The Project Gutenberg EBook of Macchiavellis Buch vom Fuersten by Niccolo Machiavelli This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at http://www.gutenberg.org/license Title: Macchiavellis Buch vom Fuersten Author: Niccolo Machiavelli Release Date: May 27, 2012 [Ebook #39816] Language: German Character set encoding: US-ASCII ***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MACCHIAVELLIS BUCH VOM FUeRSTEN*** Macchiavellis Buch vom Fuersten. Nach A. W. Rehbergs Uebersetzung mit Einleitung und Erlaeuterung neu herausgegeben von Dr. Max Oberbreyer. Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. INHALT. Seite Einleitung 3 1. Verschiedene Arten der Herrschaft 33 2. Von erblichen Fuerstenthuemern 33 3. Von vermischten Herrschaften 34 4. Warum das Reich des Darius nach Alexanders Tode 43 gegen seine Nachfolger nicht aufstand 5. Wie Staedte und Fuerstenthuemer zu behandeln sind, 45 die vor der Eroberung ihre eigne Verfassung hatten 6. Von neuen Herrschaften, die durch eigne Waffen 47 oder Tapferkeit errungen werden 7. Von neuen Fuerstenthuemern, die durch fremde 50 Unterstuetzung und durch Gluecksfaelle erworben werden 8. Von Denjenigen, welche durch Verbrechen zur 58 Herrschaft gelangen 9. Vom Volke uebertragene Herrschaft 63 10. Wie die Kraefte der Fuerstenthuemer zu schaetzen sind 67 11. Von geistlichen Fuerstenthuemern 69 12. Von den verschiedenen Arten der Truppen 72 13. Von Hilfstruppen 77 14. Was der Fuerst im Kriegswesen zu beobachten hat 81 15. Wodurch die Fuersten Lob und Tadel erwerben 83 16. Von der Freigebigkeit und dem Geize 85 17. Von der Grausamkeit und Milde 87 18. In wie fern ein Fuerst sein Wort halten muss 90 19. Verachtung und Hass sind zu vermeiden 93 20. Ob Festungen und andere Sicherheitsanstalten der 104 Fuersten nuetzlich oder schaedlich sind 21. Wie ein Fuerst sich zu betragen hat, um grossen Ruhm 108 zu erwerben 22. Von den Ministern 112 23. Schmeichler sind zu fliehen 113 24. Wie die Fuersten Italiens ihre Herrschaft verloren 115 haben 25. Welchen Einfluss das Glueck auf die Angelegenheiten 117 der Menschen hat 26. Aufruf, Italien von der Fremdherrschaft zu 120 befreien Erlaeuterungen 125 EINLEITUNG. Niemals hat eine politische Schrift so gewaltiges Aufsehen erregt, und so viel gewirkt, als _Macchiavelli's_ hochberuehmtes _Buch vom Fuersten_. Der Name des Verfassers ist durch die sogar in Staatsschriften als Kunstausdruck uebliche Benennung des _Macchiavellismus_ auch der grossen Menge bekannt geworden, die das Buch selbst nicht gelesen hat. Aber unter den Grossen und ihren Ministern haben sich Viele danach gebildet. Hier glaubten sie das, was sie in einzelnen schlimmen Augenblicken gethan, oder noch zu thun Lust hatten, durch zusammenhaengende Grundsaetze gerechtfertigt zu finden. Die es so benutzten, moegen oft ungehalten darueber geworden sein, dass Alles, was sie sich, aber auch nur sich selbst, und als Ausnahme von der Regel erlauben wollten, in allgemeinen Maximen oeffentlich aufgestellt, und dadurch Verdacht gegen ihre Absichten erregt ward. Daher ist es am lautesten von denen angeklagt, die am meisten daraus gelernt hatten. Andere Leser sind durch den Widerspruch, in welchem dieser Inbegriff fuerstlicher Weisheit mit der gewoehnlichen Moral steht, zu dem Zweifel veranlasst worden, ob das Buch wol im Ernste geschrieben sei? Da sie die Bewunderung, welche der durchdringende Beobachtungsgeist und das treffende Urtheil des Verfassers Jedem abnoethigt, der politische Verhaeltnisse zu beurtheilen vermag, mit ihrem Widerwillen gegen die freche Immoralitaet, zu welcher seine Grundsaetze fuehren, nicht zu vereinigen wussten, so haben sie geglaubt, Macchiavelli moege wol das vollstaendige Gemaelde der Tyrannei und der Mittel zu ihr zu gelangen, in der Absicht entworfen haben, um den Tyrannen in der verabscheuungswuerdigsten Gestalt darzustellen. Mehrere italienische Schriftsteller haben diese Auslegung sehr frueh gemacht, um dem Geschrei zu begegnen, das sich bald nach der oeffentlichen Bekanntmachung des Werkes erhob. Die Vermuthung erhaelt einigen Anschein durch den Widerspruch, in welchem die Gesinnungen, welche in diesem Buche herrschen, mit andern Schriften des Verfassers zu stehen scheinen, und der um so auffallender ist, da das Buch vom Fuersten und die Betrachtungen ueber den Livius offenbar nicht in ganz verschiedenen Perioden seines Lebens geschrieben sind. Er bezieht sich in jeder derselben auf die andere, und hat sie also, wenigstens spaeterhin, zugleich wieder ueberarbeitet. Aber man kann dieser Erklaerung durchaus keinen Beifall geben, sobald man das Buch selbst unbefangen liest. Es ist mit solchem Ernste geschrieben, mit solchem Nachdruck, und was noch mehr ist, es enthaelt auf jeder Seite so viel Wahrheit, dass man das Ganze unmoeglich fuer Ironie halten kann. So treffende Lehren koennen nicht aus republikanischem Hasse gegen die Tyrannei gegeben sein, damit der Tyrann ins Verderben renne: diesen Zweck haetten sie sicherlich verfehlt! Wer den Verfasser aus der Geschichte kennen gelernt hat, wird auch nicht durch die Erklaerung befriedigt, dass er hier die Naturgeschichte der Tyrannei gezeichnet habe, so wie er die Theorie der Republik in den Discursen ueber den Livius abhandelt. Macchiavelli war kein gleichgueltiger Zuschauer und blosser Beobachter der politischen Welt. In allen seinen Schriften herrscht ein praktischer Geist. Seine Discurse beweisen das lebhafteste Interesse an der Erhaltung und der Groesse einer Republik. Sie sind ganz im Tone eines Mannes geschrieben, der selbst dazu mitwirken moechte, sie zu errichten oder zu befestigen. Eben so kraeftige Rathschlaege fuer den, der sich auf der errungenen Stelle eines Regenten erhalten will, eben so nachdrueckliche Empfehlungen der wirksamsten Mittel, eben so lebhafte Verachtung des Zweckwidrigen, findet man in dem Buche vom Fuersten. Die Aufloesung dieses raethselhaften Widerspruchs ist in dem Zustande Italiens und in der Lebensgeschichte des Verfassers zu suchen.(1) Man versteht ja ueberhaupt keinen ausgezeichneten Schriftsteller vollkommen, wenn man nicht eine lebendige Kenntniss von seiner Nation und seinem Zeitalter, und ein feineres Gefuehl fuer ihre Art zu empfinden, aus den einheimischen Geschichtschreibern erlangt hat, welche selbst die Gesinnungen ihrer Nation theilen, und nicht blos die Handlungen der Menschen, sondern ihre Quelle, die eigenthuemliche Gemuethsart, darstellen. Aus solchen erhaelt man eine ganz andere Einsicht in den Zusammenhang der Begebenheiten, als aus der genauesten und sorgfaeltigsten Erzaehlung eines Fremden. Die italienische Nation zeichnet sich durch eine ungemeine Lebhaftigkeit aller Empfindungen und Leidenschaften aus, die ihren Gegenstand mit dem Feuer unausloeschlicher Begierde ergreift, und nie ablaesst. So wie man von den Franzosen nicht ohne Grund sagt, dass sie aus allem Ernste Scherz machen, und dadurch so oft selbst ein Spiel ihrer eignen witzigen Laune werden, so machen die Italiener aus allem Scherze Ernst. In allen Handlungen der Franzosen erscheint ein feines und unaufhoerlich reges Ehrgefuehl als die herrschende Triebfeder. Dieses zeigt sich in den schlechtesten, wie in den vorzueglichsten Individuen der Nation, auf verschiedene Art, aber immer gleich stark. Alle franzoesischen Raisonnements ueber sittliche Gegenstaende erhalten dadurch eine ganz eigne Farbe, und in der Geschichte des Volks spielt es die Hauptrolle. Aus der Verbindung dieses aeusserst reizbaren Ehrgefuehls, und der feinen Beobachtung aller Convenienzen des Augenblicks, worin die Franzosen allen Andern so sehr ueberlegen sind, mit ihrer launigen Gemuethsstimmung, entspringt eine Versatilitaet, von der man in der Geschichte der Italiener keine Spur findet. Diesen kommt es immer auf die Sache an, die sie wollen. Die buergerlichen Unruhen, die ganz Italien so viele Jahrhunderte lang zerrissen haben, waeren durch blosse Begebenheiten und Zufaelle nicht so lange unterhalten. Ihr Charakter ist wesentlich verschieden von dem Factionsgeiste in der franzoesischen Geschichte. Mit der Tenacitaet der Italiener ist eine tiefe Verschmitztheit nahe verwandt, die mit der Falschheit eines versatilen Menschen, der sein Vergnuegen daran findet, mit andern zu spielen, und schon dadurch befriedigt wird, wenn er sie aefft, durchaus keine Aehnlichkeit hat. Es ist bekannt, dass nichts in der Welt mit der Politik des roemischen Hofes verglichen werden kann, und dass die geistliche Intrigue, als ein zusammenhaengendes System die Zwecke der Herrschsucht zu erreichen, fuer das vollkommenste Erzeugniss des menschlichen Geistes in seiner Art angesehen werden muss. Dies Meisterstueck eines feinen und dauerhaften Gewebes konnte nur in Italien zu Stande gebracht werden, und hat wieder einen grossen Einfluss auf die Denkungsart der italienischen Staatsmaenner gehabt, die ihre Aufmerksamkeit unaufhoerlich auf den paepstlichen Stuhl richten mussten, welcher durch seine Bemuehungen, die christliche Kirche zu beherrschen, zugleich mit in alle weltlichen Haendel von Italien verwickelt ward. In diesem ganzen Lande ist von Alters her ein republikanischer Geist verbreitet gewesen, und hat viele Jahrhunderte lang einen unaufhoerlichen Kampf mit der Herrschsucht einzelner Haeupter gefuehrt, die in den innern Bewegungen uebel geordneter Gemeinden die Mittel fanden, sich zu erheben. Unter der grossen Zahl italienischer Republiken war allein Venedig schon frueh zu einer festen Verfassung und innern Ruhe gelangt. In allen uebrigen verfolgten und vertrieben einander Parteien: eben so wie vormals in den griechischen Freistaaten einzelne Geschlechter mit ihrem Anhange, und Factionen, von Optimaten, von Buergern, und von kleinem Volke, Alles unter einander kaempfte, und sich wechselweise austrieb. Solchem innern Zwiste war ganz vorzueglich das Vaterland des Macchiavelli unterworfen; eine der stuermischsten Republiken, die jemals existirt haben. Die Geschichte der letzten hundert Jahre, wo Florenz als Freistaat bestand, von 1432 an, da Cosmus der Grosse von Medici zurueckberufen ward und die Leitung aller oeffentlichen Angelegenheiten ergriff, bis zu der endlichen Ernennung eines seiner Seitenverwandten, Cosmus des Ersten, zum Herzog, im Jahre 1536, gehoert zu den interessantesten Partien der ganzen Weltgeschichte. Vorzueglich ist die letzte Haelfte dieses Zeitraums aeusserst lehrreich, wegen der mannichfaltigen Abwechselungen der Verfassung, die beinahe zu allen Lehrsaetzen der Politik Beispiele wirklicher Erfahrung bieten.(2) Florenz war waehrend des fuenfzehnten Jahrhunderts durch das ueberwiegende Ansehen zweier Maenner aus dem _Hause Medici_ beruhigt, und in die Zeiten des letztern von ihnen fiel Macchiavelli's Jugend. Cosmus der Grosse und Lorenzo, sein Grosssohn, hatten als einfache Buerger die Angelegenheiten ihres Vaterlandes geleitet, und grossen Einfluss auf das Schicksal von ganz Italien gehabt. Macchiavelli kannte den ganzen Umfang ihrer Talente und Verdienste: er redet von ihnen mit Waerme und mit dem Wohlgefallen, welches Niemand, ungeachtet aller Verschiedenheit der Grundsaetze und Gesinnungen, Demjenigen versagen kann, durch welchen das Vaterland zu Ehre, Macht und Reichthum gelangt ist. Die Groesse des letzten von jenen beiden ausgezeichneten Maennern hatte Macchiavelli selbst noch gesehen. Er war etwas ueber zwanzig Jahre alt, als Lorenzo von Medici starb, dessen Tod allgemein als die Epoche angegeben wird, mit welcher die Zeit des Genusses und des Ruhms aufhoerte, und eine endlose Reihe von Unglueck und Elend begann, das der Ehrgeiz fremder Monarchen, die unverstaendige und leidenschaftliche Herrschsucht einheimischer Grossen, der unbaendige Geist kuehner Abenteurer und schamloser Emporkoemmlinge ueber Italien gebracht hatten. _"Mit dem Tode Lorenzo's von Medici fing der Same des Uebels an aufzugehen, wodurch, da Niemand mehr lebte, der ihn auszurotten verstand, Italien zu Grunde gerichtet ist, und noch immerfort zu Grunde gerichtet wird."_ Mit diesen Worten schliesst Macchiavelli seine florentinische Geschichte. Guicciardini beginnt seine Geschichte von Italien mit derselben Bemerkung. Die Schriftsteller aller Parteien stimmen darin ueberein. Nach des grossen Mannes Tode ward sein unfaehiger Sohn Piero mit seinen vornehmsten Anhaengern vertrieben. Achtzehn Jahre lang war Florenz ein Spiel republikanischer Unruhen. Die Republik, die unter der Leitung des Lorenzo auf die Verhaeltnisse der grossen Maechte von Europa so grossen, oft entscheidenden Einfluss gehabt hatte, ward mit allen uebrigen italienischen Staaten in den allgemeinen Strudel hineingezogen, den der Ehrgeiz der franzoesischen Koenige erregte. Von den Heereszuegen Karl des Achten und Ludwig des Zwoelften ward ganz Italien wie von Meereswellen verschlungen. Waehrend dieser Periode war Macchiavelli Staatssecretair der florentinischen Republik, und mehr als zwanzig Mal Gesandter an grossen und kleinen Hoefen, in den wichtigsten Angelegenheiten. Diese Auftraege fuehrten ihn zu intimen Verhaeltnissen mit den maechtigsten Maennern der Zeit: unter Andern mit dem Pandolfo Petrucci, der sich in Siena vom Fuehrer einer Partei bis zum Oberhaupte des Staats emporgeschwungen hatte, und denselben von 1487 bis an seinen Tod, 1512, ungefaehr durch Kuenste, wie sie Macchiavelli lehrt, fast unumschraenkt beherrschte. Dieser Petrucci hatte den Anfang seiner Groesse damit gemacht, zwei der wichtigsten Personen der Gegenpartei aus dem Wege zu raeumen, und liess darauf seinen eignen Schwiegervater, den Giovanni Borghese, einen sehr angesehenen und wegen seiner Gelehrsamkeit beruehmten Mann, dessen Einfluss er fuerchtete, ebenfalls ermorden. Er hielt es seinem Interesse angemessen, sich mit den Florentinern zu verbinden, und ueberliess ihnen Monte Pulciano, ueber dessen Besitz sie mit den Sienesern in einen alten Streit verwickelt waren. Bei der politischen Freundschaft zwischen dem Pandolfo und dem damaligen Gonfaloniere Piero Soderini, war Macchiavelli nicht allein der Mittelsmann, sondern er unterhielt auch selbst eine genaue Verbindung und freundlichen Briefwechsel mit dem Tyrannen von Siena, wie der Geschichtschreiber desselben(3) ausdruecklich bemerkt. Die Medici wurden 1512 in Florenz wieder eingefuehrt. Gleich im ersten Jahre entspann sich eine Verschwoerung gegen sie, deren Haeupter Nicolo Valori und Giovanni Folchi, mit dem Leben buessten. Macchiavelli gerieth als Theilnehmer in Untersuchung, ward gefoltert und verbannt, bald darauf aber von der Familie, welche die Oberhand behalten hatte, wegen seiner grossen Talente gesucht. Nicht volle zwei Jahre darauf zog ihn Papst Leo X. durch seinen Freund, den gemeinschaftlichen Landsmann und florentinischen Gesandten zu Rom, Veltori, ueber die verwickelten Angelegenheiten Italiens, und ueber die Verhaeltnisse zu den fremden Maechten, welche er als Staatssecretair der Republik und als Gesandter so genau kennen gelernt hatte, zu Rathe, wie aus den Briefen des Vettori erhellt. Aber noch naeher als Alles dieses lag dem Macchiavelli die Frage, wie die Medici das wieder erlangte Uebergewicht in ihrem Vaterlande benutzen wuerden? Die Ahnherrn ihres Geschlechts hatten, wie gesagt, als einfache Buerger die oeffentlichen Angelegenheiten desselben aus ihrem Cabinet geleitet, ohne die aeussere Decoration einer hoehern Wuerde zu verlangen. Aber die Zeiten hatten sich geaendert. In Frankreich, in Spanien, in Deutschland hatten sich seit Kurzem kraeftige Monarchien erhoben. Italien hingegen ward von innern Zwistigkeiten zerrissen. Insbesondere war Mittelitalien voll kleiner Herren, die sich Alles erlaubten, um zu der hoechsten Gewalt in ihrer Vaterstadt, und zu der Herrschaft ueber kleine Districte umher, zu gelangen. Mehrere Paepste hatten mit einigem Erfolge gesucht, in ihren Familien Herrschaften zu gruenden, die dahin fuehren konnten, die italienischen Freistaaten und Fuersten zu einem Bunde unter Leitung eines angesehenen Oberhauptes zu vereinigen. So hatte sich das Haus della Rovere durch zwei Paepste, Sixtus den Vierten und Julius den Zweiten, aus dem Staube zu der herzoglichen Wuerde von Urbino emporgeschwungen. Mit groesserem Nachdrucke hatte Alexander der Sechste seinen Sohn Caesar Borgia zu einem gefuerchteten Herrn in Romagna gemacht. Leo der Zehnte konnte seinen Verwandten noch mit ganz anderer Kraft unterstuetzen, als Alexander den seinigen. Denn was der Spanier Borgia blos durch sein paepstliches Ansehn zu Stande bringen musste, das unternahm Leo mit dem ganzen Gewichte des Hauses Medici, welches im maechtigen und reichen Florenz so tiefe Wurzeln geschlagen hatte. Ein Kind seiner Zeit war er nicht damit zufrieden, seinem Geschlechte die Lage im Vaterlande zu sichern, in der sich seine Vorfahren befunden hatten. Der grosse Lorenzo war schon von der Lebensart derselben etwas abgewichen: er hatte sich mit einer Prinzessin Orsini vermaehlt, und seinen Reichthum angewandt, Landgueter zu kaufen, die mehr der Grundlage eines Fuerstenthums, als Privatbesitzungen eines Buergers glichen. Leo X. machte seinen Neffen Lorenzo zum Herzoge von Urbino, und legte es darauf an, diesem und nach ihm immer dem Haupte der Familie einen Antheil an der Regierung von Florenz zuzuwenden, der in seinem Umfange und in der Art der Ausuebung einige Aehnlichkeit mit der Herrschaft hatte, die Augustus in Rom nach der Aufloesung der Triumvirate fuehrte. Lorenzo ward Oberhaupt der Kriegsmacht, und fuehrte den Titel: _Il Magnifico_ (der Praechtige). In den oeffentlichen Angelegenheiten durfte nichts ohne seine Genehmigung geschehen. Dennoch bestanden alle republikanischen Formen, und er ueberliess die gesammten Stellen in der Verwaltung Buergern, die jedoch nur unter seinem Einflusse gewaehlt wurden. Im Wesentlichen war es eben so schon damals zugegangen, als seine grossen Vorfahren regierten. Seit undenklichen Zeiten war aus republikanischer Eifersucht die obrigkeitliche Gewalt nur auf wenige Monate verliehen. Jahrhunderte lang bildeten bald acht, bald zehn, bald zwoelf Personen, unter dem Titel: "_Priori dell' arti_", "_Priori della Liberta_", "_Otto della pratica_", oder andern Namen, den obersten Rath der Republik, der unter dem Vorsitz des Gonfaloniere meist alle zwei Monate wechselte. Die Personen, welche bestimmt waren, nach und nach einzutreten, wurden von einem Ausschusse von Buergern auf eine Reihe von Jahren im Voraus gewaehlt. Diesen Ausschuss aber setzte die maechtigste Partei des Augenblicks, die sich unter dem Namen "balia" eine ausserordentliche Gewalt anmasste, willkuerlich zusammen. Bei diesem bestaendigen Wechsel der Staatsbeamten ward eine geheime Direction der oeffentlichen Angelegenheiten nothwendig. Diese ging lange von dem Cabinette der Medici aus, und eben in jenen unaufhoerlichen aeussern Veraenderungen, wodurch die Verfassung den Anschein einer Demokratie erhielt, lag ein Mittel, das Ansehn der Familie zu befestigen, welche sich durch ihren Reichthum, ihre Verwandtschaften, den Verstand und die Regierungsweisheit einiger ausgezeichneten Haeupter, einen so grossen Anhang gemacht hatte. So oft die Medici nach einem kurzen Exil in ihr Vaterland zurueckgekehrt waren, hatten sie die republikanischen Formen, die sie fuer sich selbst so vortheilhaft fanden, beschuetzt. Es scheint, Leo X. wollte ungefaehr auf gleiche Art sein Vaterland beherrschen. Aber der ehrgeizige eitle Neffe, der mehr auf seinen Vater, den Piero, der wegen seines unverstaendigen Leichtsinns vertrieben war, als auf seinen weisen Grossvater Lorenzo artete, verlangte mehr. Macchiavelli, der ihn daran nicht hindern konnte, der weder in Florenz eine Partei hatte, die maechtig genug gewesen waere, die Republik herzustellen, noch Einfluss genug auf den Papst, um die Angelegenheiten seines Vaterlandes auf diesem Wege zu leiten, wandte sich an den neuen Herzog von Urbino und gab ihm in dem Buche, welches er ausdruecklich fuer diesen Zweck schrieb, Rathschlaege, wie er sich zum Herrn machen und wie er die Herrschaft behaupten koenne. Von seiner persoenlichen Verbindung mit diesem Fuersten ist uebrigens nichts Naeheres bekannt. Sein ganzes Leben in dieser Zeit ist beinahe noch voellig im Dunkeln. Der fruehe Tod des Herzogs von Urbino unterbrach 1519 die Plaene, die Macchiavelli auf den unternehmenden Geist desselben gebaut haben mochte; nun benutzte er seine Verbindung mit dem Papst Leo, diesem einen Entwurf vorzulegen, wie Florenz durch eine neue Verfassung beruhigt werden koenne, indem die Liebe der Einwohner zur Republik befriedigt, und zugleich dem Papst Leo ein dauernder Einfluss auf dieselbe fuer die Zeit seines Lebens gesichert wuerde. Diesen Entwurf wird Jeder, der die Geschichte von Florenz seit dem Tode des grossen Lorenzo, die Parteien, die das Gemeinwesen zerrissen, ihre Wuensche und die Beduerfnisse des Staats aus den Quellen kennen gelernt hat, fuer ein Meisterstueck erkennen. Der Verfasser desselben hatte nicht die Befriedigung, seine Ideen ausgefuehrt zu sehen, die vermuthlich dem Ehrgeize der Medici noch nicht genug einraeumten. Lorenzo war so jung gestorben! Papst Leo folgte ihm bald darauf in seinen besten Jahren. Dennoch entstand keine Veraenderung in der Lage des florentinischen Staates. Das Schicksal rief viele Generationen hindurch die einzelnen Haeupter der Medici fruehzeitig ab: der Familie hatte es die Herrschaft von Florenz bestimmt. Seit dem grossen Cosmus war kein bedeutender Medici fuenfzig Jahre alt geworden; aber so oft einer aus diesem Hause den Schauplatz verliess, trat allemal ein anderer wieder auf, freilich mit sehr verschiedenem Masse von Talenten ausgeruestet, und mit abwechselndem Gluecke. Jetzt traf die Reihe den Julius, der zuerst als Cardinal und bald darauf als Papst Clemens der Siebente Haupt der Familie ward. Von ihm hing nunmehr das Schicksal der Republik ab. Eine Partei, die aus den vorzueglichsten jungen Maennern von Florenz bestand, mit denen Macchiavelli in der intimsten Verbindung lebte, und zu deren Belehrung er seine Betrachtungen ueber den Livius geschrieben, die zweien derselben, dem Zanobi Buondelmonti und Cosimo Ruccellai, zugeeignet sind, - dieser Club, der von den Gaerten Ruccellai, wo er sich versammelte, benannt ward, machte Plaene zu einer Herstellung der Republik, die dem Cardinale Giulio vorgelegt wurden. Die Hoffnung, die man auf seine anscheinende Maessigung gebaut hatte, ward vereitelt. Er bewies auch hier die furchtsame verschlossene Falschheit, die sein ganzes Leben charakterisirt. Er hatte nie die Absicht gehegt, zu willfahren, oder er aenderte seine Entschliessung, als er sah, wohin die Plaene, die man ihm angab, fuehren wuerden. Aber der Patriotismus jener Freunde der Freiheit war ernstlich gemeint. Sie machten (1523) Anstalt, ihren Entwurf mit Gewalt auszufuehren, und den Cardinal, der im Wege stand, wegzuraeumen. Die Verschwoerung ward entdeckt. Luigi Alamanni und Jacopo da Diaceto verloren das Leben auf dem Blutgerueste. Zanobi Buondelmonti, ein andrer Ludovico Alamanni, (dem Macchiavelli sein Leben des Castruccio Castracani zugeeignet hat), Batista della Palla, Anton Bruccioli und einige ihrer Anhaenger geringeren Standes wurden verbannt. Macchiavelli war ebenfalls in diese Unternehmung verwickelt: er entfloh.(4) Die Medici fuehlten sich noch nicht stark genug, den republikanischen Geist der Florentiner zu unterdruecken: sie versuchten es, ihn einzuschlaefern, indem sie die letzten Vorfaelle moeglichst geschwind vergessen liessen. Der Cardinal fuerchtete Erbitterung zu erregen, die seinen Absichten auf den paepstlichen Stuhl hinderlich gewesen waere. Als er diesen ein Jahr darauf wirklich bestieg, suchte Macchiavelli sich wieder an ihn anzuschliessen, und erhielt Auftraege von Wichtigkeit, von ihm und von der florentinischen Regierung. Wenige Jahre darauf erlaubten die Umstaende noch einen Versuch zur Wiederherstellung der Republik zu machen. 1527 wurden die Medici aufs Neue vertrieben und die Freiheit proclamirt. Macchiavelli erschien sogleich in seiner Vaterstadt. Allein die Bemuehungen seiner Freunde Zanobi Buondelmonti und Luigi Alamanni, ihn in den Rath von zehn Maennern waehlen zu lassen, dem die Leitung der oeffentlichen Angelegenheiten uebergeben werden sollte, wurden durch die allgemeine Abneigung vereitelt, die das Volk gegen den Rathgeber der Medici und den Verfasser des Buchs vom Fuersten gefasst hatte. Vergeblich suchte er die Schrift zu unterdruecken, welche seine Gesinnungen so verdaechtig machte.(5) Der Verdruss ueber die fehlgeschlagenen Versuche, sich wieder zu heben, hatte vermuthlich Antheil an seinem Tode, der bald darauf erfolgte. Die Republik, die der Enthusiasmus des Volks unter guenstigen Umstaenden errichtet hatte, unterlag nach zwei Jahren der vereinten Macht des Papstes und des Kaisers. Nachdem Clemens der Siebente sie durch Unterstuetzung Karl des Fuenften bezwungen hatte und mit ihr nach Gefallen walten konnte, erneuerten die Freunde des Macchiavelli zum letzten Male ihre Bemuehungen. Sie baten den Papst, neben der ersten Stelle in der Republik, die er seinem angeblichen Neffen Alessandro zuwenden wollte, die Hauptzuege einer republikanischen Verfassung bestehen zu lassen, welche schon Macchiavelli dem Papste Leo X. empfohlen hatte. Das Wesentliche dieses Entwurfs, wodurch die Buerger einen wirklichen Antheil an der Verwaltung des Staats erhalten haetten, verwarf Clemens: den Anschein behielt er anfangs bei, nahm bald aber auch dieses Schattenbild eines Gemeinwesens weg. Alessandro ward 1531 unumschraenkter Herr, und genoss seine Groesse als ein aechtes Kind des Gluecks, das weder durch Talente, noch durch eigne, seien es ruehmliche, seien es ruchlose Unternehmungen, sondern blos durch die Macht eines Andern erhoben war. Mit Dirnen und Buhlknaben, wie Tacitus vom Domitian sagt, spielte er den Fuersten, zog Schmausereien und Maskenbaelle fuerstlichen Beschaeftigungen vor, zu denen es ihm mehr an Lust als an Geschicklichkeit fehlte, und erhielt nach fuenf Jahren von einem Vetter Lorenzino von Medici den Lohn seiner Nichtswuerdigkeit, ohne dass dieser Mord den florentinischen Republikanern zu Gute gekommen waere. Ein andrer Medici, Cosmus, ward 1536 zum Herzoge ausgerufen, und nach einem Siege ueber die republikanische Partei, die sich zum letzten Male unter Anfuehrung des Filippo Strozzi erhob, wirklicher Beherrscher von Florenz. Dieser beruhigte endlich das Volk: er bezaehmte die Widerspenstigen, besaenftigte die Gemuether, laehmte jede gefaehrliche Kraft, schmeichelte dem Talente, beschenkte, versorgte, ehrte Alle, die berechtigte oder unberechtigte Ansprueche machten;(6) und erstickte damit das ganze Geschlecht vorzueglicher Maenner aller Art, wodurch Florenz bis auf seine Zeiten als der hellste Stern in der neuern Geschichte der Cultur des menschlichen Geistes geglaenzt hatte. In die Mitte dieser Periode faellt das Leben des _Macchiavelli_ (von 1469 bis 1527). In der an Talenten, Kuensten und Wissenschaften aller Art reichen Stadt, in einem Volke, das sich durch den lebhaftesten Verstand und die heftigsten Leidenschaften auszeichnete, unter den Stuermen einer unsichern Verfassung und den haeufigen Katastrophen derselben war er selbst unaufhoerlich thaetig. Die Geschaeftswelt hatte ihn gebildet. Der eignen Erfahrung verdankte er es, dass er aus den grossen Schriftstellern des Alterthums mehr lernte, als Andere darin finden. Sie gab seinem Urtheile ueber die fruehere Geschichte und ueber die Ereignisse seiner Zeit die treffende Schaerfe, die man immer mehr bewundert, je mehr man seine Bemerkungen mit dem vergleicht, was seinem Vaterlande nach seinem Tode widerfuhr. Die Verhaeltnisse, in die er verwickelt war, hatten ihm das Innere der Republiken und die Geheimnisse der Fuersten aufgedeckt. Er verstand sich auf die Politik jeder Partei. Man findet ihn aber auch in den entgegengesetztesten Factionen. Er liebte die Verfassung, in der er geboren und so lange Zeit auf die glaenzendste Art thaetig gewesen war. Aber er mochte wol in gewissen Augenblicken daran verzweifeln, eine dauernde Republik in Florenz hergestellt zu sehen. Er zeigt selbst im siebzehnten Kapitel des dritten Buchs seiner "_Discorsi_", dass ein verdorbenes Volk sich schwerlich bei der Freiheit erhalten koenne; und im folgenden Kapitel, dass es eben so schwer sei, die verlorne Freiheit wieder herzustellen. Er sagt es gerade heraus, einem solchen Volke sei es besser, dass sich seine Staatsverfassung der Alleinherrschaft eines Einzigen naehere: und die Anwendung auf sein Vaterland liegt nahe genug! Im Anfange des siebenten Buchs seiner Geschichte bemerkt er, dass die innern Uneinigkeiten das Leben der Republiken ausmachen, und ihre Staerke vermehren, so lange sie nicht in Anhang einzelner Haeupter oder Familien ausarten; sobald aber dieses eintritt, den Staat schwaechen und das Wesen der Republik vernichten. In Florenz, sagt er selbst, waren alle innern Zwistigkeiten von dieser verderblichen Art. _"Daher wissen die Florentiner die Freiheit nicht zu behaupten, und koennen die Knechtschaft nicht ertragen."_ In der That, wenn man die innere Geschichte von Florenz ueberdenkt, deren letzte Katastrophen oben angegeben sind, so findet man, dass die Republik in den schlechten Zeiten nur elende Anarchie, in den besseren maskirte Monarchie gewesen war. Von der fruehern Zeit sagt Macchiavelli im Anfange des dritten Buchs seiner Geschichte: "Die innern Uneinigkeiten, welche in Rom Wetteifer und Streit erregten, sind in Florenz sehr fruehe in Factionen und innern Krieg ausgeartet. In Rom veranlassten sie neue Gesetze, um abzuhelfen: in Florenz endigten sie stets mit Mord und Verbannung angesehener Buerger. In Rom dienten sie dazu, dass einzelne grosse Haeupter sich erhoben. In Florenz haben sie Alles gleich gemacht. In Rom wollte das Volk der groessten Ehren gleich dem Adel theilhaft werden. In Florenz wollte es ausschliesslich herrschen. Die neuen erzwungenen Gesetze waren daher ungerecht gegen den Adel. In Rom wurden die Niedriggebornen immer edler und faehiger, die Stellen zu bekleiden, nach denen sie strebten. Durch ihre zunehmende Kraft und Talente ward der Staat gross. In Florenz wurden die Edlen aus den oeffentlichen Aemtern vertrieben, und mussten dem niedrigen Volke gleich werden, um zu jenen zu gelangen. Die edeln Eigenschaften, wodurch die Maenner aus dem Volke in Rom den Edelgebornen gleich zu werden trachteten, wurden in Florenz auch im Adel ausgeloescht. So ward der Staat immer niedriger und veraechtlicher. So wie Rom durch den Uebermuth der Buerger dahin gerieth, dass es nicht mehr ohne einen Herrn bestehen konnte, so kam es mit Florenz dahin, dass jede Verfassung durch eine geschickte Hand aufgedrungen werden konnte." Die alten Zwistigkeiten des Adels mit dem Volke, von denen Macchiavelli hier redet, endigten um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts mit der Tyrannei des Herzogs von Athen,(7) der den Florentinern durch neapolitanische Waffen aufgedrungen ward. Aber nach der Vertreibung desselben theilte sich das Volk aufs Neue in Factionen der Buerger und des gemeinen Poebels, welche abermals den Staat zerrissen, bis die Familie Medici im fuenfzehnten Jahrhunderte maechtig genug ward, ihm Festigkeit und innere Ruhe zu geben, die jedoch von Zeit zu Zeit durch gewaltsame Katastrophen unterbrochen ward. Als dieser Zustand 1492 mit dem Tode des Lorenzo von Medici endigte, und das ganze Geschlecht desselben vertrieben ward, lebte der demokratische Geist wieder auf. Aber in einem Staate, in dem man so wenig Buergergeist, dafuer desto mehr Parteiwuth kannte, war es nicht moeglich, einen dauerhaften Zustand zu begruenden. Die Familie der Medici, welche sechzig Jahre lang (von 1432 bis 1492) mit so grossem eignen Ruhme ihr Vaterland zu Groesse, Ehre und Ruhm gefuehrt, und innerlich einigermassen ruhig gehalten hatte, konnte dies nur dadurch bewirken, dass sie den Staat durch eine Partei regierte, die sich hinter republikanische Formen versteckte, ohne dem Volke wahren Antheil an der Verwaltung zu verstatten. Sie hatte bestaendig, wie man sich in unsern Tagen ausdruecken wuerde, eine Art von revolutionaerer Regierung gefuehrt. Sie behaupteten naemlich, wie Macchiavelli ihnen vorwirft, dass Florenz nicht anders regiert werden koenne, als durch eine von fuenf zu fuenf Jahren zu wiederholende ausserordentliche Massregel, ("_Ripigliar lo Stato_" genannt), wodurch die gefaehrlichen Buerger willkuerlich aus der Stadt oder von oeffentlichen Aemtern entfernt, diese aber eben so willkuerlich mit Hintansetzung aller vorgeschriebenen Formen besetzt wurden: das heisst, sagt Macchiavelli, alle fuenf Jahre den Schrecken und die Furcht erneuern, wodurch das erste Mal diejenigen Menschen in die Flucht geschlagen waren, welche, mit den Medici zu reden, _schlecht_ gehandelt hatten. Wahrlich, eine schoene Republik, in welcher die Formen, Gleichheit und Theilnehmung so vieler Buerger an den oeffentlichen Angelegenheiten vorspiegeln, in der That aber Eine Familie unumschraenkter herrscht, als ein Fuerst nur immer koennte; wo diese Familie um desto eifersuechtiger Alle entfernt, deren Ansprueche sie fuerchtet, weil sie das oeffentlich anerkannte Recht allezeit gegen sich hat! Cosmus ist ein grosser Mann, Lorenzo ein noch groesserer Mann gewesen. Aber ist der Staat frei zu nennen, wo solche Maenner ausschliesslich regieren, und die andern alten Geschlechter angesehener reicher Buerger, in der Verzweiflung ihr Recht nicht durchsetzen zu koennen, zu verraeterischen Anschlaegen ihre Zuflucht nehmen?(8) Wo die Soderini sich herablassen muessen, Clienten zu werden, und den Pazzi, unterdrueckten Nebenbuhlern, nur Meuchelmord uebrig bleibt, um sich Luft zu machen: wo daher selbst ein Mann wie Lorenzo von Medici seines Lebens nicht sicher ist! So dachte Macchiavelli ueber die Verfassung seines Vaterlandes vor dem Exile der Medici: das beweist der ganze Ton aller seiner Schriften, in denen er von den grossen Maennern aus jenem Hause stets mit Lobe redet, ihre Nebenbuhler und die Verschwoerungen gegen sie nie tadelt. Nach der Vertreibung dieser herrschenden Partei, 1494, war zwar eine republikanische Verfassung hergestellt, allein es hatte weder der demokratische Fanatiker Savonarola, den das Volk eine Zeit lang als einen Propheten verehrte, und als er einige Prophezeiungen vorbrachte, die nicht gefielen, mit Jubel verbrennen sah; noch der redliche Freund republikanischer Gleichheit und allgemeiner Gerechtigkeit, Piero Soderini, der einige Jahre als Gonfaloniere vergebliche Bemuehungen anwandte, die Verfassung zu befestigen, etwas Dauerndes zu Stande bringen koennen. Dem Letzten wirft Macchiavelli vor, dass er sich die eitle Hoffnung gemacht, allen gaehrenden Stoff im Staate durch Geduld und Guete zu beruhigen, die Feindschaften mit Wohlthaten auszuloeschen, und die Republik dadurch zu befestigen, dass er selbst das Beispiel gab, die Gesetze nie zu uebertreten. Ein solcher Charakter kann nicht verfehlen, die allgemeinste Hochachtung zu erregen: er wird sogar von den Feinden der oeffentlichen Ruhe gepriesen, - von diesen aber eigentlich, weil seine Tugenden ihnen selbst ihr Spiel erleichtern. Etwas kraeftiger noch drueckte Macchiavelli sein Urtheil in einem Sinngedichte aus, das er in einer launigen Stunde auf seinen demokratischen Freund und Goenner machte. "In der Nacht, da Piero Soderini starb, fuhr die arme Seele zur Hoelle hinab. Thoerichter Geist, rief Pluto ihr entgegen, was willst du in der Hoelle? Geh du zum unschuldigen Kinderteich!" Macchiavelli behauptet, und das wol nicht mit Unrecht, dass Soderini eine ausserordentliche Gewalt haette anwenden muessen, um sich in den Stand zu setzen, fuer die Zukunft eine Herrschaft der Gesetze zu gruenden. "Wenn in einem verdorbenen Zustande der Dinge noch etwas zu hoffen ist," sagt er, "so ist es von einem maechtigen Manne, der sich vorlaeufig zum Herrn aufwirft, um eine freie Verfassung vorzuschreiben. Auf andere Art ist es unmoeglich." Wer die Eigenschaften besitzt, wodurch man sich zur Herrschaft emporschwingt, der wird sich freilich nicht dazu verstehen, einen solchen Gebrauch von ihr zu machen: und das wusste Macchiavelli selbst sehr gut. Indessen koennte er dennoch wol einen Plan entworfen haben, durch einen Andern und auf andere Art auszufuehren, was damals fehlgeschlagen war. Den, der geboren ist zu handeln, kann sein eignes treffendes Urtheil, die vollkommenste Kenntniss der Welt, die lebendigste Ueberzeugung, dass nichts mehr auszurichten stehe, nicht abhalten, Versuche zu machen, die ihm selbst vergeblich scheinen. Er sieht ein, dass es besser waere, alle Plaene aufzugeben, wenn die Werkzeuge zu ihrer Ausfuehrung nichts taugen. Er verspottet vielleicht die eitle Hoffnung derer, die es unternehmen, mit schwachen thoerichten Menschen Dinge auszurichten, wozu Kraft, Verstand, Beharrlichkeit noethig sind. Und in demselben Augenblicke entwirft er selbst wieder Plaene, die Verstand, Muth, Beharrlichkeit erfordern: weil der Mann von kraeftigem Verstande immerfort unwillkuerlich solche Entwuerfe gebiert, wie ein tuechtiger Baum gute Fruechte traegt. Das ist nicht poetische Schwaermerei. Es gibt solche Menschen, und die groessten Dinge geschehen durch solche, die sich nicht lange besinnen, ob ein edler Entwurf ausfuehrbar sei; die nicht warten zu beginnen, bis der Zufall und andre Menschen das Beste gethan haben; sondern die im Vertrauen auf die gute Sache wagen, und hoffen, die Umstaende werden ihnen zu Hilfe kommen. Diese finden denn auch oft unerwartete Unterstuetzung: denn sie selbst beleben Andere, und wecken Kraefte, deren Dasein man nicht ahnte, weil sie ohne solchen Antrieb nie erwacht waeren. Auf Macchiavelli moechte dies Alles freilich nicht recht anwendbar sein. Der dachte immer zunaechst daran, was ausgefuehrt werden koennte. Wenn es nun aber durchaus unmoeglich war, die Verfassung aufrecht zu halten, auf die sich alle Entwuerfe in gluecklichen Zeiten bezogen, und die Nothwendigkeit einleuchtete, sich neuen Verhaeltnissen zu unterwerfen, so konnte auch wol ein redlicher Freund der buergerlichen Gleichheit dahin gebracht werden, ihr nicht blos zu entsagen, sondern selbst Hand anzulegen, etwas Ertraegliches zu schaffen, um nicht das Unertraegliche unthaetig zu leiden. So haben auch in Florenz spaeterhin, als das Schicksal durch den Untergang des Filippo Strozzi die letzten Auswege zur Herstellung der Republik versperrt hatte; als Alles, was sich auf das Alte bezog, Entwuerfe des Staatsmannes und Verpflichtungen des Buergers, gleich Traeumen verschwanden; als nichts mehr existirte, worauf eine Hoffnung gegruendet werden konnte, und die neuen Verhaeltnisse unter der schnell entwickelten Uebermacht Karls des Fuenften es durchaus erforderten, dass Florenz einen Herrn erhalte, der sich des maechtigen kaiserlichen Schutzes sicher halten konnte, die geistvollsten und angesehensten Maenner der Republik den Herzoegen gehuldigt. Unter allen diesen Umstaenden, aber auch nur unter solchen, konnten Maenner von Ehre zu der neuen herrschenden Partei uebertreten. Macchiavelli that diesen Schritt sehr frueh, und wie es sich bald zeigte, voreilig. Es war zwar schon zu seiner Zeit Manches geschehen, das eine innere grosse Veraenderung in Italien nothwendig nach sich ziehen musste. Franzosen, Spanier, Deutsche kaempften um den Besitz dieses schoenen Landes. Durch innere Uneinigkeit war es dahin gekommen, dass es schien, die Frage koenne nur sein, welche auswaertige Macht Herr werden solle. Das Volk hasste alle diese Fremden in dem Grade, wie die suedlichen Voelker hassen, und wie der Unwille unterdrueckter und misshandelter Voelker hasst. Aber wie konnten die Italiener die Unabhaengigkeit wieder erlangen, die fuer jedes Volk, das eigenthuemliche Denkart, Sitten, Sprache, Gesetze und Verfassung hat, das hoechste Gut, und die Bedingung aller Glueckseligkeit ausmacht? Dazu mussten die gesammten Kraefte der Nation in Verbindung gebracht werden, und eine einzige Richtung erhalten. Dies konnte im damaligen Augenblicke schwerlich durch einen Andern geschehen, als durch einen Medici. Wenn denn Italien der Herrschaft der Barbaren auf keine andere Art entrissen werden kann, und er das Vaterland nicht anders erloesen will, als wenn Florenz sich unterwirft, - nun so herrsche Lorenzo ueber Florenz und ueber Italien. Wenn er das Land befreit haben wird, so moegen sich die Florentiner selbst wieder von ihren Tyrannen befreien und die Republik herstellen, - wenn sie koennen. So mag Macchiavelli gedacht haben, als er dem Lorenzo den Weg zeigte, zur Herrschaft zu gelangen: damit mag mancher Italiener einverstanden gewesen sein. Eine solche Entsagung konnte ihm lange nicht so viel kosten, als andern Anhaengern der Republik. Seine Liebe zu ihr war ernstlich: aber sie beruhte nicht auf dem tiefen Gefuehle des Buergers, dem Gleichheit das erste Gut ist, und der Alles lieber duldet, als Jemanden ueber sich zu sehen. Sie entsprang nicht aus unerschuetterlicher Anhaenglichkeit an vaeterliche Sitte und ererbte Verhaeltnisse. Das Nachdenken ueber vergangene Zeiten und Beobachtung der neuen hatte ihn gelehrt, dass in republikanischen Staaten die Leidenschaften geistvoller Maenner den groessten Spielraum erhalten. Aus diesem Gesichtspunkte beurtheilt er in seinen "Discursen ueber den Livius" die roemische Republik. An der Erhaltung des Bestehenden lag ihm wenig. Ihm kam es nur darauf an, seinen Trieb zu unruhiger Thaetigkeit zu befriedigen. Fand in seinem Vaterlande die Verfassung nicht mehr statt, die er selbst vorgezogen haette, so ergriff der von Catonischem Eigensinne weit entfernte praktische Geist, dem auf aecht Italienisch "virtu" nur Thatkraft und Verstand sie zu leiten bedeutete, mit eben der Lebhaftigkeit die Idee, die den neuen Umstaenden und den Gesinnungen der Maechtigen angemessen war, und liess sie eben so geschwind wieder fahren. Macchiavelli hat nicht etwa in einer grossen Katastrophe seine Grundsaetze veraendert und ist zu einer Gegenpartei _einmal_ uebergetreten: sondern er hat sich bald der einen, bald der andern ergeben, und nur darauf gedacht, fuer den Augenblick den Entschluss zu fassen, der ihm der kluegste duenkte, weil er in den Verhaeltnissen des Tages der ausfuehrbarste schien. Er hielt es damals fuer unvermeidlich, dass Florenz sich unterwerfe: so gab er dem Lorenzo Rathschlaege, um ihm die Herrschaft zuzuwenden, damit Er es sei, dem der neue Fuerst sie, wenigstens zum Theil, verdanke. Wer das wollte, durfte nicht vielen Bedenklichkeiten ueber die Wahl der Mittel Gehoer geben: und Alles, was in der Zeit vorging, haette auch wol einen Mann von strengerer Sittlichkeit, als Macchiavelli, verleiten koennen, sich ueber das Gefuehl der Menschlichkeit, die gewissenhafte Redlichkeit und die Scheu vor moralischen Geboten wegzusetzen, um einen grossen Plan zum Besten des Volks auszufuehren. Auch ein solcher haette wol sagen koennen: es muss einmal regiert werden, damit das Volk der Erfuellung seiner eignen Wuensche theilhaft und gluecklich werden koenne; welches Letztere wieder in Macchiavelli's und seiner Zeitgenossen Sinne nichts Anderes heisst, als politische Leidenschaften befriedigen. Da sich aber die Voelker nicht demjenigen unterwerfen, der durch sittliche Vorzuege ueber sie hervorragt, und durch diese verdiente zu regieren, so moege denn derjenige, der zu herrschen versteht und die Herrschaft zu ergreifen vermag, sich derselben auf jedem Wege bemaechtigen, auf dem man zu ihr gelangt. Die Geschichte der Zeit enthaelt nichts als Mord, Treulosigkeit, Verraetherei, Gewaltthaetigkeit durch gedungene Streiter. Was zur Herrschaft fuehrt, ist gut: so der allgemeine Wahlspruch. Jeder erlaubte sich Alles, was den Weg dazu bahnen konnte: Alle aber verfehlten ihren Zweck, weil sie nicht Einsicht genug hatten, die rechten Mittel zu waehlen, und weil es ihnen in der gefaehrlichen Unternehmung an der Selbstbeherrschung fehlte, die dem Maechtigen so schwer wird, und doch so noethig ist, zu verfolgen. So ging jeder Gewalthaber zu Grunde, die ganze Nation ward eine Beute fremder Eroberer. Macchiavelli sah, dass der neue Herzog von Urbino denselben Weg betreten wuerde, auf dem so Viele vor ihm verunglueckt waren. Wenn denn Niemand Anstand nimmt, Verbrechen zu begehen, wodurch er zur Herrschaft zu gelangen hofft, so begeht, ruft Macchiavelli dem zu, der danach strebt, so begeht Eure Unthaten doch nur so, dass sie auch wirklich zum Zwecke fuehren. Die Lehren, welche Macchiavelli hierzu ertheilt, haben den eigenthuemlichen Charakter, der Alles auszeichnet, was aus dem wirklichen Leben geschoepft ist. Sie sind nicht blosse Erzeugnisse des Nachdenkens, Resultate allgemeiner Beobachtungen. Sie haben die ergreifende Wahrheit der Gemaelde, dergleichen das ueberlegenste Talent nicht hervorbringt, ohne durch wirkliche Anschauung belebt zu sein. Man hatte in Italien oft genug gewaltige Menschen auftreten sehen, die sich in dem leidenschaftlichen Streben nach der Herrschaft ueber jede Beschraenkung durch Gesetz, sittliches Gefuehl und menschliche Empfindung gaenzlich wegsetzten. Aber keiner von ihnen hatte das Mass des Verstandes besessen, ohne den die Immoralitaet sich selbst zu Grunde richtet. In Caesar Borgia, mit dem Macchiavelli durch Verhandlungen ueber die Angelegenheiten seines Vaterlandes in genaue Verbindung gerathen war, glaubte er das vollendete Ideal eines Mannes zu erkennen, der das wirklich leisten koennte, wonach so Viele vergeblich gestrebt hatten. Von dieser Vorstellung war er ergriffen. Alles, was er ueber die Gesinnungen und Talente geschrieben hat, die zur Befriedigung der Herrschsucht fuehren koennen, ist durch das Bild von jenem Unholde, der durch die Schaerfe des Verstandes und Entschlossenheit des Geistes andern eben so schlechten Menschen so sehr ueberlegen war, beseelt. Lorenzo von Medici war nicht der Mann, etwas Aehnliches zu leisten. Er konnte wol durch den Einfluss seines Oheims, des Papstes Leo, Herzog von Urbino werden, aber nicht Herr von Florenz, noch weniger Haupt eines italienischen Bundes. Hat Macchiavelli ihn nicht genug gekannt? Oder hat er ihm den Rath, sich zur Herrschaft emporzuschwingen, vielleicht so gegeben, wie er selbst im dritten Buche seiner Discurse im fuenfunddreissigsten Kapitel sagt, dass man den Grossen rathen muesse? "Diejenigen," heisst es hier, "welche einer Republik oder auch einem Fuersten rathen, kommen in ein Gedraenge, indem sie ihre Pflicht verletzen, wenn sie nicht ohne alle andere Ruecksicht den Rath ertheilen, der ihnen fuer den Staat oder den Fuersten der nuetzlichste scheint; so oft sie aber wirklich solche Rathschlaege angeben, Gefahr laufen, das Leben oder doch ihre Stelle zu verlieren: weil alle Menschen doch darin blind sind, dass sie jeden guten oder schlechten Anschlag nur nach dem Ausgange beurteilen. Ich sehe keinen andern Ausweg, als seine Meinung ohne Leidenschaft und mit Maessigung vorzutragen, so dass der Fuerst, wenn er sie befolgt, seinen eignen Willen zu thun glaube, und dass er nicht vom Rathgeber mit Ungestuem verleitet zu werden scheine. Wenn du auf diese Art deinen Rath ertheilt hast, so ist es nicht wahrscheinlich, dass Volk oder Fuerst dir uebel wollen werden, da dein Rath nicht gegen den Willen Andrer durchgesetzt worden. Die Gefahr entsteht, wenn Viele widersprechen, die, wenn die Sache uebel ausfaellt, sich vereinigen, den Rathgeber zu stuerzen. Bei jenem Verfahren geht freilich der Ruhm verloren, der einzuernten ist, wenn man Rathschlaege gegen den Willen Vieler durchsetzt, und die Sache gut ausfaellt: aber dagegen entstehen zwei Vortheile. Erstens wird die Gefahr vermieden, und zweitens kannst du grosse Ehre einlegen, wenn du einen Rath mit Maessigung ertheilst, derselbe nicht befolgt wird wegen des erhobenen Widerspruchs und der Rathschlaege Andrer, und alsdann grosses Ungemach entsteht." Hat Macchiavelli vielleicht seine Anschlaege, zur Herrschaft zu gelangen, dem Lorenzo von Medici in diesem Sinne gegeben? Hatte derselbe Verstand genug, sie ganz zu fassen, Urtheil genug, sie richtig anzuwenden, Dreistigkeit und Beharrlichkeit, sie auszuueben - gelang Alles: gut, so verdankte er seine Groesse dem Unterrichte, und der Rathgeber konnte auf alle Belohnungen Anspruch machen, die einen solchen Dienst bekroenen. Fehlte es in irgend einem Stuecke, so fiel Lorenzo durch seine eigne Schuld. Er hatte nicht recht begriffen, nicht recht angewandt, oder die Ausfuehrung war unvollkommen gewesen. Warum unternahm er ein so schweres Werk, dem er nicht gewachsen war, und dessen ganze Schwierigkeit Macchiavelli ihm selbst so lebendig vor Augen gestellt hatte? Diesem blieb alsdann immer noch uebrig es zu machen, wie der Graf von Shaftesbury, der dem Koenige Karl dem Zweiten Rathschlaege gab, die die Freiheit der englischen Nation untergruben, und darauf selbst diesen uebermuethigen, leichtsinnigen und dennoch hinterlistigen Fuersten, da er seine Sache verdorben hatte, im Parlamente wegen jener Verraethereien gegen die Nation anklagte. Warum haette Macchiavelli Bedenken tragen sollen, selbst mit einem Fuersten eben so umzugehen, wie er diesen lehrt, andre Menschen zu behandeln, die ihm zu Werkzeugen dienen? Wir haben keinen Timoleon vor uns, keinen Junius Brutus, keinen Hampden, keinen Wilhelm Tell: sondern den verschmitzten Unterhaendler am franzoesischen Hofe, Freund des Tyrannen von Siena, Verehrer des Koenigs aller Teufel seiner Zeit, des Caesar Borgia. Der Staatsmann muss auch mit solchen Menschen umzugehen wissen. Er muss sich darauf verstehen, sie zu behandeln; er muss seine Gefuehle in sich verschliessen koennen, um unvermeidliche Verhaeltnisse mit ihnen zu benutzen, oder doch unschaedlich zu machen. Aber das unaufhoerliche Treiben in solchen Verbindungen ist stets gefaehrlich. Es ist sehr schwer, dabei sein eignes Gemueth unbefleckt zu erhalten. Die Gewohnheit, seine Empfindungen zu verlaeugnen, stumpft sie ab. Man vergisst am Ende die natuerlichsten Gesichtspunkte, die einfachsten Wahrheiten, und wird durch die Kunstgriffe seines eignen Verstandes aus seinem wahren Charakter herausgeworfen: man weiss selbst nicht, wie. Ein Werk, wie das Buch vom Fuersten, einem grossen Herrn vorzulegen, und es von sich bekannt werden zu lassen, dass man solche Rathschlaege gebe, war ein gewagtes Stueck. Aber Macchiavelli ueberliess sich der politischen Intrigue mit vollkommner Zuversicht zu sich selbst. Er glaubte damit spielen zu koennen, weil er sich auf seine Kraft des Verstandes, die Sicherheit seines Urtheils und seine dreiste Entschlossenheit verliess. Wie manche Menschen, denen Niemand diese Vorzuege zugestehen wird, moechten ihm dennoch gern nachahmen! Alle, die sich ihn zum Muster nehmen und mit einer Geschmeidigkeit des Verstandes, die sie macchiavellisch nennen, die Schwaeche ihres Charakters, ihre Eitelkeit, ihren Leichtsinn zu beschoenigen suchen, moegen sich zur Warnung dienen lassen, was ihrem angeblichen Vorbilde begegnete, als der Tod des Herzogs von Urbino Gelegenheit zu neuen Versuchen fuer die Herstellung der Republik gab, und einer derselben endlich gelang. Welchen haesslichen Contrast damit bildete das Buch vom Fuersten! Der Verfasser haette das Meisterstueck seiner Feder gern unterdrueckt: aber es hatte sogleich, nachdem er es aus den Haenden gegeben, zu viele Bewundrer gefunden: so verlor er den endlichen Lohn so vieler gefahrvoller und mit schwerem Leiden verbitterter Unternehmungen, weil er nicht, einer Partei standhaft ergeben, mit Beharrlichkeit hatte erwarten moegen, ob das Schicksal ihr vergoennen wuerde, das Haupt wieder zu erheben. Wer unter allen Umstaenden etwas bedeuten will, jedem Herrn und zu jedem Zwecke dient, nur damit Er etwas gelte, verfehlt das Ziel, nach dem er mit allzu grosser Begierde sich uebereilt. Aller Aufwand von Verstand und Talenten ist unzureichend, um eine wirklich grosse Rolle zu spielen: dazu gehoert ein grosser Charakter. Durch die allzu rege unruhige Eitelkeit wird das schaerfste Urtheil irre gemacht, und die Dreistigkeit im Denken ist oft nur eine Versuchung mehr, sich verderblichen Anschlaegen zu ueberlassen. Ueberhaupt hat derjenige, der mit besonnener Maessigung nach dem Besitze aeusserer Gueter strebt, weit mehr Wahrscheinlichkeit sie zu erhalten, als der, dem sie um keinen Preis zu theuer sind, und der sie unter jeder Bedingung besitzen will. Der Eigensinn der rastlosen Begierde erregt gemeiniglich selbst unueberwindliche Schwierigkeiten. Sogar die oeffentliche Achtung, welche den Gegenstand des edelsten Triebes ausmacht, darf nicht allzu begierig gesucht werden. Sie ist von der freien Gesinnung der Menschen, mithin auch von ihrer Laune abhaengig. Sie laesst sich nicht abbringen, folgt aber freiwillig dem, der sie verdient, ohne sie zu begehren. Bemerken die Menschen, dass man sich aengstlich um ihren Beifall bemueht, so widerstrebt ihre Selbstsucht. Der Neid versteckt sich hinter dem Vorwand, es sei nur auf die Befriedigung des Ehrgeizes und der Herrschsucht abgesehen. Wer sich aber nicht in seinen Bemuehungen fuer Zwecke, die den Beifall der Menschen verdienen, durch die Begierde nach dem Genusse dieses aeussern Lohns irre machen laesst, und niemals seinem eignen Bewusstsein die fremde Bewunderung vorzieht, dem wird auch diese letzte nicht entgehen. Wenn man das Buch vom Fuersten richtig schaetzen will, so muss man nicht vergessen, dass der Verfasser nirgends in der Geschichte als Hauptperson erscheint, sondern immer nur eine untergeordnete Rolle spielt. Es ruehrt von einem trefflichen Beobachter her, der in die handelnde Welt mit eingegriffen hatte, sich aber nicht berufen fuehlte, seine Lehren selbst in Ausuebung zu bringen. Die Schriften solcher Maenner, welche die Grundsaetze, die sie aufstellen, aus ihren eignen Handlungen nehmen, haben einen ganz andern Charakter. Vielleicht ist mehr Wahrheit in den Erzaehlungen einfacher Beobachter; denn es hat doch schwerlich jemals ein Mann, der grosse Dinge geleistet hatte, von sich selbst geschrieben, ohne dass sein Wunsch, der Welt etwas anders zu erscheinen als in seinem eignen Bewusstsein, einigen Einfluss auf seine Darstellung gehabt haette. Aber dagegen sprechen die Empfindungen mit mehr Lebendigkeit in den Werken derer, die von eignen Handlungen reden. Es ist doch etwas Andres, zu sagen, was man selbst gethan, oder in allem Ernste bereit ist zu thun; oder Plaene anzugeben, die Andre ausfuehren sollen. Bei diesen Spielen des Verstandes setzt man sich ueber Alles weg: sobald man aber selbst handeln soll, erscheinen die Dinge ganz anders, und alsdann lassen die Einwendungen des Gewissens sich nicht so abweisen. Es ist noch immer die Frage: ob Macchiavelli, wenngleich er nach den Aussagen von Schriftstellern, die ihm nicht aus politischen Gruenden abgeneigt waren, im Privatleben ein "schlechter Mensch" gewesen sein soll, das Alles haette thun moegen, was er, der wohl wusste, dass er nicht Fuerst werden wuerde, demjenigen rieth, der danach strebte. Es gibt Menschen, bei denen alle Kraefte in den Kopf treiben; die mit der durchdringendsten Schaerfe des Verstandes Alles durchschauen und zu jedem moeglichen Zwecke die Mittel auf das Treffendste anzugeben wissen: die aber in der Beurtheilung der Zwecke von ihrer eignen Einbildungskraft oder von Vorspiegelungen Anderer leicht irre gefuehrt werden. Solche Maenner sind recht gemacht, als Rathgeber zu glaenzen. Man hoert sie gern, weil sie nichts gegen die Absichten einwenden, die die Neigung einfloesst und sich so gut darauf verstehen, diese Zwecke zu erreichen. Aber sie sind gefaehrliche Rathgeber. Denn weil die Zweckmaessigkeit aller Mittel sie weit mehr interessirt, als die Beschaffenheit der Zwecke selbst, so ueberlassen sie sich dreist allen Combinationen des Witzes; und das um so viel mehr, wenn sie nicht selbst ausfuehren sollen, was sie ausgedacht haben. Man findet daher auch bei ihnen mit dem bewunderungswuerdigsten Verstande eine Versatilitaet in den Grundsaetzen und Absichten, die unbegreiflich scheint, bis man bemerkt, dass es nicht die Sachen selbst sind, an denen sie Freude finden; dass es in einem wie im andern Falle nur das Spiel des Verstandes ist, das sie interessirte. Ist vollends das Talent des Redners oder Schriftstellers mit jenen Vorzuegen verbunden, so werden leicht die edelsten Gesinnungen und groessten Ideen nur als Mittel angesehen, Plaene des Augenblicks auszufuehren, und nach der Wirkung, die der Ausdruck derselben auf den Zuhoerer oder Leser macht, geschaetzt. Der Umstand, dass Macchiavelli einen grossen Theil der Achtung seiner Zeitgenossen seinen schriftstellerischen Talenten verdankte, ist sehr wichtig. Wenn aus dem Bisherigen klar wird, wie er ein solches Buch hat schreiben koennen, so ist noch etwas Unbegreifliches darin, dass er es bekannt gemacht hat. Derjenige, dem der Rath gegeben wird, sein Wort zu brechen, und der es eingesteht, dass er diesen Rath befolgen wird, kann sich schwerlich versprechen, Glauben zu finden. Das Buch vom Fuersten ist voll solcher Anschlaege, die vereitelt sind, sobald sie bekannt werden. Aber Macchiavelli konnte sich nicht enthalten, das Lieblingskind seines Geistes, das Meisterstueck seines Scharfsinns und seiner unvergleichlichen Feder, zur Bewunderung aufzustellen; und es war der allgemeinen Denkart der Grossen so angemessen, dass selbst diejenigen, fuer die es zunaechst bestimmt war, kein Arg daraus hatten, es koenne ihnen schaden. Es ging also aus einer Hand in die andere. Gedruckt ward es indessen erst nach des Verfassers Tode.(9) Papst Clemens der Siebente, ein Medici, naher Verwandter des Lorenzo, dem es zugeeignet ist, verstattete unbedenklich die oeffentliche Bekanntmachung durch den Druck; und eben dies beweist sehr deutlich, wie sehr die darin herrschende Gesinnung mit der allgemeinen Denkart der Nation uebereinstimmte. Eben so hat Gregor der Dreizehnte kein Arg daraus gehabt, was seine Billigung der Pariser Bluthochzeit fuer eine Wirkung in der christlichen Welt thun wuerde. In beiden Faellen sah der paepstliche Hof, der nie zurueckgeht, sich durch die allgemeine Stimme genoethigt, einen oeffentlichen Schritt zu thun, um das Aergerniss zu heben. Als das Geschrei ueber Macchiavelli's Fuersten laut wurde, verdammte Paul der Vierte das Buch 1559. Der Scandal dauerte fort, und ward so arg, dass 1592 einem Enkel des Verfassers, dem Niccolo Macchiavelli, in Gemeinschaft mit einem Neffen desselben, Giuliano de' Ricci, der Auftrag gegeben ward, das Tadelnswuerdige aus dem Werke wegzuschaffen. Da aber Niemand Interesse daran hatte, sie zu einer Arbeit anzutreiben, deren Absicht durch die Ankuendigung schon erreicht war, so unterblieb sie, und das Buch ward bis heute unzaehlige Male unveraendert so aufgelegt, wie es hier folgt. DAS BUCH VOM FUeRSTEN. *Zueignung* an den Grossmaechtigen _Lorenzo_, Sohn des Piero, _von Medici_.(10) Diejenigen, welche die Gunst eines Fuersten zu erwerben trachten, pflegen sich ihm mit dem zu naehern, was ihnen unter Allem, das sie besitzen, das Liebste ist, oder ihm am meisten zu gefallen scheint: daher ihm so oft Pferde, Waffen, Teppiche, Edelsteine und andre Zierrathen ueberreicht werden, die seiner Groesse wuerdig scheinen. Indem ich mich Euch, grossmaechtiger Herr, mit einem Beweise meiner unterthaenigen Ergebenheit zu nahen wuensche, finde ich nichts in meinem Vorrathe, was mir werther waere, oder ich hoeher schaetzte, als die Kenntniss der Handlungen grosser Maenner, die ich durch lange Erfahrung der neuern Zeit und unablaessiges Lesen der Alten erworben. Diese habe ich mit grossem Fleisse lange durchdacht und geprueft, und jetzt in ein kleines Buch zusammengefasst, welches ich Euch ueberreiche, grossmaechtiger Herr. Und obgleich ich einsehe, dass es nicht werth sei, vor Euch gebracht zu werden, so hoffe ich doch von Eurer freundlichen Gemuethsart, es werde gut aufgenommen werden, in Anbetracht, dass ich kein groesseres Geschenk zu geben vermag, als dieses, welches in den Stand setzt, in so kurzer Zeit Alles einzusehen, was ich in vielen Jahren, mit so vielen Gefahren und Muehseligkeiten erlernt und begriffen habe. Dieses Werk ist von mir nicht geschmueckt, noch mit vielem Wortgepraenge oder anderer Schminke und aeusserer Zierde aufgeputzt, wie viele Andre ihre Werke zu schreiben und zu schmuecken pflegen: weil ich wollte, dass die Sache selbst sich ehre und die Wahrheit des Inhalts und der Ernst der Ausfuehrung allein das Buch empfehle. Es werde mir aber nicht als eine Anmassung ausgelegt, dass ich, ein Mann von geringem Stande, es wage, ueber die Handlungen der Grossen zu urtheilen, und mich erdreiste sie zurecht zu weisen. Denn so wie diejenigen, welche Landschaften aufnehmen, in die Ebene herabsteigen, um die Gestalt der Berge und Hoehen zu betrachten, und auf die Berge steigen, um die Thaeler zu beobachten, so erkennen zwar die Grossen am besten die Natur des Volkes; um aber die Fuersten zu kennen, muss man aus dem Volke sein. Nehmt daher, grossmaechtiger Herr, dieses kleine Geschenk, in der Gesinnung, mit welcher ich es ueberreiche. Ihr werdet darin einen brennenden Wunsch sehen, dass Ihr zu der Groesse gelangt, zu welcher Euch die Gluecksumstaende und andre Eigenschaften bestimmt haben. Wenn Eure Hoheit aber von Eurem erhabnen Standpunkte auf die niedern Orte herabsieht, in denen ich mich befinde, so werdet Ihr erkennen, mit welchem Unrechte ich ein anhaltendes widriges Schicksal ertragen muss. 1. Verschiedene Arten der Herrschaft, und Wege, zu ihr zu gelangen. Alle Staaten und Gewalten, welche Herrschaft ueber die Menschen gehabt haben und noch haben, sind Republiken oder Fuerstenthuemer. Diese sind entweder ererbt, indem sie von dem Geschlechte des Herrschers schon lange regiert worden sind; oder sie sind neu errichtet. Die neuen sind entweder von Grund aus neu, so wie die Herrschaft des Franz Sforza zu Mailand; oder sie sind nur als Theile dem erblichen Staate dessen, der das Land erwirbt, hinzugefuegt, wie z. B. das Koenigreich Neapel dem Koenige von Spanien gehoert. Solche neu erworbene Staaten sind entweder schon frueher an die Herrschaft gewoehnt gewesen, oder die Freiheit ist in ihnen hergebracht. Sie werden erworben: durch fremde Gewalt, oder durch eigne Kraefte; durch Glueck, oder durch Tapferkeit. 2. Von den erblichen Fuerstenthuemern. Von Republiken will ich nicht reden, weil dies von mir bereits in einem andern Werke ausfuehrlich geschehen ist. Ich wende mich zur Alleinherrschaft, und werde nach der oben angegebenen Ordnung eroertern, wie solche erworben und behauptet werden kann. Ich sage also, dass in den erblichen Fuerstenthuemern, die an die Dynastie ihrer Herren gewoehnt sind, viel weniger Schwierigkeiten entstehen, sie zu erhalten und zu behaupten, als bei neuen: weil es nur darauf ankommt, die Verhaeltnisse, so wie sie unter den Vorfahren waren, nicht zu veraendern, und bei allen Vorfaellen in die Gelegenheit zu sehen. Ein solcher Fuerst wird sich also stets auf dem Throne erhalten, es sei denn, dass ganz ungewoehnliche und ausserordentliche aeussere Gewalt ihn desselben beraube; und wird er der Herrschaft beraubt, so vermag er sie wieder zu erlangen, sobald dem, der sie ergriffen hat, etwas Widriges begegnet. Wir haben in Italien ein Beispiel an dem Herzoge von Ferrara, der den Venezianern im Jahre 1484 und darauf dem Papst Julius dem Zweiten durch nichts Anderes Widerstand geleistet hat, als durch seine in langer Zeit fest begruendete Herrschaft. Denn der angeborne Fuerst hat weniger Veranlassung, und ist selten in der Nothwendigkeit, zu beleidigen. Er ist daher mehr beliebt, und es ist natuerlich, dass die Seinigen ihm wohlwollen, wenn er sich nicht durch ausserordentliche Last verhasst macht. In der Laenge der Zeit einer fortgesetzten Herrschaft wird die Veranlassung und die Erinnerung der Neuerungen vergessen, wohingegen Eine Neuerung immer durch sich selbst die Veranlassung zu andern nachfolgenden zuruecklaesst. 3. Von vermischten Herrschaften. Aber die neuen Herrschaften sind ganz andern Schwierigkeiten unterworfen. Und zwar erstens, wenn nicht das ganze Reich neu ist, sondern nur ein Theil davon, und es also ein vermischtes Reich genannt werden koennte, so entstehen gewaltsame Veraenderungen aus natuerlicher Schwierigkeit, welche allen neuen Herrschaften gemein ist, und daher ruehrt, dass die Menschen gern ihren Herrn veraendern, in Hoffnung, dass es besser werden koenne, und die Waffen hierauf ergreifen: darin aber irren sie, indem sie bald erfahren, dass es schlimmer wird. Und das liegt wieder in der Natur der Dinge: weil der neue Herr seine Unterthanen mit Soldaten und auf manche andre Art zu bedruecken genoethigt ist, blos weil die Herrschaft neu ist. Du wirst also alle diejenigen zu Feinden haben, die du durch die Eroberung selbst beleidigt hast, ohne diejenigen, durch deren Hilfe du Herr geworden bist, zu Freunden zu behalten, weil du sie nicht nach ihren Wuenschen befriedigen kannst, und auch keine kraeftigen Heilmittel anwenden darfst, wegen der Dankbarkeit, die du ihnen schuldig bist. Denn auch der Maechtigste bedarf der Beguenstigung von Einheimischen, um in das Land einzudringen. Aus dieser Ursache hat Ludwig der Zwoelfte von Frankreich Mailand so geschwind erobert, und so geschwind wieder verloren. Das erste Mal war die eigne Kraft des vertriebenen Herzogs Ludwig Sforza hinreichend, weil das Volk, das jenen eingefuehrt hatte und sich in seiner Hoffnung getaeuscht fand, den Widerwillen gegen die neue Herrschaft nicht ertragen mochte. Es ist wahr, dass so zum zweiten Male eroberte Laender nicht wieder so leicht verloren gehen, weil der Herr von der Rebellion Veranlassung nimmt, sich durch strenge Massregeln zu sichern, Verbrecher zu strafen, Verdacht aufzuklaeren, und an den schwachen Stellen Vorkehrungen zu treffen. Wenn es, um Mailand den Franzosen zu entreissen, das erste Mal hinreichend war, dass ein Herzog Ludwig an der Grenze Rumor anfing, so musste sich zum zweiten Male die ganze Welt dagegen vereinigen, um die franzoesischen Heere zu vernichten oder zu vertreiben. Die Ursachen sind oben angegeben. Dennoch verlor Frankreich das mailaendische Gebiet zum zweiten Male. Die allgemeinen Veranlassungen der ersten Begebenheit sind erzaehlt; es bleibt also noch uebrig, die Ursachen der zweiten zu betrachten, und die Mittel anzugeben, wie man sich in solcher Lage besser behaupten kann, als der Koenig von Frankreich gethan hat. Ich sage also, dass solche Provinzen, welche erobert und mit den alten Staaten des Eroberers verbunden werden, entweder zu demselben Lande gehoeren und dieselbe Sprache reden, oder nicht. In dem ersten Falle ist es sehr leicht, sie festzuhalten, vorzueglich, wenn sie nicht an Unabhaengigkeit gewoehnt gewesen sind. Um sie mit Sicherheit zu beherrschen, ist es hinreichend, die Familie ihrer vorigen Beherrscher auszurotten; denn weil die Einwohner ihre alten Gewohnheiten und Verhaeltnisse beibehalten, auch uebrigens gleiche Sitten mit ihren neuen Mitunterthanen haben, so leben sie ruhig; wie man es in der Bretagne, Gascogne, Normandie gesehen hat, welche schon lange mit Frankreich verbunden sind. Wenngleich zwischen diesen Provinzen und dem uebrigen Frankreich in der Sprache geringer Unterschied ist, so kommen doch die Sitten ueberein, und daher vertragen sie sich leicht mit einander. Wer solche Provinzen erobert hat und sie behalten will, muss auf zwei Dinge Ruecksicht nehmen. Erstens: die Familie der vorigen Regenten zu verloeschen; zweitens: die alten Gesetze und Verfassungen nicht abzuaendern: so werden alte und neue Staaten baldmoeglichst zu einem Ganzen zusammenschmelzen. Aber wenn Provinzen eines Landes erobert werden, das an Sprache, Sitten, Verfassung verschieden ist, so entstehen Schwierigkeiten, und es gehoert viel Glueck und grosse Bemuehung dazu, sie zu behalten.(11) Eines der kraeftigsten Mittel ist, dass der Eroberer selbst sich hinbegebe, um daselbst seinen Wohnsitz aufzuschlagen. Dadurch wird der Besitz gesichert und dauerhaft. So haben es die Tuerken mit dem griechischen Reiche gemacht, welches sie trotz aller andern angewandten Bemuehungen nicht haetten behaupten koennen, wenn sie nicht die Residenz in Konstantinopel genommen haetten. Denn wenn der Regent sich selbst da befindet, so sieht er alle Unordnungen in ihrer Entstehung und kann geschwind abhelfen. Ist er nicht gegenwaertig, so vernimmt er sie erst, wenn sie schon sehr angewachsen sind, und keine Hilfe mehr ist. Ausserdem wird das Land nicht von den Beamten des Regenten ausgepluendert: es beruhigt die Einwohner, zu ihm selbst seine Zuflucht nehmen zu koennen. Ist er gut, so wird er geliebt; wo nicht, so wird er doch gefuerchtet. Fremde, die den Staat angreifen moechten, haben mehr Ruecksicht zu nehmen. So lange der Regent da wohnt, ist es schwer, ihn dessen zu berauben. Das zweite vorzuegliche Mittel ist, Colonien an einen oder zwei Orte zu senden, die Schluessel des Landes sind. Dies ist nothwendig. Wer es unterlaesst, muss wenigstens hinreichende Kriegsmacht daselbst halten. Die Colonien kosten dem Fuersten nicht viel. Er besetzt sie ohne vielen Aufwand und beleidigt nur diejenigen, die von Haus und Hof vertrieben werden, um neuen Bewohnern Platz zu machen. Dies ist immer nur der kleinere Theil. Diese Beleidigten leben zerstreut und sind arm: sie koennen wenig schaden, und alle uebrigen werden leicht beruhigt, oder sie fuerchten sich, dass es ihnen so ergehen moechte wie Jenen, wenn sie sich ruehrten. Wohl zu merken ist, dass die Menschen entweder zur Ruhe geschmeichelt, oder vernichtet werden muessen. Denn wegen geringer Beleidigungen raechen sie sich; wegen grosser vermoegen sie das nicht. Jede Verletzung muss also so zugefuegt werden, dass keine Rache zu besorgen ist. Wird statt der Colonien Besatzung gehalten, so kostet das so viel, dass die Einkuenfte des neuen Staats daraufgehen. Die Eroberung schlaegt also zum Schaden aus und verletzt weit mehr, weil sie den ganzen neuen Staat trifft. Jeder fuehlt die Last der Einquartierung, und Jeder wird Feind; diese Feinde aber bleiben, wenn sie geschlagen sind, in ihren eignen Wohnungen. Nach allen Seiten also ist diese Besatzung schaedlich: die Colonien hingegen sind nuetzlich. Ferner muss der Herr einer solchen fuer sich bestehenden abgesonderten Provinz sich zum Oberhaupte und Beschuetzer der schwaechern Nachbarn machen, und die Maechtigen unter ihnen zu schwaechen suchen: vor allen Dingen aber verhindern, dass kein andrer Fremder, der so maechtig waere als er selbst, hereindringt. Solche werden immer von Unzufriedenen, aus Ehrgeiz oder aus Furcht hereingelassen. Man hat einst gesehen, dass die Roemer durch die Aetolier nach Griechenland gelassen wurden. Eben so sind sie in alle Laender, in die sie gedrungen, durch die Einwohner hereingerufen. Es geht damit also zu. Sobald ein Fremder in einem Lande Fuss fasst, so haengen sich alle Mindermaechtigen in demselben an ihn, aus Neid gegen denjenigen, der im Lande selbst der Maechtigste war. Gegen jene Mindermaechtigen ist also nur wenig zu thun. Sie sind leicht gewonnen, und machen gemeinschaftliche Sache mit dem neu eingedrungenen. Dieser hat nur zu sorgen, dass jene nicht maechtiger werden; und er kann leicht diejenigen, welche das Haupt emporheben, niederdruecken, und also selbst die Oberhand behalten. Wer diese Verhaeltnisse nicht gut zu regieren weiss, verliert seine Eroberung, und hat unendliche Muehe und Verdruss, so lange er sie behaelt. Die Roemer fuehrten ihre Sache in den eroberten Provinzen sehr gut, sandten Colonien hin, unterstuetzten die Schwachen, ohne sie zu stark werden zu lassen, demuethigten die Maechtigen, und liessen das Ansehen maechtiger Fremden nicht aufkommen. Griechenland dient hinlaenglich zum Beispiele. Sie hielten die Achaeer und Aetolier aufrecht, sie erniedrigten die Koenige von Macedonien, vertrieben den Antiochus. Achaeer und Aetolier konnten durch alle ihre Verdienste um sie doch nicht die Erlaubniss auswirken, irgend einen Staat mit sich zu verbinden; durch alle Schmeicheleien des Philipp liessen sie sich nicht verleiten, seine Freunde zu sein, ohne ihn niederzuhalten; Antiochus konnte mit aller seiner Macht nicht bewirken, dass sie ihm zugestanden haetten, in Griechenland festen Fuss zu fassen. Die Roemer thaten in diesen Faellen, was alle vorsichtigen Regenten thun muessen, welche nicht allein auf die gegenwaertigen, sondern auch auf die kuenftigen Unruhen achten und diesen begegnen. Was man von ferne kommen sieht, dem ist leicht abzuhelfen; wenn man aber wartet, bis das Uebel da ist, so kommt die Arznei zu spaet,(12) und es geht, wie die Aerzte von der Lungensucht sagen: dass sie zu Anfang leicht zu heilen, aber schwer zu erkennen; wenn sie aber im Anfange verkannt worden, in der Folge leicht zu erkennen und schwer zu heilen sei. Eben so geht es dem Staate. Auch in ihm sind die Uebel, die man von fern erkennt, (das vermag aber nur der, welcher Verstand hat) leicht und geschwind geheilt; hat man sie aber so weit anwachsen lassen, dass Jeder sie erkennt, so ist kein Mittel mehr dagegen zu finden. Die Roemer also sahen die Verlegenheiten, ehe sie entstanden, von ferne, und liessen sie nicht naeher kommen, um einen Krieg fuer den Augenblick zu vermeiden. Denn sie wussten, dass man einem Kriege nicht so entgeht, wol aber nur zum Vortheile des Gegners aufschiebt. Sie beschlossen also mit Philipp und Antiochus in Griechenland Krieg zu fuehren, um ihn nicht in Italien selbst bestehen zu muessen. Sie konnten ihn zu der Zeit wohl vermeiden; aber es gefiel ihnen nicht, was die Weisen unsrer Zeit im Munde fuehren: Zeit gewonnen, Alles gewonnen. Sie verliessen sich vielmehr auf ihre Tapferkeit und Klugheit. Denn die Zeit treibt Alles vor sich her, Gutes wie Schlimmes; Schlimmes fuehrt sie aber auch eben so leicht herbei als Gutes. Jetzt wende ich mich zu Frankreich und will untersuchen, ob es eine aehnliche Politik beobachtet habe, und zwar rede ich von Ludwig dem Zwoelften, und nicht von Karl dem Achten, weil jener sich laenger in Italien gehalten hat, und der Gang seiner Unternehmungen daher klarer vor Augen liegt. Wir werden also sehen, wie er das Gegentheil von Allem gethan hat, was geschehen muss, um in einem fremden Lande Provinzen zu behaupten. Ludwig der Zwoelfte ward in Italien durch den Ehrgeiz der Venezianer eingefuehrt, welche die Haelfte von Mailand dadurch zu erwerben hofften. Ich will diese seine Unternehmung nicht tadeln; denn da er einmal in Italien Fuss fassen wollte, und wegen des Betragens seines Vorfahren, Karl des Achten, keine Freunde in diesem Lande hatte, so musste er wol die Verbindungen knuepfen, die sich anboten: und die Sache waere auch gelungen, wenn er keinen anderweiten Fehler gemacht haette. So wie der Koenig die Lombardei eroberte, ward der Ruf, den Karl verloren hatte, bald wieder gewonnen; Genua fiel, und die Florentiner traten auf seine Seite. Alles kam ihm entgegen, der Marchese von Mantua, der Herzog von Ferrara, Bentivoglio (welcher Bologna inne hatte), die Dame von Forli, die Herren von Faenza, von Pesaro, von Rimini, von Camerino, von Piombino, die Republiken Lucca, Pisa, Siena, Alles bewarb sich um seine Freundschaft. Und nun konnten die Venezianer schon einsehen, wie unueberlegt sie gehandelt hatten, als sie, um selbst zwei Staedte zu erlangen, ihn zum Herrn von zwei Dritttheilen von ganz Italien gemacht hatten. Jeder kann sehen, wie leicht es dem Koenige gewesen waere, sein Ansehen in Italien zu behaupten, wenn er die erwaehnten Grundsaetze befolgt, und dem grossen Haufen seiner Freunde durch seinen Schutz Sicherheit gewaehrt haette. Die grosse Zahl derselben musste ihm wol anhaengen, denn sie waren insgesammt schwach und fuerchteten, einige den heiligen Stuhl, andere die Venezianer; durch sie aber konnte er wieder Alles, was noch gross und maechtig im Lande war, im Zaume halten. Kaum aber war er Herr von Mailand, so that er das Gegentheil, indem er dem Papst Alexander dem Sechsten zur Herrschaft in der Provinz Romagna verhalf. Er bemerkte nicht, dass er durch diese Entschliessung sich selbst Freunde und Anhaenger nahm, und den Papst erhob, da er diesem zu seinem so kraeftigen geistlichen Ansehen noch so viel weltliche Macht gab. Dieser erste Fehler zog andere nach sich, so dass er am Ende selbst nach Italien kommen musste, um der Macht Alexanders Grenzen zu setzen, und zu verhueten, dass dieser nicht Herr von Toscana werde. Nicht genug, dass er den Papst auf seine eignen Unkosten gross gemacht; aus Begierde, das Koenigreich Neapel zu erlangen, theilte er es mit dem Koenige von Spanien. Das Schicksal von Italien war bis dahin ausschliesslich in seinen Haenden. Hiermit aber gab er sich selbst einen Genossen, an den Alle, die mit ihm unzufrieden waren, sich wenden konnten. Statt in jenem Reiche einen Koenig zu lassen, der von ihm abhaengig gewesen waere, zog er einen hinein, der ihn selbst daraus vertreiben konnte. Sie ist in der That eine natuerliche und gewoehnliche Sache, die Begierde zu Eroberungen: und die Menschen werden immer gelobt und nicht getadelt, die so etwas unternehmen, wenn sie es ausfuehren; wenn sie das aber nicht vermoegen und doch unternehmen, es koste was es wolle: da liegt der Fehler, und darueber werden sie getadelt. Konnte Frankreich Neapel mit eignen Kraeften angreifen, so mochte es dies thun: konnte es das nicht, so musste es das Land nicht theilen. Und wenn die Theilung der Lombardei mit den Venezianern zu billigen war, weil man dieser Massregel den Eingang in Italien verdankte, so verdient jene zweite Theilung Tadel, weil sie nicht nothwendig war. Ludwig beging also fuenf Fehler. Er vernichtete die Mindermaechtigen; vermehrte die Macht eines Maechtigen; rief einen sehr maechtigen Fremden herein; schlug selbst seinen Wohnsitz nicht im Lande auf und fuehrte keine Colonien ein. Bei seinem eignen Leben haetten trotzdem diese fuenf Fehler nicht geschadet, wenn nicht der sechste hinzugekommen waere, die Venezianer herunterzubringen. Haette er nicht den paepstlichen Stuhl so maechtig gemacht, und die Spanier nicht hereingerufen, so war es vernuenftig und nothwendig, die Venezianer zu erniedrigen. Aber nachdem in jenes Erstere eingewilligt worden, durfte das Letztere nicht geschehen; denn so lange die Venezianer maechtig waren, haetten sie immer die Andern abgehalten, die Lombardei anzufallen. Sie haetten darin nie unter andrer Bedingung eingewilligt, als dass das Land ihnen selbst ueberliefert wuerde; die Andern haetten es aber nie den Franzosen nehmen moegen, um es den Venezianern zu geben, und beide zugleich zu bekriegen, haette man nicht gewagt. Wendet man ein, Koenig Ludwig habe dem Papst Alexander die Romagna, und Neapel den Spaniern zugestanden, um einen Krieg zu vermeiden, so antwortete ich: man muss aus den Gruenden, die oben bereits angegeben wurden, niemals ein uebles Verhaeltniss einreissen lassen, um einen Krieg zu vermeiden; denn er wird gar nicht vermieden, sondern nur zu deinem Nachtheile aufgeschoben. Sollte man mir aber etwa das Wort entgegensetzen, das der Koenig dem Papste gegeben hatte, dass er ihm die Unternehmung auf die Romagna verstatten wolle, zum Lohne fuer die Einwilligung in Ludwigs Ehescheidung und fuer den erbetenen Cardinalshut des Erzbischofs von Rouen, so berufe ich mich auf das, was ich hiernaechst ueber Treu und Glauben der Fuersten sagen werde, und ueber die Art, wie sie Wort halten muessen. Koenig Ludwig hat also die Lombardei verloren, weil er nichts vom Allem beobachtet hat, wodurch Andere Laender erobert und behalten haben. Und so ist es gar nicht zu verwundern, sondern vielmehr sehr begreiflich und natuerlich. Ich sprach darueber zu Nantes mit dem Cardinal d'Amboise, Erzbischof von Rouen, als der Herzog von Valentinois (wie der Caesar Borgia, Sohn des Papstes Alexanders des Sechsten, gewoehnlich genannt zu werden pflegte), sich zum Herrn von der Romagna machte. Der Cardinal warf mir vor, die Italiener verstaenden sich nicht auf den Krieg. Ich erwiderte ihm aber, die Franzosen verstaenden sich nicht auf die Politik: sonst wuerden sie den heiligen Stuhl nicht so maechtig werden lassen. Die Erfahrung hat es bewiesen. Frankreich hat den Papst und die Spanier in Italien gross gemacht, und hat es selbst darueber verloren. Hieraus ist eine allgemeine Regel zu ziehen, die niemals oder doch selten truegt: Derjenige, der einen Andern gross macht, geht selbst zu Grunde. Denn es kann von ihm nur durch zwei Dinge bewerkstelligt werden: durch kluge Bemuehung, oder durch Gewalt, und beides ist dem, der maechtig geworden ist, verdaechtig. 4. Warum das Reich des Darius nach Alexanders Tode gegen seine Nachfolger nicht aufstand? Wenn man die Schwierigkeiten erwaegt, welche es hat, eine neu errungene Herrschaft zu behaupten, so koennte man sich wundern, wie es zugegangen, dass das ganze von Alexander dem Grossen innerhalb weniger Jahre eroberte asiatische Reich, welches er kaum in Besitz genommen, als er starb, und wovon man deswegen haette glauben sollen, dass es gegen seine Nachfolger aufstehen werde, von diesen dennoch behauptet wurde, ohne alle andern Schwierigkeiten, als die, welche ihre eignen Uneinigkeiten erzeugten. Ich antworte darauf, dass alle Herrschaften, von denen man Kunde hat, auf zweierlei Weise regiert worden sind. Entweder durch einen Herrn, der sich nur solcher Diener bediente, die vermoege der ihnen aus Gnaden verliehenen Gewalt, blos als Werkzeuge, zu der Verwaltung mitwirkten; oder durch einen Herrn und kleinen Fuersten, die ihre Stellen nicht der Gnade des Herrn, sondern ihrer eignen Abkunft verdankten. Solche hohe Beamten haben eigne Laender und Untertanen, von denen sie als Herrn anerkannt werden, und die ihnen anhaengen. Die Regenten, welche blos mittelst ihrer bestellten Beamten regieren, haben weit groesseres Ansehn, weil Niemand im ganzen Lande ist, der nicht dieses Ansehn anerkennt: und wenn er einem Andern gehorcht, so ist es nur als dem Stellvertreter und Diener des Oberherrn. Solchen Personen sind aber die Unterthanen nicht sonderlich zugethan. Beispiele von beiden Arten von Regierungsform geben die Tuerken und die Franzosen. Das ganze tuerkische Reich wird von einem Monarchen regiert: die andern sind seine Diener. Es ist in Bezirke getheilt, die von einzelnen Personen verwaltet werden, welche der Sultan nach Willkuer ein- und absetzt. Der Koenig von Frankreich hingegen ist von einer grossen Zahl von alten Fuerstenhaeusern umgeben, deren Herrschaft von ihren Unterthanen anerkannt und geliebt wird. Diese Fuersten haben Vorrechte, die der Koenig nicht ohne Gefahr antasten kann. Wer diese beiden Regierungsformen betrachtet, wird finden, dass es schwer ist, das tuerkische Reich zu erobern: sobald es aber erobert waere, wuerde es leicht sein, es zu behaupten. Die Schwierigkeiten der Eroberung sind folgende. Der Eroberer kann nicht durch inlaendische Fuersten hereingerufen werden, und darf nicht auf Unterstuetzung von Rebellen hoffen, aus oben angefuehrten Gruenden. Da sie alle Knechte sind, so ist es schwer, sie zu bestechen, und wenn sie bestochen waeren, so wuerde es wenig helfen, weil sie aus den angegebnen Ursachen nicht im Stande sind, das Volk mit in ihr Interesse zu ziehen. Wer also die Tuerken angreift, muss erwarten, sie einig zu finden, und darf nur auf seine eignen Kraefte rechnen, wenig auf die Uneinigkeit des Gegners. Wenn der Feind aber ueberwunden ist, so dass er keine Armee wieder aufzustellen vermag, so ist nichts mehr zu fuerchten, als die regierende Familie, nach deren Untergange kein Mensch mehr Ansehn genug im Volke hat, mit Erfolg aufstehen zu koennen. So wie der Sieger vor dem Siege auf Niemand hoffen konnte, so hat er nach demselben Niemand mehr zu fuerchten. Das Gegentheil findet statt bei Reichen, die so regiert werden, wie Frankreich, in die es leicht ist einzudringen, sobald man einen von den hohen Reichsbeamten gewonnen hat, unter denen sich immer Unzufriedne und Neuerungssuechtige finden. Diese vermoegen es, aus oben angefuehrten Ursachen, den Weg ins Land zu oeffnen, und den Sieg zu erleichtern. Nachdem aber hat es unendliche Schwierigkeiten, sich darin fest zu setzen: sowol mit denen, die Beistand geleistet haben, als mit den Ueberwundenen. Es ist alsdann nicht genug, das regierende Haus zu vertilgen: denn die Reichsherren bleiben uebrig, die sich zu Haeuptern aufwerfen, und das Land dem Eroberer bei erster Gelegenheit entreissen, wenn er sie weder zu vertilgen, noch zufrieden zu stellen weiss. Wenn man nun erwaegt, von welcher Beschaffenheit das persische Reich war, so wird man viele Aehnlichkeit mit dem heutigen tuerkischen finden. Alexander brauchte also nur Schlachten zu gewinnen, und sobald Darius todt war, behielt der Sieger das Reich mit vollkommner Sicherheit. Auch seine Nachfolger haetten es in voelliger Ruhe behalten koennen, und es entstanden in dem weiten Lande keine andern Unruhen, als die sie selbst durch ihre Uneinigkeiten erregten. Aber Laender, die solche Verfassung haben, wie Frankreich, kann man nicht so ruhig besitzen. In Spanien, in Frankreich, in Griechenland entstanden unaufhoerliche Empoerungen gegen die Roemer, wegen der vielen einheimischen Fuersten. So lange das Angedenken an diese waehrte, blieb der Besitz ungewiss. Nachdem dieses aber erloschen war, erhielten sich die Roemer durch ihre Macht und die Laenge der Zeit in ruhigem Besitze. In der Folge, als die Roemer unter sich selbst zerfielen, vermochte sogar jeder von ihnen einen Theil der Provinzen, nach Massgabe des darin erlangten Ansehns, in sein Interesse zu ziehen, weil sie ihre eignen Fuersten ganz verloren hatten und keine andre Oberherrschaft anerkannten, als roemische. Erwaegt man dies Alles, so wird sich Niemand wundern, dass es Alexander so leicht wurde, Asien in Unterwuerfigkeit zu halten, dagegen Andre, wie z. B. Pyrrhus, so viele Schwierigkeiten fanden, ihre Eroberungen zu behaupten. Der Grund liegt nicht sowol in der Heldenkraft des Eroberers, als in der verschiedenen Beschaffenheit der Eroberungen. 5. Wie Staedte oder Fuerstenthuemer zu behandeln sind, die vor der Eroberung ihre eigne Verfassung hatten. Wenn Staaten, welche erobert worden, wie wir angenommen haben, gewohnt gewesen sind, nach eignen Gesetzen und in Unabhaengigkeit zu leben, so gibt es drei Wege, sie zu behandeln. Der erste ist, sie zu Grunde zu richten; der zweite, dass der Fuerst seinen Wohnsitz daselbst aufschlage; der dritte, sie unter ihren eignen Gesetzen fortleben zu lassen, sich mit einer jaehrlichen Steuer zu begnuegen, und die Regierung einer Oligarchie zu uebergeben, vermittelst deren das Land in Unterwuerfigkeit erhalten werde. Denn eine solche Regierung weiss wohl, dass sie sich nicht ohne Unterstuetzung ihres Schoepfers halten kann, und muss Alles thun, um ihm die Herrschaft zu sichern. Eine Stadt, die gewohnt gewesen ist, frei zu leben, wird am leichtesten durch ihre eignen Buerger im Gehorsam erhalten. Als Beispiele koennen hier die Spartaner und die Roemer dienen. Die Spartaner hatten Athen und Theben inne, uebergaben die Herrschaft derselben einigen Wenigen, und verloren ihre Eroberung trotzdem. Die Roemer zerstoerten Capua, Carthago, Numantia, und behaupteten sich daselbst. Sie versuchten es, Griechenland so zu beherrschen, wie die Spartaner es gemacht hatten, indem sie die Freiheit proclamirten und die einheimischen Gesetze bestehen liessen - und es misslang; so dass sie gezwungen wurden, viele Staedte im Lande zu zerstoeren, um die Herrschaft in demselben zu behaupten. Denn es gibt in der That kein sicheres Mittel dazu, als zu zerstoeren. Und wer sich zum Herrn einer Stadt macht, die gewohnt gewesen ist, in Freiheit zu leben, und sie nicht ganz aufloest, mag nur erwarten, selbst von ihr zu Grunde gerichtet zu werden. Denn der Name der Freiheit dient immer zum Vorwande des Aufstandes, und die alte Staatsverfassung wird weder ueber der Laenge der Zeit noch ueber Wohlthaten vergessen. Was man aber auch immer fuer Vorkehrungen treffen mag, so kommen, wenn die Einwohner nicht getrennt und zerstreut werden, immer der alte Name und die alte Verfassung wieder zum Vorschein, so wie in Pisa nach so langen Jahren, die es unter der Herrschaft von Florenz gestanden hatte. Sind aber Staedte oder Laender gewohnt gewesen, unter einem Fuersten zu leben, und dieser ist ihnen genommen und sein Geschlecht verloescht; sind sie also gewohnt einen Fuersten zu haben, und haben doch keinen alten, so vertragen sie sich nicht darin, Einen aus ihrer Mitte zu erheben; frei leben aber koennen sie gar nicht. Sie ergreifen also die Waffen nicht so leicht, und ein Fuerst bemaechtigt sich ihrer ohne Muehe, und behaelt sie auch leicht im Gehorsam. Aber die Republiken bergen mehr Hass und das Andenken an die verlorne Freiheit. Man zerstoert sie also am sichersten oder man waehlt sie zur Residenz. 6. Von neuen Herrschaften, die durch eigne Waffen und Tapferkeit errungen werden. Niemand wundre sich, wenn ich bei Allem, was ich von ganz neuen Herrschaften und von Regenten und Staaten ueberhaupt sagen werde, grosse Beispiele anfuehre. Denn da die Menschen fast immer in gebahnten Wegen gehen, und in ihren Handlungen Andre nachahmen, so muss bei allem Unvermoegen, denen gleich zu kommen, die man nachahmt, ein Mann von Geist doch immer sich die edelsten Muster vorsetzen, damit er wenigstens, wenn seine Tugenden gleich das Ziel nicht erreichen, doch einigen Wohlgeruch von sich gebe; er muss es machen, wie kluge Schuetzen, die erkennen, dass das Ziel zu weit entfernt und der Bogen zu schwach sei, und deswegen die Richtung hoeher nehmen: nicht um durch Anstrengung bis dahin zu gelangen, sondern um dadurch das Ziel wenigstens zu erreichen. Ich sage also, dass ein neuer Fuerst mehr oder weniger Schwierigkeit findet, sich in der Herrschaft zu behaupten, je nachdem er mehr oder weniger Geisteskraefte besitzt. Und da sowol Tapferkeit als Glueck einen Privatmann auf den Fuerstenstuhl erhebt, so koennen auch die Schwierigkeiten in der Behauptung der neuen Wuerde auf beiderlei Art vermieden oder vermindert werden. Oft hat der sich am laengsten erhalten, der doch das wenigste Glueck hatte. Es wird das Geschaeft auch oft dadurch erleichtert, wenn der gaenzliche Mangel andrer Staaten den Fuersten noethigt, in seinem neuen Gebiete zu wohnen. Aber um auf die zu kommen, welche durch eigne Tapferkeit mehr als durch Glueck auf einen Thron erhoben sind, so sage ich, dass Moses, Cyrus, Romulus, Theseus und aehnliche die vorzueglichsten gewesen sind. Von Moses ist hier nicht viel zu sagen, weil er nur ausfuehrte, was ihm von Gott aufgetragen war, und er also nur deswegen bewundert zu werden verdient, weil Gott ihn seiner Auftraege wuerdigte. Wenn wir aber den Cyrus und Andere, die neue Herrschaften gegruendet haben, betrachten, so finden wir sie selbst wirklich bewunderungswerth: auch sind sie wenig in ihrer Handlungsweise von Moses verschieden, dem goettliche Belehrung zu Statten kam. Wenn man ihr Leben und ihre Handlungen untersucht, so finden wir, dass sie dem Gluecke wenig mehr als die Gelegenheit verdankten, das auszufuehren, was sie ausgedacht hatten. Wenn die Gelegenheit gefehlt haette, so waere die Kraft ihres Geistes verhaucht: haette es aber an dieser gefehlt, so waere die Gelegenheit vergeblich dagewesen. So musste Moses das israelitische Volk in egyptischer Sklaverei finden, damit es bereit sei, ihm zu folgen. Romulus musste ausgesetzt werden, um den Gedanken zu fassen, Rom zu gruenden und Koenig zu werden. Cyrus musste die Perser mit der medischen Herrschaft unzufrieden, und die Meder durch den langen Frieden weichlich und weibisch finden. Theseus konnte seinen Geist nicht beweisen, wenn er die Athenienser nicht zerstreut vorfand. Diese Gelegenheiten haben jene grossen Maenner gluecklich gemacht: durch die Groesse ihres Geistes aber erkannten sie die Gelegenheit, und dadurch ward ihr Vaterland gluecklich und beruehmt. Diejenigen, welche durch aehnliche Kraft Fuersten werden, haben Schwierigkeiten zu ueberwinden, um die Herrschaft zu erlangen: behaupten sie aber sehr leicht. Die Schwierigkeiten, die sie zu ueberwinden haben, entstehen zum Theil von den neuen Einrichtungen, die sie genoethigt sind einzufuehren, um die neue Verfassung und ihre eigne Sicherheit zu begruenden. Dabei muss man erwaegen, dass es gar keine Sache von groesserer Schwierigkeit und von zweifelhafterem Erfolge gibt, als sich zum Haupte einer neuen Staatsverfassung aufzuwerfen. Denn Alle die, welche sich in der alten Ordnung der Dinge wohl befanden, sind der neuen feindlich; und diese hat nur laue Verteidiger an denen, welche dabei zu gewinnen hoffen: theils, wegen der Furcht vor den Gegnern, welche die Gesetze fuer sich haben; theils, weil die Menschen von Natur misstrauisch sind, und an eine neue Sache nicht glauben, bis sie sie wirklich klar vor sich sehen. Daher kommt es, dass diejenigen, die der neuen Ordnung feindlich sind, sie bei jeder Gelegenheit theilweise angreifen, die Freunde derselben sie aber mit solcher Lauheit vertheidigen, dass das Oberhaupt sammt ihnen in Gefahr gerathen kann. Um hier ein richtiges Urtheil zu faellen, muss man wohl untersuchen, ob die Neuerer auf eignen Fuessen stehen, oder von Andern abhaengen; ob sie mithin ihr Unternehmen mittelst guter Worte oder durch Gewalt durchsetzen koennen. Im ersten Falle geht es ihnen stets schlecht, und sie gelangen zu nichts. Wenn sie aber auf eignen Fuessen stehen und durch eigne Kraefte mit Gewalt durchsetzen koennen, so misslingt es selten. Daher haben alle bewaffneten Propheten den Sieg davongetragen; die unbewaffneten aber sind zu Grunde gegangen; denn zu jenen Ursachen kommt noch der Wankelmuth des Volks hinzu, welches sich leicht etwas einreden laesst, aber sehr schwer dabei festzuhalten ist. Und der Plan muss so angelegt sein, dass, wenn sie aufhoeren zu glauben, man sie mit Gewalt dazu anhalten kann. Moses, Cyrus, Theseus, Romulus haetten ihre Anordnungen nicht lange aufrecht erhalten koennen, wenn sie nicht Gewalt der Waffen haetten gebrauchen koennen; so wie es zu unsern Zeiten dem Fra Girolamo Savonarola gegangen ist, der mit sammt seiner neuen Staatsverfassung zu Grunde ging, als das Volk aufhoerte ihm zu glauben, und er keine Mittel hatte, seine Juenger beim Glauben festzuhalten, und die Unglaeubigen zu ueberfuehren. Solche haben daher grosse Schwierigkeiten zu ueberwinden, und muessen dies Abenteuer durch ihre eigne Tapferkeit bestehen. Sobald sie aber gesiegt haben und anfangen hohes Ansehn zu erlangen, ihre Neider daneben aus dem Wege geschafft sind, so bleiben sie maechtig, sicher, geehrt und gluecklich. So grossen Beispielen will ich noch eins hinzufuegen, das zwar geringer ist, aber doch damit verglichen werden kann, und statt aller andern aehnlichen dienen soll. Dies sei Hiero von Syracus. Er ward aus einem Privatmann Fuerst von Syracus, und das Glueck hatte keinen weitern Antheil daran, als dass es die Gelegenheit herbeifuehrte: denn die Syracusaner, welche unterdrueckt waren, waehlten ihn zu ihrem Anfuehrer, und in dieser Stelle erwarb er sich durch Verdienste die fuerstliche Wuerde. Seine Eigenschaften waren so edel, dass von ihm erzaehlt wird, es habe schon als Privatmann ihm nichts zum Herrschen gefehlt, als die wirkliche Herrschaft selbst. Er loeste die alte Armee auf und schuf eine neue; verliess seine alten Verbindungen und knuepfte neue an. Zahlreiche Freunde und Krieger hingen ihm an, mit deren Hilfe er jede Verfassung einrichten konnte: also, dass er zwar viele Muehe hatte aufwenden muessen, um zu erwerben, aber nur wenig, um das Erworbene zu behaupten. 7. Von neuen Fuerstenthuemern, die durch fremde Unterstuetzung und durch Gluecksfaelle erworben werden. Diejenigen, welche durch blosses Glueck Fuersten werden, gelangen dazu ohne sonderliche Muehe; aber sich auf dem Throne zu erhalten, wird ihnen schwer. Auf dem Wege fanden sie keine Schwierigkeiten; denn sie wurden hinaufgehoben: aber wenn sie oben sind, so beginnen jene. Dieses trifft diejenigen, welche fuer Geld oder durch die Gnade eines Andern Fuersten geworden sind: zum Beispiel manche Griechen sind vom Darius zu Fuersten in Ionien und am Hellespont gemacht, damit sie seine Sicherheit und sein Ansehn befoerderten. So auch sind viele Kaiser durch Bestechung der Soldaten zu ihrer Wuerde gelangt. Diese haengen lediglich vom guten Willen und dem Schicksale derer ab, welchen sie ihre Erhebung verdanken; Beides aber gehoert zu den wandelbarsten Dingen auf Erden. Sie verstehen sich nicht darauf, und sie vermoegen es auch nicht, sich auf einer solchen Stelle zu erhalten; denn wenn es nicht etwa ein Mann von grossem Geiste und Kraft ist, so kann man nicht voraussetzen, dass derjenige, der immer im Privatstande gelebt hat, zu befehlen wisse: sie vermoegen es auch nicht, weil sie keine Mannschaft haben, die ihnen ergeben und treu waere. Ferner koennen ploetzlich entstandene Herrschaften, gleichwie Alles, was geschwind entsteht und waechst, keine tiefen Wurzeln schlagen; mithin reisst der erste Sturm sie aus: es sei denn, dass derjenige, den das Glueck erhoben hat, so viel Verstand und Talent habe, das, was ihm der Zufall in den Schooss geworfen hat, zu bewahren, und die Unterlage nachzuholen, die Andre sich angeschafft haben, ehe sie Fuersten wurden. Von jeder der beiden angegebenen Arten dazu zu gelangen, will ich je ein Beispiel aus der Geschichte unsrer Tage anfuehren. Diese sind _Francesco Sforza_ und _Caesar Borgia_. Der Erste ward durch grosse Tapferkeit und ueberlegte Anwendung der gehoerigen Mittel Herzog von Mailand. Was er mit vieler Muehe erworben hatte, ward ihm durch die Umstaende leicht zu bewahren. Der Andre, Caesar Borgia, (insgemein Herzog von Valentinois genannt), gelangte zu seiner hohen Stelle durch den Gluecksstern seines Vaters, und verlor sie zugleich mit diesem, trotzdem er alle moegliche Bemuehung anwandte und Alles that, was ein kluger und muthiger Mann zu thun hat, um in dem Staate, den er durch die Waffen und das Glueck eines Andern erhalten hatte, feste Wurzeln zu treiben. Denn wie schon gesagt ist, wer nicht damit angefangen hat, Grund zu legen, kann es allenfalls durch grosse Anstrengung nachholen, allemal aber doch mit Gefahr des Baumeisters und des Gebaeudes. Bei der Betrachtung aller Fortschritte des Herzogs wird man finden, wie viel er gethan, um zu seiner kuenftigen Groesse festen Grund zu legen. Ich halte es nicht ueberfluessig, dieses ausfuehrlich darzuthun, weil ich einem neuen Fuersten keinen bessern Rath zu geben weiss, als seinem Beispiele zu folgen: und wenn seine Anstalten den Zweck dennoch verfehlten, so lag die Schuld nicht an ihm, sondern an einem ganz ausserordentlichen und hoechst widerwaertigen Schicksale. Alexander der Sechste fand grosse Schwierigkeiten in dem Plane, seinen Sohn zu erheben: und das sowol in der Gegenwart als in der Zukunft. Vor Allem sah er gar keinen Weg, ihm zu andern Besitzungen zu verhelfen, als zu solchen, die im Kirchenstaate lagen. Er wusste aber wohl, dass der Herzog von Mailand und die Venezianer das nicht verstatten wuerden, weil Faenza und Rimino schon unter venezianischem Schutze waren. Ausserdem sah er, dass die italienischen Waffen, besonders diejenigen, deren er sich bedienen konnte, denen anhingen, welche die Groesse des paepstlichen Stuhls fuerchteten. Sie waren saemmtlich den Orsini und den Colonna ergeben, und mithin war ihnen nicht zu trauen. Es war also nothwendig, diese Verhaeltnisse zu stoeren, und in den Staaten von Italien Alles aufzuruehren, um sich eines Theils derselben zu bemaechtigen. Dies ward ihm leicht, weil die Venezianer aus andern Ursachen damit beschaeftigt waren, die Franzosen wieder in Italien hereinzuziehen. Alexander widersetzte sich diesem also nicht, sondern beguenstigte es vielmehr durch die Einwilligung, welche er zu der Ehescheidung des Koenigs Ludwig des Zwoelften ertheilte. Dieser brach hierauf in Italien ein mit Zustimmung der Venezianer und des Papstes: und kaum war er in Mailand, so hatte Alexander auch schon wegen des grossen Rufs der franzoesischen Macht hinreichende Mannschaft, um seine Unternehmung auf Romagna zu beginnen. Als er diese Provinz erobert und die Partei der Colonna geschlagen hatte, und nunmehro diese Eroberung sichern und weiter gehen wollte, standen ihm zwei Dinge im Wege. Erstens die unzuverlaessige Treue seiner Soldaten; zweitens die Gesinnungen des Koenigs von Frankreich. Er fuerchtete, dass die Truppen der Orsini, deren er sich bedient hatte, von ihm abfallen, und nicht allein an weitern Eroberungen verhindern, sondern auch die gemachten wieder entreissen moechten. Vom Koenige fuerchtete er das Naemliche. Mit den Orsini hatte er es ganz recht errathen: wie sich bewies, als er nach der Eroberung von Faenza Anstalt machte, Bologna zu belagern, und sie dabei so schlaff zu Werke gingen. In Ansehung des Koenigs ward die Sache klar, als er nach der Besetzung des Herzogthums Urbino Toscana angriff, und der Koenig ihn noethigte, von dieser Unternehmung abzustehen. Hierauf beschloss der Herzog, sich nicht weiter in Abhaengigkeit von fremdem Gluecke und fremden Waffen zu setzen. Er fing also damit an, die Parteien der Orsini und Colonna in Rom zu schwaechen, indem er alle Edelleute, die ihnen anhingen, zu sich ueberzog, durch Stellen, Geld und Ehre, welches Alles er ihnen gab. In wenig Monaten war die Zuneigung zu ihren vorigen Anfuehrern verloescht und hatte sich ganz zu dem Herzoge gewandt. Hierauf sah er die Gelegenheit ab, die Orsini zu vernichten, so wie er schon die Colonna auseinander gesprengt hatte: und das ging ihm noch besser von statten. Die Orsini hatten sehr spaet gemerkt, dass die Groesse des Herzogs und des paepstlichen Stuhls ihnen den Untergang bereite, und sie kamen darueber zu Magione im Perusinischen zusammen. Hieraus entstanden die Rebellion von Urbino, die Aufstaende in Romagna und unzaehlige Gefahren des Herzogs, die er mit Hilfe der Franzosen ueberstand. Als er aber dadurch wieder zu Ehren gelangt war und den Franzosen nicht traute, andern fremden Truppen eben so wenig, sie auch nicht auf die Probe stellen konnte, so legte er sich darauf, sie zu hintergehen, und wusste sich wirklich so zu verstellen, dass die Orsini sich mit ihm durch Vermittlung des Herrn Pagolo Orsini versoehnten. Er versaeumte hierauf nichts, um sie zu gewinnen, beschenkte sie mit Kleidern, Geld und Pferden, bis sie sich einfaeltigerweise nach Sinigaglia in seine Haende locken liessen. Als er hier die Oberhaeupter aus dem Wege geschafft und ihre Anhaenger unterwuerfig gemacht hatte, so war ein guter Grund zur Herrschaft gelegt, indem er ganz Romagna und das Herzogthum Urbino in seine Botmaessigkeit gebracht, und die Voelker anfingen, sich darunter wohl zu befinden. Dieser Theil seines Betragens ist vorzueglich wuerdig, beachtet und nachgeahmt zu werden: daher ich mich darueber etwas verbreiten muss. Nachdem der Herzog die Romagna unter sich gebracht hatte, so fand er, dass dies Land ohnmaechtigen Herren angehoert hatte, die ihre Unterthanen mehr ausgepluendert als regiert, und mehr Unordnung veranlasst, als oeffentliche Ordnung gehandhabt hatten, so dass diese Provinzen voll von Strassenraub, Parteigaengerei und aller Art von Gewalttaetigkeit waren. Er fand also noethig, sie zu beruhigen und der Obrigkeit unterthan zu machen. Zu diesem Ende gab er ihr den Remiro d'Orco zum Vorgesetzten, einen entschlossenen und grausamen Mann. Ihm ertheilte er volle Gewalt. Derselbe erwarb sich grossen Ruhm, indem er das Land in kurzer Zeit zur Ruhe und Sicherheit brachte. Hierauf aber schien es dem Herzoge, dass eine so ausnehmende Gewalt nicht mehr gut angebracht sei, weil sie verhasst werden moechte. Er ordnete also unter dem Vorsitze eines ganz vorzueglichen Mannes mitten im Lande einen Gerichtshof an, bei welchem jede Stadt ihren Vertreter hatte. Weil die vorige Strenge aber einigen Hass erzeugt hatte, so suchte er diesen auszuloeschen und das Volk vollends dadurch zu gewinnen, dass er ihm bewiese, alle begangenen Grausamkeiten ruehrten nicht von ihm her, sondern von der rauhen Gemuethsart seines Stellvertreters. Er ergriff die erste Veranlassung, ihn eines Tages zu Cesena auf dem oeffentlichen Markte in zwei Stuecke zerrissen auszustellen, mit einem Stuecke Holz und einem blutigen Messer zur Seite. Durch diesen graesslichen Anblick erhielt das Volk einige Befriedigung und ward eine Zeit lang in dumpfer Ruhe gehalten. Aber um wieder auf die Unternehmung des Herzogs zurueckzukommen, so fand sich derselbe maechtig genug und fuer den Augenblick gegen alle Gefahren gesichert, da er nach seiner Weise hinreichende Mannschaft angeworben, und die Truppen derer, die ihm in der Naehe gefaehrlich werden konnten, vernichtet hatte. Um weitere Eroberungen versuchen zu koennen, blieb nur die Ruecksicht auf Frankreich uebrig, von woher es schwerlich zugegeben werden konnte, nachdem der Koenig den Fehler, den er begangen, obwol spaet, eingesehen. Er fing also an, sich um neue Freundschaften zu bewerben, und mit Frankreich ein zweideutiges Betragen anzunehmen, als ein franzoesisches Heer sich nach dem Koenigreiche Neapel zu gegen die Spanier zu bewegen anfing, die Gaeta belagerten. Seine Absicht war, sich dieser letztern zu versichern, und das waere gelungen, wenn nur Alexander VI. leben blieb. So viel that er in Ruecksicht auf die Gegenwart. In der Zukunft hatte er vornehmlich zu fuerchten, dass ein nachfolgender Papst ihm weniger gewogen sein, und das nehmen moechte, was Alexander ihm gegeben hatte. Hiegegen hatte er vor, sich durch vier Mittel sicher zu stellen. _Erstens_, durch Vertilgung aller Geschlechter der ihrer Herrschaften beraubten Grossen, um den Paepsten die Veranlassung zu entziehen, etwas gegen ihn vorzunehmen; _zweitens_ dadurch, dass er alle Edelleute von Rom zu gewinnen trachtete, um mittelst derselben den Papst selbst im Zaume zu halten; _drittens_, indem er sich im Cardinals-Collegium so viele Freunde als moeglich machte; und endlich _viertens_, indem er sich vor dem Tode des Papstes eine so grosse Herrschaft zu erwerben suchte, dass er einem ersten Anfalle mit eignen Kraeften hinlaenglich widerstehen koenne. Von diesen vier Dingen hatte er beim Tode Alexanders drei ganz und das letzte beinahe vollfuehrt. Von den beraubten Herren hatte er, so viel er erreichen konnte, toedten lassen, und sehr wenige waren entkommen, die roemischen Edelleute hatte er gewonnen, im Cardinals-Collegium hatte er die meisten auf seiner Seite. Was aber die Eroberungen betrifft, so hatte er es darauf angelegt, Toscana unter sich zu bringen: Perugia und Piombino aber besass er wirklich, und Pisa hatte er unter seinen Schutz genommen. Gleich als wenn er auf Frankreich gar keine Ruecksicht mehr zu nehmen haette, (und wirklich konnte er dessen ueberhoben sein, nachdem die Spanier den Franzosen das Koenigreich Neapel abgenommen hatten, und nunmehro beide Theile sich um seine Freundschaft bewerben mussten) erklaerte er sich zum Herrn von Pisa, worauf Lucca und Siena fallen mussten, theils wegen der Eifersucht gegen Florenz, theils aus Furcht; Florenz selbst hatte keinen Ausweg. Wenn dies gelungen waere (und es musste in dem naemlichen Jahre gelingen, in welchem Alexander starb), so erwarb er solchen Namen und solche Kraefte, dass er fuer sich selbst bestehen konnte, ohne von dem Schicksale oder der Macht eines Andern abhaengig zu sein, sondern ganz allein von eigner Macht und Tapferkeit. Aber Papst Alexander starb fuenf Jahre nachdem er das Schwert gezogen hatte. Er hinterliess seinen Sohn in folgender Lage. In Romagna allein festgegruendete Herrschaft; mit allen uebrigen noch in der Luft, und zwischen zwei sehr maechtigen feindlichen Heeren; dazu toedtlich krank. Der Herzog hatte solchen frechen Muth und solche Ueberlegenheit des Gemueths, er wusste so gut, wie man Menschen fuer sich gewinnt, und die Fundamente seiner Herrschaft, die er in so kurzer Zeit gelegt hatte, waren so fest gegruendet, dass er alle Schwierigkeiten ueberwunden haette, wenn er nicht nur jene beiden feindlichen Heere auf dem Halse gehabt, oder gesund gewesen waere. Dass sein Ansehn gut begruendet war, dafuer dient zum Beweise, dass man ihn in Romagna ueber einen Monat lang ruhig erwartete; dass er in Rom selbst halb todt sicher war, und dass die Baglioni Vitelli und Orsini, die nach Rom kamen, sich keinen Anhang gegen ihn machen konnten. Er konnte, wo nicht den neuen Papst machen, doch verhindern, dass Keiner Papst werde, den er nicht wollte. Waere er vollends beim Tode Alexanders gesund gewesen, so war ihm Alles leicht. Am Tage selbst, da Julius der Zweite auf den paepstlichen Stuhl erhoben ward, sagte er mir, er haette an Alles gedacht, was beim Tode seines Vaters vorgehen koenne, und Mittel gegen Alles ausgefunden; nur daran habe er nicht gedacht, dass er zu gleicher Zeit nahe am Tode sein koenne. Wenn ich nun alle Handlungen des Herzogs zusammennehme, so kann ich ihn nicht tadeln. Vielmehr muss ich ihn allen denen als Muster aufstellen, die durch Glueck und fremde Macht zu einer Herrschaft gelangen. Bei seinem hohen Geiste und dem Ziele, das er sich vorgesetzt hatte, konnte er nicht anders handeln. Der fruehe Tod seines Vaters und seine eigene toedtliche Krankheit waren es allein, die seine Plaene stoerten. Wer also in seiner neuen Fuerstenwuerde noethig findet, sich gegen Feinde sicher zu stellen, Freunde zu erwerben, zu siegen, sei es durch Gewalt oder durch List, sich beim Volke beliebt und gefuerchtet zu machen, Anhang und Ansehn unter Soldaten zu verschaffen, vertilgen die beleidigen koennten, oder es nach ihrer Lage muessen, die alte Ordnung der Dinge auf eigne Weise erneuern, streng und gnaedig sein, grossmuethig und freigebig, untreue Kriegsheere aufloesen, neue anwerben, die Freundschaft von Koenigen und Fuersten erlangen, so dass sie sich gern gefaellig beweisen, und hueten zu beleidigen, der wird kein lebendigeres Beispiel finden, als die Handlungen dieses Mannes. Der einzige Vorwurf, den man ihm machen kann, ist der Theil, den er an der Wahl Papst Julius des Zweiten nahm. Denn, wenn er gleich, wie oben gesagt ist, keinen Papst nach seinem eignen Sinne machen konnte, so vermochte er doch zu verhindern, und durfte nie einwilligen, dass einer von den Cardinaelen erhoben wuerde, die ihn beleidigt hatten, oder die ihn, sobald sie den paepstlichen Stuhl bestiegen hatten, fuerchten mussten. Denn die Menschen befeinden, entweder aus Hass oder aus Furcht. Diejenigen, die ihn beleidigt hatten, waren unter Andern der Cardinal von San Pietro ad Vincula, Colonna, San Giorgia, Ascania. Alle andern aber mussten ihn fuerchten, sobald sie Papst wurden: nur allein den von Rouen und die spanischen ausgenommen. Diese wegen Verwandtschaft und Verbindlichkeiten; Jener, weil er dazu durch seine Verbindung mit dem Koenige von Frankreich zu maechtig war. Der Herzog musste also vor allen Dingen darauf dringen, dass einer von den spanischen Cardinaelen zum Papst gewaehlt wuerde. Konnte er das nicht durchsetzen, so musste er seine Zustimmung dem Cardinal von Rouen geben, und nicht dem von San Pietro ad Vincula.(13) Denn wer da glaubt, dass neue Wohlthaten bei den Grossen alte Beleidigungen vergessen machen, der irrt sich. Der Herzog beging mithin bei dieser Wahl einen Fehler, welcher Ursache seines eignen Untergangs geworden ist. 8. Von Denjenigen, welche durch Verbrechen zur Herrschaft gelangen. Es gibt noch zwei Wege, aus dem Privatstande zur fuerstlichen Wuerde zu gelangen, ohne sie weder ganz dem Gluecke, noch der eignen Kraft und Tugend zu verdanken. Ich will sie also hier erwaehnen, obgleich von dem einen ausfuehrlicher da gehandelt werden mag, wo von Republiken die Rede ist. Sie sind folgende. Wenn Jemand auf verbrecherischen und verruchten Wegen zur Herrschaft gelangt; und wenn der Buerger eines Freistaates durch die Gunst seiner Mitbuerger auf den Fuerstenstuhl erhoben wird. Hier also zuerst von jenem ersten Wege, von dem ich zwei Beispiele anfuehren will; ein altes und ein neues: ohne jedoch weiter in die Untersuchung darueber einzugehen, weil sie nach meinem Urtheile fuer denjenigen hinlaenglich klar sind, der sich im Falle befindet, sie nachahmen zu muessen. Agathokles, der Sicilianer, ward nicht allein aus dem Stande eines Privatmannes, sondern sogar aus der niedrigsten und verworfenen Lage Koenig von Syracus. Er war der Sohn eines Goldschmieds, und fuehrte durch alle Stufen seines Gluecks ein verruchtes Leben. Daneben besass er aber solche Vorzuege des Geistes und des Koerpers, dass er vom Soldaten bis zum Praetor von Syracus aufstieg. Hierauf beschloss er, Fuerst zu werden und die Macht, die ihm eingeraeumt war, mit Gewalt an sich zu halten, ohne dem guten Willen weiter etwas zu verdanken. Er verabredete sich darueber mit dem Amilcar, der mit einem carthagischen Heere in Sicilien stand; berief eines Morgens den Senat und das Volk von Syracus zusammen, unter dem Vorwande, dass er ueber Angelegenheiten des gemeinen Wesens zu rathschlagen haette; liess aber auf ein gegebenes Zeichen durch seine Soldaten alle Rathsherrn und die Reichsten vom Volke ermorden. Nachdem dieses vollbracht war, ergriff er die Herrschaft und hielt sie an sich, ohne dass irgend welche innere Bewegungen im Staate erfolgt waeren. Er ward zwar zweimal von den Carthaginiensern geschlagen und zuletzt belagert, blieb aber doch nicht allein im Stande, die Stadt zu vertheidigen, sondern mit einem Theile seiner Macht, wovon er den andern zurueckliess, Afrika selbst anzugreifen, dadurch Syracus in kurzer Zeit zu befreien und die Carthaginienser in das aeusserste Gedraenge zu bringen. Diese wurden genoethigt, sich mit ihm zu vergleichen, sich mit Afrika zu begnuegen und ihm Sicilien zu lassen. Wer seine Handlungen und seine Tapferkeit erwaegt, wird finden, dass hier in der That wenig dem Gluecke beigemessen werden kann: da er, so wie oben gesagt worden, nicht durch Gunst eines Andern, sondern vielmehr durch ein mit vielem Ungemache und Gefahren errungenes Aufsteigen im Heere zur fuerstlichen Wuerde gelangte, und diese mit so grosser Entschlossenheit und Dreistigkeit in Gefahren behauptete. Man kann es nicht Tugend nennen, seine Mitbuerger ermorden, Freunde verrathen, ohne Treu und Glauben sein, ohne menschliches Gefuehl, ohne Religion. So kann man wol zur Herrschaft gelangen, aber keinen Ruhm erwerben. Wenn man nur die kriegerischen Tugenden erwaegt, die Agathokles bewies, indem er sich in Gefahr begab und sie bestand: den grossen Sinn, womit er das Unglueck ertrug und bestand: so ist nicht abzusehen, worin er eben von den groessten Feldherrn so sehr uebertroffen werde. Aber seine wilde Grausamkeit, sein Mangel an menschlichem Gefuehle und zahllose Unthaten erlauben nicht, ihn unter die vorzueglichsten Menschen zu zaehlen. Man kann also weder dem Gluecke noch seiner Tugend zuschreiben, was er ohne das Eine und ohne das Andre erlangt hat.(14) Zu unsern Zeiten ist unter der Regierung Papst Alexander des Sechsten der Oliverotto von Fermo, der vor gar wenigen Jahren noch ganz klein gewesen war, von einem Oheime muetterlicher Seite, Namens Giovanni Fogliano, erzogen, und in seinen ersten Jugendjahren zum Kriegsdienste unter Paul Vitelli angehalten, damit er durch diese Zucht zu einer angesehenen Kriegsstelle gelangen moechte. Nach Pauls Tode diente er unter dessen Bruder Vitellozzo, und als ein Mensch von lebhaftem Verstande, von koerperlichen und geistigen Vorzuegen, ward er in kurzer Zeit einer der Ersten in dem Heere. Da es ihm aber zu niedrig war, unter Andern zu dienen, so versuchte er durch Hilfe einiger Buerger von Fermo, die lieber Knechte sein, als ihr Vaterland frei sehen mochten, und durch Unterstuetzung des Vitellozzo die Stadt Fermo unter sich zu bringen, und schrieb an Giovanni Fogliani, dass er nach so vielen Jahren einmal nach Hause kommen und nach seinem Erbtheile sehen wolle; weil er aber bis dahin nur nach Ehre gestrebt habe, so wolle er, damit seine Mitbuerger saehen, wie er seine Zeit nicht vergeblich verwandt habe, auf eine anstaendige Art und in Begleitung von hundert Reitern, Freunden und Anhaengern, erscheinen. Er baete also, die Einwohner von Fermo moechten bewogen werden, ihn recht anstaendig zu empfangen; was ja ihm, seinem Oheime selbst, der ihn erzogen, zur Ehre gereichen wuerde. Giovanni versaeumte nichts gegen seinen Neffen, bereitete ihm einen ehrenvollen Empfang von den Einwohnern von Fermo und nahm ihn in seinem Hause auf, wo der Oliverotto nach einigen Tagen, die mit Zubereitungen zu seiner Schandthat zugebracht wurden, ein Gastmahl gab, zu welchem er den Giovanni selbst und Alles, was in Fermo angesehen war, einlud. Nachdem die Mahlzeit und was sonst bei solchen Festen vorzugehen pflegt, beendigt war, fing Oliverotto absichtlich ernsthafte Gespraeche an, redete vom Papst Alexander und seinem Sohne Caesar und deren Unternehmungen. Da Giovanni und Andre sich hierauf einliessen, stand er ploetzlich auf, sagte, dies seien Sachen, die in einem geheimern Orte abgehandelt werden muessten, und zog sich in eine Kammer zurueck, wohin ihm Giovanni und andre Buerger folgten. Kaum aber hatten sie sich gesetzt, so brachen aus verborgenen Orten Soldaten hervor, die den Giovanni und alle Andern umbrachten. Nach dieser Mordthat stieg Oliverotto zu Pferde, eilte durch die Stadt und schloss die Magistratspersonen im Rathhause ein. Diese wurden durch Furcht bewogen sich ihm zu unterwerfen, und ihn an die Spitze des Staates zu stellen. Da nun Alle, deren uebler Wille ihm schaden konnte, getoedtet waren, so befestigte er seine Herrschaft durch neue Anordnungen, buergerliche und militaerische: so dass er waehrend des Jahres, da er die Herrschaft behielt, nicht allein in Fermo sicher, sondern auch allen Nachbarn furchtbar war. Es waere schwer gewesen, ihn zu ueberwaeltigen, eben wie den Agathokles; wenn er sich nicht mit den Orsini und Vitelli von dem Caesar Borgia zu Sinigaglia (wie oben bereits erwaehnt ist) ins Garn haette locken lassen, wo er zusammt dem Vitellozzo, seinem Lehrmeister in Heldentugenden und Schandthaten, erdrosselt ward. Man koennte die Frage aufwerfen, wie es zugehe, dass Agathokles und mancher Andre nach so vielen Verraethereien und Grausamkeiten lange in ihrer Vaterstadt sicher leben und sich gegen auswaertige Feinde wehren koennen, auch keinen Verschwoerungen ihrer Mitbuerger ausgesetzt gewesen: wohingegen Andre wegen ihrer Grausamkeit sich nicht einmal im Frieden, geschweige denn in den so gefaehrlichen Zeiten des Krieges, auf ihrer Stelle behaupten konnten? Ich glaube, dass dieses von der rechten oder schlechten Anwendung der Grausamkeit herruehrt. Eine wohl angebrachte Grausamkeit (wenn es anders erlaubt ist, diesen Ausdruck zu gebrauchen) ist diejenige, welche ein einziges Mal zu eigner Sicherheit ausgeuebt, und naechstdem, so viel moeglich, zum Vortheile der Unterthanen benutzt wird. Schlecht angebrachte Grausamkeit ist diejenige, die klein anfaengt und mit der Zeit eher ab- als zunimmt. Diejenigen, welche den ersten Weg einschlagen, koennen, wenn Gott will, mit Hilfe andrer Menschen, so wie Agathokles, ihre ueble Lage verbessern. Die Andern koennen sich gar nicht halten. Es ist also wohl zu merken, dass derjenige, welcher sich der Herrschaft in einem Staate bemaechtigen will, alle Grausamkeiten mit Einem Male vollfuehren muesse, um nicht alle Tage wieder anzufangen, und dass er wohl thue, die Freundschaft der Menschen zu erwerben, indem er von seiner Macht, ihnen wehe zu thun, keinen Gebrauch macht. Wer anders handelt, sei es aus Furcht oder aus Mangel an gutem Rathe, muss das Schwert bestaendig in der Hand halten, und kann sich nie auf seine Unterthanen verlassen, weil diese wegen der unaufhoerlich erneuerten Beleidigungen kein Zutrauen zu ihm fassen koennen. Alle Verletzungen Andrer muessen auf Einmal geschehen, damit sie weniger ueberdacht und besprochen, und weniger tief gefuehlt werden. Wohlthaten aber muessen nach und nach erzeigt werden, damit man sich unaufhoerlich damit beschaeftige. Vor allen Dingen aber muss ein Fuerst sich einen Plan vorzeichnen, der gut genug ueberdacht ist, damit er sich weder durch guenstige noch schlimme Zufaelle bewegen zu lassen brauche, davon abzugehen: denn wenn schlimme Zeiten eintreten, so ist es nicht der Augenblick zu harten Verfuegungen, und von wohlthaetigen hat man keinen Dank, weil sie erzwungen scheinen. 9. Vom Volke uebertragene Herrschaft. Ich komme zu dem zweiten Falle: wenn naemlich Einer aus dem Volke nicht durch Verbrechen und Schandthaten, sondern durch die Gunst seiner Mitbuerger Fuerst in seinem Vaterlande wird. Dieses Fuerstentum von ganz eigner Art koennte man allenfalls ein buergerliches nennen. Es wird nicht blos durch Talente oder Glueck, sondern vielmehr nur durch eine glueckliche und schlaue Geschicklichkeit erworben. Man gelangt dazu mittelst einer Beguenstigung, entweder des Volks, oder der Grossen in ihm. Denn in jedem Staate gibt es zwei verschiedene Gemuethsbewegungen, die daher ruehren, dass das Volk die Herrschaft und Unterdrueckung des Grossen nicht ertragen mag, die Grossen aber das Volk zu beherrschen und zu unterdruecken trachten. Aus dem Streite dieser verschiedenen Bestrebungen entsteht entweder eine Alleinherrschaft, oder die Freiheit, oder unbaendige Gesetzlosigkeit. Die Herrschaft wird entweder vom Volke oder von den Grossen herbeigefuehrt, nachdem der eine oder andre Theil dazu Veranlassung erhaelt. Denn wenn die Grossen sehen, dass sie dem Volke nicht widerstehen koennen, so suchen sie Einem unter sich einen grossen Namen zu machen und erheben ihn zum Fuersten, um unter dem Schutze seines Ansehns ihre eignen Begierden zu befriedigen. Ebenfalls das Volk macht, wenn es sieht, dass es den Grossen nicht widerstehen kann, einen vorzueglich Angesehenen zum Fuersten, um von ihm geschuetzt zu werden. Wer durch Hilfe der Grossen Fuerst wird, erhaelt sich schwerer als der, den das Volk dazu gemacht hat. Denn er findet sich umgeben von Vielen, die sich ihm gleich duenken, und die er nicht nach seinem Sinne zu behandeln und ihnen zu befehlen vermag. Aber derjenige, welcher durch die Gunst des Volks Fuerst wird, steht ganz allein so hoch, und ist mit wenigen Ausnahmen von lauter Leuten umgeben, die ihm zu gehorchen bereit sind. Ausserdem kann er auch die Grossen nicht befriedigen, ohne Andre zu beleidigen; wohl aber das Volk: denn die Wuensche desselben sind viel billiger, als die Wuensche der Grossen. Diese wollen unterdruecken: jenes aber ist zufrieden, wenn es nur nicht unterdrueckt wird. Hierzu kommt noch, dass der Fuerst sich eines feindselig gesinnten Volkes gar nicht versichern kann, weil dessen zu viele sind: wohl aber deren, die nur wenige sind. Das Schlimmste, was derjenige zu fuerchten hat, dem das Volk abgeneigt ist, besteht darin, von ihm verlassen zu werden: aber wem die Grossen feind sind, der laeuft Gefahr, dass sie ihn nicht allein verlassen, sondern selbst gegen ihn aufstehen: weil sie mehr Einsicht und mehr Schlauheit haben, zum Voraus auf ihre Sicherheit denken, und sich bei demjenigen beliebt zu machen suchen, von dem sie glauben, er werde den Sieg davontragen. Der Fuerst ist ausserdem genoethigt, bestaendig mit dem naemlichen Volke verbunden zu bleiben; er kann hingegen ohne die Grossen fertig werden, weil er darunter nach Gefallen erheben und erniedrigen, Ansehn geben und nehmen mag. Um dieses noch in helleres Licht zu setzen, sage ich, dass es zwei Arten gibt, die Grossen zu behandeln. Sie betragen sich naemlich also, dass sie sich entweder ganz an dich haengen oder nicht. Diejenigen, welche sich dir verpflichten und nicht habsuechtig sind, muessen in Ehren gehalten werden und verdienen grosse Zuneigung. Diejenigen hingegen, welche sich dir nicht verpflichten wollen, muessen wieder auf zwei verschiedene Arten betrachtet werden. Entweder sie thun dies aus Feigheit und natuerlichem Mangel des Muthes. Solcher muss man sich bedienen: absonderlich wenn sie Verstand haben; denn so lange es gut geht, wird man von ihnen geehrt, und im Ungluecke hat man sie nicht zu fuerchten. Wenn sie sich aber aus ehrgeizigen Absichten nicht verpflichten wollen, beweisen sie damit, dass sie mehr an sich selbst, als an dich denken. Vor diesen muss sich der Fuerst hueten, und sie als heimliche Feinde behandeln, denn sie sind wirklich immer bereit, im Ungluecke zuzutreten und ihn mit zu stuerzen. Wer durch das Volk Fuerst wird, muss das Volk zum Freunde zu behalten suchen. Dies ist leicht, da es zufrieden ist, wenn es nur nicht gedrueckt wird. Wer aber gegen den Willen des Volks durch den Beistand der Grossen Fuerst wird, muss vor allen Dingen suchen das Volk zu gewinnen, was ja sehr leicht ist, wenn er es nur in Schutz nimmt. Und da die Menschen einem Wohlthaeter, von dem sie Uebles erwarteten, desto dankbarer werden, so wird das Volk ihm noch mehr unterthan, als wenn es ihn selbst erhoben haette. Die Mittel und Wege, wodurch der Fuerst das Volk gewinnen kann, sind mannichfaltig, und richten sich ganz nach den Umstaenden, weshalb ich sie ganz uebergehe. Ich ziehe indessen den allgemeinen Schluss, dass man suchen muesse, das Volk auf seine Seite zu ziehen, weil sonst im Unglueck kein Rettungsmittel ist. Nabis, der Fuerst der Spartaner, hielt eine Belagerung von allen Griechen aus und von einem siegreichen roemischen Heere; er vertheidigte sich und seinen Staat dagegen, und dazu war es hinreichend, sich einiger weniger Personen zu versichern. Waere das Volk ihm feind gewesen, so haette jenes nicht hingereicht. Man setze mir auch nicht das bekannte Sprichwort entgegen, dass, wer sich auf das Volk verlaesst, auf den Sand bauet. Denn dieses ist nur alsdann wahr, wenn ein Buerger etwa die Hilfe des Volks gegen die angebliche Unterdrueckung seiner Feinde oder der Obrigkeit anruft. In diesem Falle kann er sich gar leicht mit falscher Hoffnung taeuschen, so wie es dem Gracchus zu Rom und zu Florenz dem Georg Scali(15) ging. Ein Fuerst aber, der zu befehlen versteht und Herz hat, darf nur im Ungluecke nicht weichen, sondern fahre fort Veranstaltungen zu treffen, halte dreist auf seine Anordnungen und suche das Volk zu beleben. Er wird sich in seiner Erwartung von ihm nicht betrogen finden. Solche Herrschaften gerathen in Gefahr, wenn sie aus einer eingeschraenkten Verfassung zur freien Alleinherrschaft aufzusteigen suchen. Denn diese Fuersten fuehren ihre Sache selbst oder durch Magistratspersonen. Im letztern Falle ist ihre Macht unsicher und schwach, weil sie von denen, welche die obrigkeitlichen Stellen verwalten, gar sehr abhaengen. Diese koennen, absonderlich im Ungluecke, leicht das Oberhaupt umwerfen, indem sie sich ihm widersetzen, oder auch nur den Gehorsam verweigern: der Fuerst aber darf in den gefaehrlichen Augenblicken nicht daran denken, die unbeschraenkte Herrschaft an sich zu reissen, weil die Buerger und Unterthanen, welche gewohnt sind, den obrigkeitlichen Personen zu gehorchen, ihm keine Folge leisten, und es ihm schwer wird, Personen zu finden, denen er trauen kann. Diese Fuersten kennen sich gar nicht auf das verlassen, was sie in ruhigen Zeiten sehen, da die Buerger der oeffentlichen Ordnung beduerfen. Alsdann laeuft Jeder, verspricht Alles und will fuer ihn das Leben lassen, so lange der Tod entfernt ist. In ungluecklichen Zeiten aber, wo der Staat Buerger noethig hat, finden sich wenige. Ein solches Experiment ist desto gefaehrlicher, da man es nur ein einziges Mal machen kann. Ein kluger Fuerst muss daher auf Mittel denken, zu bewirken, dass seine Unterthanen seine Herrschaft bestaendig und zu allen Zeiten und unter allen Umstaenden beduerfen - dann werden sie ihm treu bleiben. 10. Wie die Kraefte der Fuerstentuemer zu schaetzen sind. Bei der Betrachtung der Beschaffenheiten aller dieser Herrschaften kommt es noch darauf an, ob ein Fuerst so viel vermag, dass er sich selbst im Falle der Noth vertheidigen kann, oder ob er dazu fremder Hilfe bedarf. Um dieses deutlicher zu machen, sage ich, dass diejenigen ihre Herrschaften selbst zu behaupten vermoegen, welche Menschen oder Geld genug besitzen, um eine zureichende Armee aufzustellen, und demjenigen, der sie angreift, eine Schlacht zu liefern. Dahingegen beduerfen diejenigen allezeit fremder Hilfe, welche nicht gegen den Feind in das Feld ruecken koennen, sondern genoethigt sind, sich hinter ihre Mauern zurueck zu ziehen, um nur diese zu vertheidigen. Vom ersten dieser Faelle ist bereits oben geredet, und wird in der Folge noch Mehreres vorkommen. Im zweiten Falle kann man dem Fuersten nichts Anderes rathen, als seine Stadt zu befestigen, und das Land preiszugeben. Wer seine Stadt wohl befestigt und sich gegen Nachbarn und eigne Unterthanen so betragen hat, wie hier oben angerathen ist, und ich ferner anrathen werde, der wird auch nicht leichtsinnig angegriffen werden, weil Niemand gern Dinge unternimmt, die Schwierigkeiten haben; und es so leicht nicht ist, den anzugreifen, der wohl befestigt ist, und seine eignen Unterthanen zu Freunden hat. Die deutschen Staedte haben grosse Freiheiten, wenig Territorium, gehorchen dem Kaiser so viel sie Lust haben, und fuerchten weder dieses noch irgend eines andern Benachbarten Macht, weil sie auf solche Art befestigt sind, dass jeder wohl fuehlen muss, wie schwierig und langweilig es ist, sie zu erobern: sie haben naemlich Wall und Graben, Geschuetz in zureichender Menge, Lebensmittel und Holz zur Feuerung, auf ein Jahr in Vorrath. Ausserdem haben sie die Veranstaltung, das Volk, ohne Nachtheil des Gemeinwesens, auf ein Jahr in dem Gewerbe, wovon die kleinen Buerger leben, beschaeftigen zu koennen, um ihm seinen Unterhalt zu verschaffen. Auch halten sie die Kriegs-Uebungen in Ehren, und haben dazu mancherlei Anordnungen. Der Fuerst, der eine Festung besitzt, und bei seinem Volke nicht verhasst ist, kann nicht angegriffen werden: und wuerde er es, so muesste der Feind mit Schanden abziehen; denn die Zufaelle sind in dieser Welt so mannichfaltig, dass es beinahe unmoeglich ist, ein ganzes Jahr das Feld zu halten, um ihn zu belagern. Und wenn man etwa antwortete, dass das Volk, welches seine Besitzungen draussen hat und selbige verheeren sieht, es ueberdruessig werden und seinen Fuersten verlaeugnen wird, so antworte ich, dass ein maechtiger und entschlossener Fuerst diese Schwierigkeiten stets ueberwinden wird; indem er bei seinen Unterthanen bald die Hoffnung erregt, es werde nicht lange mehr waehren, bald Furcht vor der Grausamkeit des Feindes einfloesst, endlich auch sich auf eine geschickte Art derer versichert, welche ihm zu dreist scheinen. Ausserdem ist der Feind genoethigt, damit anzufangen, das Land mit Feuer und Schwert zu verheeren, waehrend die Buerger noch guten Muth und Lust zur Verteidigung haben. Der Fuerst darf daher um so weniger Anstand nehmen: denn wenn die Gemuether sich abkuehlen, so ist der Schade schon geschehen; es ist vergeblich, darueber zu klagen und die Menschen werden sich desto enger mit dem Fuersten vereinigen, fuer den sie ihre Habe und Gut preisgegeben haben, wofuer er ihnen Dank schuldig ist. Der menschlichen Natur ist es gemaess, sich durch das Gute, was man Andern erzeigt, eben sowol zu verbinden, als durch das, was man empfaengt. Wenn man dieses Alles erwaegt, so wird man finden, dass es einem Fuersten nicht schwer ist, die Gemuether seiner Unterthanen bei einer Belagerung festzuhalten, wenn er nur Lebens- und Vertheidigungsmittel genug hat. 11. Von geistlichen Fuerstenthuemern. Es bleibt nur noch uebrig, von geistlichen Herrschaften zu reden, bei welchen alle Schwierigkeiten nur vorhanden sind, bis man zum Besitze gelangt ist: denn sie werden durch ausgezeichnete Kraft oder durch Glueck erworben; aber erhalten, ohne das eine und ohne das andre; denn sie beruhen auf den alten heiligen Einrichtungen der Religion, welche maechtig genug sind, ihre Haeupter in ihren Stellen zu erhalten, sie moegen sich auffuehren wie sie wollen. Diese allein haben eine hohe Stelle, und brauchen sie nicht zu vertheidigen; sie haben Unterthanen und regieren sie nicht; ihre Staaten werden nicht vertheidigt und ihnen doch nicht genommen. Ihre Unterthanen bekuemmern sich nicht darum, dass sie nicht regiert werden, und denken nicht daran, sich ihnen zu entziehen, koennen es auch nicht. Diese Fuersten also sind allein sicher und gluecklich. Aber da dieses von hoehern Ursachen abhaengt, an die der menschliche Verstand nicht reicht, so will ich nicht davon reden. Gott schuetzt sie: es waere vorwitzig und dreist, wenn der Mensch darueber urtheilen wollte. Wenn mich aber Jemand befragte, wie es zugegangen, dass die Kirche zu solchem weltlichen Staate gelangt, und dass, nachdem bis auf Alexander den Sechsten jeder, ich sage nicht maechtige italienische Fuerst, sondern jeder Baron und Freiherr, sich im Weltlichen nichts daraus machte; gegenwaertig der Koenig von Frankreich davor zittert, und von ihr aus Italien vertrieben ist; Venedig daneben zu Grunde gerichtet: so will ich darueber folgendes obwol schon genugsam Bekannte, in das Gedaechtniss zurueckrufen. Bevor Karl der Achte nach Italien kam, war dieses Land unter den Papst, Venedig, den Koenig von Napoli, den Herzog von Mailand und die Florentiner vertheilt. Diese Maechte hatten ihr Augenmerk auf zwei Dinge zu richten: erstens darauf, dass keine fremde Macht mit den Waffen eindringe; zweitens, dass keine unter ihnen selbst die Oberhand gewoenne. Diejenigen, welchen dieses am meisten anlag, waren der Papst und Venedig. Um den letztern Staat klein zu halten, mussten sich alle uebrigen vereinigen, so wie sie es auch wirklich thaten, um Ferrara zu verteidigen. Den Papst zurueckzuhalten, bediente man sich der roemischen Barone, welche in zwei Factionen getheilt waren, die Orsini und die Colonna. Unaufhoerliche Uneinigkeiten unter diesen veranlassten sie stets, unter den Augen des Papstes in den Waffen zu sein, und dieses hielt den heiligen Stuhl klein und schwach. Und wenn gleich dann und wann ein Mann von Geist den paepstlichen Stuhl bestieg, so wie Sixtus (der Vierte), so konnte doch weder Glueck noch Verstand von diesen Verhaeltnissen befreien. Die Kuerze ihrer Regierung war eine Ursache. Denn in zehn Jahren (so lange dauerte eine paepstliche Regierung im Durchschnitte) konnte kaum eine der beiden Parteien herunter gebracht werden: und wenn zum Beispiel der Eine die Colonna und ihre Anhaenger gedemuethigt hatte, so folgte Einer, der den Orsini feind war, und hob jene, die in der kurzen Zeit nicht ganz vertilgt sein konnten, wieder empor. Daher kam es, dass die weltliche Macht des Papstes in Italien so wenig geachtet ward. Es stand inzwischen Alexander der Sechste auf und bewies besser, als irgend ein Andrer jemals gethan hat, wie viel ein Papst mit Geld und mit seinen Kraeften ausrichten kann. Er bewerkstelligte mittelst seines Sohnes, des Herzogs von Valentinois, und bei Gelegenheit des Einmarsches franzoesischer Heere, alles das, was ich oben, als ich von der Handlungsweise des Herzogs sprach, auseinandergesetzt habe. Seine Absicht ging nicht dahin, den heiligen Stuhl gross zu machen, sondern nur sich selbst. Durch die Wendung, die die Sache nahm, gewann aber der Stuhl, welcher nach seinem Tode die Fruechte aller Arbeiten des Herzogs erbte. Auf ihn folgte Julius der Zweite, welcher den Stuhl schon gross und maechtig fand, da er die Romagna besass, und daneben alle roemischen Barone durch Alexanders Bemuehungen zerschlagen waren. Daneben besass er Mittel, Geld zusammen zu bringen, die man vor Alexander nicht gekannt hatte. Julius trat in dessen Fusstapfen, suchte Bologna zu erwerben, Venedig herunter zu bringen und die Franzosen aus Italien zu vertreiben. Dieses gelang ihm Alles zusammen, und gereicht ihm zu so viel groesserer Ehre, da er es nicht zu eignem Privatvortheile, sondern zu Gunsten des Stuhles unternahm. Die Parteien Colonna und Orsini erhielt er in dem Zustande, worin er sie fand. Obwol einige Ursache zu Uneinigkeiten zwischen ihnen vorhanden war, mussten sie doch ruhig bleiben: erstens, weil ihnen die Groesse des paepstlichen Stuhls imponirte, und zweitens, weil sie beide keine Cardinaele unter sich hatten, von denen immer alle Unruhen herruehren. So oft Cardinaele aus diesen Haeusern sind, so koennen diese nicht ruhig sein, weil jene in und ausser Rom die Parteiungen unterhalten, und die Barone genoethigt sind, sie zu vertheidigen. Aus dem Ehrgeize solcher Praelaten entstehen mithin die Zwistigkeiten und Aufruhr unter den Baronen. Es hat also Papst Leo den heiligen Stuhl schon gross und maechtig gefunden, und so wie seine obgedachten Vorfahren ihn durch die Waffen gehoben haben, so ist zu hoffen, dass er ihm durch seine grossen persoenlichen Eigenschaften und seine Milde Ansehen verschaffen werde. 12. Von den verschiedenen Arten der Truppen. Nachdem ich die verschiedenen Beschaffenheiten der Herrschaften erwogen, von denen ich mir vornahm zu reden, und die Ursachen angezeigt, aus denen es ihnen wohl oder uebel ergeht, nebst den Mitteln, womit man versucht hat, sie zu erwerben und zu erhalten, so bleibt mir noch uebrig, im Allgemeinen die Arten des Angriffs und der Vertheidigung durchzugehen, welche dabei vorkommen koennen. Wir haben bereits erwaehnt, dass eine Herrschaft auf guten Gruenden beruhen muesse, wenn sie nicht zusammenstuerzen soll. Die hauptsaechlichste Stuetze aller Staaten, der neuen wie der alten und der vermischten, sind gute Gesetze und tuechtige Kriegsmacht. Gute Gesetze koennen nicht bestehen ohne eine gute Kriegsmacht. Diese aber setzt gute Gesetze voraus. Ich lasse also die Gesetzgebung liegen und rede von der Bewaffnung; ich sage, dass die Kriegsmacht, womit ein Fuerst seinen Staat vertheidigt, entweder aus eigner oder gemieteter Mannschaft oder aus Hilfstruppen besteht, oder aus diesen allen zusammen. Gemiethete Mannschaft und Hilfstruppen sind unnuetz und gefaehrlich. Wer seine Herrschaft durch Miethlinge zu schuetzen denkt, steht nicht fest, und kann nie sicher sein, weil diese unter sich uneins, unbaendig, ohne Disciplin, untreu, uebermuethig gegen ihre Freunde, feig gegen die Feinde sind, Gott nicht fuerchten und treulos gegen die Menschen handeln. Der Untergang ist also nur bis dahin verschoben, wo der Angriff erfolgt. Im Frieden wird man von ihnen selbst beraubt; im Kriege vom Feinde. Die Ursache hiervon ist, dass sie nicht aus Zuneigung und aus keiner andern Ursache im Felde erhalten werden, als um eines geringen Soldes willen, deswegen sie ihr Leben nicht preisgeben werden. So lange kein Krieg zu fuehren ist, wollen sie wol Soldaten sein: so wie aber der Feldzug eroeffnet wird, laufen sie davon oder gehen nach Hause. Es sollte wol ohne viele Muehe einleuchten, dass dies sich also verhaelt; da Italien aus keiner andern Ursache zu Grunde gegangen ist, als weil man sich so viele Jahre lang auf Miethstruppen verlassen hat, welche dann und wann einige Vortheile uebereinander erhielten und ganz tapfer schienen; sobald aber fremde Heere kamen, zeigte es sich, wie sie beschaffen waren. Daher konnte Karl der Achte Italien so geschwind ueberziehen. Wer behauptete, dies geschehe um unsrer Suenden willen, hatte ganz Recht: aber nicht um derjenigen willen, die darunter verstanden wurden, sondern wegen derer, die ich angegeben habe. Die Fuersten hatten die Fehler begangen und mussten dafuer leiden. Ich will die ungluecklichen Folgen solcher Vertheidigungsanstalten noch besser beweisen. Die gedungenen Feldherren sind entweder vorzuegliche Kriegshelden oder nicht. Im ersten Falle kann man sich auf sie nicht verlassen, weil sie nach eigner Groesse streben, und deshalb darauf denken, entweder denjenigen selbst, der sie gedungen hat, oder Andre gegen den Willen desselben zu unterdruecken. Ist der Feldhauptmann kein rechter Krieger, so geht derjenige gemeiniglich zu Grunde, der ihn gedungen hat. Will man hierauf antworten, dass es einerlei sei, ob derjenige, der die Kriegsmacht anfuehrt, gedungen ist oder nicht, dass er in einem Falle handeln werde, wie im andern, so erwidre ich, dass ein jeder Fuerst selbst ins Feld gehen und sein eigner General sein muesse; Republiken aber Einen ihrer Mitbuerger an die Spitze des Heeres stellen muessen, denselben zurueckrufen, wenn er sich nicht hinlaenglich geschickt beweiset, und wenn er der Sache gewachsen ist, ihn im Zaume der Gesetze halten. Die Erfahrung beweist es, dass Fuersten und Republiken durch eigne Truppen allein Fortschritte machen, und dass Soeldnerheere nur Unglueck anrichten. Eine Republik, welche sich mit eignen Waffen vertheidigt, wird nicht so leicht von einem ihrer Mitbuerger unterjocht, als wenn sie ein gedungenes Heer haelt. Rom und Sparta sind viele Jahrhunderte lang bewaffnet und frei gewesen. Die Schweizer sind hoechst kriegerisch und frei. Von Miethstruppen aber gibt Carthago ein Beispiel, welches nach dem ersten Kriege mit den Roemern von ihnen unterdrueckt ward, obgleich die Carthaginienser eigne Buerger zu Generalen bestellt hatten. Philipp von Macedonien ward von den Thebanern nach dem Tode des Epaminondas zum Feldherrn erwaehlt und nahm ihnen dafuer die Freiheit, sobald er einen Sieg erfochten hatte. Die Mailaender besoldeten nach dem Tode des Herzogs Filippo (Visconti) den Franz Sforza, um gegen die Venezianer Krieg zu fuehren. Sobald derselbe sie aber bei Caravaggio ueberwunden hatte, verband er sich mit ihnen gegen seine Dienstherren, die Mailaender. Sein Vater Sforza war im Dienste der Koenigin Johanna von Neapel, und liess diese mit einem Male ganz ohne Vertheidigungsmittel, so dass sie sich dem Koenige von Arragonien in die Arme werfen musste, um ihr Reich nicht zu verlieren. Wenn Venedig und Florenz sich durch solche Waffen vergroessert haben, und die Anfuehrer derselben sich nicht zu Herren haben aufwerfen koennen, so antworte ich auf diesen Einwurf, dass Florenz viel Glueck gehabt hat, indem von den tapfern Generalen, die ihm furchtbar wurden, einige im Kriege nicht gluecklich gewesen sind, andre Widerstand von andrer Seite her gefunden, endlich noch andre ihre ehrgeizigen Absichten auf andre Orte gerichtet haben; z. B. hat Giovanni Acuto(16) nicht gesiegt; daher nicht offenbar geworden, wie weit ihm zu trauen gewesen waere, wenn er gesiegt haette. Jeder aber muss eingestehen, dass er in diesem Falle mit Florenz machen konnte, was er wollte. Franz Sforza hatte bestaendig den Braccio und seine Leute sich gegenueber: einer hielt den andern zurueck. Francesco richtete seine Absichten auf die Lombardei, Braccio auf den Kirchenstaat und Neapel. Wir wollen die neusten Zeiten betrachten. Die Florentiner haben den Paolo Vitelli zu ihrem Feldherrn erwaehlt: einen tapfern Mann, der im Privatstande den groessten Ruhm erworben. Wenn derselbe Pisa erobert haette, so ist gar nicht zu laeugnen, dass er mit Florenz schalten konnte, wie er wollte; denn wenn er zu ihren Feinden ueberging, konnten sie nichts machen: und wenn er es mit ihnen ferner hielt, so mussten sie ihm gehorchen. Betrachtet man die Fortschritte der Venezianer, so wird man finden, dass diese sicher und gluecklich waren, so lange sie sich dazu ihrer eignen Kraefte bedienten: das ist, bis sie ihre Unternehmungen auf dem festen Lande anfingen; denn bis dahin hatten sie tapfer mittelst ihres eignen Adels und Volkes Krieg gefuehrt. So wie sie aber anfingen auf dem festen Lande Krieg zu fuehren, machten sie es wie die uebrigen Italiener. Im Anfange ihrer Eroberungen brauchten sie ihre Generale nicht sonderlich zu fuerchten, weil ihr Staat noch nicht sehr gross war, und sie dafuer desto groesseres Ansehen genossen. Als sie aber ansehnliche Fortschritte zu machen anfingen, welches unter dem Carmignuola geschah, merkten sie, dass sie auf falschem Wege waren. Sie sahen, wie gefaehrlich seine Tapferkeit ihnen zu werden drohte, und sobald sie unter seiner Anfuehrung den Herzog von Mailand geschlagen hatten und sahen, dass er nunmehr erkaltete, sie also keine weiteren Vortheile durch ihn zu hoffen haetten, ihn aber nicht entlassen konnten noch wollten, um das Erlangte nicht zu verlieren, so sahen sie sich genoethigt, ihn zu ihrer eignen Sicherheit ums Leben bringen zu lassen. Sie haben hierauf den Bartolomeo von Bergamo, Ruberto von San Severino, den Grafen von Pitigliano und andre Generale gedungen, bei denen sie nur zu fuerchten hatten, dass sie geschlagen wuerden, aber nichts von ihren Fortschritten besorgen durften: so wie es denn auch zu Vaila ging, wo sie in einer Schlacht Alles verloren, was sie in achthundert Jahren mit so vieler Muehe errungen hatten. Denn solches Kriegssystem bringt langsame und geringe Fortschritte, und ploetzlichen erstaunlichen Verlust mit sich. Da ich auf diese italienischen Beispiele gekommen bin, in welchem Lande Alles seit vielen Jahren mittelst gedungener Krieger ausgerichtet wird, so will ich darin noch etwas hoeher hinauf gehen, um den Ursprung und die Fortschritte des Uebels zu zeigen, damit man ihm desto besser begegnen moege. Da in den neuern Zeiten das kaiserliche Ansehn in Italien fiel, und das weltliche Ansehn des Papstes dagegen zunahm, war dieses Land in verschiedene Staaten zertheilt. Mehrere der grossen Staedte ergriffen die Waffen gegen die Herren, welche sie unter Beguenstigung des Kaisers in der Unterdrueckung hielten; der paepstliche Stuhl aber unterstuetzte jene, um sich weltliches Ansehn zu verschaffen. In manchen andern erhoben sich Buerger zur fuerstlichen Wuerde. Italien gerieth mithin gewissermassen in die Haende des heiligen Stuhls und einiger Republiken: Beide aber, Priester und Buerger, waren nicht an die Waffen gewoehnt, und fingen an Truppen zu miethen. Der Erste, der eine solche Miliz zu Ehren brachte, war Alberigo da Como Romagnuolo. Aus seiner Schule gingen unter Andern Braccio und Sforza hervor, die zu ihrer Zeit ueber Italien walteten. Auf sie folgten alle Andern, die bis zu unsern Zeiten die italienischen Heere befehligt haben. Das Ende ihrer Heldenthaten aber ist gewesen, dass Italien von Karl dem Achten ueberrannt, von Ludwig dem Zwoelften ausgepluendert, von Ferdinand von Arragonien bezwungen und von den Schweizern geschaendet worden. Jene Anfuehrer von Miethstruppen fingen damit an, das Fussvolk um seine Ehre zu bringen, um selbst zu groesserem Ansehn zu gelangen. Dieses thaten sie, weil sie selbst ohne Laender und auf persoenliche Mittel beschraenkt, mittelst weniger Fussvoelker kein grosses Ansehn erhalten, zahlreiche aber nicht ernaehren konnten. Sie beschraenkten sich also auf Reiterei, wo sie denn mittelst einer geringern Zahl Unterhalt und Ehre zu gewinnen vermochten. Die Sache war dahin gekommen, dass in einem Heere von 20,000 Mann kaum 2000 Mann zu Fuss waren. Ausserdem wandten sie Alles an, um sich und ihren Leuten Muehseligkeiten und Gefahr zu ersparen, indem sie in den Schlachten einander nicht toedteten, sondern ohne Verwundung gefangen nahmen. Sie machten des Nachts keine Angriffe auf die Festungen, keine Ausfaelle aus denselben, sie befestigten ihre Lager nicht und hielten das Feld nicht im Winter. Alles das war ihrer Kriegsordnung gemaess, und wie ich schon gesagt habe, ausgedacht, um Muehseligkeit und Gefahr abzuwenden. Italien ist darueber aber voellig in Sklaverei und Schande gerathen. 13. Von Hilfstruppen. Die zweite Art unnuetzer Kriegsmacht sind die Hilfstruppen: naemlich, wenn ein Maechtigerer angerufen wird, dich mit seinen Waffen zu unterstuetzen und zu vertheidigen, so wie neuerlich Papst Julius, nach der traurigen Erfahrung mit gedungener Mannschaft, die er bei Ferrara gemacht hatte, den Koenig Ferdinand von Arragonien anrief, dass er ihm mit seiner Armee zu Hilfe kommen moechte. Ein solches Heer kann wol fuer denjenigen, dem es angehoert, etwas Nuetzliches ausrichten; aber dem, der es herbeiruft, ist es allemal nachtheilig: denn wird es geschlagen, so bist du ueberwunden; und siegt es, so bist du selbst ihr Gefangener. Die alte Geschichte ist auch von solchen Beispielen voll: ich will aber bei dem vom Papst Julius stehen bleiben, welches noch ganz neu ist. Dieser haette keinen schlechtern Entschluss fassen koennen, als sich einem Fremden in die Arme zu werfen, um Ferrara zu erlangen. Zu seinem Gluecke kam ein Drittes dazwischen, so dass ihn die Folgen dieses Fehlers nicht trafen. Da naemlich seine Verbuendeten bei Ravenna geschlagen wurden, und die Schweizer aufstanden, welche gegen alle Erwartung die Sieger vertrieben, so fiel er weder in die Haende seiner Feinde, die eben geschlagen waren, noch seiner Freunde, weil Andere als sie den Sieg davongetragen hatten. Die Florentiner hatten selbst gar keine Armee, und fuehrten zehntausend Franzosen vor Pisa, um es zu erobern: woraus fuer sie selbst groessere Gefahr entstand, als worin sie sich jemals befunden hatten. Der Kaiser von Konstantinopel sandte zehntausend Tuerken nach Griechenland, um es gegen seine Nachbarn zu schuetzen. Nach beendigtem Kriege weigerten sie sich aber, es zu verlassen, und dies war der Anfang der Unterjochung von Griechenland durch die Unglaeubigen. Wer sich selbst in die Lage setzen will, auf keine Weise den Sieg davontragen zu koennen, der bediene sich solcher Hilfstruppen. Mit ihnen ist der Untergang zum Voraus ganz zubereitet, denn sie sind unter einander einig, und im Gehorsame eines Andern. Gedungene Mannschaft hat doch, wenn sie schon gesiegt hat, noch etwas Zeit noethig, und es muessen besondere Gelegenheiten entstehen: weil sie nicht ein eignes Corps ausmacht, von dir zusammengebracht und bezahlt ist, ein Dritter aber, den du ihnen zum Oberhaupte gibst, nicht augenblicklich so viel Ansehn erhaelt, dir schaden zu koennen. Kurz, das Gefaehrlichste ist bei Miethstruppen ihre Feigheit; bei Hilfstruppen ihre Tapferkeit. Jeder nur etwas kluge Fuerst hat immer vermieden, sich solcher Mannschaft zu bedienen, und hat lieber mit eigner ueberwunden werden, als mit fremder siegen wollen; da er den Sieg, den er durch fremde errungen, nicht fuer wahren Gewinn halten konnte. Ich trage kein Bedenken, den Caesar Borgia und seine Handlungen zum Beispiele anzufuehren. Dieser Heerfuehrer fiel mit franzoesischen Soldaten in Romagna ein und eroberte mit ihnen Imola und Furli. Weil er diese Armee aber nicht sicher achtete, so wandte er sich zu Miethstruppen, die er fuer weniger gefaehrlich hielt, und nahm die Orsini und Vitelli in Sold. Da er auch diese bei der weitern Verhandlung unsicher, untreu und gefaehrlich fand, so loeste er sie ebenfalls auf und wandte sich zu eignen Leuten. Den Unterschied zwischen beiden Arten der Kriegsmacht kann man leicht einsehen, wenn man nur mit einander vergleicht, wie der Herzog angesehen ward, so lange er die Orsini und Vitelli hatte, und wie viel er gewann, sobald er mit eigner Mannschaft dastand. Zu grosser Achtung gelangte er erst, als Jedermann sah, dass er voellig Herr ueber sein ganzes Heer war. Ich verlasse die neue italienische Geschichte ungern: doch kann ich nicht umhin, den Hiero von Syracus zu nennen, dessen ich schon oben gedacht habe. Die Syracusaner hatten ihn, wie ich bereits erwaehnt, zu ihrem Heerfuehrer erwaehlt. Er sah sogleich ein, dass ihm die Miethstruppen nichts nuetzen konnten, weil sie gleich wie unsre italienischen von eignen Anfuehrern gedungen waren; da er sie nun weder behalten noch gehen lassen durfte, so liess er sie insgesammt in Stuecke hauen und fuehrte darauf den Krieg blos mit eigner Mannschaft, ohne fremde Hilfe. Noch will ich an eine Begebenheit aus dem alten Testamente erinnern, die hier recht passend ist. Da sich David dem Saul anbot, den Philister Goliath auf seine Ausforderung zu bekaempfen, so gab ihm Saul seine Waffen, um ihm Muth zu machen. So wie David sie aber angethan hatte, so weigerte er sich und sagte, damit koenne er sich auf sich selbst nicht verlassen, er wolle mit seinen eigenen Waffen kaempfen, und griff zu Schleuder und Messer. Kurz, fremde Waffen fallen ab, oder erdruecken durch ihre Last, oder erdrosseln dich selbst. Karl der Siebente, Vater Ludwig des Elften, erkannte, nachdem er Frankreich von den Englaendern befreit hatte, die Nothwendigkeit eigner Waffen, und errichtete in seinem Lande die Gensd'armes und das Fussvolk. Sein Sohn Ludwig fing darauf an, das Fussvolk zu entlassen und statt dessen Schweizer zu besolden. Dieser Fehler nebst einigen andern, die bald nachfolgten, ward Ursache der grossen Gefahr, in welche sein Reich gerieth. Denn er verschaffte dadurch den Schweizern grossen Ruf, und machte seine eigne Macht veraechtlich, da er das Fussvolk aufloeste und die Gensd'armes daran gewoehnte, gemeinschaftlich mit Schweizern zu fechten, so dass sie ohne diese nichts mehr auszurichten vermochten. Daher kommt es, dass Franzosen gegen Schweizer nichts vermoegen, und ohne Schweizer gegen Andre ebenfalls nichts ausrichten koennen. Die franzoesischen Heere sind also vermischt, halb gedungene, halb eigne Mannschaft. Das Alles zusammen ist viel besser, als blos gedungene, oder blosse Hilfstruppen: aber doch viel schlechter, als blos eigne. Das angefuehrte Beispiel ist hinreichend, denn das franzoesische Reich wuerde unueberwindlich sein, wenn Karls Ordnung aufrecht erhalten und weiter ausgedehnt waere: aber so machen es die Menschen. Sie fangen ohne viele Ueberlegung eine Sache an, die einigen guten Anschein hat, und achten nicht auf das verborgene Gift, so wie ich oben von der Schwindsucht gesagt habe. Der Fuerst, der das Uebel erst alsdann erkennt, wenn es schon da ist, kann nicht fuer weise gehalten werden, was ja Wenigen gegeben ist. Wenn man dem Untergange des roemischen Reiches nachspuert, so findet man den Anfang in der Massregel, die Gothen zu besolden; denn damit liess die Staerke des roemischen Reiches nach, und alle Kraefte, die dieses verlor, gingen auf jene ueber. Ich schliesse also, dass keine Herrschaft fest steht ohne eigne Waffen; denn wer keine Kraft hat, die ihn bei widrigen Schicksalen schuetzt, haengt blos vom Gluecke ab. Es ist immer die Meinung weiser Maenner gewesen, dass nichts so schwach und unbestaendig sei, als der Ruf grosser Macht, der nicht auf eignen Kraeften beruht. Eigne Waffen aber sind solche, die von Unterthanen oder Buergern gefuehrt werden, auch selbstgeschaffene Heere. Alles Andere sind gedungene oder Hilfstruppen. Die beste Art, eigne Mannschaft anzuordnen, ist leicht auszufinden, wenn die oben von mir angegebenen Anordnungen erwogen werden, und wenn man erwaegt, wie Philipp, Alexanders des Grossen Vater, und viele andere Fuersten und Republiken es gemacht haben. 14. Was der Fuerst im Kriegswesen zu beobachten hat. Ein Fuerst soll also nichts Anderes zu seinem Augenmerk nehmen, auf nichts Anderes denken, und zu seiner eignen Beschaeftigung erwaehlen, als das Kriegswesen und die Einrichtung desselben; denn dies ist die einzige eigne Sache dessen, der befehlen will, und vermag so viel, dass sie nicht allein geborne Fuersten erhaelt, sondern auch manche Privatpersonen zur Herrschaft erhebt. Und im Gegentheil haben manche Fuersten die Herrschaft verloren, sobald sie die Wollueste dem Kriegshandwerke vorzogen. Die erste Ursache, die Herrschaft zu verlieren, ist es, wenn man den Krieg verachtet: das Mittel, sie zu erwerben, ist die Erfahrenheit in der Kriegskunst. Francesco Sforza ward durch seine Geschicklichkeit in derselben Herzog von Mailand; seine Soehne fielen durch ihre Abneigung gegen die Muehseligkeiten des Kriegs von der herzoglichen Wuerde wieder zurueck in den Privatstand. Unter andern Uebeln, die die Abneigung gegen den Krieg mit sich fuehrt, ist dies, dass sie Verachtung erregt: und dieses ist etwas, wofuer sich der Fuerst am allermeisten hueten muss, wie weiter unten mit Mehrerem gezeigt werden wird. Denn zwischen einem Bewaffneten und einem Unbewaffneten ist gar kein Verhaeltniss. Es ist unvernuenftig zu erwarten, dass der Bewaffnete dem Unbewaffneten gehorchen werde, und dass der Unbewaffnete unter seinen bewaffneten Dienern sicher sein solle. Auf einer Seite Verachtung, auf der andern Argwohn: das kann zusammen unmoeglich gut gehen. Ein Fuerst, der den Krieg nicht versteht, ist ausser andern Uebeln, wie gesagt, auch noch diesem unterworfen, dass er auf die Achtung seiner Leute keinen Anspruch machen und ihnen nicht trauen kann. Er darf daher dieses Kriegshandwerk niemals vernachlaessigen, und muss es im Frieden noch mehr ueben, als im Kriege selbst; welches auf zweierlei Art geschehen kann: durch Thaetigkeit und durch Nachdenken. Was das Erste betrifft, so muss er seine Mannschaft immer in guter Ordnung und in Uebung halten; selbst aber seinen Koerper durch die Jagd abhaerten, welche ihm ausserdem Gelegenheit gibt, die verschiedene Beschaffenheit der Gegenden zu beobachten: zu lernen, wie die Berge sich erheben und die Ebenen laufen, wie Fluesse und Seen beschaffen sind, und dies Alles auf das Genaueste zu bemerken. Diese Kenntniss hat zweierlei Nutzen. Erstens lernt er sein eignes Land besser kennen, und die Mittel es zu vertheidigen. Zweitens erlangt er durch diese praktische Kenntniss die Fertigkeit, unbekannte Gegenden zu erforschen, an denen ihm gelegen ist; denn die Huegel, Berge, Thaeler, Fluesse und Seen, z. B. in Toscana, haben einige Aehnlichkeiten mit denen in andern Laendern, so dass man durch die Bekanntschaft mit jenen auch diese leichter kennen lernt. Der Fuerst, dem diese Geschicklichkeit fehlt, ermangelt eines Haupterfordernisses des Feldherrn; denn hierdurch lernt man den Feind aufsuchen, Lager auswaehlen, Armeen fuehren, Schlachten anordnen und mit Vortheil Belagerungen anfangen. Unter andern Lobspruechen, welche die Schriftsteller dem achaeischen Feldherrn Philopoemen ertheilen, ist auch dieser begriffen, dass er im Frieden immer an den Krieg dachte, und wenn er sich mit seinen Freunden im freien Felde befand, oft mit ihnen Betrachtungen darueber anstellte, wer im Vortheile sein wuerde, wenn der Feind auf jenem Huegel staende, und wir hier mit unserm Heere waeren? Wie er alsdann mit Beibehaltung der Schlachtordnung sicher anzugreifen sei? Was muesste geschehen, wenn wir uns zurueckziehen wollten? Was haetten wir zu thun, um ihn zu verfolgen, wenn er sich zurueckzoege? Auf Spaziergaengen legte er ihnen alle Faelle vor, die bei einem Heereszuge vorkommen koennen, hoerte ihre Meinung, sagte ihnen die seinige und unterstuetzte diese mit Gruenden: so dass nach so vielen Betrachtungen fast kein Zufall im Felde sich ereignen konnte, der nicht zum Voraus erwogen waere. Was die Bildung des Geistes anlangt, so muss der Fuerst die Geschichte lesen und die Handlungen ausgezeichneter Maenner betrachten; erwaegen, wie sie sich im Kriege benommen haben, die Ursachen ihrer Siege und Niederlagen erforschen, um diese zu vermeiden, jene nachzuahmen; und vor allen Dingen es so zu machen suchen, wie irgend ein grosser Mann, den er sich zum Muster vorgestellt hat, vor ihm gehandelt; so wie man sagt, dass Alexander der Grosse den Achilles, Caesar den Alexander, Scipio den Cyrus zum Vorbilde gewaehlt habe. Wer Xenophons Leben des Cyrus gelesen hat, wird im Leben des Scipio erkennen, wie viel Ruhm diesem die Nachahmung gebracht, und wie sehr Scipio sich bemueht hat, in der Enthaltsamkeit, Leutseligkeit, Menschlichkeit und Freigebigkeit das zu erreichen, was Xenophon vom Cyrus meldet. Auf solche Art muss ein weiser Fuerst die Musse benutzen; nicht aber im Frieden muessig gehen, sondern sich durch Anstrengung einen Schatz sammeln, den er im Ungluecke gebrauchen koenne, damit das Glueck, wenn es sich wendet, ihn vorbereitet finde, seinen Schlaegen zu widerstehen. 15. Wodurch die Fuersten Lob und Tadel erwerben. Es eruebrigt noch die Untersuchung, wie der Fuerst sich gegen seine Untergebenen und gegen seine Freunde benehmen muesse. Und da dieses schon von Manchen abgehandelt worden, so besorge ich, es werde mir zum Uebermuthe angerechnet werden, dass ich ebenfalls von der Sache rede, insbesondere da ich von meinen Vorgaengern abweiche. Da aber meine Absicht darauf gerichtet ist, etwas fuer den, der es versteht, Nuetzliches zu schreiben, so scheint es mir schicklicher, die Wahrheit so darzustellen, wie sich dieselbe in der Wirklichkeit findet, als den Einbildungen jener zu folgen: (denn manche Schriftsteller haben Republiken und Fuerstenthuemer erdacht, dergleichen niemals gesehen worden, oder in der Wahrheit gegruendet gewesen sind) weil ein so grosser Unterschied vorhanden ist unter dem, was da geschieht, und dem, was geschehen sollte; dass derjenige, der das Erste vernachlaessigt und sich nur nach dem Letzten richtet, seinen Untergang eher als seine Erhaltung bereitet. Jemand, der es darauf anlegt, in allen Dingen moralisch gut zu handeln, muss unter einem Haufen, der sich daran nicht kehrt, zu Grunde gehen. Daher muss ein Fuerst, der sich behaupten will, sich auch darauf verstehen, nach Gelegenheit schlecht zu handeln, und dies thun oder lassen, so wie es die Nothwendigkeit erfordert. Mit Hintansetzung alles dessen, was ueber erdichtete Fuersten vorgebracht worden, und um bei der Wahrheit zu bleiben, sage ich, dass allen Menschen, von denen geredet wird, und vorzueglich den Fuersten, die so viel hoeher stehen als andre, gewisse Eigenschaften beigelegt werden, die mit Lob oder Tadel verbunden sind. Einer gilt fuer freigebig, der andere fuer filzig,(17) einer liebt zu geben, der andre zu rauben; einer ist grausam, der andre mitleidig; einer treulos, der andre zuverlaessig; einer weibisch und feig, der andre muthig und wild; einer menschenfreundlich, der andre uebermuethig; einer wolluestig, der andre keusch und zuechtig; einer aufrichtig, der andre listig; einer hartherzig, der andre nachgibig; einer ernsthaft, der andre leichtsinnig; einer religioes, der andre unglaeubig und so weiter. Ich weiss wohl, dass Jedermann eingestehen wird, es sei wuenschenswerth die Fuersten moechten von allen obbenannten Eigenschaften die lobenswerten besitzen: da aber die Beschaffenheit der menschlichen Natur nicht verstattet, dies zu erwarten, und alle jene Vorschriften zu befolgen, so ist es nothwendig, klug genug zu sein, um den uebeln Ruf solcher Laster zu vermeiden, ueber welche die Herrschaft verloren gehen koennte; vor den Fehlern aber, welche solche Folgen nicht haben, muss man sich zwar hueten, wenn es moeglich ist; allenfalls aber kann man sich sogar ohne viele Vorsicht darin gehen lassen. Endlich muss man sich nicht so aengstlich vor dem boesen Rufe solcher Untugenden hueten, ohne welche man schwerlich die Herrschaft behauptet; denn wenn man die Sachen genau betrachtet, so gibt es anscheinende Tugenden, bei denen man zu Grunde geht; und anscheinende Fehler, auf denen die Sicherheit und Fortdauer des Wohlbefindens beruht. 16. Von der Freigebigkeit und dem Geize. Ich fange mit der ersten unter den obgedachten Eigenschaften an, und behaupte, dass es gut ist, fuer freigebig zu gelten. Hingegen wird die Freigebigkeit, die du so ausuebst, dass du nicht dafuer giltst, schaedlich sein. Denn wird sie nur recht tuechtig ausgeuebt, und wie es recht ist, aber nicht recht bekannt, so vermeidet man damit nicht einmal den ueblen Ruf des Gegentheils. Um den Namen eines Freigebigen unter den Menschen zu behaupten, muss man alle Art von Aufwand machen. Damit verzehrt ein Fuerst Alles, was er hat, und wird zuletzt genoethigt, um den Namen des Freigebigen aufrecht zu halten, seine Unterthanen mit Auslagen zu beschweren, und alle Wege einzuschlagen, um Geld zu bekommen. Das macht ihn bei seinen Unterthanen verhasst, und sobald er in Geldnoth geraeth, wird er veraechtlich. Seine Freigebigkeit hat Wenige bereichert, seine Verschwendung aber drueckt Viele, und er kommt darueber bei der ersten Verlegenheit in Gefahr. Sieht er dies ein und will zurueckziehen, so kommt er in den boesen Ruf der Filzigkeit. Da der Fuerst also nicht auf solche Art freigebig sein darf, dass es in die Augen falle und bekannt werde, so muss er den Ruf des Geizes nicht fuerchten. Mit der Zeit wird er schon wieder fuer freigebig gelten, wenn man sieht, dass bei seiner Sparsamkeit die gewoehnlichen Einkuenfte zureichen; dass er die Kosten eines Krieges, womit er etwa ueberzogen wird, bestreiten kann, ohne die Unterthanen zu beschweren, so dass er am Ende freigebig gegen den grossen Haufen ist, dem er das Seinige laesst, und geizig nur gegen die Wenigen, die nichts von ihm erhalten. Wir haben zu unsern Zeiten gesehen, dass nur diejenigen grosse Dinge andichteten, die fuer geizig galten; die Andern aber zu Grunde gingen. Papst Julius der Zweite hatte den Namen der Freigebigkeit durch das Betragen erworben, wodurch er sich auf den paepstlichen Stuhl schwang: nachdem er ihn bestiegen hatte, dachte er nicht mehr daran, um sich vielmehr nur zum Kriege gegen Frankreich vorzubereiten. Er hat auch wirklich so viele Kriege gefuehrt, ohne ausserordentliche Auflagen zu machen. Seine lange Sparsamkeit schaffte Rath zu allen ungewoehnlichen Ausgaben. Wenn der jetzige Koenig von Spanien (Ferdinand der Katholische) fuer freigebig haette gelten wollen, so haette er nicht so viele Unternehmungen ausfuehren koennen. Ein Fuerst, der solche Wirthschaft fuehrt, dass er nicht noethig hat seine Unterthanen auszupluendern, um sich zu vertheidigen, dass er nicht zu besorgen hat, arm und verachtet zu werden, dass er nicht in Gefahr geraeth, aus Noth habsuechtig zu werden, darf nicht fuerchten fuer geizig zu gelten: denn das ist eine Untugend, auf der die Sicherheit seiner Herrschaft beruht. Und wenn Jemand sagen sollte, dass Caesar durch seine Freigebigkeit zur Herrschaft gelangt sei, und dass viele Andre durch diesen Ruf sich sehr hoch geschwungen haben, so antworte ich Folgendes: entweder du bist schon gemachter Fuerst, oder auf dem Wege es zu werden. Im ersten Falle ist die Freigebigkeit nachtheilig, im zweiten ist es zwar noethig, fuer freigebig zu gelten, und von der Art war Caesar, der die Herrschaft von Rom zu erlangen strebte: haette er aber laenger gelebt, ohne diese Weise zu handeln abzulegen, so haette er seine Herrschaft selbst zerstoert. Auf die Antwort, dass viele freigebige Fuersten mittelst ihrer Kriegsheere grosse Dinge ausgerichtet haben, erwidere ich: der Fuerst vergeudet entweder das Seinige und das Gut seiner Unterthanen, oder fremdes. Im ersten Falle sollte er sparsam sein; im zweiten muss er auf alle Weise den Namen der Freigebigkeit suchen; denn der Fuerst, der mit einem Heere auszieht, welches vom Raube, Pluenderung, Brandschatzung lebt, und fremdes Gut an sich bringt, muss wol freigebig sein: sonst faende er keine Soldaten, die mit ihm ausziehen. Wenn du nicht dein eignes oder deiner Unterthanen Gut vergeudest, so magst du wol freigebig sein, wie Cyrus, Caesar und Alexander: fremdes Gut durchbringen, macht keinen schlechten Namen, sondern das Gegentheil. Nur die Verschwendung des eignen schadet. Keine Sache verzehrt sich selbst, so wie die Freigebigkeit. Indem du sie uebst, verlierst du die Kraft dazu, und wirst entweder arm oder niedertraechtig, oder um der Armuth zu entgehen, raeuberisch und dadurch verhasst. Unter allen Dingen, die ein Fuerst vermeiden muss, steht oben an, verachtet und verhasst zu sein, und die Freigebigkeit fuehrt zu Beidem. Es ist daher weiser, sich als geizig verschreien zu lassen, was freilich einen schlechten Namen macht, jedoch ohne Hass zu erzeugen, als um des Rufes der Freigebigkeit willen als raeuberisch beruechtigt und dabei verhasst zu werden. 17. Von der Grausamkeit und Milde. Ich gehe weiter zu den uebrigen oben benannten Tugenden und sage, dass jeder Fuerst suchen muesse, fuer mitleidig gehalten zu werden, jedoch aber so, dass er diese Tugend nicht uebel anwende. Caesar Borgia galt fuer grausam. Diese Grausamkeit hatte die Provinz Romagna zusammen gehalten, in Einigkeit, in Frieden und in treuer Unterwuerfigkeit. Erwaegt man es genau, so wird man finden, dass dies viel menschlicher war, als das Betragen der Florentiner, die zugaben, dass Pistoja zerstoert ward, um nicht fuer grausam zu gelten. Ein Fuerst muss daher den Ruf der Grausamkeit nicht scheuen, um seine Unterthanen in Gehorsam und Einigkeit zu erhalten. Es ist mehr Gelindigkeit darin, wenige Strafen zu verfuegen, als durch unzeitige Nachsicht Unordnungen zu veranlassen, welche Mord und Raub erzeugen, die ganze Gemeinwesen treffen, wohingegen die Straferkenntnisse der Fuersten nur Einzelne druecken. Unter allen Fuersten kann der neue am wenigsten den Namen der Grausamkeit vermeiden, weil seine Lage voll Gefahren ist, und daher Virgil der Dido zur Entschuldigung ihrer strengen Regierung Folgendes in den Mund legt: _"Res dura et regni novitas me talia cogunt_ _Moliri, et late fines custode tueri."_ Dennoch muss er nicht leicht glauben und sich in Bewegung setzen; sich auch nicht von selbst fuerchten, sondern mit Klugheit und Menschenfreundlichkeit maessig verfahren, so dass ihn weder zu vieles Zutrauen unvorsichtig, noch zu vieles Misstrauen unertraeglich mache. Hieraus entsteht eine Streitfrage, ob es besser sei, geliebt oder gefuerchtet zu werden. Ich antworte, dass beides gut ist; da aber schwer ist, beides mit einander zu verbinden, so ist es viel sichrer, gefuerchtet zu werden, als geliebt, wenn ja eines von beiden fehlen soll. Denn man kann im Allgemeinen von den Menschen sagen, dass sie undankbar, wankelmuethig, verstellt, feig in der Gefahr, begierig auf Gewinn sind: so lange du ihnen wohlthust, sind sie dir ganz ergeben, wollen Gut und Blut fuer dich lassen, ihr eignes Leben aufopfern, das Leben ihrer Kinder (wie ich schon gesagt habe), so lange die Gefahr entfernt ist; kommt sie aber naeher, so empoeren sie sich. Der Fuerst, der sich auf ihre Worte verlassen und keine andren Zuruestungen gemacht hat, geht zu Grunde: denn die erkauften Freundschaften, so da nicht durch Groesse des Geistes und Edelmuth erworben sind, haben zwar guten Grund, halten aber doch nicht vor, wenn es Noth thut. Die Menschen machen sich weniger daraus, den zu beleidigen, der sich beliebt macht, als den, der gefuerchtet wird; denn die Zuneigung der Menschen beruhet auf einem Bande der Dankbarkeit, das wegen der schlechten Beschaffenheit der menschlichen Natur abreisst, sobald der Eigennutz damit in Streit geraeth: die Furcht aber vor Zuechtigung laesst niemals nach. Doch muss der Fuerst sich auf solche Art fuerchten machen, dass er nicht verhasst werde; denn es kann recht gut mit einander bestehen, gefuerchtet zu sein und nicht gehasst. Hierzu ist vornehmlich erforderlich, dass er sich der Eingriffe in das Vermoegen seiner Buerger und Unterthanen, und ihrer Weiber enthalte. Ist es ja nothwendig, einem das Leben zu nehmen, so geschehe es so, dass die gerechte Ursache am Tage liege. Vor allen Dingen aber enthalte er sich, das Vermoegen der Unterthanen anzutasten, denn die Menschen verschmerzen allenfalls noch eher den Tod des Vaters, als den Verlust des Vermoegens. Auch fehlt es niemals an Veranlassungen, das Vermoegen zu nehmen. Wer einmal anfaengt so zu pluendern, findet immer Ursachen, den Naechsten ebenfalls anzugreifen: die Veranlassungen zum Blutvergiessen sind seltner, und es fehlt leichter daran. Hat der Fuerst aber ein grosses Heer beisammen, so darf er den Ruf der Grausamkeit nicht fuerchten; denn ein Kriegsheer kann ohne das nicht wohl beisammen und in Gehorsam erhalten werden. Unter die bewunderungswuerdigen Thaten des Hannibal wird vorzueglich gezaehlt, dass er ein grosses, aus unendlicher Mannichfaltigkeit von Menschengeschlechtern zusammengesetztes Heer in fremde Laender gefuehrt, ohne dass jemals ein Aufstand oder Zwistigkeit unter ihnen entstanden waere, und zwar so wenig im Ungluecke als im Gluecke. Dies kann nur von seiner unmenschlichen Grausamkeit herruehren, die ihn in Verbindung mit seinen unendlichen grossen Eigenschaften ehrwuerdig und furchtbar machte, was ja durch die uebrigen allein nicht geschehen waere. Unueberlegte Schriftsteller bewundern seine Handlungen und tadeln auf der andern Seite die Ursachen derselben. Dass dem wirklich also gewesen, beweist das Beispiel des Scipio, der ein in seinen und in allen Zeiten so seltnes Beispiel aller Tugenden gab, und dessen Kriegsheer in Spanien dennoch rebellirte; was keine andre Ursache gehabt hat, als seine Milde, die den Soldaten mehr Freiheit zugestand, als mit der militaerischen Zucht vereinbar ist. Fabius Maximus warf ihm dies im Senate vor und nannte ihn deswegen den Verderber der roemischen Kriegszucht. Als einer seiner Unterbefehlshaber die Locrenser vernichtete, machte er diesem keinen Vorwurf darueber, und strafte ihn nicht: auch dieses ruehrte von seiner allzunachsichtigen Gemuethsart her. So dass Jemand im Senate ihn damit entschuldigte, es gebe Menschen, die besser wuessten, selbst nie zu fehlen, als die Fehler Andrer zu bestrafen. Diese Gemuethsbeschaffenheit wuerde am Ende den Ruhm des Scipio befleckt haben, wenn er haette fortfahren sollen, den Befehlshaber zu machen. Da er aber unter der Regierung eines Senates lebte, so verschwand der Fehler nicht nur, sondern gereichte ihm noch zum Ruhme. Ich komme zum Beschlusse auf meine Behauptung zurueck und fasse sie also: da die Liebe der Menschen von ihrer Neigung, ihre Furcht aber vom Betragen des Fuersten abhaengt, so muss der weise Fuerst es nicht auf die Neigungen Andrer ankommen lassen, sondern auf das achten, was von ihm abhaengt; nur muss er vermeiden, sich verhasst zu machen. 18. In wie fern ein Fuerst sein Wort halten muss. Jedermann weiss, wie lobenswuerdig es ist, wenn ein Fuerst sein Wort haelt und rechtschaffen lebt, nicht mit List. Dennoch sieht man aus der Erfahrung unsrer Tage, dass diejenigen Fuersten, welche sich aus Treu und Glauben wenig gemacht haben, und mit List die Gemuether der Menschen zu bethoeren verstanden, grosse Dinge ausgerichtet, und am Ende diejenigen, welche redlich handelten, ueberwunden haben. Wisset also, dass es zwei Arten gibt, zu kaempfen: eine durch die Gesetze, die andre durch Gewalt - das Erste ist die Sitte der Menschen; das Zweite die Weise der Thiere. Oft aber reicht das Erste nicht zu, und so muss zu der zweiten Manier gegriffen werden. Einem Fuersten ist daher noethig, den Menschen und das reissende Thier spielen zu koennen. Diese Lehre wird von den Alten dadurch angedeutet, dass sie berichten, wie Achilles und viele andre Helden vom Centauren Chiron aufgezogen und unterwiesen worden. Einen solchen Lehrer haben, halb Mensch, halb Thier, heisst nichts Anderes, als dass ein Fuerst beide Naturen, die menschliche und die thierische, gut zu gebrauchen wissen soll, weil eine ohne die andre nicht lange besteht.(18) Weil es denn nothwendig ist, dass der Fuerst sich darauf verstehe, die Bestie zu spielen, so muss er Beides davon nehmen, den Fuchs und den Loewen; denn der Loewe entgeht den Schlingen nicht, und der Fuchs kann sich gegen den Wolf nicht wehren. Die Fuchsgestalt ist also noethig, um die Schlingen kennen zu lernen, und die Loewenmaske, um die Woelfe zu verjagen. Diejenigen, welche sich allein darauf legen, den Loewen zu spielen, verstehen es nicht. Ein kluger Fuerst kann und darf daher sein Wort nicht halten, wenn die Beobachtung desselben sich gegen ihn selbst kehren wuerde, und die Ursachen, die ihn bewogen haben es zu geben, aufhoeren. Wenn die Menschen insgesammt gut waeren, so wuerde dieser Rath nichts werth sein. Da sie aber nicht viel taugen und ihr Wort gegen dich nicht halten, so hast du es ihnen auch nicht zu halten: und einem Fuersten kann es nie an Vorwand fehlen, es zu beschoenigen, wenn er es bricht. Hiervon koennte man viele neue Beispiele anfuehren und zeigen, wie viele Friedensschluesse, wie viele Versprechungen durch die Untreue der Fuersten vereitelt sind, und dass derjenige, der den Fuchs am besten zu spielen gewusst hat, auch am weitesten kommt. Aber es ist nothwendig, sich darauf zu verstehen, wie diese Eigenschaft beschoenigt wird, stark in der Kunst zu sein, sich zu verstecken und zu verlarven. Die Menschen sind so einfaeltig und haengen so sehr von dem Drucke des Augenblicks ab, dass derjenige, der sie hintergehen will, allemal Jemand findet, der sich betruegen laesst. Ein einziges neues Beispiel will ich anfuehren. Papst Alexander der Sechste that gar nichts Anderes als betruegen, dachte an nichts Anderes und fand immer Leute, die sich anfuehren liessen. Niemals hat Jemand eine groessere Fertigkeit gehabt, zu versichern und mit grossen Schwueren zu betheuern, und weniger zu halten. Dennoch gelangen ihm seine Anschlaege, Hinterlisten nach Wunsch, weil er die Welt von dieser Seite gut kannte. Ein Fuerst muss also nicht die vorhin beschriebenen Tugenden haben, wol aber das Ansehn davon. Ich wage es zu behaupten, dass es sehr nachtheilig ist, stets redlich zu sein: aber fromm, treu, menschlich, gottesfuerchtig, redlich zu scheinen ist sehr nuetzlich. Man muss sein Gemueth so bilden, dass man, wenn es nothwendig ist, auch das Gegentheil davon vorbringen koenne. Ein Fuerst, und absonderlich ein neuer Fuerst, kann nicht immer alles das beobachten, was bei andern Menschen fuer gut gilt; er muss oft, um seinen Platz zu behaupten, Treue, Menschenliebe, Menschlichkeit und Religion verletzen. Er muss also ein Gemueth besitzen, das geschickt ist, sich so, wie es die Winde und abwechselnden Gluecksfaelle fordern, zu wenden, und zwar nicht eben den geraden Weg allemal verlassen, so oft es Gelegenheit dazu gibt; wol aber den krummen Weg betreten, wenn es sein muss. Ein Fuerst muss sich daher wohl hueten, dass nie ein Wort aus seinem Munde gehe, das nicht von obgedachten fuenf Tugenden zeugt. Alles, was von ihm herkommt, muss Mitleid, Treue, Menschlichkeit, Redlichkeit, Froemmigkeit athmen. Nichts aber ist nothwendiger, als der Schein der letztgenannten Tugend. Denn die Menschen urtheilen im Ganzen mehr nach den Augen, als nach dem Gefuehle. Die Augen hat Jeder offen; Wenige haben richtiges Gefuehl. Jeder sieht, was du zu sein scheinst; Wenige merken, wie du beschaffen bist, und diese Wenigen wagen es nicht, der Stimme des grossen Haufens zu widersprechen, dem der Glanz grosser Wuerde immer fuer einen Grund der Bewunderung gilt. Bei den Handlungen der Menschen, absonderlich der Fuersten, welche keinen Gerichtshof ueber sich anerkennen, wird immer auf den Endzweck gesehen. Der Fuerst suche also nur sein Leben und seine Gewalt zu sichern: die Mittel werden immer fuer ehrenvoll gelten und von Jedermann gelobt werden, denn der grosse Haufe haelt es stets mit dem Scheine und mit dem Ausgange. Die ganze Welt ist voll von Poebel, und die wenigen Kluegern kommen nur zu Worte, wenn es dem grossen Haufen, der in sich selbst keine Kraft hat, an einer Stuetze fehlt. Ein Fuerst unsrer Zeit, den ich besser nicht nenne,(19) predigt nichts als Frieden und Treue, und waere doch um seine Herrschaft gekommen, wenn er sie selbst beobachtet haette. 19. Verachtung und Hass sind zu vermeiden. Nachdem ich von den wichtigsten der aufgezaehlten Eigenschaften ausfuehrlich gehandelt, so will ich die uebrigen hier in die allgemeine Lehre zusammenfassen, dass der Fuerst (so wie zum Theil im Einzelnen schon gesagt ist) Alles vermeiden muss, was ihn gehaessig oder veraechtlich machen kann; und so oft er dies vermeidet, wird er das Seinige gethan haben, und alle uebrige ueble Nachrede kann ihm keine Gefahr bringen. Verhasst macht ihn vor allem Andern (wie bereits erwaehnt worden), wenn er raeuberisch ist, und das Vermoegen und die Weiber seiner Unterthanen angreift, deren er sich enthalten sollte. So lange der Menschen Vermoegen und Ehre nicht angetastet wird, so lange leben sie zufrieden, und es ist nur der Ehrgeiz einiger Wenigen zu bekaempfen, welche auf mancherlei Art leicht im Zaume zu halten sind. Veraechtlich wird derjenige, der fuer wankelmuethig, leichtsinnig, weibisch, kleinmuethig, unentschlossen gilt: dieses muss ein Fuerst vermeiden, wie eine Klippe; und sich bemuehen, in seinen Handlungen eine gewisse Groesse, Muth, Ernst und Staerke zu zeigen. In allen Verhandlungen mit den Unterthanen muss er von sich die Meinung zu erregen suchen, dass seine Entschluesse unwiderruflich seien: und sich in solcher Achtung erhalten, dass Niemand es wage, ihn zu hintergehen oder zu bestricken. Der Fuerst, der in diesem Ansehn steht, hat Ruf genug, und gegen ihn wird schwerlich eine Verschwoerung angezettelt. Es greift ihn nicht leicht Jemand an, sobald man weiss, dass er grosse Eigenschaften hat und von den Seinigen geachtet wird. Ein Fuerst hat nur zwei Dinge zu fuerchten: eines im Innern von den Unterthanen; das andre von Aussen von fremden Maechten. Gegen diese wehrt man sich mit guter Kriegsmacht, und wer die hat, dem kann es nie an Freunden fehlen: im Innern wird er stets Ruhe erhalten, so lange von Aussen Alles sicher ist, es waere denn, dass eine Verschwoerung entstaende; und wird er von Aussen angegriffen, hat aber Alles angeordnet und so gehandelt, wie ich gesagt habe, so wird er, bleibt er sich selbst nur getreu, alle Anfaelle abwehren, so wie Nabis der Spartaner. Aber von den Unterthanen ist auch bei aeusserer Ruhe eine Verschwoerung zu fuerchten, gegen welche der Fuerst sich sichert, wenn er Hass und Verachtung vermeidet und das Volk zufrieden stellt. Dies ist aber nothwendig, wie gezeigt worden. Eines der kraeftigsten Mittel gegen Verschwoerungen ist es, allgemeinen Hass und Verachtung des Volks zu vermeiden; denn wer Verschwoerungen anzettelt, glaubt immer, durch den Tod des Fuersten das Volk zufrieden zu stellen. Wer hingegen weiss, dass er dieses dadurch beleidigen wird, wagt es nicht, solche Dinge zu unternehmen: denn die Schwierigkeiten sind unendlich auf Seiten der Verschwornen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Verschwoerungen gemacht, wenige aber gelungen sind; denn wer sie unternimmt, kann allein nichts ausrichten; Hilfe kann er nur bei denen suchen, die er fuer unzufrieden haelt. Sobald du aber einem Missvergnuegten deine Absichten entdeckt hast, so gibst du ihm das Mittel, seine eignen Wuensche zu befriedigen, denn er mag von der Verraetherei des Anschlags allen Vortheil hoffen. Wenn er sichern Gewinn von dieser Seite sieht, und von der andern Ungewissheit und Gefahr, so muss er eine seltne Treue der Freundschaft gegen seinen Mitgenossen, oder eingewurzelten Hass gegen den Fuersten haben, wenn er dir Wort halten soll. Kurz, auf Seiten der Verschwornen ist nichts als Furcht, Eifersucht, Argwohn, welche Alles laehmen; auf Seiten des Fuersten ist das Ansehn der fuerstlichen Wuerde, die Gesetze, Schutz der Freunde und der oeffentlichen Gewalt, so dass, wenn hier noch die Zuneigung des Volks hinzukommt, es unmoeglich ist, dass Jemand so tollkuehn sei, eine Verschwoerung anzufangen. Gewoehnlich haben die Verschwornen vor der Ausfuehrung ihres Anschlags Uebles zu fuerchten: nach derselben muessen sie auch noch alsdann, wenn Alles gelingt, das Volk fuerchten, und es bleibt ihnen daher keine Zuflucht. Ich koennte unzaehlige Beispiele davon anfuehren; es ist aber mit Einem genug, welches sich zur Gedenkzeit unsrer Vaeter ereignet hat. Annibal Bentivoglio, Fuerst von Bologna und Grossvater des jetztlebenden Herrn Annibal, ward von der Partei der Canni in einer Verschwoerung ums Leben gebracht. Er hinterliess ein einziges Kind in den Windeln, den Giovanni. Gleich nach dem Morde stand das Volk auf und brachte die ganze Partei der Verschwornen um. Das war die Wirkung der Zuneigung des Volks von Bologna gegen die Familie Bentivoglio, welche damals so gross war, dass die Bologneser, in Ermangelung eines Andern von der Familie, der nach Annibals Tode den Staat haette regieren koennen, nach Florenz kamen, wo ein Sproessling des Hauses Bentivoglio sich aufhielt, der aber fuer den Sohn eines Schmieds galt, um diesem die Regierung zu uebertragen, die er auch wirklich gefuehrt hat, bis Herr Giovanni das hinreichende Alter erreicht hatte.(20) Ich schliesse also, dass ein Fuerst Verschwoerungen wenig zu fuerchten hat, so lange ihm das Volk gewogen ist. Wenn er demselben aber verhasst ist, so muss er Alles und jeden Menschen fuerchten. Wohlgeordnete Staaten und weise Fuersten haben daher immer mit der groessten Sorgfalt zu vermeiden gesucht, dass die Grossen nicht in Verzweigung fallen, das Volk aber zufrieden bleibe; denn dieses ist eine der wichtigsten Sorgen des Regenten. Unter den wohlgeordneten und regierten Reichen unsrer Zeit ist Frankreich zu nennen, wo sich unzaehlige gute Anstalten finden, von denen die Sicherheit und Freiheit des Koenigs abhaengt. Unter diesen ist die erste das Parlament und sein Ansehn. Wer dieses gegruendet hat, kannte den Uebermuth der Grossen und ihre Dreistigkeit: er sah die Nothwendigkeit, ihnen einen Zaum anzulegen. Auf der andern Seite kannte er den Hass des Volks gegen die Grossen, der von der Furcht herruehrt. Um dasselbe sicher zu stellen, dem Koenige aber die ueblen Folgen abzunehmen, die von den Grossen zu besorgen waren, wenn er das Volk beguenstigte, und von dem Volke, sobald er die Grossen beguenstigte, so ordnete er einen dritten Richter an, der ohne Beschwerde des Koenigs die Grossen niederhalten und das Volk schuetzen konnte. Es liess sich keine bessere Ordnung fuer die Sicherheit des Reichs und des Koenigs ausdenken. Hieraus ist noch eine Lehre zu ziehen: dass die Fuersten alle harten Massregeln durch Andre ausfuehren lassen, Gnadensachen aber fuer sich selbst behalten muessen. Ferner schliesse ich, dass ein Fuerst den Grossen mit Achtung begegnen solle, jedoch ohne das Volk zum Hasse zu reizen. Es mag vielleicht Manchem scheinen, dass das Beispiel der roemischen Kaiser diesem widerspreche, da doch mehrere, die vortrefflich regiert und vorzuegliche Kraft des Geistes gezeigt hatten, durch Verschwoerungen den Thron oder gar das Leben verloren haben. Diesem Einwurfe zu begegnen, will ich den Charakter einiger Imperatoren durchgehen, und die Ursachen ihres Falles anzeigen, welche demjenigen nicht widersprechen, was ich oben gesagt habe. Dabei werde ich zum Theil erinnern, was dem, der die Geschichte jener Zeit liest, bemerkenswerth sein muss. Es ist fuer mich hinreichend, die Imperatoren, welche vom Marcus Antoninus an bis auf Maximinus regiert haben, durchzugehen. Marcus, sein Sohn Commodus, Pertinax, Julianus, Severus, Antoninus Caracalla, Sohn des Vorigen, Macrinus, Heliogabalus, Alexander und Maximinus. Zuerst ist zu bemerken, dass, wenn in andern Reichen nur der Ehrgeiz der Grossen und die Zuegellosigkeit des Volks zu bekaempfen ist, die roemischen Imperatoren noch eine dritte Schwierigkeit vor sich fanden, welche in der Habsucht und der Wildheit der Kriegsmacht bestand. Diese Sache hat solche Schwierigkeit, dass sie Ursache des Unterganges einiger Kaiser wurde; weil es schwer ist, die Soldaten zufrieden zu stellen und das Volk zugleich mit: denn das Volk wuenscht Ruhe und liebt deswegen die Fuersten von gemaessigter Denkungsart: die Soldaten aber lieben kriegerische, uebermuethige, grausame, raubsuechtige Fuersten. Sie verlangten Personen von solcher Gemuethsart zu Imperatoren, um doppelten Sold zu erhalten und ihren Geiz und grausame Gemuethsart zu befriedigen. Daher mussten alle Imperatoren, die nicht von Natur oder durch ihre Bestrebungen sich ein Ansehn zu verschaffen wussten, welches Alles Jene im Zaume zu halten vermochte, zu Grunde gehen. Die meisten von ihnen, insbesondere die aus dem Privatstande waren, bemuehten sich, wenn sie diese Schwierigkeiten fuehlten, nur die Soldaten zufrieden zu stellen, und achteten wenig auf die Bedrueckung des Volks. Dies war nothwendig. Denn wenn Fuersten es nicht vermeiden koennen, den Hass des einen oder andern Theils auf sich zu laden, so muessen sie doch alle Sorgfalt anwenden, dass es nicht von beiden zugleich geschehe. Ist es einmal unvermeidlich, von einer Partei gehasst zu werden, so sei es doch wenigstens nicht von der maechtigsten. Die Imperatoren, welche zur neuen Herrschaft aufstiegen, und desfalls ausserordentlicher Gunst bedurften, machten sich daher lieber einen Anhang unter den Soldaten als im Volke, welches ihnen aber doch nur in so fern etwas nuetzte, als sie ihr Ansehn bei den Letztern zu erhalten vermochten. Aus diesen Ursachen nahmen diejenigen, welche von milder Gemuethsart, Gerechtigkeit liebend, der Grausamkeit abgeneigt, menschenfreundlich und leutselig waren, naemlich Marcus, Pertinax und Alexander, den einzigen Marcus ausgenommen, ein gewaltsames Ende. Marcus allein lebte und starb geehrt, weil er durch Erbrecht den Thron bestiegen hatte, und ihn weder den Soldaten noch dem Volke verdankte. Ausserdem war er durch so viele Tugenden ehrwuerdig, wusste beide Staende waehrend seiner ganzen Regierung in ihren Grenzen zu halten und machte sich nie verhasst oder veraechtlich. Pertinax aber ward gegen den Willen der Soldaten gewaehlt, welche unter dem Commodus an Zuegellosigkeit gewoehnt, das ordentliche Leben, welches Pertinax einfuehren wollte, unertraeglich fanden. Dies erzeugte Hass. Dazu kam Geringschaetzung wegen seines Alters, und so ging er, gleich nachdem er die Regierung angetreten, zu Grunde. Es ist bemerkenswerth dass Hass durch gute Handlungen sowol als durch schlechte erregt werden kann. Ein Fuerst, der sich auf dem Throne erhalten will, darf daher oft, wie ich bereits gesagt habe, nicht gut handeln, denn wenn die Masse seines Volks oder Kriegsheers, oder die Grossen seines Reiches, deren er bedarf, um sich zu halten, verdorben sind, so muss er wol ihrem Sinne folgen und sie zufrieden stellen, wozu die rechtschaffenste Handlungen oft schaedlich sind. Auf den Alexander zu kommen: dieser war so guetig gesinnt, dass man unter anderm Lobe, das ihm ertheilt wird, bemerkt, er habe in einer vierzehnjaehrigen Regierung keinen Menschen, ohne dass er verurtheilt worden, toedten lassen. Dennoch fiel er in Geringschaetzung, weil er fuer weibisch galt, und es hiess, er liesse sich von seiner Mutter regieren. Es entstand eine Verschwoerung der Soldaten gegen ihn, durch welche er um das Leben kam. Nunmehr wollen wir die entgegengesetzten Charaktere des Commodus, Severus, Antoninus Caracalla und Maximinus betrachten. Wir finden sie hoechst raubsuechtig und grausam. Um die Soldaten zu befriedigen, enthielten sie sich keiner Art von Misshandlung des Volks. Dennoch kamen sie, mit alleiniger Ausnahme des Severus, gewaltsamer Weise ums Leben. Severus hatte ein so tapferes Gemueth, dass er die Herrschaft dadurch gluecklich zu behaupten vermochte, dass er die Soldaten zu Freunden behielt, obwol er das Volk sehr drueckte: denn seine grossen Eigenschaften machten ihn den Soldaten und dem Volke so ehrwuerdig, dass dieses erstaunt und demuethig, jene aber voll Verehrung und befriedigt waren. Da die Handlungen dieses zur Herrschaft emporgestiegenen Regenten ganz ausgezeichnet gewesen sind, so will ich kurz zeigen, wie er den Fuchs und den Loewen zu spielen verstand, was ich vom Fuersten verlangt habe. Da Severus die Feigheit des Kaisers Julianus erkannte, ueberredete er das Heer, welchem er in Slavonien vorgesetzt war, nach Rom zu gehen, um den Tod des Pertinax zu raechen, den die Leibwache getoedtet hatte. Unter diesem Vorwande setzte er sich in Bewegung, ohne seine Absichten auf den Thron merken zu lassen, und langte in Italien an, ehe man seine Abreise wusste. Gleich nach seiner Ankunft in Rom erwaehlte ihn der Senat aus Furcht, und Julianus ward getoedtet. Noch blieben dem Severus zwei Schwierigkeiten: die eine in Asien, wo Niger sich hatte ausrufen lassen, die andre im Occidente, wo Albinus nach der Wuerde des Imperators strebte. Er hielt es fuer gefaehrlich, sich zugleich gegen Beide zu erklaeren, und beschloss daher, den Niger anzugreifen, den Albinus aber zu hintergehen. Diesem schrieb er, er sei vom Senate erwaehlt, wolle die Wuerde mit ihm theilen, gab ihm den Titel Caesar und liess ihn durch den Senat zu seinem Collegen erwaehlen. Albinus nahm dieses fuer Ernst. Als Severus aber den Niger besiegt und den Orient beruhigt hatte, kehrte er nach Rom zurueck und beschwerte sich im Senate ueber den Undank des Albinus, der ihn verraetherischer Weise nach dem Leben getrachtet habe, und den er wegen seiner Undankbarkeit zuechtigen muesse. Er suchte ihn hierauf in Frankreich auf und nahm ihm Wuerde und Leben. Wer diese Geschichte aufmerksam erwaegt, wird den muthigsten Loewen und den schlauesten Fuchs erkennen: wird sehen, wie er von Allen gefuerchtet und geehrt ward und beim Kriegsheere nicht verhasst war. Man darf sich nicht wundern, dass dieser neue Fuerst die Herrschaft zu behaupten gewusst, da er sich durch seinen grossen Ruf bestaendig gegen den Hass zu wehren wusste, den seine Neuerungen beim Volke haetten erzeugen koennen. Sein Sohn Antoninus hatte ebenfalls ausgezeichnete Eigenschaften, und ward deswegen vom Volke bewundert, bei den Soldaten aber beliebt, weil er kriegerisch war, alle Strapazen nicht achtete und koestliche Speisen so wie alle andern Wollueste verachtete, welches ihm die Zuneigung aller Armeen erwarb. Aber seine Wildheit und Grausamkeit war so unerhoert, dass er bei verschiednen Gelegenheiten einen grossen Theil des Volks von Rom und alle Bewohner von Alexandrien toedtete. Dadurch ward er der ganzen Welt verhasst, und floesste auch denen, die um ihn waren, Furcht ein, so dass ein Centurio ihn mitten in seiner Armee umbrachte. Hierbei ist zu bemerken, dass die Fuersten solchen gewaltsamen Tod durch die Hand eines entschlossenen Mannes gar nicht vermeiden koennen. Denn es kann Jeder die That vollbringen, der nur sein eignes Leben nicht achtet. Doch hat der Fuerst sie eben nicht zu fuerchten, weil solche Handlungen aeusserst selten sind. Er muss sich nur hueten, diejenigen, die um ihn sind, und deren er sich in Regierungsgeschaeften bedient, nicht groeblich zu beleidigen, wie Antoninus that, der einen Bruder des Centurio hatte toedten lassen, und ihm selbst taeglich drohte, trotzdem aber die Leibwache anvertraute. Das war tollkuehn und musste ein schlechtes Ende nehmen, wie es auch in Wahrheit geschehen ist. Wir kommen zum Commodus, der die Herrschaft gar leicht haette behalten koennen, die er als Sohn des Marcus geerbt hatte. Er durfte nur in die Fusstapfen seines Vaters treten, so haette er Volk und Soldaten Genuege gethan. Da er aber ein grausames und thierisches Gemueth hatte, veranlasste er selbst in der Armee allerlei Complotte, und liess sie zuegellos werden, um seine Raubgier zu befriedigen und das Volk auszupluendern. Auf der andern Seite behauptete er seine Wuerde schlecht, indem er oft ins Theater herabstieg, um mit Gladiatoren zu kaempfen, und andre Dinge vornahm, die der kaiserlichen Wuerde schlecht anstanden; er ward also bei den Soldaten veraechtlich. Auf einer Seite gehasst, auf der andern verachtet, fiel er als Opfer einer Verschwoerung. Endlich vom Maximinus. Dieser war hoechst kriegerisch, und da die Armee einen Widerwillen gegen das weibische Wesen des Alexander bekommen, von dem ich oben geredet habe, toedteten sie diesen und waehlten jenen zum Kaiser, welcher er jedoch nicht lange blieb. Zwei Dinge machten ihn verhasst und verachtet. Das eine seine niedrige Herkunft, da er in Thracien das Vieh gehuetet hatte (welches allgemein bekannt war, und ihn in allen Augen herabsetzte); das andre, dass er im Anfange seiner Herrschaft verschob, nach Rom zu gehen und Besitz von der kaiserlichen Wuerde zu nehmen; daneben in ueblen Ruf gerieth, weil er durch seine Statthalter in Rom und anderen Orten viele Grausamkeiten verueben lassen. Da mithin die ganze Welt voll Unwillen ueber seine niedrige Herkunft, und andrerseits voll Hass und Furcht wegen seines wilden Gemueths war, so verschwor sich der Senat, ganz Rom und endlich ganz Italien gegen ihn. Hierzu kam sein eignes Heer, welches im Lager vor Aquileja Schwierigkeiten bei der Belagerung fand, seiner Grausamkeit ueberdruessig ward, und da es sah, dass ihn die ganze Welt hasste, ihn umbrachte. Ich will weder vom Heliogabalus, noch vom Macrinus, noch Julianus reden, welche so niedrige Geschoepfe waren, dass sie sofort zu Grunde gingen: sondern ich komme zum Schlusse und sage, dass die Fuersten unsrer Zeit sich weniger in jener Verlegenheit befaenden, auf ausserordentliche Mittel denken zu muessen, um die Soldaten zu befriedigen. Wenngleich auf diese Ruecksicht genommen werden muss, so hat es doch damit so viel nicht zu bedeuten; denn die heutigen Fuersten haben keine Heere beisammen, die mit der Regierung und Verwaltung der Provinzen so verwebt waeren, als die roemischen. War es damals noethiger, das Kriegsheer zu befriedigen, als das Volk, weil jenes maechtiger war, als dieses; so ist es gegenwaertig fuer alle Fuersten (mit Ausnahme der Sultane von Konstantinopel und Egypten) notwendiger, das Volk zufrieden zu stellen, weil selbiges heutigen Tages mehr vermag, als die Soldaten. Ich nehme den tuerkischen Kaiser aus, der ungefaehr zwoelftausend Mann zu Fuss und fuenfzehntausend zu Pferde haelt, von denen die Sicherheit und Staerke seines Reiches abhaengt, und die er daher nothwendig ohne alle Ruecksicht auf die andern Unterthanen zu Freunden behalten muss. Eben so ist es mit dem Sultan von Egypten, der ganz in den Haenden seiner Soldaten ist, und diese daher zu Freunden behalten muss, es koste was es wolle. Es ist dabei zu bemerken, dass dieser Sultan von allen andern Fuersten verschieden ist, und Aehnlichkeit mit dem Papste hat, der weder Erbfuerst ist, noch fuer einen neuen Fuersten gelten kann; denn es werden jedesmal nicht die Soehne des verstorbenen Regenten Erben und Nachfolger, sondern der Fuerst wird von denen gewaehlt, die dazu befugt sind. Da diese Ordnung der Dinge alt ist, so kann es nicht fuer eine neue Herrschaft gelten, indem keine von den Schwierigkeiten vorhanden sind, die ein neuerrichtetes Fuerstentum druecken. Wenngleich der Fuerst aus dem Privatstande zu der Wuerde erhoben wird, so sind doch die Anordnungen alt, und Alles ist darauf eingerichtet, ihn als einen Erbfuersten zu empfangen. Auf meine Behauptung zurueckzukommen, so wird Jeder, der die obige Erzaehlung erwaegt, einsehen, dass Hass und Verachtung die Ursachen des Unterganges jener Imperatoren gewesen. Es wird dadurch begreiflich, wie es zugegangen ist, dass, da einige auf diese, andre auf entgegengesetzte Weise handelten, dennoch einige von jenen und einige von diesen ein glueckliches, andre ein unglueckliches Ende genommen. Dem Pertinax und Alexander half es nichts, dem Marcus nachzuahmen, weil sie sich auf den Thron geschwungen hatten, dieser aber ein Erbfuerst war; dem Caracalla, Commodus und Maximinus war es sehr nachtheilig, es so zu machen wie Severus, weil es ihnen an den erforderlichen Tugenden fehlte, in seine Fusstapfen zu treten. Ein neuer Fuerst kann dem Marcus nicht nachahmen und braucht nicht dem Severus zu folgen: sondern er muss vom Severus annehmen, was noethig ist, seine Herrschaft zu gruenden; vom Marcus aber das, was ruhmwuerdig und nuetzlich ist, einen bereits festgegruendeten Staat zu erhalten. 20. Ob Festungen und andere Sicherheitsanstalten den Fuersten nuetzlich oder schaedlich sind? Einige Fuersten haben ihre Unterthanen entwaffnet, um ihre Herrschaft sicher zu stellen, andre haben es darauf angelegt, dass die Parteien in den ihnen unterworfenen Staedten fortdauern sollten, andre haben Feindschaften gegen sich selbst unterhalten, andre haben sich bemueht, diejenigen, welche ihnen zu Anfang verdaechtig waren, zu gewinnen; einige haben Festungen erbaut, andre haben sie niedergerissen und zerstoert. Obgleich ueber alle diese Dinge kein allgemeines Urtheil stattfindet, sondern es auf die besondern Umstaende des Staates ankommt, in welchem eine Entschliessung zu fassen ist, so will ich doch im Allgemeinen so viel davon reden, als die Natur der Sache verstattet. Es ist einem neuen Fuersten niemals zutraeglich gewesen, seine Unterthanen zu entwaffnen. Vielmehr hat ein solcher sie allemal mit Nutzen bewaffnet, wenn er sie unbewaffnet fand: denn wenn er sie bewaffnet, so werden diese Waffen Sein, Verdaechtige werden treu, die Getreuen koennen sich erhalten, und die Unterthanen werden Anhaenger ihres Herrn. Da es aber unmoeglich ist, alle Unterthanen zu bewaffnen, so sind diejenigen, welche dazu ausersehen werden, mit gewissen Vorzuegen auszuzeichnen: mit den andern aber kann man ganz sicher nach Belieben verfahren. Diese Verschiedenheit in der Behandlung sichert die Ergebenheit derer, die hervorgezogen werden; die andern aber entschuldigen das Verfahren, weil sie die Nothwendigkeit einsehen, diejenigen, welche mehr Verpflichtung und Gefahr uebernehmen, zu belohnen. Wer hingegen damit anfaengt, das Volk zu entwaffnen, beleidigt es, und zeigt Misstrauen in ihren Muth oder ihre Treue: solche Gesinnungen erregen beide Hass. Weil der Fuerst nicht ganz ohne Kriegsmannschaft sein kann, so muss er zu Miethstruppen greifen, von deren Beschaffenheit oben gehandelt worden. Waeren diese aber auch tadellos, so kann man doch ihrer nicht genug unterhalten, um sich gegen maechtige Feinde und verdaechtige Unterthanen zugleich zu vertheidigen. Neue Fuersten haben daher allemal, wie ich bereits gesagt habe, in ihren neuerworbenen Laendern Kriegsmannschaft eingefuehrt. Die Geschichte ist voll solcher Beispiele. Wenn aber ein Fuerst ein Land erwirbt, welches als ein neues Glied mit seinen Besitzungen im alten Staatskoerper vereinigt wird, so ist es nothwendig, diese Provinz zu entwaffnen, mit alleiniger Ausnahme derjenigen, die sich bei der Eroberung fuer ihn erklaert haben. Und auch diese ist es rathsam, mit der Zeit und bei guter Gelegenheit schlaff und weichlich zu machen, und die Sachen so einzurichten, dass alle Soldaten aus dem alten Lande seien. Unter unsern Vorfahren pflegten die Weisesten zu sagen, die Herrschaft muesse ueber Pistoja durch innere Uneinigkeit, ueber Pisa durch Festungswerke behauptet werden. Sie unterhielten daher in jener untergebenen Stadt die innern Zwistigkeiten, um sie sichrer zu beherrschen. Dieses mochte zu der Zeit gut sein, als ein gewisses Gleichgewicht in Italien vorhanden war: gegenwaertig aber scheint mir der Rathschlag nicht mehr tauglich. Ich glaube vielmehr, dass aus angestifteten Uneinigkeiten niemals Gutes kommt: vielmehr muessen Staedte, die innerlich entzweit sind, bei Annaeherung eines Feindes bald fallen; denn der schwaechste Theil wird sich immer an den auswaertigen Feind haengen, der andre aber nicht im Stande sein, sich zu behaupten. Diese Ursachen haben, wie es mir scheint, die Venezianer bewogen, die Parteien der Guelfen und Ghibellinen in den ihnen unterworfenen Staedten zu unterhalten. Wenn sie es gleich nicht bis zum Blutvergiessen kommen liessen, so unterhielten sie doch diese Zwistigkeiten, damit die Buerger beschaeftigt und abgehalten wuerden, sich gegen sie aufzulehnen. Dieses schlug aber nicht so aus, als beabsichtigt war; denn sie waren nicht sobald bei Vaila geschlagen, so fasste eine der Parteien Muth und stuerzte die venezianische Herrschaft. Aehnliches Verfahren deutet allemal die Schwaeche des Fuersten an. Unter einer kraeftigen Herrschaft werden solche Uneinigkeiten nicht gestattet, weil sie nur im Frieden zu etwas nuetzen koennen, indem sie dienen, die Unterthanen nach Gefallen zu behandeln; entsteht aber Krieg, so tritt doch zu Tage, wie trueglich eine solche Art zu regieren ist. Ohne Zweifel dient es zur Groesse eines Fuersten, Schwierigkeiten und Widerstand zu ueberwinden. Wenn das Schicksal einen neuen Fuersten, der unstreitig eines guten Rufes mehr bedarf, als ein Erbfuerst, gross machen will, so erweckt es ihm Feinde und reizt dieselben zu Unternehmungen gegen ihn, damit er sie zu Schanden mache, und auf der Leiter, die ihm seine Feinde solchergestalt zutragen, noch hoeher steige. Es haben daher Einige geurtheilt, dass ein weiser Fuerst, wofern die Gelegenheit sich darbietet, einige Feinde schlauer Weise anfeuern muesse, um durch ihre Besiegung groesser zu werden. Die Fuersten, und insbesondere neue, haben mehr Treue bei denen gefunden, und mehr Nutzen von denen gezogen, die ihnen im Anfang verdaechtig waren, als bei denen, die sich gleich anfangs zu ihnen schlugen. Pandolfo Petrucci, Fuerst von Siena, regierte seinen Staat mehr durch Jene, als durch die Andern. Aber es ist nicht viel davon zu sagen, weil es allein auf die Umstaende ankommt. Ich will nur noch dieses Einzige anfuehren, dass diejenigen, welche einer Herrschaft anfangs feind waren, wofern sie so beschaffen sind, dass sie sich nicht ohne Unterstuetzung halten koennen, vom Fuersten leicht gewonnen werden, und genoethigt sind, ihm treuere Dienste zu leisten; da sie einsehen, dass sie etwas thun muessen, um die nachtheiligen ersten Eindruecke auszuloeschen. Der Fuerst zieht also von ihnen groessern Nutzen, als von denen, welche sich in seinem Dienste ganz sicher halten und daher seine Sache vernachlaessigen. Da der Gegenstand es erfordert, darf ich nicht verabsaeumen, die Fuersten, die ein Land durch Hilfe ihrer Anhaenger unter den Einwohnern erobern, zu erinnern, dass sie wohl erwaegen, welche Ursachen jene bewogen haben, es mit ihnen zu halten. Ist dies nicht aus einer natuerlichen Zuneigung, sondern blos aus Missvergnuegen mit dem vorigen Zustande der Dinge geschehen, so wird man sie mit aller Muehe schwerlich zu Freunden behalten, weil es beinahe unmoeglich ist, sie zufrieden zu stellen. Wenn man alte und neue Geschichten erwaegt, so wird man finden, dass es leichter ist, diejenigen zu gewinnen, welche bei dem vorigen Zustande der Dinge zufrieden, und deswegen dem neuen Herrn feind waren, als diejenigen, welche unzufrieden waren und diesen deswegen beguenstigten. Die Fuersten pflegen wol zu ihrer Sicherheit Festungen anzulegen, welche ihnen als Zaum und Gebiss ihrer Gegner dienen, und bei einem Ueberfalle eine Zuflucht fuer den ersten Anlauf anbieten. Ich kann diese Weise nicht missbilligen, da es von Alters her so geschehen. Doch hat Herr Nicolo Vitelli zu unsrer Zeit zu Citta di Castello zwei Burgen niedergerissen, um diesen Ort zu behaupten. Guid'Ubaldo, Herzog von Urbino, zerstoerte nach seiner Rueckkunft in sein Land, aus welchem ihn Caesar Borgia vertrieben hatte, alle festen Plaetze in demselben, weil er es auf diese Art leichter zu behaupten dachte. Eben so machten es die Bentivogli nach ihrer Rueckkehr in Bologna. Festungen sind daher nach Umstaenden nuetzlich oder schaedlich, und wenn sie auf einer Seite helfen, so schaden sie auf der andern. Dies beruht auf Folgendem: der Fuerst, der mehr sein eignes Volk als Fremde zu fuerchten hat, muss Festungen anlegen; wer sich aber mehr vor fremden, als vor seinen eignen Leuten fuerchtet, unterlasse es. Dem Hause Sforza hat das Castell von Mailand, welches Francesco Sforza erbaut hat, mehr Schaden gethan, als irgend ein andrer Umstand. Die beste Festung ist, seinem Volke nicht verhasst zu sein; denn wen das Volk hasst, dem helfen Festungen nicht, weil es nie an Fremden fehlt, die dem Volke zu Hilfe kommen, sobald es die Waffen ergriffen hat. Zu unsern Zeiten hat man kein Beispiel gesehen, wo sie einem Fuersten Nutzen gebracht haetten, ausser der Graefin von Forli;(21) welche sich bei einem Volksaufstande nach dem Tode ihres Gemahls, des Grafen Girolamo, dahinein rettete, bis Hilfe von Mailand kommen konnte und sie wieder einsetzte: dabei verstatteten die damaligen Umstaende den Fremden nicht, dem aufruehrerischen Volke zu Hilfe zu kommen. Naechstdem aber, da Caesar Borgia sie angriff, und das Volk sich mit Fremden gegen sie verband, diente die Festung zu nichts. Allemal waere es ihr mehr werth gewesen, von ihrem Volke nicht gehasst zu werden, als Festungen zu haben. In Erwaegung alles dessen will ich gern denjenigen loben, der Festungen anlegt, und den, der keine anlegt; tadle aber denjenigen, der sich darauf verlaesst, und deswegen den Hass des Volkes nicht achtet.(22) 21. Wie ein Fuerst sich zu betragen hat, um grossen Ruhm zu erwerben. Nichts erwirbt einem Fuersten so viel Achtung, als grosse Unternehmungen und glaenzende Handlungen. Zu unsrer Zeit haben wir den Fernando, Koenig von Arragonien, gegenwaertigen Koenig von Spanien. Derselbe kann gewissermassen fuer einen neuen Souverain gelten, weil er aus einem schwachen Fuersten, durch den Ruhm seiner Thaten, zu dem ersten Monarchen der Christenheit geworden. Wenn man seine Handlungen betrachtet, so findet man in allen Groesse: einige sind aber ganz ausserordentlich. Zu Anfang seiner Regierung griff er Granada an; diese Unternehmung ward der Grund seiner Groesse. Anfangs vollfuehrte er sie ganz gemaechlich und brauchte nicht zu besorgen, darin gehindert zu werden; beschaeftigte damit die castilischen Barone, welche dadurch abgehalten wurden, auf Neuerungen zu Hause zu denken, und erwarb selbst dadurch unvermerkt grosses Ansehn ueber sie und Ruf. Er war vermoegend, seine Armee mit dem Gelde der Kirche und seines Volks zu unterhalten, und legte durch diese langen Feldzuege einen guten Grund zu der Kriegsmacht, welche ihm in der Folge zu so grosser Ehre verhalf. Ausserdem aber uebte er, um zu groesseren Unternehmungen schreiten zu koennen, unter bestaendigem Vorwande der Religion eine fromme Haerte aus, durch Vertreibung der Mauren. Ein schrecklicheres und seltneres Ereigniss gibt es nicht. Unter gleichem Vorwande fiel er in Afrika ein, versuchte einen Feldzug in Italien, griff endlich Frankreich an. So beschaeftigte er sich bestaendig mit grossen Entwuerfen, welche unaufhoerlich seine Unterthanen in der Erwartung ihres Ausganges und in Bewunderung erhielten. Diese seine Handlungen entsprangen eine aus der andern, also, dass gar nicht dazwischen zu kommen, und keine Zeit war, dagegen zu wirken. Ferner ist es einem Fuersten sehr erspriesslich, in der innern Verwaltung auffallende Dinge zu thun, so wie vom Herrn Bernhard von Mailand erzaehlt wird, als wenn Gelegenheit entsteht, irgend Jemanden wegen ausserordentlicher Dinge im Guten oder im Boesen auf solche Art zu belohnen oder zu bestrafen, dass davon viel geredet werde. Vor allen Dingen muss ein Fuerst in jeder seiner Handlungen den Ruf des Grossen und Hervorstechenden suchen. Noch erweckt es grosse Hochachtung gegen einen Fuersten, wenn er sich als einen ernstlichen Freund oder Feind beweist: das ist, wenn er ohne alle Bedenklichkeit entschiedene Partei nimmt; dies bringt stets mehr Ruhm, als neutral zu bleiben. Denn wenn zwei maechtige Nachbarn in Streit gerathen, so hast du von dem Sieger etwas zu befuerchten, oder nicht. In beiden Faellen ist es besser, hervorzutreten und ernstlich Theil zu nehmen: denn im ersten Falle wird derjenige, der sich nicht blossgeben wollte, allemal eine Beute des Siegers, zur groessten Zufriedenheit des Ueberwundenen, und es bleibt keine andre Zuflucht mehr offen. Denn der Ueberwinder verlangt keine verdaechtigen Freunde, die in der Gefahr nicht beistehen. Der Besiegte bietet demjenigen keine Zuflucht an, der in den Zeiten des Kampfes sich geweigert hat, Theil zu nehmen. Antiochus hatte sich von den Aetoliern bewegen lassen, nach Griechenland zu kommen, um die Roemer zu bekaempfen. Er schickte Gesandte an die Achaeer, welche Freunde der Roemer waren, um sie zu bewegen, Zuschauer zu bleiben. Auf der andern Seite redeten ihnen die Roemer zu, die Waffen fuer sie zu ergreifen. Als dies in der Versammlung der Achaeer zur Berathung kam, so antwortete der roemische Gesandte dem Botschafter des Antiochus, der zur Neutralitaet mahnte, Folgendes: "Wenn es Euch als der beste und nuetzlichste Ausweg empfohlen wird, neutral zu bleiben, so bedenket, dass Euch nichts Nachtheiligeres angegeben werden koennte; denn wenn Ihr am Kriege keinen Theil nehmet, so werdet Ihr ohne Dank und ohne Ehre eine Beute des Siegers werden." Es wird immer so kommen, dass derjenige, der mit dir nicht gut steht, dich ersuchen wird, neutral zu bleiben; der Andre aber wird dich bitten, ihn zu schuetzen. Unentschlossene Fuersten schlagen meistentheils diesen Weg der Neutralitaet ein und gehen auch meistentheils darueber zu Grunde. Macht aber ein Fuerst ernstlich gemeine Sache mit einem Theile, und dieser traegt den Sieg davon, so bleibt er freilich abhaengig von demselben, jedoch sind die Faeden der Dankbarkeit angeknuepft, und die Menschen sind nicht so verraetherisch, dass sie die Undankbarkeit bis dahin treiben sollten, ihren Anhaenger sogleich zu unterdruecken. Auch ist der Sieg selten so vollstaendig, dass der Sieger nicht allerlei Ruecksichten nehmen muesste und vorzueglich auf die Gerechtigkeit. Wenn aber der Theil, zu dem du dich geschlagen hast, unterliegt, so steht er dir doch bei, und du hast einen Freund, mit dessen Beihilfe du vielleicht wieder emporkommen kannst. Im zweiten Falle, da die streitenden Parteien einander so gleich sind, dass vom Sieger nichts zu fuerchten ist, so ist es so viel klueger, Partei zu nehmen, weil sonst Einer zu Grunde gerichtet wird, dem ein kluger Zuschauer vielmehr beistehen wuerde; siegt er, so behaeltst du ihn in Haenden, und es ist fast unmoeglich, dass derjenige, dem du beistehst, nicht den Sieg davontrage. Hier ist noch bemerkenswerth, dass ein Fuerst sich niemals mit einem Maechtigern verbinden muss, um ueber einen Dritten herzufallen, ausser im Falle der Noth. Denn wenn er siegt, so bist du in seiner Gewalt: dies ist aber vor allen Dingen zu vermeiden. Die Venezianer verbanden sich mit Frankreich gegen den Herzog von Mailand; dies geschah unnoethiger Weise, und sie gingen darueber zu Grunde. Wenn es aber unvermeidlich ist, so wie mit den Florentinern der Fall war, als der Papst und die Spanier die Lombardei ueberzogen, alsdann muss man freilich wol diesen Entschluss nehmen. Kein Staat glaube jemals mit Sicherheit auf etwas zaehlen zu koennen, sondern rechne bestaendig auf die Ungewissheit aller Dinge: denn die Welt ist so beschaffen, dass man allemal einer Unbequemlichkeit entgeht, in eine andre aber hineingeraeth. Die Klugheit besteht darin, unter ihnen auszuwaehlen, und die geringste auszusuchen. Ferner noch muss ein Fuerst Liebe zu ausgezeichneten Eigenschaften beweisen und vorzuegliche Maenner in jedem Fache ehren. Er muss seine Buerger anfeuern, dass sie sich ernstlich in ihrem Gewerbe anstrengen, sei es im Handel oder dem Ackerbau, oder anderm Gewerbe; dass sie nicht fuerchten, das, was sie erworben, zu geniessen; ihre Besitzungen, aus Furcht sie zu verlieren, vernachlaessigen; aus Furcht vor neuen Steuern den Handel liegen lassen. Vielmehr muss er Jeden dazu aufmuntern, und denjenigen, der der Stadt oder dem Staate auf irgend eine Art foerderlich ist, belohnen. Sein Volk muss er zu den gehoerigen Zeiten im Jahre mit Festlichkeiten und Schauspielen beschaeftigen, und da jede Stadt aus Zuenften besteht, diese ehren, ihren Zusammenkuenften zu schicklichen Zeiten beiwohnen, sich menschenfreundlich und freigebig beweisen, dabei aber seine Wuerde in allen Dingen behaupten, welche niemals vernachlaessigt werden darf. 22. Von den Ministern. Die Wahl der Raethe ist keine der geringsten Angelegenheiten eines Fuersten und faellt gut oder schlecht aus, nachdem er wohl ueberlegt oder nicht. Man urtheilt zunaechst ueber ihn und ueber seinen Verstand, nachdem die Personen beschaffen sind, die ihn umgeben. Sind sie der Sache gewachsen und getreu, so wird er immer fuer einen weisen Mann gelten, weil er sie fuer das erkannte, was sie waren, und sie treu zu erhalten wusste. Ist das nicht, so kann man ueber ihn kein guenstiges Urtheil faellen, wenn er in dieser ersten Angelegenheit Fehler begeht. Wer nur den Antonio von Venafro, den Minister des Pandolfo Petrucci, Fuersten von Siena kannte, musste diesen fuer einen Mann von Verstand halten, weil er jenen zu seinem Minister erwaehlte. Es gibt drei Arten von Koepfen. Die erste sieht Alles von selbst ein; die zweite begreift es, wenn Andre die Sache darlegen; die dritte sieht nichts ein, weder von selbst, noch durch die Bemuehungen Andrer. Die ersten sind die vorzueglichsten, die zweiten sind noch immer vortrefflich, die letzte Art ist aber zu nichts nuetze. Pandolfo gehoerte nicht zu der ersten, wol aber zu der zweiten Classe; denn wer nur den Verstand hat, Gutes und Schlechtes, was Andre sagen und thun, zu unterscheiden, kann, wenn er schon selbst keinen erfinderischen Geist besitzt, die Handlungsweise seiner Minister beurtheilen, tuechtige erheben und andre zuechtigen; kein Minister kann ihn hintergehen, und er erhaelt sich. Minister zu beurtheilen, dazu ist Folgendes ein untruegliches Mittel. Sieht man, dass einer mehr an sich als an seinen Herrn denkt, und in allen seinen Handlungen seinen persoenlichen Vortheil vor Augen hat, der wird nie ein guter Rathgeber sein, noch kann man ihm trauen. Denn wer einmal die Angelegenheiten einer Regierung in Haenden hat, muss nicht mehr an sich denken, sondern an seinen Fuersten, und Alles in Beziehung auf diesen betrachten. Auf der andern Seite muss der Fuerst wieder an ihn denken, ihm Ehre und Reichthum zuwenden, ihn sich verbinden, an der Ehre und der Fuehrung der Geschaefte Theil nehmen lassen, so dass er sehe, er koenne ohne den Fuersten nicht bestehen, und so viel Auszeichnung habe, dass er nicht nach hoeherer strebe; des Reichthums so viel, dass er nicht noch mehr begehre; und in so hohen Aemtern stehe, dass er jede Staatsveraenderung fuerchten muss. Wenn Minister so beschaffen sind und von den Fuersten so behandelt werden, dann koennen beide einander trauen; sonst aber wird es sicher mit dem Einen oder Andern ein schlechtes Ende nehmen. 23. Schmeichler sind zu fliehen. Ein Kapitel von groesster Wichtigkeit kann ich nicht uebergehen, da es einen Fehler betrifft, den die Fuersten selten vermeiden, wenn sie nicht sehr viel Verstand haben und nicht gut zu waehlen wissen. Dies behandelt naemlich die Schmeichler. Es gibt gar kein anderes Mittel, um sich gegen die Schmeichelei zu sichern, als wenn man zeigt, dass man die Wahrheit hoeren kann, ohne dadurch beleidigt zu werden: darf aber Jeder dir die Wahrheit sagen, so verletzt er die Ehrfurcht. Ein kluger Fuerst muss daher einen dritten Weg einschlagen, gescheidte Leute auswaehlen, diesen allein erlauben, ihm die Wahrheit zu sagen, aber doch nur ueber die Gegenstaende, darueber er sie befragt; er muss sie aber ueber Alles befragen, ihre Meinung hoeren und dann selbst seine Entschliessung fassen. Mit diesen Rathgebern muss er sich so benehmen, dass Jeder sieht, er werde desto mehr Gehoer finden, je freimuethiger er spricht. Ausser diesen aber muss er Niemand hoeren, beschlossene Sachen nicht wieder besprechen und von gefassten Beschluessen nicht zurueckgehen. Wer es anders macht, wird entweder durch die Schmeichler ins Verderben gestuerzt, oder wird ueber der Mannichfaltigkeit der Ansichten, ueber das oeftere Wanken in seinen Entschluessen veraechtlich. Ich will hiervon ein Beispiel aus der neuesten Geschichte anfuehren. Pater Luca, ein Vertrauter Kaiser Maximilians, sagte von diesem, er ziehe Niemanden zu Rathe und handle doch niemals nach seinem eignen Sinne: welches daher ruehre, dass er das Gegentheil von dem zu thun pflege, was hier oben angegeben ist; der Kaiser sei naemlich ein verschlossener Mann, eroeffne Niemandem seine Gedanken und frage Niemanden um seine Meinung. Aber wenn er anfaengt, seine Entwuerfe ins Werk zu richten, und sie sich entwickeln, so finden sie auch Widerspruch bei seinen Umgebungen; und da er selbst von nachgibigem Charakter sei, lasse er sich leicht davon abbringen. Was er an einem Tage angefangen, vernichte er am folgenden wieder. Man koenne daher nie daraus klug werden, was er vorhabe, und koenne auf seine Beschluesse nicht bauen. Ein Fuerst muss sich also bestaendig berathen: aber das, wenn Er es will, nicht wenn Andre wollen; er muss Jedem den Muth nehmen, ihm ungefragt Rath zu ertheilen; er muss aber haeufig fragen und alsdann den freimuethigen Vortrag der Wahrheit gern hoeren, und vielmehr noch zuernen, wenn Jemand sie ihm aus Nebenursachen vorenthaelt. Es glauben wol Einige, dass manche Fuersten, welche den Ruf grosser Klugheit erworben haben, denselben nicht ihrem eignen Verstande, sondern den guten Rathschlaegen Andrer verdanken; aber diese irren unstreitig: denn es ist eine ganz allgemeine Regel ohne Ausnahme, dass ein Fuerst, der selbst keinen Verstand hat, auch nicht guten Rath annehmen kann, es sei denn, dass er zufaelligerweise ganz und gar von einem einzigen, und zwar von einem sehr gescheidten Manne regiert wuerde. In diesem letzten Falle kann er wol gut geleitet werden; es dauert aber nicht lange: denn ein solcher Rathgeber wird ihn bald selbst stuerzen. Ein Fuerst, dem es an Weisheit fehlt und der Mehrere befragt, wird nie uebereinstimmende Rathschlaege erhalten, und sie eben so wenig selbst in Uebereinstimmung bringen. Jeder seiner Rathgeber wird immer auf seine eigne Sache denken, und der Fuerst wird sie weder kennen, noch in Ordnung halten. Rathgeber, die es anders machen, sind nicht zu finden, denn die Menschen sind ihrer Natur nach schlecht, wenn sie nicht durch Noth gezwungen werden, gut zu handeln. Mit Einem Worte: Gute Rathschlaege, sie moegen herruehren von wem sie wollen, muessen von der Klugheit des Fuersten veranlasst werden. Durch gute Rathschlaege wird kein Fuerst klug gemacht. 24. Wie die Fuersten Italiens ihre Herrschaften verloren haben. Wenn alles bisher Ausgefuehrte gut beobachtet wird, so wird ein neuer Fuerst einem alten gleich und wird geschwind so sicher und fest in seiner Herrschaft, als wenn er darin aufgewachsen waere. Denn die Handlungen eines neuen Fuersten werden weit mehr beachtet, als eines Erbfuersten. Erkennt man darin grosse Vorzuege, so gewinnt dieses die Menschen, und er erwirbt sich eine groessere Anhaenglichkeit, als ein altes Geschlecht; denn die Menschen sind viel mehr mit dem Gegenwaertigen, als mit vergangenen Dingen beschaeftigt; befinden sie sich wohl, so sind sie damit zufrieden und verlangen nichts Anderes, nehmen auch ernstlich die Partei des Fuersten, wenn er nur sich selbst nicht im Stiche laesst. Auf diese Art erwirbt er doppelten Ruhm, indem er eine neue Herrschaft gegruendet, zu Ehren gebracht, mit guten Gesetzen, tuechtiger Kriegsmacht, Freunden und gutem Beispiel fuer Andre versehen hat. Dagegen trifft doppelte Schande den Fuersten, der eine alte Herrschaft durch Unverstand verliert. Wenn man aber die Geschichte derjenigen italienischen Fuersten betrachtet, welche zu unsrer Zeit ihre Staaten verloren haben, wie den Koenig von Neapel, den Herzog von Mailand und Andre; so wird man zuerst einen gemeinsamen Fehler finden, in den sie hinsichtlich der Kriegsmacht gefallen sind: aus den oben aus einander gesetzten Ursachen. Ferner wird man finden, dass einer oder der andere von ihnen das Volk zum Feinde gehabt, oder wenn er das Volk zum Freunde hatte, sich der Grossen nicht versichern konnte. Ohne solche Fehler geht keine Herrschaft verloren, welche maechtig genug ist, ein Heer ins Feld stellen zu koennen. Philipp von Macedonien, nicht der Vater Alexanders des Grossen, sondern derjenige, welchen Titus Quintius ueberwand, hatte keinen grossen Staat im Vergleich mit den Roemern und Griechen, die ihn angriffen; dennoch hielt er es manches Jahr mit ihnen aus, weil er kriegerischen Geist hatte, das Volk zu behandeln verstand und sich der Grossen zu versichern wusste. Wenn er auch eine und die andre Stadt verlor, so behauptete er sich doch in seinem Koenigreiche. Unsre Fuersten, welche eine lange Jahre hindurch besessene Herrschaft verloren haben, moegen also nur nicht das Schicksal anklagen, sondern ihre eigne Feigheit; denn wenn sie in ruhigen Zeiten nie darauf gedacht haben, dass diese sich aendern koennen - der gewoehnliche Fehler der Menschen, bei gutem Wetter nicht an den Sturm zu denken - und alsdann, wenn schlimme Umstaende eintreten, nicht darauf denken, sich zu vertheidigen, sondern entfliehen und hoffen, dass die Voelker sie aus Ueberdruss der Sieger wieder zurueckrufen sollen; so ist das ganz gut, wenn gar kein andrer Weg eingeschlagen werden kann: aber es ist sehr uebel, andre Wege zu vernachlaessigen und diesen vorzuziehen. Kein Mensch wird je muthwillig fallen, in Hoffnung, dass ein Andrer ihm wieder aufhelfen werde. Mag das nun wirklich geschehen oder nicht, so ist es immer hoechst unsicher. Es haengt nicht von uns ab und ist ein niedriges Mittel. Nur diejenige Vertheidigung ist gut, sicher, dauerhaft, welche von uns selbst und unsrer eignen Tapferkeit abhaengt. 25. Welchen Einfluss das Glueck auf die Angelegenheiten der Menschen hat. Ich weiss wohl, dass Viele ehedem die Meinung gehegt haben und noch jetzt hegen, die Begebenheiten der Welt wuerden solchergestalt vom Gluecke und von Gott regiert, dass die Menschen mit aller Klugheit sie nicht verbessern und nichts dagegen ausrichten koennten. Daraus koenne man abnehmen, dass es nicht der Muehe werth sei, viel einzufaedeln, sondern dass man sich nur dem Schicksale hingeben moege. Diese Meinung hat in unsern Tagen durch die grossen Veraenderungen, die Alles erlitten hat, die man noch taeglich sieht, und welche alle menschlichen Vermuthungen zu Schanden machen, viel gewonnen. Indem ich hierueber nachgedacht, bin ich zu Zeiten geneigt gewesen, mich zu derselben Meinung zu bekennen. Weil aber doch der menschliche freie Wille damit in Widerspruch steht, so urtheile ich, dass das Glueck wol die Haelfte aller menschlichen Angelegenheiten beherrschen mag; aber die andre Haelfte, oder doch beinahe so viel, uns selbst ueberlassen muesse. Ich vergleiche das Glueck mit einem gefaehrlichen Flusse, der, wenn er anschwillt, die Ebene ueberschwemmt, Baeume und Gebaeude umstuerzt, Erdreich hier fortreisst, dort ansetzt. Jedermann flieht davor und gibt nach; Niemand kann widerstehen. Dennoch koennen die Menschen in ruhigen Zeiten Vorkehrungen treffen, mit Deichen und Waellen bewirken, dass der Fluss bei hohem Wasser in einem Canale abfliessen muss, oder doch nicht so unbaendig ueberstroemt und nicht so viel Schaden thut. In gleicher Art geht es mit dem Gluecke, welches seine Macht zeigt, wo keine ordentlichen Gegenanstalten gemacht sind, und sich mit Ungestuem dahin kehrt, wo keine Waelle und Daemme vorhanden sind, es im Zaume zu halten. Wenn man Italien betrachtet, welches der Sitz dieser grossen Umwaelzungen gewesen ist, so wird man ein ebenes Feld finden, ohne Waelle und Daemme. Waere dieses Land durch hinlaengliche Kriegstugend vertheidigt, so wie Deutschland, Frankreich und Spanien, so haetten jene Ueberschwemmungen keine solchen Umwaelzungen hervorgebracht, oder waeren gar nicht eingetreten. So viel im Allgemeinen vom Widerstande gegen das Schicksal. Nunmehr der Sache naeher zu treten, sage ich, dass man einen Fuersten heute im Wohlstande, morgen zu Grunde gehen sieht, ohne dass er seine Natur im Geringsten veraendert habe. Dies scheint mir zuerst von den Ursachen herzuruehren, die ich oben ausfuehrlich eroertert habe: naemlich, dass ein Fuerst, der sich ganz auf das Glueck verlaesst, zu Grunde gehen muss, sobald dieses sich dreht. Ferner glaube ich, dass es dem gut gehe, der in seiner Handlungsweise mit dem Geiste der Zeit zusammentrifft, und dass derjenige verungluecken muesse, der mit den Zeiten in Widerspruch geraeth. Denn man sieht die Menschen ihre Zwecke, die sich ein jeder vorgesetzt hat, es sei nun solches Ehre und Ruhm oder Reichthum, auf verschiedene Art verfolgen. Einer mit Vorsicht, der andre mit Ungestuem; einer mit Gewalt, der andre mit List; einer mit Geduld, der andre auf entgegengesetzte Art, und jeder kann auf seine Weise dazu gelangen. Man sieht zwei gleich vorsichtige: einem gelingt es, dem andern nicht. Ebenfalls gelingt es zwei verschiedenen gleich gut, von denen der eine vorsichtig, der andre ungestuem zu Werke geht. Dies ruehrt lediglich von der Verschiedenheit der Umstaende her, welche mit der Art zu verfahren uebereinstimmen oder nicht. Daher kommt, was ich gesagt habe, dass zwei entgegengesetzte Verfahrungsarten zu dem gleichen Zwecke fuehren; und dass von zweien, die auf gleiche Art verfahren, doch einer das Ziel erreicht, der andre es verfehlt. Eben daher kommen die Abwechselungen des Gluecks; denn wenn Jemand sich mit Vorsicht und Besonnenheit und Geduld benimmt, dazu die Umstaende wohl uebereinstimmen, so geht Alles gut von Statten. Aendern sich Zeiten und Umstaende, so geht er zu Grunde, wenn er sein Betragen nicht ebenfalls aendert. Es findet sich aber nicht leicht ein so verstaendiger Mann, nach dem er sich zu richten vermoechte; theils weil er nicht gegen seine natuerliche Neigung handeln kann; theils weil derjenige, dem es auf einem gewissen Wege bis dahin gelungen ist, sich nicht ueberzeugen kann, dass es gut sei, denselben nunmehr zu verlassen. So geht es dem vorsichtigen Manne. Wenn es Zeit ist, dreist darauf los zu gehen, so vermag er dies nicht, und muss also zu Grunde gehen. Haette er seine Gemuethsart mit den Zeiten und Umstaenden geaendert, so haette das Schicksal sich nicht geaendert. Papst Julius der Zweite ging in allen Dingen mit Ungestuem zu Werke, und die Zeitumstaende stimmten dazu so gut, dass er immerfort gluecklich war. Man erwaege nur seine erste Unternehmung gegen Bologna, als Giovanni Bentivoglio noch lebte. Die Venezianer waren damit nicht zufrieden: der Koenig von Spanien sowol als der von Frankreich dachten selbst auf eine solche Unternehmung. Dennoch griff er mit seinem gewoehnlichen Ungestueme die Sache an, und zwar persoenlich. Dieser kuehne Schritt hielt Venedig und Spanien zurueck; jenes aus Furcht, dieses durch die Begierde, das ganze Koenigreich Neapel zu erobern. Auf der andern Seite zog der Papst den Koenig von Frankreich in sein Interesse, indem der Koenig sah, dass der Papst einmal zugeschlagen hatte; und da er selbst die Venezianer zu demuethigen wuenschte, so glaubte er jenen nicht durch Verweigerung der Hilfstruppen offenbar beleidigen zu duerfen. Julius brachte also durch seine ungestuemen Bewegungen zu Stande, was niemals ein andrer Papst durch alle menschliche Klugheit ausgerichtet haette. Haette er gezaudert, von Rom aufzubrechen, bis Alles gehoerig bestellt und alle Anstalten vorlaeufig getroffen waeren, so wie andre Paepste es gemacht hatten, so waere es ihm nicht gelungen. Denn der Koenig von Frankreich haette tausend Entschuldigungen gefunden, und die Andern haetten ihm tausend Besorgnisse erregt. Ich uebergehe alle seine andern Handlungen, welche insgesammt dieser aehnlich sind und alle gelangen. Die Kuerze seines Lebens hat nicht verstattet, dass er ein feindliches Schicksal erfuhr. Waeren aber Umstaende eingetreten, die ein vorsichtiges Betragen erheischten, so waere auch Er zu Grunde gegangen, weil er seinen natuerlichen Charakter in seiner Handlungsweise nicht wuerde haben verlaeugnen koennen. Ich schliesse also, dass, da die Gluecksumstaende veraenderlich sind, die Menschen aber bei ihrer Weise eigensinnig beharren, es diesen nur so lange gut geht, als Beides mit einander uebereinstimmt; sobald aber Disharmonie darin eintritt, Alles missgluecken muss. So viel ist indessen wahr, dass allemal besser ist, muthig darauf los zu gehen, als bedaechtig; denn _das Glueck ist ein Weib, und wer dasselbe unter sich bringen will, muss es schlagen und stossen_. Es laesst sich eher von dem, der es so behandelt, unterjochen, als von dem, der ruhig und kalt zu Werke geht. Deswegen ist es auch als ein aechtes Weib den jungen Leuten gewogen, weil sie weniger bedaechtig sind, muthiger und dreister ihm befehlen.(23) 26. Aufruf, Italien von der Fremdherrschaft zu befreien. Erwaegt man nun alles bisher Vorgetragene und ueberlegt mit mir, ob augenblicklich wol in Italien die Zeitverhaeltnisse so sind, dass man einen neuen Fuersten zu Ehren bringen und dass ein tapferer und besonnener Mann eine neue Verfassung schaffen koennte, die ihm selbst zum Ruhme gereichte und der Nation Vortheil braechte, so scheinen mir jetzt so viele Umstaende zusammenzukommen, dass nie ein guenstigerer Zeitpunkt dazu vorhanden war. Wie gesagt, die Kuenste des Moses konnten sich nicht entwickeln, wenn die Juden nicht in der Dienstbarkeit Egyptens gewesen waeren; die Groesse des Cyrus waere nicht erkannt, wenn die Perser nicht von den Medern vorher unterdrueckt waeren; den Theseus beruehmt zu machen, mussten die Athenienser zu seiner Zeit zerstreut leben; und so musste auch, damit ein italienischer hoher Geist sich zeigen koenne, Italien so tief sinken, sklavischer werden, als die Juden je gewesen sind, unterdrueckter als die Perser, zerstreuter als die Athenienser, ohne Kopf, ohne Ordnung, geschlagen, ausgepluendert, zerrissen, ueberrannt, - das italienische Volk musste auf alle Weise zu Grunde gerichtet sein. Und wenn sich gleich bis daher in Einem oder Anderm einiger Schein gezeigt hat, als ob er von Gott dazu berufen sei, Italien zu erloesen, so sind solche doch im Verfolge der Begebenheiten durch das Schicksal so zurueckgeworfen, dass Italien noch immer wie todt daliegt und auf den harrt, der es von den erlittenen Schlaegen herstellen, den Pluenderungen und Verheerungen der Lombardei, dem Aussaugen und Erpressungen des roemischen Gebietes und Koenigreichs Neapel ein Ende machen, und die durch die Laenge der Zeit so tief hinein brandig gewordenen Wunden heilen wird. Seht, wie das Volk zu Gott ruft, er moege Jemand senden, der es von der Grausamkeit und dem Uebermuthe der Barbaren erloese! Seht, wie geneigt es ist, der Fahne zu folgen, wenn nur Jemand da waere, der sie aufpflanzte. Es ist aber jetzt Niemand zu finden, auf den man hoffen duerfte, ausser in eurem erlauchten Hause, welches durch seine hohen Eigenschaften und durch seinen Gluecksstern(24) (unter Beguenstigung Gottes und der Kirche, an deren Spitze euer Geschlecht gegenwaertig steht) Anfuehrer der Befreiung werden koennte. Dies wird euch nicht schwer werden, wofern ihr nur die von mir vorgehaltenen Beispiele vor Augen behaltet. Und obwol diese von seltnen und bewunderungswuerdigen Maennern herruehren, so waren sie doch auch Menschen: die Gelegenheit aber nie so guenstig als gegenwaertig; denn ihre Unternehmungen waren weder gerechter noch leichter, noch auch hat sich Gott ihnen guenstiger bewiesen als euch. Hier ist gerechte Sache: denn dieser Krieg ist gerecht, nothwendig. Hier sind fromme Waffen: deswegen hoffet auf nichts Anderes, als auf sie. Alles ist dazu vorbereitet, und mithin kann es keine grossen Schwierigkeiten haben, wenn man nur die von mir aufgestellten Beispiele zum Muster nimmt. Ausserdem sind Zeichen und Wunder geschehen ohne Beispiel, und die von Gott kommen; das Meer hat sich aufgethan, eine Wolke hat euch den Weg gezeigt, ein Fels hat Wasser ergossen, Manna ist geregnet: Alles hat sich vereinigt zu eurer Groesse; das Uebrige muesst ihr selbst thun. Gott thut nicht Alles, um der Freiheit des menschlichen Willens keinen Eintrag zu thun, und uns den Theil des Ruhmes zu lassen, der unsre Handlungen angeht. Auch ist es nicht zu verwundern, wenn keiner von oben gedachten Italienern das hat leisten koennen, was man von eurem erlauchten Hause hoffen darf, und wenn es in so vielen Umwaelzungen von Italien und so vielen kriegerischen Unternehmungen den Anschein gehabt hat, als sei alle kriegerische Tugend erloschen. Dies beweist nur, dass die alten Anordnungen nichts taugten, und bisher Niemand neue zu erdenken gewusst hat. Nichts bringt einem neu aufsteigenden Helden mehr Ehre, als die Erfindung neuer Gesetze und neuer Anordnungen. Sind diese gut begruendet und ist darin eine gewisse Groesse, so erwerben sie ihm Verehrung und Bewunderung, und es fehlt in Italien nicht an Materie zu jeder neuen Gestalt. Kraft genug ist in den Gliedern, wenn sie nur nicht in den Koepfen gefehlt haette. Die Zweikaempfe und einzelnen Gefechte unter wenigen Personen beweisen, wie viel Ueberlegenheit die Italiener in Kraft, Geschicklichkeit und Verstand besitzen. So wie sie aber in ganzen Heeren zusammen erscheinen, so sieht man nichts mehr davon; Alles liegt nur an der Schwaeche der Haeupter, denn die es besser wissen, gehorchen nicht; Jedermann aber will es so gut wissen als der Andre, da bis jetzt noch Niemand aufgestanden ist, der Ueberlegenheit genug in Tugend und Glueck gezeigt haette, dass die Andern ihm haetten weichen muessen. Daher kommt es denn, dass seit zwanzig Jahren kein einziges Heer etwas ausgerichtet hat, welches aus blossen Italienern bestand. Das beweisen die Schlachten am Taro, Alexandrien, Capua, Genua, Vaila, Bologna, Mestri. Wenn also euer erlauchtes Haus das Beispiel derer nachahmen will, die ihr Vaterland befreit haben, so ist vor allen Dingen noethig (worauf ja jede Unternehmung beruht), eigne Mannschaft anzuwerben, weil es keine treueren, aechteren und besseren Soldaten gibt. Wenn gleich jeder Einzelne fuer sich gut ist, so werden sie zusammengebracht noch besser, sobald sie von ihrem eigenen Fuersten angefuehrt sind und sich von demselben geehrt und gut behandelt sehen. Es ist also noethig, sich auf diese Art zu ruesten, um sich mit italienischer Tapferkeit gegen die Fremden zu vertheidigen. Und obgleich die schweizerischen und spanischen Fussvoelker fuer furchtbar gelten, so haben doch beide ihre Fehler, die einem Dritten Gelegenheit zum Widerstande und Hoffnung geben, sie zu besiegen. Denn die Spanier koennen den Angriff der Reiterei nicht aushalten, und die Schweizer geben dem Fussvolke nach, wenn sie auf solches stossen, das eben so hartnaeckig im Gefechte ist, als sie selbst. Die Erfahrung hat dieses bewiesen; die Spanier koennen eine franzoesische Reiterei nicht abhalten; die Schweizer unterliegen spanischem Fussvolke. Von dem letzten haben wir noch keine vollstaendige Erfahrung: jedoch hat sich ein Probestueckchen davon in der Schlacht bei Ravenna gezeigt, als die Spanier mit deutschen Truppen zusammentrafen, welche dieselbe Art zu fechten haben wie die Schweizer. Die Spanier drangen naemlich durch die Gewandtheit des Koerpers und durch Hilfe ihrer kleinen Schilder tief auf sie ein, unter ihre Piken, und waren dabei im Angriffe gedeckt, ohne dass die Deutschen sich gegen sie wehren konnten. Waere die Reiterei nicht dazu gekommen, so waren sie Alle verloren. Da man also die Maengel jener Mannschaft zu Fuss erkannt hat, so kann gegenwaertig eine neue Einrichtung derselben eingefuehrt werden, welche der Reiterei zu widerstehen vermag und andres Fussvolk nicht zu fuerchten braucht. Dieses wird nicht durch die Beschaffenheit der Waffen, sondern durch Stellung und Anordnung der Mannschaft bewirkt werden. Dieses sind die Erfindungen, welche einen neuen Fuersten gross machen und seinen Ruhm gruenden. Die gegenwaertige Gelegenheit moege also nicht voruebergehen, damit Italien endlich nach so langer Zeit seinen Erretter sehe. Ich vermag es nicht auszudruecken, mit welcher Begierde ihn alle Laender aufnehmen wuerden, die so viel von den fremden Ueberschwemmungen gelitten haben; mit welchem Durste nach Rache, welcher unueberwindlichen Treue, welcher frommen Liebe; wie viel Thraenen fuer ihn fliessen wuerden! Welche Thore wuerden wol ihm verschlossen werden? Welches Volk koennte es versagen, ihm zu gehorchen? Wie duerfte der Neid sich gegen ihn regen? Welcher Italiener koennte sich weigern, ihm zu folgen? Einen Jeden ekelt diese fremde Herrschaft an! So ergreife denn euer erlauchtes Haus den Entschluss, mit dem guten Muthe und der Hoffnung, womit gerechte Unternehmungen angefangen werden, damit das Vaterland unter seinen Fahnen wieder geadelt werde, und die Prophezeiung des Petrarca eintreffe: "Die Tugend wird gegen die wilde Wuth in Waffen treten und das Gefecht bald entschieden sein; denn die alte Tapferkeit ist in der Brust der Italiener auch heute noch nicht erstorben!" ERLAeUTERUNGEN. 1. Charakteristisch fuer den Standpunkt des Verfassers sind sogleich die ersten Worte. Ein heutiges politisches Handbuch wuerde etwa beginnen: "Die Verfassungen der Voelker im staatsbuergerlichen Vereine". Dagegen heisst es hier: "Die Gewalten, welche Herrschaft ueber die Menschen ausueben". Dieser Herrschaft setzt Macchiavelli die Freiheit entgegen, wie die Griechen und Roemer Tyrannei und Republik einander entgegensetzten. Aber in seinen Betrachtungen ueber die Republik (_Discorsi sul Livio_) ist eben sowol als im Buche vom Fuersten nur von der Befriedigung des Ehrgeizes und der Herrschsucht, hier des Einzelnen, dort der Partei, die im Staate regiert, und den aeussern Verhaeltnissen die Rede. Nach einer von Simonde Sismondi am Schlusse seiner Geschichte der italienischen Republiken vortrefflich ausgefuehrten Bemerkung sind in diesem Gemeinwesen des Mittelalters, wie in den griechischen und roemischen, die Ideen von Freiheit und Unabhaengigkeit nur auf diese aeussern Verhaeltnisse und nicht auf den einzelnen Buerger angewandt, auch nur der herrschenden Mehrzahl zu Gute gekommen; waehrend dagegen der Genuss der Freiheit und des Vermoegens jedes Einzelnen, so weit dies Alles mit der Ordnung des Ganzen vereinbar ist, den Hauptgegenstand der politischen Speculation unserer Zeit ausmacht. An dieser fuer das menschliche Geschlecht sehr wohlthaetigen Veraenderung hat die Neigung zu metaphysischen Spekulationen unverkennbar grossen Antheil, und das darf bei der Beurtheilung des Zeitgeistes im achtzehnten Jahrhunderte nicht uebersehen werden. Die Entwickelung abstracter Begriffe ueber die Rechte der Menschen in der buergerlichen Gesellschaft erregt meistentheils bei denen, die die wirkliche Welt im Auge haben, nur ein mitleidiges Laecheln. Allerdings gehen aus dem Spiele mit abstracten Begriffen oft Theorien hervor, die auf Nichts anwendbar sind, und diese haben unsinnige und verderbliche Unternehmungen erzeugt. Aber die Versuche wesentlicher Verbesserungen der rechtlichen Verhaeltnisse im Staate, mit denen sich unser Zeitalter so ernstlich beschaeftigt, erhalten durch die sorgfaeltige Pruefung und Sonderung allgemeiner Begriffe eine bestimmte Richtung. Wir verdanken daher der Metaphysik wirklich weit mehr, als diejenigen glauben, welche sich mit der Verbesserung der Gesetze beschaeftigen und sich des Einflusses der ihnen verhassten oder von ihnen verachteten Systeme abstracter Begriffe auf ihre eignen Arbeiten nicht bewusst sind. 2. Dies Kapitel zeigt kurz die Vortheile, die es dem gebornen Fuersten so leicht machen, sich zu erhalten, so lange nicht ein Sturm von aussen sich erhebt, der alle Berechnungen der Politik zu Schanden macht. Betrachten wir kurz die Ursachen, welche solche Katastrophen herbeizufuehren im Stande sind. Wenn es den erblichen Regenten so leicht ist, sich gegen innere Gefahren zu sichern, warum werden sie so oft ein Raub aeusserer Feinde, denen zu widerstehen die Kraefte des Staates doch noch wol zureichten? - Weil sie diese Kraefte so wenig gebrauchen. Eben weil es so leicht scheint, und wirklich so leicht ist, eine angeerbte Herrschaft zu behaupten, so schlaefert das Bewusstsein dieser Sicherheit ein. Die Fuersten werden sorglos, indem sie sehen, wie das Volk ihnen anhaengt, und dass es ihnen anhaengen muss. Ihre Rathgeber wissen es nur zu gut, dass Alles, was den Menschen werth ist, die Sicherheit des Eigenthums und die Erhaltung aller gewohnten Verhaeltnisse, mit demjenigen steht und faellt, der das oberste Glied der Kette in der Hand haelt. Hierauf verlassen sie sich. Aber alle moralischen Bande unter den Menschen sind gegenseitig. Das Volk erkennt mit seinem geraden Sinne und unverdorbener Empfindung, dass es seiner Obrigkeit unterthan sein muesse, um frei zu leben und das Seinige sicher zu geniessen. Die Religion heiligt dieses Verhaeltniss durch die Lehre, dass alle Ordnung von Gott kommt, der diejenigen eingesetzt hat, die sie handhaben. Aber die Grossen und ihre Rathgeber, welche nichts empfinden, was der rechtlichen Denkungsart des Volks entspricht, verkennen ihren Gehalt. Sie halten die Anhaenglichkeit desselben, worin ihre eigne groesste Staerke liegt, fuer Eigennutz, und verachten sie als Beweise einer knechtischen Gemuethsart. Daher duerfen sie es denn auch nicht wagen, ihre Unterthanen in der Gefahr mit Bewegungsgruenden aufzufordern, die ihr eignes Betragen fuer leere Worte erklaert hat. Die Anhaenglichkeit eines Volkes an das Haus seiner Fuersten beruht auf Ueberlieferungen der Ahnen: sie ist mit der Liebe zu alten ererbten Einrichtungen zu der Verfassung und den Maximen der Verwaltung, die dem ganzen Stamme des Volkes und seiner Haeupter eigen sind, innigst verwebt. Wer mit diesen tief gegruendeten Verhaeltnissen willkuerlich spielt, zerstoert den Grund, auf dem die Sicherheit des Staates und der regierenden Familie beruht. Es kann der Eitelkeit schmeicheln, Einrichtungen des Staates nach Gefallen abzuaendern und seinen eignen Willen an die Stelle alles dessen zu setzen, was auf die Einsichten und die Autoritaet einer Reihe von Geschlechtern gegruendet war. Wenn aber der Sinn des ganzen Volkes widerstrebt, so entstehen Schwierigkeiten, die der Kraft des maechtigsten Herrschers unueberwindlich sind. Bricht der allgemeine Unwille in offenbaren Widerstand aus, so ist die groesste Kriegsmacht nicht immer vermoegend, ihn zu ueberwaeltigen. So verlor Joseph der Zweite Belgien, als er die alten politischen und religioesen Ordnungen mit einem Schlage vernichten und einen neuen Staat nach seinen Ideen an die Stelle setzen wollte. Kommt es nicht so weit, so ist der blosse unthaetige Widerstand der Untergebenen, die alle Mitwirkung verweigern, und das, was ihr guter Wille leisten sollte und koennte, den Dienern hoehere Befehle ueberlassen, schon hinreichend, die Anschlaege der Allgewalt zu vereiteln, die sich ohnmaechtig fuehlt, wenn sie von den eignen Dienern verlassen wird, welche nichts mehr ausrichten koennen. Eben so wenig vermag der Eigensinn des maechtigsten Regenten, der an ererbten Gewohnheiten festhaelt, welche mit dem Beduerfnisse der Zeiten und der veraenderten Denkart des lebenden Geschlechts in Widerspruch gerathen. Man hat gesehen, dass Regierungen, die Recht und Macht auf ihrer Seite zu haben schienen, in solchen Unternehmungen bei der ersten Erschuetterung gefallen sind; und wenn sie bestehen bleiben, so vergeht dennoch das, was sie festzuhalten vermeinten, ohne dass sie es merken, unter ihren eignen Augen und Haenden. Das persoenliche Betragen, wodurch ein Erbfuerst sich bei seiner Wuerde behauptet, ist z. B. von Haller in seinem "Handbuch der Staatenkunde" vortrefflich dargestellt. Wenn dieser Autor aber hinzufuegt, dass Macchiavelli sich viel vergebliche Muehe damit gemacht habe, Mittel auszudenken, wie die Herrschaft aufrecht erhalten werden koenne, da dieses doch aus ihren natuerlichen Gruenden ganz von selbst erfolgen muesse, so vergisst er, dass Macchiavelli nur von den Mitteln redet, eine neue Herrschaft zu gruenden und zu erhalten, die nicht, wie sein Tadler von aller Regierung voraussetzt, aus natuerlichen Verhaeltnissen erwachsen, sondern von Einem Manne willkuerlich geschaffen ist. Und damit hat er sich so wenig eine vergebliche oder ueberfluessige Muehe gegeben, dass vielmehr oft ein Zweifel entsteht, ob der Schriftsteller, der doch Alles geleistet hat, was die Kraefte des menschlichen Verstandes in dieser Absicht vermoegen, genug gethan habe. Denn es liegt, wie die Folge dieser Betrachtungen zeigen wird, in der Sache selbst, dass aller Aufwand von Verstand, und sogar die Ueberspannung aller Mittel, die sich aus demselben ziehen lassen, oftmals nicht zureicht, eine aus blosser Selbstsucht errungene Herrschaft zu befestigen. 3. Dies Kapitel behandelt also die Mittel, ein fremdes Land zu unterjochen, nicht den Zweck selbst. Davon sagt der Autor nur vorsichtig: "Solche Unternehmungen werden immer bewundert" - nicht: "Sie verdienen bewundert zu werden". Ein ewiger Friede ist unmoeglich. Das Bestreben der Voelker, ihren Zustand zu verbessern, fuehrt natuerlich Gelegenheiten herbei, kriegerische Talente und Tugenden zu zeigen, und die _Helden_ solcher Kriege sind es, die von ihrem Volke als Wohlthaeter verehrt, von der ganzen Welt bewundert werden. Dagegen taeuschen sich die _Eroberer_, die nur eine wilde Herrschsucht zu befriedigen suchen, wenn sie die abgedrungene Schmeichelei der in Furcht gesetzten Voelker fuer Beweise der Verehrung nehmen. Ihre Zeitgenossen verfluchen sie. Das folgende Geschlecht, das sie nicht mehr zu fuerchten hat, schaetzt sie gering. Wenn Macchiavelli auch an alles dies gedacht hat, so hielt er vermuthlich dafuer, es sei vergeblich, es den Grossen zu sagen, die Lust haben, auf Eroberungen auszugehen. Aus dem Gluecke der Menschen, das sie aufopfern, machen sie sich nichts, und an dem Erfolge ihrer Unternehmungen pflegen sie nicht zu zweifeln. Auch von _der_ Seite ist ihnen schwer beizukommen. Wenn denn also erobert werden soll, so muessen die Mittel erwogen werden, wie eine eroberte Provinz behauptet werden kann. Hierueber sagt Macchiavelli sehr viel Treffendes. Dennoch uebersieht er das sicherste Mittel, wodurch Eroberungen dauerhaft werden koennen. Dasselbe liegt ausser seinem Gesichtskreise, da er nur die Neigungen und das persoenliche Interesse des Machthabers beachtet, ohne die Voelker an sich selbst fuer etwas gelten zu lassen. Durch diese engherzige Denkart wird das System des scharfsinnigsten politischen Schriftstellers mangelhaft: durch sie ist auch Napoleon I., der es vielleicht besser als je Einer im wirklichen Leben dargestellt hat, zu Grunde gegangen. Welches andere Mittel gibt es denn, die neuerworbene Herrschaft ueber ein fremdes Volk zu sichern, welches man beim Macchiavelli vermisst? Es ist dies: eine Behandlung, welche Achtung und Zutrauen gegen das ganze Volk beweist, und indem sie die eigne Zufriedenheit desselben zu ihrem naechsten Zwecke macht, dadurch zugleich das kraeftigste Mittel fuer die Zwecke des Herrschers erzeugt. Wenn man dem Volke die Verfassung laesst, die ihm lieb ist, und es von seinem vorigen Regentenhause nichts mehr zurueckwuenscht, als die Personen, so hat man die Erinnerung daran nicht so sehr zu fuerchten. Wer Menschen fuer sich gewinnen will, muss ihnen die Ueberzeugung beibringen, dass Er es ist, durch den sie erhalten koennen, was sie verlangen. Wer sie nur fuehlen laesst, dass er ihnen nehmen kann, was ihm gefaellt, und dass sie Alles als Gnade annehmen muessen, was er ihnen wol lassen will; wer hiermit freiwillig auf alle feineren Beweggruende Verzicht leistet, und blos auf Gewalt trotzt, spielt ein gefaehrliches Spiel; denn Gewalt ist stets, und waere sie auch noch so gross und schiene sie noch so fest begruendet, feindlichen Zufaellen unterworfen. 4. Schon von Hume (_Essays_ 1, 3) ist, wie ich sehe, bemerkt, dass das von Alexander eroberte Persien nicht so beschaffen war, wie Macchiavelli es darstellt, und dass die Fortdauer der von Jenem gegruendeten griechischen Herrschaft auf andern Ursachen beruht habe. An sich selbst aber ist das Raisonnement des Macchiavelli zutreffend und vollkommen auf die Geschichte des Mittelalters anwendbar, in welchem die Verfassungen sich gebildet hatten, die Macchiavelli vor Augen lagen. In den Verhaeltnissen, die er darstellt, war die Ursache des abwechselnden Erfolges der langen Kriege zu suchen, die Frankreich und Spanien mit einander fuehrten. Unruhige Grosse, die fremde Feinde hereinriefen und von ihnen abfielen, sobald die Verblendung aufhoerte, mit der sie erwarteten, diese wuerden nicht fuer sich selbst, sondern fuer _sie_ kaempfen und erobern. Ludwig der Vierzehnte daempfte diese Unruhen, indem er den Uebermuth der Vasallen, woraus der Factionsgeist Nahrung zog, demuethigte. Seit jener Zeit hat sich auch der tuerkische Staat veraendert. Die Verhaeltnisse der Statthalter in den Provinzen zum Sultan sind nicht mehr ganz dieselben, und daher findet das Raisonnement des Macchiavelli keine genau zutreffende Anwendung in der neueren Geschichte von Europa. 5. Macchiavelli hat Voelker vor Augen gehabt, die heftigeren Leidenschaften unterworfen und groesserer Aufopferungen faehig waren, als die meisten Nationen der spaetern Zeit. Er redet von Zerstoerung ganzer Staedte, von voelliger Aufloesung von Staaten, wie von ganz gewoehnlichen und nothwendigen Dingen. Dies ist bei einem Schriftsteller natuerlich, der die Zeiten der Guelfen und Ghibellinen im Sinne hatte: Zeiten, da Staedte wie Mailand vom Kaiser Friedrich dem Ersten zur Vernichtung verurtheilt wurden, mit nicht mehr Bedenklichkeit, als womit heut zu Tage ein Edelmann etwa in Laendern, wo noch Leibeigenschaft herrscht, seine Bauern verpflanzt, um ihre Hoefe einzuziehen. Nimmt man hierzu die unversoehnliche Rachsucht, die ewige Mordlust, die verblendete Wuth des italienischen Volkes, so wird es begreiflich, wie er Grundsaetze aufstellen konnte, die nachmals bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts der allgemeinen Denkungsart und den Empfindungen der Gewalthaber selbst widerstritten. Die neuere Regierungsweisheit, ihre Finanz- und Kriegskunst, lehrt aus der Unterjochung der Voelker Vortheile ziehen, die mit so gewaltsamen Massregeln unvereinbar sind. Damals erforderte die geringere Macht der Fuersten und die Unvollkommenheit ihrer Veranstaltungen ein ganz anderes Verfahren. Wenn man erwaegt, wie klein das Heer war, das Karl der Fuenfte als Herr von Spanien und Indien, von Belgien und einem Theile von Deutschland und Italien mit aller Anstrengung dieses unermesslichen Reiches auf Einen Punkt zusammenzubringen vermochte, wie schwer es ihm ward, das erforderliche Geld anzuschaffen, und wie unsicher dadurch alle Eroberungen wurden: so sieht man wohl, dass damals andere Massregeln ergriffen werden mussten, als in den Zeiten, in denen die Herrscher ueber Armeen von Hunderttausenden und vermittelst eines grenzenlosen Credits ueber alles Geld der Voelker disponiren. 6. _Savonarola_ war ein halb religioeser, halb politischer Schwaermer. Waehrend des Exils der Medici in den ersten Jahren des sechzehnten Jahrhunderts machte ihn ein grosser Theil des florentinischen Volkes zum Abgotte. Der religioese Fanatismus war der Grund, auf dem sein politischer Einfluss beruhte, und er haette die Florentiner dadurch so unumschraenkt beherrschen und seine Plaene durchsetzen koennen, etwa wie Mahomed, wenn er nicht in der Quelle seiner Gewalt selbst angegriffen waere. Die Zwistigkeiten seines Ordens mit andern Moenchen erregten ihm Neider und Nebenbuhler, die eben so ausschweifende Wunderthaten des Glaubens ankuendigten, als er selbst. So ward das Volk irre und sah ruhig zu, wie ein Mann verbrannt ward, der wenige Monate vorher dreist haette wagen duerfen, seine Gegner zum Feuertode zu verdammen. - So unsicher ist Alles, was auf der Combination heterogener Dinge beruht! Wenn der ehrliche Fanatiker zu Grunde geht, sobald er seine Schwaermerei gebrauchen will, sich politischen Einfluss zu verschaffen; wie muss es dann erst dem ergehen, der nur die Maske davon annimmt, und sich dessen, was bei Jenem in allem Ernste Beweggrund war, nur als eines armseligen Kunstgriffs bedient. Es bedarf uebrigens kaum einer Erinnerung, dass Alles, was Macchiavelli von der geringen Kraft der Neuerungen und von der Unzuverlaessigkeit ihrer Anhaenger sagt, nur auf die Unternehmungen bezogen werden darf, die von einzelnen unruhigen Koepfen herruehren. Wenn diese Neuerer auch anfangs schwach und an Zahl unbedeutend sind, so koennen sie es durch ihren lebendigen Feuereifer und ihre hartnaeckigen Anstrengungen doch bald dahin bringen, die Majoritaet, die unter sich nicht einig ist und nur schlaffen Widerstand leistet, zu beherrschen und sie zu zwingen, ihre Ansichten anzunehmen und sich ihrer Fuehrung zu unterwerfen. 7. Wahrscheinlich geht es dem Leser bei der ersten Lectuere dieses Kapitels wie den Bewohnern von Cesena, als sie den ermordeten Remiro d'Orco ausgesetzt fanden: staunend verstummten sie bei dem Anblick. Man sollte fast glauben, Macchiavelli habe diese Geschichte idealisirt, um Etwas aufzustellen, das in seiner Art nicht zu uebertreffen war. Vielleicht war der Richter nicht blos ein harter aber gerechter Mann von etwas grausamer Gemuethsart, sondern er befriedigte seine eigenen schlechten Leidenschaften, unter dem Vorwande der Gerechtigkeit, die er handhaben sollte. Caesar Borgia hat ihm vielleicht eine Zeit lang nachgesehen, weil er ihn sonst brauchbar fand, und am Ende der Gerechtigkeit selbst ein Opfer gebracht, indem er ihn hinrichten liess. War er aber wirklich das, wofuer Macchiavelli ihn ausgibt, so war auch dieser einzige falsche Streich des Fuersten hinreichend, zu verhindern, dass sich nie wieder ein Mann von Ehre und zuverlaessiger Gesinnung zu seinem Dienste hergab. Und eines Mannes von Ehre und zuverlaessiger Gesinnung bedurfte doch der Herzog von Valentinois zur Ausfuehrung seiner Plaene. Dieser Held des Macchiavelli, dessen Betragen er so oft allen denen zum Muster aufstellt, die nach der Herrschaft streben, war klueger, entschlossener, und ging zusammenhaengender zu Werke, als die grosse Zahl derer, welche sich damals, so wie Er, Alles erlaubten, um sich zu erheben. Die Herren, die er zu Sinigaglia ermorden liess, wie Macchiavelli in einer besondern Erzaehlung ausfuehrlich berichtet, waren um nichts besser als er, und in Ruecksicht auf ihre Unterthanen viel schlechter. Insbesondere liest man von dem Oliverotto, Herrn von Fermo, eine solche Reihe von Schandthaten, dass es eine Art von Beruhigung gewaehrt, zu erfahren, dass er am Ende durch einen maechtigern boesen Geist bestraft und von der Erde hinweg geschafft worden. Wo der ganze Haufe der Maechtigen sich den wildesten Leidenschaften ergibt und die Menschheit auszieht, da ist es ein grosser Gewinn, wenn Einer durch die Ueberlegenheit seines Verstandes die Oberhand behaelt. Dieser wird, um seines eignen Vortheils willen, manches Gute thun, manches Ueble hindern. Der Caesar Borgia war unstreitig listiger und hatte dabei etwas Groesseres in der Gesinnung, als seine Mitwerber. Ob er aber wirklich ein solches Ideal von Verstand war, wozu ihn Macchiavelli machen will, koennte noch bezweifelt werden. Das Gespraech mit dem, dessen Macchiavelli gedenkt, kann den Verdacht erregen, dass es einigen Einfluss auf sein Urtheil gehabt habe. Es war allzu schmeichelhaft, von dem furchtbaren Manne, der Geissel seiner Zeit, einer vertraulichen Mittheilung gewuerdigt zu sein, als dass derselbe nicht dadurch ein groesseres und bewunderungswuerdiges Ansehen erhalten haben sollte. Er mag inzwischen den Ruhm, den Macchiavelli ihm beilegt, verdient oder nur erschlichen haben: von groesserem Interesse ist die Frage, ob es denn wirklich, so wie Macchiavelli behauptet, fuer eine Vollkommenheit des Regenten gelten kann, wenn er die Menschen insgesammt nur als Werkzeuge seiner Absichten ansieht, und sich aller Empfindungen fuer sie entaeussert, um grosse Zwecke zu erreichen. Dass Grosse der Erde so denken, ist ja etwas sehr Gewoehnliches. Man braucht dazu auch nicht Regent zu sein. Vielmehr ist es noch eine Frage, ob es nicht den Geringern oefter gelingt, Hoehere und Maechtige, die sich das nicht traeumen lassen, so zu missbrauchen, als den Grossen, welche die Geringern bei Weitem nicht so gut kennen, als sie von ihnen gekannt werden. Ist es aber die rechte Denkungsart fuer die Ausfuehrung grosser Entwuerfe, wenn man die Menschen um sich her nur als eine eigne Art von Maschinen ansieht, deren Kraefte und Wirkungen der Berechnung unterworfen werden koennen, und das ganze verwickelte Gewebe ihrer Verhaeltnisse als ein Spiel betrachtet, in welchem man, eben so wie in andern Gluecksspielen, nur so lange gluecklich sein kann, als man sich der eignen Empfindung entschlaegt und alle Handlungen von dem eiskalten Verstande bestimmen laesst? Die Triebfedern der Menschen liegen doch nicht so deutlich vor Augen, dass ihre Wirkungen nach klaren Gesetzen mit Sicherheit vorher bestimmt werden koennten. Der groesste Kenner wird unzaehlige Male durch unerwartete Anomalien ueberrascht. Wie selten findet man einen nur maessig consequenten Menschen! Wer vermag die uebrigen mit einiger Zuverlaessigkeit zu errathen? Eben so wenig kann man sich selbst zu einem blossen Werkzeuge seines eignen Verstandes machen. Wenn der Macchiavellische Politiker auch von sich selbst ganz sicher sein koennte und sich nie verriethe, so thut doch sein erkuensteltes Betragen nicht die rechte Wirkung. Wer von lebhafter Empfindung ergriffen ist, reisst Andere mit sich fort. Diese Kraft des wahren Gefuehls ist nicht durch eine, wenngleich noch so gut ausgedachte und gespielte Rolle zu ersetzen. Die Menschen lassen sich auf die Laenge nicht so anfuehren. Gerade die Einfaeltigsten sind darin oft zum Bewundern scharfsichtig. Sie sind nicht im Stande, sich selbst klar zu machen, warum ihnen so uebel zu Muthe ist: aber ihre eigne ehrliche Gesinnung verraeth ihnen, dass sie nur zum Spiele des ueberlegenen Verstandes dienen sollen. So gluecklich auch einzelne schlau ausgesonnene Streiche ausfallen, so verfehlt das ganze Gewebe der Kunst doch seinen Zweck. Endlich verzeiht das allgemeine Urtheil dem, der sich Alles erlaubt, die Schlechtigkeit seiner Mittel, doch nur dann, wenn er das Ziel wirklich erreicht hat. Wer es wagen will, sich ueber die Moralitaet ganz hinwegzusetzen, muss also wenigstens des Ausganges gewiss sein. Er muss zum Voraus Alles uebersehen, auf jeden Fall gefasst sein und nie einen falschen Schritt thun. Caesar Borgia, den Macchiavelli als das vollkommenste Muster eines politischen Betragens aufstellt, hat doch Einen Fehler gemacht. Und gerade durch diesen Fehler ist er zu Grunde gegangen. Denn eben die Papstwahl, wobei er den Schritt verfehlte, den er thun musste, um sich sicher zu stellen, stuerzte ihn in die Gefangenschaft, worin er sein Leben beschloss. Wenn aber auch in einem ganzen langen Leben, unter den schwierigsten Umstaenden, durchaus kein Fehler gemacht wuerde, - eine Sache, die leichter zu denken, als auszufuehren ist - so bleiben noch immer die zufaelligen Begebenheiten uebrig, die sich gar nicht voraussehen lassen. Wer nicht sich selbst aufs Spiel setzen und seine ganze Zufriedenheit daran wagen will, wie die Karte faellt, wird bei jedem unerwarteten Vorfalle darauf zurueckgefuehrt, dass die reine Absicht mehr werth ist, als alle Kunst; die aechte Guete des Willens mehr, als aller Verstand, der seiner Natur nach dem guten Willen dienen sollte, statt dass er verkehrter Weise zum Herrn eingesetzt wird. Bisher ist von der klugen Benutzung guenstiger Umstaende die Rede gewesen. Wie aber, wenn das Glueck, dem so Viele, die gross geworden sind, die Gelegenheit dazu verdanken, seinen Beistand versagt? Alsdann muss derjenige, der herrschen will, auch diesen Mangel ersetzen und sich selbst den Weg eroeffnen. In einem vollstaendigen Lehrbuche des Ehrgeizes darf die Anweisung hierzu nicht fehlen, und davon handelt Macchiavelli im achten Kapitel. 8. Die angefuehrte Ueberschrift schon gibt zu erkennen, welche Gesinnungen man zu erwarten hat. Es gibt mehrere Wege zum Throne. Grosse Verdienste: dreiste Verbrechen. Beide kommen in der Geschichte vor. Von beiden muss hier erklaert werden, wie man gluecklich durchkommt oder untergeht. So viel ist wahr: allgemeine Gesetzlosigkeit ist der schlimmste Zustand, in den ein Volk gerathen kann. Das erste Beduerfniss jeder menschlichen Gesellschaft ist buergerliche Ordnung; Gesetze und Gewalt sie einzuschaerfen. Man muss aber erst Herr sein, ehe man regieren kann. Die Zuegel muessen also mit starker Hand ergriffen werden, und es moechte immerhin Einer fuer sich selbst Ausnahme von allen moralischen Gesetzen machen, wenn er dadurch in den Stand gesetzt wuerde, alle Andern zu ihrer Befolgung anzuhalten. Ein einziges Verbrechen, das dahin fuehrt, koennte als nothwendige Abweichung von der Regel entschuldigt werden, wenn es das einzige bliebe. Das liesse sich aber nur von dem erwarten, bei dem es nicht aus dem Herzen entsprungen, sondern vernunftmaessig beschlossen waere, weil es mit ruhiger Ueberlegung als das einzige Mittel zu grossen und guten Zwecken erkannt worden. Hat aber die Geschichte wol Maenner aufzuzeigen, die ein grosses Verbrechen begangen haetten, blos um wohlwollenden Neigungen einen freieren Wirkungskreis zu eroeffnen? So meint es auch Macchiavelli selbst nicht. Er sieht die Sache nur aus dem Gesichtspunkte des Ehrgeizes an. Fuer diesen gibt er Lehren: die dadurch errungene Herrschaft mag dann gebraucht werden, wie es dem Maechtigen gefaellt. Besondere Beachtung verdient noch die letzte Bemerkung dieses Kapitels, da sie nicht nur fuer den hier behandelten Fall gilt, sondern auf jeden Regenten Anwendung findet. Bei allen harten Verfuegungen, zu denen man durch ausserordentliche Umstaende veranlasst wird, ist es immer sehr wohlgethan, Macchiavelli's Rath befolgend, mit einem einzigen Schlage zu vollfuehren, was man vorhat. Vorzueglich trifft diese Erinnerung die Behandlung grosser Staatsverbrecher. "Schlage den Hirten und die Schafe werden sich zerstreuen." So lange aber diese in Ungewissheit bleiben und Strafe fuer das Vergangene besorgen, werden sie gereizt, sich durch Erneuerung der fehlgeschlagenen Entwuerfe zu retten. Haben sie nichts mehr zu fuerchten, so verlieren sie allmaehlich das Interesse an der Sache und an den Fuehrern, die dafuer gelitten haben, und bemuehen sich es Andere vergessen zu machen, dass sie an der verunglueckten Unternehmung Theil gehabt. Grosse politische Verbrecher nehmen ferner ausser ihren entschiedenen Anhaengern leicht eine Menge ihrer Mitbuerger durch blendende Vorwaende ihrer verraeterischen Anschlaege fuer sich ein. Diese, welche, ohne selbst fuer die Sache thaetig gewesen zu sein, guenstig von ihr dachten und den Unternehmern wohlwollten, sind nicht leicht eines Bessern zu belehren. Aber sobald sie die Hoffnung aufgeben muessen, dass die Sache gelingen koenne, so werden sie gern glauben, sie sei vergessen. Darueber vergessen sie sie wirklich am Ende selbst. Dazu aber ist nothwendig, dass sie sobald als moeglich fuer beendigt erklaert werde. Alsdann wird die Aufmerksamkeit des grossen Haufens bald durch die neuen Angelegenheiten des Tages abgelenkt. 10. Ueber dies treffliche Kapitel ist nichts weiter zu sagen, als dass es einen Zustand der Welt voraussetzt, der nicht mehr existirt. Sobald Heere von Hunderttausenden auf dem Kriegstheater erscheinen und die Uebermacht entscheidet, kann nicht mehr von der Vertheidigung kleiner Herrschaften die Rede sein. Damals bedeutete jeder einzelne Fuerst, der eine Stadt besass, und jede kleine Republik etwas, sobald Verstand da war, die geringen Kraefte zu gebrauchen und unter der grossen Menge der Nachbarn durch geschickte Unterhandlungen Hilfe zu suchen. In solchen Zeiten haben alle Kraefte des Verstandes und des Gemuethes Gelegenheit zu freier Entwicklung. In Perioden aber, wo eine uebermaechtige Gewalt Alles besiegt und unterjocht, kommt nichts auf, was Interesse zu erregen verdiente. Die Nachwelt aber uebt Gerechtigkeit aus: sie mag nichts von den Thaten dessen hoeren, der doch waehnte, sie werde sich ganz allein mit ihm beschaeftigen! 11. Dieses Kapitel ist das duerftigste oder vielmehr das einzige schwache im ganzen Werke. Macchiavelli hat im Eingange versprochen, von den verschiedenen Arten der Herrschaft zu reden. Man erwartet hier also Bemerkungen ueber die eigenthuemlichen Verhaeltnisse, in denen sich die geistlichen Fuersten befinden, ueber die starken und die schwachen Seiten ihres weltlichen Ansehns und ueber die in der That hoechst merkwuerdige Rolle, die sie in der Geschichte spielen. Wenngleich Macchiavelli ueberhaupt die Unternehmungen, die Grundsaetze, das Betragen der Fuersten, in Beziehung nicht auf die regierten Voelker, sondern nur auf die Befestigung der Herrschaft selbst betrachten wollte, so war noch immer genug ueber die geistlichen Fuerstenthuemer zu sagen. Diese, sagt er, bestehen unter dem Schutze des religioesen Vorurtheils, und wenn einer nur durch glueckliche Intrigue oder Zufall auf den heiligen Stuhl erhoben worden, so wird von ihm nichts weiter gefordert, um sich zu behaupten. Hat er Geist genug, sein Glueck zu benutzen, und Sinn fuer den einzigen Genuss, der eines Fuersten wuerdig ist, fuer die Befriedigung der Herrschsucht, so wird er es machen, wie Sixtus der Vierte, Alexander der Sechste, Julius der Zweite, Leo der Zehnte. Hat er das nicht, so mag er sein Leben mit Beten zubringen, oder mit Schlemmen, wie es ihm gefaellt. Abgesetzt wird er dafuer nicht werden. Mit diesem boesen Spotte fertigt Macchiavelli den heiligen Stuhl ab. Jene Paepste, von denen er hin und wieder redet, waren Maenner von heftigen Leidenschaften und Meister in der Politik, die in Italien zu ihrer Zeit die hoechste Ausbildung erhalten hatte und deren Geheimnisse Macchiavelli aufdeckt. Sie waren insgesammt seine Zeitgenossen, und er hatte keinen Andern auf dem paepstlichen Stuhle gesehen. Aber es hat auch Perioden in der Geschichte gegeben, in welcher die Haeupter der Kirche in ganz anderm Geiste auf die Angelegenheiten der Voelker einwirkten; wo sie Schiedsrichter der Koenige waren und durch ihr friedliches Ansehn groessere Kriege beilegten, als der feurige Ehrgeiz Julius des Zweiten erregt hat. Auch dies hing von dem persoenlichen Charakter und den Talenten einzelner Paepste ab. Aber die Mittel, wodurch sie so grosse Dinge ausgefuehrt haben, lagen in der Natur ihrer Wuerde. Die veraenderte Denkart verschiedener Zeiten erforderte jedesmal besondere Modificationen. Im sechzehnten Jahrhunderte konnte die Sache nicht durch einen hingeschleuderten Bannstrahl ausgemacht werden, wie zu der Zeit Gregor des Siebenten; aber das Verhaeltniss des heiligen Stuhls zu den weltlichen Monarchen war doch im Grunde immer dasselbe, wenn es gleich nicht mit so hoher Hand geltend gemacht werden durfte. Die Paepste genossen als Oberhaeupter der christlichen Kirche ein Ansehn, das allemal um so viel groesser und unverletzlicher war, jemehr sie sich bemuehten, im Geiste ihrer Wuerde zu handeln und das Interesse ihrer weltlichen Besitzungen und ihrer Familien so weit zu verlaeugnen, dass es wenigstens nicht als naechste und vorzueglichste Triebfeder hervorleuchtete. Alle Verhandlungen, die mit dem paepstlichen Hofe gefuehrt sind, oder in welche dieser auch nur verwickelt gewesen ist, haben einen eignen Charakter. Der ueberlegnen Macht darf der Schwaechere nicht wagen entgegen zu setzen: "_Ich will nicht_" (_non volumus_). Aber wenn sein demuethiges: "_Ich kann nicht_" (_non possumus_) durch den Zusatz "_wegen meines Gewissens_" geschuetzt wird, so erhaelt er vielleicht Gerechtigkeit fuer Andre, wenigstens Schonung fuer sich selbst. Die Verhandlungen unter den erbittertsten Gegnern nehmen einen ganz andern und sanftern Charakter an, wenn eine Person dazwischen tritt, die sich gegen Beleidigungen nicht wehren kann, die man aber nicht beleidigt, ohne sich selbst mehr zu beschimpfen, als seinen Gegner. Wie oft hat die Dazwischenkunft eines als Fuersten ohnmaechtigen, aber wegen der allgemeinen Verehrung der Voelker gegen seine geheiligte Person gefuerchteten Papstes die entschlossensten, ehrgeizigsten, ungestuemsten Kriegshelden aufgehalten, und ganzen Laendern einige Jahre Ruhe verschafft! Wenige Fuersten haben es gewagt, _gegen sie_ die Haerte, den Ungestuem, den Eigensinn zu aeussern, wodurch ihre Uneinigkeiten unter sich so fuerchterlich werden. Die Politik des roemischen Hofes besteht in geschicktem Zaudern. Durch unendlichen Aufschub, Wiederholung derselben Aeusserungen in andrer Gestalt und mit veraenderten Wendungen ist dort unzaehlige Male einbrechendes Ungewitter abgeleitet. Von wem anders haette man sich das gefallen lassen, als von dem, der in seinen Verhandlungen mit weltlichen Maechten die Sprache des alten Mannes zu der feurigen Jugend redete, und den diese Sprache wohl kleidete. Wenn man in der Geschichte findet, wie die Gesandten der groessten Maechte ihrer Zeiten, franzoesische und spanische Abgeordnete, unter dem Vorsitze eines paepstlichen Legaten, der nur ermahnen soll und gar nicht drohen kann, wenigstens den Anschein friedlicher Gesinnungen annehmen und durch den Anstand gegen den gemeinsamen Vater der christlichen Voelker zu einem nachgibigen Betragen verleitet werden, so kann man sich nicht enthalten zu wuenschen, dass noch jetzt eine Autoritaet vorhanden sein moechte, der diese Mittel zu Gebote staenden. Die Religion bezieht sich auf die Beduerfnisse, die Rechte und Wuerde der menschlichen Natur, auf welche der Geringste wie der Hoechste und Maechtigste Anspruch machen darf. Wie die buergerlichen Verhaeltnisse auch beschaffen sein moegen, in der Kirche sind die Menschen an sich selbst etwas: da duerfen sie nicht als blosse Werkzeuge und Untergebene ihrer Herren betrachtet werden. Dem Oberhaupte einer solchen geistlichen Gemeinheit steht es daher sehr wohl an, Bewegungsgruende vorzubringen und an Grundsaetze zu erinnern, die in dem Munde des weltlichen Staatsmannes vielleicht verlacht wuerden. Der Einfluss der geistlichen Gewalt auf die Angelegenheiten der Welt ist zwar eben sowol dem Missbrauche unterworfen, als die Herrschaft des Schwertes; und es ist doppelt empoerend, wenn das angebliche Seelenheil der Menschen nur zum Vorwande der naemlichen Leidenschaften dient, die der Kriegsheld auf andern Wegen zu befriedigen sucht. Ein Lehrbuch der geistlichen Regierungskuenste, von einer Feder wie Macchiavelli's, muesste noch unangenehmere Empfindungen erregen, als die Stellen im Buche vom Fuersten, die das Gefuehl am meisten beleidigen. Dieser Missbrauch der geistlichen Herrschaft hat den Bemuehungen der weltlichen Regenten, ihr Ansehn zu vernichten, allgemeinen Beifall verschafft. Die Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts hat entschieden fuer diese Partei genommen, und nach den Grundsaetzen eines spekulativen Naturrechts die geistliche Autoritaet aus der buergerlichen Verfassung verwiesen. Aber die Staaten der wirklichen Welt sind nicht nach reinen Abstractionen angeordnet, und ihre Verhaeltnisse koennen nicht nach einfachen Principien beurtheilt werden. Der urspruengliche Beruf des christlichen Priesterthums, der die Gelehrsamkeit als seine vorzueglichste Beschaeftigung voraussetzt, hat auf die ganze innere Verwaltung und auf die aeussern Verhandlungen der geistlichen Fuerstenthuemer einen grossen Einfluss. Selbst die Hofhaltung des Oberhauptes der katholischen Kirche ist danach eingerichtet, und die ganze Politik desselben sucht die weltlichen Angelegenheiten einem hoehern, zwar nicht immer wohl verstandenen, aber an sich selbst ehrwuerdigen Interesse unterzuordnen. Zu den Zeiten Macchiavelli's war die Hierarchie von demselben verderblichen Geiste ergriffen, der ganz Italien verwirrte. Aber der Sinn fuer literarische Cultur und Liebe zu den Wissenschaften, die sich mit der groessten Schnellkraft entwickelten, erzeugte einen neuen Charakter, den auch die hohe Kirche annahm. Bald nach dem Zeitalter Macchiavelli's bestieg ein Mann den heiligen Stuhl, der die Satyre, die wir gelesen haben, mit der That widerlegte, und bewies, was Regententugenden auf jener Stelle vermoegen. In einer kaum fuenfjaehrigen Regierung hat Sixtus der Fuenfte nicht allein sein Ansehn bei fremden Maechten eben so gut und noch weit mehr behauptet, als Alexander, Julius und Leo. Er vollbrachte daneben in dieser kurzen Zeit Alles, Alles, was die thaetigste fuerstlichste Verwaltung zu leisten vermag. Ruhe und Ordnung wurden hergestellt, oeffentliche Sicherheit geschafft, die vorher im Kirchenstaate Niemand kannte; Gerechtigkeit gehandhabt, der Wohlstand befoerdert, und dabei eine unglaubliche Menge der glaenzendsten Unternehmungen vollendet, die der Stadt Rom die Bewunderung der hinstroemenden Welt verschafften. Dieser Sixtus gehoerte zu den seltenen Maennern, denen Alles zu gering ist, was allein persoenlichen Ehrgeiz oder Familieninteresse befriedigt, die nichts ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Bemuehungen werth achten, als oeffentliche Ordnung und Wohlfahrt; fuer die nichts so grossen Reiz hat, als was das Interesse des menschlichen Geistes angeht. Solche Menschen koennen auch auf Thronen geboren werden. Aber in der Beurtheilung der Beduerfnisse des Privatlebens wird ihnen der immer ueberlegen sein, der durch diese selbst hindurchgegangen ist. Hierin koennte ein Vorzug der Verfassung liegen, worin die Regenten nicht durch das Recht der Geburt bestimmt werden. Aber in welchem Wahlreiche wird man durch jene Eigenschaften auf den Thron erhoben, ausser im geistlichen? Wenn in einem andern der Privatmann hoffen darf, die Intriguen der Familien und Parteien durch persoenliches Verdienst zu ueberwinden, so ist es nur der Kriegsheld. Die Geschichte des Dejoces, den die Meder wegen seiner Gerechtigkeitsliebe zum Koenige gewaehlt haben, gehoert in die alten Zeiten, von denen man gar viel erzaehlen kann. Auf den paepstlichen Stuhl aber sind in allen Perioden von Zeit zu Zeit Maenner erhoben, von deren Herkunft Niemand etwas wusste, und die sich blos durch persoenliche Vorzuege den Weg gebahnt haben. Familienintrigue hat zwar oft auf die Wahl von Paepsten und auf die Politik derselben einen entscheidenden Einfluss gehabt, und die Nepoten haben nicht blos in der innern Staatsverwaltung, in welcher ihnen keine staendischen Rechte Widerstand leisteten, grossen Schaden gethan; sie haben auch oft die Staatshaendel aller Maechte von Europa verwirrt, die das Ansehn des heiligen Stuhls vielmehr haette besaenftigen sollen. Die Farnese, die Caraffa, die Barberini spielen keine schoene Rolle in der Geschichte. Aber das ganze Gebaeude der hohen Kirche beruht so wesentlich auf der Bildung des Geistes, ihre weltliche Macht, Reichthum und Einfluss ist so sehr mit den Anstalten fuer wissenschaftliche Cultur verwebt, dass Verdienste um diese letztere immer in guten Zeiten einen ueberwiegenden Einfluss haben, und selbst in den schlechtesten nicht ganz zurueckgesetzt werden koennen. Wenn man zum Beispiel die Schilderung liest, die der Cardinal Bentivoglio, selbst ein ausgezeichneter Staatsmann und Schriftsteller, von dem Cardinals-Collegium und dem paepstlichen Hofe macht, so wie er es unter Clemens dem Achten bei seinem ersten Eintritte in die Welt fand, so erstaunt man ueber die Menge von Cardinaelen und andern hohen Dignitaren, die sich durch Gelehrsamkeit oder durch grosse Geschicklichkeit in Staatshandlungen zu ihrer Wuerde emporgeschwungen hatten, ohne durch irgend etwas Anderes empfohlen zu sein. Rom hat nicht zu allen Zeiten eine so ehrwuerdige Praelatur besessen; aber Talenten, Einsichten und Kenntnissen ist der Weg zu hohen Wuerden niemals ganz verschlossen gewesen, selbst nicht unter den Paepsten, die ihre Erhebung keinen persoenlichen Vorzuegen verdankten. Die deutsche hohe Geistlichkeit, welcher man das in mancher Ruecksicht verdiente Lob durch einseitige Schilderung aller Nachtheile der ehemaligen deutschen Reichsverfassung mit Unrecht zu entziehen sucht, ist jedoch hinsichtlich des persoenlichen hervorstechenden Glanzes einzelner Praelaten weit hinter der italienischen zurueckgeblieben. Man hat es schon in sehr fruehen Zeiten darauf angelegt, den Weg zu hohen Stellen allen denen zu verschliessen, die sich nur auf Verdienste berufen konnten; und diese Bemuehungen des deutschen Adels, alle Stellen in hohen Stiftern in dem Kreise gewisser Geschlechter festzuhalten, in welchem sie nach einer gewissen Billigkeitsrolle vertheilt werden muessten, ist nicht ohne Wirkung geblieben. In Rom hat man nie lernen koennen, so zu denken. Der Besitzstand, bei dem die deutschen Praelaten sich so wohl befanden, war gar nicht hinreichend, die Absichten und Beduerfnisse der ganzen Hierarchie zu befriedigen. Der Einfluss, den sie immer zu erweitern strebte und nur mit ausnehmender und ununterbrochener Aufmerksamkeit aufrecht erhalten konnte, erforderte vielmehr eine grosse Thaetigkeit und Bekanntschaft mit der ganzen Welt, mit der vergangenen und mit der lebenden. Es ist daher ganz falsch, was Macchiavelli von der Geistlichkeit sagt: dass ihre Haeupter auf ihren hohen Stellen durch die Kraft der Traegheit, die in alten Einrichtungen liegt, erhalten werden, sie moegen sich auffuehren wie sie wollen. Vielmehr hat sich in der Geschichte keines einzigen Staates deutlicher gezeigt, wie viel wahrer Verstand und gute Gesinnung in der Welt vermoegen, als gerade in der Geschichte der Paepste. Die Philosophen und Geschichtschreiber der neuern Zeiten haben sich mit grossem Erfolge bemueht, die geistliche Gewalt verhasst zu machen, indem sie ihr Alles zur Last legen, was Geistliche gethan haben, ohne zu beachten, ob sie die Kraft dazu durch ihren geistlichen Stand erhielten, und ob man der Herrschsucht ihr Gift genommen haette, wenn ihr das geistliche Kleid ausgezogen waere. Die franzoesischen Schriftsteller insbesondere machen sehr bittere Bemerkungen darueber, wie viel Unheil die Cardinaele in der Staatsverwaltung gestiftet. Richelieu und Mazarin fanden es zwar sehr vortheilhaft, ihrer Person durch den roemischen Purpur Schutz zu verschaffen. Wuerden sie aber anders regiert haben, wenn sie als weltliche Minister die Macht besessen haetten, die sie nicht ihrer geistlichen Wuerde, sondern persoenlichem Einflusse auf die Gemuether ihrer Regenten verdankten? Der geistliche Beruf hat freilich einem Alberoni Gelegenheit gegeben, sich dem Regenten von Spanien zu naehern und das Schicksal mehr als Einer Monarchie zum Spiele seines Ehrgeizes zu machen; aber auch dem Ximenes, d'Ossat und andern grossen Maennern den Weg zu Stellen eroeffnet, die den vorzueglichsten Menschen so schwer zu Theil werden, wenn sie nicht durch die Geburt beguenstigt sind. Die Philosophie haette sich also begnuegen sollen, die Anmassungen der Kirche in billige Schranken zurueckzuweisen, ohne sie zu vernichten, um dagegen ein fuer die Wuerde der menschlichen Natur eben so gefaehrliches System der buergerlichen Ordnung nach den Gesetzen des aeussern Rechts zu erheben. Das leichtsinnige und fehlerhafte Urtheil des Macchiavelli ueber die geistlichen Fuersten erforderte diese Betrachtungen ueber die Vortheile, welche das System der katholischen Hierarchie gewaehrt. Es ist hier nicht der Ort, von den wesentlichen Fehlern derselben zu reden, welche die Veranlassung zu der Trennung der Protestanten von ihr gegeben, und die Wiedervereinigung kaum moeglich machen. Diese Fehler werden nicht durch die Veraenderungen gehoben, welche vermoege der neuern Denkart in der katholischen Kirche entstanden sind, und die ihr zugethanen Voelker laufen daher Gefahr, die Vortheile zu verlieren, welche sie besassen, ohne durch diejenigen entschaedigt zu werden, die die protestantischen errungen haben. In dem kirchlichen Systeme dieser Letztern findet die Einwirkung einer geistlichen Gewalt auf Staatsverhandlungen mit andern Maechten gar nicht statt. Was aber ihren Einfluss auf innere Landesangelegenheiten betrifft, so kann hier nur der Gesichtspunkt im Allgemeinen angegeben werden, von dem die Untersuchung darueber ausgehen muss. Es ist ueberhaupt das groesste Problem des natuerlichen Staatsrechts und der Politik, wem man in der buergerlichen Gesellschaft die Befugniss ertheilen solle, sich der willkuerlichen Gewaltthaetigkeit zu widersetzen. Das Gesetz Gottes geht ueber das Gesetz der Menschen. Seit den rasenden Tyrannen Roms, die sich zu lebenden Goettern erklaerten, hat selten ein Regent gewagt, seinen Voelkern ins Gesicht zu sagen, er wolle, dass ihm mehr gehorcht werde, als Gott. Aber wie soll die Stimme des unsichtbaren Gottes durchdringen? Wer soll sie erklaeren? Soll derjenige, den das Volk fuer ihren Ausleger haelt, gar keine weltliche Macht in Bewegung setzen koennen, so wird er zu einer leeren Stimme in der Wueste, sobald es dem Regenten gefaellt. Soll er Mittel besitzen, sich Gehorsam zu verschaffen, so entsteht ein innerer Krieg, sobald seine Vorschriften mit dem Willen des weltlichen Regenten disharmoniren. Diese letzten schrecklichen Folgen hat die katholische Kirche oft erfahren. Jenem Nachtheile ist die protestantische ausgesetzt, sobald die Geistlichkeit, wie es nach den eingeschraenkten Ideen derer sein sollte, die einem duerren Systeme zu Gefallen alle Verhaeltnisse moeglichst vereinfachen, als besoldete Diener des Regenten betrachtet werden, welche bestellt sind, Moral zu predigen und die buergerlichen Gesetze einzuschaerfen. Wo sollte wol ein solcher bestellter Officialis der Sittlichkeit den Muth hernehmen, seinem Herrn, den alle Welt fuerchtet, ins Gewissen zu reden? Friedrich Wilhelm dem Ersten von Preussen hat doch ein Landprediger den Vers aus der Bibel vorgehalten: "Wer einen Menschen stiehlt", um damit seine gottlose Menschenraeuberei fuer die Potsdamer Garde zu strafen. Wer wird dergleichen unternehmen duerfen, wenn es weder Vorsteher der Nation gibt, die von ihr, und nicht vom Regenten abhaengen; noch auch Lehrer goettlicher Weisheit, die einen hoehern Beruf anerkennen, als ein Bestallungspatent! Die Reformatoren der Kirche haben dies Alles wohl gefuehlt. Sie verkannten ihren Beruf nicht. Sie haben den geistlichen Stand, dem die Sorge anvertraut ist, eine hoehere Bildung des Menschengeschlechts zu erhalten, nicht zu Dienern des irdischen Gemeinwesens, zu Staatsdienern herabgewuerdigt. Die Fuersten der Zeit haben sich nicht vermoege ihrer fuerstlichen Wuerde zu Haeuptern der Hierarchie erklaert. Das haette das damalige Volk nicht gelitten. Die deutschen Fuersten haben als natuerliche Beschuetzer der Kirche, deren maechtigste Glieder sie waren, die bischoeflichen Rechte und Pflichten auf sich genommen, nachdem die Gemeinden sich von der katholischen Hierarchie losgemacht hatten. Dieser wesentliche Unterschied wird kaum mehr beachtet, seitdem die Speculationen ueber das Staatsrecht und ueber die Staatsklugheit eine angeblich metaphysische Wendung genommen haben, vermoege deren ein strenges aeusseres Recht das Wesentliche aller sittlichen Verhaeltnisse der buergerlichen Gesellschaft ausmachen soll: da doch die Menschen, aus denen der Staat besteht, die Gesetze ueber aeusseres Recht nicht eher begreifen, und die Verpflichtung sie zu besolden nicht anerkennen, bis sie durch viele religioese Bemuehungen und moralischen Unterricht dazu faehig gemacht sind. 12. Der Hauptgedanke, auf welchen diese lehrreiche Darstellung der vergangenen italienischen Zeiten fuehrt, ist ganz allgemein wahr und zu allen Zeiten nuetzlich. Selbst ist der Mann. Jeder muss sich selbst zu schuetzen suchen, so viel er kann. Man darf nie Andere fuer sich tapfer, vorsichtig, klug sein lassen und sie dafuer bezahlen; denn wer Schaetze hat, fremden Schutz zu erkaufen, dem werden sie gerade von demjenigen genommen, den er zum Waechter zu bestellen dachte. Der Genuss des Reichthums erschlafft und nimmt selbst dem, welchem es nicht an Einsicht fehlt, die Kraft zu handeln. Daher hat grosser Reichthum der Voelker von jeher schlimme Perioden herbeigefuehrt: entweder Unterjochung von Aussen oder Revolutionen im Innern, wodurch die Leitung der oeffentlichen Angelegenheiten und das Eigenthum der Nation in die Haende derjenigen Classen gerieth, die bis dahin noch keinen Antheil am Ueberflusse gehabt hatten. Hieraus ergibt sich auch die Ursache, warum Seemaechte, trotz des groessten Reichthums und selbst des uebertriebensten Luxus, den er veranlasst, gross und maechtig bleiben koennen. Die Quelle ihrer Schaetze fuehrt das Heilmittel selbst bei sich. Die Schifffahrt gelingt nur durch die aeusserste Anstrengung aller Kraefte des Geistes und des Koerpers. Daher noethigt der Seehandel, der den groessten Gewinn bringt, zugleich zu dem emsigsten Bestreben nach einer Ausbildung, die auch im Kriege Ueberlegenheit gibt. Wenn eine Seemacht jemals andere Nationen in Sold naehme, um fuer sich die Gefahren und Muehseligkeiten der Schifffahrt zu uebernehmen, so waere sie verloren. Aber auch nur dann. Die grosse Seefahrt und die Gesetze, die sie veranlasst, werden gewoehnlich nur aus dem eingeschraenkten Gesichtspunkte des Handelsgewinns angesehen. Die Veranstaltungen, die sich darauf beziehen, sind aber noch weit wichtiger in moralischer Ruecksicht. Sie befoerdern die ernsthafte Beschaeftigung und Abhaertung, sie erhalten einen maennlichen Charakter in der Nation. Und da das Seewesen einer grossen Menge von wissenschaftlichen Kenntnissen bedarf, so entsteht daraus das Phaenomen einer kriegerischen Macht, die zugleich alle Kuenste des Friedens zu vervollkommnen sucht; wohingegen eine sehr kriegerische Nation auf dem festen Lande immer Gefahr laeuft, in Rohheit der Sitten zurueckzusinken. 15. Macchiavelli kannte die Begriffe von Recht und Sittlichkeit und ihren Einfluss auf die Menschen sehr wohl. Aber sie galten ihm nur als Erscheinungen im menschlichen Gemuethe, die gleich andern Neigungen und Vorteilen in die Berechnungen ueber die Triebfedern der menschlichen Handlungen mit aufgenommen werden mussten, ohne ihnen einen Werth an sich selbst zuzugestehen. Eben so kannte einer von seinen Schuelern, die ihn am besten begriffen hatten, die sittlichen Triebfedern der Menschen gut genug, um sie fuer seine Zwecke und zu dem Verderben derer zu missbrauchen, die er dadurch zu seinen Werkzeugen machte. Aber dieser Mann, Napoleon der Erste, verkannte die Natur der Dinge, wenn er die ganze lebende Welt um ihn her nur im Verhaeltnisse zu seiner Person beurteilte, und in Beziehung auf sich ordnen wollte. Er waehnte, sich fuer ein personificirtes Schicksal erklaeren zu duerfen. Der maechtigste Mensch bleibt doch immer nur ein Triebrad des Schicksals unter vielen. Er ist und bleibt abhaengig, so wie Andre, nur auf andre Art. Es ist daher etwas Verkehrtes in der Sinnesart, die alles Allgemeine, Hoehere, Edlere der Persoenlichkeit unterordnet, und deshalb kann sie schon vor dem Richterstuhle des blossen Verstandes nicht bestehen; wohingegen derjenige, der sein persoenliches Interesse hoeheren Zwecken unterordnet, auch alsdann mit sich einig bleibt, wenn er diese verfehlt, und sogar, wenn er selbst darueber untergeht. 16. Diese Bemerkungen sind von der groessten Wichtigkeit fuer jeden Regenten. Die Freigebigkeit ist eine natuerliche Eigenschaft des hohen Sinnes. Man fuehlt sich ueber andre Menschen erhaben, indem man ihnen wohl thut. Sie ist also ganz eigentlich eine fuerstliche Tugend. Der Geiz hat etwas Kleinliches und ist daher in einer hohen Stelle unanstaendig. Bei dem, der nach der Herrschaft strebt, kommt noch hinzu, dass er des Beistandes so Mancher bedarf, und denselben durch alle Mittel suchen, ihn also auch oft erkaufen muss. Betrachtet man aber die Folgen, so sieht man auf der Seite der Freigebigkeit undankbare Guenstlinge, die immer mehr fordern, je mehr sie erhalten haben; ganze Classen, die als ein Recht ansehen, was Einem unter ihnen zugestanden worden; die, wenn sie das gesammte fuerstliche Gut unter sich getheilt haben, denjenigen gering schaetzen, der nichts mehr zu geben hat und sich gegen ihn auflehnen; misslungene Unternehmungen, weil es an Mitteln fehlt; unbelohntes Verdienst, ungerechte Vorenthaltung rechtmaessiger Forderungen, allgemeine Unzufriedenheit, zuletzt Verachtung. Der Geiz hingegen, nicht aber die Habsucht, die vielmehr mit leichtsinniger Verschwendung nahe verwandt ist, kann wol mit Gerechtigkeitsliebe bestehen. Strenge Wirthschaftlichkeit macht den Grund aller guten Regierung aus. Ist aber der Geiz nicht die Folge ernstester Ueberlegung und Vorsicht, entspringt er vielmehr aus Neigung, so faellt er auf die Gegenstaende, welche nicht die wichtigsten sind, sondern nur die naechsten; er laesst grosse Dinge fahren, um Kleinigkeiten zu ergreifen, freut sich nicht ueber den Zweck der guten Haushaltung, sondern nur ueber das Ersparen selbst, missgoennt daher Jedem die wohlverdiente Belohnung geleisteter Dienste und erzeugt allmaehlich die tiefe Abneigung, welche derjenige stets einfloesst, dessen Macht man fuerchtet, ohne seinen Charakter zu achten. 17. Die Lehren dieses Kapitels sind einleuchtend. Dennoch wird es Maennern von menschenfreundlicher Gemuethsart sehr schwer, sie anzunehmen. Sie hoffen immer, die Menschen werden zu ihren Gunsten eine Ausnahme machen. Ihre eignen Gesinnungen verleiten sie auch in Andern entsprechende zu wuenschen - vergeblich zu erwarten. Aber es wird im Gegentheil demjenigen, der einmal im Rufe der Menschenliebe steht, von allen Seiten angesonnen, sich gefallen zu lassen, was keinem Andern widerfaehrt, und das ist der wahre Grund, warum die angebliche Tugend der Gutmuetigkeit - sehr verschieden von der Liebe zum Guten - so allgemein erhoben wird. Sie ist in Wahrheit nur Schwaeche eines harmlosen Gemueths und schon im Privatleben veraechtlich. Wer den Menschen im Ernste wohl will und fuer sie thaetig sein moechte, muss kaempfen und ueberwinden, den widerstrebenden Eigennutz der Schlechtgesinnten in Furcht setzen, die Schwachen zwingen mitzuwirken und oft diejenigen selbst, denen er wohlthun will, noethigen, ihr eigenes Bestes zu besorgen. Im oeffentlichen Leben gibt es gar keinen groesseren Fehler, als jene Gutmuethigkeit, die immer nachgibt: Schlechte schont und Gute preisgibt; bescheidene Selbstverleugnung vorschuetzt, um zurueckzubleiben, wo es die Pflicht erfordert, hervorzutreten, und die veraechtlichste Feigheit mit dem nichtswuerdigen Ruhme der Suendhaftigkeit im Leiden, da wo man sich wehren sollte, beschoenigt. Vorzueglich ist Nachgibigkeit und unzeitige Schonung im Verhaeltnisse zu Untergebenen verderblich. Die Liebe zu Vorgesetzten erfordert einen ueberwiegenden Zusatz von Achtung. Diese ist mit der Furcht naeher verwandt, als mit der Zuneigung. Ein anderer Bestandtheil der Liebe zu Vorgesetzten ist Vertrauen auf ihren Schutz. Dazu gehoert wieder die Ueberzeugung, dass Andre sich vor ihnen fuerchten. In einem andern Sinne als Macchiavelli es behauptet, ist es in der That wahr: die Furcht ist das Band der buergerlichen Gesellschaft. 18. Unter allen Lehren, die Macchiavelli den Grossen gibt, haben diese den allgemeinsten Beifall gefunden. Auf ihn berufen sich alle Staatsmaenner, die Vertraege und Zusagen brechen und den Betrug mit dem Namen der Politik rechtfertigen moechten. Doch hat ein so erfahrener Mann unmoeglich sagen wollen, dass ohne Gefahr immer und immer nur betrogen werden koenne. Das hat er auch nicht gesagt, denn er verlangt ja von seinem Fuersten, dass er gegen Tugend und Laster nur gleichgiltig sein, Eines wie das Andere ueben und beides nur als Mittel gebrauchen solle, Absichten zu erreichen. Die Grossen und Maechtigen begehren gewoehnlich von den Fesseln moralischer Gesetze befreit zu werden, um ihre Leidenschaften zu befriedigen. Das aber gewaehrt ihnen Macchiavelli nicht. Es fordert vielmehr keine noch so strenge Moral, so grosse Aufopferungen, als diejenige Staatskunst, welche von keiner Moral etwas wissen will, und Alles, was der Mensch thut, den kalten Berechnungen des Verstandes unterwirft, um einen einzigen Zweck zu erreichen. Wer danach strebt, Herrschaft zu erringen, und wenn er sie hat, zu erweitern, darf nichts Anderes wuenschen. Macchiavelli sagt gar nicht, der Fuerst darf sich ueber die Moralitaet ganz wegsetzen, sobald es ihm beliebt, weil er maechtig genug ist, es ungestraft zu thun. Dazu kannte er das Volk zu gut und beurtheilte zu richtig, was auf dasselbe wirkt. Er verlangt aber vollkommene Gleichgiltigkeit gegen die Tugenden im Herzen selbst. Der Fuerst soll den Redlichen und Unredlichen spielen, so wie es die Umstaende verlangen. Es ist also auch nicht damit gethan, sich gegen Gefuehl und Gewissen abzuhaerten und bei keinem Verbrechen anzustossen, das in den Plan des Ehrgeizes gehoert. Wer dies leistet, hat nur die Haelfte der Forderung erfuellt. Er muss sich daneben das Ansehn aller Tugenden geben. Hier aber erkennt man den scharfsinnigen Beobachter der Menschen gar nicht. Aristoteles, der in seiner Politik (im fuenften Buche, elften Kapitel) dem Tyrannen Lebensregeln gibt, die ueberhaupt mit dem Macchiavelli ziemlich uebereinstimmen, verlangt ebenfalls, dass er den Schein aller Tugenden annehme, die ihm fehlen. So noethig sind die wahrhaft koeniglichen Tugenden jedem Herrscher, dass er den Ruf, sie zu besitzen, nie ganz entbehren kann. Aber Aristoteles raeth ihm, sich ihnen moeglichst zu naehern, davon anzunehmen, was er nur vermag, und wenigstens den Schein der andern zu suchen. Macchiavelli hingegen verbietet ihm die Tugenden selbst, weil sie ihm hinderlich sein wuerden; verlangt aber dabei, dass er ihren Schein annehme, so oft er ihrer Wirkung nicht entbehren kann. Kann nun wol der blosse Schein diese hervorbringen? Wir sehen schon im gewoehnlichen Leben, wie wenig Zutrauen und welche tiefe Abneigung diejenigen Menschen erregen, denen es nur auf den Effect ankommt, die sich daher selbst immer im Auge haben und einen Spiegel mit sich umhertragen. Sie moegen sich noch so gut darauf verstehen, andre Menschen anzufuehren, sie werden dennoch bald fuer das erkannt, was sie sind. In den kleinsten Zuegen ihres Betragens liegt ein "Huete dich!" das seine Wirkung nicht verfehlt. Die Grossen sind vielleicht maechtig genug, das vorwitzige Urtheil ihrer Unterthanen zu unterdruecken. Aber auch der Nachwelt? Und doch hat schwerlich jemals ein Fuerst existirt, der Geist genug hatte, die schwere Rolle zu spielen, die Macchiavelli vorzeichnet, ohne den Wunsch zu hegen, dass er auch nach seinem Tode so beurtheilt werden moechte, als er sich bemueht, vor seinen Zeitgenossen zu erscheinen. Wer maechtig genug ist, ehrlich handeln zu koennen, thut daher immer noch besser, der Heuchelei zu entsagen. So lange Verstand gegen Verstand kaempft und der Macchiavellische Fuerst sich auf seinem wohlbekannten Fechterboden befindet, wo Verrath und Treulosigkeit von beiden Seiten angewendet werden, die Absichten durchzusetzen, wird stets der Schlaueste den Sieg davontragen. Wenn es aber darauf ankommt, nicht den Listigen zu ueberlisten, sondern die Ehrlichkeit zu beruecken und die gerade Einfalt des Herzens sich nicht mehr anfuehren lassen will, so vermag alle Kunst nichts mehr, und Satan selbst hat nicht Verstand genug, um die Tugenden des Gemueths zu ersetzen, die fortan allein etwas auszurichten vermoegen. Was insbesondere die Wortbruechigkeit betrifft, von der Macchiavelli als von einer notwendigen und gewoehnlichen Sache redet, so bedarf es einer genauen Bestimmung, wann sie dem Fuersten erlaubt sein kann. Es ist ein alter und mit religioeser Ehrfurcht bewaehrter Ausspruch, dass das Wort der Fuersten heilig sein solle. Die Wahrhaftigkeit ist ueberhaupt das Band, das die menschliche Gesellschaft zusammenhaelt. Selbst die einzelne Luege kann nur da etwas wirken, wo Wahrheit allgemeine Regel ist. Von Andern verlangt sie daher auch ein Jeder, und der aergste Luegner schreit immer am lautesten gegen den Betrug, der gegen ihn gespielt wird. Die ganze Welt aber vereinigt ihre Stimme, denjenigen, der sich nicht etwa einmal eine Unwahrheit oder einen Wortbruch zu Schulden kommen laesst, sondern in dessen Charakter es liegt, durchaus unwahr zu sein, wie eine Pest der Gesellschaft zu fliehen. Die Natur hat aber dem Menschen die List nicht umsonst gegeben. Sie ist die Schutzwehr des Schwachen gegen Staerkere; sein Vertheidigungsmittel gegen uebermaechtige Gewalttaetigkeit. Mit Recht sagt daher Macchiavelli, dass der Fuerst sich darauf verstehen muesse, den Fuchs und den Loewen zu spielen. Weil er unter Menschen wandelt, die mehr von der thierischen Natur an sich haben, als vom Geistigen, so muss er gleichfalls die Bestie herauskehren, wenn es Noth thut. Beides soll er koennen, den Fuchs spielen und den Loewen. Der Loewe ist stark, wirft Alles nieder und verzehrt, was ihm gefaellt. Wenn er theilt, so nimmt er das beste Stueck, weil er Loewe heisst. Der Fuchs hilft sich mit List, um zu erlangen, was er zu seiner Erhaltung bedarf. Aber den Wolf, den Feind aller Geselligkeit, der selbst mit seines Gleichen nur Verbindungen des Augenblickes eingeht, um ueber den Dritten herzufallen und nie in einer friedlichen Gemeinschaft angetroffen wird, dieses ganz ungesellige Thier soll kein Mensch jemals nachahmen. Vielmehr soll ja der Fuerst, wie Macchiavelli selbst sagt, den Loewen machen, um die Woelfe zu vertreiben. Noch in andern Stellen seiner Werke spricht er nachdruecklich gegen diejenigen, die wie die Woelfe unter Menschen leben. Wenn denn also dem Menschen die Schlauheit des Fuchses gegeben ist, damit er die Woelfe ins Verderben ziehe, gegen die er sich nicht wehren kann, wohlan, so gebrauche die List, so oft sie nothwendig ist. Luege, brich dein Wort, verschwoere dich, verleite deinen Gegner durch die hinterlistigsten Vorspiegelungen und stich ihm den Dolch ins Herz, indem du ihn umarmst. Aber beweise, dass dies Alles nothwendig war, um dich von der Noth zu befreien, die die Bosheit ueber dich brachte: und du bist gerechtfertigt. Zeige, dass es nothwendig war, um das dir anvertraute Volk vom Untergange zu retten - und du wirst als ein wohlthaetiger Schutzgeist verehrt werden. Wer kann sich der lebhaftesten Theilnahme erwehren, wenn die Unternehmungen des selbstsuechtigen, unersaettlichen, gegen Wohl und Wehe der Menschen gefuehllosen Ehrgeizes und der Habsucht durch die Verschlagenheit des Unterdrueckten auf den Urheber der Misshandlung zurueckfallen? Es ist um so viel notwendiger, die Kuenste der List und Verstellung richtig zu wuerdigen, da sie einen ganz eigenthuemlichen Reiz fuer die Grossen haben, der aus den besondern Verhaeltnissen ihrer Lage entspringt. Wer so viel vermag, sollte man denken, wird sich die Muehe nicht geben wollen, sich zu verbergen. So Vieles kommt ihren geringsten Wuenschen entgegen. Sie brauchen kaum zu wollen, so geschieht schon, was ihnen angenehm ist. Wie selten hat Einer von denen, die sich ihnen nahen, die Dreistigkeit, etwas zu tadeln, das sie thun. Aber das Alles trifft doch nur die Kleinigkeiten, die ihre eignen persoenlichen Neigungen angehen. In Allem, was zu ihrem politischen Leben gehoert, ist es ganz anders. Sie finden in den verwickelten Anstalten der buergerlichen Ordnung, in der Organisation der Gewalt selbst, mit der sie ihren Willen vollziehen, Schwierigkeiten und Widerstand. Sie verachten die Menschen und missbrauchen sie ohne Scheu. Dennoch koennen sie dieselben nicht zu Maschinen machen. Der unumschraenkteste Monarch muss sich herablassen, ihre eignen Gesinnungen und Empfindungen zu schonen. Ausserdem ist Alles, was ihn umgibt, unaufhoerlich beschaeftigt, von jeder seiner Aeusserungen Vortheil zu ziehen. Er lernt bald, dass Alles, was von ihm herkommt, von der groessten Wichtigkeit ist und oft Wirkungen thut, die ihn selbst ueberraschen. Wenn er nicht etwa von dem Feuer eines ungestuemen Temperaments beherrscht wird, das keinen Zwang ertraegt, so wird er in sich selbst misstrauisch und geneigt zur Verstellung. Kommt hierzu noch eine verkehrte Bildung des Geistes, entschuldigt er bei sich selbst den Mangel an Entschlossenheit und Muth mit dem Grundsatze, es sei besser, Alles, was auf geradem Wege zweifelhaft sein koennte, mit versteckter Kunst zu Stande zu bringen; findet er ein Vergnuegen darin, Schwierigkeiten aufzusuchen, und bewundert seinen eignen Verstand, wenn er mit seinen Mittelchen die Kraft des Willens zu ersetzen sucht, - so entsteht zuletzt ein Gewebe, darin sich der Kuenstler, der es angelegt hat, selbst verstrickt und verliert. Die Wirkungen der Politik, die Macchiavelli lehrt, haben sich niemals deutlicher gezeigt, als in der Geschichte der Familie, fuer die sein Buch zunaechst bestimmt war. Lorenzo von Medici, dem er es zugeeignet hat, ist nicht Herr von Florenz geworden. Aber er scheint doch von den Rathschlaegen, die ihm hier ertheilt werden, Gebrauch gemacht zu haben. Er hatte, wie es scheint, Anlage zu einem Schueler des Macchiavelli im praktischen Leben. Ein frueher Tod unterbrach seine Ausbildung. Aber er vererbte diesen Schatz von Grundsaetzen auf seine Tochter. Catharina von Medici nahm sie mit sich nach Frankreich. Dort ward das florentinische Gewaechs von den Landsleuten, die sie dahin begleiteten, sorgfaeltig gepflegt. Die Geschichte der franzoesischen Nation hat dadurch eine ganz eigne und ihrem urspruenglichen Charakter fremde Wendung genommen. Der Herzog von Retz, den Catharina aus Florenz kommen liess, hatte einen entscheidenden Einfluss auf die Entschliessungen Karl des Neunten und Heinrich des Dritten, und brachte Plaene zur Reife, die in franzoesischen Gemuethern schwerlich gediehen waeren. Mehrere Italiener umgaben Heinrich den Dritten. Unter diesen der Abbate del Bene, von dem sich jener Monarch, dessen Charakter und dessen Leben ein sonderbares Gemisch von Wollust, Traegheit, Leichtsinn und tiefer Verstellung, dreister Thaetigkeit und Grausamkeit war, in den Stunden, wo es ihn anwandelte, Politik zu studiren, den Tacitus, Polybius und mehr als diese den Fuersten von Macchiavelli vorlesen liess.(25) Die Lehren, die er hier vernahm, uebte er auch dann und wann einzeln, nach Laune aus. Und damit bekraeftigte er selbst recht nachdruecklich die Bemerkung seines Lehrers, dass die Menschen selten den Muth und die Beharrlichkeit haben, etwas recht und ganz zu sein, und dass sie eben dadurch zu Grunde gehen. Die Mutter aber war anders. Beides, natuerliche Anlage und Bildung durch die Lehren des Meisters in der italienischen Politik, vereinigten sich in ihr, und in ihrer Lage fanden sich Veranlassungen, die ganze Rolle zu spielen, die er vorgezeichnet hatte. Ihre Ansprueche auf die Regentschaft waehrend der Minderjaehrigkeit ihrer Soehne waren zweifelhaft. So weit befand sie sich mit dem Fuersten des Macchiavelli in gleichen Verhaeltnissen, und die Schwierigkeiten, die ihr entgegenstanden, wurden noch durch ihre fremde Abkunft vermehrt. Grosse persoenliche Vorzuege waren erforderlich, sie zu ueberwinden, und solche hat sie unstreitig besessen. Catharina von Medici hatte so viel Verstand und Talent, als irgend eines der Weiber, die in der Geschichte beruehmt geworden sind. Der begeisterte Verehrer ihrer Vorzuege, der Geschichtschreiber Davila, haelt ihr bei der Erzaehlung ihres Todes folgende Standrede: "Die grossen Eigenschaften dieser Frau, welche dreissig Jahre lang die Augen von ganz Europa auf sich gezogen hat, erhellen besser aus ihrer Geschichte, als ich sie in wenigen Worten darstellen koennte. Ihr Verstand war unerschoepflich an Mitteln, um die unerwarteten Zufaelle zu verbessern, und die Wirkungen des ueblen Willens der Menschen zu vereiteln. Hierdurch ertrug sie waehrend der Minderjaehrigkeit ihrer Soehne die Last der buergerlichen Kriege, waehrend welcher sie zu gleicher Zeit den Religionseifer, die Widerspenstigkeit der Unterthanen, die Bedraengnisse des Schatzes, die Verstellung der Grossen und die ungeheuern Unternehmungen des Ehrgeizes bekaempfte. Ihre Bestaendigkeit, ihr hoher Sinn, womit sie, eine Fremde, es unternahm, das Ruder der Regierung den einheimischen Grossen zum Trotze zu ergreifen, womit sie sich desselben bemaechtigte und es festhielt gegen alle Kuenste der Widersacher und den Schlaegen des Schicksals zum Trotze, hatte mehr Aehnlichkeit mit dem Geiste eines in den grossen Welthaendeln gebildeten Mannes, als mit der Gesinnung eines an die Weichlichkeit des Hofes gewoehnten und von ihrem Eheherrn unterdrueckten Weibes. Aber die Geduld, die Gewandtheit, die Maessigung, womit sie sich zu behaupten wusste, und ungeachtet des in ihrem Sohne selbst gegen sie allmaehlich entstandenen Argwohns die Regierung so festhielt, dass er es nicht wagte, ohne ihren Rath und ohne ihre Einwilligung zu handeln, selbst da, wo er ihr nicht traute: dieses ist der groesste Beweis und das kraeftigste Kunststueck ihrer vorzueglichen Gaben. Daneben wusste sie sich stets ueber die natuerlichen weiblichen Schwaechen zu erheben und unterlag nie den kleinlichen Neigungen, welche vom rechten Wege abfuehren. Sie hatte einen hellen Verstand, wahrhaft koenigliche Anmuth in ihrem Benehmen gegen die Menschen, maechtiges Talent zu reden, lebendige Neigung sich freigebig und geneigt gegen die Guten zu beweisen, den bittersten und unversoehnlichen Hass gegen die Andern. Sie liess nicht ab, ihre Anhaenger zu beguenstigen und zu erhoehen, und dennoch konnte sie es nicht dahin bringen, dass der franzoesische Stolz ihre italienische Geburt vergessen haette. Die unruhigen Koepfe hoerten nie auf, sie als die Feindin ihrer Absichten zu hassen, und insbesondere ist sie von den Hugenotten verleumdet worden, als wenn sie nur aus unbegrenzter Begierde zu herrschen Rathschlaege gegeben, wodurch Frankreich doch aus den groessten Gefahren gerettet worden ist. Mit allen diesen Tugenden war sie der allgemeinen Unvollkommenheit der menschlichen Natur unterworfen und hatte ihre Fehler. Man hielt dafuer, ihr sei durchaus nicht zu trauen: etwas zu allen Zeiten, vorzueglich aber und ganz besonders zu den unsrigen Gewoehnliches. Sie duerstete mehr nach Blut oder verachtete das Menschenblut wenigstens mehr, als ihrem Geschlechte wohl ansteht, und es ward bei vielen Gelegenheiten offenbar, dass sie alle und jede Mittel, auch die ungerechtesten und verraetherischsten gut fand, um nur zu ihrem Zwecke zu gelangen. Aber bei billigen Beurtheilern werden diese Fehler, welche die Noth der Zeiten veranlasste, durch die erwaehnten grossen Eigenschaften bedeckt." Wenn man nun diese grosse Koenigin, dieses Ideal italienischer Politik, deren Bild Davila hier beinahe mit denselben Ausdruecken entwirft, womit Macchiavelli seinen Fuersten zeichnet; wenn man sie naeher betrachtet und ihre Geschichte erwaegt, so wie sie von ihrem Lobredner selbst erzaehlt wird, was findet man denn fuer grosse Wirkungen ihrer hochberuehmten Eigenschaften? Die schlaue Frau wusste durch ein verstecktes Spiel, durch die Kuenste der verfuehrerischen List, die sie in der That im vollkommensten Masse auszuueben verstand, alle Parteien in gewissem Gleichgewicht und sich ueber sie erhaben zu erhalten. Jede dieser Parteien ward zwar bald inne, dass mit ihr gespielt werde, musste sich aber diesem Spiele hingeben, so oft es ihr gefiel, es wieder anzuknuepfen, weil sie anfangs als Regentin die rechtmaessige Gewalt und nachmals als geliebte und gefuerchtete Mutter einen entscheidenden Einfluss hatte. Der heimliche Widerwille und das Misstrauen, mit welchen diese Nachgibigkeit bestaendig verbunden war, vereitelte aber auch auf jener Seite alle ernstlichen Unterhandlungen, und so ward es unmoeglich, so lange sie lebte, die buergerlichen Unruhen beizulegen, welche Frankreich solche Uebel zugefuegt haben, dass man wirklich nicht einsieht, wovon Catharina das Reich errettet haben soll. Die innern Kriege, die Frankreich vierzig Jahre lang zerrissen haben, wurden beendigt, indem der rechtmaessige Erbe der Krone zu der Kirche uebertrat, welcher bei weitem der groesste Theil des Volkes leidenschaftlich anhing. Heinrich dem Vierten war es lange vorher gesagt, er werde den Thron von Frankreich nie besteigen, wenn er das Volk nicht durch diesen Schritt versoehnte. Er war selbst davon ueberzeugt und ging Jahre lang damit um, durfte es aber nicht wagen, aus Besorgniss, die Partei, die ihm schon anhing, zu verlieren, ohne der andern gewiss zu sein. Catharina hatte schon Unterhandlungen mit ihm angefangen, die dahin fuehren sollten, und durch deren gluecklichen Ausgang das, was einmal geschehen musste, zum Besten der franzoesischen Nation viel frueher geschehen waere. Was vereitelte denn diese Bemuehungen der kluegsten Frau ihrer Zeiten? Der geringe Umstand allein: der kleine Naturfehler, ueber den Davila so leicht weggeht: - "Ihr war nicht zu trauen." - Nachdem sie unzaehlige Male gelogen und betrogen hatte, da konnte sich auch der treuherzigste Mensch auf der Erde nicht mehr von ihr anfuehren lassen. Solche Politik ist gut, um Kriege anzuzetteln. Wenn man aber das Feuer ausloeschen moechte, das durch so schlaue Kuenste angefacht ist, so findet man _selbst_ mit Erstaunen, dass alle die Werkzeuge, wodurch der feine Verstand so bewunderungswuerdiges Machwerk zu Stande gebracht hat, nichts mehr vermoegen; dass das einzige Wort eines zuverlaessigen redlichen Mannes eine sicherere Grundlage abgibt, als die kuenstlichsten Veranstaltungen der List, und dass Achtung und Zutrauen der Menschen kraeftigere Mittel sind, etwas Grosses zu vollbringen, als die Ueberlegenheit des Verstandes, wenn sie gemissbraucht wird, Andere zu bethoeren, die sich fuer die erlittene Demuethigung mit unversoehnlicher Erbitterung raechen, sobald sie koennen. Lange vor dem Macchiavelli und Davila hatte schon der juengere Philipp von Macedonien ein Beispiel davon gegeben, was die Geschichte des Betrugs und der List fuer einen Ausgang nimmt. Er versuchte sich zum Oberhaupte der Griechen zu machen, um den Roemern die Spitze zu bieten. Ungefaehr so wie Caesar Borgia sich eine ueberwiegende Macht in Italien zu erwerben trachtete, um den Fremden zu widerstehen. Und mit denselben Mitteln. Was war das Ende? Er hatte in allen griechischen Staaten so viel Misstrauen, so viel heimliche und oeffentliche Feindschaft erregt, dass es ihm unmoeglich ward, die Nation mit sich zu vereinigen. Er unterlag im Kampfe, ohne nur einmal von seinem eignen Volke bedauert zu werden. Die Menschen hoeren indessen nicht auf, den Verstand ohne alle Beziehung auf die Eigenschaften des Gemueths, die ihm zur Unterlage dienen muessen, wenn er wahren Werth haben soll, ausschliesslich zu bewundern. Der scheinbare Erfolg seiner Kunststuecke im Einzelnen verleitet sie nicht allein zu dem Vorurtheile, dass es in der Welt nur auf Verstand ankomme; sie verkennen auch seine Natur. Das sichere treffende Urtheil, welches in verwickelten Verhaeltnissen das Geringfuegige uebersieht und den Punkt festhaelt, auf den Alles ankommt, ist ihnen zu einfach. Ein Gewebe von kleinen Kuensteleien, von Auswegen des Augenblicks, die immer tiefer in die Verwicklung fuehren, von verschmitzten Raenken, gefaellt ihnen besser. Doppelzuengigkeit, Falschheit und List, ueber deren zweckmaessigen Gebrauch Macchiavelli selbst Lehren gibt, die wol einiges Bedenken erregen koennten, ob man sich auch zutrauen duerfe, sie so anzuwenden; diese Untugenden gelten am Ende fuer Beweise von Verstand und Talent, oder sollen den Mangel daran ersetzen. Wer gar keine Lust hat, die Maske des Loewen vorzunehmen, die ihn auch schlecht kleiden wuerde, glaubt genug gelernt zu haben, wenn er zu luegen, zu betruegen, sein Wort zu brechen weiss. So ist es zu gewissen Zeiten in der Geschichte dahin gekommen, dass man ueberall, wo sich Jemand in vollendeter Nichtswuerdigkeit nur recht schamlos beweist, den Geist von Macchiavelli's Fuersten zu erkennen geglaubt hat. Zu diesem aber gehoert die Tapferkeit des entschlossenen Gemueths eben sowol, als die Gewandtheit des listigen. Nur in dieser Beziehung vertraegt die Welt die Unredlichkeit. Der Abscheu, den diese einfloesst, nimmt dabei den Charakter einer grauenvollen Bewunderung an; geht aber in Verachtung ueber, sobald diese nachlaesst: "_Du sublime au ridicule il n'y a qu'un pas!_" 19. Interessant ist der Rath Macchiavelli's an den neuen Fuersten, sich nicht an den Weibern seiner Unterthanen zu vergreifen. Einem gebornen Prinzen wird es ja nicht schwer, solche Neigungen zu befriedigen. Die Weiber kommen ihm natuerlich stets entgegen. Er ist immer allein schoen, klug, liebenswuerdig. Er hat also wenig Versuchung, die Schranken zu uebertreten, die ihm der Anstand vorschreibt, und in der fuerstlichen Erziehung wird auf die Erhaltung des Anstandes so viel Werth gelegt, dass er ihn wol einmal verletzen, aber sich schwerlich ganz darueber wegsetzen wird. Anders der Privatmann, der zur Unabhaengigkeit von den Gesetzen, die Andre binden, gelangt ist und keine Scheu vor dem oeffentlichen Urtheile hat, er ergibt sich den Ausschweifungen der Wollust nicht allein aus Sinnlichkeit oder Eitelkeit, sondern oft aus blossem Uebermuthe. Manche neue Fuersten haben einen Genuss darin gesucht, ihre Unterthanen auf diese Art zu beschimpfen, und die hierdurch gereizte Rache hat mehr Fuersten das Leben gekostet, als der Patriotismus von Republikanern. Der neue Fuerst selbst beschaeftigt sich groesstentheils mit herrschsuechtigen Plaenen und wird durch die Ruecksicht auf diese einigermassen zurueckgehalten. Aber Soehne und Brueder, die ihre Erhebung nicht eignen Bemuehungen verdanken, verlieren alle Besinnung im Rausche der neuen Groesse. Unzaehlige Beispiele finden sich in der Geschichte der roemischen Imperatoren und des neuen Italiens. Eines lag dem Macchiavelli vermuthlich zunaechst vor Augen. Der alte Pandolfo Petrucci von Siena liess morden, zwang reiche Erbinnen, seine Anhaenger zu heirathen, und verfuhr ueberhaupt gewaltthaetig mit den Buergern, wo es in seinen Plan gehoerte. Dabei behauptete er sich bis an das Ende seiner Tage. Aber sein Sohn, Borghese Petrucci, der die Fruechte der vaeterlichen Bemuehungen von frueher Jugend an einerntete, wusste nicht was Alles beginnen, um sie zu geniessen. Er beraubte Diesen und Jenen, verfuehrte und missbrauchte mit Gewalt Weiber und Toechter. Dafuer ward er verjagt. Nicht besser machte es in Florenz selbst Alessandro von Medici, der nach Macchiavelli's Tode nicht durch eigne Talente und Bemuehungen, sondern durch Protection Herzog geworden war: auch er ward deshalb ermordet. Die Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts enthaelt noch mehrere Beweise, bis zu welchem Unsinne der Uebermuth der Emporkoemmlinge die unnatuerlichsten Ausschweifungen der Wollust treiben kann. Was zum Beispiel ein Pietro Luigi Farnese, Sohn des Papstes Paul des Dritten, mit dem Erzbischofe von Bologna vorgenommen, als dieser ihn bei einem feierlichen Einzuge bewillkommte, grenzt beinahe an das Unglaubliche .... 22. Es ist bereits einige Male Pandolfo Petrucci erwaehnt, der sich zum Oberhaupte des Staats von Siena aufgeworfen hatte, ohne jedoch den Namen eines Herrn zu fuehren. Er verdankte den ruhigen Besitz seiner hohen Stelle vorzueglich dem Antonio Giordani von Venafro, der die Aemter eines Richters und oeffentlichen Lehrers zu Siena bekleidet hatte, und dem Pandolfo als Staatssecretair und in Gesandtschaften diente. Den Ratschlaegen dieses Mannes werden die feine Politik und das feste Benehmen, seiner grausamen Gemuethsart aber auch die Mordthaten zugeschrieben, wodurch sein Goenner sich emporschwang und erhielt. Von der Sinnesart des Giordani und zugleich vom Geiste der damaligen Zeit kann die Antwort als Probe dienen, die er als Gesandter dem Papst Alexander dem Sechsten gab. Dieser fragte ihn, wie er es anfange, die Sieneser zu regieren? - "Mit Luegen, heiligster Vater." - Der alte Petrucci brachte es dahin, dass sein Sohn Borghese Petrucci (seine Mutter war eine Borghese) nach seinem Tode in seine Stelle einrueckte. Aber der leichtsinnige und ausschweifende junge Mensch hatte nicht so viel gesunden Verstand, dem alten Rathgeber seines Vaters zu folgen. Er hatte einen Guenstling, Pochintesta, der sich die ausschweifendsten Misshandlungen seiner Mitbuerger erlaubte. Antonio rieth ihm, sich durch die Hinrichtung desselben die Liebe des Volkes zu erwerben. Er aber ergab sich ihm, dem geliebten Genossen aller eigenen Bubenstuecke, immer mehr, anstatt ihn zu zuechtigen. Die Partei, welche den Borghese Petrucci zu verdraengen suchte, bemerkte bald, wo seine Staerke lag, und fing damit an, ihm den Antonio verdaechtig zu machen. Der gedankenlose Borghese ging in diese Falle und ertheilte dem beschwerlichen Mentor den Abschied mit angeblichem Bedauern und in der Einkleidung eines Rathes, er moege der allgemeinen Abneigung ausweichen und sich entfernen. Recht wohl, erwiderte Jener, ich werde Ihnen das Quartier bestellen. Der junge Fuerst musste wirklich bald nachfolgen. Die Petrucci hatten es mit den republikanisch gesinnten Florentinern gehalten. Die Revolution zu Florenz, wodurch die Medici in demselben Jahre wieder eingesetzt wurden, als Pandolfo starb (1512), zog also natuerlich auch in Siena eine Katastrophe nach sich, wodurch unter dem Schutze Papst Leo X. Rafael Petrucci, Bischof von Grosseto und Castellan des Castel Sant' Angelo zu Rom, ein Vetter und geschworener Feind des Borghese Petrucci und Anhaenger der Medici, statt des vertriebenen Borghese auf kurze Zeit Oberhaupt von Siena geworden war. Antonio von Venafro war gluecklich nach seiner Vaterstadt entkommen und beschloss daselbst sein Leben in Ruhe. Borghese aber ward wahnsinnig und starb bald darauf in Neapel. Der Fuerst von Siena und sein Minister moegen in Einem verdienten Schicksale untergegangen sein und mit so vielen Andern vergessen werden. Was gehen sie uns weiter an? Aber das Mittel, wodurch der alte Rathgeber entfernt und der Fuerst seiner Stuetze beraubt worden, verdient Aufmerksamkeit. Dieser liess sich ueberreden, sein Freund sei allgemein verhasst; durch die Entfernung desselben werde ihm die Liebe des Volkes erhalten und seine Herrschaft gesichert werden. Eben so erregten die Guenstlinge Koenigs Karl des Zweiten von England, denen der unbestechliche Clarendon im Wege war, zuerst ein leises Gemurmel: der Kanzler fange an verhasst zu werden, er sei auch gar zu wenig nachgibig, sein Benehmen allzu rauh. Es fanden sich ihrer bald genug, die mit einstimmten, weil er sich geweigert hatte, ihre unziemlichen Begehren zu erfuellen, und so gelangte eine angeblich allgemeine Stimme vor den Thron, der Koenig muesse seinen Minister entfernen, um selbst bei dem Volke beliebt zu bleiben. Clarendon musste weichen, und nur sein Andenken hat eine verspaetete Genugthuung von der unparteiischen Nachwelt erhalten. Noch viele andere Fuersten sind in aehnliche Schlingen gefallen. Auch bessere, und diese eben durch den Missbrauch, den man von ihren vorzueglichsten Eigenschaften gemacht hat; ihrer Achtung gegen das oeffentliche Urtheil und gegen die Gesinnungen des Volkes. Dazu gehoert wahrlich nicht einmal die Schlauheit eines Arlington oder Buckingham. 23. Nie ist das alte, wenn man so sagen will, abgedroschene Kapitel der Moral die uralte Lehre, die schon jener griechische Philosoph beim Stobaeus seinem jungen Prinzen ertheilt: "Huete dich vor Schmeichlern!" so lebendig und eindringend vorgetragen als hier. Nur ist der Satz: "Die Menschen sind ihrer Natur nach schlecht" hier nicht recht passend, wenigstens zu allgemein gefasst. Die Menschen sind nicht _alle_ schlecht - wenn auch unlaeugbar die ueberwiegende Mehrzahl. Sie sind nicht _alle_ eigennuetzig, von straeflichen Leidenschaften getrieben, wahrer Zuneigung und Vertrauens unwerth. Durfte wol Heinrich der Vierte den Sully fuer schlecht halten? Und haette dieser eine solche Meinung ertragen? Aber nur ein Fuerst, der wie dieser die Schmeichelei verschmaeht, kann einen Sully finden. Macchiavelli hat vorhin in Kapitel 22 selbst einen Minister aufgestellt, dem der Fuerst unbedingt vertrauen und den er in sein eignes Schicksal verflechten soll. Der Autor durfte doch kaum gemeint haben, dass der Fuerst dies mit einem "schlechten", wenn auch noch so klugen Menschen wagen solle. 25. Die Geschichte der grossen Weltereignisse sowol als die einfache Lebenserfahrung bestaetigt ohne Zweifel die in diesem Kapitel vorgetragenen Lehren. - Jedes Zeitalter hat seinen eignen Charakter. Es hat nicht allein eine jede Generation ihren besondern Geschmack, ihre eigenthuemlichen Grundsaetze und Empfindungsweisen, sondern auch viele Begebenheiten, welche zufaellig scheinen, weil ihr Zusammenhang mit den Gesinnungen und Neigungen der Menschen nicht klar vor Augen liegt, nehmen etwas von jenem eigenthuemlichen Geiste der Zeit an. Nur derjenige kann hoffen, eine grosse Wirkung hervorzubringen, dessen Talente in gewissem Verhaeltnisse zu seinen Zeitgenossen stehen, und der in das, was sie treiben, auf die rechte Art eingreift. Dies Verhaeltniss des einzelnen handelnden Mannes zu dem, was ihn umgibt, laesst sich nicht immer in bestimmten Ausdruecken angeben und auf Grundsaetze zurueckfuehren. Der Beobachter der Welt stoesst in der Geschichte und im taeglichen Leben haeufig auf ein unerklaerliches Etwas, welches vollkommen gut ausgesonnene Plaene vereitelt. Es war nicht die rechte Zeit. Ein altes Spruechwort sagt: "Der Mensch, der des Morgens mit dem linken Fusse zuerst aus dem Bette tritt, stoesst den ganzen Tag ueber allenthalben an und laeuft Gefahr, ein Bein zu brechen." Wer das Unglueck hat, in seine Laufbahn mit einem ersten falschen Schritte einzutreten, kommt den ganzen Tag seines Lebens ueber nicht in den rechten Tact, und findet stets Widerstand. Die groessten Talente, ja auch Vorzuege des Gemueths, haben nur eine gewisse Zeit, waehrend welcher sie vollgiltig sind. Gluecklich, wenn ein guenstiges Geschick den Mann von vorzueglichem Geiste abfordert, ehe die Periode abgelaufen ist, in welcher er etwas zu leisten vermag; oder wenn er den rechten Augenblick trifft, sich aus der thaetigen Welt herauszuziehen, um dem herben Schicksale zu entgehen, ungeachtet der groessten Anstrengung, geringeren, aber gerade jetzt besser angebrachten Kraeften weichen zu muessen. Macchiavelli sah selbst wohl ein, dass es unmoeglich ist, dem Menschen vorzuschreiben, wie er handeln soll, ohne darauf Ruecksicht zu nehmen, ob er, nach seiner individuellen Gemuethsart, gerade er so handeln kann. In einem Briefe an Piero Soderini, worin er nicht mit der feierlichen Miene des Lehrers der Fuersten auftritt, sondern vertraulich seine Meinung mittheilt, drueckt er es ganz vortrefflich aus. "So wie die Natur," sagt er, "den Menschen verschiedene Gesichter gegeben hat, so haben sie auch verschiedene Gemuethskraefte und verschiedene Launen. Auf der andern Seite sind auch die Zeiten gar sehr von einander verschieden. Demjenigen gelingt Alles _ad votum_, der es mit dem Zeitalter in seinem Verfahren recht trifft, und derjenige ist ungluecklich, der mit demselben in Widerspruch geraeth. Die Zeiten und die Umstaende aendern sich aber gar oft, ohne dass die Menschen ihre Einfaelle und Handlungsweise danach abaendern. Wer so gescheidt waere, Zeit und Umstaende allemal zu kennen und sich danach zu richten, wuerde immer gluecklich sein oder sich doch vor Unglueck hueten. So wuerde der Weise wirklich den Sternen und dem Schicksale zu gebieten scheinen. Aber solche gibt es nicht: _die Menschen koennen ihre Natur nicht so aendern_." Koennen das die Menschen nicht? Haengt ihr Betragen also auch nicht blos von der richtigen Beurtheilung der Umstaende allein ab? Bestimmt wirklich die eigenthuemliche Gemuethsart, der Charakter des Menschen, auf welche Art er in das Gewebe der Begebenheiten, das ihn umgibt, eingreifen, und ob er etwas ausrichten werde? So ist es ja falsch, worauf doch das ganze System des Macchiavelli beruht: dass der Fuerst sich ohne Vorliebe fuer irgend Etwas ganz allein von der kalten Beurtheilung leiten lassen muesse, um in seinen Unternehmungen gluecklich zu sein. Am Schlusse des Kapitels, wo er Alles uebersieht, was der Fuerst gethan haben mag, und das Schicksal aller seiner Unternehmungen so treffend weissagt, gesteht der Lobredner des Verstandes selbst ein, dass zu einem grossen Manne etwas ganz Anderes erfordert wird als Verstand, und dass es die Kraefte des Gemueths sind, welche die Rolle bestimmen, die er spielen wird. 26. Das Schlusskapitel, der Aufruf zur Abschuettelung der fremdherrlichen Ketten, hat jetzt fuer uns nur als ein Meisterstueck der Beredtsamkeit Interesse. Es fand sich thatsaechlich damals in Italien kein Fuerst, der der Unternehmung gewachsen gewesen waere, durch neue Anordnungen der Nation Einheit und Unabhaengigkeit zu verschaffen. Die Intrigue fuhr daher fort, das Land zu zerreissen, und die Voelker blieben ein Spiel fremder Maechte. - Der Historiker _Sismonde de Sismondi_ sucht (in seiner _Histoire des republiques de l'Italie_) die Ursachen des tiefen Verfalls des italienischen Volkes seit dem fuenfzehnten Jahrhundert in dem Untergange der grossen Republiken in der Lombardei, wodurch zuletzt auch das Ende der Freistaaten in Mittelitalien und die Unterwerfung der ganzen Nation unter fremde Herrschaft herbeigefuehrt worden ist. Es ist begreiflich, dass die rohe Gewaltthaetigkeit, wodurch die Herrschaft in allen Landschaften und Staedten von Italien unzaehlige Male genommen und verloren worden, in Unbaendigkeit des schwelgerischen Genusses ueberging, und dass allgemeine Erschlaffung erfolgen musste, sobald Nachfolger und Enkel jener Emporkoemmlinge zum ruhigen Besitze der Gewalt gelangten. Aber dagegen schuetzt auch die republikanische Verfassung nicht. In der Geschichte von Venedig entwickelt sich zufolge der Darstellung, welche _Daru_ (_Histoire de la republique de Venise_) aus urkundlichen Quellen entworfen hat, in ihrem Entstehen, Fortschreiten und Verfallen der Verfassung derselbe Charakter, der den gleichzeitigen italienischen Einzelherrschern eigen ist. In den Bewegungen eines von Parteien zerrissenen Volkes werden alle Anlagen des Geistes und des Gemuethes gereizt, sich zu entwickeln, aber nicht blos die schlechten, auch die besten und edelsten. Man sieht daher in Republiken, auch in Zeiten der groessten Verdorbenheit, einzelne grosse Buergerseelen aufstehen; dahingegen unter der Tyrannei nichts von Allem aufkommt, was bei Macchiavelli _virtu_ heisst. Sie verschwand sehr bald in Florenz unter den Grossherzogen, und von dieser Seite hat die fruehere Erhebung der Visconti und Sforza zu Herren von Mailand der Nation viel geschadet. Aber die Unabhaengigkeit von Italien wuerde schwerlich durch die Herstellung der mailaendischen Republik bewirkt sein. Diese wuerde gleich den toscanischen Freistaaten nur dahin gestrebt haben, schwaechere Nachbarn zu unterdruecken, statt mit ihnen einen grossen Verein zu bilden, um sich gegen fremde Uebermacht zu schuetzen. Schon vormals hatte die Geschichte des alten Griechenlands ein Gleiches gezeigt. -------------- Wenn man nun den ganzen mit Macchiavelli zurueckgelegten Weg hier nochmals mit einem Blicke uebersieht, so wird man von einer sonderbaren Empfindung ergriffen. Jedes einzelne Urtheil, jeder Rath, jeder Anschlag ist so zutreffend, dass man der ueberredenden Kraft nirgends widerstehen kann, sobald man sich einmal von dem Rade hat ergreifen lassen, welches unaufhaltsam mit sich fortreisst. Vorausgesetzt, dass der erste Schritt einmal geschehen sei, so kann er nicht besser verfolgt werden. Es muss Alles so kommen, wie Macchiavelli sagt. Man muss also auch so handeln, wie er angibt, um die Abgruende zu vermeiden, zwischen denen sich der Weg hinzieht. Dennoch bleibt immer in der Tiefe des Gemueths etwas, das widerstrebt und die Ueberzeugung zu Schanden macht. Macchiavelli kann dreist seine Leser auffordern, etwas gegen seine einzelnen Urtheile einzuwenden. Aber wer koennte wol das Ganze fuer mehr als fuer ein Spiel des Verstandes halten? Das ist es eben: _das ganze Buch ist nur die Frucht des Verstandes_. Von Theilnahme am Schicksale der Menschen, von Ruecksichten auf ihre Empfindungen, von ihrer Zufriedenheit als einem Zwecke an sich selbst ist gar nicht die Rede. Man vermisst durchaus Alles, was vom Gemuethe abhaengt und aus der Empfindung fuer Andere entspringt, oder was der Sinn fuer einen erhabenen schoenen Zweck eingeben koennte. Daher bleibt der Leser immer unbefriedigt, so viel er auch zu bewundern findet. Moralisches Gefuehl hat Macchiavelli entweder gar nicht gehabt, oder es ist in ihm von politischen Leidenschaften ganz unterdrueckt. _Was aber blosser Verstand zu leisten vermag, das hat er erreicht._ Und deswegen ist im Einzelnen so viel von ihm zu lernen; auch fuer den, der die ganze Denkungsart und die Grundsaetze, die im Buche herrschen, verabscheut. Niemals hat ein politischer Schriftsteller die Handlungen der Menschen und ihre Folgen mit mehr Scharfsinn entwickelt, und gerade vom gewoehnlichen Fehler der Scharfsinnigen findet sich bei ihm keine Spur: von der Ueberfeinheit. Keiner hat jemals besser gewusst, jedesmal den Punkt, auf den Alles ankommt, zu treffen. So wie man von seinem grossen Landsmanne Michel Angelo erzaehlt, dass er immer mit dem Meissel in den Marmor geradezu hinein gehauen und auf ein Haar getroffen habe, wie weit er gehen muesse, eben so gibt Macchiavelli immer mit Einem Worte das Rechte an, verwirft alle Kuensteleien, die nur verwirren, und sagt den Maechtigen auf den Kopf zu, was in ihrem Sinne tief verborgen liegt. Hiermit stimmt auch sein Vortrag ueberein. Es ist bekannt, dass die Italiener ihn fuer ihren besten _Prosaisten_ halten. Von der Weitschweifigkeit, dem verwickelten und weit ausgesponnenen Periodenbau der meisten italienischen Schriftsteller, von diesem allgemeinen Fehler, der fast der Sprache selbst eigen zu sein scheint, ist er ganz frei. Die Vollkommenheiten seines Vortrages, der gedraengte Inhalt und der kraeftige Ausdruck sind aber am auffallendsten im Buche vom Fuersten. Dieses thut denn auch eine Wirkung, welche der groessten Erwartung entspricht, die der Verfasser davon gehabt haben mag. Man fuehlt, dass es unmoeglich ist, besser anzugeben, wie man die Herrschaft erwerben und behaupten koenne, sobald es nur um dieses zu thun ist, und alles Andere nicht beachtet werden soll. Aber das Bild dieser Herrschaft steht auch in Begleitung aller furchtbaren Genien, die sie herbeigefuehrt haben, der Gewalt, der List, der Treulosigkeit, Heuchelei und Schamlosigkeit, mit ihrem Gefolge, dem dumpfen Misstrauen der Unterworfenen, und der tiefen Verschlossenheit ihres gedemuethigten Herzens, dies Alles steht in der schrecklichsten Verbindung zu einem Ganzen vor den Augen des Lesers, und laesst nicht ab, ihn zu verfolgen. Wer die Geschichte selbst durchgedacht hat, wird unablaessig aufgefordert, immer wieder aufs Neue zu pruefen, wie denn diese Resultate der Beobachtung dessen, was geschieht und was geschehen kann, mit den Grundsaetzen ueber das, was geschehen sollte, die Niemand verlaeugnen kann, in Uebereinstimmung gebracht werden moegen. Diese Untersuchung, deren Hauptmomente in den Bemerkungen ueber das Buch angegeben sind, ist um so viel interessanter, da es nicht nothwendig ist, eine gaenzliche Unempfindlichkeit gegen das Wohl andrer Menschen, und einen selbstsuechtigen Ehrgeiz bei dem Schueler Macchiavelli's vorauszusetzen. Ein Kopf, der von schwaermerischen Plaenen zur Verbesserung des Menschengeschlechts und seiner Verhaeltnisse im Grossen eingenommen ist, kann sich auch wol verleiten lassen, alle einzelnen Menschen als Werkzeuge seiner gutgemeinten grossen Absichten anzusehen und alle Verpflichtungen, die sich auf die gewoehnlichen Vorschriften der Sittlichkeit gruenden, einem erdichteten hoehern moralischen Zwecke aufzuopfern. So ist der Geist der Politik, die Macchiavelli lehrt, auch in philosophischer Gestalt und mit einer moralischen Larve, in dem Grundsatze, dass der Zweck die Mittel heilige, zum Vorschein gekommen. So sehr aber dieser Lehrsatz auch von den Leidenschaften beguenstigt wird, die sich vortrefflich darauf verstehen, ihre Wuensche dem angeblichen hoehern Zwecke unterzuschieben, so ist doch die gewoehnliche Moral zu tief in den Empfindungen gegruendet, als dass man haeufig Menschen finden sollte, die sich in einem ganz consequenten Betragen darueber weggesetzt haetten. Dieses geheime Gefuehl der moralischen Bande wird oft unterdrueckt, erwacht aber immer wieder. Daher kommt es denn, dass die Menschen in ihrem Benehmen (so lautet eine der beruehmtesten und treffendsten Bemerkungen Macchiavelli's in seinen "Discursen" 1, 27) nie ganz gut oder ganz boese sind, und eben deswegen in so vielen grossen Unternehmungen verungluecken. Sie moechten wohl: aber da sie doch nicht duerfen, so wollen sie auch nicht recht. Sie fangen an, in Hoffnung, der Zufall werde das Uebrige thun. Verweigert dieser seinen Beistand, so bedenken sie sich, Schritte zu thun, von denen sie doch voraussehen konnten, dass sie unvermeidlich sein wuerden. Einige Treulosigkeit, einige Verraetherei, einige Verletzung der allgemeinen Gesetze der Sittlichkeit haelt Jeder im Gedraenge der Umstaende fuer erlaubt, und verzeiht man einander allenfalls. Wenn es aber dadurch so weit gekommen ist, dass ein letzter dreister Streich zum Ziele fuehren wuerde, so versagt das Herz. Waeren die Menschen etwas besser, so blieben sie von Unternehmungen zurueck, die sie in solche Verwicklungen fuehren; waeren sie etwas schlechter, so verfolgten sie ihre Zwecke ohne Bedenklichkeit bis ans Ende, opferten alles Andre auf und verloeren vielleicht Manches, erhielten aber doch das Eine, worauf es abgesehen war. Sie erhielten es vielleicht in einzelnen Faellen. Aber wohin fuehrt ein ganz consequentes unsittliches Betragen? Lassen sich dadurch Zwecke erreichen, die eines wirklich grossen Geistes wuerdig waeren? Macchiavelli selbst gesteht ein, dass es dazu nicht hinreicht, indem er von seinem Idealfuersten verlangt, er solle trotz seiner innern Gleichgiltigkeit gegen die Moralitaet den Anschein und den Ruf aller Tugenden erwerben, die er ihn im Herzen zu verachten befiehlt. Was aber davon zu halten ist, das haben wir vorher gesehen. Ende. ANMERKUNGEN 1 Man vergleiche zu dem Folgenden Macaulay's geistvolle Abhandlung "Macchiavelli" in Moellenhoffs gewandter Uebersetzung (Univ.-Bibl. Nr. 1183). 2 Wir besitzen darueber hinreichend befriedigende Quellen. _Macchiavelli's florentinische Geschichte_ schliesst zwar schon mit 1492, aber seine uebrigen Werke enthalten auch einzelne Zuege zur Beurtheilung der folgenden Begebenheiten. Neben _Guicciardini's italienischer Geschichte_ haben wir eine Menge florentinischer Geschichtsbuecher. Ausser dem fleissigen Benedetto _Varchi_, der eine vollstaendige und ausfuehrliche Erzaehlung aller Begebenheiten, an denen er Anfangs selbst Antheil genommen, aus den besten Quellen, welche ihm von allen Seiten eroeffnet wurden, zusammengetragen hat, und der Geschichte des ehrlichen _Nardi_, die vorzueglich wegen der Nachrichten von dem schwaermerischen Demagogen Savonarola merkwuerdig ist, sind noch ein paar Werke vorhanden, in deren Verfassern man den Geist wahrer Staatsmaenner nicht verkennen kann. Bernardo _Segni_, ein Schwestersohn des Niccolo Capponi, welcher waehrend der Jahre 1527 und 1528, bei dem letzten Versuche, die Republik herzustellen, Haupt des Staats und Anfuehrer derer war, die eine auf Gerechtigkeit und Billigkeit gegruendete Verfassung einzufuehren wuenschten, und Filippo _de Nerli_, ein verstaendiger Freund republikanischer Freiheit, und genauer Bekannter der Maenner welche frueher im Jahre 1522 einen vergeblichen Versuch machten, eine Republik herzustellen, und deren vornehmster Rathgeber Macchiavelli war. Nerli schloss sich nachmals im Gedraenge des demokratischen Fanatismus an die Medici an, die allein Schutz gegen die Wuth des erhitzten Poebels geben konnten, und ward zuletzt unter den Herzoegen Senator. Sein Werk enthaelt die besten Anzeigen und treffendsten Beurteilungen der so oft veraenderten Verfassung. Die Erzaehlung geht bis 1555. _ 3 Memorie Storico-Critiche della Citta di Siena, che servono alla vita civile di Pandolfo Petrucci dal 1480 al 1512. da Gio. Ant. Pecci, Patrizio Sienese. Siena 1755._ 4 Diese wenigen Nachrichten finden sich in der Geschichte Filippo de' Nerli's, welcher alle genannten Personen und besonders den Macchiavelli genau gekannt hatte, und der Partei selbst wohlwollte. 5 Varchi, Geschichte von Florenz. Sie war also bekannt. Schon dieser Umstand spricht gegen die Vermuthung, dass das Buch nur ein geheimer Rathgeber des Fuersten habe sein sollen, dem es zugeeignet ist. Ausserdem aber ist der Ton des Buchs vom Fuersten mit dieser Ansicht nicht zu vereinigen. Zu einem solchen Zwecke haette der Verfasser doch bestimmte Anwendungen auf die Verhaeltnisse des Augenblicks machen, und Massregeln gegen die Mitwerber um die Herrschaft von Italien und gegen einzelne Staaten angeben muessen: und dazu waere Macchiavelli sehr geschickt gewesen, wie seine Berichte an die florentinische Regierung waehrend seiner haeufigen Gesandtschaften beweisen Aber das Buch vom Fuersten hat ganz den Charakter eines literarischen Kunstwerks. Als ein solches uebertrifft es nicht allein Alles, was damit verglichen werden koennte, sondern auch die uebrigen Schriften des Verfassers selbst. Und ein solches Meisterstueck sollte er nicht fuer die Welt bestimmt haben?! - - - - 6 Fuenfzig solcher Maenner machte er zu Staatsraethen mit hohem Range und hoher Besoldung, wofuer sie sich um Nichts bekuemmern durften - angenehme Sinecuren, wie sie aehnlich noch heute im gelobten Preussen einige evangelische Domherren haben, die fuer einen Jahresgehalt von ca. 36,000 Mark einmal jaehrlich eine Quittung unterschreiben und ein opulentes Fruehstueck verzehren muessen! - _ 7 Gaultier de Brienne_, der als Erbe eines Kreuzfahrers den Titel Herzog von Athen fuehrte. 8 Die erste Veranlassung zu der beruehmten Verschwoerung der Pazzi gegen die Medici lag in der Heirath eines Pazzi mit einer reichen Erbin, welcher man ihr Erbrecht unter dem Vorwande zweifelhafter Gesetze, in der That aber dem Lorenzo von Medici zu Gefallen entzog, um die Familie seines Gegners zu entkraeften. 9 Man behauptet zwar, das Buch sei 1515 gedruckt, also nicht allein bei Lebzeiten des Verfassers, sondern sogar auch des Lorenzo, dem es dedicirt ist. Allein der Herausgeber einer vollstaendigen Sammlung aller Werke des Macchiavelli (Florenz, 1782, in 6 Quartbaenden), behauptet, Niemand habe den angeblichen Druck gesehen; der erste sei vom Jahre 1532, wo Giunti es mit Privileg des Papstes edirte. 10 Ueber die Widmung vgl. Moellenhoff, Macaulay's kritische Aufsaetze, Bd. 2, Macchiavelli, (Univ.-Bibl. No. 1183) S. 49. 11 Man denkt jetzt (1879) an Lothringen oder Bosnien! 12 Erinnerung an Ovids (_Remed. Am._ 91) Vers: _Principiis obsta, sero medicina paratur_. 13 Della Rovere, der den Namen Julius der Zweite gefuehrt hat. 14 Wer in einer ausfuehrlichen Erzaehlung der Thaten dieses Menschen ein Beispiel aus der alten Geschichte lesen will, wie weit kriegerische Eigenschaften in Verbindung mit gaenzlicher Immoralitaet es darin bringen koennen, grosse Dinge auszufuehren, die nichts bleibendes Gutes erzeugen der lese Diodor, Buch 19 und 20. 15 Ein grosser Liebling des florentinischen Poebels, den im Jahre 1381 die Obrigkeit wegen einer Gewaltthaetigkeit, die er beging, um ihr einen verhafteten unruhigen Kopf zu entreissen (eine Unternehmung, an der der Poebel Wohlgefallen zu finden pflegt), hinrichten liess, ohne dass der Aufstand, auf den er hoffte, erfolgt waere. Ja, es fand im Gegentheil auch diese Hinrichtung Beifall. 16 Ein Krieger von englischer Abkunft, der am Ende des vierzehnten Jahrhunderts das Handwerk trieb, wodurch so viele in der Folge als Condottieri beruehmt wurden. 17 Die italienischen Worte _misero_ und _avaro_ sind von den deutschen, durch welche sie uebersetzt werden koennen, in der feinern Bestimmung des Sinnes etwas verschieden. Uebrigens ist _filzig_ von _geizig_ zu unterscheiden: geizig ist, wer noch daneben zu erwerben trachtet; _filzig_, wer sich enthaelt zu benutzen, was er besitzt. 18 Das ist nun freilich eine ueberaus kuehne Interpretation der griechischen Sage! 19 Ferdinand von Arragonien scheint gemeint zu sein. 20 Er besann sich, ob er den Antrag annehmen solle. Da ihm zugeredet ward, wenn er ein aechter Bentivoglio sei, so wuerde er den Antrag nicht ablehnen, und das Volk von Bologna ihn auch nicht verlassen, wagte er den Schritt: und nun kam es auch so. Er bewies sich des Blutes wuerdig, das man in ihm voraussetzte, und machte sein Recht dadurch geltend. So viel vermag die Geburt, wenn sie nicht allein Alles thun soll. 21 Catharina, Tochter des Francesco Sforza und Schwester des Ludwig. Ihr Gemahl war Hieronymus Riario, Neffe Papst Sixtus des Vierten. 22 Eine weitere Ausfuehrung der in diesem Kapitel enthaltenen Gedanken findet man in den Discorsi ueber den Livius im 2. Buche, 24. Kapitel. 23 Vorzueglich wahre Sentenz! 24 Nardi erzaehlt im 6. Buche seiner Geschichte von Florenz, dass die Astrologen dem Papste Leo X. in den ersten Monaten seiner Regierung vorhergesagt haben, sein Bruder Giuliano (der als Herzog von Nemours starb) werde Koenig von Neapel, und sein Neffe Lorenzo Herzog von Mailand werden. 25 Das erzaehlt _Davila_, der durch seinen Bruder, einen Kammerherrn der Catharina, mit Heinrich dem Dritten und seinem Hofe genau bekannt war. Davila, selbst ein Italiener, spricht von der Catharina und ihren Soehnen mit der sympathetischen Empfindung des Landmanns. Daher ist seine Geschichte dieses mehr italienischen als franzoesischen Hofes so natuerlich, so lebendig, so anziehend. Er fuehlte ganz anders, wie die florentinischen Gemuether gesinnt waren, als franzoesische Schriftsteller. In den Erzaehlungen solcher Geschichtschreiber sieht man die Menschen selbst vor sich; in den Bemerkungen andrer ueber die ihnen fremden Gestalten entgeht das Eigenthuemlichste und Feinste. Ueber aecht franzoesische Charaktere muss man hingegen franzoesische Schriftsteller lesen: ueber Heinrich den Vierten den Voltaire. Den Helden der Galanterie und des Point d'honneur stellt dieser mit eben so vielem Talente dar, als Davila die Catharina, die er wegen ihres verschmitzten Herrschertalents vergoettert. BEMERKUNGEN ZUR TEXTGESTALT Die Originalausgabe ist in Fraktur gesetzt. In Antiqua gesetzt sind in ihr einzelne Woerter aus fremden Sprachen. 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To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at http://www.gutenberg.org/fundraising/pglaf. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at http://www.pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit http://www.gutenberg.org/fundraising/donate While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: http://www.gutenberg.org/fundraising/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works. Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Each eBook is in a subdirectory of the same number as the eBook's eBook number, often in several formats including plain vanilla ASCII, compressed (zipped), HTML and others. Corrected _editions_ of our eBooks replace the old file and take over the old filename and etext number. The replaced older file is renamed. _Versions_ based on separate sources are treated as new eBooks receiving new filenames and etext numbers. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. ***FINIS***