The Project Gutenberg eBook of Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Fünfter Band (der 11)

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Title: Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Fünfter Band (der 11)

Author: Baron Thomas Babington Macaulay Macaulay

Release date: May 25, 2011 [eBook #36217]

Language: German

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK GESCHICHTE VON ENGLAND SEIT DER THRONBESTEIGUNG JAKOB'S DES ZWEITEN. FÜNFTER BAND (DER 11) ***



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9. Kapitel
Inhalt

10. Kapitel
Inhalt

 


 

 

 

Thomas Babington Macaulay’s

Geschichte von England

seit der

Thronbesteigung Jakob’s des Zweiten.

 


 

Aus dem Englischen.

 


Vollständige und wohlfeilste Stereotyp-Ausgabe.

 
 

Fünfter Band

 

----

Leipzig, 1854.
G.   H.   Friedlein.
 
IX.1

Neuntes Kapitel.

Jakob II.


  IX.3

Inhalt.


Seite

Die Tories werden andrer Ansicht in Betreff der Rechtmäßigkeit des Widerstandes

5

Russell schlägt dem Prinzen von Oranien eine Landung in England vor

11
Heinrich Sidney 11
Devonshire 12
Shrewsbury. — Halifax 12
Danby und der Bischof Compton 13
Nottingham 14
Lumley 14
Absendung der Einladung an Wilhelm 14
Mariens Verhalten 15
Schwierigkeiten der Unternehmung Wilhelm’s 16

Jakob’s Benehmen nach dem Prozesse der Bischöfe

19
Entlassungen und Ernennungen 20

Verfahren der Hohen Commission. Sprat tritt aus

22

Unzufriedenheit des Klerus. — Vorgänge in Oxford

23
Unzufriedenheit der Gentry 23
Unzufriedenheit der Armee 24

Es werden irische Truppen herübergezogen. — Unwille des Volks

25
Lillibullero 39

Politische Zustände in den Vereinigten Provinzen

30
Fehler des Königs von Frankreich 31

Sein Streit mit dem Papste bezüglich der Vorrechte auswärtiger Gesandter

32
Das Erzbisthum Köln 33
Kluges Verfahren Wilhelm’s 33
Seine Rüstungen zu Lande und zur See 34

Er erhält zahlreiche Unterstützungszusagen aus England

35
Sunderland 36
Wilhelm’s Befürchtungen 39
Jakob wird gewarnt 40
Ludwig’s Bemühungen, um Jakob zu retten 41
Jakob vereitelt dieselben 42

Die französischen Armeen fallen in Deutschland ein

44

Wilhelm erlangt die Genehmigung der Generalstaaten für seine Expedition

45
Britische Abenteurer im Haag 46
Wilhelm’s Erklärung 47
Jakob fängt an die Gefahr zu ahnen 49
Seine Seemacht 49
Seine militairischen Mittel 50

Er versucht es, seine Unterthanen mit sich auszusöhnen

51
Er bewilligt den Bischöfen eine Audienz 51
IX.4 Seine Zugeständnisse werden übel aufgenommen 53

Dem Geheimen Rath werden Beweise für die legitime Geburt des Prinzen von Wales vorgelegt

55
Sunderland’s Ungnade 56

Wilhelm nimmt Abschied von den holländischen Generalstaaten

57
Er schifft sich ein und segelt ab 58
Er wird durch einen Sturm zurückgeworfen 58
Seine Erklärung kommt in England an 58
Jakob befragt die Lords 58
Wilhelm geht zum zweiten Male unter Segel 60
Er passirt die Meerenge 61
Seine Landung bei Torbay 62
Sein Einzug in Exeter 65
Unterredung des Königs mit den Bischöfen 69
Ruhestörungen in London 71

Angesehene Männer fangen an zu dem Prinzen überzugehen

72
Lovelace 72
Colchester 73
Abingdon 73
Abfall Cornbury’s 74

Petition der Lords um Einberufung eines Parlaments

77
Der König begiebt sich nach Salisbury 79
Seymour 79
Wilhelm’s Hoflager in Exeter 79
Aufstand im Norden 80
Gefecht bei Wincanton 82
Churchill’s und Grafton’s Abfall 84
Rückzug der königlichen Armee von Salisbury 85
Abfall des Prinzen Georg und Ormond’s 85
Flucht der Prinzessin Anna 86
Jakob hält eine Berathung mit den Lords 88

Er ernennt Commissare zur Unterhandlung mit Wilhelm

91
Die Unterhandlung eine Finte 91

Dartmouth weigert sich, den Prinzen von Wales nach Frankreich zu senden

93
Aufregung in London 94
Falsche Proklamation 94

Aufstände in verschiedenen Theilen des Landes

95

Clarendon schließt sich in Salisbury dem Prinzen an

97
Spaltung im Lager des Prinzen 97
Ankunft des Prinzen in Hungerford 99
Gefecht bei Reading 100

Ankunft der königlichen Commissare in Hungerford

100
Unterhandlung 100

Die Königin und der Prinz von Wales werden nach Frankreich geschickt

104
Lauzun 104
Anstalten des Königs zur Flucht 107
Seine Flucht 108
IX.5

Die Freisprechung der Bischöfe war nicht das einzige Ereigniß, das den 13. Juni 1688 zu einem wichtigen Datum unsrer Geschichte macht. An dem nämlichen Tage, während auf hundert Kirchthürmen alle Glocken läuteten, während von Hydepark bis Mile-End das Volk beschäftigt war, für die Freudendemonstrationen in der Nacht Reisigbündel zusammenzutragen und Päpste anzuputzen, wurde ein Actenstück, das für die Freiheiten Englands kaum minder wichtig war, als die Magna Charta, von London nach dem Haag gesandt.

Die Tories werden andrer Ansicht in Betreff der Rechtmäßigkeit des Widerstandes. Der Prozeß der Bischöfe und die Geburt des Prinzen von Wales hatten in den Gesinnungen vieler Tories einen großen Umschwung herbeigeführt. In dem Augenblicke, wo ihrer Kirche eine so empörende Beleidigung und Verhöhnung widerfuhr, mußten sie die Hoffnung auf eine friedliche Lösung aufgeben. Bisher hatten sie gehofft, daß die Prüfung, welche ihre Loyalität zu ertragen hatte, wenn auch hart, doch nur vorübergehend sein werde und daß ihre Leiden ohne Verletzung der feststehenden Thronfolgeordnung bald gehoben werden würden. Jetzt aber eröffnete sich ihnen eine ganz andre Aussicht. So weit sie vorwärts blickten, sahen sie die verkehrte Regierung der letzten drei Jahre durch ganze Menschenalter sich fortspinnen. Die Wiege des präsumtiven Thronfolgers war von Jesuiten umgeben und es stand zu befürchten, daß dem kindlichen Gemüth des Prinzen ein tödtlicher Haß gegen die Kirche, deren Oberhaupt er dereinst werden sollte, eingeimpft, daß dieser Haß das leitende Prinzip seines Lebens werden und auf seine Nachkommenschaft übergehen würde. Und diese unheilvolle Aussicht hatte keine Grenze, sie reichte über die Lebenszeit des jüngsten Menschen, bis über das achtzehnte Jahrhundert hinaus. Niemand konnte sagen, wie viele Generationen protestantischer Engländer noch ein Joch zu tragen haben würden, das man selbst bei der Voraussicht einer kurzen Dauer schon für unerträglich hielt. Gab es denn gar kein Heilmittel? Eines gab es noch, ein rasches, heftiges und entscheidendes, ein Mittel, zu dem die Whigs nur zu bereitwillig gegriffen hätten, das aber von den Tories jederzeit und unter allen Umständen als verwerflich betrachtet worden war.

Die größten anglikanischen Gelehrten der damaligen Zeit hatten den Satz aufgestellt, daß keine Übertretung eines Gesetzes oder eines Vertrags, IX.6 kein Übermaß von Härte, Raubsucht oder Willkür von Seiten eines rechtmäßigen Königs sein Volk zum gewaltsamen Widerstande gegen ihn berechtigen könne. Einige von ihnen hatten etwas darin gesucht, die Lehre vom Nichtwiderstande in einer so überspannten Form darzustellen, daß der gesunde Verstand und die Humanität sich dagegen empören mußten. Sie bemerkten häufig und mit Nachdruck, daß Nero an der Spitze des römischen Reiches gestanden habe, als Paulus die Pflicht des Gehorsams gegen die Obrigkeit einschärfte. Daraus zogen sie den Schluß, daß, wenn ein englischer König, ohne ein andres Gesetz als seinen Willen, seine Unterthanen wegen Nichtanbetung von Götzenbildern verfolgte, sie den Löwen im Tower vorwürfe, sie in getheerte Tücher hüllte und zur Beleuchtung des St. Jamesparkes anzündete, und wenn er mit diesen Grausamkeiten fortführe, bis ganze Städte und Grafschaften entvölkert wären, die Überlebenden trotzdem noch immer verpflichtet sein würden, sich willig zu unterwerfen und sich ohne Widerstand in Stücken zerreißen oder lebendig braten zu lassen. Allerdings waren die Gründe, welche zu Gunsten dieser Behauptung angeführt wurden, unhaltbar, aber der Mangel vernünftiger Argumente wurde reichlich ersetzt durch die Alles vermögende Sophistik des Eigennutzes und der Leidenschaft. Viele Schriftsteller haben ihr Erstaunen darüber ausgedrückt, wie die stolzen Kavaliere Englands sich für die knechtischeste Theorie, die die Welt je gesehen hat, so begeistern konnten. Dies kommt daher, weil diese Theorie dem Kavalier anfangs als der directe Gegensatz des Knechtischen erschien, denn sie machte ihn nicht zum Sklaven, sondern zum freien Herrn und Gebieter. Sie gefiel ihm, weil sie dem gefiel, den er als seinen Beschützer, als seinen Freund, als das Oberhaupt seiner geliebten Partei und seiner noch mehr geliebten Kirche betrachtete. Unter der Herrschaft der Republikaner hatte der Royalist Unbilden und Kränkungen ertragen müssen, welche er nach der Wiedereinsetzung der rechtmäßigen Regierung hatte vergelten können. Rebellion war daher in seinem Sinne gleichbedeutend mit Unterwerfung und Erniedrigung, monarchische Autorität mit Freiheit und Übergewicht. Es war ihm nie eingefallen, daß eine Zeit kommen könnte, wo ein König, ein Stuart die loyalsten Geistlichen und Edelleute mit größerer Erbitterung verfolgen würde, als einst der Rumpf oder der Protector. Eine solche Zeit war gekommen. Jetzt mußte es sich zeigen, wie die Geduld, welche die Anhänger der Landeskirche aus den Schriften des Paulus gelernt zu haben vermeinten, die Probe einer Verfolgung bestehen würde, die noch keineswegs so schlimm war, wie die eines Nero. Das Ergebniß war so, wie es Jedermann, der die menschliche Natur nur einigermaßen kannte, vorausgesagt haben würde. Der Despotismus bewirkte bald, was, der Philosophie und der Beredtsamkeit nie gelungen wäre. Die Angriffe Locke’s hatte Filmer’s System überleben können, aber von dem tödtlichen Schlage, den Jakob ihm versetzte, erholte es sich nie wieder.

Die Gründe, welche für unwiderleglich erklärt wurden, so lange man damit beweisen wollte, daß Presbyterianer und Independenten Haft und Eigenthumsberaubung mit Sanftmuth und Geduld ertragen müßten, schienen bedeutend an Haltbarkeit zu verlieren, als es sich fragte, ob anglikanische Bischöfe eingesperrt und die Einkünfte anglikanischer Collegien eingezogen werden dürften. Es war von den Kanzeln aller Kathedralen des Landes herab oft wiederholt worden, daß das apostolische Gebot, der bürgerlichen Obrigkeit zu gehorchen, unbedingt und allgemein IX.7 und daß es eine gottlose Anmaßung der Menschen sei, ein im Worte Gottes ohne alle Beschränkung erlassenes Gebot beschränken zu wollen. Jetzt aber entdeckten die Geistlichen, deren Scharfsinn durch die drohende Gefahr, ihrer Ämter und Pfründen entsetzt zu werden, um Papisten Platz zu machen, bedeutend erhöht wurde, einige Lücken in dem Raisonnement, das ihnen früher so überzeugend vorgekommen war. Die ethischen Stellen der heiligen Schrift, meinten sie, dürfe man nicht wie Parlamentsverordnungen oder wie casuistische Abhandlungen der Gelehrten deuten. Welcher Christ werde dem Grobian, der ihn auf die rechte Wange geschlagen, wirklich auch die linke hinhalten? Welcher Christ werde dem Diebe, der ihm den Rock genommen, auch noch den Mantel geben? Im Alten wie im Neuen Testament seien durchgängig nur allgemeine Regeln aufgestellt, ohne die Ausnahmen mit anzuführen. So stehe darin das allgemeine Gebot, nicht zu tödten, aber ohne einen Vorbehalt zu Gunsten des Kriegers, der zur Vertheidigung seines Königs und seines Vaterlandes tödtet. So stehe ferner darin das allgemeine Gebot nicht zu schwören, aber ohne Vorbehalt zu Gunsten des Zeugen, der vor dem Richter schwört, daß er die Wahrheit sagen wolle. Die Rechtmäßigkeit des Vertheidigungskrieges und des gerichtlichen Eides werde aber nur von einigen obscuren Sectirern bestritten, und sei in den Artikeln der anglikanischen Kirche ausdrücklich behauptet. Alle die Gründe, welche bewiesen, daß die Weigerung des Quäkers, Waffen zu tragen oder das Evangelium zu küssen, unvernünftig und verkehrt sei, könnten auch gegen Diejenigen gewendet werden, welche den Unterthanen das Recht des gewaltsamen Widerstandes gegen maßlose Tyrannei absprachen. Wenn man behaupte, daß die Bibelstellen, welche das Tödten und das Schwören verboten, trotz ihrer allgemeinen Fassung doch als Unterwerfung unter das große Gebot ausgelegt werden müßten, welches jedem Menschen befiehlt, die Wohlfahrt seines Nächsten zu fördern und daß sie bei solcher Auslegung nicht auf Fälle angewendet werden könnten, in denen das Tödten und Schwören zum Schutze der theuersten Interessen der Gesellschaft durchaus nothwendig sei, dann werde man auch schwerlich leugnen können, daß die Bibelstellen, welche den gewaltsamen Widerstand gegen Vorgesetzte verbieten, ebenso gedeutet werden dürften. Wenn dem alten Volke Gottes unter Umständen gestattet worden sei, Menschenleben zu vernichten und sich durch Eide zu binden, so sei es ihnen unter Umständen auch erlaubt gewesen, schlechten Fürsten Widerstand zu leisten. Wenn die alten Väter der Kirche gelegentlich eine Sprache geführt hätten, aus welcher hervorzugehen schiene, daß sie jeden gewaltsamen Widerstand mißbilligten, so hätten sie gelegentlich auch eine Sprache geführt, aus welcher hervorgehe, daß sie allen Krieg und alle Eide verwarfen. In der That, die Lehre vom passiven Gehorsam, wie sie unter der Regierung Karl’s II. in Oxford gepredigt wurde, kann nur durch eine einseitige Auslegung, die uns unvermeidlich zu den Schlußfolgerungen Barclay’s und Penn’s führen wurde, aus der Bibel hergeleitet werden.

Es waren jedoch nicht allein dem Wortlaute der heiligen Schrift entlehnte Gründe, vermittelst deren die anglikanischen Theologen in den unmittelbar auf die Restauration folgenden Jahren ihren Lieblingssatz zu beweisen versuchten. Sie hatten sich auch bemüht darzuthun, daß selbst wenn die Offenbarung darüber schweige, schon die Vernunft den Weisen von der Thorheit und Verwerflichkeit jedes gewaltsamen Widerstandes IX.8 gegen die bestehende Regierung überzeugt haben würde. Es werde allgemein zugegeben, daß solcher Widerstand, außer im höchsten Nothfalle, nicht zu rechtfertigen sei. Aber wer könne die Grenze zwischen höchsten Nothfällen und gewöhnlichen Fällen bestimmen? Gäbe es wohl eine Regierung, unter der sich nicht Mißvergnügte und Aufwiegler finden würden, welche sagten und vielleicht auch wirklich glaubten, daß ihre Beschwerden einen höchsten Nothfall begründeten? Ja, wenn sich eine klare und bestimmte Regel aufstellen ließe, welche den Menschen verböte, sich gegen einen Trajan zu empören, ihnen aber erlaubte, sich gegen einen Caligula aufzulehnen, so würde eine solche Regel allerdings höchst wohlthätig sein. Aber eine derartige Regel sei nie aufgestellt worden und könne auch nie aufgestellt werden. Wenn man sage, der Aufruhr sei unter gewissen Umständen erlaubt, ohne diese Umstände genau zu bezeichnen, so sei dies eben so gut als wenn man sage, Jedermann dürfe sich empören, sobald es ihm passend erscheine; eine Gesellschaft aber, in der sich Jedermann empören könne, wenn er es für zweckmäßig halte, sei schlechter bestellt als eine unter der Herrschaft des grausamsten und willkürlichsten Despoten stehende. Daher sei es nothwendig, das große Prinzip des Nichtwiderstandes in seinem vollen Umfange aufrecht zu erhalten. Allerdings könnten besondere Fälle eintreten, in denen der Widerstand eine Wohlthat für die Gesellschaft sein würde; im Ganzen genommen aber sei es immer besser, wenn das Volk geduldig eine schlechte Regierung ertrage, als wenn es sich durch Verletzung eines Gesetzes zu helfen suche, auf dem die Sicherheit jeder Regierung beruhe.

Eine solche Argumentation überzeugte wohl eine herrschende und glückliche Partei sehr leicht, aber die Prüfung von Geistern, welche durch königliche Ungerechtigkeit und Undankbarkeit heftig gereizt waren, hielt sie nicht aus. Es ist allerdings unmöglich, eine strenge Grenze zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Widerstande zu ziehen; aber diese Unmöglichkeit liegt in dem ganzen Wesen von Recht und Unrecht und findet sich in fast jedem Zweige der ethischen Wissenschaft. Eine gute Handlung unterscheidet sich von einer schlechten nicht durch so deutliche Kennzeichen, wie ein Sechseck von einem Quadrat. Es giebt eine Grenze, wo Tugend und Laster in einander verschmelzen. Wer hat jemals eine genaue Grenzlinie zwischen Muth und Unbesonnenheit, zwischen Vorsicht und Feigheit, zwischen Sparsamkeit und Geiz, zwischen Freigebigkeit und Verschwendung zu ziehen vermocht? Wer hat jemals sagen können, wie weit die Nachsicht gegen Verbrecher gehen darf, wo sie aufhört den Namen Nachsicht zu verdienen, um verderbliche Schwäche zu werden? Welcher Casuist, welcher Gesetzgeber ist jemals im Stande gewesen, die Grenzen des Selbstvertheidigungsrechts zu bestimmen? Alle unsere Juristen sind der Ansicht, daß ein gewisses Maß von Gefahr für Leben oder Glieder den Menschen berechtige, einen Angreifer niederzuschießen oder zu erstechen, aber den Versuch, das Maß der Gefahr in bestimmten Worten zu bezeichnen, haben sie längst als unausführbar aufgegeben. Sie sagen nur, es dürfe keine unbedeutende, sondern eine solche Gefahr sein, die einen muthigen Menschen ernstlich um sich besorgt machen kann; aber wer wird es unternehmen zu sagen, welcher Grad von Besorgniß wirklich ernst genannt zu werden verdient oder wie der Geist eines Menschen beschaffen sein muß, um als muthig gelten zu können? Man muß es allerdings beklagen, daß die Natur der Worte und die Natur der Dinge eine genauere Gesetzgebung IX.9 nicht gestattet, und es läßt sich nicht leugnen, daß oft Jemandem Unrecht geschieht, wenn die Menschen Richter in ihrer eignen Sache sind und ihr Urtheil augenblicklich vollziehen. Aber wer könnte deshalb alle und jede Nothwehr verbieten? Das Recht eines Volks, einer schlechten Regierung Widerstand zu leisten, ist ganz analog dem Rechte, mit dem der Einzelne in Ermangelung gesetzlichen Schutzes einen ihn Angreifenden erschlagen darf. In beiden Fällen muß die Gefahr sehr ernst sein; in beiden Fällen müssen alle gesetzlichen und friedlichen Vertheidigungsmittel erschöpft sein, ehe die verletzte Partei zum Äußersten schreitet; in beiden Fällen ladet man sich eine große Verantwortlichkeit auf; in beiden Fällen ruht die Beweislast auf Demjenigen, der es gewagt hat, zu einem so verzweifelten Auskunftsmittel zu greifen, und vermag er sich nicht zu rechtfertigen, so verwirkt er mit Recht die schwersten Strafen. Aber in keinem der beiden Fälle können wir das Vorhandensein alles Rechts leugnen. Ein von Mördern überfallener Mensch ist nicht verpflichtet, sich ohne von seinen Waffen Gebrauch zu machen, martern und abschlachten zu lassen, weil noch Niemand im Stande gewesen ist, das Maß der Gefahr, welches einen Todtschlag rechtfertigt, genau zu bestimmen. Ebenso wenig ist eine Gesellschaft verpflichtet, Alles was die Tyrannei über sie verhängen kann, mit passiver Geduld zu ertragen, weil noch Niemand das Maß der Regierungssünden, das eine Empörung rechtfertigt, genau zu bestimmen vermochte.

Aber konnte der Widerstand der Engländer gegen einen Fürsten wie Jakob eigentlich Empörung genannt werden? Die ächten Schüler Filmer’s behaupteten allerdings, daß zwischen unsrem Regierungssystem und dem der Türkei nicht der geringste Unterschied sei, und wenn der König sich nicht den Inhalt aller Kaufmannskasten in Lombard Street zueigne und Stumme mit der seidenen Schnur zu Sancroft und Halifax sende, so geschehe dies nur, weil Seine Majestät zu mild und gnädig sei, als daß er seine ganze, ihm vom Himmel ertheilte Macht ausüben sollte. Aber wenn auch die Tories zuweilen in der Hitze des Wortstreits eine Sprache führten, welche anzudeuten schien, daß sie diesen überspannten Lehren Beifall zollten, so verabscheuten sie den Despotismus doch gründlich. Die englische Regierungsform war nach ihren Begriffen eine beschränkt monarchische. Aber wie kann eine Monarchie beschränkt genannt werden, wenn niemals, selbst nicht im äußersten Nothfalle Gewalt angewendet werden darf, um sie innerhalb der ihr vorgeschriebenen Schranken zu halten? In Rußland, wo der Herrscher nach der Verfassung des Staats unbeschränkt war, konnte man vielleicht mit einem Schein von Richtigkeit behaupten, daß er, welche Übergriffe er sich auch erlaubte, noch immer nach christlichen Grundsätzen von seinen Unterthanen Gehorsam verlangen durfte. Bei uns aber stand der Fürst so gut unter dem Gesetze wie das Volk. Es war daher Jakob, der das Wehe über sich brachte, welches Denen angedroht ist, die der bestehenden Gewalt Hohn sprechen. Jakob war es, der sich den Anordnungen Gottes widersetzte, der sich gegen die rechtmäßige Autorität auflehnte, welcher er nicht allein aus Furcht vor dem göttlichen Zorne, sondern schon nach eigenem Gewissen hätte unterthan sein sollen, und der im wahren Sinne der Worte Jesu dem Kaiser nicht gab was des Kaisers war.

In Folge derartiger Betrachtungen fingen die kundigsten und aufgeklärtesten Tories an zuzugeben, daß sie in der Lehre vom passiven Gehorsam doch zu weit gegangen waren. Der Streit zwischen diesen Männern IX.10 und den Whigs bezüglich der gegenseitigen Verpflichtungen der Könige und Unterthanen war jetzt kein Prinzipstreit mehr. Es blieben allerdings noch einige gerichtliche Streitpunkte zwischen der Partei, welche jederzeit die Rechtmäßigkeit des gewaltsamen Widerstandes behauptet hatten, und den Neubekehrten. Das Andenken des gesegneten Märtyrers wurde von den alten Kavalieren, welche bereit waren, gegen seinen entarteten Sohn die Waffen zu ergreifen, noch immer so hoch als je verehrt. Sie sprachen noch immer mit Abscheu von dem langen Parlamente, von dem Ryehousecomplot und von dem Aufstande im Westen. Aber wie sie auch über die Vergangenheit denken mochten, ihre Ansicht von der Gegenwart war entschieden whiggistisch, denn sie waren jetzt der Meinung, daß äußerster Druck gewaltsamen Widerstand rechtfertigen könne und daß der Druck, unter dem die Nation eben seufzte, den äußersten Grad erreicht habe.1

Man darf jedoch nicht glauben, daß alle Tories selbst unter den damaligen Umständen einem Prinzipe entsagten, daß sie von Kindheit auf als einen wesentlichen Bestandtheil des Christenthums betrachten gelernt, zu dem sie sich viele Jahre lang mit prahlender Heftigkeit bekannt und das sie durch Verfolgung zu verbreiten gesucht hatten. Manche hielten aus wirklicher Überzeugung, Andere aus Scham an dem alten Glauben fest. Der größere Theil aber selbst von Denen, welche nach wie vor jeden gewaltsamen Widerstand gegen den Landesherrn für unstatthaft erklärten, war geneigt, im Falle eines Bürgerkriegs neutral zu bleiben. Keine Herausforderung sollte sie zum Aufstande bewegen, wenn aber ein solcher ausbräche, so glaubten sie sich nicht verpflichtet, für Jakob II. zu kämpfen, wie sie für Karl I. gekämpft haben würden. Paulus habe den Christen in Rom verboten, sich gegen die Herrschaft Nero’s zu empören; aber es sei kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß, wenn der Apostel noch gelebt hätte, als die Legionen und der Senat sich gegen den ruchlosen Kaiser erhoben, er den Brüdern befohlen haben würde, zur Unterstützung der Tyrannei zu den Waffen zu eilen. Die Pflicht der verfolgten Kirche sei klar: sie müsse geduldig ausharren und ihre Sache Gott anheim stellen. Wenn es aber Gott, dessen weise Fürsorge stets das Böse zum Guten lenkt, gefallen sollte, wie es ihm oft gefallen habe, sich zur Abstellung ihrer Leiden der Vermittelung solcher Menschen zu bedienen, deren heftige Leidenschaften ihre Lehren nicht zu bezähmen vermocht hätten, so könne sie dankbar von ihm eine Befreiung annehmen, welche auf eigne Hand zu bewerkstelligen ihre Grundsätze ihr nicht gestatteten. So waren die meisten von den Tories, welche noch immer jeden Gedanken an einen Angriff auf die Regierung aufrichtig zurückwiesen, doch keineswegs gemeint, sie zu vertheidigen, und freuten sich vielleicht, während sie sich ihrer eigenen Gewissensscrupel rühmten, im Stillen darüber, daß nicht Jedermann so bedenklich war als sie.

Die Whigs sahen, daß ihre Zeit gekommen war. Ob sie das Schwert gegen die Regierung ziehen sollten, war schon seit sechs oder sieben Jahren bei ihnen nur noch eine Frage der Klugheit und jetzt gebot ihnen eben die Klugheit, einen kühnen Weg einzuschlagen.

1. Dieser Umschwung in den Ansichten eines Theiles der Torypartei ist in einem Schriftchen, welches zu Anfang des Jahres 1689 unter dem Titel erschien: „A Dialogue betwen Two friends, wherein the Church of England is vindicated in joining with the Prince of Orange“ trefflich dargestellt.

IX.11

Russell schlägt dem Prinzen von Oranien eine Landung in England vor. Im Mai, vor der Geburt des Prinzen von Wales und während es noch ungewiß war, ob die Indulgenzerklärung in den Kirchen verlesen werden würde oder nicht, hatte sich Eduard Russell nach dem Haag begeben, hatte dem Prinzen von Oranien den Zustand der Volksstimmung eindringlich geschildert und Seiner Hoheit gerathen, an der Spitze einer starken Truppenmacht in England zu erscheinen und das Volk zu den Waffen zu rufen.

Wilhelm hatte die ganze Bedeutung der Krisis auf den ersten Blick erkannt. „Jetzt oder nie!“ sagte er auf Lateinisch zu Dykvelt.2 Gegen Russell sprach er sich vorsichtiger aus, gab zu, daß die Leiden des Staats von der Art seien, daß sie ein außergewöhnliches Heilmittel erheischten, sprach aber sehr ernstlich von dem möglichen Scheitern des Unternehmens und von dem Unheil, welches dadurch über Großbritannien und über ganz Europa gebracht werden konnte. Er wisse nur zu gut, daß Viele, die sich jetzt in hochtönenden Worten bereit erklärten, Gut und Blut dem Vaterlande zu opfern, wieder zaghaft werden würden, wenn ihnen die Aussicht auf eine Wiederholung der Blutigen Assisen nahe vor Augen träte, und er könne sich daher nicht mit unbestimmten Versicherungen von Geneigtheit begnügen, sondern verlange bestimmte Einladungen und schriftliche Unterstützungszusagen von einflußreichen und bedeutenden Männern. Russell bemerkte ihm dagegen, daß es gefährlich sein werde, eine größere Anzahl von Personen in den Plan einzuweihen. Wilhelm stimmte ihm bei und sagte, daß einige wenige Unterschriften genügen würden, wenn es die von Staatsmännern wären, welche große Parteien repräsentirten.3

2. „Aut nunc, aut nunquam.“ — Witsen’s Handschriften, citirt von Wagenaar, Buch 60.

3. Burnet, I. 763.

Heinrich Sidney. Mit dieser Antwort kehrte Russell nach London zurück, wo er die Aufregung bedeutend gestiegen und noch täglich zunehmend fand. Die Einsperrung der Bischöfe und die Entbindung der Königin erleichterten ihm seine Aufgabe mehr als er es hätte erwarten können. Er eilte die Stimmen der Oberhäupter der Opposition zu sammeln und sein Hauptgehülfe bei diesem Geschäft war Heinrich Sidney, der Bruder Algernon’s. Es ist ein bemerkenswerther Umstand, daß Eduard Russell sowohl als Heinrich Sidney dem Hofstaate Jakob’s angehört hatten, daß Beide theils aus politischen, theils aus Privatgründen seine Feinde geworden waren und daß Beide das Blut naher Verwandter zu rächen hatten, welche in einem und demselben Jahre als Opfer seiner unerbittlichen Strenge gefallen waren. Hier endet jedoch die Ähnlichkeit. Russel war, bei bedeutenden Fähigkeiten, stolz, sarkastisch, ruhelos und heftig. Sidney schien bei sanftem Gemüth und einnehmenden Manieren seine besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse zu besitzen und in Genußsucht und Indolenz versunken zu sein. Von Gesicht und Gestalt war er auffallend hübsch. In seiner Jugend war er der Schrecken der Ehemänner gewesen und selbst jetzt, dem fünfzigsten Jahre nahe, war er noch der Liebling der Frauen und ein Gegenstand des Neides für jüngere Männer. Er hatte sich früher in amtlicher Stellung im Haag aufgehalten und es war ihm gelungen, sich Wilhelm’s Vertrauen in hohem Grade zu erwerben. Viele wunderten sich darüber, denn man hätte glauben sollen, daß der ernsteste IX.12 Staatsmann und der ausschweifendste Müßiggänger nichts mit einander gemein haben könnten. Swift konnte viele Jahre später nicht begreifen, daß ein Mann, den er nur als einen wissenschaftlich ungebildeten und frivolen alten Wüstling gekannt hatte, wirklich in einer großen Revolution eine große Rolle gespielt haben sollte. Doch selbst ein minder scharfsichtiger Beobachter als Swift hätte wissen können, daß es einen gewissen instinktartigen Takt giebt, der oft großen Rednern und Philosophen fehlt, aber oft bei Personen gefunden wird, die man für einfältige Menschen erklären würde, wenn man sie nur nach ihren Reden und Schriften beurtheilte. In der That, wer diesen Takt besitzt, für den ist es in gewissem Sinne ein Vortheil, wenn ihm die glänzenderen Talente mangeln, die ihn zu einem Gegenstande der Bewunderung, des Neides und der Furcht machen würden. Sidney war ein sprechender Beleg für diese Wahrheit. So untüchtig, unwissend und ausschweifend er zu sein schien, so erkannte er doch ober fühlte er vielmehr, gegen wen er zurückhaltend sein mußte und gegen wen er ohne Gefahr mittheilend sein durfte. In Folge dessen leistete er was Mordaunt mit all’ seiner Lebhaftigkeit und all’ seinem Erfindungsgeiste oder Burnet mit all’ seinem vielseitigen Wissen und seiner fließenden Beredtsamkeit nie hätten ausführen können.4

4. Sidney’s Diary and Correspondence, edited by Blencowe; Mackay’s Memoirs und Swift’s Note; Burnet, I. 763.

Devonshire. Bei den alten Whigs konnte es keine Schwierigkeiten haben. Ihrer Meinung nach hatte es seit vielen Jahren kaum einen Augenblick gegeben, wo die öffentlichen Rechtsverletzungen nicht den Widerstand gerechtfertigt hätten. Devonshire, der als ihr Oberhaupt betrachtet werden konnte, hatte sowohl private als öffentliche Unbilden zu rächen. Er ging mit ganzem Herzen auf den Plan ein und bürgte für seine Partei.5

5. Burnet, I. 764; Chiffrirter Brief an Wilhelm vom 18. Juni 1688 in Dalrymple.

Shrewsbury. — Halifax. Russell theilte den Plan Shrewsbury mit und Sidney sondirte Halifax. Shrewsbury entschloß sich mit einem Muthe und einer Entschiedenheit, welche späterhin seinem Character zu fehlen schienen. Er erklärte sich sofort bereit, sein Vermögen, seine Ehre und sein Leben aufs Spiel zu setzen. Halifax aber nahm die erste Andeutung des Vorhabens in einer Weise auf, welche bewies, daß es nutzlos und vielleicht sogar gefährlich gewesen wäre, sich deutlicher auszusprechen. Er war in der That auch nicht der Mann zu einem solchen Unternehmen. Sein Geist war unerschöpflich in subtilen Unterscheidungen und Einwendungen, sein Temperament friedliebend und nicht waghalsig. Er war bereit, dem Hofe im Hause der Lords und durch anonyme Schriften bis aufs Äußerste zu opponiren; aber seine vornehme Ruhe mit dem unsicheren und bewegten Leben eines Verschwörers zu vertauschen, sich in die Gewalt von Mitverschwornen zu geben, in beständiger Angst vor Verhaftbefehlen und Königsboten zu leben, ja vielleicht gar auf dem Schaffot zu enden, oder in einer Hintergasse im Haag von Almosen zu existiren, dazu hatte er wenig Lust. Er äußerte daher einige Worte, welche deutlich erkennen ließen, daß er nicht wünschte, in die Pläne seiner verwegeneren und ungestümeren Freunde eingeweiht zu werden. Sidney verstand ihn und sagte nichts mehr.6

6. Ibid.

IX.13

Danby und der Bischof Compton. Hierauf wendete man sich nun zunächst an Danby und mit weit besserem Erfolg. Für seinen kühnen und thatkräftigen Geist hatten Gefahr und Aufregung, welche dem zarter organisirten Gemüth Halifax’ unerträglich waren, einen großen Reiz. Die verschiedenen Charactere der beiden Staatsmänner waren schon in ihren Gesichtszügen zu erkennen. Halifax’ Stirn, Auge und Mund verriethen einen ausgezeichneten Verstand und einen ungewöhnlichen Sinn für die Satire; aber sein Gesichtsausdruck war der eines Skeptikers, eines Sybariten, eines Mannes, der so leicht nicht Alles auf eine Karte setzt oder für irgend eine Sache zum Märtyrer wird. Wer sein Gesicht kennt, wird sich nicht wundern können, daß der Schriftsteller, der ihm am meisten Vergnügen machte, Montaigne war.7 Danby war ein Skelett; sein hageres und faltenreiches, obgleich ansprechendes und edles Gesicht verrieth sowohl seine ausgezeichneten Geistesgaben, als auch seinen ruhelosen Ehrgeiz. Er hatte sich schon einmal aus der Dunkelheit auf den Gipfel der Macht emporgeschwungen und war dann plötzlich von seiner Höhe herabgestürzt. Sein Leben war in Gefahr gewesen und er hatte Jahre lang im Gefängniß zugebracht. Jetzt war er frei, aber damit war er nicht zufrieden, er wollte wieder groß werden. Als treuer Anhänger der anglikanischen Kirche und Feind des französischen Übergewichts konnte er nicht hoffen, an einem von Jesuiten wimmelnden und dem Hause Bourbon ergebenen Hofe etwas Großes zu werden. Wenn er aber eine Hauptrolle in einer Revolution übernahm, welche alle Pläne der Papisten vereiteln, der langen Vasallenschaft Englands ein Ziel setzen und die königliche Macht auf ein erlauchtes Paar übertragen sollte, dessen eheliches Band er geknüpft hatte, so konnte er mit neuem Glanze aus seiner Dunkelheit hervortreten. Die Whigs, deren Groll ihn neun Jahre früher aus dem Amte gestoßen hatte, verbanden bei seinem glücklichen Wiedererscheinen gewiß ihren Beifallsjubel mit dem seiner alten Freunde, der Kavaliere. Schon hatte er sich mit einem der Ausgezeichnetsten von Denen, welche ihn vormals angeklagt hatten, mit dem Earl von Devonshire, vollständig wieder ausgesöhnt. Die beiden Kavaliere waren in einem Dorfe im Peak zusammengekommen und hatten einander ihrer freundschaftlichen Gesinnungen versichert. Devonshire hatte offen eingestanden, daß die Whigs sich einer großen Ungerechtigkeit schuldig gemacht und hatte erklärt, daß sie jetzt von ihrem Irrthum überzeugt wären. Auch Danby hatte Mancherlei zurückzunehmen. Er hatte einst wirklich oder vorgeblich der Lehre vom passiven Gehorsame im weitesten Sinne gehuldigt. Auf seine Anregung oder mit seiner Genehmigung war ein Gesetz beantragt worden, das, wenn es angenommen worden wäre, alle Diejenigen, die sich weigerten eidlich zu erklären, daß sie gewaltsamen Widerstand unter allen Umständen für unerlaubt hielten, vom Parlament ausgeschlossen haben würde. Aber sein scharfer Verstand, durch die Sorge um das öffentliche wie um sein persönliches Wohl vollständig erleuchtet, ließ sich jetzt nicht mehr durch solche kindische Trugschlüsse täuschen, wenn dies überhaupt jemals der Fall gewesen war. Er erklärte sofort seinen Beitritt zu der Verschwörung, und bemühte sich dann, die Mitwirkung Compton’s, des IX.14 suspendirten Bischofs von London zu gewinnen, was ihm auch ohne Schwierigkeit gelang. Kein Prälat war von der Regierung so rücksichtslos und ungerecht behandelt worden als Compton, auch hatte kein Prälat soviel von einer Revolution zu erwarten als er, denn er war der Erzieher der Prinzessin von Oranien gewesen und man glaubte allgemein, daß er ihr Vertrauen in hohem Maße genoß. Er hatte wie seine Collegen, so lange er noch nicht unterdrückt wurde, entschieden behauptet, daß es ein Verbrechen sei, sich gegen den Druck aufzulehnen; seitdem er aber vor der Hohen Commission gestanden, war ein neues Licht in ihm aufgegangen.8

7. In Betreff Montaigne’s siehe Halifax’ Brief an Cotton. Ich weiß nicht, ob Halifax’ Kopf in der Westminsterabtei nicht ein richtigeres Bild von ihm giebt als alle gemalten oder gestochenen Portraits, die ich von ihm gesehen habe.

8. Siehe Danby’s Einleitung zu den Actenstücken, die er 1710 veröffentlichte, so wie auch Burnet, I. 764.

Nottingham. Danby und Compton wünschten Beide, sich der Unterstützung Nottingham’s zu versichern. Der ganze Plan wurde ihm mitgetheilt und er billigte denselben. Aber schon nach wenigen Tagen fing er an besorgt zu werden. Seine Seele war nicht stark genug, um sich von anerzogenen Vorurtheilen loszureißen. Er ging von einem Geistlichen zum andern, legte ihnen in allgemeinen Ausdrücken angenommene Fälle von Tyrannei vor und fragte sie, ob in solchen Fällen der Widerstand erlaubt sei. Die Antworten, die er erhielt, vermehrten seine Angst. Endlich sagte er seinen Mitverschwornen, daß er nicht weiter mit ihnen gehen könne. Wenn sie ihn für fähig hielten, sie zu verrathen, so sollten sie ihn umbringen, und er werde sie schwerlich deshalb tadeln, denn indem er zurücktrete, nachdem er so weit gegangen sei, gebe er ihnen eine Art von Recht über sein Leben. Er versichere aber, daß sie von ihm nichts zu fürchten hatten; er werde ihr Geheimniß streng bewahren und könne nicht anders als ihnen den besten Erfolg wünschen, aber sein Gewissen gestatte ihm nicht, thätigen Antheil an einem Aufstande zu nehmen. Sie vernahmen sein Bekenntniß mit Argwohn und Verachtung. Sidney, der sehr unbestimmte Begriffe von Gewissensscrupeln hatte, benachrichtigte den Prinzen, daß Nottingham Angst bekommen habe. Man ist es jedoch Nottingham schuldig, zu sagen, daß sein allgemeiner Lebenswandel uns zu dem Glauben berechtigt, daß er bei dieser Gelegenheit durchaus rechtschaffen, wenn auch höchst unklug und unentschlossen handelte.9

9. Burnet, I. 764; Sidney an den Prinzen von Oranien, 30. Juni 1688, in Dalrymple.

Lumley. Einen vollständigeren Erfolg hatten die Agenten des Prinzen bei Lord Lumley, der wohl wußte, daß er trotz des hochwichtigen Dienstes, den er zur Zeit des Aufstandes im Westen geleistet, in Whitehall nicht blos als Ketzer, sondern als Renegat verhaßt war, und der sich daher mehr als die meisten gebornen Protestanten danach sehnte, zur Vertheidigung des Protestantismus die Waffen zu ergreifen.10

10. Burnet, I. 763; Lumley an Wilhelm, 31. Mai 1688 in Dalrymple.

Absendung der Einladung an Wilhelm. Im Monat Juni hatten die ins Geheimniß Eingeweihten häufige Zusammenkünfte, und am Letzten dieses Monats, dem Tage, an welchem die Bischöfe für nichtschuldig erklärt wurden, geschah endlich der entscheidende Schritt. Es wurde eine von Sidney geschriebene, aber von einer in der Abfassung derartiger Aufsätze geübteren Person entworfene förmliche Einladung nach dem Haag abgeschickt. In diesem Schreiben wurde Wilhelm versichert, daß neunzehn Zwanzigstel des englischen Volks sich nach einer Änderung sehnten und IX.15 sich gern zur Herbeiführung einer solchen verbinden würden, wenn sie den Beistand einer solchen auswärtigen Macht erlangen könnten, welche die sich in Waffen Erhebenden vor der Gefahr sichere, zerstreut und niedergehauen zu werden, ehe sie sich in irgend einer militairischen Ordnung formiren könnten. Wenn Seine Hoheit an der Spitze eines Truppencorps in England erschiene, würden viele Tausende zu seinen Fahnen eilen, und er würde bald über eine der regulären Armee Englands weit überlegene Streitmacht zu verfügen haben. Überdies könne sich die Regierung selbst auf diese Armee nicht unbedingt verlassen. Die Offiziere seien unzufrieden und die gemeinen Soldaten theilten den Widerwillen gegen den Papismus, der in dem Stande, welchem sie angehörten, allgemein sei. Bei der Seemacht sei die protestantische Gesinnung noch allgemeiner. Es sei daher von Wichtigkeit, daß ein entscheidender Schritt geschehe, so lange sich die Dinge in diesem Zustande befänden. Das Unternehmen würde viel schwieriger sein, wenn es verschoben würde, bis der König durch Umgestaltung der Wahlkörper und der Regimenter sich ein Parlament und ein Heer gebildet habe, auf die er sich verlassen könnte. Die Verschwornen baten demnach den Prinzen dringend, so schleunig als möglich zu ihnen zu kommen. Sie gaben ihr Ehrenwort darauf, daß sie sich ihm anschließen würden und machten sich anheischig, die Mitwirkung einer so großen Anzahl Personen zu erlangen, als man ohne Gefahr in ein so wichtiges und gefährliches Geheimniß ziehen könne. Über einen Punkt hielten sie es für ihre Pflicht, Seiner Hoheit eine Vorstellung zu machen. Er habe die Meinung der großen Masse der Engländer über die kürzliche Geburt eines Prinzen nicht zu seinem Vortheile benutzt, sondern im Gegentheil Glückwünsche nach Whitehall gesandt, wodurch es scheinen müsse, als ob das Kind, welches den Namen eines Prinzen von Wales bekommen habe, der rechtmäßige Erbe des Thrones sei. Dies sei ein großer Fehler gewesen und habe den Eifer abgekühlt. Nicht Einer unter Tausend zweifle daran, daß der Knabe untergeschoben sei und der Prinz würde seinen Vortheil nicht richtig erkennen, wenn er nicht die verdächtigen Umstände, welche die Niederkunft der Königin begleitet hätten, unter den Gründen für seine bewaffnete Erhebung obenan stelle.11

Dieses Schreiben war mit den Namenschiffern der sieben Oberhäupter der Verschwörung, Shrewsbury, Devonshire, Danby, Lumley, Compton, Russell und Sidney, unterzeichnet. Herbert übernahm das Amt des Überbringers. Seine Sendung war mit nicht geringer Gefahr verknüpft. Er legte die Tracht eines gemeinen Matrosen an und erreichte am Freitag nach dem Prozesse der Bischöfe die niederländische Küste. Er eilte augenblicklich zu dem Prinzen. Bentinck und Dyckvelt wurden gerufen und es vergingen mehrere Tage unter Berathungen. Das erste Resultat dieser Berathungen war, daß das Gebet für den Prinzen von Wales nicht mehr in der Kapelle des Prinzen verlesen wurde.12

11. Siehe die ausführliche Einladung bei Dalrymple.

12. Sidney’s Brief an Wilhelm, 30. Juni 1688; Avaux, 11.(21.), 12.(22.) Juli.

Mariens Verhalten. Von Seiten seiner Gemahlin hatte Wilhelm keine Opposition zu fürchten. Er übte eine unbeschränkte Gewalt über ihren Geist aus und, was noch merkwürdiger war, er hatte ihre ganze Zuneigung gewonnen. Er ersetzte ihr die Eltern, die sie durch den Tod IX.16 und durch Entfremdung verloren hatte, die Kinder, die ihren Gebeten versagt worden, und das Vaterland, aus dem sie verbannt war. Er theilte die Herrschaft über ihr Herz nur mit ihrem Gott. An ihrem Vater hatte sie wahrscheinlich nie mit Liebe gehangen, sie hatte ihn in früher Jugend verlassen, seit vielen Jahren hatte sie ihn nicht gesehen und sein Benehmen gegen sie seit ihrer Vermählung hatte weder Zärtlichkeit von seiner Seite verrathen noch in ihr ein derartiges Gefühl erwecken können. Er hatte alles Mögliche gethan, um ihr häusliches Glück zu stören und unter ihrem Dache ein förmliches System von Spioniererei, Aushorcherei und Angeberei eingeführt. Er bezog größere Einkünfte als irgend einer seiner Vorgänger und bewilligte ihrer jüngeren Schwester ein regelmäßiges Jahrgehalt von vierzigtausend Pfund;13 die muthmaßliche Erbin seines Thrones aber hatte nie die geringste Geldunterstützung von ihm erhalten und war kaum im Stande, den ihrem hohen Range unter den europäischen Fürstinnen zukommenden Aufwand zu machen. Sie hatte es gewagt, sich für ihren alten Freund und Lehrer Compton bei ihm zu verwenden, der von seinen bischöflichen Functionen suspendirt worden war, weil er sich geweigert hatte, eine Handlung empörender Ungerechtigkeit zu begehen, aber ihre Fürsprache war ungnädig abgewiesen werden.14 Von dem Tage an, wo es sich klar herausgestellt hatte, daß sie und ihr Gemahl entschlossen waren, sich bei dem Umsturze der englischen Verfassung nicht zu betheiligen, war es ein Hauptzweck der Politik Jakob’s gewesen, sie Beide zu kränken. Er hatte die britischen Regimenter aus Holland zurückberufen, er hatte mit Tyrconnel und mit Frankreich gegen Mariens Rechte conspirirt und Anstalten getroffen, um sie wenigstens einer der drei Kronen zu berauben, auf welche sie bei seinem Tode Anspruch gehabt haben würde. Jetzt glaubte die große Masse seines Volks und viele Personen von hohem Range und ausgezeichneten Fähigkeiten, daß er einen unächten Prinzen von Wales in die königliche Familie eingeschmuggelt habe, um sie eines reichen Erbtheils zu berauben, und man konnte nicht zweifeln, daß auch sie den herrschenden Argwohn theilte. Einen solchen Vater konnte sie unmöglich lieben. Ihre religiösen Grundsätze waren allerdings so streng, daß sie sich wahrscheinlich bemüht haben würde, das was sie für ihre Pflicht hielt, auch gegen einen nicht geliebten Vater zu erfüllen. In dem vorliegenden Falle aber war sie der Meinung, daß Jakob’s Anrecht auf ihren Gehorsam einem geheiligteren Anrechte weichen müsse. In der That stimmen alle Theologen und Publicisten darin überein, daß, wenn die Tochter des Fürsten eines Landes mit dem Fürsten eines andren Landes vermählt ist, sie ihr eignes Volk und ihr Vaterhaus vergessen und im Falle eines Bruches zwischen ihrem Gemahl und ihren Eltern auf die Seite des Ersteren treten muß. Dies ist die feststehende Regel, selbst wenn der Gatte im Unrecht wäre; in Mariens Augen aber war das von Wilhelm beabsichtigte Unternehmen nicht nur gerecht, sondern heilig.

13. Bonrepaux, 18.(28.) Juli 1687.

14. Birch’s Auszüge im Britischen Museum.

Schwierigkeiten der Unternehmung Wilhelm’s. Obgleich sie es aber sorgfältig vermied, irgend etwas zu thun oder zu sagen, was die ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten vermehren konnte, so IX.17 waren diese Schwierigkeiten doch sehr ernster Art. Sie wurden jedoch selbst von Einigen von Denen, die ihn einluden hinüberzukommen, nur unvollkommen begriffen, und sind auch von einigen Geschichtsschreibern der Unternehmung nur unvollkommen geschildert worden.

Die Hindernisse, welche er auf englischem Boden zu erwarten hatte, waren zwar die mindest furchtbaren, die der Ausführung seines Planes entgegenstanden, waren aber doch auch sehr ernst. Er sah wohl ein, daß es Wahnsinn gewesen wäre, nach dem Beispiele Monmouth’s mit einigen wenigen britischen Abenteurern über das Meer zu fahren und auf eine allgemeine Erhebung der Bevölkerung zu rechnen. Es war nothwendig und wurde von Allen, die ihn einluden, als nothwendig erkannt, daß er eine Armee mitbrachte. Aber wer konnte für den Eindruck stehen, den das Erscheinen einer solchen Armee machen würde? Die Regierung war allerdings mit Recht verhaßt, aber ließ sich wohl erwarten, daß das an die Einmischung festländischer Mächte in englische Streitigkeiten nicht gewohnte englische Volk einen von fremden Soldaten umgebenen Befreier mit wohlwollendem Auge betrachten würde? Wenn nur ein Theil der königlichen Truppen dem Eindringenden entschlossenen Widerstand entgegensetzte, würde dieser Theil nicht bald die vaterländischen Sympathien von Millionen auf seiner Seite haben? Eine Niederlage würde dem ganzen Unternehmen verderblich geworden sein. Ein blutiger Sieg der Söldlinge der Generalstaaten über die Coldstreamgarden und die Buffs im Herzen der Insel wäre fast ein eben so großes Unglück gewesen als eine Niederlage. Ein solcher Sieg würde die schmerzlichste Wunde gewesen sein, welche je dem Nationalstolze einer der stolzesten Nationen geschlagen worden. Die so eroberte Krone hätte nie in Ruhe und Frieden getragen werden können. Der Haß, mit dem man die Hohe Commission und die Jesuiten betrachtete, wäre durch den viel stärkeren Haß gegen fremde Eroberer verdrängt worden, und Viele, die seither auf Frankreichs Macht mit Furcht und Abscheu geblickt hatten, würden gesagt haben, daß wenn nun einmal ein fremdes Joch getragen werden müsse, das französische weniger schimpflich sei als das holländische.

Diese Betrachtungen hätten Wilhelm wohl bedenklich machen können, selbst wenn ihm alle militairischen Hülfsmittel der Vereinigten Provinzen zur unumschränkten Verfügung gestanden hätten. In Wirklichkeit aber schien es sehr zweifelhaft, ob er die Unterstützung eines einzigen Bataillons würde erlangen können. Von allen Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte, war die größte, obgleich von den englischen Geschichtsschreibern wenig beachtete, die, welche in der Verfassung der batavischen Republik selbst lag. Noch nie hatte ein großer Staat unter einer so unzweckmäßigen Verfassung eine lange Reihe von Jahren existirt. Die Generalstaaten konnten ohne die Zustimmung der Staaten jeder einzelnen Provinz weder Krieg noch Frieden beschließen, weder ein Bündniß eingehen, noch eine Steuer erheben. Und die Provinzialstaaten konnten wieder ihre Zustimmung nicht ohne die Zustimmung derjenigen Municipalitäten geben, welche einen Antheil an der Vertretung hatten. Jede Municipalität war gleichsam ein souverainer Staat und beanspruchte als solcher das Recht, mit den fremden Gesandten direct zu verkehren und mit ihnen die Mittel zur Vereitelung von Plänen zu verabreden, welche andere Municipalitäten beabsichtigten. In einigen Stadträthen hatte die Partei, welche mehrere Generationen hindurch den Einfluß der Stadthalter mit IX.18 eifersüchtigem Auge ansah, ein große Masse. An der Spitze dieser Partei standen die Behörden der stolzen Stadt Amsterdam, welche damals in ihrer höchsten Blüthe war. Sie hatten seit dem Frieden von Nymwegen mit Ludwig durch die Vermittelung seines geschickten und thätigen Gesandten, des Grafen von Avaux, stets einen freundschaftlichen Verkehr unterhalten. Vorschläge, die der Statthalter als zum Wohle der Republik unumgänglich nöthig beantragt, die von allen Provinzen außer Holland und von siebzehn unter den achtzehn holländischen Stadträthen genehmigt worden, waren schon mehr als einmal durch die einzige Stimme Amsterdam’s verworfen worden. Das einzige verfassungsgemäße Hülfsmittel in solchen Fällen bestand darin, daß Deputationen von den zustimmenden Städten der andersmeinenden Stadt einen Besuch machten, um sie womöglich zu überreden. Die Anzahl der Deputirten war unbeschränkt, sie konnten ihre Vorstellungen so lange fortsetzen, als es ihnen gutdünkte, und währenddem mußte die starrsinnige Commun, die sich ihren Gründen nicht fügen wollte, für ihren Unterhalt sorgen. Dieses abgeschmackte Zwangsmittel war einmal mit Erfolg gegen die kleine Stadt Gorkum angewendet worden, machte aber voraussichtlich keinen großen Eindruck auf das mächtige und reiche Amsterdam, das durch seinen von zahllosen Masten strotzenden Hafen, durch seine von stattlichen Gebäuden eingefaßten Kanäle, durch seine prächtige Stadthalle mit Wänden, Decken und Fußböden von polirtem Marmor, durch seine mit den kostbarsten Producten Ceylon’s und Surinam’s gefüllten Waarenmagazine und seine Börse, in der das endlose Summen aller Sprachen der civilisirten Völker ertönte, in der ganzen Welt berühmt war.15

Die Streitigkeiten zwischen der Majorität, welche den Statthalter unterstützte, und der Minorität, zu deren Spitze der Magistrat von Amsterdam stand, waren schon mehrmals so heftig geworden, daß Blutvergießen unvermeidlich zu sein schien. Einmal hatte der Prinz den Versuch gemacht, die widerspenstigen Deputirten als Verräther bestrafen zu lassen. Ein andermal waren ihm die Thore von Amsterdam versperrt und Truppen zur Vertheidigung der Privilegien des Municipalraths ausgehoben worden. Es war nicht zu erwarten, daß die obrigkeitliche Behörde dieser großen Stadt je in eine Expedition willigen würde, welche für Ludwig, dem sie den Hof machte, im höchsten Grade beleidigend war und voraussichtlich das ihr verhaßte Haus Oranien zu größerer Macht erhob. Und doch konnte eine solche Expedition ohne ihre Einwilligung gesetzlich nicht unternommen werden. Ihren Widerstand durch Waffengewalt zu brechen, war ein Mittel, daß der entschlossene und kühne Statthalter unter anderen Umständen nicht gescheut haben würde. In vorliegendem Falle aber war es von höchster Wichtigkeit, daß er sorgfältig jeden Schritt vermied, der als tyrannisch dargestellt werden konnte. Er durfte es nicht wagen, in demselben Augenblicke, wo er gegen seinen Schwiegervater das Schwert zog, weil dieser die Grundgesetze Englands verletzt hatte, die Grundgesetze Holland’s zu verletzen. Der gewaltsame Umsturz einer freien Verfassung würde ein sonderbares Vorspiel zur gewaltsamen Aufrichtung einer andren gewesen sein.16

IX.19

Außerdem gab es noch eine andre Schwierigkeit, welche von den englischen Geschichtschreibern zu wenig beachtet worden ist, die aber Wilhelm nicht einen Augenblick aus dem Gesicht verlor. Er konnte das beabsichtigte Unternehmen nur dann glücklich durchführen, wenn er an das protestantische Gefühl Englands appellirte und dieses Gefühl so kräftig anspornte, daß es eine Zeit lang das vorherrschende und fast ausschließliche Gefühl der Nation würde. Dies würde in der That eine sehr einfaches Verfahren gewesen sein, hätte seine Politik einzig und allein dahin gezielt, auf unsrer Insel eine Revolution hervorzurufen und daselbst zu regieren. Aber er hatte ein andres Endziel vor Augen, das er nur mit Beihülfe von Fürsten, welche der römischen Kirche aufrichtig ergeben waren, erreichen konnte. Er wollte das deutsche Reich, den katholischen König und den heiligen Stuhl mit England und Holland zu einem Bündnisse gegen das Übergewicht Frankreichs vereinigen, daher war es nöthig, daß er, während er den gewaltigsten Schlag führte, der je zur Vertheidigung des Protestantismus geführt worden war, sich das Wohlwollen von Regierungen zu erhalten suchte, welche den Protestantismus als eine gefährliche Ketzerei betrachteten.

Dies waren die verwickelten Schwierigkeiten dieses großen Unternehmens. Staatsmänner des Continents erkannten einen Theil dieser Schwierigkeiten, britische Staatsmänner einen andren. Nur ein scharfblickender und gewaltiger Geist übersah sie mit einem einzigen Blicke und beschloß sie alle zu überwinden. Es war kein leichtes Ding, die englische Regierung vermittelst einer fremden Heeresmacht zu stürzen, ohne den Nationalstolz der Engländer zu verwunden. Es war kein leichtes Ding, von der batavischen Faction, welche Frankreich mit Vorliebe und das Haus Oranien mit Widerwillen betrachtete, eine Entscheidung zu Gunsten einer Expedition zu erlangen, die alle Pläne Frankreichs über den Haufen warf und das Haus Oranien auf den Gipfel der Größe erheben mußte. Es war kein leichtes Ding, begeisterte Protestanten zu einem Kreuzzuge gegen den Papismus zu führen, und sich trotzdem die Freundschaft fast aller papistischen Regierungen und des Papstes selbst zu erhalten. Doch alles dies führte Wilhelm aus. Er erreichte alle seine Zwecke, selbst die, welche sich am wenigsten mit einander zu vertragen schienen, vollständig und zu gleicher Zeit. Die ganze Geschichte der alten wie der neuen Zeit berichtet keinen zweiten ähnlichen Triumph der Staatskunst.

Die Aufgabe würde allerdings selbst für einen solchen Staatsmann wie der Prinz von Oranien zu schwierig gewesen sein, wären nicht seine Hauptgegner damals in einer Bethörung befangen gewesen, welche von vielen gerade nicht abergläubischen Leuten als eine besondere göttliche Strafe betrachtet wurde. Nicht nur der König von England war wie immer verblendet und verkehrt, sondern selbst die Räthe des klugen Königs von England waren thöricht geworden. Was Weisheit und Energie irgend vermögen, das that Wilhelm. Die Hindernisse aber, welche keine Weisheit oder Energie hätte überwinden können, räumten seine Feinde selbst geflissentlich aus dem Wege.

15. Avaux Neg., Oct. 29. (Nov. 8.) 1683.

16. In Betreff des Verhältnisses, in welchem der Statthalter und die Stadt Amsterdam zu einander standen, siehe Avaux an mehreren Stellen.

Jakob’s Benehmen nach dem Prozesse der Bischöfe. An dem wichtigen Tage, an welchem die Bischöfe freigesprochen und die Einladung nach dem Haag abgesandt wurde, kehrte Jakob in verdrüßlicher und gereizter Stimmung von Hounslow nach Westminster zurück. Er IX.20 bemühte sich diesen Nachmittag heiter zu scheinen;17 aber die Freudenfeuer, die Raketen und vor Allem die wächsernen Päpste, welche in allen Stadttheilen Londons leuchteten, waren eben nicht geeignet, ihn zu erheitern. Wer ihn am andren Morgen sah, konnte in seinen Zügen und in seiner Haltung ohne Mühe die heftigen Gemüthsbewegungen erkennen, die in seiner Brust tobten.18 Einige Tage lang schien er sehr ungern von dem Prozeß zu sprechen, so daß selbst Barillon es nicht wagen durfte, die Sache zur Sprache zu bringen.19

Bald begann es sich klar zu zeigen, daß die Niederlage und Demüthigung das Herz des Königs nur noch mehr verhärtet hatte. Die ersten Worte, die über seine Lippen kamen, als er erfuhr, daß die Gegenstände seiner Rache ihm entschlüpft, waren: „Sie sollen es bereuen!“ Schon nach wenigen Tagen wurde der Sinn dieser Worte, die er seiner Gewohnheit nach sehr häufig wiederholte, vollkommen klar. Er machte sich Vorwürfe, nicht darüber, daß er die Bischöfe gerichtlich verfolgt, sondern daß er sie vor ein Tribunal gestellt hatte, wo die factischen Fragen durch Geschworne entschieden wurden und die feststehenden Rechtsgrundsätze auch von den servilsten Richtern nicht gänzlich aus den Augen gelassen werden konnten. Diesen Fehler beschloß er wieder gut zu machen. Nicht nur die sieben Prälaten, welche die Petition unterzeichnet hatten, sondern die gesammte anglikanische Geistlichkeit sollte Ursache haben, den Tag zu verwünschen, an welchem sie einen Sieg über ihren Landesherrn davon getragen. Etwa vierzehn Tage nach dem Prozeß wurde eine Kabinetsordre erlassen, welche allen Diöcesankanzlern und Archidiakonen anbefahl, in ihren betreffenden Sprengeln eine strenge Untersuchung vorzunehmen und binnen fünf Wochen der Hohen Commission die Namen aller derjenigen Pfarrer, Vikare und Curaten aufzugeben, welche die Indulgenzerklärung nicht verlesen hatten.20 Der König weidete sich schon im voraus an dem Entsetzen, mit dem die Ungehorsamen vernehmen würden, daß sie vor ein Tribunal gestellt werden sollten, von dem sie keine Gnade zu erwarten hatten.21 Die Anzahl der Schuldigen betrug wenig unter, wenn nicht volle zehntausend und nach dem, was im Magdalenen-Collegium geschehen war, konnte jeder von ihnen mit gutem Grunde darauf gefaßt sein, daß ihm die Ausübung aller seiner geistlichen Functionen untersagt, daß er aus seiner Pfründe vertrieben, zur Bekleidung irgend eines andren Amtes für unfähig erklärt und in die Kosten des Prozesses verurtheilt würde, der ihn zum Bettler gemacht.

17. Adda, 6.(16.) Juli 1688.

18. Reresby’s Memoirs.

19. Barillon, 2.(12.) Juli 1688.

20. London Gazette, July 16. 1688. Die Kabinetsordre ist vom 12. Juli datirt.

21. Barillon’s eigene Worte 6.(16.) Juli 1688.

Entlassungen und Ernennungen. Dies war die Verfolgung, durch welche Jakob im Ärger über seine große Niederlage in Westminsterhall die Geistlichkeit zu züchtigen beschloß. Vor der Hand bemühte er sich, den Männern des Gesetzes durch rasche und ausgedehnte Vertheilung von Belohnungen und Strafen zu zeigen, daß consequente und schamlose Servilität, wenn sie auch nicht zum Ziele führte, ein sicheres Anrecht auf seine Gunst verleihe und daß Jeder, der nach jahrelanger Unterwürfigkeit nur einen Augenblick auf den Pfad des Muthes IX.21 und der Rechtschaffenheit überzuspringen wagte, sich eines unverzeihlichen Verbrechens schuldig mache. Die Heftigkeit und Frechheit, welche der Renegat Williams während des ganzen Prozesses der Bischöfe an den Tag gelegt, hatte ihn der ganzen Nation verhaßt gemacht.22 Er wurde mit dem Baronettitel belohnt. Holloway und Powell hatten ihren Ruf durch die Erklärung gehoben, daß die Petition ihrer Ansicht nach kein Libell sei. Sie wurden ihrer Stellen entsetzt.23 Wright’s Schicksal scheint einige Zeit zweifelhaft gewesen zu sein. Er hatte zwar gegen die Bischöfe resumirt, hatte es aber geduldet, daß ihr Rechtsbeistand die Dispensationsgewalt bestritt; er hatte die Petition ein Libell genannt, es aber sorgfältig vermieden, die Indulgenzerklärung gesetzlich zu nennen, und während der ganzen Verhandlung hatte er in dem Tone eines Mannes gesprochen, welcher wußte, daß ein Tag der Rechenschaft kommen konnte. Allerdings hatte er auch gegründete Ansprüche auf Nachsicht, denn es war wohl kaum zu erwarten, daß irgend eines Menschen Frechheit in einer solchen Aufgabe, angesichts einer solchen Barre und eines solchen Auditoriums von Anfang bis zu Ende hätte aushalten können, ohne zu erschlaffen. Die Mitglieder der jesuitischen Cabale tadelten ihn jedoch wegen seines Mangels an Muth; der Kanzler nannte ihn einen Esel und man glaubte allgemein, daß ein neuer Oberrichter ernannt werden würde.24 Aber es fand keine derartige Veränderung statt. Es würde auch nicht leicht gewesen sein, Wright’s Stelle wieder zu besetzen. Die vielen Juristen, welche in Talenten und Kenntnissen hoch über ihm standen, waren fast ohne Ausnahme den Plänen der Regierung feindlich gesinnt; und die sehr wenigen, die ihn in Gewissenlosigkeit und Frechheit übertrafen, waren fast ohne Ausnahme nur in den untersten Schichten ihres Standes zu finden und würden unfähig gewesen sein, nur die gewöhnlichen Geschäfte des Kingsbenchgerichts zu leiten. Williams vereinigte allerdings alle Eigenschaften in sich, welche Jakob von einem hohen Gerichtsbeamten verlangte, aber seiner Dienste bedurfte man bei der Staatsanwaltschaft und wäre er von derselben entfernt worden, so würde der Krone nicht der Beistand eines Advokaten dritten Ranges geblieben sein.

Nichts hatte den König mehr in Erstaunen gesetzt und gekränkt, als die Begeisterung, welche die Dissenters für die Sache der Bischöfe an den Tag legten. Penn, der, obgleich er selbst seinen Gewissensscrupeln Reichthum und Ehrenstellen aufgeopfert hatte, zu glauben schien, daß außer ihm Niemand ein Gewissen habe, schrieb die Unzufriedenheit der Puritaner dem Neide und dem unbefriedigten Ehrgeize zu. Er meinte, sie hätten keinen Antheil an den durch die Indulgenzerklärung verheißenen Wohlthaten gehabt, keiner von ihnen sei zu einem hohen und ehrenvollen Posten berufen worden, und es sei daher kein Wunder, daß sie auf die Katholiken eifersüchtig wären. In Folge dessen wurde acht Tage nach dem hochwichtigen Verdict der Geschwornen in Westminsterhall, Silas IX.22 Titus, ein angesehener Presbyterianer, ein heftiger Exclusionist und einer der Hauptankläger Stafford’s, eingeladen, einen Sitz im Geheimen Rathe einzunehmen. Er gehörte zu Denen, auf welche die Opposition am sichersten gerechnet hatte. Aber die ihm jetzt angetragene Ehre und die Aussicht eine bedeutende Summe zu erhalten, die ihm die Krone schuldete, gewannen die Oberhand über seine Tugend und er wurde zum großen Ärgerniß aller Klassen von Protestanten vereidigt.25

Die Rachepläne des Königs gegen die Kirche gingen nicht in Erfüllung. Fast sämmtliche Archidiakonen und Diöcesankanzler verweigerten die verlangten Angaben. Der Tag, an welchem die ganze Masse der Geistlichen vorgeladen werden sollte, um sich wegen ihres Ungehorsams zu verantworten, kam heran.

22. In einer der zahlreichen Balladen jener Zeit kommen folgende Zeilen vor:

„Unsere beiden Briten sind Thoren,

Die sich gegen das Gesetz verschworen,

Aber das nächste Parlament wird sie kriegen bei den Ohren.“

Die beiden Briten sind Jeffrey’s und Williams, beide aus Wales gebürtig.

23. London Gazette, July 9. 1688.

24. Ellis’ Correspondenz, 10. Juli 1688; Clarendon’s Diary, Aug. 3. 1688.

25. London Gazette, July 9. 1688; Adda, 13 (23.) Juli; Evelyn’s Diary, July 12; Johnstone, 8.(18.) Dec. 1687, 6.(16.) Febr. 1688.

Verfahren der Hohen Commission. Sprat tritt aus. Die Hohe Commission trat zusammen. Es zeigte sich, daß kaum ein kirchlicher Beamter eine Liste eingeschickt hatte. Zu gleicher Zeit wurde der Commission eine Schrift von der höchsten Bedeutung vorgelegt. Es war ein Schreiben von Sprat, dem Bischof von Rochester. Zwei Jahre lang hatte er in der Hoffnung auf ein Erzbisthum den Vorwurf ertragen, daß er die Kirche verfolge, deren Vertheidigung eine Gewissens- und Ehrenpflicht für ihn war. Aber seine Hoffnung war getäuscht worden. Er sah, daß er keine Aussicht hatte, auf den Metropolitenthron von York zu gelangen, wenn er nicht seinem Glauben entsagte. Er war zu gutherzig, als daß er an der Tyrannei hätte Gefallen finden können und zu scharfblickend, um nicht die Anzeichen der kommenden Vergeltung zu erkennen. Daher beschloß er, seine gehässigen Functionen niederzulegen, und er theilte diesen Entschluß seinen Collegen in einem Schreiben mit, das gleich allen Erzeugnissen seiner Prosa in einem sehr eleganten und würdevollen Style abgefaßt war. Er sagte, es sei ihm nicht möglich, noch länger Mitglied der Commission zu bleiben. Er habe zwar selbst aus Gehorsam gegen den königlichen Befehl die Erklärung verlesen, aber er könne es nicht auf sich nehmen, Tausende von frommen und loyalen Geistlichen, die eine andre Ansicht von ihrer Pflicht hätten, dazu zu verurtheilen, und da man beschlossen habe, sie dafür zu bestrafen, daß sie ihrer Überzeugung gemäß gehandelt, müsse er erklären, daß er lieber mit ihnen leiden, als zu ihren Leiden beitragen wolle.

Die Commissare lasen das Schreiben mit nicht geringem Erstaunen. Gerade die Fehler ihres Collegen, die bekannte Lockerheit seiner Grundsätze und seine bekannte Zaghaftigkeit machten seinen Abfall ganz besonders beunruhigend. Wenn Männer wie Sprat in der Sprache eines Hampden zu einer Regierung redeten, so mußte diese Regierung in der That sehr gefährdet sein. Das vor kurzem noch so übermüthige Tribunal wurde mit einem Male merkwürdig zahm. Die kirchlichen Beamten, welche seiner Autorität getrotzt, erhielten nicht einmal einen Verweis. Man hielt es nicht für rathsam, nur den Verdacht zu äußern, daß ihr Ungehorsam absichtlich gewesen sei. Es wurde ihnen nur bedeutet, daß ihre Berichte in vier Monaten fertig sein müßten. Dann ging die Commission bestürzt auseinander. Sie hatte den Todesstoß empfangen.26

26. Sprat’s Briefe an den Earl von Dorset; London Gazette, Aug. 23. 1688.

IX.23

Unzufriedenheit des Klerus. — Vorgänge in Oxford. Während die Hohe Commission sich vor einem Conflict mit der Kirche scheute, reizte diese im Bewußtsein ihrer Stärke und von neuer Begeisterung beseelt, die Hohe Commission durch eine Reihe von Herausforderungen zum Angriff. Bald nach der Freisprechung der Bischöfe erlag der ehrwürdige Ormond, der vornehmste Kavalier aus dem großen Bürgerkriege, den Gebrechlichkeiten seines hohen Alters. Sein Tod wurde sogleich nach Oxford berichtet und die Universität, deren Kanzler er seit vielen Jahren gewesen war, versammelte sich augenblicklich, um einen Nachfolger für ihn zu wählen. Ein Theil war für den beredtsamen und gebildeten Halifax, ein andrer für den ernsten und orthodoxen Nottingham. Einige erwähnten auch den Earl von Abingdon, der in ihrer Nähe wohnte und unlängst seiner Stelle als Statthalter der Grafschaft entsetzt worden war, weil er sich geweigert hatte, den König in seinen Maßregeln gegen die Landeskirche zu unterstützen. Die Mehrheit aber, aus hundertachtzig Graduirten bestehend, stimmte für den jungen Herzog von Ormond, den Enkel ihres verstorbenen Oberhauptes und Sohn des tapferen Ossory. Die Eil, mit der sie zu diesem Beschlusse kamen, hatte ihren Grund in der Besorgniß, daß, wenn sie nur einen Tag zögerten, der König es versuchen möchte, ihnen einen Kanzler aufzudringen, der ihre Rechte nicht wahren würde. Diese Besorgniß war auch gegründet, denn kaum zwei Stunden nachdem sie auseinander gegangen waren, kam ein Befehl von Whitehall, der ihnen vorschrieb Jeffreys zu wählen. Zum Glück war die Wahl des jungen Ormond bereits vollendet und nicht mehr rückgängig zu machen.27 Einige Wochen darauf wurde der ehrlose Timotheus Hall, der sich durch Verlesung der Indulgenzerklärung unter der londoner Geistlichkeit ausgezeichnet hatte, mit dem Bisthum Oxford belohnt, welches seit dem Tode des nicht minder ehrlosen Parker unbesetzt war. Hall kam nach Oxford, um seinen Bischofssitz einzunehmen, aber die Canonici seiner Kathedrale weigerten sich seiner Einsetzung beizuwohnen, die Universität wollte ihn nicht zum Doctor creiren, nicht ein einziges Mitglied der akademischen Jugend wendete sich an ihn behufs der Ordination, kein Hut wurde vor ihm abgenommen und er war in seinem Palaste beständig allein.28

Bald darauf kam eine Pfründe zur Erledigung, welche das Magdalenen-Collegium von Oxford zu vergeben hatte. Hough und seine vertriebenen Collegen versammelten sich und schlugen einen Candidaten vor, den der Bischof von Gloucester, in dessen Diöcese die Pfründe lag, auch ohne Besinnen einsetzte.29

27. London Gazette, July 26. 1688; Adda, 27. Juli (6. Aug.); Neuigkeitsbrief vom 23. Juli in der Mackintosh-Sammlung; Ellis Correspondenz, 28., 31. Juli. Wood’s Fasti Oxonienses.

28. Wood’s Athenae Oxonienses; Luttrell’s Diary, Aug. 23. 1688.

29. Ronquillo, 17.(27.) Sept. 1688; Luttrell’s Diary, Sept. 6.

Unzufriedenheit der Gentry. Die Gentry war nicht minder widerspenstig, als der Klerus. Die Assisen dieses Sommers gewährten im ganzen Lande einen noch nie dagewesenen Anblick. Die Richter waren vor dem Antritt ihrer Rundreise zum Könige beschieden worden und hatten von ihm die Weisung erhalten, daß sie den Mitgliedern der großen IX.24 Jury’s und den Magistratsbeamten im ganzen Reiche die Pflicht einschärfen sollten, nur solche Mitglieder ins Parlament zu wählen, die seine Politik unterstützen würden. Sie gehorchten seinem Befehle, ließen sich heftig über die Geistlichkeit aus, schmähten die sieben Bischöfe, nannten die denkwürdige Petition ein aufrührerisches Libell, kritisirten Sancroft’s Styl mit großer Schärfe und sagten, Seine Gnaden sollten für ihr schlechtes Englisch vom Doctor Busby ausgepeitscht werden. Diese unschicklichen Reden hatten jedoch keine andre Wirkung, als daß sie die öffentliche Unzufriedenheit noch vermehrten. Alle öffentlichen Achtungsbezeigungen, welche sonst dem richterlichen Amte und der königlichen Vollmacht erwiesen worden waren, wurden unterlassen. Die alte Sitte verlangte eigentlich, daß angesehene und vermögende Männer im Gefolge des Sheriffs ritten, wenn er die Richter nach der Hauptstadt der Grafschaft begleitete; jetzt aber hielt es schwer, in irgend einem Theile des Landes einen solchen Zug zusammen zu bringen. Besonders die Nachfolger Powell’s und Holloway’s wurden mit auffallender Geringschätzung behandelt. Ihnen waren die Assisen von Oxford zugefallen und sie hatten erwartet, daß sie in jeder Grafschaft von einer Cavalcade der loyalen Gentry begrüßt werden würden. Als sie sich aber Wallingford näherten, wo sie ihre Sitzungen für Berkshire eröffnen sollten, kam nur der Sheriff ihnen entgegen. Auch vor Oxford, der höchst loyalen Hauptstadt einer höchst loyalen Provinz, wurden sie abermals von dem Sheriff allein bewillkommnet.30

30. Ellis’ Correspondenz, 4. 7. Aug. 1688; Bischof Sprat’s Bericht über die Conferenz vom 6. Nov. 1688.

Unzufriedenheit der Armee. Die Armee war kaum weniger mißvergnügt, als die Geistlichkeit und die Gentry. Die Besatzung des Tower hatte auf das Wohl der gefangenen Bischöfe getrunken. Die in Lambeth stehenden Fußgarden hatten den Primas bei seiner Rückkehr in seinen Palast mit allen Zeichen der Ehrerbietung bewillkommnet. Nirgends war die Nachricht von der Freisprechung mit lauterem Jubel aufgenommen worden, als im Lager von Hounslow. Die große Truppenmacht, welche der König zusammengezogen hatte, um seine meuterische Hauptstadt im Schach zu halten, war in der That meuterischer geworden, als die Hauptstadt selbst, und wurde vom Hofe mehr gefürchtet, als von den Bürgern. Anfangs August wurde daher das Lager aufgehoben und die Truppen in verschiedenen Theilen des Landes einquartirt.31

Jakob schmeichelte sich mit der Hoffnung, daß einzelne Bataillone leichter im Zaume zu halten sein würden, als viele tausend auf einem kleinen Raume zusammengedrängte Soldaten. Das erste Experiment wurde mit Lord Lichfield’s Infanterieregiment, dem gegenwärtigen zwölften Linienregiment gemacht. Man hatte dieses Regiment wahrscheinlich deshalb gewählt, weil es zur Zeit des Aufstandes im Westen in Staffordshire ausgehoben worden war, einer Provinz, die verhältnißmäßig mehr Katholiken zählte, als irgend ein andrer Theil Englands. Die Mannschaften wurden vor dem Könige aufgestellt und ihr Major setzte sie in Kenntniß, daß Seine Majestät wünschte, sie sollten eine Verpflichtung unterschreiben, durch die sie sich verbindlich machten, ihn bei der Ausführung seiner IX.25 Absichten bezüglich des Testes zu unterstützen, und daß alle Diejenigen, die sich nicht dazu verstehen wollten, auf der Stelle den Militairdienst verlassen müßten. Zum großen Erstaunen des Königs legten ganze Reihen augenblicklich ihre Piken und Musketen nieder. Nur zwei Offiziere und einige Gemeine, sämmtlich Katholiken, gehorchten seinem Befehle. Er schwieg eine Weile, dann befahl er den Leuten, daß sie ihre Waffen wieder aufnehmen sollten, und sagte mit einem finstren Blicke zu ihnen: „Ein andermal werde ich Euch nicht die Ehre erzeigen, Euch erst zu fragen.“32

Es war klar, daß er die Armee vollständig reorganisiren mußte, wenn er auf seinen Plänen beharren wollte. Die dazu geeigneten Elemente aber konnte er auf unsrer Insel nicht finden. Die Mitglieder seiner Kirche bildeten selbst in den Districten, wo sie am zahlreichsten waren, nur den bei weitem kleineren Theil der Bevölkerung. Der Haß gegen den Papismus hatte sich durch alle Klassen seiner protestantischen Unterthanen verbreitet und war das vorherrschende Gefühl selbst der Landleute und Handwerker geworden. Aber es gab einen andren Theil seines Reichs, wo die Hauptmasse der Bevölkerung von einem ganz andren Geiste beseelt war. Die Zahl der römisch-katholischen Soldaten, welche durch den guten Sold und die guten Quartiere Englands von jenseit des St. Georgskanals herübergelockt werden würden, hatte keine Grenze. Tyrconnel hatte sich seit einiger Zeit bemüht, aus dem Landvolke seiner Heimath eine Heeresmacht zu bilden, auf die sein Gebieter sich verlassen konnte. Fast die ganze irische Armee bestand schon aus Papisten von celtischer Abkunft und Sprache. Barillon hatte dem Könige schon öfters ernstlich gerathen, diese Armee herüberkommen zu lassen, um der englischen Respekt einzuflößen.33

31. Luttrell’s Diary, Aug. 8, 1688.

32. Dies wird uns von drei Schriftstellern erzählt, die sich jener Zeit wohl erinnern konnten: von Kennet, Eachard und Oldmixon. Siehe auch das Caveat against the Whigs.

33. Barillon, 23. Aug. (2. Sept.), 3.(13.), 6.(16.) u. 8.(18.) Sept. 1688.

Es werden irische Truppen herübergezogen. — Unwille des Volks. Jakob schwankte. Er wollte gern von Truppen umgeben sein, auf die er sich verlassen konnte; aber er fürchtete den Ausbruch des Nationalunwillens, den das Erscheinen einer bedeutenden irischen Militairmacht auf englischem Boden hervorrufen mußte. Wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt, wenn ein schwacher Mann einander entgegengesetzte Nachtheile vermeiden will, schlug er endlich einen Weg ein, der sie alle in sich vereinigte. Er zog so viele Irländer herüber, als in der That nicht hingereicht haben würden, um nur die Hauptstadt oder die Grafschaft York im Zaume zu halten, die aber doch genügten, um die Besorgniß und den Unwillen des ganzen Königreiches von Northumberland bis Cornwall zu erregen. Ein Bataillon nach dem andren, von Tyrconnel ausgehoben und eingeübt, landete an der Westküste und marschirte nach der Hauptstadt, und irische Rekruten wurden in bedeutender Anzahl herübergezogen, um die Lücken in den englischen Regimentern auszufüllen.34

IX.26

Dies war einer der verderblichsten von den vielen Fehlern, welche Jakob beging. Er hatte sich schon die Herzen seiner Nation durch Verletzung ihrer Gesetze, durch Einziehung ihrer Güter und durch Verfolgung ihrer Religion entfremdet. Von Denen, welche einst die eifrigsten Anhänger der Monarchie gewesen waren, hatte er schon viele dahin gebracht, daß sie im Herzen Rebellen waren. Indessen hätte er noch immer mit einiger Aussicht auf Erfolg den patriotischen Sinn seiner Unterthanen gegen einen eindringenden Feind aufrufen können. Denn sie waren der Gesinnung wie der geographischen Lage nach ein Inselvolk, und ganz besonders damals waren ihre nationalen Antipathien über alle Maßen heftig und lieblos. Noch nie waren die Engländer an die Gewalt oder Einmischung eines Fremden gewöhnt gewesen; das Erscheinen einer ausländischen Armee auf ihrem Boden hätte sie bestimmen können, sich selbst um einen solchen König zu schaaren, den sie zu lieben keine Ursache hatten. Wilhelm wäre vielleicht nicht im Stande gewesen, diese Schwierigkeit zu überwinden; aber Jakob räumte sie selbst aus dem Wege. Selbst die Ankunft einer Brigade von Ludwig’s Musketieren würde keine solche Entrüstung und Beschämung hervorgerufen haben, als sie unsere Vorfahren beim Anblick der aus Dublin ankommenden papistischen Colonnen empfanden, die sich mit militairischem Gepränge auf den Landstraßen fortbewegten. Kein geborener Engländer betrachtete damals die Ureinwohner Irlands als seine Landsleute. Sie gehörten nicht zu unsrem Zweige der großen menschlichen Familie, sie unterschieden sich von uns durch mehr als eine moralische und intellectuelle Eigenthümlichkeit, welche der Unterschied der Lage und der Erziehung, so groß derselbe auch sein mochte, nicht genügend erklärte. Sie hatten ein andres Aussehen und eine andre Muttersprache. Wenn sie englisch sprachen, war ihre Aussprache fehlerhaft; ihre Phraseologie war holprig, wie immer bei Denen, welche in einer Sprache denken und ihre Gedanken in einer andren ausdrücken. Sie waren daher Ausländer und zwar die am meisten verhaßten und verachteten von allen Ausländern; am meisten verhaßt deshalb, weil sie seit fünf Jahrhunderten stets unsere Feinde gewesen waren, und am meisten verachtet, weil wir sie besiegt, unterjocht und ausgeplündert hatten. Der Engländer verglich mit Stolz seine Felder mit den öden Sümpfen, aus denen irische Räuber hervorstürzten, um zu plündern und zu morden, und seine Wohnung mit den elenden Hütten, in denen die Landleute und die Schweine vom Shannon sich zusammen im Kothe wälzten. Der Engländer gehörte einer Gesellschaft an, welche in Reichthum und Civilisation allerdings noch weit unter der stand, in welcher wir jetzt leben, die aber doch eine der reichsten und civilisirtesten der damaligen Zeit war; der Irländer dagegen war fast so roh wie die Wilden von Labrador. Er war ein freier Mann, die Iren waren die erblichen Leibeigenen seines Stammes. Er verehrte Gott nach einem reinen und vernünftigen Brauche der Irländer und war in Götzendienerei und Aberglauben versunken. Er wußte, daß mehr als einmal große Massen von Iren vor einer kleinen englischen Streitmacht geflohen waren und daß eine kleine englische Colonie die ganze irische Bevölkerung niedergehalten hatte, und daraus zog er den selbstgefälligen Schluß, daß er von Natur ein höher stehendes Wesen sei als der Irländer, denn so erklärt ein herrschender Stamm immer sein Übergewicht und entschuldigt damit seine Tyrannei. Jetzt werden die Irländer allgemein als ein Volk anerkannt, das in Bezug auf Lebhaftigkeit, Mutterwitz und Beredtsamkeit IX.27 einen hohen Rang unter den Nationen der Erde einnimmt, und daß sie bei guter Leitung vortreffliche Soldaten sind, haben sie auf hundert Schlachtfeldern bewiesen. Gleichwohl ist es gewiß, daß sie vor anderthalb Jahrhunderten auf unsrer Insel allgemein als ein dummes und zugleich feiges Volk verachtet wurden. Und ein solches Volk sollte mit bewaffneter Hand England im Schach halten, während des Letzteren bürgerliche und kirchliche Verfassung vernichtet wurde. Das Blut der ganzen Nation kochte bei diesem Gedanken. Von Franzosen oder Spaniern besiegt zu werden, würde im Vergleich damit noch als ein erträgliches Loos erschienen sein, denn die Franzosen und Spanier waren wir gewohnt als unsrer ebenbürtig zu betrachten. Wir hatten zuweilen ihr Glück beneidet, zuweilen ihre Macht gefürchtet, zuweilen uns zu ihrer Freundschaft gratulirt. Bei all unsrem schroffen Stolze gaben wir zu, daß sie große Nationen waren und daß sie sich in den Künsten des Kriegs und des Friedens ausgezeichneter Männer rühmen konnten. Aber von einer tief unter uns stehenden Kaste dominirt zu werden, war eine Schmach, gegen die jede andre Schmach nichts war. Die Engländer fühlten dasselbe, was die weißen Bewohner von Charleston oder Neworleans fühlen würden, wenn diese Städte Negergarnisonen erhalten sollten. Die wirklichen Thatsachen würden schon hingereicht haben, um Besorgniß und Unwillen zu erregen; die wirklichen Thatsachen aber verschwanden in einer Masse verworrener Gerüchte, welche unaufhörlich von einem Kaffeehause zum andren, von einer Bierschenke zur andren flogen und auf jeder Station ihrer Wanderung immer wunderbarer und erschreckender wurden. Die Zahl der irischen Truppen, welche an unseren Küsten gelandet waren, konnte allerdings ernste Besorgnisse wegen der daraus ersichtlichen Zwecke des Königs erregen, aber sie wurde durch den Schrecken des Publikums um das Zehnfache vergrößert. Es war wohl kaum anders zu erwarten, als daß der rohe Kerne von Connaught, mit bewaffneter Hand unter ein fremdes Volk gestellt, das er haßte und von dem er wieder gehaßt wurde, einige Excesse beging; aber diese Excesse wurden durch das Gerücht übertrieben und als Zugabe zu den Gewaltthätigkeiten, die sich der Fremde wirklich erlaubt hatte, wurden auch die, welche seine englischen Kameraden begangen, mit auf seine Rechnungen gesetzt. Aus allen Winkeln des Reiches erscholl ein allgemeiner Schrei gegen die fremden Barbaren, die sich in Privathäuser eindrängten, Pferde und Wagen wegnähmen, Geld erpreßten und die Frauen insultirten. Diese Menschen, sagte man, seien die Söhne Derer, welche vor siebenundvierzig Jahren die Protestanten zu Tausenden hingeschlachtet hätten. Die Geschichte des Aufstandes von 1641, eine Geschichte, die selbst bei nüchterner Betrachtung wohl Mitleid und Entsetzen erregen konnte und welche durch nationale und religiöse Antipathien schrecklich entstellt worden war, bildete jetzt das Lieblingsthema der Unterhaltung. Grauenvolle Geschichten von Häusern, welche sammt allen ihren Bewohnern niedergebrannt worden, von kaltblütig abgeschlachteten Frauen und Kindern, von nahen Verwandten, welche durch die Folter gezwungen wurden, einander gegenseitig zu morden, von geschändeten und verstümmelten Leichen, wurden in vollem Ernste erzählt und mit vollem Glauben und gespannter Aufmerksamkeit angehört. Dann setzte man hinzu, daß die feigen Wilden, welche heimtückischerweise alle diese Grausamkeiten an einer nichts Arges vermuthenden und wehrlosen Colonie verübt hätten, sobald Oliver zu seinem großen Rachewerk unter ihnen erschienen sei, in panischem IX.28 Schrecken die Waffen weggeworfen hätten, und ohne das Glück einer einzigen Schlacht zu versuchen, in die ihnen gebührende Sklaverei versunken seien. Viele Anzeichen deuteten darauf hin, daß der Lordstatthalter eine zweite große Beraubung und Niedermetzelung der sächsischen Ansiedler beabsichtige. Tausende protestantischer Colonisten, die sich vor der Ungerechtigkeit und frechen Willkür Tyrconnel’s geflüchtet, hatten durch Schilderung der überstandenen und der nur zu wahrscheinlich in Aussicht stehenden ferneren Leiden den Unwillen des Mutterlandes erregt. Wie heftig das Publikum durch die Klagen dieser Flüchtlinge erbittert wurde, hatte sich noch ganz kürzlich in unverkennbarer Weise gezeigt. Tyrconnel hatte der königlichen Genehmigung die Hauptpunkte einer Bill unterbreitet, die das Gesetz aufhob, auf welchem das Besitzrecht der Hälfte des ganzen irländischen Grund und Bodens beruhte, und hatte als Bevollmächtigte zwei seiner katholischen Landsleute, die erst unlängst zu hohen richterlichen Ämtern befördert worden waren, nach Westminster gesandt: Nugent, Oberrichter der irischen Kings Bench, eine Verkörperung aller Laster und Schwächen, welche die Engländer damals für characteristische Eigenschaften der papistischen Celten hielten, und Rice, ein Baron der irischen Schatzkammer, der in Talent und Wissen vielleicht der Ausgezeichnetste seines Stammes und seines Glaubens war. Der Zweck dieser Sendung war wohl bekannt, und die beiden Richter durften es daher nicht wagen, sich auf der Straße sehen zu lassen, denn wo sie erkannt wurden, rief sogleich der Pöbel: „Platz für die irischen Gesandten!“ und ihr Wagen wurde mit höhnischer Feierlichkeit von einem Zuge Ceremonienmeister und Läufer begleitet, welche Stöcke mit daran gespießten Kartoffeln trugen.35

Die Abneigung der Engländer gegen die Irländer war damals in der That so groß und so allgemein, daß selbst die ausgezeichnetsten Katholiken sie theilten. Powis und Bellasyse sprachen sogar im Geheimen Rathe in den rücksichtslosesten und schärfsten Worten ihren Widerwillen gegen die Fremdlinge aus.36 Unter den englischen Protestanten war diese Aversion noch stärker und vielleicht am stärksten war sie in der Armee. Weder Offiziere noch Soldaten waren geneigt, den Vorzug, den ihr Gebieter einem fremden und unterjochten Stamme gab, sich ruhig gefallen zu lassen. Der Herzog von Berwick, welcher Oberst des damals in Portsmouth stehenden achten Linieninfanterieregiments war, gab Befehl, daß dreißig Mann, welche soeben von Irland angekommen waren, eingereiht werden sollten. Die englischen Soldaten erklärten, daß sie mit diesen Eindringlingen nicht dienen wollten. Der Oberstlieutenant Johann Beaumont protestirte für sich und im Namen von fünf Hauptleuten dem Herzoge ins Gesicht gegen diese Beschimpfung der englischen Armee und Nation. „Wir haben,“ sagte er, „das Regiment auf unsere eigenen Kosten errichtet, um die Krone Seiner Majestät in Zeiten der Gefahr zu vertheidigen. Es wurde uns damals nicht schwer, Hunderte von englischen Rekruten zu finden, und wir können leicht jede Compagnie vollzählig erhalten, ohne Irländer aufzunehmen. Wir halten es daher für unvereinbar mit unsrer Ehre, und diese Fremdlinge aufdringen zu lassen, und bitten, daß es uns IX.29 gestattet werde, entweder Leute unsrer eignen Nation zu befehligen, oder unsren Abschied zu nehmen.“ Berwick schickte nach Windsor, um sich Verhaltungsbefehle zu erbitten. Der König war höchlich entrüstet und sandte sofort eine Abtheilung Reiterei nach Portsmouth mit dem Befehl, die sechs widerspenstigen Offiziere vor ihn zu bringen. Sie wurden vor ein Kriegsgericht gestellt, und da sie sich durchaus nicht fügen wollten, wurden sie zur Ausstoßung aus der Armee verurtheilt, der höchsten Strafe, welche damals ein Kriegsgericht zuerkennen konnte. Die ganze Nation zollte den entlassenen Offizieren ihren Beifall und die herrschende Stimmung wurde durch das ungegründete Gerücht, daß sie während ihrer Haft mit Härte behandelt worden seien, noch mehr aufgereizt.37

34. Luttrell’s Diary, Aug. 27. 1688.

35. King’s State of the Protestants of Ireland; Secret Consults of the Romish Party in Ireland.

36. Secret Consults of the Romish Party in Ireland.

37. History of the Desertion, 1689; vergleiche die 1. und 2. Ausg. Barillon 8.(18.) Sept. 1688; Citters von demselben Datum; Clarke’s Life of James the Second, II, 168. Der Compilator des letztgenannten Werks sagt, Churchill habe das Gericht aufgefordert, die sechs Offiziere zum Tode zu verurtheilen. Diese Geschichte scheint nicht den Papieren des Königs entnommen zu sein und ich halte sie daher für eine der zahlreichen Erdichtungen, welche in St. Germain erfunden wurden, um einen ohnehin schon hinreichend schwarzen Character noch schwärzer darzustellen. Daß Churchill bei dieser Gelegenheit großen Unwillen affectirte, um den im Sinne habenden Verrath zu verbergen, ist sehr wahrscheinlich. Aber man kann unmöglich glauben, daß ein so verständiger Mann die Mitglieder eines Kriegsgerichts aufgefordert haben sollte, eine Strafe zu verhängen, welche anerkanntermaßen außer dem Bereiche ihrer Competenz lag.

Lillibullero. Die öffentliche Stimmung äußerte sich damals noch nicht durch die Zeichen, welche jetzt bei uns gebräuchlich sind, durch große Volksversammlungen und heftige Reden. Dessenungeachtet fand sie ein Organ. Thomas Wharton, der beim letzten Parlament die Grafschaft Buckingham vertreten und der sich schon als Freigeist und als Whig ausgezeichnet, hatte eine satyrische Ballade auf Tyrconnel geschrieben. In diesem kleinen Gedicht gratulirt ein Irländer einem Landsmanne in barbarischem Jargon zu dem nahe bevorstehenden Triumphe des Papismus und des milesischen Stammes. Der protestantische Erbe würde enterbt werden; die protestantischen Offiziere würden verabschiedet werden; die Magna Charta und die Maulhelden, welche darauf pochten, würden gehängt werden; der gute Talbot würde seine Landsleute mit Stellen und Ämtern überschütten und den Engländern die Kehle abschneiden. Diese Verse, die sich in keiner Hinsicht über das gewöhnliche Niveau der Gassenhauerpoesie erhoben, hatten zum Refrain ein Kauderwelsch, das angeblich im Jahre 1641 das Feldgeschrei der Insurgenten von Ulster gewesen sein sollte. Die Verse und die Melodie entsprachen ganz der Stimmung der Nation und die hohlen Reime wurden daher von einem Ende des Landes zum andren von allen Klassen beständig gesungen. Ganz besonderen Anklang fanden sie bei der englischen Armee. Mehr als siebzig Jahre nach der Revolution schilderte ein Schriftsteller mit außerordentlicher Treue einen Veteranen, der am Boyne und bei Namur gefochten,38 und ein characteristischer Zug dieses wackeren alten Kriegers ist seine Gewohnheit, den Lillibullero zu pfeifen.39

Wharton rühmte sich später, daß er einen König aus drei Königreichen hinausgesungen habe. In Wahrheit aber war der Erfolg des IX.30 Lillibullero nicht die Ursache, sondern die Wirkung des aufgeregten Zustandes der Volksstimmung, der die Revolution erzeugte.

Während Jakob so alle die Nationalgefühle gegen sich aufstachelte, die seinen Thron hätten retten können, wenn er nicht so verblendet gewesen wäre, bemühte sich Ludwig auf andre Weise nicht minder wirksam, dem Prinzen Wilhelm die Ausführung seines Unternehmens zu erleichtern.

38. Der Onkel Tobias in Sterne’s Tristram Shandy. Der Übers.

39. Das Lillibullerolied findet sich in den State Poems. In Percy’s Relics findet man den ersten Theil, aber nicht den zweiten, der erst nach Wilhelm’s Landung hinzugefügt wurde. Im Examiner und in verschiedenen Flugschriften aus dem Jahre 1712 wird Wharton als Verfasser genannt.

Politische Zustände in den Vereinigten Provinzen. Die Partei in Holland, welche Frankreich geneigt war, war eine Minorität, die aber der Verfassung des Batavischen Staatenbundes gemäß stark genug war, um den Statthalter an jedem großen Schlage zu verhindern. Diese Minorität sich zu erhalten, würde für den Hof von Versailles, wenn er klug gewesen wäre, eine Aufgabe gewesen sein, der unter den damaligen Verhältnissen alles Andre hätte nachstehen müssen. Ludwig aber hatte sich seit einiger Zeit wie absichtlich bemüht, sich seine holländischen Freunde zu entfremden, und es gelang ihm endlich, obwohl nicht ohne Schwierigkeit, sie zu zwingen, daß sie gerade in dem Augenblicke, wo ihr Beistand von unschätzbarem Werthe für ihn gewesen sein würde, seine Feinde wurden.

Zwei Dinge waren es, in Bezug auf welche die Bevölkerung der Vereinigten Provinzen besonders empfindlich war; die Religion und der Handel, und der französische König griff sie sowohl in ihrer Religion als in ihrem Handel an. Die Verfolgung der Hugenotten und die Widerrufung des Edicts von Nantes hatte überall den Schmerz und die Entrüstung der Protestanten erregt. In Holland aber waren tiefe Gefühle stärker als in irgend einem andren Lande, denn viele geborne Holländer hatten sich im Vertrauen auf die wiederholten feierlichen Versicherungen Ludwig’s, daß die von seinem Großvater gewährte Duldung aufrecht erhalten werden sollte, zu Handelszwecken in Frankreich niedergelassen und ein großer Theil der Übergesiedelten war daselbst naturalisirt worden. Jetzt brachte jede Post die Nachricht nach Holland, daß diese Leute ihres Glaubens wegen mit außerordentlicher Strenge behandelt würden. Dem Einen waren Dragoner ins Quartier gelegt worden, ein Andrer war nackt an ein Feuer gehalten worden, bis er halb gebraten war; und Allen war bei strengster Strafe verboten, ihre gottesdienstlichen Gebräuche auszuüben, oder das Land zu verlassen, in das sie unter falschen Vorspiegelungen gelockt worden waren. Die Anhänger des Hauses Oranien äußerten laut ihren Unwillen über die Grausamkeit und Treulosigkeit des Tyrannen. Die Opposition war beschämt und entmuthigt. Selbst der Stadtrath von Amsterdam, so sehr derselbe dem französischen Interesse und der arminianischen Theologie zugethan, und so wenig er geneigt war, Ludwig zu tadeln oder mit den von ihm verfolgten Calvinisten zu sympathisiren, durfte es nicht wagen, sich gegen die allgemeine Stimmung aufzulehnen, denn es gab in dieser großen Stadt kaum einen einzigen reichen Kaufmann, der nicht einen Verwandten oder einen Freund unter den Verfolgten hatte. Es wurden den Bürgermeistern Petitionen mit zahlreichen und sehr angesehenen Unterschriften überreicht, in denen sie dringend gebeten wurden, dem Grafen Avaux energische Vorstellungen zu machen. Verschiedene Bittsteller begaben sich sogar persönlich in das Rathhaus, fielen auf die Knie, schilderten unter Thränen und Schluchzen die traurige Lage ihrer Lieben und flehten den Magistrat um seine Verwendung an. Auf allen Kanzeln ertönten Schmähungen und Klagen, und die Presse ergoß sich in herzzerreißenden Schilderungen und aufregenden IX.31 Mahnungen. Avaux erkannte die ganze Größe der Gefahr. Er berichtete seinem Hofe, daß selbst die Gutgesinnten — denn so pflegte er die Feinde des Hauses Oranien zu nennen — die allgemeine Stimmung entweder theilten oder durch dieselbe eingeschüchtert würden, und er rieth ernstlich dazu, auf ihre Wünsche einige Rücksicht zu nehmen. Er erhielt jedoch kalte und geringschätzende Antworten von Versailles. Es wurde zwar einigen holländischen Familien, welche nicht in Frankreich naturalisirt waren, die Rückkehr in ihr Vaterland gestattet, den naturalisirten Holländern aber verweigerte Ludwig jedes Zugeständniß. Keine Macht der Erde, sagte er, habe ein Recht, zwischen ihn und seine Unterthanen zu treten; diese Leute wären aus eigenem Antriebe seine Unterthanen geworden, und wie er sie behandle, das gehe keinen Nachbarstaat etwas an. Der Magistrat von Amsterdam fühlte sich durch den hochmüthigen Undank des Potentaten, den er gegen die allgemeine Stimmung ihrer eigenen Landsleute kräftig und rücksichtslos unterstützt hatte, natürlich sehr unangenehm berührt. Bald folgte eine andre Herausforderung, die sie noch schmerzlicher empfanden. Ludwig begann ihren Handel anzugreifen. Er erließ zuerst eine Verordnung, welche die Heringseinfuhr in seine Staaten verbot. Avaux beeilte sich seinem Hofe zu melden, daß dieser Schritt großen Unwillen erregt habe, daß in den Vereinigten Provinzen sechzigtausend Menschen vom Heringsfang lebten und daß die Generalstaaten wahrscheinlich strenge Repressalien beschließen würden. Der König antwortete, daß er nicht nur auf dem Verbot beharre, sondern auch die Einfuhrzölle auf viele Waaren, mit denen Holland einen einträglichen Handel mit Frankreich trieb, zu erhöhen beabsichtige. Die Folge dieser Mißgriffe, welche trotz wiederholter Warnungen, wie es scheint aus bloßem übermüthigen Eigensinn begangen wurden, war, daß sich jetzt, wo die Stimme eines einzelnen mächtigen Mitgliedes der Batavischen Föderation ein der ganzen Politik Ludwig’s Verderben drohendes Ereigniß hätte abwenden können, eine solche Stimme nicht erhob. Der Gesandte bemühte sich mit all’ seiner diplomatischen Gewandtheit vergebens, die Partei, mit deren Hülfe er seit mehreren Jahren den Statthalter in Schach gehalten hatte, zu ralliiren. Die Arroganz und der Starrsinn seines Gebieters vereitelten alle seine Anstrengungen.

Fehler des Königs von Frankreich. Endlich sah Avaux sich genöthigt, die beunruhigende Nachricht nach Versailles zu senden, daß man sich auf die der französischen Sache so lange ergeben gewesene Stadt Amsterdam nicht mehr verlassen könne, daß ein Theil der Gutgesinnten um ihre Religion besorgt sei und daß die Wenigen, deren Gesinnungen unverändert geblieben wären, es nicht wagen dürften, ihre Gedanken zu äußern. Die feurige Beredtsamkeit der Prediger, welche gegen die Greuel der französischen Verfolgung eiferten und die Wehklagen der bankerottirten Kaufleute, die ihren Untergang den französischen Maßregeln zuschrieben, hatten das Volk in eine so gereizte Stimmung versetzt, daß kein Bürger es mehr wagen durfte, sich offen für Frankreich zu erklären, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, in den nächsten Kanal geworfen zu werden. Man erinnerte daran, daß vor nicht mehr als fünfzehn Jahren das vornehmste Oberhaupt der dem Hause Oranien feindlich gesinnten Partei im Bereiche des Palastes der Generalstaaten von dem wüthenden Pöbel in Stücke zerrissen worden war. Ein gleiches Schicksal könnte nicht unwahrscheinlich auch Diejenigen treffen, welche beschuldigt werden sollten, IX.32 daß sie in diesem kritischen Augenblicke den Absichten Frankreichs gegen ihr Vaterland und gegen den reformirten Glauben dienten.40

40. Siehe die Depeschen des Grafen Avaux. Es würde mir kaum möglich sein, alle die Stellen anzuführen, welche mir Material zu diesem Theile meiner Geschichte lieferten. Die wichtigsten finden sich unter folgenden Daten: 20. Sept., 24. Sept., 5. Oct. u. 20. Dec. 1685; 3. Jan. u. 22. Nov. 1686; 2. Oct., 6. Nov. u. 19. Nov. 1687; 29. Juli u. 20. Aug. 1688. Lord Lonsdale sagt in seinen Memoiren sehr richtig, daß ohne Ludwig’s thörichtes Verfahren die Stadt Amsterdam die Revolution verhindert haben würde.

Sein Streit mit dem Papste bezüglich der Vorrechte auswärtiger Gesandter. Während Ludwig auf diese Weise seine Freunde zwang, seine wirklichen oder vorgeblichen Feinde zu werden, arbeitete er mit nicht geringerem Erfolge darauf hin, alle Bedenken zu zerstreuen, welche die römisch-katholischen Fürsten vielleicht noch hätten abhalten können, die Pläne Wilhelm’s zu unterstützen. Es hatte sich zwischen dem Hofe von Versailles und dem Vatikan ein neuer Streit erhoben, ein Streit, in welchem sich die Unbilligkeit und der Übermuth des Königs von Frankreich vielleicht in beleidigenderer Weise zeigte, als bei irgend einem andren Schritte seiner Regierung.

Seit langer Zeit hatte in Rom die Regel gegolten, daß kein Justiz- oder Finanzbeamter das Haus eines Gesandten betreten durfte, der einen katholischen Staat repräsentirte. Im Laufe der Zeit war dieses Vorrecht so weit ausgedehnt worden, daß nicht nur die Wohnung, sondern auch ein beträchtlicher Umkreis um dieselbe als unverletzbar betrachtet wurde. Jeder Gesandte suchte eine Ehre darin, die Grenzen des unter seinem Schutze stehenden Raumgebiets möglichst zu erweitern, so daß endlich die halbe Stadt aus privilegirten Bezirken bestand, in denen die päpstliche Regierung nicht mehr Gewalt hatte als im Louvre oder im Escurial. Jedes Asyl wimmelte von Schleichhändlern, betrügerischen Bankerotteurs, Dieben und Mördern; in jedem Asyle waren Massen von gestohlenen oder eingeschmuggelten Waaren aufgehäuft; aus jedem Asyle zogen des Nachts Banditen aus, um zu rauben und zu morden. In keiner Stadt der Christenheit war daher das Gesetz so ohnmächtig und das Verbrechen so dreist als in der alten Hauptstadt der Religion und Civilisation. Innocenz dachte darüber, wie es einem Priester und Fürsten geziemte. Er erklärte, daß er keinen Gesandten mehr aufnehmen werde, der auf diesem alle Ordnung und Sittlichkeit untergrabenden Rechte bestände. Anfangs wurde laut darüber gemurrt, aber die Gerechtigkeit seines Entschlusses war so in die Augen springend, daß alle Regierungen, mit Ausnahme einer einzigen, ihm nach und nach beipflichteten. Der Kaiser, der unter den christlichen Monarchen die erste Stelle einnahm, der spanische Hof, der sich unter allen Höfen durch seine Empfindlichkeit und Zähigkeit in Sachen der Etikette auszeichnete, entsagten dem verderblichen Privilegium. Nur Ludwig blieb unbeugsam. Was andere Fürsten thäten, sagte er, gehe ihn nichts an. Er schickte daher eine Gesandtschaft nach Rom, die von einer starken Abtheilung Reiterei und Fußvolk begleitet war. Der Gesandte zog im Triumph nach seinem Palaste, wie ein siegreicher General durch eine eroberte Stadt marschirt. Der Palast wurde stark bewacht und Patrouillen machten Tag und Nacht die Runde um den geschützten Bezirk, wie auf den Wällen einer Festung. Der Papst ließ sich dadurch IX.33 nicht einschüchtern. „Sie vertrauen auf Wagen und Rosse,“ sagte er, „wir aber denken an den Namen des Herrn unsres Gottes.“ Er griff energisch zu seinen geistlichen Waffen und belegte das von den Franzosen besetzte Gebiet mit einem Interdict.41

Als dieser Streit den Höhepunkt erreicht hatte, brach noch ein andrer aus, bei welchem Deutschland eben so stark betheiligt war als der Papst.

41. Prof. Ranke’s Römische Päpste, Buch 8; Burnet I. 789.

Das Erzbisthum Köln. Köln und das umliegende Gebiet wurde von einem Erzbischof regiert, der zugleich ein Kurfürst des deutschen Reiches war. Das Recht der Erwählung dieses mächtigen Prälaten stand unter gewissen Beschränkungen dem Domkapitel zu. Der Erzbischof war zu gleicher Zeit auch Bischof von Lüttich, von Münster und von Hildesheim, seine Besitzungen waren bedeutend und enthielten mehrere starke Festungen, welche im Falle eines Feldzugs am Rhein von höchster Wichtigkeit waren. In Kriegszeiten konnte er zwanzigtausend Mann ins Feld stellen. Ludwig hatte keine Mühe gespart, um einen so werthvollen Bundesgenossen zu gewinnen, und dies war ihm so gut gelungen, daß Köln fast von Deutschland losgetrennt und ein Außenwerk Frankreichs geworden war. Viele dem Hofe von Versailles ergebene Priester waren in das Kapitel gebracht und der Cardinal Fürstenberg, eine notorische Creatur des Hofes, war zum Coadjutor ernannt worden.

Im Sommer des Jahres 1688 kam das Erzbisthum zur Erledigung. Fürstenberg war der Candidat des Hauses Bourbon; die Feinde dieses Hauses schlugen den jungen Prinzen Clemens von Baiern vor. Fürstenberg war bereits Bischof und konnte daher nur vermittelst einer Dispensation vom Papste, oder einer Postulation, der sich zwei Drittheile des kölner Domkapitels anschließen mußten, in eine andre Diöcese versetzt werden. Der Papst wollte einer Creatur Frankreichs keine Dispensation bewilligen, und der Kaiser bewog mehr als ein Drittheil des Kapitels, für den bairischen Prinzen zu stimmen. Inzwischen war auch in den Kapiteln von Lüttich, Münster und Hildesheim die Majorität gegen Frankreich. Ludwig sah mit Unwillen und Besorgniß, daß eine ausgedehnte Provinz, die er schon angefangen hatte als ein Besitzthum seiner Krone zu betrachten, nahe daran war, nicht allein unabhängig von ihm, sondern sogar ihm feindlich gesinnt zu werden. In einem mit großer Bitterkeit abgefaßten Schreiben beklagte er sich über die Ungerechtigkeit, mit der Frankreich bei jeder Gelegenheit vom heiligen Stuhle behandelt werde, während derselbe doch der ganzen Christenheit seinen väterlichen Schutz angedeihen lassen sollte. Viele Anzeichen verriethen, daß er fest entschlossen war, die Ansprüche seines Candidaten mit bewaffneter Hand gegen den Papst und dessen Verbündete zu unterstützen.42

42. Burnet I. 758; Ludwig’s Schreiben ist vom 27. Aug. (6. Sept.) 1688 datirt. Es findet sich im Recueil des Traités, vol. IV. No. 219.

Kluges Verfahren Wilhelm’s. So stachelte Ludwig durch zwei einander entgegengesetzte Fehler den Zorn der beiden Religionsparteien, die sich in das westliche Europa theilten, zu gleicher Zeit gegen sich auf. Nachdem er sich die eine große Abtheilung der Christenheit durch Verfolgung der Hugenotten entfremdet hatte, entfremdete er sich auch die andre durch Beleidigung des römischen Stuhles. Und diese Mißgriffe that er in einem Augenblicke, wo kein Fehler ungestraft begangen werden IX.34 konnte, und vor den Augen eines Gegners, der keinem Staatsmanne, dessen Andenken die Geschichte aufbewahrt hat, an Wachsamkeit, Scharfblick und Energie nachstand. Wilhelm sah mit heimlicher Freude, wie seine Gegner sich bemühten, ein Hinderniß nach dem andren aus seinem Wege zu entfernen. Während sie sich die Feindschaft aller Parteien zuzogen, arbeitete er darauf hin, sie alle zu gewinnen. Mit seltener Klugheit stellte er den im Sinne habenden Plan den verschiedenen Regierungen in verschiedenem Lichte dar, und man muß hinzusetzen, daß keine seiner Darlegungen trotz ihrer Verschiedenheit falsch war. Er forderte die norddeutschen Fürsten auf, sich zur Vertheidigung der gemeinsamen Sache aller reformirten Kirchen um ihn zu schaaren, und den beiden Oberhäuptern des Hauses Österreich stellte er die Gefahr vor, die ihnen von Seiten des französischen Ehrgeizes drohte, sowie die Nothwendigkeit, England aus seiner Abhängigkeit zu befreien und es in den europäischen Staatenbund aufzunehmen.43 Er verwahrte sich, und zwar aufrichtig, gegen jede Bigotterie. Der wahre Feind der britischen Katholiken, sagte er, sei der kurzsichtige und halsstarrige König, der ihnen leicht hätte gesetzliche Duldung verschaffen können, anstatt dessen aber Gesetz, Freiheit und Eigenthum mit Füßen getreten hätte, um ihnen ein gehässiges und unsicheres Übergewicht zu geben. Wenn man Jakob seine schlechte Regierung ungehindert fortsetzen lasse, müsse dieselbe in nicht zu ferner Zeit einen allgemeinen Volksaufstand herbeiführen, der eine grausame Verfolgung der Papisten nach sich ziehen könne. Der Prinz erklärte es als einen seiner Hauptzwecke, den Greueln einer solchen Verfolgung vorzubeugen. Wenn sein Plan gelinge, würde er die Macht, die er dann als Oberhaupt der protestantischen Interessen besitzen müsse, zum Schutze der Mitglieder der römischen Kirche anwenden. Zwar könnten die durch Jakob’s Tyrannei entzündeten Leidenschaften es ihm vielleicht unmöglich machen, die Strafgesetze aus dem Gesetzbuche zu streichen; aber diese Strafgesetze sollten dann wenigstens durch gelinde Ausübung gemildert werden. Keine Klasse werde aus dem beabsichtigten Unternehmen mehr Gewinn ziehen, als die friedliebenden und anspruchsloseren Katholiken, welche nur den Wunsch hegten, ungestört ihrem Berufe nachgehen und ihren Schöpfer verehren zu dürfen. Die einzigen, welche dabei verlieren würden, seien die Tyrconnel, die Dover, die Albeville und anderen politischen Abenteurer, welche zum Dank für Schmeichelei und schlimmen Rath von ihrem leichtgläubigen Gebieter Statthalterposten, Regimenter und Gesandtschaften erhalten hätten.

43. Wegen der außerordentlichen Geschicklichkeit, mit der er zwei verschiedenen Parteien seine Politik in verschiedenem Lichte darstellte, wurde er später vom Hofe von St. Germains bitter geschmäht. „Licet foederatis publicus ille praedo haud aliud aperte proponat nisi ut Gallici imperii exuberans amputetur potestas; veruntamen sibi, et suis ex haeretica faece complicibus, ut pro comperto habemus, longe aliud promittit, nempe ut, exciso vel enervato Francorum regno, ubi Catholicarum partium summum jam robur situm est, haeretica ipsorum pravitas per orbem Christianum universum praevaleat.“ — Brief von Jakob an den Papst, unzweifelhaft 1689 geschrieben.

Seine Rüstungen zu Lande und zur See. Während Wilhelm sich bemühte, die Sympathien der Protestanten sowohl als der Katholiken zu gewinnen, sorgte er mit nicht geringerer Energie und Klugheit für Anschaffung der zu seinem Unternehmen erforderlichen militairischen IX.35 Hülfsmittel. Er konnte eine Landung in England nicht ohne Genehmigung der Vereinigten Provinzen bewerkstelligen. Hielt er um diese Genehmigung an bevor sein Plan zur Ausführung reif war, so konnten seine Absichten durch eine seinem Hause feindlich gesinnte Partei möglicherweise vereitelt werden und jedenfalls mußte die ganze Welt Kenntniß davon erhalten. Er beschloß daher, seine Voranstalten mit größter Eil zu betreiben und nach Vollendung derselben einen günstigen Augenblick abzuwarten, wo er den Bund um seine Zustimmung ersuchen konnte. Die Agenten Frankreichs bemerkten, daß sie ihn noch nie so geschäftig gesehen hatten. Es verging kein Tag, wo man ihn nicht von seiner Villa nach dem Haag sprengen sah, und beständig hielt er geheime Berathungen mit seinen ausgezeichnetsten Anhängern. Vierundzwanzig Schiffe wurden zur Verstärkung der gewöhnlichen Seemacht der Republik vollständig ausgerüstet. Für diese Vermehrung der Flotte bot sich zufällig ein vortrefflicher Vorwand dar, denn es hatten sich kürzlich einige algierische Corsaren in der Nordsee zu zeigen gewagt. Bei Nymwegen wurde ein Lager gebildet und viele tausend Mann daselbst zusammengezogen. Um diese Armee zu verstärken, wurden die Besatzungen aus den Festungen von Holländisch Brabant genommen; selbst die berühmte Festung Bergopzoom wurde fast ganz entblößt. Feldgeschütze, Bomben und Munitionswagen wurden aus allen Arsenalen der Vereinigten Provinzen nach den Hauptquartieren geschafft. Sämmtliche Bäcker von Rotterdam bucken Tag und Nacht Schiffszwieback; alle Gewehrfabrikanten von Utrecht reichten nicht hin, um die Bestellungen auf Pistolen und Flinten auszuführen; alle Sattler von Amsterdam arbeiteten mit der größten Anstrengung an Kürassen und Holftern. Die Schiffsmannschaft wurde um sechstausend Matrosen vermehrt und siebentausend neue Soldaten ausgehoben. Diese konnten allerdings nicht ohne Genehmigung des Bundes förmlich eingereiht werden; aber sie wurden inzwischen immer eingeübt und in solcher Kriegszucht gehalten, daß sie binnen vierundzwanzig Stunden nach erlangter Genehmigung ohne Schwierigkeit unter die verschiedenen Regimenter vertheilt werden konnten. Diese Rüstungen erforderten zwar viel baares Geld; aber Wilhelm hatte auch durch weise Sparsamkeit für den Fall unvorhergesehener großer Bedürfnisse einen Reserveschatz zurückgelegt, der sich auf ungefähr zweihundertfünfzigtausend Pfund Sterling belief. Das noch Fehlende wurde von seinen Anhängern bereitwilligst zugeschossen. Außerdem erhielt er auch aus England große Massen Gold, man sprach von nicht weniger als hunderttausend Guineen. Die Hugenotten, welche bedeutende Quantitäten des edlen Metalls ins Exil mitgenommen hatten, liehen ihm gern Alles, was sie besaßen, denn sie lebten der frohen Hoffnung, daß sie, wenn sein Unternehmen gelang, in ihr Vaterland würden zurückkehren dürfen, und fürchteten, daß sie im Falle des Mißlingens in ihrer Adoptivheimath kaum noch sicher sein würden.44

44. Avaux Neg., Aug. 2.(12.), 10.(20.), 11.(21.), 14.(24.), 16.(26.), 17.(27.), Aug. 23. (Sept. 2.) 1688.

Er erhält zahlreiche Unterstützungszusagen aus England. Während der letzten Hälfte des Juli und im Laufe des ganzen August nahmen die Rüstungen einen raschen, dem ungestümen Wilhelm aber noch immer zu langsamen Fortgang. Mittlerweile wurde zwischen IX.36 England und Holland ein lebhafter Verkehr unterhalten. Da man die gewöhnlichen Mittel zur Beförderung von Nachrichten und Passagieren nicht mehr für sicher hielt, fuhr ein leichtes Boot von wunderbarer Schnelligkeit beständig zwischen Scheveningen und der Ostküste unsrer Insel hin und her.45 Durch dieses Fahrzeug erhielt Wilhelm von hochstehenden Männern der Kirche, der Politik und des Heeres eine Reihe von Zuschriften. Von den sieben Prälaten, welche die denkwürdige Petition unterzeichnet, hatten zwei, Lloyd, Bischof von St. Asaph, und Trelawney, Bischof von Bristol, während ihres Aufenthalts im Tower die Lehre vom Nichtwiderstande noch einmal in Erwägung gezogen und waren bereit, einen bewaffneten Befreier willkommen zu heißen. Ein Bruder des Bischofs von Bristol, der Oberst Karl Trelawney, der eines der tangerschen Regimenter commandirte, welches jetzt als das vierte Linienregiment bekannt ist, erklärte sich bereit, für den protestantischen Glauben sein Schwert zu ziehen. Ähnliche Versicherungen kamen auch von dem rohen Kirke. Churchill erklärte in einem Briefe, der in ziemlich pathetischem Tone, dem sicheren Zeichen, daß er einen Schurkenstreich im Sinne hatte, geschrieben war, er sei entschlossen, seine Pflicht gegen den Himmel und gegen sein Vaterland zu erfüllen, und lege seine Ehre ganz in die Hände des Prinzen von Oranien. Wilhelm las dieses Schreiben gewiß mit jenem bittern und cynischen Lächeln, das seinen Zügen den mindest angenehmen Ausdruck gab. Er hielt sich nicht für bemüßigt, die Ehre Anderer in seine Obhut zu nehmen; auch hatten es die strengsten Casuisten nicht für unrecht erklärt, wenn ein General die Dienste von Überläufern, die er nur verachten konnte, erbat, benutzte und belohnte.46

Churchill’s Brief wurde von Sidney überbracht, dessen Stellung in England gefährlich geworden war und der, nachdem er die Spur seines Weges durch zahlreiche Vorsichtsmaßregeln verborgen hatte, Mitte August nach Holland kam.47 Um die nämliche Zeit schifften Shrewsbury und Eduard Russell in einem Boote, das sie in aller Stille gemiethet hatten, durch die Nordsee und erschienen im Haag. Shrewsbury brachte zwölftausend Pfund Sterling mit, die er auf seine Güter aufgenommen hatte und bei der Bank von Amsterdam deponirte. Devonshire, Danby und Lumley blieben in England, wo sie sich, sobald der Prinz den Fuß auf die Insel setzte, bewaffnet erheben wollten.

45. Avaux Neg., Sept. 4.(14.) 1688.

46. Burnet I. 765; Churchill’s Brief ist vom 4. August 1688 datirt.

47. Memoirs of the Duke of Shrewsbury, 1718.

Sunderland. Man hat Grund zu glauben, daß Wilhelm um diese Zeit auch die ersten Beitrittsversicherungen von einer ganz andren Seite erhielt. Die Geschichte der Intriguen Sunderland’s ist in ein Dunkel gehüllt, das schwerlich je ein Forscher wird aufzuklären vermögen; wenn es aber auch nicht möglich ist, die ganze Wahrheit zu entdecken, so kann man doch leicht einige handgreifliche Erdichtungen nachweisen. Die Jakobiten behaupteten aus naheliegenden Gründen, die Revolution von 1688 sei die Frucht eines schon vor langer Zeit angezettelten Complots gewesen, und Sunderland bezeichneten sie als das Haupt der Verschwörung. Sie behaupteten, er habe in der Verfolgung seines großen Planes seinen nur zu vetrauensvollen Gebieter angereizt, von Gesetzen IX.37 zu dispensiren, ein ungesetzliches Tribunal zu errichten, freies Eigenthum zu confisciren und die Väter der Landeskirche ins Gefängniß zu werfen. Dieser Roman stützt sich auf keinen Beweis, und obgleich er bis auf unsre Zeit nacherzählt worden ist, verdient er doch kaum eine Widerlegung. Nichts ist gewisser, als daß Sunderland sich einigen der unklügsten Schritte Jakob’s widersetzte, insbesondere der Verfolgung der Bischöfe, welche eigentlich die entscheidende Krisis herbeiführte. Aber wenn auch diese Thatsache nicht feststände, so würde noch ein andres Argument den Streit entscheiden. Welchen denkbaren Grund konnte Sunderland haben, eine Revolution herbeizuwünschen? Unter dem herrschenden Systeme stand er auf dem Gipfel des Ansehens und des Glücks. Als Präsident des Geheimen Raths hatte er den Vorrang vor allen weltlichen Peers, und als erster Staatssekretär war er das thätigste und mächtigste Mitglied des Kabinets. Er durfte den Herzogstitel erwarten. Er hatte den Hosenbandorden erhalten, den noch unlängst der glänzende und leichtfertige Buckingham getragen, der nach Vergeudung seines fürstlichen Vermögens und seines reichbegabten Geistes verlassen, verachtet und mit gebrochenem Herzen ins Grab gesunken war.48 Geld, auf das Sunderland mehr Werth legte als auf Gunst- und Ehrenbezeigungen, strömte ihm in solcher Fülle zu, daß er bei einigermaßen geregelter Verwaltung seiner Einkünfte hoffen konnte, binnen wenigen Jahren einer der reichsten Unterthanen in Europa zu werden. Die directen Einkünfte seiner Stellen waren, obwohl sehr bedeutend, doch nur ein kleiner Theil seiner Revenüen. Von Frankreich allein bezog er ein regelmäßiges Jahrgeld von nahe an sechstausend Pfund, abgesehen von bedeutenden Gelegenheitsgratifikationen. Mit Tyrconnel war er, wie wir wissen, auf fünftausend Pfund jährlich, oder fünfzigtausend ein für allemal, einig geworden. Welche Summen er außerdem durch den Handel mit Stellen, Titeln und Begnadigungen verdiente, kann nur gemuthmaßt werden, aber sie müssen enorm gewesen sein. Es schien Jakob Vergnügen zu machen, einen Mann, den er als durch sich bekehrt betrachtete, mit Reichthümern förmlich zu überschütten. Alle Geldbußen, alles verfallende Eigenthum erhielt Sunderland. Von jeder Verleihung bekam Sunderland Gebühren. Wenn irgend ein Bittsteller es wagte, sich direct an den König zu wenden, so erhielt er von diesem die Antwort: „Haben Sie mit meinem Lordpräsidenten gesprochen?“ Ein beherzter Mann erlaubte sich einmal die Äußerung, der Lordpräsident verschlinge das ganze Geld des Hofes. „Ja,“ erwiederte Seine Majestät, „aber er verdient es auch.“49 Wir werden das Gesammteinkommen des Ministers nicht zu hoch anschlagen, wenn wir es auf dreißigtausend Pfund jährlich schätzen, und man darf nicht vergessen, daß ein solches Einkommen damals seltener war als gegenwärtig ein Einkommen von hunderttausend Pfund. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es damals nicht einen einzigen Peer gab, dessen Privateinkünfte den Amtseinkünften Sunderlands gleichgekommen waren.

IX.38

Hatte nun ein in ungesetzliche und unpopuläre Regierungsmaßregeln so tief verwickelter Mann, ein Mitglied der Hohen Commission, ein Renegat, den die Menge auf öffentlichen Plätzen mit dem Geschrei: „Papistischer Hund!“ verfolgte, wohl Aussicht, unter einer neuen Ordnung der Dinge noch größer und reicher zu werden? Hatte er wohl nur Aussicht, der verdienten Strafe zu entgehen?

Er hatte gewiß schon seit langer Zeit die Möglichkeit im Auge, daß Wilhelm und Maria nach dem natürlichen Laufe der Natur und des Gesetzes einst an die Spitze der englischen Regierung kommen könnten, und wahrscheinlich hatte er es auch schon versucht, sich durch Versprechungen und Dienstleistungen, die, wenn sie entdeckt worden wären, seinen Credit in Whitehall gerade nicht erhöht haben würden, ihre Gunst zu erwerben. Aber man darf mit Gewißheit behaupten, daß es nicht sein Wunsch war, sie durch eine Revolution auf den Thron erhoben zu sehen, und daß er eine solche Revolution nicht im entferntesten vermuthete, als er gegen Ende Juni 1688 feierlich in den Schooß der römischen Kirche übertrat.

Kaum jedoch hatte er sich durch dieses unverzeihliche Verbrechen den Haß und die Verachtung der ganzen Nation zugezogen, so erfuhr er, daß die bürgerliche und kirchliche Verfassung Englands demnächst durch fremde und einheimische Waffen vertheidigt werden sollte. Von diesem Augenblicke an scheinen alle seine Pläne eine Umgestaltung erfahren zu haben. Angst und Furcht drückten ihn gänzlich darnieder und sprachen so deutlich aus seinen Gesichtszügen, daß Jedermann sie auf den ersten Blick darin lesen konnte.50 Es unterlag kaum einem Zweifel, daß im Falle einer Revolution die den Thron umgebenden bösen Rathgeber zu strenger Rechenschaft gezogen werden würden, und er stand unter diesen bösen Rathgebern obenan. Der Verlust seiner Stellen, seiner Gehalte und seiner Pensionen war das Geringste, was er zu fürchten hatte. Sein Stammschloß Althorpe mit seinen großen Waldungen konnte confiscirt werden. Er konnte viele Jahre im Gefängniß schmachten oder sein Leben in fremdem Lande als Pensionair der Freigebigkeit Frankreichs beschließen müssen. Und selbst dies war noch nicht das Schlimmste. Der unglückliche Staatsmann begann von schrecklichen Visionen verfolgt zu werden; er sah im Geiste Towerhill mit einer zahllosen Menschenmenge bedeckt, die beim Anblicke des Apostaten in ein wildes Jubelgeschrei ausbrach, er sah ein schwarz behangenes Schaffot, er sah Burnet, der das Sterbegebet für ihn las, und Ketch, auf das Beil gestützt, mit welchem Russell und Monmouth in so grauenvoller Weise abgeschlachtet worden waren. Wohl gab es noch einen Ausweg, durch den er sich retten konnte, aber dieser Weg würde einem edlen Character noch viel schrecklicher gewesen sein, als ein Kerker oder das Schaffot. Er konnte sich durch einen rechtzeitigen und nützlichen Verrath von den Feinden der Regierung Verzeihung erwirken. Es stand in seiner Macht, ihnen in jenem Augenblicke unschätzbare Dienste zu leisten, denn der König befolgte stets seinen Rath, er hatte großen Einfluß auf die jesuitische Cabale, und der französische Gesandte schenkte ihm blindes Vertrauen. An einer des Zweckes, dem sie dienen sollte, würdigen Vermittlerin fehlte es ihm nicht. Die Gräfin IX.39 von Sunderland war ein schlaues Weib, die unter einem Schein von Frömmigkeit, durch welchen sich viele erfahrene Männer täuschen ließen, mit großer Thätigkeit verliebte und politische Intriguen betrieb.51 Der schöne und leichtfertige Heinrich Sidney war seit geraumer Zeit ihr begünstigter Anbeter, und ihrem Gatten war es ganz angenehm, sie auf diese Weise mit dem Hofe im Haag verbunden zu sehen. Wenn er eine geheime Botschaft nach Holland befördern wollte, sprach er mit seiner Gattin darüber, diese schrieb an Sidney, und Sidney theilte ihren Brief dem Prinzen Wilhelm mit. Ein derartiges Schreiben wurde aufgefangen und Jakob hinterbracht. Sie behauptete keck, es sei gefälscht, und ihr Gatte vertheidigte sich mit der ihm eigenen Geschicklichkeit, indem er dem Könige vorstellte, es sei unmöglich, daß irgend ein Mensch so schlecht sein könne, das zu thun, was er gleichwohl fortwährend that. „Selbst wenn dies wirklich Lady Sunderland’s Hand wäre,“ sagte er, „so würde ich doch nichts damit zu thun haben. Eure Majestät kennt mein häusliches Mißgeschick. Es ist nur zu bekannt, auf welchem Fuße meine Frau mit Sidney steht. Wer könnte glauben, daß ich einen Mann zu meinem Vertrauten machen werde, der meine Ehre an der empfindlichsten Seite gekränkt hat, den Mann, den ich von Allen am meisten hassen muß?“52 Diese Vertheidigung wurde für genügend erachtet und nach wie vor gingen geheime Nachrichten von dem wissentlich betrogenen Gatten an die Ehebrecherin, von der Ehebrecherin an den Galan und von dem Galan an die Feinde Jakob’s.

Es ist sehr wahrscheinlich, daß Wilhelm um die Mitte des August die ersten bestimmten Versicherungen von Sunderland’s Unterstützung mündlich durch Sidney erhielt. Gewiß ist soviel, daß von dieser Zeit an bis zu dem Augenblicke, wo die Expedition zum Absegeln bereit war, eine lebhafte Correspondenz zwischen der Gräfin und ihrem Geliebten unterhalten wurde. Einige von ihren Briefen, welche zum Theil in Chiffersprache geschrieben waren, sind noch vorhanden. Sie enthalten Versicherungen von Geneigtheit und Dienstversprechungen nebst dringenden Bitten um Schutz. Die Schreiberin giebt zu verstehen, daß ihr Gatte Alles thun werde, was seine Freunde im Haag nur wünschen könnten; sie hält es für nöthig, daß er auf einige Zeit ins Exil geht, aber sie hofft, daß seine Verbannung nicht ewig dauern und daß ihm sein Erbgut erhalten bleiben werde und bittet angelegentlich um Bezeichnung eines passenden Ortes, wohin er sich zurückziehen könne, bis die erste Wuth des Sturmes sich gelegt haben würde.53

48. London Gazette, April 25. 28. 1687.

49. Secret Consults of the Romish Party in Ireland. Diese Mittheilung wird durch eine Stelle in einem Schreiben von Bonrepaux an Seignelay vom 12.(22.) Sept. 1687 bestätigt. „Il (Sunderland) amassera beaucoup d’argent, le roi son maître lui donnant la plus grande partie de celui qui provient des confiscations ou des accommodemens que ceux qui ont encourû des peines font pour obtenir leur grace.“

50. Adda sagt in einer Depesche vom 26. Oct. (5. Nov.) 1688, daß man Sunderland seine Angst angesehen habe.

51. Vergleiche Evelyn’s Mittheilungen über sie mit dem, was die Prinzessin von Dänemark von ihr nach dem Haag schrieb, und mit ihren eigenen Briefen an Heinrich Sidney.

52. Bonrepaux an Seignelay, 11.(21.) Juli 1688.

53. Siehe ihre Briefe in Sidney’s unlängst erschienenem Tagebuche und Correspondenz. Fox bezeichnet in seiner Ausgabe der Depeschen von Barillon den 30. August n. St. 1688 als den Zeitpunkt, von welchem an Sunderland ganz bestimmt ein falsches Spiel spielte.

Wilhelm’s Befürchtungen. Der Beistand Sunderland’s war höchst willkommen. Denn je näher der für den großen Schlag bestimmte Zeitpunkt heranrückte, um so mehr nahm Wilhelm’s ängstliche Besorgniß zu. Vor gewöhnlichen Blicken verbarg er seine Gefühle hinter IX.40 der eiskalten Ruhe seines Benehmens; Bentinck aber öffnete er sein ganzes Herz. Die Vorbereitungen waren noch nicht ganz vollendet, der Plan wurde schon geahnet und konnte nicht länger verborgen werden. Der König von Frankreich oder die Stadt Amsterdam konnten noch immer das ganze Unternehmen vereiteln. Wenn Ludwig eine bedeutende Truppenmacht nach Brabant schickte, wenn die Partei, welche den Statthalter haßte, das Haupt erhob, so war Alles vorbei. „Meine Angst und meine Besorgniß,“ schrieb der Prinz, „sind furchtbar. Ich weiß kaum mehr was ich thue. Noch nie in meinem Leben fühlte ich so stark das Bedürfniß der göttlichen Leitung.“54 Bentinck’s Gemahlin war um diese Zeit gefährlich krank, und beide Freunde ängstigten sich sehr um sie. „Gott halte Sie aufrecht,“ schrieb Wilhelm, „und gebe Ihnen die Kraft, Ihren Theil bei einem Werke zu verrichten, von welchem, soweit Menschen es beurtheilen können, das Wohl seiner Kirche abhängt.“55

54. 19.(29.) August 1688.

55. 4.(14.) Sept. 1688.

Jakob wird gewarnt. Es war in der That unmöglich, daß ein so umfassender Plan, wie der gegen den König von England entworfene war, viele Wochen lang geheim bleiben konnte. Keine Vorsicht konnte es verhindern, daß scharfblickende Leute Wilhelm’s großartige Kriegsrüstungen zu Lande und zur See bemerkten und den Zweck dieser Rüstungen ahneten. Schon Anfang August raunte man einander in London zu, daß ein großes Ereigniß im Anzuge sei. Der schwache und bestochene Albeville, der sich damals zu Besuch in England befand, war überzeugt oder stellte sich wenigstens so, daß die holländische Regierung keine feindlichen Absichten gegen England hege. Aber während Albeville’s Abwesenheit versah Avaux mit ausgezeichneter Umsicht die Geschäfte eines französischen und englischen Gesandten zugleich bei den Generalstaaten und lieferte sowohl Barillon als auch Ludwig ausführliche Nachrichten. Avaux war fest überzeugt, daß eine Landung in England beabsichtigt wurde, und es gelang ihm, seinem Gebieter die Richtigkeit dieser Vermuthung vollkommen einleuchtend zu machen. Jeder Courier, der entweder vom Haag oder von Versailles nach Westminster kam, brachte ernste Warnungen mit.56 Jakob aber war in einer Täuschung befangen, in der er allem Anscheine nach von Sunderland geschickt erhalten wurde. Der Prinz von Oranien, sagte der schlaue Minister, werde es nie wagen, eine überseeische Expedition zu unternehmen und Holland von Vertheidigungsmitteln zu entblößen. Die Generalstaaten würden sich in Erinnerung dessen, was sie während des furchtbaren Kampfes von 1672 gelitten und zu fürchten gehabt hätten, gewiß nicht der Gefahr aussetzen, wieder ein feindliches Heer auf der Ebene zwischen Utrecht und Amsterdam lagern zu sehen. Es herrsche allerdings große Unzufriedenheit in England, aber zwischen Unzufriedenheit und Rebellion liege noch eine große Kluft. Männer von Rang und Vermögen seien nicht so leicht zu bewegen, ihre Stellung, ihr Eigenthum und ihr Leben auf’s Spiel zu setzen. Wie viele hochstehende Whigs hätten zu der Zeit, als Monmouth in den Niederlanden war, eine übermüthige Sprache geführt! Und welcher hochstehende Whig habe sich ihm angeschlossen, als er sein Banner IX.41 aufgepflanzt? Es sei leicht erklärlich, warum Ludwig sich stellte, als ob er diesen leeren Gerüchten Glauben schenke. Er hoffte ohne Zweifel, den König von England durch Ängstigung zu bestimmen, daß er in dem kölner Streite auf die Seite Frankreichs trat. Durch solche Argumente ließ Jakob sich leicht in eine stupide Sicherheit wiegen.57 Ludwig’s Angst und Unwille nahm dagegen mit jedem Tage zu und der Ton seiner Briefe wurde immer schärfer und heftiger.58 Er sagte, er könne diese Gleichgültigkeit am Vorabende einer großen Krisis nicht begreifen. Sei denn der König behext? Seien seine Minister blind? Sei es möglich, daß Niemand in Whitehall merkte, was in England und auf dem Continent vorging? Eine so thörichte Sicherheit könne doch kaum die Wirkung bloßer Unvorsichtigkeit sein, dahinter müsse absichtliche Täuschung stecken, Jakob müsse offenbar in treulosen Händen sein. Barillon wurde dringend ermahnt, den englischen Ministern nicht vollkommen zu trauen; aber alle Ermahnungen waren umsonst. Ihn sowohl als Jakob hatte Sunderland mit einem Zauber umsponnen, den keine Ermahnungen zerstören konnten.

56. Avaux 19.(29.) Juni; 31. Juli (10. Aug,), 11.(21.) Aug. 1688; Ludwig an Barillon, 2.(12.), 16.(26.) Aug.

57. Barillon 20.(30.) Aug., 23. Aug. (2. Sept.) 1688; Adda, 24. Aug. (3. Sept.); Clarke’s Life of James the Second, II. 177. Orig. Mem.

58. Ludwig an Barillon, 3.(13.), 8.(18.), 11.(21.) Sept. 1688.

Ludwig’s Bemühungen, um Jakob zu retten. Ludwig regte sich nachdrücklich. Bonrepaux, welcher Barillon an Schlauheit weit überlegen war und der Sunderland stets mit feindseligem und argwöhnischem Blicke betrachtet hatte, wurde mit dem Anerbieten einer Unterstützung durch Schiffe nach London gesandt. Zu gleicher Zeit erhielt Avaux Auftrag, den Generalstaaten zu erklären, daß Frankreich den König Jakob unter seinen Schutz genommen habe. Ein starkes Truppencorps wurde zum Aufbruch nach der holländischen Grenze bereit gehalten. Dieser kühne Versuch, den verblendeten Tyrannen wider seinen Willen zu retten, wurde im vollen Einverständniß mit Skelton gemacht, der jetzt Gesandter England’s am Hofe von Versailles war.

Avaux verlangte seinen Instructionen gemäß eine Audienz bei den Generalstaaten, die ihm bereitwillig zugestanden wurde. Die Versammlung war ungewöhnlich zahlreich. Man glaubte allgemein, daß er eine Eröffnung in Bezug auf den Handel machen werde, und der Präsident hatte sich mit einer in dieser Voraussetzung entworfenen Antwort versehen. Sobald aber Avaux sich seines Auftrags zu entledigen begann, äußerten sich unverkennbare Zeichen von Mißbehagen. Diejenigen, von denen man glaubte, daß sie das Vertrauen des Prinzen von Oranien genossen, schlugen die Augen nieder. Die Aufregung nahm zu, als der Gesandte ankündigte, daß sein Gebieter durch die engsten Bande der Freundschaft und Allianz mit Seiner Großbritannischen Majestät verbunden sei und daß jeder Angriff auf England als eine Kriegserklärung gegen Frankreich betrachtet werden würde. Der völlig unvorbereitete Präsident stammelte einige ausweichende Phrasen hervor und die Conferenz war zu Ende. Zu gleicher Zeit war den Staaten angekündigt worden, daß Ludwig den Cardinal Fürstenberg und das kölner Domkapitel unter seinen Schutz genommen habe.59

IX.42

Die Deputirten waren in der größten Bestürzung. Einige empfahlen Vorsicht und Aufschub. Andere athmeten nichts als Krieg. Fagel sprach mit Heftigkeit von der französischen Anmaßung und bat seine Collegen dringend, sich durch Drohungen nicht einschüchtern zu lassen. Er sagte, die passende Antwort auf eine solche Mittheilung sei die Verstärkung des Heeres und die Ausrüstung neuer Schiffe. Es wurde augenblicklich ein Courier abgesandt, um Wilhelm von Minden zu holen, wo er eine wichtige Besprechung mit dem Kurfürsten von Brandenburg hatte.

59. Avaux, 23. August (2. Sept.), 30. Aug. (9. Sept.) 1688.

Jakob vereitelt dieselben. Doch man brauchte nicht ängstlich zu sein. Jakob schien es darauf anzulegen, sich ins Verderben zu stürzen und jeder Versuch ihn zurückzuhalten hatte keinen andren Erfolg, als daß er dem Abgrunde nur noch rascher zueilte. Als sein Thron befestigt, als sein Volk gehorsam war, als das dienstwilligste aller Parlamente sich befleißigte, allen seinen billigen Wünschen entgegenzukommen, als auswärtige Königreiche und Republiken mit einander wetteiferten, ihm zu huldigen und zu schmeicheln, als es nur von ihm abhing, der Schiedsrichter der Christenheit zu sein, hatte er sich zum Sklaven und Söldlinge Frankreichs erniedrigt. Und jetzt, wo es ihm durch eine Reihe von Verbrechen und Thorheiten gelungen war, sich seine Nachbarn, seine Unterthanen, seine Soldaten, seine Seeleute und seine Kinder zu entfremden, und wo ihm kein andrer Ausweg mehr blieb, als der französische Schutz, bekam er plötzlich einen Anfall von Stolz und beschloß seine Unabhängigkeit zu behaupten. Die Hülfe, die er zu einer Zeit, wo er ihrer nicht bedurfte, mit schimpflichen Dankesthränen angenommen hatte, wies er jetzt, wo er sie nicht entbehren konnte, mit Verachtung zurück. Nachdem er sich zu einer Zeit, wo er viel eher mit ängstlicher Sorgfalt auf die Wahrung seiner Würde hätte halten können, erniedrigt hatte, wurde er undankbar hochmüthig in einem Augenblicke, wo der Hochmuth ihm zu gleicher Zeit Hohn und Verderben zuziehen mußte. Er fühlte sich beleidigt durch die freundschaftliche Hülfe, die ihn hätte retten können. War je ein König so behandelt worden? War er ein Kind oder ein Schwachkopf, daß Andere für ihn denken mußten? War er ein Winkelfürst, ein Cardinal Fürstenberg, der fallen mußte, wenn nicht ein mächtiger Beschützer ihn hielt? Sollte er sich durch einen prahlerischen Schutz, um den er nie gebeten, sich in den Augen von ganz Europa herabsetzen lassen? Skelton wurde zurückgerufen, um über sein Verfahren Rechenschaft zu geben, und wurde sogleich nach seiner Ankunft in den Tower gesperrt. Citters dagegen wurde in Whitehall gut aufgenommen und er hatte eine lange Audienz. Er konnte mit mehr Wahrheit, als die Diplomaten in solchen Fällen überhaupt für nöthig hielten, jede feindselige Absicht auf Seiten der Generalstaaten leugnen. Denn die Generalstaaten hatten bis jetzt noch keine öffentliche Kenntniß von Wilhelm’s Plane, und es war keineswegs unmöglich, daß sie selbst jetzt noch demselben ihre Genehmigung vorenthielten. Jakob erklärte, daß er den Gerüchten von einer holländischen Invasion nicht den geringsten Glauben schenke und daß das Benehmen der französischen Regierung ihn überrascht und verdrossen habe. Middleton erhielt die Weisung, allen auswärtigen Gesandten zu versichern, daß kein solches Bündniß zwischen Frankreich und England bestehe, wie der Hof von Versailles zu seinen Zwecken vorgebe; dem Nuntius sagte der König, Ludwig’s Absichten seien mit Händen zu greifen, sollten aber vereitelt werden. Diese zudringliche Protection sei zu gleicher Zeit eine IX.43 Beleidigung und eine Schlinge. „Mein guter Bruder,“ sagte Jakob, „hat vortreffliche Eigenschaften; aber Schmeichelei und Eitelkeit haben ihm den Kopf verrückt.“60 Adda, dem an Cöln mehr gelegen war, als an England, nährte diese sonderbare Täuschung. Albeville, der jetzt wieder auf seinen Posten zurückgekehrt war, erhielt Befehl, den Generalstaaten freundschaftliche Versicherungen zu geben und einige hochtrabende Redensarten hinzuzusetzen, die sich in dem Munde einer Elisabeth oder eines Oliver nicht übel ausgenommen haben würden. „Mein Gebieter,“ sagte er, „steht durch seine Macht und seinen Muth hoch über der Stufe, die ihm Frankreich gern anweisen möchte. Es ist ein kleiner Unterschied zwischen einem König von England und einem Erzbischof von Cöln.“ Bonrepaux wurde in Whitehall sehr kühl aufgenommen. Die von ihm offerirte Unterstützung an Schiffen wurde zwar nicht geradezu abgelehnt, aber er mußte wieder abreisen, ohne etwas festgesetzt zu haben, und die Gesandten der Vereinigten Provinzen wie des Hauses Österreich wurden benachrichtigt, daß seine Sendung dem Könige unangenehm gewesen sei und zu keinem Resultate geführt habe. Nach der Revolution rühmte sich Sunderland, und wahrscheinlich mit Recht, daß er seinen Gebieter dazu bestimmt habe, die angebotene Unterstützung Frankreichs zurückzuweisen.61

Die unvernünftige Thorheit Jakob’s erregte natürlich den Unwillen seines mächtigen Nachbars. Ludwig beklagte sich, daß die englische Regierung ihn zum Dank für den größten Dienst, den er ihr hätte leisten können, angesichts der ganzen Christenheit Lügen gestraft habe. Er bemerkte ganz richtig, was Avaux in Betreff des Bündnisses zwischen Frankreich und Großbritannien gesagt habe, sei wenn auch nicht dem Buchstaben nach, doch im allgemeinen Sinne wahr. Es bestehe allerdings kein in Paragraphen eingetheilter, unterschriebener, besiegelter und ratificirter Vertrag, aber Zusicherungen, welche in den Augen von Ehrenmännern für eben so heilig gälten als Verträge, wären seit mehreren Jahren zwischen den beiden Höfen gewechselt worden. Ludwig setzte noch hinzu, daß er, eine so hohe Stellung er auch in Europa einnehme, doch nie so lächerlich eifersüchtig auf seine Würde sein werde, um in einer durch die Freundschaft eingegebenen Handlung eine Beleidigung zu erblicken. Jakob aber sei in einer ganz andren Lage und werde bald den Werth des so unfreundlich zurückgewiesenen Beistandes schätzen lernen.62

Trotz Jakob’s Verblendung und Undankbarkeit würde Ludwig aber doch klug gethan haben, wenn er auf dem den Generalstaaten angekündigten Entschlusse beharrt hätte. Avaux, der in Folge seines Scharfblicks und seines richtigen Urtheils ein Wilhelm’s würdiger Gegner war, erkannte das vollkommen. Das Bestreben der französischen Regierung — so dachte der kluge Gesandte — müsse vor Allem dahin gehen, die beabsichtigte IX.44 Landung in England zu verhindern. Um diesen Zweck zu erreichen, müsse man in die spanischen Niederlande einrücken und die batavischen Grenzen bedrohen. Der Prinz von Oranien sei allerdings für seinen Lieblingsplan so sehr eingenommen, daß er denselben ausführen werde, selbst wenn die weiße Fahne schon auf den Wällen von Brüssel wehte, denn er hatte wirklich gesagt, wenn die Spanier Ostende, Mons und Namur nur bis zum nächsten Frühjahr halten könnten, so würde er dann mit einer Streitmacht von England zurückkehren, welche alles Verlorne bald wieder erobern werde. Allein dies sei wohl die Meinung des Prinzen, nicht aber die der Generalstaaten. Diese würden es gewiß nicht so leicht zugeben, daß ihr Oberbefehlshaber mit der Elite der Armee über die Nordsee fahre, während ein gewaltiges Heer ihr eignes Gebiet bedrohte.63

60. „Che l’adulazione e la vanità gli avevano tornato il capo.“ — Adda, 31. Aug. (10. Sept.) 1688.

61. Citters, 11.(21.) Sept. 1688; Avaux, 17.(27.) Sept., 27. Sept. (7. Oct.); Barillon, 23. Sept. (3. Oct.); Wagenaar, Buch 60; Sunderland’s Apology. Es ist oft behauptet worden, Jakob habe die Unterstützung eines französischen Armeecorps abgelehnt. In Wirklichkeit aber wurde ihm eine solche Unterstützung gar nicht angeboten. Die französischen Truppen würden auch in der That Jakob viel mehr genützt haben, wenn sie die holländischen Grenzen bedroht hätten, als wenn sie über den Kanal gekommen wären.

62. Ludwig an Barillon, 20.(30.) Sept. 1688.

63. Avaux, 27. Sept. (7. Oct.), 4.(14.) Oct. 1688.

Die französischen Armeen fallen in Deutschland ein. Ludwig gab die Haltbarkeit dieser Gründe zu, aber er hatte sich schon zu einem andren Verfahren entschieden. Vielleicht hatte ihn die Unhöflichkeit und Verkehrtheit der englischen Regierung gereizt und er ließ sich zu seinem Nachtheile von seiner aufgebrachten Stimmung leiten. Vielleicht war er auch durch die Rathschläge seines Kriegsministers Louvois irregeführt, der großen Einfluß hatte und Avaux nicht mit freundlichem Auge betrachtete. Kurz, es wurde beschlossen, auf einer von Holland entfernten Seite einen großen und unerwarteten Schlag zu führen. Ludwig zog plötzlich seine Truppen aus Flandern und warf sie nach Deutschland. Ein Armeecorps unter dem nominellen Commando des Dauphins, in Wahrheit aber geleitet vom Herzoge von Duras und von Vauban, dem Vater der Befestigungskunst, belagerte Philippsburg. Ein andres unter den Befehlen des Marquis von Bouffiers nahm Worms, Mainz und Trier. Ein drittes unter dem Marquis von Humieres, besetzte Bonn. Den ganzen Rhein hinunter, von Karlsruhe bis Cöln waren die französischen Waffen siegreich. Die Nachricht von der Einnahme von Philippsburg traf am Allerheiligentage in Versailles ein, während der Hof gerade in der Kapelle den Gottesdienst hörte. Der König winkte dem Prediger inne zu halten, kündigte der Versammlung die frohe Botschaft an und kniete dann nieder, um Gott für diesen großen Sieg zu danken. Die Anwesenden weinten vor Freude.64 Die Nachricht wurde von dem sanguinischen und leicht entzündlichen französischen Volke mit Jubel begrüßt. Dichter besangen die Triumphe ihres freigebigen Schutzherrn; Redner priesen auf der Kanzel die Weisheit und Großmuth des ältesten Sohnes der Kirche. Das Tedeum wurde mit ungewohntem Pomp gesungen und die feierlichen Töne der Orgel vermischten sich mit dem Schalle der Cymbeln und dem Geschmetter der Trompeten. Es war indessen wenig Ursache zur Freude vorhanden. Der große Staatsmann, der an der Spitze der europäischen Coalition stand, lächelte im Stillen über die nutzlose Kraftvergeudung seines Feindes. Ludwig hatte zwar durch sein rasches Handeln einige Vortheile in Deutschland errungen, aber diese Vortheile konnten ihm nur wenig nützen, wenn England, nachdem es unter vier aufeinanderfolgenden Königen unthätig und ruhmlos gewesen, plötzlich wieder seinen früheren Rang in Europa einnahm. Wenige Wochen genügten zur Ausführung des Unternehmens, IX.45 von dem das Schicksal der ganzen Welt abhing, und für einige Wochen waren die Vereinigten Provinzen noch in Sicherheit.

64. Frau von Sévigné, 24. Oct. (3. Nov.) 1688.

Wilhelm erlangt die Genehmigung der Generalstaaten für seine Expedition. Wilhelm betrieb nun seine Rüstungen mit unermüdlicher Thätigkeit und nicht mehr so heimlich, als er es bisher für nöthig gehalten hatte. Täglich gingen Unterstützungszusagen von auswärtigen Höfen ein. Im Haag war die Opposition zum Schweigen gebracht. Umsonst bot Avaux noch in diesem letzten Augenblicke seine ganze Gewandtheit auf, um die Partei, welche gegen drei Generationen des Hauses Oranien gekämpft hatte, zu ermuthigen. Die Häupter dieser Partei sahen zwar den Statthalter noch immer nicht mit günstigem Auge an, denn sie hatten Grund zu der Besorgniß, daß er, wenn sein Unternehmen gegen England gelang, er auch unumschränkter Beherrscher von Holland werden möchte. Aber die Fehler des Hofes von Versailles und die Geschicklichkeit, mit der er dieselben benutzt hatte, machten es unmöglich, ferner noch gegen ihn zu kämpfen. Er sah ein, daß es jetzt Zeit war, um die Genehmigung der Generalstaaten nachzusuchen. Amsterdam war das Hauptquartier der seinem Hause, seinem Amte und seiner Person feindlich gesinnten Partei, und selbst von Amsterdam hatte er diesen Augenblick nichts zu befürchten. Mit mehreren der vornehmsten Beamten dieser Stadt hatte er schon zu wiederholten Malen in Anwesenheit Dykvelt’s und Bentinck’s geheime Unterredungen gehabt und hatte sie zu dem Versprechen bewogen, daß sie das große Unternehmen fördern, oder sich demselben wenigstens nicht widersetzen wollten. Andere waren über Ludwig’s Handelsverordnungen erbittert, noch Andere waren besorgt um ihre von den französischen Dragonern tyrannisirten Verwandten und Freunde; wieder Andere fürchteten die Verantwortlichkeit, eine Spaltung herbeizuführen, welche dem batavischen Bunde verderblich werden konnte, und Einige endlich fürchteten das gemeine Volk, welches, durch die Ermahnungen eifriger Prediger aufgestachelt, bereit war, an jedem Verräther des Protestantismus eine summarische Justiz auszuüben. Daher erklärte sich die Majorität dieses Stadtraths, der so lange Zeit Frankreich ergeben gewesen war, zu Gunsten der Unternehmung Wilhelm’s. Von diesem Augenblicke an war jede Besorgniß wegen einer Opposition in irgend einem Theile der Vereinigten Provinzen gehoben und die Föderation ertheilte ihm in geheimer Sitzung die volle Genehmigung zu seiner Expedition.65

Der Prinz hatte sich bereits für einen zum Unterbefehlshaber trefflich geeigneten General entschieden. Dies war in der That kein unwichtiger Gegenstand. Ein zufälliger Schuß oder der Dolch eines Meuchelmörders konnte in einem Augenblicke die Expedition ihres Anführers berauben, und für diesen Fall mußte im Voraus ein Nachfolger bestimmt werden, der die Lücke sofort ausfüllte. Einen Engländer konnte man jedoch dazu nicht wählen, ohne entweder den Whigs oder den Tories zu nahe zu treten; auch hatte noch kein damals lebender Engländer bewiesen, daß er das zur Leitung eines Feldzugs nöthige militairische Geschick besaß. Auf der andren Seite war es nicht leicht, einem Ausländer den Vorzug zu geben, ohne das Nationalgefühl der stolzen Insulaner zu verwunden. IX.46 Einen Mann gab es in Europa, aber auch nur diesen einen, gegen den sich nichts einwenden ließ; Friedrich, Graf von Schomberg, ein Deutscher aus einem edlen Hause der Pfalz. Er galt allgemein für den größten damals lebenden Meister der Kriegskunst. Seine oftmals durch starke Versuchungen geprüfte, aber nie erschütterte Rechtschaffenheit und Frömmigkeit hatten ihm allgemeine Achtung und Vertrauen erworben. Obgleich Protestant, hatte er mehrere Jahre im Dienste Ludwig’s gestanden und durch eine Reihe glänzender Waffenthaten seinem Gebieter trotz aller Ränke der Jesuiten den französischen Marschallsstab abgenöthigt. Als die Verfolgung zu wüthen begann, weigerte sich der tapfere Veteran standhaft, die königliche Gunst durch Abtrünnigkeit zu erkaufen, legte ohne Murren alle seine Ehrenstellen und Commando’s nieder, verließ sein zweites Vaterland für immer und zog sich an den berliner Hof zurück. Er war bereits über siebzig Jahre alt, aber geistig und körperlich noch sehr rüstig. Er war in England gewesen und dort außerordentlich geliebt und geehrt worden. Allerdings hatte er eine Empfehlung, der sich damals wenige Ausländer rühmen konnten: er sprach unsre Sprache, und zwar nicht nur verständlich, sondern elegant und rein. Er wurde mit Bewilligung des Kurfürsten von Brandenburg und zur aufrichtigen Freude der Oberhäupter aller englischen Parteien zu Wilhelm’s Stellvertreter ernannt.66

65. Witson’s MS., angeführt von Wagenaar; Lord Lonsdale’s Memoiren; Avaux, 4.(14.), 5.(15.) Oct. 1688. Die förmliche Erklärung der Generalstaaten, datirt vom 18.(28.) Oct., findet man im IV. Bande des Recueil des Traités, No. 225.

66. Abrégé de la Vie de Frédéric Duc de Schomberg, 1690; Sidney an Wilhelm, 30. Juni 1688; Burnet I. 677.

Britische Abenteurer im Haag. Inzwischen wimmelte es im Haag von Abenteurern aller der verschiedenen Factionen, welche Jakob’s Tyrannei zu einer sonderbaren Coalition verbunden hatte: alte Royalisten, die ihr Blut für den Thron vergossen hatten, alte Agitatoren von der Parlamentsarmee, Tories, welche in den Tagen der Ausschließungsbill verfolgt worden waren, und Whigs, die wegen ihrer Theilnahme am Ryehousecomplot sich auf den Continent geflüchtet hatten.

Unter dieser großen Menge zeichnete sich Karl Gerard, Earl von Macclesfield aus, ein alter Kavalier, der für Karl I. gekämpft und Karl’s II. Exil getheilt hatte; ferner Archibald Campbell, der älteste Sohn des unglücklichen Argyle, der aber von seinem Vater nichts geerbt hatte als einen erlauchten Namen und die unwandelbare Liebe eines zahlreichen Clan; Karl Paulet, Earl von Wiltshire, unzweifelhafter Erbe des Marquisats von Winchester, und Peregrine Osborne, Lord Dumblane, unzweifelhafter Erbe des Earlthums Danby. Mordaunt, der vor Begierde nach Abenteuern brannte, die für sein feuriges Temperament einen unwiderstehlichen Reiz hatten, war einer der Ersten unter den Freiwilligen. Fletcher von Saltoun hatte, während er die Grenzen der Christenheit gegen die Ungläubigen beschützte, erfahren, daß sein Vaterland wieder einmal Hoffnung auf Befreiung hatte, und er hatte sich beeilt, sein Schwert anzubieten. Sir Patrick Hume, der seit seiner Flucht aus Schottland sehr bescheiden und eingezogen lebte, trat jetzt wieder aus seinem Dunkel hervor; zum Glück aber konnte seine Redseligkeit diesmal wenig Schaden anrichten, denn der Prinz von Oranien war durchaus nicht geneigt, der abhängige General einer debattirenden Gesellschaft zu sein wie die, welche Argyle’s Unternehmen zum Verderben gereicht hatte. Der verschmitzte und ruhelose Wildman, der vor kurzem die Überzeugung gewonnen, daß England ein unsicherer IX.47 Aufenthalt für ihn war und der sich deshalb nach Deutschland begeben hatte, erschien ebenfalls an Wilhelm’s Hofe. Eben so auch Carstairs, ein presbyterianischer Priester aus Schottland, der an Schlauheit und Muth keinem Politiker seiner Zeit nachstand. Fagel hatte ihm einige Jahre vorher wichtige Geheimnisse anvertraut und er hatte sie trotz der fürchterlichsten Qualen, die ihm der spanische Stiefel und die Daumschraube bereitet, treu bewahrt. Seine seltene Standhaftigkeit hatte ihm das Vertrauen und die Achtung des Prinzen in eben so hohem Grade erworben, als irgend ein Andrer, außer Bentinck, sich derselben erfreute.67 Ferguson konnte nicht ruhig bleiben, wenn eine Revolution im Werke war. Er sicherte sich einen Platz zur Überfahrt auf der Flotte und entfaltete eine große Thätigkeit unter seinen Mitemigranten; aber er fand überall Mißtrauen und Verachtung. Unter der Schaar von unwissenden und heißblütigen Verbannten, welche den schwachen Monmouth ins Verderben geführt, war er ein großer Mann gewesen; unter den ernsten Staatsmännern und Generälen aber, welche die Sorgen des entschlossenen und umsichtigen Wilhelm theilten, war kein Platz für einen niedrigdenkenden, halb wahnsinnigen und halb schurkischen Agitator.

67. Burnet I. 584; Mackay’s Memoirs.

Wilhelm’s Erklärung. Der Unterschied zwischen der Expedition von 1685 und der von 1688 zeigte sich schon deutlich genug in der Verschiedenheit der Manifeste, welche die Führer der beiden Unternehmungen erließen. Für Monmouth hatte Ferguson ein abgeschmacktes und gemeines Libell über den Brand von London, die Ermordung Godfrey’s und Essex’ und die Vergiftung Karl’s geschmiert. Wilhelm’s Erklärung war von dem Großpensionär Fagel verfaßt, der als ausgezeichneter Publicist bekannt war. Obgleich gehaltvoll und wohldurchdacht, war sie doch in ihrer ursprünglichen Form zu weitschweifig; aber sie wurde von Burnet, der populär zu schreiben verstand, abgekürzt und ins Englische übersetzt. Sie begann mit einer feierlichen Einleitung, in welcher gesagt war, daß in jedem Staate die strenge Beobachtung des Gesetzes für das Wohl der Nationen wie für die Sicherheit der Regierung gleich nothwendig sei. Der Prinz von Oranien habe daher mit tiefer Betrübniß gesehen, daß die Grundgesetze eines Reiches, mit dem er durch Bande des Bluts und durch Verheirathung so eng verbunden sei, durch den Rath schlimmer Rathgeber gröblich und systematisch verletzt worden seien. Das Recht von Parlamentsacten zu dispensiren, sei bis zu einem solchen Punkte ausgedehnt worden, daß die ganze legislative Gewalt auf die Krone übertragen worden sei. Von den Gerichten habe man dem Geiste der Verfassung widerstreitende Erkenntnisse erlangt, indem man einen Richter nach dem andren abgesetzt, bis die Bank nur aus Männern bestanden habe, welche bereit gewesen seien, den Befehlen der Regierung blindlings zu gehorchen. Trotz der wiederholten Versicherungen des Königs, daß er die Staatsreligion aufrechterhalten werde, seien anerkannten Feinden dieser Religion nicht nur bürgerliche Ämter, sondern auch geistliche Pfründen verliehen worden. Trotz ausdrücklicher Gesetze sei das Kirchenregiment einem Collegium übertragen worden, das eine neue Hohe Commission sei und in diesem Collegium sitze ein erklärter Papist. Gute Unterthanen seien deshalb, weil sie sich weigerten, ihre Pflicht und ihre Eide zu verletzen, der Magna IX.48 Charta der englischen Freiheiten zum Hohn aus ihrem Eigenthum vertrieben worden. Dagegen seien Leute, welche dem Gesetze nach die Insel gar nicht betreten dürften, zur Verderbniß der Jugend an die Spitze von Seminarien gestellt worden. Grafschaftsstatthalter, stellvertretende Statthalter und Friedensrichter seien massenhaft abgesetzt worden, weil sie sich geweigert hätten eine verderbliche und verfassungswidrige Politik zu unterstützen. Die Freiheiten fast jedes Boroughs im Lande seien verletzt worden. Die Gerichtshöfe seien in einem Zustande, daß ihre Erkenntnisse selbst in Civilklagen kein Vertrauen mehr einflößten und daß ihre Servilität in Criminalsachen das Königthum mit unschuldigem Blute befleckt habe. Alle diese Mißbräuche, deren das englische Volk müde sei, sollten nun, wie es scheine, durch ein Heer irischer Papisten vertheidigt werden. Und dies sei noch nicht Alles. Die willkürlichsten Fürsten hätten es einem Unterthanen nie als ein Verbrechen angerechnet, wenn er bescheiden und friedlich seine Beschwerden angebracht und um Abhülfe gebeten habe. Aber das Petitioniren werde jetzt in England als ein schweres Vergehen betrachtet. Die Väter der Kirche seien wegen keines andren Verbrechens, als weil sie dem Landesherrn eine in den ehrerbietigsten Ausdrücken abgefaßte Petition überreicht, ins Gefängniß geworfen und ihnen der Prozeß gemacht worden, und jeden Richter, der sich zu ihren Gunsten ausgesprochen, habe man ohne weiteres abgesetzt. Die Einberufung eines freien und gesetzlichen Parlaments könne allerdings diesen Übeln wirksam abhelfen, aber die Nation dürfe nicht hoffen ein solches Parlament zu erhalten, wenn nicht der ganze Geist der Verwaltung ein andrer werde. Es sei offenbar die Absicht des Hofes durch neu organisirte Wahlkörper und papistische Wahlbeamte eine Versammlung zusammenzubringen, welche nur dem Namen nach ein Haus der Gemeinen sein werde. Endlich erregten gewisse Umstände den dringenden Verdacht, daß das Kind, welches den Namen eines Prinzen von Wales erhalten habe, nicht wirklich von der Königin geboren sei. Aus diesen Gründen habe der Prinz, eingedenk seiner nahen Verwandtschaft mit dem königlichen Hause und dankbar für die Zuneigung, die das englische Volk seiner geliebten Gemahlin und ihm selbst stets bewiesen habe, sich entschlossen, der Aufforderung vieler geistlichen und weltlichen Lords und vieler anderer Personen aus allen Ständen Folge zu leisten und an der Spitze einer zur Begegnung gewaltsamen Widerstandes hinreichenden Streitmacht nach England hinüberzugehen. Jeden Gedanken an Eroberung wies er entschieden zurück. Er erklärte, daß seine Truppen während ihres Aufenthalts auf der Insel unter strengster Kriegszucht gehalten und daß sie sobald die Nation von der Tyrannei befreit sei, wieder zurückgeschickt werden sollten. Sein einziger Zweck sei die Versammlung eines freien und gesetzlichen Parlaments, und er verpflichtete sich feierlich, alle öffentlichen und privaten Fragen der Entscheidung eines solchen Parlaments zu überlassen.

Sobald Exemplare von dieser Erklärung im Haag ausgegeben waren, begannen auch schon Zeichen von Meinungsverschiedenheit sichtbar zu werden. Der im Unheilstiften unermüdliche Wildman bewog einige seiner Landsleute, unter Anderen den starrsinnigen und leichtfertigen Mordaunt, zu der Erklärung, daß sie auf solche Gründe hin die Waffen nicht ergreifen würden. Das Manifest sei nur darauf berechnet, den Kavalieren und den Geistlichen zu gefallen. Die Gewaltthätigkeiten gegen die Kirche und der Prozeß der Bischöfe seien zu sehr in den Vordergrund gestellt IX.49 und es sei gar nichts von der Tyrannei gesagt, mit der die Tories vor ihrem Bruche mit dem Hofe die Whigs behandelt hätten. Wildman legte hierauf einen von ihm selbst verfaßten Gegenentwurf vor, der, wenn er angenommen worden wäre, der ganzen anglikanischen Geistlichkeit und vier Fünftheilen des grundbesitzenden Adels mißfallen haben würde. Die Whighäupter opponirten ihm energisch. Russell insbesondere erklärte, daß, wenn ein so verkehrter Weg eingeschlagen würde, es mit der Coalition, von welcher allein die Nation Befreiung erwarten könne, vorbei sei. Der Streit wurde endlich durch einen Machtspruch Wilhelm’s geschlichtet, der mit gewohntem richtigen Takt entschied, daß das Manifest im Wesentlichen so wie Fagel und Burnet es entworfen hatten, beibehalten werden solle.68

68. Burnet I., 775, 780.

Jakob fängt an die Gefahr zu ahnen. Während dies in Holland geschah, hatte Jakob endlich die ihm drohende Gefahr erkannt. Von verschiedenen Seiten kamen Nachrichten, die man nicht unbeachtet lassen konnte, bis endlich eine Depesche von Albeville jedem Zweifel ein Ende machte. Als der König sie gelesen hatte, sollen seine Wangen sich entfärbt haben und er soll eine Weile sprachlos geblieben sein.69 Er hatte in der That auch Ursache zu erschrecken. Der erste Ostwind sollte eine feindliche Flotte an die Küsten seines Reiches bringen. Ganz Europa, mit Ausnahme einer einzigen Macht, erwartete ungeduldig die Nachricht von seinem Sturze, und den Beistand dieser einzigen Macht hatte er thörichterweise abgelehnt. Ja, er hatte sogar die freundschaftliche Intervention, die ihn hätte retten können, mit Beleidigungen vergolten. Die französischen Armeen, welche zur Einschüchterung der Generalstaaten hätten verwendet werden können, wenn er nicht so verblendet gewesen wäre, belagerten Philippsburg und hielten Mainz besetzt. In wenigen Tagen mußte er vielleicht auf englischem Boden für seine Krone und für das Geburtsrecht seines Sohnes kämpfen.

69. Eachard’s History of the Revolution, II. 2.

Seine Seemacht. Anscheinend standen ihm allerdings große Mittel zu Gebote. Die Flotte war in einem viel besseren Zustande als zur Zeit seiner Thronbesteigung, und diese Verbesserung muß zum Theil seinen eigenen Anstrengungen zugeschrieben werden. Er hatte keinen Lordgroßadmiral oder Admiralitätsrath ernannt, sondern die Hauptleitung der Marineangelegenheiten in seiner eignen Hand behalten und Pepys hatte ihn dabei kräftig unterstützt. Ein Sprichwort sagt, daß der Blick eines Meisters sicherer ist, als der eines Stellvertreters, und in einer Zeit der Bestechung und der Unterschleife kann man annehmen, daß ein Verwaltungszweig, dem der Souverain selbst, sei er auch von noch so beschränkten Gaben, genaue persönliche Aufmerksamkeit zuwendet, von Mißbräuchen verhältnißmäßig ziemlich frei bleiben wird. Ein geschickterer Marineminister als Jakob würde nicht schwer zu finden gewesen sein; schwerlich aber würde man unter den damaligen Staatsmännern einen Marineminister gefunden haben, der nicht Vorräthe nutzlos vergeudet, von Lieferanten Bestechungen angenommen und der Krone Kosten für Reparaturen aufgebürdet haben würde, welche nie gemacht worden waren. Der König war in der That fast der Einzige, von dem man überzeugt sein konnte, daß IX.50 er den König nicht bestehlen würde. Daher waren denn auch während der letzten drei Jahre auf den Schiffswerften viel weniger Veruntreuungen und Diebereien vorgekommen als früher. Es waren wirklich seetüchtige Schiffe gebaut worden und durch eine zweckmäßige Verordnung waren die Gehalte der Kapitaine erhöht, zu gleicher Zeit aber auch ihnen streng verboten worden, ohne besondere königliche Erlaubniß Waaren von einem Hafen zum andren zu führen. Die Wirkung dieser Reformen machte sich schon bemerkbar, und es wurde Jakob nicht schwer, in kurzer Zeit eine ansehnliche Flotte auszurüsten. Dreißig Linienschiffe dritten und vierten Ranges wurden unter dem Commando Lord Dartmouth’s in der Themse versammelt. Dartmouth’s Loyalität war über jeden Zweifel erhaben, und er galt für eben so geschickt und kenntnißreich in seinem Fache als irgend einer der patrizischen Seeleute, die sich damals ohne ordentliche seemännische Erziehung und Ausbildung zu den höchsten Schiffscommando’s emporschwangen und welche zu gleicher Zeit Flaggenoffiziere zur See und Infanterieobersten im Landheere waren.70

70. Pepys’s Memoirs relating to the Royal Navy, 1690; Clarke’s Life of James the Second, II. 186. Orig. Mem.; Adda, 24. Sept. (4. Oct.); Citters, 21. Sept. (1. Oct.)

Seine militairischen Mittel. Die reguläre Armee war die stärkste, die je ein König von England zu seiner Verfügung gehabt hatte, und sie wurde rasch noch verstärkt. Alle vorhandenen Regimenter wurden um neue Compagnien vermehrt und neue Regimenter ausgehoben. Die Stärke des englischen Heeres wurde dadurch um viertausend Mann erhöht; dreitausend Mann wurden eiligst aus Irland gesendet und eine gleiche Anzahl erhielt Befehl, aus Schottland nach dem Süden zu marschiren. Jakob schätzte die Streitmacht, die er den Einfallenden entgegenstellen konnte, auf vierzigtausend Mann, ungerechnet die Miliz.71

Flotte und Landheer waren sonach mehr als ausreichend, um eine holländische Invasion zurückzuschlagen. Konnte man sich aber auf die Flotte und auf die Armee verlassen? Mußte man nicht befürchten, daß die Milizen zu Tausenden zu der Fahne ihres Befreiers übergehen würden? Die Partei, welche vor einigen Jahren für Monmouth das Schwert gezogen, konnte es gewiß kaum erwarten, den Prinzen von Oranien willkommen zu heißen. Und was war aus der Partei geworden, welche siebenundvierzig Jahre lang das Bollwerk der Monarchie gewesen? Wo waren jetzt die tapferen Gentlemen, welche stets bereit gewesen waren, ihr Blut für die Krone zu vergießen? Mißhandelt und verhöhnt, von der Richterbank vertrieben und aller militairischen Commando’s beraubt, sahen sie die Gefahr ihres undankbaren Gebieters mit unverhohlener Schadenfreude. Wo waren die Priester und Prälaten, welche auf zehntausend Kanzeln die Pflicht des Gehorsams gegen den gesalbten Stellvertreter Gottes gepredigt hatten? Einige waren eingekerkert. Andere ausgeplündert. Alle waren unter das eiserne Regiment der Hohen Commission gestellt worden und hatten beständig gefürchtet, daß eine neue Laune der Tyrannei sie ihrer Pfründen berauben und ohne ein Stück Brot lassen würde. Daß die Männer der Staatskirche den Grundsatz, auf den sie immer das größte Gewicht gelegt hatten, so vollständig vergessen würden, um sich IX.51 dem thätigen Widerstande anzuschließen, schien auch jetzt noch unglaublich. Aber konnte ihr Unterdrücker erwarten, daß er bei ihnen noch den Geist finden werde, der unter der vorhergehenden Generation die Armeen Essex’ und Waller’s besiegt, und sich nur nach einer verzweifelten Gegenwehr dem Genie und der Kraft Cromwell’s unterworfen hatte?

71. Clarke’s Life of James the Second. II. 186. Orig. Mem.; Adda, 24. Sept. (4. Oct.); Citters, 21. Sept. (1. Oct.)

Er versucht es, seine Unterthanen mit sich auszusöhnen. Der Tyrann wurde von der Angst überwältigt. Er sagte nicht mehr, daß Nachgiebigkeit die Fürsten jederzeit ins Verderben gestürzt habe, und gab gezwungen zu, daß er sich herablassen müsse, den Tories noch einmal zu schmeicheln.72 Man hat Grund zu der Annahme, daß um diese Zeit Halifax eingeladen wurde, wieder ein Ministerium zu übernehmen und daß er auch nicht abgeneigt dazu war. Die Rolle eines Vermittlers zwischen den Throne und der Nation war diejenige, zu der er sich am besten eignete und nach der er am eifrigsten strebte. Warum die betreffende Unterhandlung mit ihm abgebrochen wurde, ist nicht bekannt, aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Dispensationsfrage das unübersteigliche Hinderniß war. Sein Widerwille gegen diese Befugniß war vor drei Jahren die Veranlassung zu seiner Ungnade gewesen, und es war seitdem nichts geschehen, was geeignet gewesen wäre ihn andren Sinnes zu machen. Jakob seinerseits hatte sich fest vorgenommen, in diesem Punkte kein Zugeständniß zu machen.73 In anderen Dingen war er minder starrsinnig. Er erließ eine Proklamation, in der er feierlich versprach, die anglikanische Kirche zu schützen und die Uniformitätsacte aufrecht zu erhalten. Er erklärte sich bereit, um der Eintracht willen große Opfer zu bringen. Er wolle nicht mehr darauf beharren, daß Katholiken ins Unterhaus zugelassen würden und er hege das gute Vertrauen zu seinem Volke, daß es einen solchen Beweis von seinem aufrichtigen Willen, ihren Wünschen zu entsprechen, gebührend anerkennen werde. Drei Tage später kündigte er an, daß es seine Absicht sei, alle Magistratsbeamten und stellvertretenden Lieutenants, welche entlassen worden waren, weil sie seine Politik nicht hatten unterstützen wollen, wieder anzustellen. Den Tag nach dem Erscheinen dieser Ankündigung wurde Compton’s Suspension wieder aufgehoben.74

72. Adda, 28. Sept. (8. Oct.) 1688. In dieser Depesche ist Jakob’s Angst vor einem allgemeinen Abfalle seiner Unterthanen kräftig geschildert.

73. Die spärlichen Aufschlüsse, welche wir über diese Unterhandlung haben, verdanken wir Reresby. Seine Quelle war eine Dame, die er nicht nennt und der man gewiß nicht unbedingt glauben durfte.

74. London Gazette, Sept. 24., 27., Oct. 1. 1688.

Er bewilligt den Bischöfen eine Audienz. Zu gleicher Zeit gab der König allen damals in London anwesenden Bischöfen eine Audienz. Sie hatten um eine solche nachgesucht, um ihm in seiner kritischen Lage ihren Rath anzubieten. Der Primas führte das Wort. Er bat ehrerbietig darum, daß die Verwaltung den Händen gehörig qualificirter Personen übergeben, daß alle unter dem Vorwande des Dispensationsrechts vorgenommenen Acte widerrufen, daß die kirchliche Commission abgeschafft, daß die dem Magdalenen-Collegium zugefügte Unbill wieder gutgemacht und daß die alten Privilegien der Municipalkörperschaften wiederhergestellt werden möchten. Er gab sehr deutlich zu verstehen, daß es ein wünschenswerthes Mittel gebe, durch welches der Thron vollkommen gesichert und IX.52 das erschütterte Reich wieder beruhigt werden könne. Wenn Seine Majestät die zwischen der römischen und anglikanischen Kirche obschwebenden Streitpunkte nochmals in Erwägung ziehen wolle, so würde er durch die Gründe, welche sie ihm vorzutragen wünschten, unter Gottes Beistande vielleicht zu der Überzeugung gebracht werden, daß es seine Pflicht sei, zu dem Glauben seines Vaters und seines Großvaters zurückzukehren. Bis hierher, fuhr Sancroft fort, habe er die Ansicht seiner Collegen ausgesprochen. Aber es sei noch ein Punkt, über den er sich nicht mit ihnen berathen habe, auf den er jedoch den König aufmerksam machen zu müssen glaube. Allerdings sei er auch das einzige Mitglied seines Standes, welches diesen Gegenstand berühren dürfe, ohne sich dem Verdachte eines eigennützigen Beweggrundes auszusetzen. Der erzbischöfliche Stuhl von York war seit drei Jahren erledigt. Der Erzbischof bat den König dringend, er möge denselben schleunigst mit einem frommen und gelehrten Geistlichen besetzen, und fügte hinzu, es werde sich unter den eben Anwesenden leicht, ein solcher Mann finden. Der König verstand es sich hinreichend zu beherrschen, um für diesen bitteren Rath zu danken und zu versprechen, daß er denselben in Erwägung ziehen wolle.75 Von dem Dispensationsrecht aber wollte er durchaus nichts nachlassen. Keine gesetzlich unqualificirte Person wurde von irgend einem bürgerlichen oder militairischen Amte entfernt. Aber einige von Sancroft’s Vorschlägen wurden befolgt. Binnen zweimal vierundzwanzig Stunden war der Gerichtshof der Hohen Commission abgeschafft.76 Es ward beschlossen, der Hauptstadt ihren vor sechs Jahren entzogenen Freibrief zurückzugeben und der Kanzler selbst mußte das ehrwürdige Pergament feierlich nach der Guildhall tragen.77 Acht Tage später erfuhr das Publikum, daß der Bischof von Winchester, der vermöge seiner amtlichen Stellung Visitator des Magdalenen-Collegiums war, vom Könige beauftragt sei, alle Mißstände in diesem Collegium abzustellen. Zu dieser letzten Demüthigung hatte sich der König nicht ohne langen inneren Kampf und bitteren Schmerz entschlossen. Er verstand sich in der That erst dazu, nachdem der apostolische Vikar Leyburn, der sich bei jeder Gelegenheit als einsichtsvoller und rechtschaffener Mann benommen zu haben scheint, erklärt hatte, daß seiner Ansicht nach den vertriebenen Collegiaten und ihrem Präsidenten Unrecht gethan worden sei und daß ihre Wiedereinsetzung aus religiösen wie aus politischen Gründen erfolgen müsse.78 Nach wenigen Tagen erschien eine Proklamation, welche die entzogenen Privilegien aller Municipalkörperschaften wiederherstellte.79

75. Tanner MSS; Burnet I. 784. Burnet hat, wie ich glaube, diese Audienz mit einer andren verwechselt, welche einige Wochen später stattfand.

76. London Gazette, Oct. 8. 1688.

77. Ibid.

78. Ibid. Oct. 15, 1688; Adda, 12.(22.) Oct. Obgleich der Nuntius im Allgemeinen Gewaltmaßregeln abgeneigt war, so scheint er doch gegen die Wiedereinsetzung Hough’s opponirt zu haben, wahrscheinlich aus Rücksicht auf die Interessen Giffard’s und der anderen Katholiken, welche Mitglieder des Magdalenen-Collegiums waren. Leyburn erklärte selbst: „Nel sentimento che fosse stato uno spoglio, e che il possesso in cui si trovano ora li Cattolici fosse violento ed illegale, onde non era privar questi di un dritto acquisto, ma rendere agli altri quello era stato levalo con violenza.“

79. London Gazette, Oct. 18. 1688.

IX.53

Seine Zugeständnisse werden übel aufgenommen. Jakob schmeichelte sich mit der Hoffnung, daß die ausgedehnten Zugeständnisse, die er im Laufe eines Monats gemacht, ihm die Herzen seines Volks wieder gewinnen würden. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß diese Zugeständnisse, wenn sie gemacht worden wären, als noch kein Grund zu der Befürchtung eines Einfalls von Seiten Hollands vorhanden war, viel zur Versöhnung der Tories beigetragen haben würden. Aber Fürsten, welche der Angst zugestehen, was sie der Gerechtigkeit verweigert haben, dürfen keinen Dank erwarten. Seit drei Jahren war der König gegen alle Vorstellungen und Bitten taub gewesen. Jeder Minister, der sich erlaubt hatte, seine Stimme zu Gunsten der bürgerlichen und kirchlichen Verfassung des Reichs zu erheben, war in Ungnade gefallen. Ein ausgezeichnet loyales Parlament hatte es gewagt, bescheiden und ehrerbietig gegen eine Verletzung der Grundgesetze Englands zu protestiren; es hatte dafür einen strengen Verweis erhalten und war prorogirt und aufgelöst worden. Ein Richter nach dem andren war des Hermelins beraubt worden, weil er sich geweigert hatte, Erkenntnisse abzugeben, welche dem gemeinen Rechte und dem Gesetzbuche zuwiderliefen. Die achtungswerthesten Kavaliere waren von jeder Theilnahme an der Verwaltung der Grafschaften ausgeschlossen worden, weil sie sich geweigert hatten, die öffentlichen Freiheiten zu verrathen. Geistliche waren zu Dutzenden abgesetzt worden, weil sie ihre Eide nicht brechen wollten. Prälaten, deren unerschütterlicher Treue der König seine Krone verdankte, hatten ihn auf den Knien gebeten, daß er ihnen nicht befehlen möchte, die Gesetze Gottes und des Landes zu verletzen. Ihre bescheidene Bittschrift war als ein aufrührerisches Libell betrachtet worden. Sie waren hart angelassen, bedroht, ins Gefängniß geworfen, gerichtlich verfolgt worden und waren mit genauer Noth dem gänzlichen Verderben entronnen. Jetzt endlich begann die Nation, da sie sah, daß das Recht durch die Macht mit Füßen getreten und selbst Bitten als ein Verbrechen betrachtet wurden, auf den Gedanken zu kommen, das Kriegsglück zu versuchen. Der Tyrann erfuhr, daß ein bewaffneter Befreier zur Hand sei, der von Whigs und Tories, von Dissenters und Anglikanern freudig begrüßt werden würde. Da wurde mit einem Male Alles anders. Die nämliche Regierung, welche treue und eifrige Dienste mit Beraubung und Verfolgung vergolten, die Regierung, welche auf gewichtige Gründe und rührende Bitten nur mit Beleidigungen und Schmähungen geantwortet hatte, wurde in einem Augenblicke merkwürdig freundlich. Jede Nummer der Gazette brachte die Abstellung einer neuen Beschwerde. Man sah es also deutlich, daß man sich auf die Billigkeit, die Humanität und das verpfändete Wort des Königs nicht verlassen konnte und daß er nur so lange gut regieren würde, als er gewaltsamen Widerstand fürchtete. Seine Unterthanen waren daher durchaus nicht geneigt, ihm ein Vertrauen wieder zu schenken, das er sich völlig verscherzt hatte, oder den Druck zu lindern, der ihm die einzigen guten Maßregeln seiner ganzen Regierung abgepreßt hatte. Die allgemeine Ungeduld, mit der man die Ankunft der Holländer erwartete, nahm mit jedem Tage zu. Das Volk verwünschte den Wind, der um diese Zeit beharrlich aus dem Westen kam, die Flotte des Prinzen am Auslaufen hinderte und zugleich immer neue Regimenter von Dublin nach Chester brachte. Man sagte, es sei papistisches Wetter. In Cheapside standen fortwährend Massen von Menschen, welche nach der Wetterfahne auf der IX.54 Spitze des schlanken Thurmes der Bowkirche blickten und den Himmel um protestantischen Wind baten.80

Die allgemeine Stimmung wurde noch mehr erbittert durch einen Vorfall, der zwar rein zufällig war, aber leicht erklärlicherweise der Perfidie des Königs zugeschrieben wurde. Der Bischof von Winchester kündigte an, daß er auf königlichen Befehl die vertriebenen Mitglieder des Magdalenen-Collegiums wieder einzusetzen gedenke. Er bestimmte zu der Feierlichkeit den 21. October und traf am 20. in Oxford ein. Die ganze Universität war in erwartungsvoller Spannung. Die vertriebenen Collegiaten waren aus allen Theilen des Landes herbeigekommen, um ihre geliebte Heimath wieder in Besitz zu nehmen. Dreihundert berittene Gentlemen geleiteten den Visitator nach seiner Wohnung. Während seines Zuges durch die Stadt, gingen alle Glocken und High Street war mit einer jubelnden Zuschauermenge gefüllt. Er begab sich zur Ruhe. Am andren Morgen versammelte sich eine freudig bewegte Menge an den Eingängen des Magdalenen-Collegiums; aber der Bischof erschien nicht. Bald erfuhr man, daß er durch einen königlichen Boten aus dem Schlafe geweckt und aufgefordert worden war, unverzüglich nach Whitehall zu kommen. Diese rücksichtslose Täuschung erregte große Verwunderung und Angst; in einigen Stunden aber trafen Nachrichten ein, welche Gemüthern, die nicht ohne Grund das Schlimmste zu glauben geneigt waren, die Sinnesänderung des Königs genügend zu erklären schienen. Die holländische Flotte war ausgelaufen, aber durch einen Sturm zurückgetrieben worden. Das Gerücht vergrößerte den Unfall. Eine Menge Schiffe sollten zu Grunde gegangen und tausende von Pferden umgekommen sein. Jeder Gedanke an ein Unternehmen gegen England müsse, wenigstens für dieses Jahr aufgegeben werden. Hier mache die Nation wieder eine schöne Erfahrung. So lange Jakob einen nahe bevorstehenden Einfall und Aufstand erwartet, habe er Befehl zur Wiedereinsetzung Derer gegeben, die er gesetzwidrig beraubt; sobald er sich aber wieder für sicher gehalten habe, sei dieser Befehl widerrufen worden. Obgleich diese Beschuldigung damals allgemein geglaubt und später von Schriftstellern wiederholt wurde, welche hätten gut unterrichtet sein können, war sie doch völlig ungegründet. Es ist erwiesen, daß die Nachricht von dem Mißgeschick der holländischen Flotte auf keinem Wege früher nach Westminster gelangen konnte, als einige Stunden nachdem der Bischof von Winchester den Befehl erhalten hatte, der ihn von Oxford zurückrief. Der König hatte jedoch wenig Recht, sich über den Argwohn seines Volkes zu beschweren. Es war lediglich seine Schuld, wenn es zuweilen ohne genaue Untersuchung der Beweise etwas seiner unehrlichen Politik zuschrieb, was in Wirklichkeit nur Folge eines Zufalls oder eines Versehens war. Daß Leute, welche gewohnheitsmäßig ihr Wort brechen, auch dann keinen Glauben finden, wenn sie es einmal wirklich zu halten gedenken, ist ein Theil ihrer gerechten und natürlichen Strafe.81

IX.55

Es ist bemerkenswerth, daß Jakob sich bei dieser Gelegenheit eine unverdiente Beschuldigung lediglich durch das eifrige Bestreben zuzog, sich von einer andren eben so unverdienten zu reinigen. Der Bischof war so eilig von Oxford zurückberufen worden, um einer außerordentlichen Staatsrathssitzung, oder vielmehr einer nach Whitehall berufenen Versammlung von Notablen beizuwohnen. Außer den wirklichen Mitgliedern des Geheimen Raths nahmen an dieser feierlichen Sitzung alle geistlichen und weltlichen Lords Theil, welche zufällig in der Hauptstadt oder doch in der Nähe derselben waren, außerdem die Richter, die Kronanwälte, der Lordmayor und die Aldermen von London. Petre hatte den Wink bekommen, er werde wohl daran thun, wenn er wegbliebe. Es würden auch in der That wenige Peers Lust gehabt haben, neben ihm zu sitzen. In der Nähe des obersten Sitzes war ein Staatssessel für die Königin Wittwe bereit gestellt. Auch die Prinzessin Anna war zur Theilnahme an der Sitzung eingeladen worden, hatte sich aber mit Unwohlsein entschuldigt.

80. „Vento Papista“, sagt Adda unterm 24. Oct. (3. Nov.) 1688. Der Ausdruck „protestantischer Wind“ scheint zuerst auf den Wind angewendet worden zu sein, welcher Tyrconnel eine Zeitlang verhinderte, seine Statthalterschaft in Irland anzutreten. Siehe den ersten Theil des „Lillibullero.“

81. Alle hierauf bezüglichen Beweise sind in Howell’s Ausgabe der Staatsprozesse zusammengestellt.

Dem Geheimen Rath werden Beweise für die legitime Geburt des Prinzen von Wales vorgelegt. Jakob sagte dieser zahlreichen Versammlung, daß er es für nöthig halte, Beweise für die Geburt seines Sohnes beizubringen. Die Einflüsterungen böser Menschen hätten die öffentliche Meinung in einer solchen Ausdehnung vergiftet, daß Viele den Prinzen von Wales für ein untergeschobenes Kind hielten. Die Vorsehung aber habe es mit weiser Hand gefügt, daß kaum je ein andrer Prinz in Anwesenheit so vieler Augenzeugen zur Welt gekommen sei. Diese Zeugen traten nun auf und gaben ihre Aussagen ab. Nachdem sie sämmtlich zu Protokoll genommen waren, erklärte Jakob mit großer Feierlichkeit, daß die ihm zur Last gelegte Beschuldigung durchaus falsch sei und daß er lieber einen tausendfachen Tod sterben als einem seiner Kinder Unrecht thun würde.

Alle Anwesenden schienen befriedigt zu sein. Die Zeugenaussagen wurden sogleich veröffentlicht und einsichtsvolle und unparteiische Personen erkannten die Glaubwürdigkeit derselben an.82 Aber die Verständigen bilden immer eine Minorität, und unparteiisch war damals kaum irgend Jemand. Die ganze Nation war überzeugt, daß jeder aufrichtige Papist es für seine Pflicht hielt, einen falschen Eid zu schwören, wenn er dadurch dem Interesse seiner Kirche diente, und Leute, welche ursprünglich Protestanten, um des Gewinnes willen aber scheinbar zum Papismus übergetreten waren, verdienten womöglich noch weniger Glauben als aufrichtige Papisten. Die Aussagen aller Derjenigen, welche diesen beiden Klassen angehörten, wurden daher von vornherein als null und nichtig betrachtet, und dadurch wurde das Gewicht des Beweises, von dem sich Jakob viel versprochen hatte, bedeutend verringert. Was übrig blieb wurde boshaft bekrittelt. Gegen jeden der protestantischen Zeugen, welche etwas Wesentliches ausgesagt, hatte man etwas einzuwenden. Der Eine war notorisch ein habgieriger Schmarotzer; der Andre hatte zwar seinen Glauben nicht abgeschworen, war aber nahe verwandt mit einem Apostaten. Die Leute fragten, wie sie von Anfang an gefragt hatten, warum, wenn Alles mit rechten Dingen zugegangen sei, der König nicht dafür gesorgt habe, daß die Geburt genügender bewiesen werden könne, da er doch IX.56 gewußt habe, daß Viele an der wirklichen Schwangerschaft der Königin zweifelten? Lag etwa nichts Verdächtiges in der falschen Berechnung der Zeit, sowie in der Abwesenheit der Prinzessin Anna und des Erzbischofs von Canterbury? Warum war kein Prälat der Landeskirche anwesend? Warum war der holländische Gesandte nicht zugezogen worden? Warum vor Allem hatten die Hyde, diese loyalen Diener der Krone, diese treuen Söhne der Kirche und natürlichen Wächter der Interessen ihrer Nichten, sich nicht unter den Schwarm von Papisten mischen dürfen, welcher in und neben dem Schlafgemache der Königin versammelt war? Warum mit einem Worte befand sich in der langen Liste der Anwesenden nicht ein einziger Name, der das Vertrauen und die Achtung des Publikums genoß? Die wahre Antwort auf diese Fragen war, daß der König einen beschränkten Verstand und einen despotischen Character besaß und daß er mit Freuden eine Gelegenheit ergriffen hatte, um seine Geringschätzung der Meinung seiner Unterthanen an den Tag zu legen. Der große Haufe aber, dem diese Erklärung nicht genügte, schrieb das, was lediglich die Wirkung von Thorheit und Verkehrtheit war, einer vorsätzlichen bösen Absicht zu. Und diese Meinung beschränkte sich nicht allein auf den großen Haufen. Lady Anna sprach am Morgen nach der Staatsrathssitzung bei ihrer Toilette so höhnisch von den Zeugenaussagen, daß selbst die Kammerfrauen, welche sie ankleideten, sich Scherze darüber erlaubten. Einige von den Lords, welche in der Sitzung zugegen gewesen waren und befriedigt zu sein schienen, waren in der That keineswegs überzeugt. Lloyd, Bischof von St. Asaph, dessen Frömmigkeit und Gelehrsamkeit allgemeine Achtung gebot, glaubte bis ans Ende seines Lebens, daß ein Betrug gespielt worden sei.

82. Sie finden sich mit ausführlichen Erläuterungen in Howell’s Ausgabe der Staatsprozesse.

Sunderland’s Ungnade. Die vor dem Geheimen Rathe abgegebenen Zeugenaussagen waren erst wenige Stunden in den Händen des Publikums, als sich das Gerücht verbreitete, daß Sunderland aller seiner Stellen entsetzt worden sei. Die Nachricht von seiner Ungnade scheint die Kaffeehauspolitiker überrascht zu haben, kam aber Denen, welche die Vorgänge im Palaste beobachtet hatten, nicht unerwartet. Verrath hatte man weder durch rechtlichen noch durch greifbaren Beweis auf ihn bringen können; Diejenigen aber, die ihn scharf im Auge hielten, hatten ihn stark in dem Verdachte, daß er auf diesem oder jenem Wege mit den Feinden der Regierung, bei der er eine so hohe Stellung einnahm, Verbindungen unterhielt. Mit frecher Stirn wünschte er alles zeitliche und ewige Verderben auf sich herab, wenn er schuldig sei. Er betheuerte, sein einziger Fehler bestehe darin, daß er der Krone zu eifrig gedient habe. Habe er der königlichen Sache nicht Bürgschaften gegeben? Habe er nicht jede Brücke abgebrochen, über die er im Fall eines Unglücks seinen Rückzug hätte bewerkstelligen können? Habe er nicht fortwährend das Dispensationsrecht aufs äußerste vertheidigt, in der Hohen Commission gesessen, den Verhaftsbefehl gegen die Bischöfe unterzeichnet und sei er nicht mit eigner Lebensgefahr unter dem Gezisch und den Verwünschungen der Tausende, welche damals Westminsterhall füllten, als Zeuge gegen sie aufgetreten? Habe er nicht den glänzendsten Beweis von seiner Treue gegeben, indem er seinem Glauben entsagt und öffentlich zu einer der Nation verhaßten Kirche übergetreten sei? Was habe er von einer Veränderung zu hoffen? Habe er nicht Alles zu fürchten? So plausible diese Gründe waren und obgleich sie mit der schlauesten Gewandtheit hervorgehoben IX.57 wurden, sie vermochten den Eindruck, der von hundert verschiedenen Seiten gleichzeitig aufgetauchten Einflüsterungen und Gerüchte nicht zu verwischen. Der König wurde von Tag zu Tag kälter. Sunderland versuchte es nun, sich an die Königin anzulehnen, erlangte auch eine Audienz bei Ihrer Majestät und befand sich gerade in ihrem Zimmer, als Middleton eintrat und ihm auf Befehl des Königs die Siegel abverlangte. An diesem Abend hatte der gefallene Minister die letzte Privatunterredung mit dem Fürsten, dem er geschmeichelt und den er hintergangen hatte. Die Unterredung war höchst merkwürdig. Sunderland spielte den verleumdeten Tugendhelden mit seltener Vollendung. Er sagte, er bedaure den Verlust des Staatssekretariats und der Präsidentschaft im Geheimen Rathe nicht, wenn ihm nur die Achtung seines Herrn und Gebieters bliebe. „Machen Sie mich nicht zum unglücklichsten Unterthan Ihres Reichs, Sire, indem Sie mir die Erklärung verweigern, daß Sie mich von Illoyalität freisprechen.“ Der König wußte nicht was er denken sollte. Ein bestimmter Schuldbeweis lag nicht vor und die Energie und der Pathos, womit Sunderland log, hätte einen schärferen Verstand als der war, mit dem er es zu thun hatte, täuschen können. Bei der französischen Gesandtschaft fanden seine Versicherungen noch immer Glauben. Dort erklärte er, daß er noch einige Tage in London bleiben und sich am Hofe zeigen werde; dann wolle er sich auf seinen Landsitz in Althorpe zurückziehen und seinen zerrütteten Finanzen durch Sparsamkeit wieder aufzuhelfen suchen. Sollte eine Revolution ausbrechen, so müsse er nach Frankreich flüchten; seine schlecht vergoltene Loyalität lasse ihm keine andre Zufluchtsstätte übrig.83

Die Sunderland abgenommenen Staatssiegel wurden Preston übergeben. Dieselbe Nummer der Gazette, welche diesen Ministerwechsel ankündigte, enthielt auch die officielle Nachricht von dem Unfalle, der die holländische Flotte betroffen.84 Dieser Unfall war zwar ernster Art, aber doch bei weitem nicht so schlimm, als der König und seine wenigen durch ihre Wünsche irregeleiteten Anhänger zu glauben geneigt waren.

83. Barillon, 8.(18.), 15.(25.), 18.(28.) Oct., 25. Oct. (4. Nov.), 27. Oct. (6. Nov.), 29. Oct. (8. Nov.) 1688; Adda, 26. Oct. (5. Nov.).

84. London Gazette, Oct. 29. 1688.

Wilhelm nimmt Abschied von den holländischen Generalstaaten. Am 16. October nach englischer Zeitrechnung wurde eine feierliche Sitzung der Staaten von Holland gehalten. Der Prinz erschien, um von ihnen Abschied zu nehmen. Er dankte ihnen für die freundliche Fürsorge, mit der sie über ihn gewacht, als er eine verlassene Waise gewesen, für das Vertrauen, das sie ihm während seiner Verwaltung geschenkt und für den Beistand, den sie ihm in dieser wichtigen Krisis gewährt hätten. Er bat sie überzeugt zu sein, daß er das Wohl seines Vaterlandes stets im Auge gehabt und es zu fördern gesucht habe. Er verlasse sie jetzt vielleicht auf immer. Wenn er im Kampfe für den reformirten Glauben und für die Unabhängigkeit Europa’s fallen sollte, so empfehle er sein geliebtes Weib ihrer Fürsorge. Der Großpensionair antwortete mit gebrochener Stimme und kein Mitglied des ernsten Senates konnte sich der Thränen enthalten. Aber Wilhelm’s eiserner Stoicismus verleugnete sich nie; er stand ruhig und ernst unter seinen weinenden Freunden, als ob er sie nur zu einem kurzen Ausfluge nach seinen Jagdgründen bei Loo hätte verlassen wollen.85

IX.58

Die Deputirten der vornehmsten Städte begleiteten ihn bis zu seiner Yacht. Selbst die Vertreter von Amsterdam, das so lange der Hauptsitz der Opposition gegen seine Verwaltung gewesen war, schlossen sich dieser Höflichkeitsbezeigung an. In allen Kirchen des Haags wurden an diesem Tage öffentliche Gebete für ihn gehalten.

85. Protokolle der Staaten von Holland und Westfriesland; Burnet, I. 782.

Er schifft sich ein und segelt ab. Am Abend kam er in Helvoetsluys an und begab sich an Bord einer Fregatte, die „Brill“ genannt. Unmittelbar darauf wurde seine Flagge aufgehißt. Sie zeigte das Wappen des Hauses Nassau, verbunden mit dem englischen. Die in drei Fuß hohen Buchstaben eingestickte Devise war glücklich gewählt. Das Haus Oranien führte seit langer Zeit die elliptische Devise: „Ich werde aufrechterhalten“ (Je maintiendrai); der fehlende Nachsatz wurde jetzt durch die Worte ergänzt: „Die Freiheiten Englands und die protestantische Religion.“

Er wird durch einen Sturm zurückgeworfen. Der Prinz befand sich kaum einige Stunden an Bord, so wurde der Wind günstig. Am neunzehnten stach die Flotte in See und legte vor einer steifen Brise ungefähr den halben Weg zwischen den Küsten Hollands und Englands zurück. Plötzlich aber sprang der Wind um, blies stark aus Westen und schwoll zu einem heftigen Sturme an. Die zerstreuten Schiffe erreichten mit genauer Noth die holländische Küste wieder. Die „Brill“ langte am einundzwanzigsten vor Helvoetsluys an. Die Schiffsgenossen des Prinzen hatten mit Bewunderung bemerkt, daß weder Gefahr noch Mißgeschick nur einen Augenblick seine ernste Ruhe gestört hatten. Obgleich er seekrank war, weigerte er sich doch ans Land zu gehen, denn er sah ein, daß sein Bleiben an Bord Europa am deutlichsten zeigen werde, daß der ihn betroffene Unfall die Ausführung seines Vorhabens nur um kurze Zeit verzögern könne. In einigen Tagen war die Flotte wieder beisammen. Ein einziges Schiff war gescheitert, aber nicht ein Soldat oder Matrose wurde vermißt. Nur einige Pferde waren umgekommen, aber diesen Verlust ersetzte der Prinz auf der Stelle wieder und noch ehe die London Gazette die Nachricht von seinem Unfalle verbreitet hatte, war er schon wieder segelfertig.86

86. London Gazette, Oct. 29. 1688; Burnet, I. 782; Bentinck an seine Gattin, 21.(31.) Oct., 22. Oct.(1. Nov.), 24. Oct. (3. Nov.), 27. Oct. (6. Nov.) 1688.

Seine Erklärung kommt in England an. Seine Erklärung gelangte nur einige Stunden vor seiner Ankunft nach England. Am 1. November begannen die londoner Politiker heimlich davon zu flüstern, sie ging von Hand zu Hand und wurde in die Briefkästen des Postamts geworfen. Einer der Agenten wurde verhaftet und die Packete, die er zu besorgen hatte, nach Whitehall gebracht. Der König las die Proklamation und sie machte einen erschütternden Eindruck auf ihn. Sein erster Gedanke war, das Papier vor jedem menschlichen Blicke zu verbergen. Er ließ daher sämmtliche ihm überbrachte Exemplare bis auf eines verbrennen, und dieses eine wagte er kaum aus den Händen zu geben.87

87. Citters, 2.(12.) Nov. 1688; Adda, 2.(12.) Nov.

Jakob befragt die Lords. Der Paragraph des Manifestes, der ihn am meisten beunruhigte, war der, in welchem gesagt war, daß IX.59 einige von den geistlichen und weltlichen Peers den Prinzen von Oranien zu einem Einfall in England aufgefordert hätten. Halifax, Clarendon und Nottingham, welche gerade in London waren, wurden sogleich in den Palast beschieden und über diesen Punkt befragt. Halifax weigerte sich anfangs, eine Antwort zu geben, obgleich er sich seiner Unschuld bewußt war. „Eure Majestät fragt mich, ob ich einen Hochverrath begangen habe,“ sagte er. „Wenn ich eines solchen verdächtig bin, so lassen Sie mich vor den Gerichtshof meiner Peers stellen. Kann Eure Majestät der Antwort eines Angeklagten, dessen Leben auf dem Spiele steht, Glauben schenken? Selbst wenn ich Seine Hoheit ersucht hätte herüberzukommen, würde ich mich ohne Bedenken für nichtschuldig erklären.“ Der König erwiederte ihm, daß er ihn durchaus nicht als einen Angeklagten betrachte, sondern ihn nur gefragt habe, wie ein Gentleman einen Andren, der verleumdet worden sei, frage, ob die Verleumdung irgend eine Begründung habe. „In diesem Falle,“ sagte Halifax, „nehme ich als Gentleman, der mit einem Gentleman spricht, keinen Anstand, bei meiner Ehre, die mir eben so heilig ist als ein Eid, zu versichern, daß ich den Prinzen von Oranien nicht veranlaßt habe herüberzukommen.“88 Clarendon und Nottingham sagten das Nämliche. Noch mehr wünschte der König, die Gesinnung der Prälaten zu ergründen. Wenn diese ihm feindlich gesinnt waren, dann war sein Thron wirklich in Gefahr. Aber das konnte nicht sein. Daß ein Bischof der anglikanischen Kirche sich gegen seinen Souverain empören sollte, war etwas Unerhörtes. Compton wurde ins königliche Kabinet gerufen und gefragt, ob der Prinz den geringsten Grund zu seiner Behauptung habe. Der Bischof war in Verlegenheit, denn er gehörte zu den Sieben, welche die Einladung unterzeichnet hatten, und sein nicht sehr weites Gewissen wollte ihm wahrscheinlich nicht gestatten, eine positive Unwahrheit zu sagen. „Sire,“ antwortete er, „ich bin fest überzeugt, daß es unter meinen Amtsbrüdern keinen giebt, der in dieser Angelegenheit nicht eben so schuldlos wäre, als ich selbst.“ Die Zweideutigkeit war gut ersonnen; ob aber der Unterschied zwischen der Sünde einer solchen Zweideutigkeit und der Sünde einer Lüge irgend eines Aufwandes von Erfindungsgeist werth war, mag vielleicht bezweifelt werden. Der König war zufriedengestellt. „Ich spreche Sie Alle vollkommen frei,“ sagte er; „aber ich halte es für nöthig, daß Sie öffentlich die ehrenrührige Beschuldigung zurückweisen, die Ihnen in der Erklärung des Prinzen zur Last gelegt wird.“ Der Bischof bat natürlich darum, das Papier lesen zu dürfen, dem er widersprechen sollte; der König aber wollte ihn keinen Blick darauf werfen lassen.

Am folgenden Tage erschien eine Proklamation, in der einem Jeden, der es wagen sollte, Wilhelm’s Manifest zu verbreiten, oder es auch nur zu lesen, die härtesten Strafen angedroht wurden.89 Der Primas und die wenigen in London anwesenden geistlichen Peers waren vor den König beschieden worden. Preston war, mit der Erklärung des Prinzen in der Hand, bei der Audienz zugegen. „Mylords,“ sagte der König, „hören Sie folgende Stelle. Dieselbe geht Sie an.“ Preston las nun den IX.60 Paragraph vor, in welchem die geistlichen Peers erwähnt waren. „Ich glaube kein Wort von dem Allen,“ fuhr der König fort; „ich bin von Ihrer Unschuld überzeugt; aber ich halte es für nöthig Ihnen mitzutheilen, wessen Sie beschuldigt sind.“

Der Primas erklärte dem Könige mit vielen Versicherungen der Ehrerbietung, daß Seine Majestät ihm nur Gerechtigkeit widerfahren lasse. „Ich bin als treuer Unterthan Eurer Majestät geboren,“ sagte er, „und ich habe meine Unterthanentreue zu wiederholten Malen eidlich bekräftigt. Ich kann nur einen König auf einmal haben. Ich habe den Prinzen nicht eingeladen herüberzukommen, und ich glaube nicht, daß ein einziger von meinen Amtsbrüdern es gethan hat.“ — „Ich weiß gewiß, daß ich es nicht gethan habe,“ sagte Crewe von Durham. „Ich auch,“ setzte Cartwright von Chester hinzu. Crewe und Cartwright konnte man wohl glauben, denn sie hatten Beide in der Hohen Commission gesessen. Als Compton an die Reihe kam, umging er die Frage mit einer Gewandtheit, um die ihn ein Jesuit hätte beneiden können. „Ich gab schon gestern Eurer Majestät meine Antwort.“

Jakob wiederholte ihnen immer und immer wieder, daß er sie alle vollkommen freispreche. Trotzdem dürfte es aber doch für ihn nützlich und zu ihrer Ehrenrettung nöthig sein, daß sie sich öffentlich rechtfertigten. Er verlangte daher von ihnen die schriftliche Erklärung, daß sie den Plan des Prinzen verabscheuten. Sie schwiegen, ihr Stillschweigen wurde als Zustimmung betrachtet und sie durften sich entfernen.90

88. Ronquillo, 12.(22.) Nov. 1688. „Estas respuestas,“ sagt Ronquillo, „son ciertas, aunque mas las encubrian en la corte.“

89. London Gazette, Nov. 5. 1688. Die Proklamation ist vom 2. Nov. datirt.

90. Tanner MSS.

Wilhelm geht zum zweiten Male unter Segel. Unterdessen schwamm Wilhelm’s Flotte auf der Nordsee. Am Abend des Donnerstag, den 2. November, ging er wieder unter Segel. Der Wind blies frisch aus Osten. Zwölf Stunden lang steuerte die Flotte in nordwestlicher Richtung. Die von dem englischen Admiral auf Recognoscirung ausgesandten leichten Fahrzeuge brachten Nachrichten, welche die vorherrschende Ansicht, daß der Feind in Yorkshire zu landen versuchen werde, bestätigten. Plötzlich aber machte die ganze Flotte auf ein vom Schiffe des Prinzen gegebenes Signal eine Wendung und steuerte nach dem britischen Kanal. Der nämliche Wind, der die Reise der Angreifer begünstigte, verhinderte Dartmouth, aus der Themse auszulaufen. Seine Schiffe mußten Raaen und Stengen einziehen, und zwei von seinen Fregatten, welche die hohe See gewonnen hatten, wurden von dem heftigen Sturme arg zugerichtet und in den Fluß zurückgetrieben.

Inzwischen segelte die holländische Flotte rasch vor dem Winde und erreichte die Meerenge am Samstag den 3. November ungefähr um zehn Uhr Morgens. Wilhelm selbst fuhr mit der „Brill“ voraus, und mehr als sechshundert Fahrzeuge folgten ihm mit vollen Segeln. Die Transportschiffe befanden sich in der Mitte, und die Kriegsschiffe, über fünfzig an Zahl, bildeten den äußeren Wehrgürtel. Herbert befehligte die ganze Flotte unter dem Titel eines Generallieutenant-Admirals. Sein Schiff segelte unter der Nachhut und viele englische Seeleute, die von Haß gegen den Papismus erfüllt und durch hohen Sold angelockt waren, dienten unter ihm. Es hatte dem Prinzen viele Mühe gekostet einige hohe holländische Offiziere dazu zu bewegen, daß sie sich dem Oberbefehl eines Ausländers IX.61 unterwarfen. Diese Anordnung aber war höchst weise. Auf der Flotte des Königs herrschte große Unzufriedenheit und ein glühender Eifer für den protestantischen Glauben. Aber innerhalb der Erinnerung alter Seeleute hatten die holländische und die englische Flotte dreimal mit heldenmüthiger Tapferkeit und wechselndem Glücke um die Herrschaft auf der See gekämpft. Unsere Seeleute hatten den Besen noch nicht vergessen, mit dem Van Tromp den Kanal zu fegen gedroht hatte, und eben so wenig das Feuer, welches De Ruyter auf den Werften des Medway angezündet. Hätten sich die beiden rivalisirenden Nationen noch einmal auf dem Elemente begegnet, auf welchem jede von ihnen die Herrschaft für sich in Anspruch nahm, so würde die gegenseitige Erbitterung keinen andren Gedanken haben aufkommen lassen. Eine blutige und hartnäckige Schlacht würde stattgefunden haben und eine Niederlage wäre für Wilhelm der Todesstoß gewesen. Selbst ein Sieg würde alle seine tief durchdachten politischen Pläne zerstört haben. Er hatte daher wohlweislich beschlossen, die Verfolger, falls er mit ihnen zusammentreffen sollte, in ihrer Muttersprache zu begrüßen und sie durch einen Admiral, unter dem sie gedient hatten, und den sie hochachteten, bitten zu lassen, daß sie nicht gegen alte Kameraden für papistische Tyrannei fechten sollten. Eine solche Aufforderung konnte möglicherweise einem Zusammenstoße vorbeugen. Erfolgte aber dennoch ein solcher, so standen wenigstens zwei englische Befehlshaber einander gegenüber, und der Stolz der Inselbewohner wurde nicht verwundet, wenn sie erfuhren, daß Dartmouth vor Herbert hatte die Flagge streichen müssen.91

91. Avaux, 12.(22.) Juli u. 14.(24.) Aug. 1688. Herr de Jonge, der mit den Nachkommen des holländischen Admirals Evertson verwandt ist, hat die Gefälligkeit gehabt, mir einige aus Familienpapieren entnommene interessante Notizen mitzutheilen. In einem vom 6.(16.) Sept. 1688 datirten Briefe an Bentinck legt Wilhelm ein großes Gewicht auf die Nothwendigkeit, einen Zusammenstoß zu vermeiden und bittet Bentinck darum, dies Herbert vorzustellen. „Ce n’est pas le tems de faire voir sa bravoure, ni de se battre si l’on le peut éviter. Je luy l’ai déjà dit, mais il sera nécessaire que vous le répétiez, et que vous le luy fassiez bien comprendre.“

Er passirt die Meerenge. Zum Glück war Wilhelm’s Vorsicht überflüssig. Bald nach Mittag passirte er die Meerenge. Seine Flotte breitete sich auf eine Meile Entfernung von Dover im Norden und von Calais im Süden aus. Die Kriegsschiffe auf der äußersten Rechten und der äußersten Linken begrüßten beide Festungen gleichzeitig. Die Truppen traten auf dem Verdeck unters Gewehr, und das Geschmetter der Trompeten, der Klang der Cymbeln und der Trommelwirbel wurden an der englischen und der französischen Küste zu gleicher Zeit deutlich gehört. Eine unzählige Menge Neugieriger verdunkelte das weiße Gestade von Kent. Eine nicht minder zahlreiche Menge bedeckte die Küste der Picardie. Rapin de Thoyras, der durch Verfolgung aus seinem Vaterlande vertrieben, in der holländischen Armee Dienste genommen hatte und den Prinzen nach England begleitete, schilderte viele Jahre später das Schauspiel als das prächtigste und erhabenste, das je ein menschliches Auge gesehen. Bei Sonnenuntergang befand sich die Flotte auf der Höhe von Beachy Head. Jetzt wurden die Lichter angezündet. Das Meer strahlte davon viele Meilen im Umkreise. Aber die Blicke aller Steuermänner IX.62 waren die ganze Nacht hindurch auf drei kolossale Laternen gerichtet, welche am Spiegel der „Brill“ leuchteten.92

Unterdessen war von Dover ein Courier nach Whitehall abgeschickt worden mit der Nachricht, daß die holländische Flotte die Meerenge passirt habe und westwärts steure. Dies machte eine sofortige Abänderung aller militairischen Anordnungen nöthig. Nach allen Richtungen hin wurden Eilboten ausgesandt, die Offiziere mitten in der Nacht aus den Betten geholt. Am Sonntag Morgen um drei Uhr fand in Hyde Park eine große Musterung bei Fackelschein statt. In der Voraussetzung, daß Wilhelm in Yorkshire landen werde, hatte der König mehrere Regimenter nach dem Norden geschickt. Es wurden unverzüglich Expresse abgefertigt, um sie zurückzurufen. Alle Truppen bis auf diejenigen, welche zur Aufrechthaltung der Ruhe in der Hauptstadt nöthig waren, wurden nach dem Westen beordert. Salisbury war zum Sammelplatz bestimmt; da man es aber für möglich hielt, daß Portsmouth der erste Angriffspunkt werden könnte, so brachen drei Bataillone Garden und ein starkes Kavalleriecorps nach dieser Festung auf. In einigen Stunden erfuhr man, daß Portsmouth sicher sei, und die Truppen erhielten deshalb sofort den Befehl, umzukehren und nach Salisbury zu eilen.93

92. Rapin’s History; Whittle’s Exact Diary. Ich habe einen aus der damaligen Zeit herrührenden Plan von der Ordnung gesehen, in welcher die Flotte segelte.

93. Adda, 5.(15.) Nov. 1688; Neuigkeitsbrief in der Mackintosh-Sammlung; Citters, 6.(16.) Nov.

Seine Landung bei Torbay. Als der Sonntag, der 4. November, anbrach, hatte die holländische Flotte die Klippen der Insel Wight in Sicht. Dieser Tag war zu gleicher Zeit Wilhelm’s Geburtstag und Hochzeitstag. Während der ersten Stunden des Morgens wurden die Segel losgemacht und auf den Schiffen Gottesdienst gehalten. Am Nachmittag und die Nacht durch steuerte die Flotte in der bisher verfolgten Richtung weiter. Torbay war der Ort, wo Wilhelm zu landen gedachte. Der Morgen des 5. November war trübe und nebelig, so daß der Steuermann der „Brill“ die Seezeichen nicht erkennen konnte und die Flotte zu weit westlich führte. Die Gefahr war groß. Dem Wind entgegen wieder umzukehren war unmöglich. Der nächste Hafen war Plymouth, aber dort lag eine Garnison unter dem Commando des Lord Bath. Diese konnte sich der Landung möglicherweise widersetzen und ein Unfall konnte schlimme Folgen haben. Überdies konnte man kaum daran zweifeln, daß die königliche Flotte jetzt die Themse verlassen hatte und mit vollen Segeln dem Kanal zusteuerte. Russell erkannte die ganze Größe der Gefahr und sagte zu Burnet: „Sie können immer beten, Doctor. Es ist Alles vorbei.“ In diesem Augenblicke sprang der Wind um, es erhob sich eine leichte Südbrise, der Nebel zerstreute sich, die Sonne schien, und bei dem matten Lichte eines Herbstnachmittags wendete sich die Flotte, umschiffte das hohe Cap Berry Head und lief wohlbehalten in den Hafen von Torbay ein.94

Seit der Zeit, als Wilhelm auf diesen Hafen blickte, hat sich die Gestalt desselben sehr verändert. Das Amphitheater, welches das weite Becken umgiebt, bietet jetzt überall Zeichen von Wohlstand und Civilisation IX.63 dar. Am nordöstlichen Ende ist ein großer Badeort entstanden, dessen milder italienischer Himmel Gäste aus den entferntesten Theilen der Insel anzieht, denn hier blüht die Myrthe im Freien und selbst der Winter ist milder als in Northumberland der April. Die Einwohnerzahl beläuft sich auf ungefähr zehntausend Seelen. Die neuerbauten Kirchen und Kapellen, die Bäder und Leseinstitute, die Gasthöfe und öffentlichen Gärten, das Krankenhaus und das Museum, die sich terrassenförmig an der Küste hinaufziehenden weißen Straßen, die hinter Buschwerk und Blumenbeeten hervorschimmernden freundlichen Landhäuser gewähren einen Anblick, wie ihn England im siebzehnten Jahrhunderte nirgends aufweisen konnte. Auf der andren Seite der Bucht liegt, durch Berry Head geschützt, der lebhafte Marktort Brixham, der wohlhabendste Sitz unsres Fischhandels. Zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts wurde hier ein Molo und ein Hafen angelegt, die sich aber für den zunehmenden Verkehr bald als ungenügend erwiesen. Die Bevölkerung beträgt etwa sechstausend Seelen und der Schiffsverkehr beläuft sich auf mehr als zweihundert Segel. Der Tonnengehalt der ein- und auslaufenden Schiffe übertrifft sehr oft den des Hafens von Liverpool zu den Zeiten der Stuarts. Als aber die holländische Flotte in der Torbay vor Anker ging, war sie nur als ein Hafen bekannt, in den sich zuweilen die Schiffe vor den Stürmen des atlantischen Oceans flüchteten. Das Gewühl des Handels und des Vergnügens störte noch nicht die Ruhe ihrer stillen Ufer und nur spärliche Bauer- und Fischerhütten lagen zerstreut umher auf dem Boden, der jetzt mit belebten Marktorten und prächtigen Lusthäusern bedeckt ist.

Die Landleute an der Küste von Devonshire gedachten noch in Liebe des Namens Monmouth und verabscheuten den Papismus. Sie kamen daher ans Ufer herbeigeströmt, um Lebensmittel und Dienstleistungen anzubieten. Die Ausschiffung begann unverzüglich. Sechzig Böte brachten die Truppen ans Ufer. Zuerst wurde Mackay mit den britischen Regimentern ans Land gesetzt. Ihm folgte bald nachher der Prinz. Er landete an der Stelle, wo sich gegenwärtig der Quai von Brixham befindet. Die Gegend hat jetzt ein ganz andres Aussehen. Wo wir jetzt einen mit Fahrzeugen angefüllten Hafen und einen von Käufern und Verkäufern wimmelnden Marktort erblicken, brachen sich damals die Wogen an einer öden Küste; aber ein Stück von dem Felsen, auf den der Befreier beim Aussteigen aus seinem Boote trat, ist sorgsam aufbewahrt und in der Mitte des geräuschvollen Quais als ein Gegenstand der öffentlichen Verehrung aufgestellt worden.

Sobald der Prinz den Fuß auf festen Boden gesetzt hatte, verlangte er Pferde, und zwei Thiere, wie die kleinen Gutsbesitzer sie damals zu reiten pflegten, wurden aus dem nächsten Dorfe herbeigeschafft. Wilhelm und Schomberg bestiegen dieselben und ritten fort, um die Gegend zu recognosciren.

Sobald Burnet ans Land gestiegen war, eilte er zu dem Prinzen, und es fand ein ergötzliches Gespräch zwischen ihnen statt. Burnet ergoß sich in freudige Beglückwünschungen und fragte dann begierig, was Seine Hoheit zu thun gedenke. Militairs haben selten Lust, sich über kriegerische Angelegenheiten mit Geistlichen zu berathen, und Wilhelm betrachtete die Einmischung von Laien in Kriegsfragen mit noch größerem Widerwillen als andere Soldaten bei solchen Gelegenheiten. Aber er war in diesem Augenblicke gerade besonders gutgelaunt, und anstatt daher durch einen IX.64 kurzen, dem Gespräch sofort ein Ende machenden Verweis sein Mißfallen zu äußern, reichte er seinem Kaplan freundlich die Hand und antwortete auf dessen Frage mit einer andren, indem er sagte: „Nun, Doctor, was halten Sie jetzt von der Prädestination?“ Der Tadel war so mild, daß Burnet, der eben nicht sehr feinfühlend war, ihn gar nicht fühlte. Er antwortete mit großer Wärme, daß er nie vergessen werde, wie sichtbar der Himmel ihr Unternehmen begünstigt habe.95

Am ersten Tage hatten die ausgeschifften Truppen manche Unannehmlichkeiten zu ertragen. Der Boden war vom Regen erweicht, und die Bagage war noch auf den Schiffen. Hohe Offiziere mußten in durchnäßten Kleidern auf der feuchten Erde schlafen und der Prinz selbst hatte kein besseres Obdach als eine gewöhnliche Hütte. Auf dem Strohdache derselben wurde sein Banner aufgepflanzt und einige Betten, die man von seinem Schiffe mitgebracht hatte, wurden auf den Boden gebreitet.96 Die Ausschiffung der Pferde machte einige Schwierigkeiten, und es hatte ganz den Anschein, als würde dieses Geschäft mehrere Tage Zeit wegnehmen. Am folgenden Morgen aber erheiterte sich die Aussicht. Der Wind legte sich und das Wasser der Bai war eben wie ein Spiegel. Einige Fischer zeigten eine Stelle, wo sich die Schiffe der Küste bis auf sechzig Fuß nähern konnten. Dies geschah und in drei Stunden wurden mehrere hundert Pferde wohlbehalten ans Land geschafft.

Die Ausschiffung war kaum beendigt, so erhob sich der Wind von neuem und schwoll bald zu einem heftigen Weststurme an. Der zur Verfolgung den Kanal herabkommende Feind war durch den nämlichen Witterungswechsel, welcher dem Prinzen die Landung ermöglichte, aufgehalten worden. Seit zwei Tagen lag die königliche Flotte auf windstiller See angesichts Beachy Head. Endlich konnte Dartmouth wieder unter Segel gehen. Er fuhr bei der Insel Wight vorüber und eines seiner Schiffe bekam die Mastspitzen der bei Torbay liegenden Holländer in Sicht. Gerade in diesem Augenblicke erhob sich der ihm widrige Sturm, der ihn zwang, sich in den Hafen von Portsmouth zu flüchten.97 Jakob, der in Schifffahrtsangelegenheiten wohl ein Urtheil hatte, erklärte damals, er sei fest überzeugt, daß sein Admiral Alles gethan habe, was in eines Menschen Macht stehe und daß er nur der unüberwindlichen Feindschaft des Windes und der Wogen gewichen sei. Zu einer späteren Zeit begann der unglückliche Fürst mit schlechtem Grunde Dartmouth des Verraths oder wenigstens eines Mangels an Energie zu beschuldigen.98

Das Wetter hatte in der That die protestantische Sache so auffallend begünstigt, daß manche Leute, deren Frömmigkeit größer war als ihr Verstand, fest glaubten, die gewöhnlichen Gesetze der Natur seien um IX.65 der Erhaltung der Freiheit und der Religion Englands willen außer Kraft gesetzt worden. Gerade vor hundert Jahren, sagten sie, sei die für unüberwindlich gehaltene Armada durch den Zorn Gottes vernichtet worden. Die bürgerliche Freiheit und die göttliche Wahrheit seien abermals in Gefahr gewesen, und wieder hätten die gehorsamen Elemente für die gute Sache gekämpft. Der Wind habe kräftig aus Osten geblasen, als der Prinz den Kanal hinabzusegeln wünschte, sei nach Süden umgesprungen, als er habe in die Torbai einfahren wollen, habe sich für die Dauer der Ausschiffung gelegt und sei sobald die Ausschiffung vollendet gewesen, wieder zu einem Sturme angeschwollen, der den Verfolgern gerade ins Gesicht wehte. Auch unterließ man nicht, auf das sonderbare Zusammentreffen Gewicht zu legen, daß der Prinz unsere Küsten gerade an dem Tage erreicht hatte, an welchem die anglikanische Kirche die wunderbare Errettung des königlichen Hauses und der drei Stände von dem schwärzesten Complot, das die Papisten jemals ersonnen, durch Gebet und Dankgottesdienst feierte. Carstairs, dessen Winke bei dem Prinzen stets beachtet wurden, rieth dazu, daß sogleich nach bewerkstelligter Landung ein öffentlicher Dankgottesdienst für den sichtbaren Schutz, den der Himmel dem Unternehmen habe angedeihen lassen, gehalten werden solle. Der Rath wurde befolgt und hatte außerordentlich gute Wirkung. Die Truppen, die sich nun als Günstlinge des Himmels betrachten lernten, wurden von neuem Muthe beseelt und das englische Volk faßte die günstigste Meinung von einem General und einer Armee, welche den Pflichten der Religion so große Aufmerksamkeit schenkten.

Am Dienstag den 6. November begann Wilhelm’s Armee landeinwärts zu marschiren. Einige Regimenter rückten bis Newton Abbot vor. Ein im Mittelpunkte dieses Städtchens errichteter Denkstein bezeichnet noch die Stelle, wo die Erklärung des Prinzen den Bewohnern feierlich vorgelesen wurde. Die Truppen konnten sich nur langsam vorwärts bewegen, denn der Regen fiel in Strömen und die Straßen Englands befanden sich damals noch in einem Zustande, der Leuten, welche die vortrefflichen Communicationswege Hollands gewohnt waren, entsetzlich vorkam. Wilhelm nahm auf zwei Tage sein Hauptquartier in Ford, einer Besitzung der alten und vornehmen Familie von Courtenay, unweit Newton Abbot. Er fand hier eine prächtige Wohnung und glänzende Bewirthung, aber es ist auffallend, daß der Hausherr, obgleich ein eifriger Whig, nicht der Erste sein wollte, der Leben und Eigenthum aufs Spiel setzte, und sich sorgfältig hütete, irgend etwas zu thun, was, im Fall der König die Oberhand behielt, als ein Verbrechen angesehen werden konnte.

94. Burnet, I. 788; Auszüge aus den Legge’schen Papieren in der Mackintosh-Sammlung.

95. Ich glaube, wer Burnet’s Bericht von dieser Unterredung mit dem Bericht Dartmouth’s vergleicht, kann nicht zweifeln, daß ich den Vorgang richtig dargestellt habe.

96. Ich habe eine Abbildung der Ausschiffung aus der damaligen Zeit gesehen. Einige Männer bringen eben die Betten des Prinzen in die Hütte, auf deren Dache seine Fahne weht.

97. Burnet, I. 789; Legge-Papiere.

98. Unterm 9. Nov. 1688 schrieb Jakob an Dartmouth: „Niemand hätte anders zu Werke gehen können als Sie es gethan haben. Ich bin überzeugt, daß alle erfahrenen Seeleute der nämlichen Meinung sein müssen.“ Siehe dagegen Clarke’s Life of James, II. 207. Orig. Mem.

Sein Einzug in Exeter. In Exeter herrschte inzwischen große Aufregung. Sobald der Bischof Lamplugh erfuhr, daß die Holländer in der Torbai angekommen waren, eilte er in Todesangst nach London. Der Dechant entfloh aus der Dechanei. Die Behörden waren für den König, die große Masse der Einwohner für den Prinzen. Alles gerieth in die größte Bestürzung, als am Morgen des 8. November ein Truppencorps unter Mordaunt’s Commando vor der Stadt erschien. Mit Mordaunt zugleich kam Burnet, dem Wilhelm aufgetragen hatte, die Geistlichkeit der Kathedrale vor Beleidigungen und Insulten zu schützen.99 Der Mayor IX.66 und die Aldermen hatten die Thore schließen lassen, öffneten sie aber auf die erste Aufforderung. Die Dechanei wurde zum Empfang des Prinzen eingerichtet. Am folgenden Tage, Freitag den neunten, kam er an. Die Behörden waren dringend aufgefordert worden, ihn am Thore der Stadt mit Gepränge zu empfangen, hatten dies aber beharrlich verweigert. Der Pomp dieses Tages konnte sie auch entbehren. Ein solches Schauspiel hatte Devonshire noch nie gesehen. Viele kamen eine halbe Tagereise weit herbei, um den Vorkämpfer ihres Glaubens zu begrüßen. Alle umliegenden Dörfer sandten ihre Einwohnerschaft. Eine große Volksmenge, hauptsächlich aus jungen Landleuten bestehend, die ihre Knotenstöcke schwangen, hatte sich auf dem Gipfel des Haldonhügels versammelt, wo die von Chudleigh kommende Armee zum ersten Male das reiche Thal der Exe und die beiden massiven Thürme erblickte, welche aus der über der Hauptstadt des Westens lagernden Rauchwolke emporragten. Der ganze Weg den Abhang hinunter über die Ebene bis aus Ufer des Flusses war in seiner ganzen Länge mit Zuschauern bedeckt. Vom Westthore bis zum Domplatze war das Gedränge und der Jubel allenthalben so groß, daß anwesende Londoner sich dabei an den Umzug des Lordmayors erinnerten. Die Häuser waren festlich geschmückt und alle Thüren, Fenster, Balcons und Dächer mit Zuschauern besetzt. Ein an kriegerischen Pomp gewöhntes Auge würde jedoch an dem Schauspiele mancherlei zu tadeln gefunden haben, denn mehrere beschwerliche Tagemärsche bei Regenwetter und auf Straßen, wo ein Fußgänger bei jedem Schritte bis über die Knöchel in den Schmutz einsank, hatten das Aussehen der Mannschaften und ihrer Monturstücke eben nicht verbessert. Die Bevölkerung von Devonshire aber, welche an den Glanz wohlgeordneter Feldlager durchaus nicht gewöhnt war, wurde von Freude und Ehrfurcht überwältigt. Beschreibungen des kriegerischen Schauspiels wurden im ganzen Lande verbreitet, und sie enthielten Vieles, was wohl geeignet war, den Geschmack des gemeinen Volks an Wunderdingen zu befriedigen. Denn die holländische Armee, aus Männern zusammengesetzt, die unter verschiedenen Himmelsstrichen geboren waren und unter verschiedenen Fahnen gedient hatten, gewährte Inselbewohnern, welche größtentheils sehr undeutliche Begriffe von fremden Ländern hatten, einen zugleich grotesken, prächtigen und furchtbaren Anblick. Voran ritt Macclesfield an der Spitze von zweihundert Gentlemen meist britischer Abkunft, mit blitzenden Helmen und Brustharnischen, auf flämischen Schlachtrossen reitend. Jeder von ihnen hatte einen aus den Zuckerplantagen der Küste von Guiana mitgebrachten Neger bei sich. Die Bürger von Exeter, welche noch nie so viele Exemplare der afrikanischen Menschenrace beisammengesehen hatten, betrachteten mit Staunen die schwarzen Gesichter, welche durch gestickte Turbane und weiße Federn noch mehr hervorgehoben wurden. Dann kam eine Schwadron schwedischer Reiter mit gezogenen breiten Schwertern in schwarzer Rüstung und Pelzmänteln. Sie erweckten ganz besonderes Interesse, denn man sagte, daß sie aus einem Lande stammten, wo das Meer zugefroren und es die Hälfte des ganzen Jahres hindurch Nacht sei, und daß sie die riesigen Bären, deren Felle sie trugen, selbst erlegt hätten. Hierauf folgte, umgeben von einer eleganten Truppe Gentlemen und Pagen das hoch getragene Banner des Prinzen. Auf den breiten Falten desselben las die Menge, welche Fenster und Dächer besetzt hielt, mit Wonne die denkwürdige Inschrift: „Die protestantische Religion und die Freiheiten Englands.“ Der Jubel IX.67 steigerte sich noch, als der Prinz selbst, mit Brust- und Rückenharnisch und einer weißen Feder geschmückt auf seinem weißen Streitrosse erschien. Mit welchem kriegerischen Anstande er sein Pferd lenkte, wie sinnend und gebieterisch der Ausdruck seiner breiten Stirn und seines Falkenauges war, kann man noch heute an Kneller’s Portrait von ihm sehen. Einmal milderten sich seine ernsten Gesichtszüge zu einem Lächeln, als eine alte Frau, vielleicht eine von den eifrigen Puritanerinnen, welche durch achtundzwanzig Jahre der Verfolgung im festen Glauben auf den Trost Israels ausgeharrt hatte, vielleicht die Mutter eines Rebellen, der in der blutigen Schlacht von Sedgemoor oder bei dem noch fürchterlicheren Gemetzel der blutigen Assisen umgekommen war, sich hervordrängte, sich mitten unter die gezogenen Schwerter und bäumenden Rosse stürzte, die Hand des Befreiers berührte und ausrief, daß sie jetzt glücklich sei. Nicht weit von dem Prinzen ritt ein Mann, der mit ihm die aufmerksamen Blicke der Menge theilte. Das, sagte man, sei der große Graf Schomberg, der erste Soldat in Europa, seitdem Turenne und Condé nicht mehr wären, der Mann, dessen Genie und Tapferkeit die portugiesische Monarchie auf dem Schlachtfelde von Montes Claros gerettet, der Mann, der sich noch höheren Ruhm dadurch erworben, daß er um seines Glaubens willen den Stab eines Marschalls von Frankreich niedergelegt. Man hatte nicht vergessen, daß die beiden Helden, welche, durch ihren gemeinsamen Protestantismus unauflöslich aneinander gekettet, jetzt zusammen in Exeter einzogen, vor zwölf Jahren einander unter den Mauern von Mastricht gegenüberstanden und daß damals der Feuereifer des jungen Prinzen dem kalten Wissen des Veteranen, der jetzt als Freund an seiner Seite ritt, nicht gewachsen war. Dann kam eine lange Colonne des bärtigen Fußvolks der Schweizer, die sich seit zwei Jahrhunderten in allen festländischen Kriegen durch vorzügliche Tapferkeit und Disciplin ausgezeichnet, aber bis diesen Augenblick noch nie auf englischem Boden gesehen worden waren. Hinter ihnen folgte eine Reihe von Truppencorps, welche nach ihren Anführern Bentinck, Solms und Ginkell, Talmash und Mackay genannt wurden. Mit besonderem Vergnügen mochten die Engländer ein tapferes Regiment betrachten, das noch den Namen des verehrten und bedauerten Ossory führte. Der Eindruck des ganzen Schauspiels wurde noch erhöht durch die Erinnerung an die denkwürdigen Ereignisse, an denen viele von den Kriegern, welche jetzt durch das Westthor einmarschirten, Theil genommen. Denn sie hatten ganz andren Dienst gesehen, als den der Miliz von Devonshire oder des Lagers von Hounslow. Einige von ihnen hatten den ungestümen Angriff der Franzosen auf dem Schlachtfelde von Seneff zurückgeschlagen, und Andere hatten an jenem hochwichtigen Tage, an welchem die Belagerung von Wien aufgehoben wurde, für das Christenthum mit den Ungläubigen die Schwerter gekreuzt. Selbst die Sinne der Menge wurden durch die Einbildungskraft getäuscht. Neuigkeitsbriefe verbreiteten nach allen Gegenden des Reichs fabelhafte Berichte von der Gestalt und Körperkraft der Eingedrungenen. Es wurde versichert, daß sie mit wenigen Ausnahmen sechs Fuß lang seien und daß sie so große Lanzen, Schwerter und Musketen trügen, wie man sie noch nie in England gesehen hätte. Das Erstaunen der Menge verminderte sich nicht, als die Artillerie ankam, bestehend aus einundzwanzig kolossalen ehernen Geschützen, deren jedes von sechzehn Lastpferden mit Mühe fortgeschleppt wurde. Große Bewunderung IX.68 erregte ein sonderbares, auf Rädern ruhendes Gebäude. Es war eine ambulante Feldschmiede mit allen zur Ausbesserung von Waffen und Fuhrwerken nöthigen Werkzeugen und Materialien versehen. Nichts aber wurde mit so großem Erstaunen betrachtet, als die Brücke von Böten, welche zum Übersetzen der Wagen mit großer Leichtigkeit über die Exe geschlagen und dann eben so schnell wieder auseinandergenommen wurde, um weiter transportirt zu werden. Wenn man dem Gerücht glauben durfte, war sie nach einem Muster angefertigt, welches die an der Donau gegen die Türken kämpfenden Christen erfunden hatten. Die Fremden erweckten eben so große Zuneigung als Bewunderung. Ihr umsichtiger Führer sorgte dafür, die Einquartierungen so zu vertheilen, daß die Bewohner von Exeter und der umliegenden Ortschaften so wenig als möglich belästigt wurden. Es wurde die strengste Kriegszucht gehandhabt, und nicht allein Plünderung und Gewaltthätigkeiten wirksam verhindert, sondern auch den Truppen eingeschärft, daß sie sich gegen Jedermann, weß Standes er auch sei, artig zu benehmen hätten. Diejenigen, die sich ihre Vorstellungen von einer Armee nach dem Verfahren Kirke’s und seiner Lämmer gebildet hatten, waren ganz erstaunt, Soldaten zu sehen, welche niemals eine Hausfrau barsch anfuhren und kein Ei nahmen ohne es zu bezahlen. In Anerkennung dieses gesitteten Benehmens lieferte das Volk den Truppen Lebensmittel im Überfluß und zu mäßigem Preise.100

Sehr viel hing von dem Verfahren ab, welches in dieser wichtigen Krisis die Geistlichkeit der anglikanischen Kirche beobachtete, und die Mitglieder des Kapitels von Exeter waren die Ersten, welche aufgefordert wurden, ihre Gesinnungen offen zu erklären. Burnet kündigte den Canonici, welche durch die Flucht des Dechanten ihres Vorgesetzten beraubt waren, an, daß sie hinfüro das Gebet für den Prinzen von Wales nicht mehr sprechen dürften und daß zu Ehren der glücklichen Ankunft des Prinzen von Oranien ein feierlicher Gottesdienst gehalten werden müßte. Die Canonici fanden es nicht für gut, in ihren Chorstühlen zu erscheinen; aber einige von den Chorsängern und Pfründnern waren anwesend. Wilhelm begab sich mit militairischem Gepränge in die Kathedrale. Als IX.69 er die prächtige Vorhalle betrat, ließ die berühmte Orgel, welche kaum von einer einzigen von denjenigen übertroffen wird, die der Stolz seines Geburtslandes sind, Triumphklänge ertönen. Er bestieg den Bischofssitz, einen prachtvollen Thron mit reichem Schnitzwerk aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Burnet stand am Fuße desselben und zu beiden Seiten versammelte sich ein zahlreiches Gefolge von Kriegern und Kavalieren. Die weißgekleideten Sänger stimmten das Tedeum an. Als der Gesang, zu Ende war, las Burnet die Erklärung des Prinzen vor; kaum aber hatte er die ersten Worte derselben gesprochen, so drängten sich Geistliche und Sänger eiligst aus dem Chore. Am Schlusse rief Burnet mit lauter Stimme: „Gott erhalte den Prinzen von Oranien!“ und viele Stimmen antworteten feierlich: „Amen!“101

Am Sonntag, den 11. November, predigte Burnet vor dem Prinzen in der Kathedrale und sprach über die sichtbare Gnade, welche Gott der englischen Kirche und Nation gewährt. Um dieselbe Zeit ereignete sich in einem bescheideneren Gotteshause ein sonderbarer Vorfall. Ferguson hatte sich vorgenommen, in dem presbyterianischen Versammlungshause zu predigen. Der Geistliche und die Ältesten wollten dies nicht zugeben; aber der heftige und halbwahnsinnige Schurke, der wahrscheinlich die Zeiten Fleetwood’s und Harrison’s zurückgekehrt glaubte, erbrach die Thür, schritt mit dem Schwert in der Hand durch die Versammlung, bestieg die Kanzel und hielt eine heftige Schmährede gegen den König. Die Zeit für solche Albernheiten war vorüber und der Skandal erregte nur Spott und Widerwillen.102

99. Burnet, I. 790.

100. Siehe in Whittle’s Tagebuch die Expedition Seiner Hoheit und den um diese Zeit erschienenen Brief von Exon. Ich habe selbst zwei geschriebene Neuigkeitsbriefe gesehen, in denen der Einzug des Prinzen in Exeter geschildert war. Einige Monate darauf schrieb ein schlechter Dichter ein Theaterstück betitelt: „Die letzte Revolution.“ Eine Scene spielt in Exeter. „Bataillone von der Armee des Prinzen auf ihrem Marsche in die Stadt treten mit wehenden Fahnen, unter Trommelwirbel und Zujauchzen der Bürger auf.“ Ein Edelmann, Namens Misopapas spricht:

„Mylord, könnt Ihr Euch denken,

Wie furchtbar Schuld und Angst dem Hof geschildert

Eure Truppen? Man übertreibt die Zahl

Wie die Gestalt. Sechs Fuß soll jeder sein, gehüllt

In Bärenhaut, der Schweizer, Schwed’ und Brandenburger.“

In einem Liede, das kurz nach dem Einzuge in Exeter erschien, sind die Irländer im Vergleich mit den Riesen, welche Wilhelm commandirte, als wahre Zwerge geschildert:

„O, Berwick, wehe Deinen Mannen,

Im Kampf mit dem Viaggio!

Gleich Zwergen wird man sie verhöhnen

Vor Brandenburgs und Schwedens Söhnen.

Coraggio. Coraggio!“

Addison erwähnt in seinem Freeholder den außerordentlichen Eindruck, den diese romantischen Schilderungen machten.

101. Expedition of the Prince of Orange; Oldmixon, 755; Whittle’s Diary; Eachard, III. 911; London Gazette, Nov. 15. 1688.

102. London Gazette, Nov. 15. 1688; Expedition of the Prince of Orange.

Unterredung des Königs mit den Bischöfen. Während dieser Vorgänge in Devonshire herrschte in London große Gährung. Die Erklärung des Prinzen war trotz aller Vorsichtsmaßregeln jetzt in Jedermanns Händen. Am 6. November beschied Jakob, der noch immer nicht wußte, auf welchem Theile der Küste die Eroberer gelandet waren, den Primas nebst drei anderen Bischöfen, Compton von London, White von Peterborough und Sprat von Rochester, zu einer Conferenz in sein Privatkabinet. Der König hörte die warmen Loyalitätsversicherungen der Prälaten gnädig an und gab ihnen sein Wort darauf, daß er sie nicht in Verdacht habe. „Aber wo ist die Rechtfertigung, die Sie mir bringen sollten?“ fragte er dann. „Sire,“ antwortete Sancroft, „wir haben keine solche mitgebracht, denn wir drängen uns nicht danach, uns vor der Welt rein zu waschen. Es ist uns nichts Neues, daß wir verleumdet und fälschlich angeklagt werden. Unser Gewissen und Eure Majestät sprechen uns frei: dies genügt uns.“ — „Ja,“ entgegnete der König, „aber eine Erklärung von Ihnen ist um meinetwillen nothwendig.“ Hierauf zeigte er den Prälaten ein Exemplar von dem Manifeste des Prinzen und sagte: „Lesen Sie, wie hier von Ihnen gesprochen ist“ — „Sire,“ versetzte einer von den Bischöfen, „nicht Einer unter Fünfhundert hält dieses Manifest für ächt.“ — „Nein!“ rief der König mit Heftigkeit; „dann würden diese Fünfhundert den Prinzen herbeirufen, um mich zu ermorden!“ — „Das wolle Gott verhüten!“ erwiederten die Prälaten einstimmig. Aber der niemals helle Verstand des Königs war jetzt völlig verwirrt. Es war IX.70 eine seiner Eigenheiten, daß, wenn man seiner Ansicht nicht beipflichtete, er glaubte, man ziehe seine Wahrhaftigkeit in Zweifel. „Dieses Papier wäre nicht ächt?“ rief er aus, indem er die Blätter umwendete. „Verdiene ich keinen Glauben? Hat mein Wort gar keinen Werth?“ — „Jedenfalls, Sire,“ sagte einer der Bischöfe, „ist dies keine geistliche Angelegenheit, sondern sie gehört in das Bereich der Civilgewalt. Gott hat Eurer Majestät das Schwert in die Hand gegeben, und es kommt uns nicht zu, in Ihre Functionen einzugreifen.“ Dann sagte der Erzbischof mit der sanften und gemäßigten Ironie, welche die schmerzlichsten Wunden schlägt, der König müsse ihn entschuldigen, wenn er zu keinem politischen Schriftstück seine Hand leihe. „Ich und meine Amtsbrüder, Sire,“ setzte er hinzu, „haben für unsre Einmischung in Staatsangelegenheiten schon hart genug büßen müssen, und wir werden uns vor einem derartigen Wiederholungsfalle sorgfältig hüten. Wir unterschrieben einst eine durchaus harmlose Petition, wir überreichten dieselbe auf die ehrerbietigste Weise, und wir mußten erfahren, daß wir ein schweres Verbrechen begangen hatten. Nur durch Gottes gnädigen Schutz wurden wir vom Untergange gerettet. Und, Sire, der Grund, den Eurer Majestät Fiskal und Prokurator damals anführten, war der, daß wir außerhalb des Parlaments Privatleute seien und daß Privatleute eine strafbare Anmaßung begingen, wenn sie sich in die Politik mischten. Sie griffen uns mit einer solchen Heftigkeit an, daß ich meinestheils mich für verloren hielt.“ — „Ich danke Ihnen für diese Lection, Mylord von Canterbury,“ sagte der König; „ich hätte gedacht, daß Sie sich nicht für verloren halten würden, wenn Sie in meine Hände fielen.“ Eine solche Sprache würde einem milden Herrscher ganz wohl angestanden haben, aber sie klang sehr sonderbar aus dem Munde eines Fürsten, der eine Frau lebendig verbrannt hatte, weil sie einen seiner fliehenden Feinde bei sich aufgenommen, und dessen eigner Neffe in nutzloser Verzweiflung seine Knie flehend umschlungen hatte. Der Erzbischof ließ sich dadurch nicht zum Schweigen bringen. Er fuhr in seiner Rede fort und zählte die Beleidigungen auf, welche die Creaturen des Hofes der Kirche Englands zugefügt, wobei die Verhöhnung seiner eigenen Schreibart besonders hervorgehoben wurde. Der König wußte nichts weiter zu erwiedern, als daß es unnütz sei vergangene Beschwerden wieder aufzuwärmen und daß er geglaubt habe, diese Dinge seien völlig vergessen. Während er selbst nie die geringste Beleidigung vergaß, war es ihm unbegreiflich, wie Andere nur einige Wochen lang die empfindlichste Beleidigung, die er jemals zugefügt, im Gedächtniß behalten konnten.

Endlich kam das Gespräch wieder auf den Punkt, von dem es ausgegangen war. Der König bestand darauf, daß die Bischöfe öffentlich ihren Abscheu gegen das Unternehmen des Prinzen erklären sollten. Unter zahlreichen Versicherungen der unterwürfigsten Loyalität weigerten sie sich dessen beharrlich. Der Prinz, sagten sie, behaupte sowohl von weltlichen als von geistlichen Peers eingeladen worden zu sein. Die Beschuldigung sei gemeinsam, warum solle also nicht auch die Rechtfertigung gemeinsam sein? „Ich errathe Alles,“ sagte der König; „einige weltliche Peers sind bei Ihnen gewesen und haben Sie überredet, mir in dieser Angelegenheit einen Strich durch die Rechnung zu machen.“ Die Bischöfe versicherten feierlich, daß dem nicht so sei. Aber es würde sonderbar aussehen, bemerkten sie, wenn in einer Frage, bei welcher hochwichtige politische und IX.71 militairische Rücksichten im Spiele seien, die weltlichen Peers völlig übergangen würden und die Prälaten allein eine hervorragende Rolle spielen sollten. „Ich will es nun einmal so,“ entgegnete Jakob. „Ich bin Ihr König und ich muß wissen, was das Zweckmäßigste ist. Ich will meinen eigenen Weg gehen, und ich verlange von Ihnen, daß Sie mich unterstützen.“ Die Bischöfe versicherten ihn, daß sie vollkommen bereit seien, ihn im Bereiche ihres Wirkungskreises zu unterstützen, als christliche Geistliche mit ihren Gebeten und als Peers des Königreichs mit ihrem parlamentarischen Rathe. Jakob, der weder die Gebete von Ketzern, noch den Rath von Parlamenten brauchte, sah sich bitter getäuscht. Nach einem langen Wortwechsel sagte er endlich: „Genug, ich will Sie nicht weiter belästigen. Da Sie mir nicht beistehen wollen, muß ich mich auf mich selbst und auf meine eigenen Waffen beschränken.“103

103. Clarke’s Life of James the Second, II. 210; Sprat’s Narrative; Citters, 6.(16.) Nov. 1688.

Ruhestörungen in London. Kaum hatten die Bischöfe den König verlassen, so brachte ein Courier die Nachricht, daß der Prinz von Oranien am vorigen Tage in Devonshire gelandet sei. Während der nächstfolgenden Woche war London in gewaltiger Aufregung. Am Sonntag, den 11. November, verbreitete sich das Gerücht, daß in dem unter dem Patronat des Königs zu Clerkenwell errichteten Kloster Messer, Bratroste und Siedekessel versteckt wären, welche zur Folterung von Ketzern hätten dienen sollen. Zahlreiche Menschenmassen belagerten das Gebäude und schickten sich eben an, es zu demoliren, als eine Truppenabtheilung ankam. Die Menge wurde auseinandergetrieben und mehrere von den Aufwieglern wurden niedergemacht. Die Leichen der Gefallenen wurden von einem Todtenschau-Gericht104 untersucht, und dieses gab einen Ausspruch ab, der für die allgemeine Volksstimmung sehr bezeichnend war. Die Jury erklärte sich dahin, daß gewisse loyale und wohlgesinnte Personen, welche ausgegangen seien, um eine Versammlung von Landesverräthern und öffentlichen Feinden in einem Meßhause aufzuheben, vorsätzlich von den Soldaten ermordet wären, und dieses sonderbare Verdict war von sämmtlichen Geschwornen unterzeichnet. Die Mönche von Clerkenwell, welche diese Symptome der Volksstimmung natürlich nicht wenig beunruhigte, sorgten ängstlich für die Sicherung ihres Eigenthums. Es gelang ihnen auch, den größten Theil ihres Mobiliars fortzuschaffen, ehe dieses Vorhaben ruchbar geworden war. Endlich aber wurde der Verdacht des Pöbels doch rege, die beiden letzten Lastwagen wurden in Holborn angehalten und Alles was sich darauf befand, auf offener Straße verbrannt. Die Angst unter den Katholiken war so groß, daß alle ihre Gotteshäuser mit Ausnahme derjenigen, welche der königlichen Familie und den auswärtigen Gesandten gehörten, geschlossen wurden.105

Im Ganzen hatten jedoch die Dinge bis jetzt noch kein für Jakob ungünstiges Aussehen. Die Eingedrungenen befanden sich schon über eine Woche auf englischem Boden und noch hatte sich keine hervorragende Persönlichkeit IX.72 ihnen angeschlossen. Weder im Norden noch im Osten war ein Aufstand ausgebrochen; kein Diener der Krone schien noch seiner Pflicht untreu geworden zu sein; die königliche Armee sammelte sich rasch in Salisbury, und wenn sie auch dem Heere Wilhelm’s in der Kriegszucht nachstand, so war sie doch an Zahl demselben überlegen.

104. In England muß der Coroner bei unnatürlichen Todesfällen eine Jury von zwölf Personen versammeln, welche darüber zu entscheiden hat, ob ein Verbrechen begangen worden ist, um in diesem Falle bei den zuständigen Gerichten Anzeige zu machen. — Der Übers.

105. Luttrell’s Diary; Neuigkeitsbrief in der Mackintosh-Sammlung; Adda, 16.(26.) Nov. 1688.

Angesehene Männer fangen an zu dem Prinzen überzugehen. Der Prinz war ohne Zweifel überrascht und gekränkt durch die Lauheit Derer, die ihn nach England eingeladen hatten. Das Volk von Devonshire hatte ihn zwar mit allen Zeichen der Freude empfangen, aber kein Adeliger, kein angesehener Gentleman war bis jetzt in sein Hauptquartier gekommen. Die Erklärung dieser auffallenden Erscheinung ist wahrscheinlich in dem Umstande zu suchen, daß er in einem Theile der Insel gelandet war, wo man ihn nicht erwartet hatte. Im Norden hatten seine Freunde alle Anstalten zu einem Aufstande getroffen, in der Voraussetzung, daß er bald mit einer Armee bei ihnen sein werde. Seine Freunde im Westen aber hatten gar nichts vorbereitet und waren natürlich betroffen, als sie plötzlich aufgefordert wurden, sich an die Spitze einer so wichtigen und gefährlichen Bewegung zu stellen. Dazu kam noch, daß sie die traurigen Folgen eines Aufstandes: Galgen, abgeschlagene Köpfe, zerrissene Glieder, Familien, die noch um tapfere Dulder trauerten, welche ihr Vaterland aufrichtig aber nicht mit Klugheit geliebt, frisch im Gedächtniß, ja dicht vor Augen hatten. Nach einer so schrecklichen und so neuen Warnung war einige Unschlüssigkeit natürlich. Ebenso natürlich aber war es auch, daß Wilhelm, der im Vertrauen auf die ihm aus England zugekommenen Versprechungen, nicht nur seinen eignen Ruf und sein persönliches Glück, sondern auch das Wohl und die Unabhängigkeit seines Vaterlandes aufs Spiel gesetzt hatte, sich bitter gekränkt fühlte. Er war in der That so aufgebracht, daß er schon davon sprach, sich nach Torbay zurückzuziehen, seine Truppen wieder einzuschiffen, nach Holland heimzukehren und Die, welche ihn verrathen hatten, ihrem verdienten Schicksale zu überlassen. Endlich am Montag, den 12. November, schloß sich ein in der Nähe von Crediton wohnender Gentleman, Namens Burrington, der Fahne des Prinzen an, und diesem Beispiele folgten bald mehrere von seinen Nachbarn.

Lovelace. Schon waren aber auch Männer von wichtigerer Bedeutung aus verschiedenen Theilen des Landes nach Exeter aufgebrochen. Der erste von diesen war Johann Lord Lovelace, ein Mann, der sich durch feinen Geschmack, durch Prachtliebe und durch die tollkühne und maßlose Heftigkeit seines Whiggismus auszeichnete. Er war fünf- oder sechsmal wegen politischer Vergehen in Haft gewesen. Das letzte ihm zur Last gelegte Verbrechen war, daß er die Rechtsgültigkeit eines von einem römisch-katholischen Friedensrichter angestellten Verhaftbefehls verächtlich geleugnet hatte. Er war vor den Geheimen Rathe gefordert und streng verhört worden, aber mit geringem Erfolge. Er weigerte sich entschieden, sich schuldig zu bekennen und die Zeugenbeweise gegen ihn waren ungenügend. Er wurde entlassen, aber ehe er sich entfernte, rief Jakob ihm mit großer Heftigkeit zu: „Mylord, dies ist nicht der erste Streich, den Sie mir gespielt haben.“ — „Sire,“ entgegnete Lovelace unerschrocken, „ich habe weder Eurer Majestät noch sonst Jemandem je einen Streich gespielt. Wer mich dessen bei Eurer Majestät angeklagt hat, ist ein Lügner.“ Bald darauf war Lovelace von Denen, welche den Plan zu einer Revolution IX.73 entworfen hatten, ins Vertrauen gezogen worden.106 Sein Schloß, das seine Vorfahren von der Beute indisch-spanischer Galleonen erbaut, stand auf den Trümmern eines Hauses Unserer Lieben Frau in dem schönen Thale, durch welches die Themse, noch nicht durch die Nähe einer großen Hauptstadt verunreinigt, noch mit der Ebbe und Fluth des Meeres fallend und steigend, unter Buchenwäldern zwischen den lieblichen Anhöhen von Berkshire dahin strömt. Unter dem von italienischen Malern decorirten Prunksaale befand sich ein gewölbtes Souterrain, in welchem hin und wieder Gebeine von vorzeitlichen Mönchen gefunden worden waren. In diesem finstren Gemache hatten eine Anzahl eifriger und verwegener Gegner der Regierung während der angstvollen Zeit, als England mit Ungeduld auf protestantischen Wind wartete, viele nächtliche Zusammenkünfte gehalten.107 Jetzt war der Augenblick zum Handeln gekommen, Lovelace brach mit siebzig wohl bewaffneten und berittenen Begleitern nach dem Westen auf. Er erreichte ohne Schwierigkeit Gloucestershire. Aber Beaufort, der Statthalter dieser Grafschaft, verwendete sein hohes Ansehen und seinen ganzen Einfluß zu Gunsten der Krone. Die Miliz war aufgeboten und eine starke Abtheilung derselben nach Cirencester verlegt worden. Als Lovelace hier ankam, wurde er bedeutet, daß ihm der Durchzug nicht gestattet werden könne. Er mußte daher entweder von seinem Vorhaben abstehen, oder sich durchschlagen. Er beschloß das Letztere zu versuchen und seine Freunde und Untergebenen schlugen sich tapfer. Es fand ein hitziges Gefecht statt. Die Miliz verlor einen Offizier und sechs oder sieben Mann; endlich aber wurde Lovelace’s Truppe überwältigt und er selbst gefangen genommen und nach Gloucester Castle geschickt.108

106. Johnstone, 27. Febr. 1688; Citters unter demselben Datum.

107. Lyson’s Magna Britannia, Berkshire.

108. London Gazette, Nov. 15. 1688; Luttrell’s Diary.

Colchester. Andere waren glücklicher. An dem Tage, an welchem das Scharmützel bei Circencester stattfand, kam Richard Savage, Lord Colchester, Sohn und Erbe des Earls Rivers und durch eine unerlaubte Liebe Vater jenes unglücklichen Dichters109, dessen Verbrechen und Mißgeschicke eine der dunkelsten Seiten der Literaturgeschichte füllen, mit sechzig bis siebzig Reitern in Exeter an. Mit ihm zugleich traf der kühne und unruhige Thomas Wharton ein. Wenige Stunden später kam Eduard Russell, Sohn des Earls von Bedford und Bruder des tugendhaften Edelmanns, dessen Blut auf dem Schaffot geflossen war. Kurz darauf wurde die Ankunft eines andren noch wichtigeren Mannes gemeldet.

109. Richard Savage. — Der Übers.

Abingdon. Colchester, Wharton und Russell gehörten der Partei an, welche dem Hofe von jeher opponirt hatte. Jakob Bertin, Earl von Abingdon dagegen war stets als eine Stütze der Willkürherrschaft betrachtet worden. Er war in den Tagen der Ausschließungsbill Jakob treu geblieben, war als Lordlieutenant von Oxfordshire mit Energie und Strenge gegen die Anhänger Monmouth’s verfahren und hatte zur Feier der Niederlage Argyle’s Freudenfeuer angezündet. Aber die Furcht vor dem Papismus hatte ihn zur Opposition und Empörung getrieben. Er war der erste Peer des Reichs, der im Hauptquartier des Prinzen von Oranien erschien.110

IX.74

Doch von Denen, die sich offen gegen seine Autorität auflehnten, hatte der König weniger zu befürchten, als von der im Dunklen schleichenden Verschwörung, deren Verzweigungen sich durch seine Armee und bis in seine Familie erstreckten. Als die Seele dieser Verschwörung muß Churchill betrachtet werden, der in Bezug auf Scharfblick und Gewandtheit seines Gleichen nicht hatte, den die Natur mit einer gewissen kaltblütigen Unerschrockenheit ausgestattet, die sich weder im Kampfe noch im Lügen je verleugnete, und welcher dabei einen hohen militairischen Rang einnahm und sich der Gunst der Prinzessin Anna in hohem Grade erfreute. Für ihn war jedoch die Zeit zu dem entscheidenden Schlage noch nicht gekommen. Indessen brachte er doch schon jetzt durch die Vermittelung eines untergeordneten Werkzeugs der Sache des Königs eine gefährliche, wenn nicht tödtliche Wunde bei.

110. Burnet, I. 790; Life of William, 1703.

Abfall Cornbury’s. Eduard Viscount Cornbury, der älteste Sohn des Earls von Clarendon, war ein junger Mann von unbedeutenden Geistesgaben, von lockeren Grundsätzen und heftigem Temperament. Man hatte ihn von Jugend auf gelehrt, seine Verwandtschaft mit der Prinzessin Anna als die Grundlage seines zukünftigen Glücks zu betrachten, und ihm eingeschärft, daß er ihr fleißig den Hof machen solle. Seinem Vater war es nie in den Sinn gekommen, daß die angestammte Loyalität der Hyde im Hause der Lieblingstochter des Königs gefährdet sein könnte; aber in diesem Hause führten die Churchill die unumschränkte Herrschaft und Cornbury wurde ihr Werkzeug. Er commandirte eines von den nach dem Westen gesandten Dragonerregimentern. Man hatte es so einzurichten gewußt, daß er am 14. November einige Stunden lang der höchste Offizier zu Salisbury war, so daß alle dort versammelten Truppen unter seinem Oberbefehl standen. Es muß auffallend erscheinen, daß zu einem so kritischen Zeitpunkte die Armee, auf welche Alles ankam, nur einen Augenblick dem Commando eines jungen Obersten überlassen werden konnte, der weder Talent noch Erfahrung hatte. Es kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß diese Anordnung das Resultat eines geschickt angelegten Planes war, und eben so wenig kann man darüber in Zweifel sein, welchem Kopfe und welchem Herzen dieser Plan zuzuschreiben ist.

Plötzlich erhielten drei von den in Salisbury stehenden Kavallerieregimentern Befehl zum Abmarsch nach dem Westen. Cornbury stellte sich an ihre Spitze und führte sie zuerst nach Blandford und dann nach Dorchester. Von Dorchester brachen sie nach einer kurzen Rast von einigen Stunden nach Axminster auf. Einige von den Offizieren begannen Verdacht zu schöpfen und verlangten eine Erklärung dieser sonderbaren Bewegungen. Cornbury antwortete, er habe Befehl, einen nächtlichen Angriff auf eine Truppenabtheilung zu machen, die der Prinz von Oranien bei Honiton postirt habe. Doch der Argwohn war einmal rege, es wurden weitere Fragen gestellt, aber ausweichend beantwortet. Endlich wurde Cornbury geradezu aufgefordert, seine Instruction vorzuzeigen. Er sah ein, daß es ihm nicht nur unmöglich sein würde, mit allen drei Regimentern überzugehen, sondern daß er sich auch selbst in einer höchst gefährlichen Lage befand. In Folge dessen stahl er sich mit einigen wenigen Begleitern fort in das holländische Hauptquartier. Der größte Theil seiner Truppen kehrte nach Salisbury zurück; ein andrer Theil aber, der von dem Hauptcorps detaschirt worden war und die Absichten des Befehlshabers nicht ahnete, marschirte bis Honiton. Hier sahen sie sich IX.75 inmitten eines zu ihrem Empfange vollständig gerüsteten starken Armeecorps. Widerstand war unmöglich. Ihr Anführer drang in sie, unter Wilhelm zu dienen. Es wurde ihnen ein Monatssold als Geschenk angeboten, und die Meisten nahmen dies an.111

Die Nachricht von diesen Vorgängen kam am Fünfzehnten nach London. Jakob war am Morgen dieses Tages sehr heiterer Laune gewesen. Der Bischof Lamplugh hatte eben nach seiner Ankunft von Exeter dem Hofe seine Aufwartung gemacht und war sehr gnädig empfangen worden. „Mylord,“ sagte der König zu ihm, „Sie sind ein ächter alter Kavalier.“ Lamplugh erhielt zum Lohn für seine Loyalität sofort das schon seit mehr als dritthalb Jahren erledigte Erzbisthum York. Am Nachmittage, als der König sich eben zu Tisch setzte, kam ein Expresser mit der Nachricht von Cornbury’s Abfall. Jakob erhob sich von der Tafel, ohne die Speisen zu berühren, genoß nichts als eine Brotrinde und ein Glas Wein und zog sich in sein Privatkabinet zurück. Er erfuhr später, daß nach seinem Weggange aus dem Speisesaale mehrere anwesende Lords, in die er das größte Vertrauen setzte, sich in der anstoßenden Gallerie die Hände geschüttelt und einander beglückwünscht hatten. Als die Botschaft der Königin mitgetheilt wurde, brach sie mit ihren Damen in Thränen und Wehklagen aus.112

Der Schlag war allerdings hart. Zwar belief sich der unmittelbare Verlust der Krone und der unmittelbare Gewinn der Feinde auf kaum zweihundert Mann und eben so viele Pferde. Aber wo konnte der König von nun an hoffen, diejenigen Gesinnungen zu finden, welche die Stärke der Staaten und der Armeen bilden? Cornbury war der Erbe eines Hauses, das sich stets durch seine Anhänglichkeit an die Monarchie ausgezeichnet hatte. Sein Vater Clarendon und sein Oheim Rochester waren Männer, deren Loyalität für unerschütterlich galt. Wie stark mußte das Gefühl sein, gegen welches die am tiefsten wurzelnden angeerbten Vorurtheile nicht Stand hielten, das Gefühl, das einen jungen Offizier von vornehmer Geburt zu einer durch Vertrauensbruch und grobe Falschheit verschlimmerten Desertion bewegen konnte? Daß Cornbury kein besonders talentvoller und unternehmender Mann war, machte den Vorfall nur noch beunruhigender. Man konnte unmöglich daran zweifeln, daß er irgendwo einen mächtigen und gewandten Verführer hatte. Wer dieser Verführer war, das sollte sich bald zeigen. Mittlerweile aber konnte Niemand im königlichen Lager sicher sein, daß er nicht von Verräthern umgeben war. Politische Stellung, mititairischer Rang, Kavalierehre, Soldatenehre, die stärksten Betheuerungen, das reinste Adelsblut boten keine Sicherheit mehr. Jedermann konnte mit Grund zweifeln, ob nicht jeder Befehl, den er von seinem Vorgesetzten erhielt, den Zwecken des Feindes dienen sollte. Der pünktliche Gehorsam, ohne den eine Armee nichts als ein zügelloser Pöbelhaufe ist, mußte nothwendig vorbei sein. Welche Disciplin konnte man von Soldaten erwarten, welche eben einer Schlinge entgangen waren, indem sie sich weigerten, ihren commandirenden Offizier zu einer geheimen IX.76 Expedition zu folgen, und indem sie auf Vorzeigung seiner Befehle drangen?

Cornbury wurde bald durch eine Menge in Rang und Fähigkeiten hoch über ihm stehender Überläufer unterstützt; einige Tage lang aber stand er ganz allein mit seiner Schande da und wurde von Vielen, welche nachher seinem Beispiele folgten und ihn darum beneideten, daß er zuerst den entehrenden Schritt gethan, heftig geschmäht. Unter diesen war sein eigner Vater. Der erste Ausbruch von Clarendon’s Zorn und Schmerz war ergreifend. „O Gott!“ rief er aus, „daß einer meiner Söhne ein Rebell werden mußte!“ Vierzehn Tage später entschloß er selbst sich dazu, ein Rebell zu werden. Man würde ihm jedoch Unrecht thun, wollte man ihn für einen bloßen Heuchler erklären. In Revolutionen lebt der Mensch schnell; die Erfahrung von Jahren drängt sich in wenigen Stunden zusammen; alte Gewohnheiten im Denken und Handeln werden gewaltsam gebrochen; man wird mit Neuerungen, die auf den ersten Anblick Entsetzen und Abscheu erwecken, binnen wenigen Tagen vertraut, man findet sie erträglich, ja anziehend. Viele weit tugendhaftere und muthigere Männer als Clarendon waren vor dem Schlusse jenes denkwürdigen Jahres zu Handlungen bereit, die sie am Anfange desselben für ruchlos und entehrend erklärt haben würden.

Der unglückliche Vater tröstete sich so gut er konnte und hielt um eine Privataudienz beim Könige an. Sie wurde ihm bewilligt. Jakob sagte mit mehr als gewöhnlicher Freundlichkeit, daß er Cornbury’s Verwandte aufrichtig bedaure und sie von aller Schuld an dem Verbrechen ihres entarteten Familienmitgliedes durchaus freispreche. Clarendon kehrte nach Hause zurück und wagte es kaum, seinen Freunden ins Auge zu blicken. Bald aber erfuhr er zu seinem Erstaunen, daß der Schritt, den er anfangs für seine Familie auf immer entehrend gehalten hatte, von vielen hochstehenden Personen gelobt wurde. Seine Nichte, die Prinzessin von Dänemark, fragte ihn, warum er sich so zurückziehe. Er antwortete ihr, daß die Schändlichkeit seines Sohnes ihn völlig zu Boden drücke. Anna schien diesen Kummer durchaus nicht zu begreifen. „Das Volk,“ sagte sie, „ist der Herrschaft des Papismus müde. Ich glaube, daß Viele von der Armee das Nämliche thun werden.“113

Der König rief nun in seiner Angst alle noch in London anwesenden hohen Offiziere zusammen. Churchill, welcher kurz vorher zum Generallieutenant befördert worden war, erschien mit der heiteren Ruhe, die weder Gefahr noch Schande je zu erschüttern vermochten. Heinrich Fitzroy, Herzog von Grafton, der sich unter den natürlichen Kindern Karl’s II. durch seine Verwegenheit und Thätigkeit auszeichnete, wohnte der Zusammenkunft bei. Grafton war Oberst des ersten Regiments der Fußgarden. Er scheint damals ganz unter Churchills Einfluß gestanden zu haben und war bereit, bei der ersten günstigen Gelegenheit die königliche Fahne zu verlassen. Außerdem waren noch zwei andere Hochverräther anwesend, Kirke und Trelawney, welche die damals unter der Bezeichnung der tangerschen Regimenter bekannten zwei wilden und zügellosen Heerhaufen befehligten. Sie hatten Beide, wie alle anderen protestantische Offiziere der IX.77 Armee, die Parteilichkeit, welche der König für die Mitglieder seiner eigenen Kirche an den Tag legte, schon seit langer Zeit mit großem Mißfallen betrachtet, und Trelawney erinnerte sich mit bitterem Grolle der Verfolgung seines Bruders, des Bischofs von Bristol. Jakob hielt eine Ansprache an die Versammlung, die eines besseren Mannes und einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Es könnte sein, sagte er, daß einige von seinen Offizieren Gewissensbedenken hätten, für ihn zu kämpfen. Wenn dem so wäre, sei er bereit, ihre Patente zurückzunehmen. Aber er beschwöre sie als Gentlemen und Soldaten, das schmachvolle Beispiel Cornbury’s nicht nachzuahmen. Alle schienen tief ergriffen zu sein, am tiefsten Churchill. Er war der Erste, der mit vortrefflich gespielter Begeisterung gelobte, daß er sein Blut bis auf den letzten Tropfen für seinen huldvollen Gebieter zu vergießen bereit sei. Grafton ergoß sich in ähnliche laute Betheuerungen und seinem Beispiele folgten auch Kirke und Trelawney.114

111. Clarke’s Life of James the Second, II. 215. Orig. Mem.; Burnet, I. 790; Clarendon’s Diary, Nov. 15. 1688; London Gazette, Nov. 17.

112. Clarke’s Life of James the Second, II. 218; Clarendon’s Diary, Nov. 15. 1688; Citters, 16.(26.) Nov.

113. Clarendon’s Diary, Nov. 15, 16, 17, 20. 1688.

114. Clarke’s Life of James the Second, II. 219. Orig. Mem.

Petition der Lords um Einberufung eines Parlaments. Durch diese Versicherungen getäuscht, schickte der König sich zum Aufbruch nach Salisbury an. Vor seiner Abreise wurde er benachrichtigt, daß eine beträchtliche Anzahl weltlicher und geistlicher Peers ihn um eine Audienz bitten ließen. Sie kamen mit Sancroft an ihrer Spitze um eine Petition zu überreichen, in der sie um Einberufung eines freien und gesetzlichen Parlaments und um Einleitung von Unterhandlungen mit dem Prinzen von Oranien baten.

Die Geschichte dieser Petition ist interessant. Die Idee scheint zwei wichtigen Parteihäuptern, welche lange Nebenbuhler und Feinde gewesen waren, Rochester und Halifax, zu gleicher Zeit gekommen zu sein. Sie zogen Beide unabhängig von einander die Bischöfe deshalb zu Rathe. Diese zollten dem Vorschlage warmen Beifall. Es wurde nun darauf angetragen, eine Generalversammlung der Peers anzuberaumen, um über die Form der dem Könige zu überreichenden Adresse zu berathen. Es war gerade Terminzeit der Gerichtshöfe, und zu dieser Zeit war Westminsterhall jeden Tag von hochgestellten und vornehmen Männern angefüllt, wie gegenwärtig die Clubs in Pall Mall und St. James Street. Nichts war leichter, als daß die dort versammelten Lords sich zu einer Berathung in ein Nebenzimmer begaben. Allein es erhoben sich unerwartete Schwierigkeiten. Halifax wurde zuerst kalt und dann sogar der Sache abgeneigt. Es lag in seiner Natur, gegen Alles Einwendungen zu entdecken und in gegenwärtigem Falle wurde seine Erfindungsgabe durch die Eifersucht noch besonders geschärft. Der Plan, der seinen Beifall gehabt hatte, so lange er ihn als seinen eigenen betrachtete, begann ihm zu mißfallen, sobald er entdeckte, daß es auch der Plan Rochester’s war, der ihm so lange hinderlich im Wege gestanden und ihn endlich verdrängt hatte, und gegen den er eine so starke Abneigung empfand, als er bei seinem sanften Character überhaupt gegen Jemanden empfinden konnte. Nottingham stand damals bedeutend unter Halifax’ Einflusse. Sie erklärten Beide, daß sie die Adresse nicht unterzeichnen würden, wenn Rochester sie mit unterzeichnete. Clarendon’s Vorstellungen blieben erfolglos. „Es ist nicht meine Absicht,“ sagte Halifax, „Mylord Rochester zu beleidigen, aber er ist Mitglied der kirchlichen Commission gewesen, die Proceduren IX.78 dieses Gerichtshofes werden bald einer strengen Untersuchung unterzogen werden, und es ist unpassend, daß ein Mann, der einen Sitz darin eingenommen hat, sich an unseren Maßregeln betheiligt.“ Nottingham sprach unter lebhaften Versicherungen seiner persönlichen Hochachtung für Rochester die nämliche Ansicht aus. Die Autorität der beiden dissentirenden Lords hielt mehrere andere Kavaliere ab, die Petition zu unterschreiben; aber die Hyde und die Bischöfe blieben bei ihrem Vorhaben. Es kamen neunzehn Unterschriften zusammen und die Petenten begaben sich in pleno zu dem Könige.115

Er nahm ihre Adresse sehr ungnädig auf. Er versicherte zwar, daß er selbst den Zusammentritt eines freien Parlaments dringend wünsche und versprach ihnen auf sein königliches Wort, ein solches einzuberufen, sobald der Prinz von Oranien die Insel wieder verlassen haben würde. „Aber,“ setzte er hinzu, „wie kann ein Parlament frei sein, so lange ein Feind im Lande ist und nahe an hundert Stimmen gewinnen kann?“ Zu den Prälaten sprach er mit besonderer Gereiztheit. „Neulich,“ sagte er, „konnte ich Sie nicht dazu bewegen, Sich gegen die Invasion zu erklären; jetzt aber sind Sie völlig bereit, Sich gegen mich zu erklären. Damals wollten Sie Sich nicht in die Politik mischen; heute tragen Sie kein Bedenken mehr, Sich in dieselbe zu mischen. Sie haben den Geist der Empörung unter Ihren Heerden erregt, und jetzt schüren Sie ihn noch an. Sie würden Ihre Zeit besser anwenden, wenn Sie sie lehrten mir zu gehorchen, anstatt daß Sie mich lehren wollen zu regieren.“ Sehr aufgebracht war er auch gegen seinen Neffen Grafton, dessen Name unmittelbar unter Sancroft’s Namen stand, und er sagte mit großer Heftigkeit zu dem jungen Manne: „Sie verstehen nichts von Religion, Sie kümmern Sich auch gar nicht darum, und doch wollen Sie behaupten, daß Sie ein Gewissen haben!“ — „Es ist wahr, Sire,“ erwiederte Grafton mit schamloser Offenheit, „ich habe sehr wenig Gewissen; aber ich gehöre einer Partei an, die sehr viel hat“.116

So gereizt die Sprache des Königs gegen die Bischöfe selbst war, so wurde sie doch noch viel bitterer, nachdem sie sich entfernt hatten. In der Hoffnung, sein pflichtvergessenes und undankbares Volk zufrieden zu stellen, sagte er, habe er schon viel zu viel gethan. Der Gedanke an Zugeständnisse sei ihm von jeher verhaßt gewesen, doch er habe sich überreden lassen, und jetzt habe er wie sein Vater gesehen, daß Zugeständnisse die Unterthanen nur noch anspruchsvoller machten. Er wolle nun aber nichts mehr bewilligen, kein Atom, welche letzten zwei Worte er seiner Gewohnheit nach mehrere Male mit Heftigkeit wiederholte. Er wolle den Angreifern nicht nur keine Eröffnungen machen, sondern auch keine von ihnen annehmen. Sollten die Holländer Parlamentaire schicken, so würde der erste ohne Antwort zurückgeschickt und der zweite gehängt werden.117

115. Clarendon’s Diary vom 8. bis 17. Nov. 1688.

116. Clarke’s Life of James the Second, II. 212. Orig. Mem.; Clarendon’s Diary, Nov. 17. 1688; Citters, 20.(30.) Nov.; Burnet, I. 791; Some Reflections upon the most Humble Petition to the King’s most Excellent Majesty, 1688; Modest Vindication of the Petition; First Collection of Papers relating to English Affairs, 1688.

117. Adda, 19.(29.) Nov. 1688.

IX.79

Der König begiebt sich nach Salisbury. In dieser Stimmung reiste Jakob nach Salisbury ab. Sein letzter Act vor seiner Abreise war die Ernennung eines Rathes von fünf Lords, die ihn während seiner Abwesenheit in London vertreten sollten. Zwei davon waren Papisten und deshalb gar nicht befähigt zu diesem Amte. Ihnen zur Seite stand Jeffreys, zwar ein Protestant, aber von der Nation mehr verabscheut, als irgend ein Papist. Gegen die übrigen zwei Mitglieder des Collegiums, Preston und Godolphin, war nichts Erhebliches einzuwenden. An dem Tage, an welchem der König London verließ, wurde der Prinz von Wales nach Portsmouth geschickt. Diese Festung hatte eine starke Besatzung und Berwick war Gouverneur. Die von Dartmouth commandirte Flotte lag nahe zur Hand, und so hoffte man, wenn die Dinge eine unglückliche Wendung nahmen, den kleinen Prinzen ohne Schwierigkeit von Portsmouth nach Frankreich bringen zu können.118

Am Neunzehnten traf der König in Salisbury ein und stieg im bischöflichen Palaste ab. Von allen Seiten kamen ihm nun in rascher Aufeinanderfolge schlimme Nachrichten zu. Die westlichen Grafschaften hatten sich endlich erhoben. Sobald Cornbury’s Abfall bekannt wurde, faßten sich viele reiche Grundeigenthümer ein Herz und eilten nach Exeter. Unter ihnen befand sich Sir Wilhelm Portman von Bryanstone, einer der angesehensten Männer von Dorsetshire, und Sir Franz Warre von Hestercombe, der in Somersetshire großen Einfluß hatte.119

118. Clarke’s Life of James, 220, 221.

119. Eachard’s History of the Revolution.

Seymour. Der Bedeutendste von den Neuangekommenen aber war Seymour, der unlängst eine Baronetschaft geerbt hatte, welche jedoch seinen Rang wenig erhöhte, und der in Folge seiner Geburt, seines politischen Ansehens und seiner parlamentarischen Talente entschieden der erste Torygentleman Englands war. Bei seiner ersten Audienz soll er seinen characteristischen Stolz in einer Weise geäußert haben, die den Prinzen überraschte und ergötzte. „Soviel ich weiß, Sir Eduard,“ sagte Wilhelm, der sehr artig zu sein glaubte, „gehören Sie zur Familie des Herzogs von Somerset?“ — „Entschuldigen Sie, Sire,“ entgegnete Sir Eduard, der nie vergaß, daß er das Oberhaupt der älteren Linie der Seymour war, „der Herzog von Somerset ist ein Mitglied meiner Familie“.120

120. Seymour’s Antwort an Wilhelm wird von vielen Schriftstellern mitgetheilt. Sie hat große Ähnlichkeit mit einer Anekdote, die man sich von der Familie Manriquez erzählt. Sie soll zu ihrer Devise die Worte gewählt haben: „Nos no descendemos de los Reyes, sino los Reyes descienden de nos.“ — Carpentariana.

Wilhelm’s Hoflager in Exeter. Das Hauptquartier Wilhelm’s fing nun an das Aussehen eines Hofes zu gewinnen. Mehr als sechzig angesehene und vermögende Männer wohnten in Exeter und die tägliche Schaustellung von glänzenden Livreen und sechsspännigen Equipagen auf dem Domplatz verlieh diesem stillen Orte etwas von dem in Whitehall herrschenden Glanze und Leben. Das gemeine Volk konnte es kaum erwarten, die Waffen zu ergreifen, und man hätte mit Leichtigkeit mehrere Bataillone Infanterie bilden können. Schomberg aber, der auf frisch vom Pfluge genommene Soldaten wenig Werth legte, war der IX.80 Meinung, daß, wenn das Unternehmen nicht ohne solche Hülfe gelingen könne, es überhaupt gar nicht gelingen würde, und Wilhelm, der das Kriegshandwerk eben so genau kannte als Schomberg, theilte diese Ansicht. Es wurden daher nur wenige neue Regimenter errichtet und nur auserlesene Rekruten dazu genommen.

Man hielt es jetzt für wünschenswerth, daß der Prinz die sämmtlichen in Exeter anwesenden Edelleute und Gentlemen öffentlich empfing. Er hielt eine kurze, aber würdevolle und wohl durchdachte Anrede an sie. Er sagte, er kenne nicht alle um ihn Versammelten persönlich, aber er habe eine Liste ihrer Namen und wisse, wie hoch sie in der Achtung ihres Vaterlandes ständen. Er tadelte mit milden Worten ihr spätes Erscheinen, sprach aber die zuversichtliche Hoffnung aus, daß es noch nicht zu spät sei, das Königreich zu retten. „Somit,“ schloß er, „heißen wir Euch, Gentlemen, Freunde und Mitprotestanten, sowie Eure Begleiter an unsrem Hofe und in unsrem Lager herzlich willkommen.“121

Seymour, ein seit langer Zeit an die Parteitaktik gewöhnter Staatsmann von scharfem Blicke, erkannte sogleich, daß die Partei, welche sich um den Prinzen zu schaaren begonnen hatte, der Organisation bedurfte. Bis jetzt, sagte er, sei sie nur ein Sandhaufen, kein gemeinsamer Zweck sei öffentlich und feierlich angekündigt worden, Niemand habe sich noch zu etwas verpflichtet. Sobald die Versammlung in der Dechanei wieder auseinander gegangen war, ließ er Burnet rufen und schlug ihm vor, daß ein Bund gebildet werden und alle englischen Anhänger des Prinzen eine Urkunde unterzeichnen sollten, durch welche sie sich zur Treue gegen ihren Führer und gegen einander verpflichteten. Burnet theilte diesen Vorschlag dem Prinzen und Shrewsbury mit, die ihn Beide billigten. Es wurde eine Versammlung in der Kathedrale gehalten und Burnet legte einen Entwurf vor, der angenommen und eifrig unterzeichnet wurde. Die Unterzeichner verpflichteten sich, die in der Erklärung des Prinzen dargelegten Zwecke einmüthig zu verfolgen, ihm und sich selbst gegenseitig beizustehen, gegen Jeden, der ein Attentat auf seine Person unternehmen sollte, exemplarische Rache zu üben und selbst wenn ein solches Attentat unglücklicherweise gelingen sollte, in ihrem Unternehmen zu beharren, bis die Freiheiten und die Religion des Volks wirksam gesichert seien.122

Um die nämliche Zeit kam ein Bote vom Earl von Bath, der in Plymouth commandirte, in Exeter an. Bath erklärte, daß er seine Person, seine Mannschaft und die Festung, deren Gouverneur er war, dem Prinzen zur Verfügung stelle. So hatten die Angreifenden keinen einzigen Feind mehr im Rücken.123

121. Fourth Collection of Papers, 1688; Brief von Exon; Burnet, I. 792.

122. Burnet, I. 792; History of the Desertion; Second Collection of Papers, 1688.

123. Brief von Bath an den Prinzen von Oranien vom 18. Nov. 1688; Dalrymple.

Aufstand im Norden. Während der Westen sich so gegen den König erhob, stand hinter ihm auch schon der ganze Norden in Flammen. Am Sechzehnten griff Delamere in Cheshire zu den Waffen. Er rief seine Pächter zusammen, forderte sie auf, ihm beizustehen, versprach ihnen, daß, wenn sie im Kampfe fielen, die Pachtungen ihren Hinterlassenen aufs neue bewilligt werden sollten, und ermahnte Jeden, der ein gutes Pferd IX.81 habe, entweder selbst ins Feld zu ziehen, oder einen Ersatzmann zu stellen.124 Er erschien mit funfzig bewaffneten und berittenen Männern in Manchester und bevor er Boaden Downs erreichte, hatte sich seine Truppe verdreifacht.

Die benachbarten Grafschaften waren in heftiger Gährung. Es war festgesetzt worden, daß Danby York nehmen und Devonshire in Nottingham erscheinen sollte. In Nottingham erwartete man keinen Widerstand zu finden, in York aber lag eine kleine Garnison unter dem Commando Sir John Reresby’s. Danby ging mit großer Klugheit und Umsicht zu Werke. Auf den 22. November war eine Versammlung der Gentry und der Freisassen von Yorkshire ausgeschrieben, um eine Adresse wegen der Lage der Dinge an den König zu berathen. Alle Statthaltersubstituten der drei Bezirke, mehrere Kavaliere und eine Menge reicher Esquires und wohlhabender Freisassen hatten sich zu dieser Versammlung in der Provincialhauptstadt eingefunden. Vier Abtheilungen Miliz waren zur Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung commandirt. Das Rathhaus war gedrängt voll Freisassen und die Berathung hatte eben begonnen, als sich plötzlich der Ruf vernehmen ließ, die Papisten hätten sich erhoben und metzelten die Protestanten nieder. Die Papisten von York waren viel wahrscheinlicher darauf bedacht, sich zu verbergen, als einen Feind anzugreifen, der ihnen um das Hundertfache überlegen war. Aber damals konnte eine Geschichte von Papistenwuth noch so übernatürlich und wunderbar sein, sie fand dennoch bereitwilligen Glauben. Die Versammlung ging erschreckt auseinander. Die ganze Stadt war in Aufruhr. In diesem Augenblicke ritt Danby an der Spitze von etwa hundert Reitern der Miliz entgegen und erhob den Ruf: „Keinen Papismus! ein freies Parlament! die protestantische Religion!“ Die Miliz stimmte ein. In einem Nu war die Garnison überrumpelt und entwaffnet. Der Gouverneur wurde in Gewahrsam gebracht, die Thore geschlossen und überall Schildwachen ausgestellt. Man ließ den Pöbel ungehindert eine katholische Kapelle niederreißen; sonst aber scheint kein Unfug verübt worden zu sein. Am folgenden Morgen war die Guildhall von den vornehmsten Gentlemen der Grafschaft und den höchsten Magistratsbeamten der Stadt angefüllt. Der Lordmayor wurde zum Vorsitzenden ernannt. Danby schlug eine Erklärung vor, in der die Gründe dargelegt werden sollten, welche die Freunde der Verfassung und der protestantischen Religion bewogen hatten, zu den Waffen zu greifen. Diese Erklärung wurde mit allgemeinem Beifall angenommen und war binnen wenigen Stunden von sechs Peers, fünf Baronets, sechs Rittern und vielen hochangesehenen Gentlemen unterzeichnet.125

Inzwischen verließ Devonshire an der Spitze einer starken Truppe von Freunden und Untergebenen den Palast, den er eben in Chatsworth bauen ließ, und erschien bewaffnet in Derby. Hier übergab er der städtischen Behörde in aller Form eine Schrift, in der die Beweggründe seines Unternehmens auseinandergesetzt waren. Dann marschirte er nach Nottingham, das bald das Hauptquartier des Aufstandes im Norden wurde. Hier erließ er eine in kühnen und harten Ausdrücken abgefaßte IX.82 Proklamation. Das Wort Rebellion, hieß es darin, sei ein Popanz, der keinen verständigen Mann schrecken könne. Sei es Rebellion, die Gesetze und den Glauben zu vertheidigen, zu deren Aufrechthaltung jeder englische König sich eidlich verpflichte? Wie dieser Eid neuerdings gehalten worden sei, darüber werde hoffentlich bald ein freies Parlament entscheiden. Die Insurgenten erklärten, daß sie es, bis diese Entscheidung erfolge, nicht für Rebellion, sondern nur für rechtmäßige Nothwehr hielten, sich einem Tyrannen zu widersetzen, der kein andres Gesetz kenne, als seinen Willen. Im Norden gewann der Aufstand mit jedem Tage eine größere Ausdehnung. Vier mächtige und reiche Earls, Manchester, Stamford, Rutland und Chesterfield, begaben sich nach Nottingham, wo sich ihnen Lord Cholmondely und Lord Grey de Ruthyn anschlossen.126

Währenddem kamen die feindlichen Heere im Süden einander immer näher. Als der Prinz von Oranien erfuhr, daß der König in Salisbury angekommen war, hielt er es für an der Zeit, Exeter zu verlassen. Er stellte diese Stadt und ihre Umgegend unter das Commando Sir Eduard Seymour’s und brach Mittwoch den 21. November in Begleitung vieler der angesehensten Gentlemen der westlichen Grafschaften nach Axminster auf, wo er mehrere Tage blieb.

Der König wünschte sehnlichst, daß es zu einem Kampfe kommen möchte, was offenbar in seinem Interesse lag. Jede Stunde entriß ihm etwas von seiner Stärke und vermehrte die seiner Feinde. Überdies war es sehr wichtig, daß seine Truppen sich ans Feuer gewöhnten. Eine große Schlacht, welchen Ausgang sie auch nehmen mochte, konnte die Popularität des Prinzen nur vermindern. Dies Alles erkannte Wilhelm sehr wohl und er nahm sich deshalb vor, einen Zusammenstoß so lange als möglich zu vermeiden. Als Schomberg die Nachricht erhielt, daß der Feind anrücke und zu einer Schlacht entschlossen sei, soll er mit der Gelassenheit eines sich seiner Geschicklichkeit bewußten Taktikers gesagt haben: „Das wird lediglich von uns abhängen.“ Es war indessen nicht möglich, alles Scharmützeln zwischen den Vorposten der beiden Armeen zu verhindern. Wilhelm wünschte, daß bei diesen Scharmützeln nichts geschah, was den Stolz der Nation, die er befreien wollte, verletzen oder ihr Rachegefühl aufstacheln könnte. Daher stellte er mit bewundernswerther Klugheit seine britischen Regimenter dahin, wo die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes am größten war. Die Vorposten der königlichen Armee waren Irländer, und in Folge dessen hatten die Eingedrungenen bei den kleinen Gefechten dieses kurzen Feldzugs die aufrichtige Sympathie aller Engländer für sich.

124. First Collection of Papers, 1688; London Gazette, Nov. 22.

125. Reresby’s Memoirs; Clarke’s Life of James, II. 231. Orig. Mem.

126. Cibber’s Apology; History of the Desertion; Luttrell’s Diary; Second Collection of Papers, 1688.

Gefecht bei Wincanton. Das erste derartige Treffen fand bei Wincanton statt. Mackay’s Regiment, das aus britischen Soldaten bestand, lag in der Nähe einer Abtheilung irischer Truppen des Königs, welche ihr Landsmann, der tapfere Sarsfield, befehligte. Mackay schickte ein kleines Detachement unter einem Lieutenant Namens Campbell aus, um Bagagepferde herbeizuschaffen. In Wincanton fand Campbell was er brauchte, und als er eben die Stadt wieder verließ, um zur Armee zurückzukehren, rückte eine starke Abtheilung von Sarsfield’s Truppen IX.83 heran. Die Irländer waren ihren Gegnern um das Vierfache überlegen, dennoch aber entschloß sich Campbell bis zum Äußersten zu kämpfen. Mit einem Häuflein tapferer Männer stellte er sich auf der Straße auf, und seine übrigen Soldaten besetzten die Hecken zu beiden Seiten der Straße. Der Feind kam heran. „Halt!“ rief Campbell, „für wen seid Ihr.“ — „Ich bin für König Jakob,“ antwortete der Anführer der feindlichen Truppe. „Und ich für den Prinzen von Oranien,“ versetzte Campbell. „Wir wollen Euch beprinzen!“ rief der Irländer mit einem Fluche. „Feuer!“ commandirte Campbell, und augenblicklich knatterte ein wohlgezieltes Feuer hinter den Hecken hervor. Die königlichen Truppen erhielten drei kräftige Salven, ehe sie das Feuer erwiedern konnten. Endlich gelang es ihnen, eine der Hecken zu nehmen, und sie würden die ihnen entgegenstehende kleine Schaar überwältigt haben, hätte nicht das Landvolk, das die Irländer gründlich haßte, falschen Lärm gemacht, daß noch mehr Truppen des Prinzen anrückten. Sarsfield rief seine Leute ab und zog sich zurück und Campbell setzte mit den Bagagepferden seinen Marsch ungehindert fort. Dieses Gefecht, das zwar dem Muthe und der Disciplin der Armee des Prinzen Ehre machte, wurde durch die Fama zu einem Siege vergrößert, den britische Protestanten über eine bedeutende Übermacht von papistischen Barbaren davongetragen, welche aus Connaught herübergeholt worden seien, um unsre Insel zu unterdrücken.127

Wenige Stunden nach diesem Scharmützel ereignete sich ein Vorfall, der jeder Wahrscheinlichkeit eines ernsten Kampfes zwischen den beiden Armeen ein Ende machte. Churchill und einige von seinen Hauptcomplicen befanden sich in Salisbury. Zwei der Verschwornen, Kirke und Trelawney, hatten sich nach Warminster begeben, wo ihre Regimenter standen. Alles war reif zur Ausführung des lange erwogenen Verraths.

Churchill rieth dem Könige, Warminster zu besuchen und die dort stehenden Truppen zu inspiciren. Jakob willigte ein und sein Wagen hielt schon am Thore des bischöflichen Palastes, als er mit einem Male heftiges Nasenbluten bekam. Er mußte die Reise aufschieben und sich einer ärztlichen Behandlung unterziehen. Drei Tage vergingen, ehe die Blutung völlig gestillt war und während dieser drei Tage kamen ihm beunruhigende Gerüchte zu Ohren.

Eine so weitverzweigte Verschwörung wie die, an deren Spitze Churchill stand, konnte unmöglich lange streng geheim gehalten werden. Man hatte zwar keine Beweise, die einer Jury oder einem Kriegsgericht hätten vorgelegt werden können, aber es circulirten sonderbare Gerüchte im Lager. Feversham, der das Obercommando führte, meldete, daß ein schlechter Geist in der Armee herrsche. Man machte den König darauf aufmerksam, daß gewisse Personen seiner nächsten Umgebung nicht seine Freunde seien und daß es nur ein Schritt weiser Vorsicht sein würde, wenn er Churchill und Grafton unter Bedeckung nach Portsmouth sendete. Jakob verwarf diesen Rath. Neigung zum Argwohn gehörte nicht zu seinen Fehlern. Im Gegentheil, er setzte ein so großes Vertrauen in Versicherungen der Treue und Anhänglichkeit, wie man es wohl von einem gutmüthigen und unerfahrenen jungen Menschen, nicht aber von IX.84 einem in Jahren vorgerückten Staatsmann hätte erwarten sollen, der die Welt kennen gelernt, der von schurkischen Ränken und Intriguen viel zu leiden gehabt hatte und dessen eigner Character keineswegs ein vortheilhaftes Muster der menschlichen Natur war. Es dürfte schwer sein, einen zweiten Mann zu finden, der sein Wort so leichtsinnig brach, als Jakob und der dabei so schwer zu dem Glauben zu bringen war, daß Andere ihr Wort gegen ihn brechen könnten. Nichtsdestoweniger machten ihn die ihm zukommenden Berichte über die Stimmung seiner Armee sehr besorgt. Er sehnte sich jetzt nicht mehr nach einer Schlacht, ja er begann sogar an den Rückzug zu denken. Samstag Abend, den 24. November berief er einen Kriegsrath zusammen, dem auch diejenigen Offiziere beiwohnten, gegen die er ernstlich gewarnt worden war. Feversham sprach sich dahin aus, daß der Rückzug wünschenswerth sei. Churchill stimmte für das Gegentheil. Die Berathung dauerte bis Mitternacht. Endlich erklärte der König, daß er sich zu dem Rückzuge entschieden habe.

127. Whittle’s Diary; History of the Desertion; Luttrell’s Diary.

Churchill’s und Grafton’s Abfall. Churchill bemerkte oder glaubte zu bemerken, daß man ihm nicht traute und vermochte trotz seiner nicht gewöhnlichen Selbstbeherrschung seine Angst nicht zu verbergen. Er entfloh daher noch vor Tagesanbruch mit Grafton ins Lager des Prinzen.128

Er ließ eine schriftliche Erklärung zurück, welche in dem anständigen Tone gehalten war, den er bei aller Strafbarkeit und Ehrlosigkeit doch stets beobachtete. Er erkannte an, daß er der Gunst des Königs Alles verdanke. Interesse und Dankbarkeit, sagte er, zogen ihn nach der nämlichen Seite hin. Unter keiner andren Regierung könne er hoffen so einflußreich und mächtig zu werden, als er es gewesen sei; aber alle solche Rücksichten müßten einer höheren Pflicht weichen. Er sei Protestant und sein Gewissen gestatte ihm nicht, gegen den Protestantismus das Schwert zu ziehen. Übrigens aber werde er stets bereit sein, zur Vertheidigung der geheiligten Person und der gesetzlichen Rechte seines gnädigen Gebieters Gut und Leben aufzuopfern.129

Am nächsten Morgen war im königlichen Lager Alles in der größten Bestürzung. Die Freunde des Königs waren wie vernichtet und seine Feinde konnten ihre Freude nicht unterdrücken. Jakob’s Bestürzung wurde noch durch Nachrichten vermehrt, welche denselben Tag von Warminster einliefen. Kirke, welcher dort commandirte, hatte Befehlen, die er von Salisbury erhalten, den Gehorsam verweigert. Es konnte keinem Zweifel mehr unterliegen, daß auch er mit dem Prinzen von Oranien im Bunde stand. Es hieß, er sei schon mit allen seinen Truppen zum Feinde übergegangen, und obgleich dieses Gerücht falsch war, fand es doch einige Stunden lang vollen Glauben.130 Jetzt ging dem unglücklichen Könige wieder ein neues Licht auf. Er glaubte zu errathen, warum man ihn vor einigen Tagen gedrängt hatte, Warminster zu besuchen. Er würde dort hülflos in der Gewalt der Verschwörer und in der Nähe der feindlichen IX.85 Vorposten gewesen, Die, welche es versucht hätten ihn zu vertheidigen, würden leicht überwältigt und er als Gefangener in das Hauptquartier der feindlichen Armee gebracht worden sein. Vielleicht wäre ein noch schwärzerer Verrath verübt worden, denn Menschen, die einmal ein strafbares und gefährliches Unternehmen begonnen haben, sind nicht mehr Herren ihrer selbst und werden oft durch ein Verhängniß, das einen Theil ihrer verdienten Strafe bildet, zu Verbrechen getrieben, an die sie vorher nur mit Schaudern hätten denken können. Gewiß war es das Werk irgend eines Schutzheiligen, daß ein der katholischen Kirche ergebener König in dem Augenblicke, wo er blindlings der Gefangenschaft, ja vielleicht dem Tode entgegenzueilen im Begriffe war, plötzlich durch eine Unpäßlichkeit aufgehalten wurde, die er damals als ein Unglück betrachtete.

128. Clarke’s Life of James, II. 222. Orig. Mem.: Barillon, 21. Nov. (1. Dec.) 1688; Sheridan MS.

129. First Collection of Papers, 1688.

130. Brief von Middleton an Preston aus Salisbury vom 25. Nov. „Schurkerei über Schurkerei,“ sagt Middleton, „die letzte immer größer als die vorhergehende.“ Clarke’s Life of James, II. 224. 225, Orig. Mem.

Rückzug der königlichen Armee von Salisbury. Dies Alles bestärkte Jakob in dem am vorhergehenden Abend gefaßten Entschlusse. Es wurde Befehl zum unverweilten Rückzuge gegeben. Ganz Salisbury war in Aufruhr. Das Lager wurde mit der Verwirrung einer Flucht abgebrochen. Kein Mensch wußte mehr, wem er trauen und wem er gehorchen sollte. Die materielle Stärke der Armee hatte sich nur unbedeutend vermindert, aber ihre moralische Kraft war vernichtet. Viele, die sich geschämt haben würden, mit dem Übertritt zu dem Prinzen voranzugehen, folgten nun bereitwillig einem Beispiele, das sie nie gegeben haben würden, und viele Andere, die zu ihrem Könige gehalten haben würden, so lange er muthig gegen den Feind vorzurücken schien, hatten keine Lust, bei einer zurückweichenden Fahne zu bleiben.131

Jakob ging an diesem Tage bis Andover. Sein Schwiegersohn, Prinz Georg, und der Herzog von Ormond begleiteten ihn. Beide gehörten zu den Verschwornen und würden wahrscheinlich mit Churchill geflohen sein, hätte dieser es in Folge der Vorgänge im Kriegsrathe nicht für rathsam gehalten, seine Abreise zu beschleunigen. Dem Prinzen Georg kam seine Geistesbeschränktheit in diesem Falle besser zu statten, als es Klugheit gethan haben würde. Wenn ihm eine Nachricht gemeldet wurde, pflegte er auf Französisch auszurufen: „Est-il possible?“ (ist es möglich?) Diese Phrase war ihm jetzt sehr nützlich. „Est-il possible?“ rief er, als man ihn benachrichtigte, daß Churchill und Grafton vermißt wurden. Und als die schlimme Botschaft von Warminster kam, rief er abermals: „Est-il possible?“

131. History of the Desertion; Luttrell’s Diary.

Abfall des Prinzen Georg und Ormond’s. Prinz Georg und Ormond wurden in Andover eingeladen, mit dem Könige zu Abend zu speisen. Dies muß eine traurige Mahlzeit gewesen sein. Der König war von seinem Unglück zu Boden gedrückt, und sein Schwiegersohn war der langweiligste Gesellschafter, den es geben konnte. Karl II. sagte einmal: „Ich habe den Prinzen Georg nüchtern gesehen und habe ihn betrunken gesehen, aber mag er nüchtern oder betrunken sein, es ist nichts an ihm.“132 Ormond, der während seines ganzen Lebens schweigsam und zurückhaltend gewesen, war in einem solchen Augenblicke gewiß auch nicht heiter. Sogleich nach beendeter Mahlzeit ging der König zur Ruhe. Für den Prinzen und Ormond standen schon Pferde bereit; sobald sie sich IX.86 von der Tafel erhoben hatten, saßen sie auf und sprengten davon. In ihrer Begleitung befand sich der Earl von Drumlanrig, der älteste Sohn des Herzogs von Queensberry. Der Abfall dieses jungen Kavaliers war kein unwichtiges Ereigniß, denn Queensberry war das Oberhaupt der protestantischen Episcopalen Schottlands, einer Klasse, im Vergleich zu welcher die entschiedensten englischen Tories whiggistisch genannt werden konnten, und Drumlanrig selbst war Oberstlieutenant von Dundee’s Regiment, eines Corps, das die Whigs noch mehr haßten, als Kirke’s Lämmer. Dieses neue Unglück wurde dem Könige am nächsten Morgen gemeldet. Er war von der Nachricht weniger ergriffen, als man hatte erwarten sollen. Der Schlag, der ihn vierundzwanzig Stunden früher getroffen, hatte ihn auf fast jedes nur mögliche Unglück vorbereitet, und er konnte dem Prinzen Georg, der kaum zurechnungsfähig war, unmöglich ernstlich zürnen, daß er den Kunstgriffen eines Verführers wie Churchill erlegen war. „Wie?“ rief Jakob, „ist Est-il possible auch fort? Nun, im Grunde würde ein guter Dragoner ein größerer Verlust gewesen sein.“133 Der Zorn des Königs schien sich in der That, und nicht ohne Grund, damals auf eine einzige Person zu concentriren. Von glühendem Rachedurst gegen Churchill erfüllt, reiste er weiter nach London und erfuhr bei seiner Ankunft daselbst ein neues Verbrechen des Erzverräthers. Seit einigen Stunden wurde die Prinzessin Anna vermißt.

132. Dartmouth’s Note zu Burnet, I. 643.

133. Clarendon’s Diary, Nov. 26; Clarke’s Life of James, II. 224; Prinz Georg’s Brief an den König ist oft gedruckt worden.

Flucht der Prinzessin Anna. Anna, welche keinen andren Willen als den der Churchill hatte, war vor acht Tagen durch sie bewogen worden, eigenhändig dem Prinzen Wilhelm zu versichern, daß sie sein Unternehmen billige. Sie schrieb ihm, daß sie ganz in den Händen ihrer Freunde sei und ganz nach deren Bestimmung entweder im Palaste bleiben oder in der Stadt einen Zufluchtsort suchen werde.134 Am Sonntag, den 25. November mußte sie und Diejenigen, welche für sie dachten und handelten, plötzlich einen Entschluß fassen. An diesem Nachmittag brachte ein Courier von Salisbury die Nachricht, daß Churchill verschwunden sei, daß Grafton ihn begleitet habe, daß auch Kirke untreu geworden und die ganze königliche Armee im vollen Rückzüge begriffen sei. Wie gewöhnlich, wenn wichtige Nachrichten, gleichviel ob gute oder schlimme, in der Stadt anlangten, so versammelte sich auch an diesem Abende eine große Menschenmenge in den Gallerien von Whitehall. Neugierde und ängstliche Spannung sprach aus allen Gesichtern. Die Königin ergoß sich in wohl zu entschuldigende Äußerungen des Unwillens über den Hauptverräther und schonte dabei auch seine allzu parteiische Gebieterin nicht ganz. An den Zugängen des Palastflügels, den Anna bewohnte, wurden die Schildwachen verstärkt. Die Prinzessin war in der größten Angst. In wenigen Stunden mußte ihr Vater in Westminster eintreffen. Daß er sie persönlich mit Strenge behandeln würde, war nicht anzunehmen, aber sie durfte nicht hoffen, daß er ihr fernerhin den Umgang mit ihrer Freundin gestatten werde. Es war kaum daran zu zweifeln, daß Sara festgenommen und einem strengen Verhör durch gewandte und rücksichtslose Inquisitoren unterworfen werden würde. Jedenfalls IX.87 wurden ihre Papiere mit Beschlag belegt, und vielleicht fand man darunter Beweise, die ihr Leben in Gefahr brachten. In diesem Falle war das Schlimmste zu fürchten. Die Rache des unerbittlichen Königs kannte keinen Unterschied des Geschlechts; um viel geringfügigerer Vergehen willen als diejenigen, deren Lady Churchill möglicherweise überführt werden konnte, hatte er Frauen aufs Schaffott und auf den Scheiterhaufen geschickt. Ihre starke Zuneigung zu Lady Churchill verlieh dem Geiste der Prinzessin eine ungewöhnliche Energie. Es gab kein Band, das sie um des Gegenstandes ihrer abgöttischen Liebe willen nicht zerrissen, keine Gefahr, der sie sich für sie nicht ausgesetzt haben würde. „Eher springe ich aus dem Fenster,“ rief sie aus, „als daß ich mich von meinem Vater hier finden lasse!“ Die Freundin übernahm es, ihre Flucht zu bewerkstelligen. Sie berieth sich in aller Eil mit einigen Oberhäuptern der Verschwörung und binnen wenigen Stunden waren alle Anstalten zur Flucht getroffen. Am Abend zog sich Anna wie gewöhnlich in ihre Gemächer zurück. Sobald es völlig dunkel geworden war, stand sie auf und schlich leise, von ihrer Freundin Sara und einigen Kammerfrauen begleitet, im Morgenrock und Hausschuhen die Hintertreppe hinunter. Die Flüchtlinge gelangten unangefochten auf die Straße, wo ein Miethwagen sie erwartete. Zwei Männer bewachten die bescheidene Equipage: Compton, Bischof von London, der alte Lehrer der Prinzessin, und der prachtliebende, talentvolle Dorset, den die Größe der öffentlichen Gefahr aus seiner üppigen Ruhe aufgerüttelt hatte. Der Wagen fuhr sogleich nach Aldersgate Street, wo damals der städtische Palast der Bischöfe von London im Schatten ihrer Kathedrale stand. Hier brachte die Prinzessin die Nacht zu. Am folgenden Morgen reiste sie nach dem Eppingwalde ab, wo Dorset ein altes Schloß besaß, das schon vor langer Zeit zerstört worden ist. In dieser gastlichen Wohnung, viele Jahre lang der Lieblingsaufenthalt von Schöngeistern und Dichtern, hielten die Flüchtlinge eine kurze Rast. Sie konnten es nicht ohne Gefahr versuchen, Wilhelm’s Hauptquartier zu erreichen, denn der Weg dahin führte durch eine von königlichen Truppen besetzte Gegend. Es wurde daher beschlossen, daß Anna sich zu den Insurgenten im Norden begeben sollte. Compton legte für diese Zeit seinen geistlichen Character völlig ab. Gefahr und Kampf hatten in seiner Brust wieder das ganze kriegerische Feuer entzündet, das ihn achtundzwanzig Jahre früher beseelte, als er unter der Leibgarde diente. In einem Büffelwams und Reiterstiefeln, das Schwert an der Seite und Pistolen in den Holstern, ritt er vor dem Wagen der Prinzessin her. Lange vor ihrer Ankunft in Nottingham war sie bereits von einer Leibwache von Gentlemen umgeben, die sie aus eignem Antriebe begleiteten. Sie ersuchten den Bischof, sich als Oberst an ihre Spitze zu stellen, und er erfüllte ihren Wunsch mit einer Bereitwilligkeit, welche bei den strengen Kirchenmännern großes Ärgerniß erregte und seinem Rufe selbst in den Augen der Whigs keinen Vortheil brachte.135

IX.88

Als am Morgen des Sechsundzwanzigsten Anna’s Gemächer leer gefunden wurden, war die Bestürzung in Whitehall groß. Während ihre Kammerfrauen jammernd und händeringend durch die Höfe des Palastes liefen, während Lord Carven, der die Leibgarde zu Fuß commandirte, die Wachen in der Gallerie ausfragte, während der Kanzler die Papiere der Churchill versiegelte, stürzte die Amme der Prinzessin in die königlichen Gemächer und rief aus, ihre geliebte Herrin sei von den Papisten ermordet worden. Die Nachricht gelangte nach Westminsterhall. Hier erzählte man sich, Ihre Hoheit sei gewaltsam in ein Gefängniß gebracht worden. Als es nicht mehr geleugnet werden konnte, daß sie freiwillig entflohen war, wurden eine Menge Geschichten zur Motivirung ihrer Flucht erdichtet. Sie sei gröblich beleidigt und bedroht, ja sogar von ihrer gefühllosen Stiefmutter geschlagen worden, obgleich sie sich in Umständen befand, in denen eine Frau Anspruch auf eine besonders zarte Behandlung hat. Das durch eine mehrjährige schlechte Regierung argwöhnisch und reizbar gemachte Volk wurde durch diese Verleumdungen so aufgebracht, daß die Königin ihres Lebens kaum sicher war. Viele Katholiken und mehrere protestantische Tories von erprobter Loyalität eilten in den Palast, um sie im Fall eines Ausbruchs vertheidigen zu können. Inmitten dieses Schreckens und Entsetzens kam die Nachricht von der Flucht des Prinzen Georg. Dem Courier, welcher diese schlimme Botschaft überbrachte, folgte der König selbst auf dem Fuße. Es war bereits völlig dunkel, als der König ankam und von dem Verschwinden seiner Tochter unterrichtet wurde. Nach Allem, was er schon gelitten hatte, preßte dieser neue Schlag ihm einen Jammerschrei aus. „Gott stehe mir bei!“ rief er aus; „meine eigenen Kinder haben mich verlassen!“136

134. Der vom 18. Nov. datirte Brief ist in Dalrymple zu finden.

135. Clarendon’s Diary, Nov. 25, 26. 1688; Citters, 26. Nov. (6. Dec.); Ellis Correspondence, Dec. 19.; Duchess of Marlborough’s Vindication; Burnet, I. 792; Compton, an den Prinzen von Oranien, 2. Dec. 1688 in Dalrymple. Das militairische Kostüm des Bischofs wird in unzähligen Flugschriften und Spottgedichten erwähnt.

136. Dartmouth’s Note zu Burnet I. 792: Citters, 26. Nov. (6. Dec.) 1688; Clarke’s Life of James, II. 226. Orig. Mem.; Clarendon’s Diary, Nov. 26.; Revolution Politics.

Jakob hält eine Berathung mit den Lords. Noch denselben Abend hielt er mit seinen ersten Ministern eine bis spät in die Nacht dauernde Berathung. Es wurde beschlossen, daß er alle zur Zeit in London anwesenden geistlichen und weltlichen Lords am folgenden Tage zu sich entbieten und sie feierlich um Rath fragen sollte. Demgemäß versammelten sich die Lords am Dienstag Nachmittag, den 27. November, im Speisesaale des Palastes. Die Versammlung bestand aus neun Prälaten und zwischen dreißig und vierzig weltlichen Edelleuten, sämmtlich Protestanten. Auch die beiden Staatssekretäre, Middleton und Preston, waren anwesend, obgleich sie nicht Peers des Reichs waren. Der König selbst präsidirte. Die Spuren schwerer körperlicher und geistiger Leiden waren in seinen Gesichtszügen und in seiner Haltung deutlich zu erkennen. Er eröffnete die Verhandlung mit der Erwähnung der Petition, die ihm kurz vor seiner Abreise nach Salisbury überreicht worden war. Der Inhalt dieser Petition war die Bitte um Einberufung eines freien Parlaments. In seiner damaligen Lage, sagte er, habe er es nicht für zweckmäßig gehalten, der Bitte zu willfahren. Während seiner Abwesenheit von London aber seien wichtige Veränderungen eingetreten; auch habe er bemerkt, das sein Volk überall den Zusammentritt der Kammern sehnlichst IX.89 wünsche. Daher habe er seine getreuen Peers zu sich entboten, um ihren Rath zu hören.

Es trat eine Pause ein. Dann sagte Oxford, dem sein in Alter und Glanz unerreichter Stammbaum ein gewisses Übergewicht in der Versammlung gab, seiner Ansicht nach müßten die Lords, welche die von Seiner Majestät erwähnte Petition unterzeichnet hätten, ihre Meinungen jetzt aussprechen.

Diese Worte bestimmten Rochester zu reden. Er vertheidigte die Petition und erklärte, daß er noch immer nirgends eine Hoffnung für den Thron und das Land sehe, als in einem Parlament. Er wage es nicht zu behaupten, daß in einer so unheilvollen Bedrängniß selbst dieses Mittel wirksamen Erfolg haben werde; aber er wisse kein andres vorzuschlagen. Er setzte hinzu, daß es rathsam sein dürfte, Unterhandlungen mit dem Prinzen von Oranien zu eröffnen. Nach ihm sprachen Jeffreys und Godolphin, und Beide erklärten sich mit ihm einverstanden.

Jetzt stand Clarendon auf und ergoß sich zum Erstaunen Aller, die sich seiner lauten Loyalitätsversicherungen und der heftigen Äußerungen von Scham und Schmerz erinnerten, die ihm noch vor wenigen Tagen die Nachricht von dem Abfalle seines Sohnes entrissen hatte, in eine Schmährede gegen Tyrannei und Papismus. „Noch in diesem Augenblicke,“ sagte er, „errichtet Seine Majestät in London ein Regiment, in welches keine Protestanten aufgenommen werden.“ — „Das ist nicht wahr!“ rief Jakob mit Heftigkeit aus. Clarendon bestand auf seiner Behauptung und verließ dieses beleidigende Thema nur um auf ein noch beleidigenderes überzugehen. Er beschuldigte den unglücklichen König des Kleinmuths. Warum sei er nicht in Salisbury geblieben? warum habe er nicht das Glück einer Schlacht versucht? Könne man es dem Volke verargen, daß es sich dem Angreifer unterwarf, wenn es seinen König an der Spitze seiner Armee davonlaufen sehe? Jakob fühlte diese Vorwürfe tief und vergaß sie nicht so bald. In der That, selbst Whigs hielten Clarendon’s Sprache für unpassend und unedel. Halifax sprach in einem ganz andren Tone. Seit mehreren Jahren der Gefahr hatte er mit bewundernswürdigem Talent die bürgerliche und kirchliche Verfassung seines Vaterlandes gegen die Prärogative vertheidigt. Aber sein klarer, für Begeisterung durchaus unempfänglicher und Extremen entschieden abgeneigter Verstand begann sich gerade in dem Augenblicke, wo die großsprecherischen Royalisten, welche noch vor Kurzem die Trimmers als wenig besser denn Rebellen verwünscht hatten, sich überall zum Aufstande erhoben, zur Sache des Königthums hinzuneigen. Er setzte seine Ehre darein, in diesem kritischen Augenblicke der Friedensstifter zwischen dem Throne und der Nation zu werden. Seine Talente und sein Character befähigten ihn zu diesem Amte und wenn sein Versuch scheiterte, so ist dies Ursachen zuzuschreiben, gegen die keine menschliche Geschicklichkeit etwas auszurichten vermochte, ganz besonders der Thorheit, Wortbrüchigkeit und Hartnäckigkeit des Fürsten, den er zu retten versuchte.

Halifax sprach manche bittere Wahrheit aus, aber mit einer so zarten Rücksicht, daß er sich den Vorwurf der Schmeichelei von Leuten zuzog, welche viel zu niedrigdenkend waren, als daß sie hätten begreifen können, daß Worte, die mit Recht Schmeichelei genannt werden mögen, wenn man sie an einen Mächtigen richtet, einer gefallenen Größe gegenüber ein Tribut der Humanität sind. Er erklärte es unter vielen Versicherungen IX.90 von Theilnahme und Ehrerbietung als seine Ansicht, daß der König sich zu großen Opfern entschließen müsse. Es sei nicht genug, daß er ein Parlament einberufe und mit dem Prinzen von Oranien in Unterhandlung trete. Wenigstens einige von den Beschwerden, über welche die Nation klage, müßten augenblicklich abgestellt werden, ohne darauf zu warten, bis die Häuser oder der Anführer des feindlichen Heeres die Abstellung verlangten. Nottingham erklärte sich in eben so ehrerbietiger Sprache mit Halifax vollkommen einverstanden. Es waren drei Hauptzugeständnisse, zu denen die Lords den König zu bewegen suchten. Er sollte, sagten sie, alle Katholiken sofort aus dem Staatsdienste entlassen, sich ganz von Frankreich lossagen und Denen, welche bewaffnet gegen ihn aufgestanden, unbedingte Amnestie zusichern. Man sollte denken, daß der letzte von diesen drei Vorschlägen keinen Einwand zugelassen hätte. Denn hatten auch Einige von Denen, die sich gegen den König zusammengeschaart, so gegen ihn gehandelt, daß er sich dadurch bitter gekränkt fühlen mußte, so war es doch viel wahrscheinlicher, daß er bald von ihrer Gnade abhängen würde, als sie je von der seinigen. Es wäre geradezu kindisch gewesen, mit Wilhelm Unterhandlungen zu eröffnen und zu gleicher Zeit Männern, welche Wilhelm nicht im Stiche lassen konnte, ohne eine Schändlichkeit gegen sie zu begehen, mit Rache zu drohen. Aber der umwölkte Verstand und der unversöhnliche Character Jakob’s sträubten sich lange gegen die Gründe der Männer, die ihn zu überzeugen suchten, daß er wohl daran thun werde, Kränkungen zu verzeihen, die er nicht bestrafen konnte. „Ich kann es nicht thun,“ rief er aus; „ich muß ein Exempel statuiren, vor Allem an Churchill, den ich so hoch erhoben habe. Er, und nur er allein hat dies Alles gethan. Er hat meine Armee verführt, er hat meine Tochter verführt und er würde mich ohne den besonderen Schutz Gottes dem Prinzen von Oranien überliefert haben. Sie sind auffallend besorgt um die Sicherheit von Verräthern, Mylords; keiner von Ihnen aber kümmert sich um meine Sicherheit.“ Als Antwort auf diesen Ausbruch ohnmächtigen Zornes stellten Diejenigen, welche zur Amnestie gerathen hatten, mit tiefster Ehrerbietung, aber mit Entschiedenheit vor, daß ein von mächtigen Feinden angegriffener Fürst nur durch einen Sieg oder durch Nachgiebigkeit gerettet werden konnte. „Wenn Eure Majestät nach Allem was geschehen ist noch von den Waffen Rettung erwartet, so sind wir fertig, wo nicht, können Sie nur dadurch gerettet werden, daß Sie die Zuneigung Ihres Volks wieder zu gewinnen suchen.“ Nach einer langen und lebhaften Debatte hob der König die Versammlung auf, indem er sagte: „Mylords, Sie haben Sich viel Freiheit herausgenommen, aber ich zürne Ihnen deshalb nicht. In einem Punkte bin ich zu einem Entschlusse gekommen. Ich werde ein Parlament einberufen. Die anderen Rathschläge, die Sie mir gegeben haben, sind von ernster Bedeutung, und Sie werden Sich nicht wundern, wenn ich mir eine Nacht zur Überlegung vorbehalte, ehe ich mich entscheide.“137

137. Clarke’s Life of James, II. 236: Orig. Mem.; Burnet I. 794; Luttrell’s Diary; Clarendon’s Diary, Nov. 27. 1688. Citters, 27. Nov. (7. Dec.) und 30. Nov. (10. Dec.). Citters schöpfte seine Angaben offenbar aus Mittheilungen von einem der anwesenden Lords. Da der Gegenstand wichtig ist, will ich einige kurze Stellen aus seinen Depeschen hier anführen. Der König sagte, „Dat het by na voor heem unmogelyck was te pardoneren persoonen wie so hoog in syn reguarde schuldig stonden, vooral seer uytvarende tegens den Lord Churchill wien hy hadde groot gemaakt, en nogtans meynde de eenigste oorsake van alle dese desertie en van de retraite van hare Coninglycke Hoogheden te wesen.“ Einer von den Lords, wahrscheinlich Halifax oder Nottingham, „seer hadde geurgeert op de securiteyt van de lords die nu met syn Hoogheyt geengageert staan. Soo hoor ick,“ sagt Citters, „dat syn Majesteyt onder anderen soude gesegt hebben: „„Men spreekt al voor de securiteyt voor andere, en niet voor de myne.““ — Waar op een der Pairs resolut dan met groot respect soude geantwoordt hebben dat, so de difficulteyt dan nog te surmonteren was, dat het den moeste geschieden door de meeste condescendance, en hoe meer die was, en hy genegen om aan de natic contentement te geven, dat syne securyteyt ook des te grooter soude wesen.“

IX.91

Er ernennt Commissare zur Unterhandlung mit Wilhelm. Anfangs schien Jakob die ausbedungene Bedenkzeit vortrefflich anwenden zu wollen: der Kanzler erhielt die Weisung, Ausschreiben zur Einberufung eines Parlaments auf den 13. Januar zu erlassen. Halifax wurde ins königliche Kabinet beschieden, hatte eine lange Audienz und sprach mit mehr Freimuth, als er in Anwesenheit einer zahlreichen Versammlung zu zeigen für schicklich gehalten hatte. Es wurde ihm angekündigt, daß er zu einem der Commissare ernannt sei, welche mit dem Prinzen von Oranien unterhandeln sollten. Nottingham und Godolphin waren ihm beigegeben. Der König erklärte, daß er im Interesse des Friedens große Opfer zu bringen bereit sei. Halifax antwortete ihm darauf, daß es auch ohne Zweifel großer Opfer bedürfen werde. „Eure Majestät,“ sagte er, „darf nicht erwarten, daß Diejenigen, welche die Macht in Händen haben, auf Bedingungen eingehen werden, welche die Gesetze in die Gewalt der Prärogative geben.“ Mit dieser deutlichen Erklärung seiner Ansichten nahm er den Auftrag an, den der König ihm ertheilen wollte.138 Jetzt wurden die vor wenigen Stunden noch hartnäckig verweigerten Zugeständnisse auf das Bereitwilligste gewährt. Es wurde eine Proklamation erlassen, durch welche der König nicht nur Allen, die sich gegen ihn empört hatten, unbedingte Verzeihung zusicherte, sondern sie sogar als wählbar für das bevorstehende Parlament erklärte. Nicht einmal die Niederlegung der Waffen wurde als Bedingung der Wählbarkeit gestellt. Dieselbe Nummer der Gazette, welche den bevorstehenden Zusammentritt der Häuser anzeigte, enthielt auch die Ankündigung, daß Sir Eduard Hales, der als Papist, als Renegat, als Hauptvorkämpfer für die Dispensationsgewalt und als der strenge Kerkermeister der Bischöfe einer der unpopulärsten Männer des ganzen Reichs war, nicht mehr Gouverneur des Tower sei und seinen kürzlichen Gefangenen Bevil Skelton, der zwar in der Achtung seiner Landsleute eben nicht hoch stand, aber wenigstens nicht gesetzlich vom Staatsdienste ausgeschlossen war, zum Nachfolger erhalten habe.139

138. Brief des Bischofs von St. Asaph an den Prinzen von Oranien vom 17. Dec. 1688.

139. London Gazette, Nov. 29., Dec. 3. 1688; Clarendon’s Diary, Nov. 29, 30

Die Unterhandlung eine Finte. Diese Zugeständnisse hatten jedoch nur den Zweck, die Lords und die Nation über die wahren Absichten des Königs zu täuschen. Im Stillen hatte er sich vorgenommen, selbst in dieser äußersten Bedrängniß nicht nachzugeben. An dem nämlichen Tage, an welchem er das Amnestiedecret erließ, sprach er seine wirklichen Gesinnungen offen gegen Barillon aus. „Diese Unterhandlung,“ sagte Jakob, „ist eine bloße Finte. Ich muß Commissare an meinen Neffen IX.92 senden, damit ich Zeit gewinne, um meine Frau und den Prinzen von Wales fortschaffen zu können. Sie kennen die Stimmung meiner Truppen. Nur die Irländer werden mir treu bleiben, und sie sind nicht stark genug, um dem Feinde Widerstand zu leisten. Ein Parlament würde mir Bedingungen vorschreiben, die ich nicht ertragen könnte. Ich würde Alles was ich für die Katholiken gethan habe, wieder zurücknehmen, und mit dem Könige von Frankreich brechen müssen. Sobald daher die Königin und mein Kind in Sicherheit sind, werde ich England verlassen und mich nach Irland, Schottland oder zu Ihrem Gebieter flüchten“.140

Jakob hatte bereits die nöthigen Anstalten zur Ausführung dieses Planes getroffen. Dover war mit Instructionen, für den Prinzen von Wales zu sorgen, nach Portsmouth geschickt worden, und Dartmouth, welcher die dort liegende Flotte befehligte, hatte Ordre erhalten, allen Anordnungen Dover’s in Betreff des Kronprinzen Folge zu leisten und eine mit zuverlässigen Matrosen bemannte Yacht bereit zu halten, damit sie jeden Augenblick nach Frankreich unter Segel gehen könnte.141 Jetzt sandte der König den bestimmten Befehl ab, daß der Prinz augenblicklich nach dem nächsten Hafen des Continentes gebracht werden solle.142 Nächst dem Prinzen von Wales war der Hauptgegenstand seiner Sorge das große Staatssiegel. Diesem Symbole der königlichen Autorität haben unsere Juristen jederzeit eine besondere, fast geheimnißvolle Wichtigkeit beigelegt Man ist der Ansicht, daß, wenn der Siegelbewahrer es auch ohne königliche Genehmigung einem Peerspatent oder einer Begnadigung aufdrückt, er sich zwar eines schweren Vergehens schuldig macht, die Gültigkeit des Instruments aber von keinem Gerichtshofe angefochten und nur durch eine Parlamentsacte annullirt werden kann. Jakob fürchtete wahrscheinlich, daß seine Feinde dieses Organ seines Willens in die Hände bekommen und dadurch Maßregeln, die ihn nachtheilig berühren könnten, gesetzliche Gültigkeit geben könnten. Seine Besorgnisse können auch nicht unbegründet erscheinen, wenn man bedenkt, daß gerade hundert Jahre später das große Siegel eines Königs mit Bewilligung der Lords und der Gemeinen und unter Gutheißung von Seiten vieler großen Staatsmänner und Juristen zu dem Zwecke benutzt wurde, um seine Hoheitsrechte auf seinen Sohn zu übertragen. Damit der Talisman, der so furchtbare Kräfte besaß, nicht in unrechte Hände komme, beschloß Jakob, ihn wenige Schritte von seinem Kabinet aufzubewahren. Jeffrey’s erhielt zu dem Ende Befehl, sein erst kürzlich mit großem Kostenaufwande erbautes Haus in Duke Street zu verlassen und ein kleines Apartement in Whitehall zu beziehen.143

Der König hatte bereits alle Anstalten zur Flucht getroffen, als ein unerwartetes Hinderniß ihn zwang, die Ausführung seines Vorhabens aufzuschieben. Seine Agenten in Portsmouth fingen an Bedenklichkeiten zu hegen. Selbst Dover ließ, obgleich er Mitglied der jesuitischen Cabale war, Zeichen von Unschlüssigkeit merken. Noch weniger war Dartmouth geneigt, den Wünschen des Königs zu willfahren. Er war bisher dem Throne treu gewesen und hatte mit einer mißgestimmten Flotte und bei IX.93 widrigem Winde sein Möglichstes gethan, um die Landung der Holländer in England zu verhindern; aber er war ein eifriges Mitglied der anglikanischen Kirche und durchaus nicht befreundet mit der Politik der Regierung, welche zu vertheidigen er für eine Pflicht und eine Ehrensache hielt. Die meuterische Stimmung der unter seinem Befehle stehenden Offiziere und Mannschaften hatte ihm viel zu schaffen gemacht und die Nachricht von der Einberufung eines freien Parlaments und der Ernennung von Commissaren, welche mit dem Prinzen von Oranien unterhandeln sollten, hatte ihn sehr erfreut. Die ganze Flotte gab ihre Freude darüber laut zu erkennen. An Bord des Admiralschiffs wurde eine Adresse entworfen, welche dem Könige für diese der öffentlichen Meinung gemachten gnädigen Zugeständnisse den wärmsten Dank aussprach. Der Admiral unterzeichnete zuerst und achtunddreißig Kapitäne schrieben ihre Namen unter den seinigen. Dieses Schriftstück kreuzte sich auf dem Wege nach Whitehall mit dem Boten, der den Befehl nach Portsmouth brachte, daß der Prinz von Wales unverzüglich nach Frankreich übergeführt werden sollte. Dartmouth erkannte nun mit bitterem Schmerz und Unwillen, daß das freie Parlament, die allgemeine Amnestie und die Unterhandlung nur Theile eines gegen die Nation zu verübenden großartigen Betrugs waren und daß er bei diesem Betruge eine Rolle spielen sollte.

140. Barillon, 1.(11.) Dec. 1688.

141. Jakob an Dartmouth, 25. Nov. 1688. Die Briefe findet man in Dalrymple.

142. Jakob an Dartmouth, 1. Dec. 1688.

143. Luttrell’s Diary.

Dartmouth weigert sich, den Prinzen von Wales nach Frankreich zu senden. In einem ergreifenden und männlichen Schreiben erklärte er, daß er in seinem Gehorsam schon so weit gegangen sei, als ein Protestant und Engländer nur irgend gehen könne. Den muthmaßlichen Erben der britischen Krone den Händen Ludwigs zu überliefern, würde nichts Geringeres als ein Verrath gegen die Monarchie sein. Die dem Könige nur zu sehr schon entfremdete Nation würde aufs Äußerste erbittert werden. Der Prinz von Wales würde entweder gar nicht, oder in Begleitung einer französischen Armee zurückkehren. Wenn Seine Königliche Hoheit auf der Insel bliebe, so wäre das Schlimmste was zu befürchten stände, daß er als Mitglied der Landeskirche erzogen würde, und jeder loyale Unterthan müßte den Himmel bitten, daß dies geschehen möchte. Er schloß mit der Erklärung, daß er bereitwillig sein Leben zur Vertheidigung des Thrones opfern werde, sich aber nimmermehr an der Überführung des Prinzen nach Frankreich betheiligen könne.144

Dieser Brief warf alle Pläne Jakob’s über den Haufen. Zu gleicher Zeit erfuhr er, daß er bei dieser Gelegenheit nicht einmal passiven Gehorsam voll seinem Admiral erwarten durfte, denn Dartmouth war so weit gegangen, daß er mehrere Sloops am Eingange des Hafens aufgestellt, welche Befehl hatten, kein Schiff ununtersucht passiren zu lassen. Der Plan mußte somit abgeändert werden. Das Kind mußte nach London zurückgebracht und von hier aus nach Frankreich befördert werden. Dies konnte aber erst nach Verlauf mehrerer Tage geschehen, und während IX.94 dieser Zwischenzeit mußte die öffentliche Meinung durch die Hoffnung auf ein Parlament und durch eine Scheinunterhandlung hingehalten werden. Die Ausschreiben zu den Wahlen wurden erlassen. Zwischen der Hauptstadt und dem holländischen Hauptquartier gingen Trompeter hin und her. Endlich kamen auch die Pässe für die königlichen Commissare und die drei Lords traten ihre Gesandtschaftsreise an.

144. Second Collection of Papers, 1688; Dartmouth’s Brief, datirt vom 3. Dec. 1688 findet sich in Dalrymple; Clarke’s Life of James, II. 233. Orig. Mem. Jakob beschuldigt Dartmouth, die Flotte zu einer Adresse um Einberufung eines Parlaments bestimmt zu haben. Dies ist eine grundlose Verleumdung. Die Adresse ist eine Dankadresse an den König dafür, daß er ein Parlament einberufen, und war bereits abgefaßt, ehe Dartmouth die entfernteste Ahnung davon hatte, daß Seine Majestät die Nation hintergehen wollte.

Aufregung in London. Die Hauptstadt war bei ihrer Abreise in einem Zustande furchtbarer Gährung. Die Leidenschaften, welche im Laufe dreier unruhiger Jahre nach und nach immer heftiger geworden, zeigten sich jetzt, wo sie von dem Zügel der Furcht befreit und durch Sieg und Sympathie aufgestachelt waren, unverhohlen, selbst im Bereiche des königlichen Schlosses. Die große Jury von Middlesex nahm eine Anklage gegen den Earl von Salisbury, weil er Papist geworben war, an.145 Der Lordmayor ließ bei den Katholiken der City eine Haussuchung nach Waffen halten. Der Pöbel stürmte das Haus eines dem verhaßten Glauben anhängenden achtbaren Kaufmanns, um sich zu überzeugen, ob er nicht von seinem Keller aus unter die benachbarte Pfarrkirche eine Mine angelegt habe, um den Geistlichen mit der Gemeinde in die Luft zu sprengen.146 Die Ausrufer schrien in den Straßen einen Aufruf zur Festnehmung Pater Petre’s aus, der seine Gemächer im Palaste gerade noch zur rechten Zeit verlassen hatte.147 Wharton’s berühmtes Lied wurde mit vielen neu hinzugefügten Versen lauter als je in allen Straßen der Hauptstadt gesungen. Selbst die Schildwachen des Palastes sangen auf ihrer Runde:

„Der Engländer auf den Untergang des Papismus trinkt,

Lillibullero bullen a la.“

145. Luttrell’s Diary.

146. Adda, 7.(17.) Dec. 1688.

147. Der Nuntius sagt: „Se lo avesse fatto prima di ora, per il Rè ne sarebbe stato meglio.“

Falsche Proklamation. Die geheimen Pressen von London waren unausgesetzt in Thätigkeit. Tagtäglich kamen Flugschriften durch Mittel und Wege in Circulation, welche die Behörden nicht entdecken konnten oder nicht hindern wollten. Eine davon ist durch die Gewandtheit und verwegene Rücksichtslosigkeit, mit der sie geschrieben war, sowie durch den ungeheuren Eindruck, den sie machte, der Vergessenheit entrissen worden. Sie gab sich für eine ergänzende Erklärung von der Hand und unter dem Siegel des Prinzen von Oranien aus, war aber in einem ganz andren Style gehalten als sein ächtes Manifest. Allen Papisten, die es wagen sollten, sich der königlichen Sache anzuschließen, war mit einer bei christlichen und civilisirten Nationen unbekannten Rache gedroht. Sie sollten nicht als Soldaten oder Gentlemen, sondern wie Freibeuter behandelt werden. Das bis jetzt durch eine starke Hand im Zaume gehaltene Heer der Feinde sollte in seiner ganzen Wildheit und Zügellosigkeit auf sie gehetzt werden. Die guten Protestanten, namentlich diejenigen, welche die Hauptstadt bewohnten, wurden bei Allem was ihnen theuer sei beschworen und bei Strafe des allerhöchsten Mißfallens des Prinzen angewiesen, ihre katholischen Nachbarn festzunehmen, zu entwaffnen und einzusperren. Das Manuscript dieser Schrift war angeblich von einem whiggistischen Buchhändler eines Morgens unter seiner Ladenthür gefunden IX.95 worden. Er beeilte sich, es drucken zu lassen. Viele Exemplare wurden mit der Post versandt und gingen rasch von Hand zu Hand. Scharfsichtige Leute erkannten es jedoch ohne Mühe als das falsche Machwerk irgend eines unruhigen und characterlosen Abenteurers, wie sie in bewegten Zeiten stets bei den unreinsten und schwärzesten Parteiumtrieben thätig sind. Der große Haufe aber ließ sich vollkommen täuschen. Der nationale und religiöse Abscheu gegen die irischen Papisten war in der That so stark erregt, daß die Mehrzahl von Denen, welche die Proklamation für ächt hielten, sie als eine ganz zeitgemäße Entfaltung von Energie mit Beifall begrüßten. Als es bekannt wurde, daß ein solches Dokument von Wilhelm selbst nicht ausgegangen war, fragte man neugierig, wer wohl der Betrüger sein möchte, der so kühn und so glücklich die Rolle des Prinzen gespielt hatte. Einige hatten Ferguson, Andere Johnson im Verdacht, bis endlich nach Verlauf von siebenundzwanzig Jahren Hugo Speke sich zum Autor der Fälschung bekannte und für diesen der protestantischen Religion geleisteten großen Dienst vom Hause Braunschweig eine Belohnung verlangte. Er behauptete in dem Tone eines Mannes, der etwas höchst Lobenswerthes und Ehrenvolles gethan zu haben glaubt, er habe, als die holländische Invasion Whitehall in Bestürzung versetzt, dem Hofe seine Dienste angeboten, habe vorgegeben, mit den Whigs zerfallen zu sein und sich erboten, bei ihnen den Spion zu spielen. So habe er Zutritt in das königliche Kabinet erlangt, habe Treue gelobt, dafür das Versprechen großer Geldbelohnungen erhalten und sich Geleitsbriefe verschafft, die ihn in den Stand setzten, die feindlichen Linien zu passiren. Dies Alles versicherte er nur in der Absicht gethan zu haben, damit er, ohne in Verdacht zu kommen, der Regierung einen tödtlichen Streich versetzen und einen heftigen Ausbruch des Nationalgefühls gegen die Katholiken herbeiführen konnte. Die falsche Proklamation erklärte er für sein Werk; ob sie dies aber wirklich war, dürfte in Zweifel zu ziehen sein. Er machte seinen Anspruch so spät erst geltend, daß wir mit Recht vermuthen dürfen, er habe auf den Tod Derer gewartet, die ihn widerlegen konnten; auch berief er sich auf kein andres Zeugniß als sein eignes.148

148. Siehe die Secret History of the Revolution, von Hugo Speke, 1715. In der Londoner Bibliothek befindet sich ein Exemplar dieses seltenen Werks mit einer handschriftlichen Note, welche von Speke selbst herzurühren scheint.

Aufstände in verschiedenen Theilen des Landes. Während dies in London vorging, brachte jede Post aus jedem Theile des Landes die Nachricht von einem neuen Aufstande. Lumley hatte sich Newcastle’s bemächtigt und die Bewohner hatten ihn freudig willkommen geheißen. Die Statue des Königs, die auf einem hohen Piedestale von Marmor stand, war umgerissen und in den Tyne gestürzt worden. In Hull erinnerte man sich noch lange des 3. Decembers als des Jahrestages der Einnahme der Stadt. In dieser Stadt lag eine Garnison unter den Befehlen Lord Langdale’s, eines Katholiken. Die protestantischen Offiziere entwarfen im Einverständniß mit dem Magistrat den Plan zu einem Aufstande; Langdale und seine Anhänger wurden festgenommen und Soldaten und Bürger erklärten sich gemeinsam für die protestantische Religion und ein freies Parlament.149

IX.96

Inzwischen hatten sich auch die örtlichen Grafschaften erhoben. Der Herzog von Norfolk erschien mit einem Gefolge von dreihundert bewaffneten und berittenen Gentlemen auf dem stattlichen Marktplatze von Norwich. Hier begrüßten ihn der Mayor und die Aldermen und verpflichteten sich, ihm gegen Papismus und Willkürherrschaft beizustehen.150 Lord Herbert von Cherbury und Sir Eduard Harley griffen in Worcestershire zu den Waffen.151 Bristol, die zweite Stadt des Reichs, öffnete Shrewsbury ihre Thore. Trelawney, der Bischof, der im Tower das Prinzip des Nichtwiderstandes völlig verlernt hatte, war der Erste, der die Truppen des Prinzen bewillkommnete. Die Stimmung der Einwohner war so, daß man es für unnöthig hielt, eine Garnison unter ihnen zurückzulassen.152 Das Volk von Gloucester erhob sich ebenfalls und befreite Lovelace aus dem Gefängniß. Es sammelte sich bald ein irreguläres Truppencorps um ihn. Einige von seinen Reitern hatten nur Stricke anstatt der Zügel und viele von seinen Fußsoldaten hatten keine andre Waffe als einen Knotenstock. Aber diese Truppe marschirte unangefochten durch Grafschaften, welche einst dem Hause Stuart ergeben waren, und zog endlich triumphirend in Oxford ein. Die Behörden bewillkommneten die Aufständischen mit feierlichem Gepränge. Selbst die durch neuerliche Kränkungen noch erbitterte Universität war nicht geneigt, den Aufstand zu tadeln. Schon hatten die Oberhäupter angesehener Familien eines ihrer Mitglieder abgesandt, um den Prinzen von Oranien zu versichern, daß sie aufrichtig für ihn seien und ihm gern ihr Silbergeräth zum Einschmelzen überlassen würden. Der whiggistische Anführer ritt daher unter allgemeinem Jubel durch die Hauptstadt des Toryismus. Vor ihm her schlugen die Tambours den Lillibullero. Hinter ihm folgte ein langer Zug von Reiterei und Fußvolk. Ganz High Street war mit orangefarbenen Bändern freundlich geschmückt, denn das orangefarbene Band hatte bereits die doppelte Bedeutung, die es noch jetzt, nach Verlauf von hundertsechzig Jahren besitzt. Es war schon für den protestantischen Engländer das Sinnbild der bürgerlichen und religiösen Freiheit, für den katholischen Celten das Sinnbild der Unterjochung und Verfolgung.153

Während sich so rings um den König Feinde erhoben, wichen die Freunde mehr und mehr von seiner Seite. Jedermann hatte sich mit dem Gedanken des Widerstandes vertraut gemacht. Viele, die mit Abscheu die Nachricht von den ersten Abfällen vernommen, machten sich jetzt Vorwürfe, daß sie die Zeichen der Zeit so spät erkannt hatten. Man konnte jetzt ohne Schwierigkeit und Gefahr mit Wilhelm verkehren. Indem der König die Nation zur Erwählung von Vertretern aufforderte, hatte er Jedermann stillschweigend ermächtigt, sich an diejenigen Orte zu begeben, wo er Stimmen oder Einfluß hatte, und viele von diesen Orten waren schon von Truppen Wilhelm’s oder von Insurgenten besetzt. Clarendon IX.97 ergriff begierig diese Gelegenheit, um sich von der verlornen Sache loszusagen. Er wußte, daß er mit seiner Rede in der berathenden Versammlung der Peers unverzeihlichen Anstoß gegeben hatte, und es verdroß ihn, daß er nicht mit zum königlichen Commissar ernannt worden war. Er hatte Besitzungen in Wiltshire. Er beschloß, daß sein Sohn, von dem er noch unlängst mit tiefem Schmerz und Abscheu gesprochen, ein Wahlcandidat für diese Grafschaft werden sollte und unter dem Vorwande, für diese Wahl die nöthigen Veranstaltungen zu treffen, begab er sich nach dem Westen. Seinem Beispiele folgte sehr bald der Earl von Oxford und Andere, welche bisher jede Connection mit der Unternehmung des Prinzen von sich gewiesen hatten.154

Inzwischen waren die Eingedrungenen, langsam aber unaufgehalten vorrückend, der Hauptstadt bis auf siebzig Meilen nahe gekommen. Obgleich die Mitte des Winters vor der Thür war, hatte man doch schönes Wetter, der Weg war angenehm und die grünen Wiesen der Ebene von Salisbury erschienen den Truppen, die sich durch die kothigen Gleise der Landstraßen von Devonshire und Somersetshire hindurchgearbeitet hatten, von üppiger Weichheit. Der Marsch der Armee ging über Stonehenge, wo ein Regiment nach dem andren Halt machte, um diese geheimnißvolle Ruine anzusehen, die auf dem ganzen Continent als das größte Wunder unsrer Insel bekannt ist. Wilhelm zog mit demselben militairischen Pomp, den er in Exeter entfaltet hatte, in Salisbury ein und stieg in dem Palaste ab, den wenige Tage zuvor der König bewohnt hatte.155

149. Brand’s History of Newcastle; Tickell’s History of Hull.

150. Ein Bericht über die Vorgänge in Norwich findet sich noch in mehreren Sammlungen in der Originalschrift. Siehe auch die Fourth Collection of Papers, 1688.

151. Clarke’s Life of James, II. 233; Handschriftliches Memoir der Familie Harley in der Mackintosh-Sammlung.

152. Citters, 9.(19.) Dec. 1688; Brief des Bischofs von Bristol an den Prinzen von Oranien vom 5. Dec. 1688, in Dalrymple.

153. Citters, 27. Nov. (7. Dec.) 1688; Clarendon’s Diary, Dec. 11; Song on Lord Lovelace’s entry into Oxford, 1688; Burnet I. 793.

154. Clarendon’s Diary, Dec. 2, 3, 4, 5. 1688.

155. Whittle’s Exact Diary; Eachard’s History of the Revolution.

Clarendon schließt sich in Salisbury dem Prinzen an. Hier wurde sein Gefolge durch die Earls von Clarendon und von Oxford und andere hochgestellte Männer vermehrt, welche noch vor einigen Tagen als eifrige Royalisten betrachtet worden waren. Auch Citters erschien im holländischen Hauptquartier. Er war seit einigen Wochen in seinem Hause bei Whitehall unter der beständigen Aufsicht einander ablösender Spione fast ein Gefangener gewesen. Doch trotz dieser Spione und vielleicht mit ihrer Beihülfe hatte er sich von Allem was im Palast vorging genaue Kenntniß zu verschaffen gewußt und er kam nun mit werthvollen Notizen über Menschen und Dinge reich versehen, um Wilhelm durch seinen Rath zu unterstützen.156

156. Citters, 20.(30.) Nov., 9.(19.) Dec. 1688.

Spaltung im Lager des Prinzen. Bis hieher hatte die Unternehmung des Prinzen einen die sanguinischesten Hoffnungen übertreffenden glücklichen Fortgang gehabt. Jetzt aber begann das Glück nach dem allgemeinen Gesetz, das die irdischen Dinge regiert, Uneinigkeit zu erzeugen. Die in Salisbury versammelten Engländer spalteten sich in zwei Parteien. Die eine davon bestand aus Whigs, welche die Lehren vom passiven Gehorsam und vom unveräußerlichen Erbrechte stets als knechtischen Aberglauben betrachtet hatten. Viele von ihnen hatten Jahre lang im Exil zugebracht. Alle waren lange von jedem Antheil an den Gunstbezeigungen der Krone ausgeschlossen gewesen. Jetzt frohlockten sie über die nahe Aussicht auf Größe und Rache. Von glühendem Zorne beseelt und von Sieg und Hoffnung aufgebläht, wollten sie von keinem IX.98 Vergleiche hören. Nur die Absetzung ihres Todfeindes konnte sie zufriedenstellen, und es läßt sich nicht leugnen, daß sie hierin durchaus consequent waren. Neun Jahre früher hatten sie sich bemüht, ihn vom Throne auszuschließen, weil sie fürchteten, daß er ein schlechter König werden möchte, und nachdem er sich als ein viel schlechterer König erwiesen, als irgend ein vernünftiger Mensch es hätte vermuthen können, durfte man wohl kaum erwarten, daß sie ihn gutwillig auf dem Throne lassen würden.

Auf der andren Seite waren nicht wenige von Wilhelm’s Anhängern eifrige Tories, welche bis vor ganz Kurzem die Lehre vom Nichtwiderstande in der absolutesten Form aufrechterhalten, deren Glaube an diese Lehre aber einen Augenblick durch die heftigen Leidenschaften erschüttert worden war, welche die Undankbarkeit des Königs und die Gefahr der Kirche in ihnen geweckt hatten. Keine Lage konnte peinlicher und beängstigender sein, als die des alten Kavaliers, der mit bewaffneter Hand dem Throne gegenüberstand. Die Gewissensscrupel, die ihn nicht abgehalten hatten, sich in das holländische Lager zu begeben, begannen ihn furchtbar zu quälen, sobald er sich dort befand. Eine innere Stimme sagte ihm, daß er ein Verbrechen begangen habe. Jedenfalls hatte er sich Vorwürfen ausgesetzt, indem er im directen Widerspruch mit den erklärten Prinzipien seines ganzen Lebens handelte. Er empfand einen unüberwindlichen Widerwillen gegen seine neuen Verbündeten. Es waren Leute, die er, so lange er denken konnte, geschmäht und verfolgt hatte: Presbyterianer, Independenten, Anabaptisten, alte Soldaten Cromwell’s, kecke Burschen Shaftesbury’s, Theilnehmer am Ryehousecomplot, gewesene Anführer des Aufstandes im Westen. Natürlich wünschte er eine Ausflucht zu finden, die sein Gewissen beruhigen, seine Consequenz rechtfertigen und zwischen ihm und der großen Masse schismatischer Rebellen, die er stets verachtet und verabscheut hatte, mit denen er aber jetzt in eine Kategorie geworfen zu werden fürchten mußte, eine Scheidewand ziehen konnte. Er verwahrte sich daher entschieden gegen den Gedanken, die Krone von dem gesalbten Haupte nehmen zu wollen, das der Wille des Himmels und die Grundgesetze des Reichs geheiligt hatten. Es war sein sehnlichster Wunsch, auf Grundlagen, welche die königliche Würde nicht herabsetzten, eine Versöhnung zu Stande kommen zu sehen. Er war ja kein Verräther, er widersetzte sich eigentlich gar nicht der königlichen Autorität; er stand nur deshalb unter Waffen, weil er überzeugt war, daß man dem Throne keinen besseren Dienst leisten könne, als indem man Seine Majestät durch ein wenig Zwang aus den Händen schlechter Rathgeber befreite.

Die schlimmen Folgen, welche die gegenseitige Erbitterung dieser Factionen herbeizuführen drohten, wurden zum großen Theile durch den Einfluß und die Weisheit des Prinzen verhütet. Umgeben von streitsüchtigen Disputanten, von zudringlichen Rathgebern, von kriechenden Schmeichlern, von wachsamen Spionen und böswilligen Verleumdern, bewahrte er stets seine heitere, undurchdringliche Ruhe. Er schwieg so lange als Schweigen möglich war, und wenn er sprechen mußte, brachte der ernste und gebieterische Ton, in welchem er seine reiflich erwogenen Ansichten kund that, bald jeden Andren zum Schweigen. Was auch einige seiner allzu eifrigen Anhänger sagen mochten, er äußerte kein Wort, das die mindeste Absicht auf den Besitz der englischen Krone verrieth. Er wußte sehr gut, daß zwischen ihm und dieser Krone noch Hindernisse standen, die vielleicht keine menschliche Klugheit zu beseitigen vermochte, die aber IX.99 ein einziger falscher Schritt unüberwindlich machen konnte. Er hatte nur dann Aussicht, den glänzenden Preis zu erringen, wenn er sich desselben nicht mit rücksichtsloser Hand bemächtigte, sondern es ruhig abwartete, bis sein geheimer Wunsch ohne sichtbares Bemühen oder List von seiner Seite, durch den Drang der Umstände, durch die Mißgriffe seiner Widersacher und durch die freie Wahl der Stände des Reichs erfüllt werden würde. Diejenigen, die ihn auszuforschen wagten, erfuhren nichts, konnten ihn aber doch nicht der Winkelzüge beschuldigen. Er verwies sie ruhig auf seine Erklärung und versicherte, daß seit der Abfassung dieses Dokuments in seinen Ansichten keine Änderung eingetreten sei. Er behandelte seine Anhänger mit so kluger Gewandtheit, daß ihre Uneinigkeit seine Hand eher gestärkt als geschwächt zu haben scheint; aber sie brach mit Heftigkeit hervor, sobald seine Aufsicht nachließ, störte die Eintracht geselliger Zusammenkünfte und respectirte selbst die Heiligkeit des Gotteshauses nicht. Clarendon, welcher durch sein Prahlen mit loyalen Gesinnungen die unleugbare Thatsache, daß er ein Rebell war, bemänteln wollte, hörte mit heftiger Entrüstung einige seiner neuen Verbündeten bei der Flasche über die königliche Amnestie lachen, die ihnen so eben huldvoll angeboten worden war. Sie brauchten keine Verzeihung, sagten sie; im Gegentheil, der König müßte sie um Verzeihung bitten, ehe sie ihn laufen ließen. Noch beunruhigender und kränkender für jeden guten Tory war ein Vorfall, der sich in der Kathedrale von Salisbury ereignete. Sobald der fungirende Geistliche das Gebet für den König zu lesen begann, erhob sich Burnet, zu dessen vielen guten Eigenschaften Selbstbeherrschung und feines Schicklichkeitsgefühl nicht gehörten, von den Knien, setzte sich in seinen Stuhl und gab einige verächtliche Laute von sich, welche die Andacht der Gemeinde störten.157

Bald hatten die Factionen, welche das Lager des Prinzen spalteten, Gelegenheit, ihre Stärke zu messen. Die königlichen Commissare waren auf dem Wege zu ihm. Schon mehrere Tage waren seit ihrer Ernennung verstrichen, und eine solche Verspätigung in einer Angelegenheit von so dringender Wichtigkeit war auffallend. In Wahrheit aber wünschte weder Jakob noch Wilhelm die schleunige Anknüpfung von Unterhandlungen, denn Jakob wollte nur Zeit gewinnen, um seine Gemahlin und seinen Sohn nach Frankreich schicken zu können, und Wilhelm’s Stellung wurde mit jedem Tage gebietender. Endlich ließ der Prinz den Commissaren sagen, daß er in Hungerford mit ihnen zusammentreffen wolle. Er wählte diese Stadt wahrscheinlich deshalb, weil sie gerade auf halbem Wege zwischen Salisbury und Oxford lag und sich daher zu einer Zusammenkunft seiner bedeutendsten Anhänger am besten eignete. In Salisbury befanden sich diejenigen Kavaliere und Gentlemen, die ihn von Holland aus begleitet oder sich im Westen ihm angeschlossen hatten, und in Oxford waren viele Häupter des Aufstandes im Norden.

157. Clarendon’s Diary, Dec, 6, 7. 1688.

Ankunft des Prinzen in Hungerford. Donnerstag Abend, den 6. December traf er in Hungerford ein, und bald füllte sich die kleine Stadt mit Männern von hohem Rang und Ansehen, welche von allen Seiten herbeikamen. Der Prinz war von einer starken Truppenabtheilung begleitet, und die aus dem Norden kommenden Lords brachten Hunderte IX.100 von irregulären Reitern mit, deren Armaturen und Reitkunst die Heiterkeit Derer erregte, welche an den glänzenden Anblick und an die präcisen Bewegungen regulärer Armeen gewöhnt waren.158

158. Clarendon’s Diary. Dec. 7. 1688.

Gefecht bei Reading. Während des Prinzen Anwesenheit in Hungerford fand zwischen einem zweihundertfünfzig Mann starken Detaschement seiner Truppen und sechshundert in Reading stehenden Irländern ein heißes Gefecht statt. Bei dieser Gelegenheit bewährte sich die bessere Disciplin der Eingedrungenen auf das Glänzendste. Obgleich von weit geringerer Anzahl, trieben sie doch sogleich beim ersten Anlauf die königlichen Truppen in wilder Flucht durch die Straßen der Stadt bis auf den Marktplatz. Hier machten die Irländer einen Versuch, sich wieder zu sammeln, da sie aber von vorn kräftig angegriffen wurden und zu gleicher Zeit die Bewohner der umliegenden Häuser aus den Fenstern auf sie feuerten, so entsank ihnen bald der Muth und sie flohen mit dem Verlust ihrer Fahne und fünfzig Mann. Von den Siegern fielen nur fünf. Die Nachricht von diesem Kampfe erfüllte die Lords und Gentlemen, die sich Wilhelm angeschlossen hatten, mit ungetrübter Freude. Nichts an diesem ganzen Vorfall konnte ihren Nationalstolz kränken. Die Holländer hatten nicht die Engländer geschlagen, sondern hatten einer englischen Stadt geholfen, sich von der unerträglichen Herrschaft der Irländer zu befreien.159

159. History of the Desertion; Citters, 9.(19.) Dec. 1688; Exact Diary; Oldmixon, 760.

Ankunft der königlichen Commissare in Hungerford. Samstag Morgens, den 8. December, kamen die königlichen Commissare in Hungerford an. Die Leibgarde des Prinzen war in Parade aufgestellt, um sie mit militairischen Ehrenbezeigungen zu empfangen. Bentinck bewillkommnete sie und erbot sich, sie sofort zu seinem Gebieter zu geleiten. Sie sprachen die Hoffnung aus, daß der Prinz ihnen eine Privataudienz bewilligen werde; aber es wurde ihnen darauf erwiedert, daß er beschlossen habe, sie öffentlich anzuhören und ihnen ebenso zu antworten. Sie wurden in sein Schlafgemach eingeführt, wo sie ihn von einer Menge Lords und Gentlemen umgeben fanden.

Unterhandlung. Halifax, dem seine Stellung, sein Alter und seine Fähigkeiten den Vorrang gaben, führte das Wort. Der Vorschlag, den die Commissare zu machen beauftragt waren, bestand darin, daß die streitigen Punkte der Entscheidung des Parlaments, für welches die Wahlen bereits angeordnet seien, anheimgegeben werden und daß sich bis dahin die Armee des Prinzen der Hauptstadt nicht weiter als bis auf dreißig oder vierzig Meilen nähern sollte. Nachdem Halifax erklärt hatte, daß er und seine Collegen bereit seien, auf dieser Grundlage zu unterhandeln, überreichte er Wilhelm ein Schreiben vom Könige und entfernte sich dann. Wilhelm erbrach den Brief und schien ungewöhnlich bewegt zu sein. Es war der erste, den er von seinem Schwiegervater erhielt, seitdem sie erklärte Feinde geworden waren. Sie hatten einst auf gutem Fuße gestanden und einander vertraulich geschrieben; auch hatten sie selbst als sie schon anfingen, einander mit Mißtrauen und Abneigung zu betrachten, die freundschaftlichen Formen, welche nahe Verwandte zu gebrauchen pflegen, noch nicht aus ihren Briefen verbannt. Das von den IX.101 Commissaren überbrachte Schreiben aber war von einem Sekretär in diplomatischer Form und in französischer Sprache abgefaßt. „Ich habe viele Briefe vom Könige erhalten,“ sagte Wilhelm, „aber sie waren alle in englischer Sprache und von ihm eigenhändig geschrieben.“ Er sprach mit einer Gemüthsbewegung, die er sonst nicht zu zeigen gewohnt war. Er dachte vielleicht in diesem Augenblicke daran, welche Vorwürfe sein Unternehmen, so gerecht, so wohlthätig und so nothwendig es auch sein mochte, ihm selbst und der ihm ergebenen Frau zuziehen mußte. Vielleicht beklagte er das harte Geschick, das ihn in eine Lage versetzt hatte, in der er seine Staatspflichten nur dadurch erfüllen konnte, daß er Familienbande zerriß, und beneidete die glücklichere Lage Derer, die für das Wohl von Nationen und Kirchen nicht verantwortlich sind. Doch wenn solche Gedanken wirklich in ihm aufstiegen, so wurden sie mit männlicher Festigkeit unterdrückt. Er forderte die Lords und Gentlemen, die er in Folge jenes Schreibens zusammenberief, auf, über die zu ertheilende Antwort zu berathschlagen, ohne daß er sie durch seine Anwesenheit irgendwie behindern wolle. Er selbst behielt sich nur das Recht vor, nach Anhörung ihrer Meinungen in letzter Instanz zu entscheiden. Hierauf verließ er sie und zog sich nach Littlecote Hall zurück, einem etwa zwei Meilen entfernten Schlosse, das bis auf unsere Tage nicht allein durch seine ehrwürdige Bauart und Einrichtung, sondern auch wegen eines entsetzlichen und geheimnißvollen Verbrechens berühmt ist, das zu den Zeiten der Tudors daselbst verübt wurde.160

Vor seiner Abreise von Hungerford erfuhr er, daß Halifax den dringenden Wunsch geäußert habe, mit Burnet zu sprechen. In diesem Wunsche lag nichts Auffallendes, denn Halifax und Burnet hatten lange auf freundschaftlichem Fuße gestanden. Allerdings konnte es wohl kaum zwei Männer geben, die einander so wenig glichen. Burnet fehlte es gänzlich an Takt und Zartgefühl. Halifax besaß dagegen ein außerordentlich feines Gefühl und sein Sinn für das Lächerliche war von krankhafter Reizbarkeit. Burnet betrachtete jede Handlung und jeden Character durch ein vom Parteigeist entstelltes und gefärbtes Medium. Halifax dagegen war stets geneigt, die Fehler seiner Verbündeten mit schärferem Blicke zu untersuchen als die Fehler seiner Gegner. Burnet war bei allen seinen Mängeln und Schwächen und durch alle Wechselfälle seines in Verhältnissen, welche der Frömmigkeit eben nicht günstig waren, hingebrachten Lebens ein wahrhaft religiöser Mann. Der skeptische und sarkastische Halifax wurde für einen Ungläubigen gehalten. Halifax zog sich daher oft den unwilligen Tadel Burnet’s zu, und Burnet war oft die Zielscheibe von Halifax’ scharfem und feinem Witze. Dennoch fühlten sie sich zu einander hingezogen, fanden gegenseitig Gefallen an ihrer Unterhaltung, schätzten ihre beiderseitigen Talente, tauschten freimüthig ihre Ansichten aus und erwiesen einander auch in Zeiten der Gefahr gute Dienste. Indessen wünschte Halifax seinen alten Bekannten jetzt nicht aus rein persönlichen Rücksichten zu sprechen. Es mußte den Commissaren daran gelegen sein, den eigentlichen Endzweck des Prinzen zu erfahren. Er hatte sich geweigert, sie privatim zu empfangen, und aus dem, was er ihnen bei einer förmlichen IX.102 und öffentlichen Zusammenkunft sagen konnte, war wenig zu ersehen. Fast Alle die sein Vertrauen besaßen, waren eben so verschwiegen und unergründlich als er selbst. Burnet bildete die einzige Ausnahme. Er war notorisch geschwätzig und indiscret, die Umstände aber hatten es nöthig gemacht, ihn ins Vertrauen zu ziehen, und es unterlag keinem Zweifel, daß es dem gewandten Halifax gelingen würde, ihm eben so viele Geheimnisse als Worte zu entlocken. Wilhelm wußte dies sehr gut, und als er erfuhr, daß Halifax mit dem Doctor sprechen wollte, konnte er sich der Äußerung nicht enthalten: „Wenn die Beiden zusammenkommen, wird es ein schönes Geschwätz geben.“ Es wurde Burnet nicht erlaubt, privatim mit den Commissaren zu sprechen, ihm aber versichert, daß seine Treue in den Augen des Prinzen über jeden Verdacht erhaben sei, und damit er keinen Grund haben konnte, sich zu beklagen, wurde das Verbot allgemein gemacht.

An jenem Nachmittage versammelten sich die Lords und Gentlemen, welche Wilhelm um ihren Rath ersucht hatte, in dem Hauptsaale des ersten Gasthofes zu Hungerford. Oxford präsidirte und die Eröffnungen des Königs wurden in Erwägung gezogen. Es zeigte sich bald, daß die Versammlung in zwei Parteien gespalten war, deren eine sehnlichst einen Vergleich mit dem Könige wünschte, während die andre seinen Sturz wollte. Die letztere Partei hatte das numerische Übergewicht; aber es wurde bemerkt, daß Shrewsbury, von dem man glaubte, daß er von allen englischen Kavalieren den größten Antheil an Wilhelm’s Vertrauen hatte, bei dieser Gelegenheit auf Seiten der Tories stand. Nach langem Hin- und Herreden wurde die Frage gestellt. Die Majorität war für die Verwerfung des Vorschlags, den die Commissare zu machen beauftragt waren. Der Beschluß der Versammlung wurde dem Prinzen nach Littlecote gemeldet. Bei keinem Anlasse während seines ganzen ereignißvollen Lebens zeigte er mehr Klugheit und Selbstbeherrschung. Er konnte unmöglich wünschen, daß die Unterhandlung Erfolg habe; aber er war viel zu klug, um nicht einzusehen, daß er die öffentliche Meinung nicht mehr für sich gehabt haben würde, wenn die Unterhandlung an unbilligen Forderungen von seiner Seite scheiterte. Er verwarf daher die Ansicht seiner allzueifrigen Anhänger und erklärte, daß er entschlossen sei, auf der vom Könige proponirten Grundlage zu unterhandeln. Viele von den in Hungerford versammelten Lords und Gentlemen erhoben Einwendungen dagegen, und ein ganzer Tag verging unter Hin- und Herstreiten; aber Wilhelm’s Entschluß stand unwiderruflich fest. Er erklärte sich bereit, die Entscheidung aller streitigen Punkte dem eben einberufenen Parlamente zu überlassen und sich London nur bis auf vierzig Meilen zu nähern. Er stellte seinerseits einige Forderungen, welche selbst Diejenigen, die am wenigsten für ihn eingenommen waren, als mäßig anerkannten. Er verlangte, daß die bestehenden Gesetze so lange befolgt würden, bis sie durch die competente Autorität abgeändert wären, und daß alle Diejenigen, welche ohne gesetzliche Qualification Ämter bekleideten, sofort entlassen werden sollten. Er war ferner der vollkommen begründeten Meinung, daß die Berathungen des Parlaments nicht frei sein könnten, wenn es von irischen Regimentern umgeben war, während er mit seiner Armee mehrere Tagemärsche weit von demselben entfernt stand. Er hielt es daher für recht und billig, daß, wenn seine Truppen sich im Westen der Hauptstadt nur bis auf vierzig Meilen nähern sollten, auch die königlichen Truppen im Osten sich auf IX.103 gleiche Entfernung zurückziehen müßten. So wäre um den Ort herum, wo die Häuser tagten, ein großer Kreis neutralen Bodens gewesen. Allerdings befanden sich innerhalb dieses Umkreises zwei für die Bewohner der Hauptstadt höchst wichtige Festungen, der Tower, der ihre Häuser, und Tilbury Fort, das ihren Seehandel beherrschte. Ohne Besatzung konnten diese Plätze unmöglich bleiben, und Wilhelm schlug daher vor, sie einstweilen der Obhut der City von London zu übergeben. Ferner konnte es der König möglicherweise für angemessen erachten, sich zur Eröffnung des Parlaments mit einer Abtheilung Leibgarden nach Westminster zu begeben. Der Prinz kündigte an, daß er in diesem Falle das Recht beanspruchen werde, sich ebenfalls mit einer gleichen Anzahl Soldaten dahin zu begeben. Es schien ihm gerecht, daß, so lange die militairischen Operationen eingestellt waren, beide Armeen gleichmäßig im Dienste der Nation stehend betrachtet und gleichmäßig auf Kosten des englischen Staatsschatzes unterhalten würden. Endlich verlangte er noch eine Gewährschaft dafür, daß der König sich den Waffenstillstand nicht zu Nutze machte, um französische Truppen nach England zu ziehen. Der gefährlichste Punkt in dieser Beziehung war Portsmouth. Der Prinz bestand jedoch nicht darauf, daß ihm diese wichtige Festung überliefert werden sollte, sondern machte nur den Vorschlag, sie für die Dauer des Waffenstillstandes unter das Commando eines Offiziers zu stellen, zu dem er und Jakob Vertrauen habe.

Wilhelm’s Vorschläge waren mit der gewissenhaftesten Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit entworfen, wie sie eher von einem unbeteiligten Schiedsrichter, der sein Urtheil abgiebt, als von einem siegreichen Fürsten, der einem hülflosen Feinde Bedingungen vorschreibt, zu erwarten gewesen wären. Die Anhänger des Königs fanden nichts daran auszusetzen. Unter den Whigs aber wurde viel darüber gemurrt. Sie wollten von einer Versöhnung mit ihrem gewesenen Gebieter nichts wissen, sie glaubten sich aller Unterthanenpflichten gegen ihn entbunden, sie wollten die Autorität eines durch ihn einberufenen Parlaments nicht anerkennen, waren einem Waffenstillstande entschieden abgeneigt und konnten nicht einsehen, warum ein solcher, wenn er dennoch abgeschlossen werden sollte, auf gleiche Bedingungen basirt sein müsse. Nach allen Regeln des Kriegs habe die stärkere Partei das Recht, aus ihrer Starke Vortheil zu ziehen, und sei Jakob’s Character von der Art, um eine außerordentliche Nachsicht zu rechtfertigen? Die, welche so raisonnirten, hatten keinen Begriff, aus welchem erhabenen Gesichtspunkte und mit welchem scharfen Blicke der von ihnen getadelte Führer die ganze Stellung Englands und Europa’s betrachtete. Sie wollten Jakob schlechterdings stürzen und würden sich daher entweder geweigert haben, unter irgend welchen Bedingungen mit ihm zu unterhandeln, oder sie würden ihm unerträglich harte Bedingungen gestellt haben. Wenn Wilhelm’s umfassender und tief durchdachter politischer Plan gelingen sollte, mußte Jakob durch Zurückweisung auffallend liberaler Bedingungen sich selbst ins Verderben stürzen. Die kommenden Ereignisse bewiesen sprechend die Weisheit des Verfahrens, welches die Mehrzahl der in Hungerford versammelten Engländer zu verdammen geneigt war.

Am Sonntag, den 9. December, wurden die Forderungen des Prinzen niedergeschrieben und Halifax übergeben. Die Commissare speisten in Littlecote mit einer glänzenden Gesellschaft, welche ihnen zu Ehren eingeladen worden war. Die alte Halle, geschmückt mit Panzerhemden, welche die Kriege der Rosen gesehen und mit den Bildnissen von Kavalieren, die IX.104 eine Zierde des Hofes Philipp’s und Mariens gewesen waren, war an jenem Tage mit Peers und Generälen angefüllt. In einem solchen Gedränge konnte man leicht eine kurze Frage und Antwort wechseln, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Halifax benutzte die Gelegenheit, die sich ihm darbot, um Burnet Alles was er wußte und dachte zu entlocken. „Was wollt Ihr eigentlich?“ fragte der gewandte Diplomat; „wollt Ihr den König in Eure Gewalt haben?“ — „Durchaus nicht,“ antwortete Burnet, „wir würden seiner Person nicht das mindeste Leid anthun.“ — „Wenn er aber flüchtete?“ fuhr Halifax fort. „Dies wäre uns das Erwünschteste.“ Es kann nicht bezweifelt werden, daß Burnet die allgemeine Ansicht der Whigs im Lager des Prinzen aussprach. Sie wünschten Alle, daß Jakob das Land verlassen möchte, aber nur einige wenige von den weisesten unter ihnen sahen ein, wie wichtig es war, daß seine Flucht von der Nation seiner eignen Thorheit und Verblendung und nicht harter Behandlung oder begründeter Furcht zugeschrieben wurde. Wahrscheinlich wären selbst in der verzweifelten Lage, in die er versetzt war, alle seine Feinde zusammengenommen noch immer nicht im Stande gewesen, seinen völligen Sturz zu bewirken, wäre er selbst nicht sein schlimmster Feind gewesen; aber während seine Commissare an seiner Rettung arbeiteten, arbeitete er eben so eifrig daran, alle ihre Bemühungen nutzlos zu machen.161

160. Siehe eine höchst interessante Note zum fünften Gesange von Sir Walter Scotts Rokeby.

161. Die Quellen meiner Mittheilungen über die Vorgänge in Hungerford sind: Clarendon’s Diary, Dec. 8, 9. 1688; Burnet, I. 794; das Schreiben, welches die Commissare dem Prinzen überbrachten, und dessen Antwort darauf; Sir Patrick Hume’s Diary; Citters, 9.(19.) Dec.

Die Königin und der Prinz von Wales werden nach Frankreich geschickt. Seine Pläne waren endlich reif zur Ausführung. Die Scheinunterhandlung hatte ihren Zweck erfüllt. An dem nämlichen Tage, an welchem die drei Lords in Hungerford eintrafen, kam der Prinz von Wales in Westminster an. Man hatte die Absicht gehabt, ihn die London-Brücke passiren zu lassen, und einige irländische Truppen waren ihm daher nach Southwark entgegengesandt worden. Aber sie wurden von einer zahlreichen Volksmenge mit solchem Geschrei und solchen Verwünschungen empfangen, daß sie es für gerathen hielten, schleunigst wieder umzukehren. Das unglückliche Kind passirte die Themse bei Kingston und wurde so in aller Stille nach Whitehall gebracht, daß Viele glaubten, es sei noch in Portsmouth.162

Den Prinzen und die Königin außer Landes zu schicken, war jetzt das Hauptziel Jakob’s. Aber wem konnte die Leitung der Flucht anvertraut werden? Dartmouth war der loyalste aller protestantischen Tories, und er hatte sich geweigert. Dover war eine Creatur der Jesuiten, und selbst er hatte sich nicht entschließen können. Es war nicht sehr leicht, einen Engländer von hohem Range und von Ehre zu finden, der es unternommen hätte, den wahrscheinlichen Erben der englischen Krone den Händen des Königs von Frankreich zu übergeben. Unter diesen Umständen dachte Jakob an einen damals in London lebenden Franzosen, Namens Antonin Graf von Lauzun.

162. Clarke’s Life of James, II. 237. Burnet hat sonderbarerweise nichts davon gehört oder es vergessen, daß der Prinz nach London zurückgebracht wurde. (I. 796.)

Lauzun. Man hat von diesem Manne gesagt, sein Leben sei wunderbarer gewesen, als die Träume anderer Leute. In seiner Jugend IX.105 war er Ludwig’s intimer Gesellschafter gewesen und man hatte ihm Aussicht auf die höchsten Ämter unter der französischen Krone gemacht. Dann hatte sein Glücksstern sich plötzlich verdunkelt. Ludwig hatte seinen Jugendfreund mit bitteren Vorwürfen von sich gestoßen und sollte sich angeblich kaum haben enthalten können, ihn zu schlagen. Der gefallene Günstling war als Gefangener auf eine Festung geschickt, aber wieder in Freiheit gesetzt worden, hatte sich aufs neue der Gunst seines Gebieters erfreut und das Herz einer der vornehmsten Damen in Europa, Anna Maria, Tochter des Herzogs Gaston von Orleans, Enkelin König Heinrich’s IV. und Erbin der unermeßlichen Besitzungen des Hauses Montpensier, erobert. Die beiden Liebenden wünschten sich zu vermählen, der König gab seine Einwilligung und einige Stunden lang wurde Lauzun vom Hofe als ein Mitglied des Hauses Bourbon betrachtet. Die Mitgift der Prinzessin wäre in der That der Bewerbung souverainer Fürsten werth gewesen, denn sie bestand aus drei großen Herzogthümern, einem unabhängigen Fürstenthume mit eigner Münze und eigenen Tribunalen, und einem Einkommen, das die Gesammteinkünfte des Königreichs Schottland weit überstieg. Aber diese glänzende Aussicht trübte sich, die Verbindung wurde abgebrochen und der Freier wurde viele Jahre in einem Alpenschlosse eingesperrt. Endlich ließ sich Ludwig wieder erweichen. Lauzun durfte nicht vor dem Könige erscheinen, aber es war ihm gestattet, fern vom Hofe seine Freiheit zu genießen. Er ging nach England und wurde im Palaste Jakob’s und in den vornehmen Cirkeln London’s wohl aufgenommen, denn damals galten die französischen Edelleute in ganz Europa für Muster von Eleganz, und viele Chevaliers und Vicomtes, welche in den Privatcirkeln zu Versailles nie Zutritt gehabt hatten, sahen sich in Whitehall von allgemeiner Neugierde und Bewunderung umgeben. Lauzun war der gegenwärtigen Anforderung in jeder Hinsicht gewachsen. Er hatte Muth und Ehrgefühl, war an excentrische Abenteuer gewöhnt und verband mit dem scharfen Beobachtungssinn und dem sarkastischen Witze eines vollendeten Weltmanns eine entschiedene Neigung zum irrenden Ritterthum. Alle seine nationalen Gefühle und alle seine persönlichen Interessen trieben ihn an, das Abenteuer zu wagen, vor dem die treuesten Unterthanen der englischen Krone zurückzuschrecken schienen. Als Beschützer der Königin von Großbritannien und des Prinzen von Wales in einer gefahrvollen Krisis, konnte er mit Ehren in sein Vaterland zurückkehren, es konnte ihm wieder gestattet werden, Ludwig ankleiden und speisen zu sehen und nach so vielen Wechselfällen konnte er am Abende seines Lebens noch einmal die so wunderbar bezaubernde Jagd nach der königlichen Gunst beginnen.

Von solchen Gefühlen beseelt, nahm Lauzun das ihm angebotene wichtige Amt bereitwilligst an. Die Vorkehrungen zur Flucht wurden schleunigst getroffen, ein Schiff erhielt Befehl, sich bei Gravesend bereit zu halten; aber nach Gravesend zu gelangen, war nicht leicht. Die City war in einer furchtbaren Aufregung. Die geringste Ursache war hinreichend, um einen Auflauf zu veranlassen, kein Fremder durfte sich auf den Straßen zeigen, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, angehalten, ausgefragt und als verkappter Jesuit vor einen Magistratsbeamten geführt zu werden. Man mußte sich daher auf der Südseite der Themse halten. Es wurde keine Vorsichtsmaßregel versäumt, um jeden Verdacht zu zerstreuen. Der König und die Königin begaben sich wie gewöhnlich IX.106 zur Ruhe. Jakob wartete, bis eine Zeit lang im Palaste Alles still gewesen war, dann stand er auf und rief einen Diener, zu dem er sagte: „Ihr werdet an der Thür des Vorzimmers einen Mann finden; bringt ihn hierher.“ Der Diener gehorchte und Lauzun wurde ins königliche Schlafgemach eingeführt. „Ich vertraue Ihnen meine Gemahlin und meinen Sohn an,“ sagte der König zu ihm; „sie müssen auf jede Gefahr hin nach Frankreich gebracht werden.“ Lauzun sprach mit ächt ritterlichem Sinne seinen Dank aus für die ihm zu Theil werdende gefährliche Ehre und bat um die Erlaubniß, sich der Mithülfe seines Freundes Saint-Victor, eines Edelmanns aus der Provence, dessen Muth und Treue vielfach erprobt sei, bedienen zu dürfen. Die Dienste eines so werthvollen Beistandes wurden bereitwillig angenommen. Lauzun reichte Marien die Hand, und Saint-Victor hüllte den unglücklichen Erben so vieler Könige in seinen warmen Mantel. Die Gesellschaft schlich leise die Hintertreppe hinab und stieg in einen offenen Kahn. Es war eine traurige Fahrt. Die Nacht war kalt, es regnete, der Wind heulte und der Wellenschlag war heftig. Endlich erreichte der Kahn Lambeth und die Flüchtlinge landeten in der Nähe eines Gasthofes, wo ein Wagen und Pferde sie erwarteten. Es dauerte eine Weile, bis die Pferde angeschirrt und angespannt waren. Marie wollte aus Furcht erkannt zu werden nicht in das Haus treten. Sie blieb bei ihrem Kinde, zum Schutz vor dem Unwetter unter dem Thurme der Lambethkirche kauernd und jedesmal vor Schreck zusammenfahrend, wenn der Hausknecht sich ihr mit seiner Laterne näherte. Sie hatte zwei von ihren Kammerfrauen bei sich; die eine nährte den Prinzen, die andre hatte das Amt, ihn zu wiegen; ihrer Gebieterin aber konnten Beide nur wenig nützen, denn sie waren Ausländerinnen, welche kaum englisch sprachen und beständig über das rauhe Klima Englands klagten. Der einzige tröstliche Umstand war, daß das Kind wohl war und nicht ein einziges Mal schrie. Endlich war der Wagen bereit. Saint-Victor begleitete denselben zu Pferde. Die Flüchtlinge kamen wohlbehalten in Gravesend an und schifften sich auf der sie erwartenden Yacht ein. Sie fanden auf derselben Lord Powis mit seiner Gattin und drei irische Offiziere. Diese waren dahin geschickt worden, um Lauzun in einem etwaigen verzweifelten Nothfalle beizustehen, denn es wurde nicht für unmöglich gehalten, daß der Kapitain des Schiffes sich als treulos erwies, und man hatte sich fest vorgenommen, ihn beim geringsten Verdacht von Verrätherei sofort niederzustoßen. Man kam jedoch nicht in die Nothwendigkeit, Gewalt zu brauchen. Die Yacht fuhr mit günstigem Winde den Strom hinab und nachdem Saint-Victor sie hatte absegeln sehen, sprengte er mit der guten Nachricht nach Whitehall zurück.163

Am Montag Morgen, den 10. December, erfuhr der König, daß seine Gemahlin und sein Sohn ihre Reise unter günstigen Aussichten für die glückliche Vollendung derselben angetreten hatten. Um die nämliche Zeit kam ein Courier mit Depeschen von Hungerford im Palaste an. Wäre Jakob ein wenig scharfsichtiger und etwas weniger halsstarrig IX.107 gewesen, so würden diese Depeschen ihn bestimmt haben, alle seine Pläne noch einmal zu erwägen. Das Schreiben der Commissare berechtigte zu guten Hoffnungen. Die von dem Sieger gestellten Bedingungen waren auffallend liberal. Der König selbst konnte sich der Bemerkung nicht enthalten, daß sie günstiger seien, als er es erwartet hätte. Zwar konnte er nicht ohne Grund annehmen, daß sie in keiner freundlichen Absicht gestellt wurden; allein dies kam hier nicht in Betracht; mochten sie ihm in der Hoffnung angeboten werden, daß er durch Annahme derselben den Grund zu einer gütlichen Ausgleichung legen werde, oder, und dies war wahrscheinlicher, in der Hoffnung, daß er sich durch ihre Zurückweisung der Nation als durchaus unvernünftig und unverbesserlich darstellen werde, jedenfalls war der Weg, den er hatte einschlagen sollen, vollkommen klar. In beiden Fallen würde es die Klugheit erfordert haben, sie ohne Besinnen anzunehmen und treulich zu halten.

163. Clarke’s Life of James, II. 246; Père d’Orléans, Revolutions d’Angleterre, XI.; Frau von Sévigné, 14.(24.) Dec. 1688; Dangeau Mémoires, 13.(23.) Dec. Über Lauzun siehe die Memoiren Mademoiselle’s und des Herzogs von St. Simon und die Characteristiken von Labruyère.

Anstalten des Königs zur Flucht. Es zeigte sich aber bald, daß Wilhelm den Character, mit dem er es zu thun hatte, richtig beurtheilt und durch das Anerbieten jener Bedingungen, welche die in Hungerford anwesenden Whigs als zu nachsichtig getadelt, nichts gewagt hatte. Die feierliche Komödie, mit der das Publikum seit dem Rückzuge der königlichen Armee von Salisbury unterhalten worden war, wurde noch einige Stunden fortgesetzt. Alle noch in der Hauptstadt anwesenden Lords wurden in den Palast beschieden, um von den Fortschritten der auf ihren Rath eingeleiteten Unterhandlungen unterrichtet zu werden. Eine zweite Versammlung von Peers wurde auf den nächstfolgenden Tag festgesetzt. Der Lordmayor und die Sheriffs von London wurden ebenfalls vor den König geladen. Er ermahnte sie, ihre Pflichten mit ungeschwächtem Eifer zu erfüllen und gestand ihnen, daß er es für zweckmäßig erachtet habe, seine Gemahlin und seinen Sohn außer Landes zu schicken, versicherte aber, daß er selbst auf seinem Posten ausharren werde. Als er diese unkönigliche und unmännliche Lüge sagte, war es schon sein fester Entschluß, noch vor Tagesanbruch abzureisen. Er hatte bereits sein werthvollstes bewegliches Eigenthum mehreren fremden Gesandten zur Aufbewahrung übergeben. Seine wichtigsten Papiere hatte er dem toskanischen Gesandten anvertraut. Etwas aber mußte vor der Flucht noch geschehen. Der Tyrann schmeichelte sich mit der Hoffnung, daß er sich an dem Volke, welches seinen Despotismus nicht länger ertragen wollte, werde rächen können, indem er es bei seinem Scheiden allem Unheile der Anarchie preisgab. Er ließ das große Siegel und die Ausschreiben für das neue Parlament in sein Zimmer bringen. Die noch vorhandenen Ausschreiben warf er ins Feuer und die bereits abgesandten erklärte er durch eine in gesetzlicher Form abgefaßte Urkunde für ungültig. An Feversham schrieb er einen Brief, der nur als ein Befehl zur Auflösung der Armee verstanden werden konnte. Gleichwohl verhehlte der König selbst seinen ersten Ministern noch immer seine Absicht, zu entweichen. Ehe er sich zur Ruhe begab, befahl er noch Jeffreys, am andren Morgen bei Zeiten im Kabinet zu erscheinen, und als er ins Bett stieg, raunte er Mulgrave zu, die aus Hungerford angelangten Nachrichten seien höchst befriedigend. Jedermann entfernte sich hierauf, mit Ausnahme des Herzogs von Northumberland. Dieser junge Mann, ein natürlicher Sohn Karl’s II. und der Herzogin von Cleveland, war Commandant einer Abtheilung der Leibgarde IX.108 und Kammerherr. Es scheint damals am Hofe Sitte gewesen zu sein, daß in Abwesenheit der Königin ein Kammerherr im Zimmer des Königs auf einem Feldbett schlafen mußte, und Northumberland war an der Reihe, diesen Dienst zu versehen.

Seine Flucht. Dienstag den 11. December um drei Uhr Morgens stand Jakob auf, nahm das große Siegel an sich, befahl Northumberland, die Thür des Schlafzimmers erst zur gewohnten Stunde zu öffnen und verschwand durch einen verborgenen Ausgang, wahrscheinlich derselbe, durch welchen Huddleston ans Bett des vorigen Königs gebracht worden war. Sir Eduard Hales erwartete ihn mit einer Miethkutsche. Jakob fuhr nach Millbank, wo er in einem kleinen Nachen über die Themse setzte. Als er bei Lambeth vorüberfuhr, warf er das große Siegel mitten in den Strom, wo es viele Monate darauf zufällig in ein Fischernetz gerieth und herausgezogen wurde.

In Vauxhall stieg er an’s Land. Hier erwartete ihn ein bekannter Reisewagen und er schlug ohne Aufenthalt den Weg nach Sheerneß ein, wo ein dem Zollhause gehörendes Boot für ihn in Bereitschaft gehalten wurde.164

164. History of the Desertion; Clarke’s Life of James, II. 251. Orig. Mem.; Mulgrave’s Account of the Revolution; Burnet, I. 795.

 
X.1

Zehntes Kapitel.

Das Interregnum.


  X.3

Inhalt.


Seite
Die Flucht des Königs wird bekannt 5
Große Aufregung 5
Die Lords versammeln sich in Guildhall 5
Tumulte in London 8
Das Haus des spanischen Gesandten geplündert 9
Verhaftung Jeffreys’ 10
Die irische Macht 11
Der König wird unweit Sheerneß angehalten 14
Die Lords geben Befehl zu seiner Freilassung 18
Wilhelm’s Verlegenheit 19
Verhaftung Feversham’s 19
Ankunft Jakob’s in London 20
Berathung in Windsor 21
Die holländischen Truppen besetzen Whitehall 24

Das Schreiben des Prinzen wird Jakob überbracht

24
Jakob’s Aufbruch nach Rochester 25
Wilhelm’s Ankunft im St. Jamespalaste 25

Es wird ihm gerathen, sich die Krone kraft des Eroberungsrechtes aufzusetzen

27

Er beruft die Lords und die Mitglieder der Parlamente Karl’s II. zusammen

28
Jakob’s Flucht von Rochester 30
Berathungen und Beschlüsse der Lords 31

Verhandlungen und Beschlüsse der von dem Prinzen einberufenen Gemeinen

32
Eine Convention berufen 33

Bemühungen des Prinzen zur Herstellung der Ordnung

33
Seine tolerante Politik 34
Zufriedenheit der katholischen Mächte 35
Stimmung in Frankreich 35
Empfang der Königin von England in Frankreich 36
Ankunft Jakob’s in St.-Germain 37
Stimmung in den Vereinigten Provinzen 39
Wahl der Mitglieder zur Convention 39
Die Angelegenheiten Schottlands 40
Stand der Parteien in England 42
Sherlock’s Plan 44
X.4 Sancroft’s Plan 45
Danby’s Plan 47
Der Plan der Whigs 48

Zusammentritt der Convention. Leitende Mitglieder des Hauses der Gemeinen

50
Wahl eines Sprechers 51
Debatte über die Lage der Nation 52

Beschluß, durch den der Thron für erledigt erklärt wird

54
Der Beschluß wird den Lords vorgelegt 55

Debatte im Oberhause über den Regentschaftsplan

55

Spaltung zwischen den Whigs und den Anhängern Danby’s

61
Versammlung bei dem Earl von Devonshire 62

Debatte im Hause der Lords über die Frage der Thronerledigung

63
Die Majorität für die Verneinung 64
Aufregung in London 64
Brief von Jakob an die Convention 65
Debatte 65
Unterhandlungen 65
Schreiben der Prinzessin von Oranien an Danby 65

Die Prinzessin Anna erklärt sich mit dem Whigplane einverstanden

66
Wilhelm spricht seine Absichten aus 67
Die Conferenz zwischen den beiden Häusern 68
Die Lords geben nach 69

Es werden neue Gesetze zur Sicherung der Freiheit vorgeschlagen

70
Streitigkeiten und Vergleich 71
Die Rechtserklärung 73
Ankunft Marien’s 73
Anbietung und Annahme der Krone 74
Wilhelm und Marie werden ausgerufen 75

Eigenthümlicher Character der englischen Revolution

75
X.5

Die Flucht des Königs wird bekannt. Northumberland gehorchte pünktlich dem erhaltenen Befehle und öffnete den Eingang zu den königlichen Apartements erst als es heller Tag geworden war. Das Vorzimmer war mit Höflingen, welche ihre Morgenvisite machen wollten, und mit den zu einer Berathung in den Palast beschiedenen Lords angefüllt. In einem Augenblicke verbreitete sich die Nachricht von Jakob’s Flucht von den Gallerien in die Straßen und die ganze Stadt kam in Aufruhr.

Große Aufregung. Es war ein schrecklicher Augenblick. Der König war fort, der Prinz noch nicht da und keine Regentschaft war ernannt. Das zur Verwaltung der ordentlichen Rechtspflege unentbehrliche große Siegel war verschwunden, und bald erfuhr man, daß Feversham bei Empfang des königlichen Befehls seine Truppen auf der Stelle entlassen hatte. Welche Achtung vor dem Gesetz und den Eigenthumsrechten konnte man von bewaffneten und zusammenhaltenden Soldaten erwarten, welche aller Beschränkungen der Disciplin entledigt waren und denen es an den nothwendigsten Lebensbedürfnissen fehlte? Auf der andren Seite hatte auch der Pöbel von London seit einigen Wochen eine starke Neigung zu Tumulten und Räubereien gezeigt. Die dringende Gefahr des Augenblicks vereinigte auf kurze Zeit alle Diejenigen mit einander, die ein Interesse an der Ruhe und Sicherheit der Gesellschaft hatten. Rochester hatte bis zu diesem Tage fest zur Sache des Königs gehalten. Jetzt sah er nur noch ein Mittel, um einer allgemeinen Verwirrung vorzubeugen. „Rufen Sie Ihre Abtheilung Garden zusammen,“ sagte er zu Northumberland, „und erklären Sie sich für den Prinzen von Oranien.“ Der Rath wurde sofort befolgt. Die zur Zeit in London anwesenden höheren Offiziere der Armee hielten in Whitehall eine berathende Versammlung und beschlossen, sich der Autorität Wilhelm’s zu unterwerfen, ihre Truppen zusammenzuhalten bis er seinen Willen kund thun würde, und die Civilgewalt in der Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung zu unterstützen.1

1. History of the Desertion; Mulgrave’s Account of the Revolution; Eachard’s History of the Revolution.

Die Lords versammeln sich in Guildhall. Die Peers begaben sich nach der Guildhall, wo sie von dem Magistrat der Stadt X.6 mit allen Ehrenbezeigungen empfangen wurden. Streng gesetzlich waren sie so wenig als irgend ein andrer Verein von Personen befugt, die ausübende Gewalt zu übernehmen. Aber im Interesse der öffentlichen Sicherheit war eine provisorische Regierung durchaus nöthig und zu dem Ende richtete sich der Blick des Publikums natürlich auf die erblichen Magnaten des Reichs. Die Größe der Gefahr trieb auch Sancroft aus seinem Palaste. Er nahm den Präsidentenstuhl ein und unter seinem Vorsitze beschlossen der neue Erzbischof von York, fünf Bischöfe und zweiundzwanzig weltliche Lords eine Erklärung aufzusetzen, zu unterzeichnen und zu veröffentlichen. Sie erklärten in diesem Aktenstücke, daß sie treu zur Religion und Verfassung ihres Vaterlandes hielten, daß sie die Hoffnung gehegt hätten, die öffentlichen Mißstände durch das vor kurzem vom Könige einberufene Parlament abgestellt zu sehen, daß aber seine Flucht diese Hoffnung zerstört habe. Sie hätten daher beschlossen, sich dem Prinzen von Oranien anzuschließen, damit die Freiheit der Nation und die Rechte der Kirche gesichert, den Dissenters gebührende Gewissensfreiheit gewährt und der Protestantismus durch die ganze Welt befestigt werde. Bis zur Ankunft Seiner Hoheit wollten sie die Verantwortlichkeit für die zur Aufrechthaltung der Ordnung nöthigen Maßregeln übernehmen. Es wurde sofort eine Deputation abgesandt, welche dem Prinzen diese Erklärung vorlegen und ihm sagen sollte, daß er mit Ungeduld in London erwartet werde.2

Die Lords schritten nun zur Berathung der Maßregeln, welche ergriffen werden mußten, um Ruhestörungen vorzubeugen. Sie schickten nach den beiden Staatssekretären. Middleton wollte sich einer Autorität, die er für widerrechtlich angemaßt hielt, nicht unterwerfen; Preston aber, der über die Flucht seines Gebieters ganz bestürzt war und nicht wußte, was er zu erwarten hatte, noch wohin er sich wenden sollte, kam der Aufforderung nach. Es wurde ein Bote an Skelton, den Gouverneur des Tower gesandt, um ihn in die Guildhall zu berufen. Er kam und ward bedeutet, daß man seiner Dienste nicht länger bedürfe und daß er augenblicklich seine Schlüssel abzuliefern habe. Zu seinem Nachfolger wurde Lord Lucas ernannt. Zu gleicher Zeit wurde auf Befehl der Peers an Dartmouth ein Brief geschrieben, welcher die Weisung enthielt, daß er sich jeder feindseligen Operation gegen die holländische Flotte enthalten und alle unter ihm commandirenden papistischen Offiziere entlassen solle.3

Die Rolle, welche Sancroft und einige andere Personen, die bis zu diesem Tage das Prinzip des passiven Gehorsams streng festgehalten hatten, bei diesen Maßnahmen spielten, verdient besondere Erwähnung. Den Oberbefehl über die Land- und Seemacht des Staats eigenmächtig zu übernehmen, die Offiziere zu entlassen, denen der König seine Schlösser und Schiffe anvertraut, und seinem Admiral alle Operationen gegen seine Feinde zu verbieten: dies war gewiß nichts Geringeres als offener Aufruhr. Indessen redeten sich mehrere rechtschaffene und talentvolle Tories aus Filmer’s Schule dennoch ein, daß sie dies Alles thun könnten, ohne sich des Widerstandes gegen ihren Souverain schuldig zu machen. Die X.7 Unterscheidung, welche sie dabei machten, war wenigstens sinnreich. Die Regierung, sagten sie, ist eine göttliche Anordnung. Die erbliche monarchische Regierung ist vorzugsweise eine göttliche Anordnung. So lange der König befiehlt was recht und gesetzlich ist, müssen wir ihm bereitwillig gehorchen, und wenn er etwas Ungesetzliches befiehlt, müssen wir ihm passiv gehorchen. Selbst im äußersten Falle sind wir nicht berechtigt, ihm gewaltsamen Widerstand entgegenzusetzen. Legt er aber freiwillig seine Functionen nieder, so erlöschen dadurch seine Rechte über uns. So lange er uns, wenn auch schlecht, regiert, sind wir ihm Gehorsam schuldig; will er uns aber gar nicht mehr regieren, so sind wir nicht verbunden, für immer ohne Regierung zu bleiben. Anarchie ist keine göttliche Anordnung und Gott wird es uns gewiß nicht als Sünde anrechnen, wenn ein Fürst, den wir trotz der heftigsten Provokationen niemals die Ehrerbietung und den Gehorsam verweigert haben, plötzlich abreist, ohne daß wir wissen wohin und ohne daß er einen Stellvertreter hinterlassen, und wir schlagen dann das einzige Verfahren ein, durch das wir die völlige Auflösung der Gesellschaft verhindern können. Wäre unser Monarch bei uns geblieben, so würden wir, so wenig er auch unsre Liebe verdiente, mit Freuden zu seinen Füßen gestorben sein. Hätte er, als er uns verließ, eine Regentschaft eingesetzt, die uns während seiner Abwesenheit mit stellvertretender Autorität regieren sollte, so würden wir dieser Regentschaft allein die Leitung der Geschäfte überlassen haben. Aber er ist verschwunden, ohne für die Erhaltung der Ordnung oder für die Verwaltung der Justiz Vorsorge getroffen zu haben. Mit ihm und seinem großen Siegel ist auch das ganze Triebwerk verschwunden, durch welches ein Mörder bestraft, das Recht auf einen Besitz entschieden und das Vermögen eines Bankerotteurs vertheilt werden kann. Seine letzte Handlung war, daß er viele Tausende bewaffneter Männer von den Zügeln der militairischen Disciplin befreite und sie in die Lage versetzte, entweder plündern oder darben zu müssen. Noch einige Stunden, und Jedermann wird sich an seinem Nachbar vergreifen. Leben, Eigenthum und Frauenehre werden allen Ungesetzlichkeiten preisgegeben sein. Wir befinden uns diesen Augenblick thatsächlich in dem Naturzustande, über den die Theoretiker soviel geschrieben haben, und in diesen Zustand sind wir nicht durch unsre Schuld, sondern durch den freiwilligen Abfall des Mannes versetzt worden, der unser Beschützer hätte sein sollen. Sein Abfall darf mit Recht freiwillig genannt werden, denn weder sein Leben noch seine Freiheit war gefährdet. Seine Feinde hatten sich eben bereit erklärt, auf einer von ihm selbst vorgeschlagenen Grundlage mit ihm zu unterhandeln und sich unter Bedingungen, deren Billigkeit er nicht leugnen konnte, erboten, alle feindseligen Operationen sofort einzustellen. Unter solchen Umständen hat er sein Amt niedergelegt. Wir widerrufen nichts, wir sind in nichts inconsequent, wir halten noch immer ohne Unterschied an unseren alten Prinzipien fest, wir sind noch immer der Meinung, daß es in allen Fällen sündhaft ist, sich der Obrigkeit zu widersetzen; aber wir sagen, es giebt keine Obrigkeit mehr, der wir uns widersetzen könnten. Der Mann, der die Obrigkeit war, hat seine Gewalt, nachdem er sie lange gemißbraucht, endlich niedergelegt. Der Mißbrauch berechtigte uns nicht dazu ihn abzusetzen, die Abdankung aber giebt uns das Recht, zu erwägen, wie wir seine Stelle am besten wieder besetzen.

Aus diesen Gründen gewann die Partei des Prinzen viele neue X.8 Anhänger, die sich bisher von ihm fern gehalten hatten. Seit Menschengedenken war man der vollkommenen Einigkeit aller verständigen Engländer noch nie so nahe gewesen, als bei dieser Gelegenheit; nie hatte man aber auch der Einigkeit so sehr bedurft. Eine gesetzliche Autorität gab es nicht. Alle die schlimmen Leidenschaften, welche eine Regierung zu zügeln verpflichtet ist und welche auch die besten Regierungen nur unvollkommen zu zügeln vermögen, waren plötzlich von jedem Zwange befreit: Habgier, Sittenlosigkeit, Rachsucht, Seelenhaß und Nationalhaß. Bei solchen Gelegenheiten wird man stets finden, daß das menschliche Ungeziefer, das, von den Dienern des Staats und der Kirche vernachlässigt, inmitten der Civilisation und des Christenthums in heidnischer Rohheit und mit allen möglichen physischen und moralischen Lastern befleckt in den Kellern und Dachkammern der großen Städte nistet, sich mit einem Male zu furchtbarer Bedeutung erhebt. So war es damals auch in London.

2. London Gazette, Dec. 13. 1688.

3. Clarke’s Life of James, II. 259; Mulgrave’s Account of the Revolution; Legge’s Papiere in der Mackintosh-Sammlung.

Tumulte in London. Als die Nacht, zufällig die längste Nacht im Jahre, hereinbrach, spieen alle Höhlen des Lasters, der Bärenzwinger von Hockley und das Labyrinth von Kneipen und Bordellen in den Friars, Tausende von Einbrechern und Straßenräubern, Taschendieben und Gaunern aus. Zu ihnen gesellten sich Tausende von Lehrbuben und Gesellen, denen lediglich nach der Aufregung eines Tumults gelüstete. Selbst friedliebende und achtbare Leute wurden durch die religiöse Erbitterung angetrieben, sich dem gesetzlosen Theile der Bevölkerung anzuschließen. Denn der Ruf: „Kein Papismus!“ ein Ausruf, der mehr als einmal die Existenz Londons gefährdet hat, war das Signal zu Gewaltthätigkeiten und Räubereien. Zuerst fiel der Pöbel über die katholischen Andachtshäuser her. Die Gebäude wurden demolirt. Bänke, Kanzeln, Beichtstühle und Breviarien wurden auf einen Haufen geworfen und verbrannt. Ein ungeheurer Berg von Büchern und Geräthschaften brannte in der Gegend des Klosters von Clerkenwell. Ein andrer Haufen wurde neben den Trümmern des Franziskanerklosters in Lincoln’s Inn Fields angezündet. Die beiden Kapellen in Lime Street und in Bucklersbury wurden niedergerissen. Die Gemälde, Bilder und Kruzifixe wurden beim Scheine der von den Altären genommenen Wachskerzen im Triumph durch die Straßen getragen. Die Prozession starrte von Schwertern und Stöcken, an welche Orangen gespießt waren. Die Druckerei des Königs, aus der während der letzten drei Jahre unzählige Schriften zur Vertheidigung der päpstlichen Oberhoheit, des Bilderdienstes und der Klostergelübde hervorgegangen waren, wurde, um uns eines Ausdrucks zu bedienen, welcher damals zum ersten Male aufkam, vollständig ausgeweidet (gutted). Die großen Papiervorräthe, welche zum Theil noch nicht bedruckt waren, lieferten das Material zu einem ungeheuren Freudenfeuer. Von den Klöstern, Tempeln und öffentlichen Anstalten wendete sich die Wuth der Menge auf Privatwohnungen. Mehrere Häuser wurden ausgeplündert und zerstört; die Geringfügigkeit der Beute aber befriedigte die Plünderer nicht, und bald verbreitete sich das Gerücht, daß die werthvollsten Effecten der Papisten den auswärtigen Gesandten zur Aufbewahrung übergeben worden seien. Der rohe und unwissende Pöbel fragte nichts nach dem Völkerrechte und nach der Gefahr, die gerechte Rache von ganz Europa auf das Vaterland zu bringen. Die Häuser der Gesandten wurden belagert. Ein großer Haufe sammelte sich vor Barillon’s X.9 Palaste in St. James’ Square. Er kam jedoch leichteren Kaufes davon, als man hätte erwarten sollen, denn obgleich die Regierung, welche er repräsentirte, allgemein verhaßt war, so hatten doch sein gastfreier Haushalt und seine pünktlichen Zahlungen ihn persönlich beliebt gemacht. Überdies hatte er die Vorsicht gebraucht, um eine militairische Schutzwache zu bitten, und da mehrere andere in seiner Nähe wohnende Männer von Rang das Nämliche gethan, so war auf dem Platze eine ansehnliche Streitmacht versammelt. Die Tumultuanten ließen ihn deshalb unbelästigt, nachdem er versichert hatte, daß keine Waffen oder Priester in seinem Hause versteckt seien. Auch der venetianische Gesandte war durch eine Truppenabtheilung geschützt; die Häuser aber, welche die Gesandten des Kurfürsten von der Pfalz und des Großherzogs von Toskana bewohnten, wurden zerstört. Einen werthvollen Kasten konnte der toskanische Gesandte vor den Plünderern retten. Derselbe enthielt neun Bände Memoiren, von Jakob eigenhändig geschrieben. Diese Bände kamen unversehrt nach Frankreich, wo sie nach Verlauf von mehr als einem Jahrhunderte in den Stürmen einer noch weit furchtbareren Revolution als die, weicher sie glücklich entronnen waren, zu Grunde gingen. Einige Bruchstücke davon sind indessen noch vorhanden, und obgleich diese arg verstümmelt und in Massen lächerlicher Erdichtungen gekleidet sind, so verdienen sie doch aufmerksam studirt zu werden.

Das Haus des spanischen Gesandten geplündert. Das kostbare Silbergeräth der königlichen Kapelle war nach Wild House, unweit Lincoln’s Inn Fields, der Wohnung des spanischen Gesandten Ronquillo, gebracht worden. Ronquillo, der sich bewußt war, daß er und sein Hof keine üble Behandlung von Seiten der englischen Nation verdienten, hatte es nicht für nöthig erachtet, um Soldaten zu bitten; aber der Pöbel war nicht in der Stimmung, um feine Unterschiede zu machen. Der Name Spanien wurde in der öffentlichen Meinung seit langer Zeit mit der Inquisition und der Armada, mit den Grausamkeiten Mariens und den Anschlägen gegen Elisabeth in Verbindung gebracht. Auch hatte sich Ronquillo selbst unter dem Volke viele Feinde gemacht, indem er sich seines Vorrechts bediente, um der Nothwendigkeit, seine Schulden zu bezahlen, überhoben zu sein. Sein Haus wurde daher ohne Gnade geplündert und eine von ihm gesammelte prächtige Bibliothek den Flammen überliefert. Sein einziger Trost war, daß die Hostie in seiner Kapelle dem gleichen Schicksale entging.4

Die Morgensonne des 12. Decembers beleuchtete ein grauenvolles Schauspiel. Die Hauptstadt bot an vielen Stellen den Anblick einer mit Sturm genommenen Stadt dar. Die Lords versammelten sich in Whitehall und bemühten sich, die Ruhe wieder herzustellen. Die Milizen wurden unter die Waffen gerufen und ein Kavalleriedetaschement in Bereitschaft gehalten, um tumultuarische Zusammenrottungen zu zerstreuen. Für die den fremden Regierungen zugefügten Insulten wurde Genugthuung X.10 gewährt, so weit es in jenem Augenblicke möglich war. Es wurde eine Belohnung auf die Entdeckung der aus Wild House geraubten Effecten ausgesetzt, und Ronquillo, der kein Bett und keine Unze Silbergeschirr mehr besaß, wurde in dem verlassenen Palaste der Könige von England glänzend einquartirt. Eine splendide Tafel wurde ihm gehalten und die königlichen Leibwachen erhielten Befehl, ihn in seinem Vorzimmer mit der nämlichen Aufmerksamkeit zu bewachen, die sie dem Souverain zu erzeigen gewohnt waren. Diese Beweise von Achtung beschwichtigten selbst den empfindlichen Stolz des spanischen Hofes und beugten jeder Gefahr eines Bruches vor.5

4. London Gazette, Dec. 13. 1688; Barillon, 14.(24.) Dec.; Citters, von demselben Datum; Luttrell’s Diary; Clarke’s Life of James, II. 256. Orig. Mem.; Ellis’ Correspondenz, 13. Dec.; Berathung des spanischen Staatsraths vom 19.(29.) Jan. 1689. Ronquillo beklagte sich gegen seine Regierung bitter über die erlittenen Verluste: „Sirviendole solo de consuelo el haber tenido prevencion de poder consumir El Santisimo.“

5. London Gazette, Dec. 13. 1688; Luttrell’s Diary; Mulgrave’s Account of the Revolution; Berathung des spanischen Staatsraths vom 19.(29.) Jan. 1689. Es wurde von Repressalien gesprochen, aber der spanische Staatsrath wies den Vorschlag mit Verachtung zurück. „Habiendo sido este hecho por un furor de pueblo, sin consentimiento del gobierno, y antes contra su voluntad, como lo ha mostrado la satisfaccion que le han dado y le han prometido, parece que no hay juicio humano que puede aconsejar que se pase à semejante remedio.“

Verhaftung Jeffreys’. Trotz der wohlmeinenden Bemühungen der provisorischen Regierung nahm jedoch die Aufregung stündlich in erschreckendem Maße zu. Sie wurde noch vermehrt durch einen Vorfall, der selbst nach so langer Zeit nicht ohne ein Gefühl von Schadenfreude berichtet werden kann. Ein in Wapping wohnender Geldmäkler, dessen Hauptgeschäft darin bestand, daß er den dortigen Seeleuten Geld auf hohe Zinsen vorstreckte, hatte vor einiger Zeit eine Summe auf Bodmerei ausgeliehen. Der Schuldner suchte bei dem Billigkeitsgericht um Entbindung von seiner schriftlich eingegangenen Verpflichtung nach, und der Fall kam vor Jeffreys. Da der Rechtsbeistand des Schuldners sonst wenig zu sagen wußte, so sagte er, der Darleiher sei ein Trimmer. Der Kanzler gerieth sogleich in Flammen. „Ein Trimmer?“ rief er aus; „wo ist er? ich will ihn sehen, ich habe von dieser Gattung Ungeheuer gehört. Wie mögen sie aussehen?“ Der unglückliche Gläubiger mußte vortreten. Der Kanzler sah ihn mit einem durchbohrenden Blicke an, überhäufte ihn mit einer Fluth von Schmähungen und schickte ihn dann halb todt vor Angst wieder fort. „Dieses fürchterliche Gesicht,“ sagte der arme Mann, während er aus dem Gerichtssaale wankte, „werde ich zeitlebens nicht vergessen.“ Jetzt aber war der Tag der Vergeltung gekommen. Auf einem Gange durch Wapping sah der Trimmer am Fenster eines Alehauses ein ihm wohlbekanntes Gesicht. Er konnte sich nicht irren. Zwar waren die Augenbrauen abrasirt und der von Kohlenstaub geschwärzte Anzug war der eines gemeinen Matrosen; aber Jeffreys’ wilder Blick und boshafter Mund waren nicht zu verkennen. Es wurde Lärm gemacht, und in einem Augenblicke war das Haus von mehreren hundert Leuten aus dem Volke, die unter lauten Verwünschungen gewaltige Knittel schwangen, belagert. Eine Compagnie Miliz rettete dem Flüchtling das Leben und führte ihn vor den Lordmayor. Dieser war ein einfacher Mann, der sein ganzes Leben in Dunkelheit zugebracht hatte und jetzt ganz bestürzt war, als er sah, daß er in einer großen Revolution eine wichtige Rolle spielen sollte. Die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden und der gefahrdrohende Zustand der seiner Obhut X.11 anvertrauten Stadt, hatte seine geistigen und körperlichen Kräfte fast erschöpft. Als der große Mann, bei dessen Zornesblicke noch vor wenigen Tagen das ganze Königreich gezittert hatte, von Ruß geschwärzt, halb todt vor Angst und von einem tobenden Pöbelhaufen verfolgt, in das Gerichtszimmer geschleppt wurde, stieg die Aufregung des unglücklichen Mayors auf’s Höchste. Er bekam Nervenzufälle und wurde zu Bett gebracht, um nie wieder aufzustehen. Inzwischen wurde die Volksmenge draußen immer zahlreicher und wüthender. Jeffreys bat darum, daß man ihn ins Gefängniß führen solle. Man holte von den in Whitehall tagenden Lords einen dazu nöthigen Verhaftbefehl herbei und Jeffreys wurde in einem Wagen nach dem Tower gebracht. Zwei Regimenter Miliz waren zur Eskorte aufgeboten worden, und sie hatten ein schweres Stück Arbeit. Sie waren zu wiederholten Malen genöthigt, sich so zu formiren, als ob sie einen Kavallerieangriff abzuwehren hätten, und dem Pöbel einen Wald von Lanzen entgegenzuhalten. Die Tausende, die sich in ihren rachsüchtigen Hoffnungen getäuscht sahen, verfolgten den Wagen unter wüthendem Gebrüll bis zum Eingang in den Tower, dabei beständig ihre Stöcke schwingend und dem Gefangenen Stricke vor die Augen haltend. Der Unglückliche war vom Entsetzen und der Angst wie gelähmt. Er rang die Hände, blickte bald aus diesem, bald aus jenem Fenster und man hörte ihn trotz des betäubenden Lärms deutlich ausrufen: „Haltet sie zurück, Gentlemen! um des Himmels willen, haltet sie zurück!“ Endlich nachdem er weit mehr als die Qualen des Todes gelitten, wurde er in dem Staatsgefängnisse, in welchem einige von seinen erlauchtesten Schlachtopfern ihr Leben beschlossen hatten und in welchem auch er seine Tage in unsäglicher Schmach und Angst beschließen sollte, in Sicherheit gebracht.6

Diese ganze Zeit über wurde eifrig auf katholische Priester gefahndet. Viele wurden festgenommen und zwei Bischöfe, Ellis und Leyburne, wurden nach Newgate abgeführt. Der Nuntius, welcher kaum erwarten durfte, daß die Menge seinen geistlichen oder weltlichen Character respectiren werde, entkam als Bedienter verkleidet, im Gefolge des Gesandten des Herzogs von Savoyen.7

6. North’s Life of Guildford, 220; Jeffreys’ Elegy; Luttrell’s Diary; Oldmixon, 762. Oldmixon befand sich unter der Menge und war, wie ich nicht zweifle, einer der Wüthendsten. Er erzählt die Geschichte gut. Ellis’ Correspondenz; Burnet I. 797, und Onslow’s Note.

7. Adda, 9.(19.) Dec.; Citters, 18.(28.) Dec.

Die irische Nacht. Ein zweiter Tag der Aufregung und des Schreckens ging zu Ende und auf ihn folgte die seltsamste und grauenvollste Nacht, welche England je gesehen. Gegen Abend machte der Pöbel einen Angriff auf ein stattliches Haus, das vor wenigen Monaten für Lord Powis erbaut worden war, unter Georg II. die Wohnung des Herzogs von Newcastle wurde und sich noch jetzt unter den Gebäuden der nordwestlichen Seite von Lincoln’s Inn Fields auszeichnet. Es wurden einige Truppen hingeschickt, welche den Pöbel zerstreuten; die Ruhe schien hergestellt zu sein und die Bürger gingen sorglos zu Bett. In diesem Augenblicke tauchte ein Gerücht auf, das rasch zu einem furchtbaren Geschrei anschwoll, in einer Stunde von Piccadilly bis Whitechapel flog und sich durch alle X.12 Straßen und Gassen der Hauptstadt verbreitete. Es hieß, die Irländer, welche Feversham entlassen, marschirten nach London und machten unterwegs Alles, Männer, Frauen und Kinder, nieder. Um ein Uhr Morgens schlugen die Trommeln der Miliz Generalmarsch. Allenthalben weinten die geängstigten Frauen und rangen die Hände, während ihre Väter und Gatten sich zum Kampfe fertig machten. Noch vor zwei Uhr gewährte die Stadt das Ansehen ernster Kampfbereitschaft, das einem wirklichen Feinde gewiß Respect eingeflößt haben würde, wenn ein solcher im Anzuge gewesen wäre. An allen Fenstern brannten Lichter. Auf den öffentlichen Plätzen war es so hell wie am Tage. Alle Hauptzugänge waren verbarrikadirt. Mehr als zwanzigtausend Piken und Musketen zogen sich die Straßen entlang. Die späte Morgensonne des Wintersolstitiums fand die ganze City noch unter den Waffen. Die Londoner erinnerten sich viele Jahre lang lebhaft dieser Nacht, die sie die irische Nacht nannten. Als es sich zeigte, daß kein Grund zu Besorgnissen vorhanden gewesen war, versuchte man den Ursprung des Gerüchts zu entdecken, das eine so große Aufregung veranlaßt hatte. Es stellte sich heraus, daß einige Personen, welche aussahen und gekleidet waren wie eben vom Lande hereinkommende Bauern, kurz vor Mitternacht das Gerücht zuerst in den Vorstädten ausgesprengt hatten; woher diese Leute aber kamen und in wessen Dienste sie standen, blieb ein Geheimniß. Bald kamen von vielen Seiten Nachrichten, welche das Publikum noch bestürzter machten. Der Schrecken hatte sich nicht auf London allein beschränkt. Das Gerücht, daß irische Soldaten im Anzuge seien, um die Protestanten niederzumetzeln, war mit boshafter Arglist in vielen weit von einander entfernten Städten zu gleicher Zeit verbreitet worden. Eine große Anzahl Briefe, welche sehr geschickt abgefaßt waren, um das unwissende Volk zu ängstigen, waren durch Diligencen, Landkutschen und durch die Post nach verschiedenen Gegenden Englands gesandt worden. Alle diese Briefe kamen fast gleichzeitig in ihre Bestimmungsorte. In hundert Städten zugleich bemächtigte sich des niederen Volkes der Wahn, daß bewaffnete Barbaren in der Nähe seien, welche eben so empörende Verbrechen verüben wollten, wie die, welche den Aufstand von Ulster geschändet hatten. Kein Protestant sollte verschont bleiben, Kinder sollten durch die Folter gezwungen werden, ihre Eltern zu ermorden, Säuglinge sollten auf Lanzen gespießt oder in die brennenden Trümmern der vor einigen Stunden noch friedlichen Wohnungen geworfen werden. Große Volksmassen traten unter die Waffen; an einigen Orten fing man schon an, die Brücken abzubrechen und Barrikaden zu errichten; bald aber legte sich die Aufregung wieder. In vielen Districten erfuhren die so schändlich Betrogenen mit einer mit Beschämung gemischten Freude, daß sich bis auf die Entfernung eines Achttagemarsches nicht ein einziger papistischer Soldat befinde. In einigen Orten erschienen zwar vereinzelte herumstreifende Banden von Irländern und forderten Lebensmittel; aber man darf es ihnen kaum als Verbrechen anrechnen, daß sie nicht Hungers sterben wollten, und es ist durch nichts bewiesen, daß sie irgend einen muthwilligen Frevel verübten. In der That waren sie auch bei weitem nicht so zahlreich, als man allgemein glaubte, und es sank ihnen aller Muth, als sie sich plötzlich, ohne Anführer und ohne Lebensmittel inmitten einer starken Bevölkerung erblickten, von der sie mit Gefühlen betrachtet wurden, wie man sie etwa gegen eine Heerde Wölfe empfindet. Von allen Unterthanen Jakob’s hatte Niemand mehr Ursache, ihm zu fluchen, als X.13 diese unglücklichen Mitglieder seiner Kirche und Vertheidiger seines Thrones.8

Es macht dem englischen Character Ehre, daß trotz des Widerwillens, mit welchem die katholische Religion und das irische Volk damals betrachtet wurden, trotz der Anarchie, welche Jakob’s Flucht herbeiführte, und trotz der kunstvollen Machinationen, welche angewendet wurden, um die Menge durch die Furcht zur Grausamkeit aufzustacheln, bei dieser Gelegenheit kein blutiges Verbrechen verübt ward. Allerdings wurde viel Eigenthum zerstört und geraubt, die Häuser vieler Katholiken wurden angegriffen, Parke wurden verwüstet und Wild geschossen und gestohlen. Manch’ ehrwürdiges Denkmal der häuslichen Baukunst des Mittelalters zeigt noch heutigen Tages die Spuren der Gewaltthätigkeit des Volks. Die Straßen waren an vielen Stellen durch eine selbst errichtete Polizei gesperrt, welche jeden Reisenden anhielt, bis er bewies, daß er kein Papist war. Die Themse war von einer Art von Piraten heimgesucht, welche unter dem Vorwande, auf Waffen und Delinquenten zu fahnden, jedes vorüberfahrende Boot durchstöberten. Mißliebige Personen wurden insultirt und hin und her gestoßen. Andere gerade nicht mißliebige waren froh, wenn sie sich selbst und ihre Effecten dadurch loskaufen durften, daß sie den eifrigen Protestanten, die sich ohne gesetzliche Autorität das Amt von Untersuchungsrichtern angemaßt hatten, einige Guineen gaben. Aber inmitten dieser Verwirrung, welche mehrere Tage währte und sich über viele Grafschaften erstreckte, kam nicht ein einziger Katholik ums Leben. Der Pöbel zeigte kein Verlangen nach Blutvergießen, ausgenommen bei Jeffreys, und der Haß, den dieser abscheuliche Mann erweckte, stand der Menschlichkeit näher als der Grausamkeit.9

Viele Jahre später behauptete Hugo Speke, die irische Nacht sei sein Werk gewesen; er habe die Bauern angestellt, welche London aufgeregt, und er sei der Verfasser der Briefe, welche im ganzen Lande Schrecken verbreitet hatten. Seine Behauptung an sich ist nicht unwahrscheinlich, aber sie stützt sich auf kein andres Zeugniß als sein eignes Wort. Er war wohl der Mann dazu, eine solche Schurkerei zu begehen, aber auch eben so fähig, sich fälschlich einer solchen That zu rühmen.10

In London wurde Wilhelm mit Ungeduld erwartet; denn man zweifelte nicht, daß seine Energie und Einsicht die Ordnung und Sicherheit bald wieder herstellen werde. Seine Ankunft aber erlitt eine Verzögerung, wegen der er billigerweise nicht getadelt werden kann. Es war ursprünglich seine Absicht gewesen, sich von Hungerford nach Oxford zu begeben, wo ihm ein ehrenvoller und warmer Empfang zugesichert war; die Ankunft der Deputation von der Guildhall aber bewog ihn, seinen Plan zu ändern und direct nach der Hauptstadt zu eilen. Unterwegs erfuhr er, daß Feversham dem Befehle des Königs zufolge die royalistische Armee entlassen habe und daß Tausende von Soldaten, des Zwanges der Disciplin enthoben und an dem Nothwendigsten Mangel leidend, in den Grafschaften, X.14 durch welche der Weg nach London führte, zerstreut umherirrten. Wilhelm hätte daher nicht ohne große Gefahr, nicht allein für seine Person, um die er sich wenig zu kümmern pflegte, sondern auch für die wichtigen Interessen, die er wahrzunehmen hatte, unter schwacher Bedeckung weiter vordringen können. Er mußte seine eigenen Bewegungen nach den Bewegungen seiner Truppen regeln, und Truppen konnten sich damals im tiefsten Winter nur langsam auf den Heerstraßen vorwärts bewegen. Er kam bei dieser Gelegenheit doch ein wenig aus seiner gewohnten Ruhe. „So darf man mir nicht kommen,“ rief er mit Bitterkeit aus; „Mylord Feversham soll das bald erfahren.“ Es wurden sofort die geeigneten Maßregeln getroffen, um den durch Jakob herbeigeführten Übeln abzuhelfen. Churchill und Grafton wurden beauftragt, die zerstreute Armee wieder zu sammeln und zu ordnen. Die englischen Soldaten wurden aufgefordert, ihren militairischen Character wieder anzunehmen, und die Irländer erhielten Befehl, ihre Waffen abzuliefern, widrigenfalls sie als Banditen betrachtet werden würden; zugleich aber wurde ihnen versprochen, daß, wenn sie sich gutwillig fügten, sie mit allem Nothwendigen versehen werden sollten.11

Die Befehle des Prinzen wurden fast ohne Widerstand, ausgenommen von Seiten der irischen Soldaten, welche in Tilbury gelegen hatten, ausgeführt. Einer von diesen drückte ein Pistol auf Grafton ab. Es verfehlte, und der Mörder wurde von einem Engländer auf der Stelle niedergeschossen. Ungefähr zweihundert der unglücklichen Fremden machten einen tapferen Versuch zur Rückkehr in ihr Vaterland. Sie bemächtigten sich eines reichbefrachteten Ostindienfahrers, der eben in die Themse eingelaufen war und versuchten es, in Gravesend Lootsen zu pressen. Sie fanden jedoch keinen und mußten sich daher ihrer eigenen Geschicklichkeit in der Schifffahrtskunde anvertrauen. Sie liefen mit ihrem Schiffe bald auf den Grund und wurden nach einigem Blutvergießen gezwungen, die Waffen zu strecken.12

Wilhelm befand sich jetzt seit fünf Wochen auf englischem Boden und während dieser ganzen Zeit war ihm das Glück nicht einen Augenblick untreu geworden, seine Klugheit und Festigkeit hatten sich glänzend bewährt; noch mehr aber hatte die Thorheit und der Kleinmuth Anderer für ihn gethan. Und jetzt, in dem Augenblicke, wo es schien, als ob der vollständigste Erfolg seine Pläne krönen sollte, wurden sie durch einen jener unerwarteten Zwischenfälle zerstört, welche so oft die klügsten Berechnungen des menschlichen Scharfsinns zu Schanden machen.

8. Citters, 14.(24.) Dec. 1688. Luttrell’s Diary; Ellis’ Correspondenz; Oldmixon, 761; Speke’s Secret History of the Revolution; Clarke’s Life of James, II. 257; Eachard’s History of the Revolution; History of the Desertion.

9. Clarke’s Life of James, II. 258.

10. Secret History of the Revolution.

11. Clarendon’s Diary, Dec. 13. 1688; Citters, 14.(24.) Dec.; Eachard’s History of the Revolution.

12. Citters, 14.(24.) Dec.; Luttrell’s Diary.

Der König wird unweit Sheerneß angehalten. Am Morgen des 13. Decembers wurde die Bevölkerung von London, die sich noch nicht ganz von der Aufregung der irischen Nacht erholt hatte, durch das Gerücht überrascht, der König sei angehalten worden und befinde sich noch auf der Insel. Im Laufe des Tages gewann das Gerücht an Consistenz und erhielt noch vor dem Abend die vollkommenste Bestätigung.

Jakob war mit untergelegten Pferden das südliche Ufer der Themse entlang gereist und hatte am Morgen des 12. Decembers Emley Ferry, X.15 in der Nähe der Insel Sheppey, erreicht. Hier lag das Fahrzeug, auf welchem er sich einschiffen wollte. Er ging an Bord, aber der Wind blies frisch und der Schiffer wollte es nicht wagen, ohne mehr Ballast in See zu gehen. Darüber wurde die günstige Gelegenheit einer Ebbe verloren. Es war nahe an Mitternacht, ehe das Boot flott zu werden begann. Inzwischen hatte sich die Nachricht, daß der König verschwunden, daß das Land ohne Regierung und London in der größten Bestürzung sei, rasch die Themse stromabwärts verbreitet und überall Gewaltthätigkeiten und Unruhen erzeugt. Die rauhen Fischer der Küste von Kent betrachteten das Boot mit argwöhnischen und gierigen Blicken. Es hieß, einige vornehm gekleidete Herren seien eiligst an Bord desselben gegangen. Vielleicht waren es Jesuiten, und vielleicht waren sie reich! Fünfzig bis sechzig Schiffer, vom Haß gegen den Papismus und vom Hang zum Plündern angetrieben, hielten das Boot an, als es eben wieder abfahren wollte. Sie erklärten den Passagieren, daß sie ans Land gehen und sich bei einem Magistratsbeamten legitimiren müßten. Das Aussehen des Königs erregte Verdacht. „Das ist Pater Petre!“ rief Einer von der Horde; „ich erkenne ihn an seinen hohlen Backen.“ — „Durchsucht den alten Jesuiten mit dem Fratzengesicht!“ erscholl es nun von allen Seiten. Er wurde sehr unsanft hin und her gestoßen und man nahm ihm seine Börse und seine Uhr. Er hatte seinen Krönungsring und einige andere werthvolle Kleinodien bei sich; aber diese entgingen den Nachforschungen der Räuber, die sich überhaupt so wenig auf Juwelen verstanden, daß sie die Diamanten auf seinen Schuhschnallen für Glasstückchen hielten.

Endlich wurden die Gefangenen ans Land gebracht und in einen Gasthof geführt. Hier hatte sich ein Volkshaufen versammelt, um sie zu sehen, und obgleich sich Jakob durch eine Perrücke von andrer Form und Farbe, als er sie gewöhnlich trug, entstellt hatte, wurde er doch sofort erkannt. Einen Augenblick schien der Pöbel von ehrfurchtsvoller Scheu ergriffen, aber die Zureden der Führer gaben ihm wieder Muth und der Anblick Hales’, den sie genau kannten und tödtlich haßten, entflammte ihre Wuth. Sein Park lag in der Nähe und eine Horde Tumultuanten war eben damit beschäftigt, sein Haus zu demoliren und sein Wild zu schießen. Die Menge versicherte den König, daß sie ihm nichts zu Leibe thun wolle, ihn aber nicht abreisen lassen werde. Der Earl von Winchelsea, ein Protestant, aber eifriger Royalist, das Oberhaupt der Familie Finch und ein naher Verwandter Nottingham’s, befand sich damals zufällig in Canterbury. Sobald er erfuhr was geschehen war, eilte er in Begleitung einiger kentischen Gentlemen nach der Küste. Durch ihre Verwendung erhielt der König eine anständigere Wohnung, aber er blieb ein Gefangener. Der Pöbel bewachte fortwährend das Haus, in das er gebracht worden war, und einige von den Rädelsführern lagen an der Thür seines Schlafzimmers. Er benahm sich dabei wie ein Mann, den die Last des Mißgeschicks völlig zu Boden drückt. Zuweilen sprach er in einem so hochmüthigen Tone, daß die Bauern, die ihn bewachten, zu unehrerbietigen Antworten gereizt wurden. Dann nahm er wieder zu Bitten seine Zuflucht. „Laßt mich gehen,“ sagte er, „verschafft mir ein Boot. Der Prinz von Oranien trachtet mir nach dem Leben. Wenn Ihr mich jetzt nicht fliehen laßt, so wird es zu spät sein. Mein Blut wird dann über Euch kommen. Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.“ Über diesen letzten Text predigte er eine halbe Stunde lang. Er sprach über eine Menge X.16 verschiedener Gegenstände: über den Ungehorsam der Collegiaten des Magdalenenstiftes, über die durch den Brunnen der heiligen Winfrede bewirkten Wunder, über die Illoyalität der Schwarzröcke und über die Wunderkräfte eines Splitters vom wahrem Kreuze des Erlösers, den er leider verloren habe. „Was habe ich gethan?“ fragte er die anwesenden kentischen Squires. „Sagen Sie mir die Wahrheit: welchen Fehler habe ich begangen?“ Diejenigen, an welche er diese Frage richtete, waren zu human, als daß sie ihm die Antwort hätten geben sollen, die ihnen gewiß auf den Lippen schwebte, und sie hörten daher sein verworrenes Geschwätz mit mitleidigem Stillschweigen an.13

Als die Nachricht, daß er angehalten, insultirt, mit roher Härte behandelt und ausgeplündert worden sei und daß er sich noch in der Gewalt roher Bauern befinde, in der Hauptstadt ankam, äußerten sich verschiedenartige Leidenschaften. Strenge Staatskirchenmänner, welche wenige Stunden zuvor angefangen hatten zu glauben, daß sie ihrer Unterthanenpflichten gegen ihn entbunden seien, wurden wieder schwankend. Er hatte sein Reich nicht verlassen und also die Abdankung nicht vollendet. Sollte er sein königliches Amt wieder übernehmen, konnten sie ihm dann nach ihren Grundsätzen den Gehorsam verweigern? Einsichtsvolle Staatsmänner sahen mit tiefer Betrübniß voraus, daß alle Streitigkeiten, welche seine Flucht auf einen Augenblick beschwichtigt hatte, durch seine Rückkehr wieder angeregt und mit vermehrter Erbitterung fortgesetzt werden würden. Viele Leute aus dem Volke wurden, obgleich sie noch den Schmerz der ihnen unlängst zugefügten Unbilden fühlten, von Mitleid für einen von Räubern mißhandelten großen Fürsten ergriffen und waren zu der Hoffnung geneigt, welche mehr ihrer Gutherzigkeit als ihrem Verstande zur Ehre gereichte, daß er jetzt noch die Fehler bereuen könnte, die eine so entsetzliche Strafe über ihn gebracht hatten.

Von dem Augenblicke an, wo es bekannt wurde, daß der König sich noch in England befand, erschien Sancroft, der bis dahin als Präsident der provisorischen Regierung fungirt hatte, nicht mehr in den Sitzungen der Peers. Halifax, der eben aus dem holländischen Hauptquartier angekommen war, übernahm den Vorsitz. Seine Ansichten hatten sich in einigen Stunden völlig verändert. Sowohl politische als religiöse Gefühle bestimmten ihn jetzt, sich den Whigs anzuschließen. Wer die auf uns gekommenen Beweisstücke unbefangen prüft, muß der Meinung sein, daß er das Amt eines königlichen Commissars in der aufrichtigen Hoffnung übernahm, er werde eine Verständigung zwischen dem Könige und dem Prinzen unter billigen Bedingungen zu Stande bringen. Die Unterhandlung hatte mit günstigen Aussichten begonnen; der Prinz hatte Bedingungen gestellt, die der König selbst als billig anerkennen mußte und der beredte und geniale Trimmer durfte sich mit der Hoffnung schmeicheln, daß er im Stande sein werde, zwischen den erbitterten Parteien zu vermitteln, zwischen extremen Meinungen einen Vergleich zu dictiren, die Freiheiten und die Religion seines Vaterlandes zu sichern, ohne es den von einem Dynastiewechsel und einer streitigen Thronfolge unzertrennlichen Gefahren X.17 auszusetzen. Während er sich in derartigen, seinem Character so wohl zusagenden Gedanken wiegte, erfuhr er, daß er hintergangen worden war und daß man sich seiner als eines Werkzeugs bedient hatte, um die Nation zu hintergehen. Seine Sendung nach Hungerford war eine bloße Komödie gewesen. Der König hatte nicht daran gedacht, an den Bedingungen festzuhalten, welche die Commissare auf seinen Befehl vorschlagen hatten. Er hatte ihnen aufgetragen, zu erklären, daß es sein Wille sei, alle streitigen Fragen dem von ihm einberufenen Parlamente zur Entscheidung vorzulegen, und während sie sich dieses Auftrags entledigten, hatte er die Wahlausschreiben verbrannt, war mit dem Staatssiegel entflohen, hatte die Armee entlassen, die Justizverwaltung suspendirt, die Regierung aufgelöst und war aus der Hauptstadt entflohen. Halifax sah nun ein, daß eine gütliche Verständigung nicht mehr möglich war. Wahrscheinlich empfand er wohl auch den Verdruß, welcher bei einem durch seine Weisheit weltberühmten Manne, der die Erfahrung macht, daß ein in jeder Beziehung tief unter ihm stehender Geist ihn betrogen hat, und bei einem großen Meister der Satire, der sich selbst in eine lächerliche Situation versetzt sieht, sehr natürlich ist. Sein Verstand und sein Unwille bewogen ihn in gleichem Maße, die Versöhnungspläne, auf welche er bisher hingearbeitet hatte, aufzugeben und sich an die Spitze Derer zu stellen, welche den Prinzen Wilhelm auf den Thron erheben wollten.14

Es existirt noch ein von ihm eigenhändig geschriebenes Tagebuch über die Vorgänge in der Rathsversammlung der Lords während seiner Präsidentschaft in derselben.15 Es wurde keine Vorsichtsmaßregel, welche zur Verhütung von Gewaltthätigkeiten und Räubereien nöthig erschien, verabsäumt. Die Peers erließen auf ihre Verantwortung den Befehl, daß, wenn der Pöbel noch einmal aufstände, die Soldaten scharf schießen sollten. Jeffreys wurde nach Whitehall gebracht und über das Schicksal des Staatssiegels und der Wahlausschreiben befragt. Auf seine eigenen dringenden Bitten wurde er wieder in den Tower geschickt, als den einzigen Ort, wo er seines Lebens sicher sei, und er entfernte sich unter Dankesversicherungen und Segenswünschen gegen Diejenigen, die ihm den Schutz eines Gefängnisses gewährt hatten. Ein whiggistischer Edelmann trug darauf an, daß Oates in Freiheit gesetzt werden solle; aber dieser Antrag wurde verworfen.16

Die Geschäfte des Tages waren so ziemlich erledigt und Halifax wollte sich eben erheben, als ihm gemeldet wurde, daß ein Bote von Sheerneß angekommen sei. Kein Vorfall konnte unangenehmer und störender sein. Man lud eine große Verantwortlichkeit auf sich, mochte man etwas thun oder nicht. Halifax, der wahrscheinlich Zeit zu gewinnen wünschte, um sich mit dem Prinzen in Vernehmen zu setzen, hatte die X.18 Versammlung am liebsten vertagt; Mulgrave aber ersuchte die Lords, auf ihren Plätzen zu bleiben und führte den Boten ein. Der Mann erzählte seine Geschichte mit Thränen in den Augen und überreichte einen Brief, der vom König selbst geschrieben, aber an keine bestimmte Person gerichtet war, sondern nur den Beistand aller guten Engländer anrief.17

13. Clarke’s Life of James, II. 251. Orig. Mem.; ein in Tindal’s Fortsetzung zu Rapin abgedruckter Brief. Dieser interessante Brief befindet sich in den Harley’schen Handschriften, 6852.

14. Mulgrave erfuhr von einer Dame, die er nicht nennt, daß der König erst dann entfliehen wollte, als er einen Brief von Halifax erhielt, der sich damals in Hungerford befand. Dieser Brief, sagte sie, habe Seine Majestät darauf aufmerksam gemacht, daß sein Leben in Gefahr sei, wenn er bleibe. Dies ist sicherlich ein Roman. Vor der Abreise der Commissare von London hatte der König Barillon gesagt, ihre Sendung sei eine bloße Finte, und den festen Entschluß ausgesprochen, das Land zu verlassen. Aus Reresby’s eigner Erzählung geht hervor, daß Halifax sich schändlich hintergangen glaubte.

15. Harl. MS. 255.

16. Halifax MS.; Citters, 18.(28.) Dec. 1688.

17. Mulgrave’s Account of the Revolution.

Die Lords geben Befehl zu seiner Freilassung. Eine solche Bitte konnte man kaum unbeachtet lassen. Die Lords gaben Feversham Befehl, mit einer Abtheilung der Leibgarde an den Ort zu eilen, wo der König zurückgehalten wurde, und Seine Majestät in Freiheit zu setzen.

Middleton und einige andere Anhänger des Königs waren bereits aufgebrochen, um ihrem unglücklichen Gebieter beizustehen und ihn zu trösten. Sie fanden ihn in strengem Gewahrsam und sie wurden nicht eher zu ihm gelassen, als bis sie ihre Degen abgegeben hatten. Er war von einer ungeheuren Menge Volks umgeben. Einige whiggistische Gentlemen aus der Umgegend hatten eine starke Abtheilung Miliz zu seiner Bewachung herbeigeführt. Sie waren der sehr irrigen Meinung gewesen, daß sie sich durch seine Festhaltung bei seinen Feinden beliebt machen würden, und waren nicht wenig erstaunt, als sie vernahmen, daß die dem Könige zu Theil gewordene Behandlung von der provisorischen Regierung in London gemißbilligt werde, und eine Kavallerieabtheilung unterwegs sei, um ihn zu befreien. Feversham kam bald an. Er hatte seine Truppe in Sittingbourne zurückgelassen; aber man hatte nicht nöthig, Gewalt anzuwenden. Der König durfte ungehindert abreisen und wurde von seinen Freunden nach Rochester gebracht, wo er sich einige Ruhe gönnte, deren er dringend bedurfte. Er war in einem traurigen Zustande. Nicht nur sein niemals sehr heller Verstand war völlig verwirrt, sondern auch der persönliche Muth, den er in seinen jüngeren Jahren in mehreren Schlachten, zur See wie zu Lande bewiesen, hatte ihn verlassen. Die harte körperliche Behandlung, die er jetzt zum ersten Male erfahren, scheint ihn mehr als irgend ein andres Ereigniß seines bewegten Lebens niedergedrückt zu haben. Der Abfall seiner Armee, seiner Günstlinge und seiner Familie erschütterte ihn weniger als die Rohheiten, die er beim Anhalten seines Bootes ertragen hatte. Die Erinnerung an diese Rohheiten nagte noch lange an seinem Herzen und äußerte sich einmal in einer Weise, welche den verächtlichen Spott von ganz Europa erregte. Im vierten Jahre seiner Verbannung versuchte er es seine Unterthanen durch das Versprechen einer Amnestie wieder zu gewinnen. Dieser Amnestie war jedoch eine lange Liste von Ausnahmen beigegeben, und auf dieser Liste standen neben Churchill und Danby auch die armen Fischer, welche seine Taschen so unsanft untersucht hatten. Aus diesem Umstande kann man schließen, wie schmerzlich er die ihm widerfahrene rücksichtslose Behandlung empfunden haben muß, als sie noch neu war.18

Hätte er indessen nur das gewöhnliche Maß von gesundem Verstande besessen, so würde er eingesehen haben, daß Diejenigen, welche ihn festnahmen, ihm unabsichtlich einen großen Dienst erzeigt hatten. Die Ereignisse, welche seit seiner Abwesenheit von der Hauptstadt daselbst eingetreten X.19 waren, hätten ihn überzeugen müssen, daß, wenn seine Flucht gelungen wäre, er nie hätte zurückkehren dürfen. Er war wider seinen Willen vom gänzlichen Untergange errettet worden. Jetzt hatte er noch eine Aussicht, die letzte und einzige, die ihm noch blieb. So groß auch seine Vergehen sein mochten, ihn zu entthronen, so lange er noch in seinem Reiche war und sich den Bedingungen fügte, die ein freies Parlament ihm vorschrieb, wäre fast unmöglich gewesen.

Eine Weile schien er geneigt, zu bleiben. Er sandte Feversham von Rochester mit einem Briefe an Wilhelm. Der Inhalt dieses Briefes war, daß Seine Majestät auf der Rückreise nach Whitehall begriffen sei, daß er eine persönliche Unterredung mit dem Prinzen wünsche und daß der St. Jamespalast zum Empfang Seiner Hoheit eingerichtet werden solle.19

18. Siehe seine aus Saint-Germains datirte Proklamation vom 20. April 1692.

19. Clarke’s Life of James, II, 261. Orig. Mem.

Wilhelm’s Verlegenheit. Wilhelm befand sich jetzt in Windsor. Er hatte mit schmerzlichem Bedauern die an der Küste von Kent stattgehabten Vorfälle erfahren. Kurz vor dem Eintreffen der Nachricht hatten seine Umgebungen bemerkt, daß er ungewöhnlich heiter war. Er hatte auch in der That Ursache, sich zu freuen. Er stand am Fuße eines erledigten Thrones. Es schien, als würden alle Parteien ihn einstimmig auffordern, denselben zu besteigen. Doch plötzlich trübten sich seine Aussichten. Es ergab sich, daß die Abdankung nicht vollständig gewesen war. Ein großer Theil seiner Anhänger trug gewiß Bedenken, einen König abzusetzen, der noch unter ihnen war, der sie aufforderte, ihre Beschwerden auf parlamentarischem Wege anzubringen, und der vollständige Abstellung derselben versprach. Der Prinz mußte seine neue Stellung erwägen und ein neues Verfahren einschlagen. Kein Weg stand ihm offen, gegen den sich nicht Einwendungen hätten machen lassen, kein Weg, der ihn in eine so vortheilhafte Lage versetzen konnte, als die war, in der er sich vor wenigen Stunden noch befand. Etwas konnte indessen gethan werden. Der erste Fluchtversuch des Königs war gescheitert. Das Wünschenswertheste war jetzt, daß er einen zweiten Versuch mit besserem Erfolge unternehmen möchte. Er mußte zu gleicher Zeit geängstigt und geködert werden. Die Liberalität, mit der man ihm bei der Unterhandlung zu Hungerford entgegengekommen war, und die er mit einem Treubruche vergolten hatte, war jetzt nicht mehr angewandt. Vergleichsvorschläge durften ihm nicht mehr gemacht werden, und wenn er solche machte, so mußte man sie kalt aufnehmen. Aber auch Gewalt durfte nicht gegen ihn angewendet, ja ihm nicht einmal angedroht werden. Indessen war es vielleicht nicht unmöglich, einen so schwachen Mann auch ohne Anwendung oder Androhung von Gewalt um seine persönliche Sicherheit besorgt zu machen. Dann dachte er gewiß bald wieder an die Flucht, und in diesem Falle mußte ihm die Flucht auf jede Weise erleichtert und dafür gesorgt werden, daß er nicht wieder durch einen diensteifrigen Tölpel zurückgehalten wurde.

Verhaftung Feversham’s. Dies war Wilhelm’s Plan, und die Geschicklichkeit und Entschlossenheit, womit er denselben ausführte, contrastiren auffallend mit der ihm gegenüberstehenden Thorheit und Feigheit. Bald bot sich ihm eine vortreffliche Gelegenheit dar, sein Einschüchterungssystem zu beginnen. Feversham kam mit Jakob’s Brief in Windsor an. X.20 Die Wahl des Boten war eben keine glückliche. Er hatte die königliche Armee entlassen und ihm gab man vorzugsweise die Verwirrung und Angst der irischen Nacht Schuld. Sein Benehmen wurde von der öffentlichen Meinung entschieden getadelt. Wilhelm hatte sich zu einigen drohenden Worten reizen lassen, und einige drohende Worte aus Wilhelm’s Munde bedeuteten gewöhnlich etwas. Feversham wurde nach seinem Geleitsbriefe gefragt. Er hatte keinen. Indem er ohne einen solchen in einem feindlichen Lager erschien, hatte er sich nach den Kriegsgesetzen der strengsten Behandlung ausgesetzt. Wilhelm weigerte sich ihn zu empfangen und gab Befehl ihn festzunehmen.20 Zulestein wurde sofort abgesandt, um Jakob zu benachrichtigen, daß der Prinz die verlangte Unterredung ablehne und wünsche, daß Seine Majestät in Rochester blieb.

20. Clarendon’s Diary, Dec. 16. 1688; Burnet, I. 800.

Ankunft Jakob’s in London. Aber es war zu spät. Jakob war bereits in London. Er war anfangs unschlüssig gewesen und hatte sich schon einmal wieder vorgenommen gehabt, einen neuen Versuch zur Flucht auf das Festland zu machen. Endlich aber gab er dem Andringen von Freunden, welche klüger waren als er, nach und reiste nach Whitehall ab. Am Sonntag Nachmittag den 16. December kam er daselbst an. Er hatte gefürchtet, das Volk, das während seiner Abwesenheit so viele Beweise von Haß gegen den Papismus gegeben, werde ihm einen schimpflichen Empfang bereiten. Aber gerade die Heftigkeit des neuerlichen Ausbruchs hatte eine Erschlaffung zur Folge gehabt. Der Sturm hatte sich selbst aufgezehrt. Heiterkeit und Mitleid waren auf die Wuth gefolgt. In keinem Stadttheile Londons äußerte sich die mindeste Neigung, den König zu beschimpfen; man hörte sogar einzelne Lebehochs, als er durch die City fuhr. Auf einigen Kirchthürmen läuteten die Glocken und ein paar Freudenfeuer wurden zu Ehren seiner Zurückkunft angezündet.21 Sein kurz zuvor von der Verzweiflung überwältigter schwacher Geist wurde durch diese unerwarteten Zeichen der Gutherzigkeit und Theilnahme des Volks mit übermäßiger Freude erfüllt. In der frohesten Stimmung betrat er seine Wohnung, welche sehr bald ihr früheres Aussehen wieder annahm. Katholische Priester, welche in der vergangenen Woche froh gewesen waren, wenn sie sich in Kellern und Dachkammern vor der Wuth der Menge hatten verbergen können, kamen aus ihren Schlupfwinkeln hervor und machten Anspruch auf ihre früher innegehabten Gemächer im Palaste. Ein Jesuit sprach das Tischgebet an der königlichen Tafel. Der irische Jargon, damals jedem englischen Ohre der verhaßteste von allen Dialecten, wurde wieder überall in den Höfen und Gallerien vernommen. Der König selbst zeigte wieder seinen ganzen früheren Hochmuth. Er hielt X.21 einen Staatsrath, den letzten, dem er präsidirte, und berief selbst in dieser äußerst gefährlichen Lage Personen in denselben, welche gesetzlich nicht berechtigt waren, einen Sitz darin einzunehmen. Er sprach sein hohes Mißfallen über das Verfahren der Lords aus, die es gewagt hatten, während seiner Abwesenheit die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Er meinte, es sei ihre Pflicht gewesen, eher die Gesellschaft sich auflösen, die Häuser der Gesandten niederreißen und London in Brand stecken zu lassen, als sich die Functionen anzumaßen, welche er niederzulegen für gut befunden hatte. Unter den so Getadelten befanden sich einige Kavaliere und Prälaten, die ihm trotz aller seiner Fehler stets treu geblieben waren und selbst nach dieser Provocation nie weder durch die Hoffnung noch durch die Furcht bewogen werden konnten, ihre Unterthanentreue von ihm auf einen andren Souverain zu übertragen.22

Doch sein Muth ward bald gebrochen. Kaum war er in seinen Palast eingezogen, so wurde ihm Zulestein gemeldet. Er überbrachte Wilhelm’s kalte und ernste Botschaft. Der König bestand noch immer auf einer persönlichen Unterredung mit seinem Neffen. „Ich würde Rochester nicht verlassen haben,“ sagte er, „wenn ich gewußt hätte, daß er dies nicht wünschte; da ich aber nun einmal hier bin, wird er hoffentlich in den St. Jamespalast kommen.“ — „Ich muß Eurer Majestät offen sagen,“ entgegnete Zulestein, „daß Seine Hoheit nicht nach London kommen wird, so lange Truppen hier sind, welche nicht unter seinen Befehlen stehen.“ Der König schwieg bestürzt über diese Antwort. Zulestein entfernte sich, und bald darauf trat ein Gentleman in das Schlafzimmer mit der Meldung, daß Feversham verhaftet worden sei.23 Jakob erschrak nicht wenig darüber. Doch die Erinnerung an den Beifall, mit dem er begrüßt worden war, hielt seinen Muth noch immer aufrecht. Eine kühne Hoffnung stieg in ihm auf. Er glaubte London, so lange das Bollwerk des Protestantismus und des Whiggismus, werde bereitwilligst zu seinem Schutze die Waffen ergreifen. Er ließ den Gemeinderath fragen, ob er sich verbindlich machen wolle, ihn gegen den Prinzen zu vertheidigen, wenn er, der König, seine Residenz in der City aufschlüge. Der Gemeinderath aber hatte die Entziehung des Freibriefs und den Justizmord Cornish’s nicht vergessen, und weigerte sich das verlangte Versprechen zu geben. Da sank dem Könige der Muth wieder. Wohin, fragte er, solle er sich um Schutz wenden? Es sei ganz das Nämliche, ob er holländische Truppen um sich habe, oder seine eigene Leibgarde. Was die Bürger betreffe, so wisse er jetzt, was ihre Lebehochrufe und ihre Freudenfeuer werth seien. Es bleibe ihm nichts Andres übrig als die Flucht, obgleich er recht wohl wisse, daß seine Feinde nichts sehnlicher wünschten, als daß er wieder fliehen möchte.24

21. Clarke’s Life of James, II. 262. Orig. Mem.; Burnet, I. 799. In der History of the Desertion (1689) wird behauptet, die Lebehochs seien bei dieser Gelegenheit nur von einigen jugendlichen Gaffern ausgerufen worden, die Hauptmasse des Volks aber habe schweigend zugesehen. Oldmixon, der sich unter der Menge befand, sagt das Nämliche, und Ralph, dessen vorgefaßte Meinungen von denen Oldmixon’s durchaus verschieden waren, erzählt uns, daß ein achtbarer Augenzeuge ihm dasselbe mitgetheilt habe. Die Wahrheit ist ohne Zweifel die, daß die Freudenbezeigungen an sich unbedeutend waren, aber außerordentlich schienen, weil man einen heftigen Ausbruch des öffentlichen Unwillens erwartet hatte. Barillon erwähnt auch, daß einige Zurufe und Freudenfeuer vorgekommen seien, setzt aber hinzu: „Le peuple dans le fond est pour le Prince d’Orange.“ — 17.(27.) Dec. 1688.

22. London Gazette, Dec. 16. 1688; Mulgrave’s Account of the Revolution; History of the Desertion; Burnet, I. 799; Evelyn’s Diary, Dec. 13, 17. 1688.

23. Clarke’s Life of James, II. 262. Orig. Mem.

24. Barillon, 17.(27.) Dec. 1681; Clarke’s Life of James, II. 271.

Berathung in Windsor. Während er sich in diesem Zustande von Angst und Ungewißheit befand, war sein Schicksal in Windsor der Gegenstand ernster Berathung. Wilhelm’s Hof war jetzt mit ausgezeichneten Männern alter Parteien angefüllt. Die meisten Führer des Aufstandes X.22 im Norden hatten sich ihm zugesellt, und mehrere von den Lords, welche während der Anarchie der vergangenen Woche die Functionen einer provisorischen Regierung übernommen hatten, waren sogleich nach der Rückkehr des Königs von London ins holländische Hauptquartier abgereist. Einer von diesen war Halifax. Wilhelm hatte ihn mit großem Vergnügen willkommen geheißen, hatte aber ein sarkastisches Lächeln nicht unterdrücken können, als er diesen genialen und vollendeten Staatsmann, der so gern der Schiedsrichter in diesem großen Kampfe geworden wäre, gezwungen sah, den Mittelweg zu verlassen und auf eine Seite zu treten. Unter Denen, die sich damals nach Windsor begaben, waren auch Einige, welche Jakob’s Gunst durch schmachvolle Dienstleistungen erkauft hatten und die jetzt das Verbrechen, ihr Vaterland verrathen zu haben, durch Verrath an ihrem Gebieter wieder gut machen wollten. Ein solcher Mann war Titus, der in Widerspruch mit dem Gesetz im Geheimen Rath gesessen und sich bemüht hatte, die Puritaner mit den Jesuiten zu einem Bunde gegen die Verfassung zu vereinigen. Ein solcher Mann war auch Williams, ein gewesener Demagog, der aus Eigennutz zum Vertheidiger der Prärogative geworden und der jetzt zu einem abermaligen Abfalle bereit war. Diese Männer ließ der Prinz mit gerechter Verachtung in seinem Vorzimmer vergebens auf eine Audienz warten.25

Am Montag den 17. December wurden sämmtliche in Windsor anwesende Peers zu einer feierlichen Berathung in das Schloß berufen. Der Gegenstand der Besprechung war die Frage, wie es mit dem Könige gehalten werden sollte. Wilhelm hielt es nicht für passend, der Discussion beizuwohnen. Er entfernte sich daher und Halifax wurde aufgefordert, den Präsidentenstuhl einzunehmen. Über einen Punkt waren die Lords einig, daß nämlich der König da wo er war nicht bleiben dürfe. Jedermann fühlte, daß es unpassend sein würde, wenn der eine Fürst sich in Whitehall, der andre in St. James verschanzte und es auf einem Flächenraume von hundert Acres zwei feindliche Besatzungen gab. Eine solche Situation mußte fast unvermeidlich Argwohn, Beleidigungen und Reibungen hervorrufen, welche einen blutigen Ausgang nehmen konnten. Die versammelten Lords hielten es daher für zweckmäßig, daß Jakob aus London entfernt wurde. Ham, das Lauderdale von dem geraubten Gelde Schottlands und von den Geschenken Frankreichs am Ufer der Themse erbaut und ausgeschmückt hatte und das für das prächtigste Lustschloß Englands galt, wurde als ein geeigneter Aufenthaltsort vorgeschlagen. Sobald die Lords diesen Beschluß gefaßt hatten, ließen sie den Prinzen bitten, daß er zu ihnen kommen möchte, und Halifax theilte ihm ihre Meinung mit. Wilhelm hörte sie an und billigte sie. Es wurde sogleich ein kurzes Schreiben an den König aufgesetzt. „Durch wem sollen wir es ihm zu senden?“ fragte Wilhelm dann. — „Sollte es nicht durch einen Offizier Eurer Hoheit überbracht werden?“ entgegnete Halifax. — „Nein, Mylords, mit Verlaub,“ erwiederte der Prinz; „es wird auf Anrathen Eurer Herrlichkeiten abgesandt, und daher müssen Einige von Ihnen es überbringen.“ Und ohne weitere Einwendungen abzuwarten, ernannte er Halifax, Shrewsbury und Delamere zu Überbringern.26

X.23

Der Beschluß der Lords schien einhellig zu sein; aber es waren Einige darunter, welche die Entscheidung, mit der sie einverstanden zu sein vorgaben, keineswegs billigten und den König mit einer Strenge behandelt zu sehen wünschten, die sie nicht offen anzuempfehlen wagten. Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, daß das Oberhaupt dieser Partei ein Peer war, der ein heftiger Tory gewesen und der nachher als Eidverweigerer starb: Clarendon. Die Rapidität, mit der er in dieser Krisis von einem Extrem zum andren übersprang, muß Leuten, die in friedlichen Zeiten leben, unglaublich erscheinen, wird aber Diejenigen nicht Wunder nehmen, welche Gelegenheit hatten, den Gang von Revolutionen zu beobachten. Er wußte, daß die Rücksichtslosigkeit, mit der er in Anwesenheit des Königs das ganze Regierungssystem getadelt, seinen ehemaligen Gebieter tief gekränkt hatte. Auf der andren Seite durfte er als Oheim der Prinzessinnen hoffen, bei der bevorstehenden neuen Ordnung der Dinge groß und reich zu werden. Die englische Colonie in Irland betrachtete ihn als ihren Freund und Beschützer, und er sah ein, daß von dem Vertrauen und der Zuneigung dieser wichtigen Partei seine zukünftige Bedeutung großentheils abhing. Diesen Rücksichten mußten jetzt die Prinzipien weichen, zu denen er sich während seines ganzen Lebens mit Ostentation bekannt hatte. Er begab sich ins Kabinet des Prinzen und stellte ihm vor, wie gefährlich es sein würde, wenn man den König frei ließe. Die irischen Protestanten seien dann in der größten Gefahr. Es gebe keinen andren Weg, um ihr Eigenthum und ihr Leben zu sichern, als die strenge Gefangenhaltung des Königs. Ihm ein englisches Schloß zu seinem Aufenthalt anzuweisen, dürfte nicht klug gehandelt sein; aber man könnte ihn über’s Meer schicken und in die Festung Vreda einschließen, bis die Angelegenheiten der britischen Inseln geordnet seien. Wenn der Prinz in Besitz einer solchen Geißel sei, würde Tyrconnel wahrscheinlich das Staatsschwert niederlegen und die Oberherrschaft Englands in Irland würde ohne einen Schwertstreich wiederhergestellt werden. Wenn dagegen Jakob nach Frankreich entkäme und an der Spitze einer fremden Armee in Dublin erschiene, so müßte dies die verderblichsten Folgen nach sich ziehen. Wilhelm gab zu, daß diese Gründe sehr gewichtig seien, erklärte aber, daß er sich dadurch nicht bestimmen lassen könne. Er kenne den Character seiner Gemahlin und wisse, daß sie nie in einen solchen Schritt willigen werde. Auch würde es ihm selbst nicht zur Ehre gereichen, wenn er seinen besiegten Verwandten so rücksichtslos behandelte. Übrigens könne man gar nicht wissen, ob Großmuth in diesem Falle nicht die beste Politik sei. Wer könne sagen, welchen Eindruck eine solche Strenge, wie Clarendon sie anempfahl, auf die öffentliche Meinung machen werde? Sei es unmöglich, daß die loyale Begeisterung, welche das verkehrte Benehmen des Königs erstickt hatte, wieder auflebte, sobald es bekannt würde, daß er sich innerhalb der Mauern einer ausländischen Festung befinde? Aus diesen Gründen beschloß Wilhelm, seinen Schwiegervater keinem persönlichen Zwange zu unterwerfen, und es ist kaum daran zu zweifeln, daß dies ein weiser Entschluß war.27

X.24

Jakob blieb, während über sein Schicksal deliberirt wurde, durch die Größe und Nähe der Gefahr gleichsam wie festgebannt, in Whitehall, eben so unfähig zu kämpfen, wie zu fliehen. Am Abend traf die Nachricht ein, daß die Holländer Chelsea und Kensington in Besitz genommen hatten. Dessenungeachtet schickte sich der König an, wie gewöhnlich zur Ruhe zu gehen. Die Coldstreamgarden hatten im Palaste den Dienst. Sie standen unter den Befehlen Wilhelm’s, Earl von Craven, eines hochbetagten Mannes, der sich fünfzig Jahre früher im Kriege und in der Liebe ausgezeichnet, der bei Kreuznach seine hoffnungslose Stellung mit solchem Muthe behauptet hatte, daß der große Gustav ihm auf die Schulter klopfte, und von dem man glaubte, daß er unter tausend Mitbewerbern das Herz der unglücklichen Königin von Böhmen erobert habe. Craven stand jetzt in seinem achtzigsten Lebensjahre; aber die Zeit hatte seinen Muth nicht gebrochen.28

25. Mulgrave’s Account of the Revolution; Clarendon’s Diary, Dec. 16. 1688.

26. Burnet, I. 800; Clarendon’s Diary, Dec. 17. 1688; Citters, 18.(28.) Dec. 1688.

27. Burnet, I, 800; Conduct of the Duchess of Marlborough; Mulgrave’s Account of the Revolution. Clarendon sagt davon nichts unter dem richtigen Datum, aber man sehe sein Tagebuch vom 19. August 1689.

28. Harte’s Life of Gustavus Adolphus.

Die holländischen Truppen besetzen Whitehall. Es war zehn Uhr vorüber als ihm gemeldet wurde, daß drei Bataillone von der Infanterie des Prinzen, nebst einigen Reitern, mit brennenden Lunten und vollkommen kampffertig durch die lange Hauptallee des St. Jamesparks heranrückten. Graf Solms, der die fremden Truppen befehligte, sagte, er habe Befehl, die Posten in der Umgebung von Whitehall militairisch zu besetzen und forderte Craven auf, sich gutwillig zurückzuziehen. Craven schwur, er werde sich eher in Stücken hauen lassen; als aber der König, der sich eben auskleidete, erfuhr was vorging, verbot er dem tapferen alten Soldaten jeden Widerstandsversuch, der doch keinen Erfolg haben konnte. Um elf Uhr waren die Coldstreamgarden abgezogen und holländische Schildwachen machten auf allen Seiten des Palastes die Runde. Einige vom Gefolge des Königs fragten ihn, ob er es wagen wolle, sich, von Feinden umringt, niederzulegen. Er antwortete, daß sie ihn kaum schlechter behandeln könnten, als seine eigenen Unterthanen ihn behandelt hätten, und mit der gefühllosen Gleichgültigkeit eines durch das Unglück abgestumpften Mannes legte er sich zu Bett.29

29. Clarke’s Life of James, II, 264, größtentheils aus den Orig. Memoirs. Mulgrave’s Account of the Revolution; Rapin de Thoyras. Es muß bemerkt werden, daß Rapin an diesen Vorgängen thätigen Antheil hatte.

Das Schreiben des Prinzen wird Jakob überbracht. Es war kaum erst wieder ruhig geworden im Palaste, so gerieth aufs neue Alles in Bewegung. Kurz nach Mitternacht kamen die drei Lords von Windsor an. Middleton wurde ersucht, sie zu empfangen. Sie erklärten ihm, daß sie mit einer Sendung betraut seien, welche keinen Aufschub gestatte. Der König ward aus seinem ersten Schlummer geweckt, und sie wurden in sein Schlafzimmer eingeführt. Sie überreichten ihm das ihnen anvertraute Schreiben und kündigten ihm an, daß der Prinz in einigen Stunden in Westminster eintreffen und daß Seine Majestät wohl thun werde, vor zehn Uhr nach Ham abzureisen. Jakob machte einige Einwendungen. Ham gefiel ihm nicht. Im Sommer sei es ein ganz angenehmer Aufenthalt, um Weihnachten aber sei es dort kalt und unbehaglich, und überdies sei auch das Schloß nicht möblirt. Halifax antwortete, daß sofort Möbeln hingeschickt werden sollten. Die drei Abgesandten entfernten sich; Middleton aber eilte ihnen nach, um ihnen zu X.25 sagen, daß Rochester dem Könige viel lieber sein werde als Ham. Sie erwiederten, daß sie keine Vollmacht hätten, den Wunsch des Königs zu erfüllen, daß sie aber augenblicklich einen Expressen an den Prinzen absenden wollten, der in Sion House zu übernachten gedenke. Es ging unverzüglich ein Courier ab, der noch vor Tagesanbruch mit Wilhelm’s Einwilligung zurückkam. Wilhelm gab seine Zustimmung in der That sehr gern, denn es unterlag keinem Zweifel, daß Rochester deshalb gewählt worden war, weil es große Erleichterungen für die Flucht darbot, und daß Jakob fliehen möchte, war der sehnlichste Wunsch seines Neffen.30

30. Clarke’s Life of James, II. 265; Mulgrave’s Account of the Revolution; Burnet, I. 801; Citters, 18.(28.) Dec. 1688.

Jakob’s Aufbruch nach Rochester. Am Morgen des 18. December, einem regnerischen und stürmischen Morgen, hielt die königliche Barke frühzeitig an der Treppe von Whitehall, umgeben von acht bis zehn mit holländischen Soldaten gefüllten Böten. Mehrere Edelleute und Gentlemen begleiteten den König bis ans Wasser. Es wird erzählt und läßt sich wohl auch denken, daß viele Thränen vergossen wurden. Denn selbst der eifrigste Freund der Freiheit konnte das traurige und schmachvolle Ende einer Dynastie, welche so groß hätte sein können, nicht gleichgültig mit ansehen. Shrewsbury that sein Möglichstes, um den gestürzten Monarchen zu trösten. Selbst der erbitterte und heftige Delamere war ergriffen. Man bemerkte aber, daß Halifax, der sich sonst durch seine rücksichtsvolle Freundlichkeit gegen Besiegte auszeichnete, bei dieser Gelegenheit weniger theilnehmend war als seine beiden Collegen. Wahrscheinlich konnte er die Scheingesandtschaft nach Hungerford noch immer nicht vergessen.31

Während die königliche Barke langsam über die hochgehenden Wellen den Fluß hinabfuhr, zog eine Brigade von den Truppen des Prinzen nach der andren in London ein. Man hatte die sehr weise Anordnung getroffen, daß der Dienst in der Hauptstadt namentlich von den im Dienste der Generalstaaten stehenden britischen Soldaten verrichtet werden sollte. Die drei englischen Regimenter wurden in und um den Tower, die drei schottischen in Southwark einquartirt.32

31. Citters, 18.(28.) Dec. 1688; Evelyn’s Diary unter demselben Datum; Clarke’s Life of James, II. 266, 267. Orig. Mem.

32. Citters, 18.(28.) Dec. 1688.

Wilhelm’s Ankunft im St. Jamespalaste. Trotz des schlechten Wetters sammelte sich eine große Volksmenge zwischen Albemarle House und dem St. Jamespalaste, um den Prinzen zu bewillkommnen. Jeder Hut, jeder Stock war mit einem orangefarbenen Bande geschmückt. Alle Glocken von ganz London wurden geläutet, und an allen Fenstern standen Lichter zu einer Illumination bereit, während in den Straßen Reißigbündel zu Freudenfeuern aufgehäuft wurden. Wilhelm aber, der kein Freund vom Gedränge und vom Jubelgeschrei war; nahm seinen Weg durch den Park. Vor Einbruch der Nacht kam er, von Schomberg begleitet, in einem leichten Wagen im St. Jamespalaste an. In kurzer Zeit waren alle Zimmer und Treppen mit Leuten gefüllt, die ihm ihre Aufwartung machen wollten. Das Gedränge war so arg, daß die hochgestelltesten Männer nicht im Stande waren, sich bis in das Empfangszimmer hindurchzuarbeiten.33 Während sich Westminster in dieser Aufregung X.26 befand, entwarf der Gemeinderath in der Guildhall eine Dank- und Beglückwünschungsadresse. Der Lordmayor war nicht im Stande den Vorsitz zu führen. Er hatte das Bett noch nicht wieder verlassen, seitdem der Kanzler in dem Anzuge eines Kohlenschiffers in den Gerichtssaal geschleppt worden war. Die Aldermen aber und die übrigen Beamten der Corporationen waren auf ihren Plätzen. Am folgenden Tage kam der Magistrat der City in Gala, um dem Befreier zu huldigen. Ihre Dankbarkeit wurde mit beredten Worten durch ihren Syndikus, Sir Georg Treby ausgesprochen. Einige Prinzen aus dem Hause Nassau, sagte er, seien die ersten Beamten einer großen Republik gewesen. Andere hätten die Kaiserkrone getragen; der gegründetste Anspruch dieses berühmten Geschlechts auf die öffentliche Verehrung bestehe darin, daß Gott es zu dem hohen Amte auserwählt und geweiht habe, von Generation zu Generation die Wahrheit und die Freiheit gegen die Tyrannei zu vertheidigen. An dem nämlichen Tage machten auch alle in der Hauptstadt anwesenden Prälaten, mit Ausnahme Sancroft’s, dem Prinzen in corpore ihre Aufwartung. Dann kam, mit ihrem Bischof an der Spitze, die londoner Geistlichkeit, an Gelehrsamkeit, Beredtsamkeit und Einfluß die ersten Männer ihres Standes. Ihnen hatten sich einige hervorragende Dissentergeistliche angeschlossen, welche Compton, was ihm zu großer Ehre gereichte, mit ausgezeichneter Artigkeit behandelte. Einige Monate vorher oder nachher würde diese Artigkeit von vielen Staatskirchenmännern als ein Verrath an der Kirche betrachtet worden sein, selbst damals konnte ein scharfes Auge nur zu deutlich erkennen, daß der Waffenstillstand, zu welchen die protestantischen Secten gezwungen worden waren, die Gefahr, aus der er entsprungen war, nicht lange überdauern werde. Ungefähr hundert in der Hauptstadt wohnende nonconformistische Geistliche überreichten eine Separatadresse. Sie wurden durch Devonshire vorgestellt und mit allen Achtungs- und Wohlwollensbezeigungen empfangen. Die Juristen brachten ihre Huldigung unter Anführung Maynard’s dar, der im Alter von neunzig Jahren noch so rüstig und so hellen Geistes war als zu der Zeit, da er in Westminsterhall als Ankläger Strafford’s auftrat. „Mr. Serjeant,“ sagte der Prinz zu ihm, „Sie müssen alle Juristen, die mit Ihnen studirten, überlebt haben.“ — „Ja, Sire,“ erwiederte der Greis, „und wäre Eure Hoheit nicht gekommen, so würde ich auch die Gesetze überlebt haben“.34

Aber obgleich die Adressen zahlreich und voll von Lobeserhebungen, obgleich die Jubelrufe laut und die Illumination glänzend, obgleich der St. Jamespalast für die Masse der Höflinge zu klein und obgleich die Theater jeden Abend vom Parterre bis zur letzten Gallerie von orangefarbenen Bändern strotzten, so fühlte Wilhelm doch, daß die Schwierigkeiten seines Unternehmens erst begonnen hatten. Er hatte eine Regierung gestürzt: jetzt galt es die Lösung der weit schwierigeren Aufgabe, eine neue zu errichten. Von dem Augenblicke seiner Landung bis zu seiner Ankunft in London hatte er die Autorität ausgeübt, welche nach den in der ganzen civilisirten Welt anerkannten Kriegsgesetzen dem Oberbefehlshaber X.27 einer im Felde stehenden Armee zukommt. Jetzt mußte er die Rolle eines Generals mit der eines Civilbeamten vertauschen, und dies war keine leichte Aufgabe. Ein einziger falscher Schritt konnte unheilbringend werden und es war unmöglich, irgend einen Schritt zu thun, ohne Vorurtheile zu verletzen und heftige Leidenschaften zu entzünden.

33. Luttrell’s Diary; Evelyn’s Diary; Clarendon’s Diary, Dec. 18. 1688; Revolution Politics.

34. Fourth Collection of Papers relating to the present juncture of affairs in England, 1688; Burnet, I. 802, 803; Calamy’s Life and Times of Baxter, chap. XIV.

Es wird ihm gerathen, sich die Krone kraft des Eroberungsrechtes aufzusetzen. Einige von den Rathgebern des Prinzen drangen in ihn, daß er sich die Krone ohne weiteres kraft des Eroberungsrechtes aufsetzen und dann als König unter seinem großen Siegel Einberufungsschreiben zu einem Parlamente erlassen solle. Dieses Verfahren wurde ihm von einigen ausgezeichneten Juristen eifrig anempfohlen. Sie sagten, es sei der kürzeste Weg zu dem Ziele, welches außerdem nur mit zahllosen Schwierigkeiten und Streitigkeiten erreicht werden könne. Es stimme genau mit dem glückverheißenden Beispiele überein, das vor ihm Heinrich VII. nach der Schlacht von Bosworth gegeben. Auch werde es die Bedenken vieler achtbarer Personen wegen Statthaftigkeit der Übertragung des Unterthaneneides auf einen andren Regenten zerstreuen. Weder das englische Recht noch die englische Kirche gestehe den Unterthanen die Befugniß zu, ihren Landesherrn abzusetzen. Aber kein Jurist und kein Theolog habe je geleugnet, daß eine im Kriege überwundene Nation sich dem Beschlusse des Gottes der Schlachten unterwerfen dürfe, ohne eine Sünde zu begehen. So hätten nach der chaldäischen Eroberung die gottesfürchtigsten und patriotischesten Juden die Pflichten gegen ihren angestammten König nicht zu verletzen geglaubt, indem sie dem neuen Herrscher, den die Vorsehung ihnen gesandt, mit Treue dienten. Die drei Bekenner, welche im feurigen Ofen so wunderbar erhalten worden waren, hätten in der Provinz Babylon hohe Ämter begleitet. Daniel sei nacheinander Minister des Assyrers, welcher Juda, und des Persers, welcher Assyrien unterjochte, gewesen. Ja, Christus selbst, der seinem Blute nach ein Prinz aus dem Geschlechte David’s gewesen, habe dadurch, daß er seinen Landsleuten befahl, dem Kaiser Tribut zu zahlen, ausgesprochen, daß fremde Eroberung erbliche Rechte aufhebt und wohlbegründeten Anspruch auf Herrschaft giebt. Es sei daher wahrscheinlich, daß eine große Anzahl Tories, wenn sie auch nicht selbst mit gutem Gewissen einen König wählen könnten, doch unbedenklich einen durch den Ausgang des Kriegs ihnen gegebenen König annehmen würden.35

Auf der andren Seite standen jedoch Gründe, welche bei weitem überwiegend waren. Der Prinz konnte die Krone als mit dem Schwerte erobert nicht beanspruchen, ohne sich eines groben Wortbruches schuldig zu machen. In seiner Erklärung hatte er versichert, daß es nicht seine Absicht sei, England zu erobern, daß, wer ihn einer solchen Absicht beschuldige, nicht nur ihn persönlich, sondern auch die patriotischen Kavaliere und Gentlemen, die ihn herübergerufen, schändlich verleumde, daß die Streitmacht, die er mitgebracht habe, zu einem so schwierigen Unternehmen offenbar nicht genüge und daß es sein fester Entschluß sei, alle öffentlichen Beschwerden, wie alle seine eigenen Ansprüche einem freien Parlamente anheim zu geben. Um keines irdischen Zweckes willen konnte es recht oder klug sein, das im Angesicht von ganz Europa gegebene Wort zu X.28 brechen. Auch war es keineswegs ausgemacht, ob er, wenn er sich als Eroberer gerirte, dadurch die Bedenken zerstreute, welche die strengen Hochkirchenmänner ungeneigt machten, ihn als König anzuerkennen. Denn er mochte sich nennen wie er wollte, Jedermann wußte, daß er in Wirklichkeit kein Eroberer war. Es wäre notorisch eine bloße Fiction gewesen, hatte man sagen wollen, daß dieses große Königreich, mit einer mächtigen Flotte auf der See, einer regulären Armee von vierzigtausend Mann und einer Miliz von hundertdreißigtausend Mann, ohne eine einzige Belagerung oder Schlacht durch eine fünfzehntausend Mann starke Invasionsarmee in eine abhängige Provinz verwandelt worden sei. Es war nicht anzunehmen, daß eine solche Fiction wirklich empfindliche Gewissen beruhigen würde, aber es war kaum zu bezweifeln, daß sie den ohnehin schon gereizten Nationalstolz verwundete. Die englischen Truppen waren in einer Stimmung, welche die zarteste Schonung erheischte. Sie wußten, daß sie im letzten Feldzuge eben keine glänzende Rolle gespielt hatten. Die Anführer wie die Soldaten sehnten sich danach zu beweisen, daß sie nicht aus Mangel an Muth einer geringeren Streitmacht gewichen waren. Einige holländische Offiziere waren so unbesonnen gewesen, sich in einem Wirthshause beim Weine zu rühmen, daß sie die Armee des Königs vor sich her getrieben hätten. Diese Beleidigung hatte unter den englischen Truppen eine Gährung hervorgebracht, welche ohne das rasche Einschreiten des Prinzen wahrscheinlich mit einem furchtbaren Gemetzel geendet haben würde.36 Welchen Eindruck mußte unter solchen Umständen eine Proklamation machen, welche verkündete, daß der Oberbefehlshaber der Fremden die ganze Insel als rechtmäßige Kriegsbeute betrachte?

Außerdem war zu berücksichtigen, daß der Prinz durch Erlassung einer solchen Proklamation mit einem Male alle die Rechte vernichtet haben würde, zu deren Vertheidiger er sich erklärt hatte. Denn die Autorität eines fremden Eroberers wird nicht durch die Gebräuche und Gesetze der besiegten Nation beschränkt, sondern sie ist ihrem Wesen nach despotisch. Wilhelm war also entweder nicht berechtigt, sich zum Könige zu erklären, oder er war auch berechtigt, die Magna Charta und die Bitte um Recht für null und nichtig zu erklären, die Geschwornengerichte abzuschaffen und ohne Zustimmung des Parlaments Steuern zu erheben. Allerdings konnte er die alte Verfassung des Reichs wiederherstellen; aber wenn er dies that, so that er es ebenfalls kraft eines willkürlichen Beschlusses. Von diesem Augenblicke an würde die englische Freiheit auf eine niedere Stufe herabgesunken sein. Sie wäre dann nicht mehr ein uraltes Erbtheil gewesen, sondern ein neues Geschenk, welches der großmüthige Gebieter, der es verliehen, auch wieder entziehen konnte, wenn es ihm sonst beliebte.

35. Burnet, I. 803.

36. Gazette de France 26. Jan. (5. Febr.) 1689.

Er beruft die Lords und die Mitglieder der Parlamente Karl’s II. zusammen. Wilhelm beschloß daher rechtschaffener und kluger Weise, die in seiner Erklärung gegebenen Versprechungen zu erfüllen und die Aufgabe der Einsetzung der Regierung der gesetzgebenden Gewalt zu überlassen. Er vermied Alles was für Usurpation hätte erklärt werden können, so sorgfältig, daß er es ohne einen Schein von parlamentarischer Autorität nicht über sich nehmen wollte, nur die Stände des Reichs einzuberufen oder während der Wahlen die ausübende Gewalt zu X.29 handhaben. Eine eigentlich parlamentarische Autorität gab es nicht im Staate; aber es war möglich, in einigen Stunden eine Versammlung zusammenzubringen, der die Nation wenigstens einen großen Theil der einem Parlamente gebührenden Achtung zollte. Die eine Kammer konnte aus den vielen geistlichen und weltlichen Lords, welche damals in London waren, die andre aus ehemaligen Mitgliedern des Unterhauses und den Magistratsbeamten der City gebildet werden. Dieser Plan war höchst sinnreich und er wurde rasch ins Werk gesetzt. Die Peers wurden auf den 21. December in den St. Jamespalast beschieden. Es erschienen etwa siebzig. Der Prinz forderte sie auf, die Lage des Landes in Erwägung zu ziehen und ihm das Ergebniß ihrer Berathungen vorzulegen. Bald darauf erschien eine Bekanntmachung, welche alle Gentlemen, die während der Regierung Karl’s II. einen Sitz im Unterhause gehabt hatten, aufforderte, am Morgen des Sechsundzwanzigsten vor Seiner Hoheit zu erscheinen. Die Aldermen von London wurden ebenfalls entboten und auch der Gemeinderath ersucht, eine Deputation zu schicken.37

Man hat oft in tadelndem Tone gefragt, warum diese Einladung nicht auf die Mitglieder des im vorhergehenden Jahre aufgelösten Parlaments ausgedehnt worden sei. Die Antwort darauf liegt sehr nahe. Einer der Hauptmißstände, über welche die Nation klagte, war die Art und Weise der Erwählung jenes Parlaments. Die meisten Abgeordneten der Boroughs waren durch Wahlkörper gewählt worden, welche in einer allgemein als gesetzwidrig betrachteten und von dem Prinzen in seinem Manifeste für verwerflich erklärten Weise reorganisirt worden waren. Jakob selbst hatte unmittelbar vor seinem Sturze eingewilligt, die früheren municipalen Freiheiten wieder herzustellen. Es würde gewiß von Seiten Wilhelms die größte Inconsequenz gewesen sein, wenn er, nachdem er zur Vertheidigung der angetasteten Freibriefe der Corporationen die Waffen ergriffen, Personen, welche jenen Freibriefen zuwider gewählt worden waren, als rechtmäßige Vertreter der Städte Englands anerkannt hätte.

Am Sonnabend den 22. versammelten sich die Lords in ihrem Sitzungslokale. Dieser Tag wurde damit hingebracht, die Geschäftsordnung festzusetzen. Es wurde ein Schriftführer ernannt, und da man keinem der zwölf Richter Vertrauen schenken konnte, so wurden einige von den angesehendsten Sergeants und Barristers38 eingeladen, um über juristische Punkte ihren Rath abgeben zu können. Es wurde hierauf beschlossen, daß am nächsten Montag die Lage des Königreichs in Erwägung gezogen werden sollte.39

Die Zwischenzeit bis zur Montagssitzung war erwartungs- und ereignißvoll. Eine starke Partei unter den Peers nährte noch immer die Hoffnung, daß die Verfassung und die Kirche Englands auch ohne die Absetzung des Königs gesichert werden könnten. Diese Partei beschloß, eine feierliche Adresse an ihn zu beantragen, durch die er beschworen werden sollte, sich Bedingungen zu unterwerfen, welche die durch sein früheres Verfahren hervorgerufene Unzufriedenheit und Besorgniß X.30 beseitigen konnten. Sancroft, der seit der Rückkehr Jakob’s von Kent nach Whitehall keinen Theil an den öffentlichen Angelegenheiten genommen hatte, beschloß jetzt, aus seiner Zurückgezogenheit wieder ans Licht zu treten und sich an die Spitze der Royalisten zu stellen. Mehrere Boten wurden mit Briefen an den König nach Rochester gesandt. Es wurde ihm darin versichert, daß seine Interessen energisch in Schutz genommen werden sollten, wenn er sich nur in diesem Augenblicke entschließen könnte, Plänen zu entsagen, die sein Volk verabscheue. Einige angesehene Katholiken begaben sich persönlich zu ihm, um ihn im Namen ihres gemeinsamen Glaubens zu bitten, daß er den fruchtlosen Kampf nicht weiter treiben möchte.40

Der Rath war gut; Jakob aber war nicht in der Stimmung, um ihn anzunehmen. Sein Verstand war stets stumpf und schwach gewesen, jetzt aber verhinderten ihn weibische Befürchtungen und kindische Einbildungen an dem Gebrauche desselben. Er wußte, daß seine Flucht das war, was seine Anhänger am meisten fürchteten und seine Feinde am sehnlichsten wünschten. Selbst wenn sein Bleiben mit ernster persönlicher Gefahr verknüpft gewesen wäre, so hätte er es doch unter den obwaltenden Umständen für schimpflich halten müssen, das Feld zu räumen, denn es handelte sich jetzt darum, ob er und seine Nachkommen auf dem Throne seiner Ahnen regieren oder heimathlose Bettler werden sollten. Doch die feige Angst um sein Leben hatte jedes andre Gefühl aus seiner Brust verdrängt. Auf die eindringlichen Bitten und unverwerflichen Gründe der Bevollmächtigten, die seine Freunde nach Rochester gesandt, hatte er nur die eine Antwort: sein Kopf sei in Gefahr. Umsonst versicherte man ihm, daß er durchaus keine Ursache zu einer solchen Besorgniß habe, daß der Prinz von Oranien schon durch den gesunden Verstand, wenn nicht durch seine Grundsätze abgehalten werden würde, die Schuld und Schande eines Königsmordes und eines Verwandtenmordes auf sich zu laden, und daß Viele, welche niemals in die Absetzung ihres Souverains willigen würden, so lange er noch auf englischem Boden war, durch seine Flucht sich der Unterthanentreue gegen ihn entbunden erachten würden. Die Furcht unterdrückte jedes andre Gefühl. Er beschloß abzureisen, und die Ausführung dieses Entschlusses war leicht. Er wurde sehr nachlässig bewacht, Jedermann hatte Zutritt bei ihm, segelfertige Schiffe lagen in geringer Entfernung bereit, und ihre Böte konnten bis dicht an den Garten des Hauses herankommen, das er bewohnte. Wäre er klug gewesen, so würde schon der Umstand, daß seine Wächter sich bemühten, ihm die Flucht zu erleichtern, hingereicht haben, um ihn zu überzeugen, daß er bleiben mußte, wo er war. In der That, die Schlinge lag so offen zu Tage, daß nur ein durch die Angst geblendeter Thor sie nicht sehen konnte.

37. History of the Desertion; Clarendon’s Diary, Dec. 21. 1688; Burnet I. 803, und Onslow’s Note.

38. Sachwalter ersten und zweiten Ranges. — Der Übers.

39. Clarendon’s Diary, Dec. 21. 1688; Citters unter dem nämlichen Datum.

40. Clarendon’s Diary. Dec. 21, 22, 1688; Clarke’s Life of James, II. 268, 270. Orig. Mem.

Jakob’s Flucht von Rochester. Die Vorbereitungen wurden schleunigst getroffen. Am Samstag Abend, den Zweiundzwanzigsten, versicherte der König einigen von den Herren, welche von London aus mit Nachricht und gutem Rathe zu ihm gesandt worden, daß er sie am folgenden Morgen wiedersehen werde. Er legte sich zu Bett, stand mitten in der Nacht auf, stahl sich in Begleitung Berwick’s durch eine Hinterthür X.31 fort und ging durch den Garten bis ans Ufer des Medway. Hier erwartete ihn ein kleines Boot. Bald nach Tagesanbruch befanden sich die Flüchtlinge am Bord einer Schmacke, welche die Themse hinab fuhr.41

Am Nachmittag gelangte die Nachricht von der Flucht nach London. Die Anhänger des Königs waren ganz bestürzt, während die Whigs ihre Freude nicht verhehlen konnten. Die gute Nachricht ermuthigte den Prinzen zu einem kühnen und wichtigen Schritte. Er hatte erfahren, daß die französische Gesandtschaft mit der ihm feindlich gesinnten Partei fortwährende Communication unterhielt. Man wußte sehr wohl, daß diese Gesandtschaft sich vortrefflich auf alle Verführungskünste verstand, und es unterlag kaum einem Zweifel, daß bei einer solchen Gelegenheit weder Ränke noch Goldstücke gespart werden würden. Barillon wollte gar zu gern noch einige Tage in London bleiben, und zu dem Ende ließ er kein Mittel unversucht, um die siegreiche Partei zu versöhnen. Auf den Straßen beruhigte er den Pöbel, der zornige Blicke auf seine Equipage warf, dadurch, daß er ihm Geld zuwarf. An seiner Tafel trank er öffentlich auf das Wohl des Prinzen von Oranien. Wilhelm aber ließ sich dadurch nicht bethören. Er hatte zwar die Ausübung der königlichen Autorität noch nicht auf sich genommen, aber er war commandirender General und als solcher nicht verbunden, einen Mann, den er als einen Spion betrachtete, innerhalb des von ihm militairisch besetzten Gebietes zu dulden. Noch vor dem Ende des Tages erhielt Barillon die Weisung, daß er England binnen vierundzwanzig Stunden verlassen müsse. Er bat dringend um einen kurzen Aufschub, aber die Minuten waren kostbar, der Befehl wurde in noch bestimmteren Ausdrücken wiederholt und er reiste mit Widerstreben nach Dover ab. Um kein Zeichen von Geringschätzung und Trotz zu unterlassen, wurde er durch einen seiner protestantischen Landsleute, den die Verfolgung ins Exil getrieben, bis an die Küste begleitet. Der Ehrgeiz und die Anmaßung Frankreichs hatte so bitteren Groll erregt, daß selbst diejenigen Engländer, welche im Allgemeinen nicht geneigt waren, Wilhelm’s Verhalten mit günstigem Auge zu betrachten, ihm lauten Beifall dafür zollten, daß er dem Übermuth, mit dem Ludwig viele Jahre hindurch alle europäischen Höfe behandelt hatte, so herzhaft entgegentrat.42

41. Clarendon’s Diary. Dec. 23. 1638; Clarke’s Life of James, II. 271, 273, 274. Orig. Mem.

42. Citters, 1.(11.) Jan. 1689; Witsen’s Handschr. angeführt von Wagenaar, Buch 60.

Berathungen und Beschlüsse der Lords. Am Montag versammelten sich die Lords wieder. Halifax wurde zum Präsidenten gewählt. Der Primas war abwesend, die Royalisten traurig und muthlos, die Whigs heiter und guter Dinge. Es war bekannt, daß Jakob einen Brief zurückgelassen hatte. Einige von seinen Freunden stellten in der schwachen Hoffnung, daß der Brief vielleicht Vorschläge enthielt, welche als Grundlage zu einem gütlichen Abkommen dienen konnten, den Antrag ihn vorzulegen. Über diesen Antrag wurde abgestimmt und er wurde angenommen. Godolphin, der keineswegs als ein Feind seines ehemaligen Gebieters bekannt war, sprach einige Worte, welche den Ausschlag X.32 gaben. „Ich habe das Schreiben gesehen,“ sagte er, „und muß Ihnen zu meinem Bedauern bemerken, daß es nichts enthält, was Eure Herrlichkeiten irgend zufriedenstellen könnte.“ Es enthielt in der That keine Äußerung von Bedauern über frühere Fehler; es gab keiner Hoffnung Raum, daß diese Fehler in Zukunft vermieden werden würden, und es wälzte die Schuld an allem Geschehenen auf die Böswilligkeit Wilhelm’s und auf die Blindheit des Volks, das sich durch die schimmernden Worte Religion und Eigenthum habe bethören lassen. Niemand wagte den Vorschlag zu machen, daß Unterhandlungen mit einem Fürsten eingeleitet werden möchten, den die härteste Schule des Unglücks nur hartnäckiger im Unrecht gemacht zu haben schien. Es war die Rede von einer Untersuchung der Geburt des Prinzen von Wales; aber die whiggistischen Peers behandelten diesen Vorschlag mit Geringschätzung. „Ich hätte nicht erwartet, Mylords,“ rief Philipp, Lord Wharton, ein alter Rundkopf, der bei Edgehill gegen Karl I. ein Regiment commandirt hatte, „daß unter den gegenwärtigen Umständen Jemand das Kind erwähnen würde, das Prinz von Wales genannt worden ist, und ich hoffe, es wird zum letzten Male von ihm die Rede gewesen sein.“ Nach langer Berathung wurden zwei Adressen an Wilhelm beschlossen. Die eine ersuchte ihn, die Leitung der Regierung provisorisch zu übernehmen; die andre rieth ihm, durch eigenhändig unterzeichnete Rundschreiben alle Wahlkörper des Reichs zur Absendung von Vertretern nach Westminster aufzufordern. Zu gleicher Zeit nahmen die Peers es auf sich, eine Verordnung zu erlassen, welche alle Papisten, mit Ausnahme einiger weniger bevorzugter Personen, aus London und dessen nächster Umgebung verwies.43

Die Lords überreichten ihre Adressen dem Prinzen am folgenden Tage, ohne den Ausgang der Berathungen der von ihm einberufenen Gemeinen zu erwarten. Es scheint in der That, als ob der erbliche Adel in diesem Augenblicke um die Aufrechthaltung seines Ansehens sehr besorgt gewesen wäre und keine Lust gehabt hätte, einer Versammlung, von der das Gesetz nichts wußte, eine ebenbürtige Autorität zuzugestehen. Sie hielten sich für ein ächtes Haus der Lords; die andre Kammer aber verachteten sie als ein bloß nachgemachtes Haus der Gemeinen. Wilhelm lehnte es jedoch wohlweislich ab einen Entschluß zu fassen, bevor er sich von der Ansicht derjenigen Gentlemen überzeugt haben würde, welche früher mit den Vertrauen der Grafschaften und Städte Englands beehrt worden waren.44

43. Halifax’s notes; Landsdown MS. 255; Clarendon’s Diary, Dec. 24. 1688; London Gazette, Dec. 31.

44. Citters, 25. Dec. (4. Jan.) 1688/89.

Verhandlungen und Beschlüsse der von dem Prinzen einberufenen Gemeinen. Die einberufenen Gemeinen kamen in der St. Stephanskapelle zusammen und bildeten eine zahlreiche Versammlung. Sie ernannten zu ihrem Präsidenten Heinrich Powle, welcher Cirencester in mehreren Parlamenten vertreten und sich unter den Vertheidigern der Ausschließungsbill hervorgethan hatte.

Es wurden ähnliche Adressen wie die von den Lords bereits überreichten beantragt und angenommen. In keiner wichtigen Frage zeigte sich eine X.33 Meinungsverschiedenheit und einige schwache Versuche, über formelle Punkte eine Debatte zu eröffnen, wurden durch die allgemeine Verachtung vereitelt. Sir Robert Sawyer erklärte, er könne nicht begreifen, wie der Prinz ohne einen unterscheidenden Titel, wie Regent oder Protektor, die Regierung verwalten könne. Der greise Maynard, der als Jurist seines Gleichen nicht hatte und dabei ein mit der Taktik der Revolutionen wohl vertrauter Staatsmann war, versuchte es gar nicht, seinen Unwillen über einen so kindischen Einwand zu verhehlen, der in einem Augenblicke erhoben wurde, wo einmüthiges und rasches Handeln von der größten Wichtigkeit waren. „Wir werden sehr lange hier sitzen,“ sagte er, „wenn wir warten wollen, bis Sir Robert begreifen kann, wie so etwas möglich ist.“ Die Versammlung hielt diese Antwort der Krittelei ganz entsprechend.45

45. Der Urheber dieses Einwandes wurde in damaligen Büchern und Pamphlets nur mit den Anfangsbuchstaben seines Namens bezeichnet und diese wurden zuweilen mißverstanden. Eachard schrieb die Krittelei Sir Robert Southwell zu; ich bin aber fest überzeugt, daß Oldmixon ganz Recht hat, wenn er sie Sawyer in den Mund legt.

Eine Convention berufen. Die Beschlüsse der Versammlung wurden dem Prinzen mitgetheilt. Er erklärte sogleich seinen Entschluß, dem vereinten Ansuchen der von ihm einberufenen beiden Kammern zu entsprechen, Ausschreiben zur Einberufung einer Convention der Stände des Reichs zu erlassen und bis zum Zusammentritt dieser Convention die ausübende Verwaltung selbst zu übernehmen.46

46. History of the Desertion; Life of William, 1703; Citters, 28. Dec. (7. Jan.) 1688/89.

Bemühungen des Prinzen zur Herstellung der Ordnung. Er hatte sich keine leichte Aufgabe vorgenommen. Die ganze Regierungsmaschine war in Unordnung. Die Friedensrichter hatten ihre Functionen eingestellt. Die Finanzbeamten hatten aufgehört, Steuern zu erheben. Die von Feversham aufgelöste Armee war noch immer in Verwirrung und zur Empörung bereit. Die Flotte befand sich in einem kaum weniger beunruhigenden Zustande. Die bürgerlichen und militairischen Diener der Krone hatten bedeutende Soldrückstande zu fordern und im Staatsschatze befanden sich nur noch vierzigtausend Pfund. Der Prinz ging mit Energie an die Wiederherstellung der Ordnung. Er erließ eine Proklamation, durch welche alle Magistratspersonen in ihren Ämtern bestätigt wurden, und eine andre, welche Anordnungen zur Erhebung der Staatseinkünfte enthielt.47 Die Reorganisation der Armee wurde rasch betrieben. Viele von den Kavalieren und Gentlemen, welche Jakob des Kommandos englischer Regimenter enthoben hatte, wurden wieder angestellt. Auch wurden Mittel und Wege gefunden, um die Tausende von irländischen Soldaten, welche Jakob nach England hatte kommen lassen, zu verwenden. In einem Lande, wo sie dem religiösen und nationalen Hasse preisgegeben waren, konnten sie nicht bleiben. Eben so wenig durfte man sie in ihre Heimath zurücksenden, wo sie Tyrconnel’s Armee verstärkt haben würden. Man beschloß daher, sie auf den Continent zu schicken, wo sie unter den Fahnen des Hauses Österreich der englischen Verfassung und der protestantischen Religion indirecte, aber wirksame Dienste leisten konnten. Dartmouth wurde seines Commando’s enthoben X.34 und die Seemacht durch das bestimmte Versprechen gewonnen, daß jeder Matrose so bald als möglich seinen rückständigen Sold erhalten solle. Die City von London nahm es auf sich, den Prinzen aus seiner finanziellen Verlegenheit zu reißen. Der Gemeinderath verpflichtete sich durch ein einstimmiges Votum, ihm zweimalhunderttausend Pfund zu verschaffen. Es wurde als ein großer Beweis von dem Reichthume und dem Gemeinsinne der londoner Kaufmannschaft betrachtet, daß binnen achtundvierzig Stunden die ganze Summe ohne ein andres Unterpfand als das Wort des Prinzen eingezahlt wurde. Wenige Wochen zuvor war Jakob nicht im Stande gewesen, eine viel kleinere Summe aufzubringen, obgleich er höhere Zinsen bot und werthvolles Eigenthum verpfänden wollte.48

47. London Gazette, Jan. 3, 7. 1688/89.

48. London Gazette, Jan. 10, 17. 1688/89; Luttrell’s Diary; Legge-Papiere; Citters, 1.(11.), 4.(14.), 11.(21.) Jan. 1689; Ronquillo, 15.(21.) Jan., 23. Febr. (5. März); Berathung des spanischen Staatsrathes vom 26. März (5. April).

Seine tolerante Politik. In sehr wenigen Tagen war die Unordnung, welche die Invasion, die Aufstände, die Flucht Jakob’s und das Aufhören aller regelmäßigen Verwaltung herbeigeführt hatten, zu Ende und das Königreich hatte wieder sein gewohntes Aussehen angenommen. Ein allgemeines Gefühl von Sicherheit war zurückgekehrt. Selbst diejenigen Stände, auf welche der öffentliche Haß vorzugsweise gerichtet war und die am meisten Ursache hatten, eine Verfolgung zu befürchten, wurden durch die weise Milde des Siegers beschützt. Leute, welche in die gesetzwidrigen Handlungen der vorigen Regierung tief verwickelt gewesen waren, gingen nicht nur unangefochten einher, sondern traten sogar als Candidaten für Sitze in der Convention auf. Mulgrave wurde im St. Jamespalaste nicht ungnädig empfangen. Feversham wurde seiner Haft entlassen und ihm gestattet, das einzige Amt zu verwalten, dem er gewachsen war: das eines Bankhalters am Bassettische der Königin Wittwe. Doch Niemand hatte so viel Ursache, Wilhelm dankbar zu sein, als die Katholiken. Es würde nicht rathsam gewesen sein, die strengen Verordnungen, welche die Peers gegen die Bekenner eines von der ganzen Nation verabscheuten Glaubens erlassen hatten, förmlich aufzuheben; durch die Klugheit und Menschlichkeit des Prinzen aber wurden diese Verordnungen praktisch nicht angewendet. Auf seinem Marsche von Torbay nach London hatte er Befehl gegeben, daß an den Personen oder Wohnungen von Papisten durchaus keine Gewaltthätigkeiten verübt werden sollten. Diesen Befehl erneuerte er jetzt und wies Burnet an, auf strengste Befolgung desselben zu sehen. Eine glücklichere Wahl hätte er nicht treffen können, denn Burnet war ein so edelmüthiger und gutherziger Mann, daß sein Herz stets in warmer Theilnahme für Unglückliche schlug, und sein Haß gegen das Papstthum bot zugleich auch den eifrigsten Protestanten hinreichende Gewähr dafür, daß die Interessen ihrer Religion in seinen Händen wohl aufgehoben waren. Er hörte die Klagen der Katholiken freundlich an, verschaffte Denen, die über das Meer gehen wollten, Pässe und besuchte selbst in Newgate die dort gefangensitzenden Prälaten. Er gab Befehl, daß sie in ein bequemeres Zimmer versetzt und ihnen jede mögliche Erleichterung verschafft werden sollte. Er gab ihnen die feierliche Versicherung, daß ihnen kein Haar gekrümmt werden und daß der Prinz, sobald er es wagen könnte, nach seinen Wünschen X.35 zu handeln, sie in Freiheit setzen würde. Der spanische Gesandte meldete seinem Hofe, und durch seinen Hof dem Papste, daß kein Katholik wegen der letzten englischen Revolution Gewissensscrupel zu hegen brauche, daß Jakob allein für die Gefahren, denen die Mitglieder der wahren Kirche ausgesetzt wären, verantwortlich sei und daß Wilhelm allein sie vor einer blutigen Verfolgung gerettet habe.49

49. Burnet, I. 802; Ronquillo, 2.(12.) Jan., 8.(18.) Febr. 1689. Die Originale dieser Depeschen wurden mir durch die Gefälligkeit der verstorbenen Lady Holland und des gegenwärtigen Lord Holland mitgetheilt. Aus der letzten will ich einige Worte anführen. „La tema de S. M. Britanica à seguir imprudentes consejos perdió á los Catolicos aquella quietud en que les dexo Carlos segundo. V. E. asegure á su Santidad que mas sacaré del Principe para los Catolicos que pudiera sacra del Rey.“

Zufriedenheit der katholischen Mächte. In Folge dessen war die Befriedigung, mit der die Fürsten des Hauses Österreich und der Papst erfuhren, daß die langjährige Abhängigkeit Englands zu Ende sei, ziemlich ungetrübt. Als es in Madrid bekannt wurde, daß Wilhelm dem glücklichen Erfolge seines Unternehmens entgegenging, sprach nur eine einzige Stimme im spanischen Staatsrathe schüchtern sein Bedauern darüber aus, daß ein vom politischen Standpunkte betrachtet höchst erfreuliches Ereigniß den Interessen der wahren Kirche nachtheilig werden müsse.50 Aber die tolerante Politik des Prinzen zerstreute bald alle Besorgnisse und die bigotten Granden Castiliens betrachteten seine Erhebung fast mit eben so großer Befriedigung, als die englischen Whigs.

50. Am 13.(23.) Dec. 1688 gab der Admiral von Castilien seine Meinung folgendermaßen ab: „Esta materia es de calidad que no puede dexar de padecer nuestra sagrada religion ó el servicio de V. M.; porque, si el Principe de Orange tiene buenos succesos, nos aseguraremos de Franceses, pero peligrarà la religion.“ Der Staatsrath wurde am 16.(26.) Februar sehr erfreut durch ein Schreiben des Prinzen, in welchem er versprach, „que los Catolicos que se portaren con prudencia no sean molestados, y gocen libertad di conciencia, por ser contra su dictamen el forzar ni castigar por esta ràzon à nadie.“

Stimmung in Frankreich. Mit ganz anderen Gefühlen war die Nachricht von der großen Revolution in Frankreich aufgenommen worden. Die Politik einer langen, ereignißreichen und ruhmvollen Regierung war in einem Tage über den Haufen geworfen worden. England war wieder das England der Elisabeth und Cromwell’s und alle Beziehungen zu sämmtlichen Staaten der Christenheit wurden durch die plötzliche Einführung dieser neuen Macht in das System völlig verändert. Die Pariser sprachen von nichts als von den Vorgängen in London. Nationale und religiöse Gefühle bewogen sie, für Jakob Partei zu nehmen. Sie kannten die englische Verfassung nicht, sie verabscheuten die englische Kirche und unsre Revolution erschien ihnen nicht als der Sieg der öffentlichen Freiheit über den Despotismus, sondern als eine grauenvolle Familientragödie, in der ein ehrwürdiger und frommer Servius durch einen Tarquin vom Throne gestürzt und unter den Wagenrädern einer Tullia zermalmt wurde. Sie schrien Zeter über die treulosen Heerführer, verwünschten die unnatürlichen Töchter und betrachteten Wilhelm mit einem heftigen Widerwillen, der jedoch durch die Achtung, welche Tapferkeit, Genie und Erfolg fast immer erwecken, gemildert wurde.51 Die X.36 Königin, dem Nachtwind und Regen ausgesetzt, den unmündigen Erben dreier Kronen an die Brust drückend und der von rohen Buben angehaltene, beraubte und gemißhandelte König waren in ganz Frankreich Gegenstände des Mitleids und der romanhaften Theilnahme. Ludwig aber betrachtete das Unglück des Hauses Stuart mit ganz besonders lebhaftem Mitgefühl. Alle egoistischen und alle edlen Seiten seines Characters wurden gleichmäßig erregt. Nach langen Jahren des Glücks traf ihn endlich ein großes Unglück. Er hatte auf die Unterstützung oder Neutralität Englands gerechnet; jetzt hatte er von diesem Lande nichts mehr als energische und beharrliche Feindseligkeit zu erwarten. Noch wenige Wochen zuvor hätte er nicht mit Unrecht hoffen können, Flandern zu unterjochen und Deutschland Gesetze zu geben. Jetzt konnte er froh sein, wenn er im Stande war, seine eigenen Grenzen gegen einen Staatenbund zu vertheidigen, wie ihn Europa seit vielen Menschenaltern nicht mehr gesehen hatte. Nichts konnte ihn aus dieser ganz neuen beunruhigenden Lage reißen, als eine Contrerevolution oder ein Bürgerkrieg auf den britischen Inseln. Ehrgeiz und Furcht bestimmten ihn daher, sich der gestürzten Dynastie anzunehmen. Man muß ihm jedoch die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß auch edlere Motive als Ehrgeiz und Furcht ihn bei seinem Verfahren leiteten. Er besaß von Natur ein mitfühlendes Herz und der vorliegende Fall mußte nothwendig sein ganzes Mitgefühl erregen. Nur seine Stellung hatte die volle Entwickelung seiner guten Charactereigenschaften verhindert. Bei großer Ungleichheit der Standesverhältnisse wird selten ein starkes Mitgefühl aufkommen können, und er stand so hoch über der großen Masse seiner Nebenmenschen, daß ihre Drangsale nur geringe Theilnahme in ihm erweckten, ähnlich der, mit der wir die Leiden niederer Geschöpfe, eines verhungerten Vogels oder eines abgetriebenen Pferdes betrachten. So hatte die Verwüstung der Pfalz und die Verfolgung der Hugenotten kein theilnehmendes Gefühl in ihm erregt, das nicht durch Stolz und Bigotterie wirksam unterdrückt worden wäre. Aber die ganze Sympathie, deren er fähig war, wurde durch das Unglück eines großen Königs erweckt, der noch vor wenigen Wochen von knieenden Lords bedient worden und der jetzt ein verlassener Verbannter war. Mit dieser Rührung verband sich im Herzen Ludwig’s eine nicht unedle Eitelkeit. Er wollte der Welt ein Beispiel von Großmuth und Artigkeit geben. Er wollte der Menschheit zeigen, wie sich ein vollendeter Edelmann in der höchsten Stellung und bei der wichtigsten Veranlassung benehmen müsse, und sein Benehmen zeichnete sich in der That durch ritterliche Großmuth und Urbanität aus, wie sie die Geschichtsbücher Europa’s nicht wieder geziert hatten, seitdem der schwarze Prinz beim Souper auf dem Schlachtfelde von Poitiers hinter dem Stuhle König Johann’s gestanden.

51. In dem Kapitel von La Bruyère unter der Überschrift: Sur les Jugemens, kommt eine Stelle vor, welche gelesen zu werden verdient, weil sie zeigt, in welchem Lichte unsre Revolution einem Franzosen von ausgezeichneten Fähigkeiten erschien.

Empfang der Königin von England in Frankreich. Sobald die Nachricht von der Landung der Königin von England an der französischen Küste nach Versailles kam, wurde ein Palast für sie in Bereitschaft gebracht. Equipagen und Garden wurden zu ihrer Verfügung abgesandt. Arbeiter wurden angestellt, um die Straße von Calais auszubessern, damit ihr die Reise möglichst erleichtert werde. Lauzun erhielt nicht nur die Zusicherung, daß ihm seine früheren Vergehen um ihretwillen vergeben sein sollten, sondern er wurde überdies mit einem eigenhändigen gnädigen Schreiben von Ludwig beehrt. Marie war schon auf dem Wege nach dem französischen Hofe, als sie die Nachricht erhielt, daß X.37 ihr Gemahl nach einer stürmischen Überfahrt glücklich bei dem kleinen Dorfe Ambleteuse gelandet war. Einige Personen von hohem Range wurden sogleich von Versailles abgesandt, um ihn zu begrüßen und zu begleiten. Unterdessen brach Ludwig selbst mit seiner Familie und seinem höchsten Adel auf, um die verbannte Königin mit Gepränge zu empfangen. Vor seiner prachtvollen Staatscarosse marschirten die schweizer Hellebardiere. Zu beiden Seiten und hinter derselben ritt die Leibgarde mit klingendem Spiel. Der glänzendste Adel von Europa folgte dem Könige mit hundert sechsspännigen Equipagen; Alles strotzte von Federn, Bändern, Juwelen und Stickereien. Der Zug war noch nicht weit gekommen, als die Annäherung Mariens gemeldet wurde. Ludwig stieg aus und ging ihr zu Fuß entgegen. Sie brach in leidenschaftliche Dankesversicherungen aus. „Madame,“ sagte der König, „es ist leider ein schmerzlicher Dienst, den ich Ihnen heute erzeige. Ich hoffe später im Stande zu sein, Ihnen größere und angenehmere Dienste zu erzeigen.“ Er küßte den kleinen Prinzen von Wales und ließ die Königin in seinem Staatswagen zur Rechten sitzen. Dann setzte sich der Zug nach Saint-Germains in Bewegung.

In Saint-Germains hatte Franz I. am Saume eines von Jagdwild reich bestandenen Forstes und auf dem Gipfel eines die Windungen der Seine beherrschenden Hügels ein Schloß erbaut und Heinrich IV. eine prächtige Terrasse angelegt. Keine von den Residenzen der Könige von Frankreich hatte eine gesundere Lage und eine herrlichere Aussicht. Die gewaltige Größe und das ehrwürdige Alter der Bäume, die Schönheit der Gärten und der Überfluß an Quellen waren weit berühmt. Ludwig XIV. war hier geboren, hatte hier als Jüngling sein Hoflager gehalten, hatte das Schloß Franz’ I. durch mehrere stattliche Pavillons erweitert und die Terrasse Heinrich’s vollendet. Bald aber bemächtigte sich des prachtliebenden Königs ein unerklärlicher Widerwille gegen seine Geburtsstätte. Er vertauschte Saint-Germains mit Versailles und verwendete ungeheure Summen auf das vergebliche Bemühen, einen ganz besonders unfruchtbaren und ungesunden Ort, dessen Boden nur aus Sand oder Lehm bestand und der weder Wald, noch Wasser, noch Wild hatte, in ein Paradies umzuschaffen. Saint-Germains war jetzt zum Wohnsitz für die königliche Familie Englands erwählt worden. Prachtvolle Mobilien waren in aller Eile dahin gesandt worden und die für den kleinen Prinzen von Wales bestimmten Gemächer waren mit Allem versehen, was ein Kind bedurfte. Einer von dem Gefolge überreichte der Königin den Schlüssel zu einer kostbaren Chatulle, die in ihrem Zimmer stand. Sie öffnete dieselbe und fand darin sechstausend Pistolen.

Ankunft Jakob’s in St.-Germains. Am folgenden Tage kam auch Jakob in St.-Germains an. Ludwig war schon dort, um ihn zu bewillkommnen. Der unglückliche Verbannte verbeugte sich so tief, als ob er die Knie seines Beschützers hatte umfassen wollen. Ludwig hob ihn auf und umarmte ihn mit brüderlicher Zärtlichkeit. Dann traten die beiden Könige ins Zimmer der Königin. „Hier ist ein Herr,“ sagte Ludwig zu ihr, „dessen Ankunft Sie gewiß erfreuen wird.“ Nachdem er hierauf seine Gäste eingeladen hatte, ihn am folgenden Tage in Versailles zu besuchen und ihm das Vergnügen zu verschaffen, ihnen seine Gebäude, seine Gemälde und seine Anlagen zu zeigen, verabschiedete er sich ohne alle Ceremonien, wie ein alter Freund.

X.38

Wenige Stunden darauf wurde dem königlichen Paare gemeldet, daß ihnen, so lange sie dem Könige von Frankreich die Ehre erzeigen würden, seine Gastfreundschaft anzunehmen, jährlich fünfundvierzigtausend Pfund Sterling aus seinem Staatsschatze ausgezahlt werden sollten. Zehntausend Pfund wurden zur ersten Einrichtung gesandt.

Viel rühmenswerther und bewundernswürdiger als Ludwig’s Freigebigkeit war jedoch die ausgezeichnete Delicatesse, mit der er sich bemühte, die Gefühle seiner Gäste zu beruhigen und ihnen die fast unerträgliche Last der Verbindlichkeiten, die er ihnen auflud, zu erleichtern. Er, der bisher in allen Fragen des Vorrangs empfindlich, streitsüchtig und anmaßend, der mehr als einmal bereit gewesen war, eher ganz Europa in Krieg zu verwickeln, als in dem geringfügigsten Punkte der Etikette nachzugeben, war jetzt übertrieben ängstlich, und zwar für seine Freunde gegen sich selbst. Er gab Befehl, daß Marien alle Ehrfurchtsbezeigungen zu Theil werden sollten, die seiner verstorbenen Gemahlin je erwiesen worden waren. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die Prinzen des Hauses Bourbon berechtigt seien, sich in Anwesenheit der Königin niederzusetzen. Derartige Kleinigkeiten waren an dem alten französischen Hofe sehr wichtige Dinge. Es ließen sich auf beiden Seiten Precedenzfälle nachweisen; aber Ludwig entschied die Frage gegen sein eignes Blut. Einige vornehme Damen unterließen die Ceremonie, den Saum von Mariens Kleide zu küssen. Ludwig bemerkte die Unterlassung und rügte sie in einem Tone und mit einem Blicke, daß diese ganze Pairie von nun an bereit gewesen wäre, ihr den Fuß zu küssen. Als das so eben von Racine geschriebene Schauspiel „Esther“ in Saint-Cyr aufgeführt wurde, hatte Marie den Ehrenplatz. Jakob saß ihr zur Rechten, Ludwig nahm bescheiden zu ihrer Linken Platz. Ja er wünschte sogar, daß ein von seiner Freigebigkeit lebender Verbannter in seinem eigenen Palaste den Titel König von Frankreich führen, als König von Frankreich die Lilien mit dem englischen Löwen vereinigen und sich als König von Frankreich bei vorkommender Hoftrauer violett kleiden sollte.

Das Benehmen des französischen Adels bei feierlichen Anlässen wurde durchaus vom Souverain geregelt; aber es lag außer dem Bereiche seiner Macht, sie am freien Denken zu hindern und in Privatzirkeln ihre Gedanken mit dem ihrer Nation und ihrem Stande eigenen feinen und beißenden Witze auszudrücken. Ihre Meinung von Marien war eine günstige. Sie fanden ihre persönliche Erscheinung einnehmend und ihre Haltung würdevoll. Sie achteten ihren Muth und ihre Mutterliebe und beklagten ihr Mißgeschick. Jakob aber verachteten sie gründlich. Sein Stumpfsinn, die kalte Gleichgültigkeit, mit der er gegen Jedermann von seinem Sturze sprach, und das kindische Vergnügen, das er an dem Pomp und Luxus von Versailles fand, waren ihnen widerlich. Sie schrieben diese sonderbare Apathie nicht der Philosophie oder Religiosität, sondern einem beschränkten und niedrig denkenden Geiste zu und äußerten, daß Niemand der die Ehre gehabt habe, Seine Großbritannische Majestät seine Geschichte erzählen zu hören, sich darüber wundern könne, daß er in Saint-Germains und sein Schwiegersohn in Saint-James war.52

52. Meine Mittheilungen über den Empfang Jakob’s und seiner Gemahlin in Frankreich sind namentlich den Briefen der Frau von Sévigné und den Memoiren Dangeau’s entnommen.

X.39

Stimmung in den Vereinigten Provinzen. In den Vereinigten Provinzen war die durch die Nachrichten aus England verursachte Aufregung noch größer als in Frankreich. Dies war der Zeitpunkt, wo der batavische Bund den Höhepunkt seiner Macht und seines Ruhmes erreichte. Von dem Tage, an welchem die Expedition absegelte, war die ganze holländische Nation in ängstlicher Spannung. Nie waren die Kirchen so gefüllt, nie war die Begeisterung der Prediger so glühend gewesen. Man konnte es nicht verhindern, daß die Bewohner des Haag Albeville insultirten. Sein Haus war Tag und Nacht von so dichten Volkshaufen belagert, daß fast Niemand es wagte, ihn zu besuchen, und er fürchtete ernstlich, seine Kapelle würde in Brand gesteckt werden.53 Da jede Post Nachricht von dem immer weiteren Vorschreiten des Prinzen brachte, stieg der Muth seiner Landsleute mit jedem Augenblicke, und als es endlich bekannt wurde, daß er auf Ansuchen der Lords und einer Versammlung ausgezeichneter Gemeinen die ausübende Verwaltung übernommen hatte, brachen alle holländischen Parteien in einen einstimmigen Ruf des Stolzes und der Freude aus. Es wurde in aller Eil eine außerordentliche Gesandtschaft abgeschickt, um ihn zu beglückwünschen. Dykvelt, dessen Beistand wegen seiner diplomatischen Geschicklichkeit und seiner gründlichen Kenntniß des englischen Staatswesens in diesem Augenblicke besonderen Werth hatte, war einer der Abgesandten, und ihm war Nikolaus Witsen, ein Bürgermeister von Amsterdam, beigegeben, welcher deshalb dazu auserwählt worden zu sein scheint, um ganz Europa zu beweisen, daß die lange Fehde zwischen dem Hause Oranien und der Hauptstadt Hollands zu Ende sei. Am 8. Januar erschienen Dykvelt und Witsen in Westminster. Wilhelm sprach mit einer Offenheit und Herzlichkeit zu ihnen, die man in seinen Unterredungen mit Engländern selten bemerkte. Seine ersten Worte waren: „Nun, was sagen jetzt unsere Freunde in der Heimath?“ In der That, der einzige Beifall, der auf sein stoisches Gemüth einen tiefen Eindruck machte, war der Beifall seines geliebten Vaterlandes. Von seiner großen Popularität in England sprach er mit kalter Geringschätzung und prophezeite nur zu wahr die wirklich eintretende Reaction. „Hier,“ sagte er, „ruft jetzt Alles Hosianna, und morgen wird man vielleicht rufen: Kreuziget ihn!“54

53. Albeville an Preston, 23. Nov. (3. Dec.) 1688 in der Mackintosh-Sammlung.

54. „’Tis hier nu Hosanna: maar ’t zal, veelligt, haast Kruist hem, kruist hem, zyn.“ Witsen MS. in Wagenaar, Buch 61. Es ist ein sonderbares Zusammentreffen, daß einige Jahre früher Richard Duke, ein ehedem wohlbekannter, jetzt aber fast ganz vergessener toryistischer Dichter, den man höchstens noch aus Johnson’s biographischer Skizze kennt, ganz denselben Vergleich auf Jakob anwendete:

„Ist’s nicht der Judenpöbel, der einstmals geschrie’n

Hosianna erst und nachher kreuzigt ihn?“

„The Review.“

Depesche der außerordentlichen holländischen Gesandten vom 8.(18.) Jan. 1689; Citters von dem nämlichen Datum.

Wahl der Mitglieder zur Convention. Am folgenden Tage wurden die ersten Mitglieder der Convention gewählt. Die City von London machte den Anfang und wählte ohne allen Widerstreit vier große Kaufleute, welche eifrige Whigs waren. Der König und seine Anhänger hatten gehofft, daß viele Wahlbeamten das Schreiben des Prinzen als ungültig betrachten würden, aber seine Hoffnung wurde X.40 getäuscht. Die Wahlen gingen rasch und ohne Hindernisse von Statten. Kaum an einem einzigen Orte gab es Widerspruch. Denn die Nation war seit länger als einem Jahre in beständiger Erwartung eines Parlaments gehalten worden. Es waren zweimal Wahlschreiben erlassen und zweimal waren sie widerrufen worden. Einige Wahlkörper waren in Folge dieser Ausschreiben schon zu der Wahl von Abgeordneten geschritten. Es gab kaum eine Grafschaft, in der die Gentry und die Freisassenschaft nicht schon vor vielen Monaten über Candidaten einig gewesen wäre, lauter gute Protestanten, welche trotz König und Lordlieutenant durchzubringen man keine Anstrengung gespart haben würde, und diese Candidaten wurden ohne Opposition gewählt.

Der Prinz erließ strenge Befehle, daß kein Staatsdiener bei dieser Gelegenheit jene Kunstgriffe anwenden solle, welche der vorigen Regierung so viele Vorwürfe zugezogen hatten. Namentlich verfügte er, daß in keiner Stadt, wo eine Wahl vor sich ging, Soldaten erscheinen dürften.55 Seine Bewunderer konnten rühmend behaupten und seine Feinde scheinen nicht im Stande gewesen zu sein es zu leugnen, daß die Gesinnung der Wahlkörper einen unverfälschten Ausdruck erhielt. Allerdings wagte er auch nicht viel. Die ihm anhängende Partei war siegreich, voll Begeisterung und energischer Lebenskraft, und die Partei, von der allein er ernsten Widerstand zu fürchten gehabt hätte, war uneinig und muthlos mit sich selbst und noch mehr mit ihrem natürlichen Oberhaupte unzufrieden. Daher wählte ein großer Theil der Grafschaften und Boroughs whiggistische Abgeordnete.

55. London Gazette, Jan. 7. 1688/89.

Die Angelegenheiten Schottlands. Wilhelm’s Regentenautorität erstreckte sich nicht auf England allein. Auch Schottland hatte sich gegen seine Tyrannen erhoben. Alle regulären Soldaten, durch die es so lange niedergehalten worden, waren mit Ausnahme einer sehr kleinen Truppe, welche unter dem Commando des Herzogs von Gordon, eines angesehenen katholischen Lords, die Besatzung des Schlosses von Edinburg bildete, von Jakob zum Beistande gegen das holländische Invasionsheer aufgeboten worden. Jede während des ereignißvollen Monats November nach dem Norden gegangene Post hatte Nachrichten gebracht, welche die Leidenschaften der bedrückten Schotten aufstachelten. So lange der Ausgang der militairischen Operationen noch zweifelhaft war, gab es in Edinburg Tumulte und Demonstrationen, welche drohender wurden, nachdem Jakob sich von Salisbury zurückgezogen hatte. Große Volksmassen versammelten sich anfangs bei Nacht, dann selbst am hellen Tage. Päpste wurden öffentlich verbrannt, man rief laut nach einem freien Parlamente, und Plakate wurden angeschlagen, welche auf die Köpfe der Staatsminister Preise setzten. Der am meisten verhaßte unter diesen Ministern war Perth, der den hohen Posten des Staatskanzlers bekleidete, in der königlichen Gunst sehr hoch stand, vom reformirten Glauben abgefallen war und in dem Gerichtsverfahren seines Vaterlandes zuerst die Daumenschraube eingeführt hatte. Er war ein Mann ohne Energie und von niedriger Denkweise; der einzige Muth, den er besaß, war der entehrende Muth, welcher der Schande trotzt und die Qualen Anderer gleichgültig mit ansieht. Sein Posten war zu solchen Zeiten an der Spitze des Staatsrathes; aber er hatte nicht das Herz dazu und beschloß daher, X.41 sich der Gefahr, die nach den Blicken und Äußerungen des wilden und unerschrockenen Pöbels von Edinburg nicht fern war, dadurch zu entziehen, daß er sich auf seinen Landsitz flüchtete. Eine starke Wache begleitete ihn nach Schloß Drummond; kaum aber war er abgereist, so erhob sich die Stadt. Eine kleine Anzahl Truppen versuchten es, den Aufstand zu unterdrücken, aber sie wurden überwältigt. Der Palast Holyrood, der in ein katholisches Seminar und in eine Staatsdruckerei verwandelt worden war, wurde erstürmt und demolirt. Ungeheure Haufen von papistischen Büchern, Rosenkränzen, Kruzifixen und Bildern wurden in High Street verbrannt. Mitten in der Aufregung kam die Nachricht von der Flucht des Königs. Die Mitglieder der Regierung gaben jeden Gedanken an eine Bekämpfung der Volkswuth auf und wechselten mit einer bei den schottischen Staatsmännern damals sehr gewöhnlichen Schnelligkeit die Farbe. Der Geheime Rath erließ eine Verordnung des Inhalts, daß alle Papisten entwaffnet werden sollten, und durch eine andre Proklamation forderte er die Protestanten auf, sich zur Vertheidigung des reinen Glaubens zusammenzuschaaren. Die Nation hatte nicht erst auf diesen Aufruf gewartet; Stadt und Land standen schon für den Prinzen von Oranien unter den Waffen. Nithisdale und Clydesdale waren die einzigen Bezirke, in denen eine schwache Aussicht war, daß die Katholiken sich widersetzen würden; aber beide Bezirke waren bald von Schaaren bewaffneter Presbyterianer besetzt. Unter den Insurgenten befanden sich einige heftige und finstre Männer, welche früher Argyle verleugnet hatten und die jetzt eben so wenig von Wilhelm etwas wissen wollten. Seine Hoheit, sagten sie, habe offenbar Böses im Sinne. Er habe in seiner Erklärung kein Wort von dem Covenant erwähnt. Die Holländer wären ein Volk, mit dem kein wahrer Diener des Herrn gemeinschaftliche Sache machen würde. Sie hielten es mit den Lutheranern und ein Lutheraner sei eben so gut ein Kind der Verdammniß wie ein Jesuit. Die allgemeine Stimme des Königreichs erstickte jedoch wirksam das Murren dieser haßschnaubenden Faction.56

Die Bewegung verbreitete sich bald bis in die Gegend des Schlosses Drummond. Perth sah, daß er unter seinen eigenen Dienern und Pächtern nicht mehr sicher war. Er überließ sich daher einer eben so trostlosen Verzweiflung, als in welche seine unbarmherzige Tyrannei oft viel bessere Menschen als er war, gestürzt hatte. In seiner Todesangst suchte er Trost in den Gebräuchen seiner neuen Kirche. Er quälte seine Priester um geistlichen Zuspruch, betete, beichtete und communicirte; aber sein Glaube war schwach und er gestand, daß trotz aller seiner Andachtsübungen die Todesfurcht ihn überwältige. Um diese Zeit erfuhr er, daß er Aussicht hatte, auf einem vor Brentisland liegenden Schiffe zu entkommen. Er verkleidete sich so gut als möglich und nach einer langen und beschwerlichen Reise über die ungangbaren Pfade des damals mit tiefem Schnee bedeckten Ochillgebirges gelang es ihm sich einzuschiffen; aber trotz aller beobachteten Vorsicht war er erkannt und Lärm gemacht worden. Sobald es bekannt wurde, daß der blutdürstige Renegat sich auf der See befinde, und daß er Gold bei sich habe, waren ihm von Haß X.42 und Habgier erfüllte Verfolger auf den Fersen. Ein von einem alten Freibeuter befehligtes Boot holte das fliehende Schiff ein und enterte es. Perth, der Frauenkleider angelegt hatte, wurde aus dem Kielraume aufs Verdeck geschleppt, ausgezogen, gemißhandelt und geplündert. Man setzte ihm Bajonnette auf die Brust. Mit weibischem Gejammer um Schonung seines Lebens flehend wurde er ans Land zurückgebracht und in die Frohnfeste von Kirkaldy geworfen. Von dort wurde er auf Befehl des Geheimen Raths, dem er kürzlich noch präsidirt hatte und in welchem Männer saßen, die seine Schuld theilten, nach dem Schlosse Stirling transportirt. Es war an einem Sonntage während des öffentlichen Gottesdienstes, als er unter militairischer Eskorte in sein Gefängniß abgeführt wurde; aber selbst strenge Puritaner vergaßen die Heiligkeit des Tages und des Gottesdienstes. Die Andächtigen verließen die Kirchen, als der Tyrann vorüberkam und laute Drohungen, Verwünschungen und Ausbrüche des Hasses begleiteten ihn bis an den Eingang seines Gefängnisses.57

Mehrere angesehene Schotten befanden sich in London, als der Prinz daselbst ankam, und viele andere eilten jetzt dahin, um ihm ihre Aufwartung zu machen. Am 7. Januar ersuchte er sie, sich ihm in Whitehall vorzustellen. Die Versammlung war zahlreich und bestand aus sehr achtbaren Männern. An der Spitze des Zuges erblickte man den Herzog von Hamilton und seinen ältesten Sohn, den Earl von Arran, die Oberhäupter eines Hauses von fast königlichem Ansehen. Sie waren begleitet von dreißig Lords und ungefähr achtzig angesehenen Gentlemen. Wilhelm sprach den Wunsch aus, daß sie sich mit einander berathen und ihm dann sagen möchten, wie er das Wohl ihres Landes am besten fördern könnte. Dann entfernte er sich, damit sie, durch seine Anwesenheit nicht beengt, sich mit einander besprechen konnten. Sie gingen in das Berathungszimmer und übertrugen dem Herzoge von Hamilton den Vorsitz. Obgleich nur wenig Meinungsverschiedenheit stattgefunden zu haben scheint, dauerten die Verhandlungen doch drei Tage, ein Umstand, der sich durch Sir Patrick Hume’s Betheiligung an der Debatte genügend erklären läßt. Arran wagte es, eine Unterhandlung mit dem Könige vorzuschlagen. Dieser Antrag aber wurde von seinem Vater und von der ganzen Versammlung übel aufgenommen und fand gar keine Unterstützung. Endlich wurden Beschlüsse gefaßt, ganz ähnlich denen, welche die englischen Lords und Gemeinen einige Tage vorher dem Prinzen überreicht hatten. Er wurde ersucht, eine Convention der schottischen Stände einzuberufen, ihren Zusammentritt auf den 14. März zu bestimmen und bis zu diesem Tage die Civil- und Militairverwaltung selbst zu übernehmen. Er kam diesen Wünschen nach und die Regierung der ganzen Insel war von nun an in seinen Händen.58

56. Sixth Collection of Papers, 1689; Wodrow, III. 12. 4. App. 150, 151; Faithful Contendings Displayed; Burnet, I. 804.

57. Perth an Lady Errol, 29. Dec. 1688; an Melfort, 21. Dec. 1688: Sixth Collection of Papers, 1689.

58. Burnet, I. 805; Sixth Collection of Papers, 1689.

Stand der Parteien in England. Der entscheidende Augenblick rückte heran und die Aufregung der Gemüther stieg auf den Höhepunkt. Kleine Clubs von Politikern steckten überall flüsternd und berathend die Köpfe zusammen. Die Kaffeehäuser waren in heftiger Gährung, X.43 und die Pressen der Hauptstadt standen keine Minute still. Von den damals erschienenen Flugschriften könnte man noch jetzt mehrere Bände füllen und man kann sich aus diesen Flugschriften unschwer eine richtige Vorstellung von dem Stande der Parteien bilden.

Eine sehr kleine Faction wollte Jakob ohne irgend eine Bedingung zurückrufen. Eine andre, ebenfalls sehr kleine Faction wünschte eine Republik zu errichten und die Verwaltung einem Staatsrathe unter der Präsidentschaft des Prinzen von Oranien zu übertragen. Diese extremen Meinungen wurden jedoch allgemein mit Abscheu verworfen. Die Nation bestand zu Neunzehn Zwanzigsteln aus Leuten, welche mit der Liebe zur erblichen Monarchie die Liebe zur constitutionellen Freiheit verbanden, wenn auch nicht alle in gleichem Verhältnisse, und die von der gänzlichen Abschaffung des Königstitels eben so wenig etwas wissen wollten, als von der unbedingten Wiedereinsetzung des Königs.

Doch in der weiten Entfernung, welche die noch den Lehren Filmer’s anhängenden Bigotten von den Schwärmern trennte, die noch an die Verwirklichung der Träume Harrington’s dachten, war Raum für viele Meinungsschattirungen. Läßt man die unwichtigen Unterabtheilungen unberücksichtigt, so wird man finden, daß die große Majorität der Nation und der Convention in vier Abtheilungen zerfiel. Drei von diesen Abtheilungen bestanden aus Tories und die vierte bildete die Whigpartei.

Die Freundschaft zwischen den Whigs und Tories hatte die Gefahr, welche sie erzeugt, nicht überdauert. Während des Marsches des Prinzen aus dem Westen hatten sich bei verschiedenen Gelegenheiten Spaltungen unter seinen Anhängern gezeigt. So lange der Ausgang seines Unternehmens noch zweifelhaft war, hatte seine geschickte Leitung diese Zerwürfnisse ohne Mühe geschlichtet. Aber von dem Tage seines triumphirenden Einzugs in den St. Jamespalast an war eine solche Leitung nicht mehr möglich. Indem sein Sieg die Nation von der Furcht vor papistischer Tyrannei befreite, hatte er ihm zugleich die Hälfte seines Einflusses entzogen. Alte Antipathien, welche geschlummert hatten, so lange die Bischöfe im Tower und die Jesuiten im Staatsrathe saßen, so lange loyale Geistliche zu Dutzenden ihres Lebensunterhalts beraubt und loyale Gentlemen zu Hunderten ihres Friedensrichteramtes entsetzt wurden, erwachten jetzt mit erneuter Heftigkeit wieder. Der Royalist schauderte bei dem Gedanken, daß er mit allen Denen verbündet sei, die er von Jugend auf am meisten gehaßt habe: mit ehemaligen Anführern der Parlamentsarmee, die sein Landhaus erstürmt, mit ehemaligen Parlamentscommissaren, die sein Vermögen sequestrirt hatten, mit Männern, welche das Ryehouse-Gemetzel angestiftet und an der Spitze der Insurrection im Westen gestanden hatten. Auch die theure Kirche, der zu Liebe er nach einem qualvollen Kampfe seine Unterthanentreue gegen den Thron gebrochen, war sie wirklich in Sicherheit? Oder hatte er sie von einem Feinde befreit, nur um sie einem andren preis zu geben? Allerdings waren die papistischen Priester in der Verbannung, in Verstecken oder im Gefängniß. Kein Jesuit oder Benedictiner, dem sein Leben lieb war, wagte es jetzt, sich in seiner Ordenstracht zu zeigen. Aber die Presbyterianer- und Independentenprediger zogen in langer Procession zu dem Oberhaupte der Regierung, um ihm ihre Huldigung darzubringen und wurden eben so freundlich empfangen, wie die wahren Nachfolger der Apostel. Einige Schismatiker sprachen die Hoffnung aus, daß bald jede X.44 Schranke, die sie von geistlichen Ämtern ausschlösse, fallen werde, daß die Artikel gemildert, die Liturgie gesichtet, daß Weihnachten aufhören werde ein Fest, der Charfreitag ein Fasttag zu sein, daß Canonici, deren Haupt nie ein Bischof berührt, ohne das heilige Gewand von weißen Linnen in den Chören der Kathedralen das Brot und den Wein des Abendmahls an auf Bänken sitzende Communicanten austheilen werden. Der Prinz war zwar kein fanatischer Presbyterianer, aber höchstens ein Latitudinarier. Er trug kein Bedenken, nach anglikanischem Ritus zu communiciren, aber es war ihm auch gleichgültig, nach welchem Ritus andere Leute communicirten. Es stand zu befürchten, daß seine Gemahlin nur zuviel von seinem Geiste eingesogen hatte. Burnet war ihr Gewissensrath; sie hörte Prediger von verschiedenen protestantischen Secten, und hatte unlängst geäußert, daß sie zwischen der Kirche Englands und den anderen reformirten Kirchen keinen wesentlichen Unterschied erblicke.59 Es war daher nothwendig, daß die Kavaliere in diesem Augenblicke das von ihren Vätern im Jahre 1641 gegebene Beispiel befolgten, sich von den Rundköpfen und Sectirern trennten und trotz aller Fehler des erblichen Monarchen die Sache der erblichen Monarchie aufrecht erhielten.

Die von solchen Gesinnungen beseelte Partei war zahlreich und achtungswerth. Sie schloß ungefähr die Hälfte des Hauses der Lords, etwa ein Drittel des Hauses der Gemeinen, die Mehrheit der Landgentry und mindestens neun Zehntel der Geistlichkeit in sich; aber sie war durch Spaltungen zerrissen und auf allen Seiten von Schwierigkeiten umgeben.

59. Albeville, 9.(19.) Nov. 1688.

Sherlock’s Plan. Eine Section dieser großen Partei, die besonders unter der Geistlichkeit stark vertreten und deren Hauptorgan Sherlock war, wünschte, daß Unterhandlungen mit Jakob eröffnet und daß er unter Bedingungen, welche die bürgerliche und kirchliche Verfassung des Reichs vollkommen sicher stellten, zur Rückkehr nach Whitehall eingeladen werden sollte.60 Es springt in die Augen, daß dieser Plan, so energisch er auch von der Geistlichkeit unterstützt wurde, doch in directem Widerspruche mit den Doctrinen stand, welche der Klerus seit vielen Jahren lehrte. Es war in der That ein Versuch, einen Mittelweg einzuschlagen, wo kein Mittelweg möglich war, und einen Vergleich zwischen zwei Dingen herbeizuführen, welche keinen Vergleich zulassen: zwischen Widerstand und Nichtwiderstand. Die Tories hatten sich früher zu dem Prinzipe des Nichtwiderstandes gehalten. Aber diesen Boden hatten die meisten von ihnen jetzt verlassen und waren nicht geneigt, denselben wieder einzunehmen. Die englischen Kavaliere in ihrer Gesammtheit waren bei der letzten Erhebung gegen den König direct oder indirect so stark betheiligt gewesen, daß sie in diesem Augenblicke nicht ohne die größte Schande von der geheiligten Pflicht, einem Nero zu gehorchen, sprechen konnten; auch hatten sie überhaupt keine Lust, den Fürsten, unter dessen schlechter Regierung sie so viel hatten leiden müssen, zurückzurufen, ohne ihm Bedingungen vorzuschreiben, die es ihm unmöglich machten, seine Gewalt abermals zu mißbrauchen. Sie befanden sich deshalb in einer schiefen Stellung. Ihre X.45 alte Theorie, mochte sie nun vernünftig oder unvernünftig sein, war wenigstens vollständig und folgerichtig. War diese Theorie zweckmäßig, so mußte der König unverweilt zur Rückkehr aufgefordert und es ihm, wenn anders er wollte, gestattet werden, Seymour und Danby, den Bischof von London und den Bischof von Bristol wegen Hochverraths hinrichten zu lassen, die kirchliche Commission wiederherzustellen, die Kirche mit papistischen Würdenträgern zu füllen und die Armee unter das Commando papistischer Offiziere zu stellen. Wenn aber, wie die Tories jetzt selbst zuzugeben schienen, die Theorie unpraktisch war, warum dann mit dem Könige unterhandeln? Gestand man zu, daß er rechtmäßigerweise vom Throne ausgeschlossen werden dürfe, bis er befriedigende Garantien für die Sicherheit der kirchlichen und staatlichen Verfassung gebe, so konnte man schwerlich leugnen, daß er auch für immer rechtmäßigerweise ausgeschlossen werden durfte. Denn welche befriedigenden Garantien konnte er geben? Konnte wohl eine Parlamentsacte in klarerer Sprache gefaßt sein als die, welche vorschrieben, daß der Dechant des Christchurch-Collegiums ein Protestant sein müsse? Konnte ein Versprechen klarer und deutlicher sein als die, in denen Jakob wiederholt erklärt hatte, daß er die gesetzlichen Rechte der anglikanischen Geistlichkeit streng respectiren werde? Wenn Gesetz oder Ehrgefühl etwas Bindendes für ihn gehabt hätten, so würde er nie gezwungen gewesen sein, aus seinem Königreiche zu fliehen. Wenn aber weder Gesetz noch Ehre in seinen Augen bindend für ihn waren, konnte es dann wohl rathsam sein, ihn zurückzurufen?

Indessen würde trotz dieser Argumente wahrscheinlich ein Antrag auf Eröffnung von Unterhandlungen mit Jakob in der Convention gestellt und von der Hauptmasse der Tories unterstützt worden sein, wäre er nicht bei dieser, wie bei jeder andren Gelegenheit sein eigner schlimmster Feind gewesen. Jede von Saint-Germains kommende Post brachte Mittheilungen, welche den Eifer seiner Anhänger abkühlten. Er hielt es nicht einmal der Mühe werth, Reue über seine früheren Fehler zu heucheln oder Besserung zu geloben. Er erließ ein Manifest, in welchem er seinem Volke sagte, daß es stets sein eifriges Bestreben gewesen sei, mit Gerechtigkeit und Mäßigung zu regieren und daß es sich durch eingebildete Beschwerden selbst ins Verderben habe locken lassen.61

60. Siehe die Flugschrift, betitelt: Letter to a Member of the Convention, und die Antwort darauf; Burnet, I. 809.

61. Brief an die Lords des Geheimen Raths, 4.(14.) Jan. 1688/89; Clarendon’s Diary, Jan. 9.(19.)

Sancroft’s Plan. Die Folge seiner Thorheit und seines Starrsinns war, daß selbst Diejenigen, welche am meisten wünschten, ihn unter billigen Bedingungen wieder auf den Thron zu setzen, erkannten, daß sie der Sache, der sie dienen wollten, nur schaden würden, wenn sie in diesem Augenblicke die Eröffnung von Unterhandlungen vorschlügen. Sie beschlossen daher, sich mit einer andren Abtheilung der Tories zu verbinden, deren Oberhaupt Sancroft war. Sancroft glaubte ein Mittel gefunden zu haben, durch welches für die Regierung des Landes gesorgt werden könnte, ohne Jakob zurückzurufen, aber auch ohne ihn deshalb seiner Krone zu berauben. Dieses Mittel war eine Regentschaft. Die unfügsamsten unter denjenigen Theologen, welche die Lehre vom passiven Gehorsam eingeschärft, hatten doch nie behauptet, daß man diesen Gehorsam einem Kinde oder einem Wahnsinnigen schuldig sei. Es war allgemein anerkannt, X.46 daß, wenn der rechtmäßige Souverain zur Verwaltung seines Amtes geistig unfähig sei, ein Stellvertreter für ihn erwählt werden könne, und daß Jeder, der sich diesem Stellvertreter widersetzte und sich zu seiner Entschuldigung auf den Befehl eines Fürsten berief, der noch in der Wiege lag oder geistesschwach war, mit vollem Rechte den auf Empörung gesetzten Strafen verfiele. Dummheit, Unverstand und Aberglaube — so raisonnirte der Primas — hätten Jakob eben so unfähig gemacht, sein Land zu regieren, wie nur ein in den Windeln liegendes Kind oder ein auf dem Stroh von Bedlam grinsender und Unsinn schwatzender Wahnsinniger es sein könnte. Es müsse daher der Weg eingeschlagen werden, den man ergriffen habe, als Heinrich VI. noch ein Kind war, und dann wieder, als er in Schlafsucht verfiel. Jakob könne factisch nicht mehr König sein, aber er müsse es doch dem Anscheine nach bleiben. Die Regierungsdecrete müßten noch unter seinem Namen erlassen, und sein Bildniß und sein Namenszug müßten noch immer auf den Münzen und im Staatssiegel figuriren. Die Parlamentsacten müßten nach wie vor mit den Jahren seiner Regierung bezeichnet, die Verwaltung aber müsse ihm entzogen und einem von den Ständen des Reichs ernannten Regenten übertragen werden. Auf diese Weise, behauptete Sancroft allen Ernstes, werde das Volk seiner Unterthanenpflicht treu bleiben, die Eide der Treue, die es seinem Könige geschworen, würden streng beobachtet werden, und die orthodoxesten Anglikaner könnten ohne die geringsten Gewissensscrupel unter dem Regenten Ämter übernehmen.62

Sancroft’s Meinung hatte bei der ganzen Torypartei und ganz besonders bei der Geistlichkeit großes Gewicht. Eine Woche vor dem Tage, auf den die Convention einberufen war, versammelte sich im Lambethpalaste eine ehrwürdige Gesellschaft, hörte in der Kapelle eine Betübung an, speiste bei dem Primas und berieth sich dann über den Stand der öffentlichen Angelegenheiten. Fünf Suffraganen des Erzbischofs, die im vergangenen Sommer seine Gefahren und seinen Ruhm getheilt hatten, waren X.47 anwesend. Die Earls von Clarendon und von Ailesbury vertraten die toryistische Laienschaft. Die ganze Versammlung schien einmüthig der Ansicht zu sein, daß Diejenigen, welche Jakob den Unterthaneneid geleistet hatten, ihm mit vollem Rechte den Gehorsam verweigern, aber nicht mit gutem Gewissen den Königstitel einem Andren beilegen könnten.63

62. Es scheint unglaublich, daß irgend Jemand sich durch solchen Unsinn hätte täuschen lassen sollen. Ich halte es daher für nöthig, Sancroft’s Worte anzuführen, die noch in seiner eignen Handschrift existiren. „Die politische Capacität oder Autorität des Königs und sein Name in der Regentenreihe sind vollkommen und unleugbar. Da aber seine Person menschlich und sterblich und sonst gegen die übrigen Menschen nicht bevorzugt ist, so ist sie auch allen Mängeln und Fehlern derselben unterworfen. Er kann daher zur Leitung der Regierung, zur Verwaltung des Staatsschatzes etc. unfähig werden, sei es durch Abwesenheit, durch Unmündigkeit, durch Geistesschwäche, Wahnsinn oder Apathie, durch natürliche oder zufällige Krankheit, oder endlich durch gewisse, in Folge von Erziehung oder Gewohnheit entstandene und festgewurzelte, mit unabänderlichen Entschließungen verbundene Vorurtheile in mit den Gesetzen, der Religion, dem Landesfrieden und der wahren Politik des Reichs unvereinbaren Dingen. In allen diesen Fällen, sage ich, müssen eine oder mehrere Personen ernannt werden, um solchem Mängel abzuhelfen und die Regierungsgeschäfte statt seiner und im Namen seiner Gewalt und Autorität zu leiten. Ist dies geschehen, sage ich weiter, so sind alle wie früher stattfindenden Proceduren, Autoritäten, Ernennungen, Verleihungen etc. in jeder Hinsicht gesetzlich und rechtsgültig, die Unterthanenpflichten des Volkes bleiben die nämlichen, seine Eide und Verbindlichkeiten sind in keiner Weise verändert. So lange die Regierung kraft der Autorität und im Namen des Königs fortgeführt wird, bestehen auch alle die geheiligten Bande und eingeführten Proceduren fort und keines Menschen Gewissen wird mit irgend etwas beschwert, was zu übernehmen er Bedenken zu tragen braucht.“ — Tanner MS.; Doyly’s Life of Sancroft. Die Creaturen Jakob’s machten sich nicht ganz ohne Grund über das Englisch des guten Erzbischofs lustig.

63. Evelyn, Jan. 15, 1688/89.

Danby’s Plan. So stimmten zwei Sectionen der Torypartei (diejenigen, welche eine Verständigung mit Jakob wünschten, und die, welche von einer solchen Verständigung nichts wissen wollten) in der Unterstützung der Regentschaftsidee überein. Eine dritte Section jedoch, die zwar nicht sehr zahlreich war, aber großes Gewicht und großen Einfluß hatte, empfahl einen ganz andren Plan. Die Oberhäupter dieser kleinen Schaar waren im Hause der Lords Danby und der Bischof von London, im Hause der Gemeinen Sir Robert Sawyer. Sie meinten ein Mittel ausfindig gemacht zu haben, um unter streng gesetzlichen Formen eine völlige Revolution zu bewerkstelligen. Sie sagten, es widerstreite allem Prinzip, daß ein König durch seine Unterthanen abgesetzt werden solle. Durch seine Flucht habe er selbst seiner Macht und Stellung entsagt. Der Thron sei factisch erledigt und könne nach der Ansicht aller verfassungskundigen Juristen keinen Augenblick unbesetzt bleiben. Der nächste Erbe sei daher an seine Stelle getreten. Aber wer sei der nächste Thronerbe? Was den nach Frankreich übergeführten unmündigen Prinzen anlange, so sei dessen Eintritt in die Welt von vielen verdächtigen Umständen begleitet gewesen. Man sei es den anderen Mitgliedern des königlichen Hauses und der Nation schuldig, jeden Zweifel hierüber zu heben. Der Gemahl der Prinzessin von Oranien habe daher in ihrem Namen feierlich eine Untersuchung verlangt, welche auch vorgenommen worden wäre, hätten nicht die des Betrugs angeklagten Parteien einen Weg eingeschlagen, der in jedem gewöhnlichen Falle als ein entscheidender Schuldbeweis gegolten haben würde. Sie hätten sich nicht für bemüßigt gehalten, den Ausgang einer feierlichen Parlamentsuntersuchung abzuwarten, sie hätten sich heimlich in ein fremdes Land begeben und nicht allein das Kind, sondern auch alle diejenigen französischen und italienischen Kammerfrauen mit sich genommen, welche in den Betrug, falls ein solcher stattgefunden haben sollte, eingeweiht sein müßten und daher einem strengen Verhör zu unterwerfen gewesen wären. Die Ansprüche des Prinzen ohne Untersuchung anzuerkennen, sei nicht möglich, und Diejenigen, die sich seine Eltern nennten, hätten jede Untersuchung unmöglich gemacht. Das Urtheil müsse daher in contumaciam gegen ihn gefällt werden. Geschehe ihm dann Unrecht, so geschehe ihm nicht von Seiten der Nation, sondern von Seiten Derer Unrecht, deren auffallendes Benehmen bei seiner Geburt die Nation berechtigt habe, eine Untersuchung zu verlangen, und die sich einer solchen Untersuchung durch die Flucht entzogen hätten. Er könne daher mit vollkommenem Rechte als ein Prätendent betrachtet werden. Und so sei die Krone gesetzmäßig auf die Prinzessin von Oranien übergegangen. Sie sei thatsächlich regierende Königin und die beiden Häuser hätten nichts weiter zu thun, als sie zu proclamiren. Sie könne, wenn sie sonst wolle, ihren Gemahl zu ihrem ersten Minister ernennen und ihm sogar mit Bewilligung des Parlaments den Königstitel verleihen.

X.48

Nur wenige Personen zogen diesen Plan jedem andren vor und es war mit Gewißheit zu erwarten, daß sich demselben sowohl Diejenigen, welche Jakob noch zugethan waren, wie auch alle Anhänger Wilhelm’s widersetzen würden. Indessen gab Danby, der auf seine Kenntniß der parlamentarischen Taktik vertraute und wohl wußte, was ein kleines Streifcorps auszurichten vermag, wenn große Parteien einander ziemlich die Wage halten, noch keineswegs die Hoffnung auf, daß er im Stande sein werde, den Ausgang des Kampfes so lange in der Schwebe zu erhalten, bis Whigs und Tories, an einem vollkommenen Siege verzweifelnd und die Folgen der Verzögerung fürchtend, ihn als Schiedsrichter annehmen würden. Auch ist es durchaus nicht unmöglich, daß er reussirt haben würde, wenn die Frau, die er auf den höchsten Gipfel irdischer Größe erheben wollte, unterstützt oder doch wenigstens nicht behindert worden wäre. So scharfblickend und wohlerfahren er in Staatsgeschäften war, so kannte er doch weder den Character Mariens noch die Gefühle, mit denen sie ihren Gemahl betrachtete, und selbst ihr alter Lehrer Compton war nicht besser unterrichtet. Wilhelm’s Manieren waren trocken und kalt, seine Constitution war schwächlich und kränklich und seine Gemüthsart nichts weniger als sanft; er war daher nicht der Mann, der nach gewöhnlichen Begriffen für geeignet gehalten werden konnte, einer sechsundzwanzigjährigen schönen jungen Frau eine heftige Leidenschaft einzuflößen. Es war bekannt, daß er seiner Gemahlin nicht immer ganz treu geblieben war und der Leumund hatte ausgesprengt, daß sie nicht glücklich mit ihm lebe. Die scharfsichtigsten Politiker ahneten daher nicht, daß er bei allen seinen Fehlern eine solche Herrschaft über ihr Herz erlangt hatte, als selbst Fürsten, die wegen ihres Glücks in der Liebe am berühmtesten waren, wie Franz I. und Heinrich IV., Ludwig XIV. und Karl II. sie niemals über ein weibliches Herz besessen hatten, und daß die drei Königreiche ihrer Voreltern in ihren Augen hauptsächlich deshalb einen Werth hatten, weil sie ihrem Gemahl durch die Verleihung derselben die Innigkeit und Uneigennützigkeit ihrer Liebe beweisen konnte. Danby versicherte ihr in seiner völligen Unkenntniß ihrer Gesinnungen, daß er ihre Rechte vertheidigen und daß, wenn sie ihn unterstütze, er sie allein auf den Thron setzen zu können hoffe.64

64. Clarendon’s Diary, Dec. 24. 1688; Burnet, I. 819; Proposals humbly offered in behalf of the Princess of Orange, Jan. 28. 1688/89.

Der Plan der Whigs. Das Verfahren der Whigs war inzwischen einfach und consequent. Nach ihrer Doctrin war die Grundlage unsrer Regierung ein Vertrag, der auf der einen Seite durch den Unterthaneneid, auf der andren durch den Krönungseid ausgedrückt sei, und die durch diesen Vertrag auferlegten Pflichten waren gegenseitig. Sie hielten dafür, daß einem Fürsten, der seine Macht gröblich mißbrauchte, von seinem Volke mit vollem Rechte der Gehorsam verweigert und er des Thrones entsetzt werden könne. Daß Jakob seine Macht gröblich gemißbraucht hatte, wurde nicht bestritten, und die ganze Whigpartei war bereit, es offen auszusprechen, daß er sie verwirkt habe. Ob der Prinz von Wales untergeschoben war oder nicht, sei ein Punkt, der gar nicht der Untersuchung werth sei. Es gebe jetzt viel gewichtigere Gründe, ihn vom Throne auszuschließen als die, welche aus den Vorgängen bei seiner Geburt hergeleitet X.49 werden könnten. Ein Kind, das in einer Wärmpfanne ins Bett der Königin gelegt worden sei, könne möglicherweise auch ein guter König von England werden. Dies sei aber nicht von einem Kinde zu erwarten, das von seinem Vater, dem stupidesten und starrsinnigsten Tyrannen von der Welt, in einem fremden Lande, dem Sitze des Despotismus und des Aberglaubens erzogen werde, in einem Lande, wo jede Spur von Freiheit verschwunden sei, wo die Stände des Reichs sich nicht mehr versammelten, wo die Parlamente seit langer Zeit, ohne Gegenvorstellungen zu machen, die drückendsten Erlasse des Landesherrn zu Gesetzen erhoben hätten, wo Tapferkeit, Genie und Gelehrsamkeit nur da zu sein schienen, um einen einzelnen Mann zu vergrößern, wo kriechende Schmeichelei das Hauptstreben der Presse, der Kanzel und der Bühne, und wo die grausamste Verfolgung der reformirten Kirche ein Hauptgegenstand jener kriechenden Schmeichelei sei. Könne man wohl erwarten, daß der Knabe unter solcher Leitung und in solcher Umgebung die Institutionen seines Vaterlandes werde achten lernen? Könne man daran zweifeln, daß er zu einem Sklaven der Jesuiten und der Bourbons erzogen und ihm wo möglich noch heftigere Vorurtheile gegen die Gesetze Englands eingeimpft werden würden als irgend einem der vorhergehenden Stuarts?

Auch glaubten die Whigs nicht, daß bei der damaligen Lage des Landes eine Abweichung von der gewöhnlichen Thronfolge an sich ein Übel sei. Sie waren der Meinung, daß, wenn man diese Ordnung nicht unterbreche, die Lehre von dem unveräußerlichen Erbrechte und dem passiven Gehorsam dem Hofe stets gefallen, von Seiten der Geistlichkeit eingeschärft werden und in der öffentlichen Meinung einen starken Anhang behalten würde. Es würde die Ansicht vorherrschend bleiben, daß das Königthum eine göttliche Anordnung in einem andren Sinne sei, als in welchem jede Regierungsform eine solche Anordnung ist. Es liege auf der Hand, daß die Verfassung niemals gesichert sein könne, so lange dieser Irrwahn nicht zerstört sei. Denn eine wirklich beschränkte Monarchie könne in einer Gesellschaft, welche die Monarchie als etwas Göttliches und die Beschränkungen derselben als bloße menschliche Erfindungen betrachte, nicht lange bestehen. Wenn das Königthum in vollkommenem Einklange mit unseren Freiheiten bestehen solle, dürfe es sich auf keinen höheren oder ehrwürdigeren Rechtstitel berufen können, als den, auf welchen sich unsere Freiheiten gründeten. Der König müsse hinfüro als ein Beamter betrachtet werden, allerdings als ein hoher und hochzuachtender Beamter, der aber wie jeder andre Beamte dem Gesetze unterworfen sei und seine Macht in keinem andren Sinne vom Himmel herleiten könne, als man von den Lords oder den Gemeinen sagen dürfe, daß sie ihre Macht vom Himmel herleiteten. Das beste Mittel, um diese heilsame Veränderung zu bewirken, werde eine Unterbrechung der Erbfolge sein. Unter Souverainen, die es kaum für etwas Geringeres als für Hochverrath ansähen, wenn die Lehre vom Nichtwiderstande und die patriarchalische Regierungsform gepredigt würde, unter Souverainen, deren auf Beschlüsse der beiden Häuser sich gründende Autorität niemals höher steigen könne als die Quelle, aus der sie entsprungen sei, würde man schwerlich solche Bedrückungen zu fürchten haben, welche bereits zwei Generationen von Engländern gezwungen hätten, sich mit bewaffneter Hand gegen zwei Generationen von Stuarts zu erheben. Aus diesen Gründen waren die Whigs bereit, den Thron für erledigt zu erklären, ihn durch X.50 Wahl wieder zu besetzen und dem Fürsten ihrer Wahl Bedingungen vorzuschreiben, welche das Land gegen schlechte Regierung sichern konnten.

Zusammentritt der Convention. Leitende Mitglieder des Hauses der Gemeinen. Die Zeit der Entscheidung dieser großen Fragen war jetzt gekommen. Am 22. Januar mit Tagesanbruch füllte sich das Haus der Gemeinen mit Rittern und Boroughvertretern. Auf den Bänken erblickte man viele Gesichter, welche unter der Regierung Karl’s II. hier wohlbekannt gewesen, unter seinem Nachfolger aber nicht daselbst gesehen worden waren. Die Mehrzahl der Torysquires und der mittellosen Anhänger des Hofes, welche massenweise in das Parlament von 1685 gewählt worden waren, hatten den Männern der ehemaligen Vaterlandspartei Platz gemacht, welche die Cabale gestürzt, die Habeascorpusacte durchgesetzt und die Ausschließungsbill vor die Lords gebracht hatten. Unter ihnen befand sich Powle, gründlich bewandert in der Geschichte und dem Rechte der Parlamente und ausgezeichnet durch die Beredtsamkeit, welche erforderlich ist, wenn hochwichtige Fragen feierlich der Erwägung von Senaten unterbreitet werden sollen, und Sir Thomas Littleton, wohlerfahren in der europäischen Politik und mit einer heftigen, scharfen Logik begabt, welche oftmals, wenn nach langer Sitzung die Lichter angezündet worden waren, das erschöpfte Haus neu belebt und die Debatte entschieden hatte. Hier saß auch Wilhelm Sacheverell, ein Redner, dessen große parlamentarische Fähigkeiten viele Jahre später ein Lieblingsthema alter Leute waren, welche die Kämpfe von Walpole und Pulteney erlebten.65 Diesen hervorragenden Männern zur Seite stand Robert Clayton, der reichste Kaufmann von London, dessen Palast in der alten Judenstadt die aristokratischen Gebäude in Lincoln’s Inn Fields und Conventgarden an Glanz übertraf, dessen Landgut zwischen den Hügeln von Surrey als ein wahres Eden geschildert ward, dessen Gastmähler mit denen der Könige wetteiferten und dessen einsichtsvolle Freigebigkeit, von der noch heute zahlreiche öffentliche Denkmale Zeugniß ablegen, ihm in den Annalen der City eine Stelle verschafft hat, welche nur der Gresham’s untergeordnet ist. In dem Parlamente, welches 1681 zu Oxford tagte, hatte Clayton als Vertreter der Hauptstadt und auf Ersuchen seiner Wähler um die Erlaubniß gebeten, die Ausschließungsbill einzubringen und Lord Russel hatte ihn darin unterstützt. Im Jahre 1685 hatte die ihrer Privilegien beraubte und von Creaturen des Hofes regierte Hauptstadt vier toryistische Vertreter gesandt. Jetzt aber war der alte Freibrief wieder zurückgegeben und Clayton war durch Acclamation wieder gewählt worden.66 Auch Johann Birch darf nicht unerwähnt bleiben. Er hatte seine Laufbahn als Fuhrmann begonnen, hatte aber in den Bürgerkriegen sein Geschirr im Stich gelassen, war Soldat geworden, hatte sich zum Range eines Obersten in der Armee der Republik emporgeschwungen, hatte in hohen fiskalischen Ämtern großes Geschäftstalent gezeigt, hatte viele Jahre im Parlament gesessen und obgleich er bis zuletzt die derben Manieren und den plebejischen Dialect seiner Jugend beibehielt, hatte er doch durch gesunden Verstand und Mutterwitz das Ohr der Gemeinen gewonnen und wurde von den ausgezeichnetsten Parlamentsrednern seiner Zeit X.51 als ein furchtbarer Gegner betrachtet.67 Dies waren die hervorragendsten unter den Veteranen, welche jetzt nach langer Abgeschiedenheit ins öffentliche Leben zurückkehrten. Sie wurden jedoch sehr bald durch zwei jüngere Whigs in den Schatten gestellt, welche an jenem wichtigen Tage zum ersten Male ihre Sitze einnahmen, bald zu den höchsten Ehrenstellen im Staate emporstiegen, gemeinsam die heftigsten Parteistürme bestanden und nachdem sie lange weit und breit als Staatsmänner, als Redner, als freigebige Beschützer des Genies und der Gelehrsamkeit berühmt gewesen waren, bald nach dem Regierungsantritte des Hauses Braunschweig wenige Monate hintereinander starben. Diese waren Karl Montague und Johann Somers.

Außerdem muß noch ein Name erwähnt werden, ein Name, welcher damals nur einem kleinen Kreise von Philosophen bekannt war, der aber jetzt bis über den Ganges und den Mississippi hinaus mit einer höheren Verehrung genannt wird, als man sie dem Gedächtniß der größten Krieger und Herrscher zollt. Unter der Menge der schweigenden Mitglieder erschien auch die majestätische Stirn und das gedankenvolle Antlitz Isaak Newton’s. Die berühmte Universität, der sein Genie schon einen eigenthümlichen noch nach Verlauf von hundertsechzig Jahren deutlich erkennbaren Character aufzudrücken begonnen, hatte ihn in die Convention gesandt, und hier saß er in seiner bescheidenen Größe als anspruchsloser, aber unerschütterlicher Freund der bürgerlichen und religiösen Freiheit.

65. Burnet, I. 389 und Präsident Onslow’s Note.

66. Evelyn’s Diary, Sept. 26. 1672, Oct. 12. 1679, Juli 13. 1700; Seymour’s Survey of London.

67. Burnet, I. 388 und Onslow’s Note.

Wahl eines Sprechers. Die Gemeinen schritten vor Allem zur Wahl eines Sprechers, und das Ergebniß dieser Wahl deutete schon unverkennbar ihre Ansicht über die großen Fragen an, die sie entscheiden sollten. Bis zum Vorabend der Versammlung hatte man geglaubt, daß Seymour zum Präsidenten gewählt werden würde. Er hatte dieses Amt früher mehrere Jahre bekleidet und hatte mehrfache gewichtige Ansprüche auf Beachtung: Herkunft, Vermögen, Kenntnisse, Erfahrung und Beredtsamkeit. Er hatte ferner lange an der Spitze eines einflußreichen Vereins von Mitgliedern aus den westlichen Grafschaften gestanden. Obgleich ein Tory, hatte er doch im letzten Parlament die Opposition gegen Papismus und Willkürherrschaft mit ausgezeichnetem Geschick und Muth geleitet. Er war einer der ersten Edelleute gewesen, der sich ins holländische Hauptquartier nach Exeter begeben, und war der Urheber der Verbindung, durch welche die Anhänger des Prinzen sich gegenseitig verpflichtet hatten, zusammen zu siegen oder zu fallen. Aber einige Stunden vor dem Zusammentritt der Häuser hatte sich das Gerücht verbreitet, Seymour sei gegen die Erklärung, daß der Thron erledigt sei. Sobald sich daher die Bänke gefüllt hatten, erhob sich der Earl von Wiltshire, welcher Hampshire vertrat, und schlug Powle zum Sprecher vor. Sir Vere Fane, Vertreter von Kent, unterstützte den Antrag. Es hätte allerdings ein plausibler Einwurf dagegen erhoben werden können, denn es war bekannt, daß eine Petition gegen Powle’s Wahl zum Präsidenten dem Parlament vorgelegt werden sollte; aber die allgemeine Stimme des Hauses berief ihn auf den Präsidentenstuhl, und die Tories hielten es für gerathen, sich damit einverstanden zu erklären.68 Das Scepter wurde X.52 auf den Tisch gelegt, die Liste der Mitglieder verlesen und die Namen der fehlenden vorgemerkt.

Inzwischen hatten sich auch die Peers in einer Anzahl von etwa hundert versammelt, hatten Halifax zum Sprecher gewählt und mehreren ausgezeichneten Juristen diejenigen Functionen übertragen, welche in ordentlichen Parlamenten den Richtern zukommen. Die beiden Häuser setzten sich im Laufe des Tages häufig mit einander in Vernehmen. Sie vereinigten sich zu dem Ersuchen, daß der Prinz die Zügel der Regierung in der Hand behalten möchte, bis er Weiteres von ihnen hören würde, zum Ausdrucke ihres Dankes für die Befreiung der Nation, die er mit Gottes Hülfe bewerkstelligt, und zu der Bestimmung, daß der 31. Januar als Dankfest für diese Befreiung gefeiert werden solle.69

Bis dahin hatte sich keine Meinungsverschiedenheit gezeigt; aber beide Parteien rüsteten sich zum Kampfe. Die Tories waren im Oberhause stark, im Unterhause schwach vertreten, und sie wußten, daß bei einer solchen Gelegenheit dasjenige Haus, welches zuerst zu einem Entschlusse kam, einen großen Vortheil über das andre haben mußte. Es war nicht die geringste Aussicht vorhanden, daß die Gemeinen einen Beschluß zu Gunsten des Regentschaftsplanes der Lords vorlegen würden, wenn aber ein solcher Beschluß von den Lords den Gemeinen vorgelegt wurde, so war es nicht ganz unmöglich, daß selbst viele von den whiggistischen Volksvertretern geneigt sein würden, sich lieber damit einverstanden zu erklären, als die große Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen, in einer Krisis, welche Einmüthigkeit und rasches Handeln erforderte, Uneinigkeit und Verzögerung verursacht zu haben. Die Gemeinen hatten beschlossen, am Montag den 28. Januar die Lage der Nation in Erwägung zu ziehen. Daher schlugen die toryistischen Lords am Freitag, den 25. vor, sofort an das wichtige Geschäft zu gehen, um derentwillen sie sich versammelt hatten. Ihre Beweggründe wurden jedoch von Halifax, der seit seiner Rückkehr von Hungerford erkannt hatte, daß die Regierung nur nach whiggistischen Prinzipien eingerichtet werden konnte und der sich daher für den Augenblick eng an die Whigs angeschlossen hatte, klar durchschaut und ihre Taktik vereitelt. Devonshire trug darauf an, daß Dienstag, der neunundzwanzigste, der Tag sein solle. „Bis dahin,“ sagte er mit mehr Wahrheit als Überlegung, „können wir einige Aufklärungen von unten erhalten, die uns zur Richtschnur dienen können.“ Sein Antrag ging durch, seine Sprache aber wurde von einigen seiner Mitpeers als ihres Standes unwürdig streng getadelt.70

68. Citters, 22. Jan. (1. Febr.) 1689; Grey’s Debates.

69. Lords’ and Commons’ Journals, Jan. 22. 1688; Citters und Clarendon’s Tagebuch von demselben Datum.

70. Lords’ Journals, Jan. 25. 1688/89; Clarendon’s Diary, Jan. 23, 25.

Debatte über die Lage der Nation. Am 28. erklärten sich die Gemeinen zu einem Comité des ganzen Hauses. Ein Mitglied, das vor mehr als dreißig Jahren einer von Cromwell’s Lords gewesen war, Richard Hampden, Sohn des berühmten Führers der Rundköpfe und Vater des Unglücklichen, der nur durch große Bestechungen und erniedrigende Demüthigungen mit genauer Noth der Rache Jakob’s entgangen war, wurde zum Präsidenten gewählt und die große Debatte begann.

Es zeigte sich sehr bald, daß eine überwiegende Majorität Jakob nicht X.53 mehr als König betrachtete. Gilbert Dolben, der Sohn des verstorbenen Erzbischofs von York, war der Erste, der sich zu dieser Ansicht bekannte, und er wurde darin von vielen Mitgliedern unterstützt, besonders von dem kühnen und heftigen Wharton, von Sawyer, dessen beharrliches Opponiren gegen das Dispensationsrecht seine früheren Vergehen einigermaßen wieder gut gemacht hatte, von Maynard, dessen Stimme, obgleich vom Alter so geschwächt, daß sie auf den entfernteren Bänken nicht vernommen werden konnte, doch noch immer die Achtung aller Parteien genoß und von Somers, dessen glänzende Beredtsamkeit und vielseitige Kenntnisse sich zum ersten Male in den Räumen des Parlaments entfalteten. Auch die schamlose Stirn und die geläufige Zunge Sir Wilhelm Williams’ waren auf derselben Seite zu finden. Er war schon stark betheiligt bei den Excessen der schlechtesten Opposition und der schlechtesten Regierung. Er hatte unschuldige Papisten und unschuldige Protestanten verfolgt, er war der Beschützer Oates’ und das Werkzeug Petre’s gewesen, sein Name war mit aufrührerischen Gewaltthätigkeiten, deren sich alle ehrenwerthen Whigs mit Bedauern und Beschämung erinnerten, und mit Handlungen des Despotismus verknüpft, welche alle ehrenwerthen Tories verabscheuten. Wie ein Mensch unter der Last solcher Schande noch leben kann, ist schwer zu begreifen; aber selbst eine solche Schande war für Williams noch nicht genug. Er schämte sich nicht, den gefallenen Gebieter anzugreifen, dem er sich zu Dienstleistungen, die kein rechtschaffener Mann irgend eines Justizcollegiums übernommen haben würde, vermiethet, und von dem er erst vor einem halben Jahre als Belohnung für seine Servilität eine Baronetschaft angenommen hatte.

Nur drei Mitglieder wagten es, sich der offenbar allgemeinen Ansicht der Versammlung zu widersetzen. Sir Christoph Musgrave, ein Torygentleman von großem Ansehen und Talent äußerte einige Zweifel. Heneage Finch ließ ebenfalls einige Äußerungen fallen, welche so verstanden wurden, als ob er die Eröffnung von Unterhandlungen mit dem Könige wünschte. Diese Andeutung wurde so übel aufgenommen, daß er sich beeilte, sie weg zu erklären. Er versicherte, daß er falsch verstanden worden sei. Er sei überzeugt, daß unter einem solchen Fürsten keine Sicherheit für Religion, Freiheit und Eigenthum denkbar sei. König Jakob zurückzurufen oder mit ihm zu unterhandeln, würde ein verderblicher Schritt sein; aber Viele, welche nie ihre Einwilligung dazu geben würden, daß er die königliche Gewalt wieder ausübte, könnten es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren, ihm auch den Königstitel zu nehmen. Es gebe jedoch einen Ausweg, der alle Schwierigkeiten beseitigte: eine Regentschaft. Dieser Vorschlag fand so wenig Beifall, daß Finch es nicht wagte, die Abstimmung darüber zu verlangen. Richard Fanshaw, Viscount Fanshaw aus Irland sprach einige Worte über Jakob und empfahl einen Aufschub; aber sein Vorschlag erregte allgemeines Mißfallen. Ein Mitglied nach dem andren stand auf, um die Wichtigkeit der Beschleunigung hervorzuheben. Jeder Augenblick, wurde gesagt, sei kostbar, die Erwartung des Volks sei aufs Höchste gespannt, so daß alle Geschäfte stockten. Die Minorität fügte sich murrend und räumte der überwiegenden Partei das Feld.

Worin das Verfahren der Majorität bestehen würde, war noch nicht recht klar, denn sie zerfiel in zwei Abtheilungen. Die eine bestand aus eifrigen und heftigen Whigs, die, wenn sie ihren Weg hätten gehen können, dem Verfahren der Convention einen entschieden revolutionären Character X.54 gegeben haben würden. Die andre gab zu, daß eine Revolution nothwendig sei, betrachtete sie aber als ein nothwendiges Übel und wünschte sie soviel als möglich unter dem Scheine der Gesetzmäßigkeit zu verhüllen. Die erstere Abtheilung verlangte die bestimmte Anerkennung des Rechtes der Unterthanen, schlechte Fürsten des Thrones zu entsetzen. Die andre Abtheilung wollte nur das Land von einem schlechten Fürsten befreien, ohne ein Prinzip aufzustellen, das leicht zu den Zwecke gemißbraucht werden könnte, die rechtmäßige und heilsame Autorität zukünftiger Monarchen zu schwächen. Die erstere Abtheilung hob namentlich die schlechte Regierung des Königs, die andre seine Flucht hervor; jene war der Ansicht, daß er seine Krone verwirkt, diese, daß er ihr freiwillig entsagt habe. Es war nicht leicht, eine Beschlußformel zu entwerfen, welche Allen gefiel, deren Zustimmung zu erlangen von Wichtigkeit war; endlich aber wurde aus den von verschiedenen Seiten gemachten Vorschlägen ein Beschluß gebildet, der alle Theile befriedigte.

Beschluß, durch den der Thron für erledigt erklärt wird. Es wurde beantragt, daß König Jakob II., indem er es versucht, durch einen Bruch des ursprünglichen Vertrags zwischen König und Volk die Verfassung des Reichs umzustürzen, und indem er auf den Rath der Jesuiten und anderer übelgesinnter Personen die Grundgesetze verletzt und sich aus dem Lande entfernt, die Regierung niedergelegt habe und daß der Thron dadurch erledigt worden sei.

Dieser Beschluß ist häufig einer so genauen und strengen Kritik unterworfen worden wie irgend eine von Menschenhand geschriebene Sentenz, und doch giebt es vielleicht keine von Menschenhand geschriebene Sentenz, die eine solche Kritik weniger vertrüge. Daß ein König seine Macht durch groben Mißbrauch derselben verwirken kann, ist wahr. Daß man von einem Könige, der auf und davon geht, ohne Vorsorge für die Verwaltung der Regierungsgeschäfte zu treffen, und sein Volk in einem Zustande von Anarchie zurückläßt, ohne gewaltsame Wortverdrehung sagen kann, er habe seine Funktionen niedergelegt, ist ebenfalls wahr. Aber kein gewissenhafter Schriftsteller wird behaupten, daß lange fortgesetzte schlechte Regierung und Flucht zusammengenommen einen Abdankungsact constituiren. Ebenso klar ist es, daß die Erwähnung der Jesuiten und anderer schlechter Rathgeber Jakob’s die Beschuldigung gegen ihn schwächt, anstatt sie zu bekräftigen. Denn ein durch schlimme Rathgeber irregeleiteter Mann verdient gewiß mehr Nachsicht als einer, der lediglich aus eigenem Antriebe Unrecht thut. Es ist jedoch ein eitles Beginnen, diese denkwürdigen Worte zu analysiren, wie wir ein Kapitel von Aristoteles oder von Hobbes untersuchen. Derartige Worte sind nicht als Worte, sondern als Thaten zu betrachten, und wenn sie das bewirken, was sie bewirken sollen, so sind sie vernünftig, mögen sie auch an sich widersinnig sein. Erreichen sie aber ihren Zweck nicht, so sind sie absurd, wenn sie auch Beweiskraft in sich tragen. Die Logik läßt keine Auslegung zu. Das Wesen der Politik aber ist die Auslegung. Es ist daher nicht zu verwundern, daß einige der wichtigsten und nützlichsten politischen Dokumente zu den unlogischesten Aufsätzen gehören, welche je geschrieben wurden. Somers, Maynard und die anderen ausgezeichneten Männer, welche den berühmten Antrag entwarfen, hatten dabei nicht den Zweck, der Nachwelt ein Muster von Definition und Eintheilung zu hinterlassen, sondern die Wiedereinsetzung eines Tyrannen unmöglich zu machen und einen Fürsten auf den Thron zu X.55 erheben, unter welchem Gesetz und Freiheit gesichert waren. Diesen Zweck erreichten sie durch die Anwendung von Worten, welche in einer philosophischen Abhandlung mit Recht als ungenau und unklar getadelt worden wären. Es kümmerte sie wenig, ob der Vordersatz und der Schlußsatz zu einander paßten, wenn nur der Vordersatz ihnen zweihundert Stimmen und der Schlußsatz weitere zweihundert Stimmen verschaffte. Die einzige Schönheit des Beschlusses ist in der That seine Inconsequenz. Sie enthielt eine Phrase für jede Unterabtheilung der Majorität. Die Erwähnung des ursprünglichen Vertrags befriedigte die Anhänger Sidney’s. Das Wort Abdankung beschwichtigte Politiker einer zurückhaltenderen Schule. Vielen eifrigen Protestanten gefiel ohne Zweifel der gegen die Jesuiten ausgesprochene Tadel. In den Augen des wirklichen Staatsmanns war der einzige wichtige Satz der, welcher den Thron für erledigt erklärte, und wenn nur dieser Satz angenommen wurde, so war es ihm ziemlich gleichgültig, welche Einleitung demselben vorausging. Eine so vereinigte Macht ließ keiner Hoffnung auf Widerstand Raum. Der Antrag wurde vom Ausschusse ohne Abstimmung angenommen, und es wurde unverzügliche Berichterstattung darüber beschlossen. Powle nahm den Präsidentenstuhl wieder ein, das Scepter wurde auf den Tisch gelegt, Hampden trug auf Erhebung zum Beschluß an, das Haus gab seine Zustimmung und die sofortige Überreichung an die Lords wurde anbefohlen.71

71. Commons’ Journals, Jan. 28. 1688/89; Grey’s Debates; Citters, 29. Jan. (8. Febr.). Wenn der Bericht in Grey’s Debates genau ist, so muß Citters in Betreff der Rede Sawyer’s falsch unterrichtet gewesen sein.

Der Beschluß wird den Lords vorgelegt. Am folgenden Morgen frühzeitig versammelten sich die Lords. Die Bänke der geistlichen wie der weltlichen Lords waren dicht besetzt. Hampden erschien in der Schranke und überreichte Halifax den Beschluß der Gemeinen. Das Oberhaus constituirte sich hierauf zu einem Comité und Danby nahm den Präsidentenstuhl ein.

Die Discussion wurde bald durch das nochmalige Erscheinen Hampden’s unterbrochen, der eine andre Botschaft überbrachte. Das Haus constituirte sich wieder als solches und vernahm, daß die Gemeinen es so eben als unvereinbar mit der Sicherheit und dem Wohle der protestantischen Nation erklärt habe, von einem papistischen Könige regiert zu werden. So wenig sich dieser Beschluß mit dem Prinzipe des unveräußerlichen Erbrechts vertrug, so gaben die Peers doch auf der Stelle und einmüthig ihre Zustimmung zu demselben. Der dadurch aufgestellte Grundsatz ist bis auf unsre Zeit von allen protestantischen Staatsmännern stets heilig gehalten worden und kein verständiger Katholik hat ihn je als Einwendungen zulassend betrachtet. Wenn unsere Souveraine, wie die Präsidenten der Vereinigten Staaten, bloße bürgerliche Beamte wären, so würde es allerdings schwer sein, eine solche Beschränkung zu rechtfertigen. Allein mit der englischen Krone ist zugleich die Oberhauptswürde über die englische Kirche verbunden, und es ist keine Intoleranz, wenn man sagt, daß eine Kirche nicht einem Oberhaupte unterthan sein kann, das sie als schismatisch und ketzerisch betrachtet.72

72. Lords’ and Commons’ Journals, Jan. 29, 1688/89.

Debatte im Oberhause über den Regentschaftsplan. Nach dieser kurzen Unterbrechung constituirten sich die Lords wieder zum X.56 Comité. Die Tories drangen darauf, daß ihr Plan berathen werden sollte, ehe der Beschluß der Gemeinen, welcher den Thron für erledigt erklärte, in Betracht gezogen würde. Dies ward ihnen zugestanden und die Frage gestellt, ob eine Regentschaft, die während Jakob’s Lebzeiten in seinem Namen die königliche Gewalt ausübe, das beste Mittel zur Aufrechthaltung der Gesetze und der Freiheiten der Nation sein würde.

Der Kampf war lang und heftig. Die Hauptsprecher zu Gunsten einer Regentschaft waren Rochester und Nottingham. Halifax und Danby waren die leitenden Häupter der andren Seite. Der Primas trat sonderbarerweise nicht auf, obgleich die toryistischen Peers ihn dringend ersucht hatten, sich an ihre Spitze zu stellen. Seine Abwesenheit zog ihm vielfachen bitteren Tadel zu, und selbst seine Lobredner waren nicht im Stande, eine seinem Character zur Ehre gereichende Erklärung zu finden.73 Der Regentschaftsplan war von ihm ausgegangen und er hatte erst vor wenigen Tagen in einem von ihm eigenhändig geschriebenen Aufsatze diesen Plan für den unzweifelhaft besten erklärt, den man annehmen könnte. Die Besprechungen der Lords, welche diesen Plan unterstützten, hatten unter seinem eigenen Dache stattgefunden. Seine Stellung machte es ihm unbestreitbar zur Pflicht, seine Ansicht öffentlich auszusprechen. Den Verdacht persönlicher Feigheit oder niedriger Habsucht kann Niemand auf ihn werfen. Wahrscheinlich that er aus einer krankhaften Besorgniß, etwas Unrechtes zu thun, in diesem wichtigen Augenblicke nichts, aber er hätte wissen sollen, daß bei einem Manne in seiner Stellung nichts thun so viel hieß als Unrecht thun. Ein Mann, der zu scrupulös ist, um in einer wichtigen Krisis eine große Verantwortlichkeit zu übernehmen, sollte auch zu scrupulös sein, um die Stelle eines ersten Dieners der Kirche und eines ersten Peers des Reichs anzunehmen.

Ein Wunder war es jedoch nicht, daß Sancroft nicht wohl zu Muthe war, denn er konnte wohl kaum gegen die auf der Hand liegende Wahrheit blind sein, daß der Plan, den er seinen Freunden empfohlen, durchaus unverträglich war mit Allem, was er und seine Amtsbrüder seit vielen Jahren gepredigt hatten. Die anglikanische Kirche hatte sich lange mit der Lehre gebrüstet, daß der König ein göttliches und unveräußerliches Recht auf die königliche Gewalt habe und daß man sich der königlichen Gewalt, selbst wenn sie gröblich gemißbraucht würde, nicht widersetzen dürfe, ohne eine Sünde zu begehen. Hatte denn diese Lehre wirklich nur die Bedeutung, daß der König ein göttliches und unveräußerliches Recht habe, sein Bildniß und seinen Namen in ein Petschaft stechen zu lassen, welches täglich gegen seinen Willen dazu gebraucht werden konnte, seine Feinde zum Krieg gegen ihn zu ermächtigen und seine Freunde an den Galgen zu schicken, weil sie ihm gehorcht hatten? Bestand denn die ganze Pflicht eines guten Unterthanen in der Anwendung des Wortes König? Dann hatten Fairfax bei Naseby und Bradshaw im Hohen Gerichtshofe ihre ganze Pflicht als gute Unterthanen erfüllt, denn Karl war von den gegen ihn befehligenden Generälen und selbst von den ihn verurtheilenden Richtern als König bezeichnet worden. Nichts hatte die Kirche in dem Verfahren des langen Parlaments schärfer getadelt als den X.57 sinnreichen Einfall, den Namen Karl’s gegen ihn selbst zu gebrauchen. Alle ihre Diener waren aufgefordert worden, eine Erklärung zu unterschreiben, welche die Fiction, wodurch die Autorität des Souverains von seiner Person getrennt worden war, als hochverrätherisch verdammte.74 Gleichwohl würde diese hochverrätherische Fiction jetzt von dem Primas und vielen seiner Suffraganen als die einzige Grundlage betrachtet, auf der sie in strenger Übereinstimmung mit christlichen Prinzipien eine Regierung aufrichten konnten.

Die Unterscheidung, welche Sancroft von den Rundköpfen der vorhergehenden Generation entlehnt hatte, stürzte von Grund aus das ganze politische System um, das die Kirche und die Universitäten vom Apostel Paulus gelernt zu haben behaupteten. Tausendmal war es wiederholt worden, daß der heilige Geist den Römern befohlen habe, sich Nero zu unterwerfen. Jetzt schien dieses Gebot nur den Sinn gehabt zu haben, daß die Römer den Nero Augustus nennen sollten. Es stand ihnen vollkommen frei, ihn über den Euphrat zu jagen, ihn von der Freigebigkeit der Parther leben zu lassen, ihm gewaltsamen Widerstand zu leisten, wenn er einen Versuch zur Rückkehr machen sollte, Alle die ihm beistanden oder mit ihm verkehrten, zu bestrafen, und die tribunitische und consulatorische Gewalt, den Vorsitz im Senat und den Oberbefehl über die Legionen auf Galba oder Vespasian zu übertragen.

Die Analogie, welche der Erzbischof zwischen einem thörichten König und einem wahnsinnigen König entdeckt zu haben glaubte, hält keinen Augenblick gründlicher Prüfung aus. Es war klar, daß Jakob sich nicht in einem solchen Geisteszustande befand, wo ihn, wäre er ein Landedelmann oder ein Kaufmann gewesen, ein Gerichtshof für unfähig erklärt haben würde, einen Vertrag abzuschließen, oder ein Testament zu machen. Er war nur in so weit geistesschwach, als alle schlechten Könige geistesschwach sind, wie Karl I. geistesschwach war, als er aufbrach, um die fünf Parlamentsmitglieder festzunehmen, wie Karl II. geistesschwach war, als er den Vertrag von Dover schloß. Wenn diese Art der Geisteskrankheit Unterthanen nicht das Recht gab, ihren Fürsten den Gehorsam zu verweigern, so war der Regentschaftsplan offenbar nicht zu vertheidigen. Im entgegengesetzten Falle war das Prinzip des Nichtwiderstandes völlig aufgegeben und Alles gutgeheißen, was ein gemäßigter Whig je behauptet hatte.

Was den Unterthaneneid anlangt, um den Sancroft und seine Anhänger so sehr besorgt waren, so ist wenigstens das klar, daß sie Unrecht hatten, mochte übrigens Recht haben wer da wollte. Die Whigs waren der Ansicht, daß der Unterthaneneid gewisse Bedingungen enthalte, das der König diese Bedingungen verletzt und daß der Eid dadurch seine Kraft verloren habe. War aber die whiggistische Meinung irrig, und der Eid noch bindend, konnten dann verständige Männer wirklich glauben, daß sie sich keines Eidbruches schuldig machten, wenn sie für eine Regentschaft stimmten? Konnten sie behaupten, daß sie die Unterthanentreue gegen Jakob nicht verletzten, wenn sie trotz seiner angesichts ganz Europa’s erhobenen Protestationen einen Andren ermächtigten, die königlichen Revenuen zu beziehen, Parlamente einzuberufen und zu prorogiren, Herzöge X.58 und Earls zu creiren, Bischöfe und Richter zu ernennen, Verbrecher zu begnadigen, über die Streitkräfte des Staats zu verfügen und mit fremden Mächten Verträge zu schließen? Hatte Pascal wohl in allen Folianten der jesuitischen Casuistiker einen verachtungswertheren Sophismus finden können als der war, welcher jetzt, wie es schien, hinreichte, um das Gewissen der Väter der anglikanischen Kirche zu beruhigen?

Es konnte nichts Augenfälligeres geben, als daß sich der Regentschaftsplan nur vom whiggistischen Standpunkte vertheidigen ließ. Über die Rechtsfrage konnte zwischen den vernünftigen Anhängern des Planes und der Majorität des Hauses der Gemeinen kein Streit obwalten. Es blieb nur eine Zweckmäßigkeitsfrage übrig. Und konnte wohl irgend ein Staatsmann im Ernst behaupten, daß es zweckmäßig sei, eine Regierung mit zwei Oberhäuptern einzusetzen und dem einen dieser beiden Oberhäupter die königliche Macht ohne die königliche Würde, dem andren die königliche Würde ohne die königliche Macht zu ertheilen? Es war notorisch, daß eine solche Einrichtung, selbst wenn sie durch die Unmündigkeit oder Geistesschwäche eines Fürsten geboten war, ernste Nachtheile hatte. Daß Regentschaftsperioden Zeiten der Schwäche, der Unruhen oder des Unheils sind, war eine durch die ganze Geschichte Englands, Frankreichs und Schottlands bewiesene, fast sprichwörtlich gewordene Wahrheit. Indessen war der König im Fall der Unmündigkeit oder Geistesschwäche wenigstens passiv, und er konnte dem Regenten nicht thätig entgegenwirken. Der gegenwärtige Vorschlag aber hieß so viel als England zwei Staatsoberhäupter von reifem Alter und gesundem Verstande geben, die einen unversöhnlichen Krieg gegeneinander führten. Es war lächerlich, davon zu reden, daß man Jakob bloß den Königstitel lassen und ihm alle königliche Macht entziehen wolle. Denn der Titel war ein Theil der Macht. Das Wort König war ein Zauberwort, mit dem sich bei vielen Engländern die Idee einer von oben stammenden geheimnißvollen Eigenschaft und bei allen Engländern der Begriff einer rechtmäßigen und ehrwürdigen Autorität verband. Wenn der Titel eine solche Macht in sich trug, so konnten Diejenigen, welche behaupteten, daß Jakob alle Macht entzogen werden müsse, gewiß nicht leugnen, daß man ihm auch den Titel nehmen mußte.

Und wie lange sollte die von Sancroft’s Genie ersonnene anomale Regierung dauern? Jeder Grund, der überhaupt für ihre Errichtung angeführt werden konnte, konnte mit gleicher Beweiskraft für Beibehaltung derselben bis ans Ende der Zeiten geltend gemacht werden. War der nach Frankreich gebrachte Knabe wirklich von der Königin geboren, so mußte er später das göttliche und unveräußerliche Recht erben, König genannt zu werden, und das nämliche Recht ging dann sehr wahrscheinlich durch das ganze achtzehnte und neunzehnte Jahrhundert von Papist zu Papist über. Beide Häuser aber hatten einstimmig beschlossen, daß England nicht von einem Papisten regiert werden sollte. Es konnte daher leicht kommen, daß, von Geschlecht zu Geschlecht Regenten die Regierung im Namen vacirender und bettelnder Könige verwalteten. Es unterlag keinem Zweifel, daß die Regenten vom Parlament ernannt werden mußten, und so würde diese Erfindung, welche das geheiligte Prinzip der erblichen Monarchie ungeschwächt aufrechterhalten sollte, zur Folge gehabt haben, daß die Monarchie factisch eine Wahlmonarchie geworden wäre.

Außerdem wurde noch ein unverwerflicher Grund gegen Sancroft’s Plan geltend gemacht. Die Gesetzsammlung enthielt ein Gesetz, daß bald X.59 nach Beendigung des langen und blutigen Kampfes zwischen den Häusern York und Lancaster zu dem Zwecke erlassen worden war, das Unheil abzuwenden, welches die abwechselnden Siege dieser beiden Häuser über den Adel und die Gentry des Reichs gebracht hatten. Dieses Gesetz bestimmte, daß Niemand deshalb, weil er es mit einem im Besitz der Macht befindlichen König gehalten, den auf Hochverrath gesetzten Strafen verfallen sollte. Als den Königsmördern nach der Restauration der Prozeß gemacht wurde, behaupteten einige von ihnen, ihr Fall sei nach diesem Gesetze zu richten. Sie sagten, sie hätten der Regierung gehorcht, die im Besitz der Macht gewesen, und sie seien daher keine Hochverräther. Die Richter gaben zu, daß dies eine gute Entschuldigung sein würde, wenn die Gefangenen unter der Autorität eines Usurpators gehandelt hätten, der, wie Heinrich IV. und Richard III. den Königstitel getragen, erklärten aber, daß ein solcher Entschuldigungsgrund Leuten, welche einen in der Anklageacte, im Todesurtheile und im Hinrichtungsbefehle als König bezeichneten Mann angeklagt, verurtheilt und hingerichtet hatten, nicht zu Gute kommen konnte. Daraus folgte sonach, daß Jeder, der einen Regenten gegen Jakob unterstützte, große Gefahr lief, gehängt, geschleift und geviertheilt zu werden, wenn Jakob einmal wieder zur höchsten Macht gelangte, daß aber Niemand ohne eine solche Verletzung des Gesetzes, wie selbst ein Jeffreys sie schwerlich zu begehen gewagt haben würde, bestraft werden könnte, weil er einen wenn auch unrechtmäßigerweise zu Whitehall regierenden Könige gegen einen zu Saint-Germain im Exil lebenden rechtmäßigen Könige gehalten hatte.75

Man sollte meinen, daß diese Gründe keinen Einwand zuließen, und sie wurden in der That von Danby, der die wundervolle Gabe besaß, jeden Gegenstand, den er behandelte, auch dem beschränktesten Verstande klar zu machen, und von Halifax, der in Gedankenreichthum und glänzender Diction unter den Rednern der damaligen Zeit seines Gleichen nicht hatte, mit Nachdruck hervorgehoben. Aber die Tories waren im Oberhause so zahlreich und mächtig, daß sie trotz der Unhaltbarkeit ihrer Sache, des Abfalls ihres Führers und der Geschicklichkeit ihrer Gegner bei einem Haare den Sieg davongetragen hätten. Hundert Lords stimmten ab. Neunundvierzig stimmten für eine Regentschaft, einundfünfzig dagegen. Bei der Minorität befanden sich die natürlichen Söhne Karl’s, die Schwäger Jakob’s, die Herzöge von Somerset und von Ormond, der Erzbischof von York und elf Bischöfe. Mit der Majorität stimmte außer Compton und Trelawney kein Prälat.76

Es war fast neun Uhr Abends, als das Haus auseinanderging. Der folgende Tag war der dreißigste Januar, der Todestag Karl’s I. Die große Körperschaft des anglikanischen Clerus hatte es seit vielen Jahren für eine heilige Pflicht gehalten, an diesem Tage die Lehren vom Nichtwiderstande X.60 und vom passiven Gehorsam einzuschärfen. Ihre früheren Predigten konnten sie jedoch jetzt nicht mehr brauchen und viele Geistliche waren sogar in Zweifel, ob sie es wagen dürften, die ganze Liturgie zu lesen. Das Unterhaus hatte erklärt, daß der Thron erledigt sei, das Oberhaus hatte noch gar keine Ansicht ausgesprochen, und es war daher nicht leicht zu entscheiden, ob die Gebete für den Souverain angewendet werden konnten. Jeder Gottesdienst haltende Geistliche handelte nach seinem persönlichen Ermessen. In den meisten Kirchen der Hauptstadt wurden die Gebete für Jakob weggelassen; in der Margarethenkirche aber las Sharp, Dechant von Norwich, welcher ersucht worden war, vor den Mitgliedern des Unterhauses zu predigen, nicht allein die ganzen Gebete, wie sie im Buche standen, sondern extemporirte auch vor seiner Predigt einen Segen für den König und sprach am Schlusse seines Vortrags gegen die jesuitische Lehre, daß Unterthanen berechtigt seien, ihre Fürsten abzusetzen. Der Sprecher beschwerte sich noch denselben Nachmittag vor dem Hause über diese Beleidigung. „Heute fassen Sie einen Beschluß,“ sagte er, „und morgen hören Sie denselben mit eigenen Ohren auf der Kanzel widersprechen.“ Sharp wurde von den Tories kräftig in Schutz genommen und hatte selbst unter den Whigs Freunde; denn es war noch nicht vergessen, daß er sich in schlimmen Zeiten durch den Muth, mit dem er trotz des königlichen Befehls gegen den Papismus gepredigt, ernsten Gefahren ausgesetzt hatte. Sir Christoph Musgrave bemerkte sehr treffend, das Haus habe den Beschluß, welcher den Thron für erledigt erklärte, noch nicht bekannt machen lassen. Sharp sei daher nicht allein nicht verpflichtet gewesen, von diesem Beschlusse etwas zu wissen, sondern er hätte sogar nicht Notiz davon nehmen können, ohne sich eine Verletzung des Privilegiums des Hauses zu Schulden kommen zu lassen, wofür er hätte vor die Schranken gefordert und kniend einen Verweis erhalten können. Die Majorität sah ein, daß es nicht weise gewesen wäre, in diesem Augenblicke mit der Geistlichkeit zu hadern und man ließ den Gegenstand daher fallen.77

Während die Gemeinen über Sharp’s Predigt discutirten, hatten sich die Lords wieder zu einem Comité zur Erwägung der Lage der Nation constituirt und hatten den Beschluß, der den Thron für erledigt erklärte, Satz für Satz vorlesen lassen.

Der erste Ausdruck, über den sich eine Debatte entspann, war der, welcher den ursprünglichen Vertrag zwischen König und Volk anerkannte. Es war nicht zu erwarten, daß die toryistischen Peers eine die Quintessenz des Whiggismus enthaltende Phrase ohne Einwendungen würden durchgehen lassen. Es wurde abgestimmt und mit dreiundfünfzig gegen sechsundvierzig Stimmen beschlossen, daß die Worte stehen bleiben sollten.

Der strenge Tadel, den die Gemeinen über die Verwaltung Jakob’s ausgesprochen hatten, wurde nun zunächst in Betracht gezogen und ohne eine einzige abweichende Stimme gebilligt. Nur gegen den Ausdruck, Jakob habe die Regierung niedergelegt, wurden einige redactionelle Einwendungen X.61 gemacht. Es wurde hervorgehoben, man könne richtiger sagen, daß er sie verlassen habe. Dieses Amendement wurde, wie es scheint, fast ohne alle Debatte, und ohne Abstimmung angenommen. Inzwischen war es spät geworden, und die Lords hoben daher die Sitzung auf.78

73. Clarendon’s Diary, Jan. 21. 1688/89; Burnet, I. 810: Doyly’s Life of Sancroft.

74. Siehe die Uniformitätsacte.

75. Stat. 2. Hen. 7. c. 1; Lord Coke’s Institutes, III. 1. Cook’s Hochverrathsprozeß in der Collection of State Trials; Burnet, I. 813, und Swift’s Note.

76. Lords’ Journals, Jan. 29. 1688/89; Clarendon’s Diary; Evelyn’s Diary; Citters; Eachard’s History of the Revolution; Burnet, I. 813; History of the Reestablishment of the Government, 1689. Die Anzahl der Stimmen für und wider sind in den Protokollen nicht angeführt und werden von verschiedenen Schriftstellern verschieden angegeben. Ich habe mich an Clarendon gehalten, der sich die Mühe genommen, Listen der Majorität und der Minorität zu entwerfen.

77. Grey’s Debates; Evelyn’s Diary; Life of Archbishop Sharp, by his son; Apology for the New Separation, in a letter to Dr. John Sharp, Archbishop of York, 1691.

78. Lords’ Journals, Jan. 30. 1688/89; Clarendon’s Diary.

Spaltung zwischen den Whigs und den Anhängern Danby’s. Bis hieher hatte die kleine Anzahl Peers, welche unter Danby’s Leitung standen, in festem Bunde mit Halifax und den Whigs gehandelt. Das Ergebniß dieser Einigung war die Verwerfung des Regentschaftsplanes und die Bestätigung des Grundsatzes vom ursprünglichen Vertrag. Der Satz, daß Jakob aufgehört habe, König zu sein, war der Vereinigungspunkt der beiden Parteien gewesen, welche zusammen die Majorität gebildet hatten. Von diesem Punkte an aber gingen ihre Wege auseinander. Die nächste zu entscheidende Frage war, ob der Thron erledigt sei, und dies war keine bloße Formfrage, sondern eine Frage von ernster praktischer Bedeutung. Wenn der Thron erledigt war, so konnten die Stände des Reichs Wilhelm auf denselben erheben; war er nicht erledigt, so konnte er erst nach seiner Gemahlin, nach der Prinzessin Anna und nach deren Nachkommenschaft auf denselben gelangen.

Nach der Ansicht der Anhänger Danby’s war es ein feststehender Grundsatz, daß unser Land nicht einen Augenblick ohne einen rechtmäßigen Fürsten sein konnte. Der Mensch konnte sterben, aber der Regent war unsterblich; der Mensch konnte abdanken, der Regent aber war unabsetzbar. Wenn wir, sagten diese Politiker, einmal zugeben, daß der Thron erledigt ist, so geben wir auch zu, daß er durch Wahl besetzt werden kann. Der Souverain, den wir auf denselben erheben, wird dann nicht ein Souverain nach englischem, sondern einer nach polnischem Modus sein. Selbst wenn wir die Person wählten, welche dem Geburtsrechte nach zur Regierung kommen würde, so würde diese Person doch nicht kraft des Geburtsrechtes, sondern kraft unsrer Wahl regieren und würde als Geschenk erhalten was als Erbtheil betrachtet werden sollte. Die heilsame Ehrfurcht, mit der das königliche Blut und das Erstgeburtsrecht bisher betrachtet worden sind, würde bedeutend geschwächt werden. Noch schlimmer würde das Übel sein, wenn wir den Thron nicht allein durch Wahl, sondern mit einem Prinzen besetzten, der zwar unbestreitbar die Eigenschaften eines großen und guten Regenten hat und uns eine wunderbare Befreiung gebracht, der aber nicht der Erste, ja nicht einmal der Zweite in der Thronfolgeordnung ist. Wenn wir einmal sagen, daß Verdienste, so groß sie immer sein mögen, ein Anrecht auf die Krone geben, so erschüttern wir die Grundpfeiler unsrer Verfassung und liefern einen Precedenzfall, den jeder ehrgeizige Krieger oder Staatsmann, welcher dem Lande einen großen Dienst geleistet haben mag, in seinem Interesse zu benutzen sich versucht fühlen wird. Diese Gefahr vermeiden wir, wenn wir die Prinzipien der Verfassung logisch bis zu ihren Consequenzen festhalten. Es hat eine Niederlegung der Krone stattgefunden. Im Augenblicke der Niederlegung wurde der nächste Erbe unser rechtmäßiger Souverain. Wir betrachten die Prinzessin von Oranien als nächste Erbin, und sind der Meinung, daß sie unverzüglich als das was sie wirklich ist, als unsre Königin, proklamirt werden muß.

X.62

Die Whigs entgegneten hierauf, es sei nutzlos, die gewöhnlichen Regeln auf ein im Zustande der Revolution befindliches Land anzuwenden, die jetzt obschwebende große Frage dürfe nicht nach den Ansprüchen pedantischer Templer entschieden werden, und wenn sie so entschieden werden solle, so könnten derartige Aussprüche auf der einen Seite eben so gut wie auf der andren angeführt werden. Wenn es ein Rechtsgrundsatz sei, daß der Thron nie unbesetzt sein könne, so sei es auch ein Rechtsgrundsatz, daß ein noch lebender Mensch keinen Erben haben könne. Jakob lebte noch; wie könnte also die Prinzessin von Oranien seine Erbin sein? Das englische Recht habe allerdings vollständige Vorsorge für die Thronfolge getroffen, für den Fall, daß die Macht eines Souverains zu gleicher Zeit mit seinem Leben endete, nicht aber für die seltenen Fälle, in denen seine Macht vor dem Aufhören seines physischen Lebens endete, und mit einem dieser höchst seltenen Fälle habe die Convention es jetzt zu thun. Daß Jakob nicht mehr auf dem Throne sitze, hätten beide Häuser erklärt. Weder das gemeine Recht, noch das in den Gesetzen enthaltene Recht bezeichne irgend Jemanden als befugt, in der Zeit zwischen seiner Abdankung und seinem Ableben den Thron einzunehmen. Daraus folge, daß der Thron erledigt sei und daß die Häuser den Prinzen von Oranien ersuchen könnten, denselben einzunehmen. In der Geburtsordnung sei er allerdings nicht der Nächste, allein dies sei kein Nachtheil, sondern vielmehr gerade eine positive Empfehlung. Die erbliche Monarchie sei eine gute politische Institution, aber keineswegs heiliger als andere gute politische Institutionen. Leider hätten bigotte und servile Theologen es zu einem religiösen Mysterium gemacht, das fast eine eben so heilige Scheu erwecke und eben so unbegreiflich sei, als die Transsubstantiation selbst. Die Institution aufrecht zu erhalten, aber die nachtheiligen abergläubischen Begriffe zu entfernen, die man seit den letzten Jahren daran geknüpft, und die sie zu einem Fluche, anstatt zu einem Segen für die Gesellschaft gemacht hätten, müsse das Hauptbestreben der englischen Staatsmänner sein, und dieser Zweck werde am besten erreicht werden, wenn man einmal von der allgemeinen Erbfolgeordnung ein wenig abweiche und dann wieder zu derselben zurückkehre.

Versammlung bei dem Earl von Devonshire. Es wurden viele Versuche gemacht, um einen offenen Bruch zwischen der Partei des Prinzen und der Partei der Prinzessin zu verhüten. Eine große Versammlung wurde im Hause des Earl von Devonshire gehalten und daselbst lebhaft debattirt. Halifax war der Hauptsprecher für Wilhelm, Danby für Marien. Von Marien’s Gesinnungen wußte Danby nichts. Sie wurde seit einiger Zeit in London erwartet, war aber zuerst durch die Eismassen, welche die Flußmündungen versperrten, und nach eingetretenem Thauwetter durch heftige Westwinde in Holland, zurückgehalten worden. Wäre sie früher gekommen, so würde der Streit wahrscheinlich mit einem Male beigelegt worden sein. Auf der andren Seite war Halifax nicht ermächtigt irgend etwas im Namen Wilhelm’s zu thun. Der Prinz hatte, getreu seinem Versprechen, daß er die Einsetzung der Regierung der Convention überlassen werde, eine undurchdringliche Zurückhaltung bewahrt und hatte sich kein Wort, keinen Blick, keine Geberde entschlüpfen lassen, welche Zufriedenheit oder Mißfallen hätte verrathen können. Einer seiner Landsleute, der sein Vertrauen in hohem Maße genoß, war zu der Versammlung eingeladen und von den Peers dringend ersucht X.63 worden, daß er ihnen einige Aufschlüsse geben möchte. Er weigerte sich lange. Endlich aber gab er ihren Bitten insoweit nach, daß er sagte: „Ich kann die Gesinnung Seiner Hoheit nur muthmaßen. Wenn Sie es gern wissen wollen, was ich muthmaße, so will ich es Ihnen sagen: ich vermuthe, daß er nicht gern der Ceremonienmeister seiner Gemahlin werden möchte. Doch ich weiß nichts.“ — „Aber ich weiß nun etwas,“ erwiederte Danby. „Ich weiß genug, mehr als genug.“ Dann entfernte er sich und die Versammlung ging auseinander.79

Am 31. Januar wurde die so beendigte Privatdebatte im Hause der Peers öffentlich wieder aufgenommen. Dieser Tag war zur Feier des Nationaldankfestes bestimmt worden. Mehrere Bischöfe, darunter Ken und Sprat, hatten für diese Gelegenheit ein besonderes Gebet abgefaßt. Es ist vollkommen frei von Schmeicheleien wie von Gehässigkeiten, welche derartige Erzeugnisse damals nur zu oft verunzierten und hält vielleicht besser als irgend ein andres Gelegenheitsgebet, das seit zwei Jahrhunderten verfaßt wurde, einen Vergleich mit jenem herrlichen Muster reiner, erhabener und ergreifender Beredtsamkeit, mit dem allgemeinen Gebetbuche aus. Die Lords gingen am Morgen in die Westminsterabtei. Die Gemeinen hatten Burnet gebeten, in der Margarethenkirche vor ihnen zu predigen. Von ihm hatte man nicht zu fürchten, daß er in den Fehler verfallen werde, welcher den Tag vorher daselbst begangen worden war. Sein kräftiger und lebendiger Vortrag fand gewiß lauten Beifall bei seinen Zuhörern. Die Predigt wurde nicht allein auf Befehl des Hauses gedruckt, sondern auch zur Erbauung fremder Protestanten ins Französische übersetzt.80 Der Tag wurde mit den bei solchen Gelegenheiten üblichen Festlichkeiten beschlossen. Die ganze Stadt strahlte von Feuerwerk und Freudenfeuern; der Kanonendonner und das Glockengeläute dauerten bis tief in die Nacht hinein; aber ehe die Lichter erloschen und die Straßen wieder still geworden waren, hatte ein Ereigniß stattgefunden, das die Freude des Volks dämpfte.

79. Dartmouth’s Note zu Burnet, I. 393. Dartmouth sagt, die Lords hätten Fagel diese Andeutung abgedrungen. Dies war ein Schreibfehler, der in einer eilig hingeschriebenen Anmerkung wohl zu entschuldigen ist; aber Dalrymple und Andere hätten einen so auffallenden Fehler nicht abschreiben sollen. Fagel war am 5. Dec. 1688, während sich Wilhelm in Salisbury und Jakob in Whitehall befand, in Holland gestorben. Die richtige Person war vermuthlich Dykvelt, Bentinck oder Zulestein, am wahrscheinlichsten Dykvelt.

80. Das Gebet sowohl als Burnet’s Predigt sind noch in unseren großen Bibliotheken zu finden und verdienen gelesen zu werden.

Debatte im Hause der Lords über die Frage der Thronerledigung. Die Peers hatten sich aus der Abtei in ihr Sitzungslokal begeben und die Discussion über die Lage der Nation wieder aufgenommen. Die letzten Worte des Beschlusses der Gemeinen wurden in Erwägung gezogen, und es zeigte sich bald, daß die Majorität nicht gemeint war, diesen Worten beizustimmen. Zu den nahe an fünfzig Lords, welche der Ansicht waren, daß Jakob noch der Königstitel gebühre, kamen jetzt noch sieben bis acht, welche behaupteten, daß derselbe schon auf Marien übergegangen sei. Als die Whigs sahen, daß ihre Gegner ihnen an Zahl überlegen waren, versuchten sie es, einen Vergleich zu Stande zu bringen. Sie schlugen deshalb vor, die Worte, welche den Thron für erledigt X.64 erklärten, wegzulassen und den Prinzen und die Prinzessin einfach zum König und zur Königin zu proklamiren. Es war augenscheinlich, daß eine solche Erklärung Alles was die Tories nicht zugestehen wollten, wenn nicht ausdrücklich aussprach, doch in sich schloß. Denn Niemand konnte behaupten, daß Wilhelm kraft des Geburtsrechts in das königliche Amt eingetreten war. Ein Beschluß, der ihn als König anerkannte, wäre demnach ein Wahlact gewesen, und wie konnte eine Wahl stattfinden ohne Erledigung?

Die Majorität für die Verneinung. Der Vorschlag der whiggistischen Lords wurde mit zweiundfünfzig gegen siebenundvierzig Stimmen verworfen. Dann wurde die Frage gestellt, ob der Thron erledigt sei. Hiermit waren einverstanden einundvierzig, nicht einverstanden fünfundfünfzig. Sechsunddreißig von der Minorität protestirten.81

81. Lords’ Journals, Jan. 31. 1688/89.

Aufregung in London. Während der beiden folgenden Tage war London in einer unruhigen und angstvollen Stimmung. Die Tories begannen zu hoffen, daß sie ihren Lieblingsplan einer Regentschaft mit besserem Erfolge wieder zur Sprache würden bringen können. Vielleicht zog der Prinz selbst, wenn er sah, daß er keine Aussicht hatte, die Krone zu tragen, Sancroft’s Plan, dem Plane Danby’s vor. Es war allerdings besser, König zu sein als Regent; aber Regent war immer noch besser als Ceremonienmeister. Auf der andren Seite begann auch die niedere und heftigere Klasse der Whigs, die ehemaligen Emissäre Shaftesbury’s die alten Bundesgenossen College’s sich in der City zu regen. Volkshaufen versammelten sich im Palasthofe und führten eine drohende Sprache. Lord Lovelace, der im Verdacht stand, zu diesen Versammlungen aufgereizt zu haben, kündigte den Peers an, daß er beauftragt sei, eine Petition zu überreichen, in der sie aufgefordert würden, den Prinzen und die Prinzessin von Oranien unverzüglich zum König und zur Königin zu erklären. Auf die Frage, von wem die Petition unterzeichnet sei, antwortete er: „Sie hat noch keine Unterschriften, wenn ich sie aber das nächste Mal wieder mit hierher bringe, wird sie deren genug haben.“ Diese Drohung beunruhigte und verdroß seine eigne Partei. Die leitenden Whigs waren in der That noch ängstlicher besorgt, als die Tories, daß die Berathungen der Convention vollkommen frei seien und daß kein Anhänger Jakob’s behaupten könne, daß das eine oder das andre Haus unter dem Einflusse eines Zwanges gehandelt habe. Eine ähnliche Petition wie die von Lovelace überreichte, wurde auch im Hause der Gemeinen vorgelegt, aber mit Verachtung zurückgewiesen. Maynard war der Erste, der gegen den Versuch des Straßenpöbels, die Stände des Reichs einzuschüchtern, protestirte. Wilhelm ließ Lovelace zu sich kommen, setzte ihn sehr ernsthaft zur Rede und befahl den städtischen Behörden, gegen alle ungesetzlichen Versammlungen kräftig einzuschreiten.82 Nichts in der Geschichte unsrer Revolution verdient mehr Bewunderung und Nachahmung als die Art, wie sich die beiden Parteien der Convention gerade in dem Augenblicke, wo ihr Streit am heftigsten war, wie ein Mann zum Widerstand gegen die Vorschriften des Pöbels der Hauptstadt verbanden.

82. Citters, 5.(15.) Febr. 186 f.; Diary, Feb. 2. In dem Werke, Revolution Politics, einem höchst abgeschmackten Buche, das aber als Sammlung der unsinnigen Tagesgerüchte einigen Werth hat, übertreibt die Geschichte maßlos. — Grey’s Debates.

X.65

Brief von Jakob an die Convention. Obgleich aber die Whigs fest entschlossen waren, die Ordnung aufrecht zu erhalten und die Freiheit der Debatte zu achten, so waren sie doch nicht minder fest entschlossen, kein Zugeständniß zu machen. Am Samstag, den 2. Februar beschlossen die Gemeinen ohne Abstimmung, die ursprüngliche Fassung ihres Beschlusses beizubehalten. Jakob kam wie immer seinen Feinden zu Hülfe. Eben war ein Schreiben von ihm an die Convention angelangt. Der Apostat Melfort, der jetzt in St.-Germain in hoher Gunst stand, hatte es Preston überbracht. Der Name Melfort war jedem Anhänger der Staatskirche verhaßt. Daß er noch immer ein vertrauter Diener Jakob’s war, genügte an sich schon um zu beweisen, daß die Thorheit und Verkehrtheit seines Gebieters unheilbar waren. Kein Mitglied eines der beiden Häuser wagte es, die Vorlesung eines von solcher Seite kommenden Schreibens zu beantragen. Der Inhalt war jedoch der ganzen Stadt bekannt. Seine Majestät ermahnte die Lords und Gemeinen, an seiner Milde nicht zu verzweifeln und versicherte gnädigst, daß er Denen, die ihn verrathen hätten, verzeihen wolle, einige Wenige ausgenommen, die er nicht nannte. War es wohl möglich etwas für einen Fürsten zu thun, der besiegt, verlassen, verbannt und von Almosen lebend, Denjenigen, in deren Hand sein Schicksal lag, sagte, daß er, wenn sie ihn wieder auf den Thron setzten, nur einige wenige von ihnen hängen lassen würde?83

83. Jakob’s Brief, vom 24. Jan. (3. Febr.) 1689 datirt, findet sich bei Kennet. In Clarke’s Life of James ist er auf die unredlichste Weise entstellt. Siehe Clarendon’s Diary, Feb. 2, 4; Grey’s Debates; Lords’ Journals, Feb. 2, 4, 1688/89.

Debatte. Der Streit zwischen den beiden Parteien der gesetzgebenden Gewalt dauerte noch einige Tage. Montag, den 4. Februar, beschlossen die Lords auf ihren Amendements zu beharren; aber es wurde ein mit neununddreißig Namen unterzeichneter Protest in die Protokolle eingetragen.84

84. Es ist von mehrern Schriftstellern, unter anderen von Ralph, und B. Mazure behauptet worden, Danby habe diesen Protest unterzeichnet. Dies ist ein Irrthum. Wahrscheinlich las Jemand, der die Protokolle vor dem Drucke durchsah, Danby für Derby. Lords’ Journals, Feb. 4. 1688/89. Einige Tage vorher schrieb Evelyn fälschlich Derby anstatt Danby. Sein Tagebuch vom 29. Jan. 1688/89.

Unterhandlungen. Am folgenden Tage beschlossen die Tories, ihre Stärke im Unterhause zu versuchen. Sie erschienen in großer Anzahl und es wurde der Antrag gestellt, den Amendements der Lords beizutreten. Die, welche für Sancroft’s Plan und die, welche für Danby’s Plan waren, stimmten miteinander; allein sie wurden mit zweihundertundachtzig gegen hunderteinundfünfzig Stimmen geschlagen. Das Haus beschloß hierauf, um eine freie Conferenz mit den Lords nachzusuchen.85

85. Commons’ Journals, Feb. 5. 1688/89.

Schreiben der Prinzessin von Oranien an Danby. Zu gleicher Zeit wurden außerhalb der Mauern des Parlaments energische Anstrengungen gemacht, um den Streit zwischen den beiden Zweigen der gesetzgebenden Versammlung zu beendigen. Burnet glaubte es durch die Wichtigkeit der Krisis gerechtfertigt, das ihm von der Prinzessin anvertraute große Geheimniß zu veröffentlichen. Er wisse aus ihrem eigenen Munde, sagte er, daß es schon längst ihr fester Entschluß sei, selbst wenn sie nach der regelmäßigen Erbfolge auf den Thron gelangen sollte, X.66 mit Genehmigung des Parlaments ihre Gewalt in die Hände ihres Gemahls niederzulegen. Danby erhielt von ihr einen ernsten, fast harten Verweis. Sie sei die Gattin des Prinzen, schrieb sie ihm, und hege keinen andren Wunsch als ihm unterthan zu sein; man könne ihr keine schwerere Beleidigung zufügen, als wenn man sie als seine Nebenbuhlerin darstelle und sie könne Niemanden, der ein solches Verfahren einschlage, als ihren wahren Freund betrachten.86

86. Burnet, I. 819.

Die Prinzessin Anna erklärt sich mit dem Whigplane einverstanden. Die Tories hatten noch eine Hoffnung. Anna konnte vielleicht auf ihren eigenen und auf den Rechten ihrer Kinder bestehen. Es wurde keine Mühe gespart, um ihren Ehrgeiz aufzustacheln und ihr Gewissen zu beunruhigen. Ihr Oheim Clarendon war ganz besonders thätig. Erst wenige Wochen waren vergangen, seitdem die Hoffnung auf Reichthum und Ansehen ihn bewogen hatte, die pomphaft zur Schau getragenen Glaubensbekenntnisse seines ganzen Lebens zu verleugnen, von dem Könige abzufallen, sich dem Wildman und dem Ferguson anzuschließen und sogar vorzuschlagen, daß der König als Gefangener in ein fremdes Land geschickt und in eine von ungesunden Sümpfen umgebene Festung eingesperrt werden sollte. Der Köder, der diese auffallende Sinnesveränderung bewirkt hatte, war das Vicekönigamt in Irland. Bald zeigte es sich jedoch, daß der Proselyt wenig Aussicht hatte, den glänzenden Preis, nach welchem sein Sinn strebte, zu erringen. Er sah, daß Andere über die irländischen Angelegenheiten zu Rathe gezogen wurden. Sein Rath wurde nie verlangt, und wenn er ihn zudringlicherweise anbot, wurde er mit Kälte aufgenommen. Er begab sich häufig in den St. Jamespalast, konnte aber kaum ein Wort oder einen Blick erlangen. Das eine Mal schrieb der Prinz eben; ein ander Mal sollte er frische Luft schöpfen und einen Spazierritt durch den Park machen; das dritte Mal hatte er eine Conferenz mit Offizieren über militairische Angelegenheiten und konnte Niemanden empfangen. Clarendon sah nun, daß er keine Aussicht hatte, durch die Aufopferung seiner Grundsätze etwas zu gewinnen, und er beschloß daher, zu denselben zurückzukehren. Im December hatte der Ehrgeiz ihn zum Rebellen gemacht; im Januar verwandelte Enttäuschung ihn wieder in einen Royalisten. Das drückende Bewußtsein, daß er kein standhafter Tory gewesen war, verlieh seinem Toryismus eine besondere Leidenschaftlichkeit.87 Im Hause der Lords hatte er Alles aufgeboten, um eine bestimmte Entscheidung zu hintertreiben. Jetzt verwendete er seinen ganzen Einfluß zu demselben Zwecke bei der Prinzessin Anna. Aber sein Einfluß auf sie war nur gering im Vergleich mit dem der Churchill, welche wohlweislich zwei mächtige Verbündete zu Hülfe nahmen: Tilletson, der als Gewissensrath damals ein großes Ansehen genoß, und Lady Russel, deren edle und liebenswürdige Tugenden, welche die schwerste aller Prüfungen bestanden, ihr den Ruf einer Heiligen erworben hatten. Bald ward es bekannt, daß die Prinzessin von Dänemark ihre Einwilligung zu Wilhelm’s lebenslänglicher Regierung zu geben geneigt war, und es lag auf der Hand, X.67 daß es ein vergebliches Beginnen gewesen wäre, die Sache der Töchter Jakob’s gegen sie selbst zu vertheidigen.88

87. Clarendon’s Diary, Jan. 1, 4, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 1688/89; Burnet, I. 807.

88. Clarendon’s Diary, Feb. 5. 1688/89; Duchess of Marlborough’s Vindication; Mulgrave’s Account of the Revolution.

Wilhelm spricht seine Absichten aus. Jetzt glaubte Wilhelm, die Zeit sei gekommen, wo er sich aussprechen müsse. Er berief daher Halifax, Danby, Shrewsbury und einige andere politische Parteihäupter von hohem Ansehen zu sich und richtete mit dem stoischen Gleichmuth, unter dem er von Kindheit auf seine stärksten Gefühlsregungen zu verbergen pflegte, einige tief durchdachte und gewichtige Worte an sie.

Er habe bis jetzt geschwiegen, sagte er, und weder Bitten noch Drohungen angewendet, ja nicht einmal eine Andeutung über seine Ansichten oder Wünsche laut werden lassen; jetzt aber sei der entscheidende Augenblick gekommen, wo er seine Absichten offen erklären müsse. Er habe weder das Recht, noch den Wunsch, der Convention Vorschriften zu machen. Er beanspruche weiter nichts als das Vorrecht, jedes Amt, das er nach seiner Überzeugung nicht mit Ehren für sich und zum Wohle des Staats würde verwalten können, ablehnen zu dürfen.

Eine starke Partei sei für eine Regentschaft. Die beiden Häuser hätten darüber zu entscheiden, ob eine solche Einrichtung dem Vaterlande zum Heile gereichen könne. Seine Meinung über diesen Punkt stehe fest und er halte es für nöthig, mit Bestimmtheit zu erklären, daß er für seine Person nicht Regent werden möchte.

Eine andre Partei wünsche die Prinzessin auf den Thron zu erheben und ihm auf Lebenszeit den Königstitel und denjenigen Antheil an der Regierung zu gewähren, den sie ihm freiwillig zugestehen würde. Zu einer solchen Stellung könne er sich nicht herablassen. Er achte die Prinzessin so hoch, als nur irgend ein Mann ein Weib achten könne, aber selbst aus ihren Händen werde er eine untergeordnete und unsichere Stellung bei der Regierung nicht annehmen. Es liege einmal nicht in seiner Natur, daß er sich an die Schürzenbänder auch der besten Frau knüpfen lassen könne. Er dränge sich durchaus nicht danach, in der englischen Geschichte eine Rolle zu spielen, wenn er aber einwillige, eine solche Rolle zu übernehmen, so gebe es nur eine, die er mit Nutzen oder mit Ehren übernehmen könne. Wenn die Stände ihm die Krone auf Lebenszeit anböten, so würde er sie annehmen, wo nicht, würde er, ohne sich zu grämen, in sein Vaterland zurückkehren. Er schloß mit den Worten, er halte es für recht und billig, daß Lady Anna und ihre Nachkommen allen Kindern, die ihm eine andre Frau als Lady etwa schenken möchte, in der Thronfolge vorgezogen würden.89

Die Versammlung trennte sich und binnen wenigen Stunden war die Rede des Prinzen in ganz London bekannt. Daß er König werden mußte, war jetzt klar. Die einzige Frage war nur noch, ob er die königliche Würde allein oder mit der Prinzessin gemeinschaftlich bekleiden sollte. Halifax und einige andere Staatsmänner, welche die Gefahr einer Theilung X.68 der höchsten Executivgewalt in grellem Lichte erblickten, hielten es für wünschenswerth, daß Marie, so lange Wilhelm lebte, nur Königsgemahlin und Unterthanin sein sollte. Obgleich sich viel zu Gunsten eines solchen Arrangements sagen ließ, so beleidigte sie doch das Gefühl selbst derjenigen Engländer, welche dem Prinzen am meisten ergeben waren. Seine Gemahlin hatte ihm einen beispiellosen Beweis von ehelicher Unterwerfung und Liebe gegeben, und die geringste Vergeltung dafür von seiner Seite war die Verleihung der Würde einer regierenden Königin. Wilhelm Herbert, einer der wärmsten Anhänger des Prinzen, war so entrüstet, daß er aus dem Bette sprang, an das die Gicht ihn fesselte, und mit Heftigkeit erklärte, daß er nie für Seine Hoheit das Schwert gezogen haben würde, wenn er geahnet hätte, daß eine so schmachvolle Anordnung getroffen werden solle. Niemand aber zeigte sich so gereizt über die Sache als Burnet. Sein Blut kochte bei dem Gedanken an das seiner gütigen Beschützerin zugefügte Unrecht. Er gerieth in einen heftigen Streit mit Bentinck und bat um Enthebung von seinem Kaplanposten. „So lange ich ein Diener Seiner Hoheit bin,“ sagte der wackere, rechtschaffene Geistliche, „würde es mir nicht geziemen, einen Plan zu bekämpfen, der vielleicht seinen Beifall hat. Ich wünsche daher, meine Freiheit wieder zu erhalten, um mit allen mir von Gott verliehenen Kräften für die Prinzessin zu kämpfen.“ Bentinck bewog ihn, eine offene Kriegserklärung so lange aufzuschieben, bis Wilhelm’s Entschließungen näher bekannt sein würden. In wenigen Stunden war der Plan, der so viel böses Blut gemacht hatte, völlig aufgegeben, und alle Diejenigen, welche Jakob nicht mehr als König betrachteten, stimmten in der Art der Wiederbesetzung des Thrones überein. Wilhelm und Marie mußten König und Königin werden; die Münzen mußten beider Brustbilder zeigen, die Regierungsdecrete mußten in beider Namen erlassen werden, beide mußten alle persönlichen Ehren und Privilegien der Königswürde genießen; aber die Verwaltung, welche nicht füglich getheilt werden konnte, mußte Wilhelm allein bleiben.90

89. Burnet, I. 820. Burnet sagt, er habe die Ereignisse dieser bewegten Zeit nicht in chronologischer Ordnung berichtet. Ich mußte sie daher nach meinen eigenen Muthmaßungen ordnen, glaube aber kaum mich zu irren, wenn ich annehme, daß das Schreiben der Prinzessin in der Zeit zwischen Donnerstag den 31. Jan. und Mittwoch den 6. Febr. ankam und auch der Prinz die Erklärung über seine Absichten kund gab.

90. Mulgrave’s Account of the Revolution. In den ersten drei Ausgaben habe ich diesen Vorgang unrichtig erzählt. Die Schuld lag größtentheils an mir selbst, zum Theil aber auch an Burnet, dessen nachlässiger Gebrauch des Fürworts „er“ mich irreführte. Burnet I. 858.

Die Conferenz zwischen den beiden Häusern. Inzwischen war die zu der freien Conferenz zwischen den Häusern festgesetzte Zeit herangekommen. Die Wortführer der Lords nahmen in vollem Ornat ihre Sitze auf der einen Seite der Tafel im sogenannten gemalten Saale (painted chamber) ein; aber auf der andren Seite drängte sich eine so große Anzahl von Mitgliedern des Hauses der Gemeinen, daß die Herren, welche die Frage erörtern sollten, nicht hindurchkommen konnten. Nicht ohne große Schwierigkeit und erst nach geraumer Zeit gelang es dem Stabträger, ihnen einen Weg zu bahnen.91

Endlich begann die Verhandlung. Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden sind vollständig auf uns gekommen. Es wird wenige Geschichtsforscher geben, welche den Bericht darüber nicht mit gespannter Neugierde zur Hand genommen und mit getäuschten Erwartungen wieder bei Seite gelegt hätten. Die zwischen den beiden Häusern obschwebende X.69 Streitfrage wurde von beiden Theilen als eine Rechtsfrage behandelt. Die Einwürfe der Lords gegen den Beschluß der Gemeinen waren formeller und technischer Art, ebenso auch die Entgegnungen. Somers vertheidigte den Gebrauch des Wortes Abdication durch Citate aus Grotius und Brissonius, Spigelius und Bartolus. Als er aufgefordert wurde, eine Autorität für die Behauptung anzuführen, daß England ohne Souverain sein könne, legte er die Parlamentsprotokolle vom Jahre 1399 vor, in denen ausdrücklich gesagt war, daß der Thron in der Zeit zwischen der Abdankung Richard’s II. und der Thronbesteigung Heinrich’s IV. vakant gewesen sei. Die Lords führten zur Widerlegung die Parlamentsprotokolle vom ersten Regierungsjahre Eduard’s IV. an, aus denen hervorging, daß die Urkunde von 1399 feierlich annullirt worden war. Sie behaupteten daher, der Precedenzfall, auf den Somers sich stützte, habe keine Gültigkeit mehr. Treby kam nun Somers zu Hülfe und legte die Parlamentsacten vom ersten Regierungsjahre Heinrich’s VII. vor, welche die Acte Eduard’s IV. aufhoben und demnach die Gültigkeit der Urkunde vom Jahre 1399 wiederherstellten. Nach einer mehrstündigen Discussion trennten sich die Disputanten.92 Die Lords versammelten sich in ihrem Sitzungslokale. Man wußte sehr wohl, daß sie auf dem Punkte standen, nachzugeben und daß die Conferenz eine bloße Formalität gewesen war. Die Freunde Mariens hatten eingesehen, daß sie sie tief gekränkt hatten, indem sie sie als Nebenbuhlerin ihres Gemahls hingestellt. Einige von den Peers, welche früher für eine Regentschaft gestimmt hatten, waren entschlossen, wegzubleiben oder den Beschluß des Unterhauses zu unterstützen. Sie sagten, ihre Ansicht habe sich nicht geändert, aber eine Regierung sei immer besser als gar keine und die Nation könne eine Verlängerung dieser qualvollen Ungewißheit nicht ertragen. Selbst Nottingham, der im gemalten Saale die Discussion gegen die Gemeinen geleitet hatte, erklärte, sein Gewissen erlaube ihm zwar nicht, nachzugeben, es freue ihn aber, daß die Gewissen Anderer nicht so ängstlich seien. Mehrere Lords, die in der Convention noch nicht mit abgestimmt hatten, waren bewogen worden zu erscheinen; so Lord Lexington, der eben in aller Eil vom Continent herübergekommen war, der halb wahnsinnige Earl von Lincoln, der an Krücken gehende Earl von Carlisle, und der Bischof von Durham, der sich verborgen gehalten, um über das Meer zu flüchten, aber den Wink erhalten hatte, daß sein Benehmen in der kirchlichen Commission nicht gegen ihn geltend gemacht werden sollte, wenn er für die Feststellung der Regierung stimmen würde. Danby, welcher die von ihm verursachte Spaltung zu heilen wünschte, mahnte das Haus in einer Rede, die seine gewöhnlichen Vorträge an Genialität noch übertraf, einen Kampf nicht länger fortzusetzen, der dem Staate verderblich werden könne. Halifax unterstützte ihn kräftig. Der Muth der Gegner war gebrochen.

91. Commons’ Journals, Febr. 6. 1688/89.

92. Siehe Lords’ and Commons’ Journals, Feb. 6. 1688/89 und den Bericht über die Conferenz.

Die Lords geben nach. Als die Frage gestellt wurde, ob König Jakob die Regierung niedergelegt habe, sagten nur drei Lords Nichteinverstanden. Über die Frage, ob der Thron erledigt sei, wurde die Abstimmung verlangt, und es ergaben sich zweiundsechzig Einverstandene und siebenundvierzig Nichteinverstandene. Unmittelbar darauf wurde der X.70 Antrag gestellt und ohne Abstimmung angenommen, daß der Prinz und die Prinzessin von Oranien zum König und zur Königin von England erklärt werden sollten.93

Nottingham trug nun darauf an, daß die Fassung des Unterthaneneides und des Supremateides dergestalt abgeändert werden möchte, daß auch Diejenigen ihn mit gutem Gewissen leisten könnten, die, wie er selbst, den Beschluß der Convention mißbilligten, sich aber dennoch vorgenommen hätten, loyale und gehorsame Unterthanen der neuen Souveraine zu sein. Gegen diesen Antrag wurde kein Einwurf erhoben. Es kann allerdings kaum bezweifelt werden, daß die Whigführer und diejenigen toryistischen Lords, deren Stimmen bei der letzten Abstimmung den Ausschlag gegeben, sich vorher über diesen Punkt verständigt hatten. Die neuen Eidformeln wurden den Gemeinen zu gleicher Zeit mit dem Beschlusse, daß der Prinz und die Prinzessin von Oranien als König und Königin proklamirt werden sollten, zugesandt.94

93. Lords’ Journals, Feb. 6. 1688/89; Clarendon’s Diary; Burnet, I. 822, und Dartmouth’s Note; Citters, 8.(18.) Febr. In Betreff der Zahlen habe ich mich an Clarendon gehalten. Einige Schriftsteller geben die Majorität kleiner, andere größer an.

94. Lords’ Journals, Feb. 6, 7. 1688/89; Clarendon’s Diary.

Es werden neue Gesetze zur Sicherung der Freiheit vorgeschlagen. Man wußte nun, wem die Krone verliehen werden sollte. Jetzt waren noch die Bedingungen der Verleihung zu bestimmen. Die Gemeinen hatten einen Ausschuß ernannt, welcher die zweckmäßig erscheinenden Schritte zur Sicherung des Gesetzes und der Freiheit gegen die Angriffe zukünftiger Regenten erwägen sollte, und der Ausschuß hatte einen Bericht erstattet.95 Dieser Bericht empfahl erstens, daß die großen Prinzipien der Verfassung, welche der entthronte König verletzt hatte, feierlich bestätigt und daß zweitens verschiedene neue Gesetze zur Beschränkung der Prärogative und zur Läuterung der Justizpflege erlassen werden sollten. Die meisten Vorschläge des Ausschusses waren vortrefflich, aber es war schlechterdings unmöglich, daß die Häuser in einem Monate, und selbst in einem Jahre so zahlreiche, so mannichfaltige und so wichtige Angelegenheiten erledigen konnten. Es war unter andrem vorgeschlagen, daß die Miliz neu organisirt, das Recht des Souverains, die Parlamente zu prorogiren und aufzulösen, beschränkt und die Dauer der Parlamente begrenzt werden sollte; daß bei einer parlamentarischen Anklage keine Berufung an die königliche Gnade mehr zulässig sein, daß den protestantischen Dissenters Duldung gewährt, daß das Verbrechen des Hochverraths genauer bestimmt, daß Hochverrathsprozesse in einer die Unschuld mehr schützenden Weise geführt, daß die Richter auf Lebenszeit angestellt, daß die Ernennungsart der Sheriffs abgeändert werden, daß die Wahl der Geschwornen hinfüro in einer Weise stattfinden sollte, welche Parteilichkeit und Bestechung ausschloß, daß der Gebrauch, bei der Kings Bench Criminalklagen anhängig zu machen, abgeschafft, daß der Kanzleigerichtshof reformirt, daß die Gebühren der öffentlichen Beamten regulirt und daß die Quo-Warranto-Acte verbessert werden sollte. Es war augenscheinlich, daß eine umsichtige und besonnene Gesetzgebung über diese Gegenstände das Werk mehr als einer geschäftsreichen Session sein X.71 mußte, und eben so augenscheinlich war es, daß eine übereilte und unreife Gesetzgebung über so wichtige Dinge neue Mißstände erzeugen würde, schlimmer als die, welche sie vielleicht beseitigen konnte. Wenn der Ausschuß alle die Reformen aufzählen wollte, welche vor der Wiederbesetzung des Thrones bewerkstelligt werden mußten, so war die Liste unsinnig lang. Wollte er dagegen eine Liste aller Reformen geben, welche die gesetzgebende Versammlung zur geeigneten Zeit durchführen sollte, so war die Liste sehr unvollständig. Sobald der Bericht vorgelesen war, erhob sich in der That ein Mitglied nach dem andren, um einen Zusatz zu beantragen. Es wurde vorgeschlagen und angenommen, daß der Stellenverkauf verboten, die Habeascorpusacte wirksamer gemacht und das Gesetz über die Mandamus96 revidirt werden sollte. Der eine Gentleman griff die Herdgeldeinnehmer, ein andrer die Acciseeinnehmer an, und das Haus beschloß, daß den Mißbräuchen dieser beiden Beamtenklassen ein Ziel gesetzt werden sollte. Ein höchst merkwürdiger Umstand ist es, daß, während das ganze militairische, gerichtliche und fiskalische System so durchgemustert wurde, kein einziger Volksvertreter die Aufhebung des Gesetzes beantragte, welches die Presse einer Censur unterwarf. Selbst die aufgeklärtesten Männer begriffen damals noch nicht, daß die Freiheit der Discussion die Hauptschutzwehr aller anderen Freiheiten ist.97

95. Commons’ Journals, Jan. 29., Feb. 2. 1688/89.

96. Die Befehle der Kings Bench an untergeordnete Gerichte, so genannt nach dem Anfangsworte. Der Übersetzer.

97. Commons’ Journals, Feb. 2. 1688/89.

Streitigkeiten und Vergleich. Das Haus war in großer Verlegenheit. Einige Redner erklärten mit Heftigkeit, man habe schon zu viel Zeit verloren und die Regierung müsse ohne noch einen einzigen Tag zu säumen, festgestellt werden. Die Gesellschaft sei besorgt, der Verkehr stocke, der englischen Colonie in Irland drohe die Gefahr des Untergangs, ein auswärtiger Krieg stehe zu befürchten, der verbannte Tyrann könne binnen wenigen Wochen mit einer französischen Armee in Dublin sein und von Dublin aus könne er bald nach Chester übersetzen. Sei es nicht wahnsinnig, in einer so kritischen Zeit den Thron unbesetzt zu lassen, und während die ganze Existenz der Parlamente gefährdet sei, die Zeit mit Debattirung über die Frage zu vergeuden, ob die Parlamente durch den Souverain oder durch sich selbst prorogirt werden sollten? Auf der andren Seite wurde gefragt, ob die Convention ihre Aufgabe damit gelöst zu haben glaube, daß sie einen Fürsten vom Throne gestürzt und einen andren auf denselben erhoben habe? Gewiß, jetzt oder nie sei es Zeit, die öffentliche Freiheit durch Schutzwehren zu sichern, welche den Übergriffen der Prärogative wirksam vorbeugen könnten.98 Die auf beiden Seiten geltend gemachten Gründe waren ohne Zweifel von großem Gewicht. Die talentvollsten Führer der Whigpartei, unter denen Somers rasch einen großen Einfluß erlangte, schlugen einen Mittelweg vor. Das Haus, sagten sie, habe zwei Ziele im Auge, welche streng von einander geschieden werden müßten. Das eine Ziel sei die Sicherung der alten Verfassung des Reichs gegen ungesetzliche Angriffe, das andre die Verbesserung dieser Verfassung durch gesetzliche Reformen. Das erstere Ziel könne dadurch erreicht werden, daß man den Anspruch der englischen X.72 Nation auf ihre alten Freiheiten durch Aufnahme in den Beschluß, welcher die neuen Souveraine auf den Thron erhob, feierlich verbriefe, so daß der König seine Krone und das Volk seine Rechte kraft einer und der nämlichen Urkunde besitze. Der letztere Gegenstand werde einen ganzen Band sorgfältig ausgearbeiteter Gesetze erfordern. Der erstere Zweck könne in einem Tage, der zweite kaum in fünf Jahren erreicht werden. Über jenen seien alle Parteien einig; über diesen herrsche große Meinungsverschiedenheit. Kein Mitglied beider Häuser werde einen Augenblick zögern dafür zu stimmen, daß der König die Steuern nicht ohne Bewilligung des Parlaments erheben dürfe; aber es werde schwerlich ein neues Gesetz über das Verfahren in Hochverrathsprozessen entworfen werden können, das nicht lange Debatten hervorrufen und von dem Einen als ungerecht gegen den Angeklagten, von dem Andren als ungerecht gegen die Krone verworfen werden würde. Die Aufgabe einer außerordentlichen Versammlung der Stände des Reiches sei nicht, die gewöhnlichen Arbeiten eines Parlaments zu erledigen, die Gebühren des Kanzleigerichts zu reguliren, und den ungesetzlichen Forderungen der Visitatoren vorzubeugen, sondern vielmehr die große Regierungsmaschine wieder in Gang zu bringen. Wenn dies geschehen sei, dann würde es an der Zeit sein zu fragen, welcher Verbesserungen unsere Institutionen bedürften, auch habe diese Verzögerung durchaus keine Gefahr, denn ein Souverain, der lediglich durch die Wahl der Nation regiere, könne einer Verbesserung, welche die Nation durch das Organ ihrer Vertreter verlange, seine Zustimmung unmöglich lange verweigern.

Aus diesen Gründen beschlossen die Gemeinen mit weiser Vorsicht, alle Reformen so lange aufzuschieben, bis die alte Verfassung des Reichs in allen ihren Theilen wiederhergestellt sein würde und unverzüglich den Thron zu besetzen, ohne Wilhelm und Marien eine andre Verpflichtung aufzulegen, als daß sie den bestehenden Gesetzen Englands gemäß regierten. Damit die zwischen den Stuarts und der Nation streitig gewesenen Fragen nie wieder aufgeregt werden möchten, wurde beschlossen, daß das Instrument, durch welches der Prinz und die Prinzessin von Oranien auf den Thron berufen und die Thronfolgeordnung festgestellt wurde, die Grundprinzipien der Verfassung auf das Bestimmteste und Feierlichste darlegen sollte.

98. Grey’s Debates; Burnet, I. 822.

Die Rechtserklärung. Diese unter der Bezeichnung „Rechtserklärung“ bekannte Urkunde wurde durch einen Ausschuß, in welchem Somers den Vorsitz führte, entworfen. Daß dieser junge Advokat von niederer Herkunft schon zehn Tage, nachdem er zum ersten Male im Hause der Gemeinen gesprochen, zu einem so ehrenvollen und wichtigen Posten in einem mit geschickten und erfahrenen Männern gefüllten Parlamente ernannt wurde, beweist zur Genüge die Überlegenheit seines Geistes. In wenigen Stunden war die Erklärung entworfen und von den Gemeinen gebilligt. Die Lords nahmen sie ebenfalls mit einigen unwesentlichen Abänderungen an.99

Die Erklärung begann mit einer Aufzählung der Verbrechen und Fehler, welche eine Revolution nothwendig gemacht hatten. Jakob habe X.73 in das Gebiet der Gesetzgebung eingegriffen, er habe bescheidenes Petitioniren als Verbrechen behandelt, habe die Kirche durch ein gesetzwidriges Tribunal tyrannisirt, habe ohne Zustimmung des Parlaments Steuern erhoben und in Friedenszeiten ein stehendes Heer unterhalten, habe die Wahlfreiheit verletzt und den Gang der Rechtspflege willkürlich abgeändert. Handlungen, welche nach dem Gesetz nur vom Parlament untersucht werden könnten, wären zu Klagobjecten bei der Kings Bench gemacht worden. Es seien parteiische und bestochene Geschworne ernannt, von Gefangenen übermäßig hohe Kautionen verlangt, barbarische und ungebräuchliche Strafen verhängt und das Vermögen von Angeklagten noch vor ihrer Überführung anderweitig vergeben worden. Der Mann, unter dessen Autorität dies Alles geschehen sei, habe die Regierung niedergelegt. Der Prinz von Oranien, den Gott zum ruhmvollen Werkzeuge der Befreiung der Nation von Aberglauben und Tyrannei berufen, habe die Stände des Reichs aufgefordert, zusammenzutreten und sich über die Sicherung der Religion, des Gesetzes und der Freiheit zu berathen. Nach stattgefundener Berathung hatten die Lords und die Gemeinen beschlossen, zuerst nach dem Beispiele ihrer Vorfahren die alten Rechte und Freiheiten Englands zu bestätigen. Es werde demgemäß erklärt, daß die neuerdings angemaßte und ausgeübte Dispensationsgewalt gesetzlich nicht bestehe, daß der Souverain ohne Bewilligung des Parlaments von dem Unterthan kein Geld erheben dürfe und daß ohne Zustimmung des Parlaments in Friedenszeiten kein stehendes Heer gehalten werden könne. Das Petitionsrecht der Unterthanen, das Recht der Wahlmänner, die Volksvertreter nach ihrem freien Ermessen zu wählen, das Recht der Parlamente auf Freiheit der Discussion und das Recht der Nation auf eine reine und schonende, dem Geiste ihrer eigenen milden Gesetze entsprechende Ausübung der Rechtspflege werde feierlich anerkannt und bestätigt. Alle diese Dinge verlange die Convention im Namen der ganzen Nation als das unbestreitbare Erbtheil der Engländer. Nachdem die Lords und Gemeinen so die Grundprinzipien der Verfassung gewahrt, hätten sie in dem festen Vertrauen, daß der Befreier die von ihm geretteten Gesetze und Freiheiten heilig halten werde, beschlossen, daß Wilhelm und Marie, Prinz und Prinzessin von Oranien, auf gemeinsame und einzelne Lebenszeit zum König und zur Königin von England erklärt werden und daß während der Dauer ihres gemeinsamen Lebens die Verwaltung der Regierung dem Prinzen allein zustehen solle. Nach ihnen sollte die Krone der Nachkommenschaft Mariens, dann der Prinzessin Anna und ihrer Nachkommenschaft, und dann der Nachkommenschaft Wilhelm’s zufallen.

99. Commons’ Journals. Feb. 4, 8, 11, 12.: Lords’ Journals. Feb. 9, 11, 12. 1688/89.

Ankunft Mariens. Inzwischen hatte der Wind aufgehört, aus Westen zu wehen. Das Schiff, an dessen Bord sich die Prinzessin von Oranien befand, lag am 11. Februar auf der Höhe von Margate und am folgenden Morgen ging es bei Greenwich vor Anker.100 Marie wurde mit vielen Äußerungen der Freude und Zuneigung empfangen; aber ihr Benehmen verletzte die Tories und wurde selbst von den Whigs nicht für tadellos gehalten. Eine junge Frau, welche durch ein so trauriges und verhängnisvolles Geschick wie das, welches über den fabelhaften Häusern des Labdacus und Pelops waltete, in eine solche Lage versetzt X.74 worden war, daß sie, ohne ihre Pflichten gegen Gott, gegen ihren Gemahl und gegen ihr Vaterland zu verletzen, sich nicht weigern konnte, den Thron einzunehmen, von dem so eben ihr Vater herabgestürzt worden war, hatte betrübt oder wenigstens ernst gestimmt sein sollen. Marie aber war nicht blos heiter, sondern sogar ausgelassen lustig. Es wurde versichert, sie habe Whitehall mit einer kindischen Freude darüber, daß sie nun die Herrin eines so schönen Schlosses sein sollte, betreten, sei durch alle Zimmer gelaufen, habe in alle Nebenkabinette geblickt und selbst die Kissen des Staatsbettes untersucht, ohne, wie es schien, daran zu denken, wer diese prachtvollen Gemächer zuletzt bewohnt hatte. Burnet, der sie bis dahin als einen Engel in Menschengestalt betrachtet hatte, konnte bei dieser Gelegenheit nicht umhin, sie zu tadeln. Er war um so mehr erstaunt über ihr Benehmen, da sie an dem Tage, als er im Haag von ihr Abschied nahm, wenn auch fest überzeugt, daß sie den Pfad der Pflicht ging, doch sehr niedergeschlagen gewesen war. Später erklärte sie ihm, als ihrem Gewissensrath, ihr damaliges Benehmen. Wilhelm hatte ihr geschrieben, daß einige von Denen, welche ihr Interesse von dem seinigen zu trennen versucht hatten, ihre Machinationen noch immer fortsetzten; sie hätten ausgesprengt, daß sie sich für beeinträchtigt halte, und wenn sie daher ein betrübtes Gesicht zeigte, so würde dies dem Gerede Grund geben. Er bat sie daher, bei ihrem ersten Erscheinen heiter und vergnügt auszusehen. Ihr Herz, sagte sie, sei allerdings von der Heiterkeit weit entfernt gewesen; aber sie habe ihr Möglichstes gethan und aus Besorgniß, daß sie eine ihren Gefühlen widerstreitende Rolle nicht gut werde durchführen können, habe sie dieselbe übertrieben. Ihr Benehmen rief ganze Riese von Spottschriften in Prosa und in Versen hervor; sie verlor dadurch in der Meinung einiger Personen, auf deren Achtung sie Werth legte, und die Welt erfuhr erst, nachdem sie dem Bereiche des Lobes und des Tadels entrückt war, daß das Benehmen, das ihr den Vorwurf des Leichtsinns und der Gefühllosigkeit zugezogen hatte, in Wirklichkeit ein seltener Beweis von der vollkommenen Uneigennützigkeit und Hingebung war, deren der Mann gar nicht fähig zu sein scheint und die man nur zuweilen bei dem Weibe findet.101

100. London Gazette, Feb. 14. 1688/89; Citters, 12.(22.) Febr.

101. Duchess of Marlborough’s Vindication; Review of the Vindication; Burnet, I. 781, 825, und Dartmouth’s Note; Evelyn’s Diary, Feb. 21. 1688/89.

Anbietung und Annahme der Krone. Am Mittwoch den 13. Februar Morgens waren der Hof von Whitehall und alle benachbarten Straßen mit Neugierigen angefüllt. Das prächtige Bankethaus, das Meisterstück Inigo’s und mit Meisterwerken von Rubens ausgeschmückt, war zu einer großen Ceremonie hergerichtet. Die Wände entlang war die Leibgarde aufgestellt. Zur Rechten unweit des nördlichen Eingangs hatte sich eine große Anzahl Peers versammelt. Zur Linken standen die Gemeinen mit ihrem Sprecher und dem Scepterträger. Die südliche Thür wurde geöffnet und der Prinz und die Prinzessin von Oranien traten zusammen ein und nahmen unter dem Thronhimmel Platz.

Beide Häuser kamen nun mit tiefen Verbeugungen näher. Wilhelm und Marie gingen ihnen einige Schritte entgegen. Halifax und Powle, jener zur Rechten, dieser zur Linken, traten vor und Halifax sprach. Die Convention, sagte er, habe sich zu einem Beschlusse geeinigt, den er Ihre X.75 Hoheiten anzuhören bitte. Sie gaben ihre Einwilligung und der Schriftführer des Oberhauses las mit lauter Stimme die Rechtserklärung vor. Als er geendet hatte, bat Halifax den Prinzen und die Prinzessin im Namen aller Stände des Reichs, die Krone anzunehmen.

Wilhelm antwortete für sich und seine Gemahlin, daß die Krone in ihren Augen einen um so höheren Werth habe, weil sie ihnen als ein Zeichen des Vertrauens der Nation angeboten werde. „Wir nehmen das, was Sie uns angeboten haben, dankend an,“ sagte er, und versicherte dann für seine Person, daß die Gesetze Englands, die er schon einmal vertheidigt, die Richtschnur seines Verhaltens sein sollten, daß er sich bestreben werde, das Wohl des Landes zu fördern, daß er über die Mittel und Wege dazu stets den Rath der beiden Häuser einholen und auf ihr Urtheil mehr geben werde, als auf sein eignes.102 Diese Worte wurden mit einem Beifallssturme aufgenommen, den man unten auf den Straßen hörte und auf den alsbald ein tausendstimmiges Hurrah antwortete. Die Lords und Gemeinen verließen hierauf unter den gebührenden Ehrfurchtsbezeigungen das Bankethaus und begaben sich in feierlichem Zuge nach dem Haupteingange von Whitehall, wo die Herolde und Staatsboten in ihren prächtigen Wappenröcken warteten.

102. Lords’ und Commons’ Journals, Feb. 14. 1688/89; Citters, 15.(25.) Febr. Citters legt Wilhelm noch stärkere Äußerungen von Achtung vor der Autorität des Parlaments in den Mund, als sie in den Protokollen stehen; aus Powle’s Reden aber ergibt es sich, daß die Angabe in den Protokollen nicht ganz richtig war.

Wilhelm und Marie werden ausgerufen. Die ganze Strecke bis Charing Croß war ein Meer von Köpfen. Die Pauken erdröhnten, die Trompeten schmetterten und der Wappenkönig proklamirte mit lauter Stimme den Prinzen und die Prinzessin von Oranien als König und Königin von England, forderte alle Engländer auf, von diesem Augenblicke an den neuen Souverainen Treue und Gehorsam zu schenken und bat den Himmel, der schon eine so augenfällige Befreiung unsrer Kirche und unsrer Nation herbeigeführt, daß er Wilhelm und Marien mit einer langen und glücklichen Regierung segnen möchte.103

103. London Gazette, Feb. 14. 1688/89; Lords’ und Commons’ Journals, Feb. 13; Citters, 15.(25.) Febr.; Evelyn’s Diary, Feb. 21.

Eigenthümlicher Character der englischen Revolution. Die englische Revolution war somit vollendet. Wenn wir sie mit den Revolutionen vergleichen, welche während der letzten sechzig Jahre so manche Regierung gestürzt haben, so muß uns ihr eigenthümlicher Character nothwendig auffallen. Warum dieser Character so eigenthümlich war, ist leicht zu erklären, scheint aber doch von Lobrednern wie von Tadlern nicht immer begriffen worden zu sein.

Die festländischen Revolutionen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts fanden in Ländern statt, wo jede Spur der beschränkten Monarchie des Mittelalters längst verwischt war. Das Recht des Fürsten, Gesetze zu machen und Geld zu erheben, war seit vielen Generationen nicht bestritten worden. Sein Thron wurde durch ein großes stehendes Heer beschützt. Seine Verwaltung konnte ohne die größte Gefahr, selbst in den wildesten Ausdrücken nicht getadelt werden. Die persönliche Freiheit seiner Unterthanen hing lediglich von seinem Willen ab. Es gab keine einzige Institution mehr, die, soweit die ältesten Leute zurückdenken konnten, den Unterthan X.76 gegen die ärgsten Excesse der Tyrannei wirksamen Schutz gewährt hätte. Die großen Rathsversammlungen, welche ehemals die königliche Gewalt beschränkten, waren der Vergessenheit anheimgefallen. Ihre Zusammensetzung und ihre Privilegien waren nur noch Alterthumsforschern bekannt. Wir dürfen uns daher nicht wundern, daß, wenn es Menschen, die so regiert worden waren, gelang, einer im Stillen schon seit langer Zeit gehaßten Regierung die höchste Gewalt zu entreißen, sie voll ungeduldigen Verlangens waren, zu zerstören, und unfähig wieder aufzubauen, daß jede glänzende Neuerung sie bezauberte, daß sie alle an das alte System erinnernden Titel, Ceremonien und Ausdrücke verbannten, und daß sie, ihrer eigenen nationalen Vergangenheit und Tradition überdrüssig, in den Schriften von Theoretikern nach Regierungsprinzipien suchten, oder mit unwissender und widerlicher Affectation die Patrioten von Athen und Rom nachäfften. Eben so wenig dürfen wir uns wundern, daß auf den heftigen Ausbruch des revolutionairen Geistes eine nicht minder heftige Reaction folgte und die Unordnung sofort einen härteren Despotismus erzeugte als der, aus dem sie entstanden war.

Wären wir in der nämlichen Lage gewesen, wäre Strafford sein Lieblingsplan „Durch“ gelungen, hätte er eine eben so zahlreiche und wohl disciplinirte Armee gebildet, wie sie Cromwell einige Jahre später bildete, hätte eine Reihe ähnlicher Richtersprüche, wie die, welche das Schatzkammergericht in der Angelegenheit des Schiffsgeldes fällte, das Recht der Besteuerung des Volks auf die Krone übertragen, hätten die Sternkammer und die Hohe Commission nach wie vor einem Jeden, der seine Stimme gegen die Regierung zu erheben wagte, mit Geldstrafen belegt, verstümmelt und eingekerkert, wäre die Presse bei uns so vollständig geknechtet worden, wie in Wien oder in Neapel, hätten unsere Könige allmälig die ganze gesetzgebende Gewalt an sich gezogen, wären sechs Generationen von Engländern ohne eine einzige Parlamentssession vorübergegangen, und hätten wir uns dann endlich in einem Augenblicke wilder Aufwallung gegen unsere Herren erhoben, welch’ einen Ausbruch würde dies gegeben haben! Mit welch’ einem furchtbaren Krachen, das bis an die entferntesten Enden der Welt gehört und gefühlt worden wäre, würde das ganze gewaltige Gebäude der menschlichen Gesellschaft zusammengestürzt sein! Wie viele Tausende von Verbannten, einst die glücklichsten und gebildetsten Mitglieder dieses großen Volkes, würden in den Städten des Festlandes ihr Brot erbettelt oder in den ungelichteten Wäldern Amerika’s in Hütten von Baumrinde ein Obdach gesucht haben! Wie oft würden wir das Straßenpflaster von London zu Barrikaden aufgethürmt, die Häuser von Kugeln zerrissen, die Gassen von Blut schäumend gesehen haben! Wie oft würden wir selbst in wilder Leidenschaft von einem Extrem zum andren übergesprungen sein, gegen die Anarchie im Despotismus Hülfe gesucht haben und durch den Despotismus wieder zur Anarchie getrieben worden sein! Wie viele Jahre des Blutvergießens und der Verwirrung würde es uns gekostet haben, ehe wir nur die Anfangsgründe der Staatswissenschaft gelernt hätten! Wie viele kindische Theorien würden uns getäuscht haben! Wie viele rohe und schlecht erwogene Verfassungen würden wir aufgerichtet haben, nur um sie wieder umstürzen zu sehen! Glücklich hätten wir uns noch preisen können, wenn eine harte Schule von einem halben Jahrhundert genügt hätte, uns zum Genuß der wahren Freiheit tauglich zu machen.

X.77

Diesen Calamitäten beugte unsre Revolution vor. Sie war eine streng defensive Revolution und hatte Verjährung und Legitimität auf ihrer Seite. Bei uns, und bei uns allein hatte sich eine beschränkte Monarchie des dreizehnten Jahrhunderts unverändert bis ins siebzehnte erhalten. Unsere parlamentarischen Institutionen standen noch in voller Kraft. Die Hauptprinzipien unsrer Verfassung waren vortrefflich. Sie waren zwar nicht förmlich und genau in einer geschriebenen Urkunde festgestellt, aber sie fanden sich zerstreut in unseren alten, trefflichen Gesetzen, und, was noch viel wichtiger war, sie hatten seit vier Jahrhunderten in den Herzen aller Engländer feste Wurzeln gefaßt. Daß ohne Bewilligung der Vertreter der Nation kein Gesetz gegeben, keine Steuer erhoben, keine regulaire Armee gehalten, Niemand nach Willkür des Souverains nur einen Tag in Haft gesetzt und kein Werkzeug der Regierung sich zur Rechtfertigung wegen der Verletzung eines Rechts auch des geringsten Unterthanen auf einen königlichen Befehl berufen konnte: dies waren in den Augen der Whigs wie der Tories Grundgesetze des Reichs. Ein Land, das solche Grundgesetze hatte, bedurfte keiner neuen Verfassung.

Aber wenn es auch keiner neuen Verfassung bedurfte, so war es doch klar, daß Veränderungen vorgenommen werden mußten. Die schlechte Regierung der Stuarts und die dadurch erzeugten Unruhen bewiesen hinreichend, daß unsre Verfassung an irgend einer Stelle mangelhaft war, und diesen Mangel zu entdecken und ihm abzuhelfen, war die Aufgabe der Convention.

Mehrere wichtige Fragen waren noch immer streitig. Unsre Verfassung war in einer Zeit entstanden, wo die Staatsmänner nicht gewohnt waren, genaue Definitionen zu machen. Es hatten sich daher fast unmerklich mit ihren Prinzipien unvereinbare und selbst ihrer Existenz gefährliche Anomalien gebildet, welche nach und nach die Kraft der Verjährung erworben hatten, weil sie viele Jahre lang keine ernsten Nachtheile herbeigeführt. Das Abhülfsmittel für diese Übel bestand darin, daß man die Rechte des Volks in solchen Ausdrücken feststellte, welche allem Streite ein Ende machten, und daß man erklärte, kein Precedenzfall könne irgend eine Verletzung dieser Rechte entschuldigen.

Wenn dies geschehen war, so konnten unsere Regenten unmöglich das Gesetz noch mißverstehen; wenn aber nicht noch etwas Andres geschah, war es durchaus nicht unwahrscheinlich, daß sie es dennoch verletzten. Leider hatte die Kirche seit langer Zeit die Nation gelehrt, daß unter allen unseren Institutionen die erbliche Monarchie allein göttlich und unverletzbar sei, daß das Recht des Hauses der Gemeinen auf einen Antheil an der gesetzgebenden Gewalt ein bloß menschliches Recht sei, daß aber das Recht des Königs auf den Gehorsam seines Volks von oben stamme, daß die Magna Charta ein Gesetz sei, das von denen, die es gemacht hätten, wieder aufgehoben werden könne, daß aber die Regel, welche die Prinzen von königlichem Geblüt nach der Erbfolgeordnung auf den Thron beriefe, göttlichen Ursprungs und daß jede dieser Regel widerstreitende Parlamentsacte null und nichtig sei. Es liegt auf der Hand, daß in einem Staate, wo solche abergläubische Begriffe vorherrschen, die verfassungsmäßige Freiheit stets gefährdet sein muß. Eine Macht, welche blos als eine menschliche Anordnung betrachtet wird, kann kein wirksamer Zügel für eine Macht sein, die für eine Verordnung Gottes angesehen wird. Man wird vergebens hoffen, daß Gesetze, so vortrefflich sie X.78 auch sein mögen, auf die Dauer einen König zügeln werden, der nach seiner eigenen, wie nach der Meinung eines großen Theils seines Volks eine ungleich höhere Autorität besitzt, als jene Gesetze. Dem Königstitel diese geheimnißvollen Attribute zu nehmen und das Prinzip festzustellen, daß die Könige auf Grund eines Rechtes regieren, das sich in keiner Weise von dem Rechte unterscheidet, nach welchem die Freisassen Grafschaftsvertreter wählen, oder die Richter Verhaftsbefehle ausstellen, war zur Sicherung unserer Freiheiten durchaus nothwendig.

So hatte die Convention zwei große Pflichten zu erfüllen: erstens die Grundgesetze des Reichs von aller Zweideutigkeit zu reinigen, und zweitens aus dem Geiste der Regierenden wie der Regierten die irrige und verderbliche Meinung auszurotten, daß die königliche Prärogative etwas Erhabeneres und Geheiligteres sei als jene Grundgesetze. Das erstere Ziel wurde durch den feierlichen Eingang der Rechtserklärung erreicht, das andre durch den Beschluß, welcher den Thron für erledigt erklärte und Wilhelm und Marien einlud, denselben einzunehmen.

Die Veränderung scheint unbedeutend zu sein. Nicht ein einziges Kleinod der Krone wurde angetastet, nicht ein einziges neues Recht wurde dem Volke gegeben. Das ganze englische Recht im Allgemeinen wie im Besonderen war nach der Ansicht der größten Juristen, wie Holt und Treby, Maynard und Somers, nach der Revolution noch genau das nämliche wie vor derselben. Einige streitige Punkte waren nach dem Ausspruche der besten Juristen entschieden worden und es hatte eine kleine Abweichung von dem regelmäßigen Gange der Thronfolge stattgefunden. Dies war Alles, und es war genug.

Wie unsre Revolution eine Vertheidigung alter Rechte war, so wurde sie auch mit strenger Beobachtung alter Formalitäten vollbracht. Fast in jedem Worte und Schritte kann man eine tiefe Verehrung der Vergangenheit erkennen. Die Stände des Reichs beriethen sich in den alten Hallen und nach den alten parlamentarischen Regeln. Powle wurde nach der althergebrachten Form von dem Antragsteller und dem Unterstützer zu seinem Präsidentenstuhle geführt. Der Scepterträger führte die Abgesandten der Lords an den Tisch der Gemeinen und es wurden die drei pflichtmäßigen Verbeugungen gemacht. Die Conferenz wurde mit allen alterthümlichen Formalitäten abgehalten. Auf der einen Seite der Tafel im gemalten Saale saßen die Wortführer der Lords bedeckten Hauptes und in ihren mit Hermelin und Gold besetzten Mänteln. Die Wortführer der Gemeinen standen entblößten Hauptes auf der andren Seite. Die Reden bilden einen fast komischen Contrast gegen die Revolutionsrhetorik jedes andren Landes. Beide englische Parteien waren darüber einig, die alten constitutionellen Überlieferungen des Reichs mit feierlicher Ehrerbietung zu behandeln. Die Frage war nur, wie diese Überlieferungen zu verstehen seien. Die Vertheidiger der Freiheit sprachen kein Wort von der natürlichen Gleichheit der Menschen und der unveräußerlichen Souverainetät des Volks, von Harmodius oder Timoleon, von Brutus dem Älteren oder Brutus dem Jüngeren. Als man ihnen sagte, daß die Krone nach englischem Recht im Augenblicke ihrer Erledigung auf den nächsten Erben übergehen müsse, so erwiederten sie, daß nach englischem Rechte ein lebender Mensch keinen Erben haben könne. Als man ihnen sagte, der Fall sei noch nie vorgekommen, daß der Thron für erledigt erklärt worden wäre, so legten sie aus den im Tower aufbewahrten Urkunden X.79 ein fast dreihundert Jahr altes Pergament vor, auf welchem in wunderlicher Schrift und in barbarischem Latein geschrieben stand, daß die Stände des Reichs den Thron eines treulosen und tyrannischen Plantagenet für erledigt erklärt hatten. Als endlich der Streit beigelegt war, wurden die neuen Herrscher mit dem althergebrachten Gepränge ausgerufen. Der ganze phantastische Pomp des Heroldwesens war dabei: Clarencieux und Norroy, Portcullis und Rouge Dragon104, die Trompeten, die Banner und die mit Löwen und Lilien gestickten grotesken Wappenröcke. Auch der Titel „König von Frankreich,“ den der Sieger von Cressy sich beigelegt, wurde von den königlichen Titulaturen nicht ausgeschlossen. Uns, die wir das Jahr 1848 erlebt haben, muß es fast als ein Wortmißbrauch erscheinen, daß man einer mit so reiflicher Überlegung, mit so ruhiger Besonnenheit und so ängstlicher Beobachtung der herkömmlichen Etikette bewerkstelligten Veränderung den schrecklichen Namen einer Revolution giebt.

Und doch war diese Revolution, obgleich die mindest gewaltsame aller Revolutionen, die wohlthätigste von allen. Sie entschied für immer die große Frage, ob das volksthümliche Element, das sich seit den Zeiten der Fitzwalter und de Monfort in der englischen Verfassung vorfand, durch das monarchische Element zerstört werden, oder ob es sich frei sollte entwickeln und das vorherrschende werden dürfen. Der Kampf zwischen den beiden Prinzipien war lang, heftig und zweifelhaft gewesen. Er hatte vier Regierungen hindurch gedauert und hatte Aufstände, Staatsprozesse, Rebellionen, Schlachten, Belagerungen, Proscriptionen und Justizmorde herbeigeführt. Bald hatte es den Anschein gehabt, als ob die Freiheit, bald wieder, als ob die Monarchie auf dem Punkte stände unterzugehen. Viele Jahre lang war die eine Hälfte der Kraft Englands beschäftigt gewesen, die andre Hälfte zu bekämpfen. Die ausübende Gewalt und die gesetzgebende Gewalt hatten einander in ihrer Thätigkeit so gehemmt, daß der Staat in Europa fast keine Bedeutung gehabt hatte. Der Wappenkönig, welcher Wilhelm und Marien vor dem Eingange von Whitehall proklamirte, verkündete sehr wahr, daß dieser große Kampf nun vorüber sei, daß vollkommene Einigkeit zwischen dem Throne und dem Parlamente obwalte, daß das so lange abhängige und erniedrigte England wieder eine Macht ersten Ranges geworden sei, daß die alten Gesetze, welche die Prärogative beschränkten, hinfüro eben so heilig wie die Prärogative selbst gehalten und bis zu allen ihren Consequenzen durchgeführt, daß die ausübende Verwaltung in Übereinstimmung mit den Ansichten der Vertreter des Volks geleitet und daß keine Reform, welche die beiden Häuser nach reiflicher Erwägung vorschlagen würden, bei dem Souverain beharrlichen Widerstand finden werde. Obwohl die Rechtserklärung nichts zum Gesetz machte, was nicht vorher schon Gesetz gewesen wäre, so enthielt sie doch den Keim des Gesetzes, das dem Dissenter Religionsfreiheit gab, des Gesetzes, das die Unabhängigkeit der Richter sicherte, des Gesetzes, das die Dauer der Parlamente beschränkte, des Gesetzes, das die Preßfreiheit unter den Schutz von Geschwornen stellte, des Gesetzes, das den Sklavenhandel verbot, des Gesetzes, das den Religionseid abschaffte, des Gesetzes, das die Katholiken von den Ausschließungen von Civilämtern befreite, des Gesetzes, welches das System der Volksvertretung reformirte, kurz jedes guten Gesetzes, das seit hundertsechzig Jahren eingeführt worden ist, wie X.80 jeden guten Gesetzes, das auch fernerhin im Laufe der Seiten zur Förderung des Gemeinwohls und zur Befriedigung der Wünsche der öffentlichen Meinung für nöthig befunden werden wird.

Das beste Lob aber, das man der Revolution von 1688 geben kann, ist, das sie unsre letzte Revolution war. Seit mehreren Generationen hat kein verständiger und patriotischer Engländer mehr daran gedacht, sich gegen die bestehende Regierung aufzulehnen. Alle rechtschaffenen und denkenden Geister sind der Überzeugung, in der sie durch die tägliche Erfahrung bestärkt werden, daß die Mittel, um jede der Verfassung nöthige Verbesserung zu bewirken, von der Verfassung selbst geboten sind.

Unsre gegenwärtige Generation sollte besser als irgend eine die volle Bedeutung des Widerstandes unserer Vorfahren gegen das Haus Stuart zu würdigen vermögen. Rings um uns her wird die Welt von den Verzweiflungskämpfen großer Nationen erschüttert. Regierungen, welche noch vor Kurzem alle Aussicht auf ein jahrhundertelanges Fortbestehen zu haben schienen, sind plötzlich erschüttert und gestürzt worden. In den stolzesten Hauptstädten des westlichen Europa ist Bürgerblut geflossen. Alle bösen Leidenschaften, die Gewinnsucht und der Rachedurst, die Antipathie zwischen den Klassen und zwischen den Stämmen haben sich von dem Zwange göttlicher und menschlicher Gesetze losgerissen. Furcht und Angst haben die Stimmen von Millionen verdüstert und ihre Herzen bekümmert. Der Handel ist ins Stocken gerathen und die Industrie gelähmt worden. Die Reichen sind arm, die Armen noch ärmer geworden. Lehren, welche allen Wissenschaften, allen Künsten und allem Gewerbfleiße feind sind, Lehren, die, wenn sie praktisch angewendet würden, Alles was dreißig Jahrhunderte für die Menschheit gethan haben, vernichten und die schönsten Gauen Frankreichs und Deutschlands zu eben so wilden Ländern als Congo oder Patagonien machen würden, sind auf der Tribüne gepredigt und mit dem Schwerte vertheidigt worden. Europa hat die Unterjochung durch Barbaren gedroht, im Vergleich mit denen die Barbaren Attila’s und Alboin’s aufgeklärt und menschlich waren. Die aufrichtigsten Freunde des Volks haben mit tiefem Schmerze gestanden, daß Interessen, welche kostbarer als irgend welche politische Rechte sind, auf dem Spiele stehen, und daß es nöthig werden könnte, selbst die Freiheit zu opfern, um die Civilisation zu retten. Währenddem ist auf unsrer Insel der regelmäßige Gang der Regierung nie auch nur einen Tag unterbrochen worden. Die wenigen schlechten Menschen, denen nach Zügellosigkeit und Plünderung gelüstete, haben nicht den Muth gehabt, nur einen Augenblick der Kraft einer fest um den angestammten Thron geschaarten Nation zu trotzen. Und fragt man nach dem Grunde dieses Unterschiedes zwischen uns und Anderen, so ist die Antwort darauf: weil wir nie das verloren haben, was Andere mit blinder Hast wieder zu gewinnen suchen. Weil wir im siebzehnten Jahrhundert eine erhaltende Revolution gehabt haben, darum haben wir im neunzehnten keine zerstörende Revolution gehabt. Weil wir inmitten der Knechtschaft Freiheit hatten, darum haben wir inmitten der Anarchie Ordnung. Für das Ansehen des Gesetzes, für die Sicherheit des Eigenthums, für die Ruhe unserer Straßen und für das Glück unserer Familien gebührt unser Dank nächst Dem, der nach seinem Willen die Nationen erhebt und zu Boden wirft, dem Langen Parlamente, der Convention und Wilhelm von Oranien.

104. Bezeichnungen verschiedener Wappenherolde. — Der Übers.

 


 

Druck von Philipp Reclam jun. in Leipzig.