ... [S. 134]: ... gut daß Ihr es wagte mich so plötzlich, so ... ... gut daß Ihr es wagtet mich so plötzlich, so ... [S. 138]: ... zur Arme zurück, erzählte ihm, daß der unglückliche ... ... zur Armee zurück, erzählte ihm, daß der unglückliche ... [S. 146]: ... Ich bin wie ich bin, guter Woldmar, ... ... Ich bin wie ich bin, guter Woldemar, ... [S. 146]: ... oder möglichen Unfall, daß Herz jeden ... ... oder möglichen Unfall, das Herz jeden ... [S. 151]: ... erheitere Dich. Sie, wir erschöpfen alles ... ... erheitere Dich. Sieh, wir erschöpfen alles ... [S. 152]: ... bestand, über die Kraft-Aeußerug mit ... ... bestand, über die Kraft-Aeußerung mit ... [S. 159]: ... diese Gedächniß-Nacht an ihrem Bette feyern ... ... diese Gedächtniß-Nacht an ihrem Bette feyern ... *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WEIHNACHT-ABEND *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. Project Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away—you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. START: FULL LICENSE THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase “Project Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg™ License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg™ electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg™ electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg™ electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation (“the Foundation” or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg™ electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is unprotected by copyright law in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope that you will support the Project Gutenberg™ mission of promoting free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg™ works in compliance with the terms of this agreement for keeping the Project Gutenberg™ name associated with the work. You can easily comply with the terms of this agreement by keeping this work in the same format with its attached full Project Gutenberg™ License when you share it without charge with others. 1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in a constant state of change. If you are outside the United States, check the laws of your country in addition to the terms of this agreement before downloading, copying, displaying, performing, distributing or creating derivative works based on this work or any other Project Gutenberg™ work. The Foundation makes no representations concerning the copyright status of any work in any country other than the United States. 1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: 1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate access to, the full Project Gutenberg™ License must appear prominently whenever any copy of a Project Gutenberg™ work (any work on which the phrase “Project Gutenberg” appears, or with which the phrase “Project Gutenberg” is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or distributed: This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. 1.E.2. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not contain a notice indicating that it is posted with permission of the copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in the United States without paying any fees or charges. If you are redistributing or providing access to a work with the phrase “Project Gutenberg” associated with or appearing on the work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg™ trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.3. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is posted with the permission of the copyright holder, your use and distribution must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked to the Project Gutenberg™ License for all works posted with the permission of the copyright holder found at the beginning of this work. 1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg™ License terms from this work, or any files containing a part of this work or any other work associated with Project Gutenberg™. 1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic work, or any part of this electronic work, without prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate access to the full terms of the Project Gutenberg™ License. 1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. However, if you provide access to or distribute copies of a Project Gutenberg™ work in a format other than “Plain Vanilla ASCII” or other format used in the official version posted on the official Project Gutenberg™ website (www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon request, of the work in its original “Plain Vanilla ASCII” or other form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg™ License as specified in paragraph 1.E.1. 1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, performing, copying or distributing any Project Gutenberg™ works unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing access to or distributing Project Gutenberg™ electronic works provided that: • You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from the use of Project Gutenberg™ works calculated using the method you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed to the owner of the Project Gutenberg™ trademark, but he has agreed to donate royalties under this paragraph to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid within 60 days following each date on which you prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty payments should be clearly marked as such and sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in Section 4, “Information about donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation.” • You provide a full refund of any money paid by a user who notifies you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he does not agree to the terms of the full Project Gutenberg™ License. You must require such a user to return or destroy all copies of the works possessed in a physical medium and discontinue all use of and all access to other copies of Project Gutenberg™ works. • You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the electronic work is discovered and reported to you within 90 days of receipt of the work. • You comply with all other terms of this agreement for free distribution of Project Gutenberg™ works. 1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. 1.F. 1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread works not protected by U.S. copyright law in creating the Project Gutenberg™ collection. Despite these efforts, Project Gutenberg™ electronic works, and the medium on which they may be stored, may contain “Defects,” such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. 1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the “Right of Replacement or Refund” described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg™ trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg™ electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGE. 1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a written explanation to the person you received the work from. If you received the work on a physical medium, you must return the medium with your written explanation. The person or entity that provided you with the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a refund. If you received the work electronically, the person or entity providing it to you may choose to give you a second opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy is also defective, you may demand a refund in writing without further opportunities to fix the problem. 1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth in paragraph 1.F.3, this work is provided to you ‘AS-IS’, WITH NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. 1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any provision of this agreement shall not void the remaining provisions. 1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg™ electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg™ electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™ Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate. While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate. Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our website which has the main PG search facility: www.gutenberg.org. This website includes information about Project Gutenberg™, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.