The Project Gutenberg EBook of Adelaide, by Augusta von Wallenrodt, AKA Augusta von Goldstein This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Adelaide Wahrscheinlich nur ein Roman Author: Augusta von Wallenrodt, AKA Augusta von Goldstein Release Date: April 3, 2017 [EBook #54481] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ADELAIDE *** Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project.) #################################################################### Anmerkungen zur Transkription Der vorliegende Text wurde anhand der 1807 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren oder im Text mehrfach auftreten. Die Verwendung der grammatischen Fälle wurde nicht den heute gültigen Regeln angepasst, soweit dabei der Sinn des Textes nicht verloren geht, um den eigenständigen Stil der Verfasserin möglichst weitgehend zu erhalten. Aus demselben Grund wurden teilweise oder ganz fehlende Anführungszeichen der wörtlichen Rede nicht ergänzt. Die Buchversion wurde in Frakturschrift gedruckt. Die von der Normalschrift abweichenden Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet: gesperrt: +Pluszeichen+ Antiqua: ~Tilden~ #################################################################### Adelaide. Wahrscheinlich nur ein Roman. Von der Verfasserin von Kollmar und Klaire. [Illustration] Berlin, bei Friedrich Braunes. 1807. Adelaide. „Ein Uhr vorbei, und noch kommen sie nicht. Wie ich immer sage: mit den artigen Stadt- und Hofmenschen, zieht man sich auch zugleich Zwang und Stöhrung seiner ordentlichen Lebensweise auf den Hals“ -- sagte ziemlich verdrießlich der Landrath von Elfen zu seinem Gutsnachbar dem Baron Milken, und blickte lüstern nach den Assietten, welche in zierlicher Ordnung, mit aufgeschnittener Cervelatwurst, rohen Schinken, geräucherter pommerscher Gänsebrust, frischen Heeringen und mehr dergleichen -- das Parterre der mit 24 Couverts gedeckten Tafel dekorirten. „Sie werden wohl gleich kommen; sie haben eine kleine Stunde zu fahren;“ erwiederte mit sanfter noch um Geduld bittender Stimme die Landräthin. „So hätten sie sich früher auf den Weg machen sollen. Unser ehrlicher Steuereinnehmer hatte zwei Stunden zu fahren, und 15 Minuten vor 10 Uhr war er hier. Mein ländlicher Magen rebellirt gewaltig, wenn mit der Mittagsglocke nicht die Suppe auf den Tisch steht. Solche Neuerungen sieht er durchaus als ein Vergehen gegen die Gott und Menschen wohlgefällige Tagesordnung an.“ „Die Comtesse wird mit ihrem Staat nicht fertig werden können,“ flisterte Carolinchen, die älteste Tochter des Landraths, ihren Freundinnen zu. „Ach ja, -- gegen die galanten Damen aus der Residenz werden wir uns wohl verstecken müssen!“ seufzte die junge Baroneß Milken, und sämmtliche Fräuleins musterten noch einmal ihre weißen, grünen und rothen Feierkleider, welche freilich nicht mit dem Modell des neuesten Modejournals übereinstimmten, bis jetzt ihnen aber galant und schön genug geschienen hatten, um von ihren Bekanntinnen beneidet, oder wenigstens in schmeichelhafte Consideration gezogen zu werden. Carolinens Toilette war indeß doch etwas mit dem Geist der Zeit fortgeschritten, seitdem Graf Hochburg, ein Schwestersohn ihres Vaters -- nun auch ihr erklärter Verlobter -- sie in die Censur nahm, und den Geschmack der lieben Cousine zu verfeinern sich beflissen zeigte, so viel es sich durch das Gutachten und Anordnen eines jungen galanten Offiziers im weiblichen Putz mit Nutzen thun ließ. Als Volontair bei der reitenden Garde du Corps hatte Julius von Hochberg, schön wie Adam und reich wie ein baronisirter Kornlieferant, er der Residenz, und diese ihm sehr wohlgefallen. Dem alten Grafen mißfiel dieses gegenseitige Attachement; schon als Julius zwölf, und Caroline von Elfen sechs Jahr alt waren, hatten die beiden Väter beschlossen, ihren Freundschaftsbund durch die Verbindung ihrer Kinder zu besiegeln. -- Der Premier-Lieutenant mußte auf väterlichen Befehl den Dienst mit Rittmeisters Rang quittiren, und nach zu Sonnenburg empfangenen Ritterschlag als Geweihter des Johanniter-Maltheser-Ordens die väterliche Burg beziehen, und sich als Bräutigam nun auch um das Herz seiner schönen Cousine bewerben. -- In ein Fenster gelehnt, erwartete er jetzt mit verschränkten Armen, die glänzende Erscheinung der verwittweten Generalin, Gräfin Wallersee und ihre Tochter Adelaide. „Da sind sie ja wohl endlich!“ rief der Landrath -- und sechs Mohrenköpfe bogen im stolzen Trabe um den Pfeiler des großen Hofthors. „Allons, Herr Neveu, helfe er mir die Damen herauf komplimentiren.“ Julius flog seinem Onkel vorbei, und stand schon vor der Hausthür, als die Equipage durch des Kutschers und Vorreiters mächtiges Anhalten der Zügel zu rollen aufhörte, und der Landrath erst bedächtig die letzte Stufe der Treppe betrat. „Wir kommen später, als es sich gute und ordentliche Nachbarn erlauben sollten“, -- flötete Adelaidens Stimme -- „aber ich bin die Sünderin, lieber Herr Landrath! -- ich allein habe den Aufenthalt zu verantworten und Ihre Verzeihung zu erbitten.“ „Bitte, bitte gehorsamst, meine Gnädigsten! Liebe Gäste sind immer willkommen; auf etwas Gutes hat man nicht zu lange gewartet,“ erwiederte dieser freundlich und half der wohlbeleibten Generalin aus dem Wagen. -- Adelaide schwebte an Julius Arm, der sie mit brennender Neugier erwartenden Gesellschaft entgegen. -- Das Geräusch der Bewillkommung und Eintritts-Ceremonien verhallte, nach einer acht Minuten langen Dauer endlich wie das Rollen des Donners in den Tiefen einer Gebirgskette, und Aller Augen hiengen nun fragend an einem jungen Mann, den Begleiter der angekommenen Damen. „Zynthio Camillo“ -- lispelte Adelaide und führte ihn der Dame des Hauses zu -- „Mein Vater entführte den lieben Sicilianer schon als einen Knaben von zehn Jahren zum Gespielen für mich, das fünfjährige Mädchen, und seitdem hat es das Schicksal noch nie gewagt, Bruder und Schwester zu trennen. Selbst mit dem Tode hat dieser Freund schon um mich gekämpft.“ „Das ist brav, Signor Camillo! -- sagte der Landrath und schüttelte ihm treuherzig die Hand -- ich habe davon gehört. Sie zogen die Comtesse aus dem Wasser, mit Gefahr ihres eignen Lebens.“ Zynthios Blick schien Adelaiden sanft anzuklagen, daß der heiligste und schmerzlichste Moment seines Lebens durch eine Erwähnung dieser Art entweihet wurde. Aber kaum sah er den Hauch des zarten Roths von Adelaidens Wange fast gänzlich verschwunden, als sein Unwille dem ängstlichen Kummer wich. „Ihnen ist nicht wohl, Gräfin!“ rief er beklommen. „O mein Gott!“ scherzte diese, „wohler wie Ihnen mein Freund! -- ich werde mit meinem vollkommen gesunden Appetit Ihrer Tafel Ehre machen, Frau Landräthin!“ -- setzte sie hinzu, indem sie die herbeigeeilte Frau von Elfen über ihr Erblassen beruhigte. Diese Tafel bog sich indessen wie ein zweiter Atlas unter der Last der aufgetragenen Schüsseln und Terrinen, zur Freude des Landraths und seiner Gäste, deren Magen sich zur prophezeiten Rebellion bereits komplottirt hatten. Ein für allemal von seinem Onkel aufgefordert, sich gleich ihm die Honneurs des Hauses angelegen seyn zu lassen, säumte Julius nicht, Adelaiden seinen Arm und sich zum Tischnachbar anzubieten. Der sorgsame Sicilianer führte Carolinen, die ihm zu Theil wurde, auf die andere Seite der Tafel, der jungen Gräfin gegenüber. Diese lächelte und frug, da sie eben einen Löffel Suppe zum Munde führen wollte: „Ich darf doch, lieber Hofmeister?“ Bald herrschte allgemeine Fröhlichkeit über der Tafel; selbst Zynthio wurde munter, denn Adelaidens Farbe zeigte ja wieder von Wohlbefinden. Nur Caroline und ihre Freundinnen staunten noch immer die junge Gräfin Wallersee mit einem völligen Geistesbankerot an. -- So natürlich, und doch so viel Grazie, so viel unbeschreiblichen Zauber! -- So zart, so kränklich, und doch so viel Leben! -- Sonst hatten sie wohl irgend in einem oder den andern Roman aus der Lesebibliothek eines benachbarten Städtchens, die hochblühenden Wangen, den vollen Busen der schönen Henriette, Luise, Klementine, oder wie die Heldinnen heißen mogten -- als unerläßliche Schönheitspartien gerühmt gefunden -- und, sich dieser Vorzüge bewußt, mit stolzer Selbstzufriedenheit sich jenen gepries’nen Schönheiten gleich gestellt. -- Um so weniger glich diesen üppigen Idealen weiblicher Reitze die alles fesselnde Adelaide. Nur ein rosiger Schimmer färbte den Liliengrund ihrer Wangen; das seidne aschfarbne Haar ringelte sich nicht in trotziger Fülle um Stirn und Nacken, es umschwebte wie Aether das Madonnengesicht. Das dunkelblaue Auge schien in seinem sanften Feuer nur freundliche Blicke eines Engels für diese Welt, aber den Ausdruck ihrer innigern stärkern Gefühle für ein Jenseits zu haben. Resignation ohne Schmerz, schöne Hoffnungen ohne Ansprüche, lächelte heiter in jedem Blick dieser Augen, in jedem Zug ihres himmlischen Gesichts. Bei aller Zartheit ihres Körpers, hatte sie verhältnißmäßige Fülle; man hätte glauben sollen, sie sey aus Wachs geformt, wobei es keines Knochenbaues bedurfte; aber diese Fülle schien einer ätherischen Erscheinung anzugehören, die der leichteste Zephir unsern Augen zu entführen droht. Ihre Stimme war der Flötenton einer Titania -- und doch war es ein irrdisches Mädchen, das Leben und menschliche Reitze genug besaß, um Carolinen heut jeden zärtlichen Blick ihres Geliebten zu entziehen. Daß sie auch weder für die Elfenkönigin, noch sonst für eine bloß geistige Erscheinung gehalten seyn wollte, bewieß sie bald, indem sie munter ihrer Mutter zurief: „Maman! ich empfehle Ihnen diese Klöße mit gebacknem Obst, sie sind vortrefflich. Frau Landräthin! -- ich werde mich bei Ihrer Köchin in die Lehre geben.“ „Siehst du, Mütterchen!“ -- fiel fröhlich der Landrath ein -- „der lieben Comtesse schmeckt mein Leibgericht auch. Bravo, meine Gnädige! -- Schon um deswillen verdienen Sie meine ganze Bewunderung; Sie rümpfen nicht großstädtisch die Nase bei ehrlicher Hausmannskost.“ „Gräfin!“ -- sagte traurig Zynthio -- „es thut mir weh, Ihrem so seltnen Apetit Einhalt thun zu müssen, aber“ -- er gab dem hinter ihren Stuhl stehenden Jäger einen Wink -- „lieber eine leichtere Speise.“ Der Jäger nahm mit einer um Verzeihung bittenden Verbeugung Adelaiden den Teller mit den gepries’nen Klößen und Obst weg, von dem sie erst etwas weniges zu genießen angefangen hatte. „Auch du Georg bist gegen mich verschworen?“ frug sie ihn lächelnd; dieser zuckte mit niedergeschlagenen Augen die Achseln. „Bin ich nicht zu bedauern?“ -- wendete sie sich mit komisch klagendem Ton an den Landrath -- „diese Quälgeister wollen mir durchaus nicht erlauben, mich unter die Gesunden zu rechnen.“ Die Generalin sah ihre Tochter mit wehmüthiger Freundlichkeit an. „Wollte Gott!“ -- seufzte sie -- „diese guten Menschen hätten Unrecht!“ „Nun! was ich noch nicht bin, kann ich wieder werden. Herr Landrath, ich begebe mich unter Ihren Schutz. Ich weiß, Sie machen starke Promenaden -- mit Ihnen will ich fahren, laufen, reiten; und auf den Winter, bei hellem Frostwetter, guter Schlittenbahn, werde ich öfters schon des Morgens um 9 Uhr in einem geräumigen Danziger Schlitten angefahren kommen, und Ihnen Ihre Damen entführen.“ „Mein’ Seel! da haben Sie Recht, scharmante Comtesse!“ -- sagte der Landrath, und schlug fröhlich in die Hände -- „überlassen Sie sich der natürlichen gesunden Lebensart, wie wir Dorfmenschen; essen, trinken Sie, was Gott und die Natur uns giebt, genießen Sie der gesunden freien Luft. Wir wollen zusammen fischen, jagen, Dohnen stellen, Schlitten fahren, und zuverläßig schon in drei Monathen die gesammte Fakultät der Aerzte auslachen.“ Eingefallnes Regenwetter, welches heut den Oktobertag merklicher verkürzte, erinnerte die Generalin schon an dem Aufbruch, als der jüngere Theil der Gesellschaft sich erst zu gemeinschaftlicher Unterhaltung in einem zwanglosern Zirkel vereinigt hatte. Adelaide fügte sich mit unnachahmlicher Liebenswürdigkeit, den Vergnügungen der ländlichen schönen Welt. Die Fräuleins ließen sich nach einigen zierlichen Weigern, in den Liederchen: Blühe liebes Veilchen -- seht den Himmel wie heiter -- und so mehrere mit fistulirender Annehmlichkeit hören, und Caroline begleitete den Gesang auf einem dumpfen Klavier -- welches der Organist noch diesen Morgen zu der heutigen Akademie gestimmt und mit neuen Saiten bezogen hatte. Adelaide versprach den lieben Virtuosinnen ein ganzes Heft neuer musikalischer Blumenlese. Der Landrath, dessen Liebling sie in den wenigen Stunden geworden, mußte den Wunsch aufgeben, auch Adelaidens Tonkunst zu bewundern, da die Generalin und Zynthio mit dem wattirten atlaßnen Sürtout der jungen Gräfin, das Signal zum Abschied nehmen gaben. Der Herr des Hauses, die ehrwürdige Excellenz führend, an der Spitze, Graf Julius an Adelaidens Seite, wie ein Träumender schwankend -- zu deren Rechten Zynthio mit banger Aufmerksamkeit schlich -- und hinter diesen mehrere der übrigen Gesellschaft, um die Gräfinnen an den Wagen zu begleiten, formirten den Zug die Treppe hinunter. „Georg“ rief sorgsam der Sicilianer, als sie die Hälfte der Stufen zurückgelegt hatten. Seinen Hut wegwerfend eilte dieser herbei, hob Adelaiden auf seinen Arm, und flog mit ihr -- wie der Westwind mit einem Rosenblatt davon. Julius, welcher nicht bemerkt hatte, daß Kraftlosigkeit und kürzerwerdender Athemzug das Haupt der schwankenden Lilie beugte, wollte -- betroffen über die Kühnheit des Entführers im ersten Augenblick dem trotzigen Krauskopf, dessen stolzer glühender Blick seine Hornfessel zu einem Ordensband zu erheben schien -- nachstürzen, und ihm die schöne Beute wieder entreißen. Aber schon war sie in Sicherheit und dem Schutz des Wagens, und Zynthio beschäftigt, die Fenster desselben zu Verhütung jeder schädlichen Zugluft aufzuziehen. Ueberdieß warf sich unserm Chevalier ein andrer Gewinnst in den Weg, dessen ihm keine menschliche Gewalt berauben sollte. -- Adelaide hatte, während sie durch das Haus schwebte, einen der fleischfarbnen atlaßnen Schuhe verlohren, die -- so klein und schmal sie auch seyn mochten, dennoch zu geräumig waren, um sich fest genug an das sylphidenartige Füßchen der jungen Gräfin anzuschließen. Wie ein Habicht auf das einsam umherflatternde Täubchen schießt und sich seines Raubes bemächtigt, so warf sich Julius auf das von ihm zuerst entdeckte Kleinod, und verbarg es mit hämischer Freude vor den suchenden Bedienten, unter dem Gilet auf seinem stürmisch klopfenden Herzen. Noch nie hatte wohl der hochwürdige Johanniter-Ritter mit einer solchen bittern Regung der Mißgunst, einem gemeinen Jäger ein recht aufrichtiges: „Hohl dich der Teufel!“ nachgeflistert, als jetzt -- da er bei dem Schein der Laternen-Lichter, mit welchen ein vorreitender Jokey die nächtliche Finsterniß erhellte, den hohen Federbusch Georgs im Winde flattern, und zuletzt hinter dem Thorpfeiler verschwinden sah. „Ein Mädchen zum küssen, die junge Gräfin Wallersee!“ begann mit lauter Stimme der Landrath, daß es das Echo der vier Ecken seines großen Familiensaals wiederhohlte -- „Unverkünstelt an Leib und Seele -- ach lieber Gott! -- da sagte ich zu viel; leider blieb der Körper nicht so gesund als der Geist! -- mit dem erstern geht’s wie mit meinen Akazienbäumchens am Ende des Gartens bei der Rasenbank -- zwischen welchen und der Mittagssonne mein Nachbar, der Herr Pastor, eine breite Scheune hingesetzt hat. Sie schwanken und kränkeln und kommen nicht fort. -- Aber wenn das liebe Kind nur bei ihrem gescheuten Entschluß bleibt, wenn sie mir folgt, so will ich sie in die Sonne führen, die ihr neue Kraft und neues Leben geben soll.“ * * * * * Schon leuchteten schimmernde Lüster mit ihren Kerzen von Plafond und Wänden, dem zum fröhlichen Tanz aufgeforderten Gesellschaftskreis im Schlosse Wallersee. Die Generalin hatte Adelaidens Geburtstag zu feiern, den benachbarten Land- und Stadt-Adel zu Mittag und Abend eingeladen; ein glänzender Ball sollte den jungen Gästen das Fest verherrlichen. Adelaide war eben nach dem ersten Tanz der rauschenden Freude entflohen, um in ihrem Boudoir auf einer Ottomane ruhend ein halbes Stündchen die ihr nöthige Erholung zu genießen. Zynthio saß zu ihren Füßen und begleitete auf der Guitarre den Gesang einer Hymne, die seine Gefühle an dem heutigen Tage bezeichneten. „Die Antwort, lieber feuriger Sänger, bleibe ich dir schuldig, bis ich einst als Bürgerin eines andern Gestirns -- vielleicht des Syrius, mit gleicher Kraft mich dir mitzutheilen vermag“ sagte Adelaide, als er endete, und legte die Hand auf seinen Kopf, den er in die Küssen der Ottomane drückte, und dumpfe Seufzer bewiesen, daß ihm die Brust zu enge geworden. Julius lehnte in der Nische an einer Konsole, auf der eine Sphynx lag, und starrte, wie es schien, gedankenlos -- eigentlich aber überwältigt von unnennbaren Gefühlen, auf Beide hin. -- Optischer Mondenschein beleuchtete die Gruppe und machte es einem Zaubergemählde ähnlich. Der Duft eines Amphitheaters, welches auf der Lichtseite dieses in orientalischem Geschmack mit seidener Drapperie bekleideten Kabinets, mit blühenden Rosenbäumen, Jasmin und Jonquillen prangte -- vollendete den Sinnenrausch. Da rief Adelaide: „Allmächtiger Gott! lebe ich schon in einer Geisterwelt? welche Erscheinung? -- Prinz Louis!“ -- „Keine Erscheinung aus der Geisterwelt, theure Gräfin! Ich bin es wirklich, noch mit allen irdischen Umgebungen, Fehlern und Leidenschaften“ -- antwortete der Erbprinz, welcher unbemerkt durch eine Seitenthür eingetreten war, und umarmte Adelaiden -- „diesen Kuß von meiner Schwester Mathilde; ich habe geschworen, ihn treulich zu überliefern -- selbst auf die Gefahr, daß Sie es unverzeihlich finden werden.“ „O meine holde Mathilde!“ fiel Adelaide ein -- „Sie ist doch heiter und wohl?“ „Sie trauert fern von ihrem Liebling. Seit Adelaide sich von ihrer Seite riß, verflossen unsere Tage freudenleer. Wie neidete sie mir die Aussicht auf diese Stunde!“ „Verzeihen Sie, Monseigneur! wenn ich in dieser Stunde Besinnung und Neugier genug habe, zu fragen: welcher Zufall mir diese Ueberraschung gewährte?“ -- „Zufall? -- O so ist mein Herz, mein ganzes Wesen, das nur in der Hoffnung, Sie wieder zu sehen, lebte -- auch Zufall! -- Konnte Adelaide glauben, daß der achtzehnte November mir nicht heiliger sey, als daß ich etliche zwanzig Meilen Umweg, auf meiner Reise nach ***“ -- -- „Also doch wieder auf der Reise nach ***? -- O mein Prinz, nun bin ich beruhigt. Darf ich aber auch hoffen, daß Ew. Durchlaucht fein artig und wohlgemuth sich den Carneval in der königlichen Residenz zu *** gefallen lassen werden?“ -- „Wie es kommt, noch stehe ich für nichts. -- Sieh da, Signor Camillo! fragen Sie diesen, was menschliche Kräfte vermögen“ -- „Hier Graf Hochberg“ -- nahm Adelaide schnell das Wort, indem sie den Ritter dem Erbprinzen vorstellte. Auf ihre Bitten gieng man zur Gesellschaft, die bei dem Eintritt Sr. Durchlaucht große Augen machte, und die Freude schien dem Erstaunen so wie der Ehrfurcht zu weichen. Doch Adelaide winkte mit ihrem Zauberstab dieser flüchtigen Freundin, zurückzukehren. Die Gräfin mischte sich in die Reihen der Tanzenden, und die vorige zwanglose Höflichkeit behauptete wieder ihr Recht. Nur der Prinz und Julius konnten diesem rauschenden Feste keinen Geschmack abgewinnen. Beide in stummer Unterhaltung neben einander stehend, verfolgten mit ihren Blicken Psyche, wie sie auf Amors Fittigen die Reihen durchschwebte so sorgsam -- als fürchteten sie, eine Wolke würde die Huldin im nächsten Moment ihren Augen entrücken. Die Generalin bot dem Prinzen ihr Spiel an -- denn tanzen wollte und konnte er in seinem Reise-Apparat nicht; auch das Spiel schlug er aus, und bat ihro Excellenz dringend, sich in ihrer Parthie nicht stören zu lassen. -- „Sie wird doch nicht den ganzen Abend tanzen!“ -- dachte er; und Julius tröstete sich seinerseits mit der Hoffnung, daß Sr. Durchlaucht zuverlässig morgen ihre Reise fortzusetzen geruhen würden. Bald kam Adelaide am Arm des biedern Landraths von Elfen -- „~Mon Prince~. Mit der süßen Ueberzeugung, daß ich den Dank Ew. Durchlaucht verdienen werde, präsentire ich Ihnen hier einen sehr edlen Mann. Solche Stützen einst Ihrem Thron -- und Engel beneiden dann Ihre Unterthanen. Zwar würde dieser redliche Patriot nicht nur mir, sondern selbst der liebenswürdigen Prinzessin Mathilde einen englischen Tanz abschlagen -- aber Wahrheit und Treue für seinen Fürsten mit seinem Blute besiegeln.“ Das reine Bewußtseyn, Adelaide habe nicht zu viel von ihm verheißen, und die Freude, mit diesem redlichen Herzen vor seinem künftigen Regenten zu stehen, verjüngte das Feuerauge und die sprechenden Gesichtszüge des edlen Mannes. Der Prinz hätte keinen Sinn für Menschenwerth haben müssen, wenn er die nähere Bekanntschaft mit dem Landrath leichthin und kalt hätte aufnehmen können; und kaum faßte er mit traulicher Freundlichkeit des biedern Elfens Hand, so ergriff Adelaide des Ritters Arm und sagte: „Diese schöne, Segen bringende Stunde wollen wir profanen Leutchen mit unserer flüchtigern Consequenz nicht entweihen. Kommen Sie Graf -- Ihre Braut erwartet Sie zum nächsten Walzer.“ „Meine Braut?“ -- wiederholte leise der Ritter, und kalter Schauer rüttelte ihn wie Fieberfrost. Caroline kam ihm entgegen, ein heftiger Schwindel, der ihn beinahe zum Sinken brachte, überhob ihn der Qual, mit seiner Verlobten zu tanzen. Wohl dir, unbefangenes Kind der Natur, daß dein Forscherblick noch nicht die Tiefen des Herzens deines Julius erreichte -- besorgt um den geliebten Mann warst du froh, ohne Arges zu ahnden, als er dich seines besser Befindens versicherte, und nur die Nothwendigkeit der Ruhe vorschützte. Beruhigt hüpftest du zum Tummelplatz der Freude, und vereinigtest deine Bitten mit den Wünschen des treulosen Geliebten, daß sich dieser unter Adelaidens Vorsorge wieder erholen dürfe. -- Die Gräfin sah schärfer, sie ahndete die Gefahr für deine schönsten Hoffnungen, und -- Zynthio mußte ihre Pflicht der Gastfreundschaft übernehmen. Dies hatte der Patient nicht erwartet, und schneller als man hoffen durfte, war er wieder hergestellt genug, um sich der lästigen Gesellschaft des ihm unerträglichen Sicilianers zu entziehen. „~Vous êtes servi, Monseigneur!~“ meldete die Generalin mit etiquettualischer Ehrfurcht dem Prinzen; dieser führte sie in das Tafelzimmer, hier aber bat er schmeichelnd: „Wenn ihro Excellenz mich glücklich machen wollen, so erlauben Sie mir promenirend zu soupiren. Sie kennen ja meine Passion die Ronde um die Tafel zu machen, und den Damens aufzuwarten.“ „~Selon vos Ordres, pourvu que Votre Altesse se trouve à son Aise~“ und so mit erwählte sie sich den Landrath zum Nachbar. Die Tafelrunde -- und den Cherubin der Damen zu machen, beschränkten Sr. Durchlaucht bald auf den einzigen Platz hinter Adelaidens Sessel. „Womit kann man aufwarten, gnädiger Herr?“ frug diese -- „einige ~Refraichissements à la Campagne~, so gut man sie auf der Reise haben kann.“ „Nur um etwas zu trinken bitte ich.“ Mit dieser Erklärung wendete er sich zu Georg, der eben Adelaidens Mundbecher auf einem silbernen Teller seiner Gebieterin darreichen wollte. Mit bescheidenem Lächeln ergriff der Jäger eine Bouteille, füllte den Becher mit perlenden Burgunder, und präsentirte ihn Sr. Durchlaucht. Bis auf den letzten Tropfen ward er ausgeleert, und nachdem der Prinz seine Uhr in den Becher geworfen hatte, gab er ihn dem betroffenen Georg mit den Worten zurück: „Dies wirst du Trotzkopf doch nicht ausschlagen, wie meinen Oberförsterdienst?“ Georg zog die Uhr aus dem feuchten Behältniß, küßte die goldene Kapsel über dem Zifferblatt, auf welchen des Prinzen verzogner Nahme mit Brillanten gesetzt war, und erwiederte: „Der Oberförster hätte mir nie den Verlust des schönsten Looses meines Lebens ersetzt; dieser Beweis der Gnade Ew. Durchlaucht giebt mir das Zeugniß, daß ich meines glücklichen Berufs nicht ganz unwerth sey.“ Adelaide warf einen sanft strafenden Blick auf den begeisterten Georg. „Hast du Sr. Durchlaucht den Becher kredenzt?“ „Nein, aber den Glauben an die unerreichbare Liebenswürdigkeit einer Adelaide mit mir gemein“ -- nahm der Prinz das Wort -- „und der Himmel lohne ihn mit seiner ganzen Seligkeit dafür.“ Julius, der nahe genug saß, um alles hören und sehen zu können, knirschte über den unbegreiflichen Zusammenhang und der Einigkeit aller Derer, von denen Adelaide umgeben und angebetet wurde, mit den Zähnen. „Sind es höllische oder gute Geister, die um diese Zauberin eine Wagenburg schlagen?“ -- frug er bei sich selbst -- „Fürst, ausländische Fündlinge, gemeine Jäger, alle reichen sich brüderlich die Hände, mich rasend zu machen.“ Des Prinzen und der Gräfin Gespräch wurde leiser. „Und keine Zeile von ihr selbst?“ klagte Letztere. „O meine Brieftasche wird erst morgen eröffnet. Ein großes Paket, das ich Ihnen hoch im Porto anrechnen werde. Aber ich fürchte, Mathilde führt große Beschwerden über mich! -- Versprechen Sie mir in voraus Generalpardon.“ Adelaide sah ihn bedeutend an. „Gräfin! mit einem Wort: mein Entschluß ist gefaßt, und dabei bleibt es, so wahr ein Gott lebt“ -- Er wurde durch einen Schrei des Schreckens von Carolinen, die ihnen beinah gegenüber saß, unterbrochen. Unter den mancherlei fremden Gestalten und Bestandtheilen freier Koch- und Konditor-Künste, welche das mit den raffinirten Lebensbedürfnissen der großen und feinen Welt unbekannte Landfräulein anstaunte und neugierig kostete, wurde Gefrornes in Formen und natürlichen Farben verschiedener Früchte herumgegeben. Man präsentirte ihr eine Assiette mit dergleichen täuschenden Pfirsichen, und wiewohl ein goldner Desertlöffel dabei lag, so glaubte sie dessen dennoch nicht zu bedürfen, um sich einen Pfirsich zu nehmen. Sie ergriff herzhaft eine der Früchte mit ihren Fingern -- aber, o Himmel! -- wer beschreibt ihr Entsetzen, als diese Finger in Eis erstarrten, und der entzauberte Pfirsich in Wasser aufgelöst von ihrer Hand triefte. Alles lachte, sobald sich der Irrthum aufklärte; nur Julius, welcher um so größern Widerwillen gegen das alberne rohe Landmädchen faßte, und Caroline -- deren Wangen die Schaam dunkelroth färbte und das Auge mit Thränen füllte, -- und Adelaide lachten nicht. „In der That“ -- sagte Letztere -- „so etwas kann jedem begegnen. Trösten Sie sich mit mir, liebe Elfen! ich selbst habe einmal eine Ananas -- weil ein Spottvogel sie mir präsentirte, allein für mich auf meinen Teller genommen, wiewohl sie für mehrere bestimmt war -- und da ich die Schaale zu hart fand, als ich ohne Umstände hineinbeißen wollte, zertheilte ich sie mit Messer und Gabel, und ließ mich von dem schadenfrohen Herrn überreden, die Frucht mit Essig und Oehl zu verzehren, so wenig diese Zubereitung meinem Gaum auch behagen mochte. Und das war doch wohl ein wenig schlimmer, als eine Sache, die genau wie ein Pfirsich aussieht, auch für einen Pfirsich zu halten.“ In der Anekdote mit der Ananas lag Wahrheit, nur daß ein junger Cadet, welcher eben erst das väterliche Haus und sein Dorf verlassen hatte, und bei dem verstorbenen General Wallersee speiste, der traurige Held dieser Geschichte war; keinesweges aber Adelaide, welche sich indessen hier mit Vergnügen die Lächerlichkeit aufbürdete, um Carolinens demüthigende Verlegenheit zu heben. Sie erreichte ihren Zweck; Fräulein Elfen bekam wieder Muth; sie lachte aus vollem Halse über Adelaidens Leichtgläubigkeit, und wiederholte die Anekdote ihren Nachbarn weitläuftig, um zu beweisen, daß die Comtesse nichts klüger gewesen sey, als sie. „Adelaide“ -- sagte der Prinz -- „Sie sind wahrlich ein Engel! -- Ich möchte niederfallen und anbeten -- diese himmlische Güte, diese sanfte Schonung“ -- -- „Ich bitte fortzufahren, wo Ew. Durchlaucht vorhin stehen blieben“ -- unterbrach sie ihn ernst -- „Sie sprachen von einem Entschluß“ -- „Und sagte, daß es bei diesem Entschluß bliebe, so wahr ein Gott lebt! -- Können Sie die meiner Schwester gemachte Erklärung, das Versprechen nie ihre Hand zu verschenken, zurücknehmen -- werden Sie die Verlobte eines Andern -- gut, so habe ich alle Hoffnung verloren, und ich will jeder Glückseligkeit, jeder frohen Stunde für dieses Erdenleben entsagen. Mein Vater schmiede mich dann, wie den Galeerensclaven an das Ruder, in das Joch einer conventionellen Ehe! -- Aber nein, so inconsequent kann Adelaide nie seyn!“ „Prinz!“ sagte Adelaide ergriffen -- „was hat mein Vorsatz unvermählt zu bleiben, mit Ihrem Entschluß zu schaffen? -- Kann Ihnen die Versicherung: daß ich den Wunsch, nie Gattin werden zu dürfen -- ohne alle Beziehung auf Ew. Durchlaucht, gegen Prinzessin Mathilde äußerte -- daß ich überhaupt nie an die Möglichkeit eines Verhältnisses unter uns, gnädiger Herr! bei irgend einer Bestimmung meines Lebens dachte -- kann diese Erklärung einen Fürsten der Hoffnung seiner Länder wiedergeben, und ihn selbst in die Bahn der Ordnung, der Pflichten eines künftigen Regenten zurückführen, so bitte ich unterthänig, an der Wahrheit dieser Betheurung nicht zu zweifeln.“ „Adelaide! -- Ich habe geschworen, und seinen Schwur zu halten, sich selbst und seiner Zufriedenheit treu zu bleiben, ist die erste und heiligste Pflicht. Wäre diese Zufriedenheit, dies tröstende Bewußtseyn, keiner von uns Beiden sey das Eigenthum eines Dritten, auch nur Chimäre! -- so wenig dieser Fall hier angenommen werden kann. -- Mein Vater ist alt, ich im fünf und zwanzigsten Jahre. Sie treten heut Ihr achtzehntes an; -- o Adelaide! die Liebe überwindet Zeit und Hindernisse, die Aerzte sprechen mit Achselzucken von den bedenklichen Gesundheitsumständen des Fürsten -- ein Rezitiv des neulichen Schlagflusses, und er ist dahin.“ -- „Sie werden fürchterlich! -- So sollte die Liebe ein großes edles Herz verunstalten können? -- Ich bitte Ew. Durchlaucht wenigstens Schonung für mein besseres Gefühl zu haben, und ein Gespräch abzubrechen, das Sie und mich herabwürdigt.“ „Abgott meiner Seele! In dieser Ungewißheit kann ich nicht von dir scheiden. Denke an meinen Schwur. -- Heut übers Jahr an diesem Tage kehre ich wieder zurück und finde dich -- nein Adelaide, nicht als Braut oder die Gemahlin eines Andern.“ -- „Sondern im Sarge,“ fiel Adelaide mit dem feierlichen Nachdruck einer Prophetin ein. -- „Ich habe Ihr Wort, Prinz! -- übers Jahr an dem heutigen Tage betreten Sie das Haus Ihrer Freundin wieder, und begleiten mich in die Brautkammer.“ „Adelaide!“ rief erschüttert der Erbprinz „wollen Sie meine Vernunft verwirren? -- was sollen diese Räthsel? -- Ich kann mich damit nicht beruhigen. Gewißheit, um Gottes willen!“ -- „Die Gewißheit, daß wir Ball haben, und die tanzlustigen Herrschaften schon ungeduldig mit den Stühlen rücken, um wieder in den Saal zum Ländern zu kommen. -- Für diesmal bitte ich, nichts mehr über jenes Kapitel! -- Prinzessin Mathilde wird Ew. Durchlaucht ja wohl schriftlich benachrichtigen, wie es mit Ihren Vasallen steht.“ „Darf ich nicht einige Zeilen dann und wann von dieser lieben Hand selbst hoffen?“ „Das war nicht Ihr Ernst, gnädiger Herr! Dieser Erwartung widerspricht die Achtung, die ich einigermaßen zu verdienen glaube.“ -- „Adelaide! -- Adelaide! was machen Sie aus mir?“ -- seufzte noch der Prinz, und der allgemeine Aufstand der Gesellschaft verschlang das Flüstern seiner letzten Worte. Den andern Morgen ließ sich die junge Gräfin mit Unpäßlichkeit entschuldigen, welche sie abhielt persönlichen Abschied von Sr. Durchlaucht zu nehmen, und bat, Mathildens Briefe ihr durch Zynthio einhändigen zu lassen. Der Prinz schlug sich mit krampfhaft zusammen geballter Faust vor Kopf und Brust -- befahl stürmisch: vorzufahren -- und verließ Wallersee hoffnungsloser, als er den Abend zuvor dahin gekommen. * * * * * Alexis Graf von Wallersee glaubte mit seinen erprobten Eigenschaften und Fähigkeiten, die ihn zum Feldherrn stempelten, auf den Rang und die Wichtigkeit eines zweiten Marschalls von Sachsen in irgend einer der größten Armeen Anspruch machen zu dürfen. Im Besitz ansehnlicher Reichthümer, die durch Erbfälle sich noch immer vermehrten, als Kommandör einer der größten Komthureien des Johanniter-Maltheser-Ordens, bot er seine uneigennützigen Dienste -- während eines für Europa’s Gleichgewicht sehr bedeutenden Krieges, einem Monarchen an, dem es in ökonomischer Hinsicht, so wohl durch Nothwendigkeit gedrängt, als auch aus angebornem Trieb zur Sparsamkeit sehr willkommen seyn mußte, in dem Grafen den Chef eines dem Feinde furchtbaren Corps -- welches dieser aus eigenen Kosten errichtet, mondirt und für die Königlichen Fahnen angeworben hatte -- nun seinen Obersten zu begrüßen. Ruhm und die Aussicht, früher, als es sonst nach den gewöhnlichen Fortschritten auf der militärischen Bahn zu erfolgen pflegt, noch in den kräftigsten Lebensjahren des raschen feurigen Mannes, als Feldmarschall sagen zu können: In den entscheidendsten Momenten gab ich mit dem Schwerd in der Faust nicht selten den Ausschlag; hier machte ich die schon verlohren geglaubte Schlacht gewonnen -- Dies sollte sein Lohn seyn. Seine stolzen Entwürfe zielten auf nichts geringeres, als der unentbehrliche und zugleich unabhängige Alliirte eines großen Europens Aufmerksamkeit erregenden Königs, den aber das Schicksal jetzt seinen Launen preiß geben zu wollen schien -- zu werden. Der Monarch berechnete zu richtig den ihm daraus erwachsenden Vortheil, um nicht Graf Wallersee die Perspektive seiner ehrgeitzigen Hoffnungen mit den freundschaftlichsten Versprechungen zu erweitern, und seine Erwartungen zu entflammen. Doch -- zwei Sonnen an einem Horizont gehören ja in die Reihe unmöglicher Existenzen; und eben so wenig konnten Arnulph und Alexis in harmonischer Gemeinschaft den Pfad des Ruhmes verfolgen. Beide sich ihrer energischen Kraft, ihres allumfassenden Feuergeistes bewußt, Beide eifersüchtig auf des andern Ansprüche, einzig seyn zu wollen -- Beide, wenn sie diese Ansprüche gekränkt fühlten, ohne Rücksicht des Nachtheils für ihren Zweck rachsüchtig -- zerrissen bald die Freundschaftsbande, welche Mars um sie geschlungen. Arnulph behauptete nicht allein ein großer Held, sondern auch ein schöner Geist zu seyn, und selbst seine Feinde gestanden unpartheiisch, daß er es war. -- Auch Alexis zeichnete sich unter tausend seiner Zeitgenossen in dieser Hinsicht aus. -- Nur der solide nicht nach Kapricen geordnete Ertrag seiner Geistesgaben, seine Vertraulichkeit mit den alten Griechen und Römern, seine Vorliebe für die Letztern, gaben freilich seiner Schöngeisterei eine andere und imponirendere Tendenz, als die seines großen Nebenbuhlers war. -- Leichter französischer Spott -- wiewohl nicht selten empfindlich verwundend, inconsequentes Absprechen fremden Werthes, Geringschätzung derber deutscher Redlichkeit, und Forderungen an diesen Werth, an diese Tugenden -- kurz, mancherlei und mehrere Widersprüche dieser Art, gaben Arnulphs Geist zwar einen auffallend blendenden Anspruch, besonders da derselbe durch ein Bonmot würdigen oder herabwürdigen durfte, ohne daß ein Opponent es gewagt hätte, ihn zu widerlegen, welches freilich einem andern gegenüber oft kinderleicht gewesen wäre. -- Aber Alexis glaubte zwischen einem Mark Aurel und Arnulph einen so gewaltigen Unterschied zu finden, den der Letztere vielleicht selbst fand -- jedoch nicht aus dem Gesichtspunkt betrachtete, wie der Freund der Römer -- daß er unmöglich so ganz unbedingt der Huldigung beitreten konnte, die Arnulphs wahre oder scheinbare Bewunderer, der nach Alexis Meinung so falsch geleiteten Schöngeisterei zollten. Nur zu bald hinterbrachte man Arnulphen des Obersten Wallersee’s Bemerkungen, welche dieser in vertraulichen Zirkeln hin und wieder über dessen Meinungen geäußert hatte -- ja selbst den Tadel der Pläne, die auf die kriegerischen Operationen sich bezogen, und die Arnulph nach seinem Kopf exekutirt haben wollte. -- Alexis war nicht der Mann, der seine Grundsätze durch Verläugnen oder Entschuldigungen, im Fall er sie verantworten sollte, anders scheinen ließ, als sie waren und er sich einmal darüber erklärt hatte. Als ihm daher Arnulph sein Raisonniren, wie derselbe es zu nennen geruhete, mit ernster Miene und durchdringendem Adlerblick vorhielt, war dies der Moment, in welchem Graf Wallersee nicht nur seine Meinung nochmals klar und deutlich wiederholte -- und unter dem Bedauern, daß er das Vertrauen, so wie das Wohlwollen Sr. M. wohl schwerlich zu erwerben im Stande seyn würde, auch auf alle künftige Ehrenstellen in dessen Armee Verzicht that, und sich mit seinem Corps, unter dem Versprechen, nicht gegen ihn zu fechten, zurückzog. „Es ist mir lieb,“ sagte Arnulph -- „diesen Querkopf los zu seyn. Der Polisson wollte alles besser wissen. Ist die Kriegskunst der alten Römer auf unsere heutige Taktik anwendbar? -- haben wir das Terrain, haben wir dieselben Menschen, dieselben Waffen gegen uns?“ -- „Und sind +wir+ Römer?“ -- hätte er noch hinzusetzen sollen. Doch war die Beschuldigung ungegründet; denn Alexis wußte diese Unterscheidung eben so gut zu machen, als Arnulph. Eine Kriegesscene nach Römer Art in neuern Zeiten anderswo zu sehen, als in der großen Oper zu ***, war ihm nie in der Sinn gekommen; und öfters auch hier nur, um die erbärmliche Marionetten-Repräsentation mitleidig zu belächeln. Gern hätte die feindliche Macht den aus seiner Verbindung getretenen Obrist Wallersee an sich gezogen; allein sein dem Arnulph gegebenes Ehrenwort ließen ihn selbst die blendendsten Anerbietungen ausschlagen. Er nahm an diesem Feldzug keinen weitern Antheil, denn jede Macht, bei deren Armee zu streiten, ihm ehrenvoll gedünkt hatte, war gegen Arnulph im Bunde. -- „Soll das Treiben meines Wollens, die erregte Reizbarkeit, ein höheres Ziel meiner Bestimmung zu umfassen, als zu dem der gewöhnliche Instinkt eines wohl genährten und ausstaffirten Schooskind’s des Glücks in behaglichem Seelenschlummer führen dürfte. -- Soll die Sehnsucht nach jenem noch unerreichten Zweck nicht zum nagenden mich selbst verzehrenden Geyer werden, so nehmt mich noch einmal auf, ihr lieblichen Gegenden! Vaterland eines Mucius Scävola, du gabst der Spiralfeder des reifenden Jünglings den mächtigen Druck, daß sie die Bande entnervender träger Unentschlossenheit sprengte, und die Thatkraft des sich nun Enträthselten fesselfrei machte. Gieb mir Ersatz für die verschwendeten Erstlinge des Dranges, wirken und fern von kleinlichem Eigennutz schaffen zu wollen! -- Läutere die Selbstständigkeit des Mannes zur Ausdauer, indem der Geist deiner edelsten Söhne mich umschwebt. -- Kraftvoll, aber nicht stürmisch will ich mich dann in einen Wirkungskreis schwingen, der mir genügt. -- Leben, lebendiges Weben und Seyn, wo Herz und Körper balsamischer Nahrung genießt, werde mir jetzt unter italischem Himmel. Sein milder Einfluß zügele die wilde Begehrlichkeit der aus Mangel an höhern Interesse erregten Sinnlichkeit, und gebe mir die zarte Empfänglichkeit, für die mich erwartenden Freuden des glücklichen Gatten in den Armen meiner Ludmilla!“ so dachte und beschloß Graf Wallersee; nichts stand der raschen Ausführung seiner spekulativen Philosophie entgegen; und Alexis drückte den Abschiedskuß auf die ihn nur mit sittsamer Blödigkeit erwiedernden Lippen seiner Verlobten -- nachdem er das entzückendste Bild des Wiedersehns und der unauflöslichen Vereinigung zu einstweiligen Beschäftigung ihrer Phantasie, dem arglosen Glauben frommer unschuldiger Liebe aufgestellt hatte -- und verließ Deutschland auf zwei Jahr, nach deren Verlauf ihn die Vollziehung seiner Vermählung mit Ludmilla Gräfin von St. dahin wieder zurück rief. Familienbündnisse verlobten ihm schon das reiche schöne Mädchen im zartesten Kindesalter, mit Vollendung des siebzehnten Jahres sollte sie seine Gemahlin werden. Ludmillas Geburt kostete ihrer Mutter das Leben. Die mutterlose Waise ward in einem Stift erzogen; ihrem Herzen blieb jede Leidenschaft fremd, es kannte nur den frommen keuschen Wunsch: Graf Alexis möge wohlbehalten aus allen Gefahren des Krieges oder aus andern fremden Ländern zurückkehren, und liebevoll sie dann zum Altar führen! -- Dieser Wunsch ward erfüllt, und der Geliebte ihr liebreicher freundlicher Gatte. -- Der Mangel feuriger Liebe des Gemahls fiel der sanften nur an ruhige Seelenstimmung gewöhnten Ludmilla nicht auf. Zwar gewann ihre Liebe mit jedem Tage neue Stärke und Innigkeit für ihren Alexis, aber weil sich diese immer nur in dem Sonnenlicht lieblicher Heiterkeit zuvorkommender Freundlichkeit äußerte, so überzeugte sie ihres Gemahls dem ihrigen ähnliches Betragen, daß sie nicht minder geliebt würde. -- Wohlthätig hatte das Schicksal für ihre Ruhe gesorgt, indem weder Romanenlektüre noch Frequenz sentimentaler Schauspiele ihre Bildung vollendeten. Mit ächt pastoralischem Eifer verhütete die Aebtissin des Stifts -- in welchem die junge Gräfin erzogen worden -- die Einführung solches üppigen Thun und Wesens, wie die hochwürdige Frau es nannte, welches den jungen Gemüthern, die da rein und ohne Makel unter ihrer Aufsicht gedeihen und verbleiben sollten, nur das werden könnte, was der Wolf der unbefangnen leicht zu berückenden Heerde; eben so sorgfältig verhinderten die strengen Gesetze dieses Vestalischen Ordens jeden traulichen Verein mit dem andern Geschlecht. Folglich waren alle die aus den Ersteren entstehenden und auf das Andere laufenden Leidenschaften in diesen heiligen Hallen dermaßen verpönt und geächtet, daß man sie kaum dem Nahmen nach kannte -- wenigstens sie schon dem Nahmen nach verabscheute. -- Und so war auch die unerfahrne Ludmilla weit entfernt, einen Unterschied zwischen der zwar freundlichen aber sehr gemäßigten Zärtlichkeit ihres Gemahls, und der glühenden Leidenschaft, dessen sein Herz -- vielleicht für einen andern Gegenstand wohl fähig war -- zu ahnden, und sich dadurch ihr Glück, ihre Ruhe zu stören. Sie gebar ihm einen Sohn, und inniger wohlwollend ward das Band der Ehe, das sich nun auch um sein Vaterherz schlang. * * * * * Blutströme hatten jetzt Bellonas Durst gestillt, und ihre Fackel ausgelöscht. Ein allgemeiner Frieden in Deutschland zerstreute nun gänzlich jede Besorgniß Ludmillas, daß Alexis bei seinem thätigen unruhigen Geist doch noch der Versuchung unterliegen würde, eine Rolle auf dem Theater des Krieges zu übernehmen. Doch zu bald sah sie ein, daß die Gefahr ihn zu verlieren, wenigstens sich auf lange, unbestimmte Zeit von ihm trennen zu müssen, näher war, als jemals. Graf von der L...., als Generalissimus nach Portugal berufen, erachtete es für keinen geringen Vortheil und Zuwachs des ihn umgebenden Glanzes, wenn er seine fast königl. Suite, mit welcher er sich das nächste Frühjahr einzuschiffen dachte -- durch Anwerbung der tapfersten vielversprechensten Männer -- um welche Monarchen sich beneideten, für die Truppen, deren Befehlshaber er wurde, noch mehr verherrlichen könnte. Es gelang ihm, Graf Alexis von Wallersee durch die lockendsten Aussichten auf Größe und Ruhm -- der sich selbst in fremde Welttheile erstrecken würde, für seine Wünsche zu gewinnen. -- Vergebens umfaßte Ludmilla die Knie ihres Gemahls, vergebens schmiegte der kleine Theodor seine Händchen um den unbiegsamen Nacken des ihm zum Lebewohl segnenden Vaters. „Ich werde Euch wiedersehen; zwei Jahr aufs längste -- und ich heiße Euch auf portugiesischen Boden willkommen, oder ich kehre in eure Arme zurück, um dann mich nie wieder von Euch zu trennen. Uebrigens -- im Fall Freund Hayn mich noch vor dieser Zeit in eine andre Heimath rufen sollte -- so wirst du, liebes Weib, in Rücksicht der Güter und des Majorats, welches ich aus den Herrschaften Tomsdorf und Wallersee zu machen Willens bin -- das Benöthigte schon verfügt und bei der Regierung niedergelegt finden; hier ist die Abschrift meines deponirten Willens. -- Du wirst dich überzeugen, daß ich beflissen war, deine Zufriedenheit auch als Wittwe zu begründen.“ Ludmilla hörte kaum mehr die letzten Worte; ohnmächtig brachte man sie auf ihr Ruhebett; Alexis küßte den Abschied auf ihre blassen Lippen, und als sie wieder ihr Bewußtseyn erhielt, war er schon auf dem Wege nach Hamburg, den er mit Couriersschnelle Tag und Nacht fortsetzte, um mit dem Grafen von der L...., welcher nebst seiner zahlreichen Reisegesellschaft ihn daselbst erwartete, an Bord zu gehen. Keine Art zu reisen ist wohl geschickter, Menschen die sich auf der nehmlichen Tour in einer und derselben Equipage befinden, sich näher zu bringen, und ihre gegenseitigen Beobachtungen über des andern Karakter und Meinungen ungestörter zu befördern, als die Reise zur See. Die beiden Gegenstände Himmel und Wasser, welche sich Tage, Wochen, ja oft Monathe hindurch ohne die geringste Abwechselung unserem Auge darbiethen, hören die ersten zwölf Stunden schon auf, unserer Beobachtung werth zu seyn. -- Weder Posthäuser noch Gastwirthe, weder gute noch schlecht gebaute Städte und Marktflecken, weder zu respektirende Feldgarnison, noch Bürgermilizwache -- so andern Reisenden auf einem Wege von zehn Meilen wenigstens ein auch wohl zweimal während des Examinirens um Nahmen, Karakter und Geschäfte beim Einpassiren an den Thoren, abwechselnde Empfindungen und Unterhaltung gewähren -- nichts dergleichen bietet sich uns auf der übrigens vortrefflichen Chaussée in Neptuns Reiche dar. -- Genug, man ist lediglich auf sich und seine Reisegesellschaft reduzirt; und so wie bald alle Zeremonie in Ansehung des Ankleidens und das Bemänteln häuslicher Gewohnheiten auch wohl Unarten aufgehoben wird -- so wie bald jeder Passagier in seinem Kaftan oder Schlafrock und Nachtmütze bleibt, in welche er sich des Morgens beim Erwachen warf, eben so bequem macht es sich sein innrer Mensch. Im weiten ihnen beliebigen Spielraum spatzieren Launen, Meinungen, gute und böse Gedanken ohne allen Rückhalt auf dem Verdeck der Conversation herum, und sind für die übrigen Personen eben so auffallend, als diese -- welche sich einer gleichen Freiheit bedienen, entweder mit ihren, jenen widersprechenden Grundsätzen und Ansicht der Dinge chokiren, oder durch Sympathie sich zur festesten Vereinigung hingezogen fühlen. Graf von der L**** war unbegrenzt stolz, herrschsüchtig, rauh, hart bis zur Grausamkeit gegen seine Untergebenen; falsch und verschlagen gegen seines Gleichen, um sie zu täuschen und an sich zu ziehen, wann es sein Vortheil heischte, übrigens keines Menschen Freund. Geitzig, wo Edelmuth gebot es nicht zu seyn; verschwenderisch, wo sein Stolz verlangte, mit seinem Glanz Fürsten zu beschämen. In Ermangelung jeder andern Tugend glaubte er mit einer seltnen Tapferkeit, mit einem Muth, der ihn in die Lavafluthen des Vesuvs kaltblütig springen ließ, und der Spartanischen Härte, welche er gegen sich selbst in Entsagung jeder Bequemlichkeit des Lebens bewies -- keiner andern zu bedürfen, um ein Ehrfurcht gebietender verdienstvoller Mann zu seyn. Nie ruhete er auf einem Federbette oder einer Matratze. Ein langer Tisch, oder wenn es die Umstände wollten, eine Gurtbank, war sein Lager, die eiserne Chatulle, in welcher Gelder und seine wichtigsten Papiere sich befanden, sein Kopfkissen. Mit dem Haß seiner Dienerschaft bekannt -- geliebt zu seyn, verlangte er nicht, denn er liebte ja keinen Menschen -- hegte er stetes Mißtrauen und erwartete immerwährend einen Anschlag auf sein Leben. Deßhalb lagen, wenn er sich zur Ruhe auf sein hartes Lager warf, ein Paar geladene Pistolen mit aufgezogenem Hahn auf dem ihm zur Seite stehenden Tisch, und ein Dolch unter seinem Kopf. Zwei Bedienten hatten die Nachtwache, und wehe demjenigen, welcher sich der geringsten Nachläßigkeit, oder einer Anwandlung des Schlummers zu Schulden kommen ließ. Bei dem leisesten Geräusch wich sein unruhiger Schlaf, und er griff nach der Pistole. So traf es sich, daß er einen Bedienten erschoß, dem -- als der Unglückliche das Nachtlicht putzen wollte -- die Scheere, weil er schlaftrunken war, aus der Hand fiel. „Wie,“ sagte Alexis von Wallersee zu sich selbst -- „mit diesem kleinen Tyrannen -- unter seiner Protection sollte ich +ein+ Ziel zu erreichen streben, und zwar in einem Militair, welches das vernachläßigste, stupideste aller kristlichen und unkristlichen Kriegsheere der Welt ist? -- Ruhm und Größe erwerben wollen, die mir durch Nachgiebigkeit gegen einen Arnulph zu theuer erkauft schien -- einen Arnulph, dem jener sich zum Despoten aufwerfende Miethling nicht werth ist, die Schuhriemen aufzulösen? -- Nein, dabei kann es nicht bleiben; noch bin ich durch nichts gebunden. Die erste Landung macht Sie -- mein Herr Generalissimus -- um einen Obersten ärmer.“ Und dieser Vorsatz wurde in Calais ausgeführt. Die Schiffe lagen einige Tage in diesem Hafen vor Anker; die Mannschaft gieng ans Land, und Alexis machte dem General die unerwartete Erklärung: daß er nicht portugiesische Dienste nehmen, sondern sich hier von ihm trennen wolle. L**** wandte alle Ueberredungskünste an, den Obersten von seinem Entschluß abzubringen; als dies nichts fruchtete, ward er beleidigend, und der Streit endigte mit einem Zweikampf. Der General gieng, um eine Narbe über den linken Backen reicher, wieder an Bord; und Alexis, am rechten Arm nur leicht verwundet, fand in demselben Gasthof, in dem er sich einquartiert hatte, den Viskomte de Paluzzo, dessen Bekanntschaft er auf seinen ersten Reisen durch Italien in Neapel gemacht hatte, und der jetzt -- im Begriff von seiner Gesandschaft in Paris abgelöst zu werden -- seiner mit einem Schottländer entflohenen Tochter nachzueilen gezwungen war. Hier erfuhr der Viskomte, daß es zu spät sey. -- Maria Paluzzo befand, nachdem sie durch Priesters Hand bereits mit ihrem Entführer unzertrennlich verbunden, sich schon unter brittischem Schutz, und dem betrogenen Vater blieb nichts übrig, als seine Rache durch Enterbung der ungehorsamen Tochter zu befriedigen. Jetzt war es ihm Trost in Alexis Busen seinen Unmuth, den Kummer über vernichtete Vaterfreuden ausschütten zu können, und während die beiden Freunde sich gegenseitig ihren Verdruß über getäuschte Hoffnungen, erlittene Hintergehungen, und ihrentheils angenehme und theils unangenehme Erfahrungen mittheilten, verschwand allmählig der erste, nehmlich der stärkste Eindruck der gehabten Verdrießlichkeiten, und die Reminiscenzen genußreicherer Begebenheiten gewannen immer herrschenderes Licht. „Und jetzt wollt ihr nach Deutschland zurück?“ -- frug Paluzzo. „Wo sonst hin? -- Mein frommes Weib hat es doch wohl vom Himmel erbeten, daß ich hier umkehren soll -- und so will ich denn auch nicht länger meinem Schicksale widerstehen. Mein Junge wird mir nun wohl schon entgegenlaufen; ihm will ich meine Sorgfalt widmen; ein treuer Hausvater, ein fleißiger Landwirth will ich nun werden, und keiner Macht in der Welt mehr meinen Degen anbieten.“ „Schön, recht solid! -- Aber Freund -- dazu ist’s nach Jahren noch Zeit. Die Gräfin ist nun schon auf eure längere Entfernung gefaßt; in Resignation sind die Weiber Heldinnen. Eure frühere Rückkunft würde ihr kaum die Freude des Triumphs ersetzen, den sie durch längere Ertragung eurer Abwesenheit verdient hätte. Sie dulden gern, um sagen zu können: Ich litt ohne Murren. -- Hauptsächlich eure Deutschen blauäugigten sanften Weiber.“ „Unter denen meine Ludmilla wohl die sanfteste ist. So wahr Gott lebt! ein treffliches edles tugendhaftes Weib! -- In vier Tagen breche ich auf; ist’s möglich, noch früher, um sie je eher je lieber an mein dankbares Herz, für alle ihre Liebe mit innigster Zärtlichkeit, zu drücken.“ „Auch Giuliana läßt ihre Jugendblüthe in Liebe für euch hinschmachten. Deutsche Weiber lieben, leiden und leben in heroischer Ruhe -- so nicht die unsern: die Glut hoffnungsloser Liebe höhlt ihnen ein frühes Grab.“ „Paluzzo! Die Pflichten ehelicher Treue sind den Deutschen Männern eben so heilig wie den Weibern.“ „O daß doch bei Euch die Pflichten des gewissenhaften Mannes erst in ihre Rechte treten, wann Ihr vom Traualtar kommt! -- Früher ist Euch die Zerstörung weiblicher Ruhe erlaubtes Spiel.“ „Nichts mehr davon; kann ichs ändern? -- Thorheit habe ich mir vorzuwerfen, aber kein Verbrechen. Kann ich dafür, daß mein guter Wille, sie dem ewigen Jammer zu entreißen, eine Quelle neuen Grames für sie ward? -- Und wie kann ein Dritter wissen, welcher schmerzliche Kampf mir selbst daraus erwuchs? -- Basta! -- bei unsrer Freundschaft, kein Wort mehr davon!“ „Wie Ihr wollt. Aber Neapel hat doch mit Eurem Kampf und Eurem Gewissen nichts zu schaffen. Begleitet mich dahin, seht ob es Euch jetzt wieder so gefallen mögte wie einst. -- Ihr kennt unsern Hof, auch so ziemlich unsere Regierungsform, unsern Zustand der Armee. Beliebts Euch Vorschläge anzunehmen, die man Euch vielleicht auf das ehrenvollste machen würde. Herrlich! -- Verwerft Ihr sie -- gut; ihr sollt durch Zudringlichkeiten nicht belästigt werden.“ „Nun dann, es sei. Aber die Meerenge passiere ich nicht wieder; ich habe in Messina nichts zu schaffen. Und -- den kommenden Frühling, will ich auf vaterländischen Boden begrüßen.“ Alexis hielt nur in so fern Wort, daß er die glänzendsten Anerbietungen des Neapolitanischen Hofes ausschlug, und wenn nicht den nächsten Frühling, doch gegen Ende des darauf folgenden Sommers in Ludmilla’s Arme zurückeilte. -- Aber Messina -- hatte er dennoch besucht. Giuliana war ja verheyrathet, und Menschenpflicht rief ihn dahin; heftige Erderschütterungen hatten Habe und Gut eines großen Theils der Einwohner in Trümmer zusammengestürzt. Unter den dadurch verarmten Familien befand sich auch Giuliana und ihr Gatte. Letzterer ward, als er noch auf Rettung einiger Kostbarkeiten bedacht seyn wollte, selbst tödlich beschädigt; und Alexis erschien jetzt zum zweiten Male als helfender Schutzengel der neunzehnjährigen Wittwe. Er sorgte für sie und ihren dreijährigen Knaben Zynthio; erhielt ihr die Spolien des Vermögens ihres Mannes, söhnte sie mit ihren Eltern aus, welche in Rometo Handlung trieben, und diese Tochter fürs Kloster bestimmt hatten, folglich mit ihrer Heyrath sehr unzufrieden waren, und Antonio Camillo nie als Schwiegersohn erkennen wollten. Giuliana, aufgelößt in Dankbarkeit und Liebe -- Alexis hingerissen von der Allgewalt der durch das Trauergewand erhöheten Reitze des schönen Weibes, ihrer Zärtlichkeit -- Beide erwachten nach einer gefährlichen Abendstunde zu spät aus ihrem verbotnen Rausch, und sahen mit Entsetzen ein, daß sie sich früher hätten trennen sollen. Es war geschehen; Alexis versprach als ehrlicher Mann nie den Folgen dieser Stunde auszuweichen, er lebe oder sterbe, er sey an welchen Ende der Welt das Schicksal ihn auch festhalte. Maasregeln wurden getroffen, und der Abschied rückte heran. „Giuliana! noch einmal sehen wir uns in diesem Leben wieder; für diesen Augenblick erhalte dich mir.“ Mit diesen Worten riß er sich aus ihrer Umarmung, und von innrer Unruh getrieben, eilte er jetzt rastlos nach Deutschland zurück. * * * * * „Ruhig liebe Gräfin! Er soll uns nicht wieder davon flattern“, sagte der regierende Fürst von *** zu Ludmillen -- „Seine Unstätigkeit, sein Treiben entsteht aus Mangel an Geschäften, die nur allein seinem Geist genügen können. Er will ordnen, schaffen, verbessern.“ „Und kann er das nicht? -- Verzeihen Ew. Durchlaucht! -- Sind die Sorgen eines Vaters, die Verwaltung seiner Domainen nicht auch Beschäftigungen eines thätigen, Nutzen bewirkenden Mannes?“ „Für jeden Andern -- ja, dem es löblicher und zugleich bequemer dünkt, sich in seinem 34sten Lebensjahr zur Ruhe auf sein ländliches Schloß zu setzen, und dann so ~en passant~ aus angebohrner Wirthschaftlichkeit ein wachsames Auge auf die Inspektors, Amt- und Verwaltersleute seiner Güter zu haben; und endlich als klugthuender Papa seinen Söhnen die Vokabeln überhört. -- Nur ihr Gemahl vermag damit allein seine Stunden nicht auszufüllen; sein Wirkungskreis muß größer, sein Einfluß bedeutender seyn.“ „Aber wie, ~Monseigneur~?“ -- „Ich hoffe damit, zu unser allerseitigen Zufriedenheit in’s Reine zu seyn.“ „Mein Gemahl schmeichelt sich bereits mit einem Auftrag beehrt zu werden -- der indessen nur auf kurze Zeit ihn beschäftigen, und dann die Einförmigkeit des Daheimseyns um so lästiger machen würde.“ „Ah, Sie sprechen von der Unterhandlung mit dem ***schen Hofe wegen der Vermählung meines jüngsten Bruders. In der That, ich glaube sie keinen bessern Händen anvertrauen zu können. Doch das ist eine Affaire von sechs Wochen höchstens -- und wollte ich ihm dann eine Charge am Hof oder im Zivil anbieten, dies würde ihm einen geringen Begriff von meiner Erkenntlichkeit geben -- er schlüge sie ohne weiteres aus. Aber ich habe einen sicherern Plan, bei dem ich selbst gewinne, und den mir der kapriciöse Mann gewiß nicht zu Wasser machen wird.“ „Das gebe der Himmel!“ seufzte die Gräfin, denn sie wußte zu gut, wie Alexis über den Dienst in kleinern Staaten dachte, und, wiewohl dieser Fürst, dessen Vasall er war, sich unter die ansehnlichsten des Deutschen Reichs rechnen durfte, so hatte ihm doch immer die Pygmäengröße ihrer Diener nur zum Spiel seines Witzes, und ihre kleinliche Titelsucht zum Mitleid, den Stoff geliehen. -- Aber diesmal wurden ihre Wünsche über ihre Erwartung erfüllt; wie wohl auch hier das Schicksal den Becher wohlthätiger Gewährung mit einigen Tropfen Wermuth vermischte. „O wärst du Philemon und ich Bauzis!“ seufzte abermals Ludmilla, und kräuselte mit Thränen im Auge, die blendend weiße Straußfeder, welche jetzt den Generalsgrad ihres Alexis auf seinem Hute bezeichnen sollte -- „Dann hätten wir Beide ein halbes Sekulum mehr von unserm Lebensknaul abgewickelt“ nahm der neucreirte Feldherr das Wort. „Aber ich glaube, meine Bauzis würde noch auf die gesunden Pulsschläge ihres Philemons eifersüchtig seyn; sie würde wähnen, so lange uns Beide nicht ein und dasselbe Grab deckte -- mit dem Himmel hadern zu müssen, daß ich mein -- wenn auch schon gebrochnes Auge nach Süden wende, während Ihr matter Blick nach Osten gerichtet ist.“ „Mir das? -- o Alexis! Wie ungerecht seyd Ihr Männer!“ „Und wie wankelmüthig ihr Weiber! -- Noch vor einigen Wochen war dein heißester Wunsch, mich im Dienst des Vaterlandes an dasselbe gefesselt zu sehen. Und jetzt, da alles nach deinem Verlangen sich fügt, schwimmt dein Auge in Thränen.“ „Soll ich fröhlich der Gefahr, dich auf immer zu verlieren -- Dank zulächeln? -- Kann dich nur dann dein Vaterland fesseln, wenn ein bevorstehender Krieg dich auffordert für dasselbe zu bluten; dein Weib zur Wittwe, deine Kinder zu Waisen zu machen -- o so verlaß es! Darf ich dir nicht folgen, so weiß ich doch dein Leben in Sicherheit.“ „Ludmilla! -- Wahrlich, nur dem Uebermaaß deiner Liebe verzeih ich die mehr als weibliche Schwäche. -- In einem frommen Stift erzogen, lerntest du wohl die Erfordernisse zarter weiblicher Tugend kennen -- aber für die gemeinsten Begriffe von der Ehre des Mannes scheinst du keinen Sinn zu haben; deßhalb würde ich Erläuterungen dieser Art bei dir nur tauben Ohren predigen.“ „Ach, leider weiß ich, daß den Männern das Phantom der Ehre heiliger seyn muß, als die reellere stille Zufriedenheit häuslichen Familien Glücks! -- Aber ich bin zu wenig Heldin, um mich mit Anerkennung dieser Nothwendigkeit zu trösten.“ „Aber doch wohl billig genug, mir zu glauben, wenn ich Dir -- eben als Mann von Ehre betheure: daß ich mich, Dich und Deine Kinder brandmarkte, blieb ich müßig daheim und nähme die Aufforderung des Fürsten nicht an -- und Dich dann mit dieser Ueberzeugung zu beruhigen?“ „Freilich, das Generalat über sämmtliche Truppen ist zu ehrenvoll! -- Aber der drohende böse Krieg“ -- -- „Bewog mich, das Generals-Patent anzunehmen. Ich bin kein Held in Friedenszeiten! -- Der Fürst soll sich hoffentlich in seiner Erwartung nicht betrogen haben.“ Und Alexis rechtfertigte das Vertrauen des Fürsten, welcher nicht allein mit seinem ansehnlichen Reichscontingent -- so er zu dem ausbrechenden Kriege stellen zu müssen erwartete -- Ehre einlegen, sondern auch sein Land auf den Nothfall in gehörigen Defensionsstand setzen wollte. -- Hier war es, wo Graf Wallersee zu gewinnen stand. Ruhm und Ehre konnten ihm, auf dem Posten, den er jetzt bekleidete, weder geschmälert, noch seinen Plänen in der Armee, deren Befehlshaber er war, entgegengearbeitet werden. Er organisirte seine Truppen nach der bessern Einsicht eines geschickten Feldherrn, bereiste die Gränzen, ließ die befestigten Plätze ausbessern, sorgte für Vorräthe, setzte die Feldbäckerei, das Proviantfuhrwesen in Stande, und zwar alles in der größten Stille. Als die übrigen Hülfs-Armeen, erst aus ihrem Schlummer geweckt, den Wind sondirten, um zu wissen, welche Segel wohl aufzuspannen wären, erwartete das Wallerseesche Korps schon längst nur die Ordre zu satteln und aufzumarschieren. Der Krieg dauerte kurze Zeit; Hauptaktionen waren wenig vorgefallen. Krankheiten unter den Truppen, Noth und Theurung in den Ländern, wo sich der Feind einlagerte, Marodiren der undisciplinirten Korps, die nicht selten Raub und Plünderung schwachbesetzter Ortschaften zur Folge hatten, waren allein die Furien, die den träg dahin schleichenden Mars begleiteten, und seine Saumseligkeit durch ihre Aktivität ersetzten. Demohnerachtet hatten sich die ***schen Truppen, deren Chef Graf Wallersee war, bei jeder Gelegenheit durch Ordnung, Ambition und Muth ausgezeichnet. Es ereigneten sich mehrere Fälle, in denen Alexis bewies, daß der Kommandostab in den Händen eines vollkommnen Genies und sein Fürst mit Fug und Recht stolz war, ihm solchen überreicht zu haben. -- Arnulph hielt jetzt die Alliance mit diesem Fürsten ungleich wichtiger, da die Dauer des so bald erfolgten Friedens eine eben so baldige Endschaft befürchten ließ; um so willkommner war ihm die schon vorhin erwähnte Verbindung beider Häuser durch die Vermählung des jüngern Prinzen von *** mit einer Nichte des Königs. Die wegen des Krieges abgebrochnen Unterhandlungen wurden wieder angeknüpft. General-Lieutenant Wallersee übernahm den ehrenvollen Auftrag, als fürstlicher Freiwerber sich Arnulphen vorzustellen, und dieser empfing ihn mit einer Auszeichnung, welche von einem Arnulph, dessen Art zu schmeicheln zwiefach berauschend war -- unserm Alexis die vollkommenste Genugthuung für ehemalige Mißverständnisse gab. -- Nicht allein die Vermählung wurde unter sehr vortheilhaften Bedingungen für das fürstliche Haus angenommen, sondern Verbindungen für alle künftige Fälle zwischen beiden Regenten geschlossen, welche dem Stolz des Einen, und den reellen Vortheilen des Andern sehr wesentlich entsprachen. Mit Ehrenbezeugungen, mit königlichen Freundschaftsversicherungen überhäuft, mit dem Orden des Königlichen Adlers geziert, kehrte Alexis von seiner Gesandschaft zurück. Fast hielt sich der Fürst außer Stande, ihn -- der nur durch Nahrung seines unbegränzten Ehrgefühls belohnt werden konnte, seine Dankbarkeit zu bezeugen. Das Gouvernement über sämmtliche fürstliche Staaten war ihm ohnedem gewiß, und Serenissimus gewannen selbst dabei, wenn er es jetzt anzutreten sich nicht weigerte. * * * * * Gräfin Wallersee war schon seit dem letztern Feldzug ihres Gemahls in die Residenz geflüchtet. Die Fürstin liebte die fromme sanfte Ludmilla, sie wollte ihr die Abwesenheit des theuern Gatten weniger fühlbar machen, und durch die Zerstreuung in der Gesellschaft ihrer erhabnen Freundin die trauernde Halb-Wittwe aufheitern. Auf dem Flügel der Burg, wo die Zimmer der Fürstin waren, wurden auch Ludmilla’s Zimmer eingerichtet, die sie beziehen mußte, so gern sie auch der Sehnsucht nach ihrem Alexis, der Sorge für sein Leben -- während er den Gefahren des Krieges ausgesetzt war, sich still und einsam überlassen hätte. Die einjährige Adelaide wurde zur Gespielin und Jugendfreundin der Prinzessin Mathilde -- welche nur um 8 Monathe früher das Licht der Welt erblickte -- bestimmt. Selbst als Alexis wieder zurückkam, mußte er sich bequemen im fürstlichen Schlosse zu garnisoniren, wollte er bei seiner Gattin wohnen, denn man lieferte ihm Ludmilla nicht aus. Diesem war die Gelegenheit zur Ermunterung für die sonst so Schwermüthige, der wirklich innige Freundschaftsbund zwischen ihr und der Fürstin keinesweges unangenehm; die stille Häuslichkeit, die duldende Sanftmuth, die alles überwiegende Zärtlichkeit für ihn, nebst dem Vertrauen auf seine eben so ungetheilte Liebe, waren seinem zarten Bewußtsein nicht selten der bitterste Vorwurf. Sie hatte sonst für keine andre Wünsche, keine andere Sorge Raum, als für ihn und ihre Kinder; keinen andern Gegenstand ihrer Liebe und Vertraulichkeit als ihrem Gemahl. Jetzt erforderte das Hofleben, der stete Umgang mit der fürstlichen Familie, ungeachtet die möglichste Zwanglosigkeit hier schon längst der steifen Etiquette den Rang abgewonnen, weil Fürst und Fürstin Geist und Herz genug besaßen, um sich vom erstern mehr Genuß zu versprechen, als vom Schaugericht der Letztern -- doch mehrere Aufmerksamkeit außer sich und ihren eigenthümlichen Verhältnissen. Ludmilla sah, daß sie ihrem Gemahl in ihrer jetzigen Sphäre gefiel; er sagte ihr so viel Erfreuliches über ihr artiges Benehmen; den feinen Ton, in den sie sich so bald und mit so viel natürlicher Grazie gefunden hätte, daß Ludmilla, für welche diese Liebhaber-Sprache ihres angebeteten Alexis einen ganz neuen Zauber hatte, sich in dieser Rolle glücklich schätzte. In den Armen ihres Gemahls, an der Hand ihrer fürstlichen Freundin vergaß sie bald gänzlich die Reitze eines stillen anspruchlosen Lebens im einförmigen Kreise der Häuslichkeit. Oeftere Berufsreisen des Gouverneurs lehrten sie, nach und nach ruhig und ohne Unterbrechung ihres Vergnügens, seine Abwesenheit ertragen. Adelaide wurde mit Prinzeß Mathilde erzogen; beide liebten sich in kindlicher Unschuld wie Geschwister, und Baronin Treval -- ihre Gouvernante -- wie ihre Mutter. Theodor, Alexis ältester Sohn, sollte gleiche Rechte an der Seite des Erbprinzen genießen; aber hier fand nicht die Harmonie der Herzen so statt, wie bei Mathilden und Adelaiden. -- Und diesmal lag die Schuld nicht an dem Fürstensohn, oder an dessen Hofmeister, der etwa den Erbprinzen auf Kosten seines Gespielen unbilligerweise secundirte. Prinz Louis besaß Herzensgüte und Ausdauer der Freundschaft; Stolz, Hartnäckigkeit, Eigendünkel konnten, wenn der Fehler auch in seiner Seele gelegen hätte, zu keinem Aufkommen gelangen, da sie der brave Mann, dem glücklicher Weise seine Erziehung anvertraut war, sogleich in der Geburt erstickte. Theodor, so sehr ihm der Prinz mit Liebe und Geselligkeit überall entgegen kam, blieb widerspänstig, kalt und ohne Theilnahme an den Vergnügungen des Knabenalters, die er mit Prinz Louis gemeinschaftlich genießen sollte. Hingegen war er ausgelassen fröhlich, wann er seinen Muthwillen in Gesellschaft der Söhne des Küchenmeisters, ein Paar rohe zügellose Knaben, auslassen konnte, und nicht selten mußten sich diese mit ihm vereinigen, dem Prinzen eine Lieblingshecke im fürstlichen Park zu verwüsten, oder ein Windspiel, das Louis sehr liebte, zu verstecken, wohl gar zu mißhandeln. Zu stolz, durch läugnen der verdienten Ahndung entgehen zu wollen, gab er sich bei der Untersuchung eines solchen Excesses jedesmal freimüthig oder vielmehr trotzig als den Urheber desselben an, und beschützte seine Gehülfen, so viel es in seinen Kräften stand; diese hingegen mußten seine Protektion mit unbedingtem Gehorsam, mit der geschmeidigsten Bereitwilligkeit sich auch den tollsten seiner Launen zu unterwerfen, theuer genung erkaufen. Liebe und Anhänglichkeit an irgend ein anderes menschliches Wesen war seinem Herzen fremd, außer an Adelaiden. Die kindlichen zärtlichen Gefühle gegen seinen Vater, wurden durch Furcht und bittere Zurückhaltung verdrängt, weil er von dessen strengen Befehlen abhing; die gütigere leutselige Mutter schätzte er gering, weil sie dem eigenwilligen Söhnchen überall nachgab; überdem hatte er einmal eine spöttische Anmerkung über Weiberthränen von einem jungen Witzling gehört, und seine Mutter hatte die erstern Jahre seiner Kindheit viel geweint -- war noch jetzt sehr leicht zu Thränen gestimmt; er nannte das armselige weibliche Schwäche und verachtete das Geschlecht, mit ihm -- seine Mutter. Nur an seiner Schwester nahm er besonderes Interesse. „Ist das wieder ein Bruder Herrmann, werden ihn die schwarzen Männer auch forttragen?“ -- frug der fünfjährige Knabe, als man ihm schön gewickelt auf Batistnen mit Spitzen garnirten Kissen das neugebohrne Kind auf den Schooß legte. „Brüderchen Herrmann ist zu Gott gegangen; er schickt dir das Schwesterchen -- das sollst du recht lieb haben, und es einst beschützen, wie es einem edlen Ritter zukommt; weißt du noch -- wie Väterchen dir unlängst vom Ritter Theobald von Wallersee und seiner Schwester Rosamunde erzählte, daß er sie von einem Korsaren Schiff welches nach Konstantinopel laufen sollte, befreite?“ „Weiß schon; und Rosamunde küßte ihrem Bruder Mund und Hände, und sagte -- er wäre ihr Schutzengel.“ „Richtig, mein Kind! -- Nicht wahr, so wirst du dein Schwesterchen auch lieben und ihr Beschützer seyn, wann es nöthig ist; dafür wird sie dich ebenfalls so verehren, wie Rosamunde ihren Bruder.“ Dieser unwillkührlich geworfne Funke entzündete den Stolz in des Knaben Brust; er betrachtete sich als den Protektor der kleinen Adelaide, und fand sich geschmeichelt, indem er zugleich seinen Schützling liebgewann. Nur selten konnte man ihn einige Stunden hindurch von ihrer Wiege entfernen; besorgt eilte er nach einer so langen Abwesenheit wieder zu ihr, schmählte mit der Wärterin, wenn sie weinte, verlangte von seiner Mutter eine aufmerksamere Pflegerin für seine Adelaide, und brach sich halbe Nächte die Ruhe ab, um bei ihr zu wachen, wenn wimmernder Klageton irgend ein körperliches Leiden der Kleinen verrieth. Was das kindliche Herz nur Süßes und Schmeichelhaftes äußern konnte, wandte dann der kleine Löwe Theodor liebkosend an, seinen Augapfel zu beschwichtigen, ihren Unmuth wegzutändeln. Seine Liebkosungen waren auch selten fruchtlos; ihre Händchen um seinen Hals geschmiegt, ihr Köpfchen unter der Fülle seiner blonden Locken versteckt, vergaß sie Schmerzen und Weinen, und lächelte ihn mit Engels Unschuld und Liebe an. Nur von seiner Hand nahm sie Arzenei, die er jedoch vorher kostete, ob sie auch nicht allzu übel schmeckend sey; nur von ihm geleitet, lernte sie gehen; nur seine Stimme konnte sie aus dem festesten Schlummer erwecken, so leise sie auch immer ertönen mochte. So wurde das Band der Geschwisterliebe ein unauflöslicher Zauber, dem selbst der Trotz und unbiegsame Eigenwille des kleinen Timon nicht widerstehen konnte, denn nie sah man in Theodors Gesicht den Ausdruck wohlwollenden Gefühls, zärtlicher Freundlichkeit, als wenn er mit Adelaiden beschäftigt war. Doch schon mit dem dritten Jahre ward sie Mathildens Gesellschafterin, und ihm sollte der Erbprinz der geliebten Schwester Entfernung erträglicher machen. Zwar sahen sie sich so oft als es ihre Lehrstunden und Beschäftigungen erlaubten; aber dann war dem eifersüchtigen Bruder die schmeichelnde Mathilde im Wege, welche sich eben so liebevoll und freundlich an Adelaiden schloß und von dieser eben so aufgenommen wurde. Späterhin wuchs sein Mißvergnügen durch die Dazukunft des Prinz Louis bis zum Haß gegen diesen, da auch er Adelaide Schwesterchen nannte und ihr seine unschuldigen Galanterieen widmete. Jetzt ward Theodor verschlossen, trotzig und unbiegsam, selbst auf seine Schwester zürnte er, wenn sie Arm in Arm mit Mathilden freundlich dem Erbprinzen entgegen hüpfte, einen Blumenstrauß oder sonst ein kleines Geschenk aus seiner Hand empfing und mit einem Kuß belohnte; er entzog sich bitter ihrer Umarmung, und nur die Worte: mein einziger, mein geliebter Bruder! konnten ihn wieder dahin besänftigen, daß er sie küßte und sie seine gute Schwester nannte. „Welch ein fremder Geist schleicht sich mit diesem unglücklichen Knaben in unsere Familie!“ -- sagte Ludmilla zu ihrem Gemahl, als dieser äußerst aufgebracht über seinen Sohn, ihn in militärische Zucht zu geben beschloß. „Der Geist ungebändigten Starrsinns, den der Oberst von der Ecole militäre in B... Zaum und Gebiß anzulegen nicht ermangeln wird; ich kenne ihn als einen strengen pünktlichen, Gehorsam verlangenden Mann. Unter seiner Zucht muß sich der Bube ändern und des Vorzugs werth machen, den ihm Arnulph bereits mit dem Officiers-Patent erwiesen -- oder ich selbst schieße ihn mit eigner Hand vor den Kopf, bevor er meinen Namen und den pr.schen Degen entehrt.“ * * * * * Unverkennbar wurde der Ausdruck des Kummers übel verborgner Sehnsucht in Alexis Mienen. Die Aerzte nannten es Hypochondrie; seine Gesundheit wankte -- das Resultat war Veränderung der Luft. -- Das Concilium physischer, psychologischer und philosophischer Bemerkungen, des fürstlichen Leib-Aeskulaps entschieden bald für die italischen Bäder, als die heilsamsten für Sr. Excellenz. Einige Jahre früher, und Ludmilla würde eine abermalige so lange Trennung, zumal bei der Kränklichkeit ihres Gatten, zu ertragen für unmöglich gehalten, und sich lieber den Beschwerlichkeiten einer so weiten Reise -- besonders in Länder, gegen die sie einen unerklärbaren Widerwillen hegte -- unterworfen haben, um den geliebten Alexis begleiten zu dürfen, ihr einziger Wunsch, die einzige Bedingung gewesen seyn, wenn sie nicht für Kummer sterben sollte. Jetzt bedurfte es der Ueberredungskünste weniger, sie von dieser Idee zurückzuführen. Gewohnheit, ihrem Eheherrn nur bis an den Reisewagen das Geleite geben zu dürfen, alles von dieser Reise für seine Gesundheit hoffend, der Trost, den ihr während seiner Abwesenheit die Mutterfreuden, welche ihr die zarte Knospe Adelaide -- und die Freundschaft ihrer Fürstin gewährte, machten die Thränen des Abschieds sanfter fließen, und feierlicher, kräftiger die Bitte: die selige Stunde der Rückkehr nicht ohne Noth zu weit hinaus zu setzen! Der von mancherlei sich widersprechenden, wiewohl sämmtlich aus dem Quell der Liebe entspringenden Gefühle bestürmte Graf versprach alles, was sein zärtliches Weib von ihm erflehete; das Bittere des Abschieds von Ludmillen, das Bewußtseyn, sie um die Hälfte seines Herzens betrogen zu haben -- die letzte Umarmung seiner holden Adelaide, alles dies stimmte ihn zur Wehmuth, und beinah zum Entschluß -- die Reiseequipage wieder abspannen zu lassen, und daheim zu bleiben. Andern Theils hingegen zog ihn Hoffnung der süßen Freuden des Wiedersehns, und die Nothwendigkeit, so ihn laut erhaltener Briefe über den Faro de Messina rief, unwiderstehlich in die Berline, vor der sechs Postpferde nur seines Einsteigens harreten, um dem Signal der Hörner Gehorsam zu leisten, auf welchem zwei Postillions, schon seit einer Stunde in disharmonischen abwechselnden Duos und Solos, excellirt hatten. -- Noch eine Umarmung seiner guten Ludmilla -- noch einmal drückte er sein Engelskind an das väterliche Herz, berauschte sich noch einmal in den lieblichen Zügen der kleinen Psyche -- und -- dahin rollte er; Staubwolken zeigten in wenig Augenblicken nur die Spur des Weges, auf dem er davon flog, um Heiterkeit und Gesundheit sich zu holen. „Sieh ich hielt Wort, für diesen Moment des Wiedersehns mich zu erhalten, habe ich die lebensgierigste Sorgfalt angewendet. Und nun laß mich sterben. Mann meiner innigen heißen Liebe, die mich noch über das Grab hinaus begleiten wird,“ sagte Giuliane und sank erschöpft in Alexis Arme. „Gott im Himmel!“ -- rief der Graf erschüttert -- „was ist aus dir geworden, seit den sechs Jahren, daß ich dich nicht sah? -- die herrlichste Blume dieses Edens“ -- -- „Ist in der langen schwülen Nacht sechsjähriger Trennung von dir verschmachtet, verblüht -- und zerfällt in Staub,“ unterbrach ihn schwach die sterbende Wittwe Kamillos. Nie vermochte noch die Verzweiflung sich des sonst standhaften Alexis zu bemächtigen, aber dieser Augenblick war ihr Triumph. Er wüthete gegen sich, das Schicksal und die Gerechtigkeit des Himmels. Er machte es Giulianen zum Vorwurf, daß sie ihn so geliebt, und dadurch ein Opfer des Todes geworden; Ludmilla klagte er an, daß er diese Liebe nicht belohnen, Giuliane für Glück und Leben erhalten können! -- „O nur zu wahr sprach dieser Paluzzo -- rief er aus -- deutsche Weiber lieben, leiden und leben in heroischer Ruhe, während einer Giuliane unglückliche Liebe ein frühes Grab höhlt!“ -- „Und die strafende Nemesis ihr das Leichentuch webt. Alexis! du warst Gatte eines andern edlen Weibes und Vater, als ich mich zu dem verbotnen Genuß deiner Liebe hinreißen ließ. Gönne mir die Endschaft meiner Leiden; für dieses Leben war mein nagendes Gewissen mein feindseligster Verfolger; der Tod möge mich von allen menschlichen Fehlern und Schwächen reinigen. -- Verlaß Seraphinen, das Kind unsrer strafbaren Liebe nicht; beschütze Zynthio! -- Sey treuer liebender Gatte deiner tugendhaften Ludmilla, und du entsündigst mich und dich. -- Gott ist gerecht -- aber auch barmherzig! er will den Tod des Sünders nicht. -- Er nehme dich und die Deinen -- in seinen heiligen Schutz -- und meine Seele -- zu Gnaden -- auf! -- Jesus, Maria -- erbarmet -- euch meiner!!“ -- Mit krampfhaft geschloßner Hand hielt Alexis der Verblichnen kalte Rechte. „Weg von dieser Heiligen, wagt sie nicht anzurühren!“ rief er fast sinnenlos den weinenden Freundinnen zu, welche jetzt den Leichnam für das Grab schmücken wollten. „Ehren Sie die Wünsche der Verklärten, Herr Graf! -- in den Händen meines Mannes, finden Sie das schriftliche Verzeichniß ihrer Aufträge“ -- sagte eine der Leidtragenden, und bemühte sich, ihn sanft von der Entseelten zu entfernen. Wild blickte er sie an. -- „Kennen Sie mich nicht mehr? fuhr sie fort -- die Vertraute Ihrer Giuliane, Aloyse Prospero -- jetzt die Mutter ihrer Seraphine?“ Milder wurden Alexis Züge -- „So wissen Sie, was ich verlohr, wem dieses Opfer fiel.“ „Würdigen Sie es durch Fassung, wie sie dem Mann gebührt, von dessen Seelengröße die Geopferte die Feier ihres Andenkens in schöner Pflichterfüllung erwartete, aber nicht Muthlosigkeit, nicht Empörung gegen die, unsere theure Leidende zur Ruhe einführende Hand Gottes!“ „Ihr werde die mich fliehende Ruhe!“ „Prospero wünscht Ihnen die anvertrauten Papiere zu überliefern. Giulianens Geist umschwebe Sie bei Lesung dieser Blätter, und senke wohlthätigen Trost in Ihre Brust!“ Ich ringe mit dem dahinfliehenden Leben, ich geize mit jedem Zug meines von Minute zu Minute schwächer werdenden Athems, um den letzten in deinen Armen auszuhauchen -- schrieb Giuliane. -- Eile, denn ich fürchte, der ungleiche Kampf mit dem Todesengel beschleunigt seinen Sieg. -- Sollte aber auch deine Ankunft noch früh genug erfolgen, um an den Pulsschlägen meines brechenden Herzen dich selbst zu überzeugen, daß bald der Sand des Stundenglases verronnen und mein Ziel da sey, so werde ich zwar meine sterbende Blicke auf dich heften, die schwache Hand den Druck der deinigen empfinden, das Uebermaaß meiner Gefühle dir mit leisen Seufzern zuflüstern können; doch was ich, außer den mich überwältigenden Eindruck des Wiedersehns, und des nur zu bald darauf folgenden Scheidens, dir noch mitzutheilen habe, mögen diese Blätter enthalten. Kraft und unbefangne +Ruhe+ gebricht mir nur allzugewiß in der feierlichen Stunde, die mich in deine Arme und dann in’s Grab sinken läßt. -- Mein Lebewohl empfängst du noch -- eine süße Ahndung sagt es mir -- von der blassen Lippe, wenn auch die Bitte, dich meiner dir schriftlich eröffneten Wünsche anzunehmen, unter dem Abschiedskuß erstirbt. -- Ich kenne dich, und rechne auf Gewährung derselben: -- Nie ahnde deine Gattin, daß eine Unglückliche an ihren Ansprüchen auf deine ungetheilte Liebe, deiner Treue zur Verrätherin ward, und nur mit dem Tode ihre Schuld zu büßen vermochte. Verbittre nicht durch selbst geschaffne Qualen zweckloser Reue, der Trauer über mein Verhängniß die Tage deines Lebens; du verletzest mit dem daraus erzeugten Unmuth den Frieden der unschuldigen Ludmilla, und vergrößerst dein Unrecht gegen sie. Seraphine deiner Vorsorge empfehlen, dürfte unverzeihlicher Zweifel an deinem Herzen seyn! doch beschwöre ich dich bei der Zartheit deiner Gefühle; dies geliebte Kind nie, so lange deine Gattin lebt, nach Deutschland zu führen! der unschuldige Vorwurf einer strafbaren Stunde soll nie der reinen Tugend deiner Gemahlin eine Regung des Hasses entlocken. -- Seraphine trägt deine Züge -- ein forschender Blick Ludmillens -- dein Bewußtseyn! -- Nein, Alexis, Seraphine darf nie mit der Gräfin Wallersee eine Luft einathmen. Aloyse Prospero sey ihre Mutter; sie bilde und leite die Jungfrau entweder einst in die Arme eines redlichen geliebten Mannes, oder -- zeigt sich der Wille des Himmels in ihrer Neigung, sich dem Dienst der unbefleckten Jungfrau in den stillen Mauern des Klosters zu widmen -- als Braut der Kirche zum Altar. -- Beides geschehe mit deiner Genehmigung und deinem väterlichen Segen. Mit mehrerer Besorgniß weilt mein Blick auf dem Knaben Zynthio! -- Vater meiner Seraphine! mögte deine liebevolle Sorgfalt sich auch auf ihren Bruder erstrecken! -- Werde sein Retter, wie du es einst seiner Mutter wurdest. -- Der feurige schwärmerische Knabe kämpft gegen die ihm aufgedrungene Bestimmung. Sein Oheim, Abt des St. Benediktiner-Klosters behauptet die Rechte eines Vormunds; mit heiligem Eifer verlobte er den Unmündigen seinem Orden, und heischt für die Zukunft dasselbe Gelübde von dem Unglücklichen, dessen fruchtbarer Phantasie jetzt schon die Gefilde des Seminars -- in dem er zu seiner Bestimmung vorbereitet werden soll -- zu enge sind -- -- -- „Ich will ihm Luft und Raum verschaffen, so heilig mir dein Andenken, dein Wille ist, du unaussprechlich Geliebte!“ -- rief Alexis mit verjüngter Kraft seiner Entschlossenheit und Liebe; denn hier galt es, für Giulianens Wünsche mit einem wahrscheinlich hartnäckigen Gegner zu ringen. * * * * * Prospero eilte mit lebhafter Gestikulation seinem Hause zu, sein Mienenspiel, die unartikulirten Töne verkündeten fröhliche Nachricht. „Victoria! kreischte er dem Grafen durch die halbgeöffnete Zimmerthür entgegen -- Excellenz haben gewonnen Spiel. -- Aber wie die Karten gestern lagen, hätten Sie es verloren.“ „Und das Trentleva auf dem Valet Camillo sollte der hochwürdige Herr nicht haben ziehen wollen?“ -- „Alles mit Manier, Herr Graf! Dreihundert Dukaten sind ein artiges Morgenbrod für eine Person; damit läßt sich aber nicht die sämmtliche Klerisey regaliren und beschwichtigen.“ „Ich habe es mit dem Abt zu thun, was geht mich der Hunger seiner übrigen Betgenossen an?“ „Excellenz nichts. Aber den hochwürdigen Vater desto mehr.“ „Wohlan, ich lege die Hälfte zu, das Weitere sey seine Sorge.“ „Pianissimo! die 150 Dukaten würden da kapo in seinen Seckel fallen, denn von geprägtem Gold trennen wir uns zu ungern. Und doch will die Liebe zur heiligen Kirche sich gleichfalls darthun -- mit dem Schein frommen Eifers läßt sich -- muß sich die übrige heilige Brüderschaft abspeisen lassen. -- Ein massiv silberner Antonius von Padua, anderthalb Fuß hoch -- mein Nepote, ein berühmter Goldarbeiter hat ihn eben als bestellte Arbeit nach St. Philippo fertig -- die Bestellung kann bald ersetzt werden, und ein Fäßchen Lakrima Christi in des Abts Keller, die 300 Dukaten in seine Chatulle, und Zynthio Camillo ist unser.“ „Meinen heißesten Dank dem heiligen Friedenstifter Antonius! -- denn wahrlich, ich hätte alles aufgeboten mich des theuren Vermächtnisses Giulianens zu versichern. Der Knabe ist das Ebenbild seiner Mutter, er sey Erbe ihrer Ansprüche auf die ewige Dauer meiner Liebe“ -- -- „Und heile die Wunde, welche der Tod des holden Weibes Ihnen schlug; nahm Signora Prospero das Wort -- o möchte er auch diesem lieblichen Geschöpf das Herz des zärtlichen Vaters erhalten!“ -- Alexis hob Seraphinen auf seinen Arm. „Daß ich dich an diesem Herzen nicht mit dem dir verschwisterten Engel Adelaide verketten darf. Fürchten Sie nichts, Signora! die Aehnlichkeit meiner beiden Lieblinge sorgt dafür, daß die Gegenwart der Einen die Sehnsucht nach der Abwesenden wie ihr Andenken sich stets gleich neu und lebendig bleibt.“ Den Abend vor seiner Abreise war der Trauernde noch einmal zu Giulianens Grab geschlichen. Zynthio kam an der Hand des um ihn schon bekümmert gewesenen Prospero, und weckte ihn aus einer dreistündigen Träumerei. „Heiliger Franzesko!“ sagte dieser -- „hier ist wohl eine Schlafstätte für die Todten, aber nicht für die Lebenden.“ -- „Ich habe auch nicht geschlafen, mein Freund! aber geruhet, süß geruhet und geträumt, wie nur Selige träumen können. Der Himmel schien mir aufgethan -- Giuliane in den Glanz einer Verklärten! -- wahrlich, Prospero! -- säße ich auf dem Stuhl Petri’s, morgen spräche ich sie heilig, ohne jede weitere Formalität; und sie wäre es mit mehrerer Dignität als eure Maria Magdalena, Luzia, Agatha und so weiter.“ Der römisch-gläubige Christ schlug ein dreifaches Kreuz, und blickte ängstlich um sich, ob etwa noch ein andrer Ohrenzeuge an der frevelnden Raserey eines Ketzers ein Aergerniß genommen. „Die -- die Nachtluft -- Signor!!!“ stammelte er mit sichtbarem Entsetzen -- „die übermäßige Betrübniß -- hat Ihr Bewußtseyn, Ihre gesunden Sinne umnebelt. -- Heilige Mutter Gottes! -- glaube mir Zynthio -- Excellenz wußten jetzt selbst nicht was sie redeten.“ „Und darum ist mir auch die Sünde nicht zuzurechnen; unterbrach ihn lächelnd Alexis. -- Wirklich, ich war in einem Taumel, den ich Ihnen freilich nicht anders verständlich machen konnte.“ Signora Prospero begleitete ihn mit preßhafter Gemüthsbewegung in sein Zimmer. „Was sollen die Kostbarkeiten, die wahrscheinlich Seraphinen bestimmt sind -- in meiner Verwahrung?“ -- „Nach ihrem Ableben erst, Madame! -- Bis dahin würdigen Sie das Geschmeide, sich dessen zu bedienen, es wird ihrer Pflegetochter einst ein desto heiligeres Kleinod seyn.“ „Nicht also, Herr Graf! -- und verzeihen Sie, auch nichts weniger als rathsam. Nur glanzlose Bescheidenheit kann unser Geheimniß decken. Seraphine ist“ -- -- „Graf Wallersee’s Tochter -- nahm imponirend der General das Wort, -- diese Diamanten sind wohl das wenigste was ihr gebühret.“ „Soll, darf sie einst als Gräfin Wallersee ihre Rechte gültig machen? -- Hier ließ sich des edlen Mannes Großmuth doch wohl über die Schranken nöthiger Vorsicht führen. Einem ruhigen bürgerlichen Leben gewidmet, ist Seraphine schon hinlänglich mit dem erkauften Grundstück und für sie niedergelegten Kapital ausgestattet. -- Solche Attribute des Reichthums, wie diese Diamanten, erregen Aufsehen, reizen die Lästerzungen des Neides, die Aufmerksamkeit der Feinde unsrer guten Giuliane; die Bosheit achtet den Raum von hundert Meilen nicht, ihre Stimme könnte bis nach Deutschland dringen.“ -- „Ich pflichte Ihrer Meinung bei; Seraphinens Glück selbst hängt von behutsamer Ausübung meiner väterlichen Pflicht ab. -- Jedoch diese Ihnen anstößigen Steine, nehme ich schlechterdings nicht wieder zurück. -- Gewinnen Sie die prunkende Kleinigkeit meinetwegen im Spiel von einem portugiesischen Juden, oder lassen Sie sie die Erbschaft einer alten Base in Palermo seyn, deren Sie, wenn ich nicht irre, dort einige in Vorrath haben.“ „Ich soll mich demnach bei der größten Ehrlichkeit der Künste des Schleichhandels bedienen?“ -- „Warum nicht, Signora? -- giftigen Insekten wird man nie unverfälschten Honig auftischen. -- Weg mit jener kleinen neidischen Brut; schmerzhafter ist es, edle Menschen täuschen zu müssen. -- Morgen trete ich mit dem Wurm im Gewissen die Wallfarth zu dem Richterstuhl der Unschuld, des reinen Bewußtseyns an. Ludmilla harret der Wiederkunft des Genesenen, um durch Dankopfer für die Herstellung seiner Gesundheit, seiner Heiterkeit, das schönste Fest ihres Lebens zu feiern!“ -- „Heilige Jungfrau! ohne ein Wunder des Allmächtigen wird sich die Feier in Kummer verwandeln. -- Wäre die Seele ruhiger, die toskanischen Quellen könnten dennoch wohl von Nutzen seyn“ -- „Ja, in der Seele sitzt eben das Uebel. Pisa wird mich nicht lange dulden, das Gewühl der üppigen Menschenklasse überhaupt nicht. -- Doch an mir soll’s nicht liegen, wenn nicht mein Schmerz sich wenigstens bis zu dem Grade des Ueberdrusses am Leben abspannt -- den die der arzneikundigen Herrn schwer zu hebende Hypochondrie nennen, und die Ursach davon geschwächten Verdauungs-Werkzeugen schuld geben. -- Ich werde es machen wie die Schulknaben, welche -- mit einem verklagenden Konduitenzettel vom Präzeptor fortgeschickt, durch verlängerte Wege und nur zögernd dem väterlichen Hause zu schleichen, in der Meinung, irgend ein Mittel zu finden, die fatale Anklage zu unterdrücken oder durch wohl ersonnene Entschuldigungen zu schwächen.“ Ein schöner Herbst begünstigte diesen Vorsatz; Alexis durchstrich mit seinem in Freude und Erwartung glühenden Zynthio das südliche Frankreich, erheiterte sich durch die Fröhlichkeit, welche ihn jetzt fast überall bei den Festen der Weinlese empfing; er fühlte sich gegen Ende Oktobers an Körper und Geist ermannt genug, nun ohne Saumseligkeit seinen Weg durch die Schweiz nach Deutschland zu nehmen, und daheim -- im schlimmsten Fall doch der Vorige wieder zu seyn, der er war, als er es verließ. Erwachte Sehnsucht nach seiner Adelaide, welche wegen der Aehnlichkeit mit ihrer Halbschwester Seraphine ihm jetzt zwiefach theuer war, ließ ihn nicht allein das Ende seiner Reise, je länger sie dauerte, mit Ungeduld entgegen sehen, sondern seine meiste Unterhaltung mit dem kleinen Sicilianer hatte dessen künftige süße Gespielin zum Gegenstand. „Ah! Signor Comte! sagte dann dieser entzückt und für Verlangen zitternd -- ich werde in ihr das Conterfay der heiligen Cäcilia verehren; die schöne Schutzpatronin des Stiftes, in welches mein Oheim mich öfters führte.“ „Adelaide wird deine Schwester seyn; du sollst sie mit brüderlichem Vertrauen lieben.“ „Meine Schwester? -- ach nun habe ich eine Schwester! glücklicher Zynthio! -- oft sahe ich bei meiner Mutter die schöne kleine Seraphine. Ich glaubte, es sey meine Schwester, aber Donna Giuliana sagte: Nein, es wäre ihrer Cousine und eines reichen fremden Mannes Tochter; es that mir leid, daß ich nicht ihr Bruder seyn sollte! -- Nun ist’s eben so gut, mein ganzes Herz bringe und gebe ich nun der Schwester Adelaide.“ „Sie hört gern Musik.“ „Die Engel lieben auch Musik -- Adelaide wird nicht hassen was diese lieben.“ „Du wirst ihr nützlich seyn; du spielst die Guitarre schon recht artig, von dir kann sie den ersten Unterricht erhalten. Beide könnet ihr dann künftig euch in der Tonkunst in mancherlei Art wetteifernd vervollkommnen. -- Du lernst ihr deine Muttersprache, sie dir die ihrige.“ „Ich zeichne auch schon, und mache Verse, die singe ich dann zu meiner Guitarre.“ „Ei du wirst ja wohl ein zweiter Tasso oder Petrark werden?“ „Das Letztere, Signor! -- Und nun will ich ganz andere Gesänge dichten, zu Schwester Adelaidens Lobe!“ So erhielt des Knaben Lebhaftigkeit, das reine Feuer seines verlangenden Herzens, die immer mehr zunehmende Lebens- und Seelenstärke des Grafen; aber auch öfters versank jener in Tiefsinn. „Beginnt das Heimweh?“ -- frug Alexis. „O nein! wohl aber die Furcht, oder vielmehr die Qualen der Ungewißheit, ob mich die süße Schwester Adelaide auch so lieben werde, wie ich sie? Auch könnte ein Unglück sie mir wieder entreißen.“ „Schwärmerischer Knabe! noch kennst du sie nicht; weder Gewohnheit noch harmonischer Einklang fesselte dich an sie, und schon eifersüchtelst du mit dem Schicksale, daß dich entweder um ihre Schwesterliebe betrügen, oder euch wieder trennen könnte.“ „Bin ich nur erst bei ihr, so kann dies nur der Tod! -- Ich habe schon etliche Mal die schöne Schwester im Traume gesehen; ich glaubte, es sey Seraphine, die Augen, der Mund, die Haare, das Grübchen im Kinn -- genug es war ganz ihr Ebenbild; und da stand meine Mutter und sagte, es sey meine Schwester. Eine fremde Dame trat aber hinzu, nahm das Mädchen bei der Hand, blickte wehmüthig auf Donna Giuliana, und zu mir sagte sie sehr freundlich -- es ist meine Tochter, so lange ich sie auf Erden besitze, darfst du sie Schwester nennen. -- Und dies Traumbild verläßt mich nimmer.“ „Sonderbar,“ lispelte betroffen der Graf. „Nun, es ist etwas an Deinem Traumgesicht. Adelaide hat wirklich Aehnlichkeit mit Seraphinen, ein Spiel der Natur; doch laß Dir dies nie in Gegenwart Adelaidens oder der Gräfin merken, man könnte glauben, Du zögest Seraphinen Deiner neuen Freundin vor, Du wünschtest Dich wieder nach Messina zu ihr -- und dies würde ihnen weh thun.“ „Weh? -- ich Adelaiden und der Gräfin weh thun? -- dafür bewahre mich St. Franzesko.“ Die geschäftige Einbildungskraft Zynthio’s, welche treffend genug die Vergangenheit mit der Zukunft vereinigte, beunruhigte indessen doch den Grafen. Ein neuer Gegenstand, der sich dem Interesse seines Pfleglings anbot, war ihm daher sehr willkommen. * * * * * Daß Sr. Excellenz morgen früh die Stadt Zürich ohne alle Gefährde wieder verlassen könnten, wo selbst ihn eine Beschädigung am Fuß, die ein kleines Wundfieber nach sich gezogen, einige Tage aufgehalten hatte -- versicherte so eben der Wundarzt, und empfahl sich mit tiefen Bücklingen, und reichlich gefüllter Hand, als ein wohlhabend bürgerlich gekleideter Mann, der einen zwölfjährigen Burschen an der Hand hatte, unangemeldet ins Zimmer trat, und den weitern glückliche Reise wünschen, Danksversicherungen für genossene hohe Ehre und splendide Bezahlung der geringen Verdienste, des geschwätzigen Chirurgus ein Ende machte. Alexis sah die neue Erscheinung befremdet an. „Herr Graf,“ begann der Mann -- „ich bin ein ehrlicher Schweizer, ein Zeugfabrikant dieses Orts, und versteh den Henker von Komplimenten und dergleichen Wischiwaschi. Aber ich gehe voll Vertrauen und dreist zu Männern, sie seyen Bürgersleute, Grafen oder Fürsten, wenn ich glaube und erwarten darf, daß sie brav und menschenfreundlich sind.“ „Nun, ich schmeichle mir allenfalls auf ein solches Vertrauen Anspruch machen zu dürfen.“ „Das habe ich vernommen von ihren Leuten, von dem Chirurgus, der sie besucht, und schließe es aus der Liebe, die der kleine Welsche, an dem Sie, wie ich gehört, Barmherzigkeit üben, für seinen Wohlthäter hegt. Er hat den Wundarzt, so erzählt dieser, mit Thränen angelegen, Sie bald Ihrer Schmerzen zu befreien.“ „Der Knabe hat eine schöne weiche Seele! -- aber kurz zur Sache; wodurch kann ich Ihnen mein Gutseyn beweisen? -- Worinnen bedürften Sie die Hülfe eines Menschenfreundes?“ -- „Ich für mich in nichts, Herr Graf! -- Aber dieser Bube hier, dem könnte es zu statten kommen. Ein ehrlicher Westphälinger, aus Düsseldorf gebürtig.“ „Eine Waise?“ -- „Wie man’s nimmt, wenigstens eine vaterlose Waise.“ „Ich verstehe; so ein vom Herrn Papa nicht anerkanntes Kind der Liebe.“ „Da sey Gott vor. Nein, er ist in rechtmäßiger Ehe erzeugt. Seine Mutter lebt noch, in Saus und Braus, in Freud und Herrlichkeit. Im Hause der Großeltern geht’s zu wie beim reichen Mann. Nur der Vater -- dem es vor der Stirn juckte, und die Galle überkochte, als um seine Ehre Pfänderspiel getrieben wurde, starb hier in Elend, und ich erbte seinen Sohn, diesen Buben hier.“ „Aha! -- Freilich es ist oft ein Unglück, so kitzlich zu seyn. Aber noch begreife ich nicht recht; soll ich den Knaben zu seiner Mutter, zu den Großeltern schaffen?“ -- „Bewahre Gott! das wäre gegen den Willen seines Vaters, der mich noch im Sterben bat, die Rückkehr des Kindes dahin zu verhüten. Nein, lieber soll er sein Brod unter fremden Leuten suchen.“ „Wäre es aber nicht, bei dem Vermögen seiner Verwandten, ein Vortheil für ihn, wenn er“ -- -- „Lassen wir das dahin gestellt seyn. -- Oder hätten Sie Lust sich mit dem Burschen zu befassen, dann würde ich Ihnen vieles deutlicher machen.“ „Er gefällt mir, und -- Zynthio, möchtest du ihn wohl zum Reisegefährten? -- wollen wir ihn zu Adelaiden mitnehmen?“ -- „~Si, Signore!~“ rief dieser mit Freuden, indem er des Grafen Brust und Hände mit Küssen überströmte. -- „Bravo, Amico! du gehst mit uns nach Deutschland, wo wir einen Engel finden werden; Schwester Adelaiden“ -- „Holla! einen Engel? -- begann der alte Schweitzer -- das klingt wohl tröstlich für meinen Georg; -- aber wird dieser Engel auch ihm ein Schutz- und Gnadenschild seyn und bleiben wollen?“ -- „Es ist meine fünfjährige Tochter. Ein sanftes gutes Kind; übrigens gebe ich nicht in ihrem, sondern in meinem Namen das Wort. Wem ich meine Fürsorge einmal zusagte, dem entzog ich sie, unter keinen Umständen, wieder.“ „Nun dann -- mit Erlaubniß Herr Graf! -- Georg bitte den jungen Herrn, daß er ein wenig mit dir ins Nebenzimmer geht, du kannst, wo’s nöthig ist, und er dich brauchbar findet, dich ihm fein dienstlich erweisen.“ -- Alexis winkte, und beide Knaben verließen das Zimmer. „Jetzt will ich von der Leber weg reden. Der Bube soll seine Mutter nicht wiedersehen, der er schon als dreijähriges Kind entrissen wurde, um ihre Untugenden nicht kennen zu lernen. Ich will die Schuld nicht auf mir haben, daß sie ihm durch meine Erzählung bekannt wurden. -- Sein Vater, Namens Anton Rellmann, war ein junger Mahler, der nichts besaß, als Geschicklichkeit, Fleiß und Liebe zu seiner Kunst und ein eisernes Kapital von Redlichkeit, Treue gegen Gott und Menschen; und -- einen Kopf, Herr! -- einen Kopf! -- Länder hätte er damit regieren, Staatsverfassungen umstürzen und bessere dafür einführen können, trotz manchen -- Nun, nun das gehört weiter nicht hierher, außer in so fern, als auch ein gescheuter Mann der Hinterlist eines ehrvergeßnen Weibes unterliegen kann. -- Sie war die einzige Tochter des Inspektors von der Mahlerakademie, reich, und mag fein genug ausgesehen haben. -- Den schmucken Gesell Rellmann heirathete sie aus sinnlichem Wohlgefallen, und die Eltern waren’s zufrieden, weil er bei der Herrschaft in Manheim in gutem Ansehen stand. Ein anderthalb Jährchen mochte das Freudenleben der jungen Eheleute gedauert haben, während dessen ihm der Bube Georg geboren wurde -- da merkte er bereits, daß Madam sich nach anderem Zeitvertreib umschaute; und -- als er einst nach achtmonathlicher Abwesenheit, weil er in Manheim die kurfürstliche Familie abkonterfayen, auch mehrere Kirchengemälde auffrischen müssen -- seine liebe Hausehre in guter Hoffnung fand, und zehn Wochen später die Familie um ein neu gebornes Töchterlein vermehrt sah -- da wurde es ihm handgreiflich, daß er ein betrogener Ehemann sey. Durch ein verzetteltes Billet, welches ihm der kleine Georg brachte, entdeckte er den Verführer seines Weibes, verfolgte den vornehmen Schuft auf Schritten und Tritten, bis er ihn auf einem abgelegenen Spatziergang in einem nahen Hölzchen erwischte. Der tollkühne Rellmann drang ihm eine Pistole auf, die andere mit gespanntem Hahn, hielt er dem zitternden Baron unter die Nase. -- Schießen Sie, oder ich schieße. -- Der Baron drückte los und fehlte; jetzt war die Reihe an dem Mahler, er schoß -- und das freiherrliche Gehirn spritzte an einem Baum. -- Rellmann, auf diesen Fall gefaßt, hatte schon im nächsten Dorfe seine Reiseanstalten getroffen; der kleine Georg wartete daselbst seiner, und in einem Einspänner erreichten sie schnell die erste Poststation. Er flüchtete zu uns, denn wir waren alte Bekannte, von seinen frühern Reisen durch die Schweitz nach Italien. Wenig brachte er mit, denn seine Ehrliebe erlaubte ihm nicht, sich auch nur mit dem geringsten des Eigenthums seiner Jesabell zu versehen. -- So lange der Kummer seine Gesundheit nicht völlig untergraben hatte, half ihm reichliche Arbeit durch. Als komplette Auszehrung ihn auf’s Siechbette warf, da verließen ihn gute Menschen und Freunde nicht in der Noth. Er starb in meinem Hause; seinen Buben band er mir auf die Seele. -- Was Christenpflicht mit sich bringt, habe ich bisher an Georg gethan. Nach vollbrachten Schuljahren sollte er in Gottesnahmen ein Zeugmacher werden: ja, aber dazu fehlt Lust. Auf unserm Gymnasium hatte er gewöhnlich das beste Zeugniß, aber für unsere Handthierung ist er nicht einmal zum Garnaufspulen zu brauchen.“ „Vielleicht steckt ein Gelehrter in ihm,“ meinte der Graf. „Hm! -- sollte das mit seinem rastlosen Umhertreiben übereinstimmen? Zwar, was er aus den Büchern zu lernen hat, das fliegt ihm nur so in den Kopf, aber sind die Schulstunden vorbei, dann geht’s über Busch und Graben, auf’s Bogenschießen, andres Schießgewehr gebe ich ihm nicht in die Hände, so lüstern er auch immer nach den Stutz blickt, der über mein Bett hängt. -- Ich denke es würde ein guter Forst- und Waidmann aus ihm werden, und läßt man so ein Wörtchen gegen ihn fliegen -- huch! wie lebt und webt alles an ihm, wie blitzen seine Augen!“ -- „Da könnte ihm auf meinen Gütern geholfen werden. Ich habe einen tüchtigen Oberförster -- und wenn Sie mir ihn also anvertrauen wollen“ -- -- „Ich muß wohl, so ungern ich auch den Buben von mir lasse.“ „Welche Nothwendigkeit heischt aber diese Trennung?“ „Mein Hauskreutz, Herr Graf! Ein Uebel, das wohl mancher ehrliche Mann mit mir gemein hat. Mein erstes Weib starb ein Jahr nach Rellmanns Tode. Kleine Kinder, weitläuftige Haus- und Fabrikenwirthschaft nöthigten mich bald, zu einer zweiten Heirath zu schreiten. Die Stiefmutter meiner eignen Kinder, ist es zwiefach gegen den armen Georg. Darum danke ich Gott, wenn ich eine gute Freistatt für den kleinen Rellmann bei Ihnen finde, so ist ihm und mir für’s erste geholfen. Ausgestrichen wird er darum doch nicht in meinem Herzen, und so Gott meinen Handel und Wandel ferner zu segnen beschlossen, auch nicht aus meinem letzten Willen.“ Alexis drückte dem Zeugfabrikanten recht brüderlich die Hand. „Braver Mann, Sie sollen Freude an Ihrem Werk der Menschenliebe erleben. Georgs zweiter Pflegevater wird -- das verspreche ich Ihnen als ehrlicher Mann -- eben so väterlich für ihn sorgen, als sein Vorgänger.“ „Dann, Herr Graf! -- dann wird unser aller Vater da oben einst zu uns sagen: ihr habt meinen Willen erkannt, und eure Pflichten als gute Menschen erfüllt.“ Georgs Abschied von seinem Wohlthäter kostete ihm heiße Thränen, so sehr der Knabe auch über seine Bestimmung entzückt war. „Und hier hast du, nebst seinem Segen, das dir von deinem Vater hinterlassene Erbtheil. Hebe diese vierzehn Dukaten, so lange dich nicht die äußerste Noth drückt, als ein Heiligthum auf. Uebst du Redlichkeit, Treue und Dankbarkeit gegen deinen Versorger und Herrn, so wirst du deines Leibes Nahrung und Nothdurft von ihm erhalten. Uebrigens vergiß in keiner Gefahr, in keinem Unglück, wo du einst verlassen stehen mögtest, daß so lange ich lebe, du noch einen Vater in Zürich hast. Sterbe ich, so erhältst du Kunde von meinem Tode. Nur mir laß nie die Kunde werden, daß du ein schlechter Mensch geworden bist.“ * * * * * Wie sich im Blumenstrauß, der den Busen eines liebekranken Mädchens schmückt, der schwärmerisch duftende Jasmin sich um die, mit purpurnen Streifen durchbrochene Knospe des nachbarlichen Rosenzweiges umschlingt, so schmiegte sich Zynthio an Adelaiden; und Mathilde flehte so süß, auch sie -- das duftende Veilchen in diesem Blüthengewinde -- aufzunehmen, daß Zynthio den seligen Blick gefühlvoller Mittheilung auch auf ihr ruhen ließ, wann er das fromme Entzücken, die himmlischen Erscheinungen des in heiliger Schwärmerei aufgelößten Johannes, dessen überirrdische Gefühle in den Armen, an der Brust seines göttlichen Freundes sang. -- Wann er sich aber dem Zauber einer Aufopferung für Adelaiden überließ, seine Einbildungskraft den Engel, der ihn wachend und träumend umschwebte, in menschliche Hülle formte -- o dann haftete sein schwarzes glühendes Auge nur auf der holden Schwester; sie war sein Genius; an sie richtete er seine seligsten Wünsche. Der Zweck seines Daseyns schien ihm, für sie zu leben; und so wie der fromme Klausner, die durch Büßung und mühvoller Wallfahrt errungene Reliquie mit Gefahr seines Lebens für profaner Berührung oder Entwendung bewahren würde -- so spähete er jedes trübe Wölkchen zu verscheuchen, das Adelaidens kindliche Heiterkeit drohete, jedem physischen Mißbehagen ihres zarten Körpers vorbeugen oder durch die liebevollste Aufmerksamkeit lindern zu können. Adelaidens unaussprechlich zart besaitete Seele mußte unumgänglich unter den Händen eines Jünglings, dessen Empfindungen und Imaginations-Fähigkeiten die überspanntesten waren, welche nur je unter italischem Himmel erzeugt wurden, eine Stimmung erhalten, die -- wiewohl um vieles sanfter -- dennoch mit der Seinigen im schönsten Einklang harmonirte. Mathilde bestrebte sich aus Liebe zu ihrer Gespielin alles zu seyn, was diese war -- und ohne die reichhaltige Quelle hoher Geistesgaben, den Keim der edelsten Seelengröße, der Empfänglichkeit für jede erhabene Tugend einer Adelaide zu besitzen, hatte sie doch reine Güte und edle Reizbarkeit genug, um die Strahlen der glänzenden Eigenschaften ihrer so sanft schimmernden Freundin aufzufangen, und deren Wiederschein zu seyn. So tönte denn dieses Kleeblatt drei unschuldsvoller Seelen bei der leisesten Berührung ihrer Genüsse -- die an diesem kindlichen Engelsverein ihren wonnigsten Genuß zu haben schienen, gleich Aeolsharfen in das Gesäusel des lieblichen West’s. Die Gruppe selbst, in allen ihrem Leben und Wirkungen schien ein Gemälde in ätherischen Tinten zu seyn, und in einem Zauberspiegel, den Vorschmack einer himmlischen kaum mit Sinnen zu fassenden Zukunft eines Jenseits zu geben. Alles was sich zum Hof und der schönen Welt in der Residenz zählen durfte, staunte diese kleinen Wundermenschen an. Es wurde Ton, sich der Nachahmung des idealischen Schwunges der Gedanken und Ausdrücke, des bewunderten Sicilianers, und der wirklich idealischen Liebenswürdigkeiten, seiner ihm durch Sympathie verschwisterten Gespielinnen zu befleißigen. Als diese Kopien gewöhnlich sehr schlecht ausfielen, ja nicht selten Karrikaturen bildeten, zu denen sich kein Verleger und kein Lobpreiser fand, so sah man wohl endlich ein, daß Originale dieser Art, wie sie nur selten aus der Hand des Schöpfers gehen -- Pracht-Ausgaben sind, an die sich kein Nachdrucker auf seinem Löschpapier wagen darf, ohne auf sich selbst das bitterste Pasquil zu machen. -- Man begnügte sich demnach sehr bald, diese rührende Schwärmerey, diese hinreißende süße Naivität zu bewundern, ohne fernere unglückliche Versuche der Nachahmung -- hingegen der eingerißnen Wuth, singen, Guitarre spielen, und den italienischen Dichtergeist auch auf sich herabzuziehen, desto mehrern Spielraum zu geben. Alles sang und wurde besungen, das Wie? -- kam nicht in Anschlag, man that nach seinen Kräften. Die Instrumentenmacher kamen in Flor, denn die Guitarren-Bestellungen überhäuften sie mit Arbeit. So sehr es Graf Wallersee und seine Gemahlin schmeichelte, ihre liebliche Knospe Wunderhold schon als Kind Epoche machen, und sie von allen Hofleuten, ja von der ganzen Residenz bewundert zu sehen, und Zynthio, der zu dieser Celebrität nicht wenig beitrug, zu ihrem zweiten Liebling erhoben, und demselben ihren leiblichen Sohn Theodor nachsetzten -- so hätte doch diese exaltirte Stimmung der kindlichen weichen Gefühle sowohl für Adelaiden, als auch selbst für Mathilden nachtheilige Folgen in der Zukunft haben, und ihre jetzt überspannten Seelenkräfte, im wirklichen Leben bis zur Unbrauchbarkeit für die wesentliche Tendenz edler Weltbürgerinnen erschlaffen können; wenn nicht auch hier der Schutzgeist frommer liebenswürdiger Unschuld sie an der Hand einer so klugen als trefflichen Führerin diesen Gefahren ausweichen ließ. Baronin Treval, die Gouvernante der kleinen Prinzessin, welche von ihren Zöglinginnen wie eine Mutter geliebt und verehrt wurde, wußte diese bebende Erhöhung ihrer weichen Gefühle, diese glühende Mittheilung des Wohlwollens -- das mit unverständlicher Sehnsucht in dem kleinen Kreise ihrer Imagination umherirrte, und sich von der erhitzten Phantasie ihres Sicilianers im unsichern Fluge mit fortreißen ließ -- bald wieder in die Gränzen wahrer schöner Menschengefühle zu führen. * * * * * „Auf’s Gedeihen braver Schwiegersöhne!“ sagten listig schmunzelnd Sr. Durchlaucht, indem sie ihrem getreuen Joab, den Ratavia kredenzten, welcher nebst dem dazu gehörigen Morgenimbiß aus der Seitentasche der Jagdchaise gelangt worden. „Da sich rechtgläubige Waidmänner auf glückliche Beute nicht zutrinken dürfen -- so ist dieser Nothbehelf lustig genung gewählt!“ -- erwiederte Alexis -- „Und ich dächte interessant für uns Beide. Wir sind Väter, und unsre Töchter gerade hübsch und liebeverlangend genung, um gegründete Ansprüche auf die Freuden einer glücklichen Ehe zu machen. -- Wie?“ -- Alexis, welcher die betonten Wie’s? -- Sr. Durchlaucht schon aus Erfahrung als bedeutend kannte, sah ihn forschend an, und erwiederte gleich stark betont: „Das eheliche Glück der Fürstenkinder wird ja schon bei ihrer Wiege entschieden, wie könnte dies zweifelhaft seyn? -- Und, was meine Tochter betrifft, Adelaide ist keine Spanierin; ein Deutsches Mädchen, darf mit vierzehn Jahren -- wann und wo ich mitzusprechen habe, an diesen wichtigen Schritt, weder nach ihrem, noch nach meinem Kopf, zu denken wagen. Zwei, drei Jahre später tritt allenfalls die Zeit der Reife für dergleichen Reflektionen bei ihr ein.“ „Meines Oberjägermeisters jüngster Sohn, Graf Heinrich, glaubt sie jetzt schon eingetreten; wenigstens ist er mit seinem Resultat in’s Reine, zur großen Freude seines Vaters.“ -- „Wie nun so jeder seine Ansicht der Dinge hat“ -- warf Alexis dem mit gespitzten Ohr ihn beobachtenden Fürsten leichthin ein, und lüpfte tändelnd, sein ~Couteau de Chasse~ in der Scheide. „Und mir gaben Sie den Auftrag, daß ich mich um den Preis dieser Aufgabe für ihn verwenden soll. Mit einem Wort, lieber Wallersee! Ihr seht in mir den Freiwerber -- um die liebenswürdige Adelaide für den jungen Graf Bendheim.“ „Adelaide hat vor wenig Tagen erst ihr vierzehntes Jahr erreicht. -- Ich war so frei, Ew. Durchlaucht so eben mit meinen Gesinnungen hierüber bekannt zu machen.“ „Wohl! -- Ich ehre die Besorgnisse des Deutschen Hausvaters. Frühe Heirath, frühes Mutterwerden schwächt die Gesundheit und Blüthe des zarten Weibes. Doch sagt hier die spekulative Vernunft, streitet sonst kein Hinderniß gegen diese Heirath -- so verlobt man die jungen Leute, oder -- um sicherer zu gehen, man vermählt sie. Nach solenner Festivität führe ich als Wirth der Fete den Neuvermählten -- nicht zum Torus, sondern an den Reisewagen. Er aquirire sich -- indem er ein paar Jährchen unsern Welttheil durchstreicht, die Würde eines Ehemannes, komme an Kenntnissen bereichert als Legationsrath zurück; und nehme dann erst von seiner Gemahlin, so wie auch nach des redlichen steinalten Lestocks Tode, von dessen erledigter Ministerstelle der auswärtigen Affairen Posseß. -- ~Eh bien mon General!~ -- wie gefällt Ihnen die Idee?“ -- „Als Idee betrachtet -- fürstlich und lachend.“ „Vortrefflich! dort sprengt der Oberjägermeister und läßt seine Unruh an den armen Bauern, den Handlangern unsrer Treibjagd aus. -- Wir wollen Wild und Menschen Luft gönnen, und Bendheim ohne Verzug das Zeichen zum ~Rendez vous~ auf dem Jagdschlosse geben, damit die Sache noch heute unter uns Männern zur völligen Richtigkeit komme.“ „Das muß ich verbitten, zur völligen Richtigkeit darf die Sache -- ich wiederhole es noch einmal -- wenigstens unter den nächsten anderthalb Jahren nicht kommen.“ „Wallersee! -- Ich habe diesen eisernen Sinn gefürchtet; aber -- doch auch viel von Ihrer Klugheit, und Ihrem Vertrauen auf meine gute Meinung gehofft. Wirklich Sie machen meine Freundschaft, mein herzliches Wohlwollen für Sie, um einen schönen Genuß ärmer. -- Und warum? Sie haben gegen den Vorschlag nichts. -- Zwar ist mir die alte Animosität unter Euch Herren bekannt.“ -- -- „Die kömmt hier nicht in Frage, wenn es von dem Glück unsrer Kinder handelt; wiewohl der Herr Oberjägermeister in Erinnerung desselben, es nicht für räthlich zu halten scheint, sich gerad und ehrlich an mich selbst zu wenden.“ „Vielleicht, doch sein herzlichster Wunsch ist, diese fatale Erinnerung durch verwandschaftliche Bande, in der natürlichsten Vereinigung zu ersticken. Unverhohlner erklärte sich freilich des Sohnes Liebe und Absicht.“ -- -- „Das heißt, er schwärmt und faselt um das unbefangene Mädchen; wie der Schmetterling um die kaum aufgebrochne Knospe.“ „Und die Liebliche entfaltet ihren Purpur, um ihn auf immer zu fesseln.“ „Dies mag die Zeit lehren. Der Plan Ew. Durchlaucht ist dazu der anwendbarste, nur mit der Abänderung: Er gehe auf Reisen, ohne durch Vermählung, nicht einmal durch Verlobung gebunden zu seyn; sind nach Verlauf von zwei Jahren Wünsche und Neigung des jungen Herrn noch dieselben -- und was die Hauptbedingung ist -- sind alsdann die Gefühle, das Bedürfniß der Liebe in Adelaidens Busen erwacht, für ihn erwacht -- in Gottes Namen dann.“ „Sie glauben, noch schlafen diese Gefühle? -- Wie?“ -- „Ich glaube nicht nur, sondern bin dessen fest überzeugt.“ „Hier irrt sich doch wohl der verdachtlose Vater.“ „Beweise dieses Irrthums, Ew. Durchlaucht!“ -- -- „Liegen, meine ich -- ziemlich klar am Tage.“ „Um so dringender muß ich bitten, auch mir dieses Licht leuchten zu lassen, da der Nebel der Verleumdung die höfische Sphäre gewöhnlich so verdickt, daß der reine Glanz der Wahrheit sich gänzlich unserm Auge verbirgt. Je fleckenloser und weißer das Gewand, je nachtheiliger und bemerkbarer sind an demselben die Spuren des Betastens unreiner Hände.“ „Sie gerathen in Affekt, lieber Graf! Freilich, wie Sie meine freundschaftliche und wahrlich auf nichts schlimmes deutende Berührung des Herzens der kleinen Gräfin vielleicht nehmen.“ „Ew. Durchlaucht unmittelbare Meinung auch im geringsten zweideutig oder ehrverletzend zu nehmen, wird mir nie einfallen. -- Aber die Sprachröhre müßiger, geifernder Höflinge, wissen sich in das Ohr der Fürsten zu leiten -- wie der verheerende Wurm in den Kelch der königlichsten Blume. -- Beweise müssen uns wenigstens die Herzensbeobachter liefern; ich beruhige mich nicht ohne Erörterung dieser mir jetzt so konsequent scheinenden Bemerkung Ew. Durchlaucht.“ „So werfen Sie mir den Handschuh hin, ohne sich in Fehde mit dem übrigen uns umgebenden Troß zu verwickeln, welcher zu jener Bemerkung nichts beitrug. Freund zum Freunde also: Mein Louis und Adelaide ist die Losung in der Region liebender Wesen.“ „Der Erbprinz und meine Tochter?“ -- „Lieben sich zart und schwärmerisch wie Engel. Aber Sie begreifen -- zum Glück dieser beiden edeln Geschöpfe kann diese Leidenschaft, je herrschender und distinkter sie wird -- nicht führen.“ „Ich begreife und danke meinem wahr fürstlichen Freund für die Entdeckung, aus vollem innig gerührten Herzen!“ „Und haben jetzt Sinn für die Bendheimsche Bewerbung? -- Daß sie schleunig angenommen das beste Präservativ für die Herzensverwirrung unsrer Kinder sey, ist unläugbar.“ „Je mehr ich die Nothwendigkeit anerkenne, sorgfältig die Entwickelung der Gefühle des Mädchens zu leiten, um so behutsamer und zarter muß diese Leitung seyn, und um so weniger ihr eine Wahl vorgeschrieben werden, die ihrer Neigung vielleicht nie entsprechen -- ja durch so genannte väterliche Tyranney dazu gezwungen -- Haß, oder was noch schlimmer ist -- kalte Verachtung für ihren Gatten hervorbringen würde.“ „Lieber Graf! -- Nur noch ein Wort. Ich denke es bedarf keiner Erwähnung, daß nur Sorge für die junge Gräfin mich wünschen und Ihnen rathen läßt, Adelaidens Herz ihrem soliden Glück gemäßer zu fixiren. Die Perle ist zum Objekt der Leidenschaft eines Fürstensohnes zu edel.“ „Unstreitig, unstreitig!! -- Sie soll mit Argusaugen der väterlichen Sorgfalt für dergleichen Entweihung gehütet werden. Ohne sie indessen dermahlen zu der vorgeschlagenen Wahl zu forciren, will ich ungesäumt Maaßregeln treffen, die Ew. Durchlaucht um so mehr rechtfertigen werden, je dankbarer und richtiger ich die erhaltenen Winke verstehe und benutze.“ „Freilich, dem Gutachten des verständigen Vaters läßt sich nichts Nachdrückliches einwenden. Doch wir bleiben Freunde! -- wir bleiben die Alten -- nicht wahr?“ -- „Ich weiß diese Gnade zu schätzen.“ -- Mit traulichem Händedruck und einem sich alle weitere Respektsversicherung verbittenden: Basta! -- brach der Herzog das Gespräch ab, und gab seinem Büchsenspanner Befehl, welcher auf der entgegengesetzten Buschseite nebst seinem Sohne in unruhiger Erwartung des Gelingens seines durchlauchtigsten Brautwerbers die Bauern beim Treibjagen die Schwere seiner Ungeduld fühlen ließ -- das Signal zum neuen Angriff des Wildes durch die Hörner geben zu lassen. * * * * * Graf Wallersee kaufte das Palais eines die Residenz verlassenden russischen Fürsten. Garten und Park, welche dazu gehörten, war der wankenden Gesundheit, den hektischen Uebeln des Generals längerhin unentbehrlich. Das anbrechende Frühjahr fand demnach die Familie Wallersee schon in der neuen Wohnung eingerichtet, und Adelaide durchstreifte jetzt am Arm ihres Zynthio’s unter den Augen des beobachtenden Vaters die Bogengänge und Gebüsche, ohne die Gesellschaft des Erbprinzen auf eine ihre Freuden störende Art zu vermissen. Die fürstlichen Leibärzte rühmten die schöne Jahreszeit zur Blatterimpfung als äußerst vortheilhaft. Prinz Louis hatte diese furchtbare Krankheit noch nicht überstanden. Man entschloß sich zur Inokulation. Die Vorbereitung erfoderte reine Landluft und leidenschaftslose arkadische Stille. Ein Lustschloß, einige Meilen von der Residenz entfernt, wurde zu des Blatter-Kandidaten Aufenthalt für dieses Frühjahr erwählt. Auch Prinzessin Mathilde sollte sich der Einimpfung unterwerfen. „Ich will mich dem Tode unterwerfen, rief die kleine Schwärmerin -- nur laßt mich in Adelaidens Armen sterben.“ Sie stürbe, sagte Baronin Tréval, ohne alle Gefahr der Krankheit selbst -- wenn man sie in einer solchen Schonung verlangenden Epoche von ihrer Freundin trennte. Der Graf und seine Gemahlin vereinigten so herzlich ihre aufrichtigen Anerbietungen mit den Bitten ihrer geliebten Adelaide, welche schon in frühester Kindheit die Blattern gehabt, daß Mathildens Wünsche erfüllt wurden und Letztere der kleinen Gräfin Zimmer nebst ihrer Gouvernante für die bevorstehende Leidensperiode beziehen durfte. „Meine theure Ludmilla!“ sagte die Fürstin, als sie einen heitern schönen Nachmittag das Krankenzimmer der Prinzessin am Arm der Gräfin verließ, und dem Zypressenhayn des Wallerseeschen Parks zueilte -- wo in dem Tempel des Apoll eine Collation die gutmüthigen geschwätzigen Mütter erwartete. -- „Meine edelste, treuste Freundin! -- daß wir uns trennen mußten, unser häusliches Leben und Weben nicht ferner mit einander treiben durften, das verzeih der Himmel unsern eigensinnigen gebietenden Eheherrn! -- Aber daß es nicht immer so bleiben darf, wie es jetzt ist -- dies wollen wir uns in dieser Stunde, in dem heiligen Tempel der Natur, unter dem heitern blauen Himmel geloben.“ Ein Trutz- und Schutzbündniß also, gegen die Despotie unserer Gemahle! -- erwiederte lächelnd Ludmilla. „So etwas dergleichen; doch wohl verstanden: In der Manier, daß die Herren selbst nichts sträfliches an dieser Verschwörung finden können. Es ist uns beiden bekannt, welches Phantom die beiden Unglückspropheten aus der unbefangenen Ruhe unserer Kinder wegen trieb, und auch uns arme Weiber wie geängstete Rehe aufscheuchen ließ. -- Ich habe -- allen Egard für die unfehlbare Weisheit dieser Herren unbeschadet -- des blinden Feuerlärms gelacht. Unsere Adelaide, die unschuldige kindliche Taube --!“ Auch ist mein Alexis jetzt gänzlich beruhigt und überzeugt, daß ihrem Herzen keine Gefahr drohte. „Und Louis -- o da lasse man doch den Flattersinn der Männer für dessen Heilung sorgen, wenn sein Herz je krank war. Seine zu hoffende Verbindung mit der ***schen Prinzessin, seine einstweiligen Reisen und Aufenthalt an jenem Hof -- welche künftigen Winter ihren Anfang nehmen sollen -- werden den zärtlichen Etourdi schon völlig zur Raison bringen.“ Nichts gewisser als das. „Und weiß meine Freundin wohl, daß der Graf von meinem Gemahl wieder mit Bitten bestürmt werden soll -- das Kommando über unsern Louis zu führen und ihn an Vaters Statt auf seinen Freiers-Zügen zu begleiten? -- Wie? Sie zucken zweifelhaft die Achseln?“ Meines Alexis Gesundheit schwankt jetzt mehr als jemals. Trübe Launen, innerer Kummer -- den ihm ohne Zweifel die widerspenstige Gemüthsart meines unglücklichen Sohnes verursacht -- machen mich öfters für einen uns vielleicht nur zu nahe liegenden Schlag zittern, der mich und meine Kinder in Verzweiflung stürzen wird. -- Des ihm zugedachten so hoch ehrenden Vertrauens Sr. Durchlaucht wird er sich schwerlich diesmal würdig machen können. „Mein Gott! Sie weinen; lassen Sie mich Ihre Sorgen theilen, vielleicht führt diese Mittheilung zum Verein meiner Wünsche mit der Bestimmung ihrer Zukunft.“ O mein Sohn Theodor! -- Dieser verkehrte starrsinnige Jüngling, mischt mir Wermuth in jeden Tropfen der Freude; er läßt meine Nächte schlaflos in Gram dahinschleichen, und im verfallnen erlöschenden Auge meines Alexis den nur mühsam unterdrückten Grimm und das schreckliche Wort: Fluch dem Ungerathnen! -- des tief beleidigten, von ihm langsam gemordeten und nicht versöhnten Vaters, als sein letzter Sterbensruf mit Zittern erwarten! -- „Allgerechter! -- So schlimm steht es mit dem Jüngling? -- Arme Mutter!“ -- Noch zählte ich den Verirrten nicht unter die Verlornen. Besseres Vertrauen auf den Grund seiner, nur durch wilde Thorheiten umnebelten aber nicht gänzlich verdorbenen Seele, fordert mit tröstender Ueberredungskunst, seine Vertheidigerin Adelaide; das zarte Herz des guten Kindes erwärmt mit dem überströmenden Gefühl der Schwesterliebe, den Glauben der verzagenden Mutter an den schon halb aufgegebnen Sohn. -- Und nur dieser schmeichelnden Fürsprecherin gelang es selbst schon zum öftern, der Friedensengel zwischen Vater und Sohn zu seyn. O wäre in einer solchen Stunde gemildeter Gefühle, Theodor hier, und sähe die Zähre der Rührung, des Verzeihens auf der Wange des weichgestimmten Vaters, er sänke ihm zu Füßen; Engel sprächen das Amen zu dem heiligen Bunde, und trügen diese dem Segen geweihte Stunde in das Buch ewiger gränzenloser Liebe unsers Vaters im Himmel ein. „Und könnte die Mutterliebe, die rastlose Betriebsamkeit der engelsguten Schwester nicht eine solche Stunde heilbringender Ueberraschung herbeyführen? -- Der Hülfsleistung theilnehmender verschwiegener Freunde sind Sie hoffentlich gewiß -- wo es nur eines Winkes bedarf, wann und wie Sie von des Fürsten und meiner Bereitwilligkeit Gebrauch machen könnten. -- Lassen Sie uns raffiniren, wie wir die Annäherung Vater und Sohnes bewürken, ohne daß der intricate Schein unsrer Thätigkeit dabey etwa Beyde noch mehr opiniatrirt, und die gute Absicht vereitelt.“ Ich habe dieserhalb schon einige Versuche gewagt und fehlschlagen sehen. -- Seitdem Theodor vergeblich um des Vaters Einwilligung zu der Reise nach Frankreich mit dem jungen La Valetta und der Idee, dort militairische Dienste zu nehmen, angehalten hat, seitdem ist Biegsamkeit, kindliche Ergebenheit gänzlich aus seinen Briefen verschwunden. In trotzigem herzlosen Subordinationston resignirt er auf die Willkühr freigeborner Menschen, welche nach Neigung ihre Bestimmung wählen dürfen, und versichert, daß er mit stoischem Gleichmuth den Befehl Sr. Excellenz des Herrn Generals von Wallersee erwarte, ob der Rekrut Theodor als Tambour oder als Fähnrich zur p...schen Fahne schwören soll. Diese schnöde Antwort zog ihm die Verurtheilung zu: noch ein Jahr als Ecolier in der Akademie militaire zu bleiben, nach deren Verlauf aber, als Kornett in das in B... stehende Husarenregiment zu treten, wozu ihn schon des Königs Gnade als Kind ernannte. „Freilich, diese Spannung der Gemüther ist schwerer zu besiegen, als der leidenschaftlichste Ausbruch! -- Kalter höhnender Trotz pikirt den General aufs höchste. -- Doch, nur nicht den Muth verloren! -- Sobald Graf Theodor sich als Officier der Knabenruthe völlig entzogen weiß, und den Unmuth als Kavallerist in glänzender Uniform auf einem feuersprühenden Araber austummeln kann -- sodann wird sich auch das unnatürliche, grollende seines Gemüths legen, und Frohsinn, Zufriedenheit mit seiner Bestimmung ihn dankbar und liebevoll in die Arme seiner langentbehrten Familie führen.“ Bange Ahndung sagt mir, daß es dann zu spät seyn dürfte. Ein gleiches Vorgefühl scheint auch mein Gemahl zu haben. Er beschäftigt sich, verschlossen in seinem Kabinet, mit Verfügungen auf den traurigsten Fall, der für mich und meine Kinder statt haben könnte. Mit Einem Worte, er ordnet seinen letzten Willen; die Zuziehung des General-Auditörs und noch zweier seiner vertrautesten Freunde, bestätigt meine Vermuthung. „Liebe Aengstliche! -- Ihre Träume sind ansteckend! -- Nein, lassen Sie uns die Beschuldigung des stärkern Geschlechts, daß wir in jedem Schatten Gespenster sehen -- nicht wahr machen.“ Leider haben diese Schrecken schon das gräßliche ihrer Neuheit verloren; ich bin schon zu vertraut mit der Gewißheit des mich bedrohenden Unglücks. „Nun, dann sind Sie auf dem Wege, den ich wünsche. Wir wollen also mit philosophischer Standhaftigkeit von diesem Zeitpunkt sprechen. Ihr Wittwenschleyer sey dann das Ordensgewand, in welchem Sie sich dem Gelübde unzertrennlicher Freundschaft und Vereinigung mit mir und unserm Hause unterwerfen. Die Soly ist alt, sehr alt; Keuchhusten und Nervenzerrüttung geben ihr kaum noch ein Lebensjahr Frist, und die Oberhofmeisterinstelle ist für meine theure Ludmilla erledigt; Ihre Hand darauf, daß Sie mir dann diese frohe Hoffnung nicht vereiteln.“ Es gelang der Fürstin, die bange Schwermuth der Generalin durch das schmeichelhafte Anerbieten der künftigen ehrenvollen Charge, in ein zwar wehmüthiges, aber freundliches dankbares Ergeben, in die ihr eröfnete Zukunft zu verwandeln. * * * * * Schon blickten Dichter und Kapellmeister stolz auf das gelungene Werk und hoffnungsvoll den vielen Beweisen hohen Beifalls entgegen, welche der zur Genesungs-Feier verfertigten Kantate, in Rollen goldenen Inhalts, oder Tabatieren gleichen Werthes werden mußten. Schon schoben sich Perüquen und Kaffeemützchen der Herren Dekoratörs und Feuerwerker, über dem Ausbrüten neuer Allegorien, von einem Ohr zum andern. Die arme aber wohlgebildete funfzehnjährige Jugend beiderlei Geschlechts ließ sich bereits in Aussicht des wohlthätigen Fonds künftiger Aussteuer -- der neu altgriechischen Form anpassen, in welcher sie Gruppen auf Amphitheatern des Fürstlichen Parks formiren sollten -- deren mythologische Tendenz kein Deutscher begriff, und wahrscheinlich die Manen ihres Adoptiv-Vaterlandes eben so wenig erkannt hätten. Das Sonnenlicht des sieben und zwanzigsten Mais, der Geburtstag des Fürsten, war bestimmt, diese doppelte Feier mit seinem Strahlenmantel zu verherrlichen, bis die dunkle golddurchwirkte Drapperie der Nacht das Signal gäbe mit zahllosen Flämmchen auf Bäumen und Hecken, mit feuersprühenden Rahmen, Pyramiden, fürstlichen Attributen, Sinnbildern und Motto’s, dem Gesetz der nun Ruhe und nächtliche Stille gebietenden Zeit zu trotzen. Auch Adelaide und Zynthio arbeiteten an einer Ueberraschung für die geliebte Mathilde zu diesem glänzenden Tag der Freude. Georg, welcher schon seine Lehrjahre überstanden, und in des Generals Hause, nicht als dienender Jäger, sondern nächst Zynthio den zweiten Platz unter Wallersee’s geliebten Pflegesöhnen behauptete, wiewohl keine gütige Dispensation, kein Befehl es vermochte, den Dankbaren seiner ihm selbst erwählten so süßen Pflicht, Adelaidens Leibeigner zu seyn, untreu zu machen; nur ihr wartete er bei der Tafel auf, nur die Zierde ihrer glänzenden Dienerschaft, ihrer Equipage zu seyn, war seine Eitelkeit. -- Auch Georg bot jetzt seine Geschicklichkeit, sein Erfindungsvermögen auf, um jene lieblichentworfene Idee in ihrer ganzen Vollkommenheit ausführbar zu machen. Aber -- wer vermag des Schicksals Launen zu berechnen, um nicht hin und wieder sich mit vergeblichen Erwartungen zu täuschen? -- Zynthio hatte es sich, besonders die letztere Zeit, nicht nehmen lassen, der treue Gehülfe Adelaidens in der Pflege und Zeitverkürzung der blatternden Mathilde zu seyn, und wurde nun das Opfer seiner Dienstwilligkeit. Ein dunkler Wahn machte ihn glauben, er habe schon an der Mutterbrust mit jener Krankheit gekämpft und sie überwunden, und folglich die Ansteckung dieser Menschenpest nicht mehr zu fürchten. Ein heftiges Fieber mit allen Symptomen der ihn hämisch begrüßenden Blattern widerlegten den Irrthum, und der sieben und zwanzigste May, der Tag allgemeinen Jubels, hatte den armen Sicilianer schon an die Pforten des Todes gerückt -- noch einen Schritt weiter, und meine Feder hätte hier mit einem ~memento mori!~ seiner Existenz zu erwähnen beschließen müssen. -- Doch als Mathildens Namenszug und Fürstenkrone im blauen Feuer auf der Plantage mit dem mitternächtlichen Glockenschlag verpuffte, und die nicht zurückzuhaltende Königin des Festes Adelaiden händeringend und verzweifelnd zur Seite am Lager des Leidenden seinem Hinscheiden entgegen starrte -- brach die Krisis; einem Harnisch gleich überzog das herausgetriebene Gift den Körper, und neu belebt hüpften und jauchzten die noch kurz vorher Trostlosen sich in tausend Wiederholungen zu: Er ist gerettet! -- Er wird nicht sterben! -- * * * * * „Nicht um den Ober-Gränzzoll-Inspectordienst nebst allen daran hangenden Sportelchen und Deputaten, lasse ich mich verleiten, meinen allergnädigsten Versucher -- den ich nicht erkennen mag -- gegen Pflicht und Verbot zu dieser Stunde das Einpassiren zu vergönnen“ donnerte im rauhen Baß der Cherubim vor dem stählernen Gitterthor des Wallerseeschen Paradieses in den Herbststurm des schauerlichen Novemberabends, und hielt statt des feurigen Schwertes seine Hellebarde dem Einlaß begehrenden in Mantel und formidabler Bärenmütze Vermummten entgegen. Alter ehrlicher Paul! -- Mir wolltest du den Einlaß versagen? -- antwortete es schmeichelnd aus der Hülle, die sich jetzt vom Kinn bis zum Auge lüftete. „Graf Theodor!“ rief der graue Pförtner in freudiger Bestürzung -- „unser junger Herr? -- das hebt die Parole. Das Verbot galt nur so einen gewissen Jemand, so zu sagen fürstlichen Wilddieben, die mit der Zitter unter dem Arm, und allerlei Liebestriller unter der jungen Comteß Fenster, das unschuldige Reh aufzuscheuchen und in ihr Garn zu locken, sich ab und zu gelüsten lassen.“ So, so! -- noch immer die alte Jagd? -- murmelte Theodor -- Recht, Meister Isegrim! halt dich brav auf deinen Posten, mach’ deinen Waffen Ehre. Welch’ einem unberufnen Schützen du die glatte Haut ritzest -- hast du nicht zu verantworten: im Finstern kannst du ohnehin nicht wissen, wen und wohin deine Nachtwächterlanze trifft. „Haha! dacht’s wohl, auch noch immer das alte Häkchen!“ schmunzelte pfiffig der Hellebardenträger -- „Nun, nun, bis dahin lassen wirs nicht kommen. Indessen, schön willkommen! wenn nicht in’s Grüne, doch in Hagel und Sturm des frostigen Novembers.“ Oben, in den Armen der mich freundlich erwarmenden Familiensonne wird’s besser seyn. Bleib mit deiner Laterne zurück; ich will sie überraschen. „Das Gott erbarm!“ Was krächzt der alte Rabe? -- Sind sie nicht zu Hause, vielleicht für mich nicht zu Hause? -- „O ja, aber der Papa -- die arme Excellenz stöhnt und sieht dem Christmonat entgegen, wie eine zum Verlöschen ausgebrannte Nachtlampe dem anbrechenden Morgen, kaum flackert’s, bis es draußen hell wird!“ O, meine weissagende Seele! -- „Ja, ja; das Weihnachtsfest wird wohl Trauer bringen. Nun, die gute brave Excellenz ist gefaßt; aber -- die Ueberraschung rathe ich doch ab.“ Meinst du? -- „Komteßchen, die liebe fromme Seele! mag den Papa vorbereiten. Sie ist ohnehin die Einzige, die nicht von der Seite des wunderlichen Kranken weichen darf.“ Und meine Mutter? -- „Weint oft in ihrem einsamen Kämmerlein, weil Excellenz die Thränen nicht wohl leiden können, und Lamentationen seinen Zustand erschweren.“ Mit einem ängstlichen Schrey des Schreckens bebte die Generalin von dem Sopha auf, dessen Polster so wie ihre Wangen von den Spuren ihres Jammers, wie im Abendthaue glänzten, als Theodor das einsame Gemach betrat, und das düster leuchtende Kaminfeuer ihn, einem Abgeschiedenen gleich, nur in unsicherer Schattengestalt kenntlich machte. Theodor! du Schmerzenssohn! -- Ein guter Engel führe dich her! -- Der Moment ist wichtig, der wichtigste deines Lebens. -- In der Hand des sterbenden Vaters schwankt noch das Zünglein der Waage -- eile, daß die Segensschaale den Ausschlag gebe! -- Adelaiden verdankst du, daß es damit noch nicht zu spät ist. -- Ich weiß alles. -- Aber soll ich den Dahinscheidenden betrügen? -- Ich kann die Bedingungen nicht erfüllen, und komme, seine Billigkeit, seine väterliche Nachsicht in Anspruch zu nehmen. „Unglücklicher! du dringst nicht durch. Quittirst du, und bestehest darauf, Deutschland zu verlassen, so bleibst du -- bis auf ein sehr geringes Pflichttheil enterbt.“ Immerhin! Fesseln drücken, wären es auch goldne. -- Der Fluch des Vaters! -- „Schrecklich! aber spricht er ihn als ungerechter Tyrann aus, so“ -- „Ende nicht, Frevler! Mir zermalmt der Gedanke schon Arm und Bein!“ -- Was kann ich thun? „Schweigen; die letzten Augenblicke des Edlen, dem du dein Daseyn dankst, mit stiller Ergebung -- wär es auch nicht Gehorsam, doch Widerspruchslos zu ehren, und ihn in Frieden mit dem Troste in die Ewigkeit treten lassen, daß sein Wille dein Gesetz seyn werde.“ Und dann -- --? -- „Spricht zwar das Testament über den Heuchler das Urtheil, doch folgt dir nicht der Nachhall väterlichen Fluches.“ Bleich, wie ein trauernder Genius am Monument eines geliebten Entschlafenen, trat Adelaide jetzt in das Zimmer. Man hatte ihr die Ankunft des Bruders zugeflüstert, eben als der theure Kranke eines erquickenden Schlummers genoß; die Folgen einer sehr angreifenden ernsten Stunde, in welcher die sechzehnjährige Tochter des vollen Vertrauens ihres sonst mit seinen Aufträgen und Kummer so vorsichtig verschlossenen Vaters gewürdigt wurde, und versiegelte Papiere in ihre Verwahrung bekam, die sie nur unter gewissen Bedingungen früher oder später eröfnen und sich mit dessen Inhalt bekannt machen sollte. „Er schläft? -- Diese Ruhe gäbe ihm neue Kräfte? -- O, Adelaide! gutes Kind! täusche mich nicht mit eitler Hoffnung!“ -- bat die trostbedürftige Mutter. Weh mir, wenn ich dieser Schwachheit fähig wäre! -- Fassung, liebe Mutter! oder -- erleichtern Sie jetzt ihr Herz durch Thränen. -- Diese Ruhe giebt ihm Kraft, uns noch einmal zu segnen, und dann im wohlthätigsten Bewußtseyn erfüllter Vater- und Gattenpflicht zu vollenden. -- Sein Erwachen wird das letzte seyn für dieses Leben. Die Generalin sank laut schluchzend auf das Sopha. „Schwester, ich bewundere deine Standhaftigkeit -- sagte Theodor -- ein Vaterherz hört alsdann auf zu schlagen, daß im Uebermaaß der Liebe für dich, beinah für jedes andre Gefühl des Wohlwollens verarmte.“ Diese Standhaftigkeit verdanke ich dem Todesengel, der nicht allein dieses Vaterherz zu brechen erschienen ist -- sondern auch mir im Buche der Zukunft ein Blatt aufzuschlagen, dessen dunkler Spruch mich zu muthiger Resignation erhebt! -- Zynthio schlich in dumpfer Betäubung mit der Nachricht herein, daß der General erwacht sey, und nach der Familie verlange; auch Theodor, dessen Anwesenheit ihm gemeldet -- solle kommen. -- Auf ihre beiden Kinder gestützt, wankte die fast selbst mit dem Tode ringende Gattin, an das Bette des von ihr so innigst geliebten Gemahls; unwillkührlich sank sie auf die Knie vor demselben, und bedeckte mit Küssen und Thränen die kalte feuchte Hand ihres Alexis. Adelaide und Theodor standen zu den Füßen des Bettes. „Gut, mein Sohn, daß du kommst und deinen Vater sterben siehst,“ sagte mit vernehmlicher, aber sanfter Stimme der General -- „ehre deine Mutter, ehre das Andenken an diese Stunde, und die Stunde deines Todes wird dir so leicht und sanft werden, wie es mir die meinige ist. Das Uebrige wirst du aus meinem letzten Willen ersehen. Dein ist die Wahl, so oder so; ich habe mich auf jeden Fall mit dir abgefunden.“ Theodor hielt beide Hände gefaltet vor die glühende Stirn, seine Brust hob sich schwer athmend -- Mein Vater! rief er gepreßt -- so scheiden Sie von mir? -- O vernichten Sie mich! -- „Mein Sohn! -- ich scheide von dir als dein gerechter aber nicht erzürnter Vater! dies dein Segen -- verdiene ihn. -- Adelaide, wir Beide haben uns für diese Welt nichts mehr zu sagen, wir haben uns verstanden, und ich bin deinetwegen ruhig. -- Auf Wiedersehen!“ Auf Wiedersehen, mein Vater! -- tönte wie Geisterstimme Adelaidens Antwort. „Und nun zu dir, treues redliches Weib, meine geliebte Ludmilla! -- in deinen Armen will ich sterben, richte mich auf; mein letzter Blick sey Dank für deine fromme Liebe! -- dort erst wirst du begreifen, welch ein großer Schuldner ich dir war -- aber auch verzeihen! -- Keinen Abschied! die mich lieben, werden mich bald wiederfinden. -- Also nur gute Nacht! -- an der Brust der treuen Gattin schläft es sich sanft ein. -- Gute Nacht, Zynthio -- gute Nacht, all ihr Freunde! -- Adelaide, Theodor; unterstützt eure Mutter, daß mich ihre Arme nicht eher fallen lassen, bis ich fest eingeschlafen bin. -- So -- so -- gute Nacht!“ -- * * * * * „Schlaf wohl, edler guter Mann!“ sprach mit weicher des Freundes Verlust klagender Stimme der Fürst, und drückte die kalte Rechte seines auf dem Paradebette liegenden Generalissimus. Ja, dieser Schlaf ist dem edlen großen Mann Bürge, daß seine Ruhe nicht mehr gestört werden kann. -- Wohl mir -- daß ich giftigen Insekten, als sie ihn noch verwunden konnten, den Stachel stumpfte! -- flüsterte es leise zu den Füßen der Leiche. Der Fürst blickte seinen Thronfolger bedeutend an -- „Fühlst du das, mein Sohn? -- Gott Lob! dann leichterst du mein Herz um ein großes!“ Wir verstehen uns nicht -- mein Vater, und können uns nicht verstehen! -- „Wie?“ Ich bitte, Ew. Durchlaucht geruhen die neugierige Menge zu erwägen, von der wir Beide noch weniger verstanden werden. -- Mein Ehrenwort an dieser mir heiligen Stätte, wenn dies genügt, daß sich der Fürst nie seines Sohnes wird schämen, noch seinen Handlungen fluchen dürfen! „Damit begnüge ich mich -- fürs erste.“ „Graf Bendheim, Sie haben erlauscht, was ich so eben mit meinem Vater sprach; raunte der Erbprinz dem Legationsrath zu, als sich der Fürst mit dem Oberjägermeister vertiefte -- und ich habe das höhnende Manöver Ihrer Gesichtszüge bemerkt. Ich bitte ferner aufmerksam zu seyn; auch die Ueberreste des Grafen, seinen Schatten werde ich mit besonderer Strenge und Wachsamkeit vor dickbenannten Insekten zu schützen wissen. Sie haben mich verstanden -- denn uns beiden ist diese Metapher kein Räthsel.“ Der Legationsrath biß sich wüthend auf die Lippen; heuchelnd gelobte er, die Meinungen und Winke Seiner Durchlaucht zu ehren. -- Das Räthsel selbst blieb vor der Hand noch unter fürstlichem Siegel bewahrt. Die Testamentseröfnung rechtfertigte die mütterlichen Besorgnisse der Generalin. Theodor trat nur unter den von ihm verworfenen Bedingungen, in den Besitz -- der für den Fall ihrer Erfüllung, zu Majorat ernannten Herrschaften Wallersee und Tomsdorf -- dahingegen bei Nichtachtung der ihm vorgeschriebenen Bestimmung, er mit einem Kapital von 10,000 Thaler ein für allemal abzufinden, und Adelaide zur Universalerbin ernannt war. Selbst über das ansehnliche Witthum durfte die leichter verzeihende Mutter nicht nach Willkühr zu Vermächtnissen disponiren. Nur ein Drittheil fiel nach deren Tode an den ungehorsamen Sohn -- das Uebrige ebenfalls der geliebtern Tochter zu. -- Endlich hatte der Testator, unter der Garantie der Regierung selbst, verfügt: daß Adelaide mit dem Beschluß ihres achtzehnten Jahres für mündig erklärt, und vermählte sie sich vor Erreichung dieses Alters -- noch vor ihrer Heirath der Minderjährigkeit enthoben werden sollte, wo sie alsdenn frey über ihr Vermögen zu schalten und zu walten hätte, welches, wenn sich Theodor auch der beiden Herrschaften Tomsdorf und Wallersee würdig machte -- dennoch beträchtliche Reichthümer in sich faßte. Man schüttelte die Köpfe, definirte und verwarf wieder die mühsam herausgerechneten Muthmaßungen über dieses sonderbare Testament: -- lobte des verstorbenen Generals Klugheit und Vorliebe für seine Tochter, der nun von allen Seiten Freyers-Attaken droheten -- während andere den mit offenbarem Unrecht in Nachtheil zurückgesetzten Sohn bedauerten. „Ich habe einen Stiefvater verloren,“ sagte dieser bitter lächelnd -- „in dieser Hinsicht betrachtet, ist das Legatchen von zehntausend Thaler immer ein sehr respectabler Beweis seiner Großmuth.“ „Nicht doch,“ flehete die Schwester liebreich -- „Du wirst Majorathsherr, verbindest dich mit der schönen Sophie, und sicherst dir das Glück eines dankbaren guten Sohnes, das nur der zärtlichste Vater dir so bestimmen konnte.“ „Nur an den Ufern der Seine blüht das meinige; in den Armen einer Julie La Valette kann ich das Loos eines verstoßnen Sohnes vergessen!“ -- Adelaide erblaßte. -- Welchen Gefahren willst du dich Preiß geben? -- Kennst du diese Julie La Valette? -- „Sieh hier ihr Bild. Ihr Cousin gab es mir; wir stehen seit länger als einem Jahre in Briefwechsel. Der Weg zu meiner Carriere in Frankreich ist bereits gebahnt; des Vaters Tod öffnete mir die Schranken“ -- Eines Labyrinths vielleicht -- erfahrungslos, ohne Freund! -- ich beschwöre dich -- wäge deinen Entschluß; höre die Warnungen meines beängsteten ahnenden Herzens! „Keine Theater-Beschwörung, Schwester! -- Sie verliert bei mir, so sehr mich alles interessirt, was du sagst -- weil ich dich, das einzige Wesen, selbst mit Aufopferung meines Mißtrauens gegen die Menschen, innig liebe. -- Unsers Vaters Ungerechtigkeit schmerzt mich weniger, da aus meinem Verlust dein Vortheil entsprang.“ Grolle nicht mit dem theuren Verstorbenen. Mit achtzehn Jahren werde ich mündig; kannst du zweifeln, daß ich seine Absicht verstehe, und dir nicht nach Kräften vergüten werde? -- „Adelaide! wähnst du dich so weit über mich erhaben, daß ich nicht einmal die Größe deiner Tugenden zu begreifen vermag?“ Du thust mir weh, wiewohl ich dich eigentlich nicht verstehe -- „Bescheiden hüllt die Großmüthige ihr Opfer in erdichtete gütige Absicht des noch mit Haß gegen mich in die Grube Gefahrnen“ -- Du gefällst dir in deiner Verblendung, leider ist dann jede Vorstellung vergeblich. Zeit und Erfahrung mögen deine Lehrerinnen seyn. -- Nur vergiß und verkenne nie deine Schwester! „Es gilt, Adelaide! -- Deine gutmüthige Arglosigkeit rechte mit den feindseligen Verhältnissen, in denen ich mit der Menschheit von meiner frühesten Jugend an stand, daß mir nur Glauben an dich und an die Wahrheit deines mir wohlwollenden edlen Zartgefühls blieb. -- Und nun, um deiner Liebe willen: vermittle, daß ich den Jammerexplosionen, Bußpredigten und dergleichen mütterlichen Berufsübungen entgehe! -- Die gute ~mater dolorosa~ würde mich mit ihren Thränenströmen inondiren, ohne auch nur ein Jota von meinen Entschlüssen wegzuwaschen.“ Adelaide sah ein, daß dem wilden starrköpfigen Jüngling mit keinem Zügel -- wäre er auch sanfter als das Band der Liebe selbst, gerathen sey; daß auch des Vaters letzte Verfügung -- welche ihn doch nach dessen Vermuthung am sichersten in Schranken hätte halten sollen -- ihn noch widerstrebender machte. Ihr Herz klopfte bang; Wehmuth schmolz die Thräne, die ihrem Auge zu entfallen drohte, und mit lächelnder Freundlichkeit, unbemerkt mit dem kleinen Finger ihrer rechten Hand, auf welchem ein goldner Reif mit dem Motto: Wiedersehen! -- ein Geschenk ihres Bruders, diesen an sein Gelübde erinnerte, erdrückt wurde. -- Selbst der in dreifachen Jammer versenkten Generalin machte die ihren eigenen Schmerz verläugnende Trösterin begreiflich, daß Theodors Plan für seine Neigung der beste sey, und der nach Kenntniß fremder Länder schmachtende, aber keinesweges ausgelaßne, seiner Pflichten spottende Sohn, zuverläßig in wenig Jahren, gebildet und bewährt in männlicher hoher Tugend -- deren väterliches Erbtheil ihm nicht entgangen zurückkehren werde. -- „Auch der Verewigte vermogte nicht, dem Hange zu widerstehen -- sich unter fernen Himmelsstrichen seiner Vervollkommung zu nähern, und blieb dem ohnerachtet der Edelsten einer unter Deutschlands Männern“ schloß beruhigend die Vermittlerin. Ludmilla hatte hohe Achtung für die Gründe ihrer mit der Weihe eines Engels sprechenden Tochter. -- Sie trocknete die mütterlichen Thränen der Verzweiflung über den ungebührlichen Sohn mit dem Wittwenschleier, und segnete ihren Erstgebornen -- welcher nun als Vaterwaise ihrer Liebe in verdoppeltem Maaße bedurfte, auf daß es ihm entfernt von der Heimath wohl ergehe, und kein Schatten des verheißnen Fluches der Uebertretung väterlichen Willens, seinen Weg verfinstere, und ihn auf Abgründe führe. * * * * * Schon berechnete man nach Tagen in den Apartements der Fürstin die Auflösungsstunde der zum Grabe keuchenden Gräfin Soly; schon hatten erneuerte Zusagen und süßschmeichelnde Trostgründe ihrer erhabenen Busenfreundin, die Betrübniß der verwittweten Generalin in sanftwehmüthiges Andenken an den ihr entrissenen Alexis übergehen lassen; auch Adelaide lächelte mit theilnehmender Gefälligkeit den fröhlichen Bildern, welche sich die freudentrunkne Mathilde in der zu hoffenden Wiedervereinigung mit ihrer geliebten Jugendgespielin in dem rosigsten Kolorit erschuf. -- Die Abwesenheit des Erbprinzen, welcher wenige Wochen nach dem Tode des Generals eine Reise nach B*** antreten müssen, um hoher Absicht zufolge, während eines für längere Zeit bestimmten Aufenthaltes daselbst, sich um seine künftige Gemahlin verdient zu machen -- hob jede Bedenklichkeit Ludmillas und ihrer Tochter. -- Nur Zynthio ließ banger Ahndung voll den Kopf sinken, und riß in bebenden Molltönen tragisch gehaltene Akkorde, wenn eben Adelaide einen Gesang an die Hoffnung gerichtet, anstimmen wollte. -- Man lachte des Schwermuths-Berauschten; aber bald schwand dieses Lachen. Jener Würger, dessen verheerende Thätigkeit öfterer das stille Glück liebender und geliebter Verbundenen in nahmenlosen Schmerz verwandelt, als die Wünsche der Erben reicher Greise, der Sklaven entbehrlicher Tyrannen -- ja selbst das Flehen so vieler von jeder Freude verlassener und nur von Schmerz und Leiden heimgesuchter Unglücklichen in Erfüllung bringt -- jener herzlose Freudenstörer streckte die knöcherne raubgierige Hand nicht nach der siebzigjährigen Oberhofmeisterin, sondern nach der kaum das fünfte Stufenjahr betretenden edlen Erzieherin Mathildens und deren Freundin. Ein heftiges Fieber zerrüttete das schwache Nervensystem der schon seit längerer Zeit sich ins Geheim dem Grabe nahe fühlenden nun dahinsinkenden Baronin von Treval. Es bedurfte nur wenige Tage zur entscheidenden Vernichtung ihres Lebens. Die unerbittliche Atropos zuckte, und abgemähet sank die allgemein Geliebte, allgemein Bedauerte, in die Arme des Schlafes, aus dem kein Erwachen, weder zu neuem Genuß der Freuden, noch zu drückender Tageslast hienieden statt findet. Es wird ja nur die Hülle in Grabes Nacht versenkt, und Seligkeit die Fülle dem bessern Seyn geschenkt. Drum weinet nicht, ihr Lieben! dem Geist ist wohlgeschehn. Hört auf, Euch zu betrüben, bald winkt uns Wiedersehn! -- sang noch zum Schluß der Trauerkantate mit Trost gebietender Baßstimme der Kantor, und das Chor stimmte ein, als der Sarg in die Gruft der Schloßkirche gesenkt wurde. „Bald winkt uns Wiedersehn!“ lispelte, von Thränen erschöpft, Mathilde Adelaiden leise zu. „Aber nicht erst in jenem Leben, darum erbat ich es von meinem Vater, daß die Entschlafene in die nur fürstlichen Gebeinen geweihte Ruhekammer dem großen Tage entgegen schlummern durfte. Der Sakristaner ist für mich gewonnen, er wird meine Wallfarth begünstigen.“ Versteh ich recht? -- fragte mit einem brennenden von gleichem Verlangen belebten Blick Adelaide. „Und du begleitest mich?“ Zu den Lebendigen und Todten! -- Aber wie? -- „Heut noch, um Mitternacht. -- Wir finden die Gruft erleuchtet, den Sarg geöffnet, und -- -- man beobachtet uns -- nur dies noch: das Zugpförtchen über den Burggraben an der Kirchseite wird durch des ehrlichen Sakristaners Vorsorge niedergelassen bleiben. Wir Beide schleichen unbemerkt in die Halle; am Eingang der Gruft verläßt uns der Vertraute unsrer Todtenfeier.“ Und wir -- allein? Ist die sonst so zaghafte Mathilde auch auf alles gefaßt -- was Täuschung, nächtliche Stille und Grauen ihr vorgaukeln könnte? „An deiner Seite -- auf alles.“ Wo treffen wir uns? „Unter dem Vorwande trauriger noch ungewohnter Einsamkeit, erhalte ich die Einwilligung unsrer Eltern noch diesen Abend, dich um Nachtquartier zu bitten. -- Behutsamkeit, Liebe! daß kein Wörtchen sich in ungeweihte Ohren flüstere“ -- Sorge nicht, traute Schwärmerin! -- die Wallfarth ist mir selbst zu heilig; siebenfacher Schleier verhülle unser Geheimniß, daß es selbst der Mond nur ahnde, auf welchem Wege sein blasser Schimmer uns leuchte. Zynthio schlich diesen Abend, von banger Unruh getrieben, den beiden Priesterinnen der Todtenhalle auf Schritt und Tritten nach. -- Gute Nacht, lieber Kamillo! rief ihm Mathilde zu, und zog Adelaiden zum Schlafzimmer. -- Schlaf wohl! wünschte ihm diese, indem sie ihm einen Kuß zuwarf, und schlüpfte am Arm der Freundin ins einsame Gemach, wo verhüllende Gewänder für die beiden Wallfahrterinnen schon bereit lagen. „Ich kann nicht schlafen,“ sagte der Sicilianer zu seinem Georg, welcher ebenfalls wie ein Geächteter umher irrte, ohne einen andern Grund seiner Unruhe angeben zu können, als daß der heutige Trauerpomp, das dumpfe Getön der Glocken, und die Schwermuth der jungen Damen ihn in diese Stimmung versetzt habe -- „die Nacht ist kühl, aber schön. Der Vollmond lockt mich, trotz der strengen Märzluft, ins Freie.“ Ich trage Ihnen die Guitarre nach -- fiel Georg, gleichfalls vom Reiz des nächtlichen Spazierganges ergriffen, dem ihm Dank zulächelnden Zynthio ins Wort. „Was heißt das? Sonderbar!“ riefen Beide zugleich, als sie eine Stunde später auf ihrem Wege an die Zugbrücke der fürstlichen Burg gelangten, und das Pförtchen herunter gelassen fanden. „Auch die Kapelle ist offen.“ Der Schein brennender Kerzen -- „Gerechter Gott! Geistern ähnliche Gestalten wanken hin und her.“ -- Aengstliche Töne! wie Adelaidens Stimme! „Wäre es möglich?“ Ob wir vordringen? „Wenn es nur nicht unwillkommne Neugier werden könnte“ -- Unsere Damen schliefen ja wohl -- „Wieder ein vernehmbarer Ruf, wie aus der jungen Gräfin Brust entflohn!“ Bannen Sie das Fremde, und locken die Bekannten durch einige Akkorde Ihrer Guitarre. Zynthio gab das empfohlne Signal. „Zynthio! Zynthio!“ -- rief es mit zitterndem Entsetzen. „Du hier? -- oder dein Geist zu unserm Schutz gesandt?“ -- Und bleich, athemlos stürzte Adelaide aus der Seitenpforte der Kapelle. Eine riesenartige Menschengestalt, im dunkelgrauen Mantel gewickelt, drängte sich auf dem schmalen Nebensteg der Schwankenden vor, stieß die herbeieilenden Jünglinge zurück, und Adelaiden in den tiefen Graben des Walles. „Halte den Bösewicht auf“ -- schrie der ihr nachspringende Zynthio dem ihm auch in den Graben folgen wollenden Georg zu. Das Geschrei versammelte die Wächter; man brachte Stangen herbei, band Fischerkähne los, und eben schwand Zynthios letzte Kraft, mit der er die leblose theure Bürde über dem Wasser erhielt, als Georg mit einer ausgerissenen Palisade sich durch Schlamm und Weiden zu den Sinkenden hinarbeitete, und Beide einstweilen an den von Weiden sich natürlich bildenden Strand zog, bis endlich die Kähne sich näherten, und die Gebadeten der Gefahr des Untersinkens und des Erstarrens gänzlich entrissen wurden. Mathilde wurde schon ohnmächtig von dem erschrocknen Sakristaner aus der Gruft in dessen nahe an der Kirche liegenden Wohnung getragen. * * * * * Die beiden Wallfahrterinnen waren, sobald sie alles in Schlummer und sich unbemerkt glauben durften, in weiße Mäntel und Schleier gehüllt, durch eine geheime Treppe dem obern Stockwerk, und durch eine Hinterthür dem Schlosse entkommen. Ein Miethswagen erwartete am Ausgang der Allee, die von dem Portal des Wallerseeschen Schlosses auf die Chaussee führte, die begeisterten Heldinnen. -- Einige hundert Schritt von der Burg, welche am äußersten Ende der Residenz lag, stiegen sie aus, und fanden alles der Verabredung getreu zu ihrem Vorhaben bereitet. Mit der Laterne in der linken Hand, und der zu nochmaliger Warnung aufgehobenen Rechten, kam ihnen der Vertraute aus der Pforte der Sakristei entgegen, und geleitete sie, da keine Vorstellungen ihren bedenklichen Entschluß ändern konnten, zum Eingang der Gruft. Eine brennende Ampel gab der düstern Wohnung der modernden fürstlichen Sippschaft Mathildens nur eine schwache schauerliche Beleuchtung. Der vorsichtige Führer hatte sich mit Wachskerzen versehen, um sie vor Eröffnung des Sarges anzuzünden, und somit das Grauen Erweckende so viel als möglich zu mindern, als auch den Anblick des werthen Leichnams denen ihn besuchenden Freundinnen freundlicher zu machen. -- Entsetzen ergriff die unter dumpfen Tritten die letzten Stufen herunter Steigenden, als der Deckel des Sarges schon auf den Boden lag, und eine große wild umherschauende männliche Figur mit schwarzen, über das Gesicht hängenden Haaren von dem Todten hinwegeilte, und unter großem Getöse hinter die kolossalischen metallnen Särge verschwand, in denen die Gebeine der Verwesung anheimgefallnen fürstlichen Familie über den Frevel sich hörbar schüttelten. „Ha! verruchter Dieb!“ -- schnaufte der sich fassende Sakristaner -- „ich kenne dich und deine Absicht. Heraus mit dem entwendeten Geschmeide. Sehen Sie, gnädigste Durchlaucht! der Spitzbube hat’s richtig schon in seinen Klauen. Aber Gewinn soll’s ihm nicht bringen!“ Mit dieser heftig ausgestoßnen Versicherung schritt er auf den ungebetnen Gast zu, und wollte ihn aus seinem Schlupfwinkel vertreiben; dieser kam ihm zuvor, schlug ihm die Laterne aus der Hand und ihn zu Boden. Der Verwegne hatte bei Eröffnung des Sarges vor dem Altar, während der Trauermusik, ein Medaillon in Brillanten gefaßt, auf der Brust des Leichnams bemerkt, welches Mathildens Bildniß und Nahmenszug von ihren Haaren geschlungen enthielt, und auf deren ausdrückliches Verlangen, dem mehr als treuen Mutterherzen, dem es gewidmet war, auch im Tode nicht entrissen werden sollte. Mit Hebel, Nachschlüssel und Brechstangen wußte er, der ein Schlosser war, sich durch ein von ihm noch während der Begräbnißfeier unbemerkt geöffnetes und nur lose angelehntes Fenster in der Dunkelheit des Abends wieder in die Kirche zu schleichen, und als er alles sicher wähnte, in die Gruft zu gelangen. Daß er hier eine brennende Ampel fand, machte ihn anfänglich stutzig; doch hielt er es bald nur für eine Nachläßigkeit des Kirchendieners, welcher sie wahrscheinlich auszulöschen vergessen hatte, es däuchte ihm sogar bequemer zu seinem Unternehmen, denn jetzt bedurfte er der mitgebrachten Blendleuchte nicht. -- Doch hielt er es für rathsamer, nicht eher Hand ans Werk zu legen, bis die schauerliche Mitternachtsstunde ihn für jede Unterbrechung eines lebenden Wesens sicherte. -- Sein Schrecken war daher nicht minder groß, als die zwei in ihren Verhüllungen Geistern ähnlichen Nachtwandlerinnen, von dem mit schwarzem Mantel angethanen Sakristaner begleitet, die Gruft betraten. Der Raub war bereits vollbracht -- Furcht jagte ihn hinter und zwischen die Särge; als er sich erkannt und verrathen sah, dachte er jetzt nur auf Flucht, unbekümmert um die Erhaltung der erbeuteten Kleinodien, welche jetzt nebst dem Bildniß der blühenden Fürstentochter in und unter dem Staube ihrer stolzen Ahnen durch einen ungeschickten Fußtritt ihres Räubers zertrümmert lagen. Adelaide versuchte um Hülfe zu rufen, doch ihre Stimme war zu schwach; größer wurde die tödtende Angst, als Mathilde, vom Schrecken überwältigt, besonders da ihres treuen Begleiters Fall auch das Hinstürzen des fremden Mannes nach sich zog, weil dieser sich in des Sakristaners Mantel mit den Füßen verwickelte, und erstere aus vollem Halse: Mörder! Diebe! schrie, ohnmächtig auf den offnen Sarg sank. Doch ergriff die beherztere Tochter des Helden Wallersee eine der mitgebrachten Kerzen, zündete sie an der brennenden in Oehl getränkten Laterne des mit dem Schlosser auf der Erde ringenden Sakristaners an, und eilte die Stufen hinauf, um Beistand zu rufen. Unterdessen waren die Kämpfenden wieder auf die Füße gekommen; der Verbrecher bestrebte sich um so mehr, denen auf das Geschrei Herbeieilenden nicht mehr zu begegnen. Der Klang der Guitarre über dem Walle überzeugte ihn, daß Personen in der Nähe wären, und als Adelaide über die schmale Brücke flog, wollte er ihr den Vorsprung ins freie Feld abgewinnen. -- Wüthend packte ihn Georg, übergab ihn der jetzt zudringenden Wache, die noch eben früh genug kam, um die Ungeduld des ehrlichen Westphählingers vor eigenmächtiger, rascher Exekution an dem Mörder seiner jungen Gebieterin abzuhalten, da ihm jeder Augenblick unersetzlich schien, den er der Hülfe Adelaidens und Zynthios entziehen mußte. Im Wahnsinn des hitzigen Fiebers klagte sich Mathilde des Mordes ihrer Gefährtin in jener Schreckensnacht an. Sie hatte die Schlußscene im Wasser, welche beinah das heroisch-romantische Drama in ein vollkommnes Trauerspiel verwandelte, erfahren, und hielt Adelaidens körperliche Gegenwart, ihren sanften Händedruck, für Erscheinung aus jener Welt; für geistige Berührungen und Aufforderungen, ihr dahin zu folgen. -- Wie hätte auch die kranke Phantasie anders träumen sollen, da selbst die gesunde versucht wurde, die junge Gräfin Wallersee, seitdem sie aus dem Wellengrabe erstanden war, für einen Friedensengel zu halten, der dem bessern Jenseits noch einmal entschwebte, um seine hier noch umherirrenden Lieblinge mit himmlischer Geduld und schonender Freundlichkeit ebenfalls dahin zu geleiten. -- Keine Klage körperlicher Leiden entschlüpfte ihren Lippen, wiewohl ihre physischen Lebenskräfte nicht wieder mit ihr aus jener Todesnacht zurückkehrten. Die Blüthe der Gesundheit war abgestreift, der Sturm hatte die Lilie zwar nicht geknickt, aber die zarte Wurzel dem nährenden Schooße der Mutter Erde entrissen; sie neigte nicht ihr Haupt, aber es schien sich im reinen Aether eines schönen Frühlingsabends nur bis zum gänzlichen Untergang der sie sanft umstrahlenden Sonne erhalten zu wollen. Das stärkere Nervensystem der Prinzessin erkämpfte dieser nach einigen Wochen wieder ein vollkommnes Wohlbefinden. Auch Adelaide widersprach heiter den Bedenklichkeiten der Aerzte, und erklärte: kein Uebel nennen zu können, das sie fühlbar drückte; die abentheuerliche Geschichte ward demnach bald nebst ihren Folgen vergessen, wenigstens trübte die Erinnerung derselben keinen von Mathildens fröhlichen Tagen mehr. * * * * * „Es ist mir leid, wenn ich störe; aber der mütterliche Wunsch, die schon seit einer halben Stunde sehnlichst erwartete Tochter zu sehen, der Befehl, Sie zu suchen, entschuldige mich!“ -- keuchte der schon seit dreißig Minuten im Park nach Adelaiden umherirrende Zynthio der endlich Gefundenen entgegen, und verfolgte mit forschenden Blicken einen sich durchs Gebüsch verlierenden Jüngling, dessen Gesichtszüge er wegen des tief in die Augen gesetzten Hutes nicht erkennen konnte, so bekannt ihm auch die schöne schlanke Gestalt zu seyn dünkte. Du stören? -- O wärest du früher gekommen! -- antwortete freundlich, aber doch etwas bewegt, die Glühende, und stützte sich auf Zynthios Arm; -- doch davon nachher. Laß uns zurück eilen. Die Generalin hielt Adelaiden einen Brief entgegen. -- Lies, meine gute Tochter, und rathe mir. Der Fall ist epinös; ich befinde mich in keiner geringen Verlegenheit. Adelaide entfaltete das Schreiben der Fürstin, es lautete: „Der Tod der Solly hat freilich die Oberhofmeisterinstelle endlich erledigt, aber noch will der Zufall mir die Erfüllung meiner herzlichen Wünsche erschweren. Die Wittwe des Ministers Zach, welche durch den Prozeß mit den Lehnsvettern ihres verstorbenen Gemahls alles, bis auf ihr kleines eingebrachtes Vermögen, verloren hat -- supplicirt um diese Stelle. Zach machte sich um den Staat verdient, das ist nicht zu läugnen. Eine Pension, die dem Gehalt der in Anspruch stehenden Charge gleich käme, dürfte für den Finanzetat etwas zu Ungewöhnliches, und folglich denen in der eingeführten Regel graugewordnen Verwesern desselben zu Auffallendes seyn. Der Fürst mögte sich so ungern das Vergnügen refüsiren, meine Freundin als ~Grande Maitresse~ unauflöslich an unsern Hof zu fesseln -- er weiß, welchen Werth ich auf diese Gefälligkeit legen würde, -- und doch kann er nicht umhin, auch Rücksicht auf die Ansprüche der verwittweten Zach zu nehmen, besonders da, als ihr naher Verwandter, der Oberjägermeister Bendheim, das Gesuch unterstützt. -- Mein Gemahl meint: hier sey guter Rath theuer! -- aber ich denke: +Nein.+ -- Entschädigung werde der Hülfsbedürftigen von dem, was sonst für die überflüßige Befriedigung meiner kostspieligen Launen bestimmt war, aber nicht auf Kosten der schönsten Forderungen meines Attachements für Sie. -- Dagegen erwarte ich von Ihnen, liebe Gräfin! alles Enthaltens einer unzeitigen Delikatesse; und wenn das voreilige Gerücht Ihnen die Prätensionen der Zachschen und Bendheimschen Allianz schon als akkordirt zu Ohren brächten, mir nicht durch übelangebrachte Resignation entgegen zu wirken. Ich engagire Sie für diesen Nachmittag, mich auf meine Meierei Luisensruh zu begleiten; dann das Weitere.“ -- -- Nun, liebe Adele! fiel jetzt die Gräfin ein -- kann ich nicht mit dem Fürsten sagen: hier ist guter Rath theuer? -- „Nichts weniger. Nie versahen uns Verhältnisse, neue unerwartete Ereignisse wohlfeiler damit“ -- entgegnete die Gefragte. Und welches Benehmen schrieben mir diese Verhältnisse vor? -- „Der Vorsehung zu danken, die meine edle Mutter durch hinlängliches Vermögen in Stand setzte, zum Vortheil einer unbegüterten Familie auf die angebotne Gnade der Fürstin Verzicht leisten zu können.“ Mein Gott! -- So -- ~de But en blanc~ --? „Nicht ~de But en blanc~! -- Ihr Zweck ist redlich und unfehlbar.“ Aber die Fürstin will die Zach entschädigen. Ich selbst denke mich an Großmuth nicht übertreffen zu lassen, denn ich verlange nicht den ganzen Gehalt, die Hälfte davon möge die Revenüen der ärmern Wittwe vermehren; und somit könnten die Wünsche des Fürsten und seiner Gemahlin erfüllt werden, ohne der Ministerin Unrecht zu thun. „Und die vom Hof Entfernten würden, ohnerachtet dieser Entschädigung, über Unrecht klagen. Der Glanz, das Ansehen, welches mit dieser Stelle verbunden ist, und dessen die ohnedies reiche im hohen Range stehende Gräfin Wallersee nicht bedarf -- dünkt der Frau von Zach eben so ersprießlich für die Versorgung ihrer Töchter, als es der wohlthätige reichliche Gehalt ihrer zerrütteten Finanzen seyn wird.“ Doch -- ich bitte dich, Kind! wie würde mein Renonciren von der lieben Fürstin aufgenommen werden? „Sie müßte weniger billiges Gefühl, weniger richtigen und feinen Takt haben, als doch selbst jede Zeile ihres Briefes beweist, wenn sie nicht ihren Entschluß im voraus so berechnet hätte, wie er der nicht minder edel und gerecht fühlenden Freundin einer solchen Fürstin geziemt.“ Und der Hof? -- Gewiß, mein Kind! das wird ein Fest für unsere Neider geben. Man wird sagen, ich sey in Ungnade gefallen; die Zach habe mich verdrängt. Jedermann weiß, daß die Solly der Herrschaft nur deswegen zu lange lebte, weil man gern schon längst durch mich ihre Stelle remplacirt hätte. „Dem läßt sich vorbeugen. Sie schlagen das ehrenvolle Anerbieten unter dem Vorwande aus, daß mir die Aerzte den Gebrauch der Bäder Pyrmont und Spaa verordnet, und überhaupt bis zu vollkommner Befestigung meiner schwankenden Gesundheit, die Stille und reine Landluft auf unserm Wallersee fürs zuträglichste hielten. Der Zweck rechtfertigt hier die Mittel, und entschuldige mich, wenn ich diesmal ein wenig die ~malade imaginaire~ spiele. -- Gewiß, ich will das Vorgehen recht natürlich unterstützen. -- Die Fürstin beklagt Angesicht des Hofes den Verlust ihrer gehofften ~Grande Maitresse~, wünscht Ihnen mit schwerem Herzen glückliche Reise, und mir heilsames Gedeihen der Brunnenkur und der künftigen Landluft auf unsern Gütern. Die Höflinge wünschen unter tiefen Bücklingen uns desgleichen, bedauern, daß sie uns aus ihrer Mitte verlieren, und lachen, wenigstens nicht über getäuschte Hoffnung, da es von der beneideten Gräfin Wallersee abhing, sie erfüllt zu sehen!“ Adelaide! ist das dein Ernst? -- Wenn der Gebrauch der Bäder nothwendig, ja dir nur wünschenswerth wäre, so reisen wir künftige Woche, wenn du willst. Aber warum von hier auf längere Zeit, wohl gar auf immer uns zu exiliren? „Aus der triftigsten Ursach von der Welt, meine gute theure Mutter!“ Du bist bewegt -- deine Wange glüht: ist dir etwas wiederfahren? „Diesen Morgen -- überraschte mich Prinz Louis im Fasanen-Gehege unsers Parks“ -- Der Erbprinz? -- Mein Gott! ist er wieder angekommen? „Für Niemand sichtbar, als für mich. Mit unserm Fasanenwärter im Einverständniß, kam er als reisender Jäger diese Nacht bei seiner Waldhütte an, nahm Herberge daselbst, und ließ mich durch eine falsche Einladung von Mathilden in aller Frühe dahin locken.“ Liebes Kind! die Sache ist ernsthaft -- schlimmer als ich glaubte. Der Unbesonnene! Und was ist seine Absicht? „Mich mit der Unmöglichkeit bekannt zu machen, eine längere Trennung zu ertragen. Er spricht von lästigen, ja selbst unsrer Ruhe gefährlichen Anschlägen des jungen Graf Bendheims, und droht, in längstens vier Wochen wieder am Hofe seines Vaters, berufen oder nicht berufen, willkommen oder nicht willkommen, zu erscheinen, und die beabsichteten Zwecke des Fürsten andern Händen zu überlassen.“ Die Generalin schlug die Hände über den Kopf zusammen, und blickte starr umher, als fürchtete sie, durch eine der drei Thüren des Zimmers den Unwillkommenen eintreten zu sehen. Nach einer kleinen Pause fragte sie kleinlaut: Wie hast du denn diesen Tollkopf bedeutet? „Mit der Würde des Mädchens, das von ihm verlangen darf, einen solchen Besuch nie zu wiederholen: ihren Ruf, ihre Ruhe fürs künftige mehrerer Schonung werth zu achten. Er versprachs; indeß dem sey wie ihm wolle, meine theure Mutter sieht das Zusammentreffen aller dieser Umstände gewiß für einen Wink der Vorsehung an, ihre Ansprüche der verwittweten Frau von Zach mit der anständigsten ehrenvollsten Manier zu cediren.“ Freilich, freilich -- So zusammen gehalten, bei so bewandten Fällen -- bin ich genöthigt, und noch überdies mit guter Miene bei schlimmen Spiel, der Fürstin den Kauf aufzusagen, soll ihr und mir nicht das Mutterherz für Leid über unsere Kinder brechen. -- O, der rasende Roland! -- Verderben brächte er über mich und dich, du Unschuldige! Wohl, es geschehe, wie du mir gerathen. Die Generalin hielt Wort, so viel es ihr kostete, die Residenz, welche nun schon ihre Heimath geworden, die Fürstin, in der sie eine schwesterliche Vertraute gefunden, und den Hof, welcher ihr Element zu seyn schien, zu verlassen, und trat mit ihrer Adelaide Anfangs Juni die Reise nach den Bädern an. Der Herbst fand sie schon als Einheimische auf Wallersee, den erwählten Aufenthalt für kommenden Winter und Sommer. „Es ist schön, ganz wie ich es längst um Ihretwillen wünschte“ -- sagte Zynthio, als Adelaide am Abend vor ihrer Abreise aus der Residenz ihm mit hoher Rührung um den Hals fiel, und eine bedeutende Thräne in ihrem Auge zitterte -- „allein zu spät; was wird es jetzt überhaupt helfen? Mit blutendem Herzen beginnt die sich Opfernde die Heldenthat, und Genesung dem Liebekranken bewirkt man demohnerachtet nicht.“ Zeitungen verkündeten, daß der Erbprinz in der Residenz seines Vaters wieder eingetroffen sey; vertraute Briefe daher meldeten, daß Er über die Abreise Adelaidens, ihrer gänzlichen für immer berechneten Entfernung von dort erst gewüthet, mit sich und dem Schicksal grausend gerechtet -- nachher aber sich besänftigt habe, und jetzt wie in einer Art Resignation lebe; man hoffe, daß er der Vernunft endlich Gehör geben, und sich wieder mit der Nothwendigkeit aussöhnen werde. „Was wird es helfen?“ sagte abermals Zynthio -- „die schönsten Hoffnungen des Lebens hat der Mehlthau eiserner Nothwendigkeit schon vergiftet; Resignation ist entweder die Frucht abgestumpfter Verzweiflung, Groll gegen Schöpfer und Geschöpf; oder sie enthält, wie in Adelaidens Seele, die Kraft des Magnets einer andern Welt.“ * * * * * Mathilde an Adelaiden. Daß du mich liebst, weiß ich; daß deine Gesundheit gewinnt, glaube ich dir nur halb, und Zynthio schreibt mir, daß du es selbst nicht glaubst, so beflissen du es auch allen, die dich lieben, versichern willst. Ferner, daß mein Bruder dir schmerzlichen Kummer mit seinem Besuch auf Wallersee verursachte, daß seine eigensinnige Leidenschaft die Störerin deiner Zufriedenheit sey, möge das Verhängniß verantworten, welches die edelste Richtung des menschlichen Herzens meinem armen Louis zum Verbrechen macht, weil Convenienz das Urtheil spricht. -- Aber auch mit mir bist du unzufrieden, dies verräth so manche Zeile, ja die ganze Haltung deines Schreibens. -- Stimme dich zur Harmonie mit deinen Landfräuleins herab; diese Selbstverläugnung ist deiner alles umfassenden Menschenliebe und sanften Hingebung reiner Genuß! -- Aber wer alle seine Nebengeschöpfe mit gleicher Liebe umfaßt, bevortheilt die vorzüglichern Rechte geprüfter uns näher verschwisterter Seelen! -- Beschuldige mich nicht kleinlicher Eifersüchtelei! -- ich weiß, und du selbst wirst fühlen, daß meine Besorgniß vor dem Richterstuhl einer so zarten Freundschaft, wie die unsrige, gerechtfertigt ist. Jeder Tag vermehrt die Sammlung deiner schriftlichen Aufsätze -- auch dies weiß ich, Dank sey es der Aufrichtigkeit des felsenfesten Bundesgenossen Camillo! -- aber für mich schuf eine den Gelegenheitsgeschäften gewidmete Stunde ein längst mir schuldiges Antwortschreiben. -- Ich könnte vergelten; denn noch baue ich auf meinen Werth bei dir -- aber nein, dieses Blatt ist nur die Beilage eines Tagebuchs von mehrern Wochen, in denen ich mich für dich und mit dir aussprach. Die kleine Betty, welche ohne dich und Zynthio fernerhin, so wenig als die Biene ohne den Saft der Blüthen zu leben und zu weben vermag -- überbringt dir dieses Paket. * * * * * Weh mir! Adelaide ist für mich verloren. Auch das trauliche Du entzieht sie mir. -- Du verweisest mich auf die Stuffe der künftigen Großherzogin, und läßt mich dort isolirt stehen. -- O Adelaide! das ist nicht der Weg, mich für meine Bestimmung zu gewinnen. So süß die Schaale auch seyn mag, in der du mir deine Ermahnungen darreichst, der Kern ist bitter -- bittrer als mir ihn je die Hand der Freundschaft hätte bieten sollen. -- Sobald die Arznei widersteht, geht die Wirkung verloren. -- Ich soll von einer Schwärmerei genesen, die in dieser sublunarischen Welt weder eignes noch allgemeines Glück gedeihen läßt -- noch gefährlicher sey ihr berauschender Duft dem unbefangnen Herzen der Fürstentochter, welche alsdann mit exaltirten Forderungen an das Menschengeschlecht den Pfad zum Throne wandelt; diese Erwartungen getäuscht: folglich sich zur Verachtung, zur Gleichgültigkeit gegen diese Menschen berechtigt glaubt -- und was dergleichen sanktionirte Sentenzen mehr sind. Wisse, gute Adelaide, du beschuldigst mich einer Schwäche, der du selbst unterworfen bist, nur daß du dich größer, erhabener auf deinem stolzen Zelter ausnimmst! -- Du schwingst dich mit der Geisteskraft eines Weltweisen zum vollkommensten Erdengeschöpf hinauf, ohne Enthusiasmus für dies glänzende Ziel würde das siebzehnjährige Mädchen dies nicht ausdauernd wollen, nicht vermögen. -- Ich lebe nur dem weichen Gefühle meines Liebe und Freundschaft bedürfenden Herzens. -- Mein Ideal von Glückseligkeit steht tief unter dem deinigen -- aber ich umfasse es mit glühender Seele -- während dich das letztere in sokratische Temperatur versetzt. -- Bedaure mich, wenn du schlußgerecht Unglück für mich daraus folgerst: um so mehr, da ich dir aufrichtig bekenne, daß ich jenem Ideal treu zu bleiben mir fest gelobt, und noch nichts weniger, als für die Anträge des Großherzogs, mich entschieden habe. -- Gleiches Blut wallt in den Adern meines Bruders, gleiche Standhaftigkeit in dem System heißer reiner Liebe, motivirt auch seine Begriffe über das, was er darf oder nicht darf; so sehr diese Begriffe auch die exemplarische Staatsklugheit vor den Kopf stoßen mögen. Verzeihe der schwesterlichen Liebe den Verrath an der Freundschaft -- der nur dir Lebende ist mit deinem Entschluß, dich nie zu vermählen, bekannt. Eine Adelaide beschließt nie, ohne reiflich erwogen zu haben, und Beharrlichkeit ist dann ihr Gesetz -- folglich versiegt nie die Quelle süßer Hoffnung für meinen Bruder. Sein letzter Brief überzeugt mich neuerdings, daß, kühn durch diese Hoffnung, er den Zweck seiner Sendung schlecht befördere und uns auf die gehoffte Erbprinzessin vergeblich warten lassen werde. -- Verdamme ihn, wenn deine strenge Weisheit auch schon über deine Herzensgüte, ja selbst über die menschliche Billigkeit, gesiegt hat. * * * * * Am lodernden Kaminfeuer, auf seinem mit Leder beschlagenen Armstuhl sitzend, und unzufrieden mit dem Schneegestöber des angehenden Aprills aufs Fenster hinblickend, blies der Landrath von Elfen formidable Wolkensäulen von Tabacksrauch um sich -- die, je mehr ihm, außer dem Kitzel des angenehmen Brandopfers Virginischen Kanasters, noch etwas Wichtigeres auf der Zunge lag, immer dicker und undurchdringlicher wurden. Graf Hochburg ergriff jetzt auch die Beilage zum hamburgischen Korrespondenten. „Lass das nur weg;“ sagte der alte Herr. „Mir liegt dermalen etwas näher, als jene Ediktalien, Citationen und Ankündigungen wunderthätiger Arkane. -- Höre, Neffe! Ich verstehe mich nicht auf das verfängliche Betasten des guten Gewissens eines ehrlichen Kerls -- also ohne Umschweife: Freund, wie stehst um dein Herz? -- wem gehörts?“ Lieber Onkel! -- Karoline ist mit Ihrer Einwilligung meine Verlobte -- „Um die seit einer gewissen Zeit dein Leichnam wie eine Gliederpuppe herumstationirt, während deine Liebesgedanken meilenweit von der Verlobten Posto gefaßt haben? -- Getroffen! das zeigt dein Erröthen, das verrät dein Stammeln.“ Nicht allemal sind dies überführende Beweise -- „Sey ehrlich, Bursche! -- Antworte offen, wie es meine gutgemeinte Frage verdient. Ist dir Karoline noch das, was sie dir vor einem halben Jahre war? -- wünschest du heute noch eben so herzlich: der Tag eurer Verbindung wäre auf morgen festgesetzt, als dazumal, da ich ihn noch auf ein Jahr hinaussetzte?“ -- Lieber Onkel! -- warum sollte ich nicht -- -- „Pfui! mit diesem armen Sündergesicht, mit diesem stotternden Behelf würdest du selbst von der jungen Wallersee kaum ein bedauerndes Lächeln über den Seelenbanquerouten Schächer gewonnen haben; um derentwillen du dich doch in dieser preßhaften Lage befindest.“ Noch verstehe ich nicht ganz. -- Sollten Sie Verdacht auf mich und die Gräfin haben? -- -- „Verdacht? -- Ueber den steht die vortreffliche junge Gräfin zu erhaben, und Er -- junger Herr -- noch zu weit unten.“ Herr Landrath! -- -- „Was beliebt?“ -- Sie sind meiner Mutter Bruder, und dürfen mir freilich manches sagen -- -- „Was einem Andern eine blutige Nase kosten würde, so recht er auch übrigens hätte. Genug, du siehst, daß ich zu alt bin, um nicht vom Blatte wegzulesen, was unter deinem Brusttuche geschrieben steht. Seit du die Wallersee kennen gelernt, seitdem ist dir dein Verhältniß zu Karolinen lästig.“ Auf Ehre! ich liebe meine Kousine -- „Als Vetter, und würdest dich aufrichtig freuen, sie am Arm eines andern braven Mannes zum Traualtar treten zu sehen. -- Du wünschest doch ihr Glück?“ -- Hätte ich so viel in Ihrer Meinung verloren, daß Sie auch daran zweifeln könnten? -- „Nun dann, eine frostige Ehe würde sie unglücklich machen, sie hat Hang zur Eifersucht, und du kaum ein halbes Herz für sie. -- Folglich, aus der Heirath mit Karolinen kann nichts werden.“ Julius sank an des Landraths Brust. Guter, theurer Onkel! mein zweiter Vater! -- entziehen Sie mir Ihre Liebe nicht! -- „Halt, so klingt’s? -- Ich habe mich also nicht geirrt. Der ehemalige Liebhaber würde mit Sturm und Donnerwetter gegen die Bräutigams-Entlassung protestirt haben; der erkaltete Bonjourmacher fällt mir dankbar gerührt über den erhaltenen Abschied um den Hals. Gut, gut -- die Sache ist abgemacht, unter uns beiden, heißt das. Aber noch nicht mit deinem Vater, mit Karolinen -- die schonende Behandlung und Achtung zu fordern hat; doch auch das wird sich finden.“ Aber -- schließt und geht mein guter Onkel auch nicht zu eilig? -- „Erspare dir die unnöthigen Schnörkeln; ich kann die Proforma’s nicht leiden. An mir ist’s, dich zu fragen: gehst du auch nicht zu eilig? -- Was soll’s werden mit dir und der Wallersee? -- Du zwar bist der allezeitfertige Freier, aber sie? -- und für dich?“ Ich glaube noch für Keinen. -- Adelaide ist noch frei -- „Und nichts weniger als zu zärtlicher Neigung für dich gestimmt.“ -- Sie betrachtet mich als Karolinens Verlobten. „Gut, dahinter will ich bald kommen. Das Mädchen ist ohne Verstellung; sie hat Vertrauen in mich.“ Bester Onkel! was wollen Sie? „Das Eis probiren, auf dem du eingebildeter Thor vielleicht zu zuversichtlich deine unwiderstehliche Herrlichkeit produziren willst. -- Würde sie auf dich reflektiren, wenn sie dich frei weiß, so überlaß das Weitere mir. Für Karolinen findet sich schon noch Entschädigung; besser den Brautstand aufgehoben, als den Ehestand mit Wehe zerrissen, oder verzweifelnd bis zum Grabe fortgeschleppt.“ Aber mein Vater wird -- „Seine podagraischen Beine verfluchen, daß sie ihn abhalten, dich selbst auf die Zinne des Straßburger Thurms zu schleppen, und seinen Stammhalter mit eigner Hand herunter zu stürzen. -- Doch auch aus ihm hoffe ich den bösen Geist zu treiben, wenn nur die Wallersee den zärtlichen Schäfer zu erhören sich geneigt findet.“ „Heisa! trabe der Herr nicht so übermüthig einher!“ -- raunte der Landrath seinem Neffen in’s Ohr, als dieser Tages darauf die Nachricht des jungen Baron Milken: Adelaide habe an dem Grafen Bendheim einen eifrigen Bewerber, aber dieser schien in seinen Bemühungen nicht glücklich zu seyn, und habe Wallersee vor ein Paar Tagen wieder sehr aufgebracht verlassen -- mit fröhlichem Lachen aufnahm, und seinen Witz über den abgewiesenen Seladon spielen ließ. „Morgen wird sich’s entscheiden, ob er über Bendheim triumphiren, oder sich mit ihm werde trösten müssen.“ * * * * * Der Landrath ritt nach Wallersee; gegen Abend kam er zurück. Seine Familie empfing ihn mit Fragen, wie es um das Befinden der Damen dort stehe? ob er von der Comtesse das neue Modejournal, von der Haushälterin die vollständige Koch- und Backereikunst, und von der Generalin den russischen Thee bekommen und wohlbehalten mitgebracht habe? Alles das könnt ihr dort selbst in Empfang nehmen -- erwiederte der bestürmte Kommissionair. -- Karoline packt ihre Habseligkeiten, so viel sie deren auf einige Wochen bedarf, zusammen, und Mutter Friederike bringt morgen früh ihr Töchterchen nach Wallersee, wohin sie freundlichst eingeladen, und auf so lange, als es ihr dort gefällt, herzlich willkommen ist. -- Die Comtesse verspricht dir viel Vergnügen, ein neues englisches Fortepiano, wie dir noch keines dergleichen vorgekommen, neue Moden, dir völlig den Kopf zu verdrehen, Affen und Papagoys, dich mit ihnen lehrreich zu unterhalten -- alles dieß ist unterdessen angekommen, und von Euch Frauenzimmern noch nicht angestaunt worden. -- Säumt nicht, morgen mit dem Frühesten ist für Euch angespannt. O scharmant! rief erfreut Karoline, und hüpfte fort, ihre Reiseanstalten zu treffen. Recht gern, sagte die Landräthin -- es war längst mein Wunsch, die Generalin selbst zu besuchen; nur wagte ich ihn nicht zu äußern -- wegen der Pferde, die du doch jetzt nicht gern in der Wirthschaft missest. Muß wohl; wer kann so artigen Damen etwas abschlagen. -- Jetzt, liebes Riekchen, sey auch du galant, und sorge für meinen Nacht-Imbiß; der Ritt hat mir Apetit gemacht. Die Landräthin ging mit freundlichem Behagen an der bevorstehenden Lustreise ihren häuslichen Geschäften nach. Julius sah sich nun mit seinem Onkel allein; bange Erwartung des ihn angehenden Berichts aus Wallersee schloß ihm den Mund, so sehr ihm auch die Frage: Wie denkt Adelaide meiner? -- das Herz drückte. Der Landrath ließ ihn nicht lange in Ungewißheit: „Und mit dem, wovon wir gesprochen haben, lieber Neffe, ists nichts, rein nichts!! -- Ich bedaure dich, wahrlich ich bedaure dich! -- Du hättest ein glückliches Loos gezogen, wäre dies Mädchen dir zu theil geworden.“ Warum aber verschmäht sie mich? -- stotterte Julius -- So ist sie schon versagt -- „Nein. Sie wird keines Andern Weib, und -- ich glaube, es verdient sie auch keiner; Adelaide ist zu gut für unsere lieben Alltagsmänner. Ich habe nur eine halbe Stunde mit ihr unter vier Augen gesprochen; sie hat mir Ursachen angegeben, warum es nicht seyn kann, in Wendungen und Entschuldigungen, die ich weder wörtlich verstanden habe, noch sie dir mitzutheilen vermögte; aber ich begreife und bin fest überzeugt, daß es nicht seyn kann. Uebrigens giebt sie deinen Wankelmuth der Unzufriedenheit mit Karolinens Mangel an feinem Ton und Weltkenntniß Schuld.“ Ja, wenn sie mich so charakterlos hält -- „Hm! Sie scheint mir auf dem rechten Wege zu seyn. -- Adelaidens glänzend ausgebildete Talente, der Stempel der großen Welt, des Hoftons, der überall ihr Benehmen auszeichnet, verleidete freilich dem eleganten Chevalier das simple jener galanten Lebensart unkundige Landmädchen. -- Die Wallersee behauptet: dem könne abgeholfen werden, und wiewohl ich nichts weniger willens bin, als dir meine Tochter aufzudringen, überhaupt das: Heute so, und morgen anders! nirgends statuire, wo ich drein zu reden habe -- so mußte ich doch versprechen, ihr Karolinen in die Schule zu geben.“ Die ohnehin schon liebenswürdige Cousine wird unstreitig in jeder Art gewinnen; doch eben so wahr ist es, daß ich auf dieser entscheidenden Stufe mich sehr gedrückt fühlen muß. „Er meint, diese Stufe sey das Fußgestell eines Donquixots? -- So ganz unrecht habt ihr nicht, edler Ritter!“ O diese Adelaide! Gott gebe, daß sie mich nicht noch zu etwas Schlimmern macht, als zu einem Narren -- „Der Ihr jetzt schon im höchsten Grade seyd!“ Wie soll ich künftig ihren Anblick ertragen? „Dessen bist du überhoben: man verbittet deine Besuche auf Wallersee in den ersten Paar Monathen.“ Ha, bravo, ~mon cher Oncle~! ich erkenne dankbar die Früchte Ihrer Vermittelung -- die Sachen stehen vortrefflich! „Sieh, Bursche! hielt ich dich jetzt nicht für eine Art Gecken, von denen man sagen muß: Sie wissen selbst nicht, was sie thun -- in diesem Augenblick würdest du mir verächtlich! -- Ich glaube, der Pinsel unterfängt sich, mich der Kabale zwischen ihm und seinem Liebesglück bei der Gräfin zu beschuldigen.“ Der Landrath war in allem Ernst böse, und Julius, der wohl einsah, daß er des Onkels Beistand nicht verlieren dürfte, legte sich mit Bitten und Schmeicheln zum Ziel. Er versprach, sich seiner Verbannung aus Wallersee auf vier Wochen wenigstens zu unterwerfen, sich still und leidlich zu verhalten, und ohne Vorbehalt auf Karolinens Hand, die jetzt der stolze Vater ihm auf jeden Fall versagen würde, dem Mädchen selbst mit der bisherigen Vertraulichkeit und wohlwollender Achtung zu begegnen. Karolinens Bekehrung überlaß ich Adelaidens Klugheit -- fügte der Landrath noch zum Schluß hinzu. -- Das weibliche Ehrgefühl kann auch nur von der zarten Schicklichkeit eines Weibes in jene nöthige Reizbarkeit gebracht werden, ohne den Stolz und die Ansprüche des Mädchens zu kränken. Die Cousine nahm des Vetters finstere Laune für Verdruß, daß er sie nun mehrere Wochen hindurch nicht sehen würde; da eine vorgeschützte Reise zu seines Vaters Bruder ihn hinderte, ihr Vergnügen durch seine Gegenwart in Wallersee zu vergrößern. Sie selbst tröstete ihn, daß nichts schneller laufe, als die Zeit, und Wiedersehen nach langer Trennung das Süßeste sey, was ein treues Herz erfreuen könne. -- Was die Frühlingssonne der knospenden Schöpfung war -- so wie der junge Mai den stürmischen Aprill verdrängte, und sich schöner entwickelte, als je die Dichter ihn besungen hatten -- eben das war Adelaide für Karolinens Blüthen; auch das artige Landmädchen entwickelte sich unter der jungen Gräfin Leitung zur reizenden Hebe, die selbst den Landrath mit dem Becher hoher Vaterfreude über ihre Verwandlung berauschte. Ich hoffe, sagte Adelaide dann mit sanftem Händedruck zu dem vergnügten Alten: der Ritter würde noch gern um diese Perle einen Zug nach Palästina unternehmen. Hm! -- ich zweifle. Herzen lassen sich nichts unterschieben -- und dann -- zum Lükkenbüßer wäre sie überall zu gut. Ich wünschte, sie ahndete, daß sie dies als Weib nur ihrem Vetter seyn könnte, ohne daß ein wörtlicher Commentar sie davon unterrichtete. Zeit bricht Rosen, sprüchwörtelten unsere Alten, und die ehrlichen Leute wußten wohl, was sie sagten. -- Befiehlt die subtilere Nothwendigkeit, dem Geliebten nur den Grad eines Vetters zu zuerkennen, so wird Lina dem Willen des Vaters und der jungfräulichen Würde vielleicht ohne sonderlichen Zwang Gehör geben. Als sie vor einigen Tagen vernahm, Graf Julius sey, während wir einen Besuch in der Nachbarschaft abstatteten, in der Hoffnung uns zu sehen, hier gewesen, bewunderte ich die Ruhe, mit der sie seinen vergeblichen Versuch bedauerte. Die Dirne ist leichtsinniger, als ich geglaubt hätte, aber in gegenwärtigem Fall frommt es uns allen. -- Nun, ich habe meine Sach’ Gott heimgestellt -- singt auch ein braves altes Lied -- und ich habe meine Noth mit dem Mädchen in ihre gütige, geschickte Hand gelegt; besser konnte sie nicht aufgehoben werden; denn ich betrachte Sie als einen Engel, uns von Gott geschenkt, Leiden zu versüßen und Freuden uns zu erhöhen. -- Ich kann es dem Passionsritter nicht verargen -- murmelte der Landrath, indem er sich aufs Pferd und noch einen väterlichen Liebeskuß nach Adelaidens Fenster warf -- wenn er um eines solchen Mädchens willen nicht nur seiner Braut, der ganzen Welt, ja sich selbst ungetreu wird. * * * * * Adelaide arbeitete mit Karolinen an einer Stickerei, die zum Geburtstag der Frau von Elfen vollendet werden sollte. Georg unterbrach mit einem Postpaket die emsigen Künstlerinnen. Meines Bruders Hand -- Mathildens, und -- von Bendheim; sagte leise mit steigender Verwunderung die Empfängerin. Kaum hatte sie einen der Briefe zur Hälfte gelesen, so bat sie erblassend: Zynthio mögte die Vorzeichnung der Stickerei an ihrer Statt vollenden, und eilte in ihr Kabinet. Karoline wendete ihre besorgten Blicke auf den Sicilianer, der Adelaiden eben so betroffen nachsah. Die Gräfin entfärbte sich, ihre Stimme zitterte; die Angst würde mich antreiben, ihr zu folgen -- aber sie könnte ungestört seyn wollen. Sie, als der vertrautere Freund des Hauses dürfen vielleicht -- „Zudringlicher seyn? -- Nein, Fräulein! ich verstand ihren Wink, allein seyn zu wollen. Nie habe ich gewagt, dies stillschweigende Gesetz zu übertreten. -- Droht ihrem Befinden ein Unfall, so ist Betty im Nebenzimmer, und zur Hülfe im Augenblick alles bereit.“ Eine Stunde später verließ Adelaide das Schreibepult. „Guter Georg!“ rief sie dringend dem Gerufenen entgegen -- „laß dir den besten Renner aus dem Stall ziehen, und eile mit diesen Briefen nach der nächsten Post, von dort aus schicke ungesäumt eine Stafette mit deiner Depesche weiter. -- O über den Dienstfertigen! Die Hast, mit der er den Auftrag schon erfüllt haben möchte, läßt ihn das Nothwendigste vergessen.“ Die Briefe habe ich doch alle richtig? -- „Ja, aber ohne diesen Kommandostab geht dir kein Fußbote aufs nächste Dorf, geschweige eine Stafette -- sagte lächelnd Adelaide, und warf ihm eine gefüllte Börse zu. Georg verschwand, und die Erheiterte meldete für nächstens unerwarteten Zuspruch eines halb Europa durchwanderten Gastes an.“ -- Doch nicht jener Briefsteller, der meiner guten Adelaide vorhin das Roth von den Wangen blies? fragte Karoline; sonst rechne ich ihn ungekannt schon unter die Unwillkommnen. Nichts weniger. Es ist mein Bruder, der Euch artigen Mädchen zwar gern gefährlich werden möchte, jedoch -- wenn ich darum bitte -- recht sehr willkommen zu seyn, so halbwegs verdient. Lina flog fröhlich in ihrer Freundin Arme, und ruhig floß der Abend unter Musik und Scherzen bin. Nur dieser Pulsschlag-Revisor lauert auf jede Wallung, jeden langsamern Lauf meines Blutes, als wäre er von meinen Erben besoldet -- sagte neckend Adelaide zu dem immerwährend ernsten, jetzt aber doppelt bekümmerten Kamillo. -- Glaube, mir, es ist nichts, was mich bedeutend decontenanciren könnte, und hätte mich auch die lästige Kaprice des Bendheims, immer wieder anzuklopfen, in unangenehme Laune versetzt, so erheitert mich die Freude, meinen Theodor zu sehen, doppelt und dreifach. Stumm und unbefriedigt von dieser Versicherung stieg Zynthio den Schneckenberg zur Philosophen-Ruhe hinauf; durch hohe Linden stahl sich der Mond, und beleuchtete mit kaltem Hohn den Usurpator dieses Thrones ruhiger Weisheit, der in bittrer Fehde mit dem Schicksal lag. Er ahndete, daß hier ein Geheimniß herrschte, welches Adelaide aus Schonung gegen einen Dritten so sorgfältig verbarg, sich selbst aber, indem sie die Last desselben allein trug, unverantwortlich aufopferte. Daß auch die heut empfangenen Nachrichten schädlich auf ihr Befinden gewirkt hatten, bewieß die brennende Wange, das nur übel zu verbergende Zittern der Hände, und die Begierde, mit der sie ein Glas Limonade statt alles Nachtmahls verschlang. Es war eine Lieblings-Gewohnheit der jungen Gräfin, vielleicht auch Beförderung ihrer sanftern Ruhe -- da ein leidender Körper meistentheils das Bette, als den Tummelplatz seiner Schmerzen mit Widerwillen betrachtet -- daß sie die erstere Hälfte der Nacht auf einer Ottomane wegschlummerte, und gegen Morgen erst in den Flaum der weichern und wärmern Kissen sich flüchtete. Auch diese Mitternacht belauschte die heißen Athemzüge der Schlafenden auf den morgenländischen Polstern des kleinen Museums. Eine Spiritlampe warf ihr blasses Licht durch die offne Thür aus dem daranstoßenden Schlafkabinett, aus welchem, durch ein leises Geräusch gelockt, jetzt die noch mit Schreiben beschäftigte Karoline trat, und den rastlos umherwandelnden Sicilianer, sorgsam über die Ottomane gebückt, erblickte. Er zündete die Kerzen des Spiegel-Lüsters an, und nahm Besitz von einer ~Chaise longue~, von welcher aus er Adelaiden genau beobachten konnte. So spät noch? Signor Kamillo! Wäre für die Gräfin wirklich zu fürchten? -- fragte Karoline, doch etwas betroffen über den männlichen Besuch, der gegenwärtig durch die misteriöse Stunde der Nacht, in welcher die jungfräuliche Schamhaftigkeit im Nachtgewande dieses Kabinet zum Heiligthum machte, zur Entweihung desselben wurde. Das wird die Zeit lehren, die man aber alsdann zu spät fragen dürfte! -- erwiederte Zynthio, und rückte den Schirm vor die Lichter, daß ihre Strahlen in Adelaidens nur halbgeschloßnes Auge nicht drangen. So leise Frage und Antwort, so behutsam jede Bewegung geschah, dennoch erreichten sie das Ohr der Schlafenden. Mit neuer Kraft belebt, an Muth und Hoffnung gestärkt, winkte sie dem treuen Freunde: „Dem voreiligen Frager antwortet die Geheimnißvolle nie, doch mich scheint sie zu ihrer Lieblingin erkoren zu haben; mit purpurnem Finger entschleierte sie in dieser Stunde für mich den wichtigen, mir nahe liegenden Zeitraum. -- Weg jedes ängstliche Zweifeln, jedes fibrilsche Zagen menschlicher Schwäche und Unbestimmtheit. Vor allen Dingen halte dich an keinen Schein; du wirst Handlungen, Anstalten sehen, die dir manches Kopfbrechen kosten dürften, es sind Operationen der sich nähernden glücklichern Katastrophe; und sind wir am Ziel, dann soll dir auch nicht das kleinste Motiv, der geringste Zweck verborgen bleiben. Bis dahin erhalte deine Seele in ruhiger heitrer Erwartung, und glaube mir, ich befinde mich wohl. Schicke mir die Betty, und gehe schlafen. -- Und du, Lina, unterläßt mir künftig das nächtliche Schreiben; schone den Glanz deiner Augen, die frische Farbe deiner Wangen -- bald winde ich dir die bräutliche Myrthe um deine Locken, und du eilst aus dem Arm der Schwester mit dem Geliebten zum Altar.“ Ein apokalyptisches Gesicht durch den Eindruck der erhaltenen Nachricht erzeugt, und in der Fieberhitze verarbeitet, seufzte Zynthio; indem er sich entfernte. -- Der Ungläubige! sagte Adelaide; und Karoline, weniger zu zweifeln geneigt, papilliotirte noch diese Stunde die bräutlichen Locken mit zwiefach angestrengter Geschicklichkeit. * * * * * Dort jene Nymphen-Gestalt am Bassin, welche das mit Blumen zierlich umwundne Füllhorn über den mit Moos gekrönten Häuptern der Nestors des Karpfengeschlechts ausschüttet -- sollte das nicht meine Adelaide seyn? -- dachte Theodor und eilte leise, die ihn nicht bemerkende Pflegerin der Wasser-Patriarchen mit seiner Umarmung zu überraschen. „Willkommen an meinem Herzen, du Einzige!“ rief er, und erstickte mit einem feurigen Kuß den Schrei auf ihrer Lippe, als die Erschrockene das Gesicht kaum zur Hälfte nach ihm gewendet hatte, welches ein neidischer Basthut verbarg. Karolinens Bestreben, sich aus den Armen des ungestümen Fremden zu winden, bewirkte in der nächsten Minute die Erkennung seines Irrthums. Verlegenheit und Entschuldigung von einer, -- Bestürzungstammelndes: Wer sind Sie? glühende Wangen, furchtsam forschende Blicke von der andern Seite, machte die Unterhaltung für Beide zwar interessant genug, doch gewann sie nur durch Adelaidens Herbeifliegen an Lebhaftigkeit und leichterer Erklärung. „Noch einmal an mein Herz, Theodor, du sehnlichst Erwarteter!“ sagte Adelaide, indem sie den kaum Freigelaßnen wieder mit einem Arm umschlang, und mit dem andern Karolinen an sich zog -- „ich verlange vollen Ersatz der Küsse, die meine Freundin Karoline von Elfen auf meine Rechnung empfangen hat.“ Ich will den mir nicht gebührenden Empfang an die Behörde ehrlich erstatten, erwiederte diese, und begann die Zahlung auf Adelaidens Lippen. Graf Wallersee wollte die Entschädigung selbst leisten, und Karolinens Verwirrung erneuerte sich, als sie auch ihre Wangen von Theodors Küssen brennen, und sich mit dessen Schwester zugleich von seinen Armen umschlungen fühlte. „Das hätte er doch nicht thun sollen!“ klagte sie sich eine halbe Stunde später, als sie in ihr Kabinet geflüchtet war, um die vertraulichen Mittheilungen des ersten Wiedersehens zwischen Geschwister und der erfreuten Mutter nicht zu stören. „Wie mich die Lippen schmerzen! wie ich glühe! und die Brust -- er muß mich gewaltig gedrückt haben: denn es ist mir so beklommen. So küßt Julius nicht, nein! so nicht. Ach, der Vetter sollt’ es von ihm lernen -- ich glaube, sein Kuß wäre süßer!“ Nichts mehr von dieser Julie La Valette! ergoß sich das geheilte Bruderherz den nächsten Tag, als er mit der geliebten Schwester in der Jasminlaube saß. -- Herkules stand am Scheidewege. Die Phryne ließ die Maske noch früh genug fallen; ich entdeckte die Abgründe ungeachtet der täuschenden Blumenpfade, so wie Julie meine Kräfte, ihren unersättlichen Eigennutz zu befriedigen, schwinden sah. Durch manche meiner Erzählungen war ihr dein Edelmuth bekannt; frage nicht, welche Projekte die Elende darauf bauete. Als ich sie entschlossen verwarf, enthüllte sich das Laster; ich schleuderte die Natter von mir, und dankte Gott, daß noch kein unauflösliches Band mich mit -- der Vice-Gemahlin des Düc de *** vereinigt hatte. Frankreich hatte keinen Reiz mehr für den Getäuschten, ich kehrte zurück, und denke doch wohl noch einen Platz in meinem Vaterlande zu finden, auf den sich ein Stück Brod verdienen und ruhig essen läßt. Sophie ist vermählt -- sagte Adelaide -- einer Bedingung wärest du also enthoben, wenn deine Neigung nun einmal nicht für sie gesprochen hätte; und der Majorats-Herr darf hoffen -- -- Nichts, denn ein Erbschleicher werde ich nun einmal nicht, folglich auch kein Majorats-Herr. So darf’s aber nicht bleiben, durchaus nicht! -- Soll ich die mir anvertrauten Güter unrechtmäßigen Händen übergeben? -- In weniger denn acht Monathen heischt meine Pflicht, sie nach dem Willen unsers verstorbenen Vaters den eigentlichen Erben abzutreten. Und dieser eigentliche Erbe ist der Glückliche, den du mir einst zum Schwager giebst; die Verfügung ist mir bekannt. O, des Ohnfehlbaren! Dem nur eben der wichtigste, ihn am nächsten angehende Punkt dieser Verfügung unbekannt blieb! Du hast dich dem Vaterlande wiedergegeben. -- Sophie hat anders gewählt, deine Verbindlichkeit ist gehoben. -- Wallersee und Tomsdorf nebst den dazu gehörigen Ortschaften und Meiereien sind dein; für meine Mitgift ist außerdem gesorgt; -- und nun darfst du nach deinem Herzen wählen. Angenommen, ich hörte auf das schmeichelnde Geschwätz deiner großmüthigen Schwesterliebe; laß selbst die wohlgemeinte Lüge in deinem Munde zur Wahrheit werden -- in Rücksicht des Wählens und meiner Neigung war ich niemals glücklich. Unter den deutschen Mädchen hast du doch wohl noch keine Beweise für diese Behauptung? -- Hm! Von meinen Angelegenheiten auf deine Umgebungen zu kommen. -- Bendheim findet also keine Erhörung? -- und zwar mit Recht! Der Wicht verdient dich nicht. Er schlich um mich während der zwei Tage meines Aufenthalts in der Residenz, wie eine Kröte, die sich ihres Gifts entledigen wollte. Nur das forschende Auge, die drohende Miene des Erbprinzen, welcher, wie du weißt, wegen den neuerdings eingetretenen Apoplektischen Zufällen seines Vaters zurückberufen ist, nöthigten ihn, sich mit seiner Ladung jedesmal wieder zu retiriren, wie er avancirt war. -- Italien scheint ein Donnerwort zu seyn, mit dem er die Ruhe der Wallerseeschen Familie in die Luft zu sprengen vermeint. Ich hoffe, es soll ihm nicht gelingen. Bald kommt ein Zeitpunkt, wo unsere Ruhe aufhören wird sein Spielwerk zu seyn. In dieser Zuversicht liegt viel Bedeutendes! Adelaide, die Fürstenkrone schwebt über deinen Locken -- Weh mir, wenn ich zu dieser Vermuthung Anlaß gab. O Theodor, störe nicht den süßen Genuß, den mir meine gegenwärtigen Umgebungen, wie du sie nennst, so rein gewähren. In diesem Zirkel belebt mich nur das Interesse der Schwester- und Kindesliebe, und der Freundschaft. Die letztere blüht im lieblichen Kranze um dich -- Karoline von Elfen dankt dir die Vollendung ihrer Liebenswürdigkeit, sagt mir unsre Mutter, so auch, daß sie schon verlobt sey -- Ob wohl Graf Hochburg glücklich wählte -- fiel Adelaide schalkhaft ein. Familienbündniß -- vielleicht wie einst das meinige mit Sophien werden sollte. -- Liebt sie ihn? Es war ihre erste Liebe. Der Glückliche! Warum? -- Auch Julie war deine erste Liebe; die frühern Gefühle sind nicht allemal die stärksten. Wäre diese Bemerkung hier anwendbar? -- Bereichre deine Erfahrungen bei näherer Bekanntschaft mit ihr. Man gewinnt nichts an Klugheit durch das Studium der Weiberherzen; öfters kostet es unsre Vernunft, ja selbst den baaren Gehalt einer honetten Männerseele. Beginnt der Forschende mit unbefangnem Blick, mischt sich nicht aufkeimende Leidenschaft in seine Beobachtungen, so steht weder die Vernunft noch der Seelengehalt auf dem Spiel. Zum Commerce nehme ich die Karten in die Hand, und ende im Hazard-Spiel, wo der letzte Point mich zum Bettler macht. Karoline ist keine Julie. Aber schön, blühender noch, als es jene war, und -- bereits das Eigenthum eines Andern. Unter Bedingungen, die beiden Verlobten vielleicht jetzt schon nicht mehr behagen. -- Begierig diese Bedingungen zu wissen, und mit erneutem Muth bewaffnet, die Herzen der Mädchen zu ergründen, begann Theodor für die Erndte seiner Erfahrungen, Karolinen sorgfältig zu prüfen. Der glücklichste Erfolg krönte seine Bemühungen. Nach Verlauf einer Woche war es entschieden, daß Fräulein von Elfen -- wofern ungetheilte zärtliche Liebe für Graf Julius gegenwärtig noch die Hauptbedingung ihrer Verbindung mit ihn sey -- sie nie dessen Gattin werden könnte. * * * * * Adelaide an Mathilden. Der glückliche Moment ist da, wo ich mich mit schwesterlicher Vertraulichkeit zu meiner Mathilde erheben darf; jede Rücksicht überwunden, welche mir gebot für dieses Erdenleben nicht die Fürstentochter -- die künftige Großherzogin über der geliebtesten, der vertrautesten Freundin zu vergessen. Fesselfrei von jeder kalten nothgedrungenen Bedachtsamkeit fliegt Adelaidens Geist zu dem deinigen, und bringt dir Schwestergruß und Kuß! -- Jetzt verstehest du mich auch wieder -- nicht so meine Mathilde? -- jetzt wird jedes meiner Worte Glauben und Eingang in dein Herz finden! und sey überzeugt: nie bedurften, nie verdienten sie dessen in so hohem Grade als jetzt. Das Schicksal legt die Hand an den letzten Akt des Drama’s, und bereitet die Entwicklungsscene mit der Phantasie eines heroisch schwärmenden Dichters, wo es an Energie, an Sprache der Weihe so wenig fehlen darf, als an den die Illusion befördernden Dekorationen und feierlicher Beleuchtung. Der Knoten ist geschürzt, die Auflösung folge hier einstweilen skelettirt -- wenn ich erst noch einige der wichtigsten Punkte, welche -- wie die größern Planeten auf unsere kleinere Welt, auf mich, oder vielmehr auf jene Entwickelungsscene Einfluß haben, mit dem glühenden Griffel meiner Gefühle für dich und die theuren Deinen angemerkt haben werde. Winde den Flor um das Herz der liebenden Tochter, dem der Verlust des Vaters, nicht des Fürsten bevorsteht! Denke eine Schwester trauert mit dir. -- Der erhabene Leidende verspricht, Grüße von mir meinem guten Vater mit hinüber zu nehmen? -- O dürfte ich an des Fürsten Lager, wie an dem des Vaters stehen, und ihm zulispeln, was ich dir -- wenigstens in diesem Briefe noch nicht sagen darf! -- doch drücke den Kuß der kindlichsten Dankbarkeit für dieses schöne zarte Versprechen auf seine väterliche Hand; sage ihm: die Tochter seines ihn und mich dort erwarteten Alexis verstehe und fühle eben so zart, wie sie sich dieses segnenden Andenkens würdig machen müsse!! -- Wohl dir Mathilde! mit freiem Herzen kannst du die letzten Stunden deines großen Vaters, durch Erfüllung seiner Wünsche für dein Wohl versüßen. -- Aber mit banger Furcht blicke ich jetzt auf deinen Bruder! -- mißtrauend seinen Grundsätzen über Ehre und Pflicht des festen Mannes -- ich will mich nicht einmal hier auf die weichern Gefühle des tugendhaften Menschen berufen, die selbst in der Brust der Fürsten die Basis seines edelsten Wollens seyn sollten; -- von dem Gedanken niedergedrückt, ich sey der Gegenstand seiner beharrlichen Unglücks schwangern Leidenschaft, ergreift kalter Schauer meine Seele, und fremd wird ihr der Bruder meiner Mathilde. -- Es bedarf keiner weitern Auseinandersetzung meiner Meinung hierüber, du fassest sie ohnehin so lebendig und wahr, als ich das unglückliche Gemählde in seiner schrecklichsten Darstellung vor Augen habe, welches du mit von den Verhältnissen des Fürsten und seines Sohnes nur als Skizze entworfen hast. O zürne mir nicht, beleidigter Vater! wende dein Auge noch nicht hoffnungslos von ihm -- bald wird er dir und dem Staate, den du jetzt schon verwaist zu sehen glaubst, wiedergegeben. Versöhnt, der erwählten Mutter künftiger Enkel gewiß, schwebt erst dein Geist hinüber, wann die wichtige Katastrophe meines Lebens unter deinem Segen entschieden hat. Graf Bendheim hat Deutschland verlassen, um in Italien die Pfeile der Rache zu spitzen; ich soll vor seiner Rückkunft zittern? -- Er komme: daß der Erbprinz ja nichts thue, uns dagegen zu sichern. Ich weiß bestimmt, daß der verblendete Eiferer sich nur zu sehr verrechnet, und in der Zwecklosigkeit seines Strebens sich selbst bestraft. Und jetzt zu den Neuigkeiten unsrer Tage: Mein Bruder betrat als Gegner des Graf Hochburg den Kampfplatz; der Preis war Fräulein Karoline von Elfen. Sein Glück wollte, daß Julius von Hochburg und die ihm früher verlobte Karoline seit einiger Zeit sich mehr und mehr überzeugten, Liebe sey es nicht, was sie für einander bestimmte; die eingebildete glühende Zärtlichkeit verschwand, und an ihre Stelle trat nun ohne Täuschung, das freundschaftliche Wohlwollen, welches sich herzlich, aber ruhig, in die Verwandtschaftsbande guter Menschen webt. Theodor und Karoline schwuren sich gestern als Verlobte ewige Treue. Der redliche Landrath von Elfen weinte Thränen der Freude; denn die Unbeständigkeit seines Neffen hatte ihn schon früher zu dem Entschluß gebracht, Karolinens Verbindung mit diesem aufzuheben. Hochburg, der Vater, der sich seit sechs Jahren an der Aussicht weidete, die Brudertochter seiner verstorbenen Gemahlin mit seinem einzigen Sohn verheirathet zu sehen, zürnte gewaltig, diese Hoffnung durch die beiden Abtrünnigen vereitelt zu sehen. Er war durch nichts zu besänftigen, ein förmlicher Familienbruch zwischen Hochburgs und Elfens stand bevor, wenn ich ihm die verlorne Tochter nicht ersetzen wollte. -- Mein guter Vater Elfen, den ich wahrlich kindlich verehre, bat so freundlich, mit so rührender Gutherzigkeit, -- Ritter Julius dessen Dämon mich erkor, sein Herz Karolinen zu entwenden, rang wie ein Verzweifelnder mit meinem Gelübde, nie einem Manne angehören zu wollen -- seine Verhältnisse, sein Charakter, so wie das Aeußere des Grafen, gaben mit keinen Vorwand, auf jenen Vorsatz zu beharren, hingegen bedeutende Ursachen bestimmten mich, ihn aufzugeben, und so vernimm denn die nie dir geträumte zweite Neuigkeit: wir feierten eine doppelte Verlobung -- das zweite Paar: Julius und Adelaide. Nun, meine geliebte Mathilde! -- Du wünschest mir noch nicht Glück? -- Denke dir, zur Verherrlichung der gestrigen Scene, die selige Wonne, die stille aber um so unaussprechlichere Freude meiner guten sanften Mutter! Du kanntest ihren Kummer um Theodor und jetzt ward der frommen Dulderin so schön vergolten; rein wie geläutertes Gold kniete der hochherzige Jüngling mit seiner Geliebten vor der verehrten Mutter; ihre liebe Hand ruhte segnend und zitternd vom überwältigenden Gefühl, auf dem schönen Apollskopf; denn wahrlich, Theodor ist, seit die Liebe die letzte Feile an ihn legte. Die vollkommenste, aber auch die verführerischte Kopie des Vatikanischen Gottes geworden: ihre Freudenthränen glänzten auf seinen goldnen Locken. -- O, es war eine Gruppe, in deren Beschauung sich selbst Zynthio verlor; schon heut den ganzen Morgen war dieser beschäftigt, die Leinewand für seine Staffelet aufzuspannen um das Tableau durch seinen Pinsel zu verewigen. Nach einer sehr herzlich gütigen Umarmung entließ die von allen Seiten mit Gratulationen bestürmte Mutter auch meinen Verlobten, und zog mich zärtlich einige Schritte abwärts. -- Kind! sagte sie, deine Entschlüsse so wie deine Handlungen haben so einen besondern feierliche Gehalt -- man fühlt und ist überzeugt, daß sie Gott und Engeln angenehm seyn müssen, aber man weiß nie, ob es dir dabei um dein eignes irdisches Glück zu thun war. -- Du kannst nicht zweifeln, daß der Schritt, welcher dich dem Altar und einer glücklichen Ehe zuführt, meinen vollkommnen Beifall hat. Dich kann hienieden weder Reue noch Unglück treffen; aber mir engt eine Ahndung das Herz, und doch sollte ich mich dieses Schwachmuths erwehren; denn es ist ja, wie Gott es von seinen Frommen heischt! -- Du siehest das Glück dieser Welt für Spielwerk an, womit du dich nur zur Freude für andere Kinder beschäftigest. -- Deine Sehnsucht hat ein höheres Ziel. Amen! sprach ich -- und wie könnte die Tochter einer so frommen Mutter anders wünschen und fühlen? -- Sie drückte mich so fest an ihre Brust, als glaubte sie, die Erreichung dieses Ziels wollte mich schon in dieser Minute aus ihren Armen reißen. Ich hielt für nothwendig, sie durch weniger angreifende Gemüthsbewegung zu zerstreuen, und war bemüht, unter heitern Uebergängen in den Scherz der nach uns hinblickenden Gesellschaft, sie der vorigen fröhlichen Stimmung wiederzugeben. Die übrigen Glücklichen vereinigten sich mit mir zu diesem Endzweck, den wir auch sehr bald erreichten. „Und das wäre denn die große Begebenheit, die wichtige Katastrophe, welche das wunderbare Schicksal, gleich dem kolossischen Erzeugniß seiner Phantasie einen Heldendichter in die Angst einer Gebährerin brachte? -- hör ich dich fragen. Das Mädchen Adelaide hat sich nach ihrer Mütterweise einen Mann erwählt, und wird in etlichen Monaten, in der Ordnung gewöhnlicher Vorfälle, Gräfin Hochburg. Poetisch begannst du die Einleitung zu einer Alltags-Geschichte, die du auch, ihrem Stoff gemäß, sehr prosaisch endest.“ Ich sagte, das Schicksal legte die Hand an den letzten Akt, und bereitet die Entwickelungsscene -- -- +Doch!+ spotte wie du willst, ich habe durch einen herzhaften Sprung eine Stufe erreicht, auf welcher ich mit leichtem Herzen deiner Aufforderung willfahren und dich Schwester nennen darf. Die Verlobte des Grafen Hochburg vernichtet alle und jede Deutelei oder Schlußfolge -- es sey das Studium der Verleumdung, oder das Hoffen eines kranken verirrten Herzens -- über die mich ehrende Vertraulichkeit mit der Schwester des Erbprinzen! -- Melde dem Fürsten, daß ich seinen Befehl erfüllt, und der Ring, welchen er mir einst an meinem Geburtstage mit dem Wunsche verehrt, daß ich ihn bald als Verlobungsring gebrauchen mögte, seit gestern in dieser Eigenschaft die Hand des Grafen Hochburg ziere. * * * * * „Keine Eifersucht, werther Neffe! -- Es verdrieße ihn oder nicht, ich weiß mir nun nirgends besseres Wohlseyn zu suchen, als wo meine liebe künftige Nichte mich willkommen heißt!“ braußte eines Morgens mit ungewöhnlicher Munterkeit der Landrath, ungefähr vier Wochen nach dem Verlobungsfest in Adelaidens Zimmer. Julius, welcher im Taumel seines Glücks jetzt öfters wie ein Kind tändelte, und eben parterre zu Adelaidens Füßen saß, wollte aufspringen, seinen Onkel zu empfangen, während die Gehuldigte dem herzlich Willkommnen Hand und Kuß bot. „Bleibe er sitzen, der größte Ehrenplatz für ihn! Dreißig Jahre früher, und nur über meiner Leiche hätte er sich desselben bemeistern dürfen!“ fuhr der verjüngte Alte fort. „Herr Landrath!“ fiel Adelaide ein -- „Sie mögen es verantworten, wenn ich eitel werde, und ihnen alles aufs Wort glaube, denn ich bin ein Mädchen, und wann hätten Mädchen je an dem gezweifelt, was ihnen schmeichelhaftes gesagt wurde. Doch Ihnen leuchtet heute, wenn ich nicht irre“ -- „In verdoppeltem Maaße die Freude aus den Augen -- nicht wahr, das wollten Sie sagen? -- Ja, liebes Kind! ich bin so halb und halb hinter eine Ueberraschung gekommen, die ich wohl noch nicht hätte errathen sollen.“ -- Und welche? -- „Mein Weg führte mich an der Kirche vorbei; ich hörte und sah Maurer, Zimmerleute, Tapezierer in voller Arbeit, wahrscheinlich die Kirche zu einem besondern Fest zu schmücken; und dennoch -- seht, Kinderchen! wie diskret ich bin! -- ich spionirte nicht, wie oder wozu? -- ich wollte Euch den Spaß nicht verderben. Aber da fallen mir durch die offne Thür des Zofen-Gemachs die violet-sammtnenen Decken mit den Wallerseeschen Wappen in die Augen, an die eine Stickerin die Grafenkrone in der Arbeit hatte, und da fiel mir natürlicherweise das Hochburgische, welches doch nun auch hinzugefügt werden muß, aufs Herz, wie ein Sache, an der ich längst ein Aergerniß genommen habe. Element, Neffe! Er ist ja sonst ein gewaltiger Heraldiker; es gefällt mir nicht mit seinen Neuerungen und frühern Auswüchsen. Seit zwei, dreihundert Jahren haben seine Vorfahren, Kaiser und Reichslehne so viel daran geschnürkelt, daß aus dem Kreuzzügler zu Roß auf einer hohen Felsenspitze, der sechste Tag der Schöpfung geworden ist, an dem Gott die vernünftigen und unvernünftigen Thiere ins Leben rief. Löwen, Pferde, Greifen und Raben haben den Felsen niedergestampft und gehackt, und ihn zierlich genug in sechs Felder eingetheilt, damit jedes von ihnen seinen eigenen Stall habe. In den beiden untersten steht endlich ein demüthiger Ritter, dessen Schwerdt in der Scheide ruhet, und blickt andächtig auf eine im nächsten Felde befindliche Mauer im Saracener Lande, wo ein Hochburg die christliche Fahne aufgesteckt, und dann unter vielen Wunden gefallen ist. -- Ich bitte dich, Julius, erwähle wieder das erste Sinnbild des Muths und Vertrauens auf Gott und die gerechte Sache, wie es noch auf der Ruine einer alten verfallenen Burg der Hochburgs in Franken zu sehen ist! -- Sie müssen wissen, liebe Komteß! Kurt von Elsek, der Stammvater dieses Herrn hier, zog mit Kaiser Friedrich nach Palästina, und war einer der Wenigen, die nicht ertranken. Er hielt sich tapfer, kam nach Franken zurück, fand seine Güter bereits in andern christlichen Händen, und gerieth mit seinen voreiligen Erben in Streit, der freilich nach damaligem Rechtsbrauch, nur durch Faust, Stärke und Muth entschieden werden konnte. Er erschlug seinen Anticipator im ehrlichen Zweikampf; indeß wurde der heilige Vater sehr unwirsch, denn einer der päpstlichen Legaten hatte den pfäffischen Söldner zum Erben konstituirt, wofür dieser einen Theil der Elsekschen Güter dem benachbarten Kloster zugeschlagen hatte. Der ehrliche Kreuzzügler wurde verfolgt und in den Bann gethan. Der neue Kaiser wollte es nicht gern mit Sr. Heiligkeit um eines gemeinen Ritters willen verderben, den er hingegen seiner bekannten Tapferkeit wegen seinem Heere erhalten und schützen wollte; auch wußte er wohl, daß aus den Händen der Geistlichkeit, die sich nun aller seiner Besitzungen bemächtigt hatte, schwer wieder etwas zurück zu erlangen war. Demnach fiel der Beschluß dahin aus: daß Kurt von Elsek die Spitze eines steilen hohen unwegsamen Felsen des Fichtelgebirgs im Fränkischen Hochland zu Gaule hinaufsprengen, und eine einzelne Fichte, die oben stand, als Wahrzeichen, daß er das Abentheuer bestanden, abhauen und mit herunter bringen sollte, welches dann, als Gottes Urtheil, daß seine Fehde gerecht war, anzusehen, und der Bann wieder von ihm zu nehmen sey; auch ferner er durch des Kaisers Gnade mit anderweitigen Burgen und Lehen“ -- -- Theodor trat ein und unterbrach den Erzähler der Hochburgischen Geschlechts-Vorzeit mit der Frage: Ob Adelaide noch entschlossen sey, dem Leichnam diesen Abend selbst entgegen zu fahren, und wie sie den Zug geordnet wissen wolle? Welcher Leichnam? fragte der Landrath. Für den die Kirche, oder vielmehr die Todtenkapelle, dekoriert wird; antwortete mit heiterer Ruhe Adelaide. Die Ueberreste unsers guten Vaters, welche in der Georgkirche in der Residenz beigesetzt wurden, sollen nun hier in der Wallerseeschen Gruft ruhen, wo sich dann nach und nach seine Familie zu ihm gesellen wird. Ei, ei! das war ein arger Mißverstand meiner Hoffnung! statt nahe geglaubter Hochzeit ein Leichencondukt! -- Ich dachte wahrhaftig, die gütige Adelaide hätte uns Vätern und auch dem schmachtenden Bräutigam die Freude machen und den Termin abkürzen wollen. Ich darf, ich vermag es nicht -- klagte diese mit bittender Stimme um Entschuldigung. Am Ende erlebe ich es nicht einmal -- Wenn Karoline und Theodor nicht ihren Eigensinn behaupten wollten, künftige Woche schon übernähmen Sie die Offices des Brautvaters am Ehrentage der geliebten Tochter. Die Anstalten sind bald getroffen. Nein, das ist nichts. Da haben die Menschen recht. Beide Vermählungen auf einen Tag, und sollten Theodor und Karoline bis zum nächsten Schaltjahre warten, wiewohl wir erst vor sieben Monathen den 29sten Februar geschrieben haben. Julius und Theodor stießen ein gemeinschaftliches: das wäre zu arg! ein heilloser Termin! in auffahrender Bewegung aus. Es bleibe beim zweiten Januar ~Anni futuri~. Ein lieber Tag von guter Vorbedeutung, als Geburtstag der Gräfin Mutter, und der zwanzigjährigen Feier meiner glücklichen zufriednen Ehe! versicherte besänftigt der Landrath. -- Wir Alten werden ja wohl nicht ungeduldiger seyn, als die jungen Verliebten. * * * * * Schüchtern nahte sich der kleine Harry, leise flüsterte er: In der Antichamber erwartet man Ew. Durchlaucht Befehl. In ein dumpfes Hinbrüten versunken stand der Erbprinz am Fenster und starrte in den blauen Aether, ohne zu wissen was er sah, und warum er ihn begaffte, ohne zu hören was sein Liebling, Bettys Bruder mit ungewöhnlicher Furchtsamkeit meldete. Vernehmlich begann dieser: Der Oberjägermeister wünscht vorgelassen zu werden! Wer? -- fuhr der Gedankenlose auf. Graf Bendheim, Excellenz -- Ha, des Teufels Allervortrefflichster! -- er und seine ganze Raçe. Die Jagd versammelt sich. Das ist so sein Element. Familienglück, Ruhe der Herzen wie ein Volk Rebhühner aufzuscheuchen. Die Forderungen besserer Menschen, welche die Seligkeit einer Generation mit in sich faßten, in den Schlund der Vernichtung zu hetzen. Durchlaucht dürfen ja nur die Jagd absagen. Darf ich das? -- O mein guter Hall! da hilft kein Absagen mehr; auf was dieser Jagdlustige seine Hunde dressirt hat, das muß fallen und bluten. -- Ist meine Schwester noch von der Parthie? -- Der Stallmeister hat Befehl erhalten, den Goldfuchs für Ihro Durchlaucht satteln zu lassen. Oeffne die Thüren. Harry gab das Signal -- Die Flügel sprangen auf, das versammelte Jagd-Departement schritt in tiefer Unterthänigkeit in das Audienzzimmer, und bildete einen halben Zirkel am Eingang desselben. Der Oberjägermeister näherte sich dem Prinzen. „Durchlaucht, der Fürst haben diese Nacht erträglich geruhet“, meldete er in Devotion. Davon habe ich mich schon unmittelbar bei meinem Vater selbst unterrichtet -- war die Antwort. Die Aerzte geben Hoffnung -- Fromme und böse Wünsche stimmen darüber überein, daß sie nicht vereitelt werden mögte! Wie? den Bösen könnte es -- meine ich unmaaßgeblich -- wohl schwerlich Ernst seyn! -- Doch, doch! Herr Oberjägermeister! -- der Fromme wünscht um des Guten selbst willen, daß ein edler Fürst der Menschheit noch erhalten werde -- -- doch zur Tagesordnung. -- Zu lieblich tönt die Suada der Weisheit von den Lippen eines solchen Thronfolgers! -- Und der Gegensatz, mein gnädigster Prinz? -- Die Bösen? -- geruhen Sie erst huldreichst! Die Bösen? -- -- Haben sich heuchelnd um den Stamm, der über ihren Schurkensinn erhabenen, und deswegen ihn nicht ahndenden Eiche zu schmiegen verstanden -- Gewohnheit lehrte sie die armen Schächer ertragen, Großmuth, kleine Dienste für Opfer zu halten; Eigenliebe, von der der größte Mensch nicht gänzlich frei ist, seine Schmeichelei unter dem Anstrich treuherziger Gutmüthigkeit für -- den guten Fürsten gewidmete Ergebenheit des Biedermanns zu nehmen, und -- fürstlich zu belohnen! -- Was giebt’s? Der Halbzirkel theilte sich in zwei Reihen; im lieblichen Schimmer wie Diana, wenn sie als Anführerin der Musen und Grazien nach Delphi zu dem Sitz ihres Bruders eilte, und den goldnen Bogen nur als Attribut ihrer Herrschaft über die Thiere des Waldes spielend mit sich führt, schwebte jetzt Prinzessin Mathilde herein. Einfach, aber reizend geschmückt, drohte die schöne Jägerin nicht sowohl dem vierfüßigen Wilde, als den Herzen ihres Gefolges mit einer starken Niederlage. -- Morgenroth glühte auf ihren Wangen, außerordentliche Lebhaftigkeit erhöheten den Glanz der dunkelblauen Augen, und -- indem sie die blonden Locken mit schneller Bewegung der Despotie des plümirten Kastors entledigte, rollten diese auf den Brabanter Geweben, durch welche der Schwanenbusen sein stürmisches Wogen verrieth, und auf dem dunkelgrünen Reitkleide sich zu Fesseln für jeden kühnen Spötter der Liebe; denn er sah Mathilden jetzt in ihrer verführerischen Liebenswürdigkeit und -- spottete nicht mehr. Mit der Würde eines sechzehnjährigen Martissohnes, schwang sie den Hut, daß die blendende Esprit einen Luftzug verursachte. Guten Morgen, meine Herren und wackern Jagdgesellen! sagte sie launig, und schlüpfte durch die bis zur Erde gebückten, und lüstern in die Höhe nach ihr blinzelnden Reihen der Höflinge. -- Guten Morgen, mein Louis! lispelte sie an der Brust ihrer Bruders. So früh entzogst du dich wirklich schon den Armen des Schlafes, und den geschäftigen Händen der Zofen? -- bewillkommte liebkosend der Prinz die holde Schwester, und tändelte mit der neidischen Locke, die den Schnee der sanftgewölbten Stirn umschattete. „Ich habe wenig oder gar nicht geschlafen!“ Was hielt dich wach? „Staatsgeschäfte meines Boudoirs, Korrespondenzen. Du weißt, mein bester Sekretair bin ich selbst.“ Depeschen der Großherzogin? „Herzensergießungen nach Wallersee.“ Dann mißbrauchst du dein Herz. „Nein, Louis! nein. -- Mit deiner Erlaubniß, ~mon frère~! -- Meine Herren, wir folgen Ihnen sogleich.“ Die überflüßigen Zuhörer entfernten sich. „Ich bitte dich, sey nicht ungerecht!“ flehte Mathilde. Hat Kamillo der Gebrechlichkeit des Weibersinns abermals einen Nimbus zu geben gewußt? Denn die gepriesene Heldin Adelaide wäre doch wohl zu stolz, sich rechtfertigen zu wollen? Sie ist zu groß -- -- Ah, da höre ich ihren Vergötterer Zynthio! Ich sage, sie ist zu groß, ihr Resignation in Anschlag zu bringen! -- Vermagst du zu bestimmen, wie hoch ihr das Opfer anzurechnen sey? Der Prinz lachte bitter. Wahrlich, was Adelaide that, erkennt sogar der Fürst als etwas großes! -- Nun so staune denn noch die Nachwelt die Seelengröße eines Weibes an, das sich geneigt fand, in den Armen eines jungen hübschen Mannes, der ihr Liebe einflößte und ihre Menschheit in Wallung bringt -- eines Herzens zu spotten, das sich für sie verblutet, Thron und Leben mit ihr getheilt hätte, eine Venus Urania mit Minervens Weisheit begabt, in ihr anbetete. -- O, ich Thor! der bei der Berührung ihrer Fingerspitzen sich zu einem Gott erhoben fühlte! -- Doch, vergolten soll ihr werden -- ich will ihr einen Spiegel vorhalten, Worte ihr in’s Gewissen rufen, vor denen sie wie eine gemeine Sünderin erbleichen soll! -- Geduld, wir sprechen uns. Um Gottes willen! was wolltest du? Der Einladung gehorchen, die das Mädchen von Wort an mich ergehen ließ. Auf den achtzehnten November bin ich bestellt, sie in die Brautkammer zu begleiten. -- Den zweiten Januar soll die berühmte Vermählung seyn? -- Ich halte mich an die erste Verabredung. -- Im Sarge, sagte sie. -- Hahaha! -- Einer Leiche ähnlich will ich dich schminken, Schauspielerin! -- Jetzt fort zur Jagd. Der alte Hirschfänger Bendheim soll seine Freude an meiner Mordlust haben! * * * * * Im Hause des Landraths von Elfen wurden wieder einmal große Anstalten zu einem Banquet getroffen, desgleichen der sonst Ruhe und häusliche Bequemlichkeit liebende Hausherr sich nur selten zu Schulden kommen ließ. Für Tafelmusik war gesorgt, auch sollte ein lustiger Tanz die Gäste das Abschiednehmen vergessen, und -- nicht wie man zu sagen pflegt in den Tag -- sondern in die Nacht hineinleben und jubeln lassen. Adelaidens Nahme prangte im Blumengewinde über den Aufsatz der Tafel. Köche waren verschrieben worden -- wiewohl unter vierzig der auserlesensten Speisen, welche selbst den Gaumen eines Domherrn gekitzelt hätten, die beliebten Klöße mit gebacknem Obst nicht fehlen durften, denen Adelaide einst huldigte. -- Alles lebendige Wesen der Elfenschen Hausgenossen- und Dienerschaft drehte sich um die Achse des Strebens, das heutige Fest zu verherrlichen. Anderthalb Stunden über Mittag waren verflossen, da erinnerte neckend Frau von Elfen ihren mit nochmaliger flüchtiger Revision der bereiteten Tafel beschäftigten Gatten -- daß heut vor einem Jahre er gewaltig über das Verweilen der Wallerseeschen Damen geeifert, und sie fast aus Ungeduld wieder in die Residenz zurückgewünscht habe. Nun, da eine von ihnen sein Schooßkind geworden, mache er es wie alle schwache Väter, er übersehe mit freundlicher Geduld ein Vergehen des Lieblings, welches er an den weniger geliebten Kindern mit Strenge rügen würde. Länger halte ich es auch wirklich nicht aus -- sagte von Sorge ergriffen der Landrath. -- Ich reite ihnen entgegen, die schon anwesende Gesellschaft mag mich entschuldigen! -- es muß etwas vorgefallen seyn; sie versprachen mit Hand und Mund sich pünktlich um zwölf Uhr einzustellen. -- Sieh, was ist das? Julius sprengt in den Hof, als wenn ein Heer Kosacken hinter ihm drein jagte. Er ist todtenblaß -- Großer Gott! -- Er eilte dem Grafen entgegen. Um Gottes willen! -- schrie dieser. Onkel! schicken Sie nach dem Arzt, nach unserm geschickten Weidenbach; fort, fort -- Ihre Jagdkalesche -- was die Pferde laufen können! Weidenbach ist hier, der befindet sich schon unter den angekommenen Gästen. -- O, Gott sey Dank! -- Aber warum? -- Wer? -- Wo sind die Andern? -- Ich sehe gleich wieder, wo sie bleiben. Adelaide -- starke Ohnmachten befielen sie, als wir schon über den halben Weg hierher zurückgelegt hatten. Langsam muß gefahren werden, jede schnelle Bewegung ist ihr empfindlich, und führt eine neue Ohnmacht herbei. In demselben Augenblick fuhr eine unbesetzte Extrapost den Schloßhof vorbei. Halt, Schwager! -- rief der Landrath, du kannst einen Dukaten verdienen. -- Er ließ dem Doktor kaum so viel Zeit, sich seines Hutes nebst der Hausapotheke der Frau von Elfen zu bemächtigen, riß ihn in die Postchaise -- Julius war schon wieder vorausgesprengt -- und schrie dem Postillon zu: die Straße nach Wallersee, auf dem halben Wege finden wir sie. Fahr, was deine Mähren aushalten, sie sollen nachher ein Futter bekommen, daß sie auf zwei Tage genug haben; und du sollst leben wie auf der Hochzeit zu Kanaan. Nur tummle dich! -- In acht Minuten hatten sie den langsamen Zug erreicht. Nicht wahr -- fragte mit matter nur mühsam gehobener Stimme Adelaide -- nicht wahr, Vater Elfen! Ihr Neffe hat Sie unnöthig erschreckt? -- O, das ist ein verzagter Ritter! -- ich glaube eine Aderlaß zöge ihm selbst eine Ohnmacht zu. Nun, liebes Herzenskind! ich will gern den blinden Schrecken hinnehmen, wenn nur die Wahrheit nicht wie ein hinkender Bote nachkommt. -- Was meinen Sie, Doktor? Mein Himmel! wir werden doch nicht hier ein Feldlazareth aufschlagen? -- Sie haben lange genug auf uns gewartet. Lassen Sie uns machen, daß wir an Ort und Stelle, und -- zur Tafel kommen. So treibt sie es immer, sagte der Landrath, indem er sich wieder mit dem Aeskulap in den gebrechlichen Phaeton des Postmeisters setzte. Alles fürchtet, sie schwebe über dem Grabe, und lachend versichert sie, munterer als je, nehme sie es mit der Gesundheit selbst auf. Karoline, welche seit einigen Wochen wieder in das väterliche Haus zurückgekehrt war, um sich zur künftigen Hausfrau unter der Anführung der wirthlichen verständigen Mutter vorzubereiten, und die reichliche Ausstattung selbst mit ordnen zu helfen -- bebte erschrocken zurück, als sie die Schwester ihres Geliebten umarmen wollte. „Adelaide! du bist kränker, als du scheinen willst; jetzt kenne ich dich; mich täuschest du nicht!“ Würde ich gekommen seyn, wenn der Zufall von Bedeutung wäre? fragte diese. „Du wolltest meinen Eltern die Freude nicht verderben, und trautest deinen Kräften zu viel.“ Liebst du mich, so beunruhige die Andern nicht mit deinem Argwohn! -- Auf mein Wort, das dir doch sonst etwas galt, mir ist jetzt wieder sehr leicht und wohl. Doch mußte Adelaide dem besorgten Alten sich fügen, und von des Doktors Hand einige Tropfen Herzstärkung nehmen, auch bei der Tafel in dessen Nähe und Aufsicht bleiben. Die Patientin scherzte über alle diese ängstlichen Aufpasser. Ha! Herr von Elfen! rief sie aus -- als jene berühmte pommersche Hausmannskost aufgesetzt wurde -- wo ist Ihr Glaube an Mutter Natur geblieben? -- Wer empfahl mir bei Gelegenheit dieses Lieblingsgerichts, der medizinischen Vorsorge zu spotten? Das war heut ein Jahr. -- O der Tag ist Ihren Freunden zu merkwürdig, darum wollten wir ihn in Freude verleben! So verschmähen Sie mein Scherflein nicht; ich bin physisch und geistig zu gleichem Genuß gestimmt. Entscheiden Sie, Herr Doktor! -- Ich behaupte: wessen Constitution noch an dieser Würze des Lebens Geschmack findet, bedarf keiner weitern Arznei. Man widersprach der liebenswürdigen Sophistin nicht länger; ihre Munterkeit that der Gesellschaft wohl. Aber bange Besorgniß quälte doch einen Theil derselben, die Adelaiden zu innig liebten, um nicht mit Schrecken bemerkt zu haben, daß Doktor Waidenbach verschiedenemal bedenklich, doch, wie er meinte, unbeobachtet den Kopf geschüttelt hatte. Eben wollte er, dem der kleine hochrothe Fleck auf Adelaidens Wangen, das unstäte oft wechselnde Schlagen der Halspulse -- endlich die variierende Stimme, und andere ihm auffallende Symptome nicht entgangen waren -- nach aufgehobner Tafel, den ihm vielleicht mehreres Licht gebenkönnenden Zynthio ins Verhör nehmen; da stand auch schon der Landrath, als der dritte dieses Conciliums zwischen ihnen, und faßte Beide an die Klappen ihrer Fraks, zum Zeichen: daß sie ihm jetzt Rede stehen müßten. Was meint ihr, Doktor? -- Was haltet ihr von dem Zustand der jungen Gräfin? -- Ich vermag noch nicht zu beurtheilen, ob es eine vorübergehende Unpäßlichkeit ist, oder ob eine frühere Ursach der allerdings schwachen Gesundheit der Gräfin, die heutigen Zufälle zur Folge hat. Freund Camillo! -- Sie sind ihr täglicher Gesellschafter; aufmerksamer als ihre eignen, beobachten Sie die Athemzüge des lieben Mädchens. Sie verstehen jede ihrer Gemüthsbewegungen -- Sagen Sie aufrichtig: was steht zu hoffen? woher die Verschlimmerung ihres Befindens? Den Sommer über schien sie sich völlig restituirt zu haben. Sie schien es -- seufzte Zynthio. Was sagen eure Consulenten? Wir haben keine. Die Aerzte haben die Gräfin, und diese die Aerzte aufgegeben. Das ist Eigensinn! Zwar rieth ich ihr selbst einst dazu -- aber wenn das Uebel nicht zu heben war -- Verzeihen Sie, fragte der Dokter -- welches Uebel? -- O, sagte Zynthio -- die Krankheitsgeschichte ist, wiewohl schon anderthalb Jahre alt, dennoch kurz und einfach. -- Er erzählte nun die Begebenheit jener furchtbaren Nacht, die Adelaide mit Mathilden in der fürstlichen Gruft, dann im kalten tiefen Wasser des Walles gefeyert hatte; welche Folgen dies für ihren zarten Körper gehabt, und daß endlich eine Geisteskraft, die man nur bewundern, aber nicht fassen könne -- eine Selbstverläugnung und Standhaftigkeit, die Verachtung physischer Uebel, so fern es sie nur allein beträfe, nach sich gezogen hätte. Sie würde -- so schloß er seinen Bericht -- ruhig wie Sokrates, den Giftbecher leeren, wenn sie Anderer Wohl dadurch gründete. -- Ohne Leidenschaft handelt sie groß und schnell, unter der Maske eines gewöhnlichen nichts tendirenden Mädchens; ohne prunkende Schwärmerey opfert sie sich selbst, ihre schönsten gerechtesten Ansprüche, und niemand ahndet, daß sie ein Opfer brachte! -- So beherrscht ihr edler Feuergeist -- indem er sich der Vollkommenheit eines Seraphs schon gleich geschwungen hat -- diesen schwachen -- durch die erwähnte Lebensgefahr ohnehin erschütterten Körper -- Und wird ihn aufreiben? wie? -- fragte stürmisch der Landrath. Neue angenehme Verhältnisse können vielleicht das Ganze wieder in einiges Gleichgewicht setzen; meinte Weidenbach. -- Wenn es darauf ankommt, ihre physische Erhaltung zur Bedingung des Glückes eines ihr theuren Gegenstandes zu machen, sollte da Graf Hochburg nicht diesen Gleichmuth, diesen Stoizism’ mit Erfolg befehden können? Liebe leitete doch ihre Wahl -- Ich -- hoffe nichts mehr! -- preßte dumpf der Sicilianer aus der Brust hervor, welche der Zweifel mancherlei verschloß. Der Doktor schien diese Zweifel zu ahnden, er glaubte, in jenen Worten liege mehr, als Zynthio gesagt haben wollte. -- Wenn die Gräfin denn nie von einer Leidenschaft überrascht wird -- warf er ihm ein, so bleibt freilich auch die Liebe der kältern Vernunft untergeordnet. Wahr! in gewisser Hinsicht sehr wahr! erwiederte Zynthio -- nur nicht jener kalten fühllosen Vernunft. Adelaidens Herz klopft leise, aber glauben Sie mir, es verzehrt sich in seinem eignen Feuer. Herr! sagte der Landrath, alle diese Phrasen verstehe ich nicht. Ein Herz, das seinen Gegenstand gewählt, mit Ehren und Vernunft gewählt hat, darf laut klopfen, und somit seinem Feuer Luft machen, daß es innerlich nicht um sich greift und die Lebenslust erstickt. Der Arzt, welcher auch jetzt wieder weiter sah, als der ehrliche Elfen, und eben so wohl merkte, daß Aufklärung in dieser Minute hier nicht am rechten Orte sey, wandte ein: daß Camillos Aeußerung sich gar wohl mit des Landraths Meinung vereinigen ließe. Die zarteren Gefühle der Comtesse -- von jeher gewöhnt, sich der Kritik der strengen Vernunft, den Gesetzen excentrischer Tugend zu unterwerfen, haben folglich das Herz des seltnen Mädchens stillschweigend zum leidenden Theile gemacht; und je weicher das so genannte moralische Individuum sey, je nachgebender werde es gegen die anerkannte Consequenz der auf festen Grundsätzen beruhenden Richter seyn. Doktor! -- so gelehrt oder so handgreiflich Ihr mir auch das alles anatomirt -- so sehe ich noch immer nicht ein, woran wir mit dem Mädchen sind. Behaltet Eure psychologische und philosophische Abhandlungen, und sagt mir: was steht noch zu hoffen? was ist eigentlich noch zu thun, daß sie uns nicht, ehe wir’s uns versehen, verlösche wie ein Licht? Dazu gehört längere, ungestörtere Beobachtung ihres Temperaments und der noch vorhandenen Lebenskräfte. Sagen Sie mir, mein Herr! womit beschäftiget sich die Gräfin meistentheils? -- Sie schreibt, sie ordnet viel. Mit Lebhaftigkeit und Zuziehung ihrer Freunde und Verwandten? Einsam und verschlossen. Mehrentheils widmet sie jetzt die Stunden der Nacht ihrem Schreibpult. Das soll sie bleiben lassen! lärmte der Landrath. Sie will nicht gern Personen, die sie lieben, und ihre Gegenwart wünschen, vernachläßigen. Was sie zu ordnen hat, eilt nicht -- polterte noch immer Vater Elfen -- Ich kann es mir so ungefähr denken. Den 18ten kommenden Monaths wird sie nach dem ausdrücklichen Willen des verstorbenen Graf von Wallersee, für mündig erklärt, und bis zu diesem Tage -- behauptet die Rastlose -- alles in’s Reine gebracht haben zu müssen. Eigensinn! wird sie dann auch majoren, so gelten ihre Verfügungen erst von dem Tage an. Sie ist verlobt; und eine eigne Klausel des Testaments berechtigt sie als Verlobte, auch noch vor Beschluss des achtzehnten Jahres über ihr Vermögen zu schalten. Also Ehepakten und Auseinandersetzungen des bis dato noch gemeinschaftlichen Vermögens unter den Geschwistern beschäftigen dermahlen die Gräfin? -- fragte der Doktor. -- Nun das wäre wenigstens keine Trauer verkündende Anordnung. Ich weiß es nicht! -- erwiederte Zynthio mit Achselzucken. Adelaide schlich hinzu, pathetisch nahm sie das Wort: Und sie hielten einen Rath -- ob es der dem Arzt Ueberantworteten anstehe, dem Herrn des Hauses zu einer Ehrenmenuet aufzufordern, und ob es ihm gezieme, ihr diese Lust zu versagen? -- Nun da ziehe einer einen vernünftigen Schluß! rief erfreut der Aufgefoderte -- da sollte man denken, wer tanzen will, hofft und begehrt auch noch recht lange auf diesem Erdenrund zu tanzen, und das Leben zu genießen. Kommen Sie, kommen Sie, liebes theures Kind! -- Aufgepasst, Neffe! -- Die Geiger und Pfeiffer sollen beginnen. Seine Braut will mit mir, und nicht mit ihm den Ball eröffnen. -- Zynthio und der Doktor blieben noch zurück. Letzterer unterbrach das minutenlange Stillschweigen; Ich glaube Sie hin und wieder verstanden zu haben, und fürchte -- man würde einen sehr trüglichen Schluß ziehen, wenn man diese angebliche Lust zu tanzen nach unsern Wünschen auslegen wollte. Ein bedeutender Händedruck war dessen stumme Antwort. Ein pensionirter Oberster rief seinen Pythias Weidenbach um L’Hombretisch; und Zynthio verlor sich unter das lustige Gewühl im Tanzsaal -- nicht um mit den Fröhlichen fröhlich zu seyn, sondern um zu sehen, wie die Ehrenmenuet ablaufen werde, die ihm jetzt so etwas ähnliches von einem Todtentanz zu haben dünkte. * * * * * Mit jedem Sonnenuntergang neigte sich das Haupt der Lilie ermüdeter und näher der Nacht des Grabes entgegen; mit jedem Aufgang sproßten neue Blüthen zum jungfräulichen Kranz, welcher bald die kalte Stirn der mit dem Tode vermählten Braut schmücken sollte. Mit Schillers Flüchtling konnte sie ausrufen: Steig empor, o Morgenroth, und röthe Mit purpurnem Kusse Hain und Feld, Säusle nieder Abendroth und flöte Sanft in Schlummer die erstorbne Welt. Morgen -- ach! du röthest Eine Todtenflur, Ach! und du, o Abendroth! umflötest Meinen langen Schlummer nur. Heiter und warm war einer der ersten Novembertage; seit jenem Feste bei dem Landrath von Elfen hatte es Adelaide noch nicht wieder wagen dürfen, sich der rauhen Herbstluft auszusetzen -- Heut will ich Vater Elfen und Schwester Karolinen überraschen! -- sagte sie, und bat das Anspannen zu bestellen. Kind! ich begleite dich -- versicherte bedächtig die Generalin. Ich hätte keinen ruhigen Augenblick zu Hause. O, dann werden mir zwei Wünsche für einen gewährt! liebkoste ihr zärtlich die dankbare Tochter. Ueberraschen werden wir sie freilich -- meinte die Mutter -- Theodor ritt schon diesen Morgen hinüber -- melden konnte er uns nicht, denn er wußte von nichts. Wir überfallen sie beim Mittagstisch -- denn jetzt müssen wir fahren; lange dürfen wir auch nicht ausbleiben: erstlich die Abendluft; dann kommt heute Graf Julius wieder. -- Zwei, drei Stündchen sind bald verstrichen! -- ermahnte die Besorgte noch, und trippelte, sich zu der Ausfarth anzuschicken. Du leistest uns doch auch Gesellschaft, guter Zynthio? flötete ihm schmeichelnd die liebliche Freundin zu -- Sieh, wenn du fein vernünftig seyn, und es dir nur allein gesagt seyn lassen willst, so wisse -- daß ich wohl zum Letztenmal mit den Lebenden gemeinschaftliche Sache machen, und mit euch herumkutschiren werde! -- O Gott! -- Wie lange war ich mit dieser Neuigkeit vertraut! -- Ja, Adelaide! -- längst riß sich schon die Hoffnung aus meiner Seele! -- Sie haben mich ja Resignation gelehrt! -- Dank, feurigen Dank dir! edler, geliebter Bruder! -- Wüßtest du, wie glücklich mich deine Fassung macht! Nun kann ich erst mit Sicherheit eine Last -- ach eine sehr angenehme Last auf deine Schultern legen; dir ein Vertrauen gewähren, das du standhaft und doch mit theilnehmendem, fühlenden Herzen aufnehmen und seine Bedingungen erfüllen mußt! -- Bald, bald sprechen wir deutlicher hierüber. O Zynthio! behalte diesen Muth bei! du wirst dann ein großes Verdienst um die Heiterkeit meiner letzten Stunden haben -- Ich sage dir: dein Lohn wird in deiner Liebe zu mir liegen -- denn du wirst erfahren, daß der Tod mir ein beneidenswerthes Geschenk war! Und ich soll dieser Wohlthat nicht theilhaftig zu werden wünschen? -- Nein, Zynthio, nein! Dein Leben sey dir heilig! -- Sey mir das, was ich einst meinem Vater war; mein letzter Wille hat große Forderungen an dich -- wem könnte ich sie anvertrauen, als dir! -- Das war ein großes Wort! von Adelaiden gesprochen, ein großes Wort! -- Wohl, ich will und werde dies Vertrauen rechtfertigen! Gott Lob! wir sind einig. -- Man kommt, nichts mehr von meiner nahen freundlichen Aussicht! -- nicht alle sehen mit unsern Augen. Georg kam zu melden, daß vorgefahren sey. Die Generalin folgte ihm reisefertig. Betty brachte ihrer Gräfin den Mantel, Schleier und Handschuh. Maman! bat Adelaide -- lassen Sie uns die kleine Närrin mitnehmen! -- Sie trennt sich so ungern von mir, ihrer Lehrerin im Sticken, und von ihrem Musikmeister Signor Camillo. -- Sie erlauben doch? Wie du fragen kannst! -- Betty hüpfte für Freuden. -- „Daß du mir aber auch den weißen Rosenstock pflegst! -- ich sage dir, zu meinem Geburtstag muß er blühen, und du mich mit seinen Erstlingen schmücken. -- Mein Kunstgärtner Camillo lasse diese Rosen sich gleichfalls empfohlen seyn! bat mit Engelsgüte die holde Dulderin, und wankte langsam an den Wagen.“ Sie sprach wahr; zum letzten Mal sah sie Wald, Wiesen und Thal. Das fallende Laub gab ihr ein freundliches Bild ihres nahem Dahinsinkens; das allmählige Entschlaffen der sich entkleidenden Natur einen süßen Vorgeschmack ihres Schlummers im Grabe. -- Sie fuhren durch eine Lindenallee; die Sonne stand im Mittag, ihre senkrechten Strahlen brachen sich auf den gelblichrothen Lindenblättern, und warfen den matten Wiederschein auf Adelaidens blasses Gesicht. In seligem Entzücken wandte sie das seelenvolle Auge zu dem reinen Aether, über den sich bald ihr Geist zu schwingen hoffte. -- So dachte sich der sie anstaunende Zynthio den Engel der Auferstehung, welcher die Gräber der Gerechten öffnet, ohne sein Antlitz von der ihm geliebten Heimath zu wenden, wohin er -- sobald der Zweck seiner Sendung vollbracht, zurückzukehren sich sehnet. Selbst Betty wurde von diesem Anblick ergriffen; begeistert rief sie aus: Erscheinet mir einst so mein Engel, Dann glaub’ ich, daß ich ihn gesehn; So winke mir der Todesengel, und freudig werd’ ich mit ihm gehn. Würdest du, liebe Kleine? sagte überrascht Camillo. Nimm dafür den Bruderkuß. -- Aber dieser Engel wird uns nicht winken, mit ihm zu gehn! -- Adelaidens Blick fiel unzufrieden auf den Unbesonnenen, denn sie sah, daß der Sinn dieser Worte den Jammer der Mutter aufregte. „Daß Betty doch so leicht schwärmt und Zynthio so gern ein solches Thema applaudirt! Ohne den Sicilianer würde die Phantasie der Brittin im ruhigern Gleise geblieben seyn!“ -- klagte die Holde. Kind, laß sie! unterbrach die Generalin ihre Tochter. Wohl ihnen! ihre Phantasie erhält ihren Muth, wo mir das Herz brechen wird. -- Wie Gott will! Lange werde ich mein Unglück nicht beweinen! Wo ist Karoline? fragte Adelaide, als sie zur Heimkehr aufbrechen wollten -- daß ich ihr gute Nacht wünsche. Sie schnürt ihr Bündel -- antwortete der Landrath -- und geht mit nach Wallersee. Die Freude dank ich dir, Theodor! Ach mir macht die Ursach wenig Freude; versicherte dieser. Ja wahrlich -- nahm der Erste wieder das Wort -- wer könnte sich jetzt freuen: -- Gutes, liebes Kind! -- werden Sie dieses Haus, wo wir alle Ihnen mit Liebe entgegen kamen, wohl wieder betreten? -- und wann? -- Karoline erwählt das beste Theil. Sie will sich lieber vors erste gar nicht mehr von Ihnen trennen. -- Aber das können wir Alten nicht; Nun, wir haben einen guten Bothschafter an unsrer Tochter; -- Nachricht von Ihrem Befinden soll und täglich zweimal werden. Will man mich denn hier nicht wiedersehen? -- scherzte Adelaide, ihre Wehmuth ziemlich mühsam verbergend -- Es wird Ihnen nicht gelingen; ich dränge mich ein -- und verschließt man mir die Thüren, so erscheine ich als Geist. Als Geist! -- wiederholte tief bewegt Vater Elfen -- als er die langsam dahinrollende Equipage endlich aus den Augen verlor, und eben so langsam in das Zimmer zurückschlich. Das sollte uns der gütige Gott nicht erleben lassen! -- klagte weinend dessen Gattin. Uns nicht erleben lassen? -- Ach, ich möchte nur den lieben Gott zu erwägen bitten: daß ein junges Blut, wie unser Julius, wohl schwerlich für die Zukunft an sein Güte glauben würde -- denn um dessen gesunden Verstand steht es dann so und so! -- * * * * * Das Grab ist nicht tief, es ist der leuchtende Fußtritt eines Engels, der uns sucht. Wenn die unbekannte Hand den letzten Pfeil an des Menschen Haupt sendet, so beugt er vorher das Haupt, und der Pfeil hebt blos die Dornenkrone von seinen Wunden ab. Jean Paul. Karoline schrieb ihren Eltern: Nachdem Sie uns gestern verlassen hatten, vermehrte sich die Fieberhitze unsrer theuren Kranken. Ihre Gedanken verwirrten sich; die Brust arbeitete ängstlich -- jede Nerve zuckte; wir all vergingen vor Jammer! -- Doch tröstete uns Doktor Weidenbach mit der Versicherung, daß die Leidende selbst wenig empfinde, und ihr Nervensystem zu schwach sey, um bey diesem convulsivischen Bewegungen sich anders als leidend zu verhalten. Je weniger Widerstand die Natur leiste, je geringer wäre das Gefühl. -- Gegen Mitternacht wurde sie ruhiger. Ach! -- ein Nervenschlag hatte die Krisis entschieden. Abwechselnd mit Schlafen und Wachen hat sie diesen Morgen hingebracht; auch wir sollen uns durch einige Stunden Schlaf zu erholen suchen! dies war ihre dringendste Bitte, und wir müssen wenigstens scheinbar ihrem Willen nachkommen. Ich verließ sie, um Ihnen, theure Eltern zu melden, wie es hier mit uns steht. Julius liegt in dumpfer Verzweiflung vor Adelaidens Bildniß in der Gallerie. -- So eben trägt man ihn außer sich in Theodors Zimmer auf ein Bett; Theodor bedarf selbst des Trostes und soll meinen unglücklichen Vetter zur Vernunft bringen! -- Eine Wohlthat war es, daß Sie Doktor Weidenbach zu uns brachten. Adelaide sagt: es ist mir lieb, meiner Mutter wegen! sie wir seiner bedürfen. -- Ja wohl, der Zustand der alten Gräfin kann bedenklich genug werden! meint selbst Weidenbach; er fürchtet für ihren Verstand. Sie hatte gehört, daß er zu Camillo gesagt: kaum könne Adelaide noch vier und zwanzig Stunden leben, und seitdem scheint sich ihre Vernunft verwirrt zu haben; bald weint, bald lacht sie; bald fragt sie: ob Adelaide aus der fürstlichen Gruft schon glücklich herausgekommen -- bald ob ihre Tochter schon als Braut geschmückt sey, und zur Trauung gehen werde? -- Man läßt sie nicht ins Krankenzimmer; auch hat sie heut dahin noch nicht verlangt. -- Sie wird mich schon rufen; sagte sie vor einer Stunde -- ich kenne meine Tochter: sie überrascht mich gern; ich muß ihr die Freude nicht verderben! * * * * * Zynthio! du darfst jetzt nicht schlafen, -- säuselte Adelaidens Stimme, dem leisen Ton der Aeolsharfe gleich -- O, ich weiß wohl, du könntest auch nicht! -- Laß mich erst zur Ruhe seyn, dann soll und wird sie dir auch wieder werden. -- Ewiges, allgütiges Wesen! wie dank ich dir, daß ich einen so leichten Kampf zu überwinden gehabt, -- daß du mich in der letzten Stunde noch mit solcher Kraft ausgerüstet! -- denn noch ist mein Tagewerk nicht vollendet. -- Zynthio, hast du die Papiere gelesen, welche ich dir diese Nacht übergab? -- Es geschah nicht mehr in der Fieberhitze, als ich sie dir empfahl. Ich habe sie gelesen. So ist dir meine und deine Schwester nicht mehr fremd, Seraphine! -- Jetzt klage ich nicht mehr, daß ich hienieden mich ihrer nicht freuen durfte; es war zärtliche Schonung in dem väterlichen Befehl: die mir anvertrauten Schriften früher nicht zu eröffnen, als in der vor einigen Wochen eingetretenen Epoche; entweder ich sollte verlobt, oder auf dem Wege zur Gruft seyn, beide Fälle berechtigten mich seit mehreren Monaten dazu -- und ich entdecke eine Schwester, in derselben Minute, da ich sie auch schon wieder aufgeben muß. -- Hätte ich leben sollen -- diesmal würde mich Entsagung geschmerzt haben. -- In der Disposition über das Vermögen meines Vaters habe ich mich auch in Betreff Seraphinens ganz nach seiner Vorschrift gerichtet. -- Dein Erbtheil, das ich einstweilen verwaltete -- -- Mein Erbtheil? -- Wenn ich die Beweise der Großmuth des Generals so nennen darf, wurden mir schon nach dessen Tode übergeben; ich hätte es nicht bedurft. Widerstrebe mir nicht in Kleinigkeiten! doch erst noch von anderen Dingen; jenes ist ohnedies schon in Ordnung und unumstößlich. Der Landrath von Elfen wird der Vollstrecker meines Testaments seyn. Ihn habe ich in einer versiegelten Schrift, welche man in meinem Schreibpult finden wird, dazu ernannt. -- Ha, Vater Elfen! dies waren die Ehepakten? Armer Mann! auch deine Augen lernen noch Thränen kennen! Wohl dir! Ich werde nicht weinen können -- Denn du wirst handeln müssen. Denke meiner Forderungen an dich, und deines Versprechens! Wohl, wohl! -- Graf Bendheim hatte meines Vaters theuerstes und schmerzlichstes Geheimniß erschlichen. Nach Eröffnung der Papiere ward es mir deutlich, was seine Drohungen, seine Reise nach Italien sagen wollten. -- Der Erbprinz hat viel gethan, seine feindlichen Absichten gegen uns zu vereiteln. -- Du begreifst leicht, daß mein edler Vater die Ruhe meiner Mutter nicht vergiftet haben wollte -- auch wirst du in dem Aufsatz der nicht minder edlen Giuliana dich unterrichtet haben, daß es die einzige Bedingung ihres Friedens in der Ewigkeit sey, seine Gemahlin nie etwas von dieser Begebenheit -- auch nur ahnden zu lassen. O wie freue ich mich des Augenblicks, wo ich dem reinen Engel für diese zarte Tugend mit dem Troste lohnen kann: ihr Friede sey und werde nicht gestört. Mutter! Adelaide läßt mich bei Euch wohnen! rief Zynthio, und sank auf seine Knie. Und Seraphine? fiel Adelaide ein. -- Erfülle erst die Pflichten des Bruders, werde erst Gatte und Vater! Zynthio schauderte. -- Das Letztere nimmermehr! -- Verhältnisse dieser Art haben keinen Reiz für mich. Werde Gatte und Vater! Verfehle nicht die Bestimmung des nützlichen-redlichen Weltbürgers! Laß tragische Schwärmerei dich nicht zum seelenkranken Weichling machen. -- Mein Andenken wird dir werth, ja ich hoffe, unvergeßlich seyn. Denke meiner wie einer geliebten Schwester, und sprich oft von mir mit unsrer Seraphine! -- ich werde Euch nicht seltner im Hauch reiner geistiger Liebe begrüßen -- einst sehen wir uns alle wieder. Adelaide! -- O Gott! Gott! -- gieb mir Fassung! -- Höre mich aus. Möchte meine Stimme nicht früher sinken, als meine Seele sich ausgesprochen hat! -- manches habe ich dir noch zu sagen. -- Bist du gefaßt? -- Rede! rede! -- ich höre den Worten eines Engels! Doch wardst du vor einiger Zeit an mir irre! -- Dann verzeihe mir Gott diese Lästerung! Ich verlobte mich einem Manne -- die Braut des Grabes schien ihren Weg verfehlen zu wollen! -- Graf Hochburg möge mir verzeihen, an ihm ward ich zur Verrätherin! -- der Stunde meines Todes fast gewiß, durfte ich nicht fürchten, die Verbindung vollziehen zu müssen. Nie das Weib eines Mannes zu werden, gelobte ich meinem Herzen! -- Liebe konnte ich keinem mehr geben! -- O Adelaide, an der Pforte der Ewigkeit darf Wahrheit sprechen. -- Sie liebten, liebten den edelsten der Menschen -- Ich liebte, liebte den edelsten der Menschen! -- Aber er ist Fürst. Ich habe gekämpft und den Sieg errungen. Und die Siegerin verblutet an ihren Wunden! ihren Sarg zu schmücken, sammelte sie die Trophäen. -- Dort, dort blühen sie schöner und wehen mir sanfte Kühlung entgegen! -- Die Beharrlichkeit des Prinzen, rechtfertigte die Täuschung. -- Sobald er mich verlobt wußte, ergab er sich dem Willen seines Vaters -- so schwor er. -- Der Hof, mit dem er in Verbindung treten sollte, fand sich durch den Aufzug beleidigt! -- Der Fürst verzweifelte, Verdruß, Gram, brachten sein Leben in tödliche Gefahr! -- Schon schwebte der Fluch über den ungehorsamen Sohn auf seinen Lippen! -- Das Uebrige weißt du -- die gute Absicht entschuldige die Mittel! -- Wem gehören diese Klagetöne? -- Es war Betty, welche verzweifelnd in das Nebenkabinet trat. Sie hatte so eben aus dem Munde des Doktors erfahren, daß Adelaide wahrscheinlich in wenigen Stunden nicht mehr seyn werde. Ihr folgte Georg, dessen Schmerz sich durch keinen Seufzer, keine Thräne Luft zu schaffen vermochte. Sie sollen zu mir kommen, die Treuen! lispelte die schwächer Werdende. -- Tritt näher, Betty! Deine Hand! dich übergebe ich diesem Freunde! -- Sie legte die zitternde Rechte der Trostlosen in Zynthios noch stärker bebende Hände. -- Folge ihn, wohin er dich führt; macht er dich nicht glücklich, so vergebe ihm Gott, daß er mich so zu täuschen vermogte! Was soll ich thun? Ich gelobe und werde halten! Werde Gatte und Vater! Dieß mein Vermächtniß. Daß ich deiner Neigung für die ruhigere Zukunft nicht wehgethan habe, lehrte mich längst dein Wohlwollen für meine Mündel. -- Georg näher! Warum so finster? Gönne mir doch den freundlichen Uebergang in ein besseres Leben! Wie oft trugst du mich auf deinen Armen, wenn du glaubtest, Dornen könnten meinen Fuß verletzen, oder wenn du mich schwankend und leidend auf einem kurzen Wege dem Hinsinken nahe glaubtest! Georg schwankte jetzt selbst, und war dem Sinken nahe. Betty, reiche ihm einen Stuhl. Setze dich, Georg! Hierher! Näher. Ich kann so laut nicht mehr sprechen, und möchte doch gern von dir verstanden werden. -- Kinder! soll Euch die Sterbende mit Muth unterstützen? Weil Ihr mich liebt, müßt Ihr standhaft seyn! -- Georg, du warst nicht bestimmt, mir den Teller zu reichen, oder als Diener auf dem Wagen zu stehen. Deine Anhänglichkeit wollte es aber nicht anders; ich hab es gelitten, um dir nicht weh zu thun. Doch nun tritt der Fall anders ein: du mußt unabhängig seyn und leben können. Deine Uneigennützigkeit hat freilich schlecht für diesen Fall gesorgt; ich habe dies bemerkt, und es an deiner Statt gethan. -- Du erinnertest dich öfters mit so warmem Gefühl der Schweiz und deines ersten Pflegevaters -- er lebt noch -- Wie würde er sich freuen, dich als den Eigenthümer eines artigen Gutes in seinem Canton zu wissen. Für das Kapital zu dem Ankauf ist gesorgt. Uebrigens begleitest du -- sobald ihr mich zur Ruhe gebracht, deinen Freund Camillo -- Ihn ruft eine wichtige Angelegenheit nach Italien -- und Trennung von ihm -- würde dir -- doch schwer fallen -- Ha! Gott sey Dank! -- ich habe vollendet! -- Finster wird’s -- vor meinen Augen! -- Wehe! -- wohl! -- Wo seyd Ihr? -- die Kraft -- verläßt -- mich -- ah! -- Mit einem Schrei sank Betty zu Boden. Zynthio rief halb sinnenlos: Adelaide! -- Vergebens! sie hörte nichts mehr! -- Georg hob sie mit convulsivischer Heftigkeit von dem Ruhebette auf, als wollte er sie dem Tode entreißen; umsonst! ohne ein Zeichen des Lebens sank sie wieder zurück -- Adelaide war nicht mehr! -- * * * * * Schon wallte der violette Sammet über die errichtete Trauerbühne; -- „nur nicht in die Farbe der Verzweiflung, dem finstern Schwarz, kleidet einst die Umgebungen meines entseelten Körpers!“ hatte oftmals die Verblichene geflehet. -- Das reichsgräfliche Wappen der Wallersee prangte, von Gold gestickt, auf den vier Ecken der mit reichen Franzen besetzten Drapperie. Auf weißen marmornen, mit Zypressen umwundnen Säulen ruhte die blendende Kuppel, in deren Mitte ein sanft strahlender Reverber das Castrum magisch beleuchtete. Schon schlummerte Adelaide auf balsamisch duftenden Polstern im einfachen Sarge von Mahagoni, welchen ein Sarkophag von Karrarischem Marmor umschließen sollte -- und noch vertiefte der Arzt sich stundenlang in Betrachtung der Leblosen. Kein Mittel war unversucht geblieben, den theuren Leichnam wieder zu beleben, aber ohne Erfolg; man hätte Wunder erwarten müssen, um noch hoffen zu dürfen. Und doch schien sie nur zu schlafen. Kein Erstarren der gewöhnlichen Todeskälte; Lippen und Nägel im blassen Rosenschimmer; elastisch das Fleisch der Schwanenarme und des Busens; weich und gelockt das seidne Haar, auf dem ein Diadem von weißen Rosen, bescheiden wie die Bekränzte es war, die liebliche Stirn umduftete! -- Ach! Betty erblickte mit mattgeweinten Augen den Rosenbaum, welcher heut am achtzehnten November seine aufgeblühten Erstlinge zum Schmuck für Adelaiden darbot. Mit wundgerungnen Händen brach sie die Lieblinge der schönsten, so früh gebrochnen Blume, und flocht sie -- zum Todtenkranz! Ein kleiner Zweig, auf dem zwei nur halb entfaltete Knospen wie in unschuldiger Liebe vereinigte Zwillinge sich wiegten, bezeichneten die Stelle, wo noch vor wenig Tagen das tugendhafteste Herz in himmlischer Reinheit groß und edel schlug! Wann soll sie beigesetzt werden? -- fragte der Doktor. Diese Nacht um zwölf Uhr, sagte Karoline. In Gottes Namen dann -- heut ist der dritte Tag. Fräulein; lassen Sie ihr die Zugpflaster von den Füßen nehmen. -- Man will den Sarg auf die Bühne haben. Was wollt ihr? frage Julius wild, als die Bedienten den Sarg anfaßten, zu dessem Haupt er auf einem Tabouret kniete, und das Gesicht in die weiß atlaßnen Kissen gedrückt hatte. -- Ha! bahret nur auf, rief er, als er vernommen, was man zu thun Befehl erhalten -- aber, mich laßt nicht zurück! Wo sie schläft, will ich auch bald schlafen! -- Und wie ein Schlaftrunkner folgte er dem Sarge; auf den Stuffen der Schaffottage sank er wieder in seine vorige Stellung. Das karge Licht des Novembertages war meist verloschen; trübe stürmische Dämmerung umflorte immer undurchdringlicher den Tempel der Trauer. -- Die Klagenden seufzten leiser um Adelaiden, denn ein neuer Anblick des Jammers forderte ihre Theilnahme und ihre Fassungskraft; die unglückliche Mutter beschäftigte Arzt und Freunde. -- Völliger Wahnsinn war eingetreten; eine fixirte Idee, Alexis und Adelaide warteten ihrer in der Kapelle, hatte sich der kranken Einbildung bemächtigt, gegen alle sie zurückhaltende Gewalt ihrer Wächter wollte sie aus dem Fenster springen, um auf dem kürzesten Wege dahin zu gelangen. -- Man schien der verblichenen Tochter, über die ihr folgen wollende Mutter zu vergessen. Nur Julius, Zynthio und Georg weilten jetzt bei dem geliebten Leichnam; Betty war entkräftet auf der Stuffe am Fuße des Sarges eingeschlummert. Noch hielt sie mit der Hand, auf welche der Amors-Kopf sich stützte, das weiße naß geweinte Tuch vor die geschloßnen Augen. -- Zynthio, in die Arbeit vertieft, zum letzten Male die Züge der ihm nun bald auf immer entrissenen Schwester aufzufassen, und dem Elfenbein anzuvertrauen, wußte kaum, daß noch etwas außerdem sich in der Welt ereignen könnte. -- Georg lehnte eben so sprachlos an eine der Marmorsäulen, den starren Blick auf Adelaidens himmlisches von oben herab sanft beleuchtetes Gesicht gerichtet. Da schreckten Ausrufungen von fremden Stimmen die Träumenden aus ihrem Sinnenschlummer. Allmächtiger Gott! meine Adelaide! rief eine schlanke weiße Gestalt, der Schleier flog zurück, und Prinzessin Mathilde warf sich laut weinend über die entschlafene Jugendfreundin. So konnte das Verhängniß meiner spotten? -- Ha, im Sarge! -- Allweise Vorsehung, die Weissagungen einer schwachen Seele mußtest du wahr machen, um dich zu verherrlichen! -- sagte bitter Mathildens Begleiter, der Erbprinz. So kalt nimmst du den Kuß der treuen Schwester hin? -- klagte Mathilde -- o du Stolze! -- mit dem Tode buhltest du, unserer vergessend; -- nicht achtend, daß ohne dich die Welt uns eine Einöde ist! -- Zynthio, Zynthio! warum ließest du sie sterben? -- Sterben? -- Konnte sie etwas bessers thun? -- unterbrach sie in grollender Verzweiflung der Prinz. -- Heirathen oder sterben, das sind so die gewöhnlichen Kunstgriffe -- den Verschmähten am sichersten das Herz zu zerreißen! -- Zynthio führte ihn schnell in ein Fenster, mehrere Schritte von den Uebrigen hinweg. Prinz! -- sagte er ihm leise -- diese Nacht um zwei Uhr, wann die Beisetzung vorüber ist -- habe ich Ihnen nur wenige Worte zu vertrauen, und Sie werden wünschen, diese Lästerung mit ihrem halben Fürstenthum zurück kaufen zu können. Nicht um das Wahrzeichen des kleinsten Marktflecken, in diesem Fürstenthume! -- Sieh jenen Schmerzenssohn! er darf als der Glücklichere um sie weinen, und sich mit seinem Schmerz brüsten! -- ihn konnte sie lieben -- Lieben? fiel bewegt Zynthio ein. -- Ja, sie liebte, aber nicht diesen. In der Stunde ihres Todes sagte sie: ich liebte den edelsten der Menschen -- aber -- er ist Fürst! -- Camillo! -- spricht ein guter oder ein böser Geist aus dir? -- Es sind die Worte der Verklärten: -- ich habe gekämpft und den Sieg errungen -- Ah, so -- und erwartete den Lohn in den Armen meines erwählten Schäfers! -- An Hochburg ward ich zur Verrätherin; der Stunde meines Todes fast gewiß, durfte ich nicht fürchten, die Verbindung vollziehen zu müssen. -- Dies ihr Bekenntniß an den Pforten der Ewigkeit! -- zweifeln Sie noch? -- An meiner Vernichtung? -- nein. -- Sie haben ihren Zweck erreicht. Noch nicht. -- Wer von einer Adelaide geliebt ward, muß ein großer, ihr an tugendhafter Entschlossenheit gleichender Jüngling seyn! -- Ihn den Seltnen bitte ich, mich zu der schon erwähnten Stunde, ohne Zeugen und in empfänglicher Stimmung für das Zarte meines Auftrags zu hören. Bis dahin Schonung der kleinern Verhältnisse, deren Rechte selbst die Verewigte achtete. Zynthio! -- gieb mir Trost, ohne den ist Entschlossenheit ein Unding! Sie liebte mich! -- Nun erst ist mein Verlust unersetzlich. -- Adelaide! -- Adelaide! -- Adelaide! -- wiederholten die Klagetöne Mathildens -- Adelaide? -- fragte Julius wie aus einem Traume erwachend -- welcher bis jetzt selbst nicht wußte, was er sah und hörte. -- Ja, diese Adelaide antwortet nicht mehr! -- Mathilde erblickte die zwei verschwisterten Rosen an der Brust der vergeblich Gerufenen, und entzog sie der kalten darauf ruhenden Hand. Ha, wie ich euch von dem Herzen eurer Königin reiße so riß sie sich von mir, und ließ mich traurig und einsam stehen. -- Ihr seyd mein! an ihrer Brust habt ihr geblüht, an der meinigen sollt ihr verwelken, wie meine Freuden! Julius sprang auf, die Hälfte des Raubes sey mein! rief er, indem er sich des Zweiges bemächtigte, und die zarten Zwillinge trennte. Ein unter den Blättern versteckter Dorn rächte den Frevel. Von seiner verwundeten Hand tropfte das Blut auf Mathildens weißes Gewand, während er ihr die blutbefleckte Rose reichte. Sonderbar! sagte finster der hinzugetretene Prinz. Es scheint, Sie besiegelten bei diesem Altar einen Bund mit ihrem Blute, das selbst die makellose Reinheit meiner Schwester zur Mitschuldigen bezeichnete. Einen Bund des heiligen Andenkens dieses Altars! fiel schwärmerisch Mathilde sein. Wem der Tod dieses Engels das Herz zerriß, der weihe sich dem mit Blut besprengten Bunde! Der weihe sich ihm, bis das zerrissene Herz kein Blut mehr zu vergießen hat! -- sagte Julius, und nahm die ihm über dem Sarg dargebotne Hand Mathildens. Ein vernehmliches Ah! zitterte aus Adelaidens Brust, eine schwache Bewegung erschütterte den leblosen Körper -- Was war das? -- Allmächtiger Gott! werden die Todten lebendig? fragten sich die Ergriffenen. Schauder der Ahndung durchbebte die Bundesverschwornen. -- Die Schloßuhr schlug sechs; das dumpfe Trauer-Geläute der Kirchen umliegender Dorfschaften begann, und unsichtbare Chöre tönten in sanft klagenden Harmonieen. Doktor Weidenbach trat ein; er hörte und eilte, sich selbst zu überzeugen. So waren doch meine Zweifel gegründet? rief er. Jetzt erst hat die Seele den Körper verlassen. Die Veränderung der Liniamente, das Ausspannen des Körpers -- jetzt können wir mit Gewißheit sagen, daß sie aufgehört hat zu leben. Der bisherige Zustand war -- ein Scheintod. * * * * * Phrenetisches Lachen schallte aus dem Zimmer der Generalin dem Leichenzuge nach. Den Fackelschein, das Läuten der Glocken, hielt die freudige erwartungsvolle Mutter für das Zeichen, daß Alexis und Adelaide im hochzeitlichen Pomp sie einzuholen kämen. Das heftige Lachen endete mit einem Stickfluß -- und als das Trauergefolge zurückkam, war wirklich Gräfin Ludmilla dem Theuersten, was sie auf Erden gehabt -- ihrem Gemahl und ihrer Tochter nachgefolgt. Die Morgendämmerung fand den Prinzen in lebhaftem Gespräch mit Zynthio in des Letztern Zimmer. Verschmerzen werde ich nie, und so gilts einerlei, eine Grad mehr oder weniger elend! sagte der Erstere, indem er vom Sopha aufsprang, und Adelaidens in schwarzen Flor gehüllte Guitarre ergriff. -- Wie Prometheus wollte ich ein neues Fürstenglück und in ihm -- Volksglück schaffen. Die erzürnte Politik schmiede mich dafür an den Felsen eine Ehe ohne Liebe; für den Geier laß die Bestimmung eines Fürsten nach der alten Schöpfung sorgen. Herkules, mit Tugendkraft begabt, erlegte den Geier. -- Aber nie werden diese Saiten, von ihren Fingern belebt, wieder eines Menschen Ohr erfreuen, einem Herzen Wonne und harmonische Gefühle mittheilen. Und -- darum -- wie gesagt, ist’s alles eins. Zum Karnevall soll’s lustig zugehen in der Residenz; Trompeten und Pauken sollen -- möchte ich mit Hamlet ausrufen -- in kreischenden Tönen die erlauchte Begebenheit verkünden: daß der Fürst, als Schwiegerpapa einer Königstochter, sich einen Freudenrausch trinkt! Ich werde, fern von Deutschland, dem edlen Sohn Glück wünschen, daß er seinem Vater den Freudentrunk zu reichen, groß und entschlossen genug war! Es mag schön klingen -- aber mir wird jeder solcher Wünsche ein Mißlaut seyn. -- Wann reisen Sie? In wenigen Wochen; Georg begleitet mich. Auch dieser? -- Nun gut, selbst der geringste Schatten aus meiner glücklichen Vergangenheit fliehet! Mathilde brachte den übrigen Theil der Nacht ebenfalls schlaflos hin. Karolinens und Hochburgs Thränen hatten sich mit den ihrigen vereint; gleiches Gefühl ihres Verlusts brachte während den wenigen Stunden die Gemüther näher, als es in fröhlichen Zeiten kaum Monathe vermocht hätten. Mein unglücklicher Vetter! flüsterte Fräulein von Elfen der Prinzessin zu. -- Unaussprechlich ist sein Jammer -- ihn erneuern wird meine Verbindung mit Graf Wallersee; denn auch seine Vermählung mit Adelaiden sollte mit der unsrigen an einem Tage vollzogen werden. Er muß dieser Feierlichkeit ausweichen, antwortete Mathilde. Ueberhaupt wäre Beschäftigung, Zerstreuung das heilsamste für ihn. Wir wollen ihn dieser Einsamkeit entziehen -- Das wäre Wohlthat für den armen Julius, meinte Karoline. Und als wohlthätige Absicht wenigstens nahm Graf Hochburg die schmeichelhafte Einladung Mathildens auf; in den nächsten acht Tagen trieb ihn sein rastloser Schmerz der Freundin seiner Adelaide, der Genossin des Trauerbundes, nach in die Residenz. * * * * * Still wie in dem Kloster La Trappe war es jetzt in Wallersee. Zynthio traf Reiseanstalten, er mußte für seine Gefährten mit denken, denn Georg und Betty schlichen traurig ab und zu; ihnen war eine Zeichnung von Adelaidens schöpferischen Händen -- eine Blumenguirlande, so diese in ihren Haaren getragen, eine ihrer Lieblingscompositionen für Guitarre oder Pianoforte das wichtigste, was sie als Erbstücke mitzunehmen und sorgfältig einzupacken würdig erachteten. Schon war der Tag ihrer Abreise festgesetzt, als Georg eines Abends athemlos und zitternd in seines Freundes Zimmer stürzte. Adelaidens Geist! rief er -- oder mich täuscht ein Blendwerk der Hölle. Er riß Zynthio mit sich nach dem untern Stockwerk, wo er die Erscheinung gehabt -- Ist’s möglich? rief Zynthio, als er die Fremden erblickte -- Wen sehe ich? -- Ihre Schwester Seraphine, Signor Camillo! -- sagte Graf Bendheim. Ich bedaure! ich glaubte Freude zu bringen, und finde ein Haus der Trauer. Verzeihen Sie, Herr Graf, wenn ich überzeugt bin, daß Sie ein Haus des Friedens in Trauer und Verwirrung zu versetzen hofften. Sie sehen, Ihre Absicht ist vereitelt, der Zweck Ihrer Reise nach Italien verfehlt, und Sie geben mir wirklich, gegen Ihren Willen, den Trost, eine geliebte mir anvertraute Schwester früher wieder zu finden, als ich hoffen durfte, nachdem ich die Andere verlor! -- Und wer ist ihre zweite Begleiterin? -- Zynthio! Kennst du mich nicht mehr? -- Aloyse Prospero! Zynthio lag in den Armen seiner Schwester und ihrer mütterlichen Freundin. Wirklich, Herr Graf! Sie haben weder Aufwand noch Mühe gespart, in dies Haus der Trauer Freude zu locken. Möchte Ihnen das Bewußtseyn genügen, daß es Ihnen gelungen ist! -- Georg, du meldest wohl den Herrn Grafen bei dem Herrn des Hauses -- Der ist? -- frage Bendheim gespannt. Graf Theodor von Wallersee. Wir sind -- ich möchte ihn belästigen -- Sie haben ja einen guten Gasthof im Orte. Morgen mit dem frühesten reise ich wieder ab. Ich habe das Meinige gethan, und bin belohnt, daß ich mit dieser Ueberraschung Ihren Dank verdient habe -- sagte in verbißnem Grimm der Ueberraschende, schüttelte den Staub von seinen Füßen, und zog wieder von dannen. So wurden wir getäuscht? fragte Signora Prospero. -- Er meldete sich als Bevollmächtigter der Gräfin, welche Seraphinen bei sich zu haben wünschte, und als ihres Gemahls Tochter anerkannte. Er legitimirte sich durch Briefe, selbst an Seraphinen hatte die Generalin geschrieben. Zynthio eröffnete den Getäuschten das Verständniß -- O, es ahndete mir wohl! nahm die redliche Matrone wieder das Wort. -- Ein boshafter Mensch kann auch ein Verführer der Unschuld seyn -- Nur unter meiner Aufsicht bewilligte ich Seraphinens Mitreise. Georg, welcher die Zeit über Seraphinen angestaunt, und seinen Sinnen kaum glauben wollte, rief jetzt aus: Dies wäre meines Freundes Schwester? Und die Deinige! antwortete dieser, indem er sie ihm in den Arm warf. Betty kam. Gott im Himmel! schrie sie -- die junge Gräfin! -- Meine und deine Schwester Seraphine! -- Georg, Betty, Seraphine -- wir alle ein Bund -- eine Familie! -- Adelaide! -- Sieh herab und lispele dein heiliges Amen! -- Signora Prospero, Sie verloren Ihren Gatten -- lassen Sie uns ihre Kinder seyn! Adelaidens freundlicher Segen mußte über der Gruppe geschwebt haben. -- Unvergeßlich war ihnen der verklärte Engel, aber die hoffnungslose Trauer gieng bald in sanfte dankbare Erinnerung über. Zynthio Camillo erfüllte, was er der Verewigten gelobte; er machte Betty glücklich, und ward es mit ihr als Gatte und Vater. -- Georg, der in Seraphinen Adelaidens Ebenbild verehrte, freuete sich -- da zu dieser Verehrung sich bald die zärtlichste Liebe gesellte -- der Großmuth seiner Wohlthäterin, kaufte sich im Canton Zürich sehr vorteilhaft an, und Zynthio umarmte nun den Freund auch als den liebenden und geliebten Gatten seiner Schwester. * * * * * Der Erbprinz söhnte seinen Vater, durch die Vermählung mit der ihm bestimmten Prinzessin, mit sich aus. Ob er glücklich ward? -- Er bestieg zu bald nach dem prunkenden Beilager den Thron -- ernste Geschäfte, Regierungssorgen, ließen ihm selbst kaum so viel Muße, sich diese Frage aufzuwerfen -- deren Beantwortung, wie man erlauscht haben will, sich dann gemeiniglich in einen schweren Seufzer aufzulösen pflegte. Julius Graf von Hochburg wurde, auf Mathildens Verwendung, Kammerherr. Die Bundesgenossen recapitulirten ihre melancholischen Gefühle in den Stunden der Weihe, deren Losungswort: Adelaide! war. -- Das Frühjahr kam, mit ihm die Gelegenheit zu romantischer Feier des Bundes der Trauer. -- Ein Zypressenhayn, das Flöten klagender Nachtigallen, nährte die Seelenkrankheit der Geweihten bis zur Unheilbarkeit. -- Ja, müßige Höflinge wollten sogar bemerkt haben, daß sich noch ein neues Uebel dazu geschlagen. Der junge Großherzog, welcher viel heißes Blut: aber nicht die geringste Anlage zu dergleichen mystischen Gefühlen besaß, und dessen Ansprüche auf Mathildens Hand ihn, nach seiner Meinung vollkommen berechtigte, die Genesung der Prinzessin ernstlich zu wünschen, war mit den Symptomen der vermehrten Krankheit höchst unzufrieden. -- -- Eine Jagd ward veranstaltet: Graf Hochburg, sonst kein leidenschaftlicher Jäger, wollte heut in Verfolgung eines Hirsches den Preis gewinnen, um damit diesen Abend von seiner erhabenen Bundesgenossin im Zypressenhayn bekränzt zu werden. Er sprengte dem Verfolgten in das Dickicht des Waldes nach -- ein Schuß fiel -- der vielleicht dem Wilde galt -- und Julius sank blutend vom Pferde. Mathildens Verzweiflung war keiner Verstellung fähig; -- Argwohn bemächtigte sich ihre Herzens -- mit Abscheu stieß sie den Durchlauchtigen Bewerber von sich -- die blutige Locke des Gemordeten trug sie an Arm und Busen. -- Das erregte Aufsehn beunruhigte den Hof -- ein fürstliches Stift nahm die Unglückliche auf, und entzog sie den Augen der boshaft richtenden Welt. Ein schmerzliches Ach! -- entwand sich Adelaidens nicht mehr athmender Brust -- als jener mit Blut geweihte Bund über ihrem Sarge geschlossen wurde! -- Nur zu bedeutend war dieses ominöse Zeichen! End of the Project Gutenberg EBook of Adelaide, by Augusta von Wallenrodt, AKA Augusta von Goldstein *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ADELAIDE *** ***** This file should be named 54481-0.txt or 54481-0.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/5/4/4/8/54481/ Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project.) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive specific permission. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. They may be modified and printed and given away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. START: FULL LICENSE THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg-tm License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is unprotected by copyright law in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily comply with the terms of this agreement by keeping this work in the same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when you share it without charge with others. 1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern what you can do with this work. Copyright laws in most countries are in a constant state of change. If you are outside the United States, check the laws of your country in addition to the terms of this agreement before downloading, copying, displaying, performing, distributing or creating derivative works based on this work or any other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no representations concerning the copyright status of any work in any country outside the United States. 1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: 1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or distributed: This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. 1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not contain a notice indicating that it is posted with permission of the copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in the United States without paying any fees or charges. If you are redistributing or providing access to a work with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted with the permission of the copyright holder, your use and distribution must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the permission of the copyright holder found at the beginning of this work. 1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm License terms from this work, or any files containing a part of this work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. 1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic work, or any part of this electronic work, without prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate access to the full terms of the Project Gutenberg-tm License. 1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. However, if you provide access to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1. 1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9. 1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided that * You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has agreed to donate royalties under this paragraph to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid within 60 days following each date on which you prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty payments should be clearly marked as such and sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation." * You provide a full refund of any money paid by a user who notifies you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm License. You must require such a user to return or destroy all copies of the works possessed in a physical medium and discontinue all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm works. * You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the electronic work is discovered and reported to you within 90 days of receipt of the work. * You comply with all other terms of this agreement for free distribution of Project Gutenberg-tm works. 1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. 1.F. 1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread works not protected by U.S. copyright law in creating the Project Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic works, and the medium on which they may be stored, may contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by your equipment. 1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGE. 1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a written explanation to the person you received the work from. If you received the work on a physical medium, you must return the medium with your written explanation. The person or entity that provided you with the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a refund. If you received the work electronically, the person or entity providing it to you may choose to give you a second opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If the second copy is also defective, you may demand a refund in writing without further opportunities to fix the problem. 1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE. 1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or unenforceability of any provision of this agreement shall not void the remaining provisions. 1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance with this agreement, and any volunteers associated with the production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works, harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause. Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of electronic works in formats readable by the widest variety of computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: www.gutenberg.org/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.