Title: Wanderungen durch die interessantesten Gegenden des Sächsischen Obererzgebirges (Drittes Heft)
Author: Johann Traugott Lindner
Release date: June 6, 2015 [eBook #49148]
Language: German
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Ein Beitrag
zur speciellern Kenntniß desselben, seines Volkslebens, der
Gewerbsarten, Sitten und Gebräuche
vom
Finanzprocurator Lindner
in Schwarzenberg,
Verfasser der »Holzordnung von 1560 und der Gegenwart.«
Drittes Heft.
Mit 4 lithographirten Ansichten.
Annaberg,
Rudolph und Dieterici.
1847.
Drittes Heft.
Seite | |
Von Chemnitz über Thum und Annaberg | 1 |
Greifenstein | 2 |
Geyer | 3 |
Ehrenfriedersdorf | 4 |
St. Anna | 5 |
Wiesenbad | 8 |
Buchholz | 9 |
Kretscham an der rothen Sehma | 12 |
Oberwiesenthal | 13 |
Bärenstein | 18 |
Druck der Teubner'schen Officin in Leipzig.
Wanderung
durch die interessantesten Gegenden
des
Sächsischen Obererzgebirges.
Dicht vor der altchemnitzer Vorstadt hat sich das, über eine Stunde lange, schöne Dorf Altchemnitz in einem flachen Bogen gegen Süden zwischen Wiesen und Feldern ausgespannt, auf dessen Sehne die Chaussee hinläuft, bis sich der Chemnitzfluß mit der Würschnitz vereinigt. Eine Menge riesenhafter Spinnfabriken werden, dem Dorfe entlang, von diesem Gewässer in Bewegung gesetzt und die Gewebe auf den Bleichen benetzt. Harthau, welches zwischen Glimmer- und Thonschiefer-Gebirgen mit einer Schaar meist gleichartiger Fabrik-Etablissements ausgefüllt ist, schließt sich bis auf einen kleinen Zwischenraum, wie eine versetzte Eisfarth, an Altchemnitz an.
Von der Klaffenbacher Höhe aus mag der Wanderer nach der volkreichen Fabrikstadt Chemnitz, das sächsische Manchester, zurückschauen. Ist es in den frühen Morgenstunden, so erblickt er über der Häuserschaar eine lang gezogene rauchgraue Wolke, welche durch dicke Säulen schwarzen Dampfes durchbrochen wird,2 der sich gespensterartig in der Luft langsam vernichtet. Dieser Qualm entsteigt riesenhaften Rauchfängen der verschiedenen Fabriken. Nur der Thurm der Jacobskirche in seinem weißen Gewand ist, wie ein Leuchtthurm, deutlich sichtbar. Weit ausgedehnte Felder und Wiesen umfließen das Ganze, wie die Meereswellen einen verloschenen Krater, der nur noch Rauchsäulen über sich verbreitet.
In den großen und volkreichen Dörfern, Klaffenbach, Burkersdorf und Neukirchen schnarrwerkt eine Unsumme von Strumpfwürkern und das Rittergut letztern Orts mit seinem Schlosse, aus dem Eilften Jahrhundert, kauert mit seinen Thürmleins, Thoren, Graben und Schießscharten inmitten einer Wiese und lugt schüchtern zwischen hochstämmigen Linden hervor, als ob es sich der Thaten (und Unthaten) seiner ursprünglichen Altvordern schämte.
Von dem Städtchen Thum und seiner Einwohnerschaft, die wenig über 2000 Köpfe zählt, läßt sich nicht viel Interessantes sagen, wenn man nicht etwa den Thumerstein, jetzt Axinit genannt, erwähnen will, welcher in der Nachbarschaft des Städtchens vorkam und von dem berühmten Bergrath Werner bestimmt wurde; wohl aber ist der nahe
näher zu betrachten und, da er auf einer Stelle zugänglich ist, auch zu besteigen. Die Gestalt und Structur dieser Granitfelsen, sagt D. Naumann im 2. Heft der Erläuterungen zur geognostischen Charte des Königreichs Sachsen pag. 174, – ist so grottesk und abentheuerlich, daß der ehemals unter den Bewohnern der Umgegend vorkommende Glaube, es seien Trümmer eines verwünschten Schlosses, nicht befremden kann. Wie Wollsäcke oder dick ausgestopfte Betten thürmen sich die Granitmassen übereinander in isolirten oder wenig zusammenhängenden phantastischen3 Pfeilern, welche theilweise eine Art Gehöfte bilden, in welche man nicht leicht hinabklettert, weil überhangende Massen scheinbar herabzustürzen drohen. Dieses Felsen-Wrak ist wahrscheinlich in präadamitischen Zeiten, als glühend flüssige Masse, aus dem Erd-Innern hervorgebrochen und hat die früher erstarrten Schiefer und Gneusschaalen, wovon im Granite selbst eine Menge Fragmente eingehüllt sind, durchbrochen, worauf sie in dicken Polstern allmählig erkaltete.
Von dieser Granitparthie aus ist die Fernsicht nach den Gebirgsknoten, dem Fichtelberg, vorzüglich schön, weil das Auge in den Thälern, welche von ihm auslaufen, ohne Unterbrechung hinaufirrt und ihn in einer größern Höhe beobachtet, als es sonst geschehen kann. Bis dicht an die Wände des Granites ist der Greifenstein mit Schwarzwald umgeben, in welchem sich zur bessern Jahreszeit eine Tabàgie befindet, wo Erfrischungen und Sicherheit bei plötzlichen Gewittern zu erlangen ist. Diese dankenswerthe Vorsorge weist zugleich auf den häufigen Besuch dieses Felsens hin. An seiner nordwestlichen Abdachung beschäftigen sich mehrere Steinmetze, die für Bauten sogenannte Werkstücke liefern. Das nachbarliche Bergstädtchen
welches schon im 13. Jahrhundert Bergbau, hauptsächlich auf Zinn trieb, zählt etwa 300 und etliche 40 Wohnhäuser, in welchen gegen 3400 Menschen eingeschachtelt sind, worunter sich viel Posamentiere befinden. Die Wohlfeilheit des Zinns und die zu große Concurrenz in der Arsenik-, Vitriol- und Schwefelbereitung, haben diesem Städtchen seine frühere Wohlhabenheit und Regsamkeit ziemlich weit abgestreift; denn daß diese bedeutend gewesen sein muß, lehren die Pingen, Halden, Pochstätten und Wäschen, insonderheit aber die große Pinge dicht an der Stadt, welche nach Art der Altenberger 1704 dadurch entstand,4 daß eine große Granitmasse gegen 70 Ellen tief und 600 Schritte im Umfange, in die durch Bergbau abgebauten Räume des Zwitterstocks niederfuhr und die Gegend, wie ein Erdbeben, erschütterte.
Außer der Evanschen großartigen Spinnfabrik bei Geyer, hat man gegenwärtig in diesem Städtchen ein neues Rathhaus von Grund aus aufgeführt, welches, seiner Größe wegen, für ein rasches Wachsthum einer streitsüchtigen Einwohnerschaft, auf ein Jahrhundert hinaus und dafür berechnet sein mag, dasselbe im Conterfei mit der Enkeltochter der dasigen Glocke, welche beim Stürmen des bekannten Prinzenraubes zersprang, in einem Guckkasten auf Jahrmärkten herumtragen und bewundern zu lassen.
Nur im Vorbeigehen mag das alte Bergstädtchen
mit seinen 270 Häusern, welche etwa 2300 Menschen bewohnen, wegen seiner ungemeinen großen Menge an einander liegender Bergwerkshalden am Sauberge, Erwähnung finden. Das Städtchen selbst bietet, außer der Königl. Klöppelschule, die in der That als Muster für andere dasteht, nichts Interessantes in seiner hölzernen Ausdehnung dar. Die gedachte Halden-Menge hat etwas ähnliches von einem vielfach durchwühlten felsigen Bette eines in's Trockne gerathenen Wasserfalles – steril und immer kahl. Das Zinn kommt hier im Sauberge in schmalen Schnürchen nahe bei einander vor, und der Bergmann kann dasselbe nicht andere gewinnen, als daß er immer taubes Gebirge mit absprengt, zu Tage fördert und dann durch Auskutten den Zinnstein absondert. Diese schmalen Zinnmittel, deren der Bergmann immer gleichzeitig mehrere vor Ort hatte, werden dort – Risse – genannt. Das Auskutten nun mußte jene Schaar von Halden in der Art zur Folge haben, wie man sie zur Stunde noch sieht. Die Apatite, Topase und andere interessante5 Fossilien von Ehrenfriedersdorf sind bekannt, eben so, daß in neuerer Zeit die Chemnitz-Annaberger Chaussee durch das Städtlein gelegt und diesem dadurch eine nützliche Lebendigkeit verliehen worden ist.
Zwischen hier und Annaberg sonnet sich in nachlässiger Behaglichkeit das freundliche Dorf Schönefeld bis hinab in die jugendliche Zschopau. In demselben liegt die einladende Villa oder besser »Beatus ille etc.« des Herrn Regierungsraths Reiche-Eisenstuck. Als dieser in seinem frühern Wirkungskreise dem Obergebirge mehr angehörte, konnte man dieses Rittergut als eine Wohlthätigkeits-Anstalt für eine Schaar guter Freunde betrachten, welche sich von Zeit zu Zeit zusammen fanden, um daselbst ex officio zu essen, zu trinken und fröhlich zu sein. Selbst ein vornehmer Sträfling hat in neuerer Zeit sein Strafübel hier verlebt ohne ein Liber tristium zu schreiben.
In züchtiger Zierlichkeit ruht
auf ihrem erhabenen Stuhl, dessen basaltische Lehne sich 2638 Fuß über das Meer erhebt; ihr mit Aehren und Feldblumen bestreutes Kleid rollt in riesigem Faltenwurfe hinab zu den klaren Wellen der Sehma und Zschopau und falbeln ihre Uferblumen an den Saum desselben. Diese liebliche Stadt zählt in ihren freundlichen massiven und mit Schiefer bedeckten Häusern, welche von mit Basalt gepflasterten Gassen und Gäßchen vielfach durchzogen sind, über 8000 Einwohner. Die Mauer, welche den Häuserschatz umgiebt und eine ansehnliche Höhe hat, scheint mehr zum Schutz gegen die Stürme des Himmels und der Raubthiere als gegen den äußern Feind errichtet worden zu sein. Die neuere Zeit hat rings herum dieses Mauerwerk mit einem Gürtel von Blumen, Bäumen und Strauchwerk umgeben und zwischen denselben Promenaden angelegt, welche besonders alte Leute und Kinderwärterinnen benutzen.
Wohl mag im Jahre 1495, als unter Regierung Herzog Friedrichs des III. Annaberg zu bauen angefangen und die Gegend noch – die wilde Ecke – geheißen wurde, Niemand geahnet haben, daß eine Zukunft kommen werde, die alles verwische, was an Wildheit und Sterilität erinnern könne. Der Drang und die Sucht nach Silber und Kobalterzen, die am Schrecken- und Schottenberge sich kund gaben, ließ dem Bergmann alle Hindernisse und Gefahren verachten und gab die nächste Veranlassung zur Erbauung der Stadt.
Die Indulgenzen des Herzogs Friedrich und der spätern Landesherrn, wodurch die Stadt an Ausdehnung gewann, ein Franziskaner-Kloster und daneben aber auch eine Stadtkirche, Superintendur, ein Lyceum und eine Patrimonial-Gerichtsbarkeit bekam, so wie das seltene Glück bis in die neuern Zeiten herauf an der Spitze der Justizpflege und der Verwaltung ausgezeichnete Männer zu haben, die, wenn es das Schöne, Nützliche und Nothwendige galt, nicht das Bürgerthum allein zum Geben nöthigten, sondern selbst in die eigene Tasche griffen und zur Nachahmung ermunterten –, mußte nothwendig den Ort selbst sehr bald zur Mittelstadt erheben. Die Namen eines Bretschneider, Lommatzsch und des gemüthlichen Schumann, als Superintendenten und eines Benedict, Eisenstuck, Querfurth, Söldner, Glöckner und anderer mehr bei der Justiz und Verwaltung haben einen guten Klang. Noch jetzt, wenn man durch die Gassen und Straßen Annabergs wandert, dringt sich die Meinung für Ordnung und Nettigkeit, Schönheit und Schicklichkeit, die sich die Einwohnerschaft angeeignet hat, unwillkührlich auf. Ihr socialer Verkehr bewegt sich nach Art eines patriarchalischen Familien-Zusammenhanges, in welchem sich Jedermann, wer nur eingeführt ist, sehr wohl befinden kann.
Band-, Borden- und Spitzengeschäfte, wozu sich in der neuern Zeit die Thilo & Röhlingsche und Röhling & Föhrsche7 Seiden-Fabriken gesellt haben, geben nicht nur der Stadt, sondern auch der Gegend umher Nahrung und Gedeihen. Unmittelbar neben alten nackten Klostermauern ist in einem stattlichen Gebäude die Thilo-Röhlingsche Seidenfabrik in reger Thätigkeit und da die Mönche in ihrer Mastanstalt unfehlbar keine Seide spannen: so hätten sie ohnehin ihren officiellen Müssiggang verlassen müssen.
Annaberg hat sich seit zwei Jahren in ihrem sich angeeigneten Zeitbewußtsein und in dem Gebiete des geistigen Fortschritts dadurch rühmlich hervorgethan, daß es dem Einschmuggeln von jesuitischem Schnörkelwerk in die neue römisch-katholische Kirche, auf den Grund der Verfassungs-Urkunde, kräftig und deshalb mit Erfolg widersprach, weil gleichzeitig die Triersche Rockparthie und Ronges Sendschreiben an den Bischof Arnoldi, so wie die dadurch hervorgerufenen würdevollen Widerstrebungen gegen die römische Hierarchie mit dem Baue ihrer Kirche in dieser Stadt zusammen traf.
Wer hat hiernächst bei einer leichten Rechnungsaufgabe nicht oft gehört: »Nach Adam Riesens Rechnenbuche beträgt es so oder so viel?« Dieser Adam Riese, ein geborner Annaberger, lebte im 16. Jahrhundert als Bergschreiber in Annaberg und war der Verfasser eines allgemein verständlichen Rechnenbuchs. Er starb daselbst im Jahre 1559. Das Vorwerk Riesenburg bei Geyersdorf, welches der Rieseschen Familie gehörte und dessen Gebäude 1641 von den Schweden zerstört wurden, hat sein Andenken mit erhalten.
Auf dem Todtenacker der Stadt, der seiner ganzen Ausdehnung und Befriedigung, so wie der innern Einrichtung nach, der Liebe und Achtung, die man seinen lieben Heimgegangenen schuldig ist, entspricht und überall das Gepräge der Pietät in allen ihren Abstufungen an sich trägt, ruht auch Barbara Uttmann aus Brabant, welche in Elterlein erzogen und in Annaberg 1561 die Kunst, Spitzen zu klöppeln, einführte, während8 bis dahin nur genähte oder gewirkte Spitzen bekannt waren. Wer die Segnungen des Spitzenklöppelns im Obergebirge kennt und weiß, daß Kinder, oft noch nicht zur Schule reif, leichte Muster klöppeln und für die Reinlichkeit zugleich erzogen werden, der wird auch dankbar zu den Stiftern des Denkmals emporblicken, die das Andenken an die Wohlthäterin Uttmann auf dem Friedhofe erneuerten und für eine spätere Zukunft zu erhalten strebten.
Noch gedenken wir eines wahrhaft edlen und vortrefflichen Mannes, welcher den 28. Januar 1726 in Annaberg geboren wurde; es war der in Leipzig verstorbene Kreissteuer-Einnehmer und Kinderfreund Weiße. Was er für Kinder, besonders verarmte und Waisen that und für sie schrieb, ist zu bekannt, als daß es einer Wiederholung bedürfte. Darum feierte auch, in Anerkennung seiner Verdienste, seine Vaterstadt das 100jährige Geburts-Jubiläum am 28. Januar 1826, nicht aber blos mit einem Zweckessen, sondern durch eine Stiftung zur Erziehung armer verwaiseter Kinder des Erzgebirges. Der Festverein veranstaltete eine Subscription und aus allen Gegenden flossen Beiträge zusammen, so daß bereits 7000 Rthlr. Kasse vorhanden ist, aus welcher alljährlich jedesmal den 28. Januar 7 verwaisete arme Kinder gekleidet und zur weitern Erziehung versorgt werden. So weiß Annabergs Einwohnerschaft die Verdienste abgeschiedener Männer und Frauen zu würdigen; – Glück auf!
In einem eben nicht umfangreichen Thalkessel, wo die, mit der Sehma bereits vereinigte, Zschopau von der einen und die Pöhla, oder richtiger Biela, von der andern Seite einander die Schwesterhand reichen und vereint nach Wolkenstein hinabfließen, liegt in anmuthvoller Einsamkeit
eine Stunde Wegs von Annaberg. Nur die Sommermonate wird es häufig besucht und für die Kur auf längere oder kürzere9 Zeit bewohnt. Der Besitzer dieses Bades, Herr Kaufmann Eisenstuck, hat viel für eine freundlichere Aufnahme der Badegäste und für bequeme Logis gethan und rühmlich dafür gesorgt, daß es nicht an abwechselnden Vergnügungen fehlt. Eine Menge Gänge über hoch emporsteigende, mit Wald bewachsene Felsentrümmer und enge Thalschluchten, schattige Wege an den Ufern des Flusses, der durch bunte Wiesen wandelt, werden gar sehr besucht.
Die Amethistgänge zu Wiesenbad, von schöner hoch violblauer Farbe, sind bekannt, weniger der Granitstock, welcher durch den Straßenbau nach Annaberg aufgeschlossen wurde, mit seinem Stockscheider, der grünen und blauen Flußspath mit kleinen weißen Apatiten führte.
Wir gehen vom Einfall der Pöhla hinauf nach Geyersdorf, und von da zurück nach Annaberg. Am Ende des gedachten Dorfes und mithin von der Thalsohle aus, erhebt sich der Pöhlberg (auch Bielaberg, folglich – der weiße Berg) an seiner Nordseite zum kahlen riesenhaften Kegel empor, dessen Oberfläche 2000 Schritte beträgt. Die Grundmasse ist Basalt, mithin schwarz, dennoch wird der Berg »der weiße Berg« genannt, weil ihn gegen das Frühjahr hin ein weißes Schneeband an der Stirne noch lange umgiebt, was aus der Ferne gesehen, an die Zoll- und Grenzaufsicht erinnert. Es ist Schade, daß eine so große Fläche mit ihren Abhängen noch nicht für Holzcultur benutzt worden ist, da die Sterilität derselben nur eine kümmerliche Viehweide gewähren kann.
Von Annaberg nach Catharinenberg am Buchholz, gemeinhin
genannt, ist keine halbe Stunde Wegs. Etwa 2 bis gegen 2½ Tausend Menschen, meist Posamentier, sind in ihren gegen 25010 Häusern in ein enges Felsenthal so eingequetscht, daß man nur selten eine Wohnung trifft, zu deren Eintritt nicht Stufen auf- oder abführten. Hoch oben an der östlichen Thalwand steht, auf die Zehen gestellt, St. Catharina, um ihre Schwester Anna immer im Auge zu behalten; ihr sind eine Parthie Häuser nachgeklettert und schauen herab in das Städtchen, welches wie ein Zeichen in einem halbaufgeschlagenen Buche liegt. Anfang und Ende dieser Thalschlucht bieten dem Auge höchst anziehende Puncte dar: Unten eine zu große Brücke für die kleine lustig dahin fließende Sehma, und viel zu klein, um eine Erleichterung für das Fuhrwerk am jenseitigen Gehänge in der Art herbeizuführen, daß der Chaussee-Schnitzer, wo eine Scheune am steilen Berge nach Schlettau hin, wie ein Kegel in der bekannten Quadrille, bis zur Halsbrecherei umfahren und umlaufen werden muß. Jetzt bei der regen Gewerbsthätigkeit und der zunehmenden Bevölkerung in Buchholz, hat man im Laufe dieses Jahres eine Menge schmucke Häuser an die Chaussee gebaut, um die höchst selten gewordenen Quartiere für fremde Arbeiter zu vermehren.
Abwärts und ganz nachbarlich an diesen Neubauten und wo die Sehma mehrere Einsprünge macht, hat sich der Emilienberg mit seinen Anlagen und Lusthäuschen bequemlich hingelagert, um die Aufmerksamkeit des gegenüber liegenden Waldschlößchens auf sich zu ziehen. Ob es ihm gelingen wird, – steht dahin: denn Schloß und Schlößchen sind ritterliche Benennungen.
Oberhalb Buchholz tritt uns ein weit geöffneteres Thal mit seiner Lieblichkeit entgegen. Es schließt die Karchische Spinnerei und die Cunersdorfer Gemeindemühle in seinen Schooß, und rechts steigt ein mit dürftigem Nadelholz bewachsener hoher Felsenkamm empor, der nach Buchholz hin steil abgebrochen ist und dicke Schaalen von Gneus zurückgelassen hat, auf deren Kanten Spatzierwege zu Lusthäusern, Einsiedeleien und Ruhebänken führen,11 von welchen herab man unmittelbar an das Ende aller Lebensherrlichkeiten erinnert wird: das ist der Todtenacker! Zwischen Gräbern kauert ein verbrettertes beschindeltes und in der Ausführung völlig verpfuschtes Gebäude, wie ein präadamitisches fossiles Thier; um dasselbe herum stehen eine Menge geisterartige, weißgetünchte Leichensteine, die, wie die Todten im Sterbekleid, in der Dämmerung einen Versuch zur Auferstehung zu machen scheinen. Die ganze Friedhofsparthie verleidet den Genuß des herrlichen Thales und man kann zu dem gesunden Sinn und Zeitgeschmack der Parochianen wohl die Hoffnung hegen, daß sie dieser Gespenster-Gesellschaft entgegentreten und dafür sorgen werden, daß die Ueberlebenden gerne die Ruheplätze ihrer abgeschiedenen Lieben besuchen und Blumen auf ihre Gräber streuen.
Das ganze lange liebliche Thal, welches aus Norden gegen Süden allmählig nach dem entfernten Fichtelberg ansteigt und von der Sehma durchwässert wird, hat die freundlichen Dörfer Sehma, Cranzahl und Neudorf (letzteres in ältern Zeiten Kraksdorf geheißen) aufgenommen, durch welche eine Chaussee läuft. Ueber beiden Seiten der ziemlich flachen Thalwände ziehen sich gutgehaltene Felder hinaus, auf welchen, nächst den gewöhnlichen Körnerfrüchten, auch viel Flachs gebauet wird, wodurch, sowie durch den Verkehr des gewerbreichen Annaberg und Buchholz der Unterhalt der Einwohnerschaften hauptsächlich gesichert wird. Das schöne, einladende Erbgericht zu Sehma, mit seinem schmucken Tanzsaal, ladet die Umgegend öfters zu seinen Concerten und Bällen ein, wird auch außerdem deshalb sehr lebendig gefunden, weil die Unzulänglichkeit der Quartiere in Buchholz viele Arbeiter nach dem nachbarlichen Sehma zu drängen pflegt.
Wer ein Freund der Forstbotanik ist, der vergesse nicht den freundlichen Oberförster Müller in Neudorf und mit ihm seine12 Culturen und seinen Pflanzgarten zu besuchen. Letzterer gewährt ein um so größerem Interesse, als man in einer solchen rauhen Gegend die große Masse Laubholzpflanzen in freudigem Wachsthume, nicht vermuthen kann.
gemeinhin »Kretschamrothensehma« genannt, erreicht man von Neudorf aus über einen ziemlich hohen Berg in einer halben Wegstunde. Das Erbkretscham mit seinen Freiheiten und Rechtsamen liegt an einem kleinen Bache, welcher in den Torflagern der Luxheide entspringt, bräunlich gefärbtes Wasser führt und deshalb die rothe Sehma genannt wird. Um das Bauwerk dieses Kretscham stehen noch etwa 9 bis 10 löschpapiergraue hölzerne Häuserchen und schauen trübsinnig dem engen Kranz der Fichtenwaldungen, von welchen sie umgeben werden, nach allen Richtungen entgegen. So anmuthlos indessen diese winzige Colonie sein mag, so hat sie doch in sofern ein Interesse, als dieses Erbkretscham lange Zeit für den Ort gegolten hat, wo im Jahr 1455 den 8. Juli Prinz Albert durch den Köhler Georg Schmidt (nach der Zeit Triller genannt) aus Kunz von Kaufungens Räuberhänden seine Freiheit wieder fand. Die Gerechtsame des gedachten Kretschams erklärte man für eine Belohnung der rühmlichen That, weil man außerdem dafür gar keine Veranlassung auffinden konnte. Dieser Irrthum ist nun längst berichtiget. In der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts verkaufte Wolf von Schönburg diesen Erbkretscham an den »Erbaren Hannß Prenner, Bürger zu Nürnberg, für 130 fl. – mit dem Vorbehalt, daß derselbe bei der Grafschaft Hartenstein zu Lehen gehen solle. Und als Cornelius Eberwein und Casper Seligmann in den Besitz dieser Realitäten kamen, erhielten diese erst den 27. Jun. 1661 landesherrliche Concession zu Erbauung eines Malzhauses, weil Churfürst August den obern Theil der13 Grafschaft Hartenstein von Wolf und Hans von Schönburg schon im Jahr 1559 an sich gekauft hatte.
In der Nachbarschaft dieses mit Fichten eingehegten trübsinnigen Kretschams sind gleichwohl einige interessante Puncte für Mineralogen, nämlich ein schon lange verstürzter Bruch von schönem weißen Marmor, von welchem ein großer Theil als Trottoirs in der katholischen Kirche zu Dresden verwendet worden ist. Auf seinen Spaltungsflächen trifft man dann und wann seladongrünen Tremolith. Mannigfaltiger sind aber die Vorkommnisse auf einer etwa eine Viertel Stunde gegen Süden gelegenen Grube – »Gottes Segen am Stümpel.« Hierher gehören die schönen Pistazite, welche an Arendal in Schweden erinnern, edler Granat, Zoisit, der cubische Quarz, Rutil, auch, obschon seltner, gelb Menakerz und dergleichen mehr. Die Lager-Vorkommnisse, welche in körnigen Kalkstein eingeschoben sind, werden steinbruchartig bebaut und als Zuschläge bei den nachbarlichen Hammerwerken benutzt.
Die mächtigen Kalksteinlager sind weit verbreitet und ziehen sich gegen Osten auf einem Gebirgsrücken hin, streichen bei Bärenloh, wo die fiskalischen Brennereien sind, zu Tage aus und bilden daselbst ein großes Stück Unterlage der dortigen Chaussee.
Eine Stunde Wegs von hier ruht
(ursprünglich – Neustadt – geheißen) wie ein gutgeartetes Kind im Schoos der Mutter, am östlichen Abhange des Fichtelberges, zwischen dem Zechen- und Jungferngrund mit seinen 1800 Einwohnern, welche in 200 und etlichen Häusern wohnen. Die Häusergruppe ist in geradlinige Gassen abgetheilt, wie Gartenbeete mit ihren Furchen, was, da die Wohnungen großen Theils ein hübsches Aeußere und bequemliche Räume im Innern14 haben, dem Städtchen ein einladendes Ansehen gewährt. Eine namhafte Menge Nadler, Posamentier, Gerber und andere Handwerker machen den Nahrungsstand des Ortes aus, der durch die Jeremias Richtersche Tabackfabrik, Errichtung eines Königl. Justitiariats und die Schöpfung einer Chaussee nach Carlsbad, nur noch mehr gewonnen hat.
Mit diesem Städtchen und hinter selbem steigt gegen Westen der Fichtelberg 3795 Fuß über das Meer empor, dessen kahler Scheitel, meist von Wolken bedeckt, seit langen Jahren her durch einen unverständigen Holzschlag den Wiederanflug entbehrt. Wäre jedoch der Gipfel dieses Berges mit Nadelholz bewachsen, so würde man die wunderhübsche Aussicht nach allen Weltgegenden sehr beschränkt finden. So schaut das Auge gegen Osten nach dem Leutmeritzer Kreise in Böhmen, wo sich gesegnete Fluren um Basalt-Trachit und Porphyrberge lagern; weit näher der Kupferberg mit seiner Kapelle. Gegen Süden erkennt man deutlich den baierschen Fichtelberg in seinen blaßblauen Umrissen; wogegen nach West und Nord bei Weitem zum größern Theil der Blick über unabsehbare Waldungen, welche wie riesenhafte Heuschober in halbkuglige Pyramiden gegliedert sind, ermattet und verschwimmt. Die Gegend von Carlsbad wird durch den Keilberg in Böhmen, welcher mittelst eines flachen Sattels mit unserm Fichtelberg in Verbindung steht, verdeckt.
Die kristallnen Quellen mehrerer Flüsse, als die des Schwarzwassers, des Kaffbachs, der weißen Sehma, der Pöhla, der Mittweide und anderer mehr, rieseln aus den Abhängen des, meist aus Gneus bestehenden und mit interessanten Wackengängen durchsetzten, Fichtelberges hervor. Auf den gedachten Gängen wurden in frühern Jahren reiche Erze gewonnen und noch jetzt treibt man Bergbau, im sogenannten Zechengrunde, darauf. Letzterer ist ein sehr enges und tief eingeschnittenes Thal, in welchem das kleine durch Bergbau erschrotene Gewässer fließt, welches Sachsen von Böhmen trennt. In dieser Schlucht finden15 sich noch die Ueberbleibsel von Pochwerken, Wäschen und Kauen, als Zeugen eines namhaften Bergbaues in der frühern Zeit, und da, wo das Thal plötzlich ansteigt und mit dem Bergrücken ausläuft, steht noch ein eingeklemmtes Zechenhäuschen, wohin in den kurzen Sommertagen bisweilen Gesellschaften ziehen, um Bier zu trinken und Kegel zu schieben. Die Kegelbahn hat das Sonderbare, daß die Kegel in Böhmen stehen und von Schiebern in Sachsen zum Fallen kommen. Die Schneemassen häufen sich zur Winterszeit gar sehr und bisweilen unglaublich hoch an. So hatte z. B. der Winter vom Jahr 1843 zu 1844 eine solche Menge Schnee unter Sturmwind geliefert, daß zu mehrern verschneiten Häusern Tunnel und Stollen getrieben wurden, um dem lebendigen Inhalt Ein- und Ausgang zu verschaffen. Eine Nische wurde in eine Schneemasse gegraben, deren Inneres auf einer Colonade von Schnee-Pfeilern ruhte. Sie wurde Abends beim Punschgelage illuminirt. Man kann den eigentlichen Winter, wenn die üble Witterung denselben ankündigt und verabschiedet, gegen sechs Monate veranschlagen. Gleichwohl herrscht auf Feldern und Wiesen eine außerordentliche Vegetation; die Saaten, drei bis vier Wochen später gesäet als in den mildern Gegenden, haben diese gleichwohl in sechs bis sieben Wochen erreicht, wo nicht gar übertroffen. Darum hat man auch die östliche Seite des Fichtelberges weit über drei Viertel seiner Höhe urbar gemacht. Die Wiesen längst der Pöhla (Biela) hinab sind dreischürig; obschon das zweite Grummet nicht immer zum Füttern für das Vieh gebraucht werden kann, so giebt es doch Streu für dasselbe. Darum ist auch die Viehzucht ansehnlich und gut gelegene Grundstücke erhalten sich im hohen Preise. Laubhölzer giebt es nicht, wenn nicht die von Stürmen gebeugten Vogelbeerbäume (Sorbus aucup.) und einiges verkrüppeltes Strauchwerk, dafür einstehen dürfen. Und da es gleichwohl im Sommer Staare giebt, so trifft man allerwärts für ihr eheliches Glück Kästen an Stangen und Hausgiebeln angenagelt.
Das Pöhlawasser, welches, wie bereits gedacht, Sachsen von Böhmen trennt, ist in seinem Meanderlauf nicht viel über eine Elle breit: denn es küssen sich die Blumen beider Ufer; das dies- und jenseitige Geflügel der Wälder und Fluren begattet sich und zieht mit nie ermüdender Zärtlichkeit ihre Jungen auf, ohne daß über ihre gemischten Ehen und über die Erziehungsweise ihrer, dem Neste entwachsener Kleinen, ein Federkrieg entsteht, weil es vernunftlos sein würde. Ihr armen Menschen! könnt ihr euch durch eure Geistesarmuth und durch den todten Glaubenswust so viel herauswühlen und euch den Gesang der Lerche erklären, den sie nach den Wolken trägt? Habt ihr über die Oekonomie der Bienen und Ameisen nachgedacht und ist euch der Künstler bekannt, der unter tausendfachen Formen und Schattirungen den Schmelz auf die Blumen zeichnet? Wißt ihr, wer die Blitze aus den Wetterwolken schleudert und im Donner spricht, daß die Erde dröhnt, und wer die Sonne aus ihrem Gezelt hervorgehen heißt, daß sie versöhnend ihre Bahn um den Erdkreis wandle und Segen und Gedeihen allen Wesen ertheile?
Am Fuße des Fichtelberges und unmittelbar unter dem Städtchen Oberwiesenthal hat sich ein Haufen Häuserwerk ziemlich ordnungslos zusammen festgeschoben, wie durch eine Wasserfluth. Mitten hindurch fließt der Grenzbach, die Pöhla; der Häuserklumpen diesseits ist Unterwiesenthal und jenseits böhmisch Wiesenthal. Beide Ortschaften leben in einem friedlichen Verkehr, weil sie sich von jeher wegen ihres Pasch- und Schmuggelgeschäfts nicht füglich entbehren konnten und die sonstigen nachbarlichen Verhältnisse sie enger mit einander verbanden. Darum sind auch die böhmischen Grenzbewohner in der Regel, gegen die tiefer im Lande befindlichen Katholiken, verständiger und sittlich abgerundeter. Böhmisch17 Wiesenthal und sächsisch Unterwiesenthal, dehnen sich über eine Stunde lang mit kurzen Unterbrechungen an beiden Ufern des Grenzbachs hinab, während beide Ortschaften allenthalben eine dorfartige Physiognomie beibehalten; der fremde Wanderer erkennt aber gleich, was davon nach Böhmen gehört: alle Weibspersonen haben stets den Kopf und meist in weiße Tücher eingehüllt; an den Straßen und Wegen trifft man Crucifixe, heilige Bilder und Kapellen für die Andacht aufgestellt, die gewöhnlich von Wind und Wetter sehr entstellt sind. Dies stört aber die fromme Einfalt im Kniebeugen und Kreuzemachen nicht. Der Kriegssecretair Hr. W……r erzählte mir, daß, als er sich einmal mit Höhenmessungen an der böhmischen Grenze beschäftiget, für diesen Zweck sein Barometer in einer Waldschneuße an einen Baum geschraubt und sich dann nach der Berghöhe begeben hätte, ihm ein böhmisches Weib entgegen gekommen, welches vor dem Barometer niedergekniet, sich bekreuziget und dann weiter gegangen sei.
Sächsisch Unterwiesenthal ist älter als Oberwiesenthal und trug bis in die neue Zeit eine halb verpfuschte städtische Verfassung an sich, das heißt es hatte Kämmerer, Viertelsmeister, Brauerei und dergleichen mehr, aber nur einen Richter und Gerichtsschreiber ohne mehr Jurisdiction zu haben, als wie man auf Dörfern zu treffen pflegt, wo Erbgerichte sind. Diese winzige Rechtspflege in einem ungeheuer großen Gerichtshause, gab der Einwohnerschaft wenig Trost, aber viel Wärme – beim Bezahlen. Jetzt hat der Ort Stadtgerechtigkeit bekommen, das ländliche Ansehen aber dennoch beibehalten müssen; welches von beiden mehr Vorteile gewährt, – ist nicht bekannt.
Das Eisenhüttenwerk – rother Hammer – ist gerade in einem solchen Theil des Thals eingebettet, welcher wenig Romantik darbietet. Vor mehreren Jahren besaß es ein gewisser Breitfeld, dem die triste Parthie nicht lange zusagte; er verkaufte18 das Werk und wendete sich mit seiner freundlichen Familie nach dem Hammerwerk Erla. Das Eisenwerk Schlössel ist eingegangen, die Hütten sind meistentheils abgetragen und der Complex der Grundstücke wurde für ökonomische Zwecke eingerichtet.
Von hier aus thut man wohl, auf der an der Grenze sich hinabziehenden böhmischen Chaussee die Wanderung fortzusetzen, indem man von da aus die sächsischen Ortschaften Hammer-Unterwiesenthal, Niederschlag, Stahlberg und Bärenstein immer im Auge behält. Das Thal dahin ist milder, durch seine Lebendigkeit ansprechender und freundlicher, insonderheit ist es auch das böhmische Städtchen Weipert, dessen Gewehrfabrik eine gewisse Art von Wohlhabenheit herbeigeführt hat, die sich an der Nettigkeit der Häuser, Gärten und sonstigen Zubehörungen kund giebt. Die Kirche daselbst zeichnet sich insonderheit durch seinen innern Reichthum an heiligen Bildern, vergoldetem Schnitzwerk, Staffagen und andern Herrlichkeiten aus, die das Auge füllen und das Herz leer lassen. Vor der Kirche sah ich einen altersgrauen Mann unter einem Crucifixe sitzen, welcher über der Andacht eingeschlafen war. Er hatte in einer mit Hauszwirn geflickten Schachtel Birnen zum Verkauf ausgekramt.
dehnt sich in nachlässiger Gefälligkeit am südöstlichen Abhange seines kahlen Basaltkegels, welcher sein Haupt 2745 Fuß über das Meer erhebt, hinauf und die Chaussee-Inspection hat ihm den Gefallen gethan mit ihrer Straße nachzuklettern, wahrscheinlich ging es auch nicht anders. Das Plateau des Berges gewährt mehrere wunderliebliche Fernsichten nach Sachsen und Böhmen; Städte, Dörfer mit ihren fleißig bebauten Fluren, von Buschwerk umhüllt, und dunkle Streifen von Nadelholz schwimmen überall im Aether-Meer in den mannigfaltigsten Farben umher, bis sie am fernsten Horizont, wohin das Auge nicht reicht,19 in blaß schmalteblauen Luftschichten verschwinden. Wie sehr fühlt man sich doch versöhnt mit allem, was in den Dunstkreisen zusammengedrängter Menschen übel berührt und das Leben erschwert, wenn man hoch auf den Bergen steht und Gottes Odem in vollen Zügen trinkt. Schade, daß so nahe unten im Thale Gewehrfabriken sind, berechnet für Thier- und Menschenmord.
Von Bärenstein nordwärts läuft die Chaussee auf einem Bergrücken fort, welcher seiner Länge nach von dem Königswalder- und Sehmathal umarmt wird, bis er sich nach 1 und ½ Stunde Wegs gegen Annaberg hernieder senkt. Von Bärenstein aus erreicht man zunächst eine Handvoll Häuser, die wie ein Pasch-Würfel an einem Bergabhange hinabgestreut sind, ohne Rücksicht zu nehmen, welche Stellung sie finden mochten. Dies Oertchen heißt: der Kühberg. Nicht weit davon ladet ein stattlicher Gasthof, – Königslust geheißen, – zur Einkehr ein, den in frühern Jahren ein gewisser König aus Annaberg erbaute und von da auch immer den meisten Zuspruch erhielt, besonders im Winter bei guter Schlittenbahn. Allein diese Stadt hat sich's bequemer gemacht mit Glumanns Garten, dem Waldschlößchen, dem reizend gelegenen Wiesenbad Sehma und im Winter mit ihrem Museum und Harmonie, so daß die königliche Lust über lang oder kurz in Vergessenheit kommen wird, wie alle Lebensherrlichkeiten der Erde. Vergessen kann aber ein Freund der Natur die anmuthigen Fernsichten nicht, welche er auf dem Rücken des Gebirgszuges genießt, welcher sich von Bärenstein nach Annaberg hin ausdehnt. Rechts hat sich Königswalde in ein ziemlich enges und tiefes Thal eingebettet und klettert mit seinem Zugviehe Jahr für Jahr an seinen Thalwänden herum, Saaten zu bestellen für Hafer-, Flachs- und Kartoffelbau. Links in dem etwas mildern Sehmathal und an seinen Gehängen, besonders in Cunersdorf, liegen häufig Halden20 und Pingen, als Zeugen auflässig gewordener Zechen, die in frühern Zeiten ihren Segen spendeten.
Nah und fern auf diesem Wege eine endlose Abwechselung und Mannigfaltigkeit! ein Bunterlei von halb oder ganz versteckten Dörfern, deren Dasein die Thurmspitze einer Kirche verräth; ein Streifen Nadelholz, aus welchem sich hin und wieder eine jugendliche Baumallee hervorspinnt, die einer Chaussee angehört; eine lange Kegelbahn nach Norden – es ist die schnurgerade Kunststraße von Gehringswalde nach der hoch gelegenen Heinzebank, und überall der Gotteshauch einer erquickenden Luft, der uns, versöhnend mit dem Getriebe der Thalwelt, umweht.
Weitere Anmerkungen zur Transkription
Unterschiedliche Schreibweisen von Ortsnamen wurden beibehalten.
Die Abbildungen wurden in die entsprechenden Kapitel verschoben.