The Project Gutenberg eBook of Carl Scharnhorst. Abenteuer eines deutschen Knaben in Amerika This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Carl Scharnhorst. Abenteuer eines deutschen Knaben in Amerika Author: Armand Illustrator: August Hengst Release date: February 20, 2015 [eBook #48322] Language: German Credits: Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive) *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK CARL SCHARNHORST. ABENTEUER EINES DEUTSCHEN KNABEN IN AMERIKA *** Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive) [ Symbole für Schriftarten: _gesperrt_ : =Antiqua= : #fett# ] Carl Scharnhorst. Abenteuer eines deutschen Knaben in Amerika. Von Armand. [Illustration] Mit 6 Bildern in Farbendruck, nach Zeichnungen von August Hengst. Der Verfasser behält sich das Recht der Uebersetzung vor. Hannover. Carl Rümpler. 1863. Druck von August Grimpe in Hannover. Inhalt. Seite #Abschnitt 1.# In Deutschland. -- Das Frühjahr. -- Die Fahrt mit dem Hunde. -- Der Sonnenaufgang. -- Carl Scharnhorst an dem Felsabhang. -- Die Gesellschaft. -- Die Schreckensbotschaft. -- Freude im Glück 1 #Abschnitt 2.# Abzug vom Gute. -- Der Brief von Amerika. -- Der Beschluß zur Auswanderung -- Vorbereitungen. -- Weihnachten. -- Der Neger. -- Die Nordsee. -- Die Seeschweine. -- Die Inseln. -- Der Sonnenuntergang. -- Der Eisberg. -- Amerika. -- Der Adler. -- Todesnachricht. -- Der Verlust 34 #Abschnitt 3.# Der schwarze Freund. -- Reise nach dem Westen. -- Der Hirsch. -- Die Nacht im Freien. -- Die Ueberschwemmung. -- Die wilden Pferde. -- Die Prairie. -- An der Frontier. -- Der Büffel. -- Die wilden Truthähne 79 #Abschnitt 4.# Das Land zur Niederlassung. -- Die Wölfe. -- Die Pferdediebe. -- Die hölzerne Festung. -- Das Kanoe. -- Das Feld. -- Fischfang. -- Die Bärenjagd. -- Die Felle. -- Der Jaguar. -- Der vermoderte Baum 120 #Abschnitt 5.# Lederbereitung. -- Die Poolkatze. -- Büffeljagd. -- Der Lasso. -- Die wilden Bienen. -- Weihnachtsabend. -- Vorsichtsmaßregeln. -- Der Mais. -- Die Biber. -- Der Alligator. -- Der Wacoindianer 159 #Abschnitt 6.# Biberfang. -- Die Bärin. -- Der graue Bär. -- Der Prairiebrand. -- Der wilde Rappenhengst 198 #Abschnitt 7.# Ritt durch die Wildniß. -- Wasser. -- Die Antilopen. -- Die Grenze des Prairiebrandes. -- Die Klapperschlangen. -- Der Delawaren-Häuptling. -- Das Lager der Indianer. -- Der schwarze Panther. -- Rückkehr in das Fort. -- Indianerfreundschaft. -- Der Frühling. -- Die Bestürmung. -- Letztes Mittel. -- Die nahende Rache 239 #Abschnitt 8.# Aufopferung. -- Stummer Abschied. -- Der Falbe. -- Das Rennen wider Willen. -- Das Handelshaus. -- Großer Büffelfang. -- Der Panther. -- Dankbarkeit. -- Das Wiedersehen 278 Abschnitt 1. In Deutschland. -- Das Frühjahr. -- Die Fahrt mit dem Hunde. -- Der Sonnenaufgang. -- Carl Scharnhorst an dem Felsabhang. -- Die Gesellschaft. -- Die Schreckensbotschaft. -- Freunde im Glück. In dem schönen gesegneten Werrathale lebte eine Familie, Namens Turner, die aus den beiden Eltern, zwei Söhnen und einer Tochter bestand. Herr Max Turner war Oeconom und hatte ein kleines Gut, die Kluse genannt, in Pacht, welches einer alten Adelsfamilie als Eigenthum angehörte. Schon sein Urgroßvater hatte dieses Gut pachtweise besessen, die Pacht war immer vom Vater auf den Sohn übertragen worden, und so war auch Herr Max Turner in dieselbe eingetreten. Ueber hundert Jahre befand sich die Kluse nun schon in den Händen der Familie Turner, so daß diese das Gut als ihr Eigenthum betrachtete, von welchem sie jährlich eine gewisse Summe Geldes an jene adelige Herrschaft abzugeben hatte. Es war niemals von einer anderweitigen Verpachtung die Rede gewesen, und als vor mehreren Jahren die Güter in Deutschland bedeutend im Werthe stiegen, hatte sich Herr Turner auch gern dazu verstanden, seiner Herrschaft eine angemessen höhere Pacht zu zahlen. Die Kluse lag kaum eine Viertelstunde von der Werra entfernt in einem engen, reich bewässerten Thale, welches sich nach dem Strome hin öffnete und zu beiden Seiten von hohen Bergen eingeschlossen war. Großes Vermögen hatten die Turners nie erworben, dazu bot das kleine Gut die Mittel nicht; doch hatten sie ihre Pacht immer pünktlich entrichtet, hatten ohne große Sorgen gelebt, ihren Kindern stets eine gute Erziehung geben lassen und dabei eine kleine Summe baaren Geldes zurückgelegt, wie man zu sagen pflegt für böse Tage, die da kommen könnten. Ebenso stand es nun mit Herrn Max Turner. Auch er besaß kleine Capitalien, die er in dem nahen Städtchen auf Grundstücke ausgeliehen hatte; er lebte zufrieden und ohne Sorgen und bot Alles auf, um seine Kinder so viel als möglich lernen zu lassen; denn er war der Ansicht, daß eine gute Erziehung bei reichen Kenntnissen mehr werth sei, als alles Vermögen. »Wer etwas Tüchtiges gelernt hat,« sagte er oft, »der führt ein Capital mit sich, das ihn in jeder Lage seines Lebens und unter allen Verhältnissen ernährt und welches ihm Niemand nehmen kann.« Seine vierzehnjährige Tochter Julie war sein ältestes Kind; darauf folgte ein Sohn, Arnold, im Alter von elf Jahren, und Wilhelm, der zweite Sohn, hatte sein neuntes Jahr erreicht. Außerdem befand sich noch ein Knabe in der Familie, welcher gleichfalls zu derselben gezählt wurde und Carl Scharnhorst hieß. Seine Mutter, die Schwester des Herrn Turner, war an einen Doctor Scharnhorst verheirathet gewesen; Beide waren vor mehren Jahren gestorben, und Carl Scharnhorst wurde als Waise von seinem Onkel in die Familie aufgenommen und als eigenes Kind betrachtet und behandelt. Carl war vierzehn Jahre alt und ein Knabe von ungewöhnlichen körperlichen wie geistigen Anlagen. Er war ein schöner, kräftiger, gesunder Junge mit braunem lockigen Haar, großen, blauen lebendigen Augen und offenem, ehrlichen, edel geformten Gesicht. Schnell und gewandt in seinen Bewegungen, war er auch rasch und entschlossen in seinen Handlungen und verrieth bei Allem, was er that, ein Herz voll Liebe, Freundschaft und Dankbarkeit. Mit leidenschaftlicher Anhänglichkeit hing er an den Kindern seines Onkels, die er Schwester und Brüder nannte, und seine Schulkameraden, denen er seine Freundschaft einmal zugesagt hatte, konnten sich bei jeder Gelegenheit unbedingt auf ihn verlassen. Die dankbare Verehrung und kindliche, herzinnige Liebe aber gegen seine Pflegeeltern kannte gar keine Grenzen, er schien nach ihren Gedanken zu haschen, um ihren Wünschen zuvorkommen zu können. Herr Turner war ein ernster, verständiger Mann im Alter von noch nicht ganz vierzig Jahren, er war groß und stark gebaut, hatte glänzend schwarzes Haar, dunkele beredte Augen, aus denen Biederkeit und Entschlossenheit sprachen, und seine hohe offene Stirn zeugte von gründlichem tiefen Denken. Seine Frau Marie dagegen war eine helle Blondine mit himmelblauen, so freundlichen, liebreichen Augen, daß Jedermann, der ihren Blicken begegnete, sie lieb gewinnen mußte. Sie war eine schöne gesunde Frau, der man es ansah, daß sie die Hände nicht oft in den Schooß legte, und daß sie nur für ihre Familie und für ihre Wirthschaft lebte. Von früh Morgens bis Abends spät war sie in ihrem Haushalte beschäftigt, und da ihre Tochter Julie seit einigen Wochen die Schule verlassen hatte und confirmirt worden war, so mußte sie ihr bei den häuslichen Arbeiten zur Hand gehen. Julie versprach ganz das Ebenbild ihrer Mutter zu werden, sie hatte dieselben blonden Haare und blauen Augen, und dieselbe Anmuth und Lieblichkeit lag in ihrem ganzen Wesen. Arnold, ihr jüngerer Bruder dagegen, mit schwarzem Haar und dunkeln Augen, glich mehr seinem Vater, während Wilhelm, der jüngste, wieder blond war und auf die Mutter artete. Wahres Glück und wahrer Segen ruhte auf dieser Familie; mit unbegrenzter Liebe und unermüdlicher rastloser Fürsorge wachten die Eltern über das Wohl der Kinder, und mit gleicher Liebe und Dankbarkeit hingen diese an den Eltern. Zutrauen und Einigkeit verbanden sie innig, und kein Opfer war ihnen zu groß, um einander gefällig zu werden und sich gegenseitig Freude zu bereiten. In wahrer Frömmigkeit waren sie alle Gott ergeben und bekannten mit dankbarem demüthigen Herzen in ihm den alleinigen Spender des vielen Glücks, dessen sie sich erfreuten. Sorgen und Kummer waren ihnen fremd, sie hatten Alles, was ihre bescheidenen Wünsche orderten, und eine ungestörte kräftige Gesundheit ließ ihnen jede Freude, die ihnen ihr einfaches Leben bot, im vollsten Maße genießen. Nach einem anhaltenden strengen Winter, der noch bis in den Monat März hinein die Werra mit einer starren Eisdecke überzogen und die hohen, steilen Berge und die Kluse mit hohem Schnee bedeckt hielt, war das Frühjahr mild und segnend erschienen, und der Mai hatte Berg und Thal mit frischem jungen Grün geschmückt. Die Wälder prangten im zarten neuen Laube, die Saaten schossen üppig empor, die Wiesen zierten ihre saftig grünen Flächen mit Blumen, und die Obstbäume sahen, mit Blüthen übersäet, wie weiße und rothe Wolken aus den Gärten hervor. Klar und durchsichtig rauschten die leichten Wogen der Werra zwischen den frisch grünen Ufern hin und folgten spielend ihren Schlangenwindungen durch die mächtigen Gebirge, deren schroffe Basaltkuppen im hellen Sonnenlichte unter dem blauen wolkenlosen Aether glänzten. Alle Zugvögel waren von ihrer Winterreise aus fernen Landen zurückgekehrt, die Schwalben schwärmten in lustigen Zügen schwirrend von Berg zu Berg, die Lerche hob sich singend und trillernd zum Himmel auf, der Kukuk ließ seinen Ruf durchs Thal ertönen und die Nachtigall flötete ihre süßen melancholischen Lieder im Düster des Forstes und im schattigen Dunkel der Gärten. Es war Pfingstsonnabend Nachmittag, und Carl Scharnhorst hatte die Feierstunden benutzt, um seinen Brüdern, wie er Arnold und Wilhelm Turner nannte, eine Freude zu bereiten. Für den großen schwarzen Hofhund, Pluto, hatte er ein Geschirr angefertigt, denselben in einen kleinen Wagen gespannt, und nun rief er seine Brüder herbei, das Fuhrwerk nach dem nahen Städtchen zu lenken, um für die Mutter allerlei Haushaltsbedürfnisse nach der Kluse zu schaffen; denn für die Feiertage mußten Küche und Keller gut versorgt werden. Die Freude der beiden Jungen war groß, als sie ihren lieben Pluto mit dem weißen Ledergeschirr im Wagen eingespannt erblickten, und Carl mußte das mächtige Thier mit Gewalt am Halsbande halten, damit es bei den Liebkosungen, die es den Knaben mit Ungestüm erwiedern wollte, das Fuhrwerk nicht umwarf. Der laute Jubel brachte auch Madame Turner und Julie vor die Hofthür, auch sie brachen in ein lautes freudiges Lachen aus, als sie den großen Hund eingespannt sahen, und Madame Turner, die in Carls Bemühung nur dessen Liebe zu ihren Kindern erkannte, strich ihm liebevoll die braunen Locken und küßte ihn zärtlich. Dann gab sie ihm die bereits geschriebene Liste über die verschiedenen Gegenstände, welche sie durch einen der Knechte hatte auf einem Schiebkarren aus der Stadt holen lassen wollen. Wilhelm setzte sich in den Wagen hinein, Arnold ging mit dem Lenkseil in der Hand nebenher, und von Carl gefolgt, trabte Pluto mit dem Wagen durch das Hofthor die Straße hinunter. »Nur langsam, langsam, Ihr Jungen!« rief ihnen Madame Turner lachend nach; kaum hatten sie aber die offene Straße erreicht, als sie Pluto zum Laufen aufforderten, und nun davon sausten, so schnell sie ihre Füße nur tragen konnten. Die Sonne sank zu den fernen blauen Gebirgen hinab, die vielen einzelnen Basaltkuppen, die sich hier und dort aus dem Werrathale erhoben, dehnten ihre Schatten weiter aus, der Himmel im Westen wurde immer feuriger, immer glühender, und eine heilige Ruhe legte sich auf das schöne Thal, die nur durch den friedlichen Ton der Abendglocken und zuweilen durch einen verspäteten Grasmäher unterbrochen wurde. Herr Turner kam auf einem prächtigen Rappen auf der Straße hergetrabt, die von dem Städtchen nach der Kluse führte, und holte auf halbem Wege seine drei Buben ein, von denen Arnold und Wilhelm neben dem großen Hunde hinschritten, während Carl Scharnhorst hinter dem beladenen Wagen ging und denselben vorwärts schob, damit die Last dem Thiere nicht zu schwer werden sollte. »Ist es möglich, seid Ihr es?« rief Turner lachend und verwundert aus. »Habe ich mich doch besonnen, was für ein Fuhrwerk dies sein könnte! Aber wer hat Euch denn das Geschirr für Pluto und die ganze Einrichtung gemacht? es ist ja allerliebst!« »Carl hat Alles heimlich hergestellt, und als er Pluto eingespannt hatte, rief er uns herbei, damit wir fahren könnten,« antworteten die beiden Söhne Turners vergnügt und sahen mit dankbaren freudigen Blicken nach Carl hin. »Ei, Du bist ja ein Prachtbursche, Carl! Dafür sollst Du nun aber auch wahrlich Deinen Spaß haben,« sagte Turner, indem er vom Pferde sprang und Carl den Zügel hinreichte. »Komm her, mein Junge, sollst den Rappen nach Hause reiten, ich weiß, es macht Dir Freude. Wart nur, ich will die Bügel etwas kürzer schnallen.« »Nein, bester Onkel, ich danke, ich muß bei dem Wagen bleiben, es wird Pluto zu sauer!« antwortete Carl und sah mit glänzendem Blicke nach dem Sattel hinauf, in welchem er so gern Platz genommen hätte. »Nein, nein, Carl, eine Ehre ist der andern werth; Du hast Deinen Brüdern eine Freude gemacht, und es ist nun an mir, auch Dir eine solche zu bereiten. Steig auf, flink, ich bleibe beim Wagen und werde ihn statt Deiner schieben.« »Aber, bester Onkel, wenn das Jemand sähe -- ich zu Pferde und Du hinter dem Wagen -- das geht ja nicht!« »Eine jede Arbeit ehrt den Mann, Carl; wer mich nicht hinter dem Wagen sehen mag, der muß einen andern Weg blicken. Schnell auf das Pferd, darfst es einmal tüchtig laufen lassen, nimm Dich aber in Acht, schiebe die Füße nicht zu weit in die Steigbügel, damit Du mir nicht darin hängen bleibst, wenn Du herunterfallen solltest.« »Hat nichts zu sagen, Onkel, ich habe den Rappen schon zu oft in das Wasser geritten, ich falle nicht herunter,« erwiederte Carl und sprang behend in den Sattel. »So, nun sage der Mutter, daß ich Fuhrmann geworden sei und bald mit der reichen Ladung nachfolgen würde,« sagte Turner, worauf Carl den Rappen in Galopp setzte und davon jagte. Die flüchtigen Tritte des Rosses, als Carl in den Hof sprengte, lockten Madame Turner in die Hausthür, wo ihr der Knabe lachend zurief, was ihm sein Onkel zu bestellen aufgetragen hatte. Dann übergab er das Pferd einem Knecht und lief nun rasch wieder nach der Straße hinunter, dem Wagen entgegen zu eilen und Herrn Turner dort abzulösen. Der Mond stieg glühend roth über den dunkeln Bergen auf und blickte in das Thal herab, in welchem die Kluse lag, als der Wagen vor dem Hause anlangte und Pluto sich ermüdet niederlegte. »Hier, Mutter, wir haben Alles glücklich hergebracht, es ist Nichts entzwei gegangen,« rief Arnold seiner Mutter triumphirend zu, als diese aus dem Hause hervorsprang, um ihre Lieben zu bewillkommnen. »Und wie schön war die Fahrt, ich sage Dir, Mutter, ganz prächtig,« fiel Wilhelm ein. »Und die Freude habt Ihr Carl zu verdanken,« erwiederte Madame Turner. »O ich habe aber einen noch weit größern Spaß gehabt, weil Onkel so gut war und mich den Rappen reiten ließ; wie hat der aber laufen müssen!« unterbrach Carl schnell seine Tante; doch diese fuhr, zu ihren Söhnen gewandt, fort: »Nun, bedankt Euch hübsch bei Carl, der Euch so lieb hat,« worauf die beiden Buben Carl um den Hals fielen, ihn küßten und ihm für die Freude dankten, die er ihnen bereitet hatte. »Hast Du uns Fuhrleuten denn aber nun auch etwas Gutes gekocht, Mutter? wir haben uns tüchtig für Dich abgearbeitet,« nahm jetzt Herr Turner das Wort, indem er seinen Arm um die Schulter der geliebten Gattin legte und von ihr den gewohnten Kuß zum Willkommen empfing. »Ihr sollt zufrieden sein. Julie hat Puffer gebacken, und wenn ich mich nicht irre, so sind sie ihr gut gerathen,« entgegnete Madame lächelnd. »So laß uns das Abendbrod im Garten in der Laube verzehren; ich meine immer, im Freien könnten wir dem gütigen Gott besser für seine Wohlthat danken, als in dem Zimmer, dort sehen seine Wolken so freundlich auf uns hernieder, seine Größe und Allmacht tritt uns lebendiger vor die Seele. Es ist eine so herrliche Nacht, daß es schade wäre, uns in das Zimmer einzusperren,« entgegnete Turner. »Sehr gern, es ist mir leichte Mühe, die Speisen hinauszubringen, und dort werden sie uns noch viel besser schmecken,« antwortete Madame Turner, und eilte in das Haus, um die nöthigen Anordnungen zu treffen, während ihr Gatte mit den Knaben die Ladung von dem Wagen hinein beförderte. Carl hatte Pluto das Geschirr bereits abgenommen, und der Hund folgte ihm nun auf Schritt und Tritt nach. Eine halbe Stunde später saß die ganze Familie im Garten in der Geisblattlaube um den großen steinernen Tisch, auf dem das einfache Abendbrod aufgetragen war und auf dessen Mitte eine Lampe mit heller Glaskuppel brannte. Herr Turner erhob sich zum Dankgebete und die Seinigen folgten seinem Beispiele. Mit wenigen klaren, aus tiefem Herzen kommenden und zum Herzen dringenden Worten dankte er Gott für die unendlich vielen Wohlthaten, die er ihm und seiner Familie hatte angedeihen lassen, und flehte um seinen ferneren Segen. Mit demüthiger Andacht folgten Mutter und Kinder dem Gebet, und nach dessen Beendigung wünschten sich Alle gegenseitig guten Appetit. »Daran wird es uns Allen gottlob nicht fehlen, denn wir haben ja sämmtlich unsere Schuldigkeit gethan und unsere Herzen drückt keine Schuld und kein Kummer,« sagte Turner, indem er die Schüssel mit Speisen nahm, sich derselben bediente, und sie dann weiter reichte. »Ich hätte Euch nun wohl einen Vorschlag zu machen, das heißt, wenn Ihr früh aufstehen könntet,« fuhr er nach einer Weile fort. »Wie wäre es, wenn wir morgen früh auf der Wichtelkuppe die Sonne aufgehen sähen?« »Ach ja, lieber Vater!« fielen die Kinder jubelnd ein, und auch die Mutter stimmte freudig dafür. Die Mahlzeit war bald gehalten und Madame Turner rückte auf der Bank näher zu ihrem inniggeliebten Gatten, um sich in treuer Liebe an seine Seite zu schmiegen. Der Mond blickte silberhell in die Laube, der Maiwurm glühte im Grase und die Nachtigall flötete ihre süßen Lieder im nahen Gesträuche. Die laue Nachtluft trug den tausendfältigen Duft der Frühlingsflur hin und wieder, und der nahe Bach rauschte und murmelte in dem Gestein, über welches seine krystallklaren Wellen spielten. »Der allmächtige gütige Gott hat uns doch überreich gesegnet, Marie,« sagte Turner im Gefühle seines großen Glückes zu seiner Gattin, und sah nach den Kindern hin, die in den krummen Wegen des Gartens spielten und sich jauchzend und lärmend auf denselben hin- und herjagten. »Sieh unsere Kinder an, wie sie geistig und körperlich gedeihen, wie sie gut und ehrlich denken und fühlen, wie jede Unwahrheit, jedes Unrecht ihnen verhaßt ist, und wie sie kräftig und übermüthig emporwachsen.« »Gott der Gütige erhalte uns unser Glück, Max, wir sind vor Tausenden von ihm bevorzugt. Unsere Kinder sind gut, wir haben keine Sorgen, und unsere Liebe hat uns den Himmel auf Erden gegeben. Mag unsere Bitte um Erhaltung unseres Glücks dem Allmächtigen nicht unbescheiden klingen; fast ist es zu groß für diese Welt,« sagte Madame Turner, zum Himmel aufblickend, und das Mondlicht spiegelte sich in den Freudenthränen, die unter ihren langen Wimpern glänzten. Es war schon spät, als die Familie den Garten verließ und sich zu ihrer Ruhestätte begab, um noch einige Stunden sich in sorglosem glücklichen Schlafe zu stärken; aber lange vor dem ersten Grauen des Tages schon weckte Herr Turner die Schläfer, und Alle schossen schnell in die Kleider, um zum Aufbruch nach der Wichtelkuppe bereit zu sein. Noch war der Mond nicht versunken und er warf sein Licht über den rohen Fahrweg, der sich, steil hinansteigend, zwischen den Bergen nach dem erwählten Ziele der frühen Wanderung hinaufwand. Herr Turner, mit einem schweren Stocke bewaffnet, schritt mit seiner Gattin voran, dann folgten ihre drei Kinder, und Carl Scharnhorst beschloß mit Pluto den Zug. Ein Jedes von ihnen hatte Etwas zu tragen, denn es waren Milch, zwei Bouteillen Wein und ein tüchtiger Vorrath von frischem Kuchen, so wie einige Gläser mitgenommen, und Alles war unter die Gesellschaft zum Tragen vertheilt worden. »Warum heißt denn der Berg die Wichtelkuppe, Vater?« fragte Arnold. »Es ist eine alte Sage, die dem Berge diesen Namen gegeben hat. Man erzählte sich vor langen Jahren, daß in den Kohlenbergwerken am Meißner, dort drüben an der andern Seite der Werra, gute Geister in der Gestalt von ganz kleinen Menschen leben sollten, die man Wichtelmänner nannte. Diese Geister, sagte man, hielten in mondhellen Nächten ihre Zusammenkünfte und ihre Tänze auf jenem Berge, und darum nannte man ihn die Wichtelkuppe. In früheren Jahren gab es noch viele sehr unwissende Menschen, die an solche Geistergeschichten glaubten; heutzutage aber lacht man darüber, da man weiß, daß es nur _ein_ Geist, _ein_ großer allmächtiger gütiger Geist ist, der allenthalben unsichtbar gegenwärtig und der uns und diese Erde, so wie alle die Welten geschaffen hat, die wir am Himmel über uns sehen. Dieser einzige Geist ist der gütige Gott, den Niemand zu fürchten hat, wenn er recht thut. Andere Geister giebt es nicht, und wem einmal ein angeblicher Geist begegnen sollte, der fasse ihn nur gleich beim Kragen, und er wird sogleich finden, daß er einen Menschen, oder sonst einen Gegenstand vor sich hat. Nur dumme Furcht, oder ein böses Gewissen können Gespenster sehen. Nehmt Euch hier in Acht, Ihr Jungen, daß Ihr nicht fallt, es ist dunkel in diesem Hohlweg, und es liegen viele Steine darin,« sagte Turner, sich nach den Knaben umsehend. »Wer trägt denn die zweite Flasche Wein?«. »Ich habe sie, Onkel, ich werde sie nicht zerbrechen,« rief Carl, der etwas zurückgeblieben war. Der dunkle Hohlweg war bald durchschritten und eine steinige Höhe erreicht, von der man auf die Kluse hinabsehen konnte. Hier wurde für einige Minuten Halt gemacht, weil der Weg bis hierher sehr steil gewesen war. Bald aber ging es wieder vorwärts, und immer noch gab der Mond Licht genug, um den Weg erkennen zu können. Ueber eine Stunde lang waren die Wanderer in der fröhlichsten Laune scherzend und lachend, beinahe fortwährend bergauf gestiegen, als sie plötzlich die höchste Spitze der Wichtelkuppe erreicht hatten, und wie von einem Thurme herab in das tiefe Werrathal hinunter schauten. Der Mond hatte den Saum der Gebirge erreicht und warf seinen letzten Blick auf den ruhigen Spiegel des Stromes, der sich wie eine glänzende silberne Schlange durch das tiefe dunkele Thal hinwand. Bald aber versank die helle Mondscheibe hinter dem Berge, die Nacht breitete ihr Dunkel über die Erde, und die Sterne blitzten und funkelten lebendiger. Nur im Osten zeigte der Himmel über den Gebirgssäumen einen bleichen Streif, der den nahenden Tag verkündete. Von Minute zu Minute wuchs dieser Lichtschein und seine bleichgelbe Farbe ging in ein zartes Rosenroth über. Zugleich zitterte die Morgendämmerung über die Berge, und die einzelnen Basaltkuppen und Waldstriche wurden im Thale sichtbar. Der Himmel färbte sich immer feuriger, immer prächtiger, bis seine ganze östliche Hälfte mit einem glühenden Roth bedeckt war. Turner, dessen Gattin, und um sie herum die Kinder hatten sich auf Felsstücke niedergesetzt, und hielten erwartungsvoll und von heiligen Schauern durchbebt, die Blicke auf den Fleck über dem dunkeln Gebirgsrücken geheftet, von wo aus die Gluth am Himmel aufzusteigen schien. Plötzlich wurde dort ein glänzender heller Lichtpunkt sichtbar, die goldene Scheibe der Sonne stieg empor, und ihr Strahlenlicht ergoß sich über die Erde. »Erkennt die Größe des allmächtigen Gottes in diesem seinen Werke!« sagte Turner zu den Kindern, indem er die Hand nach dem aufsteigenden Gestirn erhob. »Wie Alles in der ganzen Schöpfung Gottes Gnade bekundet, so sendet auch dieses göttliche Werk Leben, Segen und Gedeihen über unsern Erdball. Seht nur, wie die Natur erwacht und wie Alles neu belebt wird!« Kein Wölkchen war am Himmel zu erblicken, blau und durchsichtig spannte er seinen hohen Bogen über die weite, im goldenen Morgenlicht glänzende Berglandschaft, frisch und erquickend zog die Luft durch das Thal, und rollte den leichten Nebel, der die Werra wie mit einem weißen Schleier bedeckte, in kleinem Gewölk nach den Höhen hinauf, und Alles schien für den ersten Pfingsttag geschmückt. In die Herzen der Familie Turner war der Festtag schon mit dem Erwachen der Natur eingezogen, und so wie die Vögel hoch in der Luft und unten im Thale sich unter fröhlichem Gesange des Morgens erfreuten, so gaben auch Turners sich der beglückenden Heiterkeit hin, die ihnen von allen Seiten entgegenlachte. Noch über eine Stunde verweilten sie im Genusse des herrlichen Morgens auf der luftigen Höhe, ehe sie an den Heimweg dachten. Als aber Madame Turner daran erinnerte, daß man aufbrechen müsse, um zur rechten Zeit in der Kirche erscheinen zu können, schlug ihr Gatte vor, auf dem kürzeren Fußpfad, der an den Werra-Abhängen hinführte, zurückzugehen. Alle stimmten freudig ein, weil dieser Weg beinahe fortwährend einen Blick in das tiefe Thal gestattete, und so traten sie dann abermals ihre Wanderung an. Der Pfad aber war schmal, so daß nur _eine_ Person darauf Platz hatte, und von Herrn Turner geführt, folgte Einer dem Andern. Oft blieben sie stehen, um die steilen Felswände zu beiden Seiten des Flusses zu bewundern, oder den kleinen Fischernachen nachzublicken, die wie schwarze Punkte auf der Werra hinglitten. Wohl die Hälfte des Heimweges hatten sie bereits zurückgelegt, als sie auf dem hohen Bergsaum einen Platz erreichten, wo der Pfad an einer Felswand hinführte, und wo an dessen anderer Seite der, mit losem Gestein bedeckte Boden sehr steil abschüssig wurde, und in einer Entfernung von etwa hundert Fuß in einem senkrechten schwindelnden Abhang nach dem Ufer des Stromes hinuntersank. Herr Turner blieb stehen und rief den Kindern zu, voran zu gehen, damit er sie im Auge behalten könne, und als sie bei ihm vorüber kamen, ermahnte er sie zur Vorsicht auf diesem gefährlichen Wege. Carl Scharnhorst schritt voran, indem er dem Hund pfiff, der soeben einen Hasen aufgejagt hatte und, ohne auf den Pfiff zu hören, denselben verfolgte. Hinter Carl ging Julie, dann kam Arnold, darauf Wilhelm, und Herr Turner, mit seiner Gattin vor sich, beschloß den Zug. Die schmalste Stelle des Pfades war erreicht, als plötzlich Pluto, um zu Carl zu gelangen, in vollem Lauf bei Herrn und Madame Turner vorübersauste, und im Vorbeirennen an Arnold, diesen so heftig zur Seite stieß, daß der Knabe von dem Pfade herabstürzte und an dem steilen Berge hinunterrollte. Mit einem Schrei des Entsetzens sahen die Eltern, wie der Knabe sich vergebens bemühte, seinem Hinabrollen Einhalt zu thun; es war umsonst, das lose Gestein rollte mit ihm, und schon hatte er die Hälfte des Abhanges, der zu dem senkrechten Abgrunde führte, erreicht, als Carl sich pfeilschnell hinter ihm herstürzte, ihn mit seinen Armen umklammerte, und alle seine Kräfte aufbot, ihn in dem furchtbaren Lauf aufzuhalten. Umsonst -- Beide rollten weiter dem unvermeidlichen Tode entgegen. Carl hielt aber seinen Kameraden fest umschlossen, und lenkte nur mit den Füßen seinen Weg einem einzelnen Baume zu, der am Ende des Abhanges stand und über die gähnende Tiefe hinabhing. Wie vom Tode erfaßt und in Verzweiflung erstarrt, sahen die Eltern händeringend den beiden Knaben nach, wie dieselben dem äußersten Rande des Abgrundes immer näher kamen und das lose Gestein um sie her ihnen voran in die bodenlose Tiefe rollte. Noch lagen nur wenige Schritte zwischen den Knaben und dem äußersten Felsrand, als Carl, seinen Kameraden im Arm, sich mit den letzten Kräften nochmals dem Baume zustieß, und an dessen Stamm über dem Abgrunde hängen blieb. Mit einem Arm hielt er den ohnmächtigen Arnold umschlossen, und mit dem andern stützte er sich an den Baumstamm, der ihn von dem Sturz in die Tiefe zurückhielt. »Halt fest, Carl, halt fest, Gott der Allmächtige wird Dir Kräfte verleihen!« schrie Turner, indem er seine Gattin aus seinen Armen sinken ließ und seine bebenden Hände den Knaben entgegenstreckte. »Halt fest, Carl, um Gotteswillen, halt fest, ich hole Hülfe, ich bin bald zurück!« schrie Turner noch einmal mit verzweifelter, mit rasender Angst, und stürzte dann in fliegendem Laufe an den Felsen hin, um von der Kluse her Hülfe zu holen. [Illustration] Madame Turner lag händeringend auf ihren Knieen und flehte laut zum Himmel auf, daß Gott Barmherzigkeit haben und Rettung senden möge, und Julie und Wilhelm klammerten sich weinend und jammernd an die bebende Mutter und hielten zitternd ihre Blicke auf die beiden Knaben geheftet. Carl hielt den geliebten Halbbruder fest an sein Herz gepreßt, und suchte vorsichtig nach und nach seinen Sitz zu verbessern, um länger darin aushalten zu können; denn seitwärts von dem Stamme, an dem er saß, blickte er in die schwindelnde Tiefe hinunter, wo sein Auge keinen Gegenstand mehr erkennen konnte. Seine Kräfte, die er bei der übernatürlichen Anstrengung während des Rollens bis an den Baum aufgewandt hatte, kehrten zurück, und er fühlte sich stark genug, sich hier zu erhalten, bis sein Onkel ihm Hülfe bringen würde. Alle seine Besorgniß richtete sich jetzt nur noch auf das Erwachen Arnolds und auf dessen Bewegungen; denn die mindeste Biegung aus dem Gleichgewicht mußte sie beide in den Abgrund stürzen. Jetzt regte sich Arnold, er strich sich mit der Hand über das Gesicht, und wollte sich erheben. »Rühre Dich nicht, Arnold, oder wir sind Beide verloren, bewege Dich nicht und sieh Dich nicht um, verlaß Dich auf mich, ich halte Dich!« rief ihm Carl in die Ohren, und zog seinen Arm fester um ihn. »Carl, wo sind wir denn?« fragte Arnold jetzt, indem er die Augen aufschlug und in den Abgrund blickte. »Ach Gott, wir fallen hinunter!« setzte er halblaut hinzu, und begann am ganzen Körper zu zittern. »Bewege Dich nur nicht, Arnold, ich halte Dich, der Vater wird gleich zurückkommen und uns helfen. Schließe die Augen und bleibe ruhig so liegen, ich kann Dich so ganz gut halten und wenn es noch so lange dauern sollte!« Von drehendem Schwindel ergriffen, schloß Arnold bebend und zitternd die Augen, und klammerte sich krampfhaft an Carl fest, der jetzt selbst vermied, seitwärts in die Tiefe zu schauen, da er fühlte, wie ihn dabei eine unüberwindliche Machtlosigkeit durchrieselte. Er hielt seinen Blick hinauf nach der jammernden Mutter Arnolds gerichtet, und wandte sich mit seiner Seele vertrauungsvoll zu Gott, der ihm ja beigestanden hatte, den Baum zu erreichen. Unbeweglich saß er über der bodenlosen Tiefe, doch konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, daß der Baum seinem Druck nachgeben, und mit ihm und Arnold hinunterstürzen würde. Mit krampfhafter Spannung horchte er auf jeden Ton, um die nahenden, Rettung bringenden Fußtritte Turners zu erkennen; eine Ewigkeit schien an ihm vorüberzuziehen, er fühlte, wie seine Füße in der gezwungenen Lage erstarrten, und doch durfte er diese nicht wechseln, wollte er nicht das Gleichgewicht verlieren. Ueber eine halbe Stunde war schon verstrichen und noch war keine Hülfe erschienen. »Liege ganz ruhig, Arnold,« sagte Carl jetzt zu diesem mit entschlossener Stimme, »ich muß meinen Fuß unter Dir hervorziehen, ich kann es unmöglich länger in dieser Lage aushalten.« Dabei befreite er seinen linken Arm von seinem Halbbruder, faßte mit beiden Händen den Stamm hinter sich, und hob sich vorsichtig mit aller Kraft langsam etwas empor, indem er seinen Fuß unter Arnold herauszog und über den Abhang hinunterhängen ließ. »So, Gottlob, nun ist es gut, nun kann ich es wieder aushalten!« sagte er, und legte seinen Arm abermals um Arnold. Da schallte die Stimme Turners von weit her durch die Berge, als fordere sie Carl zur letzten Kraftanstrengung auf. »Der Vater kommt,« sagte dieser zu dem bebenden Gefährten, »nun werden wir gerettet. Rühre Dich nur nicht, Arnold!« Wenige Minuten später erschien Turner auch wirklich auf dem Pfade, und stürmte mit einer Steinhacke auf der Schulter zu dem verhängnißvollen Platze heran. Er kam aber nicht allein, sämmtliche Knechte waren ihm von der Kluse hierher gefolgt, und trugen schwere Taue herbei, die zur Rettung der Knaben gebraucht werden sollten. In aller Eile wurden diese einzelnen sehr langen Stricke aneinander gebunden, Turner ließ sich das eine Ende um die Brust befestigen, und stieg nun, mit der Steinhacke in der Hand, an dem Abhang hinunter, indem die Knechte auf der Höhe zurückblieben und das Seil hielten. Sie ließen dasselbe nur langsam nachfolgen, während Turner auf seinem abschüssigen Wege mit der Hacke Stufen in das lose Gestein hieb und eine Art von Treppe erzeugte, die ihm den Rückweg nach der Höhe erleichtern sollte. Dabei redete er mit erzwungen ruhiger Stimme, bald zu Carl, bald zu Arnold, ermahnte sie, nur still und unbeweglich zu sitzen, und nicht in die Tiefe zu blicken. Schritt für Schritt stieg er weiter hinab, während das Gestein, welches er vor sich loshieb, über den Abhang hinunter rollte, und so erreichte er endlich schweißtriefend und erschöpft die beiden Knaben. »Der Allmächtige sei gelobt und gepriesen!« rief er in höchster Seligkeit mit bebender Stimme aus, als er Arnold mit beiden Händen krampfhaft erfaßte, ihn Carl aus den Armen nahm und ihn auf die nächste Stufe über sich hob. »Sitze ruhig, Carl, bester Carl, gleich kehre ich zu Dir zurück; rühre Dich nicht,« sagte er zu diesem, und ließ Arnold nun die steile Höhe vor sich erklimmen, wobei er ihn von Stufe zu Stufe hob, und die Diener auf der Höhe das Tau wieder an sich ziehen mußten. In ihren zitternden Armen empfing die Mutter ihr Kind an ihrem Herzen, und Turner eilte, ohne einen Augenblick zu verlieren, abermals auf den Stufen hinab, um nun auch Carl dem furchtbaren Abgrunde zu entreißen. »Mein Carl, Du Retter meines Lebensglücks, komm an mein Herz, an das Herz Deines dankbaren zweiten Vaters!« rief der überglückliche Mann, indem er den Knaben von dem Baume wegzog und ihn vor sich auf die Stufe hob. Bald hatten sie die Höhe erstiegen und Madame Turner zog den Knaben mit freudigem Beben von der letzten Stufe zu sich herauf. »Carl, mein geliebter Carl, Du Retter meines Kindes, wie soll ich es Dir im Leben danken!« stammelte sie in ihrem Glück, indem sie Carl mit ihren Liebkosungen überhäufte. Von ihr aber ging er aus einer Umarmung in die andere, bis Turner auf seine Kniee sank, um dem Allmächtigen für die Gnade, für die Barmherzigkeit zu danken, die er ihm in so wunderbarer Weise hatte angedeihen lassen. Alle Gegenwärtigen wandten, tief ergriffen, ihre Herzen zu Gott und stimmten in das laute Dankgebet Turners mit ein. Dann aber eilten sie von dem Schreckensplatze hinweg, ohne sich nochmals nach dem Abgrunde umzusehen. Als Turners nach der Kluse zurückkamen, war es zu spät geworden, um noch in die Kirche zu gehen, aber in dem Tischgebete sandten sie nochmals ihren herzinnigen, heißen Dank für die wunderbare Rettung der beiden Knaben zum Himmel auf. Die Liebe, welcher sich Carl Scharnhorst bisher in der Familie Turner zu erfreuen gehabt hatte, war eine noch viel innigere geworden, sie hatte in der Dankbarkeit noch eine neue Grundlage gefunden, und die Eltern sowohl, wie die Kinder fühlten sich mit unlöslichen Herzensbanden an den braven Knaben gefesselt. Aber noch ein anderes Gefühl war in ihnen für Carl erwacht, welches seine aufopfernde Anhänglichkeit, seine Unerschrockenheit, seine Entschlossenheit hervorgerufen hatte; es war das Gefühl der Achtung. Während man bisher nur den liebevollen, treuherzigen, dankbaren Knaben in ihm gesehen, erkannte man jetzt in ihm ein Glied der Familie, dessen Persönlichkeit noch eine andere Bedeutung hatte, als die eines geliebten Kindes. Von dem Augenblick an, wo der erste Freudenrausch über die Rettung Arnolds verwogt war, behandelte Turner sowohl, wie seine Gattin, Carl Scharnhorst unwillkürlich anders, als früher: in Wort und Handlung gebrauchten sie, ohne es zu wollen, mehr die Rücksichten, die man einem Freunde zollt, als die, welche man dem Pflegekinde angedeihen läßt; er war mit einem Worte in ihrem Gefühle plötzlich nicht mehr der Knabe, sondern der befreundete, edle Jüngling, wenn auch seine ganze Erscheinung noch die des Kindes war. Auch die Dienerschaft, die Knechte und Mägde aus der Kluse, begegneten ihm mit einer Ehrerbietung, mit einer Achtung, die man einem Knaben sonst nicht zollt, und wo er sich sehen ließ, kam man ihm mit ehrender Auszeichnung entgegen und pries und rühmte seine edle That. Carl sah nichts weiter in der Aufmerksamkeit, als die Freude über die Rettung Arnolds, an der er ja selbst von ganzem Herzen Theil nahm; doch kam es ihm gar nicht dabei in den Sinn, daß er etwas so Ungewöhnliches gethan habe. Er glaubte, nur so gehandelt zu haben, wie es jeder Mensch zu thun verpflichtet sei und wie er selbst gar nicht anders gekonnt hätte. Am folgenden Morgen rüstete man sich auf der Kluse zeitig, um sich nach dem Städtchen zur Kirche zu begeben. Der leichte, mit drei Sitzen versehene Korbwagen hielt vor der Hausthür, so wie auch der gesattelte Rappe, den Herr Turner bei solchen Gelegenheiten stets zu reiten pflegte. Madame Turner trat mit ihren Kindern und mit Carl aus dem Hause, um den Wagen zu besteigen, als Herr Turner, der bei dem Rappen stand, Carl zu sich winkte und sagte: »Carl, Du sollst heute den Rappen reiten, und ich will statt Deiner fahren; ich weiß, es macht Dir Freude, und bei der ersten Gelegenheit, die sich nur bietet, werde ich Dir ein Pferd kaufen, welches ganz Dein Eigenthum sein soll. Komm, ich habe die Bügel schon für Dich verkürzt.« Carls Blick strahlte vor Wonne; denn wenn er auch schon oft den Rappen in der Nähe der Kluse geritten hatte, so war er doch niemals zu Pferde in der Stadt erschienen, und dies zu thun, machte ihm eine besonders große Freude. »Aber, bester Onkel, reitest Du nicht lieber, als Du Dich in den Wagen setzest? Du zogest es sonst doch immer vor,« sagte Carl bescheiden und zögernd. »Nein, nein, heute fahre ich lieber; steige nur auf. Wenn Du in die Stadt kommst, so reite nach dem Gasthofe und lasse das Pferd in den Stall bringen, der Stallbursch weiß schon, was er für dasselbe zu thun hat. Sage ihm nur, daß Du nach der Kirche wiederkommen würdest, um nach Hause zu reiten.« Bei diesen Worten gab Turner die Zügel an Carl, dieser schwang sich mit hochschlagendem Herzen in den Sattel, winkte Allen noch einen Gruß zu, und trabte in höchster Lust davon, während Turner sich zu seiner Gattin und seinen Kindern in den Wagen setzte. Der Weg war bald zurückgelegt, und als in der Nähe der Kirche der Wagen anhielt und Turners ausstiegen, kamen von allen Seiten Freunde und Bekannte herbeigeeilt, um ihnen ihre Glückwünsche zu der wunderbaren Rettung des Knaben darzubringen; denn die Nachricht davon hatte sich bereits durch das Städtchen verbreitet. Es war noch nicht volle Zeit, sich in das Gotteshaus zu begeben, und der mit hohen Linden umstandene Platz vor demselben füllte sich immer mehr mit Kirchgängern, als Carl dort erschien und sich nach den Seinigen umschaute. Während er durch die Menge hinschritt, wurde er von allen Seiten angehalten. Jedermann wollte dem braven Knaben die Hand reichen und ihn begrüßen, und unter warmen Liebesbezeugungen und lauter Anerkennung seiner edlen hochherzigen That gelangte er zu Turners. Hier waren nun viele von deren näheren Freunden versammelt, und abermals wurde Carl reiches Lob gespendet. Diese Liebe, diese Beweise von Zuneigung erfüllten sein junges Herz mit Freude, doch blieb er weit davon entfernt, sich etwas auf seine That einzubilden, da er nicht anders wußte, als daß Jedermann ebenso handeln müsse, wie er es gethan hatte. Nach beendigtem Gottesdienste begleiteten viele Bekannte Turners diese nach dem Wagen, welcher im Schatten der alten Lindenbäume gehalten hatte, und eine große Anzahl der Freunde kündigten ihren Besuch auf der Kluse für den Nachmittag an. Auf halbem Heimwege holte Carl die Seinigen wieder ein, und blieb nun in der Nähe des Fuhrwerks, indem er bald im Schritt zurückblieb, und bald wieder im Trabe oder im Galopp bei ihm vorübereilte. Wohlbehalten und in der glücklich heitern Stimmung, wie sie das Herz des Menschen nach Beseitigung einer großen Gefahr noch lange Zeit erfüllt, langte die Familie zu Hause an; es wurde schnell zu Mittag gespeist, und dann begab sich Madame Turner mit Julie in die Vorrathskammern und in die Küche, um die nöthigen Vorbereitungen zur Bewirthung der zu erwartenden lieben Gäste zu treffen. Gastfreundschaft und Freigebigkeit hatten von jeher auf der Kluse geherrscht, und auch die gegenwärtigen Bewohner derselben waren weit und breit dafür bekannt, daß Freunde ihnen jederzeit willkommen waren. Arme Leute fanden dort immer Arbeit, und oftmals gab Turner ihnen Beschäftigung, wenn ihr Dienst ihm auch in keiner Weise einen Vortheil bot, und Kranke und Altersschwache meldeten sich niemals in diesem Hause, ohne Unterstützung, Pflege und Trost zu erhalten. Der Freunde aber, welche von Turners Gastfreundschaft Gebrauch machten, waren unzählige; es verging fast kein Tag, wo nicht einige derselben sich auf der Kluse einfanden, und selten waren die Mittagstafeln, der Kaffeetisch oder die Abendmahlzeit ohne Gäste. Madame Turner machte ihretwegen durchaus keine Aenderungen in den häuslichen Einrichtungen, sie wurden herzlich willkommen geheißen und mußten mit dem vorlieb nehmen, was die Hausordnung mit sich brachte. Alles aber, was man ihnen reichte, wurde freudig gegeben und war gut, ja, man sagte allgemein, besser als irgendwo anders. Der Spaziergang von dem Städtchen nach der Kluse war ein nicht gar weiter, der Weg trocken und eben und die Gegend malerisch schön. Das Gut selbst lag reizend, hatte eine zauberisch liebliche, von fernen blauen Gebirgen begrenzte Aussicht in das Werrathal, und seine Gärten waren wegen ihrem Blumenflor sowohl, als wegen ihres herrlichen Obstes berühmt. Heute, am zweiten Pfingsttage, wurde nun allerdings der Kaffeetisch, der in der Laube des Gartens gedeckt war, mit größerer Sorgfalt besetzt, als gewöhnlich: das gute Porzellan- und Silbergeschirr war aufgetragen, und ein reichlicher Vorrath von verschiedenen Festkuchen erhob sich auf der Mitte des Tisches. Madame Turner selbst erschien in einem schwarzen seidenen Gewande, trug aber zum Schutze für dasselbe eine blendend weiße Schürze darüber, und Julie, die der Mutter beim Anordnen des Tisches zur Hand ging, war weiß gekleidet, und glich mit dem blaßrothen seidenen Bande, welches sie umgab, den zarten Blüthen, womit der Frühling die Bäume des Gartens geschmückt hatte. Die Gäste stellten sich bald in großer Zahl ein, sie wurden herzlich und freudig bewillkommnet, es wurde Alles aufgeboten, ihnen den Aufenthalt angenehm zu machen, ihre Erwartungen und Wünsche auf das vollkommenste zu befriedigen, und der allgemeine Frohsinn, die unbegrenzte Heiterkeit, unter welchen der Nachmittag hingebracht wurde, zeigten deutlich, wie sehr das Bestreben Turners sein Ziel erreicht hatte. Der Tag neigte sich, die Sonne versank, und der Abendstern begann zu funkeln. Es war ein zauberisch schöner milder Abend, die Bewegung der Luft hatte nicht Macht genug, die fallenden schneeigen Blüthen der Bäume mit sich fortzutragen, nur den Duft derselben nahm sie mit sich und mischte ihn mit dem der Wälder, der Wiesen und der Felder. Von allen Seiten des Berggartens her ertönte der schmelzende melodische Gesang der Nachtigallen, als wetteiferten sie, der Familie Turner und deren Gästen ihre schönsten Lieder darzubringen, als forderten sie dieselben auf, näher zu ihren dunkeln Verstecken heranzutreten. Die ganze Gesellschaft erhob sich, um sich in der erfrischenden Abendluft zu ergehen und den höher gelegenen Theil des Gartens zu besuchen, von wo sie die Aussicht auf das Thal noch freier und ungehinderter genießen konnte. Noch hatten sie die Höhe nicht erreicht, als der Mond glänzend am Himmel aufstieg und sein mildes helles Licht über die Erde breitete. Madame Turner und Julie stahlen sich aber dort von der Gesellschaft hinweg, um ein einfaches Abendbrod für dieselbe zu bereiten, und als nach einer halben Stunde Herr Turner mit den Gästen nach der Laube zurückkehrte, war der Tisch bereits gedeckt. Der Mond stand schon hoch am Himmel, als die Gäste den Heimweg antraten und ihren freundlichen Wirthen einen neuen Beitrag zu dem Glauben hinterließen, daß sie mehr aufrichtige wahre Freunde besäßen, als andere Menschen. Der folgende Tag war für die Arbeiter noch ein Festtag, Herr Turner war aber seiner Gewohnheit nach schon am frühen Morgen davongeritten, um die Felder und Wiesen in Augenschein zu nehmen. Auch Madame Turner hatte sich, wie an Werktagen, vor Aufgang der Sonne in ihrer Wirthschaft eingefunden, um mit Julie beim Melken, beim Buttern und beim Bereiten des Frühstücks zugegen zu sein. Die Knaben waren, weil sie heute die Schule noch nicht zu besuchen brauchten, frühzeitig nach dem Flusse gegangen und hatten eine tüchtige Tracht Fische gefangen, wozu Carl die Angeln angefertigt hatte. Im Triumph trugen sie die reiche Beute in die Küche, damit Madame Turner die kleineren Fische noch zum Frühstück in der Pfanne backen möge, während die größeren für das Mittagsessen aufgehoben werden sollten. Dann nahm Carl seine beiden Halbbrüder mit sich hinaus, um Herrn Turner entgegen zu gehen, da sie genau den Weg kannten, auf welchem derselbe zurückzukehren pflegte. Pluto natürlich mußte sie begleiten, und jubelnd sausten sie durch das bethaute Gras der nahen Wiese, um an deren anderen Seite den Pfad einzuschlagen, der zwischen den Feldern hinführte. Kaum hatten sie denselben aber erreicht, als Herr Turner schon herangetrabt kam und die junge Gesellschaft nach dem Hause zurückführte. Bald darauf trat Julie in ihres Vaters Zimmer, um ihn zum Frühstückstisch zu rufen, bei welchem sich die Familie schnell sammelte; denn Alle waren schon seit mehren Stunden thätig gewesen, und erfreuten sich eines gesunden Appetits. Als nach dem üblichen Tischgebet der Teller mit rohem Schinken und das Brod und die Butter herumgereicht wurden, und Julie den Kaffee und die frische Milch darbot, nahm Herr Turner das Wort, und rühmte den Segen, der weit und breit auf den Fluren ausgebreitet läge. »Alles steht ungewöhnlich gut und im Ueberfluß, und wenn der Himmel uns ferner gnädig ist, so machen wir eine außerordentlich reiche Ernte. Die Kluse ist und bleibt doch eine Goldgrube, und --« In diesem Augenblick trat das Hausmädchen mit einem Briefe in der Hand in das Zimmer, und meldete, daß ein Bote der adeligen Herrschaft, deren Eigenthum die Kluse war, das Schreiben abgegeben habe. »Sage ihm, er solle warten, vielleicht bekommt er Antwort mit,« rief Turner dem Mädchen zu, indem er aufstand und den Brief erbrach. »Er ist schon fort, und sagte, daß er nicht auf Antwort zu warten brauche,« entgegnete die Dienerin und verließ das Zimmer, während Turner mit den Worten: »was mögen die wollen?« nach dem Fenster trat und das Papier entfaltete. Madame Turner war unwillkürlich mit dem Blick ihrem Gatten gefolgt; dieser wurde plötzlich bleich, das Papier bebte in seiner Hand, er las das Schreiben noch einmal durch, und faltete es dann schnell zusammen, um es in der Rocktasche zu verbergen. Da begegneten seine Augen dem ängstlich fragenden Blick seiner Gattin. Er sagte nichts, und Madame Turner fragte nicht; es war aber ein Schweigen, wie wenn ein Gespenst in die Stube getreten wäre und hätte ihnen die Worte auf den Lippen erstarrt. Turner legte seine Serviette neben seinem Teller nieder und verließ das Zimmer. Carl war aufgesprungen und wollte seinem Onkel nacheilen, doch Madame Turner hielt ihn mit den Worten zurück: »geh mit Arnold und Wilhelm in den Garten, bist auch ein guter Carl. Der Vater hat jetzt Geschäfte.« Dann sandte sie Julie mit dem Tischgeräth fort und blieb allein in dem Zimmer zurück. Mit angsterfüllter Brust stand sie einige Augenblicke, unschlüssig, was sie thun solle. Es war etwas Ernstes, etwas Schreckliches geschehen, das hatte ihr der Blick ihres Gatten gesagt -- was aber konnte es sein -- was in der Welt gab es, dessen Verlust einen solchen erschütternden Eindruck auf Turner machen konnte? Sie mußte es wissen -- sie mußte das Unglück mit dem Gatten tragen, wie sie das viele Glück mit ihm getheilt hatte! Schnell glitt sie aus der Stube durch den langen Corridor nach dem Zimmer ihres Gemahls und öffnete leise die Thür. Turner saß in dem Lehnstuhl, seine Arme stützten sich auf seine Kniee, sein Kopf war auf seine Hand gesunken, und der Schreckensbrief lag vor ihm auf dem Fußboden. Er hatte es nicht gehört, als seine Gattin in das Zimmer und zu ihm an den Stuhl trat. Sanft neigte sich diese zu ihm nieder, legte leise ihren Arm um seine Schultern und weckte ihn aus seiner Erstarrung. Einen Augenblick sah er der geliebten Lebensgefährtin in die thränenschweren Augen und sagte dann mit dumpfer Stimme: »ja, ja, Marie, das Glück ist auch bei uns wandelbar geworden; wir müssen in diesem Herbst die Kluse verlassen!« »Großer Gott! und warum denn?« fragte Madame Turner mit bebender Stimme und drückte ihre gefalteten Hände gegen die Brust. »Der zweite Sohn unserer Gutsherrschaft soll die Kluse als Erbtheil erhalten, und will sie selbst bewirthschaften. Er ist verlobt, wird im Herbst heirathen, und dann hierher ziehen. Unsere Pacht läuft um diese Zeit ab, und die Bedingungen in dem Pachtbriefe sind der Art, daß wir nichts gegen diesen harten Beschluß einwenden können.« »Die Leute werden doch unmöglich so an uns handeln, sie können uns nicht so ohne Weiteres davonjagen, ehe wir eine andere Pachtung haben,« sagte Madame Turner, nach Trost haschend. »Sie können es, Marie, und sie wollen es.« »Es wäre ja eine unerhörte Rücksichtslosigkeit, eine Grausamkeit sonder Gleichen. Das Gut ist schon über hundert Jahre in den Händen Deiner Familie gewesen, Du hast mit Freuden die verlangte höhere Pacht bezahlt und Alles in so guten Stand gesetzt, wie es niemals früher gewesen ist -- es wäre unerhört, ja sündlich, so gegen uns zu verfahren!« fuhr Madame Turner fort, und suchte gefaßt zu erscheinen, während die Thränen über ihre Wangen rollten. »Und doch wird es geschehen,« entgegnete Turner; »sie schreiben, daß eine Aenderung in dem Beschlusse unmöglich sei. Wir kommen in eine verzweifelte Lage. Großes Vermögen besitzen wir nicht, wenn wir unser Inventar verkaufen müssen, werden wir bedeutend dabei verlieren, und dann, wo wollen wir so schnell wieder eine Pachtung finden? Eine zweite Kluse giebt es für uns nicht; _der_ Goldbaum hat uns seine letzten Früchte getragen; das Glück will uns verlassen, Marie!« »Gott hat uns ja noch nie verlassen, Max, und er wird es auch jetzt nicht thun! Auf einem andern Gute können wir ebenso glücklich sein, wenn wir uns auch etwas mehr einschränken müssen,« entgegnete Madame Turner, indem sie unbemerkt sich die Thränen von den Augen wischte. »Ein anderes Gut, das ist leicht gesagt; wenn uns aber die Mittel nun nicht ausreichen sollten!« erwiederte Turner vor sich hinblickend. »Turner -- wir haben viele reiche und gute Freunde,« nahm die Frau wieder das Wort, indem sie die Hand ihres Gatten ergriff und ihm, wie mit einem Trost in die Augen sah. »Du hast Recht, Marie,« sagte Turner nach kurzem Schweigen, »ich habe nicht an sie gedacht; sie werden, wenn es nöthig sein sollte, uns gern helfen, da sie wissen, daß sie es mit rechtlichen Leuten zu thun haben. Ich will übrigens gleich nach Tisch zu meiner Gutsherrschaft reiten, und sie zu bereden suchen, daß sie mir die Kluse wenigstens noch auf ein Jahr in Pacht läßt. Dann kann ich mich nach einem anderen Gute umsehen und Vorbereitungen zu unserem Umzuge treffen. Die Leute werden ja billig sein.« Mit diesen Worten ergriff Turner, leichter aufathmend, den Brief und legte ihn auf den Tisch, während seine Gattin ihren Arm in den seinigen schlang und nun mit ihm im Zimmer auf und nieder schritt. »Ich habe seit vergangenem Jahre wiederholt auf Erneuerung meines Pachtcontracts gedrungen, es wurde aber immer hinausgeschoben und ich hielt es wahrlich kaum noch für nöthig, einen Contract mit den Leuten zu machen, weil die Kluse ja die langen Jahre in meiner Familie geblieben ist. Wer hätte so etwas denken können!« sagte Turner im Auf- und Niedergehen. »Die Kluse können uns die Menschen nehmen, unser Glück aber nicht, Max, wir nehmen es mit uns, wohin wir auch ziehen, wenn Gott nur uns Allen unsere Gesundheit erhält. An Arbeit sind wir gewöhnt und thun sie gern. Sprich einmal mit den Leuten, und versuche es, sie zur Billigkeit zu stimmen. Uebrigens ist die Kluse ja nicht das einzige Gut in der Welt, wenn wir auch unser liebes Werrathal lange Zeit vermissen werden,« versetzte Madame Turner, und die Herzen der zum ersten Male in ihrem Leben vom Unglück Bedrängten erleichterten sich nach und nach durch die tröstenden Worte, die sie mit einander wechselten. Madame Turner verließ ihren Gatten in einer viel gefaßteren Stimmung, als der, in welcher sie zu ihm gekommen war. Auch die erschreckten Gemüther der Kinder beruhigten sich, als die Eltern, wenn auch ernster, als sonst, doch weniger bekümmert beim Mittagsessen erschienen, welches heute sehr zeitig eingenommen wurde. Gleich nach Tisch reichte Madame Turner ihrem Gatten den Kaffee, Julie brachte die Wachskerze zum Anzünden der Cigarre, und Carl Scharnhorst führte den Rappen vor das Haus. Herr Turner ließ nicht lange auf sich warten, schwang sich in den Sattel und reichte seiner Frau zum Abschied die Hand mit den Worten: »Gott wird uns helfen!« »Gewiß wird er es thun,« entgegnete Madame Turner mit vollster Zuversicht, und winkte ihrem Gatten noch einen Gruß nach. Der Ritt war vergebens; denn Turner brachte bei seiner Rückkehr die Nachricht mit, daß alle seine Bitten, seine Vorstellungen umsonst gewesen seien, und daß die Gutsherrschaft unabänderlich auf seinen Abzug von der Kluse im kommenden Herbst bestehe. Die Kunde von diesem Beschluß verbreitete sich bald in dem Städtchen, und mit ihr wurden vielerlei Vermuthungen über die eigentliche Ursache der Kündigung Seitens der Gutsherrschaft laut. Namentlich sagte man sich im Vertrauen, daß es mit den Vermögensverhältnissen Turners sehr schlecht stehe. Obgleich aber diese Gerüchte von Mund zu Mund gingen, so waren sie doch nicht bis auf die Kluse gedrungen, und beinahe eine Woche verstrich, ohne daß Turners etwas Anderes aus dem Städtchen erfuhren, als was die Knaben, wenn sie Abends aus der Schule kamen, ihnen erzählten. »Unbegreiflich ist es mir, daß sich noch keiner unserer Freunde hier hat blicken lassen,« sagte Turner eines Abends, als er mit seiner Familie nach dem Abendessen in traulichem Kreise im Garten saß. »Ich will morgen doch einmal in die Stadt reiten und hören, was unsere Bekannten sagen. Sie werden sicher den innigsten Antheil an unserem Geschick nehmen. Vielleicht weiß auch der Eine, oder der Andere von einem Gute, welches pachtlos wird; jedenfalls ist mir der Rath eines Freundes willkommen.« Am folgenden Tage gleich nach dem Mittagsessen bestieg Turner sein Pferd, um nach der Stadt zu reiten, und Madame Turner rief ihm beim Abschied nach: »grüße nur Alle recht herzlich von mir.« Von dem Gasthause aus, wo Turner sein Pferd abgab, leitete er seine Schritte zuerst zu der Wohnung des Kreisraths, und erkundigte sich dort in der Hausflur, ob derselbe zu sprechen sei. »Ja wohl, Herr Turner, der Herr ist in seinem Arbeitszimmer, er wird sich freuen, Sie zu sehen,« entgegnete ihm die Magd mit einem freundlichen Gruß und öffnete eine Thür, indem sie den Herrn Turner anmeldete. Der Kreisrath, den Turner als einen seiner wärmsten Freunde betrachtete, empfing ihn mit großer Höflichkeit, doch nannte er ihn nicht, wie früher, »mein verehrter Freund,« sondern nur Herr Turner. Er führte ihn durch das Zimmer nach einer Thür, indem er sagte: »meine Damen werden sich sehr freuen, Sie zu sehen.« Turner aber hielt ihn mit den Worten zurück: »ich möchte Sie gern einige Augenblicke allein sprechen, denn es ist eine wichtige Angelegenheit, in der ich mir Ihren Rath erbitten wollte.« »Gern, gern, mit Freuden stehe ich zu Ihren Diensten; wahrscheinlich einer Klage wegen. Haben Sie einen schlechten Schuldner, sind Sie schon, oder _sollen_ Sie noch betrogen werden? Auf meine Hülfe können Sie rechnen. Sagen Sie mir gefälligst nur, was ich für Sie thun kann?« erwiederte der Kreisrath, indem er Turner nach dem Sopha führte und neben ihm Platz nahm. »Sie haben oft mein Glück hoch gepriesen, Herr Kreisrath, es will mir untreu werden,« begann Turner nach einer kurzen Pause. »Wie so? Sie erschrecken mich!« sagte der Kreisrath mit erzwungenem Ausdruck der Ueberraschung, um Turner nicht zu verrathen, daß ihm dessen Mißgeschick bereits bekannt sei. »Denken Sie sich, die Pacht ist mir gekündigt, ich muß im Herbst die Kluse verlassen,« fuhr Turner mit beklommener Stimme fort. »Es ist wohl nicht möglich! Was ist denn der Grund?« »Der zweite Sohn meiner Gutsherrschaft hat die Besitzung als Erbtheil erhalten, und will sie selbst bewirthschaften.« »Das ist ja schrecklich -- will man Ihnen denn keine Zeit geben, sich nach einer anderen Pachtung umzusehen? Das geht doch nicht so Hals über Kopf, da hat das Gesetz auch noch ein Wort mitzusprechen; haben Sie Ihren Pachtbrief bei sich?« »Derselbe hätte schon im vorigen Jahre erneuert werden müssen, und ich habe wiederholt darauf gedrungen, man verschob es aber von einem Monat zum andern, und so ist es denn bis auf den heutigen Tag unterblieben. Die Pacht läuft in diesem Herbste ab, und ich habe nach den Bestimmungen in dem alten Contract gesetzlich kein Recht zu einer Beschwerde. Nennen Sie es nicht Nachlässigkeit, wenn ich nicht ernster auf zeitige Erneuerung des Pachtbriefes drang. Das Gut war seit so langen Jahren in den Händen meiner Familie, daß ich den schriftlichen Contract nur als eine Form betrachtete, der zu irgend einer Zeit nachgekommen werden konnte. Wie hätte ich denken können, daß die Verzögerung Seitens meiner Gutsherrschaft eine beabsichtigte gewesen wäre?« sagte Turner mit einem schweren Athemzug. »Ja, ja, verehrter Herr Turner, nehmen Sie es mir nicht übel, aber allermindestens trifft Sie doch der Vorwurf leichtsinnigen Vertrauens in die Rechtlichkeit anderer Leute; solchem blinden Vertrauen darf man sich heutzutage nicht mehr hingeben; wo es sich um Mein und Dein handelt, da halte ich einen Jeden im Voraus für einen Spitzbuben, dann weiß ich, daß ich nicht hintergangen werde,« entgegnete der Kreisrath mit entschiedener Betonung. »Dazu würde ich mich nie überreden können, Herr Kreisrath, und ich für meine Person ziehe es vor, gelegentlich betrogen zu werden, ehe ich den Glauben an Rechtlichkeit unter meinen Nebenmenschen aufgeben und in ihnen nur Spitzbuben sehen sollte. Ich habe gottlob noch die Ueberzeugung, viele ehrliche Freunde zu besitzen, die mich auch, selbst wenn es sich um Mein und Dein handelt, nicht für einen Schurken halten,« sagte Turner mit mehr als ihm gewohnter Heftigkeit. »Ganz recht, da bin ich vollkommen Ihrer Ansicht, aber Freundschaft und Geschäft sind zwei ganz verschiedene Dinge; wo das persönliche Interesse redet, da muß die Freundschaft aufhören. Nun sagen Sie mir, soll ich vielleicht einmal mit Ihrem Gutsherrn reden und ihm ins Gewissen greifen? Ich scheue keine Mühe, wenn ich Etwas für Sie thun kann, und mein Rath steht Ihnen jederzeit zu Dienste.« »Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Bereitwilligkeit, mir zu helfen, muß aber darauf verzichten, da ich diesen Versuch bereits selbst vergebens gemacht habe. Man will von einer Aenderung in dem Beschluß Nichts hören,« versetzte Turner, kalt berührt von den Grundsätzen des Mannes, den er immer für einen warmfühlenden Freund gehalten hatte. Die Unterhaltung wurde wortkarger und gezwungener, und Turner erhob sich bald darauf, um sich zu entfernen. Der Kreisrath nöthigte ihn auch nicht, länger zu verweilen und sagte, indem er ihn bis an die Thür begleitete, mit einer höflichen Verbeugung: »mein Rath steht Ihnen jederzeit zu Gebote, Herr Turner.« Dieser erwiederte die Zusicherung mit einer stummen Verneigung, und eilte zusammengepreßten Herzens in die Straße hinaus. Der Kreisrath war gerade derjenige unter seinen Freunden gewesen, von dem er die wärmste Theilnahme an seinem Schicksal erwartet hatte, und welche Gefühle, welche Grundsätze hatte dieser Mann jetzt gegen ihn ausgesprochen! Unentschlossen, ob er geraden Wegs wieder zu seinem Pferde zurückkehren und nach Hause reiten, oder ob er noch andere seiner Freunde aufsuchen sollte, schritt Turner, in düstere Gedanken versunken, langsam in der Straße hin. Das Gefühl drängte sich ihm unwiderstehlich auf, daß er überall dieselbe herbe Erfahrung machen würde, wie bei dem Kreisrath, wenn auch sein Herz sich dagegen sträubte und an dem Glauben an wirklich wahre Freundschaft festhielt. An der Ecke, wo die Straßen sich theilten, blieb er einen Augenblick zögernd stehen, dann schritt er aber schnell nach dem Gasthause hin, entschlossen, es abzuwarten, welche Theilnahme ihm seine anderen Freunde, ohne von ihm dazu aufgefordert zu sein, zeigen würden; denn die Kunde von seinem Mißgeschick mußte sich bereits in dem Städtchen verbreitet haben. Madame Turner hatte sich gleich nach ihres Gatten Entfernung in ihre Wirthschaft begeben, um in den häuslichen Arbeiten sich zu zerstreuen und ihre Gedanken von dem schweren Schlag abzulenken, der ihr bisher ungetrübtes Glück getroffen hatte. Was sie aber auch unternahm, sie konnte nirgend Ruhe finden, und mit jeder Stunde wuchs ihr Verlangen nach der Rückkehr ihres Gatten. Wieder und immer wieder begab sie sich in das Wohnzimmer, aus dessen Fenstern sie weit auf der Straße, die nach dem Städtchen führte, hinblicken konnte, um zu sehen, ob sie Turner noch nicht erspähen könne. Als aber nun die Sonne versank, da setzte sie sich an dem Fenster nieder und hielt ihre Augen auf den fernsten sichtbaren Punkt der Straße geheftet. Endlich erkannte sie ihren zurückkehrenden Gatten, er kam aber nicht, wie sonst, im schnellen Trabe, das Pferd ging nur im Schritt, und sie meinte, so langsam sei Turner niemals nach Hause geritten. Sie konnte ihn nicht im Zimmer erwarten, sie warf ihr Tuch um und eilte hinaus ihm entgegen. »Du bringst keine frohe Nachricht mit Dir, Turner,« sagte sie, als sie mit ihm auf der Straße zusammen traf und ihm die Hand zum Willkommen reichte. »Nein, Marie, wir haben uns in einem unserer Freunde sehr verrechnet, und zwar in dem Kreisrath. Die Nachricht, daß wir die Kluse verlassen müßten, schien mehr sein Bedenken, als seine Theilnahme zu erwecken, und statt warmer herzlicher tröstender Worte erhielt ich Nichts bezweckende kalte Rathschläge und steife Höflichkeiten. Er war ein Freund im Glück, ist aber kein Freund in der Noth!« entgegnete Turner, indem er abstieg, das Pferd leitete, und Arm in Arm mit der Gattin der Wohnung zuschritt. »Der Kreisrath?« sagte Madame Turner überrascht mit halblauter Stimme, »er war doch immer so herzlich und liebevoll gegen uns!« »Ja, der Kreisrath, er machte mir nur Vorwürfe und rieth mir, wo es sich um Mein und Dein handele, alle Menschen für Spitzbuben zu halten, so wie er es thue, um sich vor Betrug zu schützen.« »Der Himmel bewahre Dich vor solchem Glauben, Turner, lieber mag man uns betrügen. Nein, es giebt noch gute Menschen, und grade im Unglück werden wir sie erkennen. Was sagten denn Apothekers?« »Ich bin nicht bei ihnen gewesen. Es war mir unmöglich, mich einer zweiten solchen Täuschung auszusetzen. Wir wollen abwarten, welchen Trost uns unsere Freunde bringen; suchen werde ich denselben nicht bei ihnen. Ich ging vom Kreisrath wieder in das Gasthaus zurück. Dort fand ich viele Bürger versammelt, die mir immer herzlich zugethan waren, wenn sie mir sonst auch nie näher gestanden haben. Die Leute waren außer sich, sprachen sich heftig gegen die Gutsherrschaft aus, und erklärten schließlich, daß ich unter keiner Bedingung diese Gegend verlassen dürfe. Es müsse Rath geschafft werden, auf irgend eine Weise ein Gut für mich in der Nähe auszumitteln, weil ich immer den Armen und Bedürftigen eine Stütze gewesen sei. Sieh, Marie, das hat mir wohlgethan, und mich tausendfach für den Verlust eines reichen vornehmen Freundes entschädigt.« »Dessen Hülfe wir auch nicht nöthig haben werden, wenn uns der _eine_ treue barmherzige Freund, der uns bis jetzt so väterlich beigestanden hat, seine Gnade auch fernerhin angedeihen läßt,« sagte Madame Turner, indem sie zum Himmel aufblickte. »Ja, Marie, Gott ist immer unser treuster Freund gewesen, und wir wollen fest auf seine fernere liebevolle Hülfe bauen. Was uns im Augenblick als Mißgeschick erscheint, wird sich sicher zu unserm Besten wenden; es sei uns willkommen, wie es sich auch gestalten mag!« Mit diesen Worten legten die beiden Gatten ihre Hände ineinander, als wollten sie sich gegenseitig das Versprechen geben, in diesem Glauben niemals zu wanken. Am nächsten Morgen setzte Turner mehrere Anzeigen für verschiedene Zeitungen auf, worin er bekannt machte, daß er ein Gut zu pachten suche, und schrieb zugleich eine Menge Briefe an auswärtige Freunde, welche er aufforderte, sich für ihn zu bemühen und ihm mitzutheilen, wenn sie von einer offenen Pachtung hören sollten. Er brachte die Schreiben selbst nach der Stadt zur Post, und wurde dabei allenthalben in den Straßen von den Einwohnern angehalten, da ein Jeder aus seinem Munde hören wollte, ob das Gerücht von der Pachtkündigung wahr sei. Es herrschte nur _eine_ Stimme unter den Leuten, die der Entrüstung gegen die Gutsherrschaft und die der wärmsten liebevollsten Theilnahme für Turner. Von seinen Freunden aber bekam er Keinen zu sehen. Mochte es nun Zufall sein, daß Keiner derselben ihn beim Vorübergehn vor deren Wohnung bemerkt hatte; bis jetzt aber war er kaum jemals durch das Städtchen gegangen, ohne daß der eine, oder andere Freund ihn aus dem Fenster angerufen, oder ihn in der Straße, oder im Gasthaus aufgesucht hatte. Vor der Apotheke sogar blieb er eine geraume Zeit stehen, weil mehrere Bürger ihn dort anredeten, um ihm ihr Bedauern über das ihn betroffene Mißgeschick auszusprechen; er erkannte hinter dem Fenster die Frau und die Töchter des Apothekers, sah, wie dieselben sich schnell von den Fenstern entfernten, und erwartete nun von Augenblick zu Augenblick, daß sein Freund, der Apotheker, zu ihm heraus in die Straße kommen würde, -- allein, er hatte sich getäuscht, es ließ sich Niemand aus dem Hause sehen. Auf der Kluse wurde es jetzt sehr still, denn die vielen angesehenen, reichen Freunde, von denen sich Jahr aus, Jahr ein fast täglich eine Anzahl dort eingefunden hatte, blieben aus; Tage und Wochen eilten dahin, ohne daß Einer derselben sich hätte sehen lassen, obgleich das Wetter ungewöhnlich schön und einladend war, und die Gärten im reichsten üppigsten Schmuck ihre ersten Früchte darboten. So schmerzlich sich Turners nun auch durch diese Theilnahmlosigkeit und Vernachlässigung berührt fühlten, so würde doch ihr unbedingter guter Glaube an die Biederkeit ihrer Nebenmenschen nicht dadurch beeinträchtigt worden sein, wären nicht die nachtheiligen Gerüchte zu ihren Ohren gekommen, welche man über sie in dem Städtchen verbreitet hatte. Tief gekränkt und entrüstet darüber, bemühte sich Turner, die Quelle zu entdecken, aus welcher diese Verläumdungen entsprungen waren; doch umsonst, alle seine Nachforschungen dieserhalb blieben vergebens. Zum ersten Male in ihrem Leben fühlten sich Turners von den Menschen zurückgestoßen, und ihr Glaube an dieselben begann zu wanken. Um so enger und um so inniger aber schlossen sie sich in ihrem Familienkreise aneinander, und kamen bald zu der Ueberzeugung, daß ihr wahres Glück niemals durch die Menschen vermehrt worden war, daß es immer nur in ihnen selbst, in ihrer Liebe für einander bestanden hatte. Mit doppeltem Eifer, mit doppelter Thätigkeit widmeten sie sich ihren Geschäften und machten, wo sie konnten, schon jetzt Vorbereitungen für ihren Abzug von der Kluse. Sie wurden nun nicht mehr durch viele Besuche von ihren Arbeiten zurückgehalten, und die Ersparnisse in Folge von deren Ausbleiben stellten sich als nicht unbedeutend heraus. Bald waren die sogenannten Freunde, die Schmarotzer, vergessen, und Turners befreundeten sich täglich mehr mit dem Gedanken, das ihnen unentbehrlich geglaubte schöne Werrathal zu verlassen. Abschnitt 2. Abzug vom Gute. -- Der Brief von Amerika. -- Der Beschluß zur Auswanderung. -- Vorbereitungen. -- Weihnachten. -- Der Neger. -- Die Nordsee. -- Die Seeschweine. -- Die Inseln. -- Der Sonnenuntergang. -- Der Eisberg. -- Amerika. -- Der Adler. -- Todesnachricht. -- Der Verlust. Auf Carl Scharnhorst übten die Veränderungen in Turners Verhältnissen einen auffallenden Einfluß aus; es schien, als fühle er, daß er die Kinderschuhe ausziehen, daß er seinen Lieben bald seine Kräfte leihen und ihnen bald eine thätige Hülfe werden müsse. Er war ernster als sonst, mit unermüdlichem Fleiße besuchte er die Schule, empfing noch bis spät Abends Privatunterricht, und das erste Licht des Morgens fand ihn schon bei seinen Büchern. So segenreich und vielversprechend das Frühjahr auch erschienen war, so verminderten sich doch die Hoffnungen auf eine ergiebige Ernte von Tag zu Tag mehr, da eine anhaltende Dürre sich eingestellt hatte. Die Heuernte war schon vollständig mißrathen, weil das Gras wegen Mangels an Regen durch die Sonnengluth verbrannt wurde, und aus gleichem Grunde darbten die Früchte auf den Feldern; denn der ausgetrocknete Boden konnte ihnen keine Nahrung zum Wachsen und Gedeihen geben. Die Kornernte kam heran, und begann vier Wochen früher als gewöhnlich, sie lieferte nur kleine leichte Körner und kurzes gehaltloses Stroh. Auch das Grünfutter konnte nicht gedeihen, es vertrocknete auf dem Lande, der Weizen lieferte schlechtes Gewicht, und den Hafer lohnte es kaum der Mühe zu mähen. Diese Ergebnisse drückten schwer auf die schon bedrängten Herzen der Turners, denn grade diese Ernte sollte ihnen ja baares Geld in die Hand liefern, und ihnen helfen, anderswo eine neue Heimath zu gründen. Dennoch verließ sie die Hoffnung und der Glaube nicht, daß Alles sich zu ihrem Besten gestalten würde, und unverdrossen boten sie alle ihre Kräfte, alle ihre Thätigkeit auf, die Ernten um so sorgfältiger einzubringen. Turner hatte schon viele Güter in Augenschein genommen, wobei er wiederholt wochenlang von der Kluse abwesend geblieben war, doch keines von allen hatte ihm zugesagt, theils, weil sie werthlos, theils, weil sie zu bedeutend waren, als daß er sie mit eigenen Mitteln hätte übernehmen können. In der Nähe war überhaupt kein Gut zu pachten, welches nur einigermaßen seinen Anforderungen entsprochen hätte, wodurch sich die Nothwendigkeit für ihn herausstellte, sein Inventar, das heißt seine Geräthschaften, Vieh und Pferde und alle seine Vorräthe zu verkaufen, die er weithin nicht mit sich nehmen konnte. Die Zeit, wo Turner die Kluse verlassen sollte, rückte immer näher, wieder und wieder begab er sich auf Reisen, um pachtfreie Güter zu besehen, aber immer kehrte er ohne den gewünschten, ersehnten Erfolg nach Hause zurück. Die letzten vier Wochen waren nun angetreten, welche Turners noch auf der Kluse zubringen konnten, und da sie immer noch kein anderes Gut gepachtet hatten, so blieb ihnen Nichts übrig, als Alles zu verkaufen, nach der Stadt zu ziehen, und sich dann von dort aus in Ruhe nach einer Pachtung umzusehen. Die gegen frühere Jahre nicht bedeutenden Vorräthe waren bereits nach und nach zu ziemlich guten Preisen verwerthet, und um sich nun auch des Inventars zu entledigen, wurde eine Auktion angesetzt und die Anzeige davon in mehreren Zeitungen, so wie in den nicht weit entfernten Städten und Ortschaften durch Anschlagzettel bekannt gemacht. Die Zahl der Kauflustigen, die sich dazu einfanden, war keine große, und der Verkauf stellte sich als ein sehr mittelmäßiger heraus. Namentlich brachte das Vieh sehr niedrige Preise auf, weil fast Niemand nur für den eigenen Viehbestand Futter genug geerntet hatte. Wenige Tage nach der abgehaltenen Auktion standen des Morgens zwei aus der Stadt gemiethete vierspännige Frachtwagen, mit dem Hausgeräth der Familie Turner beladen, auf dem Hofe der Kluse; Madame Turner trat, einen frischen Blumenstrauß in der Hand, mit Thränen in den Augen aus dem Wohngebäude und nahm den Arm ihres Gatten. Schweigend und durch ihre Thränen blickte sie die alte freundliche Wohnung an, die ihr bisheriges großes unermeßliches Glück beherbergt hatte; stumm, aber schluchzend sagte sie ihr das letzte Lebewohl, mit blutendem Herzen riß sie sich von dieser theuren Heimath los, um, wer wußte wo, eine andere zu finden. Auch Turner waren die Augen feucht geworden; das alte Haus war die Wiege seiner Vorfahren, seine eigene und die seiner Kinder gewesen, es hatte seit hundert Jahren das stille anspruchslose Glück der Turnerschen Familie gesehen, und nun sollte ihr Name in seinen Mauern vergessen werden! Er hatte keine Worte für den herzzerreißenden Abschied, für das letzte Lebewohl, er gab den Fuhrleuten einen Wink fortzufahren, drückte den Arm seiner Gattin fest an seine Brust, und schritt mit ihr und mit den Kindern durch das Hofthor nach der Straße hinunter. Langsam und ohne ein Wort zu sagen, folgten sie den knarrenden, wankenden Wagen, und erst, als sie den letzten Punkt auf der Straße, von wo man noch die Kluse sehen konnte, erreicht hatten, blieben sie stehen und blickten zurück. »Die alte Heimath haben wir verlassen, wir sind unterwegs, Marie, wer weiß, wohin dieser Weg uns führen wird!« sagte Turner, indem er seinen Arm um die Schulter der Gattin legte, und seinen Blick auf die Kluse geheftet hielt. »Wohin er uns auch führen mag, unsere Heimath nehmen wir mit uns; denn wo wir vereint sind, da ist unsere Heimath!« antwortete Madame Turner mit einem innigen liebevollen Blick, und streckte ihre Hand nach den Kindern aus, die sich an sie schmiegten und gleichfalls betrübten Herzens von der Kluse Abschied nahmen. In dem Städtchen wurden sie allenthalben freundlichst begrüßt und von vielen Bekannten bis zu dem kleinen Hause geleitet, welches Turner gemiethet hatte. Dasselbe lag an der Außenseite der Stadt auf einer Anhöhe in einem hübschen Garten, und gewährte einen freien, weiten Blick über das Werrathal, so daß Turners in ihrer äußern Umgebung wenigstens ein ähnliches Bild fanden, wie das, welches sie auf der Kluse so viele Jahre hindurch entzückt hatte. Nach wenigen Tagen waren sie in ihrer neuen Wohnung eingerichtet; Madame Turner suchte sich in den ihr ungewohnten müssigen Stunden im Garten zu beschäftigen, obgleich der Herbst ihre Thätigkeit dort sehr beschränkte; und Herr Turner konnte sich jetzt ungehinderter seinen Bemühungen um eine neue Pacht hingeben. Der Erlös aus seinen sämmtlichen Verkäufen belief sich auf ungefähr neuntausend Thaler, welche er in Werthpapieren angelegt hatte, und seine in der Stadt ausgeliehenen Gelder betrugen noch tausend Thaler, so daß er über ein baares Capital von zehntausend Thalern zu verfügen hatte. Er stand nach allen Richtungen hin in Briefwechsel, und bald nach seiner Uebersiedlung in das Städtchen wurden ihm mehrere Güter im Preußischen bezeichnet, welche pachtlos geworden waren. Er schickte sich abermals zur Reise an, um die Güter in Augenschein zu nehmen, kehrte aber nach mehreren Wochen unverrichteter Sache wieder zurück, denn keines derselben hatte seinen Bedürfnissen entsprochen. Die Freude des Wiedersehens überwältigte im Anfange die trübe Stimmung Turners über den abermaligen ungünstigen Erfolg seiner Reise; als aber die Lampe auf dem Theetisch angezündet war und die Familie sich um denselben sammelte, da sprach Turner sich recht ernstlich besorgt darüber aus, daß er möglicherweise noch ein ganzes Jahr ohne Pachtung bleiben und unthätig Geld verzehren müsse, ohne Etwas verdienen zu können. »Gieb mir doch die Zeitungen, vielleicht findet sich Etwas darin,« sagte er nach einer Weile zu seiner Gattin, und setzte noch, als diese aufstand, hinzu: »sind auch Briefe angekommen?« »Ja wohl,« entgegnete diese, »ich wollte sie Dir eben mitbringen. Es ist auch ein Brief von Amerika dabei; ich glaube, er ist von Deinem Vetter Victor.« »Sieh, endlich einmal wieder ein Lebenszeichen von ihm,« sagte Turner, während seine Gattin das Zimmer verließ. Bald kehrte dieselbe zurück und legte ein Packet Zeitungen und mehrere Briefe vor ihren Gatten auf den Tisch. »Wahrhaftig, ein Brief von Victor! Nun, da bin ich doch neugierig, wie es dem geht; es sind wohl schon beinahe drei Jahre, daß er Nichts von sich hören ließ.« Mit diesen Worten zog Turner die Lampe näher zu sich und öffnete das Schreiben. Er las den Inhalt mit augenscheinlich sich steigerndem Interesse, und als er die letzte Seite beendet hatte, legte er den Brief auf den Tisch, schlug mit der Hand darauf, und sagte mit einem freudigen Lächeln zu seiner Gattin: »nun, Marie, was meinst Du wohl, was er schreibt?« »Hoffentlich, daß es ihm und den Seinigen recht gut geht; was er sonst schreibt, möchte mir schwer werden zu errathen.« »Nichts mehr und Nichts weniger, als daß er uns einladet, auch hinüber zu kommen. Es geht ihm sehr gut; er besitzt eine Farm unterhalb Baltimore an der Chesapeake-Bay, baut Mais und Taback, und verdient dort dreimal so viel, als es ihm hier auf dem Gute bei Hannover mit der doppelten Arbeit möglich war. Dabei ist er so wie seine Familie frisch und wohl, hängt von Niemandem ab, wird von Niemandem belästigt, und muß in wenigen Jahren ein reicher Mann sein.« Madame Turner sah ihren Gatten überrascht und mit großen Augen an, als lese sie einen Gedanken auf seinen Zügen, von dem sie im Augenblick nicht wisse, ob sie ihn willkommen heißen solle. Dann aber kam ihre gewohnte Ruhe wieder über sie, und sie sagte: »im Anfange seines Dortseins ist es ihm aber auch schlecht genug ergangen. Ich weiß noch recht gut, daß er sich sehr nach dem alten Deutschland zurücksehnte. Gottlob, daß es ihm nun besser geht!« Turner schwieg, zog eine Cigarre aus der Tasche hervor und hielt sie wiederholt, und wie in Gedanken versunken, über die Lampe. »Wenn man es eigentlich so recht bedenkt,« fuhr er dann nach einer Weile fort, »so ist es ziemlich einerlei, ob man nach Süddeutschland oder nach Amerika zieht; die Reise nimmt kaum mehr Zeit in Anspruch, und zu Wasser ist sie viel bequemer als zu Lande. Daß der Brief gerade in diesem Augenblick kommen muß -- sonderbar!« »Aber in einem fremden Lande, unter fremden Menschen, ohne Freunde!« bemerkte Madame Turner halb erschrocken. »Ohne Freunde, Marie, -- verlangst Du schon wieder nach Freunden?« entgegnete Turner bitter. »Nicht nach solchen schlechten Freunden, Max, wie wir sie auf der Kluse um uns hatten, aber nach uneigennützigen, ehrlichen, biedern, gemüthlichen Freunden, solche meine ich, wie Du ja hier unter den Bürgern hunderte besitzest. Hast Du mir nicht selbst gesagt --« »Ja, ja, Marie, Du hast Recht, wie immer, Du bist ein prächtiges, gutes, gescheutes, mein liebes Weib,« fiel ihr Turner in die Rede und zog sie zu sich heran, um sie zu küssen; »aber beste Frau, man kann doch solche Sachen überlegen, und braucht nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Sieh, Victor schreibt, daß man dort in seiner Nähe gutes Land für zehn bis fünfzehn Thaler den Morgen kaufen kann, und daß weiter im Westen das Regierungsland nur etwa drei hiesige Thaler kostet. Denke einmal darüber nach, ob es nicht für drei so tüchtige Buben, wie wir deren haben, besser ist, wenn der Vater ein gutes Stück Land als Eigenthum besitzt, als daß er den Pächter auf einem fremden Gute spielt, von dem man ihn beim Ablauf der Pacht verjagen kann. Und, sage selbst, läge das Wasser nicht zwischen den beiden Erdtheilen, wer würde sich nur einen Augenblick bedenken, nach Amerika hinüber zu wandern?« »Das alte Sprichwort sagt,« bemerkte Madame Turner: »Bleibe im Lande --« »Und mache es so, wie es die Väter machten, und wenn es auch gar nicht mehr in die Zeit paßt,« unterbrach sie ihr Gatte, »es ist ja nur, daß man darüber spricht, Marie; noch wollen wir ja nicht auswandern. Da, nimm den Brief und lies ihn morgen einmal mit Muße.« Nun öffnete Turner die übrigen Schreiben, die jedoch nichts von Wichtigkeit brachten, und dann begann er die während seiner Abwesenheit angekommenen Zeitungen zu durchsuchen, ob nicht darin eine offene Pachtung angekündigt sei. Madame Turner war nachdenkend geworden und blickte, von den Anderen unbeachtet, bald ihren Gatten, bald ihre Kinder an, denn Alle waren mit Lesen beschäftigt, sie allein nur strickte. Turner verbrachte den ganzen Abend mit Durchsehen der Zeitungen, wobei er sich nicht gern stören ließ, weshalb die Stunden ziemlich schweigsam verliefen. »Sieh, da habe ich die älteste Zeitung bis zuletzt aufgespart,« sagte er, indem er das Blatt entfaltete. »Es wird aber wohl ebenso wenig Interessantes für mich darin sein, als in den andern.« Er überblickte den Inhalt nur flüchtig, und wollte das Papier zu den anderen legen, als eine Anzeige, die auf der letzten Seite stand, seine Aufmerksamkeit fesselte. »Ist es möglich,« sagte er, freudig überrascht, »das Gut Schwaneberg in Sachsen soll verpachtet werden, der Eigenthümer will es nicht mehr selbst bewirthschaften. Ja, wenn ich das bekommen könnte, da würde ich mich nicht einen Augenblick besinnen. Ich kenne es ganz genau, denn ich habe einen Theil meiner Lehrzeit darauf zugebracht; es ist nicht zu groß, und vortrefflich in jeder Beziehung, hätte ich nur schon vor meiner Abreise diese Anzeige gesehen, ich würde die Reise gar nicht gemacht haben. Sogleich will ich aber an den Besitzer schreiben, damit der Brief morgen frühzeitig abgeht; wenn mir nur kein Anderer schon zuvorgekommen ist.« Er stand rasch auf, nahm die Zeitungen und die Briefe und eilte nach seinem Zimmer. Am folgenden Morgen, während Turner nach der Post ging, setzte sich Madame Turner an das Fenster und begann den Brief von Amerika zu lesen. Sie that es halb mit Widerwillen und mit der Ueberzeugung, daß sie, was auch darin stehen möge, niemals für eine Auswanderung in das fremde Land stimmen würde. Während des Lesens aber wurde sie aufmerksamer, sie hielt wiederholt inne und sah nachdenkend über das Papier hinweg, und als sie mit Lesen zu Ende war, begann sie das Schreiben abermals durchzublättern. Der Vetter ihres Mannes hatte die großen Vorzüge Amerika's, namentlich die für Oeconomen, so klar und deutlich geschildert, und den reichen Ertrag der Länderei so anschaulich hervorgehoben, daß Madame Turner, trotz ihres Vorurtheils, Nichts dagegen einzuwenden vermochte. Er hatte aber insbesondere auf die Kinder Turners hingewiesen und ihm auseinandergesetzt, daß er, wenn er auf der Kluse bleibe, denselben niemals eine sichere Zukunft bereiten könne, wenn sie auch sämmtlich auf diesem Gute immer genug zu leben hätten. In Amerika aber würde er mit Leichtigkeit einem jeden der Knaben ein eigenes Gut in seiner Nähe einrichten können, so daß sie für Lebzeiten versorgt sein würden. Dann beschrieb er die unabhängigen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse so schön und angenehm, gab eine so herrliche Schilderung von dem prächtigen Lande und dem reizenden Klima, daß Madame Turner das Bild Amerika's mit jedem Augenblicke in einem schönern Lichte sah. Wieder und immer wieder nahm sie das Schreiben von ihrem Nähtisch auf, um einzelne Abschnitte desselben noch einmal zu überlesen, und sie hatte es abermals offen vor sich auf den Tisch gelegt, als Turner von der Post zurückkehrte und in das Zimmer trat. »Nun, hast Du den Brief gelesen und was hältst Du davon?« fragte er die Gattin. »Der Brief ist ganz vernünftig geschrieben; es muß Deinem Vetter sehr gut gehen und ihm sehr gefallen,« entgegnete Madame Turner mit einem Ausdruck der Zufriedenstellung. »Und Du siehst nun wohl auch ein, daß es nicht geradezu Thorheit ist, wenn man gelegentlich die Sache überlegte?« bemerkte Turner abermals halb fragend. »Max, Dein Urtheil ist freier und richtiger, als das meinige, Deine Ansicht ist mein Glaube, Dein Wunsch ist mein Wille, und Deine Wohnstätte ist mein Himmel. Was Du im Leben auch beschließen, wohin Du auch gehen magst, ich folge Dir, und ginge es an das Ende der Welt. Nur laß uns Nichts übereilt thun und nicht Gutes weggeben, ehe wir sicher sind, Besseres dafür zu bekommen. Für unsere Kinder leben wir, und was wir für ihr Wohl thun können, darf uns kein Opfer sein,« antwortete die Frau mit einem Tone liebevollster Hingebung und reichte ihrem Gatten die Hand. »Du bist ein Engelsweib, Marie, und ich verspreche es Dir, Nichts ohne Deinen Willen, ohne Deines Herzens Zustimmung zu beschließen. Kann ich das Gut Schwaneberg bekommen, so bleiben wir hier im Vaterlande, wo nicht, so wollen wir über Amerika sprechen.« Von diesem Augenblick an war unverkennbar ein frischer Lebensfunke in die Gemüther der beiden Gatten gefallen; die Ungewißheit über ihre Zukunft hatte sie plötzlich verlassen, sie hatten außer der einen noch zweifelhaften Aussicht noch eine zweite in Amerika, und diese erfüllte sie von Stunde zu Stunde mit schöneren Hoffnungen. Der Brief von dem Vetter wurde immer wieder hervorgeholt, er wurde Abends beim Thee laut vorgelesen und besprochen, und die Kinder, namentlich aber Carl, redeten von Nichts mehr als von Amerika. Ja, der Wunsch Turners, eine günstige Antwort über das Gut Schwaneberg zu erhalten, wurde täglich weniger dringend, und als nach mehreren Tagen der erwartete Brief von dem Eigenthümer des Gutes ankam, öffnete ihn Turner sogar mit einem leisen Hoffnungsgefühl, daß er eine abschlägige Antwort enthalten möge. So war es denn auch: der Besitzer des Gutes meldete mit Bedauern, daß er vor nur wenigen Tagen einem Andern die Pacht zugesagt habe. »Da ist die Antwort über Schwaneberg, Marie,« sagte Turner zu seiner Gattin, indem er in ihr Zimmer trat und ihr den Brief hinreichte. »Die Vorsehung zeigt uns augenscheinlich den Weg, den wir wählen sollen; hier in Deutschland schlägt uns Alles fehl. Das Gut ist bereits verpachtet.« Madame Turner nahm ihrem Gatten den Brief halberschrocken ab; denn so angenehm sie auch der Gedanke an das schöne Amerika umgaukelt hatte, so war doch die Vorliebe für das traute, alte Deutschland zu fest in ihrem Herzen eingewurzelt, als daß eine plötzliche Entscheidung, ob in dem Vaterlande zu bleiben, oder ihm auf ewig Lebewohl zu sagen, sie nicht hätte mit Zaghaftigkeit ergreifen müssen. »Also wirklich, es ist schon verpachtet? Das ist mir sehr leid -- Du hattest Dich so darauf gefreut -- und wir würden dort ein sicheres gutes Brod gefunden haben,« sagte sie etwas kleinlaut, indem sie den Brief öffnete und durchblickte. »Du siehst, Marie, wie sich Alles so wunderbar gefügt hat, um uns hier frei zu machen und unsere Blicke nach der neuen herrlichen Welt zu richten. Laß uns ruhig und ohne alle Vorurtheile überlegen, dann aber auch entschlossen und muthig handeln. Es gilt das Glück unserer Kinder.« »In Gottes Namen erkläre ich mich zu Allem bereit, was dieses und Dein eigenes Wohl fördern kann, Max. Laß uns Alles reiflich überlegen und dann entscheide; der Himmel wird uns dort, so wie hier gnädig sein,« entgegnete die Frau entschlossen, indem sie ihres Gatten Hand ergriff und dieser sie an seine Brust drückte. Noch am selbigen Abend ward der Beschluß gefaßt, nach Amerika auszuwandern. Frisches Leben und rege Thätigkeit war jetzt in die Familie Turner gekommen, und alles Denken, alles Streben richtete sich auf das neue Ziel, auf die neu zu gründende Heimath. Schon am folgenden Tage antwortete Turner seinem Vetter Victor in Amerika, und zeigte ihm an, daß er sich entschlossen habe, mit seiner Familie nach dort zu ziehen. Er bat ihn zugleich, nun so schnell als möglich ihm, nach seinen gemachten Erfahrungen, mit Rath an die Hand zu gehen und ihm zu sagen, in welcher Weise er sich zu der Uebersiedelung einrichten solle. Es war ein sehr langes Schreiben, denn Turner hatte darin seinem Vetter über Alles, was ihm zu wissen nöthig schien, Fragen gestellt. Einen wichtigeren, entscheidenderen Brief hatte er nie zur Post getragen; die Zukunft seiner Familie war darin verschlossen. Mit großem Eifer wurde in Turners Hause Alles gelesen, was Auskunft über Amerika gab, und anerkannt gute Schriften über dieses Land, dessen Zustände und Verhältnisse, wurden angeschafft. Das praktische, selbstständige Leben war in allen vorherrschend geschildert, und namentlich wurde es dem Farmer darin zur Aufgabe gemacht, sich möglichst unabhängig von Anderen zu stellen. Er mußte sich in allen Lagen seines Lebens selbst zu rathen und zu helfen wissen, und zu diesem Ende mit den verschiedenen Handwerken für den Nothfall vertraut sein. Turner beschloß daher, sich selbst einige Kenntniß davon zuzueignen, und ebenso Carl Scharnhorst darin unterweisen zu lassen. Er für seine Person entschied sich dafür, eine Zeitlang bei einem Schmied und dann auch bei einem Büchsenmacher in die Lehre zu gehen, und Carl sollte bei einem Stellmacher und einem Schreiner Unterricht nehmen. Turner führte nun auch den Beschluß mit der ihm eigenen Willenskraft sofort aus. Des Morgens, nach zeitigem Frühstück, begab er sich zu dem besten Schmied in der Stadt, arbeitete dort mit Lust und Liebe bis zur Mittagszeit, und wieder nach Tisch bis zur einbrechenden Dämmerung, während Carl in gleicher Weise bis zum Abend bei einem Wagener beschäftigt war, um dann noch einige Privatstunden im Englischen und im Maschinenbau zu nehmen. Nach dem Abendbrod saß dann die Familie heiter um den großen Tisch gereiht, Turner entfaltete vor sich eine Landkarte von Amerika, die Reise nach der neuen Welt wurde beredet, und tausend Pläne entworfen, wie man sich dort einrichten wollte. Die Herbststürme brausten durch das buntgefärbte Laub der Wälder und trieben die gelben und rothen Blätter wie einen Goldregen vor sich hin durch das Werrathal, Nachtfröste überzogen Wiesen und Gärten mit Rauhreif, der in den ersten Strahlen der aufsteigenden Sonne wie ein Schleier von Diamanten blitzte und funkelte, die Höhen der Gebirge färbten sich weiß, und Anfangs December legte der Winter eine dichte Schneedecke über die Erde. Um so traulicher saßen Turners Abends in dem gemüthlich warmen Zimmer beisammen und besprachen ihre hoffnungsreiche Zukunft in einem sonnigeren Lande. Das Weihnachtsfest nahete sich mit großer Kälte, es sollte das letzte sein, welches die Familie Turner in der alten Heimath feierte. Madame Turner hatte in dem größten Zimmer einen prächtigen Tannenbaum aufgestellt und ihn mit Zuckerwerk und Lichtern reich geschmückt, und als am Christabend die Dunkelheit hereinbrach, vertheilte sie die Geschenke für die Kinder auf die verschiedenen, um den Baum stehenden Tische, fügte Aepfel, Nüsse und Kuchen hinzu, und zündete die Lichter an. Dann ließ sie die Schelle ertönen, die Thüre des anstoßenden Zimmers öffnete sich, und jubelnd und mit strahlenden Blicken stürmte die junge Schaar herein. Turner, den Kindern folgend, breitete seine Hände nach der Gattin aus, und empfing sie unter Freudethränen an seinem Herzen. Es war ein feierlicher Augenblick, ein Augenblick zwischen der hochbeglückenden Gegenwart und der dicht verschleierten Zukunft, -- wo und wie sollten sie wohl das nächste Weihnachtsfest feiern? Beide sahen auf die fröhlichen, jauchzenden Kinder, und Beide beantworteten sich gegenseitig schweigend ihre stummen Fragen durch einen Blick nach Oben, mit welchem sie dem Allmächtigen ihre Zukunft, ihr Schicksal zu lenken, vertrauungsvoll anheim stellten. Die Fröhlichkeit der Kinder verscheuchte aber bald den Ernst von den Zügen der Eltern, und Madame Turner führte mit einem freudigen heitern Antlitz ihren Gatten nach einem der Tische, auf welchem sie mehrere kleine Geschenke für ihn niedergelegt hatte. Unter anderen befand sich dort ein schöner schwarzer Filzhut mit sehr breitem Rande, den Turner als ein nothwendiges Kleidungsstück in einem heißen Klima genannt hatte. Er ergriff ihn, um ihn aufzusetzen, und fand darunter einen Brief -- einen Brief von dem Vetter Viktor in Amerika. Derselbe war schon am Tage vorher eingetroffen, Madame Turner aber hatte ihn verheimlicht, um ihren Gatten am heutigen Festabend damit zu überraschen. Die Freude war aber auch eine sehr große und allgemeine, denn selbst bei den Kindern war für den Augenblick alles Interesse für die Geschenke verschwunden, und sie drängten sich zu den Eltern, um die Nachrichten von Amerika zu vernehmen. Turner mußte sich bei dem Tannenbaume niedersetzen und bei dessen Lichtschein den Brief vorlesen. Dies geschah nun, wenn auch nur stückweise, doch hinreichend, um etwas Näheres über die bevorstehende Abreise bestimmen zu können. Das Frühjahr ward dazu festgesetzt. Es war der heiterste und doch der ernsteste Weihnachtsabend, der in dieser Familie jemals gefeiert war. Madame Turner hatte einen vortrefflichen heißen Punsch angefertigt, und auf eine glückliche Zukunft in der noch fernen neuen Heimath erklangen und wurden die Gläser bis auf den letzten Tropfen geleert. Alle am heutigen Abend zwischen Eltern und Kindern vertheilten Geschenke waren für das Leben in Amerika berechnet, und Keiner war so reich bedacht worden, als Carl Scharnhorst. Eine prächtige, sehr werthvolle Doppelbüchse mit allem Zubehör, ein herrliches schweres Jagdmesser, eine Jagdtasche, ein Compaß, waren die Gaben, die ihn besonders beglückten, und unter Freudenthränen und mit Küssen dankte er seinen Pflegeeltern für ihre Güte und ihre Liebe. Alle gaben sich der seelenvollsten Heiterkeit hin, sie lachten, scherzten und stießen mit den Gläsern an, während der Sturm draußen die weißen Schneeflocken gegen die Fensterscheiben trieb, und die Mitternachtsstunde war schon lange dahingeeilt, als die Glücklichen ihr letztes Weihnachtsfest in Europa beschlossen und sich mit den glänzendsten Hoffnungen für ihre Zukunft zur Ruhe begaben. Der folgende Tag wurde nun ganz dem Briefe des Vetters geweiht. Dieser gab darin die ausführlichsten Anweisungen zu den Vorbereitungen für die Reise. Er rieth, dieselbe im Frühjahr zu unternehmen, und sich namentlich mit so wenig Gepäck zu befassen, als es irgend möglich sei, indem man das Nöthige in Amerika neu billiger kaufen könne, als die mitgebrachten Sachen dort zu stehen kämen. Er gab über Alles die genaueste Auskunft, gab hunderte von Rathschlägen und Anweisungen, und schloß endlich den langen Brief mit dem Wunsche, sie sämmtlich gesund und froh dort in dem Sonnenlande bewillkommnen zu können. Wenige Tage später ging eine lange ausführliche Antwort an den Vetter ab. Der Winter verstrich unter Vorbereitungen zur Auswanderung; Turner war von dem Schmied zu einem Büchsenmacher in die Lehre gegangen, und Carl hatte den Wagenmacher gegen einen Schreinermeister vertauscht. Unter den Bürgern des Städtchens erregten diese ernsten Anstalten für einen Abschied auf immer, großes Aufsehen und die wärmste Theilnahme. Mit allgemeinem Bedauern sah man eine so biedere, so hochgeehrte und beliebte Familie sich nach einem fernen Lande wenden, und von allen Seiten suchte man Turners die Verehrung, die sie hier weit und breit genossen, durch Hülfsleistungen und Liebesdienste aller Art an den Tag zu legen. Die vornehmen, reichen früheren Freunde aber schämten sich in tiefster Seele ihrer niedrigen selbstsüchtigen Handlungsweise, und vielfach wurden ihnen Kundgebungen der Verachtung zu Theil; die öffentliche Meinung hatte sie gerichtet. Abermals zog das Frühjahr lächelnd und neu belebend in das freundliche schöne Werrathal ein, Wald und Flur schmückten sich wieder mit jungem Grün, die Gärten prangten wieder in reichster Blüthenpracht, die Schwalben begrüßten schwirrend die heimathlichen Berge und suchten über den Thüren und in den friedlichen Hausfluren ihre Nester auf, und die Nachtigallen sangen ihre süßen klagenden Lieder, wie zum Abschied an die reisefertige Familie Turner. Der Wonnemonat ging zu Ende, als ein geräumiges Schiff unweit des Städtchens vom Ufer stieß, und Alt und Jung der Einwohnerschaft den Passagieren im Boote ein herzinniges Lebewohl zurief. Es war die Familie Turner, die mit feuchten Augen von dem Schiffe her nach dem Ufer zurück schaute, und von den vielen wahren Freunden und von der Heimath Abschied nahm. Lange noch hingen ihre thränenvollen Augen an den geliebten Mitbürgern, an dem Städtchen, an der Kluse, an den trauten Bergen, bis sie die klare Fluth der Werra um eine schroffe nahe Basaltkuppe trug, und sie nun ihre Blicke vorwärts richteten. Sie nahten sich dem Fuße der Wichtelkuppe, da schlossen Turner, so wie seine Gattin, Carl beim Anblick des Baumes, der über der Felswand hing, von der furchtbaren Erinnerung tief ergriffen, an ihre Herzen, und dankten ihm nochmals mit seelenvollster Innigkeit für die Rettung ihres Kindes. Carl hatte von Allen das unternehmendste Aussehen: er trug einen grauen Filz, dessen breiter Rand über seine Schultern hinausragte, einen kurzen grauen Rock, unter welchem das umgeschnallte Jagdmesser hervorsah, und über seiner offenen Brust lag der durch Juliens Hand schön gestickte Riemen seiner Waidtasche. Seine Büchse, mit deren Gebrauch er es bereits zu einer außerordentlichen Fertigkeit gebracht hatte, hielt er im Arm, um im Vorüberfahren hier oder dort einen Meisterschuß nach einem Vogel anzubringen. Von dem für das Wohl ihrer Kinder gefaßten großen Entschluß beseelt, und von dem festesten Willen, denselben mit allen Kräften zu einem glücklichen Ende auszuführen, durchdrungen, saßen Turner und dessen Frau auf dem vorderen Theile des Schiffes und nahmen schweigend von jedem zurückgelassenen Dörfchen, von jedem Berge, ja von dem ganzen lieben Werrathale Abschied -- Abschied auf Nimmerwiedersehen. Niemals war ihnen das Thal so lieblich, so reizend erschienen, als jetzt, wo sie ihre Blicke zum letzten Male daran weideten; niemals war ihnen die Werra so klar smaragdgrün vorgekommen, als jetzt, wo ihre dahineilenden spielenden Wellen sie den Wogen des Weltmeeres zutrugen. Es war Abend, als das Thal sich öffnete, und das malerisch schön gelegene Städtchen Münden im Duft der blauen Ferne sichtbar wurde. Dort war das Ziel dieses ersten Tages der angetretenen langen Reise. Bald glitt das Boot an dem altergrauen Herzogsschloß vorüber der Weser zu, und legte sich, wo die Fluthen der beiden Ströme sich vereinigen, an die Seite eines größern Schiffes, welches die Reisenden am folgenden Tage aufnahm und sie glücklich nach Bremen trug. Hier gönnte man ihnen einige Ruhe, weil das Schiff, welches sie nach Amerika führen sollte und welches unweit der Wesermündung vor Anker lag, seine Ladung noch nicht vollständig eingenommen hatte. Diese Rasttage benutzten sie, um sich noch mit vielerlei kleinen Bedürfnissen zur Reise zu versehen. Turner zahlte sein Geld an ein großes Banquierhaus, von welchem er dagegen Wechsel auf Baltimore, dem Ziel der Reise, erhielt, und wohl versorgt mit allem Nöthigen, begab er sich nebst den Seinigen nach mehreren Tagen an Bord eines Segelfahrzeugs, welches sie auf das Seeschiff bringen sollte. Ihr Fuß hatte jetzt zum letztenmale die heimathliche Erde berührt, und mit tiefer Wehmuth sahen sie Bremen bald hinter sich in der Ferne verschwinden. Der Wind war stark und günstig, eilig glitt das Fahrzeug auf dem sich rasch erweiternden Strome dahin, und als die Sonne sich neigte, schaukelte es sich auf hohen halbsalzigen Wogen bis an die Seite des Schiffes Goliath, welches in großer Entfernung vom Lande vor Anker lag. Der Kapitain dieses mächtigen Schiffes, ein kräftiger wettergebräunter Seemann, Namens Bosse, bewillkommnete die Familie Turner von der hohen Brüstung herab, ließ eine hölzerne Treppe aushängen, und unterstützte mit seinem Steuermann die Passagiere, das Fahrzeug zu besteigen. Carl Scharnhorst war der Letzte, der noch im Boote zurückblieb, weil er erst seinen Liebling, Pluto, sicher an Bord des Goliath wissen wollte. Er hob ihn in seinen Armen an der Treppe in die Höhe, wo der Steuermann den Hund an dem Halsband erfaßte und ihn zu sich hinauf zog, und dann erst folgte Carl nach. Als Turners glücklich auf dem Verdeck angelangt waren, reichte der Kapitain ihnen sämmtlich die Hand und versicherte ihnen, daß er Alles aufbieten werde, um ihnen die Reise so angenehm als möglich zu machen. Er führte sie dann in die prächtig ausgestattete Kajüte, wo sie zum Willkommen ein Glas Wein mit ihm trinken sollten. Sie hatten kaum Platz genommen, als die Kinder und auch Madame Turner plötzlich erschrocken auffuhren, denn ein Mann, so schwarz wie Ebenholz, trug den Wein und die Gläser herein. Es war der erste Neger, den sie in ihrem Leben erblickten, und sein plötzliches Erscheinen hatte sie sehr überrascht. Gleich darauf stimmten sie aber in das Lachen mit ein, in welches der Neger selbst ausbrach, weil er bemerkte, daß seine schwarze Farbe den Fremden einen solchen Schreck eingejagt hatte. Es war ein sehr freundlicher gutmüthiger Mensch, hieß Daniel, oder kurzweg Dan, und hatte die Aufwartung in der Kajüte zu besorgen. Der Kapitain füllte die Gläser, stieß mit seinen Gästen an und trank mit ihnen auf eine recht glückliche schnelle Ueberfahrt nach der neuen Welt. Dann wies er ihnen drei kleine Zimmer an, deren Thüren in die Kajüte führten, und deren jedes zwei Betten übereinander enthielt. Madame Turner mit Julie nahmen von dem einen Besitz, Turner und Wilhelm von dem zweiten, und Carl mit Arnold bezogen das dritte Gemach. Bald aber fanden sie sich sämmtlich wieder auf dem Verdeck ein, um bei dem scheidenden Tageslicht ihre neue schwimmende Wohnung zu überblicken, welche sie durch den Ocean tragen sollte, und welche ihnen für viele Wochen als Aufenthaltsort bestimmt war. Die Weser erschien hier schon so breit, daß man das jenseitige Ufer kaum erkennen konnte, und nach Westen hin ruhte das Auge auf einer endlosen Wasserfläche. Die Sonne hatte dort den Horizont erreicht und ließ, in die Fluth hinabtauchend, ihre Abschiedsstrahlen auf den dahin eilenden Wogen tanzen und blitzen, bis ihr letztes Licht versunken war und nur der Feuerschein des Himmels sich noch glühend auf der bewegten Fluth spiegelte. Die Schauer der einbrechenden Nacht zogen über die unabsehbare Fläche, brausend rollten die Wogen der Nordsee zu, warfen sich ungestüm gegen das an den Ankerketten auf- und niedersteigende Schiff, und in ihrem dumpfen Rauschen verhallte der eintönige Gesang der Matrosen, womit dieselben das Aufwinden der Güter aus dem Segelkahn begleiteten. Auf dem hohen Verdeck über der Kajüte saß Turner neben seiner Gattin und hielt ihre Hand in der seinigen. Der Ernst und die Feierlichkeit der sie umgebenden Natur stand mit der Stimmung ihrer Seelen im Einklang, sie blickten schweigend den unaufhaltsam dahin fliehenden Wogen nach; welchen Stürmen, welchen Klippen jagten dieselben wohl zu! Sie dachten an ihre eigene Zukunft, an ihr und ihrer Kinder Schicksal; welchen Beschwerden, welchen Widerwärtigkeiten zogen sie wohl entgegen! »So wie diese Wellen verlassen auch wir unsere friedliche stille Heimath, Marie, um auf dem großen Lebensmeere heftigern Stürmen, vielleicht auch höherem Glück zu begegnen,« sagte Turner nach langem Schweigen. »Die Wellen treibt keine Sorge für Anderer Glück von der Heimath fort, wir wandern für unsere Lieblinge aus, um ihnen eine segensreichere Zukunft zu schaffen, als wir selbst beanspruchen. Mit unserer Liebe für sie wollen wir tragen, was uns das Schicksal auch auferlegen mag, wir haben es in Gottes Hand gegeben, und er wird es zu unser Aller Besten lenken,« entgegnete die Frau, mit vertrauungsvollem Herzen zu dem besternten Himmel aufblickend, während Turner ihre Hand an seine Lippen preßte. Die Kinder, die auf dem untern Verdeck den Matrosen bei deren Arbeit zugesehen hatten, kamen jetzt, von Carl geführt, zu den Eltern herauf, und schmiegten sich an dieselben an; denn Alles war ihnen so neu und fremd, und die rasch zunehmende Dunkelheit steigerte das unheimliche Gefühl, welches die ernste öde Umgebung ihnen aufdrängte. »Morgen früh, mit Gottes Hülfe, werden wir in See gehen,« sagte Turner zu den Kindern, »die Reise durch den Ocean ist mit vielen Gefahren verbunden, und man muß alle Vorsicht gebrauchen, sich denselben nicht unnöthig auszusetzen. Haltet Euch immer in unserer Nähe auf, und wenn wir nicht auf dem Verdeck sein sollten, so folgt dem, was Carl Euch räth.« In diesem Augenblicke trat der Kapitain herzu, und bat, ihn zum Abendessen in die Kajüte zu begleiten. »Ich denke, diese erste Mahlzeit am Bord des Goliath soll Ihnen sämmtlich nach Ihrer heutigen Fahrt recht gut munden; morgen, wenn das Schiff im Segeln ist, möchte sich leicht Appetitlosigkeit einstellen.« Mit diesen Worten ließ der Kapitain seine Passagiere nach der Kajüte voranschreiten, und als er mit Carl den Zug beschloß und sah, wie Pluto demselben auf dem Fuße folgte, bemerkte er noch, zu dem Knaben gewandt: »Deinem Hunde, mein Sohn, müssen wir morgen auch einen Platz bestimmen, wo wir ihn an die Kette legen können, damit ihn bei den Arbeiten der Matrosen kein Unfall trifft. Es ist wirklich ein schöner Hund.« »Ja und ein so braver treuer Hund, wie es wenige giebt,« entgegnete Carl stolz, und klopfte den lockigen Nacken des Thieres. Die Passagiere ruhten am folgenden Morgen noch im tiefsten Schlafe, als sie plötzlich durch das Rasseln der schweren Ankerkette geweckt wurden und sich auf ihrem Lager hin- und hergeschaukelt fühlten. Rasch waren sie in den Kleidern und eilten auf das Verdeck, um von dem Festlande Abschied zu nehmen; denn das Schiff war bereits in vollem Segeln und stürmte bei heftigem Südwind der Nordsee zu. Höher und mächtiger hoben sich die Wogen, sie wurden durchsichtiger und grüner, ihre Häupter bedeckten sich mit weißem Schaum, und, sich übereinander hinstürzend, warfen sie ihren Gischt weit um sich her. Das Land war nur noch wie ein Nebelstreif zu erkennen; doch die Blicke der Auswanderer hingen fest an diesem letzten Zeichen der theuren Erde, und lange schon bildete nur das Wasser noch den fernsten Gesichtskreis, als die Scheidenden immer noch Land zu sehen glaubten, und ihm ihr Lebewohl zuwinkten. Der Goliath hatte die Nordsee erreicht, als der Wind sich drehte, und immer mehr und heftiger von Westen herblies. Der Kapitain, in der Hoffnung, daß derselbe ganz nördlich werden würde, steuerte dem Canal zu, und die Bewegung des Schiffes, welches nun gegen Wind und Wogen ankämpfen mußte, wurde mit jedem Augenblick unangenehmer. Die Folge hiervon war, daß sich bei den Passagieren die Seekrankheit einstellte, daß sie auf alles Frühstück verzichteten und sich in ihre Betten zurückzogen. Auch die Anzeige Daniels, daß das Mittagsessen aufgetragen sei, vermochte sie nicht, ihr Lager zu verlassen; denn schon der Gedanke an Speisen war ihnen zuwider. Nachmittags aber fühlten sie sich plötzlich weniger unwohl, sie meinten, das Schiff mache nicht mehr solche gewaltige stoßende Bewegungen, und nach und nach kamen sie aus ihren Zellen hervor. Der Wind stand so fest und gerade von dem Ocean in den Canal herein, daß der Goliath nur mit großer Schwierigkeit und vielem Zeitverlust hätte gegen denselben ansegeln können, weshalb Kapitain Bosse sich entschlossen hatte, in der Nordsee hinauf und nördlich um England seinen Weg nach dem Weltmeer zu nehmen. Dadurch, daß der Wind nun mehr seitwärts in die Segel des Goliath blies, wurden dessen Bewegungen regelmäßiger und weniger heftig, und in gleichem Maße nahm das Unwohlsein der Passagiere ab. Herr und Madame Turner erholten sich weniger schnell und waren genöthigt, sich auf dem Verdeck auf wollenen Decken niederzulegen, die Daniel dort für sie ausbreitete; aber die Kinder hatten bald die Seekrankheit vergessen und ergötzten sich an dem neuen prächtig großen Schauspiel, welches sie umgab. Mit aufgeblähten Segeln bis in die Spitzen seiner Masten überwölkt, stieg das Schiff an den durchsichtigen smaragdgrünen Wasserbergen hinan, theilte deren schäumende Höhen und schoß dann wieder in die Tiefe hinab, um sich abermals auf die nächste Woge zu heben. Die Sonne strahlte aus dem eilenden Gewölk hervor und warf hier und dort helle Lichtstreifen auf das wogende Meer, und der Sprühregen, der sich vor dem scharfen Kiel des Goliath aufthürmte und seitwärts an ihm vorüberstäubte, blitzte in ihrem Schein in allen Farben des Regenbogens. In der Mitte des obern Verdecks war das große Boot, mit dem Kiel nach oben gekehrt, auf mehreren Stützen befestigt, so daß man unter demselben Schutz gegen Regen und Sonnenschein finden konnte. Diesen Platz hatte Carl für sich und seine Gefährten zum Sammelplatz erkoren, sobald Matrosen sich auf dem Verdeck zeigten, um Arbeiten zu verrichten. Jetzt aber, wo das Schiff ruhig und ohne weitere Hülfe beim Winde segelte, waren Carl und Arnold, so wie Wilhelm oben auf das Boot gestiegen, weil sie von hieraus über die Brüstung des Schiffes hinaus das Meer frei überblicken konnten. Der Neger Daniel fand großes Gefallen an den wackeren Knaben und gesellte sich, sobald er einige Augenblicke Zeit hatte, zu denselben, um sich mit ihnen zu unterhalten; denn er hatte schon beinahe zwei Jahre auf diesem Schiffe gedient und recht gut Deutsch reden gelernt. Die Knaben faßten bald Zutrauen zu dem ehrlichen Schwarzen, und er mußte ihnen über Alles, was sie nicht kannten, Auskunft geben. Die weißen und bunten, großen und kleinen Möven, die auf ihren langen sichelförmigen Schwingen segelnd über das Meer hinschwebten und von Zeit zu Zeit in den Schaum einer Wellenspitze hineinstießen, nahmen insbesondere die Aufmerksamkeit der Kinder in Anspruch, und Dan, ihr schwarzer Freund, erzählte ihnen dabei von den felsigen Inseln, nördlich von Schottland, auf welchen diese Vögel in unzähligen Schaaren brüteten. »Fische, Fische, große Fische!« riefen plötzlich die Knaben einstimmig, und zeigten über die See hinaus. »Das sind Pourpoises, Braunfische, oder Seeschweine, sie kommen gerade hierher, und werden bald den Goliath umschwärmen, besonders gern spielen sie in dem Schaume vor dem Schiffe,« antwortete der Neger, gleichfalls nach den großen Fischen schauend, deren mehrere hundert von weit her angebraust kamen, indem sie aus der See emporschossen, einen Bogen durch die Luft beschrieben, und, mit dem Kopfe voran, wieder in die Fluth hinabtauchten. In diesem spielenden Laufe jagten sie, den Schaum um sich aufspritzend, pfeilschnell über die Wogen heran, und sie hatten das Schiff bis auf einige hundert Schritte erreicht, als Carl nach der Kajüte springen wollte, um seine Büchse zu holen. Daniel aber hielt ihn zurück und bedeutete ihn, daß die Büchse nicht die rechte Waffe sei, um diese Fische zu jagen. »Mit der Harpune kann man einen fangen,« sagte er aufspringend, »soll ich sie herbeiholen?« »Ach ja, Dan, geschwind, da sind die Fische schon dicht beim Schiff -- hu -- wie sie brausen!« riefen die Jungen, und Daniel rannte eiligst hinab in die Kajüte, um deren Wunsch zu erfüllen. Wenige Augenblicke nachher erschien er wieder auf dem untern Verdeck mit dem zwei Fuß langen Eisen, dessen scharfe Spitze mit Widerhaken versehen war, stieß einen langen schweren Stock in das hohle andere Ende desselben, befestigte eine starke Leine daran, und winkte nun den Knaben, zu ihm herabzukommen. Diese folgten jauchzend dem Neger bis an die vordere Spitze des Schiffes, wo derselbe das Seil der Harpune an der Brüstung befestigte, über welche die Kinder in die See hinabschauten und den hin- und herschießenden Fischen mit den Blicken folgten. Daniel hatte sich auf die Brüstung an das starke Tauwerk gestellt, welches von da nach den Masten hinaufführt, und hielt, in das Meer hinabspähend, die Harpune zum Wurf bereit in die Höhe. Die Fische schienen es besonders zu lieben, seitwärts an dem Schiffe vorüberzujagen und sich dann in den Schaumberg hinein zu stürzen, der sich vor demselben aufthürmte. Wiederholt zuckte Daniel mit der Lanze, als wolle er sie hinabschleudern, hielt sie aber immer noch zurück, um seines Wurfes gewiß zu sein; plötzlich aber fuhr sie sausend hinunter, und ihre Spitze begrub sich tief in dem Rücken eines der Fische. »Getroffen, getroffen!« rief Carl jubelnd, doch der Fisch war in die Tiefe hinunter geschossen und zog das lange Seil schwirrend nach sich. In wenigen Augenblicken hatte dasselbe jedoch das Ende erreicht, und man konnte sehen, daß das gespießte Thier mit gewaltiger Kraft an demselben riß und zuckte. Daniel rief nun einige Matrosen zu Hülfe, um die Beute auf das Verdeck zu ziehen. Mit großer Anstrengung wurde das Seil eingezogen, bald erschien der Fisch, dagegen kämpfend und um sich schlagend, über den Wogen, und nun hoben ihn die Matrosen über die Brüstung und ließen ihn auf das Verdeck fallen. Es war ein ungeheures, nicht mit Schuppen, sondern mit einer braunen glatten Haut bedecktes Thier, im Gewicht von mehr als zweihundert Pfund. Bald hatte es sich verblutet und wurde von den Matrosen seiner Leber beraubt, dem einzigen genießbaren Theile seines Körpers. Es ward in Stücken gehauen und seines Thranes wegen ausgebraten. Durch diese Jagd hatte Daniel seinen jungen Freunden eine große Freude bereitet und sich in ihrer Gunst nur noch fester gesetzt. Herr und Madame Turner fühlten sich wieder so viel wohler, daß sie an dem Abendbrod Theil nahmen, wenn sie sich dabei auch mit einem Stück Zwieback und einer Tasse Thee begnügten. Dann eilten sie aber auf das Verdeck zurück, weil ihnen die frische Seeluft besonders wohl that, und der aufmerksame Daniel richtete ihnen dort abermals aus wollenen Decken ein Lager her. Julie hatte ihre Mutter während des ganzen Tages nicht verlassen, bereitete Limonade für sie, reichte ihr zuweilen ein Stück einer Orange, deren sie von Bremen einen Vorrath mitgenommen hatte, und war jeden Augenblick ihres Winkes gewärtig, um ihr einen Wunsch zu erfüllen. Der Kapitain kam wiederholt zu den Passagieren herangetreten, um sich nach ihrem Befinden zu befragen, und als der Tag sich neigte, setzte er sich in traulicher Unterhaltung bei ihnen auf dem Verdeck nieder. »Die Knaben scheinen mit Daniel Freundschaft geschlossen zu haben,« sagte Turner zu dem Kapitain, »durch den Fang des Fisches hat er sich ihre Herzen gewonnen. Jetzt sitzen sie alle drei wieder um ihn, und lassen sich von ihm erzählen.« »Der Neger ist ein ungewöhnlich guter Bursche, ein ausgezeichneter Diener und ein Mensch, der sehr viel im Leben durchgemacht hat,« antwortete der Kapitain. »Seine Eltern waren Sklaven unter einem Indianerstamm im fernen Westen Amerika's, dort wurde er geboren und dort verlebte er seine Jugendzeit. Nachdem ihm aber Vater und Mutter durch den Tod entrissen waren, entfloh er den Wilden, gelangte nach langer Verfolgung durch dieselben glücklich in die Grenzansiedelungen der Weißen und kam endlich als freier Schwarzer nach New-York, wo er sich mehrere Jahre durch Arbeiten ein rechtliches Brod erwarb. Ich lernte ihn kennen, als ich vor einigen Jahren mein Schiff in jener Stadt ausbesserte, wobei er sich mir als Arbeiter vermiethete. Ich gewann ihn lieb und machte ihm den Antrag, mit mir auf See zu gehen, um die Aufwartung in meiner Kajüte zu übernehmen. Er willigte ein, und so ist er bei mir geblieben, und bis auf den heutigen Tag haben wir noch nie ein böses Wort mit einander gewechselt. Er ist ein zuverlässiger, ehrlicher und treuer Mensch.« »_Den_ Eindruck hat er mir vom ersten Augenblick an gemacht, und es ist mir lieb, daß er sich der Jungen annimmt, da er über sie wachen wird,« entgegnete Turner, nach dem Neger hinschauend, der zwischen den drei Knaben oben auf dem Boote saß, und sie eifrig unterhielt. Er erzählte ihnen aus seinem Leben unter den Wilden, von den Jagden nach Büffeln, Bären und wilden Pferden, von den blutigen Kämpfen unter den verschiedenen Indianerstämmen und von den herrlichen, noch von weißen Menschen unbewohnten unermeßlichen Ländern, in denen die Wilden ihr unstätes heimathloses Leben führen. Die Knaben horchten mit großer Spannung den Mittheilungen des Schwarzen und unterbrachen ihn nur selten durch einzelne Fragen. Besonders aber war Carl ganz Ohr und sah sich schon im Geiste auf einem flüchtigen Hengste dem fliehenden Büffel folgen, oder im wilden Kampfe einen grimmigen Bären erlegen. Die Dunkelheit hatte sich über das Meer gebreitet und die Nachtluft wurde empfindlich kühl, als Herr Turner die Knaben in ihrer Andacht störte, mit der sie den Erzählungen des Negers lauschten, indem er sie daran mahnte, daß es Zeit sei, sich zur Ruhe zu begeben. »Onkel, hättest Du doch gehört, was uns Daniel erzählt hat!« sagte Carl, als sie in der Kajüte angelangt waren. »Er hat uns die Jagden beschrieben; die Büffel werden zu Pferde gejagt, man sprengt an ihre Seite und schießt sie vom Pferde herab mit Pistolen. Das muß ein Spaß sein!« »Aber ein sehr gefährlicher Spaß, mein lieber Carl, bei dem man ganz leicht Hals und Beine brechen, oder unter den Füßen des Büffels zertreten werden kann,« antwortete Turner lächelnd. »Wo wir uns niederlassen werden, da giebt es keine Büffel mehr.« »Das ist schade, ich hätte doch einmal gern eine solche Jagd mitgemacht,« bemerkte Carl mit einem Ausdruck vereitelter Hoffnung. »Nun, wer weiß, ob Du nicht einmal eine Reise nach dem Westen machen wirst, das ist ja so weit nicht!« sagte Turner tröstend, und setzte noch hinzu: »wenn wir erst unsere Farm in Ordnung und ein paar gute Ernten gemacht haben, dann kann man einmal einige Wintermonate daran wenden, um die Länder im Westen zu sehen; es soll dort herrlicher Boden sein.« »Der beste Boden in ganz Amerika, sagt Daniel,« antwortete Carl rasch und begeistert. »Und Büffel und Bären und wilde Pferde zu Tausenden, nicht wahr?« fiel Turner lachend ein. »Nun, legt Euch in Gottes Namen zur Ruhe, und träumt meinetwegen, daß Ihr auf einem Büffel spazieren reitet.« Die Nacht verstrich ohne alle Störung, die Schläfer ließen sich durch die wiegende Bewegung des Schiffes in liebliche Träume schaukeln, und am frühen Morgen fanden sie sich wieder heiter und guter Dinge auf dem Verdeck ein. Die Sonne tauchte prächtig und klar aus dem Meere empor, der Himmel wölbte sich wolkenlos und durchsichtig über der wogenden Fluth, und der frische Wind füllte die Segel des Goliath mit aller Macht und trieb ihn eilig auf seiner einsamen Bahn dahin. Madame Turner hatte für sich und für Julie Näharbeiten mit auf das Verdeck genommen, um die Zeit nicht müssig zu verbringen, und Turner setzte sich mit einem Buche, welches über Amerika handelte, zu ihnen. Carl aber mit Arnold und Wilhelm hatte das Boot wieder bestiegen, um die See zu überspähen und zu wachen, ob sich nicht wieder die Gelegenheit zu einer Jagd darbieten würde. Daniel fand sich, so oft es seine Zeit erlaubte, bei den Knaben ein und wurde von ihnen dann mit tausend Fragen bestürmt; mit weiteren Erzählungen über sein Leben in der Wildniß aber vertröstete er sie auf den Abend, wo ihn seine Geschäfte nicht dabei unterbrechen würden. Eine auffallende Ruhe und Stille herrschte auf dem Schiffe. Die Matrosen saßen auf dem untern Verdeck mit der Ausbesserung von Segeln beschäftigt, oder hingen hier und dort hoch in der Luft in dem Tauwerk der Masten, um kleine Schäden auszubessern, und der Kapitain ging ab und zu, indem er seine Anweisungen bei den Arbeiten gab. Nur von Zeit zu Zeit rief er die Matrosen herbei, um das eine oder andere Segel etwas straffer anzuziehen; denn außerdem gebrauchte das Schiff keine besondere Hülfe: es segelte unverändert während des ganzen Tages in derselben Richtung und dasselbe Bild, dieselben Erscheinungen umgaben fortwährend das Fahrzeug. Turners schauten zwar oftmals über die See hinaus und folgten mit den Blicken dem Laufe der rollenden Wogen; diese boten aber in ihrer regelmäßigen Bewegung dem Auge durchaus keine Veränderung, und Turner bemerkte dem Kapitain, als derselbe einmal zu ihnen getreten war, daß auf die Dauer eine Seereise doch sehr einförmig, ja langweilig werden müsse. »Wir wollen hoffen, daß die unserige in dieser Beziehung recht langweilig bleiben möge; denn die Abwechselungen, die sie uns bieten könnte, sind nicht zu unserm Vortheil. Bei Windstille und glatter ruhiger See würden wir nicht aus der Stelle kommen, und ein Sturm, so schön und interessant die Landbewohner ihn sich auch denken mögen, ist und bleibt ein gefährliches Vergnügen. Wind und Wetter, wie wir es heute haben, ist des Seemanns höchste Lust; dieser Wind würde uns in einigen zwanzig Tagen nach Baltimore bringen.« »Ich verzichte auch gern auf jede Abwechselung,« bemerkte Madame Turner, »der Himmel mag uns vor Stürmen bewahren!« »Wir sind jetzt in der günstigen Jahrszeit, wo man sie am wenigsten zu befürchten hat; hoffentlich werden Sie ihre Bekanntschaft gar nicht machen,« erwiederte der Kapitain. Der Tag verlief ruhig und heiter und der Abend wurde von Carl und seinen Gefährten freudig bewillkommnet, denn gleich nach dem Abendessen setzte sich Daniel wieder zu ihnen und erzählte von seinem Leben in der Wildniß. Am folgenden Morgen fühlten die Passagiere schon in ihren Betten an den heftigen Bewegungen des Schiffes, daß mit der See eine Veränderung vorgegangen sein müsse. Der erste Blick auf das Verdeck machte ihre Vermuthung auch wahr: ein sehr heftiger Wind jagte schwere graue Wolken fliegend über die Wogen, welche sich immer höher und gewaltiger erhoben und sich ungestüm gegen die Seiten des Goliath warfen. Die Matrosen waren eifrig beschäftigt, die oberen Segel ganz einzuziehen und die unteren zu verkleinern, alle Arbeiten auf dem Verdeck waren eingestellt, alle Taue, die nach den Segeln hinaufführten, lagen für schnellen Gebrauch zusammengeringelt an der Brüstung hin, und allenthalben auf dem Schiffe war die größte Ordnung hergestellt. Auf die Frage der Madame Turner an den Kapitain, ob er Besorgniß über das Wetter hege, erwiederte er, daß dasselbe weniger günstig zu werden scheine, und daß er alle Vorkehrungen treffen müsse, ihm zu begegnen. Der Wind nahm von Stunde zu Stunde an Heftigkeit zu, bis er gegen Abend aus Südwesten in einem Sturm heranzog. Das Düster der einbrechenden Nacht vermehrte das Schauerliche des Bildes, welches die Umgebung des Goliath jetzt darbot. In rollenden Wasserbergen thürmte sich die See um ihn auf, donnernd brachen sich die Wogen unter seinem Kiel und warfen, hoch vor ihm aufsteigend, ihren weißen Gischt über das Verdeck hin. Dabei pfiff und stöhnte der Wind in dem rasselnden Tauwerk und drohte die wenigen kleinen Segel, die das Schiff noch trug, zu zerreißen. Der Sprühregen der Wogen, der ununterbrochen über das Verdeck peitschte, hatte die Passagiere von dort verjagt und sie in die Kajüte getrieben. Hier saßen sie bei dem matten Scheine der Ampel, die sich unter der Decke hin und her schwang, mit bangen Herzen beisammen, und lauschten dem Brausen und Toben des Sturmes und der Wogen, so wie dem Aechzen und Stöhnen des Schiffes und seiner Masten. Es ging schon auf Mitternacht, als der Kapitain durchnäßt hereintrat, um seinen Rock zu wechseln, und seine Passagiere noch auf fand. Er versicherte ihnen nun, daß noch durchaus keine Gefahr vorhanden sei, bot Alles auf, sie zu beruhigen, und bat sie dringend, sich zu Bett zu begeben; er würde statt ihrer wachen. Turners gaben seinen Vorstellungen nach, verbrachten jedoch eine sehr unruhige Nacht und hießen mit ganzem Herzen das neue Tageslicht willkommen. Kurz vor der Frühstückszeit rief sie der Kapitain auf das Verdeck, um ihnen die Orkney-Inseln zu zeigen, in deren Nähe sich der Goliath jetzt befinde. Turner mußte seine Gattin beim Gehen halten und unterstützen, um das obere Verdeck zu ersteigen; denn das Schiff lag sehr auf der Seite und schwankte gewaltig auf und nieder. Die Wolken hingen in ihrem schnellen Zuge so tief auf das Meer herab, daß man nur von Zeit zu Zeit, wenn sie der Sturm auseinander fegte, einen weiteren Blick von dem Schiffe aus hatte, und eine geraume Zeit waren die Passagiere mit den Augen der Richtung gefolgt, in welcher der Kapitain die Inseln andeutete, ehe sie dieselben erkennen konnten. In schwarzen steilen Felsmassen, um welche sich das graue Gewölk rollte, stiegen sie aus der wild tobenden Fluth auf, und die Außenlinien ihrer schroffen zackigen Wände wurden dem Auge bei Annäherung des Fahrzeuges immer deutlicher und schärfer. Bald hatte der Goliath die östlichste Inselgruppe bis auf geringe Entfernung erreicht und stürmte, von Wind und Wogen gejagt, an ihr vorüber. Die See bäumte sich an den nackten schwarzen Felsen und warf ihren weißen Schaum hoch an ihnen empor, während Milliarden von Möven, Enten, Gänsen und Tauchern ihre Höhen wie weiße Wolken krächzend umschwärmten und sich in großer Zahl auf ihren Spitzen niedergelassen hatten. Weithin erkannte man von Zeit zu Zeit noch mehrere andere dieser kahlen felsigen Inseln, die Jahr aus Jahr ein von der See gepeitscht, dem Zorn der Elemente Trotz bieten und auf denen, abgeschieden von der übrigen Welt, glückliche Menschen wohnen, die diese ihre Heimath lieben und sie gegen keine andere vertauschen möchten. Eilig zog der Goliath an den Inseln vorbei und bald verschwanden dieselben in der schweren grauen Luft, die der Sturm über das Meer hintrieb. Der Wind war ganz westlich geworden und nöthigte das Fahrzeug, seine nördliche Richtung beizubehalten. Nur wenige kleine Segel waren noch entfaltet, genug, um das Schiff steuern zu können, und doch schoß es mit fliegender Eile Woge auf, Woge ab dahin, während seine nackten Masten sich weit über die See hinaus neigten. Noch am selbigen Abend zog es an den Shetland-Inseln vorüber, die ein ähnliches Bild boten, wie die Orkneys, und am folgenden Tage kamen die Faroer-Inseln in Sicht. Der Sturm hatte immer noch nicht an Heftigkeit abgenommen, und immer noch mußte der Kapitain sein Schiff nach Norden steuern lassen, um dasselbe möglichst vor Schaden durch den Wind und durch die furchtbar rollende See zu behüten. Auch die Faroer-Inseln blieben zurück, und der Goliath segelte nun in gerader Richtung auf Island zu. Jetzt aber schien der Sturm nachzulassen, er brauste nur noch stoßweise auf, die blauer gefärbten Wogen des Weltmeers dehnten sich länger, nahmen an Höhe ab, und nach und nach gewann die See wieder ein freundlicheres Ansehen. Die Temperatur aber hatte eine bedeutende Veränderung erlitten, es war empfindlich kalt geworden, so daß die Passagiere Tücher und Mäntel umhängen mußten, und eines Morgens, als sie auf das Verdeck kamen, war alles Tau- und Segelwerk bis in die Masten hinauf mit einer Eiskruste überzogen. Am Himmel war kein Wölkchen mehr zu sehen, und als die Sonne ihre Strahlen über das Meer ausbreitete, verschwand das Eis und die Kälte, und ein lauer Wind von Süden erinnerte die Reisenden wieder daran, daß sie sich im Monat Juni befanden. Das Meer hatte sich geglättet, es wogte nur noch wie in langen Athemzügen auf und nieder, und nur hier und dort lief eine weiße Schaumwelle spielend über die glatte glänzende Fluth. Dabei füllte der leichte Wind die Segel des Goliath bis in die höchsten Spitzen seiner Masten, und trieb ihn fast regungslos auf der endlosen Wasserfläche hin. Es war Sonntag und für die Schiffsmannschaft sowohl, wie für die Passagiere, nach einer so unfreundlichen gefahrvollen Zeit ein wahrer Festtag. Nach einem heißen Dankgebet, welches Turners dem Allmächtigen für seinen Schutz gebracht hatten, eilten sie sämmtlich auf das Verdeck, um sich des wunderbar schönen neu belebenden Morgens zu erfreuen. Der Himmel und die See lächelten ihnen entgegen, die weit umherkreisenden schreienden Möven schienen ihnen Grüße zuzurufen, und die lustigen Pourpoises spielten und jagten sich über die spiegelnde Fläche. Mit Bedauern sahen die Bewohner des Goliath den Tag seinem Ende nahen, und Turners hatten sich auf dem obern Verdeck zusammen niedergelassen, um der Sonne bei ihrem Scheiden noch ein dankbares Lebewohl zuzuwinken. Je mehr dieselbe sich ihrem Fluthbette näherte, desto lebendiger färbte sich der Himmel im Westen mit Gold und Purpur, und als sie, eine durchsichtig glühende Scheibe, über den Rand des Meeres stand und ihr blitzender funkelnder Schein, wie ein Weg von Brillanten, bis zum Schiffe über die leicht gekräuselte Fluth tanzte, hatte sich der Himmel über ihr in ein Feuermeer verwandelt. An der andern Seite des Oceans aber, im Osten, stieg in diesem Augenblick der Mond silberhell über der dunkeln Meeresfläche auf, hauchte sein bleiches Perlenlicht über sich am Himmel empor, und sandte seinen hell glänzenden Schein, wie ein zitterndes Atlasband, über die Wellen bis zu dem Goliath hin. Zugleich wurden die erstaunten bewundernden Blicke der Passagiere nach Norden hingezogen; denn dort erschien ein drittes Licht am Firmament, welches sich in zarten rosenrothen Strahlen aus dem Meere erhob, bis zu der Mitte des Himmelsgewölbes hinaufschoß, und sich zugleich bis zu dem Schiffe her auf der Fluth spiegelte. Es war das Nordlicht, die =Aurora borealis=, welches, wie in raschen Pulsschlägen, von Secunde zu Secunde an Kraft und Farbenpracht zunahm, bis es in ein leuchtendes Carmin überging, und sich zu seinen Seiten mit dem Feuermeer über der sinkenden Sonne und mit dem Perlenlichte des Mondes vereinigte. Die Sonne schied zuerst aus diesem zauberischen dreifachen Lichtbunde, sie sank, wie das sich schließende Auge des Tages in das Meer, auf dessen zitternder Fläche nur noch der Wiederschein des Himmels spielte; das Nordlicht verblich nach und nach, wie mit ermattendem Hauche stiegen seine Strahlen schwächer und schwächer empor, und der Mond zog triumphirend am Himmel auf und breitete, als Herrscher der Nacht, seinen Atlasschein über die endlose Fluth. Lange noch saßen die Passagiere, in tiefer stummer Bewunderung versunken, auf dem Verdeck und hielten das entschwundene Zauberbild vor ihrem geistigen Auge gefesselt. »Ach, wie schön ist das Meer, wie prächtig, wie furchtbar groß in seinem Zorne, wie lieblich, wie bezaubernd in seiner Ruhe!« rief Madame Turner tiefbewegt aus, als der Kapitain zu ihr trat, der mit einem gewissen Stolze die Verehrung bemerkte, welche die Familie seiner Heimath, der See, zollte. »Es muß wohl schön sein; denn was sonst zieht den Seefahrer mit so unwiderstehlicher Gewalt immer wieder auf seine blauen Wogen hinaus, um zuletzt unter ihnen sein großes Grab zu finden -- wo bleiben die Matrosen alle -- wie selten stirbt ein alter Seemann auf dem Lande, und wie noch viel seltener begegnet man dort einem solchen, der sich Reichthümer erworben hat? Das Meer ist eine schönere Heimath, als das Land!« sagte der Kapitain, und schaute mit Wohlgefallen über die, im Mondlicht glänzende endlose Meeresfläche. Am folgenden Morgen fanden die Passagiere das Schiff auf seiner andern Seite liegend durch die See gleiten, denn der Wind war in der Nacht herumgegangen und blies jetzt frisch von Nord-Ost her in die Segel. Das herrlichste Wetter begleitete den Goliath nun während einiger Wochen, und kaum wurde es einmal nöthig, die Segel anders zu stellen. Zufrieden und beglückt durch den Gedanken, für das Wohl ihrer Kinder ein ruhiges gefahrloses Leben in dem Vaterlande geopfert zu haben und sich den Gefahren der See, so wie denen in einem fremden Lande und unter fremden Menschen preiszugeben, schwanden Turner und seiner Gattin die Tage angenehm und rasch, und die frohe Hoffnung, nun bald das Ziel ihrer Reise zu erreichen und ihren Fuß auf die Erde ihrer neu erwählten Heimath zu setzen, wurde täglich lebendiger in ihrer Brust. Die Kinder aber, denen der Ernst der verhüllten Zukunft noch keine Sorgen machte, zählten keine Stunden, keine Tage; sie sehnten nur an jedem neuen Morgen den Abend herbei, wo ihr Freund Daniel sich zu ihnen setzen und ihnen aus seiner Jugendzeit erzählen würde. Ehe dann die Knaben sich zur Ruhe begaben, theilten sie den Eltern gewöhnlich Bruchstücke aus den Erzählungen des Negers mit, so daß Turner zuletzt selbst neugierig wurde und einige Fragen an den Schwarzen zu stellen beschloß. An einem stillen Abend, als Daniel wieder seine jungen Zuhörer um sich versammelt hatte, trat Turner wie zufällig heran und ließ sich mit den Worten bei ihnen nieder: »Nun Daniel, ich muß doch auch einmal etwas über Dein früheres Leben hören; Du bist ja unter den Indianern aufgewachsen.« »Ja wohl, Herr, meine Eltern waren Sklaven unter einem der Indianerstämme, welche die fernen westlichen Länder Amerika's Jahr aus Jahr ein durchwandern und, dem Büffel folgend, im Frühling nach Norden und im Herbst wieder nach Süden ziehen. Sie leben ausschließlich von der Jagd und führen große Heerden von Pferden und Maulthieren mit sich, für welche sie stets die besten Weiden aufsuchen,« entgegnete der Neger. »Dann hast Du Gelegenheit gehabt, die verschiedenen Länder Amerika's zu sehen und mit einander zu vergleichen; wo sind denn Deiner Ansicht nach die besten für einen Farmer zu finden?« »Jedenfalls im Südwesten, denn dort sind die reichsten immergrünen Weiden, wo das Vieh Winter und Sommer im Freien gehen kann, stets reichliche Nahrung findet und seinem Eigenthümer weder Geld noch Mühe kostet. Wer dort eine Neigung zur Viehzucht besitzt, muß durch sie zum reichen Manne werden. Im Norden, wo im Winter Monate lang Schnee liegt und der Frost das Gras tödtet, kann der Farmer nur so viel Vieh halten, wie er im Winter in dem Stalle zu ernähren vermag. Dort ist er mehr auf den Ackerbau angewiesen, und auch damit steht der Norden gegen den Süden sehr zurück, wo man während des ganzen Jahres säen und ernten kann.« »Das ist einleuchtend; aber im Süden ist es sehr ungesund, und ein weißer Mann kann die Arbeit nicht lange aushalten.« »Darum nannte ich den Südwesten,« entgegnete Daniel; »dort ist es gesund, in den offenen waldlosen Prairien kann die Luft sich frei bewegen, und es giebt keine stehenden verdorbenen Gewässer, keine Sümpfe, wie in den südöstlichen Staaten.« »Jene westlichen Länder aber sind noch im Besitze der Wilden und ein Ansiedler ist dort großen Gefahren ausgesetzt,« nahm Turner wieder das Wort. »Bist Du denn einmal in Baltimore gewesen und kennst Du das Land an den Ufern der Chesapeake-Bay?« »Ich habe über ein Jahr dort auf einer Farm gearbeitet. Es ist ein herrlicher, reicher Landstrich, wenngleich auch dort der oft sehr strenge Winter die Viehzucht beschränkt. Auch herrschen im Herbste an den Ufern der Bay die Fieber, wenn sie auch nicht so bösartig sind, wie weiter im Süden.« »Du hast also auch auf einer Farm gearbeitet, -- was hast Du denn dort gethan?« »Nun, Alles, was dem Farmer zu thun obliegt. Ich hatte mich bei einer Wittwe vermiethet und besorgte mit noch einem Neger, dem Sklaven der Frau, die ganze kleine Wirthschaft; ich pflügte, säete, pflanzte, machte Einzäunungen, und brachte die Ernte ein. Wir bauten Mais und Taback, und verdienten der Wittwe vieles Geld,« sagte der Schwarze. »Was kostet denn dort das Land?« fragte Turner. »Das ist sehr verschieden, schlechtes Land kauft man für zehn Dollar und ganz gutes für hundert Dollar.« »Also doch so hoch wird es dort bezahlt. Man schrieb mir, daß man das beste Land für zehn Dollar kaufen könne,« fiel Turner überrascht ein. »Ja, ja, in Amerika redet ein Jeder in seinem eigenen Interesse. Wer Ihnen das geschrieben hat, wird auch wohl seinen Vortheil dabei im Auge gehabt haben.« »Doch nicht, es war mein eigener Vetter, der es mir schrieb,« antwortete Turner, halb in Gedanken versunken, und setzte dann schnell hinzu, »aber im Westen, dort ist das Land noch billig.« »Regierungsland kostet zwei und einen halben Dollar, gut oder schlecht, wie man sich es wählen will. Doch in der Nähe der Ansiedelungen ist alles gute Land schon von Speculanten angekauft, man muß also weiter hinaus in das Territorium der Indianer gehen. Man kauft aber auch zwischen den Ansiedelungen bestes Land zu vier bis zehn Dollar den Acker,« versetzte der Neger. »Der Unterschied wäre also doch sehr bedeutend,« bemerkte Turner und sagte, indem er aufstand: »Ich habe Dich aber in Deiner Unterhaltung mit den Knaben unterbrochen, nun erzähle ihnen noch von den Jagden, denen Du in jenen schönen Ländern gefolgt bist. Wäre nicht mein künftiger Wohnort schon bestimmt, wahrhaftig, ich hätte selbst Lust, dort einen Versuch zu machen.« »Der Sie auf die Dauer wahrscheinlich mehr befriedigen würde, als in den alten östlichen Staaten,« bemerkte der Schwarze noch, als Turner zu seiner Gattin und Tochter zurückging. Einige Tage später änderte sich die Temperatur auffallend schnell, es wurde kühl und immer kälter, so daß die Passagiere abermals ihre Mäntel hervorsuchten. Obgleich sich der Kapitain nicht darüber äußerte, so zeigten doch die verschiedenen Anstalten, die auf dem Schiffe gemacht wurden, daß er irgend etwas befürchtete. Die Segel wurden trotz dem nicht heftigen Wind bis auf sehr wenige eingezogen, so daß das Schiff ungewöhnlich langsam durch das Wasser strich, es wurden zwei Matrosen auf die spitzen Masten des Goliath gesandt, um fortwährend die See zu überspähen, und mehrere male stieg der Kapitain selbst in den Mastkorb hinauf. Gegen Mittag zog ein immer dichter werdender Nebel von Norden her über das Meer und hüllte bald das Schiff so sehr ein, daß man kaum mehr vom einen Ende desselben bis zum andern sehen konnte. Dabei nahm die Kälte immer noch zu und, wie es schien, in gleichem Maße die Besorgniß des Kapitains. Turner fragte ihn um die Ursache dieses Nebels, worauf Bosse ihm ausweichend erwiederte, daß das Schiff sich auf der Bank von Neufoundland befinde, wo solche Nebel sehr häufig einträten. Der Mittag verstrich ohne die mindeste Aenderung in der Luft, nur auf dem Schiffe wurde die Vorsicht verdoppelt, und sehr oft sahen die Passagiere, daß der Kapitain ein Thermometer in die See hinab ließ und dasselbe beim Herausheben aufmerksam betrachtete. Die Dämmerung nahm rasch zu, als Daniel zum Abendessen rief. Die Passagiere ließen sich stets durch den Kapitain zu den Mahlzeiten geleiten, diesmal aber bat derselbe nur vorauszugehen, er würde nachfolgen. Erst nachdem Turners ihr Abendessen bereits beendigt hatten, erschien Bosse und zwar in großer Eile, um sich bald wieder auf das Verdeck zu begeben. Turner wandte sich abermals an ihn, um die Ursache seiner augenscheinlichen Besorgniß zu erfahren, doch wich er wieder wie früher einer erklärenden Antwort aus. Daniel hatte dem Kapitain Thee eingeschenkt, und derselbe hob die Tasse an seinen Mund, als ein furchtbarer Stoß und ein Krach das Schiff erschütterte, wie wenn es in Trümmer zerschlagen sei. »Eis, Eis, Gott sei uns gnädig!« schrie der Kapitain und stürzte mit den Passagieren, den Stühlen und Allem, was auf dem Tische stand, bis an die hintere Wand der Kajüte; denn deren Eingang hatte sich so sehr empor gehoben, daß es kaum möglich war, ihn zu erklimmen. Das Zetergeschrei, womit sich Madame Turner und die Kinder umklammerten, wurde von den Angstrufen, die auf dem Verdeck erschallten, übertönt, und donnernd und krachend hörte man Fässer, Kisten und Ballen über das Schiff poltern. Kapitain Bosse war der Erste, dem es gelang, die Kajüte zu verlassen, und mit größter Anstrengung und durch die Hülfe des herbeieilenden Daniel erreichten denn auch Turners das Verdeck. Ein schrecklicher, entsetzlicher Anblick bot sich hier ihren Augen dar. Das Schiff stand, wie ein sich bäumendes Roß, mit der Spitze hoch gegen den Himmel erhoben, und etwas seitwärts vor ihm blickte man gegen die glänzende Riesengestalt eines vierzig Fuß hohen ungeheuren Eisberges. Unbeweglich, wie festgemauert stand der Goliath, sein Vordertheil aus dem Wasser erhoben, auf dem Eise, während sein Ende bis an die Kajütenfenster von der See bespült wurde. So trieb er langsam mit der kolossalen Eismasse auf den Wogen hin. Die Verwirrung, die Bestürzung, die Verzweiflung unter der Mannschaft und den Passagieren war grenzenlos, Alle rannten, so weit es das abschüssige Verdeck zuließ, wild durcheinander hin, man schrie, weinte, betete, und glaubte jeden Augenblick, der Goliath würde in Stücken auseinander brechen; er aber rührte sich nicht und hatte das Aussehen, als sei er es, der den Eisberg besiegt habe. Turners lagen vor der vordern Wand der Kajüte zusammengekauert und hielten sich umklammert, als wollten sie sich selbst im Tode nicht trennen. Die erste Viertelstunde war die entsetzlichste, dann gab die Verzweiflung schon einem Hoffnungsgedanken Raum, und bald fing man an, die Lage zu prüfen und zu bereden. Der Kapitain war der Gefaßteste und Ruhigste auf dem Schiffe; er ließ die Luken öffnen und stieg selbst in die unteren Räume, um zu untersuchen, ob die Wände des Goliath Schaden gelitten hätten. Nirgend aber zeigte sich eine Spur von einer Beschädigung. Mit hoffender Zuversicht trat er tröstend zu Turners und versicherte ihnen, er hege die feste Ueberzeugung, daß das Fahrzeug ohne Gefahr von dem Eise loskommen werde. »Wir haben wenigstens auf drei Monate Lebensmittel an Bord,« sagte er »und in wenigen Tagen treiben wir in den Golfstrom hinein, in dessen warmem Wasser das Eis sehr schnell unter dem Schiffe schmelzen wird. Nur ein Sturm könnte uns jetzt gefährlich werden; in dieser Jahreszeit aber und in diesem Breitengrade haben wir solchen nicht zu befürchten.« Unter Bangen und Zagen verstrich die Nacht, das leiseste Knarren in den Fugen des Fahrzeuges schreckte die Bewohner desselben auf und klang wie Todesruf in ihre Ohren. Dabei nahm die Kälte so zu, daß alle Mäntel und Decken nicht hinreichten, sich zu wärmen, und mit ängstlichem Sehnen wurde der Morgen erwartet. Bei Anbruch des Tages verstärkte sich der Wind, und da der Eisberg sich so gedreht hatte, daß das Schiff mit der Spitze dem Luftstrom entgegen stand, so ließ der Kapitain Segel aufziehen, in der Hoffnung, daß dieselben den Goliath von dem Eise zurückdrängen würden. Wohl füllten sie sich kräftig und beugten die Masten und Segelstangen zurück, aber das Fahrzeug rührte sich nicht. Da kam dem Kapitain der Gedanke, ob er nicht mit Hülfe der Anker das Schiff in Bewegung setzen könnte; der größte wurde in ein Boot hinabgelassen, die Kette desselben von der Spitze des Schiffes unter dessen Bauch hingezogen, und einige zwanzig Schritte hinter dem Ende des Fahrzeuges ward der schwere Anker in die See hinabgeworfen. Er sank tief im Wasser über den äußersten Rand des Eisberges, und nun ließ der Kapitain die mächtige Winde in Bewegung setzen, um die Ankerkette anzuziehen. Es fragte sich, ob der Anker beim Aufwinden den Eisrand unter dem Wasser erfaßte, dann war Hoffnung vorhanden, daß er das Schiff zu sich zurückziehen könne. Die Winde drehte sich geraume Zeit, plötzlich aber stand sie still, denn der Anker saß fest. Mit vereinten Kräften legten sich jetzt alle Matrosen gegen die Winde, es waren noch mehrere Segel aufgezogen, die Masten beugten sich und ächzten, die Ankerketten knarrten, das Schiff wankte, es neigte sich zur Seite, noch einen Ruck -- und rauschend glitt es in die See zurück. Ein jauchzendes, jubelndes »Gott sei gelobt!« schallte von allen Seiten über das Verdeck, denn der Goliath schaukelte sich wieder leicht auf den Wogen, und der Eisberg zog an ihm vorüber. Der Anker wurde nun aufgezogen, das Schiff vor den Wind gebracht, und bald steuerte es abermals ruhig seinem Ziele zu. Von jetzt an sollten die Reisenden am Bord des Goliath das Meer nur noch in seiner freundlichsten Laune sehen; die Wogen trugen sie spielend dahin, die Sonne, von ihrem Auftauchen aus dem Ocean bis zu ihrem Hinabsinken verbarg sich nicht mehr vor ihren Blicken, und nach Verlauf von einigen Wochen färbte sich die See plötzlich grün, das sichere Zeichen, daß das Land nicht mehr fern sei. Mit lauten Freudenrufen wurde bald darauf die Küste Amerika's begrüßt, und mit frisch gefüllten Segeln zog der Goliath stolz in die Chesapeake-Bay ein. Wie strahlten die Blicke der Familie Turner nach den Ufern dieses wunderbar schönen Gewässers hinüber, wie hingen sie freudig an jedem Farmhause, an jeder Hütte, die friedlich und anmuthig unter hohen Baummassen hervorsah; -- sollte doch auf diesem Ufer auch ihre neue Heimath gegründet werden! -- Noch eine Nacht mußten sie auf dem Goliath zubringen, morgen aber hofften sie die amerikanische Erde zu betreten. Nur wenige Stunden während dieser Nacht gaben sich die Passagiere der Ruhe hin, denn das Mondlicht beleuchtete die Küsten der sich immer mehr verengenden Bay mit Tageshelle, so daß die Blicke der Einwanderer immer noch von dort angezogen wurden, und die Hunderte von großen und kleinen Schiffen, welche mit ihren weißen aufgeblähten Segeln an ihnen vorüber schaukelten und nickten, fesselten sie bis spät in die Nacht hinein auf dem Verdeck. Kaum aber graute der Tag, als sie sämmtlich aus der Kajüte hervoreilten, um ihre Augen wieder an den schönen Ufern zu weiden und jeder Farm im Vorübersegeln Grüße zuzusenden; denn der Vetter Victor wohnte ja unmittelbar an der Bay und war ja schon lange im Besitze der Nachricht, daß sie mit dem Goliath reisen würden. Der Name des Schiffes war mit großen schwarzen Buchstaben an dessen Spitze geschrieben, so daß der Vetter mit Hülfe eines Fernglases denselben lesen konnte -- vielleicht eilte er dann sofort nach Baltimore, um seine lieben erwarteten Verwandten bei ihrer Ankunft daselbst zu empfangen. Die Sonne neigte sich schon, als die Thürme und Kuppeln dieser Stadt aus der blauen Ferne hervortraten, und die Abenddämmerung strich über die Erde, als der Goliath die Landspitze erreichte, von welcher aus Baltimore sich bis auf die ferneren Höhen ausdehnt. Hier, an der Point, wie man diesen äußersten Theil der Stadt nannte, legten alle aus See kommenden großen Schiffe an, und bald war der Goliath an einem Werfte befestigt und aller seiner Segel beraubt. Mit einem stummen, aus tiefstem Herzen kommenden Dankgebet zum Himmel traten Turner und seine Gattin mit den Kindern an das Land, um nun sogleich einen Brief an den Vetter Victor der Post zu übergeben, damit dieser, von ihrer glücklichen Ankunft benachrichtigt, sobald als möglich in ihre Arme eilen möchte. Daniel, der in der Stadt bekannt war, mußte sie begleiten, und Kapitain Bosse versprach mit dem Abendessen auf ihre Rückkehr zu warten, denn es war zu spät geworden, um noch nach einem Gasthause übersiedeln zu können. Daniel rieth Turner, einen Wagen zu nehmen, da man eine halbe Stunde gebrauche, um nach der eigentlichen Stadt zu gehen, und weil ihm und den Seinigen nach so lange entbehrter Bewegung der Weg sauer werden würde. Turner folgte dem Rathe des Negers weniger aus Besorgniß vor dem weiten Spaziergang, als weil er den Kapitain nicht zu lange mit dem Abendessen auf sich warten lassen wollte. An der nächsten Straßenecke, wo viele Miethwagen hielten, wurde ein solcher bestiegen, Daniel setzte sich zu dem schwarzen Kutscher auf den Bock, und im Galopp jagten die Pferde mit dem leichten Fuhrwerk dahin. Die hohen prächtigen Gebäude, die Kirchen mit ihren Kuppeln und Thürmen, die Monumente und die wogenden Menschenmassen auf den Trottoirs, Alles von dem hellen Licht des Mondes beschienen, machten einen überraschenden, einnehmenden Eindruck auf die Ankömmlinge, und der Gedanke, in der Nähe einer so schönen belebten Stadt zu wohnen, that ihnen wohl. Die Post wurde bald erreicht, der Brief abgegeben, und ohne Aufenthalt lenkte der Kutscher die Pferde nach der Point zurück. Frühzeitig am folgenden Morgen verließen die Passagiere nun das Schiff und dessen freundlichen Führer, und bezogen ein Gasthaus zweiten Ranges ganz in der Nähe des Werftes, wo der Goliath lag. Kapitain Bosse, der mit dem Wirth des Hauses schon seit Jahren bekannt war, führte Turners bei ihm ein, und schnell hatten sie sich dort wöhnlich eingerichtet. Turner stattete nun dem Kaufmann, auf welchen seine Wechsel ausgestellt waren, einen Besuch ab, um das Geld dafür in Empfang zu nehmen. Man gab ihm für den Betrag Anweisungen auf zwei verschiedene Banken, welche er in denselben vorzeigte und wogegen ihm die Summen zur Verfügung gestellt wurden. Turner empfing von der einen Bank den ganzen Betrag der Anweisung mit viertausend Dollar in Gold, in der anderen Bank aber ließ er das Geld, welches nicht ganz drei tausend Dollar betrug, stehen, um nicht sein ganzes Vermögen einem etwaigen Diebstahl auszusetzen. »Es ist besser« sagte er zu seiner Gattin, »wenn wir nur einen Theil unseres Geldes bei uns im Hause haben; in der Bank kann es uns nicht gestohlen werden.« Der dritte und vierte Tag verstrich, ohne daß der Vetter Victor selbst, oder nur eine Antwort von ihm erschienen wäre; denn Turner ging Morgens und Abends nach der Post und erkundigte sich nach Briefen. Dies Schweigen war ihm und den Seinigen recht unangenehm, wenn es auch in keiner Weise Besorgniß erregte, denn die unregelmäßige schlechte Postverbindung im Lande seitwärts von den großen Straßen machte es erklärlich. Als aber auch der fünfte Tag verfloß, ohne daß ein Lebenszeichen von dem Vetter eingetroffen war, entschloß sich Turner, selbst zu ihm hinzureisen und ihn zu überraschen. Der Wirth des Gasthauses, dem Turner den Wohnort seines Vetters bezeichnete, rieth ihm, einen Wagen zu miethen und sich hinfahren zu lassen, wenn die Reise auch zu Schiff in kürzerer Zeit gemacht werden könne. In einem Segelboot sei er mehr von Wind und Wetter abhängig und habe weniger Bequemlichkeit, während die Kosten ziemlich gleich wären. Am nächsten Morgen mit Tagesanbruch trat Turner die Reise an und nahm Carl Scharnhorst mit sich, um nicht ganz allein zu fahren und weil er selbst weniger gut englisch sprach, als der Knabe, der sich viel bei Daniel darin geübt hatte. Es war ein herrlicher heiterer Morgen, die Sonne verscheuchte bald den Nebel, der sich von der Bay aus weit über das Land gelegt hatte, und freudigen, muthigen, thatkräftigen Herzens begrüßte Turner die waldige Höhe, über welche die rohe Straße führte. Bunte, in goldigem Sonnenschein glänzende Vögel schwirrten durch den frischen grünen Wald, oder sangen ihr Morgenlied auf den himmelhohen Bäumen, graue und schwarze Eichkätzchen huschten über den Weg und jagten sich spielend an den Baumstämmen hinauf, und zu Carls großer Freude schwang sich ein mächtiger weißköpfiger Adler in nicht großer Entfernung von dem vorüberfahrenden Wagen auf eine Eiche. Carl rief dem Kutscher zu, anzuhalten, sprang mit seiner Büchse in der Hand aus dem Wagen, und eilte der Höhe zu, auf welcher die Eiche stand. In diesem Augenblicke erhob über der nahen Bay, auf welche Carl von hier aus einen Blick hatte, ein Fischadler ein lautes Geschrei, schoß, die Flügel an sich drückend, pfeilschnell nach dem Wasserspiegel hinunter, verschwand einen Augenblick unter demselben, und stieg dann mit einem großen Fisch in den Krallen wieder aus der Fluth empor. Kaum aber hatte er sich mit seinem Fang erhoben, als der Adler von der Eiche herabschoß und mit Blitzesschnelle auf ihn Jagd machte. Der Fischadler stieg schreiend gerade gegen den Himmel auf, der weißköpfige aber folgte ihm mit gewaltigem Flügelschlage, bis plötzlich sein fliegender Gegner den Fisch fallen ließ und er denselben noch einholte und ergriff, ehe er das Wasser erreichte. Nun zog der mächtige Vogel mit seiner Beute nach der Eiche zurück, um sie dort zu verzehren. Carl hatte, hinter Baumstämmen verborgen, der Jagd zugesehen und sich nun vorsichtig bis auf Schußweite dem Räuber genähert, der schon emsig beschäftigt war, den Fisch zu verspeisen. Die Büchse knallte und der Adler, von der Kugel in die Brust getroffen, stürzte todt mit dem Fisch auf die Erde herab. Im Triumph trug Carl beide zum Wagen hin, und erzählte nun seinem Onkel in größter Freude den Hergang der Jagd. »Das ist der Lauf der Welt, Carl; der Mächtigere unterdrückt und beraubt den Schwächern,« sagte Turner lächelnd zu dem Knaben. »Aber Onkel, ich habe ja nur den Räuber bestraft,« entgegnete Carl halb verlegen. »Das heißt, weil es Dir überhaupt Spaß machte, den Vogel zu erlegen,« antwortete Turner scherzend. »Du hast ihn übrigens gut getroffen, und Du schießest schon sehr sicher mit der Büchse.« »Sie ist ja auch ein Geschenk von Dir, lieber guter Onkel, da muß ich ihr doch Ehre machen,« entgegnete Carl, indem er Turners Hand ergriff und sie zärtlich drückte. Der Weg bot während des ganzen Tages die reizendste Abwechselung: bald führte er durch weite üppige Grasflächen, auf denen prächtiges Vieh in großen Heerden weidete, bald zog er sich durch reiche Mais- und Tabacksfelder und an lieblichen Pflanzerwohnungen vorüber, bald wurde er von hohem Urwald überschattet, der sich wie ein Laubgewölbe über ihm schloß und nur hier und dort einzelnen Sonnenstrahlen gestattete, den mit riesigen Kräutern bedeckten Boden zu erreichen, und bald wieder streckte er sich über kahle Höhen, von wo man auf die grüne Fluth der Bay hinabschaute, auf welcher sich unzählige große und kleine Schiffe unter ihren weißen Segeln wiegten. Je näher Turner dem Ziele seiner Reise kam, um so stärker wurde das Verlangen nach dem Augenblick, wo er dem Vetter in die Arme eilen würde, und wieder und wieder fragte er den Kutscher, wie lange er noch zu fahren habe. Endlich, als die Sonne sich schon neigte, deutete der Fuhrmann nach einem seitwärts von der Straße an dem Ufer der Bay gelegenen Gehöft, und bezeichnete dasselbe als die ersehnte Farm. Kaum eine Viertelstunde war nöthig, dieselbe zu erreichen, und mit hochschlagendem Herzen sprang Turner aus dem Wagen und eilte durch den kleinen verwahrlosten Garten dem Hause zu. Seine Blicke schweiften nach allen Richtungen vor sich, um den Vetter zu erspähen, als ein Mann in Hemdsärmeln aus der Hausthür unter die Veranda trat und die Ankommenden verwundert betrachtete. Turner näherte sich ihm, begrüßte ihn freundlich, und fragte ihn in gebrochenem Englisch, ob Herr Victor Turner hier wohne, und ob er zu Hause sei. »Herr Victor Turner ist todt, er ist vor zwei Monaten am Fieber gestorben; ich habe seiner Wittwe diese Farm abgekauft, und sie ist, so viel ich weiß, über New-York nach Deutschland zurückgekehrt,« antwortete der Fremde mit gleichgültigem Tone, und setzte dann noch hinzu: »Wollen Sie nicht näher treten, Herr?« Turner stand, wie vom Blitz getroffen, und starrte den Fremden an, als forsche er, ob er wohl recht gehört habe. »Mein Vetter todt?« rief er dann plötzlich, die Hände zusammenschlagend, aus, »es ist wohl nicht möglich!« »Aber wahr, er ist todt und begraben, dort unter jenem Ahorn liegt er, wohin er vor seinem Ende noch bestimmte, beerdigt zu werden,« erwiederte der Fremde, nahm die Schöpfkelle aus dem Eimer mit Trinkwasser neben der Thür, und reichte sie Turner mit den Worten hin: »Wollen Sie nicht einen frischen Trunk zu sich nehmen, Herr?« Turner, ohne Antwort zu geben, sank von Schreck und Schmerz überwältigt, auf eine Bank nieder, bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen, während sich Carl weinend an ihn schmiegte und den Arm um seinen Nacken schlang. Nach einigen Minuten jedoch sammelte sich Turner wieder, und fragte den jetzigen Herrn der Farm, ob ein Wirthshaus in der Nähe sei, wo er die Nacht zubringen könne. »Trinkhäuser giebt es viele an der Straße, aber keine Wirthshäuser; das nächste ist zehn Meilen von hier entfernt. Wollen Sie jedoch bei mir bleiben, so sind Sie willkommen. Sie müssen vorlieb nehmen, ich habe noch keine Frau,« sagte der Farmer, und rief dann dem Kutscher zu, er solle die Pferde ausspannen und nach dem Stalle bringen. Turner nahm nothgedrungen das Anerbieten an, verbrachte aber eine schreckliche Nacht unter dem Dache, unter welchem er Rath, Hülfe und Liebe für sich und die Seinigen zu finden gehofft hatte. Jetzt stand er allein, verlassen und ohne alle Freunde auf dieser fremden Erde; wo und wie sollte er nun eine Heimath suchen und finden? Trostlos trat er am folgenden Morgen seine Rückreise nach Baltimore an, und näherte sich bei Sonnenuntergang der Stadt mit einer tiefen Wehmuth im Herzen, denn er sollte nun auch den Seinigen die glückliche sorgenlose Ruhe nehmen und ihnen die Schreckenskunde überbringen. »Großer Gott, Max, allein?« sagte Madame Turner zu ihm, als er aus dem Wagen stieg und sie den Ernst auf seinen Zügen las. Turner schlang liebevoll seinen Arm um die Gattin und führte sie schweigend nach ihrem Zimmer. Dort theilte er ihr nun die schwere Trauerbotschaft mit, unter der auch sie im ersten Augenblick erlag. Sie wurde bleich, sie bebte und warf sich weinend an ihres Gatten Brust, doch bald ermannte sie sich wieder in dem Gedanken an den Allmächtigen, der ihnen immer so gnädig in der Noth beigestanden und sie noch kürzlich auf der See vom nahen Untergange gerettet hatte. Beide sprachen einander Trost ein, Beide sahen unbedingt und unerschütterlich nur ihr Bestes in Allem, was Gott über sie verfüge, und sie beschlossen, vorsichtig, aber ohne Zagen den Weg zu verfolgen, den sie für das Wohl der Kinder eingeschlagen hatten. Turner wollte sich nicht im Ankauf einer Farm übereilen, er wollte sich mit Ruhe nach einer solchen umsehen, und namentlich bei der Wahl derselben darauf bedacht sein, daß sie in einer gesunden Gegend läge. Sein Hauswirth sprach ihm auch Muth ein, derselbe war fast mit allen Farmern, die unweit der Bay wohnten, bekannt, da dieselben gewöhnlich zu Schiff ihre Producte nach der Stadt führten und dann bei ihm abstiegen. Turner besaß noch ungefähr sieben tausend Dollar baares Geld, und der Wirth hatte ihm schon von vielen hübschen, sehr einträglichen Farmen erzählt, die mit allem Zubehör für weniger angekauft waren. Bis zum Herbst hatte er ja Zeit, sich umzusehen, und da er sehr billig wohnte, so machte ihm der verzögerte Aufenthalt im Gasthause auch keine Sorgen. Schon nach wenigen Tagen stiegen mehrere Farmer aus dem Lande in dem Gasthause ab; der Wirth machte Turner mit ihnen bekannt, und sie luden ihn freundlich ein, mit ihnen nach Hause zu segeln, da sie ihm in ihrer Gegend verschiedene Pflanzungen zeigen könnten, die käuflich wären. Turner nahm den Vorschlag an, blieb über eine Woche von der Stadt entfernt, und kehrte sehr befriedigt zurück, wenn er sich auch noch nicht zum Kauf entschlossen, sondern vorher noch andere Ländereien in Augenschein nehmen wollte. Er machte dann mehrere kleine Reisen zu gleichem Zweck landeinwärts, weil ihm gesagt wurde, daß dort weniger Fieber herrschten, als an den Ufern der Bay, und seine Zufriedenheit mit dem Lande wuchs von Tag zu Tag. Kapitain Bosse, der mit Einnehmen einer neuen Ladung nach Europa beschäftigt war, suchte Turners häufig in den Abendstunden auf, und freute sich stets, wenn er hörte, daß es ihnen in ihrer neuen Heimath gefalle. Eines Morgens saß Turner mit dem Wirthe auf der Bank vor der Thür des Gasthauses und unterhielt sich mit ihm über die Vorzüge und Nachtheile einer Farm, die ihm ganz in der Nähe der Stadt angeboten war. Wohl über eine Stunde hatten sie hier geplaudert und kaum bemerkt, daß die Straße mehr, als gewöhnlich, von Fußgängern belebt war, die dem obern Theile der Stadt zueilten. Jetzt aber kam ein Trupp junger Männer bei ihnen vorüber, von denen einer dem Wirth zurief, daß eine Bank ihre Zahlungen eingestellt habe und mit Ungestüm von dem Volke bedrängt werde. Turner, der es nicht deutlich verstanden hatte, ließ sich die Aussage durch den Wirth erklären, und hörte nun zu seinem furchtbaren Entsetzen, daß es gerade die Bank sei, in welcher er sein Geld stehen habe. Mit bebenden Lippen theilte er dies nun dem Wirthe mit, und beschwor ihn, sich seiner anzunehmen und ihm behülflich zu sein, um sein Eigenthum zu retten. Der Wirth war sogleich bereit ihn zu begleiten; sie bestiegen ohne Aufenthalt einen Wagen und eilten der Stadt zu. Je weiter sie fuhren, um so belebter fanden sie die Straßen, und bald wurde das Gedränge so groß, daß der Wagen nicht mehr weiter fahren konnte. Turner und der Wirth stiegen aus, und erreichten bald darauf das geschlossene Bankgebäude, vor welchem sich Tausende von Menschen versammelt hatten. »An wen kann ich mich denn wohl wenden, um wenigstens einen Theil meines baar eingelegten Geldes wieder zu bekommen?« fragte Turner in seinem Schrecken den Wirth. »Ja, bester Herr, es thut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen, aber ich würde Ihnen keinen Dollar für Ihre ganze Forderung geben. Wie ich höre, so hat die Bank ungeheure Summen in Papiergeld ausgegeben, der Präsident derselben und der Cassirer sind mit der Baarschaft durchgegangen, und es wird Niemand einen Cent herausbekommen. Fügen Sie sich in Ihr Schicksal, es ist Nichts daran zu ändern. Hätten Sie mich um meinen Rath gefragt, ich würde Sie davor gewarnt haben, das Geld in dieser Bank stehen zu lassen.« Mit diesen Trostworten ergriff der Wirth den Arm Turners und zog ihn mit sich fort aus dem Gedränge, um ihn von dem Orte zu entfernen, der ihm beinahe die Hälfte seines Vermögens kostete. Abschnitt 3. Der schwarze Freund. -- Reise nach dem Westen. -- Der Hirsch. -- Die Nacht im Freien. -- Die Ueberschwemmung. -- Die wilden Pferde. -- Die Prairie. -- An der Frontier. -- Der Büffel. -- Die wilden Truthähne. Dieser neue Schlag war zu schwer für Turners, als daß sie sich sobald hätten darüber erheben können. Aller Trost, den ihnen der freundliche Wirth sowohl, als auch Kapitain Bosse einzusprechen suchten, fand kein Gehör bei ihnen, sie gaben sich ihrem Schmerz, ihrem Unglück hin, und sahen mit Verzweiflung auf die Kinder. Mehrere Tage verstrichen, ohne daß sie hätten den mindesten Beschluß fassen, oder auch überhaupt ihre Lage überblicken können. Sie verließen kaum ihre Zimmer, saßen dort mit den Kindern in Kummer und Jammer versunken, und dachten an das schöne Werrathal zurück. Eines Abends, als die Sonne sich neigte und der Abendwind kühlend durch die Thür und die Fenster des Zimmers strich, saß Turner mit seiner Gattin in der düstern Ecke des Gemachs und gab seinem Gram Worte: »Es bleiben uns nicht mehr volle viertausend Dollar übrig, damit kann man hier im Lande keine Farm kaufen, die uns zu ernähren vermöchte. Arbeitskräfte besitzen wir nur in meinen und Carls Händen, und wenn wir auch gern das Unsrige thun wollen, so ist uns die Arbeit, wie sie hier vorkommt, doch noch zu neu und fremd, als daß wir viel zu schaffen im Stande sein werden. Hätten wir das Geld nicht verloren, so könnten wir uns einen Neger miethen, oder auch kaufen; wir würden ihn ja gut und nicht als Sklave behandelt haben. So aber besitzen wir nicht einmal genug Vermögen mehr, um Land, Vieh und Geräthschaften zu kaufen. Ich weiß nicht, was aus uns hier werden soll!« Bei diesen letzten Worten ließ Turner muthlos die gefalteten Hände zwischen seinen Knieen hinabsinken, und blickte niedergebeugt auf den Fußboden vor sich. Madame Turner weinte und sah gleichfalls schweigend vor sich nieder; vergebens suchte sie nach einem Auswege, nach einem Trostwort. Carl Scharnhorst, welcher schweren Herzens während dieser Tage dem Schmerz und Gram der geliebten Pflegeeltern gefolgt war, saß ihnen auch jetzt schweigend gegenüber, und sah ihre Trostlosigkeit, ihre Verzweiflung. Plötzlich aber erhob er seinen Kopf, seine Augen glänzten und verriethen, daß ein Hoffnungsgedanke ihn belebe. Er stand schweigend auf, nahm seinen Hut und Stock, und verließ das Zimmer. Mit raschen Schritten eilte er in der düster werdenden Straße hinab nach dem Werfte, wo der Goliath lag, und erstieg wenige Minuten später das Verdeck des Schiffes. Die Matrosen bewillkommneten ihn aufs Freundlichste, denn alle hatten den Knaben liebgewonnen, sie theilten ihm aber mit, daß der Kapitain nach der Stadt gegangen sei. Carl entgegnete ihnen, er komme, um Daniel zu sprechen, von welchem er wünsche, über Verschiedenes Auskunft zu erhalten. Auf den Ruf seines Namens kam der Neger herbeigeeilt, und freute sich herzlich, seinen jungen Freund zu sehen. Carl nahm ihn mit sich auf das obere Verdeck nach dem Boote, wo sie so manchen Abend in traulicher Unterhaltung beisammen gesessen hatten, und bat ihn, an seiner Seite Platz zu nehmen. »Daniel, ich habe Dich Etwas zu fragen, worauf Du mir offen und ehrlich antworten mußt,« begann Carl, indem er die Hand des Negers ergriff, und ihn mit seinen großen treuen Augen ansah. »Gern, junger Herr, will ich dies thun, so wie ich Alles gern thun werde, um Ihnen dienen zu können. Sie und die Ihrigen sind so freundlich gegen mich gewesen, wie es ein Amerikaner gegen einen Schwarzen gar nicht sein kann und wie ich es Ihnen niemals in meinem Leben vergessen werde. Was soll ich Ihnen denn beantworten?« entgegnete der Neger mit freundlicher Miene. »Sage mir, warum fährst Du zur See und verdienst Dein Brod nicht lieber auf dem Lande, wo Du doch nicht immer so großen Gefahren ausgesetzt bist?« fragte Carl. »Das will ich Ihnen sagen, weil ich im Dienste des Kapitains Bosse eine bessere Behandlung genieße und weniger der Verachtung der Weißen ausgesetzt bin, als in den Vereinigten Staaten. Aber warum wünschen Sie dies zu wissen, junger Herr?« entgegnete Daniel. »Du hast wohl gehört, Daniel, daß mein Onkel so viel Geld an der Bank verloren hat.« »Ja wohl, und es hat mir sehr leid gethan.« »Sieh, Daniel, nun kann mein Onkel sich nicht hier ankaufen, wie er es beabsichtigte, und kann auch nicht, wie er wollte, Arbeiter miethen. Und doch muß er Jemanden zur Hülfe bei sich haben, der mit dem Landbau hier bekannt ist. Wir sind in einer schlimmen Lage, und der Onkel weiß gar nicht, was er anfangen soll,« sagte Carl etwas verlegen und schwieg dann, als wolle er Daniel das Wort überlassen. Es trat eine Pause ein, der Neger saß während einiger Minuten sinnend vor sich niederblickend und nickte wiederholt mit dem Kopfe. Dann, wie zu einem Entschlusse kommend, sagte er: »Das ist freilich eine schlimme Lage, Sie sind fremd hier und unbekannt mit dem hiesigen Leben und Treiben, und leicht können Sie noch um den Rest des Vermögens betrogen werden. Sie haben mich als Mensch, als Ihres Gleichen behandelt, und würden mir gewiß auch beigestanden haben, wenn ich Ihrer Hülfe bedurft hätte. Glauben Sie, junger Herr, daß Ihr Onkel meine Dienste nicht zurückweisen würde? Schon lange hätte ich gern das Seeleben aufgegeben, hätte mich nicht das Vorurtheil der Weißen gegen meine Hautfarbe von dem Lande zurückgehalten. Mit Ihnen, junger Herr, möchte ich all mein Lebelang beisammen sein.« »Du lieber, guter Dan, der Onkel würde ganz glücklich sein, wenn Du bei uns leben wolltest, und wir alle würden Dich gewiß immer recht lieb haben; und ich besonders, Dan, das weißt Du ja,« versetzte Carl, indem er dem Neger die Hand drückte. »Aber,« fuhr er dann fort, »würde es Kapitain Bosse nicht leid thun, wenn Du ihn verließest? er ist so gut gegen uns gewesen und wir dürfen ihm doch nichts Unangenehmes zufügen.« »Der Kapitain verliert mich allerdings nicht gern, ich habe ihm aber schon oft gesagt, daß ich das Seefahren müde sei, und lieber auf dem Lande leben würde, wenn ich dort einen liebevollen guten Herrn wüßte. Er hat auch nichts dagegen, und hat mir erklärt, daß er meinem Wunsche nicht im Wege stehe. Wenn Ihr Onkel mich in seinen Dienst nehmen will, so würde ich sicher Alles thun, um mich ihm nützlich zu machen und mir seine freundliche Gesinnung zu erhalten.« »Gut, so gehst Du mit uns, wohin wir auch ziehen werden, bester Daniel, und Nichts in der Welt soll uns wieder trennen,« sagte Carl, außer sich vor Freude. »Nun will ich schnell nach Hause eilen und es Onkel sagen, daß Du mit uns leben willst. Ich habe noch Nichts davon erwähnt, weil ich mit Dir erst darüber sprechen wollte. Morgen früh komme ich wieder zu Dir.« Hiemit sprang Carl auf, drückte dem Neger nochmals liebevoll die Hand, und eilte mit hochschlagendem Herzen nach dem Gasthaus zurück. Als er in das Zimmer trat, herrschte dort noch immer dieselbe ernste, gedrückte Stimmung. Turner schritt in Gedanken versunken auf und nieder, und die Andern saßen schweigend und wie in ihr Schicksal ergeben, umher. »Nun, Carl, hast Du einen Spaziergang gemacht?« sagte Turner zu ihm, nur um Etwas zu sagen und strich ihm im Vorüberschreiten mit der Hand über die reichen Locken. »Nein, Onkel, ich bin auf dem Goliath gewesen und bringe Dir eine recht erfreuliche Nachricht.« »Erfreulich, Carl?« wiederholte Turner mit einem Ausdruck der Wehmuth und sah den Knaben fragend an. »Ja, recht erfreulich, Onkel: Daniel will bei uns leben und mit uns arbeiten. Ich habe ihm gesagt, in welcher Lage wir uns befinden, und weil wir ihn freundlich behandelt haben, hat er sich entschlossen, uns zu helfen und beizustehen. Er ist doch recht gut.« »Ist es möglich, Carl? Das wäre für uns ja mehr werth, als das ganze Geld, welches wir verloren haben. Und das hätten wir Dir wieder zu verdanken, Du braver, treuer Junge; wir sind so schon so tief in Deiner Schuld!« sagte Turner überrascht und bewegt und heftete seinen freudigen Blick auf den Knaben, indem er ihm beide Hände auf die Schultern legte. »Du bist unser guter Engel, Carl, bist das Werkzeug Gottes, durch welches er uns in der Noth seine Barmherzigkeit, seine Hülfe zukommen läßt,« fiel Madame Turner ein, die bei der unerwarteten frohen Botschaft aufgesprungen und herangetreten war. In ihrer Freude ergriff sie den Kopf des Knaben mit beiden Händen, zog ihn an sich und küßte ihn auf die Stirn. »Nein, Daniel müssen wir ja dafür danken, er thut es ja, um uns zu helfen,« sagte Carl verschämt und drückte seinen Mund auf die Hand seiner Pflegemutter. »Und ohne Dich würde er nie darauf gekommen sein, mein Carl,« versetzte Turner, ihm liebevoll die Wange streichelnd. »Hast Du denn wohl daran gedacht, daß der Kapitain, der uns so viel Freundschaft erzeigt hat, ihn nicht gern entbehren wird; wir sind Bosse zu Dank verpflichtet, und würden Unrecht gegen ihn handeln, wenn wir ihm den Neger abtrünnig machten. Empfangenes Gutes soll man nie vergessen, Dankbarkeit ist eins der edelsten Gefühle des menschlichen Herzens.« »Doch, Onkel, ich habe Daniel darauf aufmerksam gemacht; er erwiederte mir aber, daß er dem Kapitain schon seit längerer Zeit seinen Wunsch mitgetheilt habe, das Seeleben aufzugeben, sobald er auf dem Lande einen guten Herrn finden würde. Der Kapitain will ihm auch dabei nicht hinderlich sein.« »Nun, dann in Gottes Namen, uns ist die Hülfe Daniels eine Lebensfrage,« sagte Turner wie neu belebt, und setzte sich, nachdem er noch einige Male in der Stube mit raschen Schritten auf und abgegangen war, zu seiner Gattin in das Sopha. Das kleine matte Licht der Lampe, welches bisher mit der trüben, niedergeschlagenen Stimmung der Familie in Einklang gestanden hatte, wurde vergrößert, und mit neuem Muthe und frischem Unternehmungsgeist ward wieder die Zukunft beredet. Am folgenden Morgen, gleich nach dem Frühstück, traf Turner den Kapitain Bosse in der Gaststube und säumte nicht, ihm sofort den Entschluß Daniels mitzutheilen und ihm zugleich zu versichern, daß er das Anerbieten des Negers ablehnen werde, wenn es mit dem Wunsche des Kapitains nicht übereinkomme. Dieser aber erklärte sich vollkommen damit einverstanden und wünschte Turner von ganzem Herzen Glück, sich einen so braven, treuen Diener erworben zu haben. Als er sich entfernte, versprach er, Daniel Abends nach beendigter Arbeit zu Turner zu schicken, damit er selbst sich weiter mit dem Neger bereden könne. Carl stattete diesem aber noch Vormittags einen Besuch ab, und bei einbrechender Dämmerung ging er abermals nach dem Goliath, um Daniel von dort abzuholen. Als er mit demselben bei Turners im Zimmer erschien und diese dem Neger einen Stuhl reichten, wollte derselbe sich nicht darauf niederlassen, weil es, wie er sagte, gegen den Gebrauch des Landes sei, daß ein farbiger Mensch sich in Gesellschaft von Weißen setze; Turners aber erklärten ihm, daß sie keinen Unterschied zwischen schwarzen und weißen Menschen kennten, und nöthigten ihn, den Stuhl anzunehmen. Diese Begünstigung that Daniel wohl, denn es war das erste Mal in seinem Leben, daß sie ihm zu Theil ward. Er erklärte sich nun bereit, in Turners Dienste zu treten und treulich bei ihnen in guten und in bösen Zeiten auszuhalten, so lange sie mit ihm zufrieden sein würden. Turners dagegen sprachen sich offen über den großen Nutzen aus, den Daniels Hülfe ihnen gewähren würde, und versicherten ihm, mit ewigem Dank diesen seinen Beistand zu lohnen. Nach gegenseitiger Uebereinkunft begann Turner nun mit dem Neger die zunächst zu thuenden Schritte zur Niederlassung zu bereden. Die Vortheile und Nachtheile der verschiedenen, Daniel bekannten Länder wurden reiflich gegen einander erwogen, so wie auch die Mittel und Kräfte Turners dabei in Anschlag gebracht, und nach stundenlangem Ueberlegen stellte es sich heraus, daß doch die südwestlichen Landstriche Amerika's die überwiegendsten Vorzüge vor allen andern besäßen. Daniel rieth unbedingt dazu, dorthin zu wandern, um sich anzusiedeln, wenn auch Turner sich im Augenblick noch nicht dazu entschließen konnte, die Seinigen den Gefahren auszusetzen, die ihrer dort harren würden. Daniel brachte von nun an einige Stunden an jedem Abend bei Turners zu, und blieb während der Berathung, die dort über die Zukunft gepflogen wurde, immer bei seiner zuerst ausgesprochenen Ansicht, daß der Südwesten Amerika's sich für die Verhältnisse Turners zum Ansiedeln am Besten eigne. Seine genaue Bekanntschaft mit jenen Ländern und seine anschaulichen, überzeugenden Schilderungen von deren Fruchtbarkeit und Weidereichthum trugen endlich den Sieg davon, und Turner entschloß sich, dort seine neue Heimath zu gründen. Mittlerweile hatte der Goliath seine Ladung vollständig erhalten und wurde zum Absegeln bereit gemacht. Turners begaben sich eines Morgens an Bord, um dem Kapitain, mit nochmaligem Dank für seine viele Freundschaft, Lebewohl zu sagen und ihm zugleich Briefe an Freunde in dem lieben Deutschland zur Beförderung zu übergeben. Es war ein herzlicher, aber trauriger Abschied; ein Gefühl bemeisterte sich Turners, als ob mit dem Scheiden des Kapitains und des Schiffes die letzte Beziehung zwischen ihnen und Europa gelöst werde, und mit thränenschweren Blicken sahen sie die Segel über dem Goliath sich füllen und ihn hinaus in die Bay treiben. Lange noch standen sie am Strande und blickten ihm nach, bis er in der blauen Ferne verschwand; es war, als wollten sie dem Kapitain noch einen Dank nachwinken dafür, daß er in Daniel ihnen einen Trost, eine Stütze zurückgelassen habe. Der Neger trat nun in seine Stellung bei Turners ein, und zwar als Diener und als hülfreicher Freund zugleich. Die Vorbereitungen zu der weiten Reise nach dem Westen wurden jetzt mit allem Eifer begonnen. Ein großer Frachtwagen wurde gekauft und dazu eingerichtet, um ihn sowohl mit Pferden als auch mit Ochsen bespannen zu können, und noch ein zweites sehr leichtes Fuhrwerk ward angeschafft, welches zur Bequemlichkeit der Madame Turner und der Kinder dienen sollte. Werkzeuge und Ackergeräthschaften aller Art, so wie diejenigen nöthigen Gegenstände für den Haushalt, welche nicht von Deutschland mitgebracht waren, wurden erstanden, und Alles zur Beförderung mit der Eisenbahn gut verpackt. Namentlich aber vergaß man die erforderlichen Waffen nicht. Es wurden drei Paar Revolver gekauft, und noch zwei Doppelbüchsen, welche genau dieselben kleinen Kugeln schossen, wie die Revolver; denn Daniel nannte es einen wesentlichen Vortheil, kleine Kugeln zu benutzen, weil man dadurch so viel weniger Gewicht an Blei und auch an Pulver zu tragen habe. Der August war erschienen, als Turners ihre sämmtlichen Habseligkeiten auf die Eisenbahn geschafft hatten, und selbst mit den Kindern und Daniel den nach Cincinnati abgehenden Zug bestiegen. Mit beklommenem Herzen nahmen sie von Baltimore Abschied; die Hoffnung, die sie hierher geleitet hatte, war unter großen Opfern vereitelt worden, abermals waren sie auf langer Reise, um sich eine Heimath zu suchen -- sollten sie diesmal glücklicher sein -- sollte der heiße, sehnlichste Wunsch ihres Herzens, den Kindern eine sichere, sorgenlose Zukunft zu gründen, diesmal in Erfüllung gehen? Fort brauste der Eisenbahnzug, die Thürme und Monumente Baltimore's entschwanden den Blicken der Reisenden, wildromantische Felsen, waldbedeckte Höhen stiegen zu beiden Seiten der im Sturmlauf Vorübereilenden auf, aus reichen, mit Wiesen und Feldern geschmückten weiten Thälern sahen liebliche einzelne Farmen und kleine Städtchen hervor, und Turners richteten ihre Blicke mit neuem zuversichtlichen Vertrauen auf den Beistand des Allmächtigen abermals nach Westen. Cincinnati wurde glücklich erreicht, und hier begaben sich Turners nach kurzer Rast mit ihren Effecten an Bord eines Dampfers, der sie in wenigen Tagen auf den Fluthen des Ohioflusses und des Mississippi nach Memphis führte. Von dieser großen bedeutenden Handelsstadt aus mußte nun die Reise zu Lande fortgesetzt werden. Die Wagen wurden aufgestellt, für den größeren wurden drei Paar mächtige Zugochsen, für den kleineren aber zwei kräftige Rosse gekauft, und außer drei Reitpferden, welche für Turner, Carl und Daniel bestimmt waren, noch ein Wagenpferd angeschafft, welches für den Nothfall, daß Einem oder dem Andern Etwas zustoßen würde, dienen sollte. Nach Verlauf von einigen Wochen war Alles zur Abreise bereit, frühzeitig am Morgen wurde die Ueberfahrt über den Mississippi glücklich ausgeführt, und Daniel, der vorzüglich mit Ochsen zu fahren verstand, trieb von seinem Pferde herab mit der langen Peitsche die sechs mächtigen Stiere vor dem schwer bepackten Wagen an. Ihm folgte das leichte, von zwei stattlichen Schimmeln gezogene offene Fuhrwerk, in welchem Madame Turner mit ihren Kindern saß und selbst die Pferde lenkte. Den Zug beschloß Herr Turner zu Roß, während Carl Scharnhorst denselben anführte, indem er, von Pluto gefolgt, auf einem edeln Falben in einiger Entfernung vor Daniel auf der rohen Straße hinritt. Sein Pferd war ein vollkommen für die Jagd abgerichtetes Thier, es stand unbeweglich beim Schießen, ließ Wild aller Art auf seinen Rücken packen, und entlief niemals seinem Herrn, wenn er es sich selbst überließ. Dabei war es ein schönes, kräftiges Thier von gelblicher Farbe mit schwarzer Mähne und schwarzem Schweif, und besaß neben einer außerordentlichen Schnelligkeit eine große Ausdauer. Mit Verlangen hatte Carl während der Reise von Baltimore bis Memphis diesen Augenblick herbeigewünscht, wo er, mit der Büchse bewaffnet, zu Roß die Urwälder des Westens durchziehen würde, und freudig begrüßte er das heimliche Dunkel unter dem schattigen Laubdach der Riesenbäume, die ihre ungeheuren Aeste hoch über ihm zu einer Kuppel verschlangen. Wie ein hochgewölbter Säulengang, von den Stämmen colossaler Eichen, Cypressen und Platanen getragen, wand sich die Straße durch den undurchdringlich dichten Wald, und Carl sandte in der Hoffnung, einem Stück Wild zu begegnen, seinen spähenden Blick voraus durch die hohen Pflanzen, die von beiden Seiten in den wenig befahrenen Weg hingen. In seinem Eifer trieb er sein Pferd zu raschen Schritten an, so daß bald das Knarren und Aechzen des schwer beladenen Wagens sein Ohr nicht mehr erreichte. Todtenstille herrschte rundum, kein Luftzug bewegte das Laub oder die leichten, mit bunten Blüthen besetzten Ranken der Schlingpflanzen, die von den höchsten Aesten bis über den Weg herabhingen, und eine schwüle, drückend heiße Luft füllte den Wald. Plötzlich sah Carl an der entfernten Biegung der Straße einen goldrothen Fleck aus dem frischen Grün hervorglänzen, jetzt bewegte sich derselbe, es mußte ein Hirsch sein! Im Augenblick war Carl aus dem Sattel gesprungen, ließ das Pferd zurück, und schlich schnell, aber vorsichtig von Busch zu Busch, von Baum zu Baum, bis nur etwa hundert Schritt zwischen ihm und dem Thiere lagen. Dasselbe stand aber, mit dem Kopf an der Erde, hinter hohen Pflanzen, so daß Carl nur wenig von dessen Körper erkennen konnte. Näher durfte er nicht gehen, wollte er nicht von ihm bemerkt werden; er stand hinter dem letzten Busch, der in den Weg hineinhing, und in den Wald hineinzuschreiten, war hier wegen des Rankengeflechts unmöglich. Carls Herz schlug so laut, daß es ihm vorkam, als müsse das Thier es hören, es machte ihm das Athmen schwer, er bebte vor Eifer am ganzen Körper; da hob der Hirsch den Kopf empor und schlug, indem er hinter dem Busche heraustrat, mit dem mächtigen Geweih nach den Fliegen. Im Augenblick riß Carl die Büchse an die Schulter, der Schuß krachte und der Weg war in Pulverdampf gehüllt. Carl sprang durch den Rauch vorwärts und spähte nach dem Platz, wo der Hirsch gestanden hatte, doch konnte er Nichts mehr von diesem erblicken, und als er selbst den Fleck erreichte, suchte er vergebens nach einer Schweißspur. Es war der erste Hirsch, den er jemals im Freien gesehen hatte, und untröstlich schaute er mit der Ueberzeugung um sich, daß er ihn gefehlt habe. Während er nun seine Büchse wieder zu laden begann, war Pluto in das Dickicht gelaufen und ließ plötzlich seine Stimme in flüchtiger Jagd ertönen. Carl rannte in gleicher Richtung auf dem Wege hin, war aber nur einige Augenblicke gelaufen, als der Hund verstummte, der Hirsch dagegen gellende Klagetöne ausstieß. Carl stellte die Büchse an einen Baum, zog das Jagdmesser und sprang dem Schreien nach in den Wald hinein. Wiederholt mußte er sich mit dem Messer durch die Ranken den Weg bahnen, bis er wirklich den Hirsch vor sich sah, den Pluto niedergerissen hatte. Die Freude Carls überstieg alle Grenzen, er gab dem Thiere den Todesstich, zog es dann mit großer Anstrengung und Mühe bis auf den Weg und eilte nun zu seinem Pferde zurück, welches noch auf demselben Platze, wo er es verlassen hatte, ruhig graste. Nachdem er die Ladung seiner Büchse wieder vollendet hatte, führte er sein Roß zu dem Hirsche, und ergötzte sich an dem Anblick des erlegten Wildes, bis er plötzlich das Knarren des Wagens hörte. Schnell schwang er sich in den Sattel und eilte davon, damit die Seinigen durch die Jagdbeute überrascht werden sollten. Bald darauf kamen die Ochsen im langsamen Schritt heran und die Vordersten stutzten vor dem mitten im Wege liegenden, todten Thiere, ehe Daniel dasselbe gewahrte. Der Neger jubelte laut auf, sprang vom Pferde und zog den Hirsch bis hinter den Wagen, damit Madame Turner und die Kinder ihn sehen sollten, und Turner war gleichfalls abgestiegen, um ihn zu betrachten und Daniel behülflich zu sein, ihn auf den Wagen zu heben. »Carl fängt wahrhaftig an, uns im eigentlichen Sinne des Wortes zu ernähren,« sagte Turner halb im Scherz, halb im Ernst, »welche Freude wird es ihm aber gemacht haben, uns so überraschen zu können.« »Ja, und wie gut hat er den Hirsch geschossen, die Kugel sitzt gerade auf dem Blatt; er wird einmal ein tüchtiger Jäger werden,« fiel Daniel ein, indem er das Thier mit abgebrochenen Büschen bedeckte, um es gegen die Fliegen zu schützen. Carl war während dieser Zeit wieder vorangeeilt, in der Hoffnung, noch einen Schuß nach Wild anzubringen; zu seinem Leidwesen aber lichtete sich bald der Wald, und der Weg führte nun durch offene Grasfluren und Felder nach dem Städtchen Marion. Carl erwartete in dem Schatten der letzten Bäume die Wagen, während er sein Pferd grasen ließ, und wurde von den Seinigen mit Jubel begrüßt und belobt über den Meisterschuß, den er gethan hatte. Die Sonnenstrahlen fielen jetzt drückend auf die Reisenden nieder, so daß Madame Turner und die Kinder Regenschirme aufspannen mußten, und auch Herr Turner bediente sich eines solchen, um sich gegen die Sonne zu schützen; Carl aber ertrug sie ohne Beschwerde, und meinte, ein Jäger mit einem Regenschirm müsse ausgelacht werden. Nach einigen Stunden erreichten die Wanderer zu ihrer großen Erquickung wieder den Wald, der sie ohne Unterbrechung überschattete, bis sie bei sinkender Sonne an einem kühlen Wasser ihrer Tagereise ein Ziel setzten. Es war zum ersten Male, daß Turners eine Nacht unter Gottes freiem Himmel zubringen sollten, und wenn sie sich dies während ihres ruhigen wohlgeborgenen Lebens auf der Kluse auch als etwas Schreckliches, kaum Mögliches gedacht haben würden, so hatte es jetzt etwas Reizendes, Bezauberndes für sie. Zwischen den kolossalen Stämmen der himmelhohen Bäume, auf welche die Sonne hier und dort ihre letzten rothen Lichter durch die dunkelgrünen Laubmassen warf, wurde auf dem üppigen hohen Grase hart an dem Ufer des rauschenden Wassers das Zelt aufgeschlagen, und vor ihm das Lagerfeuer angefacht, dessen flackerndes Licht die schnell einbrechende Dunkelheit auf weithin zurückdrängte, und das hohe Laubdach mit seinem tausendfach verschlungenen Rankengeflecht und seinem bunten Blumenflor glühend beleuchtete. Während Daniel seinem jungen Freunde Anweisung gab, wie der Hirsch zerlegt werden müsse, war Madame Turner mit Julie so recht innig vergnügt beschäftigt, das Abendbrod an dem Feuer zu bereiten, den Kaffee zu kochen, aus Maismehl das Brod zu backen und die Pfanne herzurichten, um die zarten feisten Stücke Wildpret, welche Carl ihr jetzt reichte, zu braten. Turner hatte die Pferde in dem Bache getränkt und gab ihnen Mais zum Abendfutter in den hölzernen Trog, welcher zu diesem Behuf hinter dem Wagen befestigt war, nachdem er den Ochsen eben solche Tröge vorgestellt, und ihnen darin den nöthigen Mais verabreicht hatte. Der Hirsch war bald zerlegt, die einzelnen Theile in der Nähe des Zeltes an Aeste aufgehangen und die Haut mit langen Stöcken ausgespannt, welches Daniel dadurch bewerkstelligte, daß er dieselben an beiden Seiten zuspitzte und übers Kreuz in den Hautrand einstach. Er hatte sie nahe vor dem Feuer aufgestellt, damit sie durch dessen Hitze getrocknet und vor Verderben geschützt werde. Madame Turner rief jetzt zum Abendessen, welches auf dem Deckel einer großen Kiste vor dem Zelte aufgetragen war; ihre Lieben ließen sich um denselben im Grase nieder, und auch Daniel setzte sich auf Turners Wunsch mit in die Reihe. Es mundete Allen herrlich, denn der lange Tagesmarsch hatte das Mahl gewürzt, und Alle meinten, so gut hätte es ihnen doch niemals in Deutschland geschmeckt. Es war eine lauwarme stille Nacht, der Rauch und die Funken des lustig flackernden Feuers wirbelten sich wie eine golddurchwirkte Säule gerade zum Himmel auf, und hier und dort in den Oeffnungen zwischen den unbewegten riesigen Baumkronen blitzten die hellen Sterne am dunkeln Firmament. In dem weiten Kreise, den das Feuerlicht um das Lager schuf, zitterten die schwarzen langen Schatten der majestätischen Baumstämme auf den Laubmassen, und weiter hin in der Finsterniß des Waldes schwebten Myriaden von leuchtenden Insecten. Spät noch saßen Turners, von der Schönheit der Nacht entzückt, und lauschten den Erzählungen Daniels. Er sprach von den unabsehbaren wogenden Grasfluren der westlichen Länder, von dem wundervollen Blumenflor, womit dieselben Jahr aus Jahr ein geschmückt, von den kristallhellen brausenden Gewässern mit ihren goldig schimmernden Fischen, von dem durchsichtig blauen Himmel und von der ewig bewegten kühlen Luft, die erquickend und stärkend über jene Länder ziehe. Unter den Indianern geboren, war deren hoher Sinn für die Schönheiten der Natur auf ihn übertragen, und seine lebendigen gefühlvollen Beschreibungen von den Fluren, wohin er die Wanderer jetzt führte, begeisterten diese mit den beglückendsten Hoffnungen. Endlich mahnte Turner an die Nachtruhe und begab sich mit den Seinigen in das Zelt, während Carl es vorzog, bei Daniel vor dem Feuer zu schlafen. Dieser machte ihm nach Jägerbrauch ein Lager zurecht, breitete die wollene Satteldecke für ihn aus, gab ihm den Sattel als Kopfkissen und hieß ihn seine Büchse als Schlafkameraden neben sich legen. Ruhig und in wonnigen Träumen, wie sie nur der Schlaf unter heiterem Sternenhimmel zu geben vermag, schwand den Ruhenden die Nacht, und der frühe Morgen, als noch das Laub sich unter dem schweren Thau neigte, sah sie schon wieder auf ihrem Wege nach Westen. Ueber zwei Wochen wanderten sie in dieser Weise vom Anbrechen bis zum Sinken des Tages durch das waldbedeckte sumpfige Arkansas, und zwar oftmals halbe Tage lang, ohne auf ein anderes Zeichen der Cultur zu stoßen, als die rohe, durch das Fällen von Bäumen geschaffene Straße, auf der sie fuhren, verrieth. In den einzelnen Farmen, an denen sie vorüber zogen, kauften sie Mais für die Zug- und Reitthiere, Mehl und Kartoffeln für den eigenen Bedarf, und wurden mitunter mit Milch, Buttermilch, Eiern und Butter beschenkt. So reich und üppig der Boden dieser Farmen aber auch war, so kühl und heimisch deren Wohnhäuser auch in dem Schatten dichtbelaubter uralter Bäume versteckt lagen, so stand doch unverkennbar auf den bleichen kraftlosen Gestalten ihrer Bewohner geschrieben, daß ein böser Feind, das Fieber, sich unter ihnen aufhalte, welches fortwährend aus den endlosen Sümpfen der Wälder erzeugt wurde. Mit verwunderten, oft neidischen, oft wehmüthigen Blicken betrachteten die Leute auf diesen Ansiedelungen die frischen rosigen Gesichter der deutschen Wanderer, und riethen ihnen auch wohl, nicht in diesem Lande des Todes zu weilen. Das Fieber schien aber keine Gewalt über die kräftigen gesunden Naturen der Turnerschen Familie zu haben, und frisch und heiter begrüßten sie die ersten Grasfluren im westlichen Ende von Arkansas. Der Anblick dieser Prairie, wenn sie auch nur einige Meilen im Durchmesser hatte, überraschte und entzückte die Herzen unserer Reisenden sehr. Das hin- und herwogende hohe Gras, die Farbenpracht der Blumen, die aus demselben hervorsahen, der kühlende Luftstrom, der erfrischend darüber hinzog, stand so sehr mit dem einförmigen beschränkten Bilde im Gegensatz, welches der undurchdringliche Urwald mit seiner schweren, schwülen Luft den Wanderern während einiger Wochen geboten hatte, daß sie wie aus einem düsteren Gefängniß hervortraten und wieder frei aufathmeten. Noch einmal sollte sie aber der unheimlich dichte Wald umfangen, und die Sonne stand schon niedrig, als sie von der hochgelegenen Grasfläche in denselben hineinfuhren. Die Bewohner einer an dem äußersten Anfange der Prairie gelegenen Farm, von denen Turners mit Mais versorgt worden waren, hatten sie aufmerksam darauf gemacht, daß sie in diesem Walde ein böses, gefährliches Wasser finden würden, welches bei dem leichtesten Regen so schnell steige und aus seinen Ufern träte, daß es die ganze Gegend zu seinen Seiten auf viele Meilen weit überschwemme. Als die Wagen in diesen Wald hinein fuhren, zogen schwere Gewitterwolken am Himmel hin, welche bald die Sonne verdunkelten und sich immer drohender und schwärzer aufthürmten. Daniel hielt die Stiere an, und fragte, ob es nicht besser sei, hier den Regen abzuwarten, doch Turner zog es vor, noch an diesem Abend den Wald zu durchziehen, da derselbe nur wenige Meilen breit sein sollte. Er fürchtete, daß das Wasser steige und es ihnen dann vielleicht auf viele Tage, ja auf Wochen unmöglich machen werde, den waldigen Grund zu passiren. Daniel trieb nun die Ochsen zu verdoppelter Eile an, und während Turners ihm folgten, ritt Carl Scharnhorst voran, um den Weg, und namentlich den Fluß in Augenschein zu nehmen. Die Straße war nur breit genug für _einen_ Wagen und bot Daniel kaum hinlänglich Raum, zu Pferde neben den Stieren herzureiten. Dabei wurde der Weg immer sumpfiger und grundloser, so daß die Räder bis an die Achsen versanken. Der Zuruf Daniels und die Peitsche trieben aber die Ochsen mit Eile vorwärts, und schon konnte der Neger in einiger Entfernung Carl erkennen, der sein Pferd in dem seichten Flusse tränkte, als das Fuhrwerk über einen, im Morast versunkenen Baumstamm fuhr, und der schwere eiserne Nagel, der den Vorder- und Hinterwagen zusammen hielt, mit einem lauten Krach zerbrach. Daniel, der sofort erkannte, was geschehen war, brachte im Augenblick die Zugthiere zum Stehen und theilte mit Bestürzung Herrn Turner den Unfall mit, indem er zugleich auf das Gewitter hindeutete, welches schon schwer über dem Walde hing. Turner sah mit Entsetzen den Wagen an; in diesem Zustande konnte derselbe nicht vom Flecke bewegt werden. War es wirklich möglich, daß das Wasser in so unglaublich kurzer Zeit steigen könne, wie die Farmersleute gesagt hatten, so durften Turners die Fluth schon binnen wenigen Stunden hier um sich erwarten, und dann war an eine Rettung des Wagens und der Ladung nicht mehr zu denken. Wohin man nach den Bäumen und Büschen blickte, erkannte man die Spuren früherer Ueberschwemmungen an dem Schlamm, Schilf und Reisig, welches die Strömung zehn Fuß hoch von der Erde an ihnen zurückgelassen hatte, so daß ein solches Wasser die Fuhrwerke bedecken und wahrscheinlich mit sich fort reißen mußte. Rathlos und ohne zu einem Entschlusse kommen zu können, hielt Turner mit dem Neger bei dem Wagen, als Carl herangeritten kam, um zu fragen, was die Ursache des Haltens sei. Unter Angst und Schrecken wurde ihm der Grund mitgetheilt. Auch Carl war im ersten Augenblick bestürzt und sah besorgt bald nach dem Wagen, bald nach dem angeschwemmten Reisig in den Aesten der Bäume; dann aber wandte er sich rasch zu dem Neger und sagte: »Daniel, Du hast mir ja von einer Holzart erzählt, aus welcher die Indianer ihre Bogen verfertigen, und welches so hart und so zähe sei, wie Stahl; sollte dies Holz vielleicht hier im Walde wachsen? dann könnte man ja einen Nagel daraus machen.« »An allen den Flüssen, etwas weiter westlich, trifft man dieses Holz an, es wäre darum nicht unmöglich, daß es sich auch hier vorfände. Die Indianer nennen es =bois d'arc=, oder Bogenholz. Ich will mich schnell einmal danach umsehen,« antwortete der Neger, wie von einer Hoffnung belebt, band sein Pferd mit dem Zügel an einen Baum, und eilte mit der Axt in der Hand in das Dickicht hinein. Carl war abgestiegen und sprang auf den Wagen, um die Kiste zu öffnen, in welcher die Werkzeuge sich befanden. Nachdem er verschiedene derselben auf die Erde hinab geworfen hatte, begab er sich unter das Fuhrwerk, um den Schaden näher zu untersuchen, und er hatte dort nur wenige Minuten verbracht, als Daniel in der Ferne einen lauten Jubelruf erschallen ließ. »Er hat das Holz gefunden!« rief Carl freudig aus, hob die schwere Winde dann von dem Wagen und setzte sie unter denselben, um ihn damit in die Höhe zu heben. Turner war ihm dabei behülflich, indem er ein Stück Holz von einem umgefallenen Baume des weichen Bodens wegen unter die Winde legte, und nun begannen Beide mit vereinten Kräften den schweren Wagen aufzuwinden. Bald war dies so weit geschehen, daß Carl die beiden Stücke des zerbrochenen eisernen Nagels aus der Oeffnung hervornehmen konnte, und nun hing Alles davon ab, ob Daniel wirklich das erwünschte Holz mit sich brachte. Ein heftiger Donnerschlag erschreckte jetzt die Hoffenden und mahnte sie von Neuem an die Gefahr, in der sie schwebten. Zugleich fielen schwere Regentropfen auf sie nieder und wenige Augenblicke später goß es wie ein Wolkenbruch vom Himmel herab. Durch den dichten Regen wurde aber Daniel jetzt sichtbar und zwar mit einem starken Ast in der Hand. »Gottlob, nun sind wir gerettet!« rief Carl, ihm entgegentretend, und nahm ihm das Holz ab. Schnell ergriff er dann das scharfe Beil, womit er den Ast, um den Nagel daraus herzustellen, zu behauen begann. Das Holz aber war so hart, daß die Arbeit nur sehr langsam von Statten ging und mit jedem Hiebe ertönte der Stahl in hellem Klange. Dabei strömte die Fluth ununterbrochen so gewaltig auf die Erde nieder, daß bald, so weit man sehen konnte, die ganze Grundfläche einem See glich, der mit jeder Minute an Tiefe zunahm, und bereits zu strömen begann. Madame Turner hatte sich mit den Kindern in ihren Wagen geflüchtet, wo sie das starke darüber gespannte Leinentuch gegen die Nässe schützte, während die beiden Männer das Tuch über den großen Wagen strammer anzogen und Carl den Nagel eifriger bearbeitete. Endlich war derselbe fertig, war passend und sauber abgerundet und Carl setzte ihn mit Hülfe Turners und des Negers an den Platz des eisernen Nagels ein. Dann ward der Wagen wieder niedergelassen und Alles war zur Weiterfahrt bereit. Jetzt war es die Frage, ob das Stück Holz stark genug sein würde, namentlich während des ersten Anfahrens, um der großen Gewalt zu widerstehen, die gegen dasselbe wirken mußte; denn die Räder waren bis an die Achsen versunken. Die Pferde wurden bestiegen, Carl ritt voran, Daniel rief den Stieren zu und schwang die gefürchtete Peitsche über deren Köpfen, sie legten sich mit aller Kraft in die Ketten und unter schwerem Knarren und Aechzen setzte sich nach wiederholten äußersten Anstrengungen der Thiere der Wagen in Bewegung. Das Wasser wurde mit jedem Schritt tiefer und die Strömung stärker, und als die Stiere in den Fluß hinein schritten, reichte ihnen die Fluth bis an die mächtigen Seiten hinauf. Das Wasser stieg in den großen Wagen, konnte der Ladung aber keinen Schaden zufügen, weil der untere Theil derselben aus Gegenständen bestand, auf welche die Nässe nicht nachtheilig wirkte. Die Räder an dem Fuhrwerk der Madame Turner waren sehr hoch, so daß der Strom kaum über den Fußteppich in denselben drang, dennoch steigerte dies die Bangigkeit der Frau und Kinder während der Durchfahrt sehr. Bald aber war das jenseitige Ufer glücklich erreicht und mit frohen, von Angst befreiten Herzen erkannten die Wanderer, daß der Grund unter ihnen wieder fester wurde. Der Weg hob sich allmählig, er wurde steiler und trockener, der Donner rollte nicht mehr so anhaltend, so fürchterlich, und der Regen verlor an Heftigkeit. Hier und dort theilte sich bald darauf das eilende Gewölk, der blaue Himmel schien hindurch und die sinkende Sonne warf noch ihre Strahlen freundlich und mild auf die krystallhell glänzende Tropfensaat, die der Regen an jedem Blatt, jedem Halme, jedem Reis zurückgelassen hatte. Jetzt erreichten Turners am Ende des Waldes einige steile Höhen, von wo sie auf die so gefahrvoll durchwanderte Niederung zurückblicken konnten. Das ganze bewaldete Thal war ein reißender Strom, aus dessen weißschäumenden Wogen die höheren Bäume emporragten und ihre unteren Aeste mit der Fluth spielen ließen. Nach Westen aber, wo jetzt die Sonne nahe über dem flachen Horizont stand, lag eine endlose unabsehbare Grasfläche vor den erstaunten Blicken der Wanderer, und mit frohlockenden Herzen begrüßten sie diese erste offene Prairie. Das üppige saftige Grün dieser weiten Flur war durch den Regen erfrischt worden, und die letzten Blicke der Sonne beleuchteten glühend die feurigen Blüthen der hohen Cactusarten, die sich in Turners Umgebung aus dem Grase erhoben. Unter einer Gruppe uralter, undurchdringlicher, dicht belaubter Lebenseichen hielten die Wagen an und die müden Zugthiere wurden aus ihrem Zwange erlöst. Heute sollten sie für ihre lange und schwere Arbeit entschädigt werden, sie sollten sich während der Nacht an dem zarten frischen Grase laben. Daniel hatte mit unglaublicher Schnelligkeit jedem der Thiere die beiden vorderen Füße mit einem Streifen roher Ochsenhaut zusammengefesselt, so daß sie dieselben nur zugleich vorwärts setzen konnten und dadurch mehr oder weniger an weiterem Fortgehen gehindert wurden. Dann trieb er sie dem Grase zu und überließ es ihnen, sich die beste Weide zu suchen. Die Reitpferde wurden dagegen in der Nähe mit langen Stricken an einzeln stehende Bäume ins Gras gebunden, damit auch sie sich darin laben möchten, ohne sich weit vom Lager entfernen zu können. Turner hatte auf einem steinigen Fleck das Zelt aufgeschlagen, Carl und die beiden anderen Knaben hatten Reisholz herbeigeholt und dasselbe nicht ohne Mühe angezündet, und Madame Turner war mit Julie beschäftigt, das Abendbrod zu bereiten. Jetzt kam Daniel auch mit einem schweren Stück von einem trockenen Baumstamm heran, schleifte denselben an das flackernde Feuer und ging dann wieder, um noch mehr Holz für die Nacht herbeizuschaffen. Es rührte sich kein Wind, die Luft aber war erquickend kühl und rein und es kam den Reisenden vor, als athmeten sie mit jedem Zug noch einmal so viel Luft ein, als sonst. Nacht legte sich über die weite Landschaft, der Himmel im Westen glühte noch in dunkelm Carmin über dem schwarzen äußersten Rande der Prairie und das Firmament war mit funkelnden Sternen übersäet. Die Familie Turner und der treue Daniel saßen vor dem hochauflodernden großen Feuer, über dessen Lohe sich die Aeste der alten Eichen zitternd hin- und herschwangen, und priesen die Gnade des Allmächtigen, welcher sie ihre Rettung aus der überstandenen Gefahr verdankten. Carl war wieder die Hand gewesen, durch welche ihnen Gott diesen Beistand hatte angedeihen lassen, und mit herzinnigen Segenswünschen dankte Turner dem anspruchslosen hülfreichen Knaben. Die durchnäßten Gegenstände waren an dem großen Feuer getrocknet, die Reitpferde wurden an den Wagen befestigt und Turner legte sich in dem Zelte zur Ruhe, während Carl und Daniel ihr Nachtlager wieder vor dem Feuer herrichteten. Kaum graute der Tag, als Alle, vom süßen Schlaf gestärkt, sich erhoben und Vorbereitungen zur Weiterreise machten. Die Reitpferde wurden abermals ins Gras gebunden und das Feuer zur Bereitung des Frühstücks frisch angefacht. Die Stiere, so wie die drei Wagenpferde, hatten sich während der Nacht ziemlich weit von dem Lager entfernt und standen weidend dort im hohen Grase. Die Sonne stieg prächtig und heiter über dem waldigen Osten auf und goß ihr belebendes Licht über die endlose Grasflur, auf der hier und dort einzelne Rudel von Hirschen zu erkennen waren. Turners saßen beim Frühstück, ließen aber ihre Blicke dabei wiederholt über die Prairie schweifen, da jeder Punkt auf derselben ihre Neugierde anzog. »Was kommt dort hinter der Waldspitze hervor?« fragte Carl plötzlich, indem er seitwärts nach der waldigen Niederung zeigte, wo dieselbe sich an die Prairie lehnte. »Schnell, schnell, das sind wilde Pferde, schnell auf die Gäule, damit wir sie von unseren Wagenpferden abhalten, sonst sind diese für uns verloren!« rief Daniel erschrocken aus und sprang mit einem Zaum in der Hand nach einem der Reitpferde, während Turner und Carl hastig seinem Beispiel folgten. Im Augenblick waren den drei Thieren die Zäume übergeworfen, Turner, Daniel und Carl schwangen sich auf deren nackte Rücken, und in Carriere sausten sie über die Prairie, den wilden Rossen entgegen. Diese waren aber schon zu nah herangekommen, als daß die Reiter sie noch hätten von den Wagenpferden zurückhalten können, welche, als ob sie nach der Freiheit ihrer wilden Kameraden verlangten, denselben trotz der Fesseln in schwerfälligen, doch flüchtigen Sprüngen entgegeneilten. Ehe noch die Reiter sie erreichten, waren sie in dem wirren Haufen der wilden Schaar verschwunden, die, über zweihundert Köpfe stark, jetzt in gedrängten Massen vor den Reitern über das wogende Gras dahinstürmte. »Vorwärts, nur frisch dazwischen, wenn die Fesseln an den Füßen unserer Pferde halten, so können sie uns nicht entgehen!« rief Daniel und trieb sein Roß zu möglichster Eile an; doch Carl sauste an ihm vorüber, sein Falber war das schnellste der Thiere und er war der Erste, der sich den fliehenden Pferden nahte. Die Erde dröhnte unter den Hufen der wilden Rosse, hoch wehten die langen Mähnen und Schweife, ihre rothen weitausgespannten schnaubenden Nüstern glühten wie Feuer und ihre großen Augen blitzten mit Entsetzen nach Carl hin, der jetzt ihre letzten Reihen erreichte. Es schien, daß die Thiere bisher noch ihren Lauf gemäßigt hatten, um die gefesselten Kameraden zu schützen und sie mit sich fort zu nehmen; als aber der Falbe mit Carl auf seinem Rücken ihnen zu nahe kam, da brachen sie in wilder fliegender Flucht los und ließen die noch mit letzter Anstrengung ihnen folgenden Wagenpferde zurück. Nur _ein_ mächtiger goldbrauner Hengst wandte sich noch einmal um, schoß in hohen Bogensätzen dicht an Carl vorüber und umkreiste wiehernd die gefesselten Brüder, als wolle er sie nochmals zur Flucht anfeuern; dann aber schoß er wie ein Pfeil davon, seiner fliehenden Heerde nach. Die Wagenpferde blieben ermattet stehen, doch Carl jagte an ihnen vorüber, die Lust der wilden Jagd war zu groß, als daß er sie schon hätte aufgeben können, er drückte beide Sporen fest in die Seiten des flüchtigen Falben und in fliegendem Sturm ging es nun über die Prairie, den davonsausenden Rossen nach. Näher und näher rückte er der geängsteten Schaar, deren kräftigste Thiere die letzten waren, wie es schien, um die jüngeren vorwärts zu treiben, und der goldbraune Hengst blieb noch weiter zurück, als wolle er den schrecklichen Reiter von ihnen abhalten. Jetzt aber wurden zwei Füllen hinter der verworrenen Masse sichtbar, ein schwarzes und ein weißes, ihre Schnelligkeit nahm ab, sie ermatteten mehr und mehr, umsonst umschwärmte sie der goldbraune Hengst, sie konnten nicht weiter und fielen gänzlich erschöpft in das Gras nieder. Carl hatte sie erreicht und hielt, laut jubelnd, seinen Falben an, da gewahrte er zu seiner Freude Daniel, der in voller Carriere herangejagt kam. Beide waren von ihren Pferden gesprungen, hoben die ermatteten hübschen Füllen auf die Füße und schmeichelten und liebkosten sie, doch es dauerte lange, ehe dieselben sich erholten und wieder zu Athem kamen. »Wenn wir nur einen Strick hätten, Daniel, damit wir sie binden und mit uns nehmen könnten, sie sind zu lieb und hübsch, und welch prächtige Pferde müssen sie werden!« »Wir gebrauchen keines Strickes, junger Herr,« antwortete Daniel lachend und beglückt über die Freude, die Carl empfand, »lassen Sie die Thiere nur erst ganz zu Kräften kommen, dann folgen sie geduldig unsern Pferden; wir werden wenig Mühe mit ihnen haben, denn sie sind schon stark genug, um sich selbst ernähren zu können.« So wie Daniel es vorhergesagt hatte, so geschah es auch. Als die Füllen wieder zu Kräften gekommen waren, bestiegen die Reiter ihre Pferde, und die kleinen Verwaisten folgten denselben, als ob es ihre Mütter wären. Der Jubel war groß, als Carl und Daniel mit den beiden Pferdchen im Lager anlangten, Madame Turner und die Kinder waren außer sich vor Freude, sie liebkosten die schönen Thiere und Carl machte seinen Brüdern, Arnold und Wilhelm ein Geschenk mit dem Rappen, den kleinen Schimmel aber schenkte er seiner Schwester Julie. Turner hatte die Wagenpferde auch glücklich wieder zum Lager zurückgetrieben, und so war aus dem Schrecken eine große Freude hervorgegangen. Nun wurde sich schnell zur Abfahrt gerüstet, und als der Zug sich in Bewegung setzte, folgten die beiden Füllen dem dritten Wagenpferde, welches zu diesem Zwecke hinter das Fuhrwerk der Madame Turner angebunden war. Das schöne herrliche Land der Prairieen lag jetzt vor den Reisenden ausgebreitet, bald schwanden die letzten blauen Umrisse der Wälder von Arkansas, und wie auf einem wogenden, mit Blumen übersäeten grünen Meere zogen die Wanderer über die reichen, wellenförmig auf- und niedersteigenden Grasfluren hin. Sie hatten das Indianergebiet westlich von Arkansas betreten, und erreichten am zweiten Abend das Fort Towson, in dessen Nähe sie übernachteten. Der Befehlshaber der Dragonerabtheilung, welche hier auf Station lag, um die Grenzansiedelungen der Weißen gegen die Gewaltthätigkeiten der Indianer zu schützen, bezeigte sich sehr freundlich gegen Turners und besuchte sie noch vor ihrer Weiterfahrt am folgenden Morgen in ihrem Lager. An diesem Tage gelangten sie bei dem neuen Grenzstädtchen Franklin an, wo sie den rothen Fluß überschritten, um sich aus dem Lande zu entfernen, welches von der Regierung der Vereinigten Staaten den verschiedenen Indianerstämmen, die sie aus den östlichen Staaten vertrieben hatte, als Eigenthum angewiesen war. Nun lagerten Turners auf der nördlichen Grenze von Texas. Von hier aus ward der Weg nur durch undeutliche Wagenspuren bezeichnet und das Gefühl, der vollständigen Wildniß näher zu kommen, drängte sich den Reisenden mehr und mehr auf. Nur selten trafen sie noch ein einsames Blockhaus an, bis sie nach Verlauf von einer Woche endlich das letzte Grenzstädtchen Preston am rothen Flusse erreichten. Man nannte es Stadt, wenn es auch nur aus wenigen Holzhäusern bestand, die unter einzelnen Baumgruppen versteckt lagen und durch sandige Fußpfade mit einander verbunden waren. Mehrere Kaufleute, die alle für die Grenzansiedler nöthigen Bedürfnisse feil hielten, ein Schneider, ein Schmied, ein Schuhmacher, ein Arzt und ein Advocat nebst mehreren Farmern und zweien Schenkwirthen bildeten die Einwohnerschaft. Die Trachten dieser Leute bekundeten, daß sie an der äußersten Grenze der Civilisation wohnten, denn dieselben bestanden zum großen Theil in Lederanzügen, und die langen Messer, die Pistolen und die Büchsen, welche sie mit sich führten, deuteten die Nähe der Wildniß an. Daniel war mit diesem Lande genau bekannt, da er sich oft mit den Indianern Monate lang hier aufgehalten hatte; bei seinem letzten Besuche in dieser Gegend stand jedoch auf Tagereisen weit noch kein einziges Haus. Turner erkundigte sich darum bei einem der Kaufleute, von welchem er mehrere unbedeutende Gegenstände erstand, wie weit westlich sich die Ansiedelungen von hier aus noch erstreckten, und erfuhr, daß zehn Meilen von hier an dem Choctawbache sich die letzten Niederlassungen befänden. Auf die Frage, ob man dort Kühe, Schweine und Federvieh kaufen könne, wurde ihm gesagt, daß er dies Alles im Ueberfluß dort finden und die Leute sehr erfreuen würde, wenn er sich in ihrer Nähe niederlassen wolle. Nachdem Turner dem Kaufmann das Versprechen gegeben hatte, von ihm gelegentlich seine Bedürfnisse zu beziehen, setzte er die Reise noch eine Meile weiter fort, bis zu einem Bache, wo er das Lager für die Nacht aufschlug. Am folgenden Tage langten die Wanderer gegen Abend an dem Choctawbache an, zu dessen beiden Seiten sich einige Meilen breit prächtiger hoher Urwald hinzog. Der Weg durch denselben war durch Fällen der Bäume geöffnet und führte Turners über den klaren rauschenden Bach bis an den äußeren Waldsaum, wo im schattigen Dunkel der Riesenbäume eine Ansiedelung versteckt lag. Von den Häusern derselben sahen nur die Dächer über eine hohe Pallisadenwand hervor, welche aus aufrechtstehenden, neben einander in die Erde gegrabenen Baumstämmen bestand und sämmtliche Gebäude umgab. Auf der offenen Prairie, welche sich an den Waldsaum anlehnte, grasten in Schußweite vor den Pallisaden viele Pferde, die dort mit langen ledernen Stricken an Pfählen angebunden waren, und weiter auf der Grasflur weideten mehrere hundert Stück Rindvieh. Bei Annäherung Turners kamen ihnen viele Hunde bellend entgegen gerannt, und gleich darauf erschienen mehrere Männer vor der hölzernen Mauer und sahen verwundert nach den Kommenden hin. Es war der Eigenthümer der Niederlassung, Herr Warwick, mit seinen drei erwachsenen Söhnen und mehreren jungen Amerikanern, die bei ihm wohnten, weil sie unentgeltlich bei ihm lebten, nicht zu arbeiten brauchten, und sich mit der Jagd und Fischerei belustigten. Herrn Warwick war der Aufenthalt dieser Leute in seinem Hause sehr erwünscht, da die Lebensmittel für dieselben nichts kosteten, und sie ihm und den Seinigen eine Sicherheit mehr gegen die Angriffe der Indianer gewährten. Warwick war der erste Ansiedler in dieser Gegend gewesen und hatte manche große Gefahr hier bestanden. Er war ein schon bejahrter, doch noch kräftiger, rüstiger Mann von gutmüthigem freundlichen Wesen. Indem er Turners entgegen kam, bewillkommnete er sie aufs Herzlichste und bot ihnen seine Hülfe und Unterstützung nach allen Kräften an. Die Wagen wurden nahe vor die Pallisaden gefahren, die Pferde an Stricken in das Gras gebunden, während die beiden Füllchen lustig um sie hersprangen, und die Stiere ließ Daniel frei gehen, band aber einem derselben eine große Metallglocke um den Hals, damit er immer hören konnte, wo die Thiere weideten. Turners folgten nun der freundlichen Einladung Warwicks und begaben sich in dessen Wohnung, die aus mehreren, innerhalb der hohen Pallisaden nebeneinanderstehenden Blockhäusern bestand. Die Hausfrau, so wie deren Töchter nahmen die Gäste ebenso freundlich auf, wie es Warwick gethan hatte, und führten sie zum Abendessen, welches soeben aufgetragen war. Daniel mußte in der Küche speisen, weil die Amerikaner es nicht dulden, daß sich ein Schwarzer in ihrer Gesellschaft aufhalte. Nach dem Essen aber eilten Alle hinaus vor die Einzäunung und setzten sich unter eine alte Lebenseiche in das Gras nieder, um die erquickende Abendluft zu genießen, die nicht so frisch und frei in die Häuser eindringen konnte. Eine friedliche heimische Ruhe lag auf der Gegend, in dem hohen dunkeln Walde hinter den Wohnungen ließ sich nur noch hier und dort ein Vogel hören, auf der Prairie, an deren duftig blauer Ferne die Sonne versunken war, zogen die Heerden unter klingendem Glockenton der Leitkühe langsam heran, um sich in der Nähe der Ansiedelung zu lagern, und das Tageslicht wich vor dem bleichen Schimmer des Mondes, der schon hoch am Himmel stand. Turners dachten an die schönen Abende auf der Kluse, an den ruhigen, im Mondlicht glänzenden Spiegel der Werra, an die blauen Berge der lieben alten Heimath -- wie ganz anders war Alles hier und doch auch, wie schön -- nur die feierlichen Töne der Abendglocken hätten sie gerne jetzt gehört -- es war ihnen ein wehmüthiger Gedanke, daß dies nie wieder geschehen sollte. Warwick hatte seinen Söhnen verschiedene Aufträge gegeben und wandte sich jetzt an Turners, wodurch er deren Gedanken von dem Werrathale abzog. Zuerst sprach er sich ausführlich über die großen Vortheile aus, welche diese Länder vor anderen dem Ansiedler boten, er wies namentlich auf das herrliche gesunde Klima hin, dann auf den reichen Boden, auf die immer grünen üppigen Weiden, auf die Menge von Wild, von Fischen und von Bienen, und malte zuletzt die große Zukunft aus, die dieser Gegend in nicht gar langer Zeit bevorstände, eine Zukunft, die wohl werth sei, daß man jetzt Etwas dafür wage. Dann theilte er Turner mit, daß alles Land an diesem Bache bereits Eigenthum der zehn Ansiedler sei, die jetzt daran wohnten, und daß keiner von ihnen, auch er selbst nicht, ein Stück davon verkaufen würde. Fünf Meilen weiter westlich aber, sagte er, befände sich an dem sogenannten Bärfluß das ausgezeichnetste Land, welches sämmtlich noch der Regierung gehöre, und Derjenige, welcher zuerst dort hinzöge, würde die Auswahl haben und könnte sich ganz nach seinem Wunsche und nach seinem Geschmack anbauen. Turner bemerkte ihm, daß aber dieser Erste dort sehr großen Gefahren ausgesetzt sein würde und daß es ihm selbst wohl kaum möglich sei, sich mit seinen wenigen Kräften gegen die Indianer zu behaupten. »Wir Alle hier am Choctawbache werden Ihnen helfen,« fiel ihm Warwick in die Rede, »denn sehen Sie, es ist ja in unserm eignen Interesse, daß dort Ansiedelungen entstehen, da dieselben für uns Vorposten gegen die Indianer sein werden. Das ist so der Gebrauch an der Frontier, Einer muß immer der Vorderste sein und eine Zeitlang die Widerwärtigkeiten des Grenzlebens ertragen; hab' ich ja doch viele Jahre lang hier allein gewohnt.« »Sie kamen aber wohl mit mehr Arbeitskräften hierher, als ich, und konnten sich schnell jene Festung bauen?« versetzte Turner. »Mit keinen andern Kräften, als diese beiden Arme mir boten, bin ich hier angelangt, denn mein ältester Junge war kaum neun Jahr alt. Meine Frau hat mir aber treulich geholfen, sowohl bei der Arbeit als auch beim Fechten; ihre Kugeln haben manchmal zur rechten Zeit getroffen. Uebrigens, lassen Sie es sich nicht bange werden, wir sämmtlich hier am Bache ziehen mit Ihnen hinaus und bauen Ihnen die Häuser nebst den Pallisaden, das ist nicht mehr, als Schuldigkeit,« entgegnete Warwick und ließ sich dann darüber aus, welche Vorsicht der Frontiermann beobachten müsse, um sich gegen die List der Indianer zu sichern. Turner fragte nun, ob Rindvieh, Schweine und Schafe hier in den Niederlassungen zu kaufen seien, worauf Warwick sich erbot, ihn hiemit ganz nach Wunsche zu versorgen, und zwar zu den allerbilligsten Preisen. Federvieh aller Art wollte er ihm unentgeltlich liefern und so auch hinreichend Mais zur Aussaat und zum eigenen Verbrauch für die Zeit, bis er die erste Ernte gemacht habe. Dies sei ein altes Herkommen an der Grenze und die Ansiedler am Choctawbache würden Alles aufbieten, um ihrem ersten Vorposten gegen die Indianer zu helfen. Daniel hatte sich, wie für die Befehle seiner Herrschaft bereit, in kurzer Entfernung hinter die Gesellschaft in das Gras gelegt und die ganze Unterhaltung mit angehört. Gegen zehn Uhr nahm Warwick seine Gäste mit sich in seine Wohnung, Carl aber dankte für die Einladung und machte sich mit Daniel ein Nachtlager bei den Wagen zurecht, wo sie auch ein Feuer anzündeten. Pluto ruhte wie gewöhnlich neben ihnen, und ganz in ihrer Nähe hatten sich auch die beiden Füllen ins Gras gelegt. Als sie sich auf ihren wollenen Decken ausgestreckt hatten, nahm Daniel das Wort und sagte: »Ich kenne jenen Bärfluß ganz gut, von welchem Herr Warwick sprach, das Land in seiner Nähe ist besser und die Weiden sind viel reicher als hier, denn dort giebt es nur das reine Mosquitogras; nirgends in diesem Lande fanden wir damals so viel Wild, als gerade dort an jenem Flusse. Ich werde mit Herrn Turner morgen früh darüber sprechen, er soll nur dort hinziehen und sich seine Häuser bauen lassen, mit den Indianern wollen wir schon fertig werden; ich bin ja selbst Indianer genug, um mich nicht von ihnen überlisten zu lassen. Da giebt es aber Jagden, junger Herr; ich habe dort manches Mal sicher sechs- bis achttausend Büffel mit einem Blick übersehen. Und wilde Pferde giebt es dort, so schön, wie nirgend anderswo.« »Das soll aber ein Spaß werden, Daniel, wie wollen wir Beide uns die besten Pferde herausfangen! Wenn ich nur erst mit dem Lasso umzugehen wüßte.« »Das werden Sie bald lernen; ich verstehe es aus dem Grunde,« entgegnete der Neger und erzählte nun seinem jungen Freunde von den Jagden und Abenteuern, die er hier in der Gegend bestanden hatte, als er noch unter den Indianern lebte. Bald aber fielen Beiden die Augen zu, sie sanken auf ihre Sättel zurück, und die wonnigsten Träume beglückten ihren erquickenden Schlaf. Frühzeitig am folgenden Morgen kam Herr Turner zu ihnen, um sich mit Daniel über Warwicks Vorschlag zu bereden und war sehr erfreut, daß der Neger so eifrig für die Annahme desselben stimmte. Er beschloß, dessen Rath zu befolgen, und setzte alsbald Herrn Warwick davon in Kenntniß. Nach dem Frühstück ritt dieser mit Turner, Carl und Daniel auf die Prairie hinaus zu den Heerden, damit Turner das Vieh auswähle, welches er zu kaufen wünsche, und Warwick erbot sich, ihm dasselbe an Ort und Stelle abzuliefern, sobald seine Niederlassung gegründet sein würde. Noch am selbigen Nachmittag, als die Sonne ihre Gewalt verlor, bestiegen sie mit Warwick wieder ihre Pferde, und begaben sich nach dem Bärfluß hinüber, damit Turner sich ein Stück Land dort wählen möge, auf dem er seine Niederlassung begründen wolle. Noch vor Sonnenuntergang langten sie dort an und ritten noch mehrere Meilen weit an dem äußersten Rand des hohen Waldes, der sich zu beiden Seiten des Flusses hinzog. Die Pferde gingen dabei fortwährend bis an die Sättel in dem feinsten, üppigsten Gras, und wohin man blickte, standen Rudel von Hirschen und schauten verwundert nach den Reitern. Carl war außer sich vor Freude über das viele Wild, und nur die Versicherung des Herrn Warwick, daß er noch heute Abend einen Hirsch erlegen solle, hielt ihn ab, während des Reitens vom Pferde zu springen, um sich an einen solchen anzuschleichen. Endlich als die Sonne unterging, hielt Warwick sein Pferd an einem Platze an, wo der Fluß in einem Bogen aus dem Walde hervortrat und sich dicht an die Prairie lehnte. Hier wurde beschlossen, die Nacht zuzubringen, um frühzeitig am folgenden Morgen das Land an dieser Seite des Flusses weiter zu besichtigen, und dann auch das jenseitige in Augenschein zu nehmen. Den Pferden wurde Sattel und Zeug abgenommen, die Vorderfüße wurden ihnen zusammengebunden, und dann ließ man sie gehen, damit sie sich an dem reichen Grase laben konnten. Warwick und Turner zündeten neben einem umgefallenen trockenen Mosquitobaume ein Feuer an, neben welchem sie ihre Satteldecken für das Nachtlager ausbreiteten, Carl aber eilte mit Daniel und Pluto davon, um nun schnell noch eine Jagd zu machen. Sie waren wohl eine Viertelstunde lang an dem Waldsaume hingeschritten, als der Neger Carl rasch beim Arm ergriff und zugleich ins Gras niederkniete. Dann deutete er mit der Hand seitwärts und gab zu verstehen, daß dort Wild stände. Vorsichtig hoben Beide sich wieder empor, und Carl gewahrte nun einen starken Hirsch, der soeben den Kopf in die Höhe richtete, so daß sein mit vielen Enden prangendes Geweih sichtbar wurde. Er stand noch außer Schußweite und die Jäger schlichen sich langsam und vorsichtig näher zu ihm hin, indem sie immer den Augenblick dazu benutzten, wenn der Hirsch den Kopf in das Gras versenkte. Endlich hatten sie ihn bis auf hundert Schritte erreicht, Daniel winkte Carl zu, noch näher zu gehen, doch dieser war seines Schusses gewiß und hob die Büchse an die Schulter, um zu schießen, als der Neger ihn plötzlich wieder beim Arm niederzog und und mit blitzenden Augen nach der andern Seite hinzeigte. Beide hatten sich tief ins Gras niedergebeugt und Daniel flüsterte seinem Gefährten zu, daß ein Trupp Büffel vom Walde her auf sie zukäme. Carl stockte vor freudiger Ueberraschung der Athem und sein Herz pochte hörbar. »Lassen Sie sie nahe herankommen und schießen Sie dann dicht hinter das Schulterblatt, aber sehr tief nach unten, sonst fällt der Büffel nicht,« sagte der Neger leise, indem er sich nahe an Carl drückte. »Nehmen Sie sich die Zeit, schießen Sie ruhig und werfen Sie sich nach dem Schuß in das Gras, damit die Büffel Sie nicht sehen -- da kommen sie.« Bei diesen Worten spannte Daniel gleichfalls seine Doppelbüchse und Carl hob sich vorsichtig aus dem Grase empor. Als sein Blick über dasselbe hinstrich, stand eine schwere, schwarze Riesengestalt auf vierzig Schritte vor ihm, die sich wie ein Berg von dem glühend rothen Abendhimmel abzeichnete. Es war ein kolossaler männlicher Büffel, der seiner Heerde in einiger Entfernung voranging. Er war stehen geblieben und schüttelte seinen schwer umlockten ungeheuren Kopf, wobei die langen Mähnen, die sein ganzes Vordertheil bis hinter die Schultern bedeckten, ihn wild umwogten. Dann blickte er sich nach der Heerde um, die wie eine schwarze Masse langsam herangezogen kam. »Lassen Sie ihn näher kommen, junger Herr,« flüsterte Daniel, denn er sah, daß die Aufregung es Carl unmöglich machte, die Büchse ruhig zu halten. Der Büffel schritt wieder vorwärts und blieb auf zwanzig Schritte von den Jägern entfernt abermals stehen. Carl hob die Büchse wieder empor, doch Daniel sagte kaum hörbar: »Noch nicht, warten Sie, bis er zur Seite tritt.« Carl hatte seinen Hut abgeworfen, um sich nicht durch denselben dem Thiere zu verrathen, und er wagte kaum, nach diesem durch die Grashalme hinzublicken. Jetzt wandte sich aber der Büffel mit einem dumpfen Brummen etwas seitwärts und gab Carl seine ganze Schulter preis. Im Augenblick hatte dieser die Büchse am Kopf. »Schießen Sie nicht zu hoch,« flüsterte der Neger. Das Feuer flog aus dem Rohre, der Büffel bäumte sich mit lautem Wuthgebrüll und stürzte dann vorwärts, bis er wenige Schritte vor den Jägern zusammenbrach. Die Heerde aber stürmte zu ihrem gefallenen Führer heran und würde die beiden Schützen unfehlbar unter ihren Füßen zermalmt haben, wäre Daniel nicht aufgesprungen und ihr mit einem Zetergeschrei entgegengerannt, indem er seinen Hut hoch über sich durch die Luft schwang. Links und rechts stoben jetzt die kolossalen Thiere in wilder Flucht auseinander und suchten das Weite, während der verwundete Büffel sich wieder auf seine Vorderfüße erhoben hatte, seinen wüthenden Blick auf Daniel richtete, und Anstrengungen machte, ganz aufzustehen. In diesem Augenblick krachten aber die Büchsen der beiden Jäger zugleich, und, durchs Herz geschossen, sank der Büffel todt zur Erde nieder. [Illustration] Der Jubel Carls war groß, als er das ungeheure Thier hingestreckt vor sich liegen sah. »Sie haben ihn sehr gut getroffen, junger Herr; Ihre erste Kugel würde ihn schon nach kurzer Zeit getödtet haben, doch es war besser, daß wir ihm noch Eins gaben. Ihr zweiter Schuß ist ihm durchs Herz gegangen,« rief Daniel freudig, indem er sein Messer aus der Scheide zog. »Das heißt, wenn es Dein Schuß nicht war, der ihn ins Herz getroffen hat,« entgegnete Carl lachend. »Nein, wirklich, junger Herr, ich habe etwas zu weit nach hinten geschossen; sehen Sie, dies ist meine Kugel,« sagte der Neger, indem er auf eine blutige Wunde zeigte, welche auf den Rippen des Thieres saß; denn er wollte Carl die Freude lassen, daß er allein den Büffel erlegt habe. Er schnitt nun schnell dem Thiere die Zunge unter der Kinnlade heraus, da seine und Carls Kräfte nicht hinreichten, demselben das Maul zu öffnen, spaltete dann die Haut auf dem Höcker, welcher sich über den Schultern des Büffels erhob, und löste ihn von dem Rücken ab. »Dies ist das beste Stück am ganzen Thiere, sehen Sie nur, wie es mit Fett durchwachsen ist,« sagte Daniel, indem er dasselbe und die Zunge mit einem Seil zusammenband und über die Schulter hing. »Was sollen wir denn aber mit dem übrigen Fleische anfangen?« fragte Carl. »Wir überlassen es den Wölfen zum Abendbrod, Sie werden hören, welche Musik sie dabei anstimmen; bis morgen früh ist Nichts mehr vom Büffel übrig, als die Knochen,« entgegnete Daniel. »Das ist ja aber schade, das viele, gute Fleisch,« bemerkte Carl. »Ja freilich, wir können es aber doch nicht mitnehmen,« entgegnete Daniel und schritt nun eilig voran, auf kürzestem Wege den Lagerplatz zu erreichen. Der letzte Tagesschimmer war verschwunden, und das Mondlicht zeigte den Jägern die Richtung, die sie zu nehmen hatten. Schon von Weitem sahen sie den Schein des Lagerfeuers, wie es sich auf der hohen, dunkelgrünen Wand des Urwaldes spiegelte, und als sie näher herangeschritten kamen, rief Turner ihnen freudig entgegen: »Nun, Carl, hast Du einen Hirsch geschossen?« »Einen Büffel, einen ungeheuren Büffel, Onkel, noch einmal so groß wie unsere Stiere,« antwortete Carl überglücklich. »Ei, was Tausend, wirklich, einen Büffel? den muß ich mir doch morgen früh auch einmal betrachten,« sagte Turner. »Das wird wohl nicht möglich werden, denn Daniel sagte, daß die Wölfe ihn in dieser Nacht vollständig verzehren würden,« entgegnete Carl, als der Neger herankam und die Beute in dem hohen Grase niederlegte. »Sieh, das ist ein guter Bursche gewesen, so feist trifft man sie nicht immer,« sagte Warwick, auf den Höcker blickend, »davon muß ich mir doch auch ein Stück ausbitten.« Hiemit stand der Alte auf, schnitt einige dünne Stücke von dem Fleisch ab, rieb sie mit Salz und Pfeffer ein, welches er in einer Büchse in der Kugeltasche mit sich führte, stieß sie an einen Stock, und stach denselben vor dem Feuer in die Erde, so daß das Fleisch über dessen Gluth schmorte. Turner, Carl und Daniel folgten seinem Beispiel und bereicherten mit diesem kostbaren Braten ihre Abendmahlzeit, welche aus von Hause mitgenommenem Fleisch und Zwieback bestand. Warwick hatte auch in einem großen Blechgefäß Kaffee gekocht, der, wenn auch ohne Milch und Zucker, Allen vortrefflich mundete. Nach dem Essen zündeten die drei Männer ihre Pfeifen an, und Warwick erzählte von den herrlichen Jagden, die er an diesem Flusse so oft gemacht hatte, als plötzlich ein lautes, gellendes Geheul ertönte, wie wenn es von hundert Kehlen angestimmt würde. »Hören Sie, junger Herr, jetzt wird Ihr Büffel verspeist; ich wette, daß in kurzer Zeit viele hundert Wölfe sich dabei einfinden. Sie kommen schon von allen Seiten,« sagte der Neger zu Carl, und wirklich wurde jetzt das Geheul weithin in allen Richtungen beantwortet. »Sage einmal, Daniel, könnten wir uns nicht zu ihnen hinschleichen und einen von ihnen schießen? ich möchte wohl einen Wolf in der Nähe sehen,« sagte Carl hochauflauschend. »Das möchte ich Ihnen doch nicht rathen, junger Freund,« entgegnete Warwick; »mit den kleineren Prairiewölfen würde es so leicht Nichts zu sagen haben, es dürften aber wohl auch von den großen weißen Wölfen welche darunter sein, und die verstehen keinen Spaß. Sie werden auch noch genug dieser Räuber in der Nähe zu sehen bekommen.« Trotz des immer zunehmenden Geheuls sanken doch die Lagernden bald auf ihre wollenen Decken nieder und verbrachten die Nacht in ungestörtem wonnigen Schlafe. Der anbrechende Tag aber fand sie schon mit Zubereitung des Frühstücks beschäftigt, wobei der Büffelhöcker wieder in Anspruch genommen wurde, und ehe noch die Sonne über der flachen Ferne auftauchte, saßen die Reiter wieder zu Roß, um das weitere Land in Augenschein zu nehmen. Als sie in die Nähe des Ortes kamen, wo der Büffel lag, erblickten sie noch einzelne Wölfe, die bei ihrer Annäherung davon flohen; aber von dem erlegten Thiere war Nichts mehr übrig, als das Skelett. »Das muß ja ein riesenhafter Büffel gewesen sein, wie viel sollte er wohl gewogen haben?« sagte Turner, indem er mit Verwunderung auf das ungeheure Knochengebäude schaute. »Er ist sicher achtzehnhundert Pfund schwer gewesen,« entgegnete Daniel, und sprang dann mit den Worten vom Pferde: »Ich will aber doch seine Hörner mitnehmen, es ist Ihr erster Büffel, junger Herr, von dem Sie ein Andenken haben müssen, ich werde Ihnen ein Trinkhorn und ein Pulverhorn daraus verfertigen.« Nun hieb er mit dem kleinen, sehr scharfen Beile, welches er in einer ledernen Scheide am Sattel hängen hatte, schnell die kurzen, breiten Hörner von dem Schädel, und folgte dann mit Carl im Galopp den beiden Andern, die in raschem Schritt vorangeritten waren. Turner blickte staunend und stumm bald über die in der frischen Morgenluft wogende Prairie, bald nach dem zweihundert Fuß hohen Urwald; eine so reiche, üppige Vegetation hatte er bis jetzt noch nicht gesehen. Dabei prangte die Grasflur, so weit das Auge reichte, durch ihre Blumen in den prächtigsten, buntesten Farben, und der lieblichste Blüthenduft umwehte die Reiter. In allen Richtungen sah man Rudel von Hirschen und Antilopen weiden, und mehrere Züge wilder Pferde wurden sichtbar. Der Urwald dehnte sich oft in Spitzen weit in die Prairie hinaus und wich dann wieder in tiefen, schattigen Buchten zurück; hier hatte noch niemals eine andere Axt als die eines Jägers einen Baum gefällt, und die zerstörende Hand der Civilisation hatte der Urschönheit der Natur noch keinen Abbruch gethan. Wie seit Jahrtausenden dieser Wald im ewigen Aufkeimen und Absterben seine Kronen dichtverschlungen gegen den Himmel emporgehalten hatte, so überschattete er noch jetzt die zur Erde gefallenen Riesenstämme und die nach dem Lichte aufstrebenden jungen Schößlinge. Warwick, der das Erstaunen Turners bemerkte, unterbrach das Schweigen und sagte: »Nicht wahr, ich habe Ihnen nicht zu viel von diesem Lande erzählt? es ist bedeutend besser als das unserige am Choctawbache. Ich hätte mich gern selbst hier angesiedelt, damals aber war es mir noch zu gefährlich, und jetzt mag ich den Ort, wo ich so viel Arbeit gethan habe, nicht wieder verlassen. Solches Land wie dieses ist wohl werth, daß man Etwas darum wagt.« Turner gab nun seiner Verwunderung und seiner Freude Worte, und erklärte sich bereit, alle seine Kräfte aufzubieten, um sich hier zu behaupten, wobei ihm Warwick wiederholt die Versicherung gab, daß er und seine Nachbarn ihm treulich mit Rath und That beistehen würden. Während mehrerer Stunden folgten sie dem Laufe des Flusses an der Außenseite des Waldes, und erst als die Sonnenstrahlen drückend wurden, bogen sie auf einem Büffelpfade in den Wald ein, um denselben zu durchschreiten und dann das Land an der anderen Seite zu besichtigen. Wie mit einem Netz sind diese westlichen Länder Amerika's mit uralten Büffelpfaden überzogen, und sie allein gestatten es dem Wanderer, die undurchdringlichen Waldstriche zu durchziehen. Der Pfad, auf dem unsere Reiter in den Wald eindrangen, kam weit aus der Prairie her, und war selbst auf dem festesten Boden mehrere Fuß tief eingetreten, während seine Breite nur _einem_ Pferde Raum gab, darin zu gehen. Warwick ritt voran und nahm dabei sein schweres Jagdmesser in die Hand, um diejenigen Ranken damit zu durchhauen, welche von den Bäumen herab über den Pfad hingen und welche er nicht zur Seite schieben, noch ihnen ausweichen konnte. Tiefer in dem Walde aber wurden die Weinranken und Schlingpflanzen über dem Wege immer zahlreicher, so daß die Reiter sich genöthigt sahen abzusteigen und ihre Pferde zu führen, damit sie den Büffeln es nachmachen konnten, die gebückt unter dem Geflecht hingehen, wie die allenthalben an den Dornen und Ranken hängenden lockigen Haare dieser Thiere bezeugten. Der Weg wand sich wie eine Schlange zwischen den riesigen Baumstämmen hin und her, das hohe Laubdach wölbte sich immer dichter, und immer üppiger und kräftiger erhoben sich die Pflanzen aus der schwarzen Walderde, je näher man dem Flusse kam. Wie Blumengewinde schwangen sich die buntblühenden Lianen von Baum zu Baum, von Ast zu Ast, und hingen leicht und graziös aus der höchsten Höhe herab, oder schlangen sich um die kolossalen Weinranken, die wie Riesenschaukeln auf und niederstiegen. Oft sperrte der ungeheure Stamm eines umgefallenen Baumes den Pfad, so daß die Reiter sich einen weiten Umweg um ihn bahnen mußten, und hier und dort hing ein solcher Koloß der Pflanzenwelt schwebend in tausend Ranken, die ihn in seinem Sturz aufgehalten hatten und an denen er seine Nachbaren zu sich niederbeugte. Nur einzeln stahl sich ein Sonnenstrahl durch die dichten Baumkronen und blitzte auf dem silbergrauen glänzenden Schaft einer Magnolie, auf dem weißgelben Stamm einer Platane; doch das Licht war nicht hinreichend, das wohlthuende Halbdunkel des Waldes zu verscheuchen. Eine reine wunderbar labend kühle Luft füllte den grünen Raum, und die heimliche Stille und Ruhe in demselben wurde nur durch das Brausen des Flusses unterbrochen, der wild schäumend in seinem felsigen, dreißig Fuß tiefen Bett dem rothen Strome zueilte. »Wie ganz anders ist es in diesen Wäldern, als in denen von Arkansas, Onkel,« sagte Carl zu Turner, welche Beide ihre Hüte abgenommen hatten und ihre Schläfe von der duftigen frischen Waldluft umwehen ließen. »Die Wälder in diesen Gegenden bergen keine stehenden Gewässer, keine Sümpfe, wie die in jenem Lande, und darum giebt es keine so bösartigen Fieber hier, als dort,« antwortete Turner, »wir können dem gütigen Gott nicht genug danken, daß er uns hierher leitete. Sieh, Carl, was wir oft im Leben als das größte Unglück betrachten, was wir gar nicht glauben ertragen zu können, was uns wohl verzweifeln lassen will: nach einiger Zeit finden wir aus, daß es gerade zu unserem Besten gewesen, daß ein großes Glück für uns daraus entstanden ist. Hätten wir meinen Vetter Victor bei unserer Ankunft in Amerika noch am Leben getroffen, so würden wir uns sicher bei ihm niedergelassen haben, und vielleicht hätte Viele von uns dort dasselbe Schicksal erreicht, welches ihm ein so frühes Ende bereitete. Ohne daß wir das Geld in der Bank verloren hätten, würden wir niemals unsern treuen lieben Freund Daniel bekommen haben, und ohne ihn wären diese gesunden herrlichen Länder uns vielleicht nie bekannt geworden. Darum, Carl, was Dir auch im Leben begegnen mag, sei es noch so hart und niederschlagend, gieb niemals die Ueberzeugung auf, daß Gott es zu Deinem Besten lenken wird.« Der Anblick des Bärflusses, den die Reiter jetzt erreichten, unterbrach Turner in seiner Rede, und mit der größten Ueberraschung blickte er und Carl auf die pfeilschnell dahineilende Fluth, die so klar und so durchsichtig war, daß man in der tiefsten Tiefe jeden Stein, jeden Fisch, jede Schildkröte auf dem Grunde erkennen konnte, und daß man, wenn keine Bewegung in dem Wasser gewesen wäre, jedenfalls darüber in Zweifel gekommen sein würde, ob überhaupt Wasser in dem Flußbette sich befinde, oder nicht. Die Bewunderung, die man dem herrlichen Gewässer zollte, wurde aber plötzlich auf etwas Anderes gelenkt, was die Aufmerksamkeit aller vier Reiter in Anspruch nahm. Pluto nämlich stöberte in diesem Augenblicke einige hundert wilde Truthähne von dem Ufer des Flusses aus den Büschen auf, so daß das donnerähnliche Prasseln ihrer Flügel die Pferde erschreckte. Wie Raketen stiegen sie gerade in die Höhe und schwangen sich nach allen Seiten hin auf die höchsten Aeste der umstehenden himmelhohen Bäume. Schnell gaben die Reiter die Zügel ihrer Pferde an Daniel, und eilten mit ihren Büchsen in verschiedenen Richtungen durch das Dickicht, um sich solchen Bäumen zu nähern, auf denen diese riesigen Vögel standen. Carl folgte dabei dem Gebell Pluto's, der auf einer kleinen Blöße im Kreise um eine ungeheure Cypresse sprang und, an ihr hinaufsehend, seine Stimme ertönen ließ. Auf den gewaltigen Aesten, die der Riesenbaum weit über den Fluß hinausstreckte, standen wohl einige zwanzig Truthähne und schauten, ihre langen Hälse niederbeugend, nach dem bellenden Hunde. Carl hatte den Baum bald erreicht, richtete seine Büchse nach der luftigen Höhe, und mit dem Krach des Schusses stürzte ein mächtiger Hahn von dem Aste herab und fiel schwirrend und flatternd in den Fluß hinein. Carl sprang schnell an das Ufer, um Pluto hinter dem Vogel herzusenden. Dieser trieb auf der Fluth, indem er dieselbe mit den Flügeln peitschte, und der Hund, der ihn jetzt gewahrte, sprang von dem hohen Ufer hinab, um ihn für seinen Herrn an das Land zu holen. Die Strömung nahm sie Beide rasch mit sich fort, Pluto kam dem Hahn aber bald näher, und hatte ihn in einer Biegung des Flusses bis auf wenige Schritte erreicht, als ein großer Alligator plötzlich unter dem Ufer hervorschoß, vor dem Hunde auf der Oberfläche des Wassers erschien und seinen furchtbaren Rachen nach dem Vogel öffnete. Carl, der auf dem Ufer gefolgt war, hatte kaum das verhaßte Thier erkannt, als er seine Büchse auf dasselbe richtete und ihm eine Kugel in den gepanzerten Rücken schoß. Der Alligator jedoch ließ sich nicht in seinem Raub stören, sondern ergriff den Truthahn mit den grimmigen Zähnen und sank mit ihm in der klaren Fluth am Ufer hinab, bis er unter demselben verschwand. Carl hatte Pluto mit Angst und Schrecken aus dem Flusse zurückgerufen, und schaute verdrießlich nach dem Platze im Wasser, wo der Räuber mit der Beute sich seinen Blicken entzogen hatte, welcher Fleck durch aufsteigenden Schlamm bezeichnet wurde. Da traten Turner und Warwick, ein jeder mit einem geschossenen Hahn beladen, zu dem Knaben, und erfuhren nun von ihm das Mißgeschick, welches ihn betroffen hatte. Dabei blickte derselbe betrübt auf die beiden prächtigen Vögel, welche die Männer erlegt hatten und sagte schließlich: »Daß ich aber auch solch Unglück haben muß!« »Sage lieber solch Glück, Carl. Denke Dir nur, wenn der Alligator statt des Vogels Deinen Hund erfaßt und mit sich fortgenommen hätte, wäre das nicht viel schlimmer gewesen? Außerdem muß man nicht täglich und fortwährend nur auf Gelingen seiner Unternehmungen rechnen; hast Du denn schon vergessen, daß Dir das Jagdglück gestern Abend so sehr hold war?« sagte Turner liebevoll zu Carl und strich ihm über die Wangen, worauf dieser des Onkels Hand ergriff und sie küßte, als danke er ihm für seine Zurechtweisung. Sie schritten nun am Ufer hin bis zu Daniel zurück, und bestiegen dort wieder ihre Pferde, während der Neger die beiden erlegten Vögel an seinen Sattel befestigte. Der Büffelpfad war sehr tief in das Ufer eingetreten, so daß er nicht allzusteil nach dem Flusse hinabführte, dessen Grund man in der kristallhellen Fluth ganz deutlich erkennen konnte. »Halten Sie Ihre Büchsen und Kugeltaschen in die Höhe, damit dieselben nicht naß werden, wenn die Pferde in das Wasser sinken,« sagte Warwick zu seinen Gästen. »Das wird hier wohl kaum nöthig sein, das Wasser reicht meinem Pferde ja nicht bis an den Sattel,« entgegnete Turner und blickte Warwick verwundert an. »Irren Sie sich nicht,« sagte dieser, »das Wasser ist hier wenigstens zehn Fuß tief, man läßt sich durch dessen Klarheit sehr leicht täuschen. Ich will voranreiten, damit Sie sehen, wie tief es ist.« Hiemit lenkte er sein Pferd zu dem Flusse hinab und in denselben hinein, wo es sofort mit dem schweren Manne auf seinem Rücken bis an den Kopf versank. Gleich aber tauchte es wieder bis zur Oberfläche empor, und trug seinen Reiter in wenigen Augenblicken auf das jenseitige Ufer. Turner, der ihm folgte, sank beim Hineinreiten in den Fluß bis unter die Arme in das Wasser, Carl jedoch, dessen Gewicht das Pferd nicht so sehr drückte, wurde kaum bis an den Leib naß. Die Büchsen, Kugeltaschen und Pulverhörner waren aber nach Warwicks Rath vor Nässe bewahrt worden. »Das war doch tiefer, als ich gedacht hatte,« sagte Turner, auf seine Füße schauend, von denen das Wasser aus seinen Kleidern in Strömen herabfloß. »Ich bin wirklich bis unter die Arme naß geworden.« »Das muß man an der Frontier gewohnt werden,« entgegnete Warwick sich schüttelnd. »Es thut auch keinen Schaden in diesem Klima; in einer halben Stunde sind Sie wieder trocken.« »In meinem Vaterlande dürfte man es freilich nicht wagen, so in dem nassen Zeug zu bleiben, man würde sich eine Krankheit dadurch zuziehen,« bemerkte Turner. »Darüber können Sie sich beruhigen, das Bad wird Ihnen sehr gut bekommen. Lassen Sie uns nur weiter reiten, der Wald ist hier nicht mehr breit und in der Prairie jenseits soll uns die Sonne bald genug trocknen,« antwortete Warwick und ließ, wo es die Schlingpflanzen ihnen gestatteten, sein Pferd tüchtig ausschreiten. Nach Verlauf von einer Viertelstunde zeigte sich auch in der Ferne vor den Reitern eine Oeffnung in den dichten dunkeln Baummassen, durch welche der Pfad, wie durch eine Pforte hinaus in die, mit hellem blendenden Sonnenlichte bedeckte Prairie führte. Als Warwick diese Oeffnung erreichte und sein Pferd mit ihm unter den weitausgestreckten Aesten einer uralten Eiche in das Freie hinaus schreiten wollte, hielt er es plötzlich an und sagte, indem er sich zu seinen Gefährten umwandte: »Jetzt aber, Herr Turner, sollen Sie Büffel sehen! Seit langer Zeit bin ich so zahlreichen Heerden nicht begegnet. Schauen Sie nur über die Prairie; alle jene schwarzen Striche bis in die weite Ferne sind Büffelheerden.« Hierbei zeigte er mit der Hand über die unabsehbare Grasflur. Nur wenige hundert Schritte vom Walde weideten wohl über tausend Büffel in einer Heerde zusammen, die sich um die anderen, weiterhin grasenden nicht zu kümmern schienen; denn als die vier Reiter sich vor dem Walde zeigten, hoben sie sämmtlich ihre Köpfe aus dem Grase hervor und schauten verwundert nach den Fremden hin, während hier und dort die Heerden sich in einen schwerfälligen Galopp setzten und davon jagten. So weit das Auge reichte, war die Prairie von diesen riesigen Thieren belebt, und zwischen ihren einzelnen Abtheilungen sah man Rudel von wilden Pferden, von Hirschen und von Antilopen weiden. »Hier kommt Niemand in die Gefahr, Hunger zu leiden,« sagte Warwick, der das Erstaunen seines Gastes bemerkte. »Es würde uns ein Leichtes sein, zwischen eine solche Heerde hineinzujagen, und ein Dutzend dieser Thiere zu erlegen. Die Weide hier muß einen eigenen Reiz für sie haben, denn wenn man weit und breit kein Wild antrifft, hier geht man niemals fehl.« »Wollen wir nicht einmal dazwischen sprengen und ein Paar Büffel schießen?« sagte Carl, indem er mit strahlendem Blick auf die immer noch unbeweglich dastehenden Thiere sah. »Es würde unsre Pferde ermüden und uns von dem eigentlichen Zweck unseres Rittes abziehen,« entgegnete Warwick. »Und wir würden ja auch gar keinen Nutzen von den erlegten Thieren haben, da wir Fleisch nicht mit uns nehmen können; nur um des Vergnügens willen muß man kein Geschöpf tödten,« bemerkte Turner freundlich, und Carl stellte sich damit zufrieden, obgleich er gar gern seinem Falben die Zügel hätte schießen lassen. Sie ritten nun in die Prairie hinaus und folgten dem Waldsaume, während die Büffelheerde, die sie so verwundert betrachtet hatte, sich jetzt in Galopp setzte und ihren Kameraden nacheilte. Abschnitt 4. Das Land zur Niederlassung. -- Die Wölfe. -- Die Pferdediebe. -- Die hölzerne Festung. -- Das Kanoe. -- Das Feld. -- Fischfang. -- Die Bärenjagd. -- Die Felle. -- Der Jaguar. -- Der vermoderte Baum. Die Gegend gewährte den Reitern während mehrerer Stunden fortwährend denselben Anblick: zu ihrer linken Seite stand der prächtige Urwald, wie eine hohe grüne Mauer, und zu ihrer rechten lag die üppige Prairie, deren Ende mit der duftigen Ferne verschwamm. Vor ihnen aber stieg jetzt über dem äußersten Rand der Grasflur ein Wald auf, der sich wie blaues Gewölk von Westen her nach dem Bärflusse zog und den Warwick als das Gehölz bezeichnete, welches die Ufer eines Baches bedeckte. Dieser Bach wurde der Pflaumenbach genannt, wegen der unglaublich vielen wilden Pflaumen, die auf seinen Ufern wuchsen; er kam mehrere Stunden weit aus der Prairie und ergoß sich in den Bärfluß. Nachmittags erreichten die Reiter das Gehölz, welches den Bach in seinem tiefen Schatten verbarg und welches hier, wo es im rechten Winkel auf den Wald am Bärfluß stieß, mehrere tausend Schritte breit war. Ein Büffelpfad, dem die Jäger schon seit einigen Stunden gefolgt waren, führte gerade in das Holz hinein und auf ihm langten sie sehr bald an dem herrlichen silberklaren Bache an, der nahebei rauschend in den Bärfluß stürzte. Nicht umsonst wurde er Pflaumenbach genannt, denn da, wo die Reiter ihre Pferde in demselben tränkten, waren die Ufer allenthalben mit Pflaumenbäumen bedeckt, die ihre mit herrlichen blauen Früchten beladenen Aeste weit über das Wasser hinausstreckten. Dasselbe war nicht tief, so daß die Reiter unter die herabhangenden Zweige reiten, und sich nach Herzenslust an den Pflaumen laben konnten. Ihre Kleidung war wieder ganz trocken geworden und die Kühlung, welche sie hier in dem dunkeln Schatten des über ihnen geschlossenen Waldes duftig und belebend umwehte, that ihnen nach dem langen Ritt in der brennenden Sonne außerordentlich wohl. Nachdem sie selbst und ihre Pferde sich erfrischt und erholt hatten, folgten sie wieder dem Büffelpfad, der sie an der andern Seite des Holzes abermals in die Prairie führte und sich an dem hohen Walde des Bärflusses hinzog. Hier hielt Warwick sein Pferd an und wandte sich mit den Worten zu Turner: »Sehen Sie, Herr Turner, dies ist das Stück Land, welches ich so gern zu meiner Niederlassung gewählt haben würde und welches ich jetzt Ihrer Beachtung empfehle. Gerade in diesem Winkel, wo der Wald des Baches auf den des Bärflusses stößt, liegt der reichste Boden, der mir auf weit und breit bekannt ist; schauen Sie nur, welch üppiger Graswuchs und welch riesige Pflanzen hier stehen; die Sonnenblumen reichen ja viele Fuß über unsere Köpfe hinaus. Hier in dieser Ecke, dachte ich, sollten Sie Ihr Feld anlegen und dort einige tausend Schritte weiter am Walde hin, wo der Bärfluß sich aus demselben hervorwindet und sich an die Prairie anlehnt, würde ein sehr passender Platz für Ihre Wohnung sein. Lassen Sie uns hinreiten, damit Sie denselben selbst in Augenschein nehmen.« Hiermit ritt Warwick durch das hohe Gras voran, welches ihm bis an den Sattel hinaufreichte, und bald hielt er mit seinen Gefährten auf dem steilen, dreißig Fuß hohen Ufer, unter welchem die brausende Fluth des Bärflusses wild tobend dahineilte. Der Platz bestand aus einem Hügel, der wohl funfzehn Fuß über der anderen Uferfläche erhaben war und hierdurch einen weiten Blick über die flache Prairie gewährte. Auf der Höhe standen mehrere dichtbelaubte rothe Ulmen, welche den Hügel beschatteten, und an seiner Abdachung nach dem Pflaumenbache hin rieselte ein frischer kühler Quell aus zu Tage liegendem Gestein hervor. Etwas weiter, nur etwa hundert Schritte von dem Hügel, wand sich der Bärfluß wieder in den Wald hinein. »Sie haben hier alle Vortheile, die Sie wünschen können,« nahm Warwick wieder, zu Turner gewandt, das Wort. »Sie übersehen die ganze Prairie, den Quell hier am Fuß des Hügels können Sie mit in Ihre Einzäunung fassen, diese prächtigen Ulmen geben Ihnen den herrlichsten Schatten, dort unten, wo der Fluß in den Wald einbiegt, haben Sie auf diesem Ufer so viel Holz in Ihrer Nähe, wie Sie nur bedürfen, und von da aus bis an den Pflaumenbach können Sie Ihr Feld in beliebiger Größe anlegen. Außerdem haben Sie hier im Flusse eine Wasserkraft, die hinreicht, irgend ein Mühlwerk zu treiben. Ich für meinen Theil könnte mir keinen passenderen und angenehmeren Platz wünschen.« »Auch mir sagt er in jeder Weise zu und ich bin Ihnen unendlich dankbar dafür, Herr Warwick, daß Sie mich hierher geführt haben. In Gottes Namen will ich denn hier den Meinigen die neue Heimath gründen und mag er mich dabei gnädig beschützen und mir die Kräfte verleihen, mein Ziel zu erreichen,« entgegnete Turner und hielt Warwick die Hand zum Danke hin. »Und auf uns am Choctawbache dürfen Sie zu jeder Zeit rechnen, wir werden Ihnen gute Nachbarn sein,« erwiederte Warwick, indem er Turner die Hand schüttelte. »Es ist eine etwas weitläufige Nachbarschaft,« sagte Turner lächelnd, »und doch wird sie mir ein Trost werden.« »Seien Sie guten Muthes, Sie werden hier nicht lange allein bleiben; es kommen sicher bald mehr Ansiedler in unsere Gegend, und am Choctawbache nehmen wir sie nicht auf, wir senden sie Alle hierher zu Ihnen!« antwortete Warwick und sagte dann, indem er sein Pferd den Hügel hinab lenkte: »Nun wollen wir aber den ersten Büffelpfad durch den Wald einschlagen, damit wir nicht zu spät nach Hause kommen.« Er ritt nun mit seinen Gefährten am Ufer hin, bis wo der Fluß aus dem Holze hervorkam, und folgte dann wohl eine halbe Stunde weit dem Waldsaum bis zu einem tief ausgetretenen Büffelpfade, der aus der Prairie in denselben hineinführte. Daniel war der Letzte im Zuge, und wollte eben hinter Carl her in den Wald einlenken, als er diesem zurief: »Halt, junger Herr, steigen Sie schnell ab, vielleicht können Sie einen Wolf schießen; dort kommt ein ganzes Rudel hinter einem Büffel her. Schnell, schnell!« Zugleich stieg er vom Pferde, führte dasselbe in den Wald und ergriff den Zügel des Falben, während Carl absprang und hinter dem letzten Baume an die Prairie trat. Ein lautes Wolfsgeheul, welches jetzt zu Carls Ohren drang, lenkte seinen Blick weit über die Prairie, wo er einen Büffel erkannte, der im Sturmlauf herangesaust kam. Derselbe hatte nur noch wenig Vorsprung vor einer Schaar Wölfe, die ihm nachfolgte. Sie kamen schnell näher, das Geheul wurde immer lauter, immer wüthender, und immer größer wurde die Anstrengung des Büffels, den Wald zu erreichen. Er kam in gerader Richtung auf Carl zu, wie es schien, um dem Pfad zu folgen. Seine Flanken waren mit weißem Schaum bedeckt, seine brennendrothe Zunge hing ihm weit aus dem Maule hervor und die Erde dröhnte unter seinen schwerfälligen, doch sehr flüchtigen weiten Sprüngen. Die wüthende Schaar hinter ihm hatte ihn bis auf wenige Schritte erreicht und schwärmte heulend nach beiden Seiten auseinander, um ihm in die Flanken zu fallen. Es waren wohl vierzig von den kleinen Prairiewölfen, doch ihnen voran setzte ein ungeheurer weißer Wolf, der jetzt mit geöffnetem Rachen den Büffel erreichte. In diesem Augenblick blitzte es aus Carls Büchse, der weiße Wolf überschlug sich heulend, der Büffel schreckte zur Seite, dem nahen Dickicht zu, und die Schaar der Wölfe stob nach allen Richtungen hin auseinander. Carl sprang hinter dem Baume hervor, richtete sein Geschoß auf einen fliehenden glänzend schwarzen Wolf, und als das Feuer aus dem Laufe fuhr, rollte derselbe kopfüber in das Gras. »Ei, ei, allen Respect vor Ihrem Schießen, junger Freund!« rief Warwick, der in die Oeffnung des Waldes geritten war, »wo haben Sie das gelernt? So in aller Flucht zwei Kugeln anzubringen, da muß der älteste Frontiermann seinen Hut abnehmen.« Dann wandte er sich nach Turner um und sagte: »Von solchen Schützen halten sich die Indianer gern entfernt; der Knabe wird Ihnen eine gewaltige Stütze werden.« »Das ist er mir in der That schon oft gewesen, wofür ich ihm vielen Dank schulde; er ist ein äußerst braver Junge,« erwiederte Turner, indem er nach Carl hinsah, der bei dem weißen Wolf stand und untersuchte, wohin er ihn getroffen hatte. Er warf ihn auf die andere Seite, um zu sehen, ob die Kugel auch durchgeschlagen sei und strich ihm mit der Hand das schöne weiße Haar glatt. Dann rief er dem Neger zu: »Daniel, sollen wir die Felle nicht mitnehmen?« »Wenn es Ihnen Freude macht, junger Herr, so will ich sie schnell abstreifen, es sind aber Sommerfelle, an denen das Haar nicht so gut ist, wie im Winter,« entgegnete der Neger. »Ach, laß sie uns mitnehmen, wir können sie doch wohl benutzen,« sagte Carl, und begann seine Büchse wieder zu laden. »Gern, gern,« rief Daniel, band schnell seinem Pferde die Vorderfüße zusammen und ließ es mit dem Falben im Grase gehen, und machte dann sich rasch an die Arbeit, um den Wölfen die Häute abzunehmen. Mit außerordentlicher Geschicklichkeit und Gewandtheit hatte er es bald vollbracht, hing die beiden Felle hinter seinen Sattel über das Pferd, schwang sich auf dessen Rücken und folgte seinen Gefährten in den Wald hinein. Die Sonne war eben versunken, als die Reiter Warwicks Niederlassung erreichten und dort mit großer Freude empfangen wurden. Die beiden prächtigen Truthähne und die Büffelzunge wurden der Hausfrau übergeben, und die beiden Wolfsfelle prangten während der Nacht ausgespannt bei dem Lagerfeuer, welches Carl und Daniel für sich errichtet hatten. Am folgenden Morgen ritt Warwick zu allen Ansiedlern am Choctawbache und forderte sie auf, dabei behülflich zu sein, für Turner die Häuser am Bärflusse zu erbauen. Zwei Tage später nahm dieser mit den Seinigen von Warwicks Familie Abschied, um das Ende seiner langen Wanderung zurückzulegen, wobei Warwick selbst und noch einige zwanzig Männer vom Choctawbache ihn begleiteten. Obgleich keine Spur von einem Wagen nach dem Bärflusse führte, so gelangten sie doch ohne große Schwierigkeit durch die offene Prairie bis an den Wald, in welchem jenes Wasser floß, hier aber mußte Halt gemacht werden, weil die Wagen nicht auf einem Büffelpfade den Wald durchziehen konnten. An dessen Saume unter einer schattigen Eiche wurde ein Feuer angezündet, bei welchem Madame Turner eine Mahlzeit bereiten wollte, während die Männer sich mit dem Aushauen eines Weges durch den Wald beschäftigten. Carl fehlte zwischen diesen nicht, und schwang seine Axt trotz einem der Männer. Warwick führte den Zug, um dem Wege die Richtung nach einer Stelle am Flusse zu geben, wo das Ufer nicht sehr steil und das Wasser seicht war. Alle größeren Bäume ließ man unberührt stehen, indem man den Weg hin und her zwischen ihnen durchwand, und hieb nur die dünneren Stämme und das Buschwerk dicht an der Erde ab. Beides wurde zur Seite in das Dickicht geworfen. Die Arbeit ging sehr rasch von Statten, weil Warwick für den Weg immer die lichtesten Stellen wählte, da es weniger darauf ankam, denselben so kurz wie möglich zu machen, als ihn mit der wenigsten Mühe herzustellen. Schon nach Verlauf von einigen Stunden war derselbe bis an den Fluß beendet, worauf die Männer zu Madame Turner zurückkehrten, um sich bei der Mittagsmahlzeit von der Arbeit zu erholen. Sie erlaubten sich aber nur eine kurze Rast, dann eilten sie wieder nach dem Flusse, um ihr begonnenes Werk zu vollenden. Das Ufer zu beiden Seiten desselben wurde nun abgetragen, so daß ein Wagen ohne große Schwierigkeit hinab- und hinauffahren konnte, und dann führten die Männer den Weg weiter durch das Holz nach der, westlich von demselben gelegenen Prairie. Die Sonne war noch nicht versunken, als sie die Arbeit vollbracht hatten und zu den Wagen zurückkehrten, die jetzt schnell bespannt und zur Durchfahrt durch den Wald in Bewegung gesetzt wurden. Nur ein guter Fuhrmann, wie es Daniel war, konnte mit dem langen Gespann von drei Paar Ochsen diese Fahrt ausführen, da die Biegungen des Weges zwischen den Bäumen hier oft sehr kurz waren. Es ging aber Alles gut, und noch strahlte das scheidende Tageslicht von dem glühenden Abendhimmel her über die dunkelnde Prairie, als die Wanderer aus dem düstern Walde hervorzogen und ihre künftige Heimath mit jubelnden Herzen begrüßten. Nicht weit von dem Platze, wo der Weg den Wald verließ, erhob sich der Hügel, welcher für die Ansiedlung ausgewählt war, und dorthin richtete sich jetzt der Zug. Mit einem herzinnigen »Gottlob« stieg Turner vom Pferde und »dem Allmächtigen sei es gedankt,« sagte Madame Turner, als sie ihr Gatte vom Wagen hob und sie, von Hoffnung und Vertrauen für die Zukunft beseelt, an seine Brust drückte. Bald war das Zelt an dem Hügel unweit der Quelle aufgeschlagen, ein Feuer vor demselben angezündet, ein anderes Feuer loderte auf dem Hügel empor, wo die Männer vom Choctawbache sich lagerten, und alle Zug- und Reitthiere weideten mit gebundenen Füßen in dem hohen saftigen Grase, welches den Boden in der Nähe des Lagers bedeckte. Mit freudigem beglückenden Gefühl stellte Madame Turner an diesem Abend die Töpfe, Pfannen und Kannen auf die Kohlengluth; es war ja das erste Mahl, welches sie in der so lang ersehnten neuen Heimath bereitete. Mit einem inbrünstigen Dankgebet zu Gott schlossen Turners erst spät in der Nacht die Augen, während die Männer vom Choctawbache auf dem Hügel um das Feuer herum so sorglos eingeschlafen waren, als ob sie in dem Schooße der Civilisation ruhten. Carl Scharnhorst und Daniel hatten sich ihre Ruhelager bei dem Feuer vor dem Zelte bereitet und zwar Carl auf der weißen Wolfshaut. Die Schläfer lagen so fest und unbeweglich, daß die Feuer nach und nach erloschen und kein Zeichen von Leben mehr im Lager zu erkennen war. Auch die Pferde und die Stiere hatten sich in dem Grase niedergelegt, um sich von des Tages Arbeit zu erholen, und nur das Brausen des Flusses unterbrach die Stille, die auf Wald und Flur lag. Der Mond stand hoch am Himmel und die dichten Ulmen warfen ihre schwarzen Schatten auf die sorglosen Schläfer. Da erwachte Carl, weil er glaubte, Pluto habe geknurrt. Er schlug die Augen auf und überzeugte sich, daß er sich nicht geirrt hatte; denn der Hund saß aufrecht und knurrte jetzt wieder, indem er unbeweglich in der Richtung auf die Pferde hinabblickte, die sich unterhalb des Hügels gelagert hatten. Carl setzte sich auf, und spähete aufmerksam weiter über die Thiere hinaus, da kam es ihm vor, als ob er in einiger Entfernung von denselben einen dunkeln Gegenstand sich langsam durch das Gras bewegen sähe. Bald glaubte er, sich getäuscht zu haben, dann aber wieder meinte er, er hätte es sich deutlich dort bewegen sehen. Er stieß Daniel leise an und weckte ihn, ohne Geräusch zu machen. »Daniel, ich sehe dort Etwas sich im Grase bewegen, dort hinter den Pferden, sollte das wohl ein wildes Thier sein?« sagte er leise zu dem Neger, und dieser hob sich auf seinem Arm empor und blickte eine Zeitlang regungslos nach dem bezeichneten Platze. Dann sagte er: »Das sind keine wilde Thiere, es sind wilde Menschen, es sind Indianer, die unsere Pferde stehlen wollen. Nehmen Sie ihre Büchse zur Hand, wir wollen ihnen doch einen Schreck einjagen.« »Es ist aber noch viel zu weit, um zu schießen,« flüsterte Carl. »Wenn sie aber in die Nähe der Pferde kommen, so wird es nicht mehr zu weit sein. Ich will es Ihnen sagen, wenn es Zeit ist, zu feuern.« »Aber die Tante wird sich erschrecken, Daniel, ich will es ihr schnell sagen, daß wir schießen wollen.« »So eilen Sie sich, und stehen Sie nicht auf; kriechen Sie auf den Knieen nach dem Zelte hin. Aber eilen Sie sich, die Kerls kommen schnell näher,« flüsterte Daniel, und Carl glitt auf Händen und Füßen durch das hohe Gras in das Zelt hinein. Nach wenigen Augenblicken kehrte er daraus zurück und schlich sich ebenso vorsichtig wieder an des Negers Seite, der ihm zuflüsterte: »Sehen Sie dort, junger Herr, über die beiden Schimmel hinweg, dort bewegt es sich jetzt, das müssen mehrere Indianer zusammen sein. Jetzt können Sie sie sehen, das Gras ist da nicht so hoch, wahrhaftig, es sind drei oder vier Kerls. Schießen Sie, es kann nicht viel weiter sein, als hundert Schritte; schießen Sie aber kein Pferd; jetzt, Feuer!« Der Blitz fuhr kaum aus dem Rohr, da sprangen sechs dunkle menschliche Gestalten hinter den Pferden aus dem Grase empor und flogen mit des Hirsches Schnelligkeit über die, vom Monde mit Tageshelle beleuchtete Fläche. »Jagen Sie auch die andere Kugel hinter den Spitzbuben her!« rief Daniel, und Carl gab abermals Feuer. Die Indianer aber verdoppelten nur noch ihre Eile und waren bald in der nebelichten Ferne verschwunden. Der Krach des ersten Schusses hatte die Schläfer aus ihrer Ruhe aufgejagt, Alle hatten zu ihren Waffen gegriffen, und als ihnen der zweite Schuß die Richtung zeigte, wo der Feind zu suchen sei, so erkannten auch sie die fliehenden Indianer, und schossen sämmtlich noch ihre Büchsen nach ihnen ab, obgleich sie schon längst außer dem Bereiche der Kugeln waren. »Die Schurken haben wenigstens das Blei pfeifen hören und kommen nun sobald nicht wieder; es hat öfterer geknallt, als sie erwartet hatten,« rief Warwick in seinem Zorn, und setzte dann, indem er den Indianern die geballte Faust nachstreckte, noch hinzu: »Aber wartet, Ihr werdet hier am Bärflusse noch Blut lassen!« Auch Turner war gleich nach dem ersten Schusse aus dem Zelte hervorgekommen, und Daniel mußte nun den ganzen Hergang des Vorfalls berichten. »Laßt uns schnell auf die Gäule springen und ihnen nachjagen!« riefen mehrere der Männer, doch Warwick entgegnete ihnen: »Den Ritt können wir sparen. Die Schurken haben bereits das Dickicht am Pflaumenbach erreicht, dort werden sie ihre Pferde verborgen haben, und wir sollten wohl lange nach ihnen suchen. Sie kommen sobald nicht wieder; einige zwanzig Kugeln sind mehr, als sie lieben.« Turner schlug vor, die Pferde aus dem Grase zu holen und in der Nähe anzubinden, doch Warwick versicherte ihm, daß es jetzt unnöthig sei, diese Vorsicht zu gebrauchen. Er rieth, sich wieder zur Ruhe zu legen und war der Erste, der sich bei dem frisch angefachten Feuer auf seine Satteldecke ausstreckte. Die Nacht verging ohne alle Störung und der anbrechende Tag rief die Männer wieder zu der Arbeit. Madame Turner und Julie hatten schnell Kaffee gekocht, Maisbrod gebacken und Speck gebraten, das Frühstück wurde verzehrt, und Warwick führte seine Gefährten an dem Flusse hinunter, dahin, wo derselbe wieder in den Wald einbog. Dort begannen die Männer nun, auf dem diesseitigen Ufer Bäume zu fällen, um aus deren Stämmen die Häuser und Einzäunungen für die Ansiedler aufzuführen. Es wurde auch eine mächtige Cypresse gehauen, und von ihrem Stamme zwei Fuß lange Stücke abgesägt, welche Daniel mit einem Paar Ochsen nach dem Hügel schleifte. Diese Stücke wurden zu dünnen, breiten Brettern gespalten, welche als Schindeln zu den Dächern der Häuser verwandt werden sollten. Sobald die Bäume nun in größerer Zahl fielen, nahm auch Carl ein Paar Stiere, und schleifte die Stämme, so wie Daniel es that, zu dem Hügel hin. Vier Tage lang setzten sie Alle die Arbeiten unermüdet fort, und am fünften hatten sie bereits so viel Holz um den Hügel liegen, als nöthig war, die Ansiedelung zu gründen. Nun ging es an das Aufbauen der Häuser. Es wurden zwei Baumstämme von zwanzig Fuß Länge in gleicher Richtung vierzehn Fuß von einander entfernt auf die Erde gelegt, und dieselben durch zwei sechzehn Fuß lange Stämme mit einander verbunden, welche auf ihre Enden gehoben wurden, so daß sie zusammen ein Viereck bildeten. In dieser Weise wurden nun immer mehr Stämme aufeinandergelegt, bis dadurch die vier Wände eines Blockhauses zwölf Fuß Höhe erreicht hatten. Solche Häuser stellte man drei nebeneinander und zwar zehn Fuß von einander entfernt, und deckte über alle drei _ein_ Schindeldach, so daß auch die beiden Zwischenräume zwischen den Häusern mit dem Dache überdeckt wurden. Nun schnitt man mit der Säge Thüren und Fenster in die Holzwände, schnitt gleichfalls Oeffnungen in dieselben, wo die Kamine angebracht werden sollten, und führte von diesen Schornsteine von Holz, Lehm und Steinen auf. Die Thüren und Fensterladen wurden von gespaltenem Cypressenholz verfertigt und mit Eisenbeschlägen, welche Turner mitgebracht hatte, eingehangen. Als die Häuser nun auf der Höhe des Hügels unter den schattigen Ulmen fertig standen, begannen die Männer an der Aufführung der Pallisadenmauer. Rund um den Hügel wurde ein zwei Fuß tiefer Graben angebracht, so daß er sich mit seinen beiden Enden an den steilen Abhang über dem Flusse anlehnte, und in diesen Graben stellte man die Baumstämme dicht nebeneinander aufrecht hinein und warf ihn um dieselben mit Erde zu. Die in dieser Weise aufgeführte Mauer war vierzehn Fuß hoch, und alle Oeffnungen in derselben zwischen den Stämmen wurden mit Holz ausgefüllt. Der Eingang, den man an der Seite in dieser Einzäunung ließ, wurde mit einem starken Thor versehen, welches man innerhalb mit schweren Ketten verschließen konnte. Außerdem wurde in kurzer Entfernung von dieser hölzernen Festung eine Einzäunung errichtet, in welcher Nachts die Milchkühe und bei Tage deren Kälber eingesperrt werden sollten. Hiermit waren die Arbeiten vollbracht, welche die Männer vom Choctawbache für ihre neuen Nachbarn auszuführen übernommen hatten, und nach vierzehntägigem Aufenthalt bei ihnen nahmen sie nun Abschied und wünschten ihnen alles Glück und allen Segen zu ihrer Unternehmung. Warwick versprach, ganz in der Kürze das von Turner gekaufte Vieh hier abzuliefern, so wie den zugesagten Mais und die Hühner herzuschaffen, und für die Folge recht oft hier vorzusprechen, um zu sehen, wie es ihm und seiner Familie ergehe. Mit recht traurigen Herzen blickten Turners den Männern nach, und sahen sie auf dem neugeschaffnen Wege in dem Walde verschwinden. Es war ihnen, als ob sie aller menschlichen Gesellschaft Lebewohl gesagt, als wenn sie von der übrigen Welt Abschied genommen hätten. Sie waren allein in einer Wildniß, die nur von wilden Thieren und von feindseligen wilden Menschen bewohnt wurde, und es drängte sich ihnen ein unheimliches Gefühl auf bei dem Gedanken, daß vor ihnen nach Westen hin bis an das stille Weltmeer noch niemals ein weißer Mensch seine Hütte aufgeschlagen hatte. Um so sehnlicher wandten sich ihre Herzen nach den wenigen Niederlassungen am Choctawbache zurück, welche nun noch ihre einzige Stütze, das einzige Band zwischen ihnen und der civilisirten Welt blieben. Demohngeachtet war Turner weit davon entfernt, zu verzagen; der Gedanke, für das Wohl der Seinigen zu handeln, stählte seinen Willen, und das Gefühl, nun in der Wirklichkeit für sie thätig sein und schaffen zu können, gab ihm Muth und Zuversicht in seine eigene Kraft. Dabei stützte er sich auf die vielseitigen Erfahrungen, auf die Treue und Anhänglichkeit des braven Negers und zugleich auf die Hülfe Carls, den die Vorsehung erwählt zu haben schien, seiner Familie in der Noth als Retter zu erscheinen. Die erste Grundlage zu der Niederlassung war gelegt, Turners hatten ein Obdach und einen Schutz gegen einen ersten Angriff der Wilden; die eigentliche Arbeit aber, diesen Ort zu einer wirklichen Heimath umzugestalten, sollte jetzt erst beginnen, und mit allen Kräften gingen die Ansiedler an dies schwere Werk. Das Erste, was unternommen wurde, war die Anlage eines Gartens. Dies geschah unmittelbar neben der Festung an dem Ufer des Flusses, so daß das Wasser der Quelle, welche innerhalb der Pallisaden entsprang, durch den Garten nach dem Strome floß. Daniel hatte dort in wenigen Tagen zu diesem Zwecke ein kleines Stück Land mit einer Einzäunung umgeben, und mit Hülfe Turners und Carls dasselbe umgegraben, so wie die feste schwarze Erde, die der Prairie eigen ist, mit Mühe und Sorgfalt bearbeitet. Es wurden sogleich Beete angelegt und dieselben mit Erbsen, Bohnen, Melonen und Kürbissen, mit Kohl und Rüben bestellt, bei welcher Arbeit auch Arnold und Wilhelm fleißig halfen. Als am vierten Tage dieselbe beendigt war und man sich zum Mittagsessen in das Fort begeben wollte, kam Warwick mit einem leichten Wagen angefahren und brachte auf demselben den versprochenen Mais, die Hühner und eine Sau, während zwei seiner Söhne das von Turner gekaufte Vieh herantrieben. Die Freude der Ansiedler war groß, weil das Wiedererscheinen der Nachbarn ihnen das Gefühl gab, daß sie doch nicht so ganz verlassen seien. Die Kälber wurden in die dafür bestimmte Einzäunung gesperrt, während man deren Mütter sich selbst überließ, da man gewiß war, daß diese sich Abends bei ihren Kleinen einfinden würden. Die Hühner befreite man innerhalb der Festung und gab ihnen dort etwas Futter, die Sau wurde gleichfalls dort bewahrt, und für den Mais baute Daniel schnell ein kleines Häuschen aus leichten Stämmen, welches er mit Schindeln bedeckte. Warwick war sehr überrascht, als er in die Wohnung trat; denn in dem einen Zimmer fand er schon Tische und Bänke vor, welche Carl aus leeren Kisten verfertigt hatte, die Oeffnungen zwischen den Balken waren mit Stücken Holz ausgefüllt, und die Wände mit großen Leinentüchern behangen, von denen eine mit einem Spiegel in goldenem Rahmen prangte. An der Wand, der Thür gegenüber, hingen alle Waffen hübsch geordnet, so wie auch Sättel und Zäume, und Alles im Zimmer war sauber und nett, und gab Zeugniß von der Ordnungsliebe und dem Fleiß der Hausfrau. Die drei Nachbarn mußten sich mit zu Tische setzen und wurden dort bei dem sehr einfachen Mahle aufs Herzlichste willkommen geheißen. »Ihr Europäer richtet Euch doch, wohin Ihr auch kommen mögt, sofort behaglich und gemüthlich ein, während wir Amerikaner nur den Nutzen im Auge halten, und unsere eigene Bequemlichkeit und Annehmlichkeit darüber vergessen,« sagte Warwick, sich wohlgefällig umschauend, und heftete dann seinen Blick auf die schönen Waffen an der Wand. »Nun, beim Himmel, damit können Sie ja das Fort gegen eine ganze Armee vertheidigen,« rief er erstaunt aus, »das sind ja nicht weniger als sechszehn Gewehre und außerdem noch viele Revolver und Pistolen -- da braucht Ihnen wahrlich nicht bange vor den Indianern zu sein. Als ich zuerst nach dem Choctawbache zog, besaß ich Nichts an Waffen, als eine einfache Büchse und ein Jagdmesser. Demungeachtet rathe ich Ihnen die größte Vorsicht an, denn die Rothhäute sind schlau wie die Wölfe und grausam wie die wildesten Thiere. Nun, Daniel kennt sie ja hinreichend und weiß, wie weit man ihnen trauen darf.« »An Vorsicht soll es nicht fehlen,« entgegnete Turner, »und wenn die Wilden uns dazu zwingen, auch nicht an tapferer Gegenwehr.« »Sie thun besser daran, wenn Sie sich nicht erst von ihnen zur Nothwehr zwingen lassen, denn dann möchte es schon zu spät sein. Machen Sie es sich zum Grundsatz, jeden Indianer wie ein Raubthier zu betrachten und ihn zu tödten, wo und wie Sie können, er ist nichts anders, und ist auch nichts anders werth,« sagte Warwick etwas in Eifer, den auch die Röthe verrieth, die sein Gesicht überzog. »Das wäre wohl nicht ganz recht,« entgegnete Turner, »es sind doch Menschen, die uns nur darum feindlich entgegentreten, weil wir Weißen uns in den Besitz von Land drängen, welches sie als ihr Eigenthum betrachten. So sehr übel kann ich es ihnen nicht nehmen, wenn sie sich nicht geduldig davon verjagen lassen.« »Es sind Menschen,« sagte Warwick, »freilich, das ist nicht abzuleugnen; es sind aber wilde Menschen, die so wie die wilden Thiere, nur für die Wildniß bestimmt sind, und die ihr Recht auf das Land da verlieren, wo die Cultur erscheint. Die Erde ist doch sicher nicht dazu geschaffen, damit sie immer eine Wildniß bleiben sollte. Warum bauen sich denn die Rothhäute nicht auch an und leben ein friedliches gesetzliches Leben? dann würde sie Niemand von ihrem Stück Land vertreiben. Glauben Sie mir, der erste Schuß ist immer der beste; ich habe es stets so gehalten, und nur dadurch habe ich mich am Choctawbache behaupten können.« Die Unterhaltung bewegte sich während des Essens ausschließlich um die Wilden, es war Warwicks Lieblingsthema, und mit einem gewissen Stolze gab er eine Menge feindseliger Zusammentreffen mit den Indianern zum Besten, in denen er Sieger geblieben war. Daniel hatte sich nicht mit an den Tisch gesetzt, um den freundlichen Nachbarn durch seine Gegenwart nicht einen Anstoß zu geben. Madame Turner aber sandte ihm durch Julie die Speisen und den Kaffee in das andere Haus, wo er eine leere Kiste statt eines Tisches benutzte. Als die Sonne sich neigte, begaben sich Warwick und seine Söhne unter den Versicherungen treuester Nachbarschaft auf den Heimweg, und Turner eilte zu der Einzäunung, vor welcher die Kühe darauf warteten, daß man sie zu ihren Kälbern einlasse. Erstere wurden durch Madame Turner und Julie gemolken und in die Einzäunung gesperrt, während man die Kälber in das Gras trieb, damit sie noch bis zur Dunkelheit dort weiden konnten; denn während der Nacht wagte man es nicht, sie draußen zu lassen. Durch die große Menge Milch, welche die Kühe lieferten, war die Haushaltung sehr bereichert worden, und Madame Turner wußte sie in gar vieler verschiedener Weise zu verwenden. Die nächste Arbeit, welche man in Angriff nahm, war, ein Kanoe zu verfertigen, wozu ein ungeheurer Pappelbaum gefällt wurde. Ein zwölf Fuß langes Stück seines Stammes wurde auf der obern Seite platt gehauen und etwas ausgehöhlt, wonach Daniel ein Feuer darauf anzündete und dasselbe in fortwährender Kohlengluth erhielt. In dieser Weise brannte er den Stamm hohl, so daß er, nachdem dies geschehen, nur wenig mit dem Beil und dem Stemmeisen nachzuhelfen brauchte. Dann hieb er den Stamm äußerlich in die Form eines Schiffes, brachte ein Paar Bänke in demselben an, und bald schwamm es zu aller Freude leicht und beweglich auf der klaren Fluth des Bärflusses. Auf einer Stelle in nicht großer Entfernung vom Fuße des Hügels flachte sich das Ufer nach dem Wasser hin ab, so daß man dort die Pferde tränken konnte, und hier wurde das Kanoe mit einer Kette an einem Baum befestigt. Während Daniel das Boot anfertigte, schuf Carl ein anderes Werk von ebenso großem Nutzen; er baute nämlich ein Mühlenrad, und brachte dessen Welle auf einem kleinen Floß an, welches er auf dem Flusse zusammengefügt hatte, so daß die starke Strömung das Rad drehen mußte. Die Welle setzte er mit einer großen eisernen Maismühle, die Turner vorsichtigerweise früher angekauft hatte, in Verbindung, welche durch dieselbe in Bewegung gesetzt wurde und die viel mehr Maismehl lieferte, als die Ansiedler gebrauchten. Es wurde ihnen hierdurch die sehr beschwerliche Arbeit erspart, selbst täglich den Mais für den Brodbedarf zu mahlen. Nach Beendigung dieser Arbeit begann Carl einen Pflug zu bauen, wozu alles Eisenwerk fertig mitgebracht war. Turner und Daniel dagegen widmeten sich einer schweren Aufgabe, indem sie ein Stück des Waldes am diesseitigen Ufer zu einem Felde umschufen. Der Waldboden ist leicht zu bearbeiten und trägt gleich im ersten Jahre die reichste Maisernte, während ein Feld, in der Prairie angelegt, erst im dritten Jahre zum vollen Ertrag kömmt. Diese Erde ist zu fest und hart, als daß man sie gleich im ersten Jahre hinreichend lockern könnte. Die größeren Bäume des Waldes blieben stehen, wurden aber rundum einige Zoll breit von der Rinde entblößt, welches sie bis zum kommenden Frühjahr tödten mußte. Die kleineren Stämme und die Büsche wurden abgehauen und dicht um die großen Bäume aufgehäuft, um sie dort zu verbrennen, sobald sie trocken sein würden. Dann zäunte man das Feld ein, und da um diese Zeit der Pflug durch Carl hergestellt war, so wurde dasselbe zum ersten Male umgebrochen, um es während der Winterzeit so liegen zu lassen und im Frühjahr zu besäen. Neben diesen Hauptarbeiten führten die Ansiedler noch unzählige kleinere aus, die theils durch die Nothwendigkeit bedingt wurden, theils aber zur größern Bequemlichkeit verhelfen, oder auch nur Vergnügen bereiten sollten. So spannte zum Beispiel Daniel ein starkes Seil über den Fluß und befestigte es auf beiden Ufern an schwanke Bäume. An dieses Seil band er nun viele kurze, mit starken Angelhaken versehene Fischleinen, so daß dieselben in den Strom hinabhingen, und befestigte auch eine Metallschelle daran, die verkünden sollte, wenn sich ein Fisch gefangen habe und an dem Seile zuckte. Zu irgend einer Zeit, wenn Madame Turner nun Fische zu haben wünschte, wurden die Angelhaken mit Fleisch versehen, und es dauerte dann auch nie lange, bis die Glocke ertönte und man in dem Kanoe hinfuhr, um den gefangenen Fisch aus dem Strome zu ziehen. Der Reichthum dieses Wassers war unglaublich, es lebte von Fischen, deren viele ein Gewicht von dreißig Pfund erreichten, und es gewährte dem Auge einen überraschenden reizenden Anblick, dieselben in dem krystallklaren Elemente im Sonnenlichte in allen Farben schillern zu sehen. Auch die köstlichen Schildkröten, die dies Wasser zu Tausenden beherbergte, gelangten oft zu einem Gewicht von dreißig Pfund. Wenn Carl nun während des ganzen Tages unermüdlich arbeitete und jede Gelegenheit mit Liebe und Lust erfaßte, um sich nützlich zu machen, so gehörte doch stets der frühe Morgen und der späte Abend ihm, und wurde von ihm verwandt, um seiner Liebhaberei, der Jagd, zu folgen. Daniel war dabei immer, wenn es dessen Zeit erlaubte, sein treuer Begleiter, und bald ward der Wald, bald die Prairie von ihnen zusammen durchstreift. Bei diesen Ausflügen gestattete Daniel seinem jungen Freunde stets den ersten Schuß nach dem Wild, und half nur noch mit einer Kugel nach, wenn Carl dasselbe nicht gleich tödtlich getroffen, oder gar ganz gefehlt hatte. Der Neger war ein außerordentlich guter Schütz und seine Schnelligkeit im Gebrauch der Büchse hielt mit der seines Falkenauges gleichen Schritt. Oftmals wurde Carl dadurch so überrascht, daß er laut seine Verwunderung darüber aussprach, welches Daniel dann immer mit Lachen beantwortete und sagte, das sei noch eine Erinnerung aus seinem Indianerleben. Eines Abends, nachdem sie des Tages Arbeit beendet hatten, ritten sie vor Sonnenuntergang in die Prairie hinaus, um dort wo möglich noch einen Hirsch zu erlegen. Wie aber das alte Sprichwort sagt, »es ist alle Tage Jagdtag, aber nicht alle Tage Fangtag,« so kann man oft in dem besten Jagdrevier sich abmühen, ohne Beute zu machen. So ging es den beiden Jägern heute, und sie lenkten halb verdrießlich ihre Pferde zurück nach der äußersten Spitze des Waldes am Pflaumenbach, welche sich eine Stunde weit hinaus in die Prairie erstreckte und durch einige himmelhohe Pappeln und Cypressen auf viele Meilen weit zu erkennen war. Die Dämmerung zog schon über die Gegend, als sie diese Waldspitze erreichten und längs derselben hinritten, um nach Hause zurückzukehren. Hier standen die Bäume sehr einzeln, so daß man weit durch den Wald blicken konnte, dessen Boden hier nur mit niedrigem Grase bedeckt war und nur hier und dort einzelne Büsche trug. Daniel erzählte während des Reitens seinem jungen Gefährten von früheren Jagden und dieser hörte ihm aufmerksam zu, ließ aber demungeachtet seinen Blick dabei seitwärts durch den Wald schweifen. Plötzlich hielt er sein Pferd an und sagte leise zu Daniel: »Was ist das dort unter der Eiche, siehst Du den schwarzen Punkt nicht?« »Ein Bär, wahrhaftig; er hat uns noch nicht gesehen, schnell, springen Sie ab und schleichen Sie sich an ihn, der Wind ist günstig.« Im Augenblick war Carl von seinem Pferde und sprang, tief gebückt, von Baum zu Baum durch den Wald. Der Bär suchte Eicheln und stand mit dem Kopf von Carl abgewandt. Dieser kam ihm schnell näher und hatte ihn bis auf hundert Schritte erreicht, als er auf ein trockenes Reis trat, dessen Brechen und Knacken ihn selbst erschreckte. Er warf sich nieder, aber in demselben Augenblick setzte sich der Bär auf seinem Hintertheil auf, und blickte sich nach Carl um. Dieser hatte jedoch seine Büchse schon auf ihn gerichtet und gab Feuer. Der Bär rannte davon und Carl schoß auch den zweiten Lauf nach ihm ab, ohne ihn jedoch in seiner Flucht aufzuhalten. In diesem Augenblicke sauste Daniel zu Pferde an ihm vorüber und unter den Bäumen hin dem dichten Walde zu, um dem fliehenden Bären den Weg dorthin abzuschneiden, und Carls Falber stürmte ihm mit fliegenden Steigbügeln nach. Vergebens rief Carl dem Pferde zu, es folgte zügellos dem Kameraden, und bald war die wilde Jagd in der Richtung nach der Spitze des Waldes vor seinen Augen verschwunden, da der Bär sich vor dem heranjagenden Neger und dem losen Roß abgewandt hatte. Carl lauschte der Jagd, deren Richtung ihm durch den gellenden Ruf Daniels bezeichnet wurde, und begann seine Büchse wieder zu laden, während er mißmuthig schon in Gedanken sah, wie sein Gefährte nun ohne ihn den Bären erlegen würde. Da schallte abermals der wilde Jagdruf Daniels zu seinem Ohr und zwar in nicht so großer Entfernung; Carl blickte auf, und dort kam der Bär in weiten Sätzen unter den Bäumen hergerannt. Er kam geraden Wegs auf Carl zu, dieser hatte soeben die Kugeln in die Läufe gesteckt und den Ladestock hervorgezogen, um sie hinunter zu stoßen; konnte er noch fertig laden, bis das grimmige Thier ihn erreicht hatte? das war die Frage, die sich ihm aufdrang. Mit aller Macht stieß er die eine Kugel in den Lauf hinab, der Bär war nur noch fünfzig Schritte entfernt, jetzt stieß Carl die zweite Kugel hinunter, warf den Ladestock von sich und griff nach den Zündhütchen, da hatte ihn der Bär bis auf zwanzig Schritt erreicht und stieß, den furchtbaren Rachen weit geöffnet, ein dumpfes Wuthgebrüll aus. Carl spannte beide Hähne seiner Büchse, warf dieselbe an die Schulter, und im Knall stürzte der Bär über Kopf nieder. Im nächsten Augenblicke hob er sich wieder hoch auf seine Hinterfüße und, seine Vordertatzen nach dem Schützen ausstreckend, schritt er zähnefletschend auf ihn zu. Carl rührte sich nicht, er sah fest über den Lauf nach dem Kopfe des Bären, gab Feuer und das wüthende ungeheure Thier stürzte todt zu seinen Füßen. In fliegender Carriere kam Daniel herangejagt und stieß einen lauten Freudenschrei aus, als er den Bären niedersinken sah, denn die Gefahr, in der sein junger Freund schwebte, war ihm nicht entgangen; es war ihm aber nicht möglich gewesen, dem Bären geraden Wegs zu folgen, da dieser sich durch eine Reihe hoher Steinblöcke vor ihm geflüchtet hatte, die er zu umreiten genöthigt gewesen war. »Gratulire, junger Herr, das ist Ihr erster Bär, und ein feister Bursche ist es, er wiegt wenigstens achthundert Pfund,« rief Daniel, indem er vom Pferde sprang und Carl auf die Schulter klopfte, »das haben Sie gut gemacht, es war mir schon bange, Sie möchten den Kopf verlieren und sich auf die Flucht begeben; das Thier würde Sie in wenig Augenblicken eingeholt haben, auch selbst wenn Sie einen Baum erstiegen hätten. Diese schwarzen Bären klettern wie die Katzen, wohingegen die grauen, oder Grisleybären nicht klettern können. Nun aber, schnell nach Hause, wir müssen noch heute Nacht das Thier holen, damit die Wölfe es nicht zerreißen.« Bei diesen Worten zog Daniel seine Jacke aus und warf sie über die Jagdbeute, und Carl folgte seinem Beispiele. Dann band der Neger Carls weißes Taschentuch an einen Baumzweig, so daß dasselbe über dem todten Thiere hin- und herwehte, und nun bestiegen sie ihre Pferde, nachdem Carl den Sattel auf seinem Falben wieder zurechtgelegt hatte, der ihm während der Jagd unter den Bauch gerutscht war. Nun ging es im Galopp über die Prairie der Niederlassung zu, die sie mit der Dunkelheit erreichten. Die Nachricht von dem Jagdglück erzeugte große Freude im Fort, denn Warwick hatte Turners viel von dem Nutzen erzählt, den ein Bär um diese Jahreszeit dem Haushalte gewähre. Der Korbwagen, in welchem Madame Turner die Reise gemacht hatte, wurde angespannt, Daniel versah sich reichlich mit Kienspänen, um sie als Fackeln zu gebrauchen, zündete einige davon an, und ritt dem Wagen voraus, auf welchem Carl Platz genommen hatte und die Pferde lenkte. In der Prairie ging die Fahrt leidlich von Statten, obgleich manchmal ein umgefallener Mosquitobaum, oder ein Graben, den Gewitterwasser gerissen hatten, dieselbe für kurze Zeit unterbrach; als es aber in den Wald hineinging, da waren solcher Hindernisse viel mehr, und die alten Baumstümpfe, die nicht mehr hoch aus der Erde hervorsahen, gaben dem Fuhrwerk manchen unerwarteten heftigen Stoß. Daniel war aber zu wohl mit dem Leben in der Wildniß vertraut, als daß er nicht das Erreichen seines Ziels hätte möglich machen sollen, und bald rief er freudig aus: »Dort sehe ich schon Ihr Taschentuch wehen; die Herren Wölfe werden es hoffentlich respektirt haben!« Der Bär lag denn auch wirklich noch so, wie sie ihn verlassen hatten. Sie fuhren den Wagen dicht an ihn heran, obgleich die Wagenpferde sich Anfangs weigerten, in die Nähe dieses gefürchteten Thieres zu kommen, und dann wurden Anstalten gemacht, um den Bär auf das Fuhrwerk zu befördern. Vermittelst Stricken und Hebebäumen gelang dies den beiden Jägern endlich, wenn auch nur durch die größte Anstrengung, und nun wurde die Rückreise angetreten. Es lag etwas Schauerliches in dieser Fahrt: die Nacht war rabenschwarz, das Fackellicht erhellte mit seinem rothen Scheine nur die nächste Umgebung, der schwarze Rauch des Kienholzes umwölkte den Wagen, auf dem das todte Ungeheuer lag, und nach allen Richtungen hin ertönte das unheimliche, klagende Geheul der Wölfe. Daniel ritt schweigend voran, und ebenso stumm lenkte Carl ihm die Pferde nach, während Beide die Büchsen zum raschen Gebrauch bereit hielten. Endlich aber zeigte sich die Pallisadenwand des Forts in dunkelem Umriß vor dem nächtlichen Himmel, und Turner trat mit einer Fackel in der Hand aus der Festung hervor. Im Triumph zog der Wagen durch das Thor ein, wo Madame Turner und die Kinder auf den Anblick des erlegten Thieres harrten. Der Bär wurde nun von dem Fuhrwerk herabgeworfen und mit einem Ausruf der Ueberraschung begrüßt. Man betrachtete und bewunderte ihn von allen Seiten, und dem Schützen Carl ward allgemeines Lob gespendet. »Warum habt Ihr aber das Thier nicht an Ort und Stelle ausgeweidet? Ihr hättet dadurch doch weniger Gewicht auf den Wagen zu heben brauchen,« fragte Turner, indem er auf den kolossalen Umfang des Bären schaute. »Weil wir dann das feinste und beste Feist verloren haben würden. Das Fett, welches zwischen den Eingeweiden des Bären liegt, ist so zart, daß es, so lange es noch warm ist, Einem zwischen den Fingern zerfließt, und es wäre Schade gewesen, es zu verlieren, denn es giebt das köstlichste Oel. Wir wollen den Petz auch ruhig liegen lassen bis morgen,« entgegnete Daniel, indem er die Stränge der Pferde vom Wagen löste, und diese in ihre Stände an der Pallisadenwand führte, wo sie mit den anderen Rossen jede Nacht befestigt wurden. Bald nachher saßen die Kolonisten sämmtlich vergnügt um den Tisch und erfreuten sich des Abendbrods. »Daniel, kurz vorher, ehe Ihr kamet, muß irgend Etwas bei den Kühen gewesen sein, denn sie fingen mit einem Male schrecklich zu brüllen an, und sprangen wie toll in der Einzäunung umher,« sagte Turner zu dem Neger. »Das kann ein Panther, möglicherweise aber auch ein Jaguar gewesen sein, diese Gesellen werden uns überhaupt noch viel zu schaffen machen. Ich will morgen, ehe wir die Kühe hinauslassen, spüren, um mich zu überzeugen, was es gewesen ist; denn wir dürfen solche Besuche nicht dulden,« entgegnete der Neger. In diesem Augenblicke ertönten abermals die lauten erzürnten Stimmen der Kühe und Daniel sprang rasch auf, ergriff seine Büchse, rief Pluto und eilte zu dem Thore. Er öffnete dasselbe schnell und glitt, von Carl gefolgt, hinaus und durch die Dunkelheit der Einzäunung zu, in welcher die Kühe brüllend umhertobten. Es war umsonst, in der Finsterniß einen Gegenstand erkennen zu wollen, darum schoß Daniel und auch Carl die Büchse ab, und Beide ließen laute, gellende Schreie ertönen, indem sie den Hund hetzten. Pluto sprang zwar bellend in die Finsterniß hinaus, kam aber sogleich wieder zurück und Alles ward still; denn auch die Kühe hatten sich beruhigt. Die Nacht verstrich ohne weitere Störung, und als der Morgen anbrach, begab sich Daniel nach den Kühen, um nach dem nächtlichen Besucher zu spüren. Bald entdeckte er denn auch die Fährte eines mächtigen Jaguars, der die Einzäunung umschritten, es aber doch nicht gewagt hatte, zu den erbosten Kühen hineinzuspringen. Daniel spürte nun seiner Fährte nach und fand, daß er von dem Pflaumenbache hergekommen war. Dort aber das Lager des Raubthiers aufzufinden, war ohne dazu abgerichtete Hunde nicht möglich, und man mußte sich damit begnügen, dasselbe bei einem wiederholten Besuche in der Nähe des Forts zu belauern. Nun machte sich Daniel dabei, den Bären zu streifen, zu zerlegen und dann die prächtige Haut zum Trocknen aufzuspannen. Mit dem größten Erstaunen sahen Turners den Rücken des Thieres von der Haut entblößen, wo derselbe mit einer sechs Zoll hohen Lage Feist bedeckt war; in gleichem Maße befand sich das Innere des Bären mit Fett durchwachsen, und die Vorrathskammer der Madame Turner erhielt einen wesentlichen Zuwachs an köstlichem Oel. Nach dem Frühstück begaben sich Carl und Daniel in den Wald hinter dem neu angelegten Feld, um dort ein Vorhaben auszuführen, welches sie schon lange besprochen hatten. Sie wollten nämlich eine Falle bauen, um wilde Truthähne zu fangen, deren sich unzählige in diesem Walde aufhielten, weil dort sehr viele Pecanußbäume standen, deren Früchte sie außerordentlich lieben und deren Genuß sie sehr fett macht. Auf einer Blöße im Walde baute Daniel eine Hütte, indem er junge Baumstämmchen im Kreis tief in den Boden steckte, sie oben mit den Spitzen zusammenband und sie dann mit dünnen Stöcken durchflocht. Die Hütte war mannshoch und so dicht, daß man kaum den Arm zwischen den Stämmchen durchstecken konnte. Nun begann Daniel in einiger Entfernung von derselben einen Pfad zu graben, der nach der Hütte hin immer tiefer wurde, so daß er wohl zwei Fuß tief unter dem Geflecht hin in dieselbe hineinführte und sich innerhalb wieder erhob. Die Stämmchen, unter welchen dieser Weg durchführte, wurden über demselben durch Stöcke und Weidengeflecht an ihren Enden verbunden. Nun streute Daniel um den Anfang des Pfades und auf demselben hin bis in die Hütte hinein losen Mais, welchen die Truthähne sehr lieben. Wenn nun die Vögel beim Aufpicken der Körner dem Pfade folgen und unter dem Geflecht in die Hütte hineingehen, so finden sie den Weg niemals wieder heraus, da sie die Köpfe erheben und an dem Geflecht hin- und herlaufen, um zwischen demselben einen Ausgang zu finden, nie aber daran denken, sich zu bücken und eben so hinauszugehen, wie sie hereinkamen. Die Arbeit war nach einigen Stunden vollbracht, und Daniel hoffte, daß sie schon heute Abend einige Gefangene gemacht haben würden. Carl konnte kaum den Sonnenuntergang erwarten, wo er mit dem Neger wieder nach der Falle gehen würde; um so fleißiger aber war er Tags über bei einer Arbeit, die er auf Anrathen Daniels begonnen hatte. Er verfertigte nämlich eine lange starke Leiter, die von dem steilen Uferabhange innerhalb des Forts bis auf ein Felsstück hinabführen sollte, welches unten aus dem Strome hervorsah. Es war eine Vorsichtsmaßregel des Negers für den Fall, daß einmal die Wilden das Fort stürmen würden, wo die Leiter dann dessen Bewohnern die Flucht aus demselben möglich machen sollte. Man konnte auf ihr leicht den Felsen im Flusse erreichen, und von da in dem Kanoe nach dem jenseitigen Ufer in den Wald gelangen, wo Daniel einen Fußpfad bis zu dem Fahrwege ausgehauen hatte. Bis jetzt war zwar noch kein Indianer wieder gesehen worden, Daniel sagte jedoch, daß man gerade darum am meisten auf seiner Hut sein müsse. Während Carl an der Leiter beschäftigt war, schlugen Turner und der Neger lange eiserne Nägel, an denen sie die Köpfe abgefeilt hatten, in die Spitzen der Pallisaden, damit dieselben bei einem etwaigen Sturm den Indianern das Uebersteigen erschwerten. Unter solchen und ähnlichen Arbeiten verstrich der Tag, Carl legte vergnügt sein Handwerkszeug bei Seite und hing das Jagdgeräth um. Voller Erwartung eilte er nun mit Daniel den Hügel hinab und dem Walde zu, wo sie die Falle erbaut hatten. Sie traten in den Wald ein, und schlichen sich durch denselben hin, als plötzlich von fern her ein lautes Rauschen und Schlagen zu ihren Ohren drang. »Wahrhaftig, es sitzen schon welche darin, hören Sie nicht, wie sie mit den Flügeln schlagen!« rief Daniel und sprang voran durch das Dickicht, während Carl ihm mit allem Eifer folgte. Bald hatten sie die Hütte erreicht und gewahrten fünf kolossale Truthähne in derselben, die mit hochgehobenen Hälsen darin umherrannten und mit den Flügeln schlugen, als wollten sie davonfliegen. »Ja, wartet nur, ich will Euch den Weg zeigen!« rief Daniel und zog sein Jagdmesser hervor, während Carl gleichfalls mit dem Messer in der Hand an die Hütte sprang. Sie steckten nun die Arme durch das Geflecht und hieben mit dem Messer den Gefangenen die Köpfe ab. Sie wurden nun auf den Pfad herausgezogen, und frischer Mais auf denselben gestreut. Es waren fünf Hähne von außerordentlicher Größe, denn sie wogen ein jeder gegen fünfzehn Pfund. Daniel band dreien von ihnen die Füße zusammen und hing sie über die Schulter, während Carl sich mit den beiden andern belud, um den Heimweg anzutreten. Um diese Zeit saß die Familie Turner neben dem Thore vor den Pallisaden auf einer Bank und ruhte sich von des Tages Arbeit aus. Es war einer jener milden, wonnigen Abende, wie sie der November in diesen südlichen Ländern gewöhnlich bietet. Die Luft zog kühlend und kräftigend über das hohe wogende Gras der Prairie, aus dem die Blumen des Herbstes ihre bunten, in den prächtigsten Farben leuchtenden Köpfe hervorhoben, die Sonne hatte den fernen flachen Horizont erreicht und ließ ihre letzten Strahlen auf dem hohen Walde des Bärflusses ruhen, dessen dunkeles Grün schon mit Gold und Carmin gemischt und mit dem brennend rothen Laube der Schlingpflanzen durchwirkt war; glänzend silberweiße Reiher und rosenrothe Flamingo's schwebten dem Urwalde zu und schwangen sich in dem scheidenden Blick der Sonne auf die schwindelnde Höhe der Cypressen, die ihre Riesenarme über den brausenden Fluß streckten, und der Whippoowill rief seinen eignen Namen klagend und wehmüthig durch das Dunkel des Waldes. Turner und dessen Gattin saßen in stummer Bewunderung und heiligem Anstaunen der Naturschönheit, die sie umgab, und dankten mit demüthigem Herzen dem Schöpfer dieser Herrlichkeit für die Gnade, mit der er sie hierhergeführt und beschützt hatte. »Wie unendlich gnädig ist uns Gott gewesen, Marie!« brach Turner das Schweigen. »Und er wird uns auch ferner gnädig sein,« sagte Madame Turner mit einem flehenden Blick zu dem Himmel, wo der Abendstern, freundlich blinkend, ihrem Auge begegnete, als wolle er ihr die Zusage ihrer Bitte verheißen. »Wie sonderbar sich Alles zu unserm Besten fügte!« nahm Turner wieder das Wort. »Die Vorsehung hat uns doch augenscheinlich den braven Daniel als Hülfe in unserer Noth zugesandt; was hätten wir wohl ohne ihn anfangen wollen! Wie weiß er mit Allem umzugehen und wie liebevoll unterweist er unsern Carl in allen Geschäften. Was die Beiden auch anfangen mögen, es gelingt ihnen. Soll mich einmal wundern, ob sie wirklich wilde Truthähne fangen werden.« »Mein Gott, sieh das Thier dort -- es springt über die Einzäunung zu den Kälbern!« rief Madame Turner in diesem Augenblick entsetzt aus, und Turner rannte mit dem Ausruf: »Ein Jaguar, ein Jaguar!« in das Fort, um seine Büchse zu holen. Doch ehe er zurückkehrte, hatte das Raubthier eins der Kälber niedergerissen, hatte es mit seinem furchtbaren Gebiß auf dem Rücken erfaßt, und setzte mit _einem_ Sprunge mit der Beute über die Einzäunung. Trotz dem Rufen und Schreien der Madame Turner und der Kinder ließ es seinen Raub nicht fahren, und floh in langen Sätzen über das Gras dem Walde zu, während das Kalb in seinem Rachen die jämmerlichsten Klagetöne erschallen ließ. Turner kehrte mit der Waffe zurück, jedoch nur um dem Räuber nachzusehen, der sich wiederholt einige Augenblicke ruhte und dann seine Flucht weiter fortsetzte. Mit wüthendem Gebrüll und hoch in die Luft gestreckten Schwänzen kamen zugleich die Kühe aus der Prairie herangejagt, um dem klagenden Kalbe beizustehen, dessen Stimme verhallte aber bald und sein Mörder verschwand mit ihm in dem Walde. Mit Schrecken und Leidwesen hatten Turners den ganz unerwarteten Vorfall mit ansehen müssen, ohne etwas dagegen thun zu können, und die Kinder weinten und jammerten über den Verlust des hübschen kleinen Kalbes und konnten sich noch lange Zeit darüber nicht zufrieden geben. »Es soll mir aber eine Lehre sein, nicht wieder ohne meine Büchse vor das Fort zu gehen,« sagte Turner, »wie leicht hätten uns auch Indianer hier überraschen können. Man wird viel zu leicht gleichgültig gegen die Gefahr. Geht lieber in das Haus, ich will hier in dem Thore bleiben, bis unsere beiden Jäger zurückkehren; sie werden hoffentlich bald kommen.« Die Dunkelheit brach schnell herein und bald kamen auch die beiden schwerbeladenen Jäger den Hügel heraufgeschritten. »Endlich, ich habe sehr nach Euch verlangt,« sagte Turner zu ihnen, und theilte ihnen nun gleich mit, was sich während ihrer Abwesenheit zugetragen hatte. »Das ist glücklich,« bemerkte Daniel, »es kostet uns allerdings ein Kalb, aber nun muß auch der Jaguar sterben. Er wird das ganze Thier nicht in dieser Nacht verzehren und kommt sicher morgen Abend noch einmal zu ihm zurück, dann werden wir ihn erwarten.« »Ja, ja, wer weiß, wohin er das Kalb getragen hat, er rannte ja so leicht mit ihm davon, als ob es ein Hase wäre,« entgegnete Turner. »Mag er rennen, so weit er will, ich finde ihn; ich war einst der berühmteste Spürer unter den Indianern; umsonst hatte man mir meinen Namen nicht gegeben!« sagte Daniel mit einem leuchtenden Blick, wie von einer plötzlichen Begeisterung ergriffen. »Wie nannte man Dich denn?« fragte Turner. Der Neger bereute aber augenscheinlich schon, was er gesagt hatte und erwiederte, sichtbarlich verlegen: »Man nannte mich den Spürer.« Dabei warf er die drei Truthähne von der Schulter und zog sie hinter sich her in das Fort, indem er sagte: »Wir bringen aber für Madame Turner fünf herrliche Braten; unsere Falle hat sich gut bewährt.« »Aber, Carl und Daniel, Ihr seid ja prächtige Jäger, Ihr bringt uns so viel Fleisch in das Haus, daß wir es kaum verbrauchen können,« sagte Madame Turner, als sie die fetten Hähne erblickte. »Ich habe das Bärenfleisch eingesalzen, wie Du mir riethest, Daniel, nun mußt Du mir aber die Vorrichtung machen, um es zu räuchern, damit wir es bewahren können.« »Das will ich morgen früh thun, wenn wir das Kalb aufgefunden haben. Ich will dann eine Art von Rauchhaus bauen, damit wir immer einen tüchtigen Vorrath von geräuchertem Fleisch halten können; man weiß nicht, wie uns die Indianer einmal verhindern möchten, frisches Wild zu haben,« entgegnete der Neger. »Mache mir nicht bange, Daniel, der Himmel wird uns hoffentlich vor solchen Schreckensscenen bewahren,« sagte Madame Turner, bat dann Carl, die Hähne außerhalb an das Haus aufzuhängen, und ging, um das Abendessen zu bereiten. Nach Tisch, als das Fort verschlossen war, saßen die Kolonisten traulich um den großen Tisch herum, mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt. Madame Turner und Julie hatten Näharbeiten vor sich, Turner mit seinen beiden Söhnen machten Mais von den Kolben los, um ihn am folgenden Morgen für die Mühle bereit zu haben, Carl verfertigte Patronen mit etwas kleineren Kugeln, als er gewöhnlich für seine Büchse gebrauchte, um für einen Nothfall schneller damit laden zu können, und Daniel arbeitete an den beiden Hörnern des Büffels, welchen Carl erlegt hatte, um für ihn versprochener Maßen ein Trinkhorn und ein Pulverhorn daraus anzufertigen. Von dem Bären hatte er die großen Fangzähne gleichfalls aufbewahrt, um für seinen jungen Freund ein Pulvermaß und eine Pfeife daraus zu machen. Pluto war die Bewachung der Festung übergeben, welcher Pflicht er treulich nachkam, indem er in der Mitte der Einzäunung lag und auf jeden Ton außer derselben lauschte oder einen Rundgang an den Pallisaden machte. Die Nacht verstrich in ungestörter Ruhe und kaum graute der Tag, als Daniel seinen jungen Freund weckte und Beide ihr Jagdgeräth umhingen, um das geraubte Kalb aufzusuchen. Turner ließ sie aus dem Thor, was er stets zu thun pflegte, wenn die Beiden sich entfernt hatten. Daniel folgte nun der Spur des Jaguars, welche er leicht an dem niedergedrückten Grase erkennen konnte. Bald hatte er mit seinem Gefährten den Wald erreicht, wo einzelne gebrochene Pflanzen oder der wunde Erdboden, auf dem das Raubthier seine Tatzen niedergesetzt hatte, als Wegweiser dienen mußten. Dem Neger schien es durchaus keine Schwierigkeit zu machen, auf der Fährte zu bleiben, wenn Carl auch kein Zeichen derselben erkennen konnte. Daniel aber stand oft still und zeigte seinem Freunde die unbedeutenden Merkmale, denen er folgte, und unterrichtete ihn, dieselben zu bemerken. Die Spur zog sich in ziemlich gerader Richtung zwischen den Büschen hin, wie es schien, der Gegend zu, wo der Pflaumenbach in den Bärfluß mündete. So weit hatte jedoch der Jaguar nicht für nöthig gefunden, seinen Raub zu tragen, denn plötzlich standen die beiden Jäger vor dem zerrissenen Kalbe, von welchem sein Mörder die ganze eine Seite verzehrt hatte. Die Ueberreste davon lagen in einem Dickicht, welches aus Dornen, Rankengeflecht und hohen Kräutern bestand und von den Laubmassen der umstehenden Bäume, die ihre Aeste bis auf den Boden herabhängen ließen, versteckt wurde. »Dies ist ein böser Platz, um dem Burschen aufzulauern, an Schießen ist hier nicht zu denken, und dann würde er uns auch früher gewahren, als wir ihn. Wir müssen sehen, wohinaus er von hier gegangen ist und ihn auf seinem Rückwege erwarten,« sagte Daniel und suchte auf dem Boden, um im Dickicht die Spur des Jaguars aufzufinden. Plötzlich blieb er stehen und sagte: »Er ist gestern Abend, nachdem er sich gesättigt hatte, von hier fortgegangen und heute früh wieder hierher zurückgekehrt. Vielleicht haben wir ihn selbst so eben verscheucht. Hier steht eine Spur, die von dem Pflaumenbach her in das Dickicht führt, und zwei, die dorthin zurückzeigen, und hierbei ist eine ganz frische. Nun wird er während des Tages sicher nicht wieder kommen, aber umso gewisser gegen Abend. Wir wollen jedoch schon früh genug hier sein. Lassen Sie uns dieser frischen Fährte folgen, bis sie über eine offene Stelle im Walde führt, auf der man um sich sehen kann.« Mit diesen Worten schritt Daniel, gebückt und auf den Boden spähend, voran und Carl vorsichtig hinter ihm her. Nach einer Weile blieb der Neger stehen und schaute um sich auf die Erde. »Dort, wo Sie stehen, ist die Fährte ganz deutlich in dem feuchten Boden ausgedrückt, hier vermisse ich sie!« rief er Carl zu. »Gehen Sie nicht von jener Stelle, ich will in einem weiten Bogen um Sie gehen, dann muß ich die Fortsetzung der Spur finden.« Er hatte nur kurze Zeit in einiger Entfernung von Carl gesucht, als er sich mehr zu dessen rechter Seite befand und rief: »Kommen Sie hierher, der Bursch ist über diesen freien Platz gegangen, und hier soll er auch sterben; eine vortheilhaftere Gelegenheit, um ihm unbemerkt aufzulauern, kann man sich nicht wünschen.« Als Carl aus den Büschen hervor zu Daniel trat, zeigte dieser auf die Erde vor sich und sagte: »Sehen Sie, hier ist er frisch hinüber geschritten, und dort in dem Büschchen vor jener alten Eiche sollen Sie sich heute Abend verbergen; ich wette Zehn gegen Eins, daß er diesen Weg wieder zurück einschlägt. Nun wollen wir aber nochmals nach dem Kalbe eilen und auch der andern Fährte nachgehen, damit ich für mich gleichfalls einen Platz aussuche; denn es wäre ja möglich, daß er dort zurückginge.« Mit derselben Sicherheit verfolgte Daniel bald darauf die andere Spur, die sich etwas weiter rechts wandte, und wählte auf derselben wiederum eine weite Blöße, um Abends darauf selbst seinen Stand zu nehmen. Dieselbe war einige hundert Schritt von der für Carl gewählten entfernt und durch ein undurchdringliches Dickicht von ihr getrennt. Nachdem sich die Jäger genau die Plätze gemerkt hatten, begaben sie sich auf den Heimweg, wollten aber im Vorübergehen doch nach ihrer Falle sehen. Zu Carls übergroßer Freude saßen richtig wieder zwei Hähne in der Hütte, die schnell getödtet und hervorgezogen wurden. »Nun wollen wir aber die Falle schließen und erst dann wieder öffnen, wenn wir Wild nöthig haben,« sagte der Neger und verstopfte den Eingang mit Büschen. Dann nahm er einige Hände voll Mais aus den Taschen und streute sie auf den Pfad, damit die Vögel sich daran gewöhnen sollten, hier immer Futter zu finden. Ziemlich ermüdet kehrten die Jäger mit der neuen Beute nach dem Fort zurück, wo Madame Turner sie mit Bärentatzen zum Frühstück tractirte. Nach gehaltener Rast begab sich Daniel, von Herrn Turner unterstützt, an den Aufbau eines Rauchhauses, welches sie aus dünnen Baumstämmen aufführten und mit Schindeln bedeckten; Carl aber nahm die Angel, um zu versuchen, ob er eine Schildkröte fangen könne. Zu diesem Zwecke werden vier große Fischhaken so mit dem Rücken zusammengebunden, daß die Spitzen nach allen vier Seiten auseinander stehen. Wenn sie nun an der Leine befestigt sind, so bindet man einige Zoll über denselben ein Stück Fleisch an die Schnur und senkt sie in das Wasser. Die Schildkröte ergreift das Fleisch mit den beiden Vorderpfoten, mit denen sie es fest hält, um es zu benagen; wird nun die Angel schnell in die Höhe gezogen, so muß einer der Haken in die Füße des Thieres fassen, und es ist gefangen. Nicht weit vom Fort machte der Fluß im Walde eine sehr kurze Biegung, und der Strom, der mit aller Kraft sich hier hereindrängte, hatte das Ufer unterhöhlt. Das Wasser war sehr tief, und Carl kannte diese Stelle als einen Lieblingsplatz der Schildkröten, weshalb er hierher eilte und seine Angel auswarf. Er hatte gar nicht lange auf dem Rande des hohen Ufers gestanden und den Bewegungen des schwimmenden Korks zugesehen, den der Strudel in dieser Bucht im Kreise herumtrieb, als es an der Angel zuckte. Es zuckte wieder und stärker und nun wurde der Kork in die Tiefe gezogen. Carl schlug schnell die Angel in die Höhe, fühlte aber gleich, daß ein sehr schweres Gewicht daran hing; es mußte eine große Schildkröte sein, die jetzt mit dem Strome davon eilte und gewaltig an der Angel riß. Carl hielt dieselbe mit aller Kraft an, in diesem Augenblicke aber glitt er mit beiden Füßen auf dem lockern Boden des Ufers aus, und schoß von demselben hinab in die Fluth. Er sank bis auf den Grund, stieß sich von dort wieder nach oben und gerieth, anstatt auf die Oberfläche des Stromes, unter die ausgehöhlte Uferbank in tausend Wurzeln, die aus derselben in dem Wasser hinabhingen. Er verlor jedoch die Geistesgegenwart nicht, sondern erkannte sofort seine Lage, stieß sich mit geöffneten Augen wieder in die Tiefe hinunter und dann nach dem Lichte hinauf, wo er im nächsten Augenblicke über dem Wasserspiegel auftauchte. Mit einigen kräftigen Zügen erreichte er das jenseitige niedrige Ufer, auf dem er landete und sogleich sich nach seiner Angel umblickte, die er wohl hundert Schritt weiter stromabwärts schwimmen sah. Er lief auf dem Ufersand hin, sprang abermals in das Wasser und holte die Angel an das Land. Nun zog er vorsichtig die Leine an, und es gelang ihm, die Schildkröte trotz alles Sträubens auf den Sand zu ziehen. Sie wog gegen vierzig Pfund und war eine sogenannte weichschaalige, deren Schild sich zu Gallerte kocht und sehr schmackhaft ist. Er band die Leine um sie und schleifte sie hinter sich her durch den Wald bis an das Ufer gegenüber dem Fort, wo er Daniel rief, damit er ihn in dem Kanoe über den Fluß hole. Carls Erscheinung verursachte unter den Seinigen im ersten Augenblick Schreck und Besorgniß, dann wurde aber herzlich über sein Abenteuer gelacht und er selbst lachte tüchtig mit. Auf die köstliche Suppe aber, welche Madame Turner versprach, für den folgenden Tag aus der Schildkröte zu bereiten, freuten sich Alle schon im Voraus. Nachdem Carl sich umgekleidet hatte, betheiligte er sich beim Aufbauen des Rauchhauses, bis die Sonne sich zu neigen begann und Daniel an die Zeit mahnte, nach dem Walde zu gehen, um den Jaguar zu belauern. Heute versahen sich die beiden Jäger jedoch außer mit Büchse und Messer auch noch ein Jeder mit einem Revolver, und so ungern Turners auch sahen, daß Pluto sich vom Fort entfernte, so mußte er doch mitgehen. Die Sonne stand noch ziemlich hoch über dem fernen Rand der Prairie, als die beiden Schützen den Platz im Walde erreichten, welcher für Carl ausgewählt war. Er machte seinen Sitz vor der Eiche zurecht und steckte noch mehrere Büsche vor sich herum, damit er dem spähenden scharfen Auge des Jaguars verborgen bleiben möchte. Eine Wurzel der Eiche stand ziemlich hoch aus der Erde hervor und bildete für Carl einen bequemen Sessel, während der Stamm des Baumes ihm als Rücklehne diente. »Machen Sie nur keine rasche Bewegung, auch selbst nicht mit den Augen, denn der Jaguar überblickt die Blöße sicher, ehe er aus dem Dickicht hervortritt. Halten Sie Ihren Blick besonders dorthin gerichtet, von wo seine Fährte herführt, von dort wird er wohl kommen,« sagte Daniel, als Carl sich zurecht gesetzt hatte und Pluto hinter der Eichenwurzel verborgen lag. »Uebereilen Sie sich nur nicht und nehmen Sie sich Zeit zum Schießen. Steht das Thier still, so zielen Sie nach dessen Kopf, bleibt es im Gehen, so halten Sie ihm hinter das Schulterblatt, und sollte es nach dem Schusse auf Sie zuspringen, so setzen Sie ihm den Hund entgegen, dann werden Sie eine gute Gelegenheit finden, ihm die zweite Kugel durch den Kopf zu jagen. Vor Allem bleiben Sie ruhig und kaltblütig. Nun will ich mich auf meinen Stand begeben, Einem von uns wird er doch wohl kommen, hoffentlich Ihnen; Waidmannsheil!« Mit diesen Worten eilte der Neger geräuschlos zwischen den Büschen und Stämmen hin und verschwand bald vor Carls Blicken. Eine feierliche Ruhe herrschte durch den Wald, kein Lüftchen rührte sich, auch die zartesten Ranken, die wie leichtes buntes Spitzengewebe von den Aesten der hohen Bäume herabhingen, bewegten sich nicht, und jeden leisen Ton, wie das Fallen einer Frucht, das Hüpfen eines Eichhörnchens, konnte man weithin hören. Mit jeder Minute wurde es stiller und heimlicher, denn auch die Vögel verstummten und nur noch einzeln ließ ein Wasserrabe seine krächzende Stimme von dem Flusse her ertönen. Die letzten Strahlen der Sonne, die sich hier und dort durch die Laubmassen stahlen und sich blendend hell auf den Baumstämmen spiegelten, verblichen, und das Düster des Abends zitterte mit dem Wiederschein des Feuermeers am westlichen Himmel durch den Urwald. Carl saß regungslos und bewegte nur von Zeit zu Zeit langsam seinen Blick über die Blöße vor sich, um ihn dann wieder auf den Fleck zu heften, wo die Fährte des Jaguars aus dem Dickicht hervorkam. Dort war der feuchte Boden mit üppigen Pflanzen bedeckt, deren brennend rothe Kelchblumen aus dem tiefsten Schatten des darüber hängenden dichten immergrünen Lorbeergesträuches hervorleuchteten, und aus diesen dunkeln Laubmassen hingen die schneeweißen, federartigen, zwei Fuß langen Blüthen einer Magnolienart herab, die man »des alten Mannes Bart« nennt. Carl ergötzte sich an der Farbenpracht, die trotz des zunehmenden Düsters das saftige Grün des Laubes durchwirkte, da bewegte sich eine der weißen lang herabhängenden Blüthen, als sei der Strauch, an dem sie hing, durch irgend Etwas erschüttert worden. Mit verhaltenem Athem und fest gefaßter Büchse stierte Carl in das Dunkel unter den dicht belaubten Zweigen hinein, da bewegte sich abermals eine der weißen Blüthen, welche aus dem vordersten Busche hervorsah. Jeder Nerv, jede Muskel in Carl war angespannt, sein Blick wollte das tiefste Dunkel durchdringen; da theilten sich die blutrothen Blumen und die goldgelbe schwarz gefleckte Gestalt des Königs dieser Wälder, des Jaguars, schritt lautlos zwischen ihnen hervor. Er stand jetzt still und seine wie Feuer glühenden Augen überspähten die Waldblöße. Carl hatte die Büchse schon an der Schulter, als der erste goldige Schein zwischen den rothen Blüthen sichtbar wurde, und blickte über den Lauf hin auf den buntgefleckten Kopf des Königthiers. In dem Augenblick, als er seinen Schritt anhielt, preßte Carl die Büchse noch fester gegen die Schulter, heftete ihr Korn noch unbeweglicher auf das Haupt des Feindes und gab Feuer. Der Donner des Gewehrs dröhnte durch den Wald und der Pulverdampf rollte sich in einer dichten Wolke über den offenen Platz, doch Carl hatte im Schuß schon erkannt, daß der Jaguar zusammenbrach. »Pluto, faß!« schrie er dem Hunde zu und sprang mit der Büchse in der Hand durch die Büsche vor sich; da sah er das Raubthier an der anderen Seite der Blöße in das Dickicht hineinsetzen. »Faß, Pluto!« rief er abermals dem Hunde nach, der schon die Dickung erreicht hatte und den Jaguar verfolgte. Auch Carl war mit wenigen Sprüngen in den Büschen und stürzte, sich gewaltsam Bahn brechend, vorwärts; da sperrte ein riesiger umgefallener Baumstamm seinen Weg. Zugleich hörte er an dessen anderer Seite die Stimme Pluto's, und erkannte, daß derselbe mit dem grimmigen Raubthier in verzweifeltem wüthenden Kampfe sei. Mit _einem_ Satze war er auf dem Baumstamme, um ihn zu überspringen; die Borke aber zerbrach unter seinen Füßen, und er selbst versank bis an die Brust in dem vollständig zu Pulver vermoderten Stamme. Er sah, wie der Jaguar seinen Hund unter sich liegen hatte, wollte sich aus dem Stamme hervorheben, um dem treuen Thiere zu helfen, da erblickte ihn der furchtbare Feind und wandte sich mit weit geöffnetem Rachen von dem Hunde ab, auf ihn zu. Carl senkte ihm seine Büchse entgegen mit dem Bewußtsein, daß er verloren sein würde, wenn die Kugel fehl ginge. Der Jaguar aber hatte nur einen Sprung vorwärts gethan, als Pluto ihn schon wieder erfaßte und seine Zähne in sein Hintertheil einschlug. Das Raubthier fuhr mit wildem Stoßgebrüll herum, um abermals den Hund zu ergreifen, da feuerte Carl, und die Kugel zerschmetterte den Kopf des wüthenden, gefährlichen Gegners. In diesem Augenblick riß Daniel das nahe Gestrüpp auseinander und sprang mit gespannter Büchse aus demselben hervor, der Tiger lag todt zu seinen Füßen, und Pluto stand über ihm und ließ, ihn zwischen den Zähnen schüttelnd, seine Wuth an ihm aus. »Gott sei gelobt!« rief der Neger, von dem getödteten Jaguar nach seinem jungen Freunde überrascht aufblickend, der seine Büchse von sich gelegt hatte und sich nun aus dem Baume hervorzuheben suchte. »Um des Himmels Willen, wie kommen Sie in den Baum?« rief Daniel aus, indem er Carl zu Hülfe sprang, ihn aus seinem Gefängnisse zu befreien. »Ich war in eine Falle gerathen, Daniel, und wenn Pluto, der brave treue Hund nicht noch zu rechter Zeit zugefaßt hätte, so würde es mir vielleicht so ergangen sein, wie dem Kalbe. Das Thier sprang wüthend auf mich ein,« entgegnete Carl lachend, und trat frohlockend zu dem Jaguar hin. »War recht, Pluto, so war es recht, alter treuer Kerl, faß ihn, zaus ihn, das war brav!« rief er, indem er sich über den Hund hinbeugte und seine Arme liebkosend um ihn schlang. »Freund Pluto hat aber einige tüchtige Feldzeichen davon getragen, sehen Sie, er blutet gewaltig aus der Schulter und auch am Halse; die lange Wunde auf der Schulter ist mit den Krallen gerissen.« »Ja wohl, und das Ungeheuer würde ihn todt gemacht haben, wäre ich nicht hinzugekommen, denn er lag unter demselben und wehrte sich so gut er konnte. Als mich nun der Jaguar in meiner Falle erblickte, verließ er Pluto und wandte sich gegen mich, aber der treue Hund fiel ihm schnell in die Keule, und ich gewann Zeit, meinen Schuß anzubringen.« »Und ein Meisterschuß war es, gerade durch den Schädel. Hatten Sie ihn denn mit dem ersten Lauf gefehlt, Sie haben doch zweimal geschossen?« »O nein, ich muß ihn auch das erste Mal getroffen haben, denn er stürzte im Feuer zusammen, dennoch habe ich nicht sicher geschossen, da ich nach seinem Kopfe zielte.« »Sie haben mit der Büchse gewankt, hier ist das Kugelloch, der Schuß ist ihm durch den Hals gegangen,« sagte Daniel, indem er Pluto zurückzog und auf den mächtigen Nacken des Tigers zeigte. »Ja, Daniel, ich gestehe es, das Herz schlug mir gewaltig, so daß ich es laut hören konnte und es flimmerte mir vor den Augen. Das nächste Mal aber, wenn ich wieder nach einem Jaguar schieße, soll es besser gehen. Gefürchtet habe ich mich aber nicht,« sagte Carl und warf das schöne Thier auf den Bauch, um die herrliche Zeichnung der schwarzen Flecken auf seinem Rücken zu bewundern. Als Carl es anfaßte, fiel Pluto sofort wieder über den Feind her, doch jener zog ihn mit den Worten zurück: »Laß ihn in Ruhe, er ist todt, und Du verdirbst das schöne Fell,« dabei schmeichelte er den Hund und wandte sich an Daniel: »Was wirst Du mir denn aus diesen Fangzähnen machen?« »Gar nichts, ich will Ihnen den ganzen Schädel aufbewahren; wir vergraben ihn in einen Ameisenhaufen; die Ameisen nagen das Fleisch sehr sauber ab, darauf legen wir ihn in die Sonne, damit er recht schön weiß bleicht und dann hängen Sie ihn an einen Nagel über Ihr Bett. Sie werden sich noch manchmal über den Meisterschuß freuen. Nun aber muß ich mich wahrhaftig eilen, um die Haut noch abzunehmen, ehe es ganz dunkel wird.« Hiermit stellte der Neger die wieder abgespannte Büchse an einen Baum, zog das Messer aus der Scheide, und begann, bei dem Jaguar niederknieend, denselben seines schönen Kleides zu berauben. Carl war ihm dabei behülflich, während Daniel ihn unterwies und Vorsicht anempfahl, nicht in die Haut zu schneiden. Dieselbe wurde bis an den Kopf abgestreift, dieser nun von dem Körper getrennt und somit war die Arbeit beendet, während die Nacht vollständig hereingebrochen war. Daniel warf das Fell über seine Schulter und ergriff die Büchse, da trat Carl nochmals zu dem Jaguar hin und sagte: »Ich will mir doch nun auch seine Krallen zum Andenken mitnehmen.« Er schnitt sie schnell von den Tatzen ab, steckte sie in seine Jagdtasche und folgte nun dem Neger, der sicheren Schrittes durch die Finsterniß dem Waldsaume zueilte. Auf dem Wege bis dorthin geriethen sie aber wiederholt so sehr in die Ranken und Dornen des Dickichts, daß ihnen Hand und Gesicht blutete, als sie die Prairie erreichten. »Morgen will ich doch gleich einige Hirschhäute gerben, damit wir uns Lederanzüge machen können. Wir werden schön aussehen, wenn wir nach Hause kommen,« sagte Daniel, nun rasch an dem Walde hinschreitend, der sich wie eine schwarze Wand zu dem sternbedeckten Himmel erhob. »Hier ist das Kleid des Räubers!« rief Carl triumphirend, als Turner das Thor öffnete und die beiden Jäger einließ. »Also wirklich!« entgegnete Turner, freudig überrascht. »Ich hatte meine großen Zweifel, ob es Euch gelingen würde, seiner habhaft zu werden. Kommt herein, auch die Andern werden sich freuen.« Carl hatte dem Neger die Haut abgenommen und trug sie stolz in das Zimmer, wo er sie auf dem Boden ausbreitete. »Das ist ja ein ungeheures Fell, es ist über sechs Fuß lang,« sagte Turner, indem er erstaunt die Haut betrachtete. »Und wie prächtig ist es gezeichnet, und wie glänzend und glatt ist das Haar,« fiel Madame Turner ein. »Er holt uns keine Kälber wieder,« sagte Carl und erzählte nun den Hergang der Jagd. »Das war ja aber eine große Gefahr, der Du ausgesetzt warst, Carl; wie leicht hätte Dich das Thier verletzen können. Du mußt Dich wahrhaftig mehr in Acht nehmen, Du bist zu dreist,« fiel Madame Turner mit liebevollem Tone ein und strich dem Knaben die wild um seinen Kopf hängenden weichen Locken zurück. »Dreist ist schon gut, nur muß die nöthige Vorsicht und Ueberlegung damit gepaart werden,« versetzte Turner; »hättest Du Dich vorsichtig auf den Baum gehoben, so hättest Du unbemerkt dem Jaguar wohl Deinen zweiten Schuß anbringen können, und Du wärest nicht in dem Stamme versunken.« »Aber, lieber Onkel, wer konnte denn denken, daß der Baum inwendig aus lauter Pulver bestand,« entgegnete Carl, und zeigte nun die Krallen, die er dem Thiere abgeschnitten hatte. Dann mußte Pluto herbeitreten und seine Wunden in Augenschein nehmen lassen, wofür er von Madame Turner mit einem Ueberreste von einer Hirschkeule belohnt wurde. »Aber, Carl, wie siehst Du denn aus -- Dein Rock hängt ja in Fetzen um Dich,« sagte Julie, als dieser dem Lichte näher trat; »hat ihn Dir der Jaguar zerrissen?« »O nein, der ist so nahe nicht an mich gekommen; die Dornen haben es gethan, als wir in der Dunkelheit durch den Wald gingen,« entgegnete Carl, indem er vor den Spiegel trat und die vielen Oeffnungen in seinem Rocke betrachtete, durch welche das weiße Hemd hervor schien. »Ich werde morgen Hirschhäute gerben, aus denen wir uns Kleidung machen wollen, denn aller andere Stoff hält auf der Jagd nicht aus. Auch _meine_ Jacke hat diesmal große Noth gelitten,« fiel der Neger ein und verließ mit den Worten das Zimmer: »Ich will schnell noch die Häute der zuletzt geschossenen Hirsche in das Wasser legen, damit sie weich werden.« Bald kehrte er zurück und nahm mit Turners am Tische Platz, um das Abendbrod zu verzehren. Nachdem dies geschehen war, griff ein Jedes wieder zu einer Arbeit, und Daniel kam heute mit der Anfertigung des Pulverhorns und des Trinkbechers zu Ende, welche er Carl überreichte, als sie sich erhoben, um sich zur Ruhe zu begeben. Beide Hörner waren äußerst sauber und geschmackvoll gearbeitet und machten Carl außerordentlich große Freude. Er dankte dem freundlichen Neger von ganzem Herzen und wünschte nur eine Gelegenheit zu finden, ihm gleichfalls eine Freude bereiten zu können. Abschnitt 5. Lederbereitung. -- Die Poolkatze. -- Büffeljagd. -- Der Lasso. -- Die wilden Bienen. -- Weihnachtsabend. -- Vorsichtsmaßregeln. -- Der Mais. -- Die Biber. -- Der Alligator. -- Die Wacoindianer. Am folgenden Morgen holte Daniel die Hirschhäute aus dem Fluß und rief Carl zu sich, um ihm zu zeigen, in welcher Weise sie zu bereiten seien. Er hatte zu diesem Zwecke mehrere Hirschköpfe aufbewahrt, schnitt auch den des Jaguars aus dessen Haut, und nahm nun aus sämmtlichen Schädeln das Gehirn heraus. Er mischte dasselbe in einem Gefäße mit Wasser zu einem dünnen Brei, und nachdem er die Hirschhäute auf ein von der Rinde entblößtes Stück Baumstamm gelegt und mit einem Ziehmesser von allen Fleischtheilen und von den Haaren gereinigt hatte, bestrich er sie mit diesem Brei, faltete sie dann mehrere Male zusammen und legte schwere Steine darauf. Die Jaguarhaut behandelte er ebenso, nur ließ er das Haar auf ihr sitzen. In dieser Weise ließ er sie bis zum folgenden Morgen liegen, wusch sie dann im Flusse sauber aus und hing sie im Schatten auf. Noch ehe sie aber ganz trocken wurden, nahm er sie ab, um sie trocken zu reiben. Er hatte zu diesem Zwecke ein breites Brett in die Erde eingeschlagen, dessen in die Höhe stehendes Ende zugeschärft und nach den Seiten hin abgerundet war. Auf diese nach oben stehende Schärfe legte er nun eine Haut und zog dieselbe darauf von einer Seite nach der andern hinunter, wobei er alle Kraft anwandte, um die Fasern derselben auseinander zu dehnen. Die Haut wurde hierdurch sehr geschmeidig und weich, besonders nachdem Daniel sie zuletzt noch zwischen seinen Händen ganz trocken gerieben hatte. Die Hirschfelle verarbeitete er auf beiden Seiten auf dem Holze, während er die Jaguarhaut nur auf der Fleischseite rieb, da sie ja das Haar behalten sollte. Nun war das Leder fertig und so zart und weiß, wie es ein Weißgerber nicht schöner machen konnte. Damit es aber durch Naßwerden nicht wieder zusammenschrumpfen und hart werden sollte, wurde es geräuchert. Dies vollbrachte Daniel dadurch, daß er ein zwei Fuß tiefes Loch in die Erde grub, dessen obere Oeffnung die Größe der Haut hatte. Er entzündete nun in der Vertiefung ein Feuer, warf eine Menge faules Holz darauf, so daß es nur kohlte und stark rauchte, und spannte die Haut glatt darüber aus, indem er sie mit hölzernen Nägeln rundum auf den Erdboden festnagelte. Von Zeit zu Zeit lüftete er das Fell, um das Feuer mit faulem Holze zu versehen, und ließ in dieser Weise das Leder ganze zwölf Stunden räuchern, wodurch es eine schöne goldbraune Farbe bekam und vor allem Hartwerden für immer gesichert ward. Madame Turner schnitt nun aus dem Leder zwei Jacken, eine für Carl und die andere für Daniel, und übergab sie Julie zum Nähen, während sie sich des Abends selbst bei dieser Arbeit betheiligte. In gleicher Weise wurden auch bald für die beiden Jäger Beinkleider angefertigt, so daß sie auf ihren Streifzügen nicht mehr so sehr durch die Dornen zu leiden hatten, und auch für Arnold und Wilhelm verfertigte Madame Turner und Julie solche Lederanzüge. Die Jaguarhaut war Carls Stolz, sie prangte von nun an auf seinem Sattel als Decke und gewährte ihm durch ihr kurzes strammes Haar, welches den Tiger von dem Leoparden unterscheidet, einen ebenso sichern als kühlen Sitz. Turner war täglich bemüht, seine beiden Knaben gleichfalls in dem Gebrauch der Waffen zu üben, er ließ sie nach einem Ziel schießen, und sie mußten sich auch an Wild versuchen, wenn dasselbe in die Nähe des Forts kam. Beide Knaben schossen schon sehr sicher, sowohl mit der Büchse, als auch mit dem Revolver, und beide hatten schon verschiedenes Wild erlegt. Carl dagegen übte sich, so oft es seine Zeit erlaubte, in dem Gebrauch des Lasso's, einem aus Büffelhaut verfertigten dreißig Fuß langen Strick, an dessen Ende sich eine Schlinge befand. Die Kunst, den Lasso zu gebrauchen, besteht darin, daß man die Schlinge auf die Entfernung der Länge des Strickes einem Thiere über den Kopf wirft, um dasselbe darin zu fangen. Carl übte sich an leblosen Gegenständen, mitunter aber mußten auch Arnold und Wilhelm die Stelle des Wildes vertreten, und im vollen Laufe hinter ihnen her, gelang es ihm häufig, ihnen die Schlinge über den Kopf zu werfen, was dann stets einen großen Jubel veranlaßte. Geschickte Lassowerfer aber, wie Daniel einer war, sind sogar im Stande, ein flüchtiges Thier an einem beliebigen Fuß zu fangen, indem sie die Schlinge gerade auf den Fleck auf die Erde werfen, wo das Thier den Fuß hinsetzen wird, worauf sie den Strick rasch an sich ziehen und die Schlinge sich um den Fuß zuzieht. Daniel hatte von Warwick einen alten Lasso geschenkt bekommen, wollte aber, sobald ihm die Arbeit Zeit gestatten würde, einige Büffel tödten und aus ihren Häuten Lasso's für sich und für Carl anfertigen. Die Arbeiten bei und in dem Fort waren vor der Hand beendet, der Garten lieferte die herrlichsten Gemüse und war mit den wundervollsten Blumen geschmückt, welche Carl und Daniel bei ihren Jagdausflügen aus dem Walde und aus der Prairie mitgebracht hatten; es waren Lorbeerbäume, Magnolien, Maulbeer- und Pflaumenbäume hineingepflanzt, über der Quelle im Fort war ein Milchhaus erbaut und mit Schilf dicht behangen, so daß die Sonne keinen Einfluß auf dessen innere Kühle ausüben konnte, und an den beiden vorderen Ecken des Forts waren die Pallisaden in der Form von Thürmchen vorgebaut worden und Schießöffnungen darin angebracht, so daß man aus ihnen die Wände der Festung beschießen konnte. An einem kühlen Decembermorgen zeigten sich viele Büffelheerden auf der Prairie und Daniel schlug vor, zu Pferde eine Jagd auf sie zu machen, theils um einige Häute zu bekommen, theils aber auch, um Fleischvorrath einzusalzen und zu räuchern, weil jetzt in der kühlen Jahreszeit dies mit weniger Gefahr vor Verderben geschehen konnte. Carl, der sich schon lange auf eine solche Jagd gefreut hatte, war sofort bereit, die Pferde wurden gesattelt, das Riemenwerk noch genau nachgesehen, über die Jaguarhaut wurde noch besonders ein Gurt geschnallt, und kaum hatte die Sonne ihr neues Licht über die in ihrer Winterflur bunt schimmernde Prairie ausgebreitet, als die Jäger ihre muthigen Rosse den Hügel hinab in das hohe Gras lenkten. Turners standen vor dem Thore und winkten den Reitern noch so lange nach, bis dieselben zwischen den einzelnen Baum- und Gebüschgruppen, die sich wie Inseln hier und dort aus der Prairie erhoben, vor ihren Blicken verschwunden waren. Turner hatte sich in den Garten begeben, seine Frau und Tochter waren zu ihren häuslichen Arbeiten zurückgekehrt, und die beiden Knaben wollten nach dem Boote gehen, um mit der Angel dort einige Fische zu fangen. Pluto begleitete sie und sie hatten das Ufer noch nicht erreicht, als sie plötzlich ein Thier vor sich im Grase gewahrten, welches die Größe einer Katze hatte und glänzend schwarz und blendend weiß vom Kopf nach dem Hintertheil gestreift war. Die Knaben sprangen darauf zu, um das Thier zu fangen, welches jedoch statt zu fliehen, seinen mit fußlangen weißen Haaren bewachsenen Schwanz über seinen Rücken legte und sich ganz mit demselben bedeckte. Die Knaben wollten das ihnen unbekannte Thier lebendig mit nach Hause nehmen und riefen Pluto zu sich, doch dieser fiel zornig über dasselbe her und wollte es mit den Zähnen erfassen. Das Thier aber biß ihn gewaltig in die Nase, so daß der Hund mit einem Klagelaut zurücksprang, zugleich aber wandte es sich mit seinem Hintertheil nach ihm hin, und spritzte mit seinem Urin eine stinkende Flüssigkeit, welche es in einer Drüse bei sich trägt, über ihn und über die beiden Knaben aus. Ein furchtbarer, Ekel erregender Geruch erfüllte sofort die Luft, der erzürnte Pluto jedoch fiel abermals über das Thier her und biß es todt. Die Knaben eilten von ihm weg, weil sie den Geruch nicht ertragen konnten, Pluto aber, mit dem Thier zwischen den Zähnen, folgte ihnen, und so kamen sie denn sämmtlich bald darauf in der Stube bei Madame Turner an, wo der Hund seine Beute niederlegte. »Um des Himmels willen, was ist das für ein schrecklicher Geruch, den Ihr mir in das Zimmer bringt?« rief Madame Turner entsetzt aus, denn die Luft im ganzen Hause schien in dem Augenblick verpestet zu sein. »Es ist das Thier, Mutter, welches so riecht,« riefen die Knaben, nach der Thür springend, um dort frischen Athem zu schöpfen. »So schafft es mir aus dem Hause, es ist ja fürchterlich, abscheulich, rein um ohnmächtig zu werden!« rief Madame Turner ganz außer sich, indem sie gleichfalls, so wie auch Julie zur Thür hinaus flüchtete. Pluto folgte ihnen mit einem sehr betrübten Gesichte, denn er wurde elend und mußte sich übergeben. »Das ist ja doch rein zu arg, Ihr Jungen, mir einen solchen Geruch in das Haus zu bringen; gleich holt das abscheuliche Thier heraus,« sagte Madame Turner sehr aufgebracht; doch die Knaben wollten nicht wieder in das Zimmer gehen, weil sie sich schon sehr unwohl fühlten. Madame Turner lief jetzt in das Thürmchen, an dessen Außenseite sich der Garten befand, und rief durch eine Schießscharte ihrem Gatten zu, daß er in das Fort kommen möge. Mit der größten Verwunderung hörte er bei seinem Eintritt, was sich zugetragen hatte, und ging lachend mit den Worten nach dem Hause: »Ihr seid wohl Alle närrisch geworden!« doch kaum trat er in die Thür, als er selbst vor der Luft, die ihm entgegenkam, zurückprallte. Dann sprang er aber schnell in das Zimmer, ergriff die Feuerzange, faßte damit das schreckliche Thier und schleifte es heraus und aus dem Fort nach dem Ufer, wo er es in den Fluß hinabschleuderte. »Nein, so Etwas ist mir denn doch auch im Leben noch nicht vorgekommen,« sagte er, als er in das Fort zurückkehrte; »wie bekommen wir nur den Geruch wieder aus dem Zimmer?« Er ergriff darauf einen Spaten, eilte in das Haus und stach die Erde von dem Fleck, wo das Thier gelegen hatte, denn das Zimmer war noch nicht mit einem Fußboden versehen. Nachdem er dieselbe in den Fluß geworfen hatte, nahm er einige Feuerbrände aus dem Kamin, legte sie in der Mitte der Stube auf die Erde und trug faules Holz darauf, so daß der Raum bald dicht mit Rauch angefüllt war. Die Thür und Fenster wurden geschlossen, und als man sie nach Verlauf von einer Stunde wieder öffnete und den Rauch hinausziehen ließ, hatte sich auch der Geruch, den das Thier hinterlassen hatte, sehr gemildert. Während dieser Zeit ritten die beiden Jäger lustig durch die bunten Blumenfelder der Prairie und näherten sich einer großen Büffelheerde, welche in einer Vertiefung weidete. Dort war das Gras außerordentlich hoch, so daß die riesigen Thiere kaum mit dem Rücken aus demselben hervorsahen, und ihre Köpfe tief in ihm vergraben waren. Daniel hatte sie aber schon auf eine weite Entfernung erkannt, und wählte sie vorzugsweise zur Jagd, weil er hoffte, sich ihnen unbemerkt nahen zu können und dadurch den Pferden die Anstrengung zu ersparen, sie in vollem Laufe einholen zu müssen. Andere Heerden, die links und rechts weideten, gewahrten die Reiter frühzeitig und flohen in eiligem Galopp davon. »Wenn ein recht feister Bulle dabei ist, so wird er bald hinter der Heerde zurückbleiben, da ihm das gewaltige Laufen den Athem nimmt, und dann will ich Ihnen einmal zeigen, wie man einen Büffel ohne Schußwaffe tödten kann,« sagte Daniel zu seinem jungen Freunde. »Beugen Sie sich auf den Hals Ihres Pferdes nieder, damit wir, ohne gesehen zu werden, so nahe wie möglich an die Heerde gelangen; wir ersparen dadurch unseren Rossen große Anstrengung.« Carl that wie ihm Daniel rieth, und so kamen sie den sorglosen Büffeln bald sehr nahe, von denen her der frische Wind den Jägern entgegen zog und sie kühlend umwehte. Die Prairie hob sich hier wellenförmig auf und nieder, und die Reiter suchten immer in der Vertiefung zu bleiben, die sie jetzt in das kleine Thal führte, in welchem die Büffel grasten. Es lagen kaum noch funfzig Schritte zwischen ihnen und den Thieren, da hoben mehrere derselben die finster umlockten Köpfe aus dem Grase empor und schauten verwundert nach den Reitern hin. »Hurrah!« schrie Daniel jetzt mit seiner gewaltigen Stimme und »Hurrah« ließ auch Carl die seinige mit aller Kraft ertönen, und Beide gaben ihren Rossen Zügel und Sporen. Das ganze Thal ward in dem Augenblicke lebendig, das Gras theilte sich und wogte verworren hin und her, wohl vierhundert Büffel rannten in wilder Bestürzung durcheinander hin, wie Donner erdröhnte die Erde unter ihren Füßen, und eng zusammengedrängt jagten sie in schwerfälligem Galopp der nächsten Höhe zu. Die ganze Heerde, die fliegend über die Grasflur dahineilte, war in der dichten, um sie aufwirbelnden Staubwolke verschwunden, während die Jäger ihr auf den flüchtigen Rossen in Carriere folgten. Die gellenden Jagdrufe der Reiter schienen die Thiere zu immer schnellerer Flucht anzutreiben und ihre Angst zu steigern, die sie durch wildes verworrenes Brüllen zu erkennen gaben. Fort ging es in Sturmeslauf Hügel auf, Hügel ab, über steinige Höhen, durch mannshohes Gras in den Thälern, über umgefallene Baumstämme, durch breite, tiefe ausgetrocknete Wassergräben, ohne Rast, ohne Aufenthalt, umsaust von dem stürmischen Tumult der Jagd, so wie eine Windsbraut über die Erde fliegt. Wohl mehrere Meilen weit jagte die Heerde dem frischen Winde gerade entgegen, so daß derselbe den Jägern die Staubwolke zuwehte, die unter den Füßen der Thiere aufstieg; jetzt aber wandten diese sich mehr zur Seite, und ihre riesigen, von fliegenden Mähnen umwogten dunkeln Körper wurden in dem seitwärts verwehenden Staube wieder sichtbar. Der Anblick der Jäger aber mehrte das Entsetzen der Büffel, ihre Flucht wurde immer rasender und die schwersten, die feistesten unter ihnen begannen, hinter der Heerde zurückzubleiben. Namentlich einem alten Bullen schien der tolle Lauf beschwerlich zu werden, seine Flanken hatten sich mit weißem Schaum bedeckt, keuchend ließ er seine brennend rothe Zunge über den langen Bart seines Unterkiefers herabhängen und mit wuthblitzenden glühend gerötheten Augen blickte er seitwärts nach seinen Verfolgern. Mehr und mehr entfernte sich die Heerde von ihm, und vergebens waren seine Anstrengungen, ihr nahe zu bleiben, sein Lauf wurde immer schwerfälliger, seine Sprünge wurden kürzer, und mit dumpfem zornigen Gebrüll schüttelte er wiederholt die schwarzbraunen glänzenden Mähnen. Dennoch blieb er im Galopp und folgte auf dem niedergetretenen Grase der Spur seiner davoneilenden Kameraden. Da sprengte Daniel mit gellendem Jagdruf näher zu diesem Büffel heran, er hob sich strack in den Steigbügeln auf, schwang mit der Rechten den gelösten Lasso hoch über sich im Kreise durch die Luft, und schleuderte die Schlinge sausend auf das Gras hinab vor das flüchtige Thier, welches im Sprunge seinen linken Vorderfuß in dieselbe niedersetzte. In derselben Secunde zog Daniel den Lasso zurück, denn er hatte sein Pferd zur Seite gewandt, und die Schlinge zog sich um den Fuß des Büffels fest. Hoch bäumte sich jetzt das plötzlich parirte Pferd des Negers und der Büffel, in seinem Sturmlauf an dem Fuße zurückgehalten, stürzte über Kopf donnernd zu Boden, daß die Erde unter ihm erzitterte. Das ungeheure Thier lag mit emporgestreckten Gliedern auf dem Rücken und mit Blitzesschnelle spornte der Neger sein wild aufgeregtes Roß im Kreise um dasselbe und wand, noch ehe der Büffel sich erheben konnte, das starke lederne Seil um dessen vier Beine. Mit jedem Kreise, den er um das Thier beschrieb, zog er dessen Glieder fester zusammen, während der Gefangene die Luft mit seinem Gebrüll erfüllte. Wuthschäumend warf er sich hin und her, und riß und dehnte den Lasso mit seinen Riesenkräften, während er mit den scharfen Hörnern den Boden zerwühlte. »Wir haben ihn, wir haben ihn!« rief Carl triumphirend aus, und sprengte sein entsetztes Roß näher zu dem gegen seine Fesseln kämpfenden Koloß hinan, als Daniel ihm zurief: »Zurück, zurück, nehmen Sie sich in Acht, das Seil hat nicht gut gefaßt, er kommt wieder los.« Zugleich ließ er sein Pferd rückwärts schreiten, um den Strick, welcher mit dem Ende an dem Sattelknopf befestigt war, fester anzuziehen; der Büffel aber zuckte und schlug so gewaltig mit seinen Gliedern, daß er das Seil über seine Kniegelenke streifte und plötzlich alle vier Beine aus dem Gewinde befreite. Daniel warf sein Roß zur Seite, um davon zu jagen und so den Büffel abermals an dem gefangenen Fuße niederzureißen; derselbe aber war mit ebenso großer Schnelligkeit aufgesprungen und stürzte jetzt mit entfesselter Wuth seinem Gegner nach. Das Gras war hier ungewöhnlich hoch und hemmte die Flucht des Pferdes, während dieses für den Büffel die Bahn brach und derselbe mit größerer Leichtigkeit folgen konnte. In tollem Laufe sausten sie vorwärts, ohne einander näher zu kommen, oder sich weiter von einander zu entfernen; ein Fehltritt des Rosses aber würde diesem und seinem Reiter sicher einen schnellen Untergang bereitet haben. Kaum gewahrte Carl jedoch die Gefahr, in der sein Freund schwebte, als er dem Falben die Sporen in die Flanken stieß und in fliegender Carriere an die rechte Seite des Büffels sprengte. In gestrecktem Laufe richtete er die Büchse auf die Schulter des wüthenden Thieres und feuerte beide Läufe auf dasselbe ab. Im Augenblick wandte es sich nach seinem neuen Gegner, doch der Sprung zur Seite streckte den Lasso, der seinen Fuß gefangen hielt, und das Pferd des Negers riß den Büffel abermals daran zu Boden. Daniel war darauf vorbereitet und wandte sein Roß geschickt und schnell dem Gefangenen zu, den er nun wieder umkreiste und ihn mit dem Lasso umwand. Diesmal gelang es ihm, die Glieder des Büffels so fest damit zusammenzuschnüren, daß dessen Anstrengungen dagegen erfolglos blieben und derselbe sich bald in sein Schicksal ergab. Seine Kräfte nahmen auch rasch ab, denn die beiden Schüsse Carls waren tödtlich und ließen das Thier sich schnell verbluten. »Das hätte bös für mich ausfallen können,« sagte Daniel, indem er vom Pferde sprang und demselben die Vorderfüße zusammenband; »es war ein Uebermuth von mir, denn wir hätten ja den Büffel mit halb so vieler Mühe erschießen können; ich wollte Ihnen aber doch zeigen, daß man auch ohne Schußwaffen ein solches riesiges Thier erlegen kann. Sie haben mir in der That das Leben gerettet; denn hätte mein Pferd auf den Lasso getreten, so mußte es mit mir zusammenstürzen und dann würde dies wohl meine letzte Büffeljagd gewesen sein. Ich versuchte, den Lasso von dem Sattelknopf zu lösen, konnte aber den Knoten während des Jagens nicht öffnen. Nun wollen wir eine Fahne über dem alten Burschen aufrichten und schnell nach Hause reiten, um sein Fleisch zu holen; er ist unglaublich feist.« Hiermit sprang der Neger nach einem nahestehenden Mosquitobaum, hieb mit dem Jagdmesser einen langen Ast davon ab, band an dessen Spitze ein rothes seidenes Halstuch, welches er zu diesem Zwecke mitgebracht hatte, und pflanzte die Fahne über dem Büffel auf, so daß der kräftige Wind sie flatternd über demselben entfaltete. Carl hatte während dieser Zeit seine Büchse wieder geladen, und nun bestiegen die Jäger abermals ihre Rosse und lenkten sie eilig nach dem Fort zurück, wo sie noch vor Tisch anlangten. »Hallo -- hier ist eine Poolkatze gewesen!« rief Daniel, als sie das Thor der Festung erreichten, wo ihnen der immer noch starke Geruch des durch Pluto getödteten Thieres entgegenkam. Auch in dem Hause war derselbe noch nicht ganz beseitigt, und Daniel unterrichtete nun seine Freunde, daß das Thier eine Poolkatze oder Stinkthier gewesen sei, eine Art Iltis, welcher sich gegen seine Feinde durch Ausspritzen des stinkenden Saftes vertheidige. Das Mittagsessen wurde nun schnell eingenommen und darauf der leichte Wagen bespannt, um das Fleisch des erlegten Büffels herbeizuschaffen. Carl fuhr, und Daniel folgte ihm zu Pferde. Bald sahen sie die rothe Fahne im Winde flattern, und über ihr viele hunderte von Geiern die Luft durchschwärmen, die sich nicht in die Nähe des rothen Tuches wagten. Als sich die Jäger näherten, ergriffen auch viele Wölfe die Flucht, die sich in einiger Entfernung um den Büffel gesammelt hatten, aber gleichfalls durch das wehende Tuch von ihm zurückgehalten worden waren. Daniel band sein Pferd an den Wagen und beeilte sich nun, mit Carls Hülfe dem Büffel die prächtige Haut abzunehmen. Dann wurde derselbe ausgeweidet, in Stücke gehauen und dieselben auf den Wagen gehoben. Das Fleisch war ganz mit goldgelben Fettadern durchwachsen und Daniel erklärte, daß man nur selten einem so außerordentlich feisten Büffel begegne. Kaum hatten sich die Jäger einige hundert Schritte von den zurückgelassenen Ueberresten des Thieres entfernt, als die Geier sich zu Hunderten aus der Luft herabschwangen und sich auf dieselben niederließen. Die Fahrt ging des sehr hohen Grases wegen nur langsam von Statten und nicht in gerader Richtung nach dem Fort zurück, weil Carl sich auf den Höhen zu halten suchte, wo das Gras weniger hoch war. Sie naheten sich einer der Waldinseln, die hier in der Prairie zerstreut lagen, als Daniel, der etwas seitwärts vom Wagen ritt, plötzlich sein Pferd diesem zulenkte und zu Carl sagte: »Halten Sie an, dort hinter der Insel stehen mehrere Büffel, denen Sie sich mit leichter Mühe auf Schußweite nähern können. Die schöne Haut, welche wir im Wagen haben, möchte ich nicht gern zu einem Lasso zerschneiden, es wäre schade dafür. Schießen Sie einen von jenen Büffeln, damit wir noch eine Haut bekommen. Schnell, eilen Sie in das Holz, ich will bei den Pferden bleiben.« Hiermit stieg der Neger ab und führte sein Roß zu den Wagenpferden, während Carl von seinem Sitze sprang und eilig durch das hohe Gras der Waldinsel zulief. Dieselbe bestand aus hohen prächtigen Eichen, Tulpenbäumen, Platanen und Ahornen, deren Stämme sich aus üppigem dichten Gebüsch erhoben, während das ganze Wäldchen nur einige hundert Schritte im Umfang maß. Carl hatte bald das Dickicht erreicht, und schlich sich vorsichtig durch dessen tiefes Dunkel der andern Seite zu. Es lag viel trockenes Reisig auf dem Boden, auf welches zu treten er sorgfältig vermied, um sein Nahen den Büffeln nicht zu verrathen, und je näher er dem Waldsaume kam, um so behutsamer setzte er den Fuß an die Erde. Bald aber gelangte er hinter den letzten Büschen an den Stamm einer alten Eiche, und blickte neben ihm hinaus in die Prairie. Ein freudiger Schreck durchzuckte ihn, denn nur wenige Schritte vor ihm standen fünf kolossale männliche Büffel in dem hohen Grase und schauten regungslos in das Dickicht. Sie mußten doch Etwas gehört haben, welches ihnen verdächtig schien, denn sie verwandten keinen Blick von der Richtung, in welcher Carl stand. Dieser aber war durch die Eiche verdeckt und hob mit der größten Vorsicht die Büchse an die Schulter; dann beugte er sich langsam auf die Seite des Stammes und richtete den Lauf auf eines der riesigen Thiere. Die große Nähe desselben erfüllte ihn mit einem unheimlichen Gefühl, er kam sich selbst so klein, so winzig gegen dieses Ungeheuer vor, und er dachte daran, daß _ein_ Fußtritt desselben ihn zermalmen würde. Es war aber nur ein Augenblick des Bangens, dann gab er Feuer. Der Donner der Büchse und das Getöse, mit welchem die Büffel in das Dickicht hereinstürzten, betäubten Carl, er drückte sich fest hinter den Eichenstamm und fühlte denselben erbeben, als die Riesenthiere an ihm vorüberschossen und im Dunkel des Wäldchens verschwanden. Er hörte ihre dröhnenden Schritte weithin verhallen, zugleich aber vernahm er in dem Dickicht ein Rauschen und Schlagen und Brechen, welches auf ein und demselben Platze ertönte. Carls Herz schlug hoch vor Freude, denn dies Getöse mußte von dem verwundeten Büffel verursacht werden. Er wollte schon in das Dickicht hineinspringen, da fiel ihm der Jaguar ein und die Gefahr, in welche er damals gerathen war. Er eilte nun hinaus in die Prairie und um die Waldinsel, bis er Daniels ansichtig wurde, der ihm schon mit dem Wagen entgegen kam und ihm zurief: »Haben Sie einen geschossen?« »Wie viele Büffel hast Du fortrennen sehen?« fragte ihn Carl. »Vier Stück,« entgegnete der Neger. »So habe ich einen erlegt, denn es waren ihrer fünf und ich hörte es eben noch im Walde schlagen. Wollen wir hineingehen?« »Lassen Sie mich dies thun und bleiben Sie bei den Pferden; ein angeschossener Büffel ist ein gefährlicher Gesellschafter.« Carl trat nun zu den Pferden und Daniel schlich sich mit der Büchse in der Hand in das Dickicht hinein. Nach wenigen Augenblicken aber rief er jubelnd aus: »Hier liegt er mausetodt, Sie haben ihn durch das Herz geschossen.« Gleich darauf trat der Neger wieder aus den Büschen hervor, band die Zügel der Pferde an einen Baum und begab sich dann mit seinem jungen Freunde zu dem erlegten Büffel, um sich der Haut desselben gleichfalls zu bemächtigen. Außer dieser wurden noch die besten Stücke Fleisch, die Zunge und die Markknochen von dem Thiere auf den Wagen gebracht, und dann setzten die mit reicher Beute versehenen Jäger ihren Heimweg fort. Die Sonne war schon im Scheiden, als sie das Fort erreichten und dort freudig bewillkommnet wurden. Am folgenden Morgen gab es nun viele Arbeit im Fort. Turner und dessen Frau und Tochter zerlegten das Fleisch und salzten es ein, einen Theil davon aber hingen sie, in dünne Scheiben zerschnitten, auf Stöcken über ein stark rauchendes Kohlenfeuer, wo auch die Sonnenstrahlen darauf einwirken konnten, um es schnell zu trocknen. Daniel und Carl nahmen die beiden Büffelhäute vor und reinigten sie mit dem Ziehmesser von allen Fleischtheilen, welche noch an der Haut saßen; dann bestrichen sie die schönste derselben mit dem Gehirn der beiden Büffel und falteten sie zusammen, um sie am folgenden Tage zu gerben; die zweite Haut aber legte Daniel mit dem Haar nach unten auf einen ganz ebenen Platz, und nagelte sie auseinandergespannt mit hölzernen Pflöcken auf die Erde fest. Dann stach er sein sehr scharfes Messer in die Mitte derselben ein, drehte es in einen kleinen Halbzirkel, so daß er die Haut hier fassen konnte, und begann nun einen zollbreiten Streifen aus derselben zu schneiden, indem er ihn mit der linken Hand an sich zog und ihn im Kreise immer weiter aus der Haut löste, bis er endlich die Holzpflöcke erreichte und das ganze Fell in einen, mehrere hundert Fuß langen Streifen zerschnitten war. Dieses Band wurde nun zwischen einzelnstehenden Bäumen von einem Stamme zum andern ausgespannt und die Haare davon mit scharfen Messern abgeschabt. Außer Carl mußten Arnold und Wilhelm dem Neger bei dieser Arbeit behülflich sein, und nachdem sie sauber vollendet war, wurden schwere Holzstücke an den Hautstreifen gehangen, damit derselbe sich so lang als möglich ausdehne. Dabei wurde er naß erhalten und am folgenden Morgen in fünf gleich lange Stücke zerschnitten. Dieselben rollte Daniel zu Knäueln auf, band deren Enden zusammen und hing sie an den Ast eines Baumes. Nun begann er, diese fünf Streifen fest zusammen zu flechten, so daß er einen Strick daraus bereitete, der über vierzig Fuß lang war. Denselben spannte er abermals zwischen zwei Bäumen aus, rieb ihn tüchtig mit Bäröl ein und hing schwere Gewichte daran, um ihn möglichst auszudehnen, wodurch er dünn und rund wurde und die einzelnen Streifen sich fest ineinander zogen. Nachdem dieses Lederseil mehrere Tage so ausgespannt und vollkommen getrocknet war, verflocht Daniel das eine Ende desselben zu einer Schlinge, wodurch der Lasso fertig wurde. Er war sehr glatt und geschmeidig und von außerordentlicher Stärke. Die andere Büffelhaut hatte Daniel gegerbt, sie war weich und zart, wie ein Tuch, und gab für Carl eine prächtige Bettdecke. Eines Morgens beim Frühstück, als Madame Turner das Gefäß mit Honig auf den Tisch setzte, welchen sie zum Versüßen des Kaffee's von Warwicks erhalten hatte, sagte sie: »Hier ist aber der letzte Honig, wir müßten einmal versuchen, ob wir nicht von Warwicks welchen kaufen könnten.« »Honig kaufen?« rief Daniel lachend, »das wäre schön -- wir wohnen ja in dem Lande, wo Honig fließt. Nein, Madame Turner, Sie brauchen deshalb nicht zu Warwicks zu schicken, ich will Ihnen sogleich so viel holen, wie Sie bedürfen. Geben Sie uns nur einige Eimer, und in ein paar Stunden sollen dieselben mit Honig gefüllt sein.« Madame Turner hielt Daniel beim Wort, und nach dem Frühstück nahm er die drei Knaben mit sich nach dem Ufer des Flusses, wo dasselbe sich sandig abflachte. Dort setzte er sich nieder und hielt seinen Blick auf den Wasserrand geheftet. Nach wenigen Minuten schon kamen mehrere Bienen geflogen und ließen sich zum Trinken an dem Wasser nieder. Als sie sich wieder in die Luft erhoben, folgte Daniel ihnen mit dem Blick, so weit er sie sehen konnte, ging dann bis dorthin und steckte einen Stock in die Erde, auf welchem er ein mit Honig bestrichenes Papier befestigt hatte. Nach kurzer Zeit fielen mehrere Bienen auf dasselbe nieder und beluden sich schnell mit der Süßigkeit. Als sie nun wieder davon flogen, folgte ihnen Daniel abermals mit dem Stock und pflanzte denselben da auf, wo er sie zuletzt gesehen hatte. So ging es nun wohl eine Viertelstunde weit am Waldsaume hin, bis die Bienen, deren Zahl sich schnell vermehrt hatte, sich von dem Papier nach einer alten Platane wandten, die an dem äußersten Ende des Waldes stand. »Dort in jenem Baume wird wohl ihre Wohnung sein,« sagte Daniel, indem er nach der Platane ging und deren Aeste betrachtete. »Richtig, da oben sind sie,« rief er den Knaben zu, »sehen Sie den schwarzen Fleck an jenem starken Aste? Das sind die Bienen vor dem Eingange ihres Baues. Carl, zünden Sie ein tüchtiges Feuer hier an, ich will mich auf den Baum machen und den Ast abhauen.« Der Neger warf nun den Lasso über einen der Aeste des ungeheuren Baumes, so daß die beiden Enden an dem Stamme herunterhingen, befestigte sie um denselben und kletterte nun an dem Seile hinauf. Dann ließ er eine Leine von oben herab, an welche die Knaben die Holzaxt binden mußten, die er daran zu sich heraufzog. Nun stieg er nahe zu dem Aste hin, in welchem die Bienen hausten, und begann ihn dicht am Stamme abzuhauen. Es war keine leichte Arbeit, denn der Ast hatte über drei Fuß im Durchmesser und der Stand des Negers war unbequem, so daß dieser sich oftmals ruhen mußte; dennoch begann nach einer Stunde der Ast sich zu neigen und stürzte plötzlich mit lautem Krachen zur Erde nieder. Er zerbrach im Falle in mehrere Stücke, und die Aushöhlung, in welcher der Honig sich befand, war geöffnet. Die Bienen wirbelten sich, wie eine schwarze Wolke über ihrer zertrümmerten Wohnung auf, und Daniel rief den Knaben zu, beim Feuer zu bleiben, bis er hinabgestiegen sei. Er ließ sich nun wieder an dem Lasso zur Erde nieder, eilte zum Feuer und ergriff einige Feuerbrände. Die Knaben mußten desgleichen thun, und nun trugen sie die rauchenden Stücke Holz zu dem zerbrochenen Aste, unbekümmert um die Bienen, die denselben dicht umschwärmten. Der starke Rauch vertrieb die erzürnten Thiere schnell, und ihre Räuber begannen nun, mit den Messern die Wachszellen aus der Höhlung des Astes zu schneiden und die mitgebrachten Gefäße damit zu füllen. Der Honig war so hell, wie Wasser, und von so köstlichem gewürzigen Geschmack, daß die vier Bienenjäger sich während der Arbeit nach Herzenslust daran labten. Sie hatten vier Eimer damit gefüllt und traten schwer beladen ihren Rückweg nach dem Fort an, wo Madame Turner durch den herrlichen Honig freudig von ihnen überrascht wurde. »An Honig soll es nie fehlen, denn ich will mich verbindlich machen, in ganz kurzer Zeit über hundert Bienenstöcke aufzufinden,« sagte Daniel, erfreut, seinen Freunden sich abermals nützlich erwiesen zu haben. »Es wäre aber schade, wenn wir uns die Bienen entgehen lassen wollten, denn es ist ein kräftiger junger Schwarm; wir wollen sie heute Abend einfangen und hier beim Fort aufstellen.« Um dies auszuführen, wurde im Walde ein Stück von einem umgefallenen hohlen Baume abgeschnitten und mit den Ochsen nach dem Fort geschleift. Dort wurde es mit der unteren Oeffnung auf ein Brett gestellt, die obere mit einem solchen vernagelt und ein Eingang an dem untern Rande eingeschnitten. Als nun der Abend kam, begaben sich die Bienenjäger wieder nach dem abgehauenen Aste, wo sie die Bienen auf einen Haufen versammelt fanden. Daniel schüttete sie in einen Sack, trug sie nach dem Fort, und schüttelte sie dort in den hohlen Baumstumpf hinein, der dann wieder auf das Brett gestellt wurde. Schon am folgenden Morgen fingen die Bienen an zu arbeiten, und ihre neue Wohnung mit Zellen zu versehen. Alles gedieh unter der Arbeit und der Sorge der fleißigen Ansiedler; der Garten lieferte ihnen ununterbrochen einen Ueberfluß an herrlichen Gemüsen und Früchten; die köstlichsten Melonen kamen trotz der Winterzeit zur Reife, sehr schmackhafte Kürbisse wurden geerntet und andere wegen ihrer äußern Schale gezogen, die zu Gefäßen aller Art benutzt wurden, und süße Kartoffeln und Erdnüsse wuchsen in Menge. Auch der Viehstand hatte sich vermehrt, es waren mehrere Kälber geboren, die Sau hatte acht niedliche Ferkel zur Welt gebracht und die Hühner waren kaum noch zu zählen. Diese wurden gänzlich sich selbst überlassen, sie schliefen während der Nacht in den nächststehenden Bäumen, brüteten in den Büschen ihre Eier aus, und führten dann ihre Kleinen nach dem Fort, wo eine solche Schaar jungen Anwuchses immer freudig begrüßt wurde. Das Rauchhaus war mit Fleisch gefüllt, die durch Daniel und Carl verfertigten Bütten mit Salzfleisch versehen, ein großer Vorrath von Heu war im Fort aufgestapelt, und eine zweite Ladung Mais war vom Choctawbache herbeigeschafft worden. Die Familie Warwicks hatte Turners wiederholt besucht, und alle deren Mitglieder freuten sich innig über das segensreiche Gedeihen der Ansiedelung. Warwick war jederzeit eine Gelegenheit willkommen, wo er Turners gefällig oder dienlich sein konnte, und er brachte ihnen bei seinen Besuchen immer irgend ein nützliches Geschenk mit. So hatte er ihnen einen Beutel voll Pfirsich-, Pflaumen- und Aprikosenkerne geschenkt, um sie zu pflanzen, da in diesem Lande aus den Kernen die vortrefflichsten Obstbäume gezogen werden, und meist schon im vierten Jahre Früchte tragen. Auch hatte er bei seinem letzten Besuche vier ausgewachsene junge Hunde mitgebracht, damit dieselben helfen sollten, das Fort zu bewachen. Bei dieser Gelegenheit sprach er auch sein großes Erstaunen darüber aus, daß Turners so ganz und gar von den Feindseligkeiten der Indianer verschont geblieben waren, und erklärte, daß dies zu den wirklich ungewöhnlichen Ausnahmen gehöre. Er hoffte und wünschte, daß diese Ruhe nicht diejenige sein möge, welche einem schweren Sturme voranzugehen pflege, und rieth besonders unausgesetzte Vorsicht an. Die Weihnachten naheten und Madame Turner konnte nicht umhin, auch hier Vorbereitungen für das Begehen des Festes zu treffen, wie sie so oft frohen Herzens in dem alten theuren unvergeßlichen Deutschland gethan hatte. Es wurden aus dem Wachs der wilden Bienen kleine Kerzen bereitet, es wurden Honigkuchen gebacken, zu welchem Zwecke von Warwicks ein Fäßchen Weizenmehl gekauft worden war, Nüsse, und zwar die allerherrlichsten, hatte der Wald geliefert, nur der Tannenbaum, wie er in Deutschland das Weihnachtsfest zierte, war hier nicht zu finden. Statt seiner schaffte aber Daniel einen schönen Cederbaum an, und stellte ihn am Weihnachtsabend in einem der Häuser auf. Der Neger, der noch nie dies Fest hatte begehen sehen, der aber so viel durch die Kinder darüber erfahren hatte, freute sich selbst wie ein Kind darauf, und konnte kaum den Abend erwarten, bis er die Lichter an dem Baume brennen sehen würde. Die Nacht brach herein und Alle, bis auf Madame Turner, hatten sich in dem Wohnzimmer versammelt, während diese in der Stube bei dem Baume beschäftigt war. Endlich ertönte die Schelle, die Thür in dem andern Hause öffnete sich, der helle Kerzenschein drang aus ihr hervor, und die Kinder stürmten mit ihrem Freunde Daniel, und von Turner gefolgt, in das blendend erleuchtete Gemach. Da hob sich der geschmückte Baum im prächtigen Lichterglanz, Kisten mit bunten Tüchern überdeckt, vertraten die Stelle der Tische, und auf ihnen lagen Geschenke für alle Anwesenden und standen Teller mit allerlei Backwerk und Nüssen. Dabei war das Zimmer mit blendend weißen Leinentüchern behangen und mit frischem immergrünen Laub geziert, und neben dem Kamin, in welchem ein lustiges Feuer flackerte, stand auf einem improvisirten Tische ein großer Suppennapf mit dampfendem Punsch, wozu Warwicks gleichfalls die Ingredienzen geliefert hatten. Die Freude, der Jubel Aller war groß, der Neger aber schien am Tiefsten ergriffen. Er stand verwundert und sprachlos da, und wußte nicht, wohin er seine Blicke wenden sollte, bis Madame Turner ihn freudig bei der Hand ergriff und ihn zu dem Tische führte, auf welchem seine Geschenke lagen. Sie hatte für ihn, so wie für Carl, eine Weste aus Hirschleder gearbeitet und schön mit bunter Seide gestickt, Turner hatte sich vom Choctawbache her eine Pfeife und Taback für ihn verschafft und außerdem ihn mit Baumwollenzeug zu einem ganzen Anzug beschenkt. Die dankbare Rührung des Negers überwältigte ihn vollständig, bebend küßte er Allen die Hände, und Thränen der Freude netzten seine schwarzen Wangen. Carl fand auf seinem Tische eine goldene Uhr, welche Turner für ihn aus Deutschland mitgebracht hatte, und eine Menge kleiner Handarbeiten von seiner Tante und von Julie prangte daneben im hellen Lichtscheine. Arnold und Wilhelm waren von ihrer Mutter mit ledernen Jacken beschenkt, die sie aus den Häuten von Hirschen verfertigt hatte, welche durch die Knaben selbst erlegt worden waren. Wenn nun auch Manches fehlte, was in Deutschland dazu beigetragen hatte, die Feierlichkeit und den Glanz des Weihnachtsfestes zu erhöhen, so war die Heiterkeit und das Glück der Ansiedler deswegen nicht weniger groß, und mit wonnig bewegten Herzen gaben sie sich der Freude hin, die ihnen der heilige Abend bot. Er verstrich in sorgloser Fröhlichkeit, und Mitternacht mahnte daran, daß es Zeit sei, sich zur Ruhe zu begeben, als die Hunde außerhalb des Forts plötzlich ein wüthendes Gebell anstimmten. Sie waren durch die, für sie angelegten kleinen Oeffnungen in den Pallisaden hinaus gerannt, und schienen im Anfang ganz in der Nähe der Festung irgend einen Feind vor sich zu haben, bald aber entfernte sich der Lärm in der Richtung nach dem Pflaumenbache hin, wo er zuletzt verhallte. Turner, Daniel und die Knaben hatten eilig zu ihren Waffen gegriffen, und sich damit in dem Hofe aufgestellt. Sie hefteten ihre Blicke gegen den nächtlichen Himmel auf die Spitzen der Pallisaden, um etwaigen Feinden das Uebersteigen zu wehren, und lauschten dabei auf jeden Ton nahe und fern. Bald aber kamen die Hunde sämmtlich zurück in das Fort und gaben dessen Bewohnern durch ihre Rückkehr die beruhigende Ueberzeugung, daß kein Feind sich mehr in der Nähe befinde. Daniel bat seine Freunde dringend, sich zur Ruhe zu begeben, er selbst wolle während dem Rest der Nacht im Hofe wachen, wobei Carl es sich nicht nehmen lassen wollte, ihm Gesellschaft zu leisten. Turners dankten ihm für seine Liebe, seine Fürsorge und gingen dann beruhigt nach ihren Lagern, worauf Daniel die vier, von Warwick erhaltenen Hunde aus dem Fort schickte, Pluto aber bei sich behielt. Dann setzte er sich mit Carl auf die Bank vor dem Hause, von wo er die Pallisaden übersehen konnte, und erzählte seinem jungen Freunde von den vielen blutigen Fehden, die er unter den Indianern mitgefochten hatte. Die Nacht verstrich aber ohne alle Störung, und als der Tag kam, und Turner wieder im Hofe erschien, ging der Neger mit Carl aus dem Fort, um sich davon zu überzeugen, was die Ursache der nächtlichen Störung gewesen sei. Er suchte um den Fuß des Hügels in dem bethauten Gras, und erkannte bald an den niedergebeugten und zerknickten Halmen die Spur der Hunde, wo sie ihren Feind verfolgt hatten. Die Fährte des Feindes selbst konnte er in dem Grase nicht unterscheiden, er ging aber der Spur bis in den Wald am Pflaumenbach nach. Dort wandte sich dieselbe am Holze hin und auf dem ersten Büffelpfad in dasselbe hinein. Hier blieb Daniel stehen, gab Carl seine Büchse zu tragen, und legte sich nun auf die Kniee nieder, um die staubige Erde auf dem Wege zu untersuchen. Er war nur eine kurze Entfernung auf demselben hingekrochen, als er Carl zu sich rief, und ihm den kaum sichtbaren Abdruck eines menschlichen Fußes in dem leichten Staube zeigte. »Es sind Waco- oder Tonkoway-Indianer gewesen, man kann es deutlich an der Schärfe der dicken harten Sohlen unter ihren Mokassins erkennen,« sagte er. »Diese beiden Stämme sind sogenannte Fußindianer, und zwar die einzigen, welche diese südlichen Länder bewohnen, während alle übrigen Stämme Pferdeindianer sind, das heißt, Indianer, welche ihre Jagd- und Kriegszüge zu Pferde machen und stets große Heerden dieser Thiere auf ihren Wanderungen mit sich führen. Die Pferdeindianer sind Jahr aus Jahr ein auf der Reise, sie leben ausschließlich von der Jagd, ziehen im Frühling weit nach Norden in die großen endlosen Prairien, den unzähligen Büffelheerden nach, und kehren im Herbst wieder nach Süden zurück, wo die Weiden nie aufhören zu grünen. Diese Fußindianer dagegen verlassen diese Gegend nicht, und schleichen wie Schlangen in den Wäldern und Büschen umher, weil sie mit den Pferdeindianern in ewigem Kriege leben, und von ihnen ebenso sehr gehaßt und verfolgt werden, wie von den weißen Grenzansiedlern. Sie sind sämmtlich mit Feuerwaffen versehen, während die anderen Wilden dieser Länder keine solche besitzen, und darum sind sie auch viel gefährlicher, als diese. Wir müssen jetzt sehr auf unsrer Hut sein, denn dies ist sicher nicht ihr letzter Besuch bei uns gewesen.« Der Neger zeigte seinem Gefährten nun die Spur noch weiter auf dem Pfade hin, um ihn dadurch zu unterrichten, und dann begaben sie sich nach dem Fort zurück, um noch einige Vorsichtsmaßregeln gegen solche nächtliche ungebetene Gäste zu treffen. Dort angelangt, verfertigte Daniel aus dem Bandeisen, womit die Kisten Turners benagelt gewesen waren, zwei weitläufige Geflechte in der Form von Körben, welche dazu dienen sollten, Kienspäne darin anzuzünden und die Umgebung des Forts bei Nacht schnell zu beleuchten. Er errichtete nun in jeder der beiden vorderen Ecken der Pallisadenwand aus leichten Baumstämmen hohe Galgen, und befestigte an die Spitze von deren Armen eine Rolle. Durch diese zog er eine eiserne Kette, an deren Ende er einen der Körbe anhing, so daß man denselben daran aufziehen konnte, bis er mehrere Fuß hoch über den Pallisaden in der Luft hing. Auf diese Weise wollte der Neger bei einer nächtlichen Störung die ganze Umgebung des Forts hell erleuchten, damit man durch die Schießscharten den Feind erkennen und nach ihm feuern könne. Die Vorrichtung war außerordentlich einfach und sehr bald ausgeführt, und auch noch ein tüchtiger Vorrath von Kienspänen herbeigeholt. Diese neue Erinnerung an die Gefahr, in welcher Turners lebten, hatte ihre Besorgniß wieder frisch angefacht, mit Bangen sahen sie den Abend nahen und fuhren bei dem leichtesten Gebell der Hunde zusammen. Die Pferde wurden mit Sonnenuntergang schon aus dem Grase geholt, getränkt und in das Fort geführt, dann das Thor desselben geschlossen, und die vier neuen Hunde hinausgelassen und ausgesperrt. Die Schrotflinten waren sämmtlich für eine etwaige Vertheidigung der Festung mit Röllern geladen, und alle übrigen Waffen zum schnellen Gebrauch in Bereitschaft gesetzt. Mehrere Wochen eilten aber wieder dahin, ohne daß von Indianern Etwas gesehen worden wäre, und die Besorgniß der Ansiedler nahm abermals nach und nach in der Gewöhnung an die Gefahr ab. Die Zeit war gekommen, daß das Feld mit Mais bestellt werden mußte, bei welcher Arbeit abwechselnd bald Turner, bald Carl dem Neger behülflich war, Einer von ihnen aber immer in dem Fort zurückblieb. Während das Feld nun nochmals gepflügt und dann besäet wurde, mußten die Hunde dessen Umgebung bewachen, zu welchem Zwecke Daniel sie auf allen vier Seiten desselben ankettete. Auch diese Arbeit wurde ohne alle Störung ausgeführt, und nach wenigen Wochen zeigte der Mais sich in frisch grünen Reihen über dem Felde. Die Freude der Colonisten über diese üppig aufschießende Hoffnung für die erste Ernte war groß, und mit Leidwesen zogen sie auf das Anrathen Daniels die vielen überflüssigen Pflanzen aus den schönen Reihen, obgleich der Neger ihnen erklärte, daß an einer geringern Zahl derselben bedeutend mehr und besserer Mais wachsen würde. Bei dieser Arbeit halfen auch Arnold und Wilhelm, so wie sie sich auch fleißig dabei betheiligten, als mit der Hacke die Erde um die Pflanzen aufgehäuft wurde. Von dem Hügel aus konnte man nach dem Felde hinsehen, und sobald das Fort am frühen Morgen geöffnet wurde, erfreuten sich die Bewohner desselben an dem hellgrünen Schein, womit der Mais zu ihnen herüberglänzte. Man mag sich nun den Schrecken der Ansiedler denken, als sie eines Morgens aus der Festung traten und sahen, daß das Feld, so wie die ganze Grasfläche vom Fuße des Hügels an bis in die Ecke am Pflaumenbach, sich in einen See verwandelt hatte. Carl war der Erste, der die Ueberschwemmung gewahrte, und auf seinen Ruf kamen alle Uebrigen herausgeeilt, um eben so traurig überrascht zu werden. »Das ist Wasser aus dem Pflaumenbache, denn der Bärfluß ist ja nicht gewachsen,« sagte Daniel, indem er sinnend auf den ruhigen Wasserspiegel blickte, der sich wohl eine halbe Meile weit an dem Walde des Pflaumenbachs hinaufzog. »Sicher ist der Abfluß des Baches in den Bärfluß gehemmt, und darum hat sich das Wasser seitwärts Luft gemacht. Wie kann dies aber geschehen sein?« »Sollten uns die Indianer vielleicht einen Streich gespielt haben, um unsere Ernte zu zerstören?« bemerkte Turner. »Nein,« entgegnete Daniel mit Bestimmtheit, »von Indianern haben wir nur verborgene oder offene Angriffe auf unsere Person zu erwarten, sie werden, wenn es in ihrer Macht steht, uns tödten; uns aber nur Schaden zuzufügen, das fällt ihnen nicht ein. Warum bringen sie unsere Kühe nicht um, die oftmals so weit in die Prairie hinausgehen, daß wir sie von hier aus nicht mehr sehen können? Wenn sie das Wasser so hoch zu stauen im Stande wären, daß wir darin ertrinken müßten, oder wenn sie es uns bei einer Belagerung gänzlich entziehen könnten, um uns verdursten zu lassen, so würden sie es thun; aber eine solche schwere Arbeit auszuführen, wie das Abdämmen des Pflaumenbaches, ohne daß sie unser Leben dadurch gefährdeten, daran werden sie nicht denken. Es hat eine andere Ursache, mag sie sein, welche sie will. Wir werden sehr bald darüber ins Klare kommen; nehmen Sie Ihre Waffen, junger Herr, wir wollen gleich nach dem Pflaumenbache hingehen.« Hiermit sprangen der Neger und Carl in das Fort, Beide ergriffen ihre Büchsen und eilten an der Einzäunung des Gartens hin bis an das Ufer des Bärflusses, denn dasselbe lag höher, als die Prairie, und war noch von Wasser frei. Sie folgten dem Ufer in den Wald hinein, und konnten nur mit großer Mühe dort ihren Weg darauf fortsetzen, weil dasselbe dicht mit Dornen und Büschen bedeckt war. Dennoch bahnten sie sich ihren Weg und trafen schon hier und da das Wasser bis auf das Ufer des Bärflusses vorgedrungen. Sie schritten bald bei dem überschwemmten Felde vorüber und näherten sich der Mündung des Pflaumenbaches, hörten aber das gewohnte heftige Rauschen nicht, womit derselbe seine Fluthen in den Bärfluß hinabstürzte. Hier war der Boden des Waldes auch trocken, und als sie nun das Ufer des Pflaumenbaches erreichten, fanden sie dessen Bett größtentheils von Wasser frei, und nur hier und dort eine Vertiefung mit demselben angefüllt. »Wie ich es vorhersagte, der Bach ist abgedämmt, aber weiter nach oben,« sagte Daniel, von dem Ufer hinabblickend, »ich bin doch wirklich neugierig, wie dies geschehen ist; ich kann mir nicht denken, daß es die Indianer gethan haben sollten. Kommen Sie, wir wollen am Bache hinaufgehen, um uns das Räthsel zu lösen.« Der Neger voran, und Carl ihm folgend, waren sie nur eine kurze Strecke gegangen, als Daniel stehen blieb und in das Bett des Baches hinabzeigte, indem er sagte: »Dem Burschen da unten wollen wir aber doch das Lebenslicht ausblasen; sehen sie den ungeheuren Alligator, wie er aus dem Wasserloch hervorsieht, es ist zu seicht für ihn. Halten Sie meine Büchse, ich will ihm den Kopf abhauen.« Daniel reichte Carl sein Gewehr, zog die Holzaxt aus seinem Gürtel hervor und sprang behend vom Ufer hinab. Kaum nahete er sich auf dem sandigen Grunde dem Wasserpfuhl, in welchem der Alligator lag, als derselbe den Neger gewahrte und, seinen furchtbaren Rachen öffnend, aus der Vertiefung hervor und auf ihn zuschwamm. Die Bewegungen dieses häßlichen gefährlichen Thieres sind auf dem Lande glücklicherweise ebenso unbehülflich und langsam, wie die einer Schildkröte, und weder Mensch noch Thier hat es außerhalb des Wassers zu fürchten, wenn seine Gegenwart ihm einmal bekannt ist. Liegt es aber regungslos da, so gleicht es einem alten vermoderten Stück Holz und lauert darauf, daß ein lebendes Wesen sich ihm sorglos nahet, um es mit Blitzesschnelle mit seinem schrecklichen Gebiß zu erfassen, aus welchem keine Befreiung möglich ist. »Wart, Ungeheuer, Du sollst keinen Schaden mehr thun!« rief Daniel dem erbosten Thiere zu, welches, mit dem Rachen schnappend und mit dem Schwanze um sich schlagend, ihm entgegen kroch. Der Neger hatte sich ihm bis auf wenige Schritte genähert und schwang die schwere Axt über sich durch die Luft, der Alligator hob sich auf seinen Vorderfüßen so hoch auf, als er konnte, und hielt den weit aufgerissenen Rachen in die Höhe, als wolle er die Axt ergreifen; doch das schwere Eisen schoß pfeifend herab und vergrub sich in dem Schädel des Ungethüms. Daniel sprang zurück, mußte aber die Axt im Stich lassen, mit welcher im Kopf, der Alligator wüthend nach ihm schnappte und ihn verfolgte. »Werfen Sie mir Ihre Axt herunter, junger Herr, ich mag dem Teufel doch nicht zu nahe kommen,« rief der Neger seinem Gefährten zu und fing dann die Axt, welche dieser vom Ufer herabwarf. Der Alligator schlug mit Kopf und Schwanz in der größten Wuth um sich, während der lange Axtstiel über seinem Schädel hervorstand; doch Daniel benutzte einen Augenblick, wo er sich ihm von der Seite nahen konnte, und hieb ihm mit einem Schlage den Kopf vom Rücken ab. »So, du gräuliches, böses Thier, nun ists vorbei mit deinem Morden, gieb mir nun meine Axt wieder,« sagte Daniel, indem er dem getödteten Alligator das Eisen aus dem Kopf zog und dann wieder auf das Ufer hinaufsprang. Nun eilte er mit Carl am Bache weiter hinauf und sie hatten etwa einige tausend Schritte zurückgelegt, als sie vor sich über dem Bette des Baches eine Wand von umgestürzten Baumstämmen, Aesten und Reisholz gewahrten, die wild durcheinander hinlagen, aber doch eng mit einander verbunden schienen. Zugleich sahen sie seitwärts den Boden des Waldes mit Wasser bedeckt, welches, von diesem Damm zurückgehalten, über das Ufer des Baches ausgetreten war. »Hallo, seid Ihr es, die uns den Streich gespielt haben? Das sollt Ihr mit Euren Fellen bezahlen!« rief der Neger, laut auflachend, und wandte sich dann zu seinem erstaunten Gefährten: »Was meinen Sie, wer hat wohl diesen Damm gebaut?« »Wer anders, als Indianer -- das ist eine ungeheure Arbeit gewesen,« entgegnete Carl und sah verwundert auf die mehrere Fuß starken Baumstämme, die übereinander hingeworfen waren. »Nein, nein, junger Herr, das sind ganz andere Zimmerleute, es sind Biber.« »Biber -- ist es möglich -- Biber sollten diese Stämme abgenagt haben?« »Freilich, sehen Sie nur die Stümpfe, die dort aus dem Wasser hervorragen; Sie können die Bisse an den abgenagten Stellen erkennen. Nun aber schnell, lassen Sie uns ein Loch in den Damm machen, damit wir das Wasser aus dem Felde kriegen. Dasselbe liegt höher als die Prairie und wird schnell trocken sein. O, wie werden sie sich im Fort freuen, wenn sie mit einem Male den Mais wieder sehen, dem die kurze Ueberschwemmung nur großen Vortheil bringt. Nehmen Sie sich aber in Acht, wenn das Wasser erst eine Oeffnung hat, so wird es mit einer furchtbaren Gewalt hervorbrechen, denn es ist an der andern Seite des Dammes wenigstens funfzehn Fuß tief.« Es waren über ein Dutzend größerer und kleinerer Bäume von beiden Ufern her über den Bach gestürzt, die den Damm bildeten und so nahe zusammenlagen, daß derselbe nicht mehr als ungefähr dreißig Fuß Dicke betrug. Zwischen diesen Stämmen waren die Räume mit Aesten, Reisig, Buschwerk und Schlamm dicht ausgefüllt, so daß kein Wasser hindurch dringen konnte. Daniel und Carl stiegen auf die Stämme hinauf, um zwischen ihnen dem Wasser Luft zu machen, als Daniel seinem Gefährten zurief: »Sehen Sie nur die abgenagten Enden der Stämme und Aeste an, sieht es nicht aus, als ob sie mit einem scharfen Stemmeisen abgestochen wären. Und betrachten Sie nur die Menge von Spänen, die hier allenthalben umherliegen; man sollte glauben, man befände sich auf einem Zimmerplatze. Dort die beiden Espen sind auch schon rundum tief benagt, das steigende Wasser hat aber die Biber in ihrer Arbeit gestört, sonst hätten sie dieselben gleichfalls umgeworfen.« »Wie künstlich die Thiere diese Tausende von Stöcken hier zwischen die Stämme unter unseren Füßen angebracht haben, um den Damm dicht zu machen und dem Schlamm Festigkeit zu geben.« Während der Neger zu Carl sprach, zog er aus der Mitte des Dammes Stöcke, Aeste und Buschwerk hervor und warf es hinter demselben in das leere Bett des Baches, während Carl seinem Beispiel folgte und in gleicher Weise fleißig arbeitete. Sie hatten bald an der hinteren Seite des Dammes und in dessen Mitte bedeutende Oeffnungen gemacht, doch immer noch ließ er kein Wasser durch, weil seine vordere Seite, vor der sich der Bach gestaut hatte, mit einer dichten Lage von Schlamm bedeckt war. Daniel zog aber jetzt einige Büsche aus derselben hervor, das Wasser durchbrach die Schlammwand und der Strom schoß mit einer so rasenden Gewalt zwischen den Stämmen durch in das leere Bett hinter dem Damme, daß Reisig, Stöcke und Aeste sämmtlich in wenigen Augenblicken mit fortgerissen wurden und mit den hoch und wildschäumenden Fluthen dem Bärfluß zubrausten. Daniel und Carl waren schnell auf das eine Ende des Dammes gesprungen, denn selbst die schweren Baumstämme warf der furchtbare Strom auseinander und stürzte sich in hochschlagenden Wogen zwischen ihnen durch. »Setzen Sie sich zu mir auf diesen Stamm, junger Herr; in kurzer Zeit werden wir das Ufer am Bache hinauf wieder vom Wasser befreit sehen, dann wollen wir es versuchen, uns darauf hin einen Weg zu bahnen; es liegt etwas höher, als der Wald, und viel höher, als die Prairie außerhalb. Ich möchte gern die Häuser der Biber in Augenschein nehmen, um daraus auf die Zahl der Thiere zu schließen; es muß eine große Bibercolonie sein, sonst hätten sie diesen Damm nicht bauen können. An einem starken Baum nagen immer drei bis vier Biber zu gleicher Zeit, wenn sie ihn fällen wollen, was sie mit unglaublicher Schnelligkeit ausführen können, zumal da sie nur weiche Holzarten dazu wählen. Liegt der Baum einmal, dann fällt die ganze Colonie, die häufig aus hundert Stück besteht, darüber her und ein jeder Biber nimmt einen Ast vor. Wollen sie einen Damm bauen, so fällen sie die Bäume mit großer Geschicklichkeit so, daß sie über den Bach fallen, die abgebissenen Aeste tragen sie in den Zähnen zwischen die Stämme, so auch die dünneren Zweige und die Büsche, und dann führen sie auf ihren breiten, platten, haarlosen Schwänzen den Schlamm herbei, um alle Oeffnungen damit zu verkitten. Der Bach, in seinem Laufe aufgehalten, steigt nun rasch und dehnt sich zu beiden Seiten aus, worauf die Biber in tiefen Stellen auf offenen Plätzen ihre Häuser in das Wasser bauen. Sie führen dieselben aus zwei bis drei Fuß langen Stöcken auf, welche sie im Kreis vom Grund des Wassers verflechten und zwischen einander so durchstecken, daß sie eine starke, dicke Mauer bilden, die sie noch drei bis vier Fuß über dem Wasserspiegel enger bauen, und dann oben in Form einer Kuppel vereinigen. Das Gebäude hat das Ansehen eines Bienenkorbes, hat aber sichtbarlich keinen Eingang, denn derselbe befindet sich auf dem Grunde des Wassers. Das Innere des Hauses ist mit einer, mitunter auch mit zwei Abtheilungen übereinander eingerichtet, von welcher die obere sich über dem Wasserspiegel befindet, und in welche der Eingang durch den Fußboden führt. Diesen oberen Raum, welcher niemals vom Wasser berührt wird, füttern die Biber sauber mit Moos aus, und verwahren hier ihre Jungen. Im Norden, wo die Winter kalt sind, bringen sie im Herbst in den untern Raum des Hauses große Vorräthe von abgebissenen Stöcken, deren junge Rinde ihnen während der Zeit zur Nahrung dient, in welcher das Wasser mit Eis bedeckt ist und sie nicht an das Land gelangen können, um frische Zweige zu benagen; denn der Biber lebt ausschließlich nur von Baumrinden, und nicht, wie irrthümlich so vielfach geglaubt wird, von Fischen. In einer Bibercolonie wird niemals ein fremder Biber aufgenommen, er muß sich entfernen, oder wird todtgebissen. Ist die Gesellschaft zu zahlreich geworden, so theilt sie sich in zwei oder mehrere Partieen, und jede sucht sich einen andern Wohnort. Auch verlassen sie die Ansiedelung, sobald das weiche Holz in der Nähe des Wassers spärlich wird. Die Biber machen oft weite Reisen und wandern zusammen Stunden Weges über Berg und Thal, um sich eine Heimath zu suchen.« »Das müssen ja einzige Thiere sein, können wir nicht eines derselben habhaft werden?« sagte Carl nach dieser Mittheilung des Negers. »Eines derselben? nein, die ganze Gesellschaft wollen wir fangen, es soll uns auch nicht Einer davon entgehen. Ich werde nach dem Choctawbache reiten, und mir von den dortigen Ansiedlern sämmtliche Fallen borgen, die sie besitzen. Nur _einen_ männlichen Biber müssen wir schießen, ehe wir die andern fangen können; denn wir müssen von ihm das Bibergeil erhalten, um seine Kameraden damit nach der Falle zu locken. Er trägt dasselbe, eine ölige Flüssigkeit, in zwei Drüsen bei sich.« Während sich die beiden Jäger in dieser Weise unterhielten, brauste und tobte das Wasser mit wildem Ungestüm durch den geöffneten Damm, und sank dabei schnell oberhalb desselben. Nach Verlauf von einigen Stunden wurden auch die Ufer des Bachs wieder sichtbar, und jetzt, wo das Wasser aus der Prairie nicht mehr über dieselben abfließen konnte, nahm die Strömung im Bache auch sehr ab. »Unser Feld muß schon ganz von Wasser frei sein, denn dasselbe liegt vollkommen so hoch, wie dieses Ufer hier,« sagte Daniel, indem er aufstand. »Nun kommen Sie, wir wollen es versuchen, ob wir am Bache hinaufgehen können.« Hiermit sprang er von dem Baumstamme hinab auf das Ufer, und Carl folgte ihm nach. Der Boden war außerordentlich weich und schlüpfrig, so daß das Gehen auf demselben sehr erschwert wurde, die Jäger aber schritten demungeachtet frisch darauf los, wenn sie auch mitunter bis an die Kniee einsanken, oder eine Strecke Wasser zu durchwaten hatten. Je weiter sie durch die Büsche, Ranken und Dornen vorrückten, um so lichter wurde der Wald, und sie hatten eine umfangreiche Blöße in demselben erreicht, durch welche der Bach sich hinwand, da blieb Daniel stehen und zeigte auf einen hohen, oben abgerundeten Reisig- und Knüppelhaufen, der sich wohl zehn Fuß aus dem Bache erhob. »Das ist eins der Biberhäuser, es sieht aus, wie ein riesiges Stachelschwein. Die Bewohner desselben werden bereits in großer Noth sein, weil das Wasser so sehr gefallen ist. Ich bin überzeugt, daß sie sich sämmtlich zu dem Damme begeben, um ihn auszubessern; sie werden sich aber sehr wundern, wenn sie das große Loch in demselben bemerken. An diesem Biberhause können Sie sehen, weshalb die Thiere den Damm gebaut haben. Sie haben das Wasser so hoch gestaut, daß ihre Wohnung von einem unabsehbaren Wasserspiegel umgeben war, und dieselbe dadurch ihren Feinden verborgen und unzugänglich blieb. Jetzt ist das Ufer kaum noch zehn Schritt von derselben entfernt, und ein Jaguar, ein Panther, oder ein Bär kann vom Lande aus leicht die Thiere in ihrem Gebäude wittern und sie darin überfallen; denn der Reisighaufen ist leicht auseinandergerissen. Wenn die alten Biber nun auch selbst dadurch nicht gefährdet würden, weil sie nur in dem untern Raum in das Wasser zu springen brauchen, um sich dem Feinde zu entziehen, so würden doch ihre Jungen demselben ein Opfer werden, und deshalb setzen sie die ganze Umgegend unter Wasser. Nun will ich Ihnen einen Vorschlag machen, junger Herr: Ich glaube nämlich, daß es gerade jetzt ein sehr günstiger Augenblick ist, um einen Biber zu schießen, weil dieselben wegen des fallenden Wassers hin- und herschwimmen, und sich auf der Oberfläche sehen lassen werden, was sie sonst nur in der Nacht thun. Sie können hier sitzen bleiben, und ich will weiter am Bache hinauf ein anderes Biberhaus wählen, um dabei zu lauern. Im Fort wird man uns nicht zurückerwarten, da unsere Freunde an dem Fallen des Wassers erkennen werden, daß wir an der Arbeit sind. Verstecken Sie sich in den Busch an jener Pappel, von dort können Sie das Wasser übersehen. Wenn ein Biber sich auf der Oberfläche zeigt, so müssen Sie ihn auf den Kopf schießen und schnell zu ihm ins Wasser springen und ihn ergreifen, ehe ihn der Strom mit sich fortnimmt. Treffen Sie ihn nicht in den Kopf, so entgeht er Ihnen. Das Wasser hier ist nicht tief. Seien Sie sehr vorsichtig und bewegen Sie sich nicht; denn der Biber ist eins der schlausten Thiere; und verlieren Sie die Geduld nicht, wir müssen darauf rechnen, vielleicht bis zu einbrechender Nacht zu sitzen. Wenn es so lange dauern sollte, und Sie können nicht mehr zum Schießen sehen, so gehen Sie am Ufer hinauf bis zu mir, dann gehen wir bis an das Ende des Wassers, welches in der Prairie zurückgeblieben ist, und nehmen unsern Heimweg im trocknen Grase.« Indem Daniel seinem Gefährten noch guten Erfolg wünschte, eilte er auf dem Ufer hin, und fand in nicht großer Entfernung von Carl eine Menge Biberhäuser aus dem Bache hervorsehen, so wie auch mehrere, die seitwärts in dem Walde in Vertiefungen standen und nur noch von wenig zurückgebliebenem Wasser umgeben waren. Er wußte aber, daß diese bereits von ihren Bewohnern verlassen seien, und nahm sich darum nicht die Zeit, sie zu durchsuchen. Er wollte aber nicht in der Nähe Carls bleiben, um demselben nicht durch einen Schuß die Jagd zu verderben, deshalb schritt er weiter am Bache hinauf, und gelangte dahin, wo das Wasser nicht aus seinem Ufer ausgetreten gewesen war, und der Wald zu beiden Seiten mehr aus hohen Bäumen und nur einzelnen Büschen bestand. Es war dieselbe Gegend, wo Carl an jenem Abend den Bären erlegt hatte. Hier fand Daniel noch ein Biberhaus in dem Bache, dessen Ufer sich auf dieser Stelle weit von einander entfernten und eine Art von kleinem See bildeten. Der Neger wählte einen hochgelegenen Platz am Ufer, von wo aus er den ganzen Wasserspiegel übersehen und mit Genauigkeit bis an das Biberhaus schießen konnte. Es stand dort ein alter Ahorn, an dessen Stamm er sich niedersetzte, nachdem er einige Büsche vor sich in die Erde gesteckt hatte, um sich dem Blick der Biber zu entziehen. Es war Nachmittag geworden und die Sonne begann ihre Strahlen schräg durch den Wald zu werfen. Alles war still und lautlos, weder in dem Laube der hohen Baumkronen, noch auf dem glatten Wasserspiegel war eine Bewegung zu erkennen, und der goldene Streif, den das Sonnenlicht über den Teich warf, wurde nur zuweilen durch einen aufspringenden Fisch gekräuselt. Stunden eilten dahin, ohne daß ein Biber seine Gegenwart verrathen hätte, obgleich der sprühende scharfe Blick des Negers fortwährend das Wasser überwachte. Die Schatten der Bäume dehnten sich länger und dunkeler über die Erde aus, und hier und dort wurden zwischen den Stämmen Hirsche und Antilopen sichtbar, die vertraut und sorglos dem Bache zuschritten, um ihren Durst in dessen kühlen Fluthen zu stillen. Daniel sah ihnen zu, wie sie mit einander scherzten, ihre Gehörne an einzelnen Stämmchen rieben, oder die zartesten Kräuter in dem Grase suchten; da plötzlich fuhren mehrere derselben, wie durch irgend etwas erschreckt, zusammen und hielten lauschend die Köpfe in die Höhe. Daniel blickte schnell um sich durch den Wald, so weit sein Auge aber reichte, konnte er Nichts erkennen, was die Veranlassung zu der plötzlichen Aufmerksamkeit der Thiere hätte geben können. »Vielleicht war es ein großer Raubvogel, der sie erschreckt hat,« dachte Daniel und blickte wieder nach dem Biberhause; da sah er unweit desselben eine Bewegung im Wasser, es erschien ein dunkeler Punkt auf der Oberfläche und derselbe bewegte sich jetzt schnell dem Ufer zu. Es war ein Biber, der schwimmend mit der Nase das Wasser theilte, und von derselben aus zwei lange Streifen in einem spitzen Winkel hinter sich auf dem glatten Spiegel zurückließ. Daniel hatte behutsam die Büchse an den Backen gehoben, und zielte dem nahenden Thiere auf den Kopf, bis dasselbe nur noch wenige Schritte vom Lande entfernt war, dann gab er Feuer. Der Biber überschlug sich im Wasser und warf dasselbe hoch um sich auf, da hatte der Neger aber schon seine Büchse an den Baum gestellt und war in _einem_ Satze bis zu der sterbenden Beute ins Wasser gesprungen. Er ergriff das Thier beim Schwanze und schwamm in wenigen Augenblicken mit ihm an das Land zurück. Hier schüttelte er das Wasser von sich, hing seine Kugeltasche um und ladete den abgeschossenen Lauf seiner Büchse. Kaum hatte er dies vollbracht, und bückte sich, um sich wieder an dem Baume niederzusetzen und Carl zu erwarten, da fiel ein Schuß, und die Kugel schlug neben Daniels Kopf in den Baumstamm. In weiten Sätzen sprang der Neger von der Anhöhe herab nach einer umgefallenen kolossalen Cypresse, die nur einige zwanzig Schritte von ihm entfernt lag, und warf sich hinter dem Stamme in das Gras nieder. Das scharfe, geübte Auge Daniels hatte aber beim ersten Umblicken den Schützen erkannt, einen Indianer, der hinter einer Eiche hervorsah und nach dem Schusse sich wieder hinter derselben verbarg. Diese Eiche stand weiter am Bache hinunter, etwa hundert Schritte von dessen Ufer entfernt, und der erste Gedanke des Negers war Carl zugewandt, der nun bald von dort her kommen mußte. Er schob die Holzaxt durch den Gürtel, den er um den Leib trug, und war im Begriff, den Indianer sofort anzugreifen, ehe derselbe seine Büchse wieder laden konnte, denn er wußte, daß die Wilden keine Doppelgewehre führten; doch hob er zuerst nur seinen Hut über dem Baumstamm hervor. In demselben Augenblick fielen von anderen Bäumen her wieder zwei Schüsse, und eine Kugel flog durch den Filz. Der Neger hatte gleichfalls die beiden Indianer gesehen, welche jetzt geschossen hatten. Er war unschlüssig, ob er hervorspringen und den Kampf offen beginnen, so wie versuchen solle, den Weg zu Carl zu gewinnen; da kam ihm der Gedanke, daß möglicherweise eine noch viel größere Zahl von Wilden in der Nähe verborgen sein könnte und er dieselben bei einer Flucht seinem Gefährten gerade entgegenführen würde. Der Baum, hinter welchem er lag, war durch einen Sturm umgeweht und mit den Wurzeln aus dem Grunde gerissen, so daß diese mannshoch über dem Boden emporragten und tief in das Loch hinabhingen, welches sie in der Erde zurückgelassen hatten. In diese Vertiefung sprang Daniel jetzt hinein, weil er durch das Wurzelwerk des Baumes den Blicken der Feinde entzogen wurde und selbst doch zwischen demselben hindurch nach ihnen hinsehen konnte. Nur mit dem Kopfe ragte er über dem Erdboden empor, und vermochte die ganze Waldfläche nach den Indianern hin zu übersehen; so sehr sein Auge sich aber auch anstrengte, so konnte er doch Nichts von denselben gewahren. Er spähete unverwandt nach den drei Bäumen hin, von wo die Schüsse gekommen waren, und hielt selbst die sichere Doppelbüchse zum augenblicklichen Gebrauch fertig. Die letzten Sonnenblicke waren verschwunden und der Abend breitete sein Düster durch den Wald aus, während die Besorgniß des Negers um seinen Gefährten von Minute zu Minute zunahm, und sich bis zu einer entsetzlichen Angst steigerte. Derselbe mußte nun bald an dem Ufer heraufkommen, die Wilden mußten ihn in seinem sorglosen Schritt schon von Weitem kommen sehen, und dann war er sicher verloren! Es trieb den Neger jetzt mit tödtlicher Angst heraus aus seinem Versteck, damit Carl durch das viele Schießen vor der Gefahr, die seiner harrte, gewarnt wurde, da sah er, wie der Wilde, der zuerst nach ihm gefeuert hatte, mit Blitzesschnelle hinter der Eiche hervor und nach einer andern, dem Ufer näher stehenden, hinrannte. Er führte es so schnell aus, daß Daniel zwischen den Wurzeln, durch welche er blickte, ihm in seinem Lauf nicht mit der Büchse folgen konnte, und dann wurde in demselben Moment sein Blick auf noch zwei andere Indianer gezogen, die gleichfalls hinter Bäumen standen, und die er früher nicht gesehen hatte. Es waren deren also fünf und sie beabsichtigten, ihn bis an das Ufer des Baches zu umzingeln; denn zwei derselben sprangen jetzt auf der andern Seite näher nach dem Wasser hin. Der Wilde, der zuerst seinen Stand gewechselt hatte, befand sich nun gerade in der Richtung, von wo Carl herkommen mußte, und Daniel spähete an ihm vorüber nach der kleinen Anhöhe, die sich in kurzer Entfernung hinter ihm erhob. In diesem Augenblick erschien der Hut seines Gefährten über dem Hügel, und gleich darauf seine Gestalt bis an die Brust. »Indianer -- zurück, fliehen Sie!« schrie der Neger jetzt mit aller Gewalt seiner Stimme seinem jungen Freunde zu, und winkte, indem er aus der Vertiefung neben dem Stamm sprang, ihm mit seinem Hute entgegen. In derselben Sekunde feuerten seitwärts von ihm zwei Indianer, doch ohne Daniel zu treffen, der sich zugleich über dem Stamme aufrichtete und einen dieser Wilden durch den Kopf schoß, noch ehe derselbe sich hinter den Baum zurückziehen konnte. Mit einem furchtbaren Kriegsgeschrei stürzte der Neger nun hinter dem Stamm hervor und auf den Indianer zu, der zwischen ihm und Carl hinter der Eiche stand, der Wilde aber richtete seine Büchse ihm entgegen und würde dem Leben Daniels wahrscheinlich ein Ende gemacht haben; es blitzte aber in diesem Augenblicke von Carl her, und mit einem gellenden Todesschrei brach der Indianer zusammen. »Hurrah!« schrie Carl, daß es weit durch den Wald schallte, und sprang seinem Freunde entgegen, und »Hurrah!« schrie Daniel und wandte sich den drei anderen Indianern zu, die jetzt die Flucht ergriffen und wie Hirsche zwischen den Bäumen davon sausten. »Halt -- Du mußt zurückbleiben!« rief der Neger jetzt dem Letzten der fliehenden Wilden zu und hob stillstehend sein Gewehr an die Schulter. »Du bist ein Waco -- eine Schlange, und hast wohl einmal vom schwarzen Panther gehört!« Das Feuer fuhr aus der Büchse Daniels, und so blitzschnell auch der Indianer in seinem Lauf hin und hergesprungen war, so hatte ihn doch die Kugel des Negers erreicht, und er überschlug sich im Todessturze zwei -- drei -- viermal. Carl hatte den Augenblick benutzt, sein abgeschossenes Rohr wieder zu laden, Daniel aber unterbrach ihn darin, indem er seine Hand hastig ergriff und seine Lippen darauf pressend ausrief: »Der gütige Gott hat uns gerettet, junger Herr, ihm sei Lob und Dank dafür!« Freudebebend drückte er abermals Carls Hand an seinen Mund und sagte dann: »Ich habe Ihnen wieder mein Leben zu danken, die Rothhaut hatte ruhig und gut gezielt, ich fühlte schon in Gedanken die Kugel, da machten Sie Funken und, wahrhaftig sie hatten nicht schlechter gezielt.« »Und auch Du hast mir das Leben gerettet, Daniel, denn wenn Du mir nicht gewinkt hättest, wodurch Du Dein eignes Leben aufs Spiel setztest, so würde ich nichts von den Indianern gewahr worden sein, bis ich ihre Kugeln gefühlt hätte. Du hast eben so viel, und noch mehr für mich gethan, wie ich für Dich; denn auf mich wurde keine Büchse gerichtet.« »Wir haben aber gut gefochten, die Teufel scheinen alle drei todt zu sein; es sind Waco's, die allerschlechtesten, allergefährlichsten Indianer von allen. Wir wollen uns aber doch zum Andenken ihre Waffen und ihren Schmuck zueignen, und dann eilen, daß wir nach Hause kommen, sie werden im Fort besorgt um uns sein,« sagte Daniel, indem er die Kugeln in seine Büchse trieb und dann Zündhütchen aufsetzte. Zuerst gingen die Kampfgenossen nun zu dem zuletzt erlegten Indianer, und fanden ihn todt auf dem Gesicht liegend. Die Kugel war ihm in den Hinterkopf eingedrungen. »Es war weit, deswegen hielt ich etwas hoch, ich habe aber ziemlich gut die gerade Linie gehalten; es war mein schlechtester Schuß nicht,« sagte der Neger, indem er dem Erschossenen die Kugeltasche, den Tomahawk und den Schmuck abnahm, der in metallenen Armringen, Ohrringen und einem Halsband aus Muscheln bestand. Dann ergriff er dessen Büchse und sagte: »Sieh, der Lump hat nicht einmal nach uns gefeuert, die Büchse ist noch geladen.« »Warum riefest Du ihm denn zu, ob er einmal von einem schwarzen Panther gehört habe?« fragte Carl, auf den Todten blickend. »Ja so -- o, das ist nur so eine Redensart unter den Indianern,« antwortete Daniel sichtbarlich verlegen, und ging seinem Gefährten voran zu dem zuerst Gefallenen, dem die Kugel durch die Stirn gedrungen war. Sie nahmen ihm gleichfalls Waffen und Schmuck ab. Auch den durch Carl erlegten Wilden fanden sie todt, er war durch den Rücken geschossen. Carl belud sich mit dessen Waffen, während Daniel dessen Schmuck zu sich nahm, und beide begaben sich dann zu dem Biber, welchem der Neger die Drüsen mit Bibergeil ausschnitt. Darauf band er ihm einen Busch an den Schwanz und warf ihn in das Wasser, so daß der Busch aus demselben hervorsah; denn es war zu spät, um ihm die Haut abzunehmen, die Daniel jedoch am folgenden Tage holen wollte. Die Dunkelheit war schon hereingebrochen, als die beiden Jäger die Prairie erreichten, der neue Mond stand aber am Himmel, und sein mattes Licht war hinreichend, den Heimkehrenden das Gehen zu erleichtern. Sehr ermüdet langten sie beim Fort an und wurden durch das Bellen der Hunde dessen Bewohnern schon von Weitem angemeldet. Als sie das Thor erreichten, hatte Turner dasselbe bereits geöffnet und trat ihnen mit einem »Gottlob« entgegen. »Wo seid Ihr denn so lange geblieben? wir waren wirklich in Sorgen um Euch,« sagte er, als sie durch das Thor einschritten, »das Wasser ist aber aus dem Felde verschwunden; was war denn die Ursache von der Ueberschwemmung?«. »Eine Bibercolonie hatte in dem Pflaumenbach einen Damm gebaut, den wir ihnen zum Aerger zerstört haben,« antwortete Daniel. »Was habt Ihr denn da für Büchsen und sonst für Sachen?« fragte Turner jetzt verwundert, da der Schein des Lichtes, womit Madame Turner in die Hausthür trat, auf die beiden Jäger fiel. »Wir haben sie von drei Waco-Indianern zum Geschenk erhalten, wenn auch gegen ihren Willen,« entgegnete Daniel und setzte lachend hinzu, »nein, wir haben sie von ihnen geerbt.« »Mein Gott, Ihr habt doch wohl nicht mit Indianern gefochten?« sagte Madame Turner erschrocken. »Und ganz gut gefochten,« antwortete der Neger, indem er im Zimmer die Büchsen an die Wand stellte und die andere Beute dabei niederlegte. »Wir hatten fünf gegen uns zwei und haben drei von ihnen erschossen; die beiden anderen mögen es ihren Kameraden als Warnung erzählen.« Nun wurden theils durch Daniel, theils durch Carl die Begebenheiten mitgetheilt, wobei den Lippen der Madame Turner und Juliens manches »Ach und Oh« entfuhr. »Die Hand des Allmächtigen hat über Euch gewacht, er sei gepriesen und gelobt,« sagte Turner, als die Erzählung zu Ende war, und Madame Turner trocknete unbemerkt die Thränen des stillen innigsten Dankes, die ihr in die Augen getreten waren. »Wenn die Ueberschwemmung nur unserm Mais keinen Schaden gethan hat,« nahm Turner wieder das Wort, nachdem die Angelegenheit mit den Indianern lange Zeit besprochen war. »Im Gegentheil, er wird um so kräftiger emporschießen, das Wasser hat ihn nur erfrischt,« entgegnete der Neger. »Da fällt mir ein: ich will Abends, wenn wir das Fort schließen, immer das Kanoe bis zu dem Felsstück hier unter dem Abhange rudern und auf der Leiter heraufsteigen; es könnte das Schiff uns leicht durch die Indianer gestohlen oder zerstört werden, und außerdem hat man es auch zur Hand, wenn man, wovor uns der Himmel bewahren mag, dasselbe einmal zur Flucht nöthig haben sollte.« Am folgenden Morgen, als Madame Turner zum Frühstück rief, hatte der Neger schon einen Ritt gemacht und den Biber geholt. Nachdem er ihm das prächtige Fell abgenommen und ihn sauber ausgeweidet hatte, übergab er ihn der Hausfrau als einen vortrefflichen Braten, und bezeichnete dessen Schwanz als einen ganz besondern Leckerbissen. Madame Turner hatte ihr Bedenken dabei, ihn zuzubereiten, und meinte, das Thier habe ganz das Aussehen einer großen Ratte; auf Daniels Versicherung und Carls Zureden jedoch versprach sie, dasselbe auf den Tisch zu bringen. Das Bibergeil nahm der Neger aus den Drüsen, that es in eine kleine Bouteille, goß nur sehr wenig Cognac hinzu und verstopfte das Glas fest. Nach dem Frühstück bestieg er sein Pferd, um nach dem Choctawbache zu reiten und von den dortigen Ansiedlern Biberfallen zu borgen. Carl hätte ihn sehr gern dorthin begleitet, doch als Madame Turner ihn bittend fragte: »Willst Du denn mit Daniel reiten?« verzichten er sofort darauf und erwiederte: »O nein, es wird nicht nöthig sein, Daniel wird wohl allein die Fallen herüberschaffen können.« Er benutzte den Tag, um für seine Tante in dem Garten einige Beete mit Gemüsen zu bestellen und für Julien ein Gestell zu einer Laube aufzuschlagen, um welche er dann prächtig blühende Schlinggewächse pflanzte, die er zu diesem Zwecke gelegentlich aus dem Walde mitgebracht hatte. Abschnitt 6. Biberfang. -- Die Bärin. -- Der graue Bär. -- Der Prairiebrand. -- Der wilde Rappenhengst. Noch vor Sonnenuntergang kehrte Daniel zurück und zwar mit acht eisernen Fallen, sogenannten Tellereisen, die um seinen Sattel herumhingen. Mit großer Bereitwilligkeit hatten die Ansiedler am Choctawbache ihm dieselben zum Gebrauch überlassen, zumal da die Biber aus jener Gegend schon verschwunden waren. Die Nachricht von dem Sieg Daniels und Carls über die Waco-Indianer war in der Niederlassung mit Jubel aufgenommen worden, ganz besonders aber hatten Warwicks sich darüber gefreut, weil, wie der alte Herr sagte, die Rothhäute eine gute Lehre dadurch erhalten hätten und nun sobald nicht wieder kommen würden. Die Fallen setzte der Neger sogleich sämmtlich in guten Stand und ölte sie ein, um am folgenden Tage die Jagd damit zu beginnen. Nachdem die Pferde getränkt und in ihr Nachtquartier gebracht worden waren, ruderte Daniel das Kanoe bis an das Felsstück unter dem Abhange, stieg von da auf der Leiter in das Fort und zog dieselbe dann wieder zu sich herauf. Der folgende Tag wurde Carl sowohl, wie auch Arnold und Wilhelm unendlich lang, denn erst gegen Abend wollte Daniel nach dem Pflaumenbache reiten, um die Fallen zu legen, und den beiden jüngeren Knaben war es versprochen, mit dabei zu sein. Endlich sattelte der Neger sein Pferd, Carl folgte seinem Beispiel und für Arnold und Wilhelm wurden die beiden Schimmel aufgezäumt. Die vier Reiter vertheilten die Fallen unter sich und hingen sie an ihre Sättel und dann ritten sie vergnügt davon, während Turner das Thor verschloß. Es war verabredet worden, daß einige Schüsse vom Fort her als Aufforderung zur eiligen Rückkehr nach demselben gelten sollten, denn der Wind stand nach dem Pflaumenbache hin, so daß man den Knall eines Gewehrs sicher dort hören konnte. Bald hatten die Reiter den Bach erreicht, da wo Daniel den Biber geschossen hatte, die todten Indianer aber waren verschwunden. Die Pferde wurden schnell an Bäume befestigt, worauf der Neger mit dem Legen der Fallen begann. Er versenkte sie aufgestellt an dem Ufer in das Wasser und zwar an solchen Stellen, wo dieses nicht mehr als einen halben Fuß tief war. Dann nahm er ein dünnes Reis, tauchte dessen eines Ende in das Bibergeil und steckte es mit dem andern Ende so in das Ufer, daß die angefeuchtete Spitze gerade über der Falle auf den Wasserspiegel zeigte. An jede Falle hatte Daniel einen Strick gebunden und an dessen Ende einen Busch, den er auf das Ufer legte. Wenn nun in der Nacht ein Biber auf den Wasserspiegel kam und das Bibergeil witterte, so lockte dies denselben zu sich heran, er kam bis über die Falle geschwommen, trat auf dieselbe und mußte an dem Fuße gefangen werden. Nach Verlauf von einer halben Stunde waren sämmtliche Fallen in Entfernungen von etwa funfzig Schritt gelegt und die Jäger begaben sich in gespannter Erwartung, wie viele Biber sich wohl fangen würden, auf den Heimweg. Gleich nach Sonnenuntergang langten sie schon wieder im Fort an, und Abends bei verschiedener Beschäftigung um den großen Tisch wurde von Nichts als von den Bibern gesprochen, deren Felle so sehr werthvoll waren. Daniel sagte voraus, daß ganz gewiß in jeder Falle ein Biber sitzen würde und daß er binnen einer Woche die ganze Colonie auszufangen gedenke. Kaum graute der Tag, als die vier Reiter abermals zu Rosse waren und in Galopp dem Pflaumenbache zujagten. Die Knaben nahmen sich dort nicht einmal Zeit, die Pferde anzubinden, sondern baten Daniel, dies für sie zu thun, während sie selbst zu der ersten Falle liefen, und gleich den Busch auf dem Ufer vermißten. Er schwamm unweit des Biberhauses auf dem Wasser, also mußte die Falle von dem Gefangenen dorthin gezogen sein. Daniel kam nun mit einem sehr langen Stock, an dessen Ende er einen hölzernen Haken befestigt hatte, und zog mit demselben den schwimmenden Busch zu sich heran. Dieser wurde nun auf das Ufer gezogen und als die Falle an dem Strick folgte, hing wirklich ein todter Biber darin. Er hatte sich an einem Vorderfuß gefangen, war mit der Falle in die Tiefe getaucht und hatte sich heftig gegen dieselbe gewehrt; denn seine Bisse waren an dem Eisen zu sehen und die Schärfe seiner Zähne war abgebrochen. Das schwere Eisen hatte ihn in der Tiefe gehalten und ihn ertränkt; denn der Biber kann nur eine gewisse Zeit der Luft entbehren. Der Jubel der Knaben war grenzenlos und mit größter Erwartung rannten sie zu der zweiten Falle, die sie gleichfalls entführt fanden. Mit ihr aber kam kein Biber, sondern eine Otter hervor, denn auch diese Thiere werden durch Bibergeil herangelockt. So ging es nun von einer Falle zur andern, und wie es der Neger vorher gesagt hatte, so saß in jedem der Eisen ein Biber. Sieben dieser werthvollen Thiere, deren Felle zu jeder Jahreszeit vollkommen gut im Haare sind, und eine Otter waren die reiche Beute der verflossenen Nacht, und mit neuen Hoffnungen wurden die Fallen wieder aufgestellt. Die nächste Nacht lieferte nur vier Biber als Beute, und Daniel und Carl, welche diesmal allein hinausgeritten waren, um die Fallen zu untersuchen, wählten andere Plätze für dieselben, so daß die letzte Falle in der Nähe des zerstörten Dammes zu stehen kam. Als sie am andern Morgen abermals hinausritten, um nach dem Fang zu sehen, trennten sie sich, ehe sie den Pflaumenbach erreichten; Carl nahm die gerade Richtung nach dem Damme hin, und der Neger ritt nach dem kleinen See, den der Bach oberhalb bildete. Carl drang auf einem alten, wenig benutzten Büffelpfad in den Wald ein, der nach dem Biberdamme zu führen schien, aber sehr mit Ranken und Büschen überwachsen war, so daß der junge Jäger viele Mühe hatte, sich den Weg zu bahnen. Bald aber wurde dieser freier und der Falbe schritt rascher vorwärts, als sein Reiter ihn anhielt, weil vor ihm ein alter umgefallener Kiefernbaum den Pfad versperrte. Die Entfernung bis zu demselben betrug nicht mehr als zwanzig Schritte, und Carl schaute sich links und rechts um, auf welcher Seite er wohl am leichtesten den Baum umreiten könne. In diesem Augenblicke erhob sich an der andern Seite des Stammes eine große Masse von Kiefernbüschen und trockenem Laube, es bewegte sich darin, rauschte und brach, und in der Mitte der verworrenen dunkeln Masse kam plötzlich der Kopf eines riesigen schwarzen Bären zum Vorschein. Carl hatte bei der Bewegung, die er hinter dem Stamme bemerkte, die Büchse erhoben und darauf hingerichtet, und kaum erschien der von ihm abgewandte Kopf des Ungeheuers, so gab er Feuer. Mit dem Knall der Büchse versank die ganze erhobene Masse, und Carl warf sein Pferd herum und jagte auf dem Pfade zurück, so schnell, als er sich in dem Dickicht durchwinden konnte, nach der Prairie hinaus. Er lauschte und lauschte, kein verdächtiger Ton aber drang zu seinem Ohr, dennoch wollte er es nicht wagen, ohne Daniel in den Wald zurück zu reiten. Nicht lange hatte er aber gewartet, als die laute Stimme des Negers aus dem Holze her dringend seinen Namen rief, worauf er ihm mit allen Kräften antwortete. Nach wenigen Minuten wand Daniel sich zu Fuß aus dem Dickicht hervor und rief seinem jungen Freunde ganz außer Athem zu: »Gottlob, daß meine Angst unbegründet war; als ich Ihren Schuß hörte, fielen mir die verhaßten Waco's ein, und es ergriff mich die Furcht, sie könnten nach Ihnen geschossen haben. Ich ließ mein Pferd zurück, weil ich nicht damit durch die Dickung dringen konnte und bin wirklich schneller hier angelangt, als ich glaubte, daß es möglich sei. Wonach haben Sie denn geschossen?« »Nach einem sehr großen Bären; er stand vor mir aus dem Laube unter einem umgefallenen Baumstamme auf, und als ich seinen Kopf sah, gab ich Feuer. Dann bin ich fortgejagt, und habe nichts weiter von dem Thiere gehört,« entgegnete Carl. »Nun, der wird auch wohl nicht viel mehr von sich hören lassen. Sie werden ihn wahrscheinlich aus seinem Winterschlafe geweckt haben, denn es ist jetzt die Schlafzeit der Bären, und hätten Sie ihn nicht tödtlich getroffen, so sollte er wohl bald hinter Ihnen gewesen sein. Wir wollen ihn aufsuchen, folgen Sie mir nur nach.« Mit diesen Worten spannte Daniel seine Büchse und schritt rasch auf dem Büffelpfad durch das Dickicht hin, indem er mit seinem Jagdmesser die Ranken für den ihm folgenden Carl aus dem Wege hieb. »Dort liegt der Baum, Daniel, nimm Dich in Acht,« rief Carl diesem zu, und machte gleichfalls seine Büchse zum Schuß bereit; doch der Neger rief lachend aus: »Sie haben dem Freund Urian einen zu starken Schlaftrunk eingegeben, als daß er noch einmal aus seinem Pallast hervorschauen sollte. Bleiben Sie dort zurück, ich will mich um den Baum herumschleichen und sehen, wo der Eingang ist.« Hiermit sprang Daniel in das Dickicht hinein und erschien gleich nachher auf der andern Seite des Baumes in einiger Entfernung von demselben. »Es scheint unter dem Stamme eine Höhle zu sein, die mit trockenen Kiefernzweigen bedeckt ist,« rief er seinem Gefährten zu, warf dann mit den Worten, »Hallo, Bursche, ists gefällig aufzustehen?« ein Stück Holz gegen den Stamm. »Wahrhaftig, es bewegt sich unter dem Reisig!« rief er aus, und erhob die Büchse. Nach einer Weile gespannter Aufmerksamkeit aber sagte er: »Wissen Sie, was ich glaube? Sie haben eine alte Bärin geschossen, und die Jungen sind es, die in dem Laube herumspringen. Wir wollen es bald genau wissen.« Hierauf trat der Neger nahe zu dem Baume hin und blickte mit vorgehaltener Büchse durch die Kiefernzweige. »Richtig, wie ich Ihnen sagte, hier schaut eine Hintertatze der Alten hervor, sie liegt auf dem Rücken und zwei ganz kleine Bären sitzen auf ihr. Die wollen wir lebendig mitnehmen, sie werden Ihnen tausend Spaß machen, denn es sind allerliebste Thierchen.« Indem Daniel dies sagte, stellte er seine Büchse an den Baum und beugte sich in die Vertiefung unter denselben, aus welcher er zwei kleine Bären hervorhob, die nicht viel größer als Kaninchen waren. Carl war vom Pferde gesprungen und zu Daniel hingeeilt, wo er laut aufjauchzte, als er die niedlichen Thiere erblickte, die ganz zutraulich seinen Finger in das Maul nahmen und daran sogen. Sein Gefährte räumte nun die Zweige und das Laub hinweg, worauf die ganze Bärin sichtbar wurde. Carl mußte ihm behülflich sein, dieselbe aus ihrem Lager hervorzuziehen, wobei Beide alle ihre Kräfte anzuwenden hatten. Es war ein ungeheures Thier, welches wenigstens siebenhundert Pfund wog. Carls Kugel war ihm von hinten in den Schädel eingedrungen. Daniel ging nun allein nach dem Bach, um die Fallen zu untersuchen, während Carl bei den kleinen Bären blieb, damit sie nicht abhanden kommen möchten. Nach Verlauf von einer Stunde kehrte der Neger seinem Gefährten zurück, indem er sein Pferd leitete, an dessen Sattelknopf vier gefangene Biber hingen. Dieselben wurden nun neben die Bärin gelegt, ein Tuch wurde über ihnen aufgehangen, um Raubthiere davon abzuhalten, und dann bestiegen die Jäger ihre Pferde, indem ein Jeder von ihnen einen kleinen Bären in den Arm nahm. So langten sie denn glücklich in dem Fort an, wo die verwaisten Kleinen große Freude erzeugten, und durch ihre Zutraulichkeit und ihr spaßiges Wesen das Mitleid Madame Turners, so wie Juliens erweckten. Daniel spannte schnell die Schimmel vor den leichten Wagen und fuhr mit Carl nach dem Waldsaume am Pflaumenbach zurück, um die Beute nach dem Fort zu schaffen. Dort nahm er eines der Pferde vom Wagen, führte es in den Wald zu dem Bären, und ließ diesen durch dasselbe nach der Prairie schleifen. Mit großer Anstrengung wurde das schwere Thier endlich aufgeladen, Daniel holte noch die Biber herbei, und nach Verlauf von einer halben Stunde langten sie wohlbehalten in dem Fort an. Das kostbare Fett des Bären war Madame Turner sehr willkommen, das Fleisch desselben wurde gesalzen und geräuchert, und die ungeheure Haut ward getrocknet, um dann als Decke unter dem Tisch im Wohnzimmer zu dienen. Wie es Daniel vorhergesagt hatte, so war im Laufe von zwei Wochen die ganze Bibercolonie ausgefangen. Vierunddreißig Biber waren erlegt, und nirgends mehr war eine Spur von einem solchen Thiere zu entdecken. Der Werth der erbeuteten und sauber getrockneten Felle betrug gegen zweihundert Dollar, welche Warwick dafür an Turner bezahlte, um selbst noch beim Verkauf an einen Pelzhändler einen kleinen Nutzen daran zu machen. Dem Maisfeld hatte die Ueberschwemmung augenscheinlich wohl gethan, denn die Pflanzen schossen ungemein kräftig empor. Die Freude und das Glück der Ansiedler über diese herrliche Aussicht für ihre erste Ernte war unbeschreiblich, denn sie nahm ihnen jede Nahrungssorge für ihre Zukunft. Zwischen die Reihen der Maisstauden hatten die Kolonisten süße Kartoffeln, Bohnen, Kürbisse und Melonen gelegt, so daß die Ernte eine überreiche und vielseitige zu werden versprach. »Könnten wir doch den armen Leuten in unserer alten Heimath unsern Ueberfluß an Lebensmitteln und an Holz abgeben,« sagte Turner eines Abends, als sie Alle um den Tisch herum saßen. »Der Segen in diesem Lande ist doch unglaublich. Jetzt liegt in Deutschland die Natur noch im Winterschlafe, und die Felder sind wahrscheinlich mit einer Schneedecke überzogen; wir dagegen holen uns täglich frische Gemüse aus dem Garten, und diejenigen Bäume und Sträuche, welche vor wenigen Wochen das vorjährige Laub verloren hatten, treiben schon wieder junge Knospen. Und welchen Reichthum von Wild haben wir hier gefunden! Hunderte von Hirschen und Antilopen können wir fast täglich vor uns auf der Prairie weiden sehen, gar nicht der Tausende von Büffeln zu gedenken, die so häufig die Umgegend, so weit das Auge reicht, bedecken.« »Und die Bären nicht zu vergessen,« fiel Madame Turner ein, »sie sind mir der wichtigste Artikel in meiner Haushaltung; wie wollten die armen Leute in Deutschland jeden Tropfen von deren kostbarem Oel verwenden!« »Und doch haben die Bären hier schon abgenommen, gegen jene Zeit, als noch kein Ansiedler am Choctawbache wohnte,« fiel Daniel ein. »Ich habe häufig hier mit den Indianern, unter denen ich lebte, Jagd gemacht, und erinnere mich recht gut, daß wir ein Dutzend starke Bären in einem Tage an diesem Flusse schossen. Daher hat er ja auch seinen Namen. Auch trafen wir hier einmal einen Grisleybären an; dies fürchterliche Thier tödtete uns einen jungen Krieger, dessen Pferd es in vollem Laufe einholte und ihn dann von demselben herabzog und zerriß.« »Das ist ja erschrecklich; jetzt giebt es doch wohl hier solche Thiere nicht mehr?« sagte Madame Turner entsetzt. »Sie waren auch damals nur Fremdlinge in diesen flachen Gegenden. Ihre Heimath ist in den weiter westlich liegenden Gebirgen, aus denen sie im Winter, wenn dort die Nahrung spärlich wird, sich herab in die Niederungen ziehen und dann in dem Walde am rothen Flusse mitunter bis in diese Länder vordringen. Die Ansiedler aber bieten Alles auf, um ihrer gleich habhaft zu werden, denn einen gefährlichern Feind für sich selbst und für ihre Heerden giebt es nicht. Ein Grisleybär nimmt ein zweijähriges Pferd in die Arme und trägt es fort. Auch holt er jedes Pferd auf die Dauer ein; denn seine Kräfte halten länger aus, als die irgend eines andern Thieres. Ich habe Grisleybären erlegen helfen, die gegen zweitausend Pfund wogen. Der Himmel mag sie fern von uns halten, sonst wäre es bös für unser Vieh.« »Das muß ja ein wahres Ungeheuer sein,« bemerkte Turner, »vor einem solchen Thiere wäre ja Flucht kaum möglich.« »Außer wenn man einen Baum ersteigen kann. Der Grisleybär kann zum Glück nicht klettern,« entgegnete Daniel. »Geht denn eine Kugel durch sein Fell?« fragte Carl. »Das wohl, aber oft sind zwanzig Kugeln nöthig, um ihn zu tödten, wenn nicht zufällig eine gleich auf den rechten Fleck kommt,« antwortete der Neger. »Nun, den Fleck könnte man ja wohl treffen,« bemerkte Carl lachend. »Carl, Carl, Du wirst mir wahrhaftig zu dreist; der Himmel bewahre Dich davor, mit einem solchen entsetzlichen Thiere zusammenzutreffen,« sagte Madame Turner mit ängstlicher Betonung. »Am sichersten ist der Schuß auf seinen Kopf, das heißt, wenn es nicht weit ist, sonst muß man ihn kurz hinter das Schulterblatt und zwar ganz tief schießen, denn das Herz des Bären liegt unten im Brustkasten,« nahm Daniel wieder das Wort, und setzte noch tröstend hinzu: »Wir werden aber wohl niemals einen solchen Besuch hier bekommen, denn der Grisleybär läßt sich nur selten in der Nähe von Ansiedelungen sehen.« Da der Mais die Thätigkeit der Kolonisten jetzt nicht in Anspruch nahm, so benutzten dieselben die Zeit, um das Feld herum noch mehr Bäume zu tödten und das Buschwerk abzuhauen, damit sie es im kommenden Herbste vergrößern könnten. Auch fällten sie Bäume und spalteten daraus zwölf Fuß lange Holzstücke, die sie dann zur Erweiterung der Einzäunung benutzen wollten. Dies war die Ursache, daß während einer ganzen Woche Keiner von ihnen auf die Jagd gegangen und kein frisches Wildpret auf den Tisch gekommen war. Madame Turner bemerkte eines Abends beim Essen, daß sie wohl ein Stück Wild zu haben wünsche, und Carl erbot sich mit Freuden dazu, am folgenden Morgen hinauszureiten und einen Hirsch zu schießen. Arnold und Wilhelm baten, daß sie ihn begleiten dürften; worin Turner einwilligte, unter der Bedingung, daß sie sich nicht weit von dem Fort entfernen wollten. Die beiden jüngeren Knaben waren schon ganz gute Reiter, da sie sich fast täglich übten, indem sie die Pferde zum Wasser brachten, und sehr häufig Abends, wenn die Kühe nicht bei guter Zeit zu Hause kamen, in die Prairie hinausritten und das Vieh heimtrieben; dabei gab es denn manch lustiges wildes Rennen. Turner hatte sich durch Warwick zwei mexikanische Sättel für seine Knaben verschafft, in welchen man ungleich sicherer und fester sitzt, weil sie einen hohen Sattelknopf und sehr hohe Rücklehnen haben. Zugleich waren die Knaben schon recht gute Schützen, wenn auch nicht so gewandte Jäger, wie Carl; denn Turner war zu ängstlich, um sie allein weit hinausreiten zu lassen. Am folgenden Morgen sollten sie nun ihre erste Jagd zu Pferde machen, und Carl sollte sie führen und über sie wachen, damit ihnen kein Unglück zustoße; denn Daniel war mit dem Felde sehr beschäftigt, und einen Hirsch konnten die drei Knaben ja leicht allein in der Nähe des Forts erlegen. Arnold und Wilhelm konnten kaum den Tag erwarten, und als dessen erstes Licht erschien, waren sie schon mit den Vorbereitungen der Jagd beschäftigt. Sie richteten Alles so ein, wie Carl es that, nur fehlten ihnen die Revolver, welche jener heute umschnallte, und die schöne Jaguarhaut, die derselbe auf dem Sattel liegen hatte. Die beiden Schimmel wurden nach dem Frühstück für sie aufgezäumt, Turner untersuchte selbst noch das Riemenzeug, und als er seinen beiden Söhnen in die Sättel half, ermahnte er sie nochmals zur größten Vorsicht und sagte zu Carl: »Du wirst gut auf sie Acht geben, Carl; Eines mußt Du mir aber noch versprechen: daß ihr keine Büffeljagd machen wollt, hörst Du, mein Junge!« »Nein, gewiß nicht, Onkel; wir schießen nur einen Hirsch, und dann kommen wir gleich zurück,« entgegnete Carl mit seiner treuherzigen Stimme. »Nun, so reitet mit Gott,« sagte Turner, während seine Gattin zu Carl an das Pferd getreten war, und, ihm die Hand drückend, sagte: »Carl, sei vorsichtig mit meinen Kindern, und kommt bald zurück.« »Das trockene Gras ist so hoch, junger Herr, daß Sie sehr nahe an das Wild hinanreiten können,« rief der Neger noch Carl zu. »Halten Sie dann die Pferde an, binden Sie den Schimmeln die Füße zusammen, und schleichen Sie sich mit Ihren Brüdern zu Fuße an die Hirsche. Sie können Arnold und Wilhelm heute den ersten Schuß zukommen lassen, und nur noch nachhelfen, wenn es nöthig sein sollte.« Carl winkte dem Neger scheidend die Versicherung zu, daß er thun werde, wie derselbe ihm angedeutet hatte, und lustig trabten die drei Knaben den Hügel hinab bis in das hohe Gras, wo die Pferde von selbst in Schritt fielen. Das Gras reichte den Thieren bis an den Bauch hinauf und war abgestorben, während die jungen Halme schon Fußlang zwischen ihm emporstanden und auf dem Grunde eine frischgrüne Decke bildeten. Carl nahm die Richtung nach der Spitze des Waldes am Pflaumenbache, wo dieselbe in der Prairie endigte, weil er dort immer das meiste Wild gesehen hatte. Auf dem Wege dahin sprangen wiederholt Hirsche aus dem hohen Grase und flohen vor den nahenden Reitern, doch vergebens strengte Carl seine Blicke an, weidendes Wildpret von fern zu erkennen, um sich ihm vorsichtig nahen zu können. Sie hatten die letzte Waldspitze erreicht, die nur aus einzelnen hohen Bäumen bestand, und Carl hielt sein Pferd an, um unter demselben hinzuspähen, ob dort nicht ein Hirsch zu erkennen sei. Nachdem er vergebens eine zeitlang auch mit dem kleinen Fernglas den Wald durchschaut hatte, sagte er zu seinen Kameraden: »Sonderbar, daß gerade heute hier kein Hirsch steht, ich bin doch fast nie hier gewesen, ohne mehrere zu sehen. Man kann hier so leicht von Baum zu Baum an sie schleichen. Es hilft uns Nichts, wir müssen in die Prairie hinausreiten, dort nach jenen Waldinseln zu, die Ihr wie blaue Wolken über dem Grase hervorblicken seht. Laßt uns weiter reiten, wir treffen sicher bald Wildpret an.« Hiermit lenkte Carl sein Pferd von der Waldspitze ab nach Westen in die offene Grasflur, und Arnold und Wilhelm ritten zu seinen beiden Seiten. Wohl eine Viertelstunde lang hatten sie während des Reitens eifrig sich nach Wildpret umgesehen, als Carl in weiter Ferne vor sich ein Rudel starker Hirsche erkannte, die sich vertraut äßten und mit einander scherzten. »Dort steht ein Rudel, seht dort, wo die zwei Mosquitobäume aus dem Grase hervorragen; gleich links daneben.« »Ja, ja, ich sehe sie!« sagten seine beiden Gefährten zugleich. »Es ist noch sehr weit, wir können noch viel näher zu ihnen hinreiten. Es sind starke Hirsche, ich kann schon von hier die Geweihe erkennen, denn der Bast sitzt noch daran, was sie so dick macht. Beugt Euch aber etwas auf den Hals der Schimmel, damit Eure schwarzen Hüte uns nicht verrathen,« sagte Carl und neigte sich selbst nach vorn. Sie ritten in langsamem Schritt vorwärts und die Formen der Hirsche wurden ihren Blicken immer deutlicher. »Es sind neun Stück,« hub Carl wieder nach einer Weile an. »Wollen wir noch nicht absteigen?« fragte Arnold in seinem Jagdeifer. »Nein, noch nicht; ich will es Euch schon sagen, wenn es Zeit ist. Legt Euch nur hübsch hinter die Hälse Eurer Pferde,« entgegnete Carl, indem er neben dem Kopf seines Rosses nach dem Wild blickte. Plötzlich fuhr der Falbe zusammen und machte einige Sätze vorwärts, indem er schnaubend seinen Kopf hoch empor richtete und hinter sich blickte. Carl riß ihn angehalten mit dem Zügel zurück, und schaute sich dann selbst um. »Mein Gott, was kommt dort von der Waldspitze her -- seht Ihr es -- dort über dem Grase -- es ist ein Bär -- aber kein schwarzer -- es ist ein grauer Bär!« rief Carl, seinen Falben mit Gewalt zurückhaltend, während auch die Schimmel schon das Weite suchen wollten. »Ach Gott, Carl, was sollen wir thun? der holt uns ein. Laß uns nach dem Fort zurückjagen!« rief Arnold entsetzt und Wilhelm jammerte: »Ach lieber Gott -- Carl -- hilf uns!« »Er hat uns den Weg nach dem Fort abgeschnitten. Seid aber nur ruhig, er kann uns nicht einholen, unsere Pferde sind zu gut. Laßt den Schimmeln die Zügel und folgt mir, treibt sie aber nicht an und sitzt fest im Sattel. Es hat Nichts zu sagen, der soll uns wohl nicht kriegen. Vorwärts!« rief Carl und ließ seinem Falben die Zügel schießen, der nun, von den beiden Schimmeln gefolgt, über das hohe trockne Gras dahinsauste. Augenscheinlich hatten die Thiere trotz der großen Entfernung den furchtbaren Feind erkannt, denn sie wandten im vollen Jagen die Köpfe bald links bald rechts, um nach dem Bären zurückzublicken, der in ungeheuren Sätzen über das Gras heranstürmte und ihnen in Schnelligkeit vollkommen gleich blieb. »Er bleibt schon zurück!« rief Carl jetzt seinen Brüdern zu, um sie zu beruhigen, obgleich ein Blick nach dem Bären ihn überzeugte, daß derselbe noch eben so nahe hinter ihnen war, als im ersten Augenblick der Flucht. Er hielt seinen Falben gewaltsam zurück, da es ihm schien, daß die Schimmel ihm nicht so schnell folgen konnten, gab ihm aber immer wieder die Zügel, um die beiden Wagenpferde zu größerer Eile anzufeuern. »Laßt nur die Zügel frei und treibt Euere Pferde etwas mehr an, dann wollen wir bald in Sicherheit sein!« rief Carl, indem er sich nach seinen Brüdern umsah, und zugleich einen Blick auf das schreckliche Thier warf, welches immer in gleichem Sprunge ihnen folgte. Schneller konnten die Schimmel nicht laufen, das sah Carl wohl ein, und er wußte, daß sein Falber ihn mit Leichtigkeit von ihnen fortgetragen haben würde; er hielt ihn aber zurück, so daß er nur einige zwanzig Schritte vor seinen Kameraden hinsauste. Fort ging es in unausgesetztem Sturmlauf vorwärts Hügel auf, Hügel ab, ohne daß die Entfernung zwischen den beiden Rossen und dem ihnen folgenden Ungeheuer sich vermindert hätte. Meile auf Meile blieb zurück, die Pferde bedeckten sich mit Schweiß, die weißen Schaumflocken flogen von ihren Gebissen, und immer keuchender schnaubten sie aus ihren weitausgespannten blutrothen Nüstern. Carl sprach seinen Brüdern unaufhörlich Muth zu, und diese trieben die Schimmel mit Sporn und Peitsche an; ihre Schnelligkeit aber begann nachzulassen, und der Bär kam ihnen näher. Vor den Fliehenden hob sich jetzt rasch die Waldinsel deutlich empor, und nach ihr hin richtete Carl seinen Lauf. Noch wußte er nicht, in welcher Weise das kleine dichte Gehölz ihnen Hülfe bringen sollte, wenn es aber eine Rettung gab, dann mußte sie dort gesucht werden. Näher und näher rückten sie dem Wäldchen, und näher und näher kam ihnen der grimmige Feind. Noch lagen nur hundert Schritte zwischen ihnen und dem Gehölz, als Carl sein Roß noch mehr zurück hielt, so daß seine Brüder an seine Seite kamen. [Illustration] »Jetzt sind wir gerettet!« rief er ihnen zu, »sobald wir an dem Wäldchen dicht vorüberjagen, biegt Ihr Beiden links um dasselbe herum, so daß der Bär Euch nicht mehr sieht; ich bleibe etwas zurück, bis er mir ganz nahe ist, und dann lasse ich meinen Falben rechts ab davon jagen. Der Bär wird mir folgen, ich werde ihm aber bald aus den Augen sein, und dann komme ich nach Hause. Eilt, so schnell Ihr könnt, von der Waldinsel nach dem Fort, und sagt dort, daß der Bär mich nicht kriegen könnte, daß ich aber erst spät nach Hause kommen würde.« Das Wäldchen war erreicht, Carl blieb jetzt hinter seinen Brüdern zurück, und rief ihnen zu: »Vorwärts, jagt um das Holz herum und dann nach Hause, ich komme bald nach.« Dabei parirte er sein Pferd, das sich wild und entsetzt bäumte, denn der Riesenbär kam herangestürzt und war nur noch kaum hundert Schritte von ihm entfernt. Carl sah ihn an, er bebte aber nicht, denn er sah im nächsten Augenblick seine Brüder um das Gehölz verschwinden. Jetzt ließ er dem Falben abermals die Zügel schießen und jagte rechts vom Holze ab in die Prairie hinaus. Seinen Blick aber hielt er nach dem Ungeheuer gerichtet, ob es ihm auch folgen würde. »Gottlob!« entfuhr Carls Lippen, als er den Bären hinter sich sah, und nun sprach er dem Falben zu, sein Bestes zu thun. Kaum fühlte das brave Thier die freien Zügel, kaum hörte es den aufmunternden Ruf seines Reiters, da flog es davon, als ob seine Hufe den Boden gar nicht berührten, und der Bär blieb weit zurück. »Gottlob!« sagte Carl abermals, als er gewahrte, daß der Feind ihm nicht so schnell folgen konnte, und »Gottlob!« rief er laut aus, als er nach der Insel zurückblickte, und an deren anderer Seite seine beiden Brüder schon in weiter Ferne davonjagen sah. »Nun sollst du mich wohl nicht kriegen, du abscheuliches Thier,« dachte Carl, und schmeichelte seinem Falben, indem er ihm den nassen Hals liebkosend klopfte. Bald war der Bär mehrere tausend Schritte hinter dem entschlossenen Knaben zurück und derselbe athmete wieder freier auf. Er ließ seinem Pferde jetzt freien Willen, denn daß der Bär ihn nicht einholen konnte, das war ja gewiß; dennoch schaute er immer nach demselben zurück, in der Hoffnung, daß er die Jagd aufgeben würde. Der Bär veränderte weder seinen Sprung, noch seine Eile, und stürmte in der Bahn vorwärts, die der Falbe in dem Gras gebrochen hatte. Die Insel verschwand hinter Carl in blauem Duft und vor ihm hob sich ein Waldstrich aus der Prairie empor, der sich weit am westlichen Horizont hinzog. Das mußte der Wald sein, von welchem ihm Daniel oft erzählt hatte, daß er nur aus einzeln stehenden Lebenseichen bestehe, deren Kronen ein dichtes Laubdach bildeten, während der Boden mit einer feinen Grasdecke überzogen sei. Den Wald mußte Carl zu erreichen suchen, so dachte er und trieb jetzt seinen Falben stärker an, denn dessen Schnelligkeit hatte abgenommen, und es schien dem Knaben, daß der Bär wieder etwas näher gekommen sei. Das Pferd gehorchte im Augenblick jeder Anforderung seines Reiters, aber jedesmal auf kürzere Zeit, dann ließ es wieder im Laufe nach. Seine Sprünge wurden kürzer und mühsamer, sein Athem wurde schwer, und Carl erkannte es zu seinem Schrecken, das die Kräfte des edlen Thieres schnell abnahmen. Im Laufe des Bären war keine Aenderung. Die Möglichkeit, daß das furchtbare Ungethüm ihn einholen könne, fing an, in dem Knaben mehr und mehr zur Gewißheit zu werden, und die dann nöthige Vertheidigung vereinigte jetzt mit aller Willenskraft seine ganze geistige Thätigkeit. Der Schuß durch den Kopf und der durch das Herz des Thieres mußten ihm gelingen, davon war Carl überzeugt, und dann war er und der Falbe gerettet. Wie aber, wenn die Kugeln dennoch nicht den rechten Fleck träfen? Der graue Bär konnte aber nicht klettern, hatte Daniel gesagt, und der Eichenwald war ja schon ganz nahe vor Carl, ein Baum sollte ihm Schutz und dem Pferde Rettung bringen! Jetzt drückte der Knabe beide Sporen fest in die nassen Flanken des treuen Rosses, und nochmals stob dasselbe fliegend dahin, und abermals ließ es den Bären weiter zurück. Die Eichen waren erreicht und in sausender Carriere jagte Carl zwischen ihnen hindurch, indem er weithin nach einem Baume spähete, der seinem Zweck entsprechen würde. Noch hatte er mehrere tausend Schritte Vorsprung vor seinem grimmen Verfolger, da hielt er plötzlich das Pferd vor einer Eiche an und sprang im selbigen Augenblick aus dem Sattel. Ein Schlag mit der Peitsche und die in der Ferne heranstürmende Riesengestalt des Bären trieben den Falben in wilder Flucht davon, während Carl die Büchse um den Nacken hing und den nicht starken, aber rauhen Stamm der Eiche erklomm. Nach wenigen Augenblicken stand er auf den ersten Aesten, die wohl funfzehn Fuß über der Erde erhaben waren, und nahm die Büchse vom Nacken, um sie zum Gebrauch fertig zu machen. Jetzt hörte er die schweren Tritte des Bären nahen, die Erde dröhnte unter seiner Wucht und Carl konnte deutlich das laute Aechzen seines Athems vernehmen. Da kam der Bär unter den Eichen her, gerade auf den Baum zu, auf welchem Carl stand. Wie aber, wenn derselbe vorüberrennen und dem Pferde folgen sollte -- dann wäre dasselbe verloren! In schwerfälligen ungeheuren Sätzen stürzte der Bär jetzt zwischen den nächsten Stämmen hervor, Carl hatte die Büchse auf ihn gerichtet, er gab Feuer, und riß den Hut vom Kopf, den er dem Ungeheuer vor die Füße warf, in dem Augenblick, als dasselbe den Baum erreichte. Mit einem dumpfen Wuthgebrüll fiel der Bär über den Hut her und schlug seine Zähne und Klauen in den Filz ein, da blitzte es zum zweiten Male vom Baum herab, und im Schuß rollte der Bär kopfüber. Im nächsten Augenblick aber richtete er sich wieder empor und sah zähnefletschend nach dem Schützen hinauf. Er sprang an dem Stamme in die Höhe und schlug mit den Riesentatzen nach seinem Gegner, reichte jedoch nicht ganz bis an den Ast, auf dem Carl stand, und dieser sah, wie ihm das Blut vom Kopf und von der Seite herabströmte. Mit einem furchtbaren Wuthausbruch faßte der Bär den Baumstamm und schüttelte ihn, als wolle er ihn aus der Erde reißen. Carl aber hatte den Revolver gezogen, hielt ihn dem brüllenden Umgethüm entgegen und feuerte in dessen weitgeöffneten Rachen. Der Bär umklammerte nach dem Schusse mit den Vordertatzen den Stamm und stieß ein röchelndes dumpfes Brummen aus. Carl aber richtete den Revolver nun mitten auf den Kopf des Thieres und mit dem Knall sank dasselbe zuckend, und an allen Gliedern zitternd, am Stamme nieder. »Gott sei gelobt und gedankt!« rief Carl aus und faltete seine Hände, indem er die Waffen in den Armen an sich drückte und mit thränenfeuchtem Blick zum Himmel über sich schaute. Dann sah er wieder hinab, da lag das Ungeheuer zu seinen Füßen hingestreckt, doch das Leben war noch nicht ganz aus ihm gewichen. Carl schob den Revolver in den Gürtel und ladete, so schwierig es ihm auch wurde, seine Büchse wieder, denn ehe er sich zu dem Thiere hinabbegeben wollte, mußte er von dessen Tod überzeugt sein. Er schoß ihm nun noch eine Büchsenkugel durch den Schädel, worauf jede Bewegung des Bären aufhörte und Carl sich an dem Stamme herabließ. Einige Augenblicke stand er erstaunt vor dem todten Riesenkörper, dann aber dachte er an seinen Falben und beschloß, dem treuen Thiere sofort zu folgen. Er ladete schnell den abgeschossenen Lauf, suchte nun die Spur des Pferdes, der er dann mit mit raschen Schritten folgte; denn das Gras war seiner Eile nicht hinderlich. Die Sonne stand hoch am Himmel und Carl war durch die ungewöhnlichen Anstrengungen sehr ermüdet, der Schatten aber, den das dichte Laubdach der immergrünen Eichen gewährte, und die frische Luft, die unter demselben hinzog, thaten ihm wohl und ließen ihn wieder zu Kräften kommen. Das Gras war sehr fein und nicht lang, so daß er jeden Tritt seines Pferdes leicht erkennen und ihm ohne Unterbrechung folgen konnte, während sein Blick sehnlichst und besorgt auch in die Ferne schweifte, ob er das geliebte Roß nicht erspähen könne. Um diese Zeit naheten sich seine geretteten Brüder dem Fort. Kaum konnten die Schimmel sich noch im Galopp erhalten, so sehr die Peitschen und Sporen der Knaben sie auch antrieben. Immer noch wandten diese bebend ihre ängstlichen Blicke zurück über die weite Grasflur, und meinten, sie müßten im nächsten Augenblick wieder das entsetzliche Thier hinter sich herstürmen sehen. Auch die Pferde hatten das Ungeheuer noch nicht vergessen, denn auch sie blickten sich oft schnaubend um, und stürzten vorwärts, als wollten sie laufen, bis sie todt zusammenbrächen. Der Anblick des Forts gab den Rossen und Reitern wieder Trost und ließ sie ihre Erschöpfung vergessen, und mit fliegenden Mähnen und verhängten Zügeln jagten sie mit den letzten Kräften durch das hohe Gras dem heimischen Hügel zu. Madame Turner hatte wohl eine Stunde über die gewohnte Zeit mit dem Mittagsessen auf die Rückkehr der Knaben gewartet, und ging jetzt hinaus vor das Fort zu ihrem Gatten und zu Daniel, welche schon seit einiger Zeit dort gesessen hatten, um nach den jungen Jägern auszuspähen. Noch war Nichts von ihnen zu sehen, und auch Julie war hinzugetreten, als Madame Turner sagte: »Wo mögen die Jungen nur so lange bleiben, sie wollten sich doch nicht weit entfernen.« »Sie werden wohl einen Hirsch angeschossen haben und ihn verfolgen. Man weiß stets, wann man auf die Jagd geht, nie aber, wann man von ihr zurückkommen wird,« bemerkte Daniel. »Daß man aber gar Nichts von ihnen sehen kann und daß wir auch keinen Schuß gehört haben!« sagte Turner mit sichtbarer Unruhe. »Wenn ihnen nur kein Unglück zugestoßen ist. Wir hätten sie doch nicht sollen allein reiten lassen,« fiel Madame Turner ein. »Carl ist ja dabei und er ist ein eben so guter Schutz, als ob ich mitgeritten wäre. Seien Sie ohne Sorgen, er wird die beiden Knaben wohlbehalten zurückbringen,« versetzte der Neger. »Dort sehe ich Etwas herankommen, ich glaube es sind die Schimmel,« fiel Julie plötzlich ein, und zeigte in die flache Ferne. »Das sind sie -- in voller Jagd -- sie haben Etwas angeschossen!« sagte Daniel und hielt die Hand über die Augen, um schärfer spähen zu können. »Mein Gott -- ich sehe den Falben nicht -- nur die beiden Schimmel kann ich erkennen!« rief der Neger nach einer Weile und setzte mit ängstlicher Stimme noch hinzu: »Das ist auch keine Jagd das sieht mir aus wie Flucht; da ist Etwas geschehen, -- sie kommen ja in gerader Richtung auf uns zu -- Carl ist nicht dabei!« »Um des Himmels Willen, wenn ihm nur kein Unglück zugestoßen ist!« sagte Madame Turner und preßte ihre gefalteten Hände bebend zusammen. Schweigend, und von Schrecken erstarrt, hefteten Alle ihre Blicke auf die beiden heranjagenden Knaben und ihre Angst, ihr Entsetzen steigerte sich mit jedem Sprunge, den die Schimmel über das Gras thaten. Bald erkannten sie auch an den Bewegungen der Pferde deren große Erschöpfung, sahen, wie die Knaben sie mit den Peitschen zur Flucht antrieben, und wie den Thieren der weiße Schaum von den Gebissen flog. »Wo ist Carl, um Gottes Willen, wo ist Carl?« riefen Alle zugleich den Knaben entgegen, als dieselben in Galopp den Hügel heraufgesprengt kamen, und »wo ist Carl?« wiederholten Alle, als Turner und Daniel sie aus den Sätteln hoben. »Ein grauer Bär!« war Alles, was die entsetzten Knaben hervorstammeln konnten, die sich jetzt weinend in die Arme ihrer Eltern schmiegten. Daniel hatte aber kaum das Wort »Bär« gehört, als er in das Gras hinunterstürzte, sein Pferd von dem Strick befreite und mit ihm nach dem Fort zurückrannte. In wenigen Minuten hatte er es gesattelt, hatte seine Waffen ergriffen, und trat nun zu Turners in das Haus, um noch weitere Auskunft über Carls Schicksal zu erhalten, ehe er sich zu dessen Auffinden entfernte. Er fand die ganze Familie in Thränen und Jammer, denn jetzt hatten die Knaben den Hergang der unglücklichen Begebenheit erzählt. Mit lautem Schluchzen und Wehklagen empfingen Turners den treuen Neger, und machten sich die bittersten Vorwürfe, daß sie ihre Zustimmung zu der Jagd gegeben hatten. »Noch ist nicht Alles verloren,« sagte Daniel tröstend, »der Falbe ist ein edles Pferd und Carl ein guter Reiter. Er hat die Richtung nach dem Eichenwald genommen, und er wußte, daß der graue Bär nicht klettern kann. Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß der Himmel ihn beschützt hat.« Hiermit sprang der Neger hinaus zu seinem Pferde, schwang sich in den Sattel und sprengte in fliegendem Lauf der Waldspitze am Pflaumenbache zu. In sehr kurzer Zeit hatte er dieselbe erreicht und dort auch die Riesenfährte des Bären erkannt. Im Galopp folgte er derselben nach der Waldinsel, wo Carl seine Brüder gerettet und den Blutdurst des Raubthieres auf sich selbst gelenkt hatte. Hier fand Daniel nun die Fährte des Falben mit der des Bären zusammen, und sie führten ihn dem Eichenwalde zu. Der Himmel hatte sich mit grauem Gewölk überzogen und ein heftiger Wind war von Süden her aufgesprungen, als der Neger den Wald erreichte, unter dessen Laubdach das immer dort herrschende Düster schon durch den einbrechenden Abend vermehrt wurde. Dennoch konnte Daniel von seinem Pferde herab die Fährten des Falben und des Bären erkennen, wenn er ihnen auch mehr Aufmerksamkeit schenken mußte, als in dem hohen Grase der Prairie, wo die zerrissenen und niedergedrückten Halme dieselben auf weithin bezeichneten. Er mußte seiner Eile, seiner Sehnsucht aber Gewalt anthun und im Schritt reiten, um nur die Fährten nicht zu verlieren. Bald aber wurde es so düster, daß er dieselben vom Sattel herab nicht mehr erkennen konnte, weshalb er abstieg und sein Pferd führte. Mit schwerem Herzen ging er von Baum zu Baum und suchte den Gedanken zu bekämpfen, daß er plötzlich den Fleck erreichen würde, auf welchem sein junger Freund ein Opfer seines edlen Herzens geworden -- und durch das fürchterliche Thier gemordet war. Er mußte der zunehmenden Dunkelheit wegen gebückt gehen, um die Fußtapfen des Bären erkennen zu können, schritt aber immer noch mit möglichster Eile vorwärts, als er plötzlich aufsah und sein Blick auf das getödtete Ungethüm fiel. »Gerettet, gerettet, mein junger Herr ist gerettet!« schrie der Neger laut zum Himmel auf und hob seine Hände gefaltet empor, dann zog er sein Pferd im Trabe hinter sich her zu dem Bären, bei dem er niederfiel, um sich zu überzeugen, daß er durch Carls Kugeln getödtet sei. Bei seiner Herzensfreude jubelte er hell auf, ließ seinen gellenden Jagdruf durch den Wald ertönen und feuerte die beiden Rohre seiner Büchse ab. Antwort wurde ihm keine andere gegeben, als die, welche eine Eule ihm klagend zurief; der Neger aber lachte lustig auf und sagte: »Du lügst, ich habe bessere Kunde von meinem jungen Herrn!« Carl war schon zu weit von Daniel entfernt, als daß er dessen Schüsse hätte hören können. Er war während des ganzen Nachmittags den Huftritten seines Rosses unermüdlich gefolgt, bald rechts, bald links, bald vorwärts, bald rückwärts, so daß er zuletzt gar nicht mehr wußte, in welcher Richtung er gehe, denn die Sonne hatte sich versteckt, und seinen Compaß hatte er unglücklicherweise zu Hause gelassen. Es war ihm aber im Augenblick auch ganz einerlei, wohinaus er ginge, denn er stand ja immer noch auf der Fährte seines Falben, und das war der beste Wegweiser, den er jetzt sich wünschen konnte. Lange Zeit hatte die Fährte deutlich gezeigt, daß das Pferd flüchtig gewesen war, dann aber hatte es sich in Trab gesetzt, und nun erschienen die Fußtritte im Schritt. Es war um dieselbe Zeit, als Daniel den Bären fand, daß Carl nur noch mühsam die Fährte seines Rosses erkennen konnte, und mit traurigem, verzweifelnden Herzen blickte er zu dem grauen Himmel auf, weil er befürchtete, daß ein schwerer Regen jedes Kennzeichen von dem Wege verwischen würde, welchen der Falbe eingeschlagen hatte. An sich selbst dachte er noch gar nicht, er fühlte keine Müdigkeit, keinen Hunger, keinen Durst; das heiße Verlangen, sein braves Pferd wiederzufinden, erdrückte jedes andere Gefühl in ihm. Jetzt wurde er irre in der Fährte, es war zu dunkel, um sie noch zu erkennen; er beschloß daher, hier unter einer alten Eiche zu schlafen und am folgenden Morgen sein Suchen wieder zu beginnen. Er stellte seine Büchse an den Baum und war im Begriff, seine Jagdtasche abzulegen, als er in der Ferne unter den Eichen eine Bewegung bemerkt zu haben glaubte. Er fuhr zusammen, denn die Hoffnung, die ihn bis hierher begleitet hatte, erwachte in dem Augenblick wieder mit aller Stärke. Er verwandte keinen Blick von jenem Fleck zwischen den schwarzen Stämmen, und da bewegte es sich abermals. Schnell hatte er die Büchse ergriffen und sprang von Baum zu Baum, jedoch vorsichtig dem sich bewegenden Gegenstand zu, der vor seinem Blick immer heller erschien, bis er plötzlich die gefleckte Jaguarhaut auf der unbestimmten Form seines Falben erkannte. »Falber, Falber!« schrie er dem Pferde zu, um sich ihm zeitig zu erkennen zu geben, damit das geängstigte Thier nicht etwa die Flucht vor ihm ergreifen möge, und ging nun mit liebkosenden, zutraulichen Worten näher und näher zu ihm hinan. Das Pferd hatte ihn bald erkannt, wieherte ihm freudig entgegen, und als Carl mit den Worten zu ihm trat: »Ja, Falber, ehrlicher Falber, freuest Du Dich denn, daß ich wieder bei Dir bin?« da wieherte das Thier abermals und legte seinen Kopf auf die Schulter seines jungen Herrn. Carl war im Begriff, dem Pferde Sattel und Zeug abzunehmen, da erkannte er weiterhin unter den Eichen einen Gebüschstreifen, und er zog es vor, dort sein Nachtlager aufzuschlagen, weil er in dem Dickicht weniger leicht gesehen werden konnte, und die Dunkelheit ihn noch nicht genug verbarg. Er führte sein Pferd nach dem Gebüsch hin und fand in demselben zu seiner größten Freude ein frisches Quellwasser, welches wahrscheinlich den Falben herbeigelockt hatte; denn derselbe war schon dabei gewesen, wie dessen Huftritte in dem weichen Boden zeigten. Für Carl war diese Entdeckung eine große Wohlthat, denn jetzt, da sein Verlangen nach dem Pferde gestillt war, fühlte er seine Erschöpfung und einen brennenden Durst. Er warf sich an den Quell nieder, und als er sich nach Herzenslust daran gelabt hatte, nahm er dem Falben Sattel und Zaum ab und band ihn mit dem Seil, welches derselbe zu diesem Zwecke um den Hals trug, an ein junges Bäumchen, damit er noch in dem üppig grünen wilden Roggen weiden könne, der zwischen den Büschen den Boden bedeckte. Dann legte Carl sein Jagdgeräth ab, breitete seine Jaguarhaut unter einer alten Eiche aus, und ließ sich darauf nieder, um nun der Ruhe zu pflegen, die ihm so sehr nöthig war. Madame Turner hatte ihm am frühen Morgen, wie sie immer zu thun pflegte, wenn Carl auf die Jagd gehen wollte, ein Stück Brod und etwas Fleisch in die Jagdtasche gesteckt, dies holte er jetzt hervor und stillte seinen Hunger damit, der sich auch nun fühlbar gemacht hatte. Carl meinte, so gut habe ihm noch niemals eine Mahlzeit geschmeckt, er fühlte sich dabei so froh und so beglückt im Herzen, denn er dachte an seine geretteten Brüder und an den Jubel, den ihre Rückkehr nach der überstandenen Gefahr im Fort erzeugt haben mußte. Freilich wußte er, daß Turners sehr besorgt um ihn sein würden, er hatte ihnen ja aber sagen lassen, daß er vielleicht spät nach Hause kommen könne und mit dem ersten Tageslicht wollte er ja auch seinen Rückweg nach dem Fort antreten. Wo hinaus aber lag das Fort? -- darüber war Carl mit sich nicht eins, er tröstete sich aber damit, daß Morgen die Sonne scheinen würde und er nur ihrem Aufgange entgegenzureiten brauche, um an den Bärfluß zu gelangen; denn derselbe floß ja von Süden nach Norden in den rothen Fluß. Dieserhalb beruhigt, und mit dem beseligenden Bewußtsein, eine gute That vollbracht zu haben, sank er bald auf seinen Sattel zurück und verfiel in einen süßen, stärkenden Schlaf. Der Wind nahm von Stunde zu Stunde an Heftigkeit zu, er pfiff und heulte durch die alten Eichen, schüttelte ihre gewaltigen Aeste und warf ihr trockenes Holz von ihnen auf die Erde nieder; Carl hörte nicht, was um ihn her vorging und fühlte nicht, wie der Wind in seinen reichen Locken wühlte, er schlief den Schlaf der Guten und träumte von seinen Brüdern. Kaum aber graute der Tag, als er erwachte und sich verwundert umblickte, denn im ersten Augenblick wußte er nicht, wo er war. Der Falbe wieherte laut auf, als er die Bewegung seines Herrn sah, und Carl ermunterte sich schnell und sprang zu dem Pferde, um dasselbe auf einen andern Weideplatz zu führen. Zugleich hörte er etwas weiter an dem Wasser hinunter den kollernden Ruf von wilden Truthühnern, womit sie den Morgen begrüßten. Carl hatte nichts mehr zum Essen bei sich, deshalb ergriff er seine Büchse und sprang schnell in das Buschwerk dem Rufe der Truthühner nach. Er gelangte an die letzten Büsche, als er wohl fünfzig dieser kolossalen Vögel aus demselben hervor und unter den Eichen hinrennen sah. Ihr Lauf war so flüchtig, wie der eines Pferdes, doch Carl hatte schnell einen der größten Hähne unter ihnen gewählt und sandte ihm seine Kugel nach. Sie traf, der Vogel stürzte, mit den Flügeln um sich schlagend, zusammen, und Carl trug ihn eilig nach seinem Lagerplatz. Dort zündete er sogleich ein Feuer an, schnitt die besten fettesten Stücke Fleisch von der Brust des Vogels, spießte sie an einen Stock und pflanzte sie vor der Feuergluth zum Braten auf. Das Frühstück war bald bereitet und schmeckte Carl vortrefflich, als er es aber beendet, eilte er, sich zum Nachhauseritt fertig zu machen, denn er wußte, wie sehr man nach seiner Rückkehr verlangen würde. Der Falbe hatte sich in dem fetten wilden Roggen tüchtig etwas zu Gute gethan, er wurde rasch gesattelt und Carl schwang sich auf ihn hinauf, mit dem freudigen Gedanken daran, welcher Jubel ihn im Fort empfangen würde. Die Sonne war nicht erschienen, der hohe Himmel war mit einem hellen einfarbigen Grau überzogen und der Wind blies mit einer solchen Gewalt durch die Bäume, daß ihre Aeste wild umherschlugen und knarrten und krachten. Carl beschloß nun, auf der Fährte des Falben seinen Rückweg nach dem Bären zu suchen, denn von dort aus konnte es ihm dann nicht mehr schwer werden, sich nach Hause zu finden. Das niedergetretene Gras hatte sich aber während der Nacht in den Huftritten wieder aufgerichtet, der Wind hatte die Halme über denselben vereinigt, und es war unmöglich, sie noch zu erkennen. Carl blickte verlegen um sich, denn er wußte wirklich nicht, wohinaus er reiten sollte. Die Richtung, von woher er am Abend zuvor den Falben zuerst erblickt hatte, glaubte er jedoch zu erkennen und hiernach wählte er seinen Weg; denn geritten mußte werden. Er setzte sein Pferd in Trab und ließ seine Blicke über den Boden schweifen, in der Hoffnung, doch wohl einmal des Falben Spur vom vergangenen Tage zu finden; doch es gelang ihm nicht, so aufmerksam er auch war. Wie hätte dies auch geschehen können, er ritt ja ganz in der entgegengesetzten Richtung von der, welcher er zu folgen glaubte; er ritt nach Westen, und das Fort lag hinter ihm in Osten. Als er nun glaubte, in die Nähe des Bären zu kommen, strengte er seine ganze Sehkraft an, um ihn zu entdecken, aber vergebens; er ritt und ritt stundenlang in gleicher Richtung vorwärts, vom Bären sah er nichts, und plötzlich befand er sich an dem Rande des Eichenwaldes, wo derselbe sich an die Prairie anlehnte. Mit aller Zuversicht, daß er sich auf dem rechten Wege nach dem Bärflusse befinde, ritt er in das hohe trockene Gras hinaus, dessen lange Halme der Sturm in einander verwirrt hatte. Das Gehen wurde dem Pferde mitunter in den Vertiefungen der Prairie beschwerlich, weil dort das Gras ihm bis an den Sattel reichte, auf den Höhen aber munterte Carl es zur Eile auf, und willig folgte das Thier dem Wunsche seines Reiters. Jetzt stieg eine Waldinsel vor Carls Blick empor, und er bewillkommnete sie als das Wäldchen, welches seinen Brüdern Rettung gebracht hatte; nun war er sicher, daß er ohne Schwierigkeit seinen Weg nach dem Fort finden würde. Er kam näher und näher und immer mehr überzeugte er sich, daß es dasselbe kleine Gehölz sei, in dessen Nähe er sich gestern von seinen Brüdern getrennt hatte. Auch selbst, als er dasselbe erreichte, glaubte er noch, die einzelnen Bäume zu erkennen, und daß er von der Spur des Bären nichts mehr sah, war ja bei diesem Sturm nicht zu verwundern. Er ritt getrost weiter, mußte aber seinen Hut tief auf den Kopf drücken, damit ihm derselbe nicht davon flog. Der Wind steigerte sich mehr und mehr, bis er um die Mittagszeit als entfesselter Orkan von Süden her über die unabsehbare Grasfläche brauste. Vergebens suchte Carls Blick in der Ferne den Wald des Bärflusses zu entdecken, der seiner Berechnung nach schon sichtbar sein mußte, und ein unheimliches Gefühl der Ungewißheit über die eingeschlagene Richtung drängte sich ihm unwillkürlich auf. Es fiel ihm jetzt auch auf, daß er ungewöhnlich viele Thiere auf der Prairie in Bewegung sah, und zwar mit einer Unruhe, die er früher nie so allgemein an ihnen bemerkt hatte. Namentlich kamen deren immer mehr von Süden mit dem Sturme herangezogen und schienen sich weniger um Carl zu kümmern, als sonst. Er hatte eine Zeitlang verwundert dem Winde entgegen geblickt, als er plötzlich einen dunklen Streif über dem fernen Horizont gewahrte. Er hielt denselben im ersten Augenblick für aufsteigendes Gewölk, dann aber kam er ihm nicht mehr wie gewöhnliche Wolken vor, es war ein glatter langer Strich, der sich schnell über den äußersten Rand der Prairie erhob und immer schwärzer von Farbe wurde. »Das ist kein Gewölk; was aber kann es sein, das mit dem Sturm dort heranzieht?« dachte Carl, und sah in weitester Ferne noch immer mehr Thiere heranjagen. Da fuhr es ihm wie ein Blitzstrahl durch die Gedanken: »Wenn es ein Prairiebrand wäre!« Kaum hatte er es gedacht, so stand auch die Gewißheit in ihm darüber fest, denn das Bild, welches Daniel ihm so oft von diesem Schreckensereigniß gegeben hatte, stimmte vollkommen mit dem überein, welches er jetzt vor Augen hatte. Der schwarze Strich waren Rauchwolken, die schon beinahe um den dritten Theil des Horizonts sichtbar wurden, und sich weiter und weiter hinter Carl ausdehnten. Zugleich änderte der Sturm seine Richtung und kam mehr von Osten hergezogen. Noch lebte die Hoffnung in Carl, daß seine Richtung ihn nach dem Bärflusse führe, wenn auch viel weiter nach dessen Mündung in den rothen Fluß, als das Fort lag. Hier war keinenfalls seines Bleibens, und nur die Flucht konnte ihn und sein Roß von einem grausigen Untergange in den Flammen des brennenden Grases retten. Auch der Falbe schien jetzt die drohende Gefahr, die mit jenen Rauchwolken aufstieg, zu ahnen, denn er sah schnaubend nach ihnen hin und drängte sich in das Gebiß, um davoneilen zu dürfen. Kaum aber hatte Carl ihm die Zügel gegeben, so flog das Thier mit ihm davon, als wolle es den Sturmwind hinter sich zurücklassen. Links und rechts jagte es an fliehenden Hirschen, an einzelnen Büffeln, an wilden Pferden vorüber, und soweit Carls Auge reichte, belebte sich die Grasfläche in jedem Augenblicke mehr mit Thieren der Wildniß, die alle vor dem Orkane dahin jagten. Carl suchte sein Pferd zu beruhigen, um ihm auf die Dauer die Kraft zu erhalten, er sprach zu ihm und klopfte mit der Hand seinen festen Hals; die Aufregung des Thieres schien sich aber immer mehr zu steigern und seine Sprünge immer weiter, immer flüchtiger zu werden. Carl blickte zurück nach dem rasch aufsteigenden schwarzen Gewölk, und sah, wie unter demselben die weiteste Ferne der flachen Prairie sich mehr und mehr mit bewegten dunkeln Massen bedeckte. Diese Massen waren die fliehenden vierfüßigen Bewohner dieser Wildniß, die das Feuer von weit her vor sich hingetrieben hatte, und die jetzt in gedrängten Reihen in wilder Flucht ihre Rettung suchten. _Einen_ Trost fühlte Carl in dem Hinblick auf seinen Falben, den, daß derselbe den Lauf ebenso lange aushalten würde, als eines jener Tausende von Thieren, die ihm folgten; denn ließen seine Kräfte früher nach, so wäre der Tod unter den Füßen jener Massen unvermeidlich gewesen. Dahin jagte Carl Scharnhorst mit dem Sturme um die Wette, Hügel auf, Hügel ab; vergebens aber spähete er nach dem Walde des Bärflusses, sein Blick schweifte rundum nur über eine endlose Grasfläche. Immer eiliger, immer drohender zogen die Rauchwolken am Himmel empor und rollten sich in schwarzen schweren Massen über einander an demselben hin; schon jagten sie sich, wie in wildem Kampfe über Carls Haupt, mit ihrem Weiterzuge nahm das Tageslicht mehr und mehr ab, und ein Düster, wie das hereinbrechender Nacht, legte sich auf die im Sturme wogende weite Grasfläche. Plötzlich zog ein röthlicher Schein über das schwarze rollende Gewölk, und als Carl sich umwandte, sah er im Halbzirkel hinter sich die Flammen des brennenden Grases über dem äußersten Rande der Prairie emporlodern. Sie schlugen hoch und wild zum Himmel auf und beleuchteten mit ihrem glühendrothen Scheine das wogende Thiergewirre, das sie im Todeslaufe vor sich hertrieben. Die ganze Fläche hinter Carl schien zu leben, und wie ferner Donner drang es von dort her zu seinem Ohr. Die Rauchwolken hatten den ganzen Himmel überzogen, sie schienen rundum auf dem Rande der Prairie zu liegen, und die durch sie erzeugte schwarze Nacht wurde nur durch das glühende Feuerlicht der immer höher in der Ferne hinter Carl aufsteigenden Flammen verscheucht. Fort ging es mit des Sturmes Rasen über viele, viele Meilen weite Strecken, immer noch gleich flüchtig trug der brave Falbe seinen Reiter weit vor den heranstürmenden Thiermassen hin, und nur einzelne der schnellsten Bewohner dieser Steppen, Hirsche, Antilopen und wilde Pferde begleiteten ihn zu beiden Seiten auf der verzweifelten Flucht. Alles rannte in blinder Verwirrung durcheinander hin, Alles in seiner Schnelligkeit Rettung suchend, Alles vor dem furchtbaren Elemente fliehend, dessen Flammen, vom Orkan getragen, über das Grasmeer wirbelten und in ihrer Gluth verzehrten, was ihrem Bereich verfiel. Nicht weit von Carl jagte ein Trupp wilder Pferde; an ihrer Spitze befanden sich viele Füllen, welche, wie es schien, durch die Alten zur Eile angetrieben wurden, denn diese rannten hinter ihnen hin und her, und ließen sie nicht zurückbleiben. Zwei der Füllen aber stürzten plötzlich zusammen, und während die Heerde an ihnen vorübersauste, blieben ihre Mütter bei ihnen zurück, stießen sie mit dem Kopf, scharrten an ihnen mit den Vorderfüßen und suchten sie auf alle Weise zum Aufstehen zu bewegen; es war aber umsonst, die Kleinen konnten sich nicht wieder erheben. Nochmals versuchten es die Stuten, sie aufzutreiben, dann aber sahen sie mit entsetztem Blick nach den Flammen zurück, und jagten der Heerde nach. Bald darauf brach ein mächtiger Hirsch vor Carl zusammen, er sprang wieder auf und suchte sich auf den Füßen zu erhalten, sank aber immer wieder nieder, und als Carl an ihm vorüberjagte, hob das erschöpfte Thier den Kopf empor und schaute ihn an, als ob es seine Hülfe erflehen wolle. Hier stürzte ein Pferd, dort eine Antilope, da ein Hirsch, ein Büffel; ihre Kameraden aber flohen davon und überließen sie ihrem Schicksale. Noch hatte des Falben Schnelligkeit nicht nachgelassen, Angst und Entsetzen trieben ihn vorwärts, und die Verzweiflung gab seinen Gliedern immer noch neue Kräfte. Dennoch fühlte Carl, daß die Bewegungen des edlen Thieres härter und weniger leicht wurden, und mit Schrecken hörte er durch das Heulen und Brausen des Orkans die mühsamen schweren Athemzüge des treuen Rosses. Bald aber wurden auch dessen Sprünge kürzer, seine Glieder hoben sich nicht mehr hoch über das trockne harte Gras, sie theilten mühsam dessen verworrene Halme, und Erschöpfung zeigte sich in seiner verminderten Schnelligkeit. Augenscheinlich kamen die Flammen und die heranstürmenden Heere der wilden Thiere jetzt Carl näher, und mit Entsetzen schaute er bald rückwärts in die, zwar noch ferne auflodernde Gluth, bald in die düstere Weite vor sich. -- Wo -- wie -- sollte er Rettung finden, Rettung für sich und für sein ihm so theures Pferd! In der Ferne, nur in der weiten Ferne konnte er sie suchen; ein Wald -- ein Wasser -- klang es mit verzweifelndem Verlangen durch Carls Seele, und mit schmerzlichem Zucken stach er beide Sporen in die von Schweiß triefenden Flanken des ermüdeten lieben Rosses. Hoch schnellte das Thier sich wieder über das Gras hinaus und ließ in fliegender Carriere abermals eine Meile hinter sich zurück; um so schneller aber sanken seine Kräfte, und um so mühsamer wurden seine Anstrengungen, sein Athmen. Der kürzeste Aufenthalt aber war sicherer, unvermeidlicher Tod; vorwärts, war die Losung, und abermals trieb Carl den Falben zu wilder Flucht an, und nochmals folgte das treue Thier der Aufforderung seines Reiters. Es sauste hinab in ein schmales Thal und hatte die nächste Höhe mit letzter Anstrengung erreicht, da stürzte es mit seinem Reiter zusammen und wandte seinen Kopf mit einem Blick nach ihm hin, als wolle es Abschied von ihm nehmen. Mit Entsetzen sprang Carl empor, und schlang seine Arme um den Hals des geliebten Thieres; wie konnte er ihm helfen -- wie konnte er sich selbst retten? [Illustration] Er sah zurück in die zum Himmel auflodernden, im Fluge heranziehenden Flammen, sah die schwarzen Thiergestalten im Sturmlauf näher kommen, und hörte den Donner, womit sie den Boden unter sich erdröhnen ließen. Hier durfte er nicht weilen; noch einen kurzen Abschied dem Falben, und mit der Büchse in der Hand rannte Carl über die Höhe davon. Er hatte aber kaum vierzig Schritte zurückgelegt, als er hinter einem niedrigen Gebüschstreifen in einer Vertiefung ein sumpfiges Wasser gewahrte, welches in kurzer Entfernung bei einem alten kolossalen Mosquitobaum seinen Anfang zu haben schien. Carl lief zu dem Baume hin, der hoch auf dem Ufer stand und sich über das Wasser neigte, welches tief unter seinen Wurzeln als klarer Quell hervorkam und nach dem Sumpfstreifen hinfloß. Der gütige Gott hatte ihn zu seiner Rettung hierhergeführt, das fühlte Carl mit dankerfülltem Herzen, und mit gläubiger Zuversicht auf seinen fernem Beistand warf er noch einen Blick in die Vertiefung unter den Wurzeln des Baumes, und rannte dann mit fliegenden Sprüngen zu seinem Pferde zurück. In wenigen Augenblicken hatte er die Gurte des Sattels gelöst, denselben von dem Pferde herabgezogen, den Strick, den dasselbe um den Hals trug, so wie den Zaum von ihm genommen, und trug Alles in Eile in die Aushöhlung, welche sich unter dem Baume in dem Ufer befand. Jetzt erinnerte er sich, daß Daniel ihm gesagt hatte, man müsse bei einem Prairiebrand selbst das Gras, wo es niedrig stehe, anzünden, um einen Platz zu gewinnen, wo dann das heranziehende Flammenmeer keine Nahrung mehr finden würde; da dachte er aber an seinen Falben, sollte er selbst dem treuen Thiere den Tod bereiten? Unmöglich, das konnte er nicht, und wenn er selbst ein Opfer des Feuers werden sollte. Er riß schnell seinen Hut vom Kopfe, füllte ihn an dem Quell, rannte damit zu dem erschöpften Pferde, und goß demselben das Wasser über den Kopf. Das erschreckte Thier raffte sich auf, stürzte wankend vorwärts und erreichte den Sumpf, in welchem es abermals zusammenbrach. »Gottlob!« rief Carl aus, als er das Wasser aus dem hohen schilfartigen frischen Grase über dem Thiere aufspritzen sah; denn möglicherweise blieb dasselbe dort von der schnell über ihm hinziehenden Gluth verschont. Da hörte er aber wieder den Donner der heranstürmenden Thiere, und sah schon im Geiste, wie dieselben seinen armen Liebling unter ihren Füßen zermalmen würden. Es stand aber nicht in seiner Macht, mehr für das Roß zu thun, und die unter ihm dröhnende Erde mahnte ihn, auf seine eigene Sicherheit bedacht zu sein. Er sprang nach dem Baume zurück und in die Vertiefung unter demselben in das Wasser hinein. Er legte sich darin nieder, so daß seine Kleidung ganz durchnäßt wurde, sein Gepäck und seine Waffen schob er unter den Wurzeln des Baumes tief in das Ufer hinein, indem er schnell mit dem Messer und mit den Händen die Höhle noch vergrößerte. Dann tauchte er die Jaguarhaut in den Quell, um sich damit zu überdecken, sobald das Feuer sich nahe; denn Daniel hatte ihm erzählt, daß sich die Indianer bei einem Prairiebrande wohl in eine frische Büffelhaut einwickelten, um sich gegen das Feuer zu schützen. Das Ufer war ziemlich hoch, das Gras an dessen Abhang und um das Wasser konnte nicht brennen, da es noch grün war, und die Büsche, die auf dem Ufer standen, gewährten gleichfalls noch Schutz. Auch vor den fliehenden Thierschaaren war er sicher, und seine ganze Besorgniß, seine Angst war nur noch dem lieben Falben zugewandt. Derselbe hatte sich aber wieder etwas erhoben und streckte seinen Kopf empor, als wolle er über das Ufer hin nach dem dumpfen Getöse spähen, welches schnell näher kam und von Minute zu Minute lauter und dröhnender mit dem Brausen des Orkans die Luft erfüllte. Jetzt verfinsterte sich die Luft, ein dichter schwarzer Aschenregen wehte über die sumpfige Vertiefung und raubte Carl jeden Blick in die Ferne, nur den Falben konnte er noch erkennen, weil der Sturm die Asche hoch über denselben hinauswehte. Zugleich meldete das Erzittern der Erde das Nahen der wilden fliehenden Thierschaaren an, und der Donner ihrer Tritte, die Schreckenstöne ihres Gebrülls, ihres Geheuls mischten sich mit den furchtbaren betäubenden Accorden des Sturmes. Carl erfaßte die im Wasser vor ihm liegende Jaguarhaut, hielt aber zusammengepreßten Herzens seinen Blick immer noch auf seinen Falben geheftet; da sprang derselbe, wie von neuem Entsetzen ergriffen, aus dem Schilf heraus, erreichte mit verzweifelten Sätzen das trockene Ufer, und stob in die Finsterniß hinaus, womit die fallende Asche die Ferne bedeckte. Plötzlich wurde es hell, die ganze Luft erglühte, statt der schwarzen Asche wehte dieselbe brennend als Feuerregen über die Prairie, und Himmel und Erde schienen in Flammen zu stehen. Der Baum, unter welchem Carl verborgen lag, erbebte bis in seine Wurzeln, das Ufer schien über ihm einbrechen zu wollen, das Getöse betäubte sein Gehör, und links und rechts stürzten sich Büffel, Bären, Rosse, Hirsche, Antilopen, Wölfe, Jaguare und Panther übereinander hin von der Höhe hinab in den Sumpf hinein. Im Augenblick war derselbe, so weit Carls Blick reichte, mit wilden Thieren ausgefüllt, auf welche andere vom Ufer hinabsprangen und sich ihren Weg über deren Körper zu bahnen suchten. Der Kampf derselben war ein furchtbarer, verzweifelter, aber ein kurzer; denn Kopf an Kopf und Rippe an Rippe drängten sich Tausende von nachfolgenden Thieren über die Streitenden hin, und die Bahn für den Sturmlauf der großen Massen, die jetzt erst vor den Flammen herangebraust kamen, war geebnet: Alles, was säumte, was stürzte, ward unter den Füßen zermalmt. Carl hatte beim ersten Erscheinen dieser furchtbaren Schaaren nach einem Revolver gegriffen, und hielt ihn fest in der Hand, die Thiere aber bemerkten ihn nicht, denn alle strebten weiter. Nur ein riesiger Panther wandte sich aus dem Getümmel der Höhle zu, um in ihr Schutz zu suchen. Er stutzte vor der gefleckten gelben Haut des Jaguars, welche Carl bis über die Brust heraufgezogen hatte, er erkannte in ihr den König dieser Wildniß und zögerte, zähnefletschend, sich ihm zu nahen. Carl hatte ihm aber den Revolver zwischen die glühenden Augen gerichtet und schoß ihm die Kugel durch den Schädel. Ohne Zucken sank das Raubthier vor Carls Füßen zusammen und der Krach des Schusses verhallte unbemerkt in dem Donnerdröhnen, womit die vorüberstürmenden Thierschaaren die Luft erfüllten. Unaufhaltsam und ununterbrochen zog Heerde auf Heerde in dicht gedrängten Reihen im buntesten Gemisch und in fliegendem Laufe zu Carls beiden Seiten vorüber, Freund und Feind nebeneinander, und hier und dort sah Carl eine Leopardenkatze, einen Lux auf dem zottigen Rücken eines kolossalen Büffels reiten. Endlich wurden die Reihen lichter und die erschöpften Nachzügler stürzten mit Aufwand ihrer letzten Kräfte vorüber, um bald von den Flammen eingeholt und von ihnen vernichtet zu werden. Der Feuerregen war mit den Thieren weiter gezogen, der Himmel aber hatte sich in ein blendendes Gluthmeer verwandelt und der Sturm trug jetzt eine sengende Glühhitze heran. Carl warf noch einen Blick an dem Ufer empor, er sah die Flammenspitzen hoch über sich in der Luft ausgestreckt züngeln, warf sich in die Höhlung zurück und zog die nasse Jaguarhaut über den Kopf. Es waren Augenblicke zwischen Leben und Tod, er hielt den Mund dicht an die Erde, dennoch schien ihn die glühende Luft ersticken zu wollen, seine Gedanken verwirrten sich, und er hörte nur noch ein stürmisches Sausen und Brausen in der Luft. Es waren aber nur Augenblicke der Qual und der Betäubung, denn plötzlich wehte es kalt, ja eisig in die Höhle hinein; Carl warf die Jaguarhaut von sich, und verschwunden war Feuer und Gluth. Es war wieder Tag, Carl sah den hohen grauen Himmel wieder über sich, und sah vor sich die schwarzen Rauchwolken über den aufwirbelnden Flammensäulen vor dem Orkane nach Westen hin über die weite Ebene jagen. Er sprang aus seinem Versteck hervor auf das Ufer hinauf und blickte dem dahineilenden Grasbrande nach. Ein Bild des Todes, der Erstarrung umgab ihn. So weit sein Auge reichte, lag die, noch vor wenigen Minuten im Sturme wogende Prairie, eine schwarze kahle Fläche, ausgebreitet, und wohin er schaute, traf sein Blick auf versengte und verbrannte schwarze Thiergestalten, deren viele noch mit dem Tode rangen. Carl fiel auf seine Kniee, faltete seine Hände und dankte, zum Himmel aufsehend, dem Allmächtigen für seine wunderbare Rettung. Dann stand er auf und blickte auf die Verwüstung um sich; wohin sollte er sich wenden, um die lebende Welt wiederzufinden? Thränen traten ihm in die Augen, denn er dachte an die Angst, an die Sorgen der Seinigen, und fühlte sich so verlassen, so hülflos. Was mochte auch wohl aus seinem Falben geworden sein -- derselbe war gewiß auch in den Flammen umgekommen! Hätte er ihn jetzt noch gehabt, dann wäre ihm nicht bange gewesen, der hätte ihn gewiß wieder nach dem Fort zurückgetragen. Carl schaute nach dem Platze, wo sein Pferd mit ihm zusammengestürzt war, und sah etwas weiter hin bei einem Mosquitobaum sich Etwas bewegen. Er ging näher und erkannte einen schwarzen Pferdekopf, der sich, wie es schien, aus einer Vertiefung erhob. Bald sah er das ganze Pferd, einen Rappen, der in einem steinigen trocknen Graben lag, wie sie häufig von schweren Gewitterregen in der Prairie erzeugt werden. Er trat nahe an das wilde Roß hinan, es war ein Rappenhengst von etwa vier Jahren, der aber Carl nicht zu bemerken schien und nur nach Luft schnappte. Er war aber nicht versengt, denn seine Mähnen hingen lang und glänzend an seinem Nacken, und über seine Stirn fielen lange Locken von seinem Kopf herab. Es war ein schönes Thier, nur sein Blick war nicht, wie er sein sollte, denn seine Augen waren mit Asche und Staub angefüllt. Die Vertiefung, in welcher das Roß lag, hatte dasselbe vor den schnell über ihn hineilenden Flammen geschützt; denn das Gras ward ja in wenigen Augenblicken von dem Feuer verzehrt, und der Sturm hatte dieses ja fliegend über die Erde hingetrieben. Carl sprang rasch nach seiner Höhle zurück, zog den Strick seines Falben hervor und eilte damit zu dem wilden Pferde. Er befestigte denselben um dessen Hals, und band dann das andere Ende fest an den nahestehenden Baum. Das Thier war so erschöpft, daß es sich Alles ruhig gefallen ließ, auch selbst, daß Carl mit ihm sprach und ihm Kopf und Hals mit der Hand klopfte. Nun ging er wieder nach seinem Versteck, um dem Thiere Wasser zu bringen. Da er aber in dem Hut nur zu wenig herbeitragen konnte, so nahm er die Jaguarhaut, faßte ihre vier Enden und die Seiten zusammen, versenkte sie in den Quell, und hob sie dann mit Wasser gefüllt empor. Nun trug er sie vorsichtig zu dem Pferde, und goß demselben das Wasser über den Kopf. Das Thier erschrack gewaltig und sprang auf die Füße, es war aber zu schwach, um das Ufer zu erklimmen. Carl wiederholte die Uebergießung noch einigemale, und zuletzt gelang es dem Pferde, aus der Vertiefung auf die versengte Erde bei dem Baume zu springen. Carl verkürzte nun den Strick, so daß das Thier den Graben nicht wieder erreichen konnte, und er sah zu seiner Freude, wie es sich nach und nach erholte. Daniel hatte ihm oft erzählt, daß man wilde Pferde leicht dadurch bändigen könne, wenn man ihnen mit dem Lasso den Hals für einige Augenblicke zuschnüre und ihnen dann die Schlinge wieder löse. Er holte schnell den Lasso, den er am Sattel trug, und legte dem Rappen die Schlinge um den Hals, damit er im Stande sein würde, ihn zu bändigen, wenn er mit der Rückkehr seiner Kräfte böse werden sollte. Noch aber war das Thier ganz geduldig und ließ Alles mit sich thun. Carl holte nun einen Hut voll Wasser und drückte ihn dem Pferde unter das Maul, so daß dasselbe in das Wasser kam. Das Thier schreckte mit dem Kopfe zurück, leckte aber doch seine Lippen ab, schnaubte laut aus den Nüstern und zeigte, daß ihm die Erfrischung wohlgethan habe. Sein Durst mußte schrecklich sein, denn als Carl sein Verfahren wiederholte und ihm abermals das Wasser unter das Maul hielt, trank es gierig den ganzen Hut leer. Carl brachte ihm so viel Wasser, bis es nicht mehr trinken wollte, und wusch ihm dann die Augen aus. Im Anfang erbebte das Pferd jedesmal, wenn der Knabe sich ihm nahte, bald aber sah es ihn nicht mehr so scheu an und ließ ihn, ohne zu erschrecken, bei sich kommen. Er holte nun von dem Ufer des Sumpfes frisches Gras und reichte es dem Thiere, dasselbe wollte aber noch kein Futter annehmen, worauf Carl das Gras an dem Baumstamme niederlegte. Er hatte nun wieder ein Pferd, ob er es aber zum Reiten würde benutzen können, das war noch die Frage; versuchen wollte er es jedoch jedenfalls. Jetzt mußte er aber auch an sich selbst denken, denn sein eigener Magen verlangte nach Speise. Wegen Nahrung brauchte er nun freilich nicht in Verlegenheit zu sein, denn es lagen ja Hunderte von getödteten Thieren ganz in seiner Nähe. Er ging nach dem Ufer des Sumpfes, der mit todten Körpern vollständig ausgefüllt war und fand an dem Rande desselben einen jungen Hirsch, den die fliehenden Heere niedergetreten hatten. Carl schnitt das zarteste Wildpret aus ihm heraus, zündete ein Feuer neben dem alten Mosquitobaume an, denn trockenes Holz lag in Menge unter demselben, und bereitete nun sein Mittagsessen. Das Quellwasser war herrlich und stillte seinen Durst. Er hatte aber auch an die nächste Zukunft zu denken, denn mehrere Tage mußte er jedenfalls hier verweilen, ehe er das Pferd würde reiten können. Zeigte sich die Sonne wieder, so stand zu erwarten, daß die vielen Thierkörper schnell in Verwesung übergehen würden, wo er dann deren Fleisch nicht mehr benutzen konnte, und auf diesem öden abgebrannten Lande durfte er wohl nicht hoffen, ein lebendes Thier erscheinen zu sehen. Er zerschnitt darum das Fleisch des Hirsches in sehr dünne Streifen und trocknete es über einem rauchenden Kohlenfeuer. Der Sturm hatte sehr nachgelassen, der Himmel hatte sich aber um so finsterer überwölkt und drohte mit Regen. Die Nacht brach herein, Carl reichte seinem Pferde nochmals Wasser, trug ihm dann einen Arm voll Gras hin und legte sich auf den versengten Erdboden bei dem Feuer nieder, nachdem er dieses mit einigen starken Stücken Holz versehen hatte. Obgleich seine Kleidung wieder getrocknet war und er das Feuer während der Nacht unterhielt, so fror ihn doch sehr, denn er besaß nichts, um sich darin einzuhüllen und konnte auch die Jaguarhaut nicht unter sich legen, weil dieselbe noch naß war. Er beschloß darum, am folgenden Morgen einem der Büffel, welche todt im Schilfe lagen, die Haut abzunehmen und sie für seinen Gebrauch, so gut er konnte, zuzubereiten, denn dies hatte er von Daniel gründlich gelernt. Als der Tag graute, erwachte Carl aus einem mehrstündigen festen Schlaf und richtete seinen ersten Blick nach dem Rappenhengst hin. Derselbe hatte sich schon erhoben und verzehrte das letzte Gras, welches Carl ihm am Abend vorher zugetragen hatte. Als aber dieser sich ihm nahete, sprang er entsetzt zurück, bäumte sich und riß mit aller Gewalt an dem Seil, womit er an dem Baume befestigt war. Carl suchte das Pferd mit guten Worten zur Ruhe zu sprechen, es schnaubte ihm aber gewaltig entgegen und stierte ihn scheu und geängstigt an, und als er ihm einen Hut voll Wasser holte, drängte es sich von ihm zurück und geberdete sich wild und unbändig. Jetzt ergriff Carl den langen Lasso, dessen Schlinge der Hengst um den Nacken trug und zog dieselbe zu. Das Roß bäumte und sträubte sich gegen die Gewalt, die ihm angethan wurde, aber der Athem ward ihm genommen und es stürzte, an allen Gliedern zitternd, zu Boden. Carl löste nun schnell die Schlinge, um das Pferd vor dem Ersticken zu bewahren, und suchte dasselbe durch Liebkosungen zu beruhigen; kaum aber athmete das Thier wieder, als es aufsprang und noch wilder, noch wüthender tobte. Carl jedoch zog abermals die Schlinge zu, wieder stürzte der Hengst zusammen, und diesmal ließ sein Bändiger ihn länger dulden und es dauerte geraume Zeit, ehe das Thier sich erholte, nachdem die Schlinge wieder geöffnet war. Es schien jetzt die Uebermacht seines Herrn anzuerkennen, denn es duldete nun, daß derselbe sich ihm näherte und ihm wie früher mit der Hand das glatte Haar strich. Sein Zittern und Beben zeigte aber, daß seine Angst sehr groß war, wenn es sich auch nicht mehr zu widersetzen wagte. Das Wasser, welches Carl ihm reichte, wollte es nicht trinken, doch es verzehrte das Gras, welches er ihm reichlich zutrug. Nachdem Carl nun selbst etwas gebratenes Fleisch und einen frischen Trunk aus dem Quell zu sich genommen hatte, begab er sich in das hohe grüne Schilf zu einem todten jungen Büffel, von welchem er sich die Haut aneignen wollte. Es lag ein alter Büffel und ein Pferd auf dem jungen Thiere, welche beide Carl nur mit großer Anstrengung zur Seite ziehen konnte, um zu jenem zu gelangen. Nach langer Arbeit aber setzte er es doch durch, und nahm dem Thiere die Haut ab. Sie war groß genug, um sich darin vom Kopf bis zu den Füßen einzuhüllen, und war doch nicht so unhandlich und schwer, wie die eines ausgewachsenen Büffels. Carl spaltete nun mit dem Beil, welches er am Sattel trug, mehreren der umherliegenden Thiere die Köpfe, nahm das Gehirn aus denselben und strich die ganze Haut damit an, worauf er sie zusammenfaltete und sie mit Steinen und Stücken Holz beschwerte, um sie am folgenden Tage zuzubereiten. Sein Pferd verzehrte heute alles Gras, welches er ihm reichte, verstand sich aber erst gegen Abend dazu, Wasser aus dem Hut zu trinken. Mit dem Neigen des Tages theilte sich das Gewölk, der blaue Himmel blickte hier und da hervor und die Sonne zeigte sich wieder. Sie warf im Scheiden ihre letzten Strahlen über die abgebrannte schwarze Fläche, und Carl sah verwundert nach ihr ihn, denn dort, wo sie versank, hatte er geglaubt, daß es Sonnenaufgang sein müsse. Er war demnach nach Westen geflohen, während er der festen Meinung gewesen, nach Osten dem Bärfluß zuzujagen. Es lagen nun drei bis vier Tagereisen zwischen ihm und seiner Heimath, und der Weg dorthin führte über eine öde Strecke, auf welcher kein Gras für sein Pferd mehr stand, und auf welcher es sehr ungewiß war, ob er für dasselbe und für sich Wasser antreffen werde, um den Durst zu stillen. Diesen Weg konnte er deßhalb nicht einschlagen, um das Fort zu erreichen; welche andere Richtung sollte er aber wählen? Er wußte, daß der rothe Fluß von Westen nach Osten strömte und daß er denselben in nördlicher Richtung treffen mußte; wie weit es aber zu dessen Ufern sei, das konnte er sich nicht beantworten. Das Feuer war von Südost gekommen und nach Nordwest gezogen, also nach dem rothen Flusse hin, darum hielt es Carl für das Rathsamste, seinen Weg nach Südwesten zu verfolgen, in der Hoffnung, dort am ersten auf Land zu stoßen, welches vom Feuer verschont geblieben war. Jedenfalls mußte er noch einige Tage hier verweilen, bis er das Pferd so weit gezähmt hatte, daß er es reiten konnte. Er legte ihm schon am folgenden Tage den Sattel einmal auf, legte ihm den Zaum an, und hing sich mit den Armen wiederholt auf seinen Rücken, welches das Thier zitternd und bebend duldete, theils, weil es noch sehr entkräftet war, theils aber auch, weil es die Schlinge noch immer an das Erdrosseln erinnerte. Außerdem aber schien es auch die Hülfe und die Wohlthaten seines Herrn anzuerkennen, und sich immer weniger vor ihm zu fürchten. Carl bereitete heute auch die Büffelhaut, wobei er sich mehrerer schweren Steine als Werkzeuge bediente, und wobei ihm der warme Sonnenschein sehr zu Hülfe kam. Während Carl nun mit den Vorbereitungen zu seiner Weiterreise beschäftigt war, herrschte in dem Fort der größte Jammer über das schreckliche Schicksal, das ihn aller Vermuthung nach erreicht haben mußte. Daniel war an jenem Abend, als er Carl suchte und den Bären gefunden hatte, bei diesem während der Nacht liegen geblieben, und hatte am folgenden Morgen viele Meilen weit mit der größten Mühe die Fußtritte seines jungen Freundes und die des Falben verfolgt, bis dieselben seinen Blicken unbemerklich wurden und er nur noch auf gut Glück weiter ritt und nach einem Zeichen von Carl spähete. Plötzlich aber sah er die schwarzen Rauchwolken von Süden her aufsteigen und mehr und mehr nach Westen hinziehen. Der Gedanke, daß Carl in das Feuer gerathen sein könne, war ihm entsetzlich, und als er Nachmittags zufällig wieder die Spur des Falben erkannte, die nach Westen zeigte, da trieb ihn die Verzweiflung vorwärts. Er stieg vom Pferde ab, um die Fährte leichter verfolgen zu können, und gelangte dann auch wirklich auf ihr in die abgebrannte Prairie hinaus, wo er bald an den Huftritten des Falben erkannte, daß derselbe im Sturmlauf dahingeeilt war. Nicht lange aber konnte er ihnen folgen, weil die fliehenden Thierschaaren sie ausgetreten hatten. Alle Hoffnung für die Rettung Carls war jetzt in der treuen Seele des Negers erstorben, denn nur zu gut wußte er es, daß derselbe dem, vom Sturm gejagten Feuer nicht hatte entfliehen können. Mit blutendem Herzen schaute er lange Zeit über die endlose schwarze Fläche vor sich, und wandte sich dann unter Thränen zurück nach dem Eichenwald, wo er ohne Speise und ohne Trank die Nacht verbrachte. Als er aber am folgenden Tage ohne Carl nach dem Fort zurückkehrte, da brachen Turners sämmtlich in lautes Wehklagen aus, und Alle weinten und rangen die Hände über den Verlust des braven Knaben, der sich für ihr Wohl, für ihr Glück geopfert hatte. Der Bericht des Negers stellte es außer allen Zweifel, daß Carl in den Flammen des brennenden Grases seinen Tod gefunden habe, nachdem er aus dem Kampfe mit dem Bären siegreich hervorgegangen war. Auch in den Ansiedelungen an dem Choctawbache erregte die Kunde von Carls Schicksal großes Bedauern, namentlich bei Warwick; denn der alte Herr hatte in dem Knaben immer eine Hauptstütze der Niederlassung am Bärfluß erkannt. Es war nun eine Woche verstrichen, seit Carl dem Flammentode entgangen war, und von Tag zu Tag hatte das gefangene wilde Pferd sich zutraulicher und williger gegen ihn gezeigt. Er hatte ihm jeden Morgen Sattel und Zaum aufgelegt, und das Thier erlaubte ihm nun schon, seinen Rücken zu besteigen, welches er recht häufig that und es dabei am Zügel hin- und herlenkte, ohne jedoch den Strick vom Baume zu lösen. Die in Verwesung übergehenden, umherliegenden todten Thiere mahnten ihn jetzt aber dringend, diesen Ort zu verlassen, und er beschloß eines Morgens nach dem Frühstück, einen Proberitt auf seinem Rappen zu machen. Er löste den Strick von dem Baume, stieg in den Sattel und lenkte das Pferd in weitem Kreise um den Sumpf über die kahle Fläche, und zu seiner großen Freude folgte das Thier geduldig dem Zügel, wenn es auch nur langsam mit seinem Reiter dahinschritt. Es war noch immer sehr matt, denn wenn Carl ihm auch hinreichend Gras zugetragen hatte, so konnte es sich doch nicht so davon erholen, als wenn es sich selbst die Nahrung gesucht hätte. Nachdem Carl wohl eine Stunde lang so umhergeritten war, lenkte er das Pferd nach dem Quell, damit es sich an dem frischen Trank erquicken möge, und dann ritt er an den Sumpfrand in das beste Gras, und ließ das Thier dort weiden. Er verbrachte beinahe den ganzen Tag in dieser Weise mit der Pflege seines Rosses, welches sich denn auch zum ersten Male seit seiner Gefangennehmung wirklich nach Herzenslust sättigte und sich dann geduldig wieder an den Baum befestigen ließ. Abschnitt 7. Ritt durch die Wildniß. -- Wasser. -- Die Antilopen. -- Die Grenze des Prairiebrandes. -- Die Klapperschlangen. -- Der Delawaren-Häuptling. -- Das Lager der Indianer. -- Der schwarze Panther. -- Rückkehr in das Fort. -- Indianerfreundschaft. -- Der Frühling. -- Die Bestürmung. -- Letztes Mittel. -- Die nahende Rache. Am folgenden Morgen hatte Carl nun schon frühzeitig den Hengst gesattelt, hatte die Büffelhaut zusammengerollt und hinter den Sattel gebunden und das getrocknete Fleisch an demselben befestigt. Nachdem er selbst, so wie sein Pferd sich noch einmal an dem Quell gelabt hatten, bestieg er dasselbe und ritt in den Strahlen der aufsteigenden Sonne nach Südwesten davon. Die Hoffnung, die Seinigen bald wieder zu sehen, trieb ihn vorwärts, und der Gedanke, durch sein Erscheinen ihren Kummer, ihren Gram zu heilen, beseligte sein junges hochschlagendes Herz. Er trieb den Rappen zur Eile an, und ließ ihn häufig lange Strecken traben, nach Verlauf von einigen Stunden aber fand er schon aus, daß dessen Kräfte zu einem tüchtigen Ritt, wie er ihn auf dem Falben oft gemacht hatte, nicht ausreichten. Er mußte darum seiner Sehnsucht nach den Seinigen Zwang anthun und sich mit einem raschen Schritt des Thieres zufrieden stellen, wobei ihn die Ueberzeugung tröstete, daß nur die große Ermattung desselben ihn überhaupt in den Stand gesetzt habe, es seinem Willen so weit unterthänig zu machen. Die weite Fläche, über welche er seinen Weg richtete, gewährte einen schauerlichen trostlosen Anblick; wie in einem schwarzen Trauerkleide lag sie, wellenförmig auf- und niedersteigend um ihn ausgebreitet, nirgends war ein grüner Halm, ein grüner Baum zu sehen, hier und dort bezeichnete eine dünne aufsteigende Rauchsäule den trocknen Stamm einer abgestorbenen Mimose, welche Feuer gefangen hatte und nun so lange glühte und kohlte, bis selbst die Wurzeln in der Erde verbrannt waren, und in allen Richtungen sah man Schwärme von Geiern über todten Thieren schweben, die den Flammen des Prairiebrandes zum Opfer geworden waren. Links und rechts ritt Carl an gefallenen Büffeln, Bären, Hirschen und Antilopen vorüber, manch schönes Pferd sah er verendet liegen, und der todten Wölfe waren es unzählige, deren versengte Körper wie schwarze Steine über dem verbrannten Boden emporragten. Vergebens spähete Carl unaufhörlich und sehnsüchtig in die Ferne, ob er nicht den freundlichen grünen Schein lebender Vegetation erkennen könne; das finstere Bild blieb unverändert. Die Sonne überschritt ihren Höhepunkt und neigte sich dem westlichen Horizont zu, und noch hatte Carl seinem Pferde nicht einen Augenblick Rast gegeben, immer noch hielt er an dem Glauben fest, er müsse einen grünen Punkt in der schwarzen Ferne entdecken. Der Rappe war sehr erschöpft, und sein Reiter mußte ihn mit den Sporen antreiben, sollte er nicht stille stehen. Endlich aber half auch dieses Mittel nicht mehr, und Carl stieg ab, um dem Thiere die Last zu erleichtern. Er ging nun zu Fuße und zog sein Pferd an dem Zügel hinter sich her, denn die Hoffnung konnte er nicht aufgeben, Wasser zu finden. Die Sonne hatte den flachen dunklen Rand der Prairie erreicht und versank hinter demselben wie ein glühender Feuerball, während der Himmel über ihr sich blutroth färbte, und sein feuriger Wiederschein über die schwarze Steppe zitterte. Jetzt weigerte sich der Rappe, noch einen Schritt weiter zu gehen, und Carl sah es ein, daß es nicht böser Wille des Thieres, sondern vollständige Entkräftung war, die dasselbe an die Stelle fesselte. Er zog es mit Gewalt bis zu einem Mosquitobaume, befestigte es an dessen Stamm und nahm ihm seine Bürde ab. Wie gern hätte er ihm Gras weit hergeholt und ihm Wasser in seinem Hut zugetragen, aber wo sollte er es hernehmen? Ihn selbst peinigte der Durst, und doch würde er ihn gern ertragen haben, hätte er dem erschöpften Thiere nur helfen können. Dasselbe legte sich bald nieder, und Carl streckte sich, ohne ein Abendbrod genossen zu haben, neben ihm auf seiner Jaguarhaut aus, und deckte sich mit dem Büffelfell zu; denn das getrocknete Hirschfleisch hätte er nicht verzehren können, ohne erst seinen Mund mit einem Trunk Wasser zu erfrischen. Die Nacht breitete sich schnell über die Einöde aus, weder nah noch fern verrieth ein Laut die Gegenwart eines lebenden Wesens, und selbst die Lüfte schienen zur Ruhe gegangen zu sein, denn nicht der leiseste Hauch bewegte die reichen Locken Carls, der mit dem Kopf auf den Sattel zurückgesunken war und den Sternen sein Leid klagte, die so heiter blitzten und so freundlich auf ihn niederfunkelten. Ein bleicher Lichtstreifen am östlichen Himmel zeigte sich über dem Rande der Steppe und verkündete den nahenden Tag, als Carl aus süßen wonnigen Träumen, wie sie nur die frische Jugend spendet, erwachte, und sich verwundert umschaute; denn er konnte im ersten Augenblick sich nicht besinnen, wo er eigentlich war. Die schwarze schwere Masse seines Rappen, den er neben sich durch die Dunkelheit erkannte, rief ihm seine Lage schnell ins Gedächtniß zurück, und er schaute nun besorgt und mitleidig auf das entkräftete Thier und rührte sich auf seinem Lager nicht, um seinen armen Leidensgefährten nicht in seiner Ruhe zu stören. Er lenkte aber seinen Blick zu den hellen Sternen über sich, faltete seine Hände und bat den Allmächtigen, ihm seinen fernern gnadenreichen Beistand zu verleihen. Carls Vertrauen auf Gottes Schutz und Hülfe war von seiner frühesten Kindheit an unbedingt und unerschütterlich gewesen, und der augenscheinliche wunderbare Beistand des Höchsten in den vielen großen Gefahren, in welchen der Knabe sich trotz seiner Jugend schon befunden hatte, war an ihm nicht unbeachtet vorübergegangen, er hatte das Vertrauen nur tiefer in seinem dankbaren Herzen befestigt. Auch jetzt schaute er mit Zuversicht und unverzagt in die nächste Zukunft, und sagte sich, daß die Hand, die ihn schützend hierhergeleitet hatte, ihn auch ferner nicht verlassen würde. Der Morgen zitterte über die Erde und der Tag warf bald sein helles, heiteres Licht auf die öde, ausgestorbene Wüste. Es that Carl leid, den Rappen in seiner Ruhe stören zu müssen, er wollte aber in der Kühle des Morgens den besten Ritt machen, und lieber in der Mittagshitze rasten. Der Hengst sprang rasch empor und schaute ganz erfrischt und munter um sich, ja, er widersetzte sich sogar ein wenig, als sein Herr ihm Sattel und Zeug auflegen wollte. Dies Zeichen von Stärkung war Carl jedoch sehr willkommen, und er wandte nur Güte an, um das Thier zur Weiterreise fertig zu machen. Dann schwang er sich auf dessen Rücken, und hatte seinen großen Spaß darüber, als der Hengst in Galopp fiel und mit ihm davonrennen wollte. Bald aber wurden Carl die Anstrengungen des Rappen doch zu bedenklich, und er faßte die Zügel mit beiden Händen, um ihn in seiner Gewalt zu behalten. Das Thier aber war kaum zu bändigen, hob die Nase immer hoch gegen den frischen Wind und drängte sich gewaltsam rechts aus der Richtung, in welcher sein Reiter es zu halten suchte. Diese auffallende Veränderung in dem Benehmen des Pferdes, und namentlich das hartnäckige Bestreben, etwas weiter nördlich zu gehen, fiel Carl auf, und er ließ ihm mehr Freiheit. Kaum fühlte das Roß aber die lockern Zügel, als es mit seinem Reiter dahin sauste, wie wenn es nie ermüdet gewesen wäre, so daß Carl seine Last hatte, nur einigermaßen noch die Herrschaft zu behaupten. Der Lauf des Hengstes wurde immer wilder, immer flüchtiger und unbändiger, und sein Reiter konnte Nichts mehr thun, als sich nur im Sattel zu erhalten. In wenigen Minuten waren einige Meilen zurückgelegt, da erblickte Carl in der Ferne vor sich einen hellgrünen Streif, und nach ein paar Minuten später erkannte er deutlich zwei Pappeln, das sicherste Zeichen, daß Wasser sich in der Nähe befinde. Jetzt ward es ihm klar, weshalb das Thier so gewaltig nach dieser Richtung gestrebt hatte, denn der Wind wehte gerade von den Pappeln her, und das Pferd hatte das Wasser schon auf Meilen weit gewittert. In sehr kurzer Zeit waren die Pappeln erreicht, welche an dem Ufer eines klaren, nach Nordost fließenden Baches standen. Noch ehe aber das Roß an das Ufer kam, hielt Carl es mit Gewalt an, sprang aus dem Sattel, nahm diesen von dem Rücken des Pferdes, und leitete dasselbe dann an dem Zügel nach dem Wasser, weil er voraussetzte, daß das Thier sich in den Bach hineinlegen würde. Dies geschah nun auch sofort, der Hengst warf sich in dem Bache nieder und wälzte sich von einer Seite zur andern; dann sprang er auf, schüttelte sich, stillte seinen Durst und wandte sich darauf nach dem frischen saftigen Grase an dem Ufer. Carl befestigte ihn mit dem Strick an eine der Pappeln, so daß er beide Ufer erreichen und darauf weiden konnte, und nachdem er nun selbst seinen großen Durst gelöscht hatte, ließ er sich in dem Grase nieder und verzehrte einige Stücke des getrockneten Fleisches. Erquickt und gestärkt ruhte er mit dem Rücken an einem der Bäume, und sah während einiger Stunden mit Freude seinem Rappen zu, wie derselbe zwischen dem hohen, vom Feuer verwelkten schilfartigen Grase die zarten frischen Halme und Kräuter verzehrte, und sich daran labte. Endlich hatte sich das Thier gesättigt und die Ruhe schien ihm jetzt das Nothwendigste zu sein, denn es ließ sich im Grase nieder und streckte die Glieder darin aus. Auch Carl fühlte sich schläfrig und die Augen waren ihm zugefallen. Nach einer Weile aber schlug er sie wieder auf und ließ seinen Blick über die weite öde Fläche wandern, als wolle er sich überzeugen, daß er sich unbesorgt einem festen Schlafe hingeben könne. Da traf sein Auge in der Ferne auf einen hellen Fleck, den er früher nicht bemerkt hatte. Er zog sein Fernglas hervor, und erkannte durch dasselbe einige zwanzig Antilopen, welche über die schwarze Ebene wanderten und wahrscheinlich, wie sein Rappe es gethan hatte, das Wasser aufsuchten. Ihre Richtung war aber weiter nach dem Bache hinauf, wo kein Busch, kein hohes Gras ein Annähern an dieselben möglich machte, und da Carl die große Neugierde dieser Thiere kannte, so hieb er schnell einen langen Stock von der Pappel, spitzte ihn unten zu, band sein Taschentuch an das obere Ende, und pflanzte diese Fahne einige fünfzig Schritt am Bache hinauf in dessen erhöhtes Ufer. Nun legte er sich hinter die Pappel und beobachtete die Antilopen durch sein Fernglas. Sie kamen unbekümmert und unaufmerksam immer näher, bis sie plötzlich stillstanden und sämmtlich die Köpfe emporrichteten. Sie blickten verwundert und neugierig nach der im Winde wehenden Fahne. Ein altes Thier setzte sich jetzt in Bewegung und schritt dem Rudel voran der Fahne zu, während die anderen sich zusammendrückten und der Alten folgten. Carl hielt immer noch das Glas auf sie gerichtet, bis sie sich in Trab setzten, dann griff er schnell nach der Büchse, hob sich hinter dem Baum auf ein Knie und machte sich zum Schusse bereit. Jetzt kamen die Antilopen im Galopp nach der Fahne herangesprungen, und als sie dieselbe bis auf fünfzig Schritte erreicht hatten, wandten sie sich im Kreis um sie und jagten direct auf die Pappeln zu. Da hob der Rappe seinen Kopf aus dem Grase empor, und die Antilopen sprangen erschrocken zur Seite. Carl aber hatte seine Büchse schon fest auf einen jungen Bock gerichtet und gab Feuer. Das Thier überschlug sich, und bemühte sich vergebens, wieder aufzuspringen, um seinen Gefährten zu folgen; es konnte nicht weiter, die Kugel war ihm am Herzen durchgegangen. Mit raschen Sprüngen hatte Carl den Bock erreicht und ihm den Todesstoß gegeben. Er schnitt schnell das beste Fleisch von ihm ab, um für einige Tage frisches Wildpret zu haben, und zündete darauf ein Feuer bei den Pappeln an, über welchem er sich ein Mittagsmahl aus den feistesten Stücken bereitete. Es schmeckte ihm ganz vortrefflich, er labte sich nochmals durch einen frischen Trunk, und dann streckte er sich im Grase aus, um sich vollends für die Weiterreise zu stärken. Die Sonne begann sich schon zu neigen, als er erfrischt erwachte und seinen Rappen zum Aufstehen ermunterte. Derselbe schien auch neues Leben bekommen zu haben, und Carl hatte ziemlich viel Mühe, um ihn zu satteln. Endlich aber saß er wieder auf dem Rücken des Hengstes, und ließ ihn nun tüchtig austraben, indem er dem Bache hinauf folgte, da derselbe aus Südwest hergeflossen kam. Er beabsichtigte nämlich, so weit in dieser Richtung vorzudringen, wo das Feuer nicht mehr gewüthet hatte, und dann seinen Weg nach Osten einzuschlagen, wo er jedenfalls auf Ansiedelungen stoßen mußte. An diesem Wasser war sein Pferd vor Hunger und Durst gesichert, und es stand zu erwarten, daß er auch an seinen Ufern Wildpret antreffen werde. Er ritt noch spät in die Nacht hinein, schlief abermals an dem Rande des Baches, und folgte demselben während des ganzen nächsten Tages. Mit Sonnenuntergang erreichte er auf einer Höhe, wo wenige entlaubte Eichen standen, die Quellen des Baches, und schlug hier sein Nachtlager auf. Am folgenden Morgen glückte es Carl wieder, einen feisten Hirsch zu erlegen, wodurch sein Vorrath an frischem Fleisch ersetzt wurde. Das Wasser war hier nun zu Ende, und der Knabe würde abermals mit Zweifeln über seine nächste Zukunft sein Pferd bestiegen haben, hätte er nicht von hier aus in der Ferne vor sich die blauen Umrisse eines über dem Prairierand aufsteigenden Waldes erkannt. Mit neuer Hoffnung, in jenem Walde endlich die Grenze der Verwüstung, die das Feuer angerichtet hatte, zu finden, verließ er die Quellen, und gab seinem Hengst die Zügel, damit er ihn schnellmöglichst aus dieser Einöde tragen möge. Der Rappe hatte sich sehr erholt, und begann durch seinen Uebermuth seinem Reiter oft viel zu schaffen zu machen, dieser aber kannte ein sehr gutes Mittel, um ihn zu bändigen: er ließ ihn nach Herzenslust laufen, und wenn er dann, etwas ermüdet, langsam gehen wollte, dann trieb er ihn mit den Sporen zum Galopp an, bis ihm der weiße Schaum auf den schwarzen Flanken stand. Nach einigen Stunden flüchtigen Rittes näherte sich Carl dem Walde, dessen grüner Schein von immergrünen Baum- und Straucharten zeugte, die sich in demselben befanden. Carls Hoffnung, hier die Grenze der Feuerverwüstung zu finden, wuchs mit jedem Schritte des Rappen, und sie wurde zur Wahrheit, als er um die Mittagszeit das Holz erreichte. Der Brand war bis an dessen Saum gedrungen, und war an ihm hin nach Nordwesten gezogen. Der Wald war ziemlich licht, nur einzeln zeigte sich hier und dort eine Dickung von immergrünen Lorbeer- und Myrthenarten in demselben, aber allenthalben unter den einzelnstehenden Bäumen befand sich frisches junges Gras, in welchem das Feuer keine Nahrung gefunden hatte. Carl verfolgte seine Richtung durch den Wald, in der Hoffnung, Wasser zu finden, welches er um so sicherer glaubte, weil sich nach allen Seiten hin ungeheure Felsstücke aus dem Boden erhoben. Schon nach Verlauf einer halben Stunde gelangte er an die westliche Seite des Holzes, wo dasselbe sich an eine hügelige Prairie anlehnte, die, so weit das Auge reichte, mit frischem jungen Grase bedeckt war. Dieses Land mußte vor einigen Monaten von Indianern abgebrannt sein, wie denn überhaupt alle Prairiebrände durch die Wilden erzeugt werden. Wenn ein Indianerstamm eine Zeitlang an einem Orte verweilt hat und das Wildpret spärlicher wird, so zieht er weiter und benutzt den Augenblick, wo der Wind von daher weht, wohin er reisen will, um das Gras anzuzünden, damit er, wenn er nach einigen Monaten in diese Gegend zurückkehrt, hier frische Weide und Reichthum an Wild vorfindet. An dem Saume des Waldes traf Carl denn auch auf ein herrliches klares Wasser, welches von einer felsigen Höhe zu seiner linken Seite herabkam. Er beschloß, hier zu rasten, sich und sein Pferd auszuruhen, und dann der Grenze der Feuerverwüstung bis zu deren Anfang nach Südost zu folgen. -- Die Felsen erhoben sich in dem Walde in kurzer Entfernung von Carl, und er lenkte sein Pferd nach ihnen hin, indem er an dem rauschenden Wasser hinaufritt. Je näher er den hoch übereinander aufgethürmten Steinmassen kam, um so mehr einzelne mächtige Felsblöcke lagen zwischen den Bäumen umher, so daß er endlich sein Roß in das Wasser selbst leiten mußte, um nach dessen Quellen gelangen zu können. Ohne große Schwierigkeiten erreichte er den Fuß der hohen Felsenpartie, wo das Wasser aus einer tiefen Spalte in dem grauen Gestein lustig hervorsprudelte und durch einen kleinen Grasplatz rieselte, der ihm sein frisches üppiges Grün verdankte. Dies war ein herrlicher Weideplatz für den Rappen, so wie ein recht heimliches Versteck für ihn und seinen Reiter, deßhalb sah sich Carl nach einem passenden Ort um, wo er sein Lager aufschlagen wollte. Er war nur eine kurze Strecke an den steil aufstrebenden Felsen zwischen uralten immergrünen Eichen und umherliegendem Gestein hingeschritten, als er hinter einem dichten Lorbeergebüsch eine tiefe Spalte in der Felswand bemerkte, die sich nach unten sehr erweiterte und eine geräumige Höhle zu bilden schien. Als er seinen Rappen zu deren Eingang führte, fand er, daß sie weit in den Berg hineinführte und geräumig genug war, ihn und sein Pferd in sich aufzunehmen. Einen passenderen Platz für seine Rast hätte er sich gar nicht wünschen können; nur wollte er vorsichtig das Innere der Höhle untersuchen, ob auch kein Raubthier darin verborgen sei, denn es war ja die Schlafzeit der Bären. Er führte den Rappen von dem Eingange hinweg, befestigte ihn an einem Baum, und schritt dann mit der Büchse in der Hand in die Höhle hinein. Kaum aber war er eingetreten, als ein betäubendes Geklapper darin erschallte und Carl schnell wieder in den Eingang zurücksprang; denn er erkannte das warnende Zeichen der Klapperschlange, welches sie mit der Klapper an dem Ende ihres Schwanzes einem jeden Nahenden giebt, und er glaubte, daß wenigstens hundert dieser Thiere sich in der Höhle befinden müßten, um ein solches Getöse hervorzubringen. Er hatte aber in der Nähe des Forts schon so unzählig viele dieser Schlangen todtgeschlagen und wußte, daß sie einem Menschen in keiner Weise gefährlich werden können, wenn ihm nur ihre Gegenwart bekannt ist, da sie nur aus Nothwehr beißen und immer ängstlich vor dem Menschen fliehen. Carl bewaffnete sich daher mit einem tüchtigen langen Stock, und ging dann in die Höhle zurück. Die Schlangen hatten sich sämmtlich in das hinterste Ende derselben geflüchtet und sich zwischen losem Gestein verkrochen, das Tageslicht fiel aber von der Höhe der Felsspalte hinreichend auf sie herab, so daß Carl sie erkennen konnte. Als er sich ihnen nun näherte, hoben sie die Köpfe hoch empor und klapperten durch die schnelle zitternde Bewegung ihres Schwanzes; jeder Hieb des Knaben aber, den er nach einem der Köpfe führte, tödtete eine Schlange. Es waren deren, große und kleine zusammen, einige Dutzende; Carl warf sie mit dem Stock zur Höhle hinaus und untersuchte in derselben Alles genau, ob sich keines dieser widrigen Thiere noch irgendwo versteckt halte, er hatte sie aber sämmtlich getödtet. Nun befreite er sein Roß von Sattel und Zeug, trug Alles in die Höhle hinein, und band dann den Rappen auf dem nahen Grasplatz in die Weide. Er hatte einige köstliche Stücke Hirschfleisch mit hierhergebracht, welche er jetzt für seine Mahlzeit zubereitete, und zwar innerhalb der Höhle, wo er ein Feuer anzündete. Der Rauch desselben zog durch die hohe Spalte, wie durch einen Schornstein ab, und verschwand in den dichtbelaubten Kronen der Lebenseichen, die ihre ungeheuern Aeste rings um den Felsen ausbreiteten, so daß eine aufsteigende Rauchsäule Carls Gegenwart nicht an Wilde verrathen konnte, im Falle sich deren in der Umgegend aufhalten sollten. Von dem Eingange der Höhle aus konnte er nicht allein sein Pferd beobachten, sondern auch, wie von einer Festung herab, weithin durch den Wald blicken, und hielt während des ganzen Tages scharfe Wacht. Mit Ausnahme von einigen Rudeln Hirschen, die flüchtig vorüberzogen, gewahrte er aber weder Thiere, noch Indianer, und er wunderte sich, hier nicht einen größern Reichthum von Wildpret zu finden, da im Walde sowohl, als auch auf der nahen Prairie das Gras jung und üppig stand, und im Osten das Land auf so ungeheure Entfernungen kahl gebrannt war. [Illustration] Als die Sonne sich neigte und der Rappe nicht mehr weiden wollte, sondern sich in dem Grase zum Ruhen niederlegte, führte ihn Carl in die Höhle und befestigte ihn dort an einem starken Holzpflock, den er mit dem Beile zurechtgehauen und in eine enge Spalte zwischen dem Gestein eingeschlagen hatte. Dann stellte er einige dicht belaubte Büsche vor die Höhle, damit der Eingang einem unberufenen fremden Auge verborgen bleiben möge, und nahm seine Waffen, um in der Nähe zu versuchen, ob er ein Stück Wild erlegen könne. Nochmals durchblickte er von der Höhe herab den Wald, und ging dann vorsichtig zwischen den Felsstücken hin, indem er fortwährend mit wachsamem Auge um sich spähete. Er traf nur wenig Wild an, und die einzelnen Hirsche und Antilopen, die er zu Gesicht bekam, waren außerordentlich scheu und flohen schon auf weite Entfernungen, wenn er sich ihnen nahen wollte. Er hatte in der Umgebung des Forts, wo er und Daniel doch so oft jagten, niemals das Wild so scheu gesehen, und erklärte sich dessen Wildheit hier durch den stattgehabten Prairiebrand, welcher die Thiere so in Flucht gesetzt haben mußte. Es war schon sehr düster geworden, als Carl an dem Wasser hinauf nach seiner Höhle zurückging, ohne daß es ihm gelungen war, eine Jagdbeute zu machen, und er erstieg die felsige Höhe im letzten Scheine des scheidenden Tageslichtes, da kam es ihm vor, als ob er in der Ferne einen Schuß gehört habe. Er blieb stehen und lauschte lange Zeit, es war aber Alles still, und er suchte sich zu überreden, daß er sich verhört habe, denn der Schuß konnte nur von einem Indianer herrühren, und die Gegenwart von Wilden, welche in dieser Gegend jagten, konnte auch die Ursache von dem scheuen Benehmen der Thiere sein. Er beruhigte sich aber, als er durch die Büsche in die Höhle trat, denn in diesem Versteck war er zu gut verborgen, als daß ihn ein Indianer hätte auffinden können, und lange wollte er ja auch nicht hier verweilen. Wenn er hier nur einen Hirsch erlegte und dessen Fleisch trocknete, so hoffte er mit diesem Mundvorrath seine Rückreise nach dem Fort ausführen zu können, im Fall ihm die Jagd unterwegs keine neue Beute liefern sollte. Zu diesem Zweck wollte er am folgenden Morgen sein Jagdglück noch einmal versuchen. Seinen Rappen fand Carl, wohlbehalten der Ruhe pflegend, auf dem Boden ausgestreckt, und das Thier hob nur zutraulich den Kopf empor, um seinen Herrn zu begrüßen. Carl klopfte ihm schmeichelnd den Hals, legte dann seine Waffen ab und zündete ein Feuer an, um sein Abendbrot zu bereiten. Sobald dieses aber geschehen war, löschte er das Feuer wieder aus, damit der helle Schein in der obern Felsspalte seine Gegenwart nicht etwa verrathen möge. Er hätte es gern während der Nacht unterhalten, denn es wurde sehr kühl und der Wind blies in die Höhle herein, seine Vorsicht aber untersagte es ihm, deßhalb hüllte er sich dicht in seine Büffelhaut und empfahl sich Gottes Schutz, während ihm die Müdigkeit die Augen zudrückte. Der Morgen graute, als Carl aus einem ruhigen erquickenden ungestörten Schlafe erwachte und schnell emporsprang, damit er die Dämmerung noch zu der beabsichtigten Jagd benutzen könne. Mit der Büffelhaut um die Schultern und der Büchse in der Hand, trat er aus der Höhle auf einen der vorspringenden Felsen und durchspähete und überlauschte die nahe Umgebung, dann erfrischte er sich schnell bei dem sprudelnden Wasser, trug die Büffelhaut in sein Versteck zurück, und trat nun seine Wanderung in den Wald hinab an, von Stein zu Stein, lauschte auf jedes, auch das leiseste Geräusch, und achtete auf jede Bewegung, die ein leichter Luftzug in dem schwer bethauten Laub und in den üppigen Pflanzen um ihn her erzeugte. Wohl eine halbe Stunde lang war er in dem Walde hin- und hergeschlichen, ohne auch nur ein Stück Wild zu Gesicht zu bekommen, da warf die Sonne ihren ersten Blick durch die immergrünen Bäume, und in dem goldigen Lichte, welches auf eine frische grüne Grasfläche unter hohen Lebenseichen fiel, erkannte Carl die glänzend rothe Farbe eines sich äsenden Hirsches. Er schlich sich leichten Fußes schnell von Eiche zu Eiche, und hatte sich dem Thiere bis auf hundert Schritte genähert, als dieses plötzlich zusammenfuhr und mit weiten Sätzen davon sprang. Carl aber folgte ihm mit dem Rohre seiner Büchse, und es hatte nur wenige Sprünge gethan, als der Schuß des Knaben den Wald durchhallte und der Hirsch, tödtlich getroffen, zusammenstürzte. Freudig sprang Carl zu ihm hin, warf sich über ihn her, damit er ihm nicht entgehe, und gab ihm mit dem Jagdmesser den Todesstoß. Die Büchse hatte er neben sich in das Gras gelegt und knickte bei dem Hirsch, um ihn auszuweiden, da sagte eine Stimme ganz in seiner Nähe: »Ei, ei, noch so jung und doch schon ein so guter Jäger?« Carl fuhr erschrocken empor, indem er zugleich seine Büchse ergriff, und blickte sich nach dem Sprecher um; da trat in kurzer Entfernung von ihm ein großer schöner Mann hinter einer Eiche hervor und winkte ihm freundlich zu, indem er sagte: »Brauchst nicht zu dem Gewehre zu greifen, Du hübscher Knabe, denn wenn ich Dir hätte etwas zu Leide thun wollen, so würde ich Dich nicht angeredet haben. Du warst ja in meiner Gewalt und auch ich weiß die Büchse zu handhaben; aber Dein Schuß nach diesem Hirsch war ein Meisterschuß, und es jagen nicht viele Jäger in diesem Lande, die Dir denselben nachthun können. Wo lagert Deine Jagdgesellschaft? Ich bin ein Delaware und ein Freund der weißen Männer, führe mich zu ihnen, damit ich mit ihnen rauchen und reden kann.« Carl hatte auf den ersten Blick erkannt, daß der Fremde ein Indianer sei, wenngleich dessen Erscheinung von der jener Wilden verschieden war, die er bisher gesehen hatte. Derselbe trug ein aus Wildleder verfertigtes, bunt gesticktes und zierlich befranztes Jagdhemd, welches ihm bis an die Kniee reichte, trug hirschlederne Gamaschen und Mokassins von demselben Material, und um seinen Kopf war ein buntes seidenes Tuch in Form eines Turbans gewunden. Unter demselben hing das glänzend schwarze Haar des Indianers über seine breiten Schultern herab, und um seinen braunrothen Nacken lag eine breite Perlenschnur, an welcher eine große silberne Medaille mit dem Bildniß des Präsidenten der Vereinigten Staaten bis auf seine nackte dunkelfarbige Brust reichte. Er war eine hohe schöne Mannsgestalt von schlankem aber muskulösen Bau, und die Formen seines männlichen Gesichts waren edel und ausdrucksvoll. Die Adlernase und die hohe Stirn zeugten von Willenskraft, Entschlossenheit und Muth, und in seinen großen dunklen Augen lag ernste Ruhe und tiefe Leidenschaftlichkeit zugleich. Dieselbe Ruhe lag auf seiner ganzen stolzen Erscheinung, und jede seiner Bewegungen schien von ihr beherrscht zu werden. Als er aber zu Carl sprach, hatten seine Züge einen freundlichen milden Ausdruck angenommen, der dem Knaben Vertrauen einflößte und die schreckhafte Ueberraschung, die sich seiner im ersten Augenblicke bemeistert hatte, verscheuchte. »Wenn Du ein Delaware-Indianer bist, so habe ich keine Ursache, vor Dir besorgt zu sein; denn die Delawaren sind ja immer Freunde der Weißen gewesen, und haben gegen die Engländer mit großer Treue an ihrer Seite gefochten, als sie sich von deren Herrschaft befreiten. Daniel hat mir sehr viel Gutes von den Delawaren erzählt,« entgegnete Carl, indem er ohne Bangen dem Indianer die Hand hinreichte, die dieser zutraulich ergriff. »Wer ist denn der Daniel, der so viel Gutes von den Delawaren gesagt hat?« fragte der Indianer. »Er ist ein Neger, der sich als Freund bei meinem Onkel aufhält,« antwortete Carl. »Und wo ist denn Dein Onkel? führe mich zu ihm,« fuhr der Indianer fort. »Mein Onkel ist nicht hier, er wohnt am Bärfluß, ich bin allein hier.« »Du allein hier?« fragte der Indianer mit einem Tone, als bezweifle er die Wahrheit von Carls Aussage. »Ja, ganz allein. Der Prairiebrand hat mich hierhergetrieben und es ist ein Wunder, daß ich nicht dabei umgekommen bin. Mein armes Pferd habe ich verloren, doch habe ich mir ein wildes Pferd dafür gezähmt, welches mich hierhergetragen hat,« erwiederte Carl mit seiner natürlichen Offenherzigkeit. »Du setzest mich in Erstaunen; bist ja doch nur noch ein Knabe, und Dein Benehmen, so wie Deine Handlungen sind die eines tüchtigen Mannes. Wie heißest Du? mein Name ist Leopard.« »Ich heiße Carl Scharnhorst, und mein Onkel am Bärfluß heißt Max Turner,« antwortete Carl. »So komm mit mir in mein Lager, Carl, ich bin mit meinem Stamme auf dem Wege nach dem Bärfluß, und will Dich zu Deinem Onkel zurückbringen. Am Choctawbache habe ich viele Freunde, die ich in jedem Frühjahre besuche. Wo hast Du Dein Pferd?« nahm der Indianer wieder das Wort und legte liebkosend seine Hand auf die Schulter des Knaben. »Dort hinauf, in jenem Felsen,« entgegnete Carl, nach der Höhe zeigend. »In der Höhle dort oben? Ich habe schon manchen feisten Bären in ihr getödtet, sie ist ein Lieblingsaufenthalt der Petze. Lade Deine Büchse, ich will dem Hirsch schnell die Haut abnehmen,« sagte der Indianer, und kniete bei dem erlegten Thiere nieder, während Carl den Schuß in seinem Gewehr ersetzte. »Du wirst nicht viel Wild mehr in diesem Walde angetroffen haben,« fuhr Leopard während seiner Arbeit fort, »wir haben über zweihundert Hirsche und Antilopen hier geschossen, denn wir fanden sehr viel Wild hier vor, als wir vor einem Monat hierherkamen, und das Feuer auf der Prairie trieb uns noch eine große Anzahl davon zu. Es ist gut, daß ich Dich getroffen habe, denn wir wollten morgen von hier aufbrechen. Schade nur, daß Du nicht früher hier warest; ein Jäger wie Du es bist, wäre mir sehr willkommen gewesen.« In wenigen Minuten hatte der Indianer dem Hirsch die Haut abgenommen, denselben zerlegt und sich mit den beiden Keulen beladen, während er die Schulterblätter und den Rücken desselben zusammenband und Carl zu tragen gab. Darauf ergriff er seine lange einfache Büchse und schritt mit seinem jungen Gefährten den Felsen zu, die sie bald erreichten. Leopard kannte den Weg nach der Höhle sehr gut, und trat voran in dieselbe hinein. Der Rappe sprang entsetzt vor dem Indianer zurück, Carl aber beruhigte ihn, und während jener das Roß von allen Seiten betrachtete und seine Formen lobte, legte Carl demselben Sattel und Zeug auf und befestigte das mitgebrachte Wildpret an demselben. Nachdem er nun noch die Büffelhaut über den Sattel geworfen hatte, leitete er das Pferd aus der Höhle dem Indianer nach, welcher einen, Carl noch nicht bekannten Pfad zwischen den Felsen hinabschritt, auf welchem sie bald die frisch grüne Prairie erreichten. Leopard war verstummt und schien in Gedanken versunken, und Carl war im Geiste schon im Fort zurück, sah sich von seinen Lieben umarmt und hörte ihren Jubel, ihre Worte der Liebe. So schritten sie schweigend an dem Waldsaume hin, bis sie nach einer halben Stunde das Lager der Delawaren erreichten. Carl erkannte dasselbe schon von Weitem an den Rauchsäulen, die zwischen den einzelnstehenden Eichen aufstiegen, und bald darauf an den vielen Pferden, welche theils in dem Schatten der Bäume, theils in der nahen Prairie weideten. Das Lager selbst bestand aus einigen zwanzig Zelten, die aus Baumwollenzeug verfertigt und vermittelst hölzerner Stangen aufgestellt waren. Vor jedem Zelte brannte ein Feuer, an welchem man Indianerinnen beschäftigt sah, Speisen zu bereiten, während daneben junge kräftige Männer auf Büffelhäuten ruhten, oder ihre Waffen reinigten und in Stand setzten. Wo man hinblickte, sah man zum Trocknen ausgespannte Thierfelle an den Bäumen hängen, oft einige Dutzend derselben, die bis in die höchsten Aeste hinauf sich in dem Winde schaukelten. Als Leopard mit seinem Gaste in das Lager schritt, erhoben sich die Männer und kamen ihm entgegen, um ihn zu begrüßen; denn er war der Häuptling dieses Stammes und zugleich erster Häuptling aller Delawaren, die aus zehn solcher Abtheilungen bestanden. Die ganze Nation zählte kaum noch einige Tausend Seelen, obgleich sie in früheren Jahren die mächtigste unter den Indianern dieses Welttheils war, und die östlichen Länder von der Chesapeakebay bis zu den großen Landseen im Norden als ihr Eigenthum beherrschte. Von den Weißen aus ihrer Heimath verdrängt, blieben die Delawaren denselben dennoch treu befreundet, und wanderten unter blutigen Kämpfen mit anderen Indianern weiter und weiter nach Westen, bis sie endlich an dem Kanzasflusse, westlich von Missouri, eine bleibende Stätte sich gegründet hatten, welches Land ihnen von der Regierung der Vereinigten Staaten als freies unantastbares Eigenthum überwiesen wurde. Dort hatten sie sich nun einer Art von Civilisation hingegeben, das heißt, sie gaben ihr Wanderleben auf, bauten sich Dörfer, trieben Viehzucht und pflanzten Mais. In diesen kleinen Niederlassungen wohnten nur die alten Leute, die größere Zahl der Frauen und die Kinder, während die jungen Männer mit nur wenigen Weibern beinahe Jahr aus Jahr ein der Jagd lebten, und im Frühjahr nach Norden bis in die Felsengebirge, und im Herbst nach Süden bis an die Ufer des Golfs von Mexico dem Wild folgten. Auf ihrer Durchreise hielten sie sich nur einige Wochen in ihren Niederlassungen auf, und nahmen dann abermals auf ein halbes Jahr Abschied von den Ihrigen. Die Delawaren standen aber auch in dem Dienst der Regierung der Vereinigten Staaten, und wurden von derselben zu Unterhandlungen und Vermittlungen mit den anderen Nationen der Indianer verwandt, wofür sie jährlich eine sehr bedeutende Summe Geldes baar ausbezahlt bekamen. Dies Freundschaftsverhältniß zu der Regierung war theilweise eine Ursache, weshalb die Delawaren bei den anderen Indianern in hohem Ansehen standen; der Hauptgrund lag aber in ihrer Persönlichkeit, in ihrem Charakter. Offenheit, Biederkeit und tiefes Gefühl für Freundschaft, aber auch unversöhnliche Rachsucht, Kühnheit und Tapferkeit bis zur Verzweiflung waren ihre vorherrschenden Eigenschaften. Auch die mächtigsten Nationen unter den Indianern wagten es nicht, zu Feindseligkeiten mit den Delawaren Veranlassung zu geben, und erkannten ihre große Ueberlegenheit als Krieger an. Die Delawaren waren sämmtlich vortreffliche Schützen, besaßen die besten Feuerwaffen, und waren ebenso gewandt zu Fuß, wie zu Pferde. Namentlich gegen die südlichen Indianer, welche mit den Weißen in noch keinerlei freundliche Beziehung getreten waren, und noch in ihrem ursprünglichen Naturzustande lebten, standen sie in großem Vortheile; denn jene führten durchaus keine Feuerwaffen, weil die Weißen ihnen dieselben nicht ausbesserten und ihnen keine Munition zukommen ließen. Jetzt war Leopard mit seinem Stamme auf seiner Rückreise nach Norden, nachdem er mehrere Monate lang in diesen südlichen Ländern gejagt hatte, und wollte wieder einige Wochen bei den Seinigen am Kanzasflusse rasten, ehe er nach Norden zur Jagd aufbräche; denn der Frühling sollte ihm voranziehen und dort die Grasfluren mit frischem Grün schmücken. Der Häuptling übergab Carls Roß einer Indianerin, damit sie für dasselbe Sorge trage, und führte ihn selbst zu seinem Zelte, wo er ihn willkommen hieß und ihm seinen Schutz und seine Gastfreundschaft zusicherte. Er sprach, wie alle Delawaren, sehr gut englisch, rief aber nun in seiner Muttersprache die Männer aus dem Lager zusammen, und theilte ihnen mit, in welcher Weise er mit dem fremden Knaben bekannt geworden sei, woher derselbe stamme und daß er beabsichtige, ihn zu seiner Familie an den Bärfluß zurückzubringen. Die Mittheilung über Carls Tüchtigkeit als Jäger erwarb ihm bei den Indianern sofort Ansehen und sie betrachteten mit großer Bewunderung seine Waffen. Sie hatten sich zu ihm gesetzt und ließen seine Büchse von Hand zu Hand gehen, da ein Jeder von ihnen dieselbe in Augenschein nehmen wollte, als plötzlich ein großer Raubvogel über ihnen erschien und seine Kreise in der Luft beschrieb. Leopard sah Carl lächelnd und fragend an, und deutete auf den Vogel über sich, als ob er wünsche, daß sein junger Gast die Mittheilung wahr machen möchte, welche er seinen Leuten über dessen Geschicklichkeit im Schießen gegeben habe. Carl blickte nach dem Vogel hinauf, ergriff rasch die ihm hingereichte Büchse, zielte einen Augenblick nach dem über ihm schwebenden Falken und gab Feuer. Der Raubvogel aber ließ in demselben Augenblick seine Flügel sinken, und fiel unter dem lautesten Jubel und den Freudenrufen der Indianer aus der Luft herunter in das Gras. Der Häuptling schaute mit einem stolzen Blick durch die Versammlung und reichte dann Carl wie zum Danke die Hand, indem er sagte: »Warum mußtest Du auch unter den Weißen geboren werden und nicht unter den Delawaren? Du würdest ein großer Mann unter ihnen geworden sein. Hättest Du keine Freunde am Bärflusse, so sollten die Delawaren Deine besten Freunde werden.« Nun folgten alle Indianer dem Beispiele ihres Häuptlings, reichten Carl die Hand, und ein Jeder von ihnen sagte dem Knaben, daß er sein Freund sei. Carl war ganz glücklich über die liebevolle Behandlung, die ihm zu Theil ward, und es freute ihn, daß er Daniels Mittheilungen über die Delawaren so treu bestätigt fand. Er wurde nun mit der größten Aufmerksamkeit bewirthet, es wurden ihm in der Asche gebackene Bärentatzen, geröstete Markknochen von Büffeln und gebratene Hirschleber vorgesetzt, und herrlicher klarer Honig dazu gereicht. Nach dem Essen lagerten sich die Indianer um ihn im Schatten der Bäume, und er mußte ihnen von Europa erzählen; denn er hatte dem Häuptling mitgetheilt, daß er nicht in Amerika geboren sei. Er hatte unzählige Fragen zu beantworten, und Alles, was der Knabe sagte, wurde mit größter Aufmerksamkeit angehört. Abends aber nach dem Essen, als sie vor dem Zelte des Häuptlings beim Feuer lagen, bat Carl diesen, er möge ihm nun auch über die Geschichte seines Volkes Etwas erzählen, da ihn dies eben so sehr interessire, wie ihn Carls Mittheilungen über Europa. Der Häuptling schien sich durch diese Bitte geschmeichelt zu fühlen, setzte sich aufrecht und begann mit ernstem, feierlichen Tone die Größe seines Volkes in jener Zeit zu schildern, als dasselbe die Ufer der Chesapeakebay, des Susquehanna und der großen Landseen im Norden seine Heimath nannte, und sein Reich sich bis an die Küsten des Oceans erstreckte. Mit hinreißender Begeisterung pries er den damaligen unerschöpflichen Reichthum der endlosen Jagdgründe in dem Lande der Delawaren, schilderte die Schönheit der edlen Pferde und der auserlesenen Waffen, welche seine Vorfahren besessen hatten, und nannte mit Verehrung die gefeiertsten Krieger, deren Namen seit Jahrhunderten von Mund zu Mund, von Geschlecht zu Geschlecht in dem Andenken des Volkes fortgelebt hatten. Er sprach von der Macht der Delawaren, von ihrer Wahrheitsliebe, von ihrer Gastfreundschaft, von ihrer Tapferkeit und von den vielen glorreichen Siegen, die sie über ihre Feinde erkämpft hatten. Er redete mehrere Stunden lang, ohne von einem der Umsitzenden unterbrochen zu werden, und ebenso, wie alle übrigen Zuhörer, wurde auch Carl von der feierlichen Mittheilung über die vergangene Größe der Delawaren tief ergriffen. Mit einem Ausdruck der Wehmuth, der Trauer verstummte der Häuptling endlich, und saß eine Zeitlang, schweigend vor sich niedersehend, da, dann ergriff er die Hand Carls und sagte mit einem Blick zu dem sternbedeckten Himmel über sich: »Es ist der Wille des großen Geistes, daß die rothen Kinder den Weißen Platz auf dieser Erde machen sollen!« Abermals versank er dann in stummes Nachdenken, welches, wie es schien, die übrigen Indianer als einen Wink des Häuptlings betrachteten, sich zu entfernen; denn sie erhoben sich sämmtlich und begaben sich nach ihren verschiedenen Zelten. Als nun der Häuptling noch allein mit Carl beim Feuer saß, wandte er sich zu ihm und sagte: »Du nanntest heute früh einen Neger den Freund Deines Onkels; ich will wünschen, daß Dein Onkel sich nicht von dem Neger bethören läßt; ein Mohr ist niemals ein Freund, ein Mohr redet mit doppelter Zunge, und sein Herz ist so schwarz wie seine Haut.« »Dann macht unser Freund Daniel eine Ausnahme von der Regel, er ist uns ein wahrer, aufrichtiger und uneigennütziger Freund,« fiel ihm Carl schnell in die Rede, um auch nicht einen Augenblick länger einen so ungerechten Verdacht auf seinem Daniel zu lassen. »Das läßt er Euch glauben, so lange, bis es ihm einen Vortheil bringt, Euch zu hintergehen,« fuhr der Häuptling fort. »Nein, nein, Daniel ist und bleibt ewig unverändert unser treuer Freund und will uns niemals verlassen,« fiel Carl wieder ein; denn von dem ehrlichen Daniel sollte Niemand etwas Unrechtes sagen. »Er wird so lange bei Euch bleiben, bis er anderswo glaubt, einen angenehmeren Aufenthalt zu finden. Auch bei mir lebte ein Neger, er hieß der schwarze Panther, und er war mein bester Jäger, so wie mein bester Krieger. Den schwarzen Panther fürchteten die Indianer von dem Golf von Mexiko bis hinauf zu den Felsengebirgen! Er wurde unter uns geboren, denn sein Vater und seine Mutter waren Sclaven meines Vaters. Ich habe den Knaben zuerst auf ein Pferd gesetzt, ich habe ihm die ersten Waffen in die Hände gegeben und ihn angewiesen, sie zu gebrauchen, und ich war es, der ihm das Kriegsgeschrei der Delawaren lehrte, welches später Keiner von uns Allen mit solcher Gewalt ertönen lassen konnte, wie der schwarze Panther. Er hat an meiner Seite geschlafen, gespeist, gejagt und gekämpft, und wo der Leopard und der schwarze Panther erschienen, da war ihnen der Sieg gewiß. Seine Eltern starben, ihre Gebeine ruhen bei denen meiner Väter, und der schwarze Panther wurde dem Leoparden untreu und verließ ihn, ohne Abschied von ihm zu nehmen. Er floh den Ansiedelungen der Weißen zu, ich folgte ihm, um ihm die Füße zu lähmen und ihn den wilden Thieren als Beute zu überlassen; die Füße des schwarzen Panthers aber waren schneller und leichter, als die des Leoparden, und er entkam unter die Weißen. Ich habe nie wieder von ihm gehört; ein Neger hat kein Herz für einen Freund, er hat nur ein Herz für sich selbst.« Bei diesen Worten des Häuptlings verstummte Carl, es war ihm, als ob ihm der Athem genommen würde, denn die Worte Daniels fielen ihm ein, die derselbe dem fliehenden Waco-Indianer zugerufen hatte, ehe er ihn niederschoß: »Du hast wohl einmal vom schwarzen Panther gehört!« Daniel war der schwarze Panther, darüber konnte Carl nicht mehr in Zweifel sein, und mit Angst und Schrecken dachte er daran, daß der Häuptling den Neger im Fort wiedersehen und ihm dann ein Leids zufügen würde. Er bereute es tief, daß er überhaupt von Daniel gesprochen hatte, weil Leopard gewiß nach ihm fragen würde, wenn sie das Fort erreichten; und Carl sann auf Mittel und Wege, ein Zusammentreffen des Indianers mit dem Neger zu verhindern. Der Häuptling unterhielt sich noch eine Zeitlang mit dem Knaben; als er aber dessen Wortkargheit bemerkte, glaubte er, derselbe sei müde und wünsche, sich zur Ruhe niederzulegen. Er bat ihn daher, in sein Zelt einzutreten, und wies ihm dort ein Lager an, welches die Frauen für ihn aus weichen Thierhäuten bereitet hatten. Dann wünschte er ihm eine sanfte Ruhe, die ihn für die Reise, welche sie am folgenden Morgen antreten wollten, stärken möchte. Vier Tage später saßen Turners Abends, als die Sonne sich neigte, in deren wohlthuendem Strahlenlichte an der Außenseite des Forts auf einer Bank, und Daniel hatte sich neben ihnen im Grase niedergelassen. Sie ruhten sich von der vollbrachten Tagesarbeit aus, und ließen ihre Blicke in trauerndem Andenken an den geliebten, für sie verlorenen Carl über die weite Grasflur wandern, auf welcher sie glaubten, daß der treue, brave Knabe seinen Opfertod gefunden habe. Sie hatten schon eine Zeitlang in spärlicher Unterhaltung dagesessen, immer wieder war Carl genannt worden, immer wieder war die Unterhaltung verstummt, und Madame Turner hatte wiederholt die Thränen heimlich weggewischt, die ihr in die Augen getreten waren, da richtete sich Daniel auf seiner linken Hand empor, und hielt die Rechte über die Augen, indem er in die flache Ferne schaute. »Sollten das Büffel sein, die dort herangezogen kommen? Sehen Sie dort den schwarzen Strich über jenem Mosquitobaum nicht? Er bewegt sich -- es sind wahrscheinlich Büffel. Wenn sie nahe herankommen, so will ich doch einen von ihnen schießen, wir können frisches Fleisch gebrauchen,« sagte der Neger, indem er wieder auf seinen Ellnbogen zurücksank und seinen Blick auf die Ferne geheftet hielt. »Als Carl noch bei uns war, da hatten wir immer Ueberfluß an frischem Wildpret im Hause, seit seinem Scheiden scheint Alles bei uns die Thätigkeit verloren zu haben,« sagte Madame Turner, und abermals entfielen Thränen der Wehmuth ihren Augen. »Ja wohl, die frohe, rege Thätigkeit hat uns verlassen; weiß der Himmel, ich mag die Büchse gar nicht mehr anrühren, denn immer sehe ich dann den lieben Carl wieder vor mir, und es ist mir, als ob mir das Herz zerreißen wollte,« sagte Daniel mit einem schweren schmerzlichen Athemzug, sprang aber plötzlich auf und rief: »Das sind keine Büffel, das ist ein Zug Indianer, sie kommen hierher.« Mit diesen Worten rannte er in das Fort hinein und kehrte nach wenigen Augenblicken mit dem Fernglas in der Hand zurück. Er schaute nun durch dasselbe nach dem schwarzen Streifen hin, der jetzt deutlicher in seiner Bewegung am Horizont zu erkennen war. »Das sind Indianer!« sagte er nach einer Weile mit einem Ton, der unverkennbar verrieth, daß ein Schreck den Neger ergriffen hatte. »Es müssen viele Indianer sein, denn es ist ja ein langer Zug,« fiel Turner ein, der die Aufregung Daniels bemerkte, welcher unverwandt das Fernglas vor dem Auge hielt, ohne eine Sylbe zu erwiedern. »Sollen wir nicht in das Fort gehen und unsere Waffen zur Hand nehmen?« fragte Turner mehr und mehr besorgt. »Sie und die Ihrigen haben Nichts von jenen Indianern zu befürchten, es sind Delawaren, und die sind den Weißen in Freundschaft zugethan,« fuhr Daniel mit bebender Stimme fort und hielt immer noch das Fernglas vor das Auge. Plötzlich aber schlug er mit einem lauten Schrei die Arme auseinander und rief: »Carl -- Carl, unser Carl -- er lebt -- er kommt -- großer Gott -- es ist Carl!« und Carl, Carl schrieen Turners und breiteten weinend und jauchzend ihre Arme nach der Ferne aus, wo der Reitertrupp schnell dem Blicke deutlicher wurde. Daniel aber war in dem Fort verschwunden und kehrte nach wenigen Minuten mit seinen Waffen in der Hand unter sichtbarlich gesteigerter Aufregung zu Turners zurück. »Ich muß fort,« sagte er, heftig bewegt; »die Delawaren dürfen mich nicht sehen; sollten sie nach mir fragen, so sagen Sie, ich hätte Sie verlassen, um wieder auf See zu gehen.« »Daniel, um Gottes willen, Daniel, Du wolltest uns verlassen -- das ist unmöglich, Du darfst nicht fort -- bester Daniel, bleibe bei uns -- was soll ohne Dich aus uns werden!« riefen Turners durcheinander und schlangen ihre Arme um den Neger; doch dieser wand sich mit den Worten von ihnen los: »Ich muß fort, um Ihretwillen und um meiner selbst; wenn Carl nicht zu viel über mich geredet hat, so werden die Delawaren sich nicht lange aufhalten, und dann komme ich zu Ihnen zurück, ich bleibe im Walde. Sagen Sie nur dem Häuptling, wenn er nach mir fragt, ich sei wieder auf See gegangen.« Mit diesen Worten sprang Daniel davon, eilte nach dem Kanoe, und verschwand bald darauf an der andern Seite des Flusses in dem Walde. Turners standen sprachlos; das Glück und der Schmerz hatten sie gleich gewaltig ergriffen, und Thränen der Freude und des Leids füllten zugleich ihre Augen. Das Glück aber war für den Augenblick stärker; sie sahen den Reiterzug nahen, und mit ihm den todtgeglaubten Liebling ihres Herzens ihren Armen entgegeneilen. Näher und näher kamen die Reiter, schneller und stürmischer schlugen die Herzen der Turners, und sehnsüchtiger und verlangender breiteten sie die Arme nach dem geliebten Wiederkehrenden aus. Da sprengte von der Spitze der nahenden Schaar Carl Scharnhorst auf seinem Rappenhengst heran über das wogende Gras, und sauste unter jauchzenden Freudenrufen am Hügel herauf seinen Lieben zu. Er warf sich vom Pferde und Turners in die Arme. Es war ein Augenblick höchster Seligkeit, welche die Wiedervereinten überwältigend durchbebte, die keine Worte, die nur Thränen, heiße Freudenthränen hatten, um ihren Gefühlen Ausdruck zu geben, ihren übervollen Herzen Luft zu machen. »Wo ist Daniel?« rief Carl plötzlich, wie aus einem Rausche erwachend, und blickte sich erschrocken nach den Indianern um, die jetzt den Fuß der Höhe erreicht hatten und von ihren Pferden stiegen. »Er ist fort, in den Wald; wir sollen sagen, er sei wieder auf See gegangen,« antwortete Turner rasch. »Gottlob, dann wird Alles gut gehen!« sagte Carl und wandte sich schnell dem Häuptling zu, der jetzt auf der Höhe mit feierlichem Ernst herangeschritten kam. Carl ergriff seine Hand und führte ihn zu den Seinigen, indem er ihn denselben als seinen liebevollen hülfreichen Freund vorstellte. Turners hießen den Indianer mit so stürmischer Herzlichkeit willkommen, daß derselbe tief ergriffen ward, und mit augenscheinlicher Freude die Danksagungen, die Liebkosungen der beglückten Familie hinnahm. Sie ließen ihm kaum Zeit, seinen Leuten zuzurufen, daß sie weiter am Fluß hinauf ihr Lager aufschlagen möchten, und zogen ihn, von ihren Armen umschlungen, in das Fort hinein, um ihm dort wieder und wieder ihre Dankgefühle darzuthun. Dem Häuptling waren solche stürmische Ausdrücke menschlicher Gefühle eben so fremd wie überraschend, denn der Indianer zeigt niemals in seiner äußern Erscheinung, was in seinem Innern vorgeht; im höchsten Schmerz, im höchsten Glück liegt dieselbe stolze Ruhe auf seinen Zügen. Diese Kundgebungen der Freude und der Dankbarkeit Turners aber rissen ihn aus seiner äußern Theilnahmlosigkeit, seine Züge erheiterten sich, Freude, herzinnige Freude strahlte aus seinen Blicken, -- und immer wieder drückte er Turner und dessen Gattin die Hände, und nahm die Kinder in seine Arme. Es dauerte lange, ehe der Sturm des unverhofften Glücks der Wiedervereinten verwogte; dann aber mußte Carl ausführliche Mittheilung über seine Schicksale und über seine Rettung machen. Alle lauschten seiner Erzählung mit der größten Theilnahme, manches »Gottlob« drang von den Lippen der Hörer, manch dankbarer Blick wurde von ihnen zum Himmel gesandt, und manche Thräne entfiel ihren Augen. Als er seinen Bericht aber beendet hatte, da ging der Knabe abermals aus einer Umarmung in die andere, und der Häuptling wiederholte die Worte: »Warum mußtest Du unter den Weißen, und nicht unter den Delawaren geboren werden!« Bis jetzt war des Negers noch nicht erwähnt worden und Turners vermieden absichtlich jedes Wort, welches das Gespräch hätte auf denselben lenken können. Madame Turner und Julie entfernten sich, um ihren Gast auf das Beste zu bewirthen, und Turner und Carl unterhielten ihn, indem sie ihm ihre sämmtlichen Waffen zeigten, und ihm deren Vorzüge vor den, in diesem Lande gewöhnlich benutzten langen einfachen Büchsen auseindersetzten. Das Abendessen war für diese Wildniß ein ausgezeichnetes zu nennen. Madame Turner hatte dabei alle ihre Kochkunst aufgeboten und das Beste ihrer Vorräthe dazu verwandt. Auch war das gute Porzellan dabei aufgetragen, alles Silberzeug auf den Tisch gebracht und derselbe herrlich mit Blumen geschmückt. Dem Häuptling entging es nicht, daß Alles dies nur ihm zu Ehren geschah; denn er war schon oft von Grenzansiedlern bewirthet worden, wo es immer viel einfacher hergegangen war. Die Aufmerksamkeiten und Herzlichkeiten Turners machten ihm Freude und er meinte, daß die Europäer mehr Gefühl für Freundschaft und Dankbarkeit hätten, als die Amerikaner. Nach dem Abendessen, als er mit der Familie bei dem Kaminfeuer saß und so, wie Turner eine Cigarre rauchte, fiel ihm der Neger wieder ein, und er fragte halb verwundert, weßhalb derselbe sich noch nicht gezeigt habe, da er doch ein so guter Freund der Familie sein solle. Turner entgegnete ihm etwas verlegen, daß der Schwarze ihn vor Kurzem verlassen habe, um wieder auf See zugehen, weil ihm dort ein besserer Verdienst zu Theil werde. Der Häuptling sah Carl mit einem triumphirenden Blick an, und sagte: »Glaubst Du nun noch an die Freundschaft eines Negers, junger Mann? Dein geliebter Daniel ist ein eben solcher Freund gewesen, wie mein schwarzer Panther; auch sein Herz ist so schwarz wie seine Haut.« Carl gab dem Indianer keine Antwort, was dieser für Anerkennung seiner ausgesprochenen Ansicht hielt und darauf das Gespräch auf einen andern Gegenstand lenkte. Der Abend verstrich in traulicher Unterhaltung und ehe der Häuptling dann von dem für ihn bereit gehaltenen Ruhelager auf Daniels Bett Gebrauch machte, begab er sich nach seinen Leuten, um ihnen zu sagen, daß er bei seinen weißen Freunden schlafen werde. Am folgenden Morgen hatte Madame Turner schon sehr zeitig das Frühstück bereitet, weil ihr Gast mit Sonnenaufgang seine Weiterreise antreten wollte. Nach beendigtem Mahle wurde dem Häuptling sein Pferd vor das Fort gebracht, er nahm einen herzlichen Abschied von seinen Freunden, versprach, im nächsten Herbst sie wieder zu besuchen, und bemerkte dabei, daß Carl ihn dann auf einige Wochen begleiten und mit ihm jagen müsse. Der Knabe geleitete ihn darauf zu seinem Lager, und brachte die Indianer bis zu dem Weg, welcher durch den Wald nach dem Choctawbache führte, damit seine Freunde mit weniger Schwierigkeiten das Holz durchreiten könnten. Nochmals versprach er hier dem Häuptling, im Herbst mit ihm zu jagen, und sah mit erleichtertem Herzen die Delawaren dahinziehen, weil er die Minute kaum erwarten konnte, wo er Daniel in die Arme fallen würde. Der Neger hatte aber aus dem Dickicht des Waldes die Bewegungen der Indianer beobachtet, war, als er sie den Weg nach dem Choctawbache einschlagen sah, mit fliegender Eile durch den Wald nach dessen anderer Seite gerannt, und hatte den Saum erreicht, als die Delawaren schon in der Prairie jenseits angelangt waren. Er kletterte schnell auf einen der höchsten Bäume, um ihnen von dort aus weit hin mit dem Blicke folgen zu können, und als er sie endlich in der blauen Ferne verschwinden sah, da ließ er sich rasch auf die Erde nieder, und rannte nun, von der Sehnsucht seines treuen Herzens getrieben, nach dem Fort, um seinen geliebten jungen Freund wieder zu sehen. Kaum hatte er den Fleck an dem Ufer des Flusses erreicht, wo er unter überhängenden dichten Laubmassen das Kanoe verborgen hatte und dasselbe in den Strom hinein gerudert, als Carl von dem Fort hergesprungen kam, und ihm jubelnd und jauchzend entgegen eilte. Das Glück der Beiden, als sie sich in die Arme fielen, kannte keine Grenzen, und »mein Daniel, mein Carl!« war Alles, was sie hervorstammeln konnten. Der Neger ging nun mit Carl Arm in Arm nach dem Fort zurück, wo er mit großer Freude von Turners empfangen wurde, und wo er ihnen nun mittheilte, daß er der schwarze Panther sei, der vor einer Reihe von Jahren dem Häuptling entsprungen war. Er gestand es ein, daß derselbe ihn gut und liebevoll behandelt habe, stellte aber ein jedes Unrecht, welches man in seiner Flucht finden möchte, in Abrede, da seine beiden Eltern freie Neger gewesen und von den Delawaren gewaltsam zu Sclaven gemacht waren. Sie hatten an der Indianergrenze sich eine Niederlassung gegründet, waren dort von dem Vater Leopards überfallen und fortgeführt worden. An ihm, sagte Daniel, hätten sie demnach kein Eigenthumsrecht, wenn es überhaupt ein Recht gebe, einen Menschen als Eigenthum zu besitzen, und er fühle sich durchaus frei davon, ein Unrecht gegen Leopard begangen zu haben. Turner fragte den Neger nun, was denn der Häuptling mit ihm thun würde, wenn er ihn wieder in seine Gewalt bekäme; worauf Daniel erwiederte, daß derselbe ihn in einer grausamen Weise umbringen würde, da die Rache eines Indianers nur mit dem Tode seines Feindes ende. »Wenn der Häuptling aber Deinen Werth in Geld ausgezahlt bekäme, würde er Dich dann nicht verkaufen?« fragte Turner. »An Geld ist dem Indianer Nichts gelegen, weil er Alles besitzt, wonach seine Wünsche trachten. Außerdem opfert er auch Alles seiner Rache,« entgegnete der Neger, und wies alle Anerbietungen Turners, ihm sein ganzes baares Geld zur Verfügung zu stellen, als nutzlos zurück. Er suchte aber zugleich seine Freunde zu beruhigen, indem er ihnen auseinandersetzte, daß ihm keine große Gefahr drohe, da die Delawaren nur im Frühjahr und im Herbst diese Gegend besuchten, und er selbst sich dann vor ihnen leicht verborgen halten könne. Andern Indianern sagte er, wäre er nicht so genau bekannt, und so könnten die Delawaren auch nicht erfahren, daß er der schwarze Panther sei, und sich hier aufhalte. Der Tag verstrich in dem Glücke, welches mit Carl unter die Ansiedler zurückgekehrt war, und als der Abend kam, verließ Daniel das Fort, um in dem Walde zu übernachten, wo er überhaupt verweilen wollte, bis die Delawaren sich aus der Gegend entfernt haben würden. Er nahm einige Häute und Kochgeschirr mit sich, um sich eine Art von Wohnung im Walde einzurichten. Carl begleitete ihn, um ihm dabei behülflich zu sein, und den Platz seines Aufenthaltes zu kennen. Der Knabe kehrte spät nach dem Fort zurück, und die Besorgniß um den Sieger minderte sich, als er die Nachricht brachte, wie derselbe sich gut versteckt habe, und sicher Niemand ihn auffinden könne. Am folgenden Morgen besuchte er seinen Freund wieder, brachte ihm Brod und andere Lebensmittel, und Tags darauf ritt er frühzeitig nach dem Choctawbache, um Erkundigungen über die Delawaren einzuziehen. Bei Warwicks, in deren Nähe dieselben gelagert hatten, wurde Carl mit großem Jubel bewillkommnet; sie hatten schon durch die Indianer von seiner Rettung gehört und wußten es ihm besonders großen Dank, daß er nun selbst gekommen war, um sich ihnen zu zeigen. Die Delawaren hatten schon früh am Morgen ihr Lager abgebrochen und waren dem rothen Flusse zugeritten, um sich nach ihrer Ansiedelung am Kanzasstrome zu begeben. Ungeachtet dieser erfreulichen Nachricht, die Carl seinem Freunde überbrachte, verweilte derselbe noch einige Wochen in dem Walde, da er sagte, einem Indianer dürfe man nie trauen; dann aber kehrte er in das Fort zurück, und die Besorgniß wegen der Sicherheit Daniels wurde bald vergessen. Das Frühjahr hatte seinen ganzen Schmuck, seine ganze Pracht über Wald und Prairie ausgebreitet, und die bunte Blumenflur prangte in dem frischen Grün der Bäume und der Büsche, so wie in dem saftigen, üppigen jungen Grase. Aus dem glänzenden dunkeln Laube der Magnolien, die sich zwischen den Riesenbäumen des Waldes zum Himmel erhoben, glänzten deren alabasterweiße Blüthen wie kolossale Rosen hervor, die Tulpenbäume waren mit goldigen Blumen übersäet, der Hundeholzbaum streckte seine großen weißen Sternblüthen gegen den blauen Himmel, die Bignonie trug ihre blaßrothen Blüthenfackeln zur Schau, die Jucka hielt den dreißig Fuß langen, mit schneeigen Glocken behangenen Blüthenstengel über ihrer Stachelkrone empor, und in tausendfältigem Farbenspiel schlangen sich die blühenden Lianen von Ast zu Ast, von Wipfel zu Wipfel, und wehten wie bunte Guirlanden in der lieblich duftenden Frühlingsluft, die über die Blumenfelder der unabsehbaren Prairie gezogen kam. Der Spottvogel, der Cardinal, der Blauvogel sangen in dem schattigen Dunkel des Waldes ihre süßen Lieder, der Kolibri summte von Blüthenkelch zu Blüthenkelch, und das glänzend bunte Gefieder der Papageien blitzte und funkelte durch die reichen üppigen Laubmassen. Alles sollte neues reges Leben empfangen, und auch die Ansiedler waren von frischer Thätigkeit beseelt; denn die Arbeit gedieh unter ihren fleißigen Händen und versprach ihnen eine reiche sorgenlose Zukunft. Das Feld prangte in größter Ueppigkeit, der Garten bot ihnen Ueberfluß und der Viehstand vermehrte sich schnell. An die Gefahren, welche ihnen von Seiten der Indianer drohten, hatten sie sich gewöhnt, und dadurch hatten dieselben für sie das Fürchterliche verloren, ja, sie würden sie ganz vergessen haben, hätte nicht der vorsichtige Freund Daniel sie immer wieder daran erinnert und bei jeder Gelegenheit sie ermahnt, auf ihrer Hut zu sein. Er sorgte dafür, daß Abends die Pferde immer zeitig in das Fort gebracht wurden, daß dessen Thor immer gut und fest verschlossen ward, daß man die Hunde hinaussperrte, und daß die Waffen stets zum augenblicklichen Gebrauch in gutem Stand blieben. Auch ließ er die drei Knaben oft nach einem Ziel schießen, und hatte stets für den besten Schuß ein Geschenk zu geben, welches dann in einem Pulvermaß, einem Kugelbeutel, einer Angel, oder einer ähnlichen kleinen Arbeit seiner eigenen Hände bestand. Die Ruhe im Fort blieb jedoch ungestört, und die Ansiedler hätten jetzt ihr stilles Glück nicht mehr für alle Freuden in der großen Welt vertauscht. Der Wald bot nun auch in den süßen überreifen Maulbeeren seine ersten Früchte, und Daniel ging regelmäßig, wenn der Abend kam, mit den Kindern über den Fluß und sammelte mit ihnen einen Korb voll dieser köstlichen Beeren. Madame Turner brachte dieselben dann beim Abendbrod auf den Tisch, gab herrliche kühle Milch dazu und Alle labten sich dann an dem Gericht nach Herzenslust. Es war eines Abends spät geworden, ehe Daniel mit seinen jungen Freunden aus dem Walde zurückkehrte, denn sie hatten dies Mal viele Maulbeeren gesammelt, weil Madame Turner den Kindern versprochen hatte, Fruchtkuchen davon zu backen. Turner hatte bereits die Pferde getränkt und in das Fort gebracht, als Daniel mit den Knaben dort anlangte; das Thor wurde geschlossen, die Hunde hinausgesperrt, und bald saßen die Ansiedler in traulichem Kreise um den großen Tisch, und erfreuten sich an dem einfachen guten Mahle, welches Julie aufgetragen hatte. Dann holte ein Jeder von ihnen seine Arbeit herbei; Carl mußte wieder erzählen, wie er unter den Wurzeln des Mosquitobaumes gesessen hatte, als die fliehenden Thierschaaren bei ihm vorüberbrausten und das Feuermeer über ihn hinzog; hundert Fragen mußte er beantworten, und bald wurde er bedauert, bald wurde über ihn gelacht, wobei er dann immer von ganzem Herzen mit einstimmte. Der Abend verstrich in der heitersten Stimmung und es war später als gewöhnlich geworden, ehe die Ansiedler ihr Lager aufsuchten und sich einem sorglosen Schlafe hingaben. Friedliche Ruhe lag auf dem Fort, die Pferde hatten sich in ihren Ställen auf dem Boden hingestreckt, und Pluto lag regungslos in dem Hofe. Es war Mitternacht, als Daniel durch das ziemlich ferne Gebell der Hunde außerhalb des Forts geweckt wurde. Er richtete sich auf seinem Lager auf und lauschte dem Lärm, welcher schnell näher und näher kam. Die Hunde wichen unverkennbar vor einem Feinde zurück, und ihr Gebell wurde mit jedem Augenblick heftiger und wüthender. Jetzt klagte und heulte einer derselben laut, und alle hatten bald darauf die Pallisaden erreicht, wo nun Pluto aus dem Innern des Forts mit seiner tiefen Baßstimme in ihren rasenden Lärm mit einstimmte. Der Neger sprang aus dem Bette und wollte Carl wecken, doch dieser war auch schon auf den Füßen und fragte: »Was mögen die Hunde vorhaben?« »Es müssen Indianer sein, die sie zurücktrieben, ich hörte das Bellen der Hunde schon weit in der Prairie. Nur schnell in die Kleider und zu den Waffen, ich will Herrn Turner wecken!« Mit diesen Worten sprang Daniel nach Turners Zimmer und wollte an die Thür klopfen, als dieser ihm schon entgegentrat und bestürzt sagte: »Ich glaube, es sind Indianer vor dem Fort, nur schnell mit den Waffen in den Hof, ehe sie die Pallisaden übersteigen, es ist draußen so finster, daß man keine Hand vor Augen sehen kann.« »Ich will es bald hell machen, eilen Sie, nehmen Sie die Schrotgewehre, Arnold und Wilhelm müssen helfen!« rief der Neger, und sprang in den Hof hinaus, wo es so dunkel war, daß man kaum die Spitzen der Pallisaden gegen den Himmel erkennen konnte. Dort traf er Carl, der mit der Schrotflinte in der Hand, der Doppelbüchse über der Schulter und den Revolvern im Gürtel nach der Höhe der Pallisaden spähete, während Pluto mit wüthendem Gebell an denselben auf und niederrannte. »Geben Sie Acht, junger Herr, daß keiner der Wilden übersteigt, ich will schnell die Feuer anzünden und dann gehen Sie in jenen Thurm,« rief Daniel, eilte zu dem einen der früher erbauten Galgen, und füllte den Eisenkorb mit Kienspänen. In diesem Augenblick sprang Pluto mit rasender Wuth an der andern Holzwand in die Höhe, und über derselben erschien eine dunkle menschliche Gestalt. »Carl, Carl, dort, sehen Sie!« schrie der Neger, als er den Indianer auf den Pallisaden erblickte; da blitzte es aber schon aus Carls Flinte, und der Wilde verschwand mit einem gellenden Schrei. Der Krach des Gewehrs und der Schrei des Indianers aber wurden von einem höllischen Zetergeheul außerhalb des Forts beantwortet, als würde es von hundert Kehlen angestimmt. Nun loderten die Flammen des angezündeten Kienholzes aus dem Eisenkorbe auf, und im nächsten Augenblick hatte Daniel denselben emporgezogen, so daß der Hof und die Umgebung des Forts blendend erhellt waren. Ein noch stürmerisches Geschrei erschallte jetzt außerhalb der Festung, und Carl, der in einen der Vorbaue gesprungen war und durch eine Schießöffnung blickte, sah, wie die Indianer in verworrenen Haufen in wilder Flucht den Hügel hinabrannten. »Das haben sie nicht erwartet!« rief Daniel, indem er sich beeilte, den zweiten Eisenkorb mit Holz zu füllen und anzuzünden. »Sie haben einen Schrecken bekommen, werden aber doch bald zurückkehren.« Auch der zweite Korb schwang sich nun mit seiner Feuergluth über die Pallisaden, und Turner trat mit Arnold und Wilhelm in den Vorbau daneben, während Daniel sich zu Carl in die andere Ecke der vordern Holzwand begab. Die Wilden hatten sich außer Schußweite von dem Fort in dem hohen Grase gesammelt, und die Belagerten erkannten zu ihrem Schrecken, daß die Zahl ihrer Feinde über hundert betragen mußte. Daniel aber ermuthigte seine Gefährten und versicherte sie, daß sie die Wilden sicher von dem Fort zurückhalten würden, wenn sie tüchtig mit Schrot unter sie schössen, denn so viele Kugeln in einem Schusse sei ihnen etwas Neues und würde sie mit Entsetzen davon jagen. Er benutzte den Augenblick, um sämmtliche Gewehre aus dem Hause zu holen und noch Vorrath von Pulver und Schrot herbeizuschaffen. Nachdem er Waffen und Munition vertheilt, trat er wieder zu Carl und schaute nach den Indianern hinaus. »Sie berathen sich, auf welche Weise sie stürmen wollen,« sagte er zu Carl. »Es sind Reiterindianer, denn dort etwas weiter in der Tiefe sehe ich ihre Pferde. Jetzt laufen sie zu denselben hin; was mögen sie vorhaben?« Wirklich waren sämmtliche Wilde zu ihren Pferden geeilt, doch konnten die Belagerten nicht erkennen, was sie dort vornahmen. Bald darauf aber sollte es ihnen klar werden, denn sie sahen die Feinde jetzt mit ihren Lasso's in den Händen heranschreiten, während sie Bogen und Pfeile in dem Köcher über den Schultern und die Streitaxt im Gürtel um den Leib trugen. »Sie haben ihre Lasso's geholt, um dieselben über die Spitzen der Pallisaden zu werfen und daran in die Höhe zu klettern. Sie wollen stürmen. Schießen Sie immer in den dichtesten Haufen, dann wirkt das Schrot besser,« rief Daniel seinen Kameraden zu, während die Indianer sich in drei Abtheilungen sonderten. Plötzlich stimmte einer von ihnen den Kriegsgesang an und Alle ließen nun ein furchtbares Geheul ertönen. »Das ist das Kriegsgeschrei der Comantschen; geben Sie Acht und schießen Sie nicht fehl!« rief Daniel laut aus und sagte dann zu Carl: »Schießen Sie immer dahin, wo Viele zusammen sind, und nicht zu nahe, damit das Schrot sich auseinander breitet.« Die Wilden kamen in drei Haufen mit einem betäubenden Zetergeschrei wie im Sturmwind herangesaust, und hatten in wenigen Augenblicken die Pallisaden bis auf vierzig Schritt erreicht, da krachte es aus den Schießscharten, und das tödtliche Blei fuhr aus den Gewehren der Ansiedler tausendfach in die nackten Körper der Indianer, daß dieselben in wilder Verwirrung durcheinander stürzten. Sie wichen aber nicht zurück, sie warfen ihre Lasso's über die Spitzen der Pallisaden und kletterten an den Stricken in die Höhe. Das mörderische Feuer aber, welches aus beiden Vorbauen der Festung auf sie unterhalten wurde, stürzte die Meisten zu Boden, und nur dreien von ihnen gelang es, unverwundet in das Fort herabzuspringen. Kaum aber berührten sie die Erde, als Pluto einen derselben niederriß und Carl den Wilden mit dem Revolver erschoß, in dem Augenblick, als derselbe die Streitaxt gegen den Hund erhob, Turner den zweiten mit einem Büchsenschusse tödtete, und Daniel sich mit dem Messer in der Hand auf den dritten warf und mit ihm zu Boden stürzte. Es war nur ein Kampf weniger Sekunden, dann sprang der Neger von seinem getödteten Gegner auf und eilte zu Carl zurück, um wieder durch die Schießscharte zu blicken. Die Indianer waren geflohen und sammelten sich abermals außer Schußweite, während viele Verwundete vor den Pallisaden sich heulend im Grase wanden und Todte hier und dort umherlagen. Jetzt sprang Daniel aus dem Vorbau durch den Hof nach der hintern Seite des Forts und ließ die Leiter auf den Felsen in den Fluß hinab, indem er seinen Gefährten zurief: »Schnell, schnell, retten Sie sich in den Wald, Madame Turner, Julie, schnell, schnell, ehe es zu spät wird!« Madame Turner und Julie waren bleich und bebend aus dem Hause getreten, und wie von einer höhern Macht getrieben, folgten Alle der Aufforderung des Negers. Turner stieg zuerst auf den Felsen hinab, ihm folgte seine Gattin, dann kamen ihre Kinder, und Carl stand noch zögernd an der Leiter, indem er die Hand des Negers ergriff, und sagte: »Du gehst mit uns, Daniel?« »Nein, nein, ich bleibe, es giebt noch _ein_ Mittel, die Niederlassung zu retten. Fort, fort, führen Sie die Ihrigen durch den Wald und eilen Sie nach Warwicks; der Allmächtige wird Sie in seinen Schutz nehmen!« Mit diesen Worten drängte der treue schwarze Freund seinen Liebling Carl auf die Leiter und auch dieser erreichte den Felsen. Turner sprang nun mit den Anderen in das Kanoe und ruderte an das jenseitige Ufer. Der Neger ergriff dann seine Doppelbüchse, öffnete schnell das Thor und stürzte nun hinaus vor das Fort, wo er im hellen Scheine des Feuerlichtes sich im Angesichte der noch berathenden Indianer aufstellte. »Kennt Ihr den schwarzen Panther der Delawaren?« schrie er mit donnernder Stimme den Comantschen zu, und schwang seine Axt hoch über sich durch die Luft, daß ihr blanker Stahl in dem Feuerschein blitzte. »Wer von Euch will den Scalp eines Delawaren erbeuten? So viele Haare, wie derselbe enthält, so viele Scalpe der Comantschen werden die Delawaren als Zahlung dafür nehmen. Kommt heran, wenn Ihr den schwarzen Panther besiegen wollt, bringt aber Eure besten Waffen mit!« Nun stimmte der Neger das furchtbare Kriegsgeschrei der Delawaren an und tanzte, seine Waffen über sich schwingend, nach dieser Schreckensmelodie deren Kriegstanz. Die Ueberraschung und zugleich der Schreck der Wilden war augenscheinlich groß, denn sie standen unbeweglich und stierten nach dem schwarzen Delawaren hinauf, auf dem das Licht des lodernden Kienholzes flackerte; nicht lange aber besannen sie sich, denn sie beredeten sich nur wenige Minuten, warfen dann ihre Waffen von sich und kamen, die Arme auf der Brust gekreuzt, auf Daniel zugeschritten. Der Häuptling nahm das Wort und sagte: »Die Comantschen sind Freunde der Delawaren und Freunde des schwarzen Panthers. Sie wußten nicht, daß ein Delaware unter diesen Bleichgesichtern lebte, sonst würden sie nicht nach deren Leben getrachtet haben. Laß uns unsere gefallenen Brüder mit uns nehmen und lösche Deine Feuer aus; Du kannst ruhig schlafen!« Dabei reichte er Daniel die Hand, machte dann nochmals das Zeichen der Freundschaft, und winkte seinen Leuten zu, die Todten und Verwundeten fortzuschaffen. Der Neger theilte ihm mit, daß noch drei Todte in dem Fort lägen und ging, von einer Anzahl Wilden gefolgt, in dasselbe hinein, welche die Erschlagenen davon trugen. Nach Verlauf von einer Stunde waren die Comantschen verschwunden und die Feuer in den Körben waren erloschen. Daniel saß in dem Zimmer an dem großen Tische und vor ihm brannte eine düstere Lampe. Er hatte seine Stirn in seine Hand gelegt und dachte an die Folgen dieser Nacht. Es war kein Zweifel darüber, daß binnen ganz kurzer Zeit die Delawaren von seinem Hiersein unterrichtet werden und sofort hier erscheinen würden, um seiner habhaft zu werden. Was sollte er thun? flüchtete er sich von hier, so mußten Turners mit ihrem Leben, oder wenn sie entkamen, mit ihrem Eigenthum dafür büßen, denn die Delawaren würden die ganze Niederlassung zerstören. Er würde dann die Ansiedelung aus den Händen der Comantschen gerettet haben, um ihre Vernichtung den Delawaren zu überlassen. Blieb er hier und überlieferte sich dem Leopard, so wußte er, daß ein schrecklicher Martertod seiner erbarmungslos harrte. Er saß lange Zeit regungslos an dem Tische und dachte an die Zukunft seiner Freunde, und der bleiche Schimmer des nahenden Tages stahl sich durch die Thür herein, als er aufstand und hinausging, um die Pferde in das Gras zu binden. -- Er hatte beschlossen, hier zu bleiben, und sich den Delawaren zu überliefern. Nachdem er die Pferde in die Weide geführt hatte, brachte er Alles im Fort wieder in Ordnung, was während der Verwirrung in der Nacht in Unordnung gerathen war; er reinigte die Gewehre, lud sie wieder, hing sie in Turners Zimmer an der Wand auf und verbrachte den Tag mit Arbeit im Fort und im Garten. Daß seine Freunde glücklich die Niederlassung am Choctawbache erreicht hatten, darüber war er beruhigt, denn Carl war ja bei ihnen, und er war überzeugt, daß sofort alle Männer von dort hierhereilen würden, um die Indianer zu vertreiben. So geschah es denn auch. Noch stand die Sonne hoch am westlichen Himmel, als eine Schaar von vierzig Reitern mit dem alten Warwick an ihrer Spitze aus dem Walde hervorgesprengt kam und zu dem Fort heraufjagte. Auch Turner und Carl befanden sich unter ihnen, und ihr Erstaunen war groß, als Daniel aus dem Fort hervortrat und ihnen mittheilte, daß die Comantschen in Frieden abgezogen seien. Auf die Frage, wie dies möglich und was sie dazu bewogen habe, sagte der Neger, er sei zu ihnen hinausgegangen und habe mit ihnen geredet und ihnen gesagt, daß die Männer am Choctawbache bald hier sein und sie verfolgen würden, so weit sie ihre Pferde tragen könnten. Wenn nun diese Mittheilung Warwicks und seinen Gefährten auch räthselhaft und unglaublich erschien, so war es doch Thatsache, daß Alles in und um das Fort sich unversehrt fand, und daß die Wilden sich entfernt hatten. Preis und Lob wurde über den treuen Neger ausgesprochen und Warwick meinte, daß Daniel im Besitze eines Zaubermittels sein müsse, durch welches er die Rothhäute gebändigt habe. Die Männer vom Choctawbache traten bald darauf ihren Heimweg wieder an und mit ihnen Warwicks beide Söhne, der Alte aber wollte hier bleiben, bis am folgenden Tage Madame Turner mit ihren Kindern hierher zurückgekehrt sein würde. Carl hatte in der Nacht die Seinigen glücklich durch den Wald geführt und hatte mit ihnen erst gegen Mittag die Niederlassung Warwicks erreicht, denn das Gehen in dem hohen Grase der Prairie war Madame Turner und den Kindern sehr mühsam geworden. Nur die Angst und das Entsetzen vor den Wilden hatte es ihnen überhaupt möglich gemacht, den Weg ohne Aufenthalt zurückzulegen, und zu Tode erschöpft waren sie bei ihren theilnehmenden Freunden angelangt. Die beiden Söhne Warwicks sollten ihnen nun die frohe Kunde bringen, daß alle Gefahr vorüber sei und sie dann am folgenden Tage zu Pferde nach dem Fort zurückgeleiten. Carl ritt ihnen am nächsten Morgen entgegen und langte dann auch noch vor der Mittagszeit mit ihnen wohlbehalten zu Hause an. Madame Turner rief allen Segen des Himmels auf den treuen Daniel herab und ihre Danksagungen wollten kein Ende nehmen. Der alte Warwick frohlockte über das Ereigniß, welches Turners unter so großer Gefahr glücklich überstanden hatten; denn er meinte, daß sie nun, nachdem die Comantschen, die mächtigsten Indianer dieses Landes, ihren Angriff aufgegeben hätten, vor allen übrigen Wilden sicher wären und weissagte ihnen nun ungestörten Frieden in ihrem Eigenthum. Seine langjährige Erfahrung, seine genaue Bekanntschaft mit dem Thun und Lassen der Indianer und seine zuversichtlichen Worte flößten Turners Vertrauen ein und beruhigten ihre Gemüther, denn immer noch klangen die Schreckenstöne der Wilden durch ihre Seelen. Der biedere alte Freund scherzte und lachte über die einzelnen Scenen in jener Nacht, und that Alles, um die erschreckten Herzen der Ansiedler aufzuheitern. Er verweilte bei ihnen, bis die Sonne sich neigte, sagte ihnen dann ein herzliches Lebewohl, versprach bald wieder zu kommen, und trat dann mit seinen beiden Söhnen den Heimritt an. Die sorglose Ruhe, der glückliche Friede, welche bisher die Ansiedler umgeben hatten, waren aber tief erschüttert, und mit Bangen und Zagen sahen sie jetzt immer die Nacht hereinbrechen. Daniel that sein Möglichstes, ruhig und sorglos zu erscheinen, um seinen Freunden Muth zu geben und vor ihnen seinen eignen Seelenkampf zu verbergen, der ihm, wo er ging, wo er stand, sein unvermeidliches furchtbares Ende vorspiegelte. Tage verstrichen aber, und Wochen eilten dahin, ohne daß die Ruhe im Fort abermals gestört worden wäre, und dem Frühling mit seinen tausend Schönheiten, seinen zahllosen Reizen gelang es, die Herzen der Bedrängten wieder zu ermuthigen, zu erfreuen. Die ganze Natur war ja heiter und festlich gestimmt, es war ja kaum möglich, an etwas Trauriges, etwas Schreckliches zu denken, denn das Bild eines ewigen Friedens umgab die Niederlassung. Bei Turners zog nach und nach das frühere Glück, die frühere heitere Zuversicht in ihre Zukunft wieder ein; aber im Herzen Daniels wurde es von Tag zu Tag trüber, und mit Bangen schloß er Abends das Fort, mit Bangen blickte er Morgens über dessen Umgebung. Er wollte seinem Schicksal nicht entgehen, er wollte sich für seine Freunde opfern, aber es schauderte ihn, dachte er an die grausame Rache der Indianer. Er war stets der Erste, der Morgens einen Blick aus den Schießscharten der Pallisaden warf, um zu sehen, ob die Delawaren das Fort noch nicht umstellt hätten; denn sobald dieselben erschienen sein würden, wollte er sich durch Turner an sie ausliefern lassen, damit bei den Indianern jeder Vorwurf gegen seine Freunde verschwinden möge. Abschnitt 8. Aufopferung. -- Stummer Abschied. -- Der Falbe. -- Das Rennen wider Willen. -- Das Handelshaus. -- Großer Büffelfang. -- Der Panther. -- Dankbarkeit. -- Das Wiedersehen. Daniel hatte sich eines Morgens so eben mit dem Gedanken an die Delawaren von seinem Lager erhoben, und trat in den Hof, um einen Blick über die Prairie zu thun, als das laute, lärmende Gebell der Hunde außerhalb des Forts ihm wie ein Blitzstrahl durch die Seele fuhr. Er sah im Geiste seine Henker nahen, sprang an die Schießöffnung, und nun ward der Gedanke zur Wahrheit; denn dort kamen die Delawaren mit Leopard an der Spitze im Galopp über das wogende Gras dem Fort zugejagt. Die Liebe zum Leben, der Trieb der Selbsterhaltung blitzte mit einem Gedanken an die Leiter und an das Kanoe in Daniel auf; noch war es Zeit, zu fliehen, noch konnte er dem Tode unter den Händen der Barbaren entgehen! Er blickte nach dem Abhang, wo die Leiter lag, er sah aber auch die geschlossenen Thüren, hinter welchen seine Freunde in sorglosem glücklichen Schlummer ruhten, und verschwunden war jedes Wanken, jedes Zagen, er wollte sich seinen Feinden überliefern. Der Lärm der Hunde brachte nun auch Carl und Turner erschreckt in den Hof, doch Daniel rief ihnen zu, es seien die Delawaren, die sich naheten und von denen sie Nichts zu befürchten hätten. »Die Delawaren -- doch nicht mit Leopard?« rief Turner erschrocken; »dann eile fort in den Wald, Daniel, daß sie Dich nicht hier finden!« »Sie kommen, um mich zu holen, und ich werde mit ihnen gehen,« antwortete der Neger entschlossen. »Nimmermehr, nun und nimmermehr, Daniel, lieber wollen wir uns sämmtlich unter den Trümmern des Forts begraben lassen. Fort, guter Daniel, fort in das Boot, noch ist es Zeit,« rief Turner dringend und zog den Neger nach der Leiter hin. »Es ist umsonst, die Delawaren wissen durch die Comantschen, daß ich hier bin; denn diesen habe ich es in jener Nacht gesagt, um sie von weiteren Feindseligkeiten abzuhalten. Durch meine Flucht würde ich Sie sämmtlich dem Tode weihen. Ich liefere mich an Leopard aus,« sagte Daniel unerschütterlich, und weigerte sich, die Leiter zu betreten, welche Carl auf den Felsen hinabgelassen hatte. Dieser, so wie Turner aber schlangen ihre Arme um den treuen Freund und flehten und beschworen ihn, zu fliehen, und sie ihrem Schicksale zu überlassen. Daniel aber blieb bei seinem Entschluß, und zeigte einige Augenblicke später nach dem jenseitigen Ufer, wo jetzt vor dem Walde schon mehrere Delawaren erschienen. »So werden wir mit Dir sterben, Daniel, lebendig sollen diese Barbaren weder Dich noch uns in die Hände bekommen. Carl, hole die Waffen!« rief Turner außer sich, schlang abermals seine Arme um den Freund und flehte ihn an, sich zu vertheidigen. »Halloh, weißer Mann, höre mich, ich bin Leopard, der Delawarenhäuptling!« rief jetzt die Donnerstimme des Indianers außerhalb des Forts, indem derselbe mit seiner Streitaxt an das Thor schlug. »Was willst Du, kommst Du als Freund oder als Feind zu mir? Bedenke, daß ich mich unter dem Schutze des Präsidenten der Vereinigten Staaten befinde, in dessen Diensten Du stehst.« »Ich komme als Freund zu Dir und bitte Dich, mir mein Eigenthum, den schwarzen Panther auszuliefern, der unter Deinem Dache wohnt.« »Du hast kein Eigenthumsrecht an ihn, denn dein Vater hat dessen Eltern geraubt und sie zu seinen Sklaven gemacht,« entgegnete Turner entschlossen. »Richte über Deine eigenen Angelegenheiten, nicht über die meinigen. Ich werde mein Eigenthum, den schwarzen Panther, lebendig oder todt mit mir von hier nehmen. Er kann mir nicht entgehen, denn ich werde Deine Festung umstellt halten, bis der Hunger Euch Alle tödtet, oder bis Ihr mir den schwarzen Panther überliefert. Ich lehne mich nicht gegen den Willen des großen Vaters, des Präsidenten der Vereinigten Staaten auf, denn ich werde keine Gewalt gegen Dich gebrauchen und Deine Holzwände nicht ersteigen; es soll kein Fuß eines Delawaren Dein Haus betreten, Du magst frei ein- und ausgehen, aber Lebensmittel lasse ich nicht in Deine Festung ein, bis der schwarze Panther in meinen Händen ist.« »Ich werde Dir folgen, Leopard, obgleich Du kein Recht an mir hast,« schrie Daniel dem Indianer zu, doch Turner unterbrach ihn und rief: »So entferne Dich von meinem Eigenthum, so weit, daß Dich meine Kugeln nicht erreichen können; ich werde mich und meinen Freund Daniel vertheidigen, und meine Freunde vom Choctawbache werden bald hier sein und mir beistehen!« »Thue, was Du willst, der Leopard redet nur _einmal_!« rief der Häuptling von draußen und gab weiter keine Antwort. Madame Turner und die Kinder waren zu Tode erschrocken in den Hof gekommen, und hörten mit Entsetzen, um was es sich handele. Sie weinten und jammerten, und hingen sich flehend an Daniel, der bei seinem Entschluß blieb, das Fort zu verlassen und sich den Delawaren zu überliefern. Als Turner durch eine Schießöffnung blickte, sah er, daß die Indianer außer Schußweite rings um das Fort ihre Zelte aufgeschlagen hatten, und daß ihre Pferde weiterhin im Grase weideten. »Noch eine Bitte mußt Du mir zugestehen, Daniel, Du mußt hier bleiben, bis ich nochmals mit dem Häuptling gesprochen habe,« sagte Turner nun zu dem Neger, »ich will hinaus zu ihm gehen und will ihm all mein vorräthiges Geld bieten, um Dich frei zu kaufen. Ich habe noch mehr, als er für Dich fordern kann.« Daniel stellte ihm vor, daß es umsonst sein würde; Madame Turner und die Kinder hingen sich an Turner, und wollten ihn nicht hinausgehen lassen; doch er blieb bei seinem Entschluß, und öffnete das Thor. Carl mußte es wieder hinter ihm verschließen, und nun schritt er den Hügel hinab dem Zelte zu, vor welchem er den Häuptling sitzen sah. »Sei mir willkommen in meinem Lager,« sagte Leopard, dem Nahenden entgegen gehend, und bot ihm die Hand zum Gruß; »die Delawaren sind Freunde der weißen Männer.« Damit leitete er Turner vor sein Zelt und ließ ihn neben sich auf einer Büffelhaut Platz nehmen. »So zeige es mir, daß Du mein Freund bist, ich fordere einen Freundschaftsdienst von Dir und will Deinen Schaden nicht. Verkaufe mir den Neger, ich bin bereit, Dir einige tausend Dollar für ihn zu geben; mehr Geld besitze ich nicht,« sagte Turner, und ergriff bittend die Hand des Häuptlings. »Geld kann kein Unrecht gut machen, welches einem Delawaren zugefügt ist. Behalte Du Dein Geld und gieb mir meinen schwarzen Panther,« antwortete der Häuptling mit unerschütterlicher Bestimmtheit. »Nun, so will ich versuchen, ob meine Freunde am Choctawbache mir auf mein ganzes Eigenthum noch Geld borgen wollen, ich zahle Dir Alles, was ich aufbringen kann für den Neger,« nahm Turner wieder das Wort. »Und wenn Du mir alles Geld der weißen Männer geben könntest, so würde ich Dir den schwarzen Panther nicht dafür verkaufen,« entgegnete Leopard mit einem finstern Blick, und blieb gegen alle Vorschläge, alles Flehen Turners unerbittlich. Mit blutendem Herzen kehrte dieser unverrichteter Sache in das Fort zurück, und gab sich dort mit den Seinigen dem Schmerz und dem Jammer über das unvermeidliche Schicksal des geliebten Freundes hin. Den Tag verbrachten die schwer Bedrängten unter Wehklagen und Thränen, nur Carls Augen waren trocken geworden, und es glänzte ein Gedanke auf deren Spiegel, der in seiner Seele immer lebendiger aufstieg. Er wurde stumm und nachdenkend, und erst, als die Sonne sich neigte, sagte er zu Turner: »Ich will noch einmal mit dem Häuptling reden, vielleicht gelingt es mir, ihn milder zu stimmen; er ist mir sehr gut gewesen.« Turner schlang seinen Arm um den braven Knaben und drückte ihn innig an seine Brust, indem er sagte: »Du meinst es so gut, Carl, der Himmel mag Dich unterstützen, ich fürchte aber, es wird auch umsonst sein. Gehe mit Gott und versuche es, das Herz des Wilden zu erweichen.« Darauf geleitete Turner den Knaben zu dem Thore und ließ ihn hinaus. Als Carl den Hügel hinabschritt, kam ihm der Häuptling schon von Weitem entgegen und empfing ihn mit den Worten: »Warum willst Du mich zwingen, auch Dir eine Bitte abzuschlagen, da Du weißt, daß ich sie Dir nicht gewähren kann, und da Du weißt, wie gut ich Dir bin? Habe ich Dir doch gesagt, wie leid es mir thut, daß Du nicht als Delaware geboren bist!« »Und wenn ich nun dennoch ein Delaware werden wollte, ein treuer Delaware mit Leib und Seele, würdest Du mich nicht lieber haben, als ihn?« Bei diesen Worten Carls war es, als ob ein plötzlicher Sonnenschein über die finstern Züge des Häuptlings führe, er sah den Knaben überrascht und in höchstem Erstaunen an, ergriff plötzlich dessen beide Hände, zog ihn an seine Brust und schlang seine sehnigen Arme um ihn. »Du, ein Delaware?« rief er, außer sich vor Freude; »und wenn ich hundert schwarze Panther für Dich geben müßte, so solltest Du ein Delaware werden! Dein Herz ist groß, ja es ist größer für Freundschaft, als das meinige, ich will Dir aber ein eben so guter Freund sein, als Du es dem schwarzen Panther bist. Ja, Knabe, Du sollst Delaware, Du sollst mein Freund werden, und ich gebe den schwarzen Panther für Dich auf.« »Du mußt ihm nicht allein seine Freiheit geben, er muß als Delaware unter Deinem Schutze bei den Meinigen bleiben, damit sie und ihr Eigenthum gegen jede Feindseligkeit anderer Indianer sicher gestellt werden. Willigst Du hierin ein, so ziehe ich mit Dir, und will Dir ein treuer Freund sein,« sagte Carl mit freudestrahlendem Blick; denn nun hoffte er nicht allein, seinen Freund Daniel zu retten, er hoffte auch, für immer alle Gefahren von seinen Lieben abzuwenden. »Ich gehe es ein, der schwarze Panther ist frei, er bleibt als Delaware bei den Deinigen, und wer ihren Frieden stört, dessen Herz sollen die Delawaren den Wölfen hinwerfen. Du ziehst mit mir, Carl, Du sollst auf meinem Lager schlafen, sollst mit mir essen, mit mir jagen und kämpfen und die Delawaren werden Dich lieben und ihren letzten Scalp für Dich hingeben, wenn Du in Gefahr kommen solltest.« Hiemit reichte der Häuptling Carl die Hand und dieser schlug ein. »Wird Dein Onkel Dich aber mit mir gehen lassen?« fragte der Indianer nun bedenklich, »ich darf Dich nicht rauben.« »Ich gehe aus eignem Willen mit Dir, freilich muß es heimlich geschehen. Ich sage es meinem Onkel schriftlich, daß ich freiwillig mit Dir gezogen bin, und lasse den Brief in meinem Zimmer zurück. In dieser Nacht, wenn Alles im Fort schläft, schleiche ich mich davon und komme zu Dir; noch ehe der Tag graut, müssen wir weit von hier fort sein. Halte Alles zum schnellen Aufbruch bereit, nach Mitternacht bin ich bei Dir.« Mit dem beseligenden Gedanken, durch sein Handeln die Seinigen für immer vor allen Gefahren zu schützen und seinen Freund Daniel dem Tode zu entreißen, verließ Carl den Häuptling und kehrte leichtern Herzens in das Fort zurück. »Du bringst frohe Kunde, Carl, ich lese es auf Deinen Zügen,« sagte Turner, als er den Knaben am Thor empfing und, von Hoffnung bewegt, dessen Hand ergriff. »Der Häuptling ist friedlicher gestimmt, er will morgen noch einmal mit Dir reden,« entgegnete Carl entschlossen, sein Vorhaben, welches er für das Wohl seiner Lieben ausführen wollte, nicht auf seinen Zügen zu verrathen. »Gottlob!« sagte Turner, »nun wird sich doch noch Alles zum Guten wenden; Carl, Du bist und bleibst unser Schutzengel.« Madame Turner dankte dem Knaben unter Thränen für den neuen Beweis seiner Liebe, und Daniel gab sich mit den innigsten Danksagungen der Hoffnung hin, daß sein Geschick eine günstige Wendung nehmen möge. Als die Sonne versunken war und Turner daran erinnerte, daß die Pferde in das Fort hereingebracht werden müßten, sagte Carl: »Ich will sie zum Wasser führen und sie dann wieder in das Gras bringen; wir wollen sie während der Nacht draußen lassen. Es zeigt von Mißtrauen gegen die Delawaren, wenn wir sie hereinholen.« Turner stimmte seiner Ansicht bei, und Carl tränkte nun die Pferde und band sie dann wieder in die Weide, seinem Rappen aber gab er dabei einen Platz nicht weit von dem Zelte des Häuptlings. Nachdem er in das Fort zurückgekehrt war und die Seinigen mit Daniel in dem Speisezimmer versammelt fand, ging er in seine Stube und schrieb schnell einen Abschiedsbrief an alle seine Lieben. Er theilte ihnen den Grund mit, weßhalb er sie verließ, sagte ihnen, daß es ihn hoch beglücke, sie allen Gefahren zu überheben, und bat sie, sich nicht über sein Entfernen zu grämen, da es ihm ja gut gehen würde, und er sie im nächsten Herbst besuchen wolle. Er schloß den Brief mit der Bitte, ihm nicht zu folgen, da er fest entschlossen sei, bei den Delawaren zu bleiben, und ihn nichts vermögen werde, in das Fort zurückzukehren. Er richtete diese letzten Worte insbesondere an Daniel, beschwur ihn, nun treulich bei den Seinigen auszuhalten, und dadurch Carls Schritt zu heiligen. Die Thränen, welche während des Schreibens seinen Augen entquollen, gestatteten ihm kaum, den Brief zu beenden, und er mußte sich wiederholt dabei unterbrechen. Als er ihn endlich geschlossen hatte, richtete er die Aufschrift an seinen Onkel, und verbarg dann das Schreiben in seiner Lederjacke. Er steckte nun schnell alle Gegenstände, die er mitnehmen wollte, in seine Jagdtasche, hing dieselbe neben seine Waffen, und ging dann zu den Seinigen, um mit ihnen das Abendbrod zu verzehren. Mit schwerem Herzen setzte er sich an dem Tische nieder, es war ja zum letzten Male, daß er sich hier mit seinen Lieben versammelte, und unbemerkt wischte er die Thränen von seinen Augen, die er nicht zurückhalten konnte. Sein Schweigen und sein Ernst fiel nicht auf, denn auch die Anderen saßen bekümmert und wortkarg da, und dachten an das Schicksal Daniels, welches erst morgen entschieden werden sollte. Carl erhob sich zuerst, um sich zur Ruhe zu begeben, und die Anderen folgten seinem Beispiel; denn die Stimmung war zu traurig, um ein längeres Zusammensein zu veranlassen. Carl küßte die Seinigen, wie er immer zu thun pflegte, wenn er ihnen eine gute Nacht wünschte; er küßte sie aber inniger, heißer und länger als sonst, denn er nahm einen stummen Abschied von ihnen. Er weinte dabei bitterlich, welches man der Ungewißheit über Daniels Schicksal zuschrieb, und Turner suchte Carl zu beruhigen, und tröstete ihn mit dem Vertrauen auf den Allmächtigen, der ihnen beistehen würde. Alle begaben sich nach ihren Ruhestätten, doch der Schlaf blieb ihnen noch lange fern, und erst gegen Mitternacht hatten die Bewohner des Forts die Augen geschlossen; nur Carl war noch wach, fühlte von Zeit zu Zeit auf dem Zifferblatt seiner Uhr, wie spät es sei, und lauschte nach den Athemzügen Daniels, ob derselbe auch fest schlafe. Es war schon lange nach Mitternacht, als er sich leise von seinem Lager erhob, sich schnell ankleidete und den Brief an seinen Onkel auf den Tisch legte. Dann schnallte er die Revolver und das Jagdmesser um, hing die Jagdtasche über seine Schulter, nahm die Jaguarhaut und seine wollene Decke, ergriff die Büchse und schlich vorsichtig in den Hof hinaus. Pluto kam freudig zu ihm herangesprungen, Carl aber wies ihn liebkosend zur Ruhe, und schritt nach dem Thore, welches er geräuschlos öffnete. Er ging hinaus, trug sein Gepäck an die vordere Wand der Pallisaden, und kehrte noch einmal in das Fort zurück, um sein Sattelzeug zu holen. Als er wieder durch das Thor hinausschritt, wollte Pluto ihm folgen, er drückte den Hund aber schmeichelnd zurück, und schob das Thor hinter sich zu. Nun eilte er mit Sattel und Zeug den Hügel hinab zu dem Zelt des Häuptlings, wo dieser ihn beim Feuer freudig empfing und ihm sagte, daß Alles zur Abreise bereit sei. Carl lief nun noch einmal zu den Pallisaden hinauf, um seine dort niedergelegten übrigen Sachen zu holen, sandte noch einen heißen innigen Abschied aus der Tiefe seines Herzens an alle seine Lieben, und ging dann wieder zu Leopard, dessen Zelt bereits zusammengepackt war und auf den Rücken eines Pferdes gebunden wurde. Carl führte seinen Rappen zum Feuer, legte ihm schnell das Reitzeug und Gepäck auf, wobei der Häuptling ihm behülflich war, und stieg dann in den Sattel, während die Indianer sich zu Pferde um ihn sammelten und freudig in ihm ihren neuen Gefährten begrüßten. Bald war nun auch der Häuptling zu Roß, und der Reiterzug setzte sich, mit ihm und Carl an der Spitze, in Bewegung, während dieser seinen thränenschweren Blick auf die dunklen Umrisse des Forts gerichtet hielt, und im Stillen den geliebten dort Ruhenden sein letztes heißes Lebewohl sagte. Lautlos zogen sie in eiligem Schritt durch die dunkle Nacht dahin, und bald war der letzte Lichtschein der verlassenen Lagerfeuer und die schwarze Form der Pallisadenwände ihren Blicken entschwunden. In dem Fort aber herrschte Todtenstille, denn selbst das gewohnte Geräusch, welches die Pferde während der Nacht dort zu erregen pflegten, unterbrach die Ruhe nicht. Der Morgen graute und Daniel erwachte mit dem festen Entschluß, sich heute dem Häuptling zu überliefern, wenn die bevorstehende Unterhandlung mit demselben keinen friedlichen Vergleich herbeiführen sollte. Er erhob sich leise von seinem Lager, um seinen Freund Carl nicht im Schlafe zu stören, da gewahrte er, daß Carls Bett leer war. Der Neger erschrak und richtete seinen nächsten Blick nach der Wand, wo die Waffen des Knaben zu hängen pflegten; sie waren fort. Jetzt sah er den Brief auf dem Tische liegen und erkannte die Handschrift seines Freundes, denn dieser hatte ihm ja Unterricht im Schreiben ertheilt. Ein Brief von Carl, an seinen Onkel gerichtet, -- was konnte die Veranlassung dazu sein -- warum war Carl nicht hier? Der Neger zitterte am ganzen Körper, mit dem Brief in der Hand stürzte er hinaus in den Hof und nach dem Thore -- das Thor war offen, und die Indianer waren verschwunden! Wie gelähmt stand Daniel da, und sah auf den Brief, der in seiner bebenden Hand zitterte; das Papier sagte ihm, was der Knabe für ihn gethan hatte. Ohne Worte, ohne Thränen sank er auf die Kniee und preßte den Brief zitternd mit beiden Händen auf sein Herz. Er wußte nicht, was er that, wußte nicht, was er thun sollte, das Geschehene war zu ungeheuer, zu schrecklich, als daß er es hätte fassen können, es drückte ihn, wie ein riesiges Unglück zu Boden und preßte ihm das Herz und die Brust zusammen. Plötzlich aber fuhr er auf, stürzte in das Fort hinein zu Turners Haus und schrie: »Carl ist fort, Herr Turner, Carl ist fort!« »Was sagst Du, Carl fort?« rief Turner, aus dem Zimmer hervorspringend, und ergriff hastig den Brief, den ihm der Neger entgegenstreckte. »Er ist fort, Herr, er ist mit den Delawaren fortgezogen. Lesen Sie, lesen Sie schnell, ich muß ihn noch einholen und ihn aus den Händen der Indianer befreien; ich bin es, dessen Besitz sie verlangten, nicht Carl, mich sollen sie haben!« schrie der Neger in höchster Verzweiflung und stierte auf den Brief, den Turner mit zitternder Hand entfaltet hatte und ihn mit ängstlicher Hast durchflog. »Carl, Carl!« klagte er dann mit einem Blick zum Himmel, und ließ sein Antlitz auf den Brief in seine beiden Hände sinken. »Er soll zurückkehren, Sie sollen ihn wieder haben!« schrie der Neger, und wollte davon eilen, doch Turner ergriff ihn beim Arm und sagte: »Es ist umsonst, Daniel, er wird nicht zurückkehren! Glaubst Du, daß Carl seine Freiheit mit Deinem Leben erkaufen würde?« »Er soll, er muß zurückkehren, die Delawaren sollen mich tödten, und dann bleibt Carl nicht bei ihnen,« rief Daniel, und wollte sich von Turner losreißen; doch dieser hielt ihn zurück und sagte: »So höre, was er schreibt, und was er Dir in diesem Briefe sagt, dann wirst Du einsehen, daß es nutzlos wäre, wenn Du ihm folgtest.« Turner las nun dem Neger den Brief vor, und dieser stand wie vernichtet da, rang die Hände und jammerte wieder und wieder: »Warum habe ich mich auch nicht gleich selbst ausgeliefert!« »Es war nicht Deine Schuld, Daniel, wir selbst haben Dich ja gehalten. Der Himmel, der Alles so gefügt hat, wird unsern Liebling beschützen, und ihn doch wieder in unsere Arme zurückführen. Carl lebt, er lebt nur für uns, und weiß, daß mit ihm ein großer Theil unseres Glücks verloren ist. Er wird wiederkehren!« So suchte Turner den treuen Neger und sich selbst zu trösten, und den herzzerreißenden Schmerz von sich abzuwehren; als er aber seiner Gattin und den Kindern die Kunde von Carls Aufopferung überbrachte, da überwältigte sie sämmtlich der Jammer, und sie brachen weinend und schluchzend in lautes Wehklagen aus. Carl ritt immer noch schweigend an der Seite des Häuptlings, und immer noch entfielen Thränen seinen Augen. »Dein Herz ist traurig, Carl,« sagte Leopard theilnehmend zu ihm, »und das macht auch mich traurig; meine Freude aber darüber, daß Du mein Freund werden willst, ist groß, und soll Dich wieder froh machen. Die Delawaren werden Dich lieben, und Du wirst einst ein großer Mann unter ihnen sein, sie werden Dir folgen, wenn der Leopard zu schwach wird, um sein Jagdroß zu reiten, und sein Auge zu matt, um die Kugel in das Herz des Wildes zu senden. Du sollst die schönsten Pferde haben, und die Frauen der Delawaren werden die prächtigsten Häute für Dich zubereiten und Dir die weichsten Jagdhemden und Gamaschen anfertigen.« »Ich bin mit Allem zufrieden, wenn ich nur weiß, daß es meinen Freunden am Bärflusse gut geht,« antwortete Carl, mit feuchtem Auge auf die glänzend schwarzen Mähnen niedersehend, die der Rappenhengst in seinem Uebermuthe schüttelte. »Niemand soll und wird nun noch den Frieden Deiner Freunde stören, und Du wirst sie zweimal des Jahrs wiedersehen und sie erfreuen.« »Das hast Du mir versprochen, Leopard, und mußt es halten; nur mit dieser Hoffnung kann ich fern von ihnen zufrieden sein.« »Du wirst zufrieden, Du wirst glücklich sein, denn unser Leben ist ein glücklicheres, als das der Weißen. Wir haben Alles, wonach unsere Herzen sich sehnen; die Weißen haben niemals das, wonach sie streben; das Geld stiehlt ihnen die Ruhe, wir lachen darüber; uns kann das Geld nicht froh, nicht traurig machen.« Carl blieb wortkarg, doch der Häuptling hörte nicht auf, ihn zu unterhalten und ihm das Leben der Indianer von der schönsten Seite zu schildern. Währenddem eilten sie nach Nordwest dahin über die mit Blumen übersäete Prairie, auf der das trockene Gras vermodert zur Erde gesunken und die frischgrünen Halme darüber mit der Blüthenpracht des Frühlings aufgeschossen waren. Der Häuptling wollte der Grenze des Prairiebrandes bis an den rothen Fluß folgen, weil er dort das meiste Wild anzutreffen hoffte. Er ritt mit Carl den übrigen Indianern in ziemlich großer Entfernung voraus, um seinem jungen Freunde Gelegenheit zu geben, während der Reise mitunter ein Stück Wild zu erlegen, die Reiterschaar folgte ihnen langsam nach, hinter derselben kamen die Pferde, die mit den Zelten, Geräthschaften und Vorräthen aller Art beladen waren, und den Zug beschlossen die Frauen, welche die Packthiere vorwärts trieben und sie zusammenhielten. Carl that im Laufe des Tages wiederholt einen Meisterschuß auf Wild, welches der Häuptling dann, stolz auf die Geschicklichkeit des Knaben, seinen ihm folgenden Leuten überwies. Der Abend brachte sie in den Eichwald, wo Carl den furchtbaren grauen Bären erlegt hatte, und an dem Wasser, wo er seinen Falben wiederfand, wurde das Lager für die Nacht aufgeschlagen. Er benutzte das Dämmerlicht noch zur Jagd, wobei er zwei Antilopen erlegte, welche von den beiden Indianern, die ihn begleitet hatten, im Triumph in das Lager getragen wurden. Mit Sonnenaufgang setzte sich am folgenden Morgen die Schaar wieder in Bewegung und folgte dem Saume des Eichwaldes, der sich bis zu den Ufern des rothen Flusses hinaufzog, und neben welchem die Prairie bis dorthin durch jenen Schreckensbrand abgesengt war. Das junge Gras hatte sie aber schon mit einer fußhohen Decke überzogen, auf welcher in allen Richtungen Büffel, Hirsche und Antilopen weideten. Es war ein reizender Tagesmarsch unter dem schattigen Laubdach der Eichen auf der feinen dichten Grasdecke, aus welcher sich die mächtigen Stämme erhoben. Weithin wanderte das Auge, da nirgends ein Dickicht die Fernsicht hemmte, und der Blick konnte kaum eine Richtung finden, wo er nicht auf Wild traf. Besonders zahlreich waren die Züge wilder Truthähne, die sich um diese Jahreszeit zu Hunderten versammeln, während die Hennen einsam im hohen Grase der Prairie, oder im Dickicht der Wälder auf ihren Eiern sitzen und brüten. In endlosen Reihen flohen die Hähne vor der nahenden Reiterschaar, und wiederholt sprengte der Häuptling mit seinem jungen Freunde ihnen nach, bis sie sich prasselnd in die Luft erhoben und sich in die hohen Eichen schwangen. Dann holte jede Büchsenkugel der beiden Reiter einen dieser colossalen Vögel auf die Erde herab, und Carl schoß zur Freude Leopards auch einige derselben mit dem Revolver herunter. Ohne zu rasten, ging es während des ganzen Tages in dem kühlen Schatten des lichten Waldes vorwärts, während die Sonne heiß auf die Baumkronen niederbrannte, und ihre Strahlen hier und dort ein blendendes Licht auf den frischgrünen Boden warfen. »Dort weidet ein starkes Rudel wilder Pferde, sie sind uns noch nicht gewahr geworden,« sagte der Häuptling zu Carl, und zeigte unter den Bäumen hin nach dem Saume der Prairie. »Ach, wenn wir doch nahe an sie hinanreiten könnten; es sind zu schöne Thiere. Ich meine immer, das Pferd wäre in seiner Freiheit viel stolzer als in der Gefangenschaft.« »Wenn Dir das Spaß macht, so reite nur dicht hinter mir her, ich will Dich ganz nahe zu ihnen führen. Du mußt Dich aber auf den Hals Deines Pferdes legen,« entgegnete der Häuptling, und ritt nun weiter seitwärts unter den Eichen hin, bis er eine recht große Zahl von Stämmen zwischen sich und den Rossen sah, so daß er durch sie mehr oder weniger den Blicken der Thiere entzogen wurde. Dann ritt er auf sie zu, wählte aber immer die Richtung, in welcher er die meisten Baumstämme vor sich hatte. Es lagen wohl noch fünfhundert Schritte zwischen den beiden Reitern und den wilden Pferden, die noch immer ganz sorglos grasten, als Carl dem Häuptling plötzlich leise zurief: »Halt, halt, Leopard, halt Dein Pferd zurück!« und schnell sein Fernglas aus der Tasche hervorzog und es vor sein Auge hob. Der Häuptling hielt sein Roß an, und sah erst nach seinem Gefährten, dann aber wandte er, wie dieser, seinen Blick gleichfalls nach der wilden Heerde. »Du suchst wohl Deinen todten Liebling unter ihnen?« fragte Leopard lachend. »Ja, wahrhaftig, dort steht ein Pferd, welches gerade so aussieht, wie mein Falber, wenn er sich nur noch etwas zur Seite wenden wollte,« entgegnete Carl in großem Eifer, und hielt das Glas unbeweglich vor sein Auge. Nach einer Weile fuhr er noch bewegter fort: »Jetzt wendet es sich, -- wahrhaftig, es ist mein Falber, ich sehe den Satteldruck auf seinem Rücken!« Mit diesen Worten zeigte Carl, ganz außer sich vor Freude, nach einem Pferde hin, welches etwas seitwärts von der Heerde nahe an der Prairie weidete. »Wäre es möglich -- laß mich einmal durch Dein Glas sehen,« sagte der Häuptling, und nahm dasselbe dem Knaben ab. Nachdem er einige Augenblicke nach dem Thiere hingeschaut hatte, sagte er rasch: »Das Pferd hat schon einen Sattel getragen, und wenn Du sagst, daß es Dein Falber sei, so sollst Du ihn auch wieder reiten. Bleibe hier hinter diesen Eichen halten, bis ich zurückkomme, ich muß mein Kriegspferd reiten, wenn ich Deinen Falben fangen will.« Hiermit lenkte er sein Roß eilig auf demselben Wege zurück, auf dem er gekommen war, und nach einer Weile sah Carl ihn in fliegendem Laufe davon jagen. Die anderen Indianer waren noch weit zurück, so daß Carl noch nichts von ihnen entdecken konnte. Mit hochschlagendem Herzen hielt er nun seinen Blick durch das Glas auf den Falben gerichtet, und überzeugte sich immer mehr, daß derselbe sein todtgeglaubter Liebling sei. Ungeduldig spähete er wieder durch den Wald zurück, ob der Häuptling noch nicht sichtbar würde, und lauschte nach den Hufschlägen seines Rosses. Noch war nichts von ihm zu sehen, und mit Bangigkeit blickte Carl dann wieder nach der Heerde, ob sie auch nicht unruhig werde. Die Thiere aber grasten ganz vertraut, und hier und dort legte sich eins derselben im Grase nieder. Es schien, daß sein Falber noch immer von den übrigen Rossen als Fremdling angesehen werde, da er sich stets in einer gewissen Entfernung von ihnen hielt, und dies bestärkte Carl noch mehr in seiner Ueberzeugung, daß es sein Pferd sei. Der Häuptling blieb erschrecklich lange für Carl aus, und die Ungeduld des Knaben, so wie dessen Besorgniß, daß die Heerde plötzlich davon eilen würde, steigerte sich von Minute zu Minute; er strengte seinen Blick mit allen Kräften an, um den Schimmel, den Leopard reiten wollte, in der Ferne zu erspähen, da sah er ihn plötzlich weiter seitwärts sich nahen, und zwar schon in nicht großer Entfernung. In verhaltenem Schritt kam der edle Schimmelhengst zwischen den dichtstehenden Baumstämmen herangeschritten, er war mit einer prächtigen Jaguarhaut geziert, die über seinen Sattel ausgebreitet lag, und auf welcher der Indianerhäuptling, von aller Kleidung entblößt, saß. Nur ein breites Stück feuerrothen Tuches umgab dessen Hüfte, und statt der Waffen hielt er einen sehr langen Lasso aufgeschlungen in seiner Rechten. Stolz hob sich seine muskulöse schlanke rothbraune Gestalt über dem muthigen blendend weißen Rosse empor, und sein langes glänzend schwarzes Haar hing weit über seine breiten Schultern herab. Als er näher kam, mäßigte er noch mehr den Schritt des Pferdes und legte sich hinter dessen breiten Hals. Bald hatte er Carl erreicht und sagte: »Wenn Dein Falber wirklich so schnelle Füße und so langen Athem besitzt, wie Du mir gesagt hast, so wird es eine heiße Jagd geben; noch aber habe ich kein Pferd gesehen, welches im Laufe vor meinem Hengst bleiben konnte. Halte Dich nur hinter mir, wir wollen so nahe wie möglich unbemerkt zu dem Falben reiten; wird er uns aber gewahr, dann ist keine Zeit zu verlieren. Dann sorge nur, daß Du mich im Auge behältst, meinen Schimmel kannst Du sehr weit sehen.« »Könnte ich mich dem Falben nahen, ohne daß die Heerde davonjagte, so würde er gleich zu mir kommen, sobald er mich erkannt hätte,« sagte Carl, mit Verlangen nach dem Pferde hinschauend. »Die Freiheit schmeckt zu süß und das Thier hat sie nun schon zu lange genossen, als daß es freiwillig wieder in die Gefangenschaft zurückkehren sollte. Es ist ja mit den Indianern auch so, sie werden von den Weißen immer näher zu den Gebirgen der Anden hingedrängt, wo sie mit dem Büffel wegen Mangel an Nahrung zu Grunde gehen müssen und dennoch, trotzdem, daß sie ihr Schicksal voraussehen, wollen sie lieber untergehen, ehe sie sich dem Joch der Civilisation ergeben. Wir müssen Deinem Falben mit Gewalt die Fessel wieder anlegen, wenn er Deine Herrschaft abermals anerkennen soll. Nun folge mir,« entgegnete der Häuptling, wandte seinen ungeduldig scharrenden Hengst dem Falben zu und nahte sich ihm von Baum zu Baum, ohne daß das Thier ihn gewahr worden wäre, bis er es auf hundert Schritte erreicht hatte. Hier standen die Eichen viel einzelner, und kaum schritt der Schimmelhengst unter ihren Schatten, als die ganze wilde Heerde zusammenschreckte und in wilder Verwirrung die Flucht ergriff. Mit einem lauten gellenden Jagdgeschrei ließ aber im selbigen Augenblicke der Häuptling seinem Hengst die Zügel schießen und flog ihr nach, als ob sein Schimmel von dem Winde dahin getragen würde. In wenigen Augenblicken war die Prairie erreicht, die wilden Pferde, die unter den Eichen auseinandergesprengt waren, sammelten sich jetzt in einen dichten Haufen, der Falbe jagte an ihrer Spitze und fort ging es in sausender Carriere über die grüne, im Sonnenlichte glänzende Grasflur. Carls Rappe mußte an die Zeit seiner eigenen Freiheit denken, denn er setzte wie rasend hinter der fliehenden Heerde her und hatte auch bald die letzten Reihen derselben erreicht. Der Häuptling aber jagte im Sturmlauf an ihr vorüber, dem Falben nach, der schon mehrere hundert Schritte Vorsprung vor den wilden Rossen gewonnen hatte, und diese wandten sich entsetzt von dem Indianer ab und suchten seitwärts das Weite. Carl wollte dem Häuptling folgen, sein Rappe aber kündigte ihm den Gehorsam und sprengte trotz Zügel und Sporn in die Mitte des fliehenden Haufens. Fort ging es Hügel auf, Hügel ab in tollem rasenden Laufe, denn die wilden Pferde sahen mit Entsetzen nach der Menschengestalt hin, die sich zwischen ihnen erhob, und verdoppelten ihre Anstrengungen zur eiligsten Flucht. Der Rappe aber blieb zwischen ihnen; fliegend umwogten seine langen Mähnen den jungen Reiter auf seinem Rücken, hoch wehte sein glänzend schwarzer Schweif und laut und schnaubend blies er aus seinen weit geöffneten Nüstern. Mit Verzweiflung schaute Carl seitwärts über die mit ihm fliehenden Schaaren nach dem Häuptling hinüber, der nur noch wie ein weißer, dahinfliegender Punkt in weiter Ferne zu erkennen war; vergebens aber wandte er alle seine Kräfte auf, seinen widerspänstigen Rappen zurückzuhalten, derselbe stürmte unaufhaltsam mit ihm fort und mit ihm die ganze wilde Heerde, daß der Boden erzitterte und der Donner der Hufschläge die Luft erfüllte. Carl ergab sich in sein Schicksal, Meile auf Meile blieb zurück und sein Roß, so wie dessen wilde Kameraden bedeckten sich mit weißem Schaum. Jetzt ging es einem Eichwalde zu, der sich über dem Saum der Prairie erhob, und mit Schrecken dachte Carl an die Gefahr, die ihm beim Einjagen zwischen die Baumstämme drohte; aber umsonst wandte er wieder und wieder alle seine Kräfte an, das wilde Thier in seinem Laufe aufzuhalten, es blieb in der Mitte der fliehenden Massen. Der Eichwald ward erreicht, und im Sturm ging es in denselben hinein und zwischen den Stämmen hin, daß Carl jeden Augenblick glaubte, an einem derselben hängen zu bleiben; er wand sich aber hin und her und drückte sein Pferd gewaltsam herüber und hinüber, um den Bäumen auszuweichen. Da erkannte er plötzlich vor sich einen weiten Wasserspiegel, der sich an dem Saume des Waldes hinzog und in welchem er keinen andern als den rothen Fluß erkennen konnte. Ein Hoffnungsstrahl fuhr in Carl auf, denn an dem Strome, dachte er, würde die Heerde Halt machen, und er würde einen Augenblick gewinnen, um Herr seines Pferdes zu werden. Er sah, wie die Vordersten der dahinstürmenden Schaar das Ufer des Flusses erreichten, sie stürzten sich in die Fluthen hinab und alle ihre wilden Kameraden ihnen nach, daß die Wellen hoch über ihnen zusammenschlugen. Auch Carl sauste mit seinem Roß in die Wogen hinunter, er hörte und sah nicht mehr, das Wasser thürmte sich um ihn auf und für einen Augenblick war ihm der Athem genommen. Er klammerte sich aber an seinen Rappen fest, der jetzt, von den Hunderten von Pferden umgeben, welche rings um ihn aus den Wellen emporschauten, eilig die schnelle Fluth durchzog und dem jenseitigen Ufer zuschwamm. Schnaubend und brausend stieg der Hengst aus den Wogen auf und nieder und trug seinen Reiter vielen seiner Kameraden vorüber glücklich an das jenseitige Land. Diese letzte Anstrengung hatte aber die Kräfte der wilden Rosse erschöpft, sie erstiegen mühsam das Ufer und theilten sich nun im Trab nach allen Richtungen auseinander, um der fremden Schreckensgestalt auf dem Rappen zu entgehen. Umsonst machte dieser abermals neue Anstrengungen, jenen zu folgen, er sträubte sich nur noch kurze Zeit gegen die Gewalt seines Reiters und ergab sich dann dessen Herrschaft. Durchnäßt bis auf die Haut und mit einem zu Tode erschöpften Pferde, sah sich Carl nun allein und verlassen viele Meilen von seinen Freunden entfernt und von ihnen durch einen mächtigen Strom geschieden. Er stieg ab und sein nächster Gedanke traf seine Waffen, die gleichfalls, wenn auch nur einen Augenblick, unter Wasser gewesen waren. Er feuerte schnell seine Büchse, so wie seine Revolver ab, und zu seiner Freude versagte kein Schuß. Sein Pulverhorn war vollkommen wasserdicht, deßhalb ersetzte er gleich sämmtliche Ladungen und überdachte dabei seine Lage. Wäre der Fluß nicht vor ihm gewesen, so würde er auf dem Wege, den er gekommen, zurückreiten, um die Delawaren aufzusuchen; mit seinem müden Pferde konnte er sich aber den Fluthen nicht noch einmal anvertrauen, und er sah keinen andern Ausweg, als hier am Ufer zu verbleiben und zu warten, ob seine Freunde zu ihm kommen würden. Ohne Zweifel folgten diese, sobald sie ihn vermißten, der breiten Spur, welche die wilden Rosse hinterlassen hatten, und er beschloß, ein großes Feuer zu errichten, damit die Delawaren seinen Aufenthalt daran erkennen könnten, wenn sie erst in der Nacht den Fluß erreichen sollten; denn die Sonne stand nicht mehr hoch und es war ungewiß, ob die Jagd nach dem Falben den Häuptling nicht sehr weit abgezogen hatte. Während der Rappe, den Carl an einen einzelnen Baum befestigte, sich an dem jungen Grase erholte, trug dieser trockenes Holz herbei, um das Feuer anzuzünden, welches ihm augenblicklich sehr wünschenswerth war; denn in der nassen Kleidung fing ihn an zu frieren. Er zog die Zunderbüchse aus der Tasche und nahm sie aus der fest zugebundenen Blase hervor, in welcher er sie stets verwahrte, um sie vor Nässe zu schützen. Dann schlug er mit Stahl und Stein Funken hinein und blies die erzeugte Gluth zur Flamme an, in welcher er einen Bündel trockenes Gras entzündete. Bald loderte nun das Feuer aus dem gesammelten Reishaufen empor und wirbelte sich um das schwere Holz, welches Carl darauf warf. Die Gluth war bald so groß, daß er sich einige Schritte von ihr entfernt halten mußte, wo er sich nun von allen Seiten durch sie trocknen ließ, indem er sich langsam vor ihr drehte. Er hatte schwere Aeste von einem umgefallenen Mosquitobaum herbeigetragen, um das Feuer während der Nacht zu unterhalten, da er sicher darauf rechnete, seine Freunde erst spät erscheinen zu sehen; doch kaum war die Sonne versunken, als ihn der ferne Jubelton des Häuptlings von der andern Seite des Flusses her begrüßte. Bald darauf sah er ihn denn auch an der Spitze seiner Schaar unter den Eichen heranziehen, und wie groß war Carls Freude, als er an der Seite Leopards seinen lieben Falben erkannte, der geduldig neben demselben herschritt. Als der Häuptling das Ufer erreicht hatte, rief er Carl zu, er möge dem Flusse folgen, da einige Meilen weiter eine sehr seichte Stelle sich in demselben befinde, wo man durchreiten könne, ohne naß zu werden. Sogleich war Carl zu Roß und eilte dem Ufer entlang, er konnte aber den Augenblick kaum erwarten, wo er wieder bei seinem Falben sein würde. Die Delawaren folgten dem Strome an dem andern Ufer, und Carl verwandte keinen Blick von seinem Liebling, der ihm während seiner Abwesenheit noch viel schöner geworden zu sein schien. Endlich hielt der Häuptling an und blickte sich nach einer Stelle um, wo das Ufer nicht zu steil war. Er fand sie in kurzer Entfernung, lenkte sein Pferd in den Strom hinein, und der ganze Zug der Delawaren folgte ihm noch. Das Wasser reichte wirklich den Pferden nicht bis an den Leib und schnell war der Fluß durchritten. Carl war abgestiegen und wartete mit größter Ungeduld am Ufer, und als der Falbe auf dasselbe heraufschritt, da schlang er seinen Arm um den Hals des geliebten Thieres, und sagte in höchster Freude: »Ja, Falber, kennst Du mich denn noch, Du braver Kerl, wie ist es Dir denn ergangen?« Dabei klopfte und strich er liebkosend den Hals des Pferdes, und dieses gab ihm durch leises Wiehern zu verstehen, daß es sich ebenso sehr freue, ihn wiederzusehen. Dann aber wandte sich Carl mit rührenden Versicherungen seines ewigen Dankes an den Häuptling, der mit der innigsten Freude das Glück beobachtete, welches sich auf Carls Zügen spiegelte. »Du hattest mir nicht zu viel von dem Falben gesagt,« fiel ihm Leopard in das Wort, »er ist flüchtig wie die Antilope und ausdauernd wie der Büffel, er hat meinem Hengst vielen Schweiß gekostet. Ich bin ihm über fünf Meilen weit gefolgt, ehe ich den Lasso nach ihm werfen konnte, kaum lag aber die Schlinge um seinen Hals, als er sich ergab und sich geduldig von mir leiten ließ. Er ist den Ritt werth gewesen, zumal da ich meinem jungen Freunde eine so große Freude dadurch verschafft habe. Wenn ich meinen Schimmelhengst nicht hätte, so möchte ich wohl den Falben besitzen, es giebt nicht viele seines Gleichen.« »Ja, er ist ein braves edles Thier, und ich danke Dir von ganzem Herzen, daß Du ihn mir wiedergegeben hast. Der Rappe dort ist nicht so treu, es hätte mir bei diesem Ritt das Leben kosten können; der Abscheuliche ging mit mir durch, und ich mußte, ob ich wollte oder nicht, mit der tollen Heerde davonjagen.« »Ich sah es wohl,« entgegnete der Häuptling lachend, »ich konnte aber doch unmöglich den Falben entkommen lassen; auch dachte ich, wer einen solchen Prairiebrand glücklich mit durchgemacht hat, der könne auch wohl einmal in der Mitte einiger Hundert wilder Rosse einen lustigen Ritt machen.« »Sehr lustig war er nun gerade nicht, ich kann Dir sagen, in dem Eichwalde war es ein gefährlicher Lauf, und den Sprung in den Strom will ich im Leben nicht vergessen!« »Du bist ja nun ein Delaware, und darum ist Dir auch kein Ritt zu wild; wir werden noch weit lustigere zusammen machen. Wo giebt es denn wohl eine größere Lust für den Mann, als auf den Rücken eines flüchtigen edlen Rosses?« Der Häuptling gab seinen Leuten nun einen Wink, das Lager aufzuschlagen, die Frauen breiteten für ihn und für Carl weiche Büffelhäute im Grase aus, und in ganz kurzer Zeit darauf hatten sie Leopards Zelt hinter ihm und hinter seinem jungen Freunde aufgestellt. Auch die übrigen Zelte erhoben sich schnell, die Feuer vor denselben loderten empor, und die Weiber beeilten sich, das Abendbrod zu bereiten. Der Häuptling theilte Carl nun mit, daß er sich nach einem, mehrere Tagereisen von hier gelegenen Handelshause der vereinigten Staaten begeben wolle, deren die Regierung an der ganzen Grenze des Indianergebiets bis weit nach Norden hin errichtet hatte, damit die Indianer dort Alles kaufen und eintauschen könnten, dessen sie bedürftig wären, ohne in die Ansiedelungen der Weißen vordringen zu müssen. Er wollte dort die, auf diesem Jagdzuge erbeuteten Häute, das Bärenöl, den Honig und das Wachs, so wie getrocknetes Wildpret verwerthen, und vielerlei Bedürfnisse für seine Niederlassung am Kanzasflusse eintauschen. Dorthin wollte er dann ziehen, um einige Wochen bei den Seinigen zuzubringen, ehe er nach Norden zur Jagd aufbräche. Bald nach dem Abendessen legte Carl sich in dem Zelte zur Ruhe nieder, denn er war sehr ermüdet von den Anstrengungen während des wilden Rittes; ehe ihn aber der erquickende Schlaf umfing, sandte er seine innigsten, liebevollsten Gedanken seinen zurückgelassenen Theuern zu und schloß sie in sein Gebet ein. Mit dem anbrechenden Tage folgte er dem Beispiel sämmtlicher Indianer und badete sich in den kristallklaren Fluthen des rothen Flusses, wobei er die Geschicklichkeit im Schwimmen bewunderte, welche seine Gefährten besaßen; denn sie schienen eben so sicher und heimisch im Wasser zu sein, wie auf dem Lande. Als die Sonne sich über der flachen weiten Ferne erhob und ihr goldenes Licht über die endlose grüne Ebene warf, war der Zug schon wieder in Bewegung, und Carl saß abermals auf dem Rücken seines lieben Falben, während sein Rappe einem jungen Indianer zum Reiten übergeben war, damit derselbe ihn vollkommen in Gehorsam bringe. Ununterbrochen führte während drei langer Tagereisen der Weg der Indianer durch eine offene Grasflur, aus der sich nur hier und dort ein Mosquitobaum, eine dichtbelaubte rothe Ulme erhob, und nur an den einzelnen Gewässern, die sie überschritten, und die ihre kleinen Wellen dem Kanzasflusse zuführten, trafen sie auf dichte hohe Waldstriche. Am dritten Abend erreichten sie ein solches Wasser und erkannten schon von Weitem vor dem Walde, der dasselbe überschattete, eine große Anzahl von hohen spitzen weißen Zelten, welche das Lager eines bedeutenden Indianerstammes bezeichneten. Bei Annäherung an dasselbe theilte der Häuptling seinem jungen Freunde mit, daß es ein Stamm der Comantschenindianer sei, der dort lagere. Bald hatten sie das Zelt des Häuptlings erreicht, und wurden von demselben mit großer Aufmerksamkeit und Freundlichkeit begrüßt. Leopard stellte ihm Carl als seinen Freund vor, der mit ihm zu leben beschlossen habe, und theilte ihm mit, daß der schwarze Panther der Delawaren bei Carls Onkel am Bärflusse lebe, und Niemand diese Niederlassung beunruhigen dürfe, wenn er nicht die Delawaren zu Feinden haben wolle. Der Comantschenhäuptling schien von dieser Mittheilung nicht sehr erbaut zu sein, hatte jedoch Nichts dagegen einzuwenden, und gab Leopard nur die Versicherung, daß die Comantschen stets gute Freunde der Delawaren bleiben würden. Carl betrachtete mit großem Interesse die Zelte. Dieselben waren von gegerbtem weißen Büffelleder verfertigt, hatten die Form eines Zuckerhutes, und maßen auf dem Boden zwölf bis vierzehn Fuß im Durchmesser, während ihre Höhe gegen sechszehn Fuß betrug. Die Oeffnung, welche hineinführte, konnte mit Lederbändern zugebunden werden, so daß man sich im Innern des Zeltes gegen Wind und Kälte geschützt befand. Lange Stangen waren inwendig in den Erdboden eingestochen, die oben zusammen kamen und durch die Oeffnung hinaus reichten, welche in der Spitze des Zeltes gelassen, und welche zugleich als Schornstein diente, da in der Mitte des innern Raumes bei kaltem Wetter ein Feuer unterhalten wurde. Rund um dasselbe waren die Ruhelager für die Bewohner des Zeltes aus Thierhäuten hergerichtet, und an den Stangen, die dasselbe ausgespannt hielten, hingen Waffen und Geräthschaften des Eigenthümers. Die weiße Außenseite aller dieser beweglichen Wohnungen war mit bunten Malereien geziert, welche Schlachten und Gefechte mit wilden Thieren vorstellten. Zusammengepackt werden diese Zelte auf der Reise von Maulthieren getragen, und die langen Stangen, an deren Hals befestigt, von ihnen über Berg und Thal mitgezogen. Carls Aufmerksamkeit wurde gleichfalls durch die große Heerde von Pferden und Maulthieren angeregt, welche vor dem Lagerplatz in der Weide ging und aus mehr als fünfhundert dieser Thiere bestand. Sie werden von den Indianern theils zum Reiten, theils zum Tragen der Zelte, Geräthschaften und Vorräthe benutzt, und bei Gelegenheit auch, wenn Wild mangelt, geschlachtet und gegessen. Leopard schied nach einer langen Unterredung mit dem Häuptling der Comantschen im freundlichsten Vernehmen von demselben, bat ihn schließlich noch, allen Indianerstämmen, mit welchen er zusammentreffen möchte, die Mittheilung wegen des schwarzen Panthers zu überliefern, und zog dann noch einige Meilen weiter am Flusse hinauf, um dort zu übernachten. Am folgenden Tage langten die Delawaren bei dem Handelshause der Regierung an, und schlugen in nicht großer Entfernung von demselben an dem Flusse, an dessen Ufer jenes gelegen war, ihr Lager auf. Es war Abend geworden und Leopard sandte einen seiner Krieger an den Vorstand der Niederlassung, um denselben von seiner Ankunft zu unterrichten und ihm wissen zu lassen, daß er wünsche, am nächsten Morgen mit ihm zu handeln. Der Bote kam bald zurück, und brachte die Antwort, daß es dem Director der Handlung sehr erfreulich sein werde, die Delawaren bei sich zu sehen und sie bedienen zu können. Mit dem anbrechenden Tage wurden nun alle Vorräthe, welche sie mit sich führten, bereit gemacht, und nach dem Frühstück beluden deren Eigenthümer ihre Pferde damit, um sie nach dem Handelshause zu schaffen. Leopard und Carl geleiteten sie auf dem Wege, und nur die Weiber blieben im Lager zurück. Das sogenannte Handelshaus bestand aus einer Menge hölzerner Gebäude, welche in einem Viereck erbaut und mit einer hohen Pallisadenwand umgeben waren. Der Eingang führte in einen, gleichfalls von Blockhäusern eingeschlossenen Vorhof, durch welchen man dann erst in den innern Raum des eigentlichen Forts gelangte, und vor welchem Durchgang zwei kleine Kanonen aufgepflanzt waren, um denselben im Fall eines feindlichen Angriffs durch die Indianer damit zu vertheidigen. Der Vorhof war nun stets der Ort, wo die Wilden mit den Beamten der Niederlassung zusammenkamen, um ihre Händel abzuschließen, und wohin die Waaren gebracht und ihnen vorgelegt wurden. Der Director des Geschäfts empfing Leopard und seine Begleiter mit großer Freundlichkeit, und sagte ihnen, daß sie zu einem sehr günstigen Augenblicke gekommen seien, da er vor wenigen Tagen bedeutende Zusendungen von Waaren erhalten habe, und sie aufs Beste bedienen könne. Die Indianer übergaben nun einzeln ihre Vorräthe dem Geschäftsführer, und dieser bestimmte in Gemeinschaft mit Leopard für die Waare eines jeden Mannes den Preis, zu welchem die Handlung dieselbe übernehmen wollte, und von welchem ein gewisser Theil dem Häuptling zukam. Dann nannten die einzelnen Leute die Gegenstände, welche sie zu kaufen wünschten, und welche nun aus dem Fort in den Vorhof gebracht wurden. Dieselben bestanden in grobem feuerrothen Tuch, welches die Delawaren benutzten, um ihre Hüften damit zu umbinden, in bunten Baumwollenzeugen, seidenen Tüchern, Spiegeln, Perlen, Pfeifen, Waffen aller Art, Pulver und Blei, und Taback. Die Wahlen waren bald getroffen, und Carl wunderte sich dabei über die unerhört hohen Preise, welche seinen Freunden berechnet wurden. Nachdem die Leute sämmtlich befriedigt waren, erstand nun auch Leopard für den ihm zugefallenen Antheil an dem Erlös aus den Vorräthen der Indianer eine Menge Waaren, womit das Geschäft beendigt wurde. Der Director machte dann dem Häuptling noch verschiedene Geschenke, und bedauerte, daß die Delawaren keine geräucherte Büffelzungen mitgebracht hätten, wofür er augenblicklich einen sehr hohen Preis bewilligen könne; denn dieselben wären in den östlichen Staaten sehr gesucht. Der Häuptling zeigte sich erfreut über diese Mittheilung und entgegnete dem Director, er wolle sofort eine Jagd nach Büffeln unternehmen, die, wenn sie glückte, ihn in den Stand setzen würde, einige hundert Büffelzungen binnen Kurzem hierherzubringen. Der Händler munterte ihn noch mehr zu dieser Jagd auf und sagte, er würde ihm für die Zungen noch viel schönere Waaren vorlegen. Leopard nahm nun Abschied von ihm, die Leute schafften ihre Einkäufe in das Lager, und schon nach wenigen Stunden waren die Delawaren unterwegs nach Westen. Leopard theilte seinem jungen Freunde mit, daß er nur _einen_ Ort kenne, wo er die beabsichtigte große Jagd auf Büffel ausführen könne; es frage sich nur, ob er zahlreiche Heerden dieser Thiere dort antreffen werde. Wäre dies der Fall, so wolle er sie mit seinen Kriegern einer tiefen Schlucht zutreiben, in welche sie hinunter stürzen und sich zu Hunderten tödten würden. Carl war sehr gespannt auf diese neue Art von Jagd, und der Häuptling mußte ihm viel über solche, früher schon gehaltene erzählen. Nach scharfem Reiten während zweier Tage gelangten sie an ein kleines Wasser, welches von schmalen Waldstreifen überschattet war. Hier wurde noch vor Sonnenuntergang das Lager aufgeschlagen, der Häuptling aber bestieg seinen Schimmel, Carl seinen Rappen, welcher während des heutigen Tagesmarsches nicht geritten war, und Beide eilten einer Höhe zu, die einige Meilen von dem Lager entfernt, sich weiter nach Westen in der Prairie erhob. Leopard wollte sehen, ob auf der Ebene jenseits des Hügels Büffel weideten, denn dort war der Platz, wo er die Jagd zu halten beabsichtigte. Schon auf dem Wege nach der Höhe trafen die beiden Reiter viele Büffel an, links und rechts konnte man bis in die weiteste Ferne Heerden dieser Thiere erkennen, und als sie die Anhöhe erreichten, von wo ihnen sich die Aussicht nach Westen öffnete, fanden sie zu ihrer Freude ihre Hoffnungen erfüllt. So weit das Auge reichte, war die Grasfläche mit Büffelheerden bedeckt. Der Häuptling bezeichnete Carl nun am fernen Horizonte eine Gruppe hoher Bäume, und sagte ihm, daß dort die Schlucht sich befinde, und daß sie sich eine Meile lang ausdehne. Dorthin sollte morgen nun die Jagd gemacht werden, und mit dem Wunsch, daß sie am folgenden Tage noch eben so viele Büffel hier antreffen möchten, traten die beiden Reiter ihren Rückweg an. Im Lager herrschte an diesem Abend große Thätigkeit: die Männer setzten ihre Waffen in besten Stand, und die Weiber sahen das Sattelzeug genau nach und stellten alle Schäden daran sorgfältig wieder her. Viele waren aber damit beschäftigt, ein Gestell aus leichtem Weidenholz zu flechten, welches, wenn eine Büffelhaut darüber gehangen wurde, die ungefähre Form eines Büffels hatte. Dieses Gestell sollte bei der Jagd einer der Delawaren auf dem Kopf tragen, und den Büffelheerden den Weg nach der Schlucht zeigen. Hierzu war der beste Läufer, ein schlanker, kräftiger junger Bursch, gewählt und nachdem das Gestell fertig war, hing er die Büffelhaut darüber, hob es auf seinen Kopf, und rannte damit zur Belustigung Aller in den tollsten Sprüngen im Lager umher, während ihm von allen Seiten der lauteste Beifall gezollt wurde. Namentlich war Carl sehr überrascht, als plötzlich dies Ungeheuer um das Feuer des Häuptlings, bei welchem er ruhte, herumgaloppirt kam und der Indianer, der in ihm steckte, die fürchterlichsten Töne dabei ausstieß. Leopard war sehr mit der Ausführung dieses nachgeahmten Büffels zufrieden, und sagte dem Burschen, der die Vorstellung gab, daß er einen doppelten Antheil an der Beute haben solle, wenn die Jagd gut ausfiele. Nachdem das Abendbrod eingenommen war und man sich zur Ruhe begab, bestieg jener junge Krieger sein Pferd, legte die große Büffelhaut unter sich über den Sattel, nahm das Gestell auf seine Schultern, und ritt davon, um auf einem weiten Umwege von Westen her die Schlucht zu erreichen, wohin die Jagd gemacht werden sollte. Auf diesem Wege beunruhigte er die Büffelheerden an dieser Seite der Schlucht nicht, und er war morgens frühzeitig auf seinen Posten, um seine Rolle als Büffel zu spielen. Beim ersten Grauen des Tages bestiegen die Delawaren nun ihre besten Pferde und ritten, von Leopard auf seinem Schimmel und Carl auf dem Falben geführt, nach der Anhöhe, welche der Häuptling am Abend zuvor besucht hatte. Es war noch nicht ganz Tag, als sie dort anlangten und die ganze Ebene bis nach der, viele Meilen entfernten Schlucht mit Büffelheerden bedeckt fanden. Viele dieser Thiere hatten sich noch nicht erhoben und ruhten sorglos in dem frischen jungen Gras. Der Häuptling sandte seine Krieger nun zur Rechten und zur Linken ab, um in einem weiten Halbzirkel die Heerden zu umstellen. Er selbst blieb mit Carl auf dem Hügel halten, und sie folgten mit den Blicken den davonreitenden Jägern, von denen von Zeit zu Zeit einer stehen blieb, um die Treiblinie zu bilden. Bald aber verschwanden die Weiterziehenden in der Ferne, und ihre Richtung wurde nur durch heraneilende Büffelheerden bezeichnet, welche, durch sie aufgeschreckt, vor ihnen flohen. Die Heerden auf der Ebene nach der Schlucht hin zeigten aber keine Unruhe, und die neu herzukommenden begannen gleichfalls zwischen ihnen zu weiden. Als es heller Tag geworden war, sagte der Häuptling zu Carl: »Sieh jetzt einmal durch Dein Glas nach der Schlucht hin, ob Du vor derselben einen einzelnen Büffel gewahren kannst, das würde unser Mann mit dem Gestell auf dem Kopfe sein. Er wird sich dort in der Gegend aufhalten, und erst, wenn die Büffel, von uns gejagt, angestürmt kommen, der Schlucht zufliehen, damit die Heerden ihm folgen.« Carl sah lange Zeit nach den bezeichneten Bäumen hin, die sich am Horizont erhoben, konnte aber keinen einzelnen Büffel in deren Nähe erkennen. Der Häuptling hatte währenddem, mit der Hand über den Augen, gleichfalls unverwandt hingeblickt, und sagte plötzlich: »Ich glaube, ich sehe ihn, dort ist wenigstens ein schwarzer Punkt, und ich meine, derselbe habe sich den Bäumen etwas genähert. Gieb mir Dein Glas.« Er nahm nun das Fernrohr aus Carls Hand, und hatte nur kurze Zeit hindurchgesehen, als er sagte: »Freilich ist es unser Mann, er steht gerade in der Mitte vor der Schlucht. Jetzt wirst Du ihn auch erkennen können, suche ihn rechts von den Bäumen.« Carl nahm nun das Fernglas, und hatte kaum hindurchgeblickt, als auch er den nachgeahmten Büffel erkannte, der sich jenseits der Heerden vor der Schlucht aufgestellt hatte. Von links und rechts kamen immer noch Büffel angezogen, und der Häuptling spähte nach den beiden äußersten Enden des Halbzirkels, in welchem seine Leute von beiden Seiten heranreiten sollten. Bald erschienen denn auch die letzten derselben wie dunkele Punkte in weiter Ferne, sie bewegten sich der Schlucht zu, und man konnte nun den ganzen Bogen, welchen die Delawaren beschrieben, vom Hügel herab übersehen. Plötzlich ließ der Häuptling sein gellendes Jagdgeschrei ertönen, und auf der ganzen Linie zu beiden Seiten wurde es dann auch von den Treibern angestimmt. Zugleich setzten Alle ihre Rosse in Galopp und stürmten der Schlucht entgegen, während die wilden Jagdrufe die sorglosen Büffel auf der ganzen Ebene aufscheuchten und alle vor den heranjagenden Reitern die Flucht ergriffen. In sausender Carriere folgte die ganze Linie der Indianer den fliehenden Heerden, die von beiden Seiten immer näher zusammengedrängt und von hinten im Sturmlauf vorwärts getrieben wurden. Je mehr die Indianer sich der Schlucht näherten, um so enger rückten sie in ihrer Linie zusammen und um so lauter und fürchterlicher ertönte ihr Jagdgeschrei. Nur einzelne Büffel wandten sich gegen die Linie, und wurden von den Kugeln der Indianer begrüßt. Keiner von diesen aber hielt sich um einen verwundeten oder getödteten Büffel auf, alle blieben in der Nähe und folgten den Heerden in wilder tobender Jagd. Auch Carl schoß mehrere Büffel nieder, sprengte aber immer mit dem Häuptling vorwärts, und ließ seinen Jagdruf aus Leibeskräften erschallen. Während dieser Zeit stand der Indianer mit der Büffelhaut über dem Kopfe einige Tausend Schritte vor der Schlucht auf der Grasflur aufgestellt und schaute nach den aus der Ferne heranstürmenden Büffelheerden. Wie Donner kam es mit ihnen herangezogen, und die Erde begann unter den Füßen des Indianers zu beben. Er ging jetzt hin und her, hielt aber seinen Blick immer auf die vorderste Heerde gerichtet und suchte durch wiederholte Sprünge deren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie kam auf ihn zu, und nun setzte er sich langsam in Trab, blickte sich aber immer wieder um, damit die wilden Schaaren ihm nicht zu nahe kommen möchten. Er beeilte bald seine Schritte mehr und mehr, und sah zu seiner großen Freude, daß die vorderste Heerde ihm geraden Weges folgte. Jetzt aber setzte er sich in raschen Lauf, denn Rippe an Rippe kamen die entsetzten Thiere in so rasender Flucht herangejagt, daß, wollte er nicht unter ihren Füßen zermalmt werden, er keine Sekunde mehr verlieren durfte. In fliegenden Sprüngen setzte er vor dem ihm folgenden Thiergewoge über die Prairie der Schlucht zu, und erreichte deren steilen Abhang, als nur noch fünfzig Schritte zwischen ihm und den Büffeln lagen. Ein Busch auf dem Abhange bezeichnete ihm die Stelle, wo er sichern Schutz zu finden wußte; denn dort führte ein schmaler Fußsteig, den die Indianer in die Felswand eingehauen hatten, zehn Fuß an derselben hinab und in eine Höhle, die sich dort tief in den Felsen erstreckte. Der Pfad war so schmal, daß ein Mensch ihn nur mit Lebensgefahr betreten konnte, denn neben demselben schoß der Abhang mehrere Hundert Fuß senkrecht hinunter. Der Indianer hatte den Busch über dem Pfad erreicht, warf das Gestell mit der Büffelhaut über den Kopf in den Abgrund hinunter, kletterte auf dem Pfad hinab und saß wenige Augenblicke später sicher geborgen in der Höhle. Die Felswand schien unter der Wucht der heranstürmenden Schaaren zu wanken, das Donnerdröhnen der Tritte hatte den Abhang erreicht, und jetzt sah der Indianer die Riesenthiere brüllend über sich durch die Luft fliegen und vor sich in die Schlucht hinabstürzen. Tausende von Büffeln wurden jetzt von den ihnen folgenden Reitern gegen den Abhang gejagt; zu spät wurden ihre vorderen Reihen denselben gewahr, denn ehe sie sich in ihrem Sturmlauf aufhalten und von der Schlucht sich abwenden konnten, drängten sie die folgenden Massen über den Felsrand hinaus. Nach wenigen Minuten aber hatte das wilde verworrene Thiergewoge Halt gemacht, und Leopard rief seinem jungen Freunde zu: »Zurück, zurück, folge mir, laß dem Falben die Zügel!« und fort jagten Beide, und links und rechts sämmtliche Delawaren mit ihnen, denn jetzt waren die Büffel die Angreifer und die Jäger die Gejagten. Mit lautem Wuthgebrüll kamen die erzürnten colossalen Thiere gesenkten Kopfes herangebraust, und verfolgten ihre Feinde weit über die Grasflur, bis sie sich überzeugten, daß sie die flüchtigen Pferde nicht einholen konnten. Dann stampften sie, ihnen nachblickend, den Boden, und ließen ihr Siegesgebrüll ertönen. In weitem Bogen führte der Häuptling nun seine Schaar in Galopp dem Ende der Schlucht zu, wo dieselbe sich in der Prairie erweiterte und abflachte, und dann ritten die Jäger in derselben hinauf, um zu ihrer Beute zu gelangen. Je weiter sie zwischen den beiden Felswänden vordrangen, um so höher erhoben sich dieselben, um so mehr näherten sie sich einander. Schon von Weitem sahen die Jäger die schwarzen Massen der herabgestürzten Büffel in der Schlucht liegen, und bald erkannten sie, daß viele derselben sich noch hin- und herwarfen und aufzustehen versuchten. In einer Länge von fünfhundert Schritten lagen unter der Felswand zwischen drei- und vierhundert Büffel, und hoch über ihnen sah der Indianer aus der Felsspalte hervor und bewillkommnete seine Kameraden bei der reichen Jagdbeute mit lauten Jubelrufen. Die noch lebenden Thiere wurden schnell getödtet, und dann begaben sich die Indianer eilig an die Arbeit, allen Büffeln die Zungen auszuschneiden. Nur wenige wurden ihrer Häute beraubt, alle aber den Geiern und Wölfen zum Schmause überlassen; denn kaum hatten die Jäger die Zungen der Büffel an ihren Sätteln hängen, so ging es ohne Aufenthalt nach dem Lager zurück, um die Beute den Frauen zum Trocknen und Räuchern zu übergeben. Zu so hoher Begeisterung Carl auch in der Aufregung der großartigen Jagd hingerissen wurde, so war ihm doch der Anblick der ungeheuren Zahl von gemordeten Thieren, die ihr Leben nur ihrer Zunge wegen hatten hingeben müssen, abschreckend und widrig gewesen, und er war froh, die Schlucht hinter sich zurückzulassen und seinen Blick an dem freundlichen Bilde zu weiden, welches die saftig grüne Fläche mit ihren tausendfarbigen Blumen ihm bot. Die Frauen hatten im Lager nun schon die nöthigen Gerüste über Kohlenfeuern aufgestellt, um die Zungen darüber zu räuchern und zu trocknen, und mit großem Jubel bewillkommneten sie die glücklichen Jäger und nahmen deren Beute in Empfang. Der Tag verstrich in großer Thätigkeit, und es wurde während desselben an keine weitere Jagd gedacht. Am folgenden Morgen aber forderte der Häuptling Carl auf, einen Gang mit ihm an dem Wasser hinab zu machen, da dessen Ufer immer reich von Wild belebt seien. Carl war schnell bereit, ergriff seine Büchse und verließ mit dem Häuptling das Lager, nachdem dieser seine Leute ersucht hatte, nicht gleichfalls am Flusse hinab zu jagen, sondern lieber die entgegengesetzte Richtung zu wählen. Er ließ dann Carl in den Waldstrich an dem linken Ufer gehen und begab sich selbst durch das seichte Wasser an dessen andere Seite, weil, wie er sagte, dort zu viel Röhricht stehe und Carl sich leicht darin verirren könne. Ehe sie sich trennten, bezeichnete er einen Ort, wo sich die Prairie bis an das Wasser in den Wald hinein erstrecke; dort sollte Carl auf ihn warten. Wohl eine halbe Stunde lang war dieser hin und her in dem ziemlich lichten Gehölz fortgeschritten, ohne irgend ein Wild zu Gesicht zu bekommen, da rauschte es plötzlich neben ihm in dem Röhricht am Wasser, es krachte und brach darin, und eine schwere dunkle Masse stürzte aus dem Dickicht hervor. Carl war hinter einen Baum gesprungen, und erkannte jetzt einen schwer verwundeten riesigen Büffel, der sich wahrscheinlich nach der gestrigen Jagd hierher geflüchtet und das Wasser aufgesucht hatte, um darin seine Wunden zu kühlen. Carl schoß nach ihm, doch da das Thier sich dennoch mühsam fortschleppen wollte, so gab er ihm seine zweite Kugel, welche dasselbe nun völlig tödtete. In diesem Augenblick fiel an der andern Seite des Wassers in nicht großer Entfernung ein Schuß, und Carl schaute nach der Richtung hin, von wo der Schall gekommen war. Da hörte er die gellende Stimme des Häuptlings, und erkannte deutlich, daß er seinen Namen rief. Mit wenigen Sätzen hatte er durch das seichte Wasser hin das jenseitige Ufer erreicht, und brach sich gewaltsam Bahn durch das Röhricht, während der Hülferuf des Häuptlings immer lauter, immer dringender zu ihm herüber drang. Das Dickicht war aber zu sehr mit Ranken durchschlungen, als daß Carl sich hätte schnell vorwärts bewegen können, und der sumpfige Boden, in dem er oft bis an die Knie einsank, hinderte noch mehr seine Eile. Endlich ward es licht, er hatte einen offenen Grasfleck erreicht, und hörte nun von dessen anderer Seite her den Ruf Leopards ganz nahe aus dem Röhricht erschallen. Carl stürzte sich in dasselbe hinein, bog es mit allen Kräften links und rechts zur Seite, und sprang plötzlich in eine offene Stelle, wo vor ihm auf dem Boden der Häuptling lag und mit einem ungeheuern Panther rang, der auf ihm saß und seinen Hals zu ergreifen trachtete. Leopard wehrte das grimmige Thier mit seiner linken Hand von sich ab, während sein rechter Arm mit Blut bedeckt machtlos in dem Grase hing. Mit _einem_ Satze warf sich Carl auf das wüthende Thier und stieß ihm sein langes Jagdmesser in die Seite. Der Panther fuhr herum, und schlug seine furchtbaren Tatzen in die Schulter seines neuen Gegners, doch Carls Messer fand mit dem zweiten Stoß das Herz des Raubthiers und streckte es todt zu Boden. Jetzt erst erkannte der Knabe, daß der Häuptling auf einem zweiten Panther lag, welchem der Kopf gespalten war. Leopard sank mit einem dankbaren Blick nach seinem Retter in das Gras zurück und verlor die Besinnung; Carl aber nahm schnell sein Tuch hervor und verband damit die Wunden an dem rechten Arm Leopards, aus welchem das Blut noch immer frisch hervorquoll. Dann holte er Wasser in seinem Hute herbei und wusch seinem Freunde die Schläfe und die Brust, bis derselbe die Augen wieder aufschlug. Der Häuptling deutete auf seinen rechten Schenkel, und als Carl denselben untersuchte, fand er mehrere sehr arge Wunden daran, die das Raubthier mit den Hintertatzen geschlagen hatte. Der Knabe wollte sein Hemd ausziehen, um dasselbe zum Verbinden dieser Wunden zu verwenden, da sah er das Tuch, welches der Häuptling um den Kopf getragen hatte, im Rohr hängen; er holte es schnell herbei und wand es sorgfältig um das verwundete Bein. Dann brachte er abermals Wasser in seinem Hut, um seinen Freund damit zu erfrischen, und fragte ihn nun, was er thun solle, damit er ihn in das Lager schaffe. Leopard bat ihn mit matter Stimme, seine Büchse zu laden und sie neben ihm niederzulegen, da er im Nothfall dieselbe auch mit der linken Hand würde abfeuern können; denn seine rechte war er nicht im Stande zu erheben. Carl erfüllte seinen Wunsch, und als ihn Leopard nun aufforderte, in das Lager zurückzueilen, lud Carl auch noch sein eigenes Gewehr, legte es bei dem Verwundeten nieder, und sprang dann auf dem Wege, den er gekommen war, so schnell ihn seine Füße tragen konnten, wieder zurück nach dem Lager. Die Wunden an seinem eignen Arm beachtete er gar nicht, obgleich sie ihn schmerzten und das Blut aus dem Aermel bis auf seine Hand geflossen war. [Illustration] Die Nachricht von dem Unglück, welches Leopard betroffen hatte, verbreitete großen Schrecken unter den Delawaren, die Kräftigsten von ihnen schlossen sich Carl sofort an, und er mußte sie zu ihrem Häuptling führen. Sie fanden denselben durch den bedeutenden Blutverlust sehr entkräftet, verfertigten schnell eine Trage, legten ihn auf dieselbe und hoben die Bahre auf ihre Schultern. Leopard trug einem der Delawaren auf, die Häute der beiden Panther mitzunehmen, und auch die eines jungen Panthers, welchen er ihm in dem Röhricht bezeichnete, wo derselbe todt lag. Darauf setzte sich der Zug in Bewegung und langte nach Verlauf einer Stunde in dem Lager an. Die Männer, so wie die Frauen sammelten sich traurig um ihren geliebten Häuptling, er wurde in sein Zelt getragen, dort auf weichen Häuten gebettet, und zwei Indianerinnen legten nun Kräuter in die Wunden und verbanden dieselben dann von Neuem. Sie kochten auch einen Kräuterthee für ihn, den sie ihm von Zeit zu Zeit zu trinken gaben, und blieben während der ganzen folgenden Nacht bei ihm sitzen, um seine Schmerzen zu lindern und den Verband seiner Wunden häufig zu erneuen. Sie hatten auch Carl verbunden, der nun gleichfalls nicht von der Seite des Häuptlings wich, und dieser hielt oft lange Zeit des Knaben Hand in seiner Linken und schaute ihn mit dankbarem Blick dabei an. Gegen Morgen versank Leopard in einen tiefen Schlaf, aus dem er erst erwachte, als die Sonne schon hoch am Himmel stand. Er fühlte sich sehr gekräftigt, rief Carl lächelnd zu sich heran, und nachdem derselbe sich neben ihm niedergelassen hatte, erzählte er ihm, in welcher Weise er am Tage vorher so zu Schaden gekommen war. Er sagte, es sei seine eigene Schuld gewesen, und er verdiene die Schmerzen, die er sich selbst zugezogen habe. Während er in dem Walde spähend vorwärts geschritten war, hatte er plötzlich an dem Saume der Rohrdickichts einen jungen Panther erblickt, und hatte, ohne sich zu bedenken, nach ihm gefeuert. Das Thier war verwundet in das Röhricht hineingeeilt, und Leopard war ihm nachgesprungen, hatte es eingeholt, und hatte es mit einem Schlage seiner Streitaxt getödtet. In demselben Augenblick aber waren die beiden alten Panther durch das Röhricht auf ihn zugestürzt, und es war ihm gelungen, dem einen mit der Axt den Kopf zu spalten. Der andere aber hatte seinen rechten Arm dann so zerrissen, daß ihm die Waffe aus der Hand gefallen war, und nun hatte ihn das Thier zu Boden geworfen, und nur mit größter Noth war es ihm möglich gewesen, dasselbe von seinem Halse abzuwehren. Nachdem der Häuptling den Verlauf der Begebenheit Carl mitgetheilt hatte, ergriff er dessen Hand und sagte: »Du hast den obersten Häuptling der Delawaren seinem Volke erhalten, Du hast Deinem Freunde das Leben gerettet, und hast dabei Dein eigenes gewagt; denn hätte Dein Messer das Herz des Panthers verfehlt, so wärst Du verloren gewesen. Der einzige Griff des Thieres auf Deine Schulter hat Dir schon tiefe Wunden geschlagen, wenn sie auch zum Glück nicht so bedeutend sind, wie die meinigen. Hättest Du mich nicht von dem Raubthier befreit, so würde es mich nach wenigen Minuten erwürgt haben, denn meine Kräfte gingen zu Ende. Du hast ein großes Herz für Freundschaft und für Dankbarkeit, doch auch die Herzen der Delawaren sind nicht klein dafür.« Diese letzten Worte sagte der Häuptling mit einer feierlichen Betonung, und drückte Carl dabei bedeutungsvoll die Hand. Die ungeschwächte Gesundheit, wie sie nur der Indianer besitzt, ließ die Wunden Leopards schnell heilen, und nach Verlauf von einigen Wochen war er wieder im Besitz seiner vollen Kraft. Das Lager war abermals nach dem Handelshause verlegt, und die Büffelzungen zu hohen Preisen an dessen Vorstand verwerthet. Der Häuptling hatte niemals wieder in Carls Gegenwart des Ereignisses mit den Panthern erwähnt, und niemals wieder von seinem Dank für die Hülfe des Knaben geredet. An dem Abend, nachdem er den Handel über die Büffelzungen abgeschlossen hatte, und mit Carl allein bei dem Feuer vor seinem Zelte lag, sagte er zu diesem: »Ich habe einen langen Ritt zu machen, um ein, für mich sehr wichtiges Geschäft abzuschließen; ich werde morgen zeitig die Reise antreten. Du sollst mich begleiten, denn ich hoffe, daß Du mir große Dienste dabei erweisen wirst.« »Du weißt es ja, Leopard, wie gern ich Dir diene, wenn nur meine Fähigkeiten dazu ausreichen werden,« antwortete Carl mit freudigem Blick. »Sie werden ausreichen, wenn Du nur den guten Willen hast, mir zu helfen, und davon bin ich ja unbedingt überzeugt. Es werden mich nur wenige meiner Leute begleiten, und sie sollen mir meinen Schimmel und Dir Deinen Rappen nachführen; denn uns Beiden steht ein scharfer Ritt bevor. Du machst ja gern einen lustigen Ritt!« »So lange meine Kräfte ausdauern, bleibe ich bei Dir, mag es hingehen, wohin es will,« entgegnete Carl mit funkelnden Augen, und sah sich in Gedanken schon wieder in wilder Jagd auf der endlosen Prairie. »Gut, ich werde Dich auf die Probe stellen,« sagte der Häuptling lächelnd, und wandte dann das Gespräch auf andere Dinge. Am folgenden Morgen, noch ehe die Sonne über die Erde blickte, saß Leopard, so wie auch Carl schon zu Roß, und vier junge Krieger schwangen sich in ihre Sättel, um ihrem Häuptling zu folgen. Zwei von ihnen leiteten den Schimmel desselben und den Rappen seines jungen Freundes. Unter tausend Glückwünschen der Zurückbleibenden verließen sie das Lager und nahmen eine südöstliche Richtung. Leopard war ernst und schweigsam, was Carl mit der Wichtigkeit des abzuschließenden Geschäftes erklärte; die neuen Gegenden, die Wälder in ihrem Frühlingsschmuck, die Grasfluren in ihrer Farbenpracht, die Gewässer mit ihren Fischen, das unzählige Wild aber fesselten fortwährend die Aufmerksamkeit des Knaben und unterhielten seinen lebendigen, für alles Schöne hoch empfänglichen Geist. Vier Tage lang hielten sie ihre Pferde von dem Grauen des Morgens bis in die Nacht hinein in eiligem Gange, und als am vierten Abend die Dunkelheit sich über die Gegend legte, sagte der Häuptling zu Carl, daß sie noch einige Stunden zu reiten hätten. Die Nacht war sternhell und die Reiter erreichten bald einen hohen Wald, an dessen Saum sie mehrere Stunden lang hinzogen. Dann gelangten sie an einen tiefausgetretenen uralten Büffelpfad, welcher in den Wald hineinführte. Hier stieg Leopard ab, und seine Begleiter folgten seinem Beispiele, um die Pferde zu leiten, da man der Ranken wegen namentlich in der Dunkelheit nicht zu Roß in den Wald eindringen konnte. Schweigend schritt der Häuptling voran, und machte während des Gehens seine Begleiter nur darauf aufmerksam, wenn ihm ein Hinderniß in den Weg kam. Nach einer halben Stunde gelangten sie im Walde an einen Fluß, wo Leopard bestimmte, die Nacht zuzubringen. Schnell war ein Feuer angezündet, die Pferde wurden in den wilden Roggen gebunden, der den Boden des Waldes hier bedeckte, und die Reiter erquickten sich mit einem Stück Hirschfleisch, welches sie am Feuer rösteten, so wie mit dem frischen Trunk, den ihnen die krystallhelle Fluth des Flusses bot. Es schien, daß Leopard mit jedem Tage ernster und schweigsamer geworden war, ohne jedoch seine innige Herzlichkeit gegen Carl zu beeinträchtigen. Auch an diesem Abend redete er nicht viel, wünschte dem Knaben bald ruhig zu schlafen, drückte ihm herzlich die Hand, und streckte sich dann auf seiner Satteldecke aus. Am folgenden Morgen wurde es spät, ehe sich der Häuptling von seinem Lager erhob, und auch dann noch schien er keine Eile zu haben, die Weiterreise anzutreten. Das Frühstück verzögerte er augenscheinlich absichtlich, und als endlich die Sonne ihre Strahlen durch die Baumkronen auf das Lager warf, sagte er zu Carl: »Wir Beide haben heute einen kurzen aber scharfen Ritt zu machen: Du sollst dabei meinen Schimmel reiten, damit Du mir nicht zurückbleibst, es wird ein heißes Rennen werden.« Carl sah ihn verwundert an, denn außer Leopard selbst hatte er noch nie einen Menschen auf dem Rücken des Schimmels gesehen, und er glaubte beinahe, daß der Häuptling sich versprochen habe. »Ich soll Deinen Schimmel reiten?« fragte der Knabe erstaunt. »Ja wohl, meinen Schimmelhengst, und ich hoffe, daß Du ihm als Reiter Ehre machen und mir nicht erlauben wirst, ihn einzuholen; denn das ist bis jetzt noch keinem Rosse möglich gewesen.« »Es soll an mir nicht liegen, Du wirst zufrieden mit mir sein,« entgegnete Carl freudestrahlend; denn auf die Ehre, den Schimmel zu reiten, hatte er nicht gehofft. Derselbe wurde nun statt des Falben gesattelt, Carl mußte ihn besteigen, Leopard schwang sich auf sein Roß und der Fluß, in welchem das Wasser nicht tief war, ward überschritten. Der Wald wurde hier lichter, so daß die Reiter nicht abzusteigen brauchten, und ihre Pferde in raschem Schritte halten konnten. Bald sah man durch die Laubmassen die Prairie liegen, und nach wenigen Minuten hielt Leopard an dem Ausgange aus dem Walde sein Pferd an. »Jetzt mußt Du mir voranreiten, unser Rennen wird von hier aus beginnen, ich hoffe, Du lässest Dich nicht von mir einholen,« sagte er zu Carl mit einem strahlenden Blicke. »Wohin wollen wir denn rennen?« fragte Carl verwundert. »Reite nur hinaus, dann wirst Du schon die Richtung finden,« entgegnete der Häuptling, und zog sein Pferd zur Seite, um dem Knaben Raum zu geben. Carl ritt, erstaunt um sich sehend, unter dem letzten Baume hervor, warf einen Blick am Waldsaume hin und schrie: »Großer Gott -- das Fort!« »Vorwärts!« rief der Häuptling, und dahin sauste Carl auf dem Schimmelhengst, als flöge er über das Gras, dem heimathlichen Hügel zu, auf dem das Fort seines Onkels stand, und hinter ihm her stürmte der Häuptling in gestrecktem Laufe. Carl wollte rufen, wollte schreien, die Stimme aber versagte ihm, und statt der Worte von seinen Lippen flossen die Freudenthränen von seinen Augen. Der Häuptling aber hinter ihm ließ das Jagdgeschrei der Delawaren ertönen, daß es laut und jubelnd nach dem Fort hinaufschallte und dessen Bewohner erschrocken in das offene Thor rief. Carl sah die Seinigen, wie sie die Hände nach ihm ausstreckten; auch er breitete jauchzend ihnen seine Arme entgegen, und der Häuptling hielt sein Roß im Lauf zurück und winkte mit dem Tuche durch die Luft, um jeden Schein von Feindseligkeit zu beseitigen. Der Schimmel flog am Hügel hinauf, Turners rissen den geliebten Knaben vom Pferde, er verschwand in ihren Umarmungen, und Daniel hielt mit einer Hand den Schimmel und streckte die andere zwischen seinen überglücklichen Freunden nach seinem geliebten Carl aus, um wenigstens dessen Arm zu erfassen. Das unverhoffte Glück, die Seligkeit des Wiedersehens überwältigte Alle für den Augenblick so sehr, daß sie nicht bemerkten, wie der Häuptling unbeweglich neben ihnen stand, und selbst das Glück, welches er hier geschaffen hatte, wonnig in sein Herz einziehen ließ; als aber der erste Freudenrausch verwogte und die Blicke der Beseligten sich fragend auf ihn richteten, hub er mit ernster Stimme an: »Der Knabe hat dem Manne Freundschaft und Dankbarkeit gelehrt, er ist dem Häuptling der Delawaren ein treuer Freund gewesen, er hat ihm das Leben gerettet, und das Herz des Leoparden enthält jetzt nicht weniger Freundschaft und Dankbarkeit, als das Herz des Knaben. Der Delawarenhäuptling giebt seinen Freund Carl dessen Lieben zurück, er schenkt ihm sein bestes Roß, seinen Schimmelhengst, und er ertheilt dem schwarzen Panther die Freiheit, damit derselbe nun seinen Freund Carl niemals wieder verlasse. Der schwarze Panther ist und bleibt ein Delaware, und wer seine und seiner Freunde Ruhe stört, der wird der Todfeind der Delawaren sein.« Kaum hatte der Indianer aber das letzte Wort gesagt, so warf sich Carl ihm an die Brust und umschlang seinen Nacken unter heißen Thränen des Dankes und des Glücks, und Turners sämmtlich und der Neger drückten den hochherzigen Indianer an ihre Herzen und stammelten unter Freudenthränen ihren Dank hervor. Mein Herz ist nun wieder froh und meine Zunge wieder leicht; Leopard hat jetzt viele Freunde am Bärflusse! sagte der Häuptling, überwältigt von dem Wonnegefühl, mit welchem das von ihm geschaffene Glück seine Brust füllte. Er ließ sich von seinen Freunden nun in das Fort führen, wo sie ihn jubelnd und jauchzend willkommen hießen. In Freude und glücklicher Eintracht verbrachte er hier den Tag, schlief mit Carl in _einem_ Zimmer, und sagte am folgenden Morgen seinen Freunden mit dem Versprechen Lebewohl, sie zweimal im Jahre zu besuchen. Fünf Jahre später, während welcher Zeit der Verfasser dieses Buches wiederholt aus dem Munde des Delawaren-Häuptlings Begebenheiten aus dem Leben Carl Scharnhorsts vernommen hatte, besuchte er selbst die Familie Turner in ihrer Niederlassung am Bärflusse, und erfuhr dann von ihnen und von Carl Scharnhorst selbst ihre Schicksale, die in diesem Buche geschildert sind. Das Fort war verschwunden, ein freundlicheres, von blühenden Lianen umschlungenes Haus stand statt seiner auf dem Hügel, und wurde von Turner, dessen Gattin und ihren beiden Söhnen bewohnt. Das Feld war weit in die Prairie am Pflaumenbache hinauf ausgedehnt und theils mit Mais, theils mit herrlicher Baumwolle bestellt. Julie war an den zweiten Sohn Warwicks am Choctawbache verheirathet, und Carl Scharnhorst hatte seine eigene Farm an der andern Seite des Pflaumenbaches gegründet, die er mit Daniel musterhaft bewirthschaftete. Die Prairie vor beiden Niederlassungen war mit herrlichen Viehheerden belebt, Alles in und um die Ansiedelungen zeugte von Wohlhabenheit und glücklichem ungestörten Frieden der Eigenthümer, und in einer großen Einzäunung vor Carls Hause weideten der Falbe, der Rappe und der Schimmel. _Festgeschenke!_ Im Verlage von #Carl Rümpler# in _Hannover_ sind erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Aus Palast und Hütte. Auserlesene Erzählungen, Parabeln, Fabeln, Legenden und Sagen zur Bildung des Geistes, edler Gesinnung und Sitte. #Eine Weihnachtsgabe# _für Deutschlands heranwachsende Jugend_ von #Elisabeth Marggraff#. Octav. In eleg. Umschlag und mit Titelbild in Farbendruck. Gebunden. 1 Thlr. 15 Ngr. Bilder aus der Märchenwelt. Von #C. Wardow#. _Verfasserin der »Krystalle«._ Mit 6 color. Bildern nach Zeichnungen von F. Kolb, lithogr. von Th. Roßbart und mit einem Vorwort von Th. Colshorn. Octav. In eleg. Umschlag in Farbendruck. Gebunden. 1 Thlr. 22½ Ngr. Des Mägdleins Dichterwald. Stufenmäßig geordnete Auswahl deutscher Gedichte für Mädchen. _Aus den Quellen._ Von #Th. Colshorn#. Vierte Auflage, verbessert und vermehrt. Mit Titelkupfer. Groß Octav. Elegant geheftet. 1 Thlr. In eleg. engl. Einbande mit Rücken- und Deckelpressungen. 1 Thlr. 10 Ngr. Des deutschen Knaben Wunderhorn. Stufenmäßig geordnete _Auswahl deutscher Gedichte für Knaben und Jünglinge_. Aus den Quellen. Von _Theodor Colshorn_. Groß Octav. Elegant geheftet. 1 Thlr. In elegantem englischen Einbande mit Goldpressungen. 1 Thlr. 10 Ngr. Der Deklamator. _Hundert deutsche Gedichte zum Deklamiren_ nebst biographischen Notizen. Für die reifere Jugend zusammengestellt von #Theodor Colshorn.# Octav. Elegant geheftet. 20 Ngr. Märchen und Sagen von #C.# und #Th. Colshorn#. Mit Titelbild nach Originalzeichnung von #L. Richter#, xylographirt von #A. Gaber#. Groß Octav. In elegantem englischen Einbande mit Goldpressungen. 15 Ngr. Deutsche Mythologie für's deutsche Volk. _Vorhalle zum wissenschaftlichen Studium derselben._ Von #Theodor Colshorn.# Miniatur-Ausgabe. Elegant geheftet. 1 Thlr. In prachtvollem englischen Einbande mit Goldpressungen und Goldschnitt. 1 Thlr. 10 Ngr. [ Hinweise zur Transkription Eine auf den Halbtitel folgende ganzseitige Illustration wurde zu der entsprechenden Textstelle auf Seite 248 verschoben. Der Halbtitel wurde entfernt. Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. In dieser Transkription sind _gesperrte_ Schrift, Textanteile in =Antiqua-Schrift= sowie #Fettdruck# jeweils markiert. Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, mit folgenden Ausnahmen, Seite 12: "Madam" geändert in "Madame" (in vollem Lauf bei Herrn und Madame Turner vorübersauste) Seite 22: "«" eingefügt (ist und bleibt doch eine Goldgrube, und --«) Seite 40: "«" eingefügt (wenn mir nur kein Anderer schon zuvorgekommen ist.«) Seite 59: "«" eingefügt (in einigen zwanzig Tagen nach Baltimore bringen.«) Seite 65: "." geändert in "?" (kennst Du das Land an den Ufern der Chesapeake-Bay?«) Seite 82: "»" eingefügt (»Der Kapitain verliert mich allerdings nicht gern) Seite 99: "Perde" geändert in "Pferde" (wenn die Fesseln an den Füßen unserer Pferde halten) Seite 105: "«" hinter "helfen." entfernt (um ihrem ersten Vorposten gegen die Indianer zu helfen.«) Seite 112: "«" eingefügt (ein Trinkhorn und ein Pulverhorn daraus verfertigen.«) Seite 117: "»" eingefügt (»Ich bin wirklich bis unter die Arme naß geworden) Seite 122: "?" geändert in "!" (wir senden sie Alle hierher zu Ihnen!« antwortete Warwick) Seite 146: "Tnrner" geändert in "Turner" (als ob es ein Hase wäre,« entgegnete Turner) Seite 155: "gnt" geändert in "gut" (sich so gut er konnte. Als mich nun der Jaguar) Seite 162: "Jaguarhant" geändert in "Jaguarhaut" (über die Jaguarhaut wurde noch besonders ein Gurt geschnallt) Seite 176: "Honigkochen" geändert in "Honigkuchen" (es wurden Honigkuchen gebacken) Seite 176: "Weinachtsfest" geändert in "Weihnachtsfest" (wie er in Deutschland das Weihnachtsfest zierte) Seite 195: "er-ermüdet" geändert in "ermüdet" (Sehr ermüdet langten sie beim Fort an) Seite 199: "eineu" geändert in "einen" (An jede Falle hatte Daniel einen Strick gebunden) Seite 206: "«" eingefügt (läßt sich nur selten in der Nähe von Ansiedelungen sehen.«) Seite 212: "»" vor "Der" entfernt (Der Schuß durch den Kopf und der durch das Herz) Seite 240: "Tauerkleide" geändert in "Trauerkleide" (wie in einem schwarzen Trauerkleide lag sie) Seite 264: "Anwort" geändert in "Antwort" (Carl gab dem Indianer keine Antwort, was dieser) Seite 269: "Thierscharen" geändert in "Thierschaaren" (als die fliehenden Thierschaaren bei ihm vorüberbrausten) Seite 270: "Fortes" geändert in "Forts" (der Hof und die Umgebung des Forts blendend erhellt waren)] *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK CARL SCHARNHORST. ABENTEUER EINES DEUTSCHEN KNABEN IN AMERIKA *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. Project Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away—you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. START: FULL LICENSE THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase “Project Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg™ License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg™ electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg™ electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg™ electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation (“the Foundation” or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg™ electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is unprotected by copyright law in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope that you will support the Project Gutenberg™ mission of promoting free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg™ works in compliance with the terms of this agreement for keeping the Project Gutenberg™ name associated with the work. You can easily comply with the terms of this agreement by keeping this work in the same format with its attached full Project Gutenberg™ License when you share it without charge with others. 1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in a constant state of change. If you are outside the United States, check the laws of your country in addition to the terms of this agreement before downloading, copying, displaying, performing, distributing or creating derivative works based on this work or any other Project Gutenberg™ work. The Foundation makes no representations concerning the copyright status of any work in any country other than the United States. 1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: 1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate access to, the full Project Gutenberg™ License must appear prominently whenever any copy of a Project Gutenberg™ work (any work on which the phrase “Project Gutenberg” appears, or with which the phrase “Project Gutenberg” is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or distributed: This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. 1.E.2. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not contain a notice indicating that it is posted with permission of the copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in the United States without paying any fees or charges. If you are redistributing or providing access to a work with the phrase “Project Gutenberg” associated with or appearing on the work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg™ trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.3. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is posted with the permission of the copyright holder, your use and distribution must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked to the Project Gutenberg™ License for all works posted with the permission of the copyright holder found at the beginning of this work. 1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg™ License terms from this work, or any files containing a part of this work or any other work associated with Project Gutenberg™. 1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic work, or any part of this electronic work, without prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate access to the full terms of the Project Gutenberg™ License. 1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. However, if you provide access to or distribute copies of a Project Gutenberg™ work in a format other than “Plain Vanilla ASCII” or other format used in the official version posted on the official Project Gutenberg™ website (www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon request, of the work in its original “Plain Vanilla ASCII” or other form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg™ License as specified in paragraph 1.E.1. 1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, performing, copying or distributing any Project Gutenberg™ works unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing access to or distributing Project Gutenberg™ electronic works provided that: • You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from the use of Project Gutenberg™ works calculated using the method you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed to the owner of the Project Gutenberg™ trademark, but he has agreed to donate royalties under this paragraph to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid within 60 days following each date on which you prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty payments should be clearly marked as such and sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in Section 4, “Information about donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation.” • You provide a full refund of any money paid by a user who notifies you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he does not agree to the terms of the full Project Gutenberg™ License. You must require such a user to return or destroy all copies of the works possessed in a physical medium and discontinue all use of and all access to other copies of Project Gutenberg™ works. • You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the electronic work is discovered and reported to you within 90 days of receipt of the work. • You comply with all other terms of this agreement for free distribution of Project Gutenberg™ works. 1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. 1.F. 1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread works not protected by U.S. copyright law in creating the Project Gutenberg™ collection. Despite these efforts, Project Gutenberg™ electronic works, and the medium on which they may be stored, may contain “Defects,” such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. 1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the “Right of Replacement or Refund” described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg™ trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg™ electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGE. 1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a written explanation to the person you received the work from. If you received the work on a physical medium, you must return the medium with your written explanation. The person or entity that provided you with the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a refund. If you received the work electronically, the person or entity providing it to you may choose to give you a second opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy is also defective, you may demand a refund in writing without further opportunities to fix the problem. 1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth in paragraph 1.F.3, this work is provided to you ‘AS-IS’, WITH NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. 1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any provision of this agreement shall not void the remaining provisions. 1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg™ electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg™ electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™ Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate. While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate. Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our website which has the main PG search facility: www.gutenberg.org. This website includes information about Project Gutenberg™, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.