Project Gutenberg's Elsbeth von Küssaberg, by Karl Friedrich Würtenberger

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Title: Elsbeth von Küssaberg
       das Gotteli von St. Agnesen

Author: Karl Friedrich Würtenberger

Release Date: February 19, 2012 [EBook #38930]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

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Elsbeth

Elsbeth von Küssaberg

das Gotteli von St. Agnesen

Ein episches Gedicht
aus dem Kletgau
von
K. Fr. Würtenberger.

Mit Illustrationen.

St. Petersburg.
Buchdruckerei für Kaiserl. Russische Staatspapiere.
1889.

Alle Rechte vorbehalten.

Die Illustrationen sind mit Genehmigung der Censur-Behörde gedruckt.
St.-Petersburg, den 14. December 1888.

Meiner herzlieben Heimat
zum freundlichen Andenken.

Erstes Kapitel.

Klettgau mit Küssaburg

Da, wo am Rhein, in Badens herrlichen Gefilden,
Zu Schutz und Trutz von edeln Herrn erbaut,
Ein weithin sichtbar Wahrzeichen des Kletgau’s,
Die Küssaburg von stolzer Höhe schaut;
Vom Tann’ bekränzt, von Eppich übersponnen —
Da sprudelt dieses Sanges frischer Bronnen. —

Noch heute, eines Weihenpaares Horst und Veste,
Ragt hoch, vom Bergfried wohl, ein Mauerrest;
Nach Moder dünstende, verschüttete Gewölbe
Gewähren scheuem Wild ein sicher Nest.
Wo einst das Palas stand, sind Trümmerhaufen,
Durch deren Wirrniß bunte Käfer laufen.

Mitleidig deckt die blitzzerspellten Thurmruinen,
Ein hundert Jahre alter Epheukranz,
Der, Wurzel treibend zwischen Kalkstein-Quadern,
Ihr Grau umzieht mit dunkelgrünem Glanz;
Auf schwachen Spuren längst zerfallner Zinnen,
Sonnt sich das Echslein, weben braune Spinnen.

Den weiten Zwingolf füllt Gestrüppe; Brombeerranken
Verwehren neidisch des Besuchers Fuß
Den Pfad zu würzig-duft’gen Königskerzen,
Die weithin winken ihren goldnen Gruß.
Um Baum und Busch wogt summendes Gewimmel
Und blau, durch Fensterscharten, schaut der Himmel.

Tiefernstes Schweigen waltet, heil’ge Ruh hier oben,
Und wenn zu Zeiten mal den öden Raum
Ein Mensch betritt, will’s ihn gemahnen,
Als schlief hier alles längst in schwerem Traum; —
Von dem selbst Thor und Umzug bang befangen,
Die beide noch mit festen Mauern prangen.

So liegt die Stätte heute stille und verlassen,
Wo einst im Kampfe Waffenlärm getost.
Ein heimlich Scheuen nimmt den Sinn gefangen
Und, wenn ein Lüftlein mit den Blättern kost
Ist es, als tönte Flüstern in den Räumen,
Verlockend, am helllichten Tag zu träumen. —

Und wirklich, sieh! Dem Blick erstehen Thurm und Zinnen.
Hoch überm Thore prangt das Wappenschild
Der alten Küssaberger steingemeißelt;
Sie führten eines Löwen Haupt als Bild.
In braungetäfelten Gemächern waltet
Des Hauses Tochter, die als Herrin schaltet.

Was weiter, Traum berückt, ich schaute und vernommen,
Es will nicht weichen mehr mir aus dem Sinn.
Muß immerdar der holden Herrin denken,
So oft ich hier, wo einst sie lebte, bin;
Des Frauenbildes, das, vor grauen Jahren,
Der Liebe Lust und Leid gar reich erfahren.

Doch, laßt mich schlicht erzählen, wie sich Alles fügte
Und was es war, das mich zum Singen zwang.
Der leise Wunsch, dem Schutze deutscher Dichtung
Mein Küssaburg zu weihen im Gesang,
Will ohnehin mir nimmer Ruhe lassen;
Die Kunst ist nur, geziemend mich zu fassen. —

* * *

Im kühlen Schatten der Ruinen saß ich sinnend
An einem Julitage, wie gewohnt,
Hinunter auf die Rebenhänge blickend,
Die, gnädig mal vom Maienfrost verschont,
In jenem Jahre uns ein Weinlein brachten,
Von dem noch jeder Tropfen hoch zu achten.

So recht von Herzen mich des reichen Segens freuend,
Den Gott hier reifen ließ im Sonnenschein,
Erhoben sich die Blicke mälig höher,
Weit über waldgekrönte Hügelreihn,
Bis wo, als ob im Duste sie verblauten,
Gleich Silberburgen sich die Alpen bauten.

Die Stolzen zeigten sich dem froh entzückten Blicke
In selten klarem, wundervollem Glanz;
Vom Säntis an weithin zum fernen Montblanc —
Zog schimmernd ihr krystallner, prächt’ger Kranz.
Es war, als schmückte den uralten Firnen
Ein glitzernd Diadem die weißen Stirnen.

Gen Abend aber setzte, Riesen-Firsten gleich, der Jura
In dunkeln Zacken sich zum Schwarzwald fort,
Und sonnbeglastet, von der Wasserfluehe
Bis hoch zum Randen, ruhte Ort an Ort.
Im Osten, wo des Hegau’s Höhen blauen,
War selbst ein Streiflein noch vom „Twiel” zu schauen.

Thalnieder endlich zog der alte Vater Rhenus
Ein blinkend Band um heitrer Hügel Fuß
Und links ob Zurzach aus Helvetiens Gauen,
Bot Schwester Habsburg fernher ihren Gruß. —
Die Dörflein rings, die Städtlein, Au’n, Gefilde,
Sie reihten alle sich zum schönsten Bilde!

Es ward dem Herzen leicht, ob dieses hehren Anblicks;
In vollen Zügen trank ich Waldesduft,
Vom tiefsten Frieden wonniglich umfächelt.
Wer freut sich nicht in Gottes freier Luft,
Wenn uns, daß Leib und Seele frisch genesen,
Ein Plätzlein ist, wie dieses, auserlesen! —

Wer auch die ersten Siedler dieser Stätte waren,
Sie bauten nicht zu Schutz und Trutz allein;
Im Busen mochten sie ein Gleiches fühlen
Wie unsereines hier im Sonnenschein.
Es waren darum gar nicht schlecht berathen,
Die einst dahier sich häuslich niederthaten.

Von woher kamen sie? Zu welcher Zeit? Weß’ Stammes?
Hat Steinbeil oder Erz gefällt den Tann?
That’s Feuer oder Eisen? War’s der Kelte,
Dem dann der Römer folgt’, der Alemann? —
So dachte ich und ließ die Zeit verrinnen,
Den Blick gerichtet auf der Alpen Zinnen. —

Da kam mir vor, als hört’ ich rasseln, wie von Ketten;
Ein mächtig Thor erhob sich vor dem Blick.
Ich sah die Brücke von der Windberg’ schwanken,
Die schweren Bohlen dran, wie Bäume dick;
Auch riefen Stimmen, welche hastig trieben,
Den Balken, so das Thor schloß, wegzuschieben. — —

Zum Himmel schier sah man zwei graue Thürme ragen,
In deren Fenstern Laden anstatt Glas,
— Die tiefen Nischen sind noch jetzt zu schauen,
Wenn überwuchert auch von Strauch und Gras, —
Den Thürmen seitwärts stand ein Mägdegaden,
Das Bretterdach mit Steinen schwer beladen.

Aus Römer Fundament erhob sich stolz der Bergfried,
Wie üblich seines Herren Wohngemach
In sichrer Höhe bergend, von wo weiter
Der Wendeltreppe leichtes Holzgefach
Zur Laube führte, die den Thurm umspannte,
Da sich des Wärtels Blick zum „Auslueg” wandte.

Im Erdgeschoß’ zunächst dem Thurme lag die Halle,
Ein rauchgeschwärzter Raum mit Tisch und Bank,
In welcher fahrendem Gesind zuweilen
Man Obdach bot und Speis’ und Trank.
Ein dunkler Gang von nur zwei Schritten Breite,
Schied ab die Herdstatt von des Palas Seite.

Rechts vorne, nah dem Bergfried, war der Rad-Ziehbrunnen
Viel hundert Fuß im Berge abgeteuft;
Es heißt vom Brunnen, daß sein Wasserspiegel
Im gleichen Strich mit dem des Rheines läuft.
Die Schloßkapelle, um auch sie zu nennen,
Stand dicht daneben, leichtlich zu erkennen.

Des Weitern gab es dann noch Raum für Troß und Rosse;
Denn wo die Zingeln an das Thor gelehnt,
Den Weg verengen läßt zu beiden Seiten,
War, bei der Schmiede, stattlich ausgedehnt,
Der Stall und die Gelasse für die Leute,
Ein Falkenhaus und eines für die Meute.

So sah des Geistes Aug’ den alten Schloßbau ragen.
Er liegt gebrochen, Niemand kennt ihn mehr,
Graf Rudolf, aus dem Hause Sulz, verbaute
Im Bauernkriege ihn zu Schutz und Wehr;
Doch, auch des Grafen Arbeit liegt in Trümmern,
Mag sich kein Mensch viel um die Steine kümmern! — —

Als auf der andern Seite jetzt die Brücke fest lag
Da nahte ihr gemach ein junger Mann,
Dem auf dem Fuß ein müdes Rößlein folgte,
Das langsam fürbas seine Schritte spann.
Man sah, es konnten beide, Roß und Reiter,
Vor Müdigkeit und Hitze kaum mehr weiter.

In seiner Rechten hielt der Fremde das Barettlein,
Mit welchem er im Gehen sich den Schweiß
Wohl ab und zu von nasser Stirne wischte,
Denn heute schien die Sonne gar so heiß;
Sie mußte ja im Thal die Trauben kochen,
Sonst hätt’s Freund Bachus übel ihr gerochen.

Ein feines Handgewaffen, drauf die Linke ruhte,
Noch mehr der Kleidung modig feiner Schnitt,
Verriethen leicht den adeligen Herren,
Der rasten wollt’ nach einem weiten Ritt.
Ein Mantelsäcklein, auf des Rosses Rücken,
Schien wenig nur das Thierlein zu bedrücken.

Die Brücke überschreitend, sah alsbald der Fremde
Am Thore harrend etlich’ Knechte stehn,
Die, als er näher kam, ihn freundlich grüßten.
Doch er verlangte kurz den Vogt zu sehn,
Und nun ihm Antwort ward, der Herr sei droben,
Begehrt’ er ihn zu sprechen unverschoben.

Nach Zaum und Zügel fassend, hatten schon die Knechte
Vom Roß das Mantelsäcklein losgeschnallt,
Als hoch vom Bergfried, laut den Einzug meldend,
Ein rauher Hornruf durch die Lüfte hallt’.
Der Wärtel hatte wieder sanft geschlafen,
Bis Lärm und Hufschall seine Ohren trafen.

Doch dafür machte jetzt sein Ruf im Schlosse Leben.
Aus kurzer Mittagsruhe aufgejagt
Fuhr unwirsch das Gesinde vor die Thüren.
Erst Kunz, dann Jochen und die Obermagd;
Dem ersteren, er mußte flink sich rühren,
Gebot sein Amt, die Gäste einzuführen. —

Des Schlosses Vogt, Herr Heinz von Küssaberg, vom Horne
Aus süßem Mittagsschläfchen aufgeweckt,
War kaum vordem im Lehnstuhl eingeschlummert.
Er sah im Traum den Berg mit Korn bedeckt,
Sah Zehentgarben seine Bauern bringen;
Doch sie zu zählen, wollt’ ihm nicht gelingen.

Auf einem Tisch aus Maserholz und Schieferplatte,
Bemerkte man von ungeübter Hand
Mit Kreide große Zahlen aufgeschrieben,
Auf deren Werth sich bloß Herr Heinz verstand.
Noch lag die Kreide, müder Hand entsunken,
Bei einem Humpen, der halb ausgetrunken.

Ein Glas, mit eingeschliffnen Buckeln, stand daneben,
Zur Hälfte noch gefüllt mit Rebensaft,
Wie ihn der Hör’ge und ein guter Jahrgang
Dem Vogte in des Schlosses Keller schafft;
Leicht schillernd, etwas herbe in der Jugend,
Kommt erst auf Lager ihm die rechte Tugend.

Die Täfelei des Zimmers, das der Vogt bewohnte,
War braun gefärbt vom Alter und vom Rauch.
An breiter Wand hing blinkendes Gewaffen,
Auch Harnisch, Helm und Sporen, wie es Brauch;
In einer Ecke sah man Füße prangen
Von einem Bette, das jedoch verhangen.

Ein grüner Kachelofen nahm von dem Gemache
Die andre Seite fast zur Hälfte ein
Und mocht’ die Eichenbank, so ihn umschränkte,
Zur Winterzeit ein warmes Plätzlein sein;
Denn „Greif” und „Pfeil”, des Vogtes Lieblingshunde,
Verschnarchten unter ihr gar manche Stunde.

Verbleite Fensterscheiben, in zwei tiefen Nischen,
Gewährten dem Gemach ein spärlich Licht,
Ein Strahl des letztren traf ein Frauenbildchen
Mit gutgemaltem, lieblichem Gesicht.
Zu nennen sind auch noch zwei schwere Truhen,
In denen wohl des Hausherrn Schätze ruhen. —

Um seinen Schlaf gekommen, rieb Herr Heinz die Augen
Und stemmte dann die Hände auf den Tisch,
Sich gähnend aus dem Lederkulter hebend.
Nun er so da stand, seine Wangen frisch
Geröthet und noch dichten, blonden Haaren,
War’s schwer zu sagen, wie hoch er in Jahren.

Aus edlem Antlitz blickten helle, blaue Augen,
In denen Schalkheit sich mit Güte paart’.
Die Wangen, wie das runde Kinn verzierte
Ein nicht zu starker, blonder Zwickelbart,
In welchem sich, bei näherem Betrachten,
Zwei graue Strähne leicht bemerklich machten. —

Das Glas erfassend, wollte just der Vogt Eins trinken,
Als Kunz die Thüre sich zu öffnen traut’,
In seiner Meldung jedoch unterbrochen wurde,
Denn wie aus einem Munde klang es laut:
„Seid mir Willkommen, Junker! Gottwillkommen!”
„„Mein Gruß, Herr Heinz! Der Willkomm soll uns frommen!...””

Es war der Fremde und der Vogt, die so sich grüßten,
Indessen Kunz, der wußte, was sich schickt’,
Die Siedeln zurecht stellte; doch sich drückte,
Als er bemerkte, daß sein Herr ihm nickt’
Das Zimmer, ohne weiteres versäumen,
Mit seiner Gegenwart nun flink zu räumen.

Als hinter Kunzen sich die Thür’ geschlossen hatte,
Zog selbst der Junker eine Fensterbank
Des Vogtes Lehnstuhl nah und ließ sich nieder,
Derweil Herr Heinz ihm, für den Willkommtrank,
Ein Gläslein vom Gesims herunter langte,
Vor dessen Größe heute manchem bangte.

Dem Junker freilich, schien es nicht zu imponiren,
Denn als der Vogt, sein Glas erfassend, sprach:
„Gestattet mir, Euch einen Trunk zu bringen!”
Kam ihm der Gast mit Freuden sofort nach
Und that, den Wunsch des alten Freunds zu ehren,
Das Glas bis auf die Nagelprobe leeren.

Doch, als Herr Heinz die Gläser wieder füllen wollte,
Litt dies der Junker nicht; er meinte fein:
„Laßt mich erzählen, warum ich gekommen,
Es giebt wohl nachher Zeit und Weil zum Wein!”
Das schien nun auch dem Hausherrn zu behagen,
War damals noch nicht Sitte, viel zu fragen. —

„Als wir im letzten Frühjahr uns in Kostniz trafen,” —
Hob frisch der Junker an, „bei Eurem Herrn,
Dem Bischof, habet Ihr mich eingeladen,
Und ich gab wahrlich Euch die Zusag’ gern;
Daß jedoch so schnell ich mein Wort kunnt’ halten,
Verdanken wir des Bischofs klugem Walten.”

„Ihr wisset ja, als Bischof sorgt der Ohm sich weidlich
Daß Frieden werde zwischen Papst und Reich;
Doch da ist schwer zu rathen, schwer zu helfen,
Wo beide Parten scheuen den Vergleich, —
Wird dabei gar ein fürschnell Wort gesprochen,
Ist flugs der Zwist von Neuem ausgebrochen.”

„Ihr wisset, wie ich denke kommt’s mir auch vom Munde.
Zwar schafft’ ich dadurch mir so manchen Span,
Dem besser aus dem Weg ich blieben wäre,
Hätt’ ich der Zungen nicht den Lauf gela’n.
Ja, klug ist’s schon zur rechten Zeit zu schweigen,
Möcht’ nur die Unzeit sich im Voraus zeigen!

„So ging es neulich mir bei jenem Urtelspruche,
Den im Konzil sie über Huß gefällt.
Es war dem Manne frei Geleit versprochen;
Doch, wie man Oben das Versprechen hält,
Mag nun der Böhmenrektor bas erkennen;
Sie werden ihn, trotz frei Geleit, verbrennen!”

„An eines Königs Wort läßt sich nicht drehn noch deuteln,
So dachte ich in gradem, biedrem Sinn;
Drum konnt’ den Wortbruch ich nicht ruhig nehmen
Und, offenherzig, wie ich einmal bin,
Bekannt’ ich ehrlich, was ich drüber dachte,
Weil Sigismund sein Wort so wenig achte.”

„Mein Sprechen kam ihm denn auch bald genug zu Ohren,
Schon nächsten Tages, vor dem Mittagsmahl,
Ließ hart er an den Bischof meinetwegen
Und schrie, man hörte es im ganzen Saal.
Der König war gekränkt, nicht abzusehen,
Ob mir der Ohm Verzeihung mocht’ erflehen!”

„In seiner Angst schickte der Ohm mir einen Schreiber
Und ließ mich wissen durch des Treuen Mund:
Ich möchte Euch besuchen und im Schlosse
Verbleiben, bis von ihm mir wieder Kund’
Gesendet werde, was er noch beschlossen,
Und ob der König mein noch denkt verdrossen.”

„So ritt ich denn am Rhein hinunter bis Schaffhausen,
Wo mich der Rheinfall eine Weil’ gestellt. —
Ist das ein Donnern, Durcheinanderstürmen
Von grünen Fluthen, die der Sturz zerschellt!
Hei, wie die Strudel silbern schäumend blitzten
Und hoch den Gischt zum blauen Himmel spritzten!”

„Als ich mich von dem Anblick endlich trennen konnte,
Gings noch bis Kaiserstuhl den Fluß entlang.
Von dort hat mich ein Büblein durch die Wälder
Bergaus, bergab geführt zum Schloßberghang.
Den Weg durch’s Kletgau hab’ ich fein gemieden,
Weil ich vom Hof nicht schied mit Königs Frieden.”

„Mein Roß und ich — wir haben wacker ausgehalten,
Bis heute früh wir Euer festes Haus
Hier oben, schier den Wolken nah, erblickten.
Da schien’s mit meines Thierlein’s Kräften aus;
Doch war’s nun nicht mehr nöthig, sich zu hasten,
Ließ drum beim „Wirth am Berg” zu Küßnach rasten.”

„Wir hätten wohl noch länger dort der Ruh’ gepflogen,
Hätt’ mir geschwant, daß hier heraus der Pfad
Sich steil bergan zieht und kaum Schatten bietet.
So gab’s für Mann und Roß ein heißes Bad!
Nun aber — saget mir ganz unumwunden,
Hat der Verbannte einen Freund gesunden .... ?”

Da goß Herr Heinz aus seinem Humpen rasch die Gläser
Bis hoch zum Rande voll mit klarem Wein
Und sprach, sein Glas erhebend, freundlich schmunzelnd:
„Von Herzen heiß’ ich Euch Willkommen mein,
Weil Ihr gesprochen, wo so Viele schwiegen;
Ein Königswort darf man nicht drehn noch biegen!”

Hell klangen nun die beiden Gläser aneinander
Und Wirth und Gast sie zeigten guten Zug.
Zum Danke bot der Junker seine Rechte
Dem Vogt, darein der mit den Worten schlug:
„Ein Mann — ein Wort heißt es in deutschen Landen,
Wird leider allzuwenig nur verstanden!”

„Traun!” fuhr er launig fort, „was wir hier bieten können,
Das soll Euch stets und gern zu Diensten stehn.
So lange Ihr auf Küssaberg verweilet,
Wöll’n wir in Treuen mit Euch stehn und gehn! —
Nur müsset Ihr dem Freunde auch versprechen,
Den Frieden hier in keiner Weis’ zu brechen.”

„Noch jung, rollt Euch das Blut viel wärmer in den Adern,
Als unsereinem, da heißt’s langsam ’than!
Laßt Euch drum warnen: unser Heer, der Kaplan,
Kann heftig werden, wie ein wälscher Hahn.
Er liebt es manchmal, tapfern Trunk zu üben
Und ist dann leichtlich sein Humor zu trüben.”

„Es würde mir den Herrn aus Rand und Band schier bringen,
So es der Zufall fügte, daß Ihr stört,
Wenn er ein Glas getrunken, ihn mit Fragen,
Wie man im Gau jetzt allzuviel sie hört;
Doch lasset Ihr die Kirche aus dem Spiele,
Ist unser Heer gemüthlich, wie so Viele!”

„Will aber ab und zu Euch lange Weile quälen,
Wie solche wohl mal junge Herren plagt,
So stehen rings Euch Forst und Felder offen;
Zum Schloß gehören hoch und niedre Jagd.
Erlaubt’s die Zeit, so mag ich Euch begleiten,
War je schon meine Lust, im Tann’ zu reiten.”

„Kann ich nicht mit, so haltet Euch an Kunz und Jochen,
Die wissen mit dem Waidwerk bas Bescheid;
Auch ist die Meute gut und Spieß und Armbrust
Stets hergerichtet für ein scharf Gejaid.
Nur, daß im Herbst wir nicht des Brods entrathen,
Verschonet mir im Thal die jungen Saaten!”

„Auch möget Ihr mich hie und da zu Thal begleiten.
Sie halten dort nun bald ihr alt Gericht,
Allwo der Bauer seit Urväter Tagen
Im Mai- und Herbstgeding selbst Rechtens spricht;
Manch seltsam Sprüchlein lernet da Ihr kennen
Und, wie nur schwer wir uns vom Alten trennen.”

„Sonst aber dürft Ihr weiter nicht auf Kurzweil zählen;
Es sind der Mannen eben nicht zu viel
Hier oben und, besonders jetzt im Sommer,
Nur selten Tage für ein müßig Spiel.
Im Winter freilich, sind wir desto freier,
Und giebt es Zeit für Karten, Wein und Leier.”

„Doch wozu schwatz’ ich lange!” unterbrach er selbst sich,
„Ihr sehnet Euch nach traulichem Gemach,
Derweil ich plaud’re. Gleich soll Euch dies werden;
Nehmt vorlieb nur mit dem gebot’nen Dach.
Für’s erste, denk’ ich, wird es Euch erquicken,
So Ihr durch Kunzen läßt ein Bad beschicken!”

Mit diesen Worten war der Vogt zur Thür’ gegangen,
Vor welcher Kunz schon dienstbereit geharrt,
Und rief, sie öffnend, laut den Knecht beim Namen,
Dem, als er eintrat, nun die Weisung ward:
Den Gast ins fürnehmste Gemach zu bringen
Und selbst zu Dienst ihm stehn in allen Dingen.

Noch, während Kunz sich etwas ungeschickt verbeugte,
Besiegelte ein derber Druck der Hand
Daß Wirth und Gastfreund sich verstanden hatten
Und warme Freundschaft beider Herzen band.
Dann folgte Letztrer seinem Knappen rüstig,
Nach Bad und Ruhe nunmehr selbst gelüstig.

Bedächtig leerte noch der Vogt den Rest im Humpen,
Als es ihm einfiel, nach dem Thurm zu gehn,
In welchem Elsbeth, seine Tochter, weilte.
Er hatte sie seit Mittag nicht gesehn;
Ihr muß er sagen, daß ein Freund gekommen,
Soll, wie er’s wünschte, dem die Herberg frommen.

* * *

Elisabeth! Die Feder will der Hand entsinken,
Nun auch sie zeichnen soll Dein holdes Bild.
Fast bang’ ich, daß, nach so viel langen Jahren,
Erinn’rung treu behielt dein Wesen mild,
Und doch scheint mir, gleich lichtem Stern, zu winken
Aus Deinen Augen: laß’ den Muth nicht sinken!

So sei es denn! Vor meinem Blick erstehst Du wieder.
Ich seh’ im blauen Linnenkleid Dich gehn,
Aus dessen aufgeschlitzten, puff’gen Aermeln,
Das weiße „Pfeitlein” liebt’ hervor zu sehn;
Den Seidengürtel trägst Du ungezwungen
Und lose um den schlanken Leib geschlungen.

Du blickst mich wieder an mit Deinen Kinderaugen,
Ein schöner Blau sah ich am Himmel nicht;
Des Haares goldne Wellen schau ich wieder,
Wie noch es ungern sich zusammenflicht.
Dein fröhlich Lied, ich hör’s im Herzen klingen,
Gleich ferner Sonntagglocken hellem Singen.

Aus Deinem Antlitz ruht der Seele süßer Friede;
Der Wangen Grüblein zeigen noch den Kuß
Mit dem Dich, segnend, einst ein Engel weihte,
Als Dir er bot des Daseins ersten Gruß.
Dein lieblich Lächeln, heut’ noch kann ich’s schauen,
Ein lichter Sonnenstrahl im Maienthauen!

Am schmalen Gürtel dort, Dein braunes Ledertäschchen,
Noch hält es Nachbarschaft dem Schlüsselbund.
Sie deuten beide, daß auf Deinen Schultern
Der Hausfrau Pflichten ruhen alle Stund’;
Wem Speis’ und Trank gebricht, dem wirst Du spenden;
Der Kranke darf sich trostlich an Dich wenden.

In milder Weise waltest Du im Haus und Hofe
Seit Deiner lieben Mutter frühem Tod;
Des Vaters Stolz bist Du emporgeblühet,
Verscheuchend ihm einsamer Tage Noth. —
Halb Kind, halb Jungfrau, eine Frühlingsblume!
Elisabeth, was sag’ ich noch zu Deinem Ruhme? —

Zierde


Zweites Kapitel.

Kuonrad und Elsbeth rasten

Vom Morgenroth sind überfluthet Thal und Höhen.
Aus jedem Hüttlein wirbelt blauer Rauch
Zum Himmel auf, gleich wie von Opferflammen;
Demantenhell blitzt es in Busch und Strauch,
Und durch ein Meer von goldnem Lichte schwimmen
Der Morgenglocken laute Weckerstimmen.

Vom ersten Sonnenstrahl getroffen, flieht der Nebel
In den sich keusch gehüllt der Berge Haupt.
Erröthend treten frisch dem Tag entgegen
In Purpurgluth die Wälder, grün belaubt;
Im feuchten Grase, welch’ ein Glitzern, Schimmern!
Ist’s nicht, als ob viel Tausend Sternlein flimmern?

Ein lauer Westwind trägt die lieben, alten Klänge
Von Zurzachs Betzeitglocken durch die Luft.
Die Schatten, auf des Schwarzwalds Höhen lagernd,
Verfärben mälig sich zu blauem Duft;
Im Thale steigt die Lerche aus den Halmen
Und jubelt ihrem Schöpfer Lobespsalmen. — —

Vom Bergfried hatte Gottfrieds Horn mit lautem Schalle
Verkündet, daß ein neuer Morgen wach,
Und waren Knecht’ und Mägde bald im Kirchlein,
Wo still der Kaplan seine Messe sprach,
Zu der auch stets der Vogt und Elsbeth kamen,
Geduldig harrend auf das letzte Amen.

Als dies gesprochen, blieben, wie an jedem Tage,
Die Knechte vor des Kirchleins Pforte stehn
Und lauschten schweigend auf des Herrn Befehle,
Was jeder heute sollte schaffen gehn;
Denn vorher schickte keiner sich zum Essen,
Eh’ nicht das Tagewerk ihm zugemessen. —

Frisch, wie der junge Tag, trat dann auch Elsbeth nahe
Und brachte ihren Gruß dem Vater dar,
Den dieser fröhlich zu erwiedern pflegte
Mit einem Kusse auf ihr blondes Haar;
So war’s sein lieber Brauch noch jeden Morgen,
Wenn abgethan des Hauses erste Sorgen. —

„Erlaubet Vater,” hörte heut’ man Elsbeth sprechen,
„Daß ich hinunter gehen darf zu Thal,
Nothburga’s Joseph lag schwer siech darnieder,
Als ich in Küßnach war das letzte Mal;
Sein armes Weib gab keine Ruh’ mit Flehen,
Bis ich versprochen, wieder nach zu sehen.”

„Von meinem Tränklein wird er wohl nicht ganz genesen,
Ich kochte zwar der Kräuter siebnerlei,
Denn es gebricht an Nahrung für den Armen;
Ist diese da, ist bald der Brest vorbei.
Drum bitte noch ich, es nicht zu versagen,
Daß Kunz mein Körblein hilft zu Thale tragen.”

„Der Kunz,” entgegnete der Vater, milde lächelnd,
„Steht, wie Du weißt, in Junker Kuonrads Pflicht;
Willst Du den Diener, mußt den Herren fragen,
Von mir aus geb’ ich ihm den Urlaub nicht!”
Da, wie gerufen, nahte von der Seite
Herr Kuonrad sich, den Kaplan im Geleite. —

Wie damals es der Vogt sich vorgenommen hatte,
Erzählte er der Tochter von dem Gast
Und gab ihr Winke, sich darnach zu halten,
Die Elsbeth freilich rasch genug erfaßt’;
Denn gern sah sie den Herrn im Hause weilen,
Wußt’ er doch viel des Neuen mitzutheilen. —

„Man möchte Euch den Kunz entführen!” sagte heiter
Der Vogt zum Freund nach ausgetauschtem Gruß,
Und fuhr dann fort: „Die Els’ will einem Kranken,
Der lange schon sein Siechbett hüten muß,
Ein Körblein Essen bringen, das zu tragen
Sie Euch um Euer Knechtlein möchte fragen!”

Der Junker hatte diese Worte kaum vernommen,
Als schon er freundlich sich an Elsbeth wandt’
Und bat: „Vergönnet mir Euch zu begleiten;
Viel schneller rinnet ja im Glas der Sand,
Kann ich mit Pflichten meine Zeit mir würzen,
Von langer Weil’ verschont, die Stunden kürzen!”

Da zog ein lieblich Lächeln um der Holden Lippen,
Und fragend schaute sie zum Vater aus.
Doch weil der schwieg, so galt es selbst zu reden,
Und so erwiederte sie sittsam draus:
„Wollt Ihr so gut sein und mein Körblein tragen,
Darf mit zu gehen Euch ich nicht versagen.”

„Es ist ein gutes Werk,” sprach noch sie, leis erröthend,
Und gönne Euch ich gern des Dankes Theil,
Den uns die Armen ja von Gott erstehen,
An zeitlichem Gedeihn und ew’gem Heil,
Selbst da, wo kaum an ein Verdienst wir glauben —
Ich möcht’ Euch solchen Segens nicht berauben.”

„Wollt Ihr denn mit, so harret meiner dort beim Brunnen,
Nehmt aber vorher guten Imbiß ein;
Wir werden schwerlich vor dem Mittagläuten
Im Schloß zurück von unsrer Thalfahrt sein!”
Dann neigte sie sich leicht und schritt zur Halle,
Wo schon das Mahl bereitet stand für Alle.

Gemächlich folgten auch die andern dorthin — aßen
An einem Tische doch noch Herr und Knecht. —
Das Essen, so in grauen Schüsseln dampfte,
War Haferbrei, der, steif gekocht und recht
Mit süßer Milch begossen, trefflich schmeckte,
Wenn auch kein Linnen fein die Tische deckte.

Kurz Haar ist bald gebürstet! Als das Mahl zu Ende,
Rief Elsbeth Frida, ihre alte Magd.
Die mußte ihr den Tragkorb füllen helfen
Mit einem Häslein von der letzten Jagd;
Dann kam noch Brod und auch ein Krug mit Weine,
Und hob sie selbst den Korb, wie schwer er scheine.

Er schien ihr leicht genug, auch etwas Mehl zu fassen,
Drauf aber lief sie flink in ihr Gemach,
Ein gutes Tüchlein um den Kopf zu binden.
Sie kannte noch kein besser Sonnendach;
Denn einen Hut durft’ sie nur Festtags tragen,
Sonst fand der Kaplan wieder Grund zu klagen.

Ohn’ viele Worte schritten bald darauf die Beiden,
Der Korb hing unschwer in des Junkers Hand,
Der Halde zu; jung Elsbeth weithin kenntlich
Durch ihr, im Winde wehend, blau Gewand,
Das sie, weil dies bergab den Schritt ihr kürzte,
Am Waldrand züchtig etwas höher schürzte.

Von hier an ging es flink die grüne Halde nieder.
Noch blühten Glockenblumen, Thymian,
Das Kräutlein Augentrost mit weißen Blümchen,
Goldgelber Ginster, duft’ger Enzian,
Und froh im Reigen um die Blüthen schwebten
Beschwingte Wesen, die nach Honig strebten.

Ein paar Mal wandte Elsbeth sich an den Gefährten
Und frug ihn lächelnd, ob der Korb noch nicht
Zu schwer geworden; aber stets verneinte
Der Junker dies mit freundlichem Gesicht.
Ja, er verschwor im Scherz sich, es zu wagen,
Ihr Körblein bis an’s End’ der Welt zu tragen.

Auf einmal jedoch war die Rasche ihm entschwunden,
Und zwar just da, wo’s steil zur Tiefe ging;
Herr Kuonrad mußte wohl des Körbleins achten
Und dessen Inhalt; doch das war nicht ’ring.
Schon perlten auf der Stirne ihm die Tropfen,
Er hörte deutlich seines Herzens Klopfen.

Vom Wald umfangen schritt er dennoch eilig abwärts;
Kein Laut ertönte, nicht ein Vöglein sang;
Der Pfad fiel immer steiler ab, ward schlüpfrig
Und schien dem Junker bald unendlich lang.
Doch stieg er, sich verschnaufend hin und wieder,
So gut er konnte durch die Halde nieder.

Das Körblein aber ward indessen immer schwerer.
Er sprach im Stillen manches derbe Wort,
Wenn Brombeerranken mit den scharfen Dornen,
Am Gehn ihn hinderten in einem fort.
Wie war’s dem Herrn sonst doch so leicht erschienen,
In höfisch feiner Art den Frau’n zu dienen?

Doch endlich schimmerte es licht durch das Gezweige,
Zur Rechten sah er einen Rebenhang
Und links, im Schatten alter Wallnußbäume,
Lief breit sein Weg den grünen Rain entlang.
Verdrossen fast, weil Elsbeth nicht zu sehen,
Hob jetzt der Junker schneller an zu gehen.

Da klang es silberhell aus eines Nußbaums Schatten:
„Herr Kuonrad, wartet — ruht ein wenig aus!
Das Körblein ist Euch wahrlich schwer geworden;
Gebt mir es, wir sind bald beim ersten Haus!”
Und nun er seitwärts ins Gebüsche blickte,
Saß Elsbeth dort, die froh ihm winkend nickte.

Im weichen Grase ruhend, wies sie mit dem Finger
Thalauswärts, wo im Morgensonnenschein
Das Dörflein lag; etlich’ zerstreute Häuser
An eines Baches grünem Uferrain,
In deren Mitte sich ein Hüttlein zeigte,
Deß’ Strohdach fast bis an die Erde neigte.

„Wenn Ihr Euch setzen wollt, hier ist ein lauschig Plätzchen!”
Fing Elsbeth wieder an, und dabei wand
Sie spielend um ein Büschel blauer Blumen,
Die an dem Wege durch den Wald sie fand,
Ein Endchen Zwirn, sich einen Strauß zu binden,
Der Platz an ihrem Busen sollte finden.

Müd’, wie der Junker war, befolgte er die Worte
Und lagerte sich hin in’s hohe Gras;
Das Körblein stand als Grenzmark zwischen Beiden,
So daß sein Träger nicht zu nahe saß.
Mocht’ er’s auch heimlich um den Platz beneiden,
Es half ihm nichts, er mußt’ es eben leiden.

Gar süß klang dafür es jetzt in Herrn Kuonrads Ohren:
„Verzeiht, daß ich so eilte durch den Tann
Und voraus ging; das macht, weil abwärts steigend
Ich manchmal nicht die Schritte hemmen kann.
Um jedoch volle Wahrheit Euch zu sagen,
Mag Schuld daran auch die Gewohnheit tragen.

So oft sonst Kunz mit mir zu Thale ging, erzählte
Er jedes Mal auch irgend eine Mähr
Vom Bergmännlein, das hier im Walde hauset,
So daß am liebsten dann ich draußen wär.
Ja, neulich noch, schwur er mir hoch und theuer,
Er hätt’ es selbst gesehn im Wald am Feuer!”

„Zwar bin ich wohl gefestet wider Spuck und Zauber;
Doch fürchte ich des Auges bösen Blick,
Vor diesem kann kein Heilthum uns bewahren
Und wen er trifft, den fasset schlimm Geschick.
Zu dessen Rettung soll kein Mittel taugen,
Wer sich bezaubern ließ durch ein paar Augen!”

„Des Vaters Muhme hat mir davon oft gesprochen.
Die wußte es und ihr hab’ ich geglaubt,
Als sie mir einst erzählte, daß zwei Augen
Den Frieden ihr für Lebenslang geraubt. —
Nun werdet Ihr mir hoffentlich verzeihen,
Daß Eurer ich erst wartete im Freien.”

Die letzten Worte hatte Elsbeth leis gesprochen
Und dabei sich bemüht den Blumenstrauß
Am Busen festzunesteln. Damit fertig
Sah sie, wie träumend, nun ins Feld hinaus;
Vom Thale klang des Baches munter Rauschen,
Ihm mochte, unbewußt, die Holde lauschen.

„Da war ich übel dran,” versetzte jetzt der Junker,
Ihr Träumen unterbrechend, „als allein
Den wilden Weg Ihr so mich wandern ließet!
Mir schwante selber, daß es dort nicht rein;
Denn ganz gewißlich haust in diesen Bergen
Noch eine Schaar von Unholden und Zwergen!”

„Wenn die mich nun im Wald gefangen halten würden
Mitsammt dem Korbe? Hättet Ihr nicht Schuld,
Da Euch bewußt ist, daß es nicht geheuer?
Ihr zeigtet, fürwahr! mir nur wenig Huld,
Und wär’ am Ende es Euch recht gewesen,
Wenn so ein Unhold mich zum Ziel erlesen?”

Herr Kuonrad wollte schon den Scherz noch weiter treiben,
Da fiel sein Blick auf Elsbeths Angesicht.
Wie Purpurgluthen lag’s auf ihren Wangen:
Ob er dies Alles wohl im Ernste spricht?
Und plötzlich wollte es ihm nun erscheinen,
Sie sei dem Lachen ferner, denn dem Weinen.

Ein großer Blick aus ihren blauen Sonnenaugen,
Der Seele tief entsteigend, traf sein Herz;
Der Junker kürzte also schnell die Rede
Und schloß gar schelmisch seinen kleinen Scherz:
„Will Euch für dies Mal keines Unrechts zeihen,
Wollt meiner Bitte Ihr Gehör verleihen!”

„Verschenket mir das blaue Sträußlein dort vom Busen;
Ich acht’ es gegen Zauberei als Schild
Und will es halten, als der Herrin Farbe,
Zum Angedenken holder Dame Bild.
Gewähret daher gerne mir die Bitte;
Die Gabe halt’ ich werth nach Rittersitte!”

Holdselig Lächeln aus den Wangen, reichte Elsbeth
Ihm ohne Zaudern das Verlangte dar.
Stolz steckte er es an’s Barett, das schlichte,
So keck, ihm saß auf dunklem Lockenhaar,
Und dankte, glücklich über die paar Blüthen,
Gelobend, sie gleich theurem Schatz zu hüten.

Ein sanft Erröthen lohnte schön ihm für die Worte,
Dann jedoch sprang sie auf; es griff die Hand
Flink nach dem Körblein, um dies selbst zu tragen.
Herr Kuonrad aber hielt als Träger Stand;
Er bat nur darum, ihm den Arm zu reichen,
Ein zweites Mal sollt’ Elsbeth nicht entweichen.

„Bin dieses nicht gewohnt,” klang heiter ihre Antwort,
„Auch ist mir fremd, wie man’s am Hofe hält.
Ihr werdet aber, hoff’ ich, mir verzeihen,
Denn wenig nur sah ich noch von der Welt;
Doch Ihr, Herr, habt gewiß schon Viel gesehen?
Erzählet, bitte, währenddem wir gehen!”

Dann schritt sie leicht an seinem Arm dem Dorf entgegen,
So friedlich lag in Laubgrün eingewiegt.
Es glich die Maid der zarten Eppichranke,
Die sich an einen festen Eichbaum schmiegt
Und schüchtern strebt, sich dran empor zu winden;
Ein besser Gleichniß weiß ich nicht zu finden.

Im Gehen wiederholte Elsbeth bald die Bitte,
Herr Kuonrad sollt’ erzählen, was er sah
Auf seinen Fahrten durch die fremden Länder
Und was ihm selber da und dort geschah.
Nun, wollte er sich ihr als Ritter zeigen,
Durft’ länger wohl der Junker nicht mehr schweigen. —

Vor Jahren hatte er den Ohm nach Rom begleitet
Und mancherlei erlebt auf jener Fahrt
Von wälscher Tücke und vielschönen Frauen,
Von fremden Sitten und gar feiner Art.
Nun ließ er’s nicht am rechten Ausdruck fehlen
Und mischte Scherz dem Ernste im Erzählen.

Verhaltnen Athems fast, ging Elsbeth still daneben
Und lauschte staunend jeder neuen Kund’.
Herr Kuonrad wußte prächtig zu erzählen,
Ihr Blick hing unverwandt an seinem Mund;
Sie folgte ihm zur „Stadt der sieben Hügel,”
Als ob sie selber in des Zelters Bügel.

Doch, als er gar erzählte, daß, um eines Scherzes willen
Ein wälscher Bube fast ihn niederstach,
Da lief ein Schauern durch den Körper Elsbeths,
Ihr sonnig Angesicht erblaßte jach;
Am Arme aber fühlte er ein Drücken,
Als müßte noch ihr seine Rettung glücken.

Sie hatte nicht drauf Acht, daß, während des Erzählens,
Sich beider Schritte schon dem Dörflein nahn;
Nicht, wie die Hörigen einander winkten,
Als ihre Herrin still sie wandeln sahn.
Kaum, daß sie flüchtig grüßte auf dem Wege
Zur Hütte, ihrem Ziele überm Stege.

Hier endlich mußte Elsbeth doch ihr Körblein haben,
Mit dem sie nun im Hüttchen flugs verschwand.
Herr Kuonrad wußte nicht, sollt’ er ihr folgen;
Doch, wie er eben überlegend stand,
Sahn seine Augen jetzt ein Büblein stehen,
Das sich nicht traute ihm vorbei zu gehen.

Ein Fingerlein im Mäulchen, schlich es zagen Schrittes
Zu einem Holzblock hin, der unweit stund.
Das fragte, Kurzweil hoffend, jetzt der Junker
Nach seinem Vater; doch des Bübleins Mund
Blieb stumm, es wurde immer mehr verlegen
Und ließ sich nicht zum kleinsten Wort bewegen. —

Im Stüblein drinnen hatte unterdessen Elsbeth
Den Inhalt ihres Körbleins ausgepackt;
Sie stand nun kosend mit zwei kleinen Mädchen,
Die, bis auf ein geflicktes Hemdlein, nackt,
Weil beide schon ihr Stücklein Brod empfangen,
Zum Kuß der Guten boten Mund und Wangen.

Da ging die Thüre auf und aus der dunklen Kammer
Trat Seppel, noch ganz bleich und abgezehrt;
Die Herrin schauend, sank er ihr zu Füßen,
Die sie, weil Brauch, zu küssen ihm nicht wehrt.
Mit wahrer Freude hört’ ihn Elsbeth sagen,
Daß es viel besser seit den letzten Tagen.

„Das Weib ist noch im Felde draußen,” sprach er heiser,
Nach etwas Futter für die Geis zu sehn;
Derweilen muß ich ihr die Mägdlein hüten,
So gut es mag mit schwachen Kräften gehn.
Doch, Gott und Euch sei Dank! sie kommen wieder,
Sind manchmal bleischwer mir auch noch die Glieder!”

Zufrieden, Seppel auf der Besserung zu finden,
Wies Elsbeth auf das Häslein und den Wein
Und sagte: „in dem Krug das Tränklein,
Möcht’ jetzt das rechte Mittel für Dich sein;
Auch magst Du Dich an solchen schönen Tagen,
Wie heute, kecklich an die Sonne wagen!”

Nach diesen Worten bückte sie sich zu den Mägdlein
Und wechselte mit jedem einen Kuß;
Dann, aus dem Angesicht ein glücklich Lächeln,
Enteilte Elsbeth flink mit mildem Gruß,
Gleich holdem Engel, der da Hülfe brachte,
Wo ein arm Herz in schweren Sorgen wachte.

„Die Herrin blieb sonst länger!” meinte Seppel brummend,
Als er so eilig sie verschwinden sah;
Sie selber mochte ähnlich denken, aber —
Vorm Hüttlein wartete der Junker ja.
Ihr Nahen machte jetzt das Büblein munter;
Es sprang vergnügt von seinem Block herunter.

Mit nackten Füßchen lief es Elsbeth schnell entgegen
Und ruhte nicht, bis es aus ihrem Schooß
Den längst gewohnten Kuß empfangen hatte.
Dann strampelte das Büblein rasch sich los,
Um in des Hüttleins Thüre zu verschwinden;
Es wußte ja, nun würde Brod sich finden.

Herr Kuonrad aber meinte heiter: „Ihr könnt zaubern!
Mir weigerte der Junge Gruß und Wort;
Doch, nun er Euch erblickt, bekommt er Leben
Und küßt und liebkost Euch in Einem fort!
Ein solch’ Geheimniß acht’ ich werth zu kennen;
Wollt Ihr mir diesen Zauber nicht auch nennen?”

„Ist kein Geheimniß! Kinder fühlen, wer sie lieb hat!”
Gab freundlich sie Herrn Kuonrad jetzt zurück:
„Sie geben Lieb’ um Liebe, wiederspiegelnd
Ein uns oft lange schon entschwunden Glück.
In jede Kinderseele bringt man Leben,
Versuchet’s nur, Euch mit ihr abzugeben!”

„Nun aber sagt, ward Euch das Warten überdrüssig,
Und blieb ich lange weg? Es däucht mich fast!
Gelt, dafür gehn wir auf dem Heimweg schneller;
Das heißt, so Euch dies so beliebt und paßt.
Noch ist es frühe, brauchen nicht zu eilen,
Auch schießt uns Keiner nach mit Bolz und Pfeilen!”

Als hätte sie zu viel gesprochen, schwieg hier Elsbeth
Und band mit Fleiß das Tüchlein wieder fest,
So ihr das Büblein vorhin arg verschoben,
Als sie es küssend an die Brust gepreßt,
Herr Kuonrad aber kaum den Augen traute,
Da selten wohl ein schöner Bild er schaute.

Die Strahlenaugen voll zu ihm emporgerichtet
War sie bemüht ein widerspenstig Paar
Goldfarbner Löcklein unters Band zu schieben,
Das blau umzog das herrlich blonde Haar,
Und als sich ihr die Losen endlich fügen,
Lag froh ein Lächeln auf den holden Zügen.

Herr Kuonrad schaute ihr beglückt in’s schöne Antlitz,
So voller Unschuld ihm entgegensah,
Bis sie, als ahnte ihr, wie seinem Herzen
Von solchem Schauen wunderbar geschah,
Sich tief erröthend wandte um zu gehen,
und er nun auch nicht durfte bleiben stehen.

Doch da den Arm er bot, schien sie dies nicht zu achten,
So, wie beim Kommen, ging’s im Rückweg nicht;
Denn fast aus jedem Fenster nickte freundlich
Ein fröhlich lachend Kinderangesicht.
Am Wege aber harrten auch die Alten,
Ein grüßend Wort der Herrin zu erhalten.

Ein kleiner Blondkopf, frisch gewaschen und gestrählet,
Kam schon von Weitem auf sie zugerannt
Und hielt sein braunes Händchen ihr entgegen;
Der Herrin Täschlein war dem Schelm bekannt,
Nun will der Kuß allein ihm nicht recht munden,
Mit dem sie ihn für dies Mal abgefunden.

Die Schäflein, von Elsbeth aus süßem Teig gebacken,
Sie fehlten heute für die Kinderschaar;
Zum ersten Male hatt’ sie die vergessen,
Möcht’ wissen, welches wohl die Ursach’ war!
Je nun, es waren leer des Fräuleins Taschen,
Und gab für heute es drum nichts zu naschen. —

Beim letzten Hüttlein erst ward sie der Kleinen ledig,
Die Kinder zogen heim in muntrem Trab;
Nun bot von neuem seinen Arm der Junker;
Doch Elsbeth lehnte mit den Worten ab:
„Bergaufwärts möchte es beschwerlich fallen,
Wir wandeln nicht in eines Palas Hallen!”

„Auch bin ich es gewohnt die Halde zu erklettern,
Gleich flinkem Rehe, über Stock und Stein,
Manch heilsam Kräutlein suchend oder Blumen,
Wie sie im Sommer blühen hier am Rain;
Doch, weil sich dabei schwerlich läßt erzählen,
Will gerne ich mit Euch zu gehen wählen!”

Geduldig ging der Junker wieder an’s Erzählen
Und schilderte, was draußen er geschaut;
Was ihm gefallen in den fremden Ländern
Und wie er da und dort dem Glück vertraut.
Wohl sei es schön, frei durch die Welt zu reisen;
Doch würd’ ein trautes Heim er mehr noch preisen.

Gefangen von Herrn Kuonrads weltgewandter Sprache,
Schritt sie indessen ihm zur Seite hin,
Zuweilen mal im Gang sich unterbrechend,
Wenn nah’ dem Hang ein duftig Blümlein schien,
Das ihre Hand erreichen konnt’ und pflücken,
Im Gehen sich den Busen mit zu schmücken.

Nur, als sie weiter oben an der Halde waren,
An jener Stelle, wo sie erst geruht,
Da bat ihn Elsbeth leise links zu wenden:
„Der Pfad ist schattig und auch sonsten gut.”
War ja kein Unrecht weitern Weg zu wählen,
Der Junker konnte dafür mehr erzählen.

So schritten sie denn auf dem längern Pfade langsam
Zusammen aufwärts durch den grünen Wald,
Der hier den Schloßberg breit und dicht umgürtet,
Und wandelten im tiefsten Schatten bald,
Als, während Elsbeth ernst dem Junker lauschte,
Ein Windstoß heulend durch die Wipfel rauschte. —

Es hatte keins von Beiden sonderlich beachtet,
Daß längst verschwunden war des Himmels Blau
Und schwere Wolken über ihnen dräuten,
Die alles hüllten in ein düster Grau.
Jetzt erst bemerkten sie, wie Nebelschwaden
Am Hungerberge zogen, sturmbeladen.

Bald schlossen, eh’ sie es geahnt, die Wetterwolken
Rings Berg und Thal in ihren dunkeln Schooß.
Schon jagten Blitze sich; vom Strahl getroffen
Sank mancher Waldbaum jäh in’s grüne Moos;
Ein Felsblock schoß in ihrer Nähe nieder,
Deß’ Donnern hallte laut im Thale wieder.

Dann goß der Regen Fluthen; wild, wie Meereswogen,
Es rann und schwoll das nasse Element;
Ein jedes Rinnsal ward zum grimmen Strome,
Deß’ Spuren noch der späte Enkel kennt.
Fast schien’s, als ob der Himmel sich empörte
Und, was er schuf, mit Grausen nun zerstörte.

Am Stamme einer dicht belaubten Eiche lehnend,
Fand Elsbeth Schutz vor des Gewitters Macht.
Sie schlug ein Kreuz, so oft der Blitz urplötzlich
Mit greller Flamme hellte rings die Nacht;
Auch betete sie leis den Wettersegen,
Der soll sie schützen und der Sturm sich legen.

Herr Kuonrad hatte minder Glück sich schnell zu bergen,
Und blieb drum, unweit Elsbeth, wartend stehn;
Des Wetters wenig bange, schien ihm sicher,
Daß dieses bald vorüber dürfte gehn.
Er ließ sich nicht so leicht von Furcht beschleichen,
Auch wollt’ er nicht von seiner Herrin weichen.

Mit Plaudern suchte er die Aengstliche zu trösten,
Doch diese fand zum Sprechen keinen Muth.
Sie unterbrach sein scherzhaft Reden leise:
„Hört uns das Bergweiblein, so thut’s nicht gut;
Denn diese Unholdin, aus Dunst geboren,
Hat sicher das Gewitter her beschworen.”

„Zuweilen stößt sich das Gewölk am Schloßberggipfel
Und nimmt dann, minder schadend, seinen Weg
Das Kletgau aufwärts, wo es, ausgeschüttet,
Gefährdet höchstens eines Bächleins Steg.
Doch weh! wenn es zum Thal den Strich gefunden,
So ist ein Ausweg nimmer zu erkunden!”

„Es kann nicht vor- nicht rückwärts, muß sich hier entleeren
In seiner ganzen unheilvollen Macht;
Verderben bringt es oft auf viele Jahre,
Als hätte uns die Sonne nie gelacht,
Und, wo wir heute noch im Grünen gehen,
Könnt Ihr schon morgen eine Wüste sehen!” —

Sie hatte kaum geendet, zuckt ein Strahl hernieder
Aus schwarzer Wolke auf den nächsten Baum,
Sekundenlang loht auf ein Meer von Flammen,
In fahlem Scheine glimmt der ganze Raum;
Es knattert schrill ein kurzer Knall dazwischen,
Der sich im Moos verliert in leisem Zischen.

Der Sturm peitscht wüthend hin und her die Wipfel,
Und krachend fällt so manches grüne Haupt;
Wildschaurig gellt ein Pfeifen durch’s Gezweige,
Daß man der Hölle Macht entfesselt glaubt.
Des Waldes Thiere packt es voll Entsetzen,
Sie müssen blindlings in’s Verderben hetzen.

Vor Schrecken bleich, die Hände im Gebet gefaltet,
Wagt Elsbeth keinen lauten Athemzug;
Ihr Muth ist hin, sie bebt an allen Gliedern,
Seit, ihr so nah, der Blitz zu Boden schlug.
So steht sie mitten in dem grausen Rauschen
Und hofft ein Wort des Junkers zu erlauschen.

Doch der bleibt stumm. Von einem Tannenast getroffen
Liegt wund Herr Kuonrad tief im Haidekraut;
Im Bann der Ohnmacht weigern Mund und Lippen
Der fast Verzweifelnden den kleinsten Laut.
Mit ihrem Blick, bis wo er liegt zu dringen,
Kann in der Dunkelheit ihr nicht gelingen.

Noch wird ihr banger Ruf vom Sturmwind übertoset,
Sie starrt voll Aengsten in die Waldesnacht,
Den Junker und sich selbst der Mutter Gottes
Empfehlend, deren Fürsprache und Macht
Ein Leichtes, des Gewitters Wuth zu enden
Und gnädig alles Unheil abzuwenden.

Da sieh! Es legt sich doch des Sturmes brausend Toben,
Nicht mehr so nahe rollt des Donners Hall;
In Elsbeths Ohren klingt, gleich Himmelsbotschaft,
Vom Schlosse her des Wetterglöckleins Schall.
Das Dunkel weicht, das tief den Wald umwoben,
Und heller wird es in den Wipfeln oben. —

Elsbeth mit dem bewusstlosen Kuonrad

Wie schnell das Wetter kam, so ging es auch vorüber,
Geendet wähnte Elsbeth alle Noth.
Da traf ihr Blick am Boden den Gefährten,
Von seiner Stirne floß es blutigroth,
In lautem Aufschrei sank sie zu ihm nieder;
Doch nur das Echo scholl als Antwort wieder.

Gebrochnen Ast zur Seite, lag betäubt Herr Kuonrad
Im Haidekraut, das roth gefärbt sein Blut;
Nur leise hob die Brust sich auf und nieder,
Wie einem der die letzten Züge thut.
Nicht hoffend, daß sich hier noch Rettung fände,
Rang Elsbeth, Schmerz erfüllt, die zarten Hände.

Doch halt! es regten stöhnend sich des Wunden Lippen,
Mit stummer Freude hat sie es gehört,
Und nun war auch des Schmerzes Bann gebrochen,
Der Elsbeth bislang schwer den Sinn bethört;
Sie nahm ihr Tüchlein, naß und schwer vom Regen,
Es sachte auf des Junkers Stirn’ zu legen.

Nach diesem raffte sie ein Häuflein Moos zusammen,
Bestimmt zu einem Kissen für sein Haupt;
Schon ruht es schwer auf ihren weichen Händen,
Noch immer der Besinnung ganz beraubt;
Doch, nun sie’s sorglich wollte niederlegen,
Sah wieder sie die Lippen zitternd regen

Gewißheit, daß das Leben ihm noch nicht entflohen,
Gab jetzt zum Rettungswerk ihr weiter Kraft.
Mit nassem Moos rieb sie des Wunden Schläfen,
Bis fast die Hand vor Müdigkeit erschlafft,
Da lohnte denn der Himmel ihr Bemühen
Und ließ Herrn Kuonrads Lämplein neu erglühen.

Er wachte mälig auf und seine braunen Augen
Begrüßten fragend Elsbeths feuchten Blick;
Bald suchte auch ein Lächeln auf den Lippen
Ihr Trost zu spenden über sein Geschick,
Und schnell, wie dies der Jugend ja gegeben,
Mocht’ sich der Junker nun vom Fall erheben.

Noch vorher aber faßte er der Jungfrau Rechte,
Die, wie sein guter Engel, vor ihm stand,
Und preßte wortlos ein paar heiße Küsse,
Als seinen Dank, ihr auf die kleine Hand.
Verklärten Blicks sah Elsbeth zu ihm nieder
Eh’, mühsam nur, sie fand die Sprache wieder.

„Versuchet aufzustehen — vielleicht könnt Ihr gehen!
Wir sind vom Schlosse nicht mehr allzufern
Und das Gewitter ist, Gottlob! vorüber.
Die Heiligen und Euer guter Stern,
Sie haben Euch gar treu in Schutz genommen,
Sonst wäret wohl Ihr bös davon gekommen!”

Der Guten Worte waren kaum verklungen, als auch
Herr Kuonrad aufrecht stand und ihr versprach,
Zum Heimweg noch genügend Kraft zu haben;
Dann, fühlend daß ihm weiter nichts gebrach,
Wollt’ er sein Dankgefühl in Worte kleiden,
Die anzuhören Elsbeth will vermeiden.

Sie mahnte also „Kommt, es muß bald Mittag läuten!
Bis dahin müssen wir zu Hause sein;
Doch erst laßt mich die Stirne Euch verbinden,
Mein Tüchlein taugt uns, denk’ ich, dazu fein.
Frisch Wasser wird die böse Wunde kühlen
Und auch die Schmerzen minder lassen fühlen!”

Gehorsam bot der Junker gern die wunde Stirne,
Aus der das Blut noch tropfte, Elsbeth dar.
Sie hob mit leichter Hand des Tüchleins Enden
Und spülte es im nächsten Rinnsal klar,
Dann ward die Wunde gut und fest verbunden;
Ihm aber schien, er müsse gleich gesunden.

Jetzt, endlich, ging es wieder fürbas. Zwischen Fichten
Und dunkeln Tannen führte schmal der Weg.
Wie frisch geschmolzen Silber glänzten Tropfen
Vom Regen noch im buschigen Geheg.
Balsamisch dufteten des Waldes Blüthen,
Ein linder Lusthauch zog, statt Sturmes Wüthen.

Gedanken eigner Art beschäftigten die Beiden
Auf ihrem Pfad zum Schloßberghof empor;
Versuchte es Herr Kuonrad mal zu scherzen,
So schwieg nun Elsbeth, stiller als zuvor.
Ein Kräutlein keimte in dem jungen Herzen,
Ein Kräutlein, das viel Glück bringt — oder Schmerzen.

* * *

Die Höhe ward erreicht und bald darauf die Brücke,
Wo schon der Herrin harrend Frida stund;
Denn längst war ja die Mittagszeit vorüber,
Des Glückleins Schall verschlang des Sturmes Mund.
Es zuckte schalkhaft im Gesicht der Alten,
Nun mäusleinnaß sie sah die zwei Gestalten.

„Dacht ich’s doch gleich, das Wetter werde Euch erwischen!”
Hob zungenfertig jetzt die Alte an,
„Sonst wäret Ihr zu Mittag hier gewesen;
Doch da hat es am wüstesten gethan!
Wird heute nun die Herrin auch noch lachen,
Wie früher, wenn ich sprach vom Wettermachen?

„Der Pfarr’, der Neiding! hat das Wetter hergezaubert.
Er sieht’s, wenn Ihr zu Thale geht, nicht gern.
Sollt immer in der Kemenate sitzen
Und Litaneien lernen bei dem Herrn!
Wohl bin ich alt und mag nicht viel mehr taugen;
Doch blieben mir, Gottlob, noch klare Augen!”

Hier jedoch fiel ihr Elsbeth schnell in’s Wort und sagte:
„Sei lieber still und schaff’ uns Kunzen her,
Daß er den Herrn in sein Gemach begleitet;
Denn siehst Du nicht? er leidet schwer!
Vom Strahl getroffen, schlug ein Ast ihn nieder,
Ein Wunder nur, daß noch ihm heil die Glieder!”

„Du selber aber magst mir Spitzenwegrich suchen,
Des Kräutleins Saft, bekanntlich weit und breit
Im Rufe, daß er köstlich gegen Wunden,
Soll zeigen, ob zur Heilung er gedeiht!
Nun eile Dich, den Kunz herbei zu finden,
Er muß dem Herrn die Stirne frisch verbinden!”

Herr Kuonrad lehnte derweil müde am Geländer.
Vom Blutverluste wohl ein wenig matt,
War nicht ihm unlieb, daß auf Fridas Rufen
Sich Kunze gar eilig eingefunden hatt’.
Der staunte bas, den Herrn allso zu sehen,
Doch dieser hieß ihn kurz mit ihm zu gehen. —

Mit warmem Händedruck und einem langen Blicke
In Elsbeths licht erglänzend Augenpaar
Schied, im Geleit des Knappen, nun der Junker.
Sie sah ihm nach, bis er verschwunden war;
Ein glücklich Lächeln schwebt auf ihrem Munde —
Dein Dichter, Elsbeth, weiß aus welchem Grunde!

Zierde


Drittes Kapitel.

Elsbeth geht beim Kaplan in die Schule

Viel schneller, als der Junker dies erwartet hatte,
That Kräutlein Spitzenwegrich seine Pflicht;
Denn kaum war eine Woche hingegangen,
Trat er geheilt vor Elsbeths Angesicht
Und dankte ihr für alle Müh’ und Sorgen,
Die sie um ihn gehabt an jenem Morgen.

Wenn damals er im Scherz sie sich zur Herrin wählte,
Der ritterlich zu dienen ihm ein Spiel,
So nahm er’s nun mit jedem Tage ernster
Und ist kein Wunsch der Holden ihm zu viel.
Doch, wie es gleich von Anfang ihm geschienen,
War unter ihrem Scepter leicht zu dienen. —

Mit flinken Händen half Herr Kuonrad jeden Morgen
Der Fleißigen ihr Linnen spannen, reicht’,
So oft es nöthig, drauf den Wassereimer,
Um jenes feucht zu spritzen, daß es bleicht
Im Sonnenschein und Elsbeth sich das Linnen,
Als schlohweiß Zeug, bald wieder mocht’ gewinnen.

Mit diesem fertig, ging es in den weiten Zwingolf,
An dessen sonnenreichem Mauerrand
Die Liebliche ein kunstlos Gärtlein hatte,
Drin’, neben Ilgen, manche Rose stand
Und Krautwerk für die Küche und die Kranken,
Frisch duftenden Salbei bei Bohnenranken.

Hier gab es stets zu thun. Der Junker werkte fleißig;
Er zeigte ihr, wie leicht am wilden Strauch
Die Rosen künstlich sich veredeln lassen.
Gern lernte Elsbeth den ihr fremden Brauch
Und harrte voller Sehnsucht schon der Blüthen,
Die zu erzielen beide sich bemühten.

Vom Garten mußte Elsbeth in des Schlosses Küche,
Wo Frida herrschte, bis die Herrin da;
Sie war gewohnt, am Herde mit zu helfen,
Da gerne selbst sie nach dem Rechten sah.
Das Essen mußte pünktlich fertig stehen,
Sonst war’s um Vaters gute Laun’ geschehen.

Dann, nach dem Mittagessen, pflog, nach guter Sitte,
Des Hauses Ingesind ein Stündlein Ruh’
Die tiefe Stille nutzend, brachte Elsbeth
Gewöhnlich diese Zeit mit Lernen zu;
Der Kaplan, Benno, nahm die Pflichten strenge
Und trieb mit Fragen oftmals sie in’s Enge.

Sonst war die Zeit der Schule ihr gar lieb gewesen
Und fand der Kaplan nie zu Klagen Grund;
Doch seit des Junkers Ankunft kam dies anders,
Sie lauschte minder ernst des Lehrers Mund
Und unterbrach wohl selbst sein Wort durch Fragen,
Die fern dem Texte des Erklärers lagen. —

Einst, eines Abends, plagte sie sich auch mit Lernen,
Indess’ die Augen nach der Sonne sahn,
Ob deren Strahl sich nicht den Butzenscheiben
Im Bogenfenster endlich möchte nahn;
Es schien ihr fast, daß jene, pflichtvergessen,
Nicht so wie sonst die Tagesbahn durchmessen.

Doch, da einmal die Zeit für Alle vorwärts schreitet,
Gleichviel ob einer hoffet oder bangt;
Zu schnell dem Alter, das nichts mehr zu wollen,
Der Jugend langsam, die noch viel verlangt,
So ließ sie heute auch die Sonne sinken,
Die goldnen Strahlen durch die Scheiben blinken.

Nun ließ die Ungeduldige sich nicht mehr halten.
Ein frommes Sprüchlein noch, und darauf eilt’
Sie, gleich dem Wind, den Bergfried zu ersteigen,
Wo, wie sie wußte, gern der Junker weilt’,
Der sich den Thurm zum „Lueg ins Land” erkoren,
Und öfter droben saß, in’s Schau’n verloren.

Schon lange wollte Elsbeth ihrem Gast die Namen
Der Berge nennen, so von hier man sah;
Nun aber war sie doch etwas verlegen
Und trat mit leisem Schritt Herrn Kuonrad nah.
Vor ihnen lag im Abendsonnenglanze
Der Alpenkreis, gleich einem Silberkranze.

Die prächtig klare Fernsicht schauend, wandte sie sich
Dem Junker zu und sagte, mit der Hand
Hinüber auf die weißen Riesen deutend,
In deren Anblick er versunken stand:
„Erlaubet, Herr, Euch meinen Hof zu zeigen;
Dort, jene Recken all’ sind mir zu eigen!”

„Ich bitte jedoch, lasset gnädig Nachsicht walten,
So nur die Fürnehmsten davon ich nenn’;
Frau Sonne will sich schon zu Bette rüsten, —
Und das ist bald geschehn, wie ich sie kenn’!
Der Mond, ihr Ritter, aber wird erst leuchten,
Wenn Morgennebel diese Höhen feuchten.”

Ein freundlich Nicken war Herrn Kuourads stumme Antwort,
Dann trat er mit ihr an des Söllers Rand,
Der Abendsonne goldne Schimmer flossen
In Purpurfluthen über alles Land,
Nur fern gen Norden lagen Wolkenschatten,
Die überm „Randen” sich gelagert hatten.

„Schaut dort,” hob Elsbeth lächelnd an ihm zu erklären,
„Die Spitzen, wie in Apfelbluest getaucht,”
Es ist der „Säntis” mit dem „Hohen Kasten”
Und nebenan, rothgülden angehaucht,
Stellt kühn der „Altmann” sich in ganzer Breite
Den ersten beiden Recken an die Seite.”

„Dann, etwas herwärts, zählt Ihr sieben graue Zinken,
Sie sind im Sommer meist wohl ohne Schnee,
Die nennen „Churfürsten” sich stolz mit Namen
Und spiegeln sich in einem grünen See,
Aus dessen Fluthen hoch und frei sie streben,
Daß fast in Wolken ihre Häupter schweben.”

„Nun, weiter rechts hin, kommt des „Glärnisch” weiße Krone;
Die steilen Wände stehn getaucht in Blau,
Und rosig überhaucht vom Sonnengolde
Scheint, wie verklärt, der Felsen schimmernd Grau.
Auf seinen Schultern aber sieht man’s blitzen
Gleich zarten Schleiern, die im Goldschein glitzen.”

„Die weiße Fläche dort, dicht unterm breiten Gipfel,
Mit starren Felsen ringsum eingefaßt,
Ist „Vrenli’s Gärtli,” eine Alp vor Zeiten;
Doch, seit die Menschen von den Fee’n gehaßt,
Ruhn tief im Eis versenkt der Matten Spuren,
Auf ewig sind dahin die grünen Fluren.”

„Der nächste, mit dem Firnschnee-Scheitel, heißt der „Tödi.”
Keck ragt der auf zum blauen Firmament,
Als stützte er allein des Himmels Bogen.
Wie heiß im Sommer auch die Sonne brennt,
Im Lenz der Föhnsturm zwingt den Schnee zu thauen —
Sein Haupt ist silbern immerdar zu schauen.”

„Auf ihrem Throne dort schwingt Einsamkeit das Scepter,
Nur Geierschrei hallt durch das Felsgewirr;
Doch, mein’ ich, schafft auch dort die Zeit im Stillen
Und ruhet nicht ihr ehern Werkgeschirr.
Sie wird dereinst den letzten Fels zerschmettern,
Ob er auch trotzte tausend wilden Wettern!”

„Gleich weiter folgt des „Urirothstocks” Riesenkuppe;
Auch der reckt kühn sein eisgrau Haupt empor;
Ein freies Volk soll ihm zu Füßen wohnen,
Das nur den Kaiser sich zum Herrn erkor.
Mir schwanet oft, fühl’ ich’s herüber wehen,
Auch unser Volk wird bessre Zeiten sehen.”

„Doch, thront der Winter auch auf jenen Höhen ewig,
In milden Thälern schmilzt im Lenz der Schnee,
Dann, hört’ ich sagen, blühen grüne Fluren
Und blinkt dazwischen mancher klare See,
So, wenn der Frühling die Gestade kränzet,
Gleich schönem Auge in die Ferne glänzet.”

„Die weiße Kuppe besser drüben ist der „Titlis,”
Das „Sustenhorn” soll dessen Nachbar sein.
Seht hin! wie prächtig die zerrissnen Schründe
Vergüldet sind vom Abendsonnenschein;
Aus unermeßlich tiefen, grausen Klüften
Steigt er empor sein schneeig Haupt zu lüften.”

„Die Sonne sinkt. Schaut, Regensbergs uralte Firsten
Empfangen eben ihren letzten Gruß!
Rubinen schimmer aus des Städtleins Fenstern
Den Wiederschein vom goldnen Abschiedskuß;
Bald wird der „Lägernberg” im Dunkel stehen,
Schon jetzt ist Badens „Stein” nicht mehr zu sehen.”

„Nur jene Riesen dort im Duft der blauen Ferne,
Die geben sich so schnell gefangen nicht;
Denn, während überall schon Nacht sich breitet,
Erglänzen sie noch hell im Sonnenlicht.
Wie wohl und frei mag es der Brust dort werden,
Von jenen Höh’n zu schau’n auf Gottes Erden!”

„O, hätte meine Sehnsucht dorthin Windesflügel,
Daß ich mich schwänge hoch von Firn zu Firn,
Um, weltentrückt, im Aetherblau zu schweben,
In Himmelslüften badend mir die Stirn’
Und, derweil noch die lieben Sternlein flimmern,
Im erst- und letzten Sonnenkuß zu schimmern!” —

Verwundert sah Herr Kuonrad hier in Elsbeths Augen,
Die, hold verklärt in wundersamem Glanz,
Hinüber blickten, wo aus dunklen Schatten
Sich leuchtend hob des Hochgebirges Kranz,
Indessen abendwärts, von Gold umflossen,
Die Sonne wich mit ihren müden Rossen.

Selbst überwältigt von dem Anblick dieses Schauspiels
Schwieg Elsbeth eine Weile, wie gebannt,
Eh’ sie den Hausgenossen traulich fragte,
Ob ihm ein schöner Plätzlein wär’ bekannt?
Er wollte sprechen, doch sie winkte Schweigen
Und mußte sich der Junker folgsam zeigen.

„Ich muß mich eilen,” sprach sie, „denn des Abends Schatten
Verhüllen schon, was nicht zum Himmel ragt;
Von Nacht wird bald, selbst auf den höchsten Gipfeln,
Der letzte Schein des Tageslichts verjagt
Und, irr’ ich nicht, mag’s morgen stürmisch wehen,
Da heut’ die Alpen wir so nahe sehen!”

Elsbeth erklärt Kuonrad die Alpengipfel

„Dort jener,” eilte sie sich weiter mit Erklären,
„Die breiten Spitzen, sie verglühen grad,
Sich scharf abhebend von des Himmels Bläue,
Soll der „Sankt Gotthard” sein, von wo ein Pfad,
Auf dem man leicht sein letztes Stündlein finde,
In wälsches Land sich steil und schaurig winde.”

„Dann, näher herwärts, jener Rücken wild zerklüftet,
Den Ihr schon tief im Schatten vor uns seht,
Heißt der „Pilatus;” er hat seinen Namen
Von einer Sage die im Lande geht:
Es soll der Böse dort den Richter plagen,
Der unsern Heiland einst an’s Kreuz geschlagen.”

„Gen Mittag aber, jene fernsten, hellen Spitzen,
Sind „Finsteraarhorn,” „Schreck-” und „Wetterhorn,”
Dann „Mönch” und „Eiger,” wo im längsten Sommer
Das Eis nie schmilzt und thalwärts Wein und Korn
Ein fremd Gewächs ist; nebenan, im Schimmer
Des Abendroths, da folgt ein Frauenzimmer!”

„Es ist die „Jungfrau.” Herrschend über all’ die Riesen,
Ist sie nur selten mal des Schleiers bar;
Doch, wenn sie sich enthüllt im Abendscheine,
Erglänzet oft ihr Antlitz sonnenklar,
Um vor dem Schlafengehn den alten Recken
Im kalten Herzen neue Gluth zu wecken.”

„Sie selbst bleibt unnahbar, wie dort die goldnen Sterne,
Die leise ausziehn über unser Haupt,
Und keinem Freier mocht’ es noch gelingen,
Daß ihr den Schleier einer kühn geraubt.
Doch schaut! Verglüht sind nun die letzten Gipfel,
In tiefem Dunkel ruhen alle Wipfel!” —

Sie hatte kaum gesprochen, da klang hinter ihnen
Des Wächters Horn in langgezognem Schall,
Für Schloß und Landschaft Feierabend bietend;
Vom „Hungerberge” scholl der Wiederhall
Und mischte sich mit fernem Glockensummen,
Das bald erstarb in mäligem Verstummen.

Nun breitete sich Schweigen über Berg’ und Thäler,
Es herrschte Nacht und Ruh! Ein leiser Hauch,
Der Abendwind, zog lind durch das Gebüsche,
Als wiegte er in Schlummer Blatt und Strauch,
Und droben, hoch in ungemeßner Ferne,
Erglänzten schimmernd Millionen Sterne.

Da, horch! Vom Zwingolf unten klang es durch das Dunkel,
Wie flüsternd Plaudern, zu den Beiden auf;
Dann war es wieder, als ob leichte Füße
Zum Brunnen huschten in behendem Lauf,
Und jetzt ließ, unweit von der innern Pforte,
Ein Liedlein sich vernehmen. Hier die Worte:

„Eine Tanne, schlank und duftig,
Meiner Minne Maienzier
Stelle ich zum Angedenken
Nächtens vor braun Maidlins Thür.”

„Rosmarin und rothe Ilgen
Schmücken viel den Maienbaum,
Meine Seele aber zieret,
Süßer Minne holder Traum.”

„Gäb ein Schlüsselein die Feine
Mir von Gold, ich schlöß sie ein,
Tief in meines Herzens Schreine
Und verlör das Schlüsselein.”

Des Liedleins Töne zitterten noch durch den Zwingolf,
Da scholl vom Brunnen her, wie Wiederhall,
Erst leise, bis der rechte Ton getroffen,
Die Antwort drauf in glockenreinem Schall.
In tiefem Alt, als käm’ er aus der Seele,
Sang klar und deutlich eine Mädchenkehle:

„Drauß’ im Walde laß’ die Tanne.
Und die feinen Blümlein stehn;
Denke, was die Mutter sagte,
Würd’ den Maienbaum sie sehn?”

„Hast den Schlüssel Du verloren,
Ist mir recht; denn wahre Minn’
Braucht kein Schlößlein und kein Schlüssel,
Und bleibt doch im Herzen drin’.”

„Tief im Walde grünt die Tanne,
Rothe Ilgen duften fein.
B’hüet Dich Gott in stiller Kammer,
Und gedenk’ der Treuen Dein!”

„’s ist Mechtild und ihr Chnab, der Hansli!” sagte Elsbeth
Zum Junker, als der Sang verklungen war.
„Sie sind sich zugethan in allen Ehren
Und, wie ich meine, ist’s ein stattlich Paar;
Hab’ drum der Maid versprochen, anzufragen
Beim Vater, da die beiden es nicht wagen.”

„Doch,nun ist’s Zeit für mich, zu gehen,” schloß sie freundlich,
„Gehabt Euch wohl und träumet sanft die Nacht!”
Mit diesen Worten war sie ihm entschwunden
Und huschte nun die Wendeltreppe sacht
Hinunter, daß die trocknen Treppensparren
Nicht allzu hörbar ächzen oder knarren. —

Herrn Kuonrads „Gute Nacht!” kam ihr nicht mehr zu Ohren,
Weil, als er’s sprach, sie schon davon geeilt.
Nun fiel ihm schwer, sich von dem Ort zu trennen,
Wo eben noch die Liebliche geweilt;
Er blickte sinnend nach dem Abendsterne,
Der prächtig flimmerte aus dunkler Ferne.

Mit sich allein, stieg vor des Junkers wacher Seele
Ein Bild empor durch Nacht und Dunkelheit.
Er sah sein Bäslein, eine reiche Schöne,
Um die im Stillen unlängst er gefreit,
Und der sein Werben auch wohl nicht mißfallen,
Da sie nur ihn begünstigte vor Allen.

Schon, weil es galt des Bäsleins Eltern zu gewinnen,
Hatt’ sich der Junker an den Ohm gewandt,
Deß’ Wort als Bischof mehr als seins mocht’ gelten,
Daß bald ihm werde der Erkornen Hand.
Da kam der Span mit Sigismund dazwischen,
Vor dessen Zorn Herr Kuonrad mußt’ entwischen.

Nun stand der Schönen Bild ihm plötzlich vor der Seele:
Die Stirn’ umwallt von dunkler Locken Pracht,
Die herrliche Gestalt von üppigstolzen Formen,
Mit Augen, schwärzer als die tiefste Nacht;
Die jedesmal den Sinn ihm neu bestrickten,
Wenn voller Gluthen sie verlangend blickten.

Doch bald verschwanden auch des schönen Bildes Farben,
Es trat an dessen Platz ein ander Bild:
Nicht stolz und üppig, wie das erste zeigte,
Nein, lieblich, hold und fein und mild;
Gleich Sonnenstrahlen, die am Frühlingsmorgen
Im Thau hin küssen bangen Winters Sorgen.

In mildem Strahle glänzten Elsbeths fromme Augen,
Er konnte tief in ihre Seele schau’n,
Die klar und rein sich darin wiederspiegelt’
Und hin sich gab in kindlichem Vertrau’n.
Die Huldgestalt in Minne zu umfangen,
War seines Herzens stürmisches Verlangen.

So stand er, sich versenkend in die lieben Züge,
Im Wesen ihm und in Gedanken nah;
Denn jeden Tag mußt’ er auf’s Neu’ bewundern,
Was hier zum ersten Mal sein Auge sah:
In Züchten stiller Minne treu ergeben
Und milde waltend, deutsches Frauenleben.

Mit andern Augen schaute er das reiche Bäslein,
So stolz, weil es entstammte wälschem Blut;
Deß’ Blicke so vernichtend blitzen konnten,
Und doch verriethen tief verborgne Gluth!
Das tausendmal am gleichen Sommertage
Die Laune wechselte zu seiner Plage.

Nicht mühte er sich mehr, die beiden zu vergleichen,
Er mehrte damit sich nur Schmerz und Qual.
Der Oheim mußte längst geworben haben,
Und blieb denn überhaupt noch eine Wahl?
Herr Kuonrad sagte sich, zwar mit Erröthen,
Des Bäsleins Reichthum sei ihm sehr von Nöthen.

Nun mit sich selber zürnend, stand er lange sinnend,
Bis scharfe Nachtluft ihm die Stirn’ gekühlt.
Von heute wollt’ er Elsbeth ferne bleiben,
Daß nicht sie ahne, was er für sie fühlt;
Denn nimmermehr wär’ Ruhe ihm beschieden,
Wenn er zerstörte ihres Herzens Frieden.

Mit solchem Vorsatz ging der Junker zu der Treppe,
Die er, im Dunkel tastend, niederstieg,
Um unten noch beim Vogte vorzusprechen,
Mit ihm zu plaudern von dem letzten Krieg.
Er traf den Kaplan da, nebst Wein und Karten;
Die Herren mochten seiner lang schon warten. —

Im Zwingolf unten, nun das Abendbrot gegessen,
Verkürzten sich die Knechte auf der Bank
Die Zeit vorm Schlafengehn mit Scherz und Plaudern;
Sie sagten Kunz und Hansli vielen Dank,
Als diese noch, auf allgemein Verlangen,
Ein paar „Gesätzlein,” die hier folgen, sangen.

Wir lieben’s den viel rothen Wein,
Denn er geht frisch in’s Blut uns ein.
Gedeihen muß das Leben,
Wenn wir das Kännlein heben!
Gedeihen muß das Leben,
Wenn wir das Kännlein heben!

Kommt es auch vor, daß wir einmal
Festsitzen bis zum Morgenstrahl;
Beim Weine uns zu wärmen,
Die ganze Nacht durchschwärmen!
Beim Weine uns zu wärmen,
Die ganze Nacht durchschwärmen!

So sind dem Zecher doch nicht hön
Drob unsre lieben Frauen schön,
Dieweil sie selbst gern nippen
Am Wein, mit Rosenlippen!
Dieweil sie selbst gern nippen
Am Wein, mit Rosenlippen!

Hallowerwein, Du Edelblut,
Du schmeckst zu allen Zeiten gut;
Nach Dir geht unser Streben,
So lange wir am Leben!
Nach Dir geht unser Streben,
So lange wir am Leben!

Und geht es einst auf’s Todtenbett,
So reichet uns, als Seelgerett’,
Von Hallau Saft der Reben,
In’s Jenseits uns zu heben!
Von Hallau Saft der Reben,
In’s Jenseits uns zu heben!

———

Der schönste Tod, den ich mir weiß,
Das ist: im Wald zu sterben;
Viel schöner, als im Bette heiß,
Aus Lumpen zu verderben!

Der beste Wein, so jeder kennt,
Er muß wohl sein gegohren;
Recht, wie ein Mann, den nichts mehr brennt,
Der d’Hörnlin hat verloren!

———

Gott grüß’ Dich, feurig Rebenblut,
Du Edeltrost der Mannen!
Wie schmeckst Du allerorten gut,
Aus Humpen und aus Kannen.
Hat einer von Dir etzlich Stück
Im kühlen Keller vergraben,
So preis’ er’s als sein größtes Glück,
Am Weine sich zu laben!

Gott grüß’ Dich, feiner Augentrost,
Vielschöne Maid im Walde!
Nach Deiner minniglichen Kost
Sehn’ ich mich nur zu balde.
Wer immer Dich sein eigen nennt,
Dem brennt ein Feu’r im Herzen;
Macht, daß er keine Jahrzeit kennt
Und thaut, wie Schnee im Märzen!

———

Was ist es, dessen sich freuen soll
Am ersten ein guter Zecher,
Wenn ihm die Maid einen Humpen voll
Mit Wein reicht, dem Sorgenbrecher!
Ist es das Naß in der Kanne klar,
Hellperlendes Blut der Reben?
Ist es der Maid frisch Lippenpaar,
Nach denen geht sein Streben?
Ich acht’ wohl fein, vieledle Herrn,
Das braucht’s nicht lang zu rathen;
Ein Jeder tröst’ sich Beider gern,
Vom Spielmann bis Prälaten!

———

Mein Mägdlein trägt ein Camisol
Mit einem Purpursaume;
Nun gute Nacht und schlafet wohl,
Und denket mein im Traume!

Zierde


Viertes Kapitel.

Elsbeth und Kuonrad in der Krypta von St. Verena

Ein Meer von Nebelwolken füllte rings die Thäler,
Nur leis bewegt vom lauen Hauch des Föhn.
Aus Silberwogen ragten, Inseln ähnlich,
Der nahen Berge dunkelgrüne Höhn;
Sie ruhten grüßend schon im Sonnenstrahle,
Indeß’ noch dichter Nebel lag im Thale.

Das Auf- und Niederschwanken all’ der Nebelmassen
Glich scharfem Stechen, wildempörtem Streit,
Denn kämpfend rang die Sonne mit dem Nebel,
Doch der wich kaum um eine Spanne breit;
Schien an der Halde er auf’s Haupt geschlagen,
Sah dafür jenseits man ihn berghoch ragen.

Fast jeden Morgen wiederholt sich dieses Ringen,
Es weisen sich die Kämpen kühn die Brust.
Bald schießt die Sonne Strahlen in die Thäler,
Bald wieder stockt’s von weißem Nebeldust;
Meist bleibt, wer Sieger, lange unentschieden,
Denn Sonn’ und Nebel schließen ungern Frieden. —

Es war Sanct Vrenen Tag, als Frühe schon im Zwingolf
Zum Aufbruch fertig standen Roß und Troß.
Sie feierten die Heilige in Zurzach,
Da durfte fehlen nicht der Vogt vom Schloß,
Und da ihn Elsbeth und Benno begleiten,
War auch Herr Kuonrad einig mitzureiten.

Nun standen plaudernd längst die Knechte bei den Pferden,
Die, ungeduldig scharrend mit dem Huf,
Schier neidisch auf des Fräuleins Zelter blickten.
Es war ein Schimmel. Stolz auf den Beruf,
Des Schlosses Herrin hie und da zu tragen,
Mocht’ ihn die Ungeduld am meisten plagen.

Jetzt regte sich’s auch in der Windberg’ überm Thore.
Dort ließen Haus und Xaver alsgemach
Die Brücke auf den Grabenpfeiler nieder,
Indeß’ der Erstere zum Letztern sprach:
’s ist gar nit koumli, heut in’s Thal zu fahren,
Der Nebel läßt ja kaum den Weg gewahren!”

„Laß’ nur den Nebel, Bueb! Der ist am Berg von Nöthen;
Er ist der Traubenkocher, der schafft Saft!”
Gab Xaver rauh zurück, sich kurz verschnaufend,
Denn an der Winde galt es Manneskraft,
„Bei Euch im Schwarzwald mag er minder taugen,
Doch dafür könnt Ihr auch an Schlehen saugen!”

„Drum ist mir hier der Wein um desto lieber, Vehrli!”
Sprach, neckisch lachend, Hans zum ältern Knecht.
Der aber brummte: „So ’ne Wäldergurgel
Find’t stets das Beste grade für sich recht;
Wär’ ich der Vogt hier, müßten solche Laffen
Mir jeden Gottestag im Rebberg schaffen.”

Als Hans den derben Worten jetzt entgegnen wollte,
Da polterte es von der Brücke her,
Schnell traten beide drum zur nächsten Luke,
Von der man übersah des Schlosses Wehr.
’s war Kunz, der, mit dem Pferd schon überm Graben,
Wie immer, mußte vor dem Vogte traben.

Bald folgte dieser selbst. Zur Seite ritt die Tochter,
Des Zelters Zügel in der zarten Hand.
Es schmiegte sich um Elsbeths schlanke Formen
Ein enganschließend, schwarzes Sammtgewand;
Den Hals umkräuselten schlohweiße Spitzen,
Die, steifgedollt, im Strahl der Sonne glitzen.

Des Haares krause Wellen hielt ein Netz gefangen,
Daß nicht entrolle sich die goldne Flut;
Zwei weiße Straußenfedern wogten prangend
Am, ebenfalls schwarzsammtnen, kleinen Hut,
Der leicht beschattete die feinen Züge,
Doch auch sie sehen ließ noch zur Genüge.

Auf schmucken Rappen folgten Benno und der Junker.
Die beiden ritten friedlich Seit’ an Seit’,
Denn da der fromme Herr ein schwacher Reiter,
Bat er den Hausgenossen zum Geleit;
Der wär’ zwar lieber mit dem Vogt geritten,
Fügt aber artig sich des Kaplans Bitten.

Zum Schluß kam Jochen, der, ein Packpferd noch am Zügel,
Dicht hinter Benno und dem Junker ritt.
Sein eigensinnig Rößlein wollte traben,
Da doch nur Schritt der steile Bergweg litt;
Ein Ruck am Zügel und der Peitsche Schwingen
Verhalfen es in rechten Gang zu bringen.

Bald wurde links geschwenkt und es verschwand die Truppe
Im Nebelmeere an des Schloßbergs Wand.
Von kalten, feuchten Wolken rings umschlossen,
War’s kaum so hell, daß sie den Weg noch fand,
Der jäh nach Bechtersbohl hinunter führte,
Wo schon der Dorfvogt stand, wie sich’s gebührte.

Mit kurzem Gruße ritten sie an ihm vorüber
Dangstetten zu; auf breitem Karrenweg
Ging’s rasch in schlankem Trab thalnieder,
Bald waren sie am Kreuze bei dem Steg.
Der Nebel aber wollte noch nicht weichen,
Sie sehen nichts vom Dorf, bis sie’s erreichen.

Hier harrte ebenfalls der Dorfvogt des Gestrengen
Und brachte ihm, nach Brauch und alter Sitt’,
Das Ortsgeschenk, das man zu bieten hatte,
So oft der Schloßvogt durch die Gasse ritt:
„Dem Pferd ein Metzlin Hafer, und zwo Kannen
Voll guoten Weines für des Schlosses Mannen.”

So bringt’s die Urkund’, ist auf Pergament zu lesen. —
Weil noch es früh war, hieß des Vogtes Huld
Den Wein und Hafer auf den Abend sparen,
Wo er empfangen will des Dorfes Schuld;
Gar froh, daß heut’ der Herr nichts fand zu rügen,
Mocht’ gern der Bauer dem Bescheid sich fügen.

Nun ging es weiter zwischen strohgedeckten Hütten,
Die links und rechts an breiter Gasse stehn;
Sie lagen wie verödet in dem Nebel
Und war kein lebend Wesen nah’ zu sehn,
Da all die Bauern, fromm wie ihre Ahnen,
Nach Zurzach unterwegs mit Kreuz und Fahnen.

Bei einem Hause nur verlockt’ der Rosse Trappeln
An’s schmale Fensterlein ein bleich Gesicht,
Deß’ Eigenthümer scheu gemieden wurde;
Denn er vollzog des Blutbanns streng Gericht.
’s war Meister Jakob, der das Fest mußt’ meiden,
Wollt er nicht andern den Genuß verleiden.

Den Herrn erschauend wandte er sich weg vom Fenster
Und dabei traf sein kalter Henkerblick
Das breite Richtschwert in des Stübleins Ecke;
Sonst führte er das Schwert mit viel Geschick,
Doch, seit des Vogtherrn Urtel milde enden,
Schwang selten er es mehr in seinen Händen.

In scharfem Ritte ging’s am letzten Haus vorüber.
Der Nebel mehrte sich noch bis zum Rhein
Und hüllte Roß und Reiter immer dichter
In seinen frostig-feuchten Mantel ein.
Am Kreuzweg nahten sie geweihter Stelle,
Der alten Vierzehn-Nothhelfer-Kapelle.

Hier jedoch hemmte Elsbeth ihres Rößleins Schritte
Und wandte sich Herr Kuonrad zu, beschämt,
Daß sie der Kälte nachgab, mit der Bitte
Um’s Schäublein, das, mit Fuchspelz warm verbrämt,
In Jochens Packkorb herzlich wenig nütze,
Statt, daß es bas sie nun vor Frost beschütze.

Hei! flog auf flinkem Roß Herr Kuonrad da zu Jochen,
Von dem er bald mit Elsbeths Schäublein kehrt;
Den Ritterdienst, es fein ihr umzulegen,
Die Herrin ihm mit keinem Worte wehrt’,
Und, nun er sah den Vogt beim Kaplan reiten,
Blieb hübsch er fortan an des Fräuleins Seiten.

Bewundernd hing sein Blick an ihren feinen Formen,
Die mehr noch hob das knappe Sammetkleid;
Es däuchte ihm, als sei vor seinen Augen
Zur Jungfrau auferblüht die holde Maid,
Das traute „Elsbeth” müsse er vergessen,
Sie „Fräulein” nennen, höfisch und gemessen.

Sonst nicht gewohnt nach Worten lang zu suchen, ritt er
Jetzt schweigend neben ihrem Zelter her;
Denn was er auch der Schönen sagen wollte,
Es däuchte ihm gar schal und inhaltleer.
Mit vollem Herzen, blöde und verlegen
Ritt er zur Seite ihr dem Rhein entgegen.

Noch hatten Beide nicht ein einzig Wort gesprochen,
Als sie in Rheinheim sich beim Posthaus sahn,
Wo Benno just sich abzusteigen mühte;
Sein Roß hielt jedes mal hier selber an,
Da nie sein Herr zu Pferd das Schiff betreten,
So oft der Vogt, ihn neckend, schon gebeten.

Bald nahte Kunz, dem Vogt zu melden, daß den Fährmann
Vom andern Ufer er herüber pfiff.
Sie ritten vollends denn zum Rhein hinunter
Und hielten dort im großen Wagenschiff,
Das, als gelöst der Ferg’ die nassen Seile,
Stromaufwärts mußte eine gute Weile.

Dann rauschte es vorbei am Pfahlwerk einer Brücke,
So hier zur Zeit der Römerherrschaft stand,
Vorn an dem Schnabel sprühten grüne Wellen
Ihr perlend Naß bis hoch hinaus zum Rand;
Durch Nebeldunst sah man Gemäuer thronen,
Die „Burg,” erbaut von Roma’s Legionen.

Nun war des Fergen schwerste Arbeit überstanden,
Das Schiff flog hin gleich einem Federspiel;
Ein Ruderschlag bracht’ es dem Ufer nahe,
Ein zweiter noch, es war am sichern Ziel.
Nur Benno stand noch auf der andern Seite
Und maß im Warten sich des Stromes Breite.

Zu Rosse hoch, wie drüben sie das Schiff betreten,
Verließen es der Vogt und seine Schaar.
Die Pferde hasteten auf holperigem Pflaster,
Daß jeder Hufschlag funkensprühend war,
Bergan, und als der steile Weg erstiegen,
Sah hell im Sonnenschein man Zurzach liegen. —

Die Sonne hat gesiegt; der Nebel mußte weichen,
Im nahen Rheine ging er still zu Grab.
Von grüner Höhe drüben grüßten schimmernd
Die weißen Zinnen Küssabergs herab;
In klarer Herbstluft mocht’ das Auge schwelgen
Auf längst bebauten, schön gelegnen Zelgen.

Der Vorsicht halber ritt die Truppe jetzt im Schritte,
Denn nah dem Flecken war die Straße voll
Von Pilgern, die zum Vrenenstifte wallten,
Der Heil’gen bringend frommer Andacht Zoll;
Dann auch von Leuten, die, aus fernen Landen,
Geschäften wegen sich zur „Messe” fanden.

Auch, meist in langem Zug die Pferde voreinander,
Fuhr schwerbeladen mancher Wagen ein.
Es gab sich hier am Sankt Verenenfeste
Die halbe Kaufmannswelt ein Stelldichein,
Und selten hat es einen mal verdrossen,
Wenn einen Handel er hier abgeschlossen.

In langen Reihen standen graue Leinwandzelte
Den Weg entlang, für allerlei Gethier
Und fahrend Volk vorsorglich hier errichtet,
Indeß’ das eigentliche Marktrevier
Im Flecken selber war, wo Lauben, Bogen,
Zu Dutzenden sich längs den Häusern zogen. —

In heisern, fremden Lauten bot dem Volk hier draußen,
Ein fahrend Kuchenweib süß Naschwerk an,
Laut brüllten dicht daneben Bänkelsänger
Ein Lied zum Morde auf dem Leinwandplan;
Dazwischen lärmten Kinder, bellten Hunde.
Man hörte kaum das Wort vom eignen Munde.

Ein Wunderdoktor rühmte: Alles zu curiren,
Was je der Menschheit Pein und Plag gemacht;
Sein Diener schlug die große Kesselpauke,
So oft er unterbrach der Rede Pracht.
Daneben übten Gaukler ihre Lungen
Und überschrieen sich in allen Zungen. —

Verwundert blickte Elsbeth auf dies Treiben nieder,
Nicht achtend, daß, vom Volke eingezwängt,
Ihr Zelterlein kaum vorwärts kommen konnte;
Als jetzt Herr Kuonrad, ebenfalls umdrängt,
Dem Knechte winkte, welcher unter Fluchen
Sich mühte einen Ausweg hier zu suchen.

Es ging nicht; denn je näher sie dem Flecken kamen,
Um desto dichter ward die Menschenschaar
Und Jochen durfte sich vergeblich plagen;
Der Junker wurde dieses auch gewahr
Und rieth er drum, geduldig sich zu fassen,
Bis mehr sich lichten würden ihre Massen.

Ein wenig besser war’s dem Vogt ergangen. Er ritt
Mit Kunzen, von den Seinigen getrennt,
Schon nah dem Flecken; nicht groß achtend,
Wie um ihn her die Menge lärmt und rennt.
Gab die nicht Raum auf Kunzens „Platz da!” rufen,
So sorgten dafür seines Hengsten Hufen. —

Noch trieben Elsbeth und Herr Kuonrad hin im Strome
Der Massen, Roß und Reiter eingezwängt,
Als hinter ihnen Angstgeschrei erschallte
Und kreischend sich das Volk noch näher drängt’.
Ein Tanzbär, einen Affen auf dem Rücken,
Versuchte flüchtend sich hindurch zu drücken.

Der ungewohnte Anblick des entlaufnen Thieres,
Er wirkte lähmend auf der Meisten Muth;
Die Schreckensrufe gellten immer lauter
Und brachten Petz gar bald in solche Wuth,
Daß sein Gebrumm das Schreien übertönte,
Der Affe aber rings die Menge höhnte.

In blinder Hetze jagte, mit der Kette klirrend,
Das Thier durchs Volk, das auseinander stob,
Und fand den Weg gerade zu der Stelle,
Wo Elsbeths Zelter, ungeduldig ob
Dem Höllenlärmen, am Gebisse kaute;
Gespitzten Ohres das Gedränge schaute.

Schon schnob und brummte es und schnaufte hinter ihnen.
Das Zelterlein hob hoch den Kopf empor;
Jetzt stürmte Petz in toller Hatz vorüber,
So daß der Schimmel drob den Kopf verlor
Und voller Angst in jähem Sprunge scheute,
Gleich seiner Herrin, des Entsetzens Beute.

Doch, eh’ des Rößleins Hufe wieder Boden fanden,
War dieses schon von seiner Last befreit
Und ruhte Elsbeth in Herr Kuonrads Armen,
Vom Sturz gerettet noch zur rechten Zeit.
Ein Dutzend Hände fuhren nach dem Pferde
Und hielten fest es ohne viel Beschwerde.

„Um Gottes Willen!” rief der Junker, selbst erschrocken,
Als Elsbeth todtblaß hing im Arme sein.
„Habt keine Angst!... Ihr nahmet doch nicht Schaden?
Das Köpfchen hebend, sprach sie leise: „Nein!...”
Indessen rannte fahrend Volk mit Stangen
Und Peitschen nach dem Flüchtling, ihn zu fangen.

Da kam auch Jochen näher; grimm die Peitsche brauchend,
Hieb er mit Wucht auf das Gesindel ein,
So lärmend Petzen auf dem Fuße folgte,
Das Thier nur ärger hetzend mit dem Schrei’n;
Bald gab es Raum, des Bären Häscher wichen
Nach rechts und links, soweit die Hiebe strichen.

Kuonrad bewahrt Elsbeth vor einem Sturz

Doch dem bedrängten Paare ward noch andre Hülfe:
Vom Münster her ertönte Glockenklang,
In tiefem Basse scholl die Vrenenglocke,
So daß es klang wie ferner Chorgesang.
Im Nu zerstob das Volk nach allen Seiten,
Um in der Mess’ zu sein bei rechten Zeiten. —

Noch zitternd, stand das Zelterlein vom Knecht gehalten,
Der es mit strengen Blicken untersucht.
Das Thier war heil, auch fand an Zaum und Gurten
Sich nichts beschädigt von des Sprunges Wucht,
Als nur ein Riemlein, das, weil schwach, zerrissen,
Nun Jochen flink zu binden war beflissen.

Als dies geschehen, griff er nach dem Zaum und führte
Das Rößlein sorgsam seiner Herrin vor,
Die lehnte noch im Arme ihres Retters,
Fuhr aber tief erröthend nun empor;
Ihr wellig Goldhaar streifte seine Wange,
Auch riß, vom raschen Ruck, des Schäubleins Spange.

Herr Kuonrad schwang sich jetzo selbst von seinem Rappen
Und hob mit starkem Arm die süße Last
Dem Zelter in den Sattel; Elsbeth jedoch,
Als erst sie wieder sicher Platz gefaßt,
Belohnte mit dem wärmsten ihrer Blicke
Den Junker für den Schutz im Mißgeschicke. —

Inzwischen hatte auch die Jagd ein End’ genommen,
Weil Meister Petz sich schließlich fangen ließ;
Manch derber Hieb traf seinen breiten Rücken,
So daß er eilig sich zu gehn befliß.
Der Affe aber war und blieb verschwunden
Und Niemand wußte, welchen Weg er funden.

Ohn’ weitern Unfall war das Paar bald in dem Flecken,
Deß’ Häuser, meist mit buntem Schild geschmückt,
Den Fremden gastlich sich zum Obdach boten
Und oft den Wählenden die Wahl bedrückt’;
Doch, ob im Flecken unten oder oben,
Sie waren überall gut aufgehoben. —

Wie heute noch, bewohnte damals schon ein bieder,
Gemüthlich Völklein Zurzachs Häuserreihn.
Die Bürger, freundlich und von schlichtem Wesen,
Vermieden gerne jeden Trug und Schein,
Und waren, um der Reinheit ihrer Sitten,
Rheinauf und ab bei allen wohlgelitten.

Bedrängte Nachbarn fanden hier noch Rath und Hülfe
Wenn anderwärts die Thür verschlossen stand.
Im Stift die Chorherrn und des Fleckens Aerzte,
Sie waren stets für Seel’ und Leib zur Hand;
Auch, nahte sich Sanct Martinus mit Grinsen,
Fand hier der Landmann Geld zu ringen Zinsen. —

Jetzt war es stille in den Gassen, da die Hallen,
Oft übervoll von fremder Kaufherrn Gut,
Verschlossen standen bis zum Schluß des Hochamts,
Den jedesmal ein Glöcklein künden thut.
Nur selten sah man, längs der Häuser Zeilen,
Noch da und dort Jemand zur Kirche eilen.

In sachtem Schritte ritten Elsbeth und Herr Kuonrad,
Daß nicht der Hufschlag allzu störend hallt’,
Der Kirche zu, aus deren offnen Pforten
Schon Meßgesang und Orgelton erschallt’;
Dem Eingang unfern lauschte Kunz dem Singen,
Bis er die Pferde konnt’ zur Herberg bringen.

Nun half der Junker ihr vom Zelter und es traten
Die Beiden, sich bekreuz’gend, in den Dom,
Wo, nicht gar fern, der Vogt in Andacht knieete,
Zur Seite seines Bruders, Elsbeths Ohm;
In Klingnau Pfarrherr und auch wohl gelitten,
Kam er heut frühe schon zum Fest geritten.

Herr Kuonrad, frommen Brauches kundig, trat zum Becken,
In welchem sich geweihtes Wasser fand;
Die Finger netzend, reichte draus er höfisch
Auch etlich’ Tröpflein der Begleitrin Hand,
Und Elsbeth nahm’s mit stummem Dank entgegen.
Dann knieeten beide bis zum letzten Segen. —

Das Ite, missa est des Hochamts war gesungen,
Verklungen auch der Orgel letzter Hauch;
In Wolken wogte zur bemalten Decke
Der Duft vom dichtentfachten Opferrauch
Und, Fluten gleichend, strömte laut die Menge
Hinaus zum Tempel durch der Pforten Enge.

Nur wem ein stiller Wunsch die Seele noch erfüllte,
Wer sich gelobt, in Freude oder Schmerz,
Zu knieen an dem Grabe Sankt Verenens
Und auszuschütten da sein volles Herz,
Der schritt jetzt leise zu des Chores Pforte,
Die ihm den Weg erschloß zum Gnadenorte.

In breitgewölbter Krypta schlummert dort die Jungfrau
Im Sarg, den frommer Glaube überbaut’;
Das Gitter, so die stille Gruft umfriedet,
Wohl manch bedrängtes Herz hat es geschaut.
Ein steinern Bildniß zeigt die Wundersame,
Das Krüglein in den Händen sammt dem Kamme.

Auch Elsbeth zog es hin; inmitten frommer Waller
Stieg bald ihr Flehn zur Heiligen empor.
Um was? Nur diese mochte es erlauschen,
Denn kaum ein Flüstern nur vernahm das Ohr;
Doch tief sah man die Betende sich neigen
In heißem Flehen, ganz der Andacht eigen.

Ein milder Glanz verklärte hold das schöne Antlitz,
Als sie sich endlich vom Gebet erhob;
Die Sonnenaugen schienen Glück zu strahlen,
In das sich Seligkeit und Wonne wob,
Und unschwer war der Frommen anzusehen,
Daß sie erhöret wähnt des Herzens Flehen.

Still kehrte sie zurück durch’s Grabkapellenpförtchen,
Wo ihr Begleiter traumverloren stand.
Bis dorthin folgte vorhin er der Herrin
Und lehnte, ihrer harrend, an der Wand;
Doch, nun den Arm der Holden er wollt’ reichen,
Wußt’ Elsbeth sittig diesem auszuweichen.

„’s ziemt nicht, im Hause Gottes eitlen Brauch zu pflegen!”
Verwies sie flüsternd zu ihm hingewandt,
„Doch wollt Ihr später Euch gefällig zeigen,
So mögt ihr mich begleiten nach der Hand;
Hab’ manchen Auftrag für den Markt bekommen,
Und Euer Schutz wird im Gewühl mir frommen!”

Schon standen Beide da auch vor der Kirche draußen,
Wo nun Herr Kuonrad doch die Frage wagt’,
Ob Elsbeth im Gebet auch sein gedachte?
Sie gab zur Antwort darauf unverzagt:
„Gott will ja, daß wir für einander beten,
So oft wir stehend vor sein Antlitz treten!”

Dann bat sie lächelnd: „Laßt uns nach der Herberg gehen
Und sehen, ob ein Imbiß fertig steht.
Wie schon ich sagte, bleibt mir viel zu schaffen,
Eh’ es am Nachmittag zur Vesper geht;
Muß ja, soll mir die Meßfahrt bas gelingen,
Für Jedes einen Kram nach Hause bringen.”

Bei diesen Worten legte Elsbeth leicht die Linke
In den vom Junker ihr gebot’nen Arm,
Die Rechte aber hob des Kleides Schleppe,
Daß nicht sie hindere im Menschenschwarm;
Denn Kreuz und Quer galt es sich durchzuwinden,
Bis in der „Rosen” sie den Vater finden. —

Kurz vor den Beiden war der Vogt dort eingetroffen;
Nun saß am Tisch er, ihrer harrend, da.
Die hellen Augen blinzelten gar freundlich,
Als er die Zwei in’s Stüblein treten sah
Und, ihren Gruß erwiedernd, rief er heiter:
„Da kommen ja die längst vermißten Reiter!”

Als drauf sie ihm zur Seite Platz genommen hatten,
Erzählte ihnen sein gespräch’ger Mund,
Daß zu dem Mahle, so das Stift alljährlich
Am Vrenentage, nach der Vesperstund’
Bewährten Freunden biete, Seine Gnaden,
Der Propst, auch sie gar freundlich eingeladen.

„Da hab’ ich,” sprach er lächelnd, „nun versprechen müssen,
Der Einladung zu folgen, die uns ehrt.
Wir werden zwischen Sankt Verenens Gästen
Auch etlich’ Freunde treffen, lieb und werth,
So sich mit uns in Ehren bas erfreuen;
Die alte Freundschaft wiederum erneuen!”

Als er geendet, dankte ihm Herr Kuonrad fröhlich,
Denn der war ob der Botschaft hoch erfreut;
Sie brachte Wechsel in das stille Leben,
Das auf dem Berge er geführt bis heut’,
Und sah er drum dem Mahle gern entgegen.
Nicht ganz so leicht ließ Elsbeth sich bewegen.

Das Köpflein senkend, sah sie sinnend vor sich nieder,
Mit tiefem Ernst im lieblichen Gesicht.
Ihr war, als sollt’ dem Mahl sie ferne bleiben,
Das Warum? wußte selbst sie jedoch nicht;
Doch, stets gewohnt des Vaters Wort zu ehren,
Versuchte nicht sie seinem Wunsch zu wehren.

Sie sann noch immer, als die schmucke Rosenwirthin,
Den Imbiß bringend, in das Stüblein trat
Und, weil es lang gedauert bis der fertig,
Die Gäste höflich um Verzeihung bat:
Es sei viel Arbeit heut’ in allen Ecken,
Und sie gewohnt, den Gästen selbst zu decken.

Da fiel ihr Blick auf Elsbeth und, die Maid bewundernd,
Pries sie dem Vogt der Tochter Schönheit hoch,
So daß die, schämig drob, die Lider senkte
Und froh war, als die Wirthin schließlich doch
Sich eifrig an dem Tisch zu schaffen machte;
Dort alles rein und nett in Ordnung brachte.

Ein groß Stück Rheinlachs neben leckeren Forellen,
Im Maul der letztern prangte frisches Grün,
Und dazu Wein, von Badens „Goldwand” stammend,
Verlockten bald zu einem Angriff kühn;
Es mochte auch der weite Ritt am Morgen
Für guten Appetit der Dreie sorgen.

Als Würze kam zum Mahl der Wirthin harmlos Plaudern,
Das stets vom Vogt auf’s neue ward geweckt;
Sie bat dazwischen, tapfer zuzugreifen,
Da es sie freue, wenn’s den Gästen schmeckt.
Die Herren thaten denn auch so; indessen
Das Fräulein lieber lauschte, statt zu essen.

Die Redesel’ge wurde endlich müde, oder
Der Stoff versiegte ihrem rothen Mund;
Denn sie empfahl sich mit dem schlauen Vorwand:
Am Buffert stecke noch das Schlüsselbund,
So abzuziehen vorhin sie versehen —
Und nun konnt’ Elsbeth auch an’s Essen gehen.

Als sie zu Ende, gönnten sich die Drei am Tische
Noch etwas Ruhe, unter Plaudern zwar,
Eh’ es hinaus ging in des Marktes Treiben,
Wo heute manches einzukaufen war.
Die Wirthschaft braucht gar viel im Lauf des Jahres,
Nun lacht der Krämer, bringst Du Geld ihm, baares.

Auch Jochen und sein Packpferd mußten mit zum Markte;
Denn was die Herrschaft kauft, er lädt es auf.
Bald standen sie im dichtesten Gedränge,
Doch dabei ward geschlossen mancher Kauf;
Es ruhten Zindal, Palmat, feines Saben,
Schon tief in Jochens Packkörben vergraben.

Zum Kulterüberzuge für des Vaters Lehnstuhl
Gab Elsbeth heimlich noch ihr Spargeld her;
Indeß Herr Heinz still bei sich überlegte,
Was wohl dem Töchterlein zu kaufen wär’;
Herr Kuonrad aber schlich sich unterdessen
Von ihnen weg, den Marktplatz zu durchmessen.

Bei einem Goldschmiedladen blieb er jedoch stehen,
Es lockte dorten ihn ein Ringlein fein.
Ohn’ viel zu feilschen, kaufte er das Reifchen
Und barg es in sein dürftig Beutelein;
Dann zog’s ihn wieder, Elsbeth aufzusuchen,
Die er auch fand bei einem Zelt mit Kuchen.

Ein Ritterfräulein, aus gebräuntem Teig gebacken,
Mit Kleid und Hut und buntem Frauentand,
Geruhte, huldvoll, sie für ihn zu kaufen
Und drückte ihm dies flink nun in die Hand.
Nicht lange zögernd kaufte, unter Scherzen,
Der Junker dafür eins der braunen Herzen.

„Allüberall ist Minne, nur in der Höll’ nicht drinne!”
Hieß dessen Aufschrift; als das Wiederspiel
Zu seinem Fräulein, schenkte er es Elsbeth,
Verhoffend, daß das Sprüchlein ihr gefiel’;
Sie nahm es lachend an, worauf inmitten
Der Zeltenzeilen Beide weiter schritten.

Jetzt kam des Schlosses Ingesinde an die Reihe,
Denn einen Kram erwarten Knecht und Magd.
Es durfte Elsbeth derer nicht vergessen,
Die sich Jahr aus Jahr ein im Dienst geplagt;
Zum ersten mußte da sie Frida’s denken,
Der sie ein „hornin Noster” wollte schenken.

Als dies in Ordnung, wurden auch die andern alle
Der Reihe nach bedacht mit Tüchern, Band
Und derlei Herrlichkeiten; auch mit Hel’gen,
Wie es die Herrin für sie passend fand;
Noch kam auch manches, deß’ sie erst nicht dachte,
Das, schön zur Schau gestellt, um’s Geld sie brachte.

Des Rößleins Körbe waren ziemlich voll geworden
Und Jochen konnte damit heimwärts ziehn,
Als auch die Glocken schon sich hören ließen,
Zum Zeichen, daß die Vesperzeit erschien;
Es legte sich der Lärm, das Feilschen, Schwören,
Der Chorherrn Vespersang ja nicht zu stören. —

Wie Viele, zog’s auch unser Dreiblatt in die Kirche,
So freundlich lag im Abendsonnenschein.
Dort lauschten voller Andacht sie dem Sange
Des Chores, Elsbeth stimmte auch mit ein;
Hell stieg aus ihrer Brust ein süß Erklingen
Von Tönen, die beschwingt zum Himmel dringen.

Bald jedoch war der feierliche Sang zu Ende
Und ging’s hinüber in der Propstei Saal,
Wo lange, weißgedeckte Tafeln harrten
Der Gäste, die geladen sind zum Mahl.
Auch Elsbeth trat, geblendet fast vom Schimmer
Der Kerzen, an des Vaters Arm in’s Zimmer.

Wohl pochte anfänglich es bange ihr im Herzen,
Und machte gar verlegen sie der Wahn,
Als ob hier Alle, wie mit einem Blicke,
Nur ihr und wieder ihr entgegen sahn;
Fast stolz jedoch, schritt mit ihr durch die Reihen
Der Vater, und Herr Kuonrad folgt’ den Zweien.

Herr Heinz stieß bald auf ihm bekannte Edelleute,
So daß er grüßend anhielt hier und dort;
Er wechselte auch im Vorübergehen
Mit dem und jenem wohl ein länger Wort.
Zum Beispiel mit dem Herrn von Alt-Kränkingen,
Dem Gutenburger und dem Wielandingen.

Es kamen auch die Nachbarn, Heiner, vom Schloß Rötteln,
Den Elsbeth öfter schon beim Vater sah;
Der Freiherr von Schwarz-Wasserstelz im Rheine,
War mit Gemahlin und der Tochter da,
Und endlich noch trat mitten aus dem Schwarme,
Des Schlosses Kaplan mit dem Ohm am Arme.

Beim Wiedersehen ihrer beiden alten Freunde,
Ward es in Elsbeths Herzen mälig leicht;
Ihr frischer Liebreiz und anmuthig Wesen
Hätt’ einer Königin zur Ehr’ gereicht,
Bald ruhten aller Augen mit Gefallen.
Auf ihr, so hier die Schönste war von Allen.

Wie zu der Rose hin die Falter ziehen, zog es
Die Herren zu der wunderschönen Maid;
Es sprachen von der „Küssaberger Blume”
Die Damen, wohl nicht ohne leisen Neid.
Sie aber, nun den Oheim sie gesehen,
Bat ihren Vater, mit zu ihm zu gehen.

Der Ohm erkannte sie nicht gleich, es war schon lange
Seit er zum letzten Mal sein Niftel sah.
Das Kindlein, so er auf dem Kniee geschaukelt,
Wär’ vor ihm die vielschöne Jungfrau da?
Doch jeder Zweifel mußte ihm vergehen,
Er sah ja seinen Bruder bei ihr stehen.

Auch rief ihr herzig Plaudern jetzt dem alten Herren,
Die längst verwichnen Zeiten schnell zurück.
Hei! wie erstrahlten, als er ihrer dachte,
Die schönen Augen Elsbeths voller Glück.
Er mußte wieder sie „traut Else” nennen,
Eh’ will sie heut’ sich nicht mehr von ihm trennen.

Der Ohm that’s lächelnd. Dann begleitete er Beide
Zum Stiftspropst hin, der schon im Saale war,
Nicht wenig stolz sein Niftel präsentirend;
Der reichte gnädig eine Hand ihr dar
Und schmunzelte, als Elsbeth, sich verneigend,
Dieselbe küßte, ihre Ehrfurcht zeigend.

Gern überließ der Vogt die Tochter nun dem Bruder
Und sah sich um, wo denn Herr Kuonrad blieb;
Der war hier fremd und harrte längst des Freundes,
Daß er ihn vorstell’, wie der Brauch es schrieb.
Dies that der Vogt und, weil er Viele kannte,
Wußt’ bald ein jeder, wie der Herr sich nannte.

Es hatte dabei wohl des Junkers höfisch Wesen,
Zu manchem Gönner ihm verholfen schon.
Wie immer, waren es zuerst die Damen,
Die er gewonnen durch vornehmen Ton,
Und war dies auch natürlich, da die Frauen
Vor Allem stets auf feinen Anstand schauen.

Die Freiin von Schwarz-Wasserstelz hielt bald den Junker
Gefangen sich; auch ihr hold Töchterlein,
Die braune Adelgunde ließ, nicht schüchtern,
Mit ihm sich tief in ein Geplauder ein,
In welchem sie ihn fest zu halten wußte,
Bis er mit Elsbeth jetzt zur Tafel mußte.

That es der Zufall — oder Fräulein Adelgunde?
Die gern den Junker länger hielt in Haft,
Daß sich die Freiin grade gegenüber
Des Vogtes Sippschaft einen Platz verschafft!
Es war geschehn. Doch, jetzt begann das Essen,
Für’s Erste stille und gar steif, gemessen.

Als jedoch nach dem Braten laut der Vogt von Baden,
Das erste Hoch dem Vrenenstift gebracht,
In süßem Vino d’Asti, so die Damen,
Schon damals gerne tranken, kam es sacht,
Wie Frühlingswehen, in der Gäste Reihen;
Froh mochte jeder sich dem Nachbar weihen.

Nach jedem Hoch und Heilo, das im Saal erbrauste
Auf Stift und Propst und dessen Gastfreiheit,
Erhöhte sich der Gäste munter Wesen
Und waltete gar bald Gemüthlichkeit,
Die machte, daß die Alten wie die Jungen,
Beim Mahl sich unterhielten ungezwungen.

Nur Elsbeth blieb in sich gekehrt und schweigend, bedrückt
Von Qualen, die sie nie gefühlt zuvor.
Ein heimlich Wehe nagte ihr am Herzen,
Im zarten Busen quoll es heiß empor;
Doch mochte schwerlich einer dies beachten
Von allen, die ihr einen Trunk zu brachten.

Vertieft in ihr Gespräche, schlürften Ohm und Vater
Behaglich dann und wann ein Gläslein Wein,
Bis drauf der Vogt, dem auch der Pfarrer folgte,
Sich plaudernd wandte an die Nachbarn sein;
Nicht merkend, daß, im Auge feuchtes Blinken,
Jung-Elsbeth saß, als sei ihr Muth am Sinken. —

Für Elsbeth viel zu lange, hielt der Freifrau Plaudern
Den Junker fest und, schwieg die letztre mal,
Dann wußte wieder Fräulein Adelgunde
Zu fesseln ihn mit Fragen ohne Zahl,
So daß im Stillen der sich schier beklagte,
Wenn offen er’s auch nicht zu zeigen wagte:

Er hielt denn artig aus, wie es sich ziemt bei Damen,
Für einen Mann, der gute Sitte kennt,
Und sagte ihnen, mit gewählten Worten,
Manch feines, aber höfisch Compliment,
Das, er war sicher, drang’s zu Elsbeths Ohren,
Für sie so gut wie jeden Sinn verloren.

Sie aber zwang es, wie sie sich auch drob erwehrte,
Doch immer wieder, nach dem Freund zu sehn,
Was links und rechts die Nachbarn fröhlich plaudern,
Es schuf ihr Mühe, dieses zu verstehn;
Sie sah nur ihn und hörte ihn nur sprechen,
Wollt’ auch, vor Weh, das Herz ihr drüber brechen.

Zwar winkte oft Herr Kuonrad mit dem Glas hinüber
Und trank ihr Wohlsein mit beherztem Zug;
Doch jedes Mal, wenn dann sie sprechen wollte,
Kam ihr die Freiin zuvor oder frug
Just Adelgunde etwas und — befangen,
Schwieg drauf sie wieder mit erglühten Wangen. —

O Maid, weißt Du denn nicht, daß Du im Netz verstricket,
Das, viel zu frühe, Dir Dein Herz gestellt?
Ahnst Du denn nicht, daß Dich die Macht bezwungen,
Der widerstand noch Niemand in der Welt?
Mag immerhin Dein Mund das Wort auch hehlen,
Du fühlst es dennoch auf dem Grund der Seelen.

Du fühlst im Herzen Dein der ersten Liebe Werben,
Aus Deinen Sonnenaugen schaut sie klar;
Ein süß Gefühl durchschauert Dir die Seele,
Was es bedeutet, wird Dir offenbar,
Nun, unwillkürlich, nimmst Du Dich zusammen,
Soll Keiner ahnen, daß Dein Herz in Flammen. —

Ihr Weh bezwingend, suchte Elsbeth im Gespräche,
Das zwischen Ohm und Vater neu im Gang,
Auch ab und zu ein Wörtlein mit zu reden,
Als laut ihr Glas in hellem Ton erklang
Und sie den Kaplan sah, dem nicht entgangen,
Wie immer bleicher worden ihre Wangen.

Der brave Herr, vom Weine etwas warm geworden,
Blieb eine Weile still, als sänn’ er nach;
Doch that er dies, um besser sehn zu können,
Was aus den Augen seines Lieblings sprach,
Und nun er tief in ihrem Blick gelesen,
War, schien es, klar ihm, was der Grund gewesen.

Sich an Herrn Kuonrad wendend, sprach er launig: „Junker!
Gönnt Unsereinem auch einmal das Wort!
Wie wär’s, so Ihr mit uns ein Gläslein lüpftet,
Eh’ Euch im Sprechen noch die Zunge dorrt?
Ein edel Tröpflein darf nicht lange stehen,
Soll dessen Blume nicht in Dunst verwehen!”

Mit sichtlichem Vergnügen folgte auch Herr Kuonrad
Und wandte sich zu Benno mit dem Glas,
Der leise schmunzelnd auf die Seite schaute,
Weil, etwas groß, der Freiin Blick ihn maß,
Daß er den Muth besessen, sie im Sprechen
Mit solchem Herren frech zu unterbrechen.

Doch bald sprach Benno lächelnd: „Daß Ihr uns vergessen,
Erfordert wahrlich Buße nach Gebühr;
Drum trinket Eins mit Euern Hausgenossen,
Sonst seht Euch nur bas auf den Heimweg für!”
Der Junker fügte sich dem Urtheil willig
Und that die Buße, wie es recht und billig.

Sein eigner Zutrank darauf aber galt jetzt Elsbeth.
Sie hielt ihr Kelchglas zitternd in der Hand
Und blickte schüchtern in des Freundes Antlitz,
Der, ihr zum Wohl, ein feines Sprüchlein fand.
Im Nu war all’ das Herzweh da vergangen. —
Und prangten, wie mit Rosen, ihre Wangen.

Dem Kaplan war es mittlerweile doch gelungen,
Daß er die Freifrau unterhielt beim Mahl;
Nun hielt er schlau die Plaudernde gefangen
Mit Frag’ und Antwort ohne Wahl und Qual;
Selbst, als den Freund bedrängte Adelgunde,
Hascht’ klug auch dieser er das Wort vom Munde!

Der Junker mühte sich indessen, braune Mandeln
Für Elsbeth auszuknacken als Dessert;
Derweilen sie dem Vater nun erzählte,
Daß heute schon sie fast verunglückt wär’,
So nicht Herr Kuonrad noch vorm Ungeschicke
Beschützte sie im letzten Augenblicke.

Als Elsbeth schwieg, bedankte sich der Vogt beim Freunde
Und meinte, der sei jetzt der Schuld auch bar,
Die schwer das weiche Herze ihm bedrückte,
Seit jenem Tag, als das Gewitter war;
Das Töchterlein sei nun bei ihm in Schulden
Und müsse, die zu zahlen, sich gedulden.

Dies jedoch wollte Jener nun nicht gelten lassen
Und blieb dabei, daß er in ihrer Schuld
Sein ganzes Leben lang sich fühlen werde,
Ob der an jenem Tag erwies’nen Huld;
Was er gethan, sei nimmer zu vergleichen
Und aus dem Schuldbuch als bezahlt zu streichen.

Nun war es Elsbeth wieder, die von solcher Rede
Nichts hören wollte und Herrn Kuonrad droht’,
Wenn er sich seiner Schuld nicht ledig achte,
So thue er sich selber dies zu Noth;
Er dürfe nicht mehr jenes Diensts gedenken,
Sonst würde sie es ihrer Lebtag kränken.

Bei solcherlei Geplauder war es spät geworden,
Doch achteten die Frohen nicht der Zeit,
Bis Benno, mahnend, sich zu ihnen wandte,
Zum Aufbruch rathend, denn der Weg sei weit.
Er hatte noch sein Roß in Rheinheim stehen,
Und mußte nun zu Fuß bis dorthin gehen.

So brachen sie denn auf. Doch schritten erst die Viere
Noch Abschied nehmend durch der Gäste Reihn;
Als dies geschehen, ging es hin zur „Rosen,”
Wo Kunz längst wartete der Herrschaft sein.
Daß ja der Rosse Tritte Niemand wecken,
Verließen sie in sachtem Schritt den Flecken. —

Die Nacht war hell. Des Mondes volle Scheibe glänzte
Gleich Silber an des Himmels bleichem Blau.
Wie Zauber lag es über Wald und Fluren;
Im Wiesengrüne schimmerte der Thau,
Tief unten floß der Rhein im klaren Bette
Und blinkte mit dem Mondlicht um die Wette.

Vor Rheinheims altberühmtem Posthaus hielt die Truppe,
Wo schon der Kaplan hoch zu Rosse war.
Noch ließ der Vogt geschwind zwei Kannen füllen
Und brachte Joachim, der Wirth, sie dar;
Der Schloßvogt ritt, dem „Markgräfler” zu Ehren,
Hier nie vorüber, ohne einzukehren.

Doch, nun der Wirth die Kannen nochmals füllen wollte
Da wehrte Benno, und ging’s wieder fort
In schlankem Trabe durch des Mondlichts Wellen.
Es fiel nur selten mal ein lautes Wort;
Herr Kuonrad gab jetzt Elsbeth das Geleite,
Und ritt der Kaplan an des Vogtes Seite.

Vom Weine warm und sich nach Ruhe sehnend, ritten
Die Herrn allmälig immer schneller hin,
Indessen Elsbeths und des Junkers Rößlein
Bald jede Eile unvonnöthen schien;
Sie wollten nicht von ihrer Meinung weichen,
Daß auch im Schritt die Heimath zu erreichen. —

Kein Lüftlein regte sich, kein Laut war zu vernehmen;
Es ruhten Berg und Thal in süßem Traum.
Der Weg lag weiß im Silberlicht des Mondes,
Goldschimmernd Herbstlaub schlief an Strauch und Baum;
Aus blauer Höhe nieder, blinkten ferne
Des Schlosses Lichter, gleichwie matte Sterne.

In Seligkeit verloren, weil den Freund zur Seite,
Ritt Elsbeth sinnend durch die linde Nacht.
Darf sie denn ihm von ihrer Minne flüstern,
Darf sie ihm sagen, was sie glücklich macht?
Soll sie verrathen, was ihr Herz empfindet,
Welch’ wonnig Träumen ihr die Lippen bindet?

Herrn Kuonrad war es selber auch nicht viel um’s reden.
Er ritt, die Zügel lässig in der Hand,
Zur Seite Elsbeths, seine braunen Augen
In einemfort der Holden zugewandt;
Denn, sah er in ihr Antlitz, schien ihm immer,
Als strahlte daraus her der Mondenschimmer.

Versunken in ihr Schweigen ritten still die Beiden,
Bis, wo der Weg sich abbog aus dem Thal
Und links nach Bechtersbohl zur Höhe führte;
Wo er dann rauher ward und dabei schmal
Am Abhang lief, meist zwischen dunklen Fichten,
Die, nah’ dem Schlosse erst, sich wieder lichten.

„Erzählet etwas, Fräulein!” meinte nun der Junker,
Als hier die Pferde wechselten den Gang,
Um, voller Vorsicht, auf dem Pfad zu klimmen,
Der tief im Schatten auswärts stieg am Hang.
„Wenn wir mit Sprechen Kurzweil uns bereiten,
Scheint nicht der Weg so lang, nach Haus zu reiten!”

„Ja, Ihr habt recht! Nur wird mein schlicht Erzählen
Euch kaum genügen,” gab Elsbeth zurück,
„Und müsset Ihr halt Nachsicht mit mir haben;
Mein Wissen bildet just kein großes Stück.
Doch sollt zum mindsten Ihr den Willen sehen,
Wollt später Ihr auch meiner Frage stehen!”

Herr Kuonrad sagte zu, ihr ehrlich Red’ zu geben,
Was sie auch immer von ihm fragen sollt’;
Nur müsse sie etwas aus ihrem Leben
Ihm erst erzählen, eh’ er reden wollt’.
Da ging denn Elsbeth munter an’s Erzählen;
Der lange Weg schien Keines mehr zu quälen.

Es wich ihr traulich Plaudern aber bitterm Ernste,
Als auch die Rede auf den Vater kam.
„Sein eigen,” meinte Elsbeth, „wär’ hier Alles,
So nicht der Bischof einst das Erbe nahm
Jetzt freilich würd’ selbst dieses nicht mehr nützen,
Es fehlt ein Sohn, der’s weiter möcht’ beschützen.”

„So ist der Vater denn der letzte Küssaberger
Und gehet,” fügte traurig sie hinzu,
„Mit ihm und seinen ältern beiden Brüdern,
Mein uralt Ahngeschlecht zur letzten Ruh’;
Doch ist mir oft, als hört’ mein Herz ich sagen,
Man wird uns nennen noch in späten Tagen!”

Nach diesen Worten hielt sie unwillkürlich inne
Und nahm Herr Kuonrad darum nun das Wort.
Er frug: „Ja, wo bleibt Ihr denn, wenn im Vater
Verlieret Ihr, einst Euern Schutz und Hort? —
Ihr wisst, der Weise denket auch an Morgen;
Mich würd’ es schmerzen, wüßt’ ich Euch in Sorgen!”

„Habt vielen Dank, Herr!” lautete die Antwort Elsbeths,
„Es wäre unnütz, wenn Ihr Sorgen hegt.
Bekanntlich wird ja in den deutschen Gauen
Der Frauen Recht vom Manne stets gepflegt;
Wir kennen nicht des Willens frei Genießen,
Auch ziemt uns schlecht das eigene Entschließen.”

„So darf auch mir mit nichten für die Zukunft bangen.
Ich soll, wie dieses armen Töchtern geht,
Im Sankt Agnesenstifte zu Schaffhausen
Mein Leben Gott darbringen im Gebet;
Der Vater glaubt, er wird dann ruhig sterben
Und sich und mir das Himmelreich erwerben.”

„In’s Kloster! Ihr?” rief voll Entrüstnug da Herr Kuonrad
Und riß den Rappen einen Schritt zurück.
„Der Jugend schöne Tage wolltet Ihr vertrauern?
Von selbst entsagen allem Erdenglück? —
Könnt Ihr dies thun, so sag’ ich ohne Scheuen,
Zeit meines Lebens soll mich nichts mehr freuen!”

„Doch, Euch beliebt zu scherzen!” sprach er dringlich weiter,
„In enger Zelle ist gar dumpf die Luft.
Der Weihrauch riecht zwar gut, doch angenehmer
Beut sich im Frühling frischer Blümlein Duft;
Auch dächte ich, im Wald der Tannen Rauschen
Behagte mehr Euch, als der Orgel lauschen!”

„Und dann — was werden Eure Hör’gen dazu sagen,
So Noth und Elend Ihr nicht mehr, wie heut’,
Von ihnen wendet? Was des Dörfleins Kinder,
Wenn ihnen Niemand mehr ein Naschwerk beut?
Könnt Ihr noch Gutes thun und nützlich walten,
So feuchte Mauern Euch gefangen halten?”

„Nein, Elsbeth! Ihr müßt eines Mannes Gattin werden,
Sein bester Freund ihm sein in Sorg und Noth;
Sein harsches Wort durch Eure Güte mildern,
Ein Schutz und Trost, so Elend ihn bedroht;
Im Glück den Uebermuth ihm ferne halten,
Als guter Geist zu seinen Häupten walten!”

„Glaubt einem Freunde — jener Mann ist zu beneiden,
Dem Euer Herze nur ein wenig hold;
Er findet seinen Himmel schon auf Erden,
Gewähret Ihr ihm süßer Minne Sold.
Nun, Elsbeth, sprechet! Sagt es mir ganz offen,
Habt wirklich Ihr die Wahl schon gültig troffen?”

Sein heißes Herz nicht mehr bemeisternd, bog Herr Kuonrad
Sich nun zu Elsbeth und nahm ihre Hand
In seine Rechte, die sie jedoch zitternd
Im nächsten Augenblicke ihm entwand.
’s war gut, daß hinter dichten Fichtenzweigen,
Der Mond sich barg; er half der Maid jetzt schweigen.

In ihrem Herzen freilich rief’s in hellem Jubel:
„Er liebt mich!” und der frische, rothe Mund
Möcht’ freudig es in alle Lüfte jauchzen,
Es künden laut dem ganzen Erdenrund,
Daß es erklänge, als ein Lied der Lieder:
„Er liebt Dich und Du Sel’ge liebst ihn wieder!”

Doch leider schwieg gar bald des Herzens Jubiliren;
Es faßte sie ein schneidig, bitter Weh,
Das einem Lenzfrost gleich sie kalt durchschauert’,
Mit jähem Tod bedroht den Blüthenschnee,
Als Elsbeth dachte, was der Vater sage,
Wenn irdisch Glück sie zu erhoffen wage. —

Vor Kurzem noch war es ihr schönster Traum gewesen,
Vereinigt mit den Schwestern im Gebet
In stiller Klause, von der Welt geschieden,
Um Glück zu flehen, das kein Sturm verweht;
Es hatte oft ihr Herz in solchen Stunden
Schon hier des Himmels Seligkeit empfunden.

Und nun? Wie vor der Sonne Kuß der Rauhreif schwindet,
Schwand vor Herr Kuonrads Worten hin der Traum;
In wenig Wochen war das Kräutlein Minne
Ihr aufgeblüht zum schönsten Maienbaum.
Ja, wo die Liebe naht, muß alles weichen,
Wie vor des Tages Licht die Sternlein bleichen.

Seltsame Maid? Als Antwort auf des Freundes Frage,
Stahl aus den Augen sich ein Thränlein heiß.
War dessen Quelle die Entsagung, oder
Erblinkte es, weil sie sich glücklich weiß?
Wie kommt es, daß der Seele Freuden, Leiden,
Wenn sie am höchsten sind, das Wort vermeiden? —

In tiefem Schweigen ritten Beide bis zur Höhe.
Des Mondes Licht, es flutete um sie;
In blauer Dämmerferne lag, wie Silber,
Der weiße Alpenkranz in hehrer Harmonie,
Und leise nur, fast kaum noch zu erlauschen,
Scholl fernher durch die Nacht des Rheinfalls Rauschen.

Noch wenig Schritte und es hob sich schon der Bergfried,
Vom Mond beleuchtet aus der Nacht empor.
Durch Buschwerk schimmerten des Schlosses Mauern
Aus dunkler Blätterwirrniß hell hervor.
Doch, eh’ sich Thor und Brücke mochten zeigen,
Blieb noch ein letztes Stück bergan zu steigen.

Da, seine Frage ihr erneuernd, faßte leise
Herr Kuonrad Elsbeth wieder bei der Hand
Und blickte spähend in der Holden Antlitz,
Ob da die Antwort nicht zu lesen stand.
Statt solcher sah er nur ein schnell Erröthen,
Das ihm verrieth, wie sehr ihr Herz in Nöthen.

„Ihr zaudert, Elsbeth?” klang es weich von seinen Lippen,
„Ja, wer die Wahl hat, der hat auch die Qual!
Nun denn, es sei die Antwort Euch erlassen,
Bis Ihr die selbst mir sagt aus freier Wahl.
Doch, daß wir Beide dieses Tages denken,
Erlaubet mir, Euch diesen Ring zu schenken!”

Vor Elsbeths Blicken glänzte hell ein gülden Reiflein
Im Mondschein, das der Junker kühnlich nun
Auf einen ihrer schlanken Finger streifte,
Die warm und weich in seiner Linken ruhn;
Dann ließ der Glückliche die Hand entgleiten
Und trieb den Rappen schneller auszuschreiten.

Aus ihrem Sinnen aufgeschreckt und gluthbegossen,
Da solcher Ueberraschung sie nicht dacht’,
Griff Elsbeth aber jetzt nach ihrem Kettlein,
Und hatte dran das Schaustück losgemacht.
Es war ein Münzlein, gülden und gar selten,
Mit ihm will sie Herrn Kuonrad nun vergelten.

„Soll ich das Ringlein werth behalten,” sprach sie flüsternd,
„So dürft Ihr es nicht weigern, auch ein Stück
Von meinem kleinen Reichthum zu empfangen;
Es ist geweiht und bringt dem Träger Glück.
Des Tages aber will ich bas gedenken
Und billig meine Frage Euch nun schenken!”

So sprechend, bot sie fröhlich ihr Geschenk dem Junker,
Der, ohne sich zu sperren, es auch nahm
Und lächelnd nun versprach, es stets zu tragen,
Gedenkend der, von welcher es ihm kam.
Er wollte noch mehr sprechen, doch da sahen
Sie ihnen eilig sich Mechtildis nahen. — —

Das Mädchen hatte sich den Beiden kaum genähert,
Als schon sie, aufschluchzend, der Herrin klagt’,
Daß Hansli halb todt in der Halle liege,
Von seinem Flugversuch, den er gewagt.
Im Busch der Halde habe sie ihn funden,
Und sei der Aermste jämmerlich zerschunden.

Da schien’s, als ob auch Elsbeths Zelter stiegen sollte,
So rasch ging es des Schlosses Brücke zu;
Schon dröhnten unter ihm die schweren Bohlen
Und war die Herrin dann bei Hans im Nu.
Mechtildis hatte ihr ja nie verschwiegen,
Daß Hansli damit umging mal zu fliegen.

Nun waltete das Fräulein an des Kranken Lager
Und ordnete, was für das Knechtlein gut;
Doch war, zu seinem Glück, ihm nichts gebrochen.
Die Herrin spendete ihm also Muth
Und stillte, milde tröstend, seinen Jammer,
Eh’, selber müd, sie suchte ihre Kammer. —

Herr Kuonrad ritt im Schritt vollends zum Schlosse fürder
Und lauschte dabei auf der Magd Bericht:
Daß Hansli, unter beiden Armen Wannen,
Wie man in Schleitheim sie seit langem flicht
Und er als Flügel nutzen wollt’ beim Fliegen,
Um Vesperzeit den Bergfried hätt’ erstiegen.

„Das Fliegen wär’ gelungen,” sprach Mechtildis weinend,
Wenn er gewartet bis der Vogel Specht
Ihm eine Springwurz schaffte; ohne solche
Gedeiht so wäges Thun dem Menschen schlecht.
Er stürzte darum, trotz den beiden Wannen,
Kopfüber, grad hinunter in die Tannen.

Dann fing das arme Mägdlein wieder an zu schluchzen,
Daß es erbarmen konnte einen Stein;
Hielt aber Schritt doch mit des Junkers Rappen,
Um ihrem Schatz nicht lange fern zu sein. —
Nun liegen Thor und Zingeln hinter beiden,
Im Mondschein ruhen Felder, Wald und Waiden.

Zierde


Fünftes Kapitel.

Jagdzug

Novembermonat hat die Herrschaft übernommen;
In weiße Decken hüllt er Berg und Thal,
Vom Sturm gerüttelt stehen Busch und Bäume,
Des Blätterschmuckes ledig, nackt und kahl.
Was nun nicht Nadeln trägt im Waldreviere
Muß schlafen gehn, damit es nicht erfriere.

Grün Tanngezweig hängt, von des Schneees Last gebogen,
Herunter dort aus den Wachholderstrauch,
Der, übersäet mit blauen Beerlein, pranget,
Regiert der Winter auch mit strengem Brauch;
Indessen rothe Mehl- und Vogelbeeren
Sich ganz umsonst des frühen Todes wehren.

Auf kahlem Zweig sich duckend, zirpt ein Vöglein leise
Und wundert sich, vom Schneemann überrascht,
Daß sein gedecktes Tischchen ausgeblieben,
An dem es gestern noch so frei genascht.
Nun muß es hurtig sich beim Mahle eilen
Und die paar Beerlein mit gar vielen theilen.

Vom bösen Hunger aus dem warmen Nest getrieben,
Das Häslein sich gescharrt am Fichtenbaum,
Hüpft es in Sprüngen, ohne viel zu äugen,
Den Schnee hindurch zum nahen Waldessaum;
Dort grünt ein Saatfeld, nicht zu tief vergraben,
Deß’ zarte Keime es gar köstlich laben.

Auf seinem Pfad stößt Langohr auf die frischen Spuren
Von Seinesgleichen, in den Schnee gedrückt;
Das läßt ihn hoffen, daß nach leckrem Mahle,
Am Ende auch ein muntres Tänzchen glückt,
Denn Lampe hat ein warmes Herz zu Zeiten —
Und läßt sich dann zum Uebermuth verleiten.

In weitem Zickzack schleicht Freund Reinecke nach Hause.
Sein Bäuchlein hat im Thale er gefüllt,
Nun zieht’s ihn bergwärts zum versteckten Baue,
Um dort, in seinen Winterpelz gehüllt,
Den kurzen Tag in Ruhe zu verträumen,
Falls nichts ihn zwingt, sein sicher Heim zu räumen.

Im Matzenthale drüben ziehen Hirsch’ und Rehe,
Für ein paar Stunden satt, sich scheu zurück;
Sie kreuzen auf dem Hornspitz ihre Fährte
Mit manchem waidgerechten Schwarzwildstück.
An schlanken Stämmen hört man Spechte hämmern
Und fern im Osten fängt es an zu dämmern.

Im klaren Aether scheint der Alpenkranz so nahe,
Als trennte nur die Breite einer Hand;
Die weißen Häupter werfen scharfe Schatten,
In tiefer Bläue stehen Schrund und Wand.
Schon wogt in Gluthen und in goldnen Blitzen
Das Morgenroth um eisverhüllte Spitzen.

Aus Purpurschleiern hebt sich säumig nun die Sonne,
Als goldner Ball beginnend ihren Lauf;
Die wen’gen Strahlen, so sie heut’ begleiten,
Sie schossen vor ihr schon am Himmel auf,
Beleuchten rosenfarb des Schlosses Fronte,
Indeß’ sie selbst noch tief am Horizonte.

Doch weh! Die goldnen Gluthen, sie verblassen wieder;
Gleich Schleiern sinkt es um der Berge Haupt,
Der Wolken zart Geweb’ wird mälig dichter,
So daß sein Grau dem Blick die Fernsicht raubt.
Schon ist auch von der Sonn’ nichts mehr zu sehen,
Vom Randen her zieht scharf des Nordwinds Wehen.

Da, horch! Es tönt vom niedern Hungerberg herüber
Ein hell Halali! durch die Morgenluft,
Dem bald, als ob es drauf gewartet hätte,
Vom Thurm des Wärtels Horn die Antwort ruft;
Dann poltert Hufschlag auf der Brücke Bohlen
Und „Waidmanns Heil!” hört man vom Bergfried johlen. —

Es war Herr Kuonrad und der Vogt, die hoch zu Rosse,
Begleitet von des Schlosses Jägertroß,
In’s nahe Matzenthal hinüber ritten,
Wo Küssaberg das Wildbannrecht genoß.
Statt Hansli, der noch lahmte, führte heute
Der dicke Kunz der Rüden laute Meute.

Wie oft schon, so auch kürzlich wieder, lud die Nachbarn
Von Wasserstelz der Vogt zur hohen Jagd,
Vereinigt wollten sie am Tage pirschen
Und dann probiren, wie der „Neu” behagt,
Mit dem Herr Heinz, nach stattgehabtem Hetzen,
Die Freunde dachte gastlich zu ergötzen.

Der Freiherr und sein Sprößling Udo, sie versprachens.
Nun mußte Jochen dran, nach Waidmannsbrauch,
Im Walde einen „Hirzen” zu bestät’gen;
Da gestern dies gelang dem schlauen Gauch,
So ließ noch spät der Vogt den Herrn berichten,
Sie möchten sich für heut’ auf’s Jagen richten.

Im jungen Schlage drüben, bei den sieben Wegen,
Soll man sich treffen, war es abgemacht.
Nun sind die Gäste angelangt und harren
Bei einem Feuer, das sie flink entfacht,
Des Freundes, während Udo’s Jägersegen
Ihm schon von weitem hallte froh entgegen.

Und nun — ei sieh! Herr Kuonrad wollte sich’s kaum glauben,
Als auch er Adelgunden da erblickt’,
Die hoch zu Roß, doch ohne Jagdgewaffen,
Erröthend ihm und fast vertraulich nickt’
Und vorgab, daß kein lustiger Ergetzen
Sie kenne, als des Waldes Wild zu hetzen.

Ein kurzer Gruß und fort gings, nach des Leithunds Führung,
Waldeinwärts bald auf tiefverschneitem Weg,
Der, nicht gar lang, zum Matzenthal sie brachte,
Da Jochens „Hirz” im dichtesten Geheg
Ein stilles Ruheplätzchen auserlesen,
Wo er sich niederthat nach jedem Aesen.

Von Jochen gestern schon geknickte Zweige weisen
Den Pfad dem Schlauen zu des Thieres Stand,
Nun auch der Wind ihm glücklich abgewonnen,
Giebt er dem Kunz ein Zeichen mit der Hand;
Der löst die Koppel frei, die Rüden rasen
Dem Dickicht zu mit tief gesenkten Nasen.

Nun, zierlich Rehlein, auf! und Du, Freund Lampe, ducke
Dich tief in’s Nestlein unterm lockern Schnee!
Mit Windeseile nahen sich die Feinde,
Und Spieß und Armbrust bringen Tod und Weh;
Gilt’s auch dem „Achtzehnender” heut’, dem Stolzen,
Gar leicht verirren sich des Waidmanns Bolzen!

Durch Wald und Buschwerk stürmt es hin in wildem Jagen,
Der Hirsch voran in unentwegtem Muth;
Laut schallt es Hussa! Hallo! Holla! Heda!
Wo eben noch die Stille selbst geruht.
Die Meute bellt, es hallt der Jäger Rufen,
Der Boden bebt fast unter Rosses Hufen.

In weiten Sprüngen geht es über Wurzeln, Gräben,
Dem Flüchtling nach, wie eilig der mocht’ fliehn,
Und mit den Jägern hetzt auch Adelgunde,
Dem Junker stets zur Seite bleibend, hin.
Was treibt die Maid solch’ kühnen Ritt zu wagen,
Im Fluge durch des Waldes Dickicht jagen?

Ja, wer der Frauen Herze ganz durchschauen könnte
Mit klarem Blicke bis zum tiefsten Grund,
Den Pfaden folgen, die zur Seele führen,
Dem würde darauf jetzt die Antwort kund
Und damit auch die große Kunst gelungen,
Von der bis heute manches Lied erklungen. —

Die Beiden sausen fort auf schaumbedeckten Rossen,
Daß Adelgundens Kleid im Winde weht;
Dem Junker mangelt Will’ und Weil’ zum Sprechen,
Doch dafür denkt er an Elisabeth,
Und wie auch jene immer mag beginnen,
Er muß sich jedes Mal auf’s Wort besinnen.

So reiten sie dahin in scharfem, heißem Hetzen,
Hoch wirbelt hinter ihnen auf der Schnee;
Ihr Fragen hat das Fräulein aufgegeben
Und fühlt’ im Herzen nun ein seltsam Weh.
Doch kann sie sich nicht von Herr Kuonrad trennen,
Bleibt treu zur Seite ihm beim wilden Rennen.

Ein Halten giebt es nicht, der Jäger kennt kein Rasten,
So lang das Wild noch flink den Tann durchfliegt;
Wie oft es auch im raschen Lauf mag schränken,
Die Rüden ruhen nicht, bis es besiegt.
Die Rosse wissen’s, die den Boden stampfen
Und, vorwärts stürmend, aus den Nüstern dampfen.

Erschüttert zittern die vom Schnee gebognen Zweige
Und schütteln von sich ab die weiße Last;
Die Jäger achten nicht in ihrer Hitze,
Daß wund sie ritzt bald da und dort ein Ast.
„Faß’ Greif! Faß’ Pfeil! Voraus! Hallo, ihr Thiere!”
Gellt’s hallend durch des Waldes weit Reviere.

Jetzt ras’t das wilde Treiben schon dem Rhein entgegen,
Doch immer noch stellt sich der Flüchtling nicht:
Das mächtige Geweihe tief im Nacken,
Saust er durch’s Holz, daß Zweig und Astwerk bricht.
Kein Ruhen giebt’s; bergauf, bergab geht’s weiter,
Die Meute hinter ihm und Roß und Reiter.

* * *

Der Hifte heller Schall war mälig leis verklungen,
Da immer ferner hin sich zog die Jagd,
Als Elsbeth, die dem letzten Klang gelauschet,
Zur Küche eilte, um dort mit der Magd,
Nach Hausfraunbrauch nun weislich zu ermessen,
Was jene rüsten sollt’ zum Abendessen.

Mit Frida fertig, wandte Elsbeth sich an Mechtild,
— Die, seit ihr Hansli ward so gut geheilt
Von seinem Fluge durch die Tannenwipfel,
Beständig fast in ihrer Nähe weilt’ —
Und forderte die auf, sie zu begleiten
Im Palas ein paar Betten zu bereiten.

Seit langher stand die Kemenate unbewohnet,
Die dort für werthe Gäste war bereit;
Drum wurden jetzt die Fenster weit geöffnet,
Daß frische Luft vertrieb die Dumpfigkeit,
Dann ward von Elsbeth Mechtild angewiesen
Vom Staub zu reinigen Gesims und Fliesen.

Sie selber machte sich zu schaffen an den Betten,
So in zwei Nischen des Gemachs erbaut,
Fast einem Dutzend Schläfer Herberg boten,
Ob deren jedem schön ein Himmel blaut.
— An’s offne Fenster, um sie durchzulüften,
Muß Kulter, Pflumit aus den Riesengrüften.

Dann nahm sie aus bemalter Truhe schneeweiß Linnen,
Geübtens Blickes prüfend Stück für Stück;
Ein duftend Kräuterbündlein, so dazwischen,
Schob sie behutsam wiederum zurück.
Bald war gewählt, was passend ihr erschienen
Und zum Beziehn der Betten mußte dienen.

Auf reichen Linnenschatz, von eigner Hand geäufnet,
Hielt damals, wie noch jetzt, die deutsche Frau,
Und was ihr Fleiß in langen Jahren mehrte,
Sie stellt es gerne fremdem Blick zur Schau;
Es zeugen ja die schweren, vollen Truhen,
Wie wenig nur der Hausfrau Hände ruhen. —

Zufriednen Blickes legte sie das Ausgewählte
Zu gleichen Theilen auf die Betten hin;
Mechtildis sollte alles fertig finden,
Wenn Abends sie die mußte überziehn.
Denn vorher brauchte das nicht zu geschehen,
Da sicher spät die Herrn zur Ruhe gehen.

Zu Ende damit, rieb sie die erstarrten Finger,
Vom Froste rosig überhaucht zu schaun;
Denn eisig zog es durch die offnen Fenster,
Und den Kamin — vergaßen sie beim Bau’n,
Lag man nur erst mal zwischen all’ den Kissen,
Ließ ja der letztere sich leichtlich missen.

Der Kälte trotzend schaute Elsbeth aus dem Fenster
Und lauschte, ob sich nicht der Hifte Klang
Vernehmen lasse; es blieb jedoch stille.
Der Nebel wogte um des Schloßbergs Hang;
Wie gerne nähme sie, den Freund zur Seite,
Am Jagen theil, auf flinkem Pferde heute!

Zwar hatte sie die Lust am Waidwerke verloren,
Als eines Hirschen traurig-sanfter Blick
Im Tode sie noch ansah, gleichsam klagend,
Ob dem erlittnen, schmerzlichen Geschick;
Nun fand mit einem Mal sie dran Gefallen,
Im Tann zu reiten, bei des Hifthorns Schallen.

Sie kam sich überhaupt so anders vor, es füllte
Die Seele ihr, wie Paradieses Lust,
Seit jenem Heimritt vom Sankt Vrenenfeste;
Im Sang entstieg der jugendlichen Brust,
Was süß sie ahnte, Lieb und Herzensfrieden,
Die ihrem Innern herrlich nun beschieden.

Von früh bis spät ertönte oft ihr herzig Lachen,
Es schimmerte des Frohsinns holder Schein
Um alle, die in ihrer Nähe weilten;
Doch ihr Geheimniß hielt sie fein allein.
Sie fühlte heißer es im Herzen glühen,
Je mehr sich Aug’ und Mund zu schweigen mühen. —

Wo jene Himmelsblume, die wir Liebe nennen,
Zum ersten Mal erblüht im Menschenherz,
Da weilt das Glück, wohnt Lenzlust, ob der Winter
Sich auch mit Macht ausbreite allerwärts;
Ein wahres Heiligthum ist dann die Seele
Und wandelt vor dem Höchsten ohne Fehle.

Doch, wo der Sinne Lust ein thöricht Herz beherrschet,
Da stirbt gar bald der Blume feiner Duft;
Von Leidenschaft wird unser Sein verbittert,
Zu kaltem Winter Lenzes linde Luft.
Die Seligkeit der Liebe geht verloren,
Entschwindet wieder, da sie kaum geboren. —

In Elsbeths Herzen war der Frühling eingezogen,
Sie fühlte ihrer Liebe süßen Bann
Und war zufrieden in dem stillen Wahne,
Es liebe wieder sie der liebe Mann;
Ein Lächeln von ihm und ihn nah’ zu wissen,
Genügte ihr und ließ sie Alles missen.

Getheilet in ihr Wirken zu des Hauses Bestem
Und tief empfundener Glückseligkeit,
Entflohen ihr des Herbstes kurze Tage,
Daß kaum sie merkte, wie verging die Zeit;
Sie waltete, froh im Gefühl der Minne,
Des Tagewerks mit immer heitrem Sinne.

Herr Kuonrad selber hatte, seit dem Ritt im Mondschein,
Mit jener Frage nie sie mehr bedrängt;
Auch gab er zu, bei Gängen nach dem Thale,
Daß Kunz ihr Körblein an den Arm sich hängt.
Er mußte, Elsbeth’s wegen, sich bezwingen,
Ihr kalt erscheinen, nur wollt’s nicht gelingen.

Oft zehn Mal täglich schritt er durch des Schlosses Räume,
Und hoffte daß sie ihm begegnen muß;
Wenn alsdann Elsbeth, neben ihren Pflichten,
Für ihn noch Zeit gewann zu Blick und Gruß,
Dann ward ihm jedes Mal gar froh zu Muthe
Und wußt’ ein trautes Wort er für die Gute.

Bald war’s ein stetes Meiden und sich wieder suchen,
Es wußten Beide nicht, wie es geschehn,
Daß sie, die eben in der Halle schieden,
Im Letzegang sich plötzlich wieder sehn;
Doch hörte Keines man mit Worten sagen,
Was ihre Blicke zu bekennen wagen.

Herr Kuonrad kämpfte freilich mit dem eignen Herzen
Dazwischen öfters um den Siegespreis,
Von Tag zu Tage aber ward er müder
Und gönnte jenem, daß es siegte, leis’.
Wohl selten ist Vernunft nicht unterlegen,
Trat ihr im Kampf ein warmes Herz entgegen.

Mit jeder Stunde, welche er im Schlosse weilte,
Verblaßte ihm des Bäsleins Bildniß mehr;
Bewundernd sah er Elsbeths sinnig Walten
Und wie nur Segen blühte um sie her.
Ein süßer Zauber hielt ihn fest befangen,
Dem zu entfliehn ihm mangelt’ das Verlangen.

Es klang so süß dem Ohre, wenn vom Söller nieder,
Er jeden Morgen ihr „Grüß Gott!” vernahm,
Und sang sie Abends mit den Spinnerinnen,
War’s sicher, daß den Weg er dorthin nahm,
Und oft den Freund allein beim Kännlein Weine
Mit Benno ziehen ließ die Brettspielsteine.

In ungeahnter Wonne hob es ihm die Seele
Bei dem Gedanken, daß ihn Elsbeth liebt’;
Die holde Blume mit dem keuschen Herzen,
In ihrer Unschuld sich ihm eigen giebt.
Nichts soll ihm fürder mehr das Herz bethören,
Er will nur ihr auf immer angehören!

Sein einzig Sehnen war, nur bald sie sein zu nennen,
Ihr auszuschütten sein gequältes Herz
Und ihr bekennen, daß sie ihn besiegte;
Vor seiner Liebe schmolz des Panzers Erz,
In dem er seine Ruh’ geborgen glaubte,
Eh sie durch ihren Liebreiz die ihm raubte.

Längst wünschte er für sich zu offnem Minnewerben
Die schicklichste Gelegenheit herbei,
Und schien ihm endlich, daß auch die sich biete,
Denn er fand in des Vogtes Bücherei
Ein Bündlein Schriften, „Parzifal” geheißen,
Das nur der Zufall schützte vorm zerreißen.

Gern hatte sie erlaubt, ihr daraus vorzulesen,
Wenn es im Lauf des Tages mal gelang’,
Daß sie ein kurzes Stündlein der Erholung
Von ihren vielen Pflichten sich errang.
Dann, ganz allein mit ihr, wird es wohl gehen,
Der Lieblichen die Minne zu gestehen.

Nach ihrem Willen sollte heute nun Herr Kuonrad
Ans Lesen jener alten Sage gehn,
Daß auch sich Elsbeth darauf hin schon freute,
Vermochte er an ihrem Blick zu sehn,
Da — lud der Vogt ihn gestern ein zum Jagen,
Und mußte seinen Plan er drum vertagen. —

Noch lauschte Elsbeth am weit offnen Bogenfenster
Vergeblich auf des Jagdhorns hellen Klang.
Sie konnte heut’ nicht singen, war nicht fröhlich,
Auf ihrer Seele lastete es bang,
Als ob ein trübes Ahnen sie durchschauert;
Nur ist ihr nicht bewußt, warum sie trauert.

Mechtildis, der das stille Wesen Elsbeths auffiel,
Zermarterte indessen ihr Gehirn
Zu rathen, was der lieben Herrin fehle;
Verlegen rieb sie aber bald die Stirn’
Und war schon dran sich heimlich auszuschelten,
Weil die Gedanken dort nur Hansli gelten.

Jetzt jedoch wandte Elsbeth sich zu ihr und fragte:
„Sag’ Kind! ist Dir Dein Schatz auch wirklich gut?”
Es kam dies unvermittelt, klang wie Zweifel,
So daß Mechtildis schier entfiel der Muth,
Die längst gewohnte Antwort zu erneuern
Und Hansli’s Liebe zu ihr zu betheuern.

„Das will ich bas vermeinen!” sprach sie, glutroth werdend,
„Sein bester Freund bin ich, sein Trost, sein Glück,
Und sollt’ ich zweifeln, muß der Zweifel schwinden,
Wenn ich mir sage, wie manch’ schönes Stück
Vom kargen Jahrlohn mir der Gute spendet,
Ja, oft ihn nur für mich allein verwendet!

„Bald ist’s ein Tüchlein, so er eingehandelt, oder
Ein Band ins Haar, wie dieses, das Ihr heut’
In meinen Zöpfen eingeflochten sehet;
Kurz immer etwas, das ein Mägdlein freut.
Auch fühlt es jede ja im Herzen drinne
Ob einer gut ist ihr in wahrer Minne!”

„Die schönste Scheibe, so am Fastnachtabend glühend
Vom Hungerberg sie schleuderten zu Thal,
Schier wie ein feurig Rad flog sie durch’s Dunkel,
Gehörte Hansli, und er rief drei mal, —
Daß ja die Chnaben nicht im Zweifel blieben,
Mit lauter Stimme — sie sei mir getrieben!”

„Ich thät ihn lange nicht an unsern Junker tauschen,”
— Nun übergoß die Herrin es mit Glut —
„Ist der auch fürnehm und von feinen Sitten,
So schaut mein Hansli aus, wie Milch und Blut
Und kann, wie keiner, schöne Weisen singen,
Gilt’s Mechtild seinen Abendgruß zu bringen!”

„Das weiß ich!” fiel ihr lächelnd Elsbeth in die Rede,
„Das weiß ich, Traute! Du sprachst immer so.
Auch würde wohl sich Jede glücklich preisen,
Wär sie, wie Du, so ihrer Liebe froh; —
Denn lieben müssen wir, das ist uns eigen,
Mag man’s nun hehlen, oder offen zeigen!”

„Dochs will mir scheinen, ist nur jene Liebe wahrhaft,
Die jeder Zeit der Treue sich befliß
Und drum, was Dich so froh von Lieb läßt reden,
Ist sicher Hansli’s Treue Dir gewiß!
Ei, wurde Dir noch niemals heimlich bange,
Daß er nach einer anderen verlange?”

„Nein, Herrin!” rief da Mechtild, „wär’ dies Liebe,
Die erst der Treue sich versehen muß?
Ist Einer einer zugethan von Herzen,
So sieht sie’s schon am ersten Blick, am Gruß,
Oh er’s auch ehrlich mit der Treue meine,
Sonst würde sie ja nimmermehr die Seine!”

„Wo Zweie sich, wie ich und Hansli, gut von Herzen,
Da hat der liebe Gott es so gefügt,
Und darum wohl zu bangen unvonnöthen,
Daß etwan eines sich im andern trügt.
Doch käm’ es so, wie Ihr halb prophezeiet,
So wüßt’ ich Eine — die selbst dies verzeihet!”

Mechtildens Antwort mußte Elsbeth hoch erfreuen,
Denn sie hob mit der Hand des Mägdlein’s Kinn,
Und küßte ihr die Wange mit den Worten:
„Mir fuhr die Frage nur so durch den Sinn,
Du Trautkind! Ja, wie Du liebst, das heißt lieben;
Auf ewig Einem eigen sich verschrieben!” —

So man vom Wolf spricht, ist er nahe! sagt ein Sprüchlein.
Noch hinkend kam jetzt Hansli durch den Gang
Und meldete, mit einem Blick auf Mechtild,
Daß auf dem Hof ein Bauernweib schon lang
Mit ihrem Büblein in der Kälte stehe
Und jammernd um der Herrin Hülfe flehe.

Als Elsbeth dies vernommen, säumte sie nicht lange,
Zum Hofe ging’s auf flinken Füßen fort;
Dort trat ihr zaghaft, bleich ein Weib entgegen,
Das früh’ schon herkam aus dem nächsten Ort,
Mit einem Büblein, so, vor Schmerz im Finger,
Laut aufschrie, daß es wiederscholl im Zwinger.

Die Herrin schauend, hielt es jedoch ein mit Schreien
Und sah durch Thränen scheu zu ihr empor,
Wie sie sich mild an seine Mutter wandte,
Die vor ihr stand wie ein gebrochen Rohr
Und erst, nach freundlich wiederholten Fragen,
Den Mund aufthat, sein Leiden ihr zu klagen.

Elsbeth behandelt den wunden Finger eines Kindes

Nun die zu Ende, zog Elsbeth das Büblein näher
Und löste langsam und mit leichter Hand
Dem Zagen, unter kosendem Geplauder,
Vom hochgeschwollnen Finger den Verband;
Der Kleine zuckte zwar, von Schmerz gepeinigt,
Als sie nun auch das kranke Glied ihm reinigt’.

„Da sitzt der Wurm im Finger,” sprach sie drauf bedächtig,
„Und darum sind die Schmerzen auch so groß.
Die Heilung zu erreichen, ist’s am besten
Wir beizen mälig die Geschwulst ihm los.
Verweil’ Dich also etwas mit dem Kinde,
Bis ich das rechte Kräutlein dazu finde.”

Doch eh’ sie ging, schritt sie noch in die Thurmthorhalle
Und schnitt vom Brod, das für’s Gesind dort war,
In aller Eile ein paar große Stücke;
Die reichte drauf sie Beiden freundlich dar
Um, während Kind und Mutter daran kauen,
Im Stüblein oben nach dem Kraut zu schauen.

Es lag zur Hand, wie noch ein Sälblein und alt Linnen,
Das letztre zum Gebrauche fein gezupft.
Schnell war jetzt Elsbeth wieder bei dem Büblein,
Deß’ Finger mit dem Sälblein sie betupft’;
Dann blies sie drei Mal mit dem Rosenmunde
Ein leises „Heilo, Segen!” auf die Wunde.

Zum Schlusse ward der kranke Finger gut verbunden
Und noch dem Weib die Anweisung ertheilt,
Wie Kraut und Sälblein zu gebrauchen seien,
Daß bald das kranke Glied des Bübleins heilt.
Doch nun die Beiden vor ihr knieen wollen,
Hieß sie sie freundlich ihres Weges trollen. —

Sie selber aber ging zu Frida in die Küche
Um nachzuschauen, daß zur rechten Zeit,
Das Essen für die Gäste fertig werde,
Denn bis zum Abend ist es nicht mehr weit.
Es war auch noch der Würzwein zu bereiten,
Ein warm Getränk, die Mahlzeit einzuleiten.

Dann eilte wieder sie in’s Palas. Hier, im Saale,
Wo jeder Tritt ein lautes Echo weckt,
Gab es noch viel zu thun, denn Mechtild hatte
Nur erst den großen Eichentisch gedeckt.
Nun gingen hurtig sie daran zu Zweien,
Vom Buffert Glas und Teller sich zu leihen.

Sie waren noch nicht fertig, als die Thüre aufging
Und Hansli mit der neuen Meldung naht’,
Daß sich ein Spielmann eingefunden habe,
Der für die Nacht um warmes Obdach bat;
So man es wünsche, wolle gern er singen,
Auch sei ihm Kundschaft von gar vielen Dingen.

„Gewähr’ ihm Herberg, Hansli,” — war der Herrin Antwort,
„Und von dem Heurigen ’nen vollen Krug;
Doch ja nicht mehr!” ergänzte sie mit Lachen,
„Denn Spielleut’ haben immer guten Zug.
Läßt ihn der Vater dann zur Nacht verbleiben,
Mag er mit Singen uns die Zeit vertreiben!”

Zufrieden mit der Antwort hinkte Hansli wieder
Zum Schloßthor hin, wo, frierend, auf der Bank
Der Spielmann saß und des Bescheides harrte,
Und nun er den erfuhr, mit vielem Dank
Dem Knechte folgte in die warme Halle,
Wo bald sein Lied erklang in munterm Schalle.

„Das fahrende Gesindlein riecht’s wohl schon von Weitem
Wenn etwas Gutes auf den Tisch geräth;
Gleich läßt es links die breite Straßen liegen,
Um nachzusehen, wo der Spieß sich dreht.
Am liebsten, glaub’ ich, haben sie die Gassen,
Da ihre Kessel in die Herdstatt passen!”

„„Es sind die Vögelein, von denen ja geschrieben,
Sie säen nicht und ernten nicht, Mechtild!
Und doch ernährt auch sie des Schöpfers Güte!””
Entgegnete dem Mädchen Elsbeth mild.
„„Nicht Allen hat der Herrgott es gegeben,
Mit Sing und Sang zu wandeln durch das Leben.””

„Die, so da singen, Herrin! sind mir gern willkommen,
Sie wissen stets so viel Gesätzlein fein,
Mit denen unsre Herzen sie gewinnen
Und haben immer neue Melodei’n;
Des Letzten Sang summt mir noch heut’ in Ohren,
Doch hab’ die Worte dazu ich verloren!”

Inzwischen war der Tisch gedeckt und nun erfreuten
Sich Beide ob des Anblicks, den er bot;
Mechtildens Lob erhielt die Bratenschüssel
Mit Blumenmalerei in Blau und Roth,
Indessen Elsbeth sich der Gläser freute,
Die für die Gäste sie erwählte heute. —

Wie gerne rührt doch Frauenfleiß die zarten Hände
Und achtet weder Mühe noch Beschwer,
Des Mannes Heim behaglich zu gestalten
Und still zu wirken für des Hauses Ehr’;
Was wir im Einzelnen als unnütz hassen,
Die Frau wird sinnig es zum Ganzen passen. —

Noch rückte Elsbeth hier und dort an einem Teller;
Auch glättete gar sorglich ihre Hand
Das Tischtuch, daß sich ja kein Fältchen zeige
Und ebenmäßig hing der rothe Rand;
Derweilen Mechtildis die Stühle stellte,
Auf deren jedem weich ein Kulter schwellte.

Nun nahte, für die Herrin, sich die Zeit zur Schule,
Denn Benno gab nur selten einmal frei,
Und — während Mechtildis noch heizen sollte,
Daß warm der Saal und recht gemüthlich sei —
Es mußte Elsbeth fort zum Unterrichte,
Sonst zog der Kaplan ein gar schief Gesichte.

* * *

Des kurzen Tages langer Abend sank hernieder,
Schon deckten dunkle Schatten Berg und Thal;
Im Schlosse war das Tagewerk vollendet,
Man wartete der Gäste nun zum Mahl;
Leis’ nur, im Frau’ngemach beim Lichtspahnglimmen,
Erklangen noch der Spinnerinnen Stimmen.

Doch um so lauter klang es dafür aus der Halle
Im Hofe, wo der Spielmann dem Gesind’
Auf einer Laute Lied für Lied vorspielte
Und seines Sangs sich freuten Weib und Kind;
Denn Hansli that, wie es die Herrin wollte,
Nur, daß den größten Krug er jenem holte.

Schanzunen, Leiche, Schwänk’ und neue Trutzgesätzlein
Sang froh zum Saitenspiel des Sängers Mund;
Es würd’ die Kehle doch zu schnelle trocken,
Säh man in einem fort des Kruges Grund.
Wohl blieb gar manch ein Liedlein ungesungen,
Wär’ nicht der Wein, der es hervorgezwungen.

Der Spielmann wiederholte Hansli eben nochmals
Die Weise „von der Minne süßem Born,”
Als er im Singen unterbrochen wurde
Vom lauten Halali aus Jochens Horn;
Zur gleichen Zeit erdröhnte auf der Brücke
Der Rosse Huf; der Jagdzug kam zurücke. —

Ein paar Minuten später war der weite Zwinger
Von Kienholzfackeln flammenroth erhellt,
Es hallte durch das Schloß der Hifte Grüßen,
Zu dem die Meute die Begleitung bellt’;
Derweil die Hörigen die Beute brachten,
So heut’ der Vogt und seine Gäste machten.

Mit seinem Blut den Schnee noch röthend, lag zur Strecke,
Für Alt und Jung beliebte Augenweid’,
Die Beute; jedes Stücklein ward besprochen
Und bas gerühmt des Tages gut Gejaid.
Der Achtzehnender freilich war entkommen,
Da er bei Reckingen den Rhein durchschwommen.

Ein waidgerechter Rehbock mußte dafür büßen.
Nun lag das schöne Thier dahingestreckt
Im Schnee, bei einer Anzahl feister Hasen
Und einem Fuchs, der, aus dem Bau geschreckt
Vom nahgekommenen Geläut der Meute,
Sein warmes Pelzlein lieferte als Beute.

Vom Zwinger wandten sich Herr Heinz und seine Gäste,
Von Hansli angeführt, der leuchten muß,
Dem Palas zu, vor dessen Saale Elsbeth
Schon ihrer harrte mit dem Willkommgruß.
Ein hellblau Kleid mit zugeschnürtem Mieder,
Verhüllte keusch der Schönen zarte Glieder.

Als einz’gen Schmuck trug sie im wundervollen Haare
Ein schmales Schleifchen blaues Seidenband,
Das zu den goldnen Locken auf der Stirne
Ihr, wie sie meinte, stets am schönsten stand.
Doch halt! am kleinen Finger ihrer Linken
Verrieth sich noch ein Ringlein durch sein Blinken.

Des Vaters Gäste nach Verdienst zu ehren, hatte
Die Tochter heute festlich sich geschmückt;
Auf ihren Zügen aber lag’s wie Trauer
Und ihre Seele fühlte sich bedrückt,
Als so sie dastand, vor des Saales Schwelle,
Der Gäste harrend, an der Hausfrau Stelle.

Da näherten sich Schritte; man hört’ lachen, sprechen
Im Gange draußen, so zum Saale führt.
„Mein Gott! ist das nicht Fräulein Adelgunde?”
Frug Elsbeth sich, schier gar vom Schlag gerührt;
Denn solchen Gastes dacht’ sie nicht beim Decken,
Mocht’ auch den Argwohn ihr noch nichts erwecken.

Sie faßte jedoch Muth und trat ihr rasch entgegen,
Gelassen grüßend, während jene lacht’,
Daß, obwohl unerwartet hergekommen,
Sie doch um Herberg bitte für die Nacht;
Was Elsbeth, der dies zwar nicht ganz behagte,
Dem Fräulein nimmer abzuschlagen wagte.

Als letzter kam Herr Kuonrad; Elsbeths freundlich Grüßen
Vergalt er traut mit seinem Druck der Hand,
Indeß ein Blick aus ihren blauen Sternen
Blitzschnell den Weg in seine Augen fand.
Ihm war die frohe Laune wieder kommen,
Sobald den Rückweg man zum Schloß genommen.

Geschäftig half er jetzt der Herrin aus der Schale
Die Gläser füllen mit gewärmtem Wein;
Der schimmerte im Glase wie Karfunkeln
und duftete gar fein nach Nägelein,
Die sie zum Trunk als gute Würze mischte,
So daß die Müden er von Grund erfrischte.

Und nicht nur dies. Er scheuchte auch davon den Aerger,
So ihnen der entkomm’ne Hirsch gemacht.
Es füllte Elsbeth fleißig drum die Gläser
Und, als dem Fräulein sie eins dargebracht,
Ließ die sich schnell von ihrem Wort bewegen,
Das pelzverbrämte Schäublein abzulegen.

Indessen noch die Herrn am Weine sich erlabten,
Belegte sie dann für den schönen Gast
Am Tisch den Ehrenplatz zu ihrer Rechten,
Mit Glas und Teller, wie’s dem Fräulein paßt;
Gleich drauf kam Mechtild, um ihr anzusagen,
Daß für die Gäste schon sie aufgetragen.

Fromm kreuzte Elsbeth einen Augenblick die Hände,
Eh’ sie die Gäste hin zum Tische bat,
Auf dem ein Schweinebraten duftend dampfte,
Den rings umkränzte köstlicher Salat.
Nun ließen diese sich nicht lange bitten,
Bis sie vergnüglich zu der Tafel schritten.

Nur Benno fehlte; er war noch zu Thal gegangen,
Wo spät ein kranker Bauer ihn begehrt’.
Den letzten Wegtrost sollt’ er diesem spenden
Zu jener Reise, von der Niemand kehrt.
Es hatte zwar, das Jägermahl zu theilen,
Der Kaplan gern versprochen, sich zu eilen.

Der liebste Gast am Tisch ist der, so sich’s läßt schmecken,
Und hungrig denkt kein Waidmann auszuruhn;
Mit Krug und Schüssel alle zu bedienen,
Gab Kunz und Mechtild heute viel zu thun;
Doch dafür rühmten auch die Herrn das Essen
Und blieb der Heurige nicht unvergessen.

Er gährte noch; sein süßlich-herbes Prickeln übte
Als Sauser über Alt und Jung Gewalt;
Sie nippten, schlürften, schnalzten mit der Zunge,
Froh prüfend seinen geistigen Gehalt.
Ein köstlich Ding ist doch der Saft der Reben,
Wenn Gott dem Weinstock recht Gedeihn gegeben.

Vergnüglich hob der alte Wasserstelz sein Gläslein
Und trank auf seines Nachbars Gastfreiheit.
Herr Heinz bedankte sich und bat bescheiden,
Vorlieb zu nehmen mit der Kleinigkeit,
Die sie den werthen Gästen heute wagen,
In Krug und Schüssel freundlich aufzutragen.

Drauf hob der Junker seins und zwar zum Wohl der Frauen,
Auf ihre Zucht und nimmermüden Fleiß,
Mit welchen sie der Männer Dasein schmücken
Und rastlos wirken zu des Hauses Preis.
Ein „Heilo ihnen!” scholl aus aller Munde,
Derweil die Gläser klangen in der Runde;

Jetzt, während Adelgunde noch darüber nachsann,
Wem zunächst wohl Herr Kuonrads Sprüchlein galt,
Hob Elsbeth auch das Gläslein, bat den Junker,
Indeß ihr lieblich Antlitz sich bemalt
Mit tiefen Gluthen auf den Sammetwangen,
Den Dank für’s schöne Sprüchlein zu empfangen.

Ihr war es klar gewesen, wem sein Spruch gegolten,
Und nun verschwand schnell die Befangenheit,
So sie, als Adelgunde kam, beschlichen,
Wie einst in Zurzach bei der Festmahlzeit;
Doch dafür zeigten jetzt des Fräuleins Mienen,
Daß wohl auch dieser etwas klar erschienen.

Noch brachte Freiherr Udo ein gelungen Sprüchlein
Dem grünen Wald und wackerem Gejaid,
Daß froh die Herren nach dem Glase griffen,
Es leerend ihm zu ehrlichem Bescheid;
Dann aber ward das Waidwerk selbst besprochen,
Von manchem Scherz des Schloßvogts unterbrochen.

Er und der alte Wasserstelz, sie überboten
Einander oft in spaßigem Latein,
Drin’ wohl bewandert Sankt Huberti Jünger;
Wir andern fabeln lange nicht so — fein.
Bald wurde manches Stücklein aufgetischet
Das, wenn nicht wahr, doch den Humor erfrischet. —

Herr Kuonrad und Herr Udo plauderten indessen,
Wie dies bei jungen Herren immer geht,
Viel lieber mit den Fräulein, die wie Blumen
Drein schauten, um die lind ein Zephyr weht;
Nur ab und zu sah man sie einmal nippen,
Zu netzen sich die blühend rothen Lippen.

In üppig-voller Reife prangte Adelgunde
Und ihrer Schönheit sich gar wohl bewußt;
Die feinen Lippen zeigten Perlenreihen,
In schöner Rundung wölbte sich die Brust,
Die Sammetwangen sah man rosig blühen,
Und aus den Augen dunkle Gluten sprühen.

Des Schlosses Herrin dafür, schlank und fein gestaltet,
Glich einer Blume, der im Kelch der Thau
Noch schimmert; unter langen, seidnen Wimpern
Erglänzte herrlich ihrer Augen Blau.
Zum edeln Antlitz mit den Engelszügen
Sah man der Jugend Liebreiz hold sich fügen. —

Mit leisen Zeichen, wie sie nur der Liebe eigen, —
Ein Blick, ein Händedruck, ein halbes Wort, —
Wußt bald Herr Kuonrad Elsbeth viel zu sagen
Und hielt im Athem sie in Einem fort.
Ging auch die Rede oft an Adelgunden,
Geschah dies bloß, um Anstand zu bekunden.

Zwar rühmte lebhaft er des Fräuleins tapfer Reiten;
Wie sie beim Hetzen ihm zur Seite blieb,
Wenn gleich die Pferde wie im Sturm hinflogen,
Und das Gezweig scharf auf die Reiter hieb;
Doch Adelgunde lauschte kaum den Worten,
Ihr war’s, als ob die Blicke sich umflorten.

Sie hatte mehr und schöneres gehofft zu hören,
Als solches Lob; das hätt’ sie ihm geschenkt,
Der ihr heut’ selten mal ein Wörtlein gönnte,
Auf was sie immer auch die Rede lenkt’.
Es sollte ihr nicht weh thun tief im Herzen,
Nun sie ihn sah, mit diesem Kinde scherzen?

Als ob auf einmal sie nichts andres interessirte,
Als was Herr Heinz und auch ihr Vater sprach,
So rückte Adelgunde zu den Herren;
Doch hielt sie dabei Aug’ und Ohren wach,
Um Elsbeth und den Junker zu belauschen,
Wenn sie zur Kurzweil Wort und Blicke tauschen. —

Herr Heinz sprach aber von der Thalgemeinden Offnung,
Nach deren Formel zweimal jedes Jahr
Geurtelt ward von Rheinheims „Kellerrichter;”
„Es lauten diese freilich ganz und gar
Nach uraltheimisch gängen Rechtssprüchwörtern
Und Rechtsgebräuchen, wie an wenig Oertern.”

„Doch trennen sich die Alten ungern von den Schöffen
Vermeinend, daß sonst nirgend Recht gedeiht,
Als nur, wo auch dem Bauer Sitz und Stimme
Ein längstveraltetes Gesetz verleiht;
Sie wollen nicht von ihrem Rechte lassen,
Zu dessen Praktik Reim und Sprüchwort passen.”

„Die Jungen freilich halten wenig mehr vom Brauche,
Sie holen sich ihr Recht bei mir im Schloß
Und wissen, unterm Krummstab ist gut wohnen,
Wenn es auch ihrer manchen schon verdroß,
Daß ich mich nie nach ihrer Offnung richte
Und nicht nach halb vergessnen Sprüchen schlichte.”

„Nur ist’s nicht immer leicht, beim Amt den Ernst zu wahren,”
Erzählte fort der Vogt und strich den Bart,
„Gar oft will sich ein Schalk hinzugesellen,
Der Scherz und Ernst eng miteinander paart:
So sollt ich jüngsthin wieder Rechtens walten —
Und konnt mich doch des Lachens kaum enthalten.”

„Ein Jude aus dem nächsten Städtlein, so Ihr kennet
Begegnet jüngst auf seinem Weg durch’s Thal
Am Wege etlich meisterlosen Buben,
’s war grade Sonntags, nach dem Mittagsmahl.
„„Giebt’s nichts zu handeln?”” ist des Juden Frage,
Derweil er zu den Chnaben trat am Hage.”

„„’s ist heute Sonntag, Jude! da wird nicht gehandelt,
Doch haben dafür wir zur Kurzweil Zeit!...””
„„Sprich, glaubst Du, daß der Herr ist auferstanden,
Vom Tod befreit für alle Ewigkeit?””
„So sprach, ihn neckend, einer von den Chnaben,
Die schon den Juden in der Mitte haben.”

„„Hätt’ er ’nen Stuhl gehabt, wär’ er gesessen!””„lautet
Die schlaue Antwort aus des Juden Mund.
Die Buben aber, keinen Spaß verstehend,
Sie streichen dafür ihm den Rücken wund;
Es rührt sie nicht des armen Schnaufers Klagen,
Sie fahren fort mit fragen und mit schlagen.”

„Er jedoch hält voll Eigensinn an seinen Worten
Und läßt vom Stuhle nicht ein Beinchen ab;
Die Buben werden dringlicher im Fragen,
Es regnet Schläge hageldicht herab.
Der Jude aber läßt sich nicht erweichen,
Er bleibt bei seinem Stuhle trotz den Streichen.”

„Da, wie sie just im besten Zuge waren, fügt’ sich’s,
Daß grad der Dorfvogt kam des Wegs daher.
Wie den die Buben sehen, geht’s an’s Laufen
Und ist natürlich nun die Straße leer,
Bis auf den Juden, der mit lautem Heulen
Dem Vogte zeigte die erhalt’nen Beulen.”

„Voll Mitleid für den Juden, und auf dessen Bitten,
Begleitet er ihn endlich hier herauf.
Daß ich die Argen strenge büßen möge,
Erzählte selbst der Jud’ mir den Verlauf
Der Sache; schwörend, daß sein wunder Rücken
Ihn hindere, geziemend sich zu bücken.” —

„Doch, Edler! Ihr versäumet ja des Trunks zu pflegen,
Stoßt an! Wir zwingen noch ein Gläslein Wein!
Im Faß, wo der gelegen seit dem Herbste,
Wird hoffentlich auch mehr zu finden sein!...”
Hier unterbrach Herr Heinz sich, denn gar willig
Thät ihm der Gast Bescheid, wie recht und billig.

Drauf aber, während Kunz die Gläser wieder füllte,
Fuhr desto frischer er zu reden fort:
„Als ich den Juden frage, ob er Zeugen habe,
Da vor Gericht nicht gilt Hebräer Wort,
Schwört er, daß es der Dorfvogt wohl gesehen,
Von wem und wie die Unbill ihm geschehen.”

„Wie jener dieses hört, zieht er die Stirn in Falten
Und spricht: „„Gesehen hab ich nichts; ich fand,
Durch sein erbärmlich Flennen hingezogen,
Den Juden ganz allein am Wegesrand.
Doch, wer den Rücken ihm so blau geschlagen,
Gestrenger Herr! vermag ich nicht zu sagen!””

„Jetzt heult der Jud’ erst recht und lamentirt so gräulich,
Daß es noch heut’ in meinen Ohren gellt;
In seinem Aerger schalt er derb den Bauern,
Der, ihm zu leide, sich so blind gestellt,
Und dieser, dem das Schimpfen arg mißfallen,
Zwingt kaum noch nieder seines Zornes Wallen.”

„Ergötzend mich an ihrem Für und Wider, hörte
Ich ihnen ab, bis die dort zu uns kam.”
— Er wies aus Elsbeth hin, die eben Mechtild
’ne Schüssel Kräpflein aus den Händen nahm
Und artig sie dem Fräulein präsentirte,
Das mit dem süßen Backwerk sich servirte. —

„Natürlich ist’s nun aus; ich heiße Beide schweigen
Und sag’ dem Juden, daß er Jemand nennt,
Der ihm bezeugte, wer ihn so gebläuet,
Weil sich der Dorfvogt ja zu nichts bekennt;
Da er’s nicht konnte, wies ich ihm die Thüre
Und hieß ihn gehn, wohin sein Weg ihn führe.”

„Zufrieden seh’ ich, wie sie miteinander gehen;
Da, — sie sind kaum noch recht vor dem Gemach,
War’s uns, als ob wir kräftig klatschen hörten,
Begleitet von des Juden Weh und Ach!
Und wie ich Else folge, nachzusehen,
Thät der, von neuem heulend, draußen stehen.”

„Die Backen haltend, schrie und klagte er in Thränen,
Daß ihm der Dorfvogt harte Streiche gab.
Der Jude dauert’ uns, ich trat zum Fenster
Und ruf’ dem Bauer nach, der, schon im Trab,
Nicht allzu ferne mehr des Schlosses Brücke,
Nach kurzem Zögern wieder kam zurücke.”

„Ich fuhr ihn an, wie er den Juden schlagen durfte,
Statt daß in Frieden er ging mit ihm fort?
Da schnitt der Schalk mir ein Gesicht und meinte,
Mich schlagend nun mit meinem eignen Wort:
„„Der Jud’ soll Zeugen schaffen, die es sahen,
Daß er von mir die Streiche hab’ empfahen!””

„Schier überrascht, will eben ich’s dem Schelm verweisen,
Als sich des Juden Maul schon grob erfrecht
Und schreit, wenn ich nicht richte, wüßt’ er einen
In Kostnitz oben, der spräch’ sicher Recht.
Nun war’s genug! — Ich konnt’ mich kaum noch halten,
Nicht selber meiner Knechte Amt zu walten!”

„Brauchst Dich nicht lang zu mühen! sage ich zum Juden,
„Wir haben ja hier oben auch ein Loch,
Drin’ Du Dich mit dem Bauer magst vergleichen;
Thut’s dieses nicht, bleibt Dir der Bischof noch!
Ich hoffe jedoch, werdet Euch vertragen,
Eh’ dort die Ratten Euch am Felle nagen!”

„Trotz beider Flehen mußte Else Jochen holen.
Ich übergab die Streitenden dem Knecht
Mit dem Befehlicht, sie im Loch zu halten,
Bis sie entschieden hätten, wer im Recht. —
Am nächsten Morgen saßen Beid’ in Frieden
Und waren gute Freunde, als sie schieden...”

Ein dröhnend Lachen hallte, als der Vogt geendet,
Aus aller Munde durch den weiten Saal,
Indeß Herr Heinz dem Knechte schmunzelnd winkte
Und, als der nahgekommen, ihm befahl,
Nun wieder munter seines Amts zu pflegen,
Da er noch Durst verspür’ nach Rebensegen.

In heitrer Tafelrunde saßen sie zusammen
Und Frohsinn waltete im kleinen Kreis,
Denn viel der Stücklein gab Herr Heinz zum besten,
Die er gar launig zu erzählen weiß;
Inzwischen kam, der Herren Durst zu wehren,
Der „Neue” immer mehr und mehr zu Ehren.

Bald aber hielt es Elsbeth an der rechten Stunde,
Daß sie dem Vater von dem Spielmann sagt,
Der in der Thurmthorhalle längst schon harrte,
Ob der Gesellschaft nicht ein Lied behagt.
Da ging es nicht lang, ward dem Knecht befohlen
Den fremden Sänger in den Saal zu holen. —

Halb hingestreckt lag längst der Fahrende am Feuer
Und sprach mit Hansli, der ihm eifrig lauscht’.
Es war ein Mann von reichlich fünfzig Jahren,
Um dessen Haupt schon mancher Sturm gerauscht;
Nun Kunz erschien, hob er sich von der Streue
Und that, als ob die Einladung ihn freue.

Zierde


Sechstes Kapitel.

Auftritt des fahrenden Sängers

In einem Zirkel von vergnügten Menschen weilen,
Mit ihnen holder Eintracht sich bewußt
Und freudig ihrem heitern Treiben lauschend,
Sein Theil zu haben an erlaubter Lust;
Wie schwinden jedem, welcher dies gefunden,
Gar eilig hin die viel zu kurzen Stunden!

So manches Tränklein aus des Apothekers Küche,
Blieb unverschrieben ewig deinem Mund,
Verweiltest öfters du bei frohen Menschen
Und lachtest dich mit ihnen recht gesund;
Denn wo in Freude hell die Augen glänzen,
Muß sich das Herz, muß sich die Seele lenzen.

Und kommt es einmal, daß du jene traurig schautest,
Mit denen du dich sonst so gern vergnügt,
Bedenke: schweres Leid vergeht am schnellsten,
Wenn andrer Mitgefühl sich dazu fügt.
Versäume nie, mit Frohen dich zu einen,
Doch hab’ auch Thränen, siehst das Leid du weinen. — —

* * *

In leicht Gewand gehüllt, und in der Hand die Laute,
Trat, grüßend, bald der Spielmann in’s Gemach. —
„He, Vöglein federleicht! woher des Weges?
Welch Lüftlein blies Dich unter unser Dach?...”
Rief, ihm zum Gruße, laut Herr Heinz entgegen,
Doch war der Fremde darob nicht verlegen.

Ein kleiner Schalk nur blitzte aus den grauen Augen,
Nun er, sich neigend, zu dem Vogte sprach:
„Weiß nicht, in welchem Busch mein Nest gewesen,
Ich fragte auch nie sonderlich darnach.
Daß ich zur Welt kam, müßt Ihr mir verzeihen,
Kann ich auch nicht die Alten benedeien!”

„So es den Herrn gefällig, mag ich wohl erzählen,
Von wo ich komm’, doch nicht, wohin ich will;
Da könnt’ der Wind Euch besser Antwort geben!”
Und nun der Spielmann sah, daß alles still
Bis auf den Vogt, der, ihn ermunternd, nickte,
Er zum Erzählen drauf sich schnell anschickte. —

„Zum Nest hinaus geworfen, als ich kaum konnt’ flattern,
Sucht’ ich die Atzung auf gar manche Art.
Wie andern Vöglein hat auch mir der Himmel
In seiner Weisheit ’s Hungern nicht erspart,
Und mühsam erst ging es von Ast zu Aste,
Wie es dem armen Piepmatz grade paßte.”

„Doch, als die Flügelein mir mälig kräftig wurden,
That ich in’s Land hinaus den ersten Flug;
Auf schwankem Zweiglein hab’ ich oft gesessen,
Mich nachher wundernd, wie nur dies mich trug.
Am Tag ging’s lustig fort von Baum zu Baume,
Des Abends wiegt ich mich in heitrem Traume.”

„Beim ersten Morgengraun stieg ich in’s Blau der Lüfte,
Es grüßte froh die Sonne mein Gesang.
Das Leben ist doch schön! pfiff ich mit andern,
Auf Treu und Glauben, ganze Tage lang.
Da nahm ein jähes End’ das Jubilirens,
Der Winter kam, jung Vöglein mußte frieren.”

„Von ungefähr kam ich zu einer Klosterpforten,
Und lud mich da für Winter lang zu Gast.
Gern hießen mich die frommen Herrn willkommen,
Da mein Diskant zu ihrem Chore paßt’;
Wo es an hellen Stimmen schien zu fehlen,
So viel auch feucht sie hielten Mund und Kehlen.”

„Sie gingen denn auch wacker dran, mir einzuüben,
Was ihnen däuchte Noth zur Singekunst;
Ich aber lernte gern und ließ mich meistern,
Empfänglich für der Lehrer Wort und Gunst.
Bald klang, wie Nachtigallensang im Rohre,
Mein Stimmlein täglich mit im Orgelchore.”

„Da, als die Lüfte wieder lind und milde wehten,
Vom Hang in tausend Bächlein schmolz der Schnee,
Die ersten Knospen aus den Stauden brachen,
Ward mir im Herzen, ich weiß nicht, wie weh.
Des Klosters Futter wollt’ nicht mehr behagen,
Zwar hatt’ ich Ursach’ nicht, mich zu beklagen.”

„Doch eine Sehnsucht, übermächtig, unbesieglich,
Riß mich dahin; ich konnt’ der Wolken Zug
Ob meinen Häupten stundenlang betrachten
Und sie beneiden um den freien Flug,
Mit welchem sie am blauen Himmelsbogen,
Gleich stolzen Schiffen, in die Ferne zogen.”

„Noch hielt ich tapfer aus, bis am Sankt Seppentage,
Der heil’ge Joseph ist mein Schutzpatron,
Mein Sehnen ich nicht länger mochte zwingen
Und heimlich aus dem Käfig flog davon.
Im Freien konnt’ ich nun die Glieder dehnen,
Doch stillte das mir nicht des Herzens Sehnen.”

„Willkomm! Willkomm! rief es aus jedem Busch entgegen.
Willkommen! Sag’, wo bliebst Du denn so lang?
So scholl es fröhlich aus viel hundert Kehlen
Und jubelnd stimmt’ ich ein in ihren Sang;
Der Dompfaff sang die Mess’ am Morgen frühe,
Der Chor ertönte hell von Bühl und Flühe.”

„In voller Lenzespracht stand ringsum Wald und Anger,
Die Bächlein murmelten, es blitzt’ der See;
Ein jeder Strauch trug schön ein Festgewändlein,
Aus zartgewebtem, duft’gem Blüthenschnee,
Und lustig Lebens gab’s auf allen Zweigen!
Dem Bürschlein hing der Himmel voller Geigen.”

Land auf, Land ab, durch grüne Thäler, über Höhen
Trug mich der Füße unermüdlich Paar;
Allüberall empfing mich lauter Jubel
Von der Gesellen leicht besohlter Schaar.
Vergessen war das Hungern, war das Frieren,
Ob eitel Kurzweil, Scherz und musiciren.”

„Das Leben ist so schön! ward wieder flott gepfiffen,
Ich lud mich froh bei Fröhlichen zu Gast;
Doch wenn ich müde Abends kam zum Lager,
Hielt neue Sehnsucht mir das Herz erfaßt;
Schlief dann ich ein, sah ich, in süßen Träumen,
Ein traulich Hüttlein zwischen Blüthenbäumen.”

„Am Morgen aber wurde wieder frisch gesungen,
Und ging dies so durch manche Woche hin;
Ein hübsch Gewändlein war mir eigen worden,
Auf das ich lange stolz gewesen bin,
Als ich, es war an einem Sonntag eben,
Der tiefen Sehnsucht Deutung sollt’ erleben.”

„Mit viel Gesellen hatt’ auch ich den Zug genommen
Durch’s Baierland in’s schöne Oesterreich.
Der Atzung gab’s genug auf solcher Reise
Und wo wir ruhten, blieb uns herzlich gleich;
Ob wir Land auf, Land ab den Weg genommen,
Man hieß uns überall gleich froh Willkommen!”

„Da kamen wir, noch früh am Tage, in ein Städtlein,
Wo man uns Herberg wies im „güldnen Kranz;”
Der Zeche halber sang ich ein paar Weisen,
Drauf fiedelten die andern einen Tanz,
Und, eh’ wir uns recht umsahn, war die Stuben
Euch dicht gedrängt voll Mädel und voll Buben.”

„Nun gab es lustig Streiten bei dem jungen Volke,
Die einen wollten Sang, die andern Tanz;
Ein hell Gesichtlein drängte sich mir nahe,
Ich sehe noch der Sammetaugen Glanz, —
Und bat mich mit kirschrothem Mündlein leise,
Ihm doch zu singen eine schöne Weise.”

„Gar gern gefällig, hieß ich da die andern schweigen
Und sang ein Lied, wie ich noch keines sang;
Vom Herzen lösten sich die Melodeien,
Gleich Perlen klar, in hellem, frischem Klang,
Denn meiner Sehnsucht Stern war aufgegangen;
Zwei Thränlein blinkten auf des Mägdleins Wangen.”

„Die Thränen mußt du trocknen! sprach ich zu mir selber
Und änderte die Weise und das Lied;
In süßen Tönen fing ich an zu locken,
Wie es die Vöglein draußen thun im Ried,
Den Blick konnt’ ich dabei nicht von ihr wenden,
Da ihre dunklen Augen schier mich blenden.”

„Und sieh! Kaum war ich mit dem letzten Lied zu Ende,
War auch der Zähren letzte Spur davon;
Ein helles Roth zog auf die zarten Wangen,
Gleich Rosen, aufgeblüht zu meinem Lohn.
Des Mägdleins Beifall wollt’ ich mir erringen
Und hätt’ ich müssen Tag und Nacht durch singen.”

„Es galten denn auch ihm nur meine schönsten Weisen;
Gar wenig scheerte mich der andern Lob.
Ein süß Verlangen ließ mein Herz erbeben,
So oft den schönen Blick sie zu mir hob,
Und ehe noch mein letztes Lied verklungen,
Hatt’ ich mich tief der Maid in’s Herz gesungen.”

„Wie nun die Fiedler einen muntern Hopser spielten
Und sich die andern drehn in frohem Muth,
Naht schüchtern mir die Holde sich bedankend,
Ihr lieblich Antlitz deckte tiefe Gluth;
Mir aber ward ganz wunderbar zu Sinne,
Das stille Sehnen hieß auf einmal Minne.”

„Der Geigen hell Erklingen zog auch uns zum Tanze,
Die Feine wiegte sich in meinem Arm;
Vor Freuden jauchzend schwang ich mich im Reigen,
Ihr Köpfchen lag an meinem Herzen warm.
Was mir die tiefen, dunkeln Blicke sagen,
Errathen hab’ ich’s, ohne viel zu fragen!”

„Da ward es mälig spät, die Fiedeln mußten schweigen,
Und Alt und Jung zog in die Nacht hinaus.
Ich folgte heimlich mit der Maid am Arme,
Durch Gassen kreuz und quer zu ihrem Haus;
Was wir uns sagten, möget selbst Ihr denken
Und darum diesen Theil mir gnädig schenken!”

„Das Paternoster, freilich, wurde nicht gesprochen!
Als spät und doch zu früh das Scheiden kam,
Hing sie in heißem Kuß an meinen Lippen
Und war in Thränen, da sie Abschied nahm;
Dann huschte sie in’s Haus, durch einen Garten.
Ich wußt’ nicht, sollt’ ich gehen oder warten.”

„Doch ging es eine Weile, eh’ ich mich konnt’ trennen
Vom Ort, der Zeuge war von meinem Glück.
Ein nahend Wetter hieß mich endlich gehen,
Und langsam suchte ich den Weg zurück,
Verfehlte aber bald die rechte Gasse;
Denn es war dunkel, wie in einem Fasse.”

„Voll Zuversicht, die Gasse wieder aufzufinden,
So mich zurück zur Herberg führen thät,
Schritt ich die Häuserreihen still vorüber,
Um nicht zu wecken, denn es schien mir spät;
War aber in dem Dunkel nichts zu wollen!
Nur ferne Blitze und des Donners Rollen.”

„Ein halbes Stündlein vielleicht war drob hingegangen,
Da brach das Wetter los mit aller Macht;
Ich suchte schirmend Obdach zu erspähen,
So oft ein Blitz durchbrach die schwarze Nacht,
Und endlich sah ich, unfern mir, zur Linken,
Ein Heil’genbild in einer Nischen winken.”

„In solchem Schirmen durfte ich mich sicher wähnen,
War doch die Nische selbst noch unter Dach;
Gelassen sucht’ ich ein behaglich Plätzchen
Und sann zufrieden meinem Glücke nach,
Derweil die Blitze grell den Himmel sengten
Und schwere Wolken überm Städtlein drängten.”

„Bald träumte ich gar süß von einem sel’gen Leben,
Das mir die Zukunft wies in goldnem Schein.
Mein fahrend Dasein hatt’ ich aufgegeben,
Sah hier am Orte schon ein Nestlein mein;
In welchem thät als Hausfrau lieblich walten,
Das Mägdlein, so ich heut’ im Arm gehalten.”

„Doch, während so ich träumte, ward das Wetter böser,
Die Fenster klirrten, da und dort ward’s hell,
Auch eine Wetterglocke hört’ ich läuten;
Die Donnerschläge folgten sich gar schnell.
Mich aber kümmerte kein Blitzezucken,
Durft’ unter gutem Schirme mich ja ducken!”

„Da schoß mit einem Mal ein Meer von gelben Flammen.
Herunter auf des Städtleins Giebelreihn,
Von unheimlichem Knattern arg begleitet;
Draus lohte hoch ein rother Feuerschein,
Dem lautes Schreien folgte, so mir kündet,
Daß in der Stadt des Wetters Strahl gezündet!”

„Bald wogte lautes Treiben durch die finstern Gassen,
Man konnte kaum sein eigen Wort verstehn;
Die einen schleppten Leitern, andre Eimer,
Mit denen sie in Hast zum Brunnen gehn,
Indeß am Himmel eine Feuergarbe
Auf Meilen leuchtete in rother Farbe.”

„Jetzt lockt’ auch mich der Böse aus dem sichern Winkel!
Ich ließ den guten Heiligen im Stich
Und trabte, gleich des Städtleins bestem Burger,
Zur Löscharbeit fast außer Athem mich;
War freilich unnütz, daß ich also rannte,
Da ich den Pelz dabei mir arg verbrannte!” —

„„Thu’ einen Schluck, Gesell, und dann bericht’ uns weiter,””
Sprach zum Erzähler hier der Wasserstelz.
Der Spielmann nahm den Krug, von Kunz geboten,
Und leerte ihn, mit einem „Gott vergelts!”
Zum Staunen Aller fast in einem Zuge,
Als ob nur etlich Tröpflein in dem Kruge.

„Am Aermel sich die nassen Lippen trocken wischend,
Fuhr drauf er fort: „So flog ich denn dahin,
Nicht achtend auf das Wirrsal in den Gassen,
Daß fast der Erste ich beim Feuer bin.
Hoch schwang ich einen Eimer in den Händen,
Die Flamme leckte schon an allen Wänden.”

Da, wie ich helfen will, dem Element zu wehren,
Packt meinen Nacken eine grobe Faust
Und hör’ ich schreien: „Heda, greift den Strolchen!”
Indeß ein Schlag auf mich herunter saust,
Der mich, so lang ich bin, zu Boden streckte,
Daß mir das Feuer aus den Augen leckte.”

„Der Fahrende ist an dem Brande schuldig!” hörte
Ich rufen, dann ging mir der Athem aus;
Ein schwerer Fußtritt raubte die Besinnung,
Die erst mir wieder ward im Büttelhaus.
Und nun, hochedle Herren, kam ein Leben,
Wie’s schlechter nicht dem ärmsten Hund gegeben!”

„Schon andern Tages stand ich vor des Städtleins Richter,
Der flissentlichen Brandstiftung verklagt;
Daß ich zur Nachtzeit nicht im Nest gewesen,
Ward ihm vom Herbergsvater eh’ gesagt.
Dir winkt das Dreibein, dacht’ ich, bist verloren,
Vom Schicksal als ein Opfer auserkoren!”

„Doch nahm ich mich zusammen und beschrieb dem Richter
Gewissenhaft, wie sich zum Brandplatz kam.
Daß ich im Dunkel abends mich verirrte,
Vorm Wetter dann beim Bildstock Deckung nahm,
Und auch der Heil’ge mich beschirmet hätte,
Lief nicht, zu helfen, ich zur Unglücksstätte.”

Der fahrende Sänger wird am Brandherd ergriffen

„Nur von dem Mägdlein und dem Gang mit ihr nach Hause
Mocht’ nicht ich sprechen, sonst war alles wahr.
Der Richter jedoch nannt’ es eitel Lügen,
Von weitem schon jedweder Wahrheit bar;
Wie ich auch schwur, es wollte nichts verschlagen,
Er ließ mich mit der Folter peinlich fragen.”

„So ward ich denn den Wasenknechten überwiesen,
Die bas sich freuten auf den Zeitvertreib,
Des fremden Vogels Federlein zu rupfen
Und ihn zu rösten bei lebend’gem Leib.
Mit Zittern trat ich in die Marterkammer,
Die bald auch wiederscholl, von meinem Jammer.”

„Ein jeder Tag schier brachte neue Qual und Schmerzen.
Die Teufel steigerten mir Grad für Grad
Die Marter, ach, ein zehenfaches Sterben!
Und grinsten höhnisch: „Bist noch gut für’s Rad!”
Als sie mich mit den heißen Zangen kniffen,
Daß zischend tief in’s Fleisch die Eisen griffen.”

„Doch, trotzdem sie die Qualen täglich fast erneuten,
Ich blieb dabei und sprach kein weiter Wort,
Als was dem Richter gleich schon ich bekannte,
Und was ich wiederholte fort und fort:
Daß ich die Herberg bloß deshalb verlassen,
Um Luft zu schöpfen in des Städtleins Gassen.”

„Lag dann ich wieder einsam auf dem Stroh des Kerkers,
Wo ich vor Schmerz zur Nacht mich schlaflos wand,
Kam wohl mir in den Sinn, es möchte nützen,
Würd’ etwas lockern ich der Zungen Band
Und frei bekennen, um des Mägdleins Willen
Sei spät der Herberg ich entschlüpft im Stillen.”

„Doch lieber hätt’ ich mir die Zunge abgebissen,
Eh’ ich die Holde meinethalb verrieth.
Ich schwieg also und ließ mich weiter martern,
Stumm wie ein Wild, das keinen Ausweg sieht.
Bist hin! dacht’ ich, und hast nur zu errathen,
Ob sie dich hängen werden oder braten!”

„Als sie jetzt sahen, daß ich Nichts verlauten lasse,
Da hielten sie mit Foltern endlich ein
Und gaben etwas Ruh’ dem armen Körper,
Sich zu erholen von der schweren Pein;
Auch, daß ich mich dem Rathe zeigen konnte,
Wenn der sein Urtel mir zu staben gonnte.”

„Zum Sterben elend, saß ich nun in meinem Loche
Und sann, auf feuchtem Lager, für mich hin,
Voll Sehnsucht auf mein letztes Stündlein harrend:
Ach, wenn ich nur des Leidens ledig bin,
Das mir mein traurig Dasein aufgebunden
So bleibt es gleich, was für ein End ich funden...!”

„Doch während solchem Harren heilten meine Wunden;
Dem Schlaf, so lang entbehrt, sank ich in Arm;
Ich schwang mich, träumend, mit der Maid im Reigen,
Ihr rothes Mündlein küßte mich so warm.
In trautem Plaudern kos’ten wir zusammen,
Bis ringsum stand die ganze Welt in Flammen!”

„Der Kette Klirren aber störte meinen Schlummer
Und ich besann mich, daß nur Traum und Schaum,
Was statt des Mägdleins mich jetzt oft umkos’te.
Entsetzen packte mich im Kerkerraum;
Ich rang mir wund die kaum geheilten Hände
Und flehte stöhnend um ein schnelles Ende.”

„Solch ein Erwachen war viel tausendfaches Leiden,
Verglichen mit der Folter argem Schmerz,
In hellem Wahnsinn riß ich an der Kette,
Die Kraft versuchend an dem harten Erz;
Ich war zu glücklich wohl im Traum gewesen,
Als daß ich, wach nun, davon konnt’ genesen.”

„So quälte ich mich wochenlang, bis eines Morgens
Erschlossen ward die Thüre und parat
Ein Weibel stund, umgeben von den Schergen,
Die mich begleiten mußten vor den Rath.
Im Sonnenschein lief Volk in allen Gassen.
Ich, schier geblendet, wankte durch die Massen.”

„Die Herren saßen ernst auf schön geschnitzten Siedeln
Und sahen finster blickend auf mich her;
Der Wasenmeister mußte rückwärts treten,
Daß frei ich stand mit meiner Kette schwer.
Dann fing man zu verklagen an, zu fragen;
Ich mußte ihnen nochmals alles sagen.”

„Geduldig gab ich Red’ und Antwort ihren Fragen,
Erzählte alles wahr und unverwandt;
Die Herren aber machten strenge Mienen,
Als ich zum Schlusse keine Schuld bekannt.
Da bat ich denn, mein Urtel schnell zu sprechen
Und über mich nur gleich den Stab zu brechen!”

„Nun flogen Red’ und Widerrede hin und wieder,
Gar manches fremde Wort kam mir zum Ohr;
Schon stand ich lange, ihres Spruchs gewärtig,
Da trat ein altes Männlein langsam vor.
Man sah ihm an, das Gehen ward ihm schwierig,
Auch schwiegen Alle, auf sein Wort begierig.”

„Mich streifte nur ein Blick aus seinen dunkeln Augen,
Die tief versenkt im faltigen Gesicht;
Dann wandte er sich zu den Rathscollegen,
Die lauschten still; sein Votum fand Gewicht.
Ich aber konnt’ den Blick nicht von ihm trennen,
Mir war, als sollt’ ich diese Augen kennen.”

„„Wollt nicht aburteln,”” kam es aus des Männleins Munde,
„„Eh’ Ihr zuvor auch mich gela’n.
In jener Unglücksnacht sah ich vom Fenster
Des Wetters Toben lange Zeit mit an;
Die Erde zitterte in ihren Gründen
Und jeder Strahl schien in der Stadt zu zünden.””

„„Da ist es leichtlich, daß wir doch uns irren könnten
Und Wahrheit wäre, was der Bursche spricht.
Ich fordre also Namens seiner Zeugen,
Ihm zu beweisen, eh’ den Stab man bricht,
Daß er es war, wie uns die Klage kündet,
Und nicht der Strahl, der uns das Haus gezündet.””

„„Der Unschuld Blut vergießen, heißt sich selber strafen;
Doch ist, Gottlob, noch Recht allhier der Brauch,
Daß, wenn wir richten, wir nicht fürchten müssen,
Es komme Unheil uns durch solchen Gauch.
Drum fordre Zeugen ich zum andern Male,
Dem Recht das Recht zu wahren hier im Saale!””

„„So weit die Sonne scheinet in des Kaisers Landen,
So weit noch Christenglocke tönt im Reich,
So weit an Mutterbrüsten Kindlein hangen,
So weit wir alle vor dem Herre gleich,
So weit am Himmel mahnen Blitzes Flammen,
Soll keinen rechtlos man zum Tod verdammen.””

„„Wie wir durch Gottes Gnade Seligkeit erhoffen,
So ist’s, nach altem Brauche, Richters Pflicht,
Beweise von dem Kläger einzufordern,
Eh’ man ein Urtel dem Verklagten spricht —
Traun! diesem Brauche wollen wir uns beugen:
Zum dritten Male fordre ich die Zeugen!””

„„Hochedler Schultheiß, wollet nun gebieten, nachdem
Die Männer wir besiebnet, daß man hört,
Was jene wissen und ob jeder willig,
Die Aussage mit seinem Eid beschwört;
Dann möget Ihr getrost das Urtel sprechen
Und — trägt der Bursche Schuld, den Stab ihm brechen!””

„Nach diesen Worten hielt das Männlein keuchend inne;
Das Sprechen ward ihm sichtbar endlich schwer.
Er ließ sich auf die nächste Siedeln nieder,
Wo nun er harrte, ob sie dem Begehr
Nach Zeugen, die ihr Wort beschwören sollten,
Im Rathe unverkürzt willfahren wollten.”

„Doch mocht’ des Alten Wort im Rathe Geltung haben;
Es dauerte nicht lange, ward erklärt
Vom Schultheiß, der im Rath den Vorsitz hatte,
Daß man die Zeugenabhör ihm gewährt,
Und seien jene eidlich zu verhören;
Kein Irrthum dürfe gutes Recht bethören.”

„Ein Nicken von dem Alten galt als Dank dem Schultheiß;
Dann rief ein Schreiber laut die Zeugen vor.
Es waren vier’, die in die Schranken traten,
Doch ihre Namen ich schon lang verlor;
Nur Einen kannt’ ich an den Fäusten wieder,
Die mich beim Brande damals schlugen nieder.”

„Wie nun die Zeugen reden sollten, stand der Alte
Nochmals vom Stuhle auf; es sprach sein Mund
Den vieren zu, der Wahrheit treu zu bleiben;
Gott sehe jedem Herzen auf den Grund
Und sei ihm selbst der Eidschwur des Gerechten
Nicht wohlgefällig, wie vielmehr des Schlechten!”

„So sprach er lang und breit, ein Pfaffe macht’s nicht besser,
Der auf der Kanzel seine Predigt thut.
Mir war dabei, als spräch’ aus seinen Worten
Es oft wie Mitleid für mein junges Blut,
Und trafen mich die großen, dunkeln Blicke,
Fühlt’ ich’s wie Trost in meinem Mißgeschicke.”

„Als er geendet, gab des Rathes dürrer Schreiber
Dem ersten Zeugen zum Bericht das Wort.
Gar kurz erzählte der, wie er getroffen,
Der ersten einen, mich am Unglücksort,
Und wie er mich als Fremden gleich erkannte,
Der nichts zu schaffen hatte, wo es brannte.”

„Im Unmuth ob der Rede faßte ich die Kette
Und hob die Hand beschwörend hoch empor,
Mit lautem Mund dem Rathe wiederholend,
Wie ich durch Zufall nur den Weg verlor,
Dann mit der Burgerschaft zu retten eilte,
Weil ich nicht fern vom Brand geborgen weilte.”

„Mit harten Worten hießen sie mich jedoch schweigen;
Ich knirschte mit den Zähnen und blieb still.
Vergeblich, dacht’ ich, ist des Einen Kämpfen,
Wenn um ihn jeder sein Verderben will.
Sein letztes Liedchen mag das Vöglein singen,
Denn es sitzt arg verstrickt in bösen Schlingen!”

„Es sprach der Zeuge weiter: Weil solch fremd’ Gesindel
Zu Allem fähig, habe der Verdacht,
Ich sei der Thäter, Jedermann befallen,
Sonst hätten sie mich dingfest nicht gemacht.
Von Andrem aber, schwur er, nichts zu wissen —
Er hat der Wahrheit ehrlich sich beflissen.”

„Die andern drei bestätigten des ersten Rede,
Sie auch bekräftigend mit Eid und Schwur.
Mir aber ward ganz wunderlich zu Muthe;
Ich glaub’ die Augen zeigten Wassers Spur.
In allen Gliedern fühlt’ ich frisches Leben,
Hätt’ schier den Männern einen Kuß gegeben!”

„Ein eigenartig Ding ist doch des Menschen Wesen!
Der Klügste bleibt ein ungenesen Kind.
Sein blödes Aug’ die Pfade nie erschauet,
So ihm zum Heil von Gott gebahnet sind!
Verzweiflung hielt mich wochenlang umfangen,
Daß ich am liebsten in den Tod gegangen.”

„Und nun, da schwach ein Stern am dunkeln Himmel blinkte,
Der wieder goldne Lebenshoffnung gab,
Entfalteten sich neu des Geistes Schwingen;
Ich hob mich kühnlich über’s offne Grab.
Das Leben wechselt zwischen Furcht und Hoffen,
Bis endlich uns des Todes Pfeil getroffen!”

„Doch, eh’s zur Freiheit ging, gab es noch böse Stunden,
Denn als die Viere ihren Spruch gethan,
Ward lange hin und her im Rath verhandelt, —
Ob sie den Vogel dürften fliegen la’n.
Ein alter Rathsherr meinte vielbedächtig,
Ich sei ihm, trotz der Zeugen Spruch, verdächtig.”

„Ein andrer rief, die Schuld sei unerwiesen, daher
Am besten auch, sie ließen mich gleich gehn,
Daß nicht des Städtleins Säckel erst noch Kosten
Für solchen Strolches Unterhalt entstehn;
Nur sollten vorher sie mich schwören lassen,
Zu meiden fortan Banngebiet und Gassen.”

„Da nun das Männlein sah, daß nicht sie einig würden,
Erhob es sich vom Stuhl mit ernstem Mund
Und sprach: Wenn trotz dem Schwure der vier Zeugen
Ich doch verdächtig scheine noch zur Stund’,
So sollte man auch hier nach Recht verfahren,
Und damit Zeit und unnütz Reden sparen!”

„Und das geschah denn auch. Die Räthe wurden stille;
Auf wohlverstandnen Wink des Schultheiß schob
Der Freimann wenig sanft mich aus dem Saale.
Wie Nebel war’s, was meinen Blick umwob,
Denn, schwach gemacht vom Foltern und vom Fasten,
Fühlt zentnerschwer ich meiner Fesseln Lasten.”

„Die Spannung, zu erfahren, was sie nun beschlössen,
Hielt aufrecht mich indessen drauß’ im Flur,
Und immer stärker kam mir der Gedanke:
Sie werden los mich geben mit dem Schwur,
Ihr Banngebiet auf ewig zu vermeiden;
Was ich geschworen hätt’ mit tausend Eiden.”

„Dazwischen gab es von des Wasenmeisters Knechten
Noch manchen Puff, weil’s nicht zum Galgen ging,
An den sie mich so gern gehangen hätten;
Doch achtete ich solches nur gering;
Mein Trost war ja, es kann nicht lang mehr dauern,
Bis hinter mir des Städtleins Thor und Mauern.”

„Gleich einer Schnecke langsam, schlich die Zeit von hinnen;
Fast däuchte mich, daß drinnen sie im Saal
Mit meinem Spruche gar nicht fertig würden;
Es schuf die Ungeduld mir harte Qual.
Jung Blut hat eben wenig Zeit und Weile,
Hofft, daß Erfüllung gleich den Wunsch ereile!”

„Da endlich ward des Saales Thüre aufgerissen,
Ein Büttel rief den Wasenmeister an,
Mich wiederum dem Rathe vorzuführen;
Er selbst ging stolzen Schrittes uns voran.
Der Freiheit mich schon freuend in Gedanken,
Trat leichtern Sinn’s ich dies Mal vor die Schranken.”

„Wie vorher winkte jetzt der Schultheiß seinem Schreiber,
Der gleich darauf mit wichtigem Gesicht
Und feierlichem Ton begann zu lesen;
Doch was er las, verstand ich leider nicht,
Am Schluß nur hieß es: aus sothanen Gründen
Sei Deliquent das Urtel zu verkünden.”

„„Dem Rubrikaten ist früh, nach dem Hahnenkrahte
Vom Freimann morgen vor der Rathhaus-Wacht,
Der Galgen auf dem Nacken einzubrennen,
Daß er hinfüro kanntlich sei gemacht, —
Nach solchem aber mittelst Ruthenhieben,
Von wegen Rechtens aus dem Thor zu schieben.””

„Schier sank ich hin ob diesem allzuharten Urtel;
Man forderte dafür noch meinen Dank,
Weil mich der Rath so gnädig angesehen,
Daß morgen schon ich würde frei und frank.
Mein leiser Fluch mocht’ ihnen dafür gelten,
Denn bessern Dank verdienten wohl sie selten.”

„Bislang sah ich im Leben wenig solcher Stunden,
Wie ich sie durchgemacht in jener Nacht,
Die mich von der ersehnten Freiheit trennte;
In wildem Fieber hab’ ich sie durchwacht,
Dem Städtlein fluchend und dem strengen Rathe,
Der mich erst losgab nach dem Hahnenkrahte.” —

„Es weicht die längste Nacht am Ende doch dem Morgen;
Ist sie auch schwer und bang, der Tag erscheint.
Drum gräm dich nicht, es muß die Noth sich enden,
Ob man sich auch von Gott verlassen meint.
So sprech’ ich jetzo, alt und viel erfahren;
Doch damals war ich — noch zu jung an Jahren!” —

„Es mochte lange Tag sein, als, wie Glockenläuten,
Des Riegels Quitschen tönte mir zum Ohr,
Und mir der Freimann guten Morgen wünschte
Inmitten seiner groben Knechte Chor;
Dann ging es, langsam nur, durch enge Gassen
Dem Markt entgegen, zwischen Menschenmassen.”

„Gar stolz hob ich den Kopf, als ob’s zum Tanze ginge,
Als folgt’ der Freimann mir, nicht ich, am Strick;
Doch schlug mir’s Herz, es möchte aus der Menge
Am End’ mich treffen jenes Mägdleins Blick,
Um das ich manchen Tag so schwer gelitten —
Ging’s nur, ich wäre schneller ausgeschritten.”

„Die halbe Burgerschaft war auf dem Weg zum Markte
Doch ich schritt keck in meiner Unschuld Muth
Zum Richtplatz hin, nicht vor dem Henker bebend,
Denn mein Gewissen war ja rein und gut;
Auch als sie nun mich an den Schandpfahl stellten,
War mir ihr Schmähen, als ob Hunde bellten.”

„Ja, als mit rothgeglühtem Eisen mir der Freimann
Des Städtleins Dreibein auf den Nacken brannt’,
Da zuckt’ ich kaum, so daß der Henker wüthend
Mich hartgeschmorten Teufelsbraten nannt’
Und fluchend seinen Knechten aufgetragen:
Bis ich am Thor, aus Kräften drein zu schlagen!”

„Schien freilich nicht vonnöthen, sie auch noch zu hetzen,
Denn kaum war ich der Fesseln los und frei,
Als sie mich peitschend durch die Gassen jagten
Und mir die Menge folgte mit Geschrei.
Der Rücken brannte mir, wie Höllenflammen,
Gezeichnet kreuz und quer mit blut’gen Schrammen.”

„Auf flinken Füßen ging’s die schmalen Gassen nieder,
Die Knechte hinter mir in wilder Jagd,
Als unfern ich dem Thor ersah das Häuslein,
Wo Abschied nahm von mir die holde Magd.
Ein Fenster war verhängt und drauß’ der Blumengarten,
Stand welk, als müßte er auf Pflege warten.”

„Mit thränenschwerem Blicke rannte ich vorüber,
Dem Ende meiner Qual, dem Thore zu.
Ich jauchzte auf; die Jagd war überstanden,
Denn vor dem Thore ließ man mich in Ruh. —
Nicht ohne meinen Fluch dem Nest zu spenden,
Schritt ich von dannen mit zerschundnen Lenden!”

„Nun war der Vogel frei, wenn gleich sie arg ihn rupften,
Und schier geknickt die jungen Flüglein sein! —
Nur mühsam hielt ich mich noch auf den Füßen
Und zog dahin im hellen Sonnenschein,
Bis endlich ich den grünen Wald erreichte
Und müd’ in’s Gras sank, wo ein Eichstamm bleichte!”

„„Letz’ Deine trockne Kehle wieder, alter Weinschlauch!””
Fiel hier Herr Heinz dem Spielmann nun in’s Wort,
„„So Du nicht fabelst, bist ein braver Kerle,
Wenn sie Dir auch den Braten arg geschmort;
Manch einer hätt’ das Mägdlein angegeben,
Eh’ halb so viele Pein er mocht’ erleben!””

Und hastig griff der Spielmann nach dem vollen Kruge,
So Kunz ihm rasch auf Elsbeths Wink gereicht;
Erschüttert von des Sängers bösem Schicksal,
Ward erst, als der nun schwieg, ihr wieder leicht
Und ging sie flink daran, mit eignen Händen
Ein gut Stück Schinken ihm und Brod zu spenden.

Der Spielmann ließ sich’s schmecken; unterdessen aber
Ward leis am Tische ein Gespräch geführt,
In welchem Elsbeth für den Sänger kämpfte,
Weil deß’ Erzählung sie gar tief gerührt;
Indessen Adelgunde ihm gar wenig traute,
Ja, in dem Ganzen nur ein Mährlein schaute.

Derweilen wurde Jener mit dem Essen fertig
Und bat von neuem nun den Vogt um’s Wort;
Doch schien’s, als ob der Zweifel leis ihn kränkte,
Denn also spann er die Erzählung fort:
„Würd’ meinen Nacken nicht das Dreibein zieren,
So glaubt’ ich selbst manchmal zu fabuliren!”

„Ist aber nur die Wahrheit, was mein Mund gesprochen!
Zwar weiß ich auch gar manche schöne Mär,
Zur Kurzweil holder Frauen ausersonnen,
Drob ihres Beifalls ich gar sicher wär.
Doch, mit Vergunst! Glaub’ nicht, Ihr werdet schmählen,
Weil ich gewagt, Erlebtes zu erzählen.”

„Nicht immer lüstet es den Sinn, rückwärts zu schweifen;
Verwichen Leid und Freud’ mit lautem Wort
Der Welt zu schildern, daß auch sie erfahre,
Was sonst wir bergen am geheimsten Ort.
Dann kommt es wieder, daß wir minder zaudern,
Von allem, was uns auf dem Herzen, plaudern.”

„Wie schon erzählt, hatt’ ich den Schritt zum Wald gerichtet;
Dort warf ich mich todmüde in das Gras.
Von Durst und Schmerzen aber arg gepeinigt,
Ging lange es, eh’ ich des Schlafs genas;
Nur nach und nach sang mich der Wald in Schlummer:
Ich fühlte endlich weder Schmerz noch Kummer.”

„Weiß, nimmer recht, wie lange ich geschlafen hatte,
Als es mich dünkte, eine zarte Hand
Glitt sammetweich mir über Stirn und Wangen;
Es war so angenehm, was ich empfand,
Daß, in der Angst, mein Traumglück zu verjagen,
Ich es vermied, die Augen aufzuschlagen.”

„Dann war es wieder, als ob kleine, weiche Finger
Mir glätteten das wirr zerzauste Haar,
Und, selig, fühlte ich auf meiner Stirne
Den warmen Druck von frischem Lippenpaar.
Ich konnt’ mich kaum noch halten vor Entzücken;
Doch, daß ich wachte, sagte mir mein Rücken.”

„So lag ich lange, wie durch Zauberbann gebunden,
Indeß’ der Schlaf sich mälig ganz verlor,
Als es auf einmal meinen Namen hauchte
Mit süßer Stimme und bekannt dem Ohr;
Wie warmer Odem streift es meine Wangen:
Das war kein Traum, was mich so hold umfangen.”

„Nun thät es nichts mehr batten, mußt’ die Augen öffnen.
Und was ersah ich? Meine traute Maid,
Sie knie’te dicht zur Seite mir im Grase;
Ich kannte gleich ihr braunes Linnenkleid.
Von meines Glückes Uebermaß bezwungen,
Hielt wortlos ich die Liebliche umschlungen!”

„Bald aber überkam mich ein schier seltsam Rühren
Ob ihrer Liebe, die so heldengroß
Mir auch die Treue zeigte, und ich schluchzte,
Gleich einem Kinde in der Mutter Schooß,
Um stets auf’s neu’, in seligem Vergessen,
Den Mund fest auf ihr Lippenpaar zu pressen.”

„So tauschten wortlos wir denn ungezählte Küsse,
Versenkte sich erglühend Blick in Blick;
Derweil ihr Antlitz ungefragt mir sagte,
Daß es sich blaß gehärmt um mein Geschick.
Wie konnt’ ich süßer lohnen denn die Schmerzen
Ihr anders, als von neuem sie zu herzen?”

„Doch wer vermöcht’ die Seligkeit mir nachzufühlen,
So ich empfand an meines Mägdleins Brust?
Die Engel vielleicht, wenn sie nicht uns neiden
In ihrem Paradiese um die Lust,
Die reine Herzen an einander finden,
Wenn sie in treuer Minne sich verbinden!”

„Zu bald nur wand die Holde sich aus meinen Armen
Und frug mich ängstlich: „„Joseph, kannst Du gehn?””
Es strich die Hand dabei durch meine Locken,
Wie leise Lüftlein durch die Saaten wehn.
Mir aber kam nun die Erinn’rung wieder,
Und traurig wies ich auf die wunden Glieder.”

„Da beugte, tief erröthend, sie sich auf die Seite
Und hob ein kleines Bündel aus dem Gras;
’s war bald geöffnet und ich schaute staunend,
Wie nun zum Vorschein kamen Krug und Glas.
Das letztre füllte sie und ließ mich nippen;
Es war gleich Balsam für die heißen Lippen.”

„Den wunden Nacken aber kühlte sie mit Wasser
Aus einem Bach, der nah vorbei gerauscht.
Mit trunknen Blicken sucht ich ihr zu lohnen,
So oft das Tüchlein frisch sie umgetauscht,
Und wäre Wochen lang gern krank gelegen,
Nur, daß die Gute meiner sollte pflegen.”

„Dazwischen fütterte sie mich aus ihrem Bündlein,
Zufrieden lächelnd, als sie sah, wie’s schmeckt’;
Es sagte mir ihr herzig klingend Plaudern,
Daß heute früh sie sich im Wald versteckt,
Um, voller Sehnsucht, nach mir auszusehen,
Bis mich ihr Blick von Weitem konnt’ erspähen.”

„Als ich die müden Schritte dann zum Walde lenkte,
Sei still sie mir gefolgt mit zagem Schritt,
Dem sanften Schlummer gern mich überlassend,
So lange meine Sicherheit dies litt.
Nun aber mahne dringend sie zur Eile,
Weil ich noch immer in dem Stadtbann weile.”

„Aus meinem Glücke aufgescheucht, sah ich nun selber,
Wie nah’ die Sonne schon dem Niedergehn;
Doch zugleich schaute ich auch reisefertig
Die Traute selber mir zur Seite stehn.
Hei! sprang ich Euch empor und ihr an’s Herze,
Als ob ich dagelegen nur zum Scherze!”

„Voll Ernst doch wehrte sie des Mundes heißem Kusse,
Und machte sich aus meinen Armen frei,
Mich eifrig mahnend an die Flucht zu denken;
Denn wenn mich morgen nach dem Hahnenschrei,
Die Burger noch in ihrem Weichbild fingen,
So sei es sicher, daß sie doch mich hingen.”

„Da schwur ich ihr bei allen Heiligen des Himmels,
Wie ich sie nimmermehr verlassen könnt’,
Seit mir gewißlich worden, daß das Schicksal
Mir ihrer Liebe süßes Glück gegönnt;
Ich wollte eher Schmach und Tod erleiden,
Als sie im Leben fortan nun zu meiden.”

„Mit dunklem Rothe auf den zarten, lieben Wangen,
Bekannte traurig sie in leisem Wort,
Daß wohl auch ihr der Rückweg nicht mehr fromme,
Und sie mir folgen müßt’ von Ort zu Ort;
Was noch sie flüsterte, mocht’ kaum ich fassen,
Ich fühlte nur, sie wird mich nicht verlassen.”

„In langem Kusse wollte ich’s der Lieben lohnen,
Die aber hat ein ernst Gesicht gemacht
Und drängte wieder, endlich aufzubrechen,
Daß fern wir seien, wenn der Tag erwacht.
„„Der Vollmond,”” schloß sie, „„kommt zu guten Zeiten,
So daß wir sicher auf dem Waldpfad schreiten.””

„Und nun, nicht weiter von mir einer Antwort wartend,
Schlug um das Bündlein sie ein festes Band
Und schwangs, ein heimlich Thränlein trocknend,
Zum Gehen fertig, in der linken Hand;
Derweil sie mit der Rechten mich wollt’ stützen,
Auf holprigrauhem Pfad vorm Fall beschützen.” —

„Hätt’ nie gedacht, daß Liebe halb so viel vermöchte,
Wie ich, voll Staunen, damals es geschaut.
Begleitet von der Hoffnung goldnen Sternen,
Aus welche sie ihr künftig Schicksal baut,
Kehrt froh die Jungfrau Heim und Haus den Rücken,
Um, wen sie wählte, liebend zu beglücken!” —

„Das Abendroth vergoldete der Bäume Wipfel,
Als wir uns endlich auf den Weg gemacht.
Zwar ging es langsam nur mit meinen Schritten,
Doch dämpfte mir den Schmerz die kühle Nacht;
Auch kam der Mond mit seinem lieben Lichte,
Den Pfad uns weisend durch des Forstes Dichte.”

„Wie wir so fürbas zogen, lauschte ich der Treuen,
Die nun erzählte, wie sie fleht’ und bat
Den Oheim, jenes alte, strenge Männlein,
So für mich Zeugen forderte vorm Rath,
Für meine Unschuld doch ein Wort zu sprechen,
Daß nicht sie ungehört den Stab mir brechen.”

„Seit lange Waise, wohnte sie beim Ohm im Hause
Und hielt sie dieser wie sein eigen Kind;
Doch solcher Bitte wollt’ er nicht willfahren,
Denn fahrend Volk war ihm nur schlimm Gesind.
Er hieß die Maid ein Gänslein, so da schnattert,
Was Abends es am Brunnen hätt’ ergattert.”

„Da warf sie sich in Thränen vor dem Oheim nieder
Und beichtete, indem sie ihm gestand,
Daß ich es war, der sie nach Hause führte
Und dabei wohl den Rückweg nimmer fand;
Da leicht zu irren auf den dunklen Wegen,
Auch ziemlich fern der „güldne Kranz” gelegen.”

„Nun erst errieth der Alte ihres Kummers Quelle;
Er sah die Schande, die das Kind bedroht,
Wenn ruchbar es im Städtlein werden sollte,
Daß einem Fahrenden den Arm es bot.
Mit harten Worten schalt er da die Arme,
So schier verging in bitterschwerem Harme.”

„Doch hörte sie nicht auf, den Oheim anzuflehen,
Bis der, durch ihre Thränen wohl gerührt,
Ihr halb und halb versprach, für mich zu reden,
Wenn mein Prozeß im Rathe würd’ geführt.
Ob mir es nütze, konnt’ er nicht versprechen,
Weil gar zu schwer erschien ihm mein Verbrechen.”

„Den Leichtsinn aber sollt’ die Arme strenge büßen;
Schon nächsten Morgen mußte gleich sie fort,
Zu einer alten, menschenscheuen Muhme,
Die einsam hauste in dem nächsten Ort,
Half meinem Lieb kein Bitten und kein Flehen,
Bis nach dem Urtel wollt’ er nicht sie sehen.”

„So ging sie denn. Indessen fürchtete der Alte,
Daß doch die Folter mir ein Wort entlockt’,
Von dem, was frei das Mägdlein ihm gestanden;
Hätt’ wohl damit ein Süpplein eingebrockt,
Nach dem ihn wahrlich wenig lüsten konnte,
Da seine Sippe sich in Ehren sonnte.”

„Als jedoch er vernommen, daß ich steif geschwiegen,
That’s freilich nicht dem alten Herrn zu lieb,
Sann er auf Wege mich vom Strick zu retten;
Nur leider, daß ich doch unschädlich blieb,
Und sorgte, daß man so mein Urtel messe,
Daß hinfür ich das Burger-Kind vergesse.”

„Erzählte schon, wie es der Alte angefangen,
Und man im Rathe ihm zu Willen war;
Nun erst erfuhr ich, daß das Männlein früher
Im Städtlein Schultheiß war gar manches Jahr,
Und hörte, wie an ihn sich oft man wandte,
Weil Keiner besser Brauch und Rechte kannte.”

„Doch diesmal schnitt der Kluge selbst sich in die Finger,
Als er den Burgern rieth, wie’s anzufah’n,
Daß sie mich doch der That verdächtig sprachen,
Wenn auch das Leben sie mir mußten la’n;
Denn während er im Rathhaussaal gesessen,
Hat seine Maid den Buhlen nicht vergessen.”

„Die Gute lohnte wahrlich mir das Schweigen besser,
Als es der Ohm vor Rath und Burgern that.
Ich war vor ihren Augen rein geblieben —
Und unverdächtig, trotz dem Spruch vom Rath;
Sie dachte seufzend meiner all’ die Wochen,
Bis ihr vor Weh das Herzlein schier gebrochen.”

„Als dann ihr Kunde von dem strengen Urtel worden
Und auch der Tagzeit, da es ward vollstreckt, —
Verließ die Maid, nach schweren Seelenkämpfen,
Das Haus der Muhme, lang vor Tag erweckt,
Um mir, im Walde wartend, aufzupassen,
Daß ich im Elende nicht ganz verlassen.”

„Im Walde wurde sie zwar von der Angst gepeinigt,
Ob ich vielleicht geändert meinen Sinn
In all dem Unglück und ihr zürnen möchte,
So daß in Unmuth sich verkehrt die Minn’ —
Und leis’ bekannte sie mir so im Gehen,
Sie hätte auch sich dessen vorgesehen.”

„So plaudernd schritt sie neben mir auf rauhem Pfade,
Indessen still ich ihren Worten lauscht’;
Sie drängte vorwärts, wollte nimmer rasten,
Bis endlich nah die Donau uns gerauscht.
Es war noch früh, fing eben an zu dämmern;
Im Walde hörten wir die Spechte hämmern.”

„In meinem ganzen Leben sah ich keinen Morgen,
Der schöner war und freundlicher gelacht
Hatt’ mir der Sonnenstrahl noch niemals vorher;
Nur gab ich darauf jetzt zu wenig Acht,
Sah lieber in die Aeuglein meiner Trauten,
Aus denen tausend helle Sonnen schauten!”

„Am Donauufer gingen wir zur nahen Fähre
Stromabwärts nun im Morgensonnenschein.
Verschlafen lag der Ferge selbst im Nachen;
Wir mußten erst den Wackern munter schrei’n,
Doch endlich schob der grämliche Geselle
Sein Schifflein in des Stromes grüne Welle.”

„In schneller Fahrt glitt bald der Nachen dann stromüber
Und hinter uns lag jetzt des Städtleins Bann, —
Doch schritten weiter wir entlang dem Ufer,
Bis unser Weg den nächsten Forst gewann;
Hier suchten wir ein Plätzlein an der Halde,
Das dicht umfriedet war vom stillen Walde.”

„Aufathmend hielt die Holde endlich ein mit Gehen,
Wir sanken müde in das weiche Gras
Und mochten weder plaudern mehr noch essen,
Eh’ neuer Kraft der Körper erst genas.
An treuem Herzen fand die Maid den Schlummer,
Im Schlaf noch lächelnd, da nun fort ihr Kummer.”

„Bald lag auch ich vom festen Schlafe übernommen
Aus dem die Maid mich spät am Tag geweckt;
Die Augen reibend, sah ich, gar zufrieden,
Im Grase uns ein Tischlein fein gedeckt.
Sie frug mich, lächelnd, ob mir wohlbekommen
Das Schläflein, so schier gar kein End’ genommen?”

Mich nicht besinnend, sprang ich auf und gab die Antwort
In heißem Kuß ihr aus den rothen Mund;
Dann saßen selig wir bei unsrem Mahle
Im grünen Walde, bis zur Abendstund’
Mir war zu Muth, als sei das holde Wesen,
All meiner Lebetag um mich gewesen.”

„Als abermals der Mond gekommen, ward berathen,
Welch’ Ziel zu wählen für den flücht’gen Fuß.
Nach Spielmanns Brauch ließ ich ’ne Feder fliegen,
So fahrend Volk die Straßen weisen muß,
Und, da stromabwärts sie sich fortgewendet
War aller Zweifel drüber schnell beendet.”

„Frisch ging es also weiter, zwischen Busch und Bäumen
Den Wald dahin, im klaren Mondenschein;
Gar traulich wandelt es sich in der Stille,
Ist man alleine mit dem Mägdlein sein!
Die Bäume lauschten, wenn wir Küsse tauschten;
Indeß’ uns nah der Donau Fluthen rauschten.

„So wanderten wir stundenlang in trautem Plaudern,
Nur hie und da von einem Baum erschreckt,
Der aus dem Schatten, wie ein menschlich Wesen,
Uns seine Arme lang herangestreckt;
Als sich im Morgenluft die Tannen wiegten,
Wir, fröstelnd, näher uns zusammen schmiegten.”

„Allmälig wich die Frühlingsnacht dem jungen Tage,
Des Mondes Bild verschwamm im hellen Blau;
Mit warmen Strahlen küßte drauf die Sonne
Von Blatt und Halm den kühlen Morgenthau.
Nun galts zur Ruh’ ein Plätzlein auszusuchen,
Das bald sich fand, umkränzt von grünen Buchen.”

„Wir hielten ängstlich uns zum Walde, bis die Wunden
Mir fast geheilt, auch unser Bündelein
An Speis’ und Trank nichts mehr zu weisen hatte,
Als einst wir, kurz entschlossen, quer feldein,
Da eben sich des Abends Schatten senkten,
Die müden Schritte auf die Straße lenkten.”

„Ein Städtlein, das vor Thorschluß grad wir noch erreichten,
Mußt’ Herberg geben, bis die Nacht vorbei,
Und weil der Sänger überall willkommen,
Gab man uns Obdach und die Zeche frei.
Mit frischem Mund half auch das Mägdlein singen;
Hätt’ nie geglaubt, daß es so schön möcht’ klingen!”

„Doch schon am andern Morgen wanderten wir weiter
In’s Land hinein, bis schier der Tag zu End’
Und wir in einem Flecken Herberg fanden,
Der rings umsäumt von grünem Weingeländ’.
Dort mußten wir den wackern Leuten singen,
Und thät uns solches manchen Heller bringen.”

„Da konnten wir denn bald ein Saitenspiel erhandeln,
’s ist dieses hier und dies auch noch das Band
An dem die Traute mein es stets getragen.” —
Schier zärtlich nahm die Laute er zur Hand
Und ließ, wohl seine Wehmuth zu bezwingen,
Mit raschem Griff die Saiten voll erklingen.

„Ihr liebes Händlein lernte bald das Ding zu meistern,
Und liederkundig, wie die Holde war,
Erlernte ich von ihr gar manche Weisen,
Die mir im Sinn geblieben all’ die Jahr.
Kein Wunder, daß wir Alt und Jung berückten
Mit Sang und Spiel und alle Welt entzückten!”

„Gleich jungen Vöglein schwoll uns ja im minnefrischen Herzen
Ein ganzer Himmel voller Sangeslust;
Es klang auch herrlich, was wir sangen, hatten
Den Frühling selber in der jungen Brust
Und gaben kaum so viel, als wir empfangen,
Wenn wir von Lenz und süßer Minne sangen.”

„Die Tage schwanden uns in eitel Freud’ und Wonne
Gab manchmal auch es einen kleinen Span,
So glich das einem warmen Sommerregen,
Wenn Flur und Hain im Sonnengolde stahn.
Das Wölklein ging, so schnell wie es gekommen,
Indeß’ die Liebe nur noch zugenommen.” —

Ein eigen Wesen jedoch blieb der Guten immer.
Das Mägdlein hielt sich ferne meiner Zunft
Und weilte eher unterm freien Himmel,
Als daß ich einmal für uns Unterkunft
Bei einem meines Völkleins durfte suchen;
Sie haßte dessen wüstes Thun und Fluchen.”

„Oft saß sie sinnend, wie von tiefem Traum umwoben,
Und frug ich da, was sie geträumt so lang?
Blieb wohl mit Lächeln sie die Antwort schuldig,
Griff etwa nach dem Saitenspiel und sang
Mit süßem Munde, aber nur ganz leise,
Ein neues Lied zu einer alten Weise.”

„Auch kannte sie die Namen von fast allen Blumen,
Und wußt’ von jeder eine schöne Mär;
Das kleinste Käferlein selbst war willkommen,
So ihr des Weges kam von ungefähr.
Im stillen Hain umgaukelten uns Feeen,
Wie Sonntagskinder sie zuweilen sehen.”

„Und wie ihr Auge nur das Schöne sah in Allem,
So barg ihr Herz nur feinen, zarten Sinn;
Eh’ ich mich deß’ versehn, war ich verwandelt,
So daß ich ganz ein andrer worden bin,
Das rohe Wesen bald mir abgewöhnte,
Worüber meine Zunft mich weidlich höhnte.”

„’s ist ja der Frauen schönstes Theil, in sanfter Weise
Zu wirken, daß des Mannes stärkre Kraft
Nicht bloß nach äußeren Erfolgen ringe,
Mit denen er sich oft nur Sorgen schafft;
Sie suchen gern, in sinnig zartem Walten,
Des Mannes Sinn auch edler zu gestalten.” —

„Ein Jährlein war vorbei, daß wir zusammen hausten,
Der Minne nur und ihrem Sang geweiht,
Ein schöner Leben mochte keiner führen
So hoch der Himmel und die Erde breit;
Im Schlosse heut’ zu Gast, im Städtlein morgen,
Blieb meilenfern uns alle Noth und Sorgen.”

„Doch, nun der Lenz dahin, ging’s uns, wie noch gar vielen;
Wir bauten flink ein traulich Nestlein fein
Und sahen fröhlich jener Zeit entgegen,
Da zwitschern sollt ein junges Vögelein,
Das freilich noch im Schooß der Mutter weilte
Und an das Licht zu kommen nicht sich eilte.”

„Je kleiner’s Nestlein, um so wärmer sitzt der Vogel!
War unsres klein, viel Glück doch wohnte drin;
Denn wo die Liebe Einkehr hält und weilet,
Giebt’s frohe Herzen und zufriednen Sinn.
Weiß heut’ noch nicht, was uns hätt’ fehlen sollen,
Des Einen Wünschen war des Andern Wollen!”

„Doch unser Glück hienied’ ist eitel leichte Waare,
Ein leiser Stoß und tausend Scherben sind.
Wir hatten uns zu lieb, drum hieß es scheiden;
In Nacht und Nebel sank mein Glück geschwind.
Jung Vöglein forderte der Mutter Leben
Und lächelnd hat sie es auch hingegeben.”

„Will Euch mit meinem Schmerz verschonen, edle Herren!
Nur kurz vermelden, daß es lange ging,
Eh’ ich den harten Schlag verwinden mochte
Und die Betäubung schwand, die mich umfing,
Als auf der Süßen Leib die Schollen rollten,
Die mich am besten mit begraben sollten!”

„Allmälig aber fing es wieder an zu tagen.
Ein nie geahnt Gefühl ist mir erwacht,
Das ließ mich freundlich auf das Kindlein blicken,
Deß’ Kommen mir so herbes Leid gebracht.
Das Mägdlein hatte ganz der Mutter Augen,
Nur es zu pflegen wollt’ mir wenig taugen.”

„Gab mich drum gern zufrieden, als die braven Leute,
Bei denen just wir wohnten, auf mein Flehn
Erbötig waren, für den Wurm zu sorgen,
So ich für dessen Atzung würde stehn
Und jährlich ein Pfund Heller ihnen zahlte,
Daß Pfleg’ und was sonst nöthig er erhalte.”

„Nachdem ich dies versprochen, auch mich willig zeigte,
Zum wenigsten ein Mal im runden Jahr,
Selbst nach dem zarten Dinge schau’n zu wollen,
Küßt’ sachte ich des Kindleins feines Haar
Und zog, nach kurzgefaßtem Abschied von den Leuten,
Dann meines Wegs beim nächsten Morgenläuten.”

„Das Saitenspiel der Seligen und meine Trauer
Sie waren manchen Tag mein Weggeleit.
In Gram versunken zog ich meine Straßen,
Jed’ Sinnen der Vergangenheit geweiht;
Sollt’ mal ich wo ein heiter Liedlein singen,
Mußt’ schier gewaltsam ich mich dazu zwingen!”

„Hatt’ aber vordem nur mein Lied der Lieb’ gegolten,
Wie sie die Herzen schwellt in süßer Lust,
Daß wir in ihr des Himmels Freuden ahnen,
So klang mir jetzt die Wehmuth aus der Brust;
Ich mußte singen von der Minne Schmerzen,
Vom bittern Scheiden, tiefem Weh im Herzen.”

Der Mädel helle Aeuglein schimmerten in Thränen
Und mancher Knabe klagte mir sein Leid.
Ein guter Schmied ist Unglück, schweißt zusammen
Das Weh im Rock mit dem im Grafenkleid,
So wir’s verstehn die Saiten anzuschlagen;
Im eignen Schmerz nach fremdem auch noch fragen!”

„Als nach und nach der Herbst in’s Land gezogen,
In falbe Blätter blies der rauhe Wind,
Am Hag die langen Spinneweben wehten,
Gleich Silberfäden, die entflogen sind;
Da kam die Sehnsucht leise angeschlichen,
Mein Kind zu sehn, die nimmer ist gewichen.”

„In jedem Wiegenbett wähnt’ ich mein eigen Täublein
Und suchte seiner Aeuglein hellen Blick;
Sah sanft an warmer Brust ein Kind ich schlummern,
So schmerzte mich jung Vögeleins Geschick,
Das süßer Mutterliebe mußt’ entbehren —
Und ich entschloß mich endlich umzukehren.”

„Hatt’ manchen blanken Heller mir ja schon ersungen,
Mit dem ich hoffen durft’ die Winterzeit
Bei meinem Kindlein sonder Noth zu leben;
Auch lag im Bündel längst ein Kram bereit
Für’s Vögelein, von manchen schönen Sachen,
Ob dem es große Aeuglein sollte machen.”

„Und bald, des Wiedersehens mich im Voraus freuend,
Zog ich dem Dorf zu, drin das Mägdlein weilt;
Es war, als streckte Sehnsucht mir die Schritte,
So bin ich damals Tag und Nacht geeilt,
Bis endlich Dorf und Hütte vor mir lagen,
Dem kleinen Ding ich frohen Gruß konnt’ sagen.”

„Mit rothen Backen, wie die Englein in der Kirchen,
Schlief sanft es just, fuhr aber auf, erschreckt
Von fremder Stimme und erbärmlich schreiend,
Da wohl zu wenig lind mein Kuß geweckt.
Trotz allem Kosen wollt’ es nicht mich kennen,
Und erst die Pflegfrau stillte drauf sein Flennen.”

„Doch wurden wir im Lauf des Winters gute Freunde.
Es wohl zu warten, kürzte manche Stund’,
Die sonst vergällt gewesen um die Mutter;
War tief im Herzen ja noch weh und wund,
Und manch ein Kuß auf meines Kindleins Wangen
Galt ihr, die viel zu früh von mir gegangen.”

„Als dann der Lenz kam, zog ich wieder in die Ferne
Mit Sang und Laute, wie das meine Art,
Mir Atzung suchend nebst so manchem Heller,
Den jedoch stets ich für mein Kind gespart. —
Eh’ aber noch der erste Schnee gefallen,
Sah mich man wieder nach dem Dörflein wallen.”

„Dies trieb ich volle sechszehn Jahre, liebe Herren!
Nur kürzte ich die Fahrten Jahr für Jahr;
Galt mir doch jede Stunde für verloren,
In der ich fern von meinem Kinde war.
In seiner Nähe war mir Glück und Frieden,
Wie vor- und nachher nimmermehr, beschieden.”

„Gleich einer frischen Rosen, die sich früh entknospet
Im Morgenthau, vom Sonnenstrahl begrüßt,
Die keusche Blüte nur erst halb erschlossen,
Als ob im Traum der Lenz sie wach geküßt,
So war mein Mägdlein, schön und fein gediehen
In holder Anmuth, ihm von Gott verliehen.”

Es machte mich gar stolz, daß ich der Schönen Vater;
Doch stolzer noch, sah ich, wie lieb und gut
Des Kindes Wesen mit der Zeit geworden;
Fern jedem jugendlichen Uebermuth,
War doch dem Frohsinn ihr Gemüthe offen,
Von keinem Leide noch und Weh getroffen.” —

„Ich aber war im Dorfe in den vielen Jahren
Schier seßhaft worden, auch gar wohl bekannt
Im ganzen Gaue, als der Liederseppel,
Wie dorten mich ein jedes Kind genannt.
Auf keiner Kirmeß’ durfte je ich fehlen,
Wenn ich nicht wollte, daß sie all’ mich schmälen.”

„So schwand die Zeit uns hin, gleich wie im Mai die Wolken,
Wir lebten still in ungestörtem Glück;
Nur eines fehlte, ’s war des Mägdleins Mutter.
Aus ihrem Grabe sehnt’ ich sie zurück,
Um froh, wie ich, bei unserm Kind zu weilen,
Das höchste Erdenglück mit uns zu theilen.”

Hier hielt der Spielmann plötzlich inne mit Erzählen,
Als brächte er es nicht mehr weiter fort.
Kunz aber reichte ihm ein frisches Krüglein:
„Daß nicht die Kehl’ am Ende gar verdorrt!” —
Indeß Herr Heinzens freundlich-stilles Winken
Den Gästen rieth, ihr Gläslein auszutrinken.

Sie thaten’s auch. Doch mochte Keiner plaudern, hielten
Den Blick gespannt dem Sänger zugewandt;
Sein schlicht Erzählen aus dem eignen Leben
Gefiel wohl mehr, als Sagen, altbekannt.
Der Gläser Klingen, sonst war nichts zu hören,
Schien Wirth und Gäst’ im Lauschen gleich zu stören.

„Gesegn’ es Euch der Herrgott, edle Herrn und Damen!”
Hob bald der Sänger an mit neuem Muth,
Doch einem leisen Beben in der Stimme —
„Ihr haltet es dem fremden Mann zu gut,
Wenn er vom Leid auch spricht, so er erfahren;
Gott wolle Euch in Gnaden davor wahren!”

„’s war wieder Frühling worden und die Sonne lachte
Vom blauen Himmel über Wald und Ried;
Viel tausend Schnäblein sangen jeden Morgen
Von Ast und Zweig ihr süßes Minnelied.
Ein Jubeln war’s, ein Durcheinanderklingen,
Was nur ein Stimmlein hatte, mußte singen!”

„Da lockte mich die Märzenluft, durchs Land zu streifen.
Dem Sänger liegt das Wandern ja im Blut;
Waldvögelein und er ha’n gleiches Wesen,
Thun selbst in goldnem Käfig nicht lang gut:
In linder Lust muß es die Flüglein dehnen,
Des Sängers Herz sich in die Ferne sehnen.”

„Begleitet von dem Mägdlein bis zum nächsten Dorfe,
Gings früh am Morgen in den Lenz hinein.
Es sprühte, funkelte in jungen Saaten,
Gleich Adamanten im Juwelenschrein;
Im Busche grünten Faulbeerbaum und Erle,
Von jedem Zweiglein hing des Thaues Perle.”

„Den Weg zu kürzen, mieden wir die breite Straßen
Als kaum wir vor des Dörfleins letztem Haus,
Und, nun im Walde, pflückte sich mein Herzkind
Ein Büschlein Blumen, mir zum Abschiedsstrauß,
In welches es auch manches Kräutlein steckte,
Das, seiner Meinung nach, vor Unglück deckte!”

„Von ferne tönte laut des Gauchgucks frohes Rufen,
Das weithin hallte über Berg und Thal.
Mein Mägdlein gab mir Urlaub soviel Wochen,
Als es erlauschen mocht’ der Rufe Zahl;
Dann jedoch wollte mein es täglich warten,
Bis ich ihm wiederkehre von der Fahrten.”

„Flink schritten wir, bei munterem Geplauder, fürder
Durch junges Grün und hellen Vogelsang,
Als hoch ob uns der Thierburg alte Thürme
Herunter schimmerten vom Felsenhang
Und fernes Klingen eines Hifthorns sagte,
Daß ihr Besitzer just im Walde jagte.”

„Wir achteten nicht drauf. Das Mägdlein plaudert’ fröhlich,
Indeß vom Rain es blaue Veilchen brach.
Schon war nun auch das nächste Dorf durchschritten,
Von wo zurückzugehn die Maid versprach;
Da war es aus mit unsrem trauten Plaudern,
Wir mußten scheiden, half kein länger Zaudern.”

„Ein letztes Mal hatt’ ich dem Kinde noch versprochen,
Zu Haus zu sein in der bestimmten Zeit;
Dann küßt’ ich seine überthränten Wangen
Und schritt, vom Flennen selbst nicht all zu weit,
Mit felsenschwerem Herzen ob dem Scheiden,
Dem Thale zu, durch Haselbusch und Weiden.”

„Von dort, den hellen Blick zur Höhe rückgewendet,
Sah ich mein Mägdlein stehn im Sonnenschein,
Und wurde mir, als hörte ich es rufen:
„Behüet Euch Gott! Herzlieber Vater mein!”
Sein rothes Tüchlein flatterte im Winde —
Ade, Ade, du mein vielsüßes Kinde!”

„Es regnete im selben Sommer mir die Taschen
Voll blanker Heller, wie noch nie vorher.
War aber auch ein reiches Jahr gewesen.
In Tenn’ und Keller blieb kein Plätzlein leer;
Gern ließ das Volk drum seine Batzen springen
Für Lieder, Sang und fröhlich Saitenklingen.”

„Da hielt ich mich denn nicht lang an des Kuckuks Rufzahl,
Es zog mich heimwärts zu auf Schritt und Tritt;
Im Ränzlein, so mir schwer zur Seit’ gehangen,
Hatt’ manchen Kram ich für mein Herzkind mit.
Wie niemals aber, freut’ ich mich im Gehen,
In einem fort auf unser Wiedersehen!”

„’s war früh im Herbste, als ich durch des Dörfleins Gasse
Der Hütte zuschritt, wo mein Kind gewohnt;
Da fiel mir auf, daß meinem lauten Gruße
Die Dörfler nicht, wie früher, froh gelohnt,
Und Unheil schwanend, streckte ich die Schritte,
Bis bald im Stüblein knarrten meine Tritte.”

„Doch statt dem lieben Gruße meines trauten Kindes
Begegnete mir scheu die Pflegerin.
Ihr traurig Willkomm wollte kaum vom Munde,
Es fuhr wie Todesängsten durch mich hin
Und ging es lange, eh’ ich’s mochte wagen,
Verzagten Sinnes nach dem Kind zu fragen.”

„Mit wenig Worten, aber unter vielen Thränen,
Erzählte mir das Weiblein, daß der Weih’
Am selben Tag mein Vögelein sich raubte,
Als ich im Lenz von ihm geschieden sei;
Doch soll es munter auf der Thierburg weilen
Und Tisch und Lager mit dem Herrn dort theilen.”

„Da wich mein bang Gefühl des Zornes närr’schem Toben,
Und Fluch auf Fluch fiel auf des Kindes Haupt;
In blindem Wüthen schwor ich, mich zu rächen
An ihm, der mir mein einzig Kind geraubt.
Aufschreiend: „denen will ich’s Nachtmahl würzen!”
Wollt’, rasend, schon ich aus dem Stüblein stürzen.”

„Da wischte sich die Bäuerin ’s Wasser aus den Augen
Und zog mich neben sich auf eine Bank.
„„Stat Seppel!”” sprach sie, „„magst Dir’s erst beschlafen;
Der auf der Thierburg wüßt’ Dir schlechten Dank
Für Deinen Eifer! Morgen magst Du gehen
Und es versuchen, deine Maid zu sehen!””

„„Ich war schon selber dort, das Mädel aufzusuchen,
Hatt’ jedoch bei dem Gange wenig Glück.
Ist Einer wie der Andere dort oben!
Sie wiesen mich am Thore grob zurück,
Und auf mein Flehn entgegneten die Wächter
Mit Schimpfen nur und spöttischem Gelächter.””

„„Dein Goldkind lebt gar fein! hieß es; pack’ Dich zur Höllen,
Sonst bläuen wir Dir Deinen dürren Leib!
Das Mägdlein soll uns bar erst Kurzweil schaffen,
Eh’ es zum Teufel fährt als runzlig Weib!
Dein Fräulein ließ sich gerne von uns fangen,
Sonst wär’ es nicht allein im Wald gegangen!””

„„Also verhöhnten sie mein Fragen nach dem Kinde,
Daß bald ich, weinend, wieder thalwärts zog.
Glaub’ freilich nimmer, daß es gern gegangen
Wie einer von den Schergen oben log!
Und doch ward mir, seit jener Unglücksstunde,
Vom Mägdlein selber weiter keine Kunde.””

„So klagte mir das Weiblein unter heißen Thränen.
Ein jedes Wort zerriß mir schier das Herz;
Ich selber ward jetzt stumm bei seinem Jammern,
Fand keine Worte meinem Höllenschmerz.
Nur Rache! Rache! tobte es da drinnen,
Der Rache nur gehörte all mein Sinnen.” —

„Noch war es Nacht, als ich mich auf die Füße machte.
In stummer Wuth schritt ich der Thierburg zu,
Stand aber viel zu früh vor deren Mauern;
Denn Herr und Knechte pflogen noch der Ruh’.
Vom Thore trennte mich ein Felsgehänge,
Das steil abfiel wohl hundert Spießen Länge.”

Blieb darum am Geländer bei der Brücke stehen,
Indess mein Blick des Abgrunds Tiefe maß.
Da tönte nahe mir ein lautes Gähnen
Und, wie ich hinsah, regte sich’s im Gras.
Ein Bursche war’s, der schien, wie ich, zu lauern,
Daß sie erwachten hinter ihren Mauern.”

„Bin wäger nicht der Erste! sagte ich zum Burschen,
Als der sich fröstelnd aus dem Grase hob.
Mit schlauem Lächeln jedoch meinte dieser,
Ich möcht’ für mich behalten solches Lob;
Denn er gehöre zu des Burghofs Knechten,
Der halt beim Lichtgang sich verspätet nächten.”

„Dann lehnte er sich mir zur Seite an’s Geländer
Und sah, wie ich, hinunter in die Schlucht.
Mir brannt’ die Zunge, nach dem Kind zu fragen,
Doch hielt ich sie zum Glücke noch in Zucht
Und fragte nur, um auch etwas zu sagen,
Ob in die Kluft er einen Sprung würd’ wagen?”

„Bin doch nicht närrisch, wie die Waldfee, so wir fingen,
Als wir vor etlich Monden auf der Jagd
Im Thale durch des Burgbanns Forsten pirschten!
Noch heute seh’ ich, wie die holde Magd,
Ein Blumenkränzlein um das Haar gewunden,
Im Busche stand, umstellt von unsern Hunden.””

„„War Dir ein Fang,”” erzählte ungefragt der Bursche,
„„Wie selten ihn das Glück dem Waidmann bringt!
Das Mägdlein kratzt und biß gleich sieben Teufeln,
Eh’ unsrem Alten es zuletzt gelingt,
Die Widerstrebende auf’s Roß zu setzen
Und im Galopp mit ihr hierher zu hetzen.””

„„Das Vöglein ließ sich freilich nicht gar lange halten,
Flog in der zweiten Nacht ihm schon davon.
Sieh dort! Das Fensterlein in jenem Thurme,
Dran Eppich rankt,”” — ich sah es leider schon, —
„„Dort sprang’s hinunter, ohne viel zu denken,
Daß sich die Felsen dort am gähsten senken.”

„Dies sprechend, deutete der Bursche auf die Felsen.
Mich aber überlief es heiß und kalt;
Schier wie gelähmt ließ ich die Arme sinken
Und wär’ gestürzt, bot nicht die Brustwehr Halt. —
Will Euch nicht klagen, was ich da empfunden,
In meines Lebens allerschwerster Stunden!”

„Füll’ ihm das Krüglein wieder!” rief Herr Heinz dem Diener.
Doch schaudernd lehnte es der Spielmann ab,
Noch mehr des reich gegönnten Weins zu trinken.
Dann ward es stille, wie vor einem Grab;
Nur im Kamine prasselten die Flammen
Hell überm trocknen Eichenholz zusammen.

Bald jedoch klang’s erschütternd von des Sängers Lippen:
„Das Kind! Mein liebes, süßes Kind war hin! —
Ich hörte kaum drauf, was der Bursch noch sagte,
Dem wohl nur halbwegs ich bei Sinnen schien,
Und noch bis heute fällt’s mir schwer zu glauben,
Daß so der Herrgott ließ mein Liebstes rauben!”

„In’s Herz getroffen, lehnte ich am Rand der Tiefe
Und starrte schweigend in den grausen Schlund.
Mein Kind! Mein Kind! Es war mein einzig Denken.
Dort unten lag’s zerschmettert auf dem Grund.
Glaubt, edle Herren! es mocht’ wenig fehlen,
Daß ich den gleichen Tod nicht auch thät wählen!”

„Der Bursche sah es nicht, wie ich in Weh versunken,
Zur Seiten stand, das Antlitz abgekehrt;
Erzählte fort, bis ich den Kelch des Leidens
Mitsammt der Hefen tropfenweis geleert.
Er selber war es, so mein Kind begraben,
Als sie es später todt gefunden haben.”

„Zum Glücke kündete des Wärtels Horn vom Thurme,
Die Tagwacht drüben an mit lautem Klang;
Sonst hätte ich mich wahrlich noch verrathen,
Da ich nur mühsam meinen Schmerz bezwang
Und nicht viel fehlte, daß ich laut geschrieen,
Dem bittern Leide unnütz Wort verliehen.”

„Als nun der Bursche schwieg und sich zur Brücke wandte,
Die ächzend von der Windberg’ niedersank,
Zog es mich unwillkürlich, ihm zu folgen
In’s Thorstüblein, dort saß ich auf der Bank
Und schaute zu, wie sie den Brei verschlangen;
Selbst mitzuhalten, spürt’ ich kein Verlangen.”

„Doch kam mir nun der Sinn, die Ueberlegung mälig;
Wollt’ wissen, ob der Knecht die Wahrheit sprach.
Ich blieb drum, als sie mit dem Essen fertig,
Noch bei den Mägden, suchte nach und nach
Mit klugen Worten sie dahin zu bringen,
Daß sie von selber an’s Erzählen gingen.”

„Was mir der Bursch berichtete, war leider Wahrheit!
Mein süßes Mägdlein ruhte längst im Grab.
Statt dem von Thierburg sich zur Lust zu geben,
Es lieber sich dem grausen Tod ergab.
Ich aber hatte ihr geflucht, der Reinen,
Um nun, bis an mein End’, dafür zu weinen.”

„Als dann ich Kundschaft hatte, daß der Burgherr täglich
Zur Wildhatz ritt in seinem Tann und Bann,
Schlich unbemerkt ich mich aus Thor und Zingel —
Alleine in der Welt, ein armer Mann!
Lag nichts mir mehr am Leben, wollte sterben;
Doch erst mußt’ ich den Burgherrn noch verderben.”

„Der Zufall half mir, daß ich gleich an’s Werk mocht’ gehen;
Denn, als ich traurig wieder thalwärts ging,
Sah ich den Weg allmälig sich verengen,
Indessen oben eine Felswand hing.
Wie Schuppen fiel es da von meinen Augen,
Mein Kind zu rächen, sollt’ der Hohlweg taugen.”

„In Freuden drob erklomm ich bald die steile Höhe
Und fand dort, wohl vom Blitze hingestreckt,
Schier nah dem Rande einen Baumstamm liegen,
Deß’ knorrig Wurzelwerk den Boden deckt;
Hei! ging’s nun dran mit Wälzen und mit Wiegen,
Bis Stamm und Wurzeln in die Tiefe fliegen.”

„Nun war der Weg gesperrt, sie mußten unten halten,
So lang das Hinderniß nicht fort geräumt.
Schon sah ich Herr und Knecht zerschmettert liegen
Von schwerem Felsblock, den ich ungesäumt
Mit Riesenkräften bis zum Schluchtrand rollte,
Von wo er wuchtig niederdonnern sollte.”

„Dann warf ich mich in’s Moos; doch pflog ich keiner Ruhe,
Es zog mich immer wieder, Stein auf Stein
Zum nahen Hang des Abgrunds hinzuwälzen.
Ich fühlte nicht der schweren Arbeit Pein,
Sah nicht, daß Blut mir von den Händen rannte,
Da ich nur ein Gefühl, die Rache, kannte.”

„Wild pochte mir das Herz, ich jauchzte in Gedanken,
So oft ein Stein dem Rande näher kam.
Hei! will ich ihnen ein Memento singen,
Eh’ sie der Teufel sammt und sonders nahm!
Des Sängers Rache sollten dran sie kennen
Und müßt er selber in der Höllen brennen.”

„Verschnaufend spitzte ich die Ohren. Halt! Sie kommen!
Fern tönt im Wald der Hifte heller Ruf:
Der von der Thierburg reitet aus zum Jagen,
Schon hört ich trappeln seiner Rosse Huf.
Es ward mir schwer, den Ingrimm zu bezwingen,
Den Teufeln nicht die letzte Meß’ zu singen.”

„Da ich mich nicht verrathen durfte, schwieg ich aber
Und ließ sie nähern sich der Felsenwand.
Ein Sang war mir des Rüdenmeisters Fluchen,
Nun der den Hohlweg so verrammelt fand.
Bald folgten, fluchend, jenem auch die andern,
Sah Graf und Knecht in meine Falle wandern.”

„Der Burgherr schrie und tobte auf die Waidgesellen
So gaffend standen vor dem schweren Baum,
Anstatt dem Herrn den Weg rasch frei zu machen;
Dann sah er um sich in dem engen Raum.
Jetzt war es Zeit, mein armes Kind zu rächen,
Ein einz’ger Felsblock sollt’ sie nieder brechen!”

„Da, als der erste Block zur Tiefe donnern sollte,
Den Satan tödtend unter seiner Last,
Sah ich von ungefähr des Grafen Antlitz
Und — fuhr zurück, wie selbst vom Tod erfaßt!
Entsetzen packte mich, mußt’ inne halten,
Statt meiner grausen That zu End’ zu walten.”

„Mein fieberndes Geblüte wähnte klar zu schauen
Ein wohlbekannt Gesicht mit tiefem Blick:
Den alten Rathsherrn, der mich losgeredet,
Als meiner harrte einst des Henkers Strick.
Das Männlein, dem ich meinen Dank vermachte,
Daß ich es um sein liebes Mündel brachte.”

„Es rächt sich alles, rächt sich wohl schon hier auf Erden!
Was ich dem Alten that, das brannte jetzt,
Gleich Flammen, mir zum ersten Mal die Seele,
So daß ich wie ein Wild, vom Hund gehetzt,
Den Blick nicht wendend, lief, was ich nur konnte,
Und erst im sichern Heim mir Ruhe gonnte.” —

„Noch selben Abend gab ich Saitenspiel und Ränzlein
Der Bäuerin; das Singen hatt’ ein End’.
Gebrochnen Muthes zog ich aus dem Dorfe,
Nur sinnend, wie auch ich ein Ende fänd’.
Den Tod ersehnend, schlich ich mich von dannen;
Der Herbststurm fegte schaurig durch die Tannen.”

„So schleppte ich mich hin, das Nöthigste erbettelnd,
Vergeblich hoffend auf des Todes Nahn.
Er blieb mir fern. Ich hatt’ noch des Gefieders,
Das ich mir vorher erst sollt’ rupfen la’n.
Nackt war der Vogel ja, zur Welt gekommen.
Für’s Grab braucht ihm kein Federschmuck zu frommen.”

„Was sollt’ er noch, nun ihm der Weih die Brut gewürget?
Gelähmt die Fittige der bittre Harm?
Hob stolze Hoffnung einst ihn auf zum Himmel,
Am Boden liegt er nun, daß Gott erbarm!
Thät wohl am besten, sich im Hag zu ducken,
Daß Niemand schauen sollt’ sein letztes Zucken.”

„Weil mich der Tod nicht fand, zog aus ich, ihn zu suchen,
Mit einer Söldnerschaar in’s Polenreich. —
Die meisten fielen, wie das Gras im Heuet,
Nur mir blieb ferne der Geselle bleich;
Die Hand, in der das Saitenspiel erklungen,
Sie ward im Feld vom Tode nicht bezwungen.”

„Es fehlte freilich wenig, lag Euch schon im Sande,
Von scharfem Hiebe blutend, hingestreckt,
Den klaren Sinn von Dämmerung umnebelt;
Doch hat Freund Hain mich damit nur geneckt.
Statt als ein tapferer Gesell zu sterben,
Soll ich, wie scheues Wild, am Hag verderben.”

„Denn als die Anderen, die Kampfgefährten suchend,
Tags nach dem Treffen über’s Blachfeld gehn,
Da finden sie auch mich und jeder eilte,
Voll Mitleid dem Todwunden beizustehn.
Ein frischer Trunk gab mir das Leben wieder,
Verwundert hob ich bald die schweren Lider.”

„Da fügte sich’s, daß sie auch jenes Dreibein sahen,
So mir des Henkers Faust einst aufgebrannt,
Hei! war ihr Mitleid Euch nun schnell verflogen,
Als sie den Galgenvogel dran erkannt!
Ich hör’ noch heut’ ihr höhnisch Lachen klingen,
Mit dem sie, mir vorüber, weiter gingen.”

„Doch, dabei ging das letzte Federlein verloren,
Der nackte Vogel änderte den Sinn;
Sein stolzes Wollen bracht’ ihm schlecht Gedeihen,
Was er erstrebt’, deß’ ward ihm kein Gewinn.
Nun beugte er sich demuthvoll im Stillen,
Vor seines Schöpfers weiser Macht und Willen.”

„Es schwand die Kraft mir wieder und ich sank zusammen
In dumpfem Schmerz und bangem Herzeleid;
Auf leisen Sohlen kam die Nacht gewandelt
Und deckte mich mit ihrem dunkeln Kleid.
Dann schlug’s wie Wellen über mir zusammen,
Im Ohre Rauschen, in den Augen Flammen.”

„Wie lange ich bewußtlos lag, ich weiß es nimmer,
Als ich auf einmal hörte, daß man sprach.
Erwachend fand ich mich, zu meinem Staunen,
Auf Stroh gebettet unter Dach und Fach.
Der Tod war wiederum vorbeigezogen,
Ich schien ihm unwerth seines Pfeils und Bogen.”

„Ein niedrig Scheunendach, durch dessen enge Luken
Die Sonne glänzte und des Himmels Blau,
Ein Bündlein Heu, an dem ein Esel kaute,
Und in den Ecken Spinneweben grau,
Das war der Ort, an welchem ich erwachte,
Nicht grad das Paradies, wie ich mir’s dachte.”

„Zu meiner Linken sah ich bärtig Mannsvolk sitzen,
Beim Spiele, doch auch’s Krüglein in der Hand,
Derweilen Weib und Kind am Boden schliefen,
Bei einem Karren, der daneben stand.
Daß zwischen fahrend Volk ich sei gerathen,
Ließ unschwer mich der erste Blick errathen.”

„Barmherzig hatte dies sich meiner angenommen,
Als ich dem Tode nah im Felde lag,
Und nun ich endlich wieder Leben zeigte,
Hielt’s treulich bei mir aus manch lieben Tag,
Bis dann die Zeit kam, wo ich gehen konnte,
Mich nicht mehr matt am grünen Hage sonnte.”

„Zum Danke dafür fuhr ich lang mit den Gesellen,
Die Kreuz und Quer in Stadt und Land herum;
Ihr Treiben aber wollt’ mir nicht gefallen,
Fand viel der Haken, die gewaltig krumm;
Doch wenn ich warnte, bracht’s mir Spott und Schelte,
Daß ich die Freundschaft ihnen schlecht vergelte.”

„So schwieg ich denn, bis es sich also fügte, daß wir
Dem Dorfe nahe, wo ich glücklich war.
Nun hielt mich nichts mehr, ließ das Volk im Stiche
In einer Mondnacht, wie der Tag so klar;
Das stille Hüttlein noch einmal zu sehen,
Konnt’ meiner Sehnsucht ich nicht widerstehen.” —

„Es taugte nichts. Ich fand mich fremde, schier vergessen,
Und statt zu mindern, frischte ich den Schmerz
Nur wieder auf, der manchmal doch geschlummert.
Des Menschen Herz ist wie ein Fels von Erz,
In welchem, unauslöschlich tief, gegraben,
Was wir an Freud und Leid genossen haben.”

„Am zweiten Morgen schon verließ ich drum die Hütte,
Doch diesmal mit der Laute im Geleit.
Ich fand sie noch, ein trautes Angedenken
An freudige, wie kummerhafte Zeit,
Und halte sie seitdem in guten Ehren,
Gleich einem Freund, der hilft das Leid verwehren.”

„In langen Fahrten zog ich singend durch die Gauen,
Und, wenn es anging, mehrtheils ganz allein,
Da ich dem Wesen meines eignen Völkleins
Entfremdet war bis auf den bloßen Schein;
Kam so gen Kostniz, wo der Kaiser tagte,
Und eine Zeitlang es mir bas behagte.”

„Traun! gab’s des bunten Treibens da gar viel zu schauen,
Vom Morgenläuten bis zum Abend spat.
In stolzem Prunk die Fürsten und die Pfaffen,
Viel schöne Frau’n in ihrem besten Staat;
Die weite Stadt mocht kaum sie alle fassen,
So mit dem Kaiser dort zu tagen saßen.”

„Wo Fürsten weilen, weiß der Sänger sich willkommen!
Sie leihen frohen Weisen gern das Ohr;
Auch wissen ihre Damen hold zu lohnen,
Singt man zum Saitenspiel was Schönes vor,
Und Frauenherzen muß der Sänger rühren,
Soll reichen Sold sein Singen ihm erküren.”

„So sang ich fröhlich denn am blauen Schwabenmeere,
Wo blaues Aug’ und blauer Trauben Saft
Das Herz erwärmen, unter blauem Himmel
Man sich in’s Farbenspiel des See’s vergafft. —
Ich würde heut’ noch dort die Saiten spannen,
Trieb scharfer Brandgeruch mich nicht von dannen.” —

„Ein selten Vögelein ließ sich im Garne fangen,
Von arger List und bösem Trug gestellt.
Thut nimmer gut, die Wahrheit grad zu singen,
Daß lauten Ton’s sie in den Ohren gellt;
Ach, wenn die Leute nach der Wahrheit fragen,
Bedenket erst, ob die sie auch vertragen!”

„Das Vögelein, ein Gänserich fernher aus Böheim,
Kam durch sein Schnattern bald auch arg in Noth;
Statt frei Geleite, so man ihm versprochen,
Verdammten sie’s und zwar zum Feuertod. —
Mein’ aber doch, einst kommt ein Schwan gefahren,
Den sie zu braten sich gewißlich wahren!”

„„Ein Unrecht ist’s!”” entschlüpfte es dem Mund des Junkers
So laut, daß sich der Spielmann unterbrach
Und mit Erstaunen auf Herrn Kuonrad blickte,
Aus dessen Antlitz edles Zürnen sprach;
Herr Heinz doch that, als hätt’ er nichts vernommen,
Ließ nur von Kunzen frischen Wein sich kommen.

Der Junker schwieg drum auch, dann sprach der Alte weiter:
„Es ward mir schwül am blauen Bodensee;
Denn jedes Mal, wenn ich den Freimann sehe,
Thut mir das Dreibein auf dem Nacken weh.
Weiß es ja selbst, wie es zu Muth dem Herzen,
Das schuldlos leidet Henkerpein und Schmerzen!”

„Ich sagte drum Valet der Stadt und ihrem Treiben,
Den vollen Humpen und den schönen Frau’n,
Und zog den Rhein herab, die Pfaffengassen,
Mit Sang und Sagen fürbas durch die Gau’n,
Bis sich von ungefähr das Steuer drehte
Und mich der Wind in Euer Thal verwehte.” —

„Ein wunderlieblich Land muß ich den Kletgau preisen,
Mit seinen Fluren, seinen Rebenhöhn;
Umkränzt von goldnen Feldern, grünen Matten,
Liegt Dorf an Dorf, gleichwie ein Garten schön,
Um welchen rings sich wald’ge Berge bauen,
Von denen stolze Burgen niederschauen!”

„Es lernt der Wandrer da ein heiter Völklein kennen;
Nach wackrer Arbeit liebt es Sang und Tanz,
Ist biedern Sinns und wäger hochgemuthet,
Gleich seinen Eichen auf der Berge Kranz.
Hier fühle ich mich wohl, hier möcht’ ich weilen,
Wär’ mein Geschick nicht, durch die Welt zu eilen!” —

„Nun, Herre, kennet Ihr des Vögleins Flug bis jetzo
Und wisset, wo’s die Federlein gela’n.
Ich hoffe, ’s wird einst, nach der letzten Mauser,
Wie andre, neuen, schönern Schmuck empfahn;
Ist doch auch’s Vögelein in Gottes Händen,
Der Euch und ihm wöll fröhlich Urständ spenden!”

Zierde


Siebentes Kapitel.

Aufbruch von Kuonrad und Franz von Edlibach

Die Nacht ist hin. Von starkem Rauhreif weiß besponnen,
Erschimmern rings in märchenhafter Pracht
Der Bäume Wipfel, purpurn übergüldet
Vom Morgenroth, das fern im Ost erwacht;
Bald wird, sein leuchtendes Gespann am Wagen,
Der Sonnenball die kurze Tagfahrt wagen.

Lichtblauer Himmel wölbt sich über Schloß und Landschaft
Und, wenn’s auch kalt macht, ist die Luft doch still
Und rührt nicht an des Waldes silbern Pfeitlein,
In dem die Sonne er begrüßen will;
Als ob ihm nimmer die Erfahrung sagte,
Daß er noch jedes Mal umsonst sich plagte.

Jetzt flammt es auf in hellen Blitzen weit im Osten
Getroffen von des Lichtes goldnem Hauch,
Erglänzt in allen Farben, glühend, funkelnd,
Ein herrlich Diadem, der Reif am Strauch.
Ein Meer von Gold ruht auf den schnee’gen Flächen,
Auf welchem glitzernd sich die Strahlen brechen. —

Daß schön der Tag sich anließ, kam Herrn Heinz zu statten,
Weil Elsbeth, wie er selbst, die Gäste bat,
Noch einen Tag das Jagdglück zu versuchen;
Was diese auch versprochen, eh’ sie spat,
Da müd’ und schläferig die Lider hingen,
Vom Wein sich trennten und zur Ruhe gingen. — —

Des Spielmanns schlichte Rede hatte gestern alle,
Nur nicht des Wasserstelzen Töchterlein,
Ernst angemuthet; dieses wollte lachen.
Mit krauser Stirne sah es unwirsch drein,
Als jener endlich schwieg und alle zaudern
Von heitern Dingen, wie vordem zu plaudern.

Doch bald gewann des Vogts gemüthlich Wesen wieder
Die Oberhand. In froh gelaunter Weis’
Befahl er Kunz, den Spielmann wohl zu letzen
Für sein Erzählen nun mit Trank und Speis’;
Es sei viel leichter, einen Korb verschwellen,
Denn Kehl’ und Magen fahrender Gesellen.

Das Gleichniß laut belachend, hörte sicher Niemand
Daß unterdessen Junker Kuonrads Mund
Des Schlosses Herrin heimlich flüsternd fragte,
Ob ihre Liebe auch so festen Grund, —
Als sie es eben von der Maid vernommen,
Die zu dem Spielmann einst in Lieb’ erglommen?

Wohl zog’s in dunklen Gluthen da auf Elsbeth’s Wangen,
Doch sah sie klaren Blicks zu ihm empor
Und sprach in mildem Ernste, aber leise,
Daß kaum erlauschen mochte es sein Ohr:
„Ich denke, Herr, es giebt nur Eine Minne
Und treufest wohnt sie tief im Herzen drinne!”

Als hätte sie zu viel gesprochen oder vorschnell,
So hastig stand sie dann vom Tische auf
Und wählte selbst dem Spielmann von den Speisen;
Auch, in der Eil’, die Kanne mit dem Knauf
Von Silber füllte sie mit Wein dem Alten,
Sah nicht, wie Mechtilds Blicke drob sie schalten.

Dann winkte sie dem Sänger freundlich sich zu setzen.
Was der natürlich auch gar gerne that
Und sich behaglich übers Essen machte,
So daß Kunz nicht ein zweites Mal ihn bat.
Bei Tische aber, nun der Ernst gebrochen,
Ward munter wieder hin und her gesprochen.

Nur einer horcht schweigend, und das war Herr Kuonrad,
Dem’s wahrlich doch am Mundwerk nicht gebrach;
Er gab wohl höfliche, doch kurze Antwort,
Wenn Fräulein Adelgunde zu ihm sprach;
Doch, wollte sie in ein Gespräch ihn ziehen,
So suchte, schlau, er solchem zu entfliehen.

Er merkte nicht, wie darob ihm das Fräulein zürnte,
Denn seine Blicke zog’s mit Allgewalt
Zu Elsbeth, die, der Wirthin Pflichten übend,
Ihm dann und wann mit einem Blick vergalt,
Der, mehr als tausend Worte, ihm enthüllte,
Welch holdes Glück ihr junges Dasein füllte.

Sie wußte lange, daß ihr Herz ihm angehöre
Und seines ihr; wenn auch mit keinem Wort
Ihr hold Geheimniß noch die Lippen regte,
Verriethen Blicke doch des Schatzes Hort.
Verschwieg’ne Liebe ist ja doppelt theuer
Und brennt im Herzen wie ein lodernd Feuer. —

Wie schon erzählt, gings wieder heiter zu am Tische;
Bei Scherz und Kurzweil floh die Zeit gar schnell.
Kunz mußte weidlich laufen mit dem Humpen,
Wollt’ er mit Ehr’ bestehn als Schenkgesell;
Auch kam ihm dabei vor, der Herren Kehlen
Woll’ heute jeder Grund und Boden fehlen.

Bald hörte laut man Udo zu dem Spielmann sagen:
„Hei, Alter! Sing’ ein Liedlein von der Jagd;
Kennst sicher eines, das recht lustig klinget
Und frohen Waidgesellen bas behagt.
Bei Sang und Kanne läßt sich traulich sitzen;
Sieh’ nur, wie alle schon die Ohren spitzen!”

Gehorsam griff der Sänger da zum Saitenspiele;
Doch, um zu zeigen, daß er wohl verstand,
Was Höflichkeit vor edeln Damen fordert,
Bat, eh’ er’s rührte mit gewandter Hand,
Er erst des Schlosses Herrin, ihm zu sagen,
Was für ein Lied der Holden thät behagen.

Zartsinnig bat sie da ihn um der Lieder eines,
So einst sein Mägdlein sich ersann und sang.
Mit feuchtem Blick ihr lohnend, griff der Alte
Drauf in die Saiten, daß es hell erklang.
Dann hob er, anfangs leise, an zu singen,
Daß es, wie Kinderstimmen süß mußt’ klingen:

„Am Hage blüht jung Röslein roth;
Deß’ litten Wind und Käfer Noth,
Wollt’s Jeder ha’n zur Fraue;
Es blühn wohl auf der grünen Au
Viel Blümlein, roth und blaue.”

„Zum Röslein heimlich sprach der Wind:
„„Laß’ um Dich werben, liebes Kind,
Ein Herr gehrt Dein zur Fraue.
Es blühn wohl auf der grünen Au
Viel Blümlein, roth und blaue.””

„„Zieh’ weiter!”” rothes Röslein sprach,
„„Verschlossen bleibt Dir mein Gemach,
Solch Buhlen ich nicht traue.
Es blühn wohl auf der grünen Au
Viel Blümlein, roth und blaue.””

„Drauf, gülden schön, ein Käfer kam,
Gab jungem Röslein süßen Nam’,
Als seiner holden Fraue.
Es blühn wohl auf der grünen Au
Viel Blümlein, roth und blaue.”

„Doch Röslein sprach: „„Dich nehm’ ich nicht
Goldkäferlein! Dein Angesicht
Nur hin nach andern schaue.
Es blühn wohl auf der grünen Au
Viel Blümlein, roth und blaue.””

„Als aber kam ein Junker her,
Da wurde Rösleins Herze schwer;
Von selbst ward’s seine Fraue.
Es blühn wohl auf der grünen Au
Viel Blümlein, roth und blaue.”

„Dem Junkherrn gab es Duft und Blüth’,
Doch er war bald des Kosens müd’,
Zog wieder fort in’s Blaue.
Es blühn wohl auf der grünen Au
Viel Blümlein, roth und blaue.”

„Und wißt Ihr, wer der Junkherr war?
Er heißet Lenz, nimmt jedes Jahr
Ein Röslein sich zur Fraue.
Es blühn wohl auf der grünen Au
Viel Blümlein, roth und blaue.”

Wie ein geöffnet Buch, drin wonniglich zu lesen,
Saß Elsbeth da und lauschte still dem Lied;
Der helle Sonnenschein aus ihren Zügen,
Verrieth dem Freund, was sie zu sagen mied,
Daß, gleich dem Röslein, seit er hergekommen,
Auch ihrem Herzen sei die Lieb erglommen.

Was Wunder, daß Herr Kuonrad sich nicht meistern konnte
Und, tief versenkt in Liebeslust und Weh,
Nur Augen hatte für des Hauses Herrin,
So heute ihm noch schöner schien, denn je.
Es brauchte wenig und, in Minne trunken,
Wär’ vor der Holden er auf’s Knie gesunken.

Ein selig Träumen nahm der beiden Herz gefangen,
Bis leis’ der letzte Saitenton verklang;
Doch, als der Spielmann, Udo’s Wunsch willfahrend,
Im nächsten Lied des Waidwerks Lust besang,
Und es erscholl, wie helles Hifthornklingen
Durch grünen Wald, da half auch Elsbeth singen.

Nur schüchtern erst, doch bald mit voller, klarer Stimme,
— Im Schloß war Lied und Weise längst bekannt, —
Sang Elsbeth, daß der Spielmann, hingerissen
Von ihren Tönen, alle Kraft gespannt
In schöner Harmonie, um zu begleiten
Mit seinem Sange und dem Spiel der Saiten.

Es war ein Jubeln, war ein frohes Tirilliren,
Als hörte man der Vöglein hellen Sang
Im blühnden Haine draußen und im Tanne,
Wenn dort das Halali des Waidmanns klang,
Um, fern im Echo, leise zu verhallen,
Und, wieder nah, von neuem zu erschallen. —

Gelt, Mägdlein, wenn die Liebe ’s Köpflein euch verwirret,
Ihr süß Geheimniß, euch allein nur kund,
Das junge Herzlein zum Zerspringen füllet,
Und doch nicht plaudern darf davon der Mund:
Dann quillt in Liedern hell aus Brust und Kehle,
Im Sange jauchzend, was euch hebt die Seele? —

Beim zweiten Verse sangen darauf auch die Herren
Das Liedlein mit in nicht zu lautem Baß;
Wer nur allein noch schwieg, war Adelgunde,
Von bittrer Eifersucht gequält und Haß,
Hielt jedem Laute sie den Mund verschlossen
Und blickte finster vor sich hin, verdrossen.

Je fröhlicher im Saal der Sänger Stimmen klangen,
Um desto heißer fühlte sie die Qual,
Geduldig sehn zu müssen, wie der Blick des Junkers
Sich immer wieder hin zu Elsbeth stahl;
Verschmähter Liebe unheilbare Schmerzen,
Sie nagten heimlich aber tief im Herzen.

Da von den Andern jedoch niemand darum wußte,
Floß jenen gar vergnügt der Abend hin
Bei frohem Sang und trautem Zwiegespräche,
Als ob es nur ein kurzes Stündlein schien,
Das man im Freundeskreise heut’ verbrachte,
Nicht sich die Mitternacht schon nahte sachte. —

Am nächsten Morgen hatte kaum des Wärtels Hornruf
Den Herren dann gemeldet, daß es tagt’,
Als diese, wieder frisch, vom Lager sprangen,
Hinauszureiten mit dem Vogt zur Jagd,
Die heute, weil der Freund es also wollte,
Im Thal, der Wutach zu, sich ziehen sollte.

* * *

Die Herren waren längst zur Jagd davon geritten,
Als Adelgunde sich vom Lager hob.
Sie hatte unruhvoll und schlecht geschlafen,
Weil wirr ein Traum sich in den Schlummer wob,
Aus dem sie, öfters aufgeschreckt, erwachte,
Da schon die Sonne durch die Scheiben lachte.

Voll Aerger drüber, weil den Ausritt sie verschlafen,
Es hatte Adelgunde Zeit und Ruh,
Auf’s neu’ dem Unmuth sich zu überlassen,
Daß gestern nicht der Junker immerzu
Nur ihrer Rede hörte, nicht ihn rührte,
Was, ach, so heiß, im Herzen sie verspürte.

In schlecht verhehltem Mißmuth grüßte sie verdrossen,
Als Elsbeth freundlich in das Zimmer trat,
Und ließ das Frühmahl unberührt erkalten,
Wie viel auch diese es zu kosten bat;
In dunklem Feuer ihre Blicke glühten,
So oft, die Lippen sich zu reden mühten.”

Da, unversehens, that die Arge jedoch freundlich
Und gab mit Lächeln Elsbeths Bitte nach,
Sie etlich Treppen aufwärts zu begleiten,
In’s eig’ne, prunkentblößte Schlafgemach;
Wo vor dem Fenster sich ein Söller baue,
Von welchem man den ganzen Gau erschaue.

„Erlaubt mir Eure Hand, daß ich Euch sorglich führe, — ”
Sprach arglos Elsbeth, als es aufwärts ging
Und Adelgunde zauderte, zu folgen
Im Dunkel, das die Treppe hier umfing, —
„Den nächsten Augenblick schon sind wir oben,
Von Sonnenschein und frischer Luft umwoben!”

Dies sagend, reichte Elsbeth ihrem Gast die Rechte,
An deren Finger sie das Reiflein trug,
So, wie wir wissen, ihr Herr Kuonrad schenkte,
Als er besorgt um ihre Zukunft frug,
Und das, seit jener Stunde, sie getragen,
Ohn’ daß es Jemand einfiel, drob zu fragen.

Nun lag’s, sammt ihren Fingern, in der Hand der Bösen,
Die, als sie’s fühlte, voller Bosheit sacht’
Versuchte, ob es abzustreifen wäre
Und, da dies anging, sich nicht lang bedacht’,
Das Reiflein Elsbeth heimlich weg zu nehmen,
Eh’ oben sie zum Licht des Tages kämen.

Zu gut nur, leider, war der Schlauen dies gelungen,
Wie ja dem bösen Vorsatz stets das Thun,
Nur allzu gern, auf halbem Weg begegnet,
Den Unheilsinnenden nicht lässet ruhn,
Bis er, im Banne finsterer Gewalten,
Sieht seinen Willen sich zur That gestalten.

Mit schadenfroher Miene stieg das Fräulein vollends
Den Rest der Treppen aufwärts, Elsbeth nach,
Und trat, so unbefangen als nur möglich,
In deren sonnighelles Schlafgemach.
Ein trautes Stüblein, nett und rein gehalten,
Gab’s Zeugniß für der Herrin emsig walten.

Ein Tischlein, wie das Bett schneeweiß bezogen, prangte,
Aus Eichenholz gefügt, links an der Wand,
Auf deren Sims, geschmückt mit frischem Eppich,
Die Statue der Muttergottes stand,
Von Künstlerhand in Elfenbein geschnitten,
Ein zierlich Bild, vor Alter gelb wie Quitten.

Noch etlich Stühle mit gestickten Rückenlaken
Und, gleich dem Tischlein, etwas altersschwach,
Nebst ein paar schweren, buntbemalten Truhen,
Besetzten diese Wand der Länge nach,
Indeß die andere das Bettlein säumte,
Drin Nachts die Liebliche in Unschuld träumte.

Drauß’, vor des Stübleins Fensterthüre, lag der Söller,
Ein Mauervorsprung mit nur niedrem Rand,
Fast einem Vogelneste zu vergleichen,
Das, festgeklebt, sich an dem Thurme fand;
Doch allso hoch, daß schier es schwindlig machte,
Wenn man zum ersten Mal den Fuß drauf brachte. —

Vom Sonnenschein umflirrt, der fast die Blicke blendet,
Betrat das Mädchenpaar des Söllers Raum;
Tief unter sich verschneite, weiße Thäler,
Die Wälder rings ein einz’ger Weihnachtsbaum,
Und fern im Süd’, ein Anblick zum Entzücken,
Der Alpen sonnbeglänzte Silberrücken.

Gar manchmal schon war Elsbeth da gestanden, hatte,
Versunken in des schönen Anblicks Pracht,
Und sich der Fernsicht freuend, stundenlange
Hier oben in der Einsamkeit verbracht,
Um, überwältigt von dem hehren Schauen,
An Gottes Werken still sich zu erbauen.

Nun sollte auch der Gast den klaren Tag benutzen.
Und, während Elsbeth ihm die Namen nannt’,
Von all den Bergen, Thälern in der Runde,
So weit ihr jene überhaupt bekannt,
Hier Umschau haltend, froher Laune werden,
Beim Anblick dieses schönen Stückleins Erden.

Doch Adelgunde schien nur wenig sich zu freuen;
Sie maß die Gute bald mit einem Blick
Der, mehr noch als die Worte, so ihm folgten,
Erkennen ließ, wie gram sie dem Geschick
Drob war, weil dies, in leid’ger Lust am Necken,
Vergessen hatte, sie zur Jagd zu wecken.

„Gebt’s auf, mir Namen vorzusagen,” sprach sie mürrisch
„Die doch kein Mensch im Kopf behalten kann,
Als etwan Ihr, der, wie es scheint, das Fremde
Es angethan, und nicht der eigne Bann;
Denn sonsten braucht’ ich Euch ja nicht zu fragen,
Den Wald zu zeigen, drin die Herrn heut’ jagen!”

Da, etwas überrascht, wies Elsbeth mit dem Finger
Hinüber, wo das Heidenschlößchen stand;
Ein römisches Gemäuer, dessen Reste
Im Waldesdickicht einst ein Waidmann fand,
Als, müde wohl, er sich auf’s Moos hinstreckte,
Das grün und weich die Mauertrümmer deckte.

„Dort drüben, nah der Wutach, zieht des Wildbanns Grenze
Sich bis hinunter, wo der Lauffen rauscht;
Die Luft ist still und wenn auch wir es bleiben,
Mag’s gehen, daß Eu’r Ohr den Klang erlauscht
Von ihren Hiften, so, gleich fernem Singen,
Ich mehr denn eimnal bis hierher hört’ klingen!”

„Das glaub’ ich gerne!” rief gereizt die Aufgeregte
In einem Ton, daß Elsbeth, drob erstaunt,
Der Stolzen in die dunklen Augen schaute;
Doch hielt den Gast sie nur für schlecht gelaunt,
Und that deshalb, als wäre ihr entgangen,
Wie hämisch vorhin dessen Worte klangen.

Gelassen hob sie also wieder an zu sprechen,
Und ging’s nicht lange, eh’ es Elsbeth däucht’,
Ihr harmlos Plaudern habe allen Unmuth
Des Fräuleins, wie im Flug, hinweggescheucht.
Sie merkte nicht, wie listig und verschlagen
Die Schlaue forschend stellte Wort und Fragen.

Nach Kurzem, denn die Jugend kann ja nichts verhehlen,
Besonders wenn das Herz sich glücklich weiß,
Gab Elsbeth, überlistet von des Fräuleins Reden,
Der Schmeichelnden ihr süß Geheimniß Preis,
Da tiefes Roth der Holden Wangen deckte,
Als jene bald sie mit Herrn Kuonrad neckte.

Nun gar die Liebliche, auf Adelgundens Frage:
Ob sie den Junker minne und er sie,
Mit silberhellem Lachen, statt zu sprechen,
Dem Glücke ihrer Liebe Ausdruck lieh,
Da ließ, nicht Herrin mehr des Zornes Wallen,
Die Fragerin jedwede Maske fallen.

„Vermeinet Ihr denn wirklich, daß der Herr Euch minnet,”
Klang’s giftig, schneidend aus des Fräuleins Mund,
„Weil wäger Ihr Euch ihm zur Kurzweil bietet,
Wie dies am Vrenentag wohl jedem kund?
Euch — eines Dienstmanns Tochter, die zufrieden,
Wird einst zum Mann ein Grundhold ihr beschieden!”

Die Augen weit geöffnet, stand die Ueberraschte,
Indeß das Blut ihr aus dem Antlitz wich,
Ob solcher Rede keines Wortes mächtig;
Es ballten krampfhaft ihre Hände sich,
Der Höhnenden gebührend zu vergelten,
Sie eines Dienstmanns Tochter frech zu schelten.

Denn was die Arge sonst gesprochen, war der Keuschen
Ja unverständlich; blieb es auch, Gottlob,
Bis jene, unter höhnischem Gelächter,
Des Junkers Reiflein in die Höhe hob
Und mit gedämpfter Stimme Worte nannte,
Daß Elsbeths Antlitz wie in Gluthen brannte.

„Gebt mir das Ringlein her!” bat dringend die Gequälte,
Nach raschem Blick auf ihren Finger hin.
„Gebt mir den Reif zurück! — Ihr könnt nicht wollen,
Daß ich mein Leben lang im Unglück bin!
Ich dank’s Euch noch in meiner letzten Stunde!
Gebt mir das Ringlein! — Bitte, Adelgunde!”

Den Bitten taub, hielt jene aber dies nur fester
Und lachte höhnisch: „Sagt ich mir doch gleich,
Als ich das Reiflein diesen Morgen funden,
Daß solche Fische nicht in Eurem Teich
Zu Hause sind; nun kann ich leicht mir denken,
Von wem Ihr Euch das Kleinod ließet schenken!”

„Denkt, was Ihr wollt!” entgegnete jetzt Elsbeth zürnend,
„Der Ring ist mein und halte ich ihn werth,
Als Angedenken traut gesprochner Worte,
Von denen keines mir das Herz beschwert;
Doch, die ich dennoch Euch mit Fleiß nun hehle,
Seit ich durchschaue — Eure schöne Seele!”

„Schaut lieber erst in Eure!” spottete die Arge,
„Wird wohl beim Sprechen nicht geblieben sein! —
Ha, ha! Was gilt’s, ihr hebet an zu beichten
Die volle Wahrheit? — Wie? Ihr saget Nein? —
Seht dieses Ringlein! — Es fliegt von dem Söller,
Bleibt nur das kleinste Wort Euch unterm Göller!”

In Aengsten um den Ring, erfaßte, statt zu sprechen,
Die Schwergekränkte jetzt des Fräuleins Hand
Und hielt sie fest, bis Adelgund’, weil stärker,
Mit einem Ruck sie tückisch ihr entwand,
Um nun, begleitet von boshaftem Lachen,
Die ausgesprochne Drohung wahr zu machen.

Noch kam sie nicht dazu; denn schier von Sinnen stürzte
Sich Elsbeth jählings auf den bösen Gast,
Das Kleinod, wenn auch durch Gewalt, zu retten.
Ihr starker Arm hielt Adelgund’ umfaßt,
So daß die keuchend rang sich loszuzwingen,
Was jedoch nicht so leichtlich wollt’ gelingen.

In blindem Eifer rangen beide, wortlos kämpfend,
Um den Besitz des Ringleins; Kraft bewußt,
Die jugendschönen Glieder sich umklammernd,
Sprach aus den Blicken grimmen Hasses Lust,
Der Gegnerin, und koste es das Leben,
Mit nichten in dem Kampfe nachzugeben.

Minuten währte schon das heiße, stumme Ringen
Der Mädchen, als es Adelgundens Kraft
Gelang die rechte Hand sich zu befreien,
Aus Elsbeths leider doch zu schwachen Haft.
Und nun, adje, das Ringlein sollte fliegen.
Das Unrecht, wie so oft, zum Scheine siegen.

Da scholl ein geller Schrei zum Himmel, markdurchdringend,
Von beider Stimmen, wie aus einem Mund.
Des Söllers niedrem Rand zu nah gerathen,
Als just zum Wurf ausholte Adelgund’,
War Elsbeth, durch des Stoßes Widerprallen
Zurückgeschleudert, von dem Thurm gefallen.

Das hatte doch die Böse nicht gewollt. Aufschreiend
In banger Angst, durchrannte sie im Nu
Das Stüblein, dann die dunkle Treppe nieder
Des Thurmes Ausgang und der Stelle zu,
Wo, wie ihr graute, da sie Schuld sich wußte,
Vom Sturz zerschmettert Elsbeth liegen mußte.

Doch, wie war sie erstaunt, als hier die Todtgeglaubte,
Gesund und heil an Gliedern, vor ihr stand!
Beschäftigt schnell den Schnee sich abzuschütteln,
Vom faltenreichen, blauen Wollgewand,
Den Hans, wenn er den Zwingolf morgens kehrte,
Am Fuß des Thurms seit etlich Tagen mehrte. —

Der Schneeberg, heute von der Sonne warm beschienen,
Lag locker da, in seiner Masse weich,
Ihm hatte Elsbeth es, nächst Gott, zu danken,
Daß, zwar vor Schrecken gleich dem Tode bleich,
Deß’ Nähe ihr das heiße Blut nun kühlte,
Sie, trotz dem Sturz, sich unbeschädigt fühlte. —

„Um Jesu willen!” keuchte Adelgunde angstvoll,
Ob Elsbeth etwa doch zu Schaden kam,
„Vergebet mir! — Ich will dem Herrgott danken,
Weil er so gnädig Euch in Obhut nahm,
Daß Ihr, nach solchem Fall, Euch dürft erheben
Mit heilen Gliedern ungekürzt am Leben!”

„Gewährt Verzeihung —” bat sie leise, als ihr Elsbeth
Nicht sogleich Antwort gab, „wär’ übler dran
Denn Ihr, hätt’ Euch ein Ungemach betroffen,
Da ich es war, die hob zu streiten an;
In kind’scher Lust Euch mit dem Ringlein neckte,
Nicht ahnend, daß ich Euern Zorn mir weckte.”

In Thränen schaute Elsbeth auf und sagte milde:
„Gott wolle Euch verzeih’n, wie ich dies thu’!
Meint Ihr es aber ernst, so helfet jetzo
Das Ringlein suchen —” fügte noch sie zu
Und wandte dann sich, in dem Schnee zu sehen,
Ob das Verlorne nicht sich ließ erspähen.

Da jedoch reichte, schamgesenkt die feuchten Blicke
Und tief gerührt von Elsbeths Edelmuth,
Ihr Adelgund’ das Kleinod mit den Worten:
„Ist unvonnöthen, daß Ihr suchen thut,
Was, ging’s verloren, selber mich auch schmerzte.
Hier nehmt den Ring! — Verzeihet, daß ich scherzte.”

Nun war ein Strom von Thränen das beredte Zeugniß,
Wie freudig überrascht sich Elsbeth fand,
Als ihr, fast zärtlich, gar noch an den Finger
Das Reiflein steckte Adelgundens Hand.
In langem Kuß sah man die Lippen pressen
Sie auf den Ring, in seligem Vergessen. —

Am Abend, als die Herrn vom Jagen wiederkehrten,
Im Zwingolf laut ihr Waidmannsgruß ertönt’,
War Frieden; denn die beiden Schönen hatten
Sich längst schon miteinander ausgesöhnt,
Wenn gleich es Adelgunden schwer gefallen,
Zu meistern stolzen Herzens heißes Wallen.

Im Kletgau heißt ein Sprüchlein: „Essen und Vergessen!”
Das oft im Leben sich verwenden läßt.
Auch Elsbeth that es, sie vergaß der Thränen,
Die Adelgunde ihrem Herz erpreßt’,
Nicht daran zweifelnd, daß des Junkers Liebe,
Wie heut sein Ringlein, ihr erhalten bliebe.

In solchem Glauben wurde bald sie wieder fröhlich;
Doch, wenn das Zartgefühl es auch verbot,
Ihr glückgeschwelltes Herz dem Gast zu öffnen,
Verriethen nun der Wangen lieblich Roth,
Der Augen Glanz, so strahlten wie zwei Sonnen,
Daß sie es sei, die sich den Sieg gewonnen.

* * *

Mußt nie vom Schicksal das für dich erzwingen wollen,
Was seine Macht zu schenken dir versagt,
Willst nicht du deines Herzens Ruh’ und Friede
Zum Leide wandeln und, vom Sturm gejagt,
Des Steuers ledig, mit gekappten Tauen,
Dein Hoffen, einem Schiff gleich, scheitern schauen. — —

Am Abend ging es wieder fröhlich zu im Palas.
Die Herren zechten und der Spielmann sang,
Von ihnen aufgefordert, heitre Weisen.
Stets sicher, daß er Beifall sich errang,
Besang sein Lied den kühlen Trunk im Kruge,
Den oft er leerte in gar gutem Zuge.

Zur Abwechslung, und auf den Wunsch von Adelgunde,
Die lieber lauschte, statt daß selbst sie sang,
Gab Elsbeth eben jetzt ein Lied zum Besten,
Das voll und süß von ihren Lippen klang;
Doch war’s ein andrer Text und andre Weise,
Als sie der Spielmann sang, dem Wein zum Preise.

Mit angehaltnem Athem lauschten still die Herren,
Indessen vor der Thür, im dunkeln Gang,
Des Hauses Mägde sich versammelt hatten
Und lautlos horchten, wie die Herrin sang,
Um auch, sobald des Liedes Töne schweigen,
In frohem Beifall dankbar sich zu zeigen.

Franz von Edlibach kommt auf der Küssaburg an

Sie kamen nicht dazu. Denn eh’ das Lied zu Ende,
Stob, gleich dem Hühnervolk, bedroht vom Weih’,
Die Schaar der Mägde furchtsam auseinander
Und gaben Gang und Thüre plötzlich frei;
Ein Fackellicht warf auf die Mauersteine
Im Näherkommen ungewisse Scheine.

Gleich nachher machten auch die drinnen große Augen
Und brach Elsbeth das Singen jählings ab.
Den Leuchtspahn in der Faust, stand an der Thüre
Der Wirth von Bechtersbohl, genannt der Schwab,
Dem Zweie folgten, die er mußt’ begleiten,
Wie wohl’s ihm wenig Freud’ schien zu bereiten.

Als erster trat der Kaplan ein, so schon seit gestern
Im Thale war, wo er sein Amt erfüllt’.
Sie kannten ihn, trotz dem beschneiten Mantel,
In den er, frierend wohl, sich eingehüllt;
Er säumte nicht den fremden Gast zu nennen,
Den Niemand auf dem Schlosse mochte kennen.

Zu spät, denn eben ließ der Fremde sich vernehmen,
In tiefem Basse er zum Vogte sprach:
„Der Bischof läßt Euch gnädig Gruß entbieten,
Durch seinen Dienstmann, Franz von Edlibach,
Dem Ihr, so hoff’ ich, werdet drob verzeihen,
Daß noch so spät er Euch in’s Haus mußt’ schneien.

Voll Achtung hatte sich der Vogt da flink erhoben,
Wie es dem Dienstmann solches Herrn gebührt,
Und nun empfing er aus des Boten Händen
Ein Ledertäschlein, vielfach eng umschnürt,
Deß’ Siegel Krummstab und die Inful zeigte,
Bei welchem Anblick sich Herr Heinz verneigte.

Doch, eh’ er’s öffnete, bat er den Ueberbringer,
Den Mantel abzulegen und die Wehr’
Und mitzuhalten an der Tafelrunde:
„’s wär mir und hier den Freunden große Ehr’!”
Das ließ sich Edlibach nicht zweimal sagen,
Saß bald am Tisch und ruhte mit Behagen.

Bedächtig löste nun der Vogt die Schnur am Täschlein,
Indessen Elsbeth für den späten Gast
Des Saales rauchgebeiztem Eichenbuffert
Ein Glas entnahm, das ring zwei Krüglein faßt’,
In dem der Wein, wie blinkend Gold geschwommen
Als sie’s, credenzend, hieß den Herrn willkommen.

Die andern saßen derweil schweigend an der Tafel
Und sahn dem Vogte zu, dem’s endlich glückt’,
Des Täschleins Inhalt an das Licht zu bringen:
Zwei Schreiben, die das gleiche Siegel schmückt’,
Mit einer Aufschrift, deren Schnörkelzüge
Der Vogt von lange kannte zur Genüge.

So sah er denn auch bald, daß eines nur der Schreiben
An ihn gerichtet sei; das andre trug,
Vom Bischof eigenhändig aufgeschrieben,
In schöner Schrift Herrn Kuonrads Namenszug;
Dies übergab der Vogt dem Hausgenossen,
Noch ehe er das eigene erschlossen.

Als ob dem Junker bang, das Schreiben gleich zu öffnen,
Lag’s eine Weile schon in seiner Hand,
Eh’ er begann das Siegel zu erbrechen
Und flüchtig forschte, was zu lesen stand.
Nach kurzem Blick drauf aber ließ er’s sinken
Und griff zum Glas, doch nicht um draus zu trinken.

Er rieb die Augen sich, fing wieder an zu lesen;
Da ward ihm heiß und däuchte es ihn schier,
Als ob die Schnörkel um ein Wort sich drehten
In wirrem Tanze auf des Briefs Papier.
Dies eine Wort — will ihn die Hölle narren?
Es bannt’ den Blick ihm, macht sein Herz erstarren!

Gleich einem, der sich schon dem Tode eigen glaubte,
Saß stumm Herr Kuonrad da, den scheuen Blick
Mechanisch auf des Oheims Schreiben heftend,
Drin schwarz auf weiß zu lesen sein Geschick
Nun war, wie besser er’s nicht wünschen konnte,
Eh’ sich sein Herz in Elsbeths Blicken sonnte.

Das lastete jetzt bergeschwer auf seiner Seele
Und machte öde, rathlos ihm das Hirn,
Indeß sein Blut, in heißen Wellen kochend,
Mit dunklem Rothe färbte Wang’ und Stirn.
Der Brief erzitterte in seinen Händen;
O, Fluch dem Schicksal, solch ein Glück zu spenden!

Was er sich einst ersehnte, nun war’s ihm geworden,
Es lacht’ das Glück ihn an! Doch tief verzagt
Und, ach, im Innern nichts als schmerzlich Ringen,
So sah er in Verzweiflung sich gejagt.
Wußt’ nicht, soll er entsagen, unterliegen,
Mit Mannesfestigkeit den Gram besiegen?

Wie selten doch gelingt es uns einmal im Leben,
Daß das, was Jahre lang wir heiß erstrebt,
Uns wirklich Segen bringt, wenn es errungen;
Was einst als höchstes Ziel uns vorgeschwebt,
So Manchen trieb, das Aeußerste zu wagen,
Wie oft bracht’s Kummer nur, und bitter Klagen!

Noch war Herr Kuonrad unentschlossen, als auf einmal
Ein silbern Lachen tönte durch’s Gemach,
So lieb und traut, wie es nur Eine konnte,
Das aber doch ihm nun das Herze brach,
Sah, er, wie sie, des gleichen Schicksals Beute,
sich ahnungslos des Augenblickes freute.

Nicht unfern ihm saß Udo, leis mit Elsbeth plaudernd.
Herr Kuonrad sah der Holden süßen Mund
In Unschuld lächeln, Grüblein in den Wangen,
Von denen er geträumt so manche Stund’,
Daß anmuthvoll die gleich zwei Röslein blühten,
Und nun riß es ihn auf aus seinem Brüten.

Im selben Augenblick hob sich der Vogt vom Stuhle
Und, immer noch das Schreiben in der Hand,
Sprach freundlich er und allen wohl vernehmbar,
Den klaren Blick zum Freunde hingewandt:
„Ihr reiset morgen, läßt der Bischof wissen;
Uns thut es leid, Euch gar so bald zu missen!”

Dies hörend, kam dem Junker blitzschnell der Gedanke:
„Der Freund hier ist’s, der auch schon alles weiß;
Ganz sicher hat der Oheim ihm berichtet!”
Es überlief ihn dabei kalt und heiß,
So daß er schweigend in sein Schreiben starrte,
Indeß Herr Heinz von ihm der Antwort harrte.

Ein kurzes Ringen noch, doch qualvoll, schmerzensbitter;
Herr Kuonrad sah, es blieb mehr keine Wahl,
Als ungesäumt sich muthig zu entscheiden
Und — schnell entschlossen, kürzte er die Qual,
Bedachte nicht, ob auch das Herz gewinne,
Wenn er sich Reichthum wählt, statt treuer Minne.

Ein kurzes Lächeln heuchelnd, stand er auf am Tische
Und sprach, zum Vogte hingewendet, laut,
Doch ohne aufzublicken: „Es ist billig,
Daß frohe Botschaft man dem Freund vertraut:
Vernehmet denn, so Euch es mag belieben,
Was mir des Oheims güt’ge Hand geschrieben....”

Er las: „Wohledler und viellieber Herr und Neffe!
Zu wissen sei Euch und in Treuen kund,
Daß mir gelang, den König zu versöhnen,
So daß er nicht mehr grollt zu dieser Stund’;
Erachte auch, wollt’ es nicht ungut nehmen,
Habt nunmehr bas gelernt, die Zunge zähmen!”

„Wenn dem so ist, so möget Ihr denn wiederkehren
Und nützen Eures Herrn und Königs Gunst;
Nicht immer leuchtet ja des Glückes Sonne
Und hoher Herren Gnad’ ist öfter Dunst,
Den, wenn wir uns am wenigsten versehen,
Ein leichter Windzug läßt in Nichts verwehen.”

„Und item, kann ich Eurem Herzen noch vermelden,” —
Hier freilich stotterte Herr Kuonrad stark
Und ward bei jedem Worte ihm zu Muthe,
Als schneide er sich in das eigne Mark, —
„Daß Euer Bäslein, wie mich dünket, trauert,
Weil Eure Absenz gar so lange dauert.”

„Ihr Jawort hab’ ich, für das Weit’re wollet sorgen.
Sitzt nun am Rocken, dreht Euch selbst den Zwirn;
Doch traun, des Königs schmucke Ritterleute
Verwirren etwan gern ein Frau’ngehirn;
Auch ließ das Bräutlein nicht ganz leicht sich werben
Und Euer Zögern könnte viel verderben.”

„So reitet denn mit Gott in nächsten Tages Frühe,
Daß ja Ihr ehstens wieder um uns weilt.
Mit Gruß, Eu’r Oheim Otto, episcopus. —”
Herr Kuonrad schwieg; er hatte sich beeilt,
Den herben Trank in raschem Zug zu leeren,
Statt männlich seines Schicksals sich zu wehren.

Des Freundes Glück sich freuend, griff der Vogt zum Kruge
Und bracht’ ein Wohl aus auf des Junkers Braut.
Hell klangen Krug und Gläslein an einander,
Als jählings ward ein kurzes Klirren laut:
In kleine Scherben lag das Glas zersprungen,
So eben noch in Elsbeths Hand erklungen. —

Die Arme hatte ahnungslos gelauscht dem Freunde,
Bis von der Braut im Brief die Rede war,
Da wollten plötzlich ihr die Sinne schwinden,
Es trübte sich das schöne Augenpaar,
Und die noch erst so fröhlich konnte scherzen,
Sie saß nun schmerzgequält, die Hand am Herzen.

Indessen bald entschlossen all’ ihr Leid zu hehlen,
Am ersten dem, der trug die Schuld darob,
Stand sie auch auf und griff nach ihrem Gläslein,
Da alles sich zum Wohl der Braut erhob,
Das Heilo! freilich klang aus blassem Munde
Noch minder laut, als das von Adelgunde.

„Ihr freut Euch wäger?” hörte Elsbeth diese fragen,
Als just ihr Heilo sie gar zaghaft sprach,
Da ließ die weiße Hand das Gläslein fallen,
Daß klirrend es in hundert Stücke brach. —
Zum Schmerz noch Spott, wer dieses je empfunden
Und schweigend trug, hat Schweres überwunden.

Mit aller Kraft das wehe Herz bemeisternd, säumte
Die Gute nicht, zu thun, was ihre Pflicht,
Hielt tapfer aus am Tische, freundlich sorgend,
Daß es an Speis’ und Trank gebreche nicht;
Bis Adelgunde spät zur Ruh’ begehrte,
Weil nun der Abend ihr zu lange währte.

Den Schwänken lauschend, die der Vogt so gut erzählte,
Fiel Niemand auf, daß bald das Mädchenpaar,
Nach stillem Grüßen, sich zu Gehen wandte,
Obschon es damals just nicht Sitte war,
Daß, wenn die Herrn ins rechte Zechen kamen,
Die Damen darum ihren Rückzug nahmen. —

„Schickt mir den Fahrenden nach Wasserstelz hinüber,”
Sprach Adelgund’ auf Elsbeths „gute Nacht!”
„Er soll uns singen und zum Tanze spielen,
Bis früh das Taglicht durch die Scheiben lacht.
Was wär’ das Leben, gäb’s nicht hin und wieder,
Sich zu vergessen, Saitenklang und Lieder!”

Die Worte klangen herb und schneidend, wie das Lachen,
So ihnen folgte, nun die Thür sich schloß;
Doch als sie dann allein, rang mancher Seufzer
Aus Fräulein Adelgundens Brust sich los,
Es wachte lang die Stolze in Gedanken,
Eh’, schlafbezwungen, ihr die Lider sanken. —

Von Elsbeths Augen aber blieb der Schlummer ferne.
Ein schneidend Weh im Herzen hielt sie wach,
Seit, länger nicht mehr Herrin ihres Schmerzes,
Sie müden Schritts betrat das Schlafgemach,
Und dort, ein rührend Bild! von Gram umfangen
Zusammenbrach mit überthränten Wangen. —

Wer Frauenschönheit nicht in Augenblicken schaute,
Wo, leiddurchschüttert, fast das Herz ihr brach,
Der marmorgleichen Züge stummes Wehe
Aus müdgeweinten Augen schmerzvoll sprach,
Und doch verklärt von überird’schem Schimmer:
Gewiß, der sah die höchste Schönheit nimmer.

Vor Kurzem noch in einem Paradiese weilend,
Von Glück umstrahlt in süßer Minnelust,
Die unverhohlen ihr im Busen glühte,
Trug Elsbeth einen Himmel in der Brust,
Der, lichtumflossen, ihre Jugend schmückte,
Mit reicher Seligkeit sie hoch beglückte.

Auf heitern Auen schien es ihr ein wonnig Wandeln
In Blüthenduft und frischer Lenzespracht.
O, schöne Stunden, wo des Menschen Seele
Ein einz’ger Blick noch wunschlos glücklich macht,
Erwachter Liebe unschuldvolles Träumen
Gleich goldnem Morgenroth das Sein umsäumen! —

Und nun war all’ dies aus, in schwarze Nacht versunken,
Vernichtet ihres Herzens schöner Traum,
Vom Sturm geknickt die duft’ge Frühlingsblüthe
So furchtbar jäh — die Arme faßt es kaum.
Sie rang in tiefem Weh die zarten Hände
und schluchzte auf, doch hörten’s nur die Wände. —

Des Herzens erste Liebe gleicht gar oft der Blume,
Die uns am ersten Frühlingstage grüßt,
Ihr früh Erwachen aber — kommt ein Spätfrost —
Dann unversehens mit dem Tode büßt,
Als Opfer der paar warmen Sonnenstrahlen,
So allzufrüh sich ihr in’s Herzlein stahlen. —

In bangem Wachen lehnte Elsbeth schmerzversunken
Am Bett und starrte trostlos vor sich hin,
Indessen durch die grünen Butzenscheiben
Der volle Mond ihr fahl in’s Antlitz schien,
Des Stübleins kalte Fliesen matt beleuchtet,
Die sie mit ihrem Thränennaß befeuchtet. — —

Im Palas waren sie noch lange wach geblieben.
Es saß der Spielmann dort am Eichentisch,
Die Herrn mit Schwänken oder Sang vergnügend,
Dazwischen seine Kehle, allzeit frisch,
Dem Kruge zusprach, wie in jungen Tagen,
Je länger ’s ging, mit desto mehr Behagen.

Herr Kuonrad war’s allein, der nicht recht froh drein schaute,
Zum Lachen zwang sich, wenn der Vogt ihn neckt’
Mit witz’gem Worte oder muntrem Sprüchlein,
In welchem, harmlos zwar, die Mahnung steckt’,
So lang als möglich fröhlich noch zu zechen,
Da Eh’- und Wehstand oft das Krüglein brechen.

Er trank denn freilich auch am tapfersten von allen,
Doch däucht’ ihn schal und wässerig der Wein;
Denn statt, gleich jenen, Frohsinn sich zu trinken,
Ging ihm wie Gift ein jeder Tropfen ein.
Auch schien es ihn nicht fröhlich anzumuthen,
Daß öfters Benno’s Blicke auf ihm ruhten.

So war es ihm gar lieb, als bald der Vogt fürsorglich
An Morgen denkend, nun den Vorschlag that:
„Wir wöllen heut’ uns schon Behüet Gott! sagen,
Daß in der Fruh, beim ersten Hahnenkraht,
Die Herren ungehindert reiten können,
Indeß wir andern uns noch Ruh’ vergönnen!”

Herr Kuonrad stimmte gerne bei und bat nun höflich
Den Dank zu nehmen für die Gastfreundschaft,
Die ihm der Vogt so überreich gewährte,
Daß schier vergessen drob er seiner Haft;
Auch — Elsbeth besten Dank und Gruß zu sagen,
Kam ihm der Muth, dem Freund noch aufzutragen.

Als endlich dann die Herrn genug getafelt hatten,
War es des Bischofs Bote Edlibach,
Von dem ein Stammbuch uns noch jetzt berichtet:
Er habe „ordlich schön verricht sein Sach,
Und ehrlich den Willkummen also trunken,
Daß, statt in’s Bett, daneben er gesunken.”

Zierde


Achtes Kapitel.

Ankunft Kuonrads in Schaffhausen

Der Jahre manches war gekommen und gegangen
Seit jenem Morgen, als mit Edlibach
Herr Kuonrad, bis ans Thor von Kunz begleitet,
— Weil es noch frühe, schien sonst Niemand wach, —
Umwoben von kaltfeuchten Nebelmassen,
Mit schwerem Kopf Schloß Küssaberg verlassen. — —

Nach hartem Winter war es endlich Frühling worden
Und wieder grünend prangten Wald und Ried.
In Wald und Fluren sangen Vogelchöre
Den „Willekumm” in nimmermüdem Lied;
Wie Gold begossen lagen Höhn’ und Auen
Im Morgenlichte, herrlich anzuschauen.

Schaffhausens Storchenpaar, seit gestern wieder heimisch
Im wohlgeschützten Nest auf der Abtei,
Verkündete mit schnarrendem Geklapper,
Daß just zu Ostern Frühling worden sei,
Der Lenz mit Festgepräng’ zur Stadt gekommen,
Wenn er auch nicht den Weg durch’s Thor genommen.

Vom Thurm zu Allerheil’gen glänzte, weithinschimmernd,
Auf seinem Knaufe schon der Wetterhahn;
Die goldnen Federn glitzerten und sprühten,
Als hätt’s auch ihm der Frühling angethan.
Tief unten aber in den „Lächen” zogen,
Schier gar im Dämmer noch, des Rheines Wogen.

Ein Weilchen bloß und dann lag auch die Vordergasse
Mitsammt der Oberstadt im Sonnenschein;
Ein breiter Strahl sah auf dem Herrenacker,
Aus Neugier wohl, in schmale Fensterreihn.
Gleich Demant blitzend rauschte in der Sonnen
Kühl sprudelnd Naß aus steingehaunen Bronnen.

Am längsten hielt das Ampelnthürmlein sich im Schatten
Des trotz’gen Unnoth auf dem Emmersberg;
Von hohen Treppengiebeln halb verborgen,
War’s anzuschauen wie ein grauer Zwerg,
Der seit Jahrhunderten am Gerberbache
Verdüstert da stand unter steilem Dache. —

Noch pflogen Burgerschaft und eingesessne „Mauchen”
Des Schlummers, wohlbeschirmt von Thurm und Thor,
Der letztern Schlüssel ruhten, wie gebräuchlich,
Dem ältsten Stadtknecht unterm offnen Ohr,
Als hell vom Münster her die Glocken klangen
Und aus den Federn nun die Schläfer zwangen.

Flink wurden überall die Läden aufgeschoben
Und konnte man gar manches Antlitz schau’n,
Das für das Fest sich Wind und Wetter prüfte.
Es schien, dem letztern wär’ heut wohl zu traun,
Denn frisch und duftig kam am Himmelsbogen
Der Ostermorgen über Land gezogen.

Zufrieden mit der Prüfung, schollen frohe Grüße
Nach links und rechts, mehr oder minder traut,
Wie grad der Nachbar sich zum Nachbarn stellte,
Der nebenan aus seinem Fenster schaut’.
Inzwischen riefen aber, um die Wette,
Die Glocken schon ein zweites Mal zur Mette.

Und nicht umsonst, bald standen Thor und Thüren offen;
In Festgewändern zogen Frau und Mann,
Gesind’ und Kinder feierlichen Schrittes
Dem Münster zu, wenn nicht sie Sankt Johann
Den Vorzug gaben, oder „Mutter Nesen,”
Wie man das Kloster hieß zu Sankt Agnesen;

Doch bald erschienen wieder einsam all’ die Straßen.
In Feiertagsstillschweigen lag die Stadt
Im heitern Morgenglanz des jungen Lenzes,
So Einzug hielt in seiner besten Wat;
Nur hoch vom Dach und Firstenwerk herunter
Die Vöglein zwitscherten und sangen munter.

Sie waren in die Stadt gekommen, trotz der strengen
Verordnung hohen Raths, daß jedes Thor
Am Sonntag Morgen fest verschlossen bleibe,
Auf daß sich „nützid” in die Stadt verlor,
Was frommer Burger Andacht konnte stören,
Eh’, Punkt um Zehn, sich ließ das Zeichen hören.

So lange mit der Glocke dieses nicht gegeben,
Durchzogen Schaarwachtsknechte mit der Wehr,
In Schwarz und Grün und blanken Beckelhuben,
Gemessnen Schritts die Gassen kreuz und quer
Und sahen drauf, daß kein profanes Walten
Im Mauerring der Stadt sich mocht’ entfalten.

In tiefer Ruhe sonnten Plätze sich und Straßen,
Wie es so frommem Wesen zugehört.
Vor ihrem „großen Gott im Münster” konnten
Die München sammt den Laien ungestört
In Andacht knie’n, wenn sie nicht lieber lauschten
Den Orgelklängen, so durchs Haus hin rauschten.

Froh bei sich selber, daß die Fastenzeit vorüber,
Hielt Alt und Jung beim Hochamt stille aus,
Bis Sang und Orgelklang verklungen waren;
Dann aber ging’s im Sturme schier nach Haus,
Um da das Fest, bei buntgefärbten Eiern
Und leckrem Mahl, nach altem Brauch, zu feiern.

Indessen, lange weilte Niemand wohl am Tische.
Vom warmen Sonnenschein hinausgelockt,
Zog frohen Sinnes durch die offnen Thore,
Was Winterlang dem Ofen nah gehockt,
Und wer’s vor Alter oder Brest nicht konnte,
Sich auf dem Bänklein vor dem Hause sonnte. —

Gleich vielen andern war an diesem Nachmittage
Auch Götz von Randenburg, Schultheiß der Stadt,
Mit noch zwei Herrn durch’s Schwabenthor gewandelt,
Die, wie er selbst, der dumpfen Stadtluft satt,
Nun gerne einen Gang in’s Freie thaten,
Um zu beschauen sich den Stand der Saaten.

Der Schultheiß, eine Kraftgestalt in blauem Mantel,
Auf welchem sich des Kaisers Gnadenbild
An schwerer goldner Kette glänzend sonnte,
Erwiederte im Gehn die Grüße mild,
So Seiner Herrlichkeit die Burger zollten,
Wenn auf dem Weg die Herrn sie überholten.

Zur Rechten ihm der Herr im schwarzen Ordenshabit,
Ein schimmernd Kreuzlein auf der breiten Brust,
Schritt Abt Johannes, Herr zu Allerheil’gen,
Sich seiner hohen Würde voll bewußt,
Grüßt’ wohl auch er mit einem leisen Nicken,
Doch vornehm stets und mit gar frommen Blicken.

Links aber ging Herr Am Staad erster Burgermeister;
Der himbeerfarbne Mantel, vorn gestickt,
Fiel tief und faltig über Brust und Schultern,
So daß man kaum den Schwertknauf noch erblickt,
Auf dem die Linke ruhte. Einst, vor Jahren,
Trug er das Banner von Schaffhausens Schaaren.

Es hatte diesem Mann Schaffhausen viel zu danken.
Nothfesten Sinnes war er stets zur Hand,
Wenn’s galt den Burgern Wunn und Waid zu mehren,
In Zwing und Bännen weit umher im Land;
Auch kam sein Rath so Vielen schon zu Statten,
Die selbst im Rathhaus Sitz und Stimme hatten.

Die beiden Herren kamen von des Abtes Tafel;
Denn weil die Sonne warm durchs Fenster schien,
Bedurft’ es wenig, um zu Drei’n, wie Christus
Nach Emmaus, vor’s Thor hinauszuziehn,
Bei linder Osterlust und Blättersprießen,
Ein Stündlein lenzlustwandelnd zu genießen.

Gemächlich schreitend gingen ruhig sie des Weges
Und kürzten im Gespräche sich die Zeit,
So ihnen, zwar just nicht sehr zu bemerken,
Vor Jahr und Tag schon in das Haar geschneit;
Der Gang, noch jugendfrisch und stolz gehalten,
Ließ Lügen strafen auf der Stirn die Falten.

Den Dreien folgten etliche Geschlechterherren,
Schaffhauser Burger, doch von edlem Blut,
Wie die von Fulach, Imthurn, Stockar, Mandach:
Von altem Adel und mit Leib und Gut
Der Väter Sitten allzeit streng ergeben,
Gehörte nur der Stadt ihr wacker Streben.

Die Junkherrn gingen an der Seite ihrer Damen,
Gekleidet nach der Mode neu’stem Schnitt.
Am Hute prangten Federn, blitzten Steine,
In schönem Farbenspiel, bei jedem Schritt;
Auch waren zierlich ihre Handgewaffen,
Die übrigens zumeist zur Schau geschaffen.

Die Damen aber trugen alle Sammt und Seide,
Und um den Hals saß, steif gedollt und weiß,
Dem Schnee gleich blendend, eine Tellerkrause,
Bezeugend ihrer Gürtelmägdlein Fleiß;
Auch sie erglänzten reich in Ketten, Spangen,
Mit denen sie zum Feste sich behangen.

In wechselndem Geplauder leicht sich unterhaltend,
Blieb dann und wann der Schönen eine stehn,
Um auszuathmen, frische Luft zu trinken
Und weit hin über Berg und Thal zu sehn,
Wo holder Frühling rings die Landschaft schmückte,
Mit seiner Pracht die Blicke froh entzückte.

Am Arm der Eltern schritten jugendschöne Fräulein,
Die, wenn das Mündchen nichts zu plaudern fand,
Der Nachbarin Gewand und Schapel prüften,
Ob nicht zu kostlich Spitzen dran und Band,
Erröthend auch und schämig sich erzeigten,
Wenn schmucke Junkherrn grüßend sich verneigten.

In schlichterem Gewande gingen ernste Burger
Zur Seite ihrer redesel’gen Frau’n,
Die glücklich waren, mit dem Ehgesponse
Am Wege sich die Gärten zu beschau’n,
Den Kindlein, welche jedes Paar umsprangen,
Zu stillen heißer Sehnsucht froh Verlangen;

Schritt haltend, wandelten der zweite Burgermeister,
Herr Trüllerey, ein Mann bewährt im Rath,
Und Peyer im Hof, so des Seckels pflegte,
Seit ihn die Stadt vor Jahren darum bat.
Die Herren waren tief in Schwarz gekleidet,
Da man im Rath die hellen Farben meidet.

In leisem Sprechen über das Gemeine Wesen
Erwogen beide ernst den Casus sie,
Wie es gekommen, daß ihr Herr und Kaiser
Die Stadt ein zweites Mal als Pfand verlieh,
Indessen sie, die mitbehaft’ten Bürgen,
Am ersten Loskauf noch genug zu würgen.

Dicht hinter ihnen folgte Ott, der Sporenmacher,
Mit Habicht, dessen Haus am Gerberbach.
Selbst Roth, den Waffenschmied, litt’s nicht zu Hause;
Er ging mit Meistern von demselben Fach
Nach Langem wieder vor das Thor spazieren,
Lockt’ ihn auch nicht der Vöglein Musiciren.

Sein Thema war es just, den andern vorzurechnen,
Wie viel die Stadt gewänn’ vom Zoll am Rhein
Im Laufe eines Jahrs, als Meister Habicht
Mit schlauem Lächeln meinte: „Wenn der mein,
Des Wappenwidders Mannheit, Horn und Klauen,
Am Rathshaus wären neu vergüld’t zu schauen!”

Ein munter Liedchen trällernd zogen Handwerksknechte
Zum Thor hinaus, heut, voller Niedertracht,
Die Meister kaum mit einem Gruß beehrend;
Sie möchten, nun der Frühling war erwacht
Und Finke und Amsel ihre Schnäblein rühren,
Am liebsten gleich das Reisebündel schnüren.

Den Schluß des Zuges bildete ein Häuflein „Mauchen,”
Zu denen sich der Burger fremd verhielt,
Sie aber dennoch in der Stadt ließ wohnen,
Weil ihre Arbeit ihm Gewinn erzielt’; —
Die Lust, mit Weib und Kind vor’s Thor zu gehen,
War schon von weitem ihnen anzusehen.

Vergnüglich, wie ein schwärmend Immenvölklein summend,
Das seinen Heimatort im Stiche ließ,
Um fröhlich in der lauen Luft zu tummeln,
Zerstreute sich die Menge, Wald und Wies’
Belebend oder gruppenweis’ im Grase
Mit frohen Kindern spielend Hund und Hase.

Es war ein schönes Bild, voll Farbenpracht und Leben,
Was hier sich darbot und dem Blick erschien;
Ein Riesenteppich floß an Höhn und Rainen
Frischsaftig Grün gleich sanften Wellen hin.
Vom Blau des Himmels hoben sich die Dolden
Der Bäume ab im Sonnenschein, wie golden.

Nun mal im Freien, ließ wohl mancher sich verlocken,
Von all der Frühlingspracht ringsum im Land;
Ging, Umschau haltend, noch ein Endchen weiter,
Bis wo der Burgstall der von Fulach stand,
Allda ihn oft die Fernsicht lange bannte,
Eh’, ungern nur, den Schritt er heimwärts wandte.

So war es Götz und seinen Freunden auch ergangen.
In’s Schau’n versunken standen die drei Herrn
Auf jenem aussichtsfrohen Punkt beisammen,
Den die Schaffhauser auch noch heute gern,
Dem Fremden als ein traulich Plätzlein preisen,
Wenn’s gilt die Lage ihrer Stadt zu weisen.

Sie standen jedoch noch nicht lange, so gewahrte
Der allzeit frische Blick des Stadtschultheiß,
Daß auf der Straße etlich Reiter nahten,
Die, dicht geschaart um einen Zelter weiß,
Sich mühten mit dem letztern Schritt zu halten
Und, wie es schien, zu dessen Schutze galten.

Den Herren nahgekommen, hielten jetzt die Reiter,
Indessen einer aus dem Sattel sprang
Und, Götz sich nähernd, diesen fröhlich grüßte,
Daß weithin es und wohl vernehmlich klang:
„Zur guten Stund’ hab’ ich Euch treffen müssen,
Vieledler Freund! — Laßt Euch denn froh begrüßen!”

Im selben Augenblicke hatte auch der Schultheiß
Den Herrn erkannt, denn er ergriff die Hand,
Die dieser dar ihm streckte und sprach freundlich:
„Seid Gottwillkommen, Herr, in Stadt und Land!”
Dacht’ häufig schon, Ihr hättet ganz vergessen,
Daß wir als Gast in Eurem Heim gesessen!”

„Erlaubet jedoch,” dabei wies er auf die Freunde,
„Daß ich die werthen Herren hier Euch nenn’! —
Herr Am Staad, unser erster Burgermeister,
Ein Ritter, wie ich wenige nur kenn’,
Der unsrer Stadt mit seinem Schwert vor Zeiten,
In manchem Strauße half den Sieg erstreiten!”

„Am goldnen Kreuze möget Ihr den Abt erkennen
Von Allerheil’gen! — Fromm, wie Keinen mehr
Die Inful schmückt, so weit am Rhein wir wandern,
Auch, gleich Herrn Am Staad, mir befreundet sehr.
Sucht etwan Trost und Heil Ihr für die Seelen,
Kann dreist ich Abt Johannes Euch empfehlen.”

Als aber jetzt den Herrn er auch den Freunden nannte,
Erwies es sich, daß der dem Namen nach
Den beiden längst bekannt war als ein Ritter
Der burgenstolzen Landschaft Hegau; sprach
Doch öfter man, auf ihrer Zünfte Stuben,
Von dessen Richtagen an Höf’ und Huben.

So vorgestellt, begrüßten sich die Herren höflich,
Indessen Götz, der seine Pflicht gethan,
Es, während jene mit einander sprachen,
Geboten fand, dem Zelterlein zu nahn,
Doch groß erstaunt that, als auf dessen Rücken
Zwei Mägdlein saßen, lieblich zum Entzücken.

„Beim großen Gott im Münster!” fuhr es unwillkürlich
Von seinen Lippen. „Seh’ doch einer her,
Welch’ feine Waare unser Freund begleitet,
Als ob ihm nicht der Zoll im Wissen wär’,
So wir Schaffhauser haben zu empfangen
Von solchen Aepflein, schön mit Purpurwangen!”

„Müßt Euch den selber nehmen!” rief erfreut der Ritter,
„Die Mägdlein schulden wohl noch ihren Gruß?”
Dann, diesen nahe tretend, bat er dringlich:
„Hei, Else! gieb dem Herrn fein einen Kuß;
Hat auch zu Hause solcher Kindlein zweie,
Die gern die Wang’ ihm küssen nach der Reihe.”

In lieblichster Verwirrung ob der Bitte, blickten
Die Kleinen zaghaft auf die Herren hin,
Indessen jene, die er Else nannte,
Von argen Zweifeln schier befangen schien,
Ob richtig wohl den Vater sie verstanden,
Und man auch küssen thät in fremden Landen.

Schon aber trat der Schultheiß, flink die Zweifel lösend,
Mit Lächeln an den Zelter hin und bat,
So freundlich dies nur möglich, selbst die Kleine,
Bis diese endlich ihm den Willen that,
Das rothe Mündlein spitzend, tief sich beugte
Und ihre Huld durch einen Kuß bezeugte.

Viel leichter noch, ließ dann das Schwesterlein sich rühren;
Als er auch dieses, wie es heiße, frug,
Gab es die Antwort: „Käth’ werd’ ich gerufen,
Weil solchen Namen einst die Mutter trug!”
Doch, ihm zum Kuß das Mündlein dar zu reichen,
Ließ keines Wegs ihr Herzlein sich erweichen.

„Sind halt noch blöde, wie dies jungen Volkes Art ist —”
Nahm nun der Ritter wiederum das Wort,
„„Und reisemüde;”” — unterbrach der Schultheiß,
„„Sie sehnen allweg sich zum Herbergsort.
Wenn es Euch recht ist, wollet uns begleiten,
Wir werden allgemach der Stadt zu schreiten!””

Mit diesem Vorschlag einverstanden, schloß sich ihnen
Der Ritter gerne an, indeß im Schritt
Die Knechte langsam mit dem Zelter folgten
Und Achtung hatten, daß des Rößleins Tritt
Auch sicher vor sich ging und nicht mocht’ gleiten,
Weil jäh bergab die Mägdlein mußten reiten.

„Herr Schultheiß!” ließ da bald ihr Vater sich vernehmen,
„Was mich Euch treffen hieß so unverhofft,
Ist nicht bloß Zufall; denn ich muß bekennen,
Ich dachte Eurer diese Zeit her oft.
Vermein’ ich doch, ’s dürft Euer Rath mir frommen,
Wenn Ihr erfahren, weshalb wir gekommen!”

„Daß mir die Fraue starb, kam Euch wohl längst zu Ohren.
Gott tröste sie und schenk’ ihr Ruh im Grab!
Die Arme ist zur selben Stund’ verschieden,
In welcher Käthen sie das Leben gab,
Und hinterließ die Sorg’ um ihre Pflege
Dem Mann, der weder Wege kannt’ noch Stege.”

„Gezwungen, einer Magd die Kindlein zu vertrauen,
Ließ Haus und Hof mir wenig Zeit für sie.
Doch, Gott sei Lob! ’s ging besser, als ich dachte;
Sie wuchsen beide auf, wie Pflänzlein, die,
Vor Frost und Wind geschützt, des Gärtners Walten
Mit jedem Tage mehr und mehr vergalten.”

„So schwanden Jahre, die ich gern gefesselt hätte,
Um zu verhindern, daß sie je mir fliehn,
Als neue Sorgen die Erkenntniß brachte,
Daß mälig mir es für die Mägdlein schien,
Ihr leiblich Wohlsein dürfe nicht genügen;
Wir müßten Zucht und Wissen dazu fügen.”

„Doch dies zu bieten, ist ein Bergschloß nicht die Stätte;
Auch viel zu rüd’ des Hauses Ingesind’,
Mit welchem wir genöthigt sind zu hausen.
Der Burgpfaff aber, leider fast gar blind,
Wird täglich grämlicher in seinem Wesen
Und hat schon Mühe, nur die Meß’ zu lesen.”

„Das Schlimmste jedoch ists: es fehlt im Haus die Fraue,
So, einer Mutter gleich, mit weicher Hand
Die Mägdlein fein in Züchten halten könnte,
Aufmerkend, daß sie, neben Spiel und Tand
Auch, wie es Frauen ziemt, erzogen werden
Und nicht die zarten Seelen sich gefährden!”

„All’ dieses, werther Freund, schuf mir schon längst Gedanken,
Die mit der Zeit sich steigerten zur Qual,
Weil täglich schwerer es dem Herzen wurde,
Zu einen sich mit des Verstandes Wahl,
Die, wenn sie auch des Vaters Liebe kränket,
Mir doch die Kindlein selbst zum Heile lenket!”

„Es blieb mir so nichts weiter, als mich zu entschließen,
Die weite Fahrt in Eure Stadt zu thun,
Verhoffend, daß uns hier geholfen werde,
Für meine Küchlein finde sich das Huhn,
Die Pflegerin, so, gegen Lohn natürlich,
Die Mägdlein mir erziehen würd’ gebührlich.”

„Und nun, da Ziel und Absicht Ihr der Reise kennet,
Herr Schultheiß, ist zu rathen Euch nicht schwer,
Weßwegen ich’s zur guten Stunde nannte,
Als wir Euch trafen so von Ungefähr.
Seid Ihr es doch, auf dessen Rath ich zähle,
Eh’ einen Horst ich für die Meinen wähle!” —

„Will überlegt sein!” nahm der Schultheiß nun die Rede,
„Wenn ich Euch helfen kann, habt Ihr mein Wort!
Für’s Erste will es mir das Beste scheinen,
Daß ich auf Kundschaft gehe, da und dort
Zu hören, wer von den Geschlechterfrauen
Gesonnen ist, sich Solches zuzutrauen.”

„Bis dies geschehen, biet’ ich gern mein Haus zur Herberg’
So werthem Gast, und hoffe Ihr nehmt’s an,
Wie wir an jenem Abend, durchgefroren
Und reisemüd’ — schon manchmal dacht’ ich dran,
Es ohne langes Zögern angenommen,
Mit Roß und Troß auf Euer Schloß zu kommen!”

„So ich nicht irre, war es Eure eigne Base,
Die damals Ihr zum Ehgespons erwählt.
Sie aber ward am Hof erzogen, während
In unsrer Stadt die Frauen bald gezählt
Sind, die, auch wenn den Mägdlein Pfleg’ sie gönnten,
Solch’ feiner Schulen sich berühmen könnten.”

Sich gleichwohl doch schon jetzt gefällig zu erweisen
Es hielt der Schultheiß nun die Schritte sein
Ein wenig an, die Freunde zu erwarten,
— Sie schritten im Gespräche hinter drein, —
Um ernstlich sich bei ihnen zu verwenden,
Daß Rath und That auch sie dem Ritter spenden.

Eh’ jedoch diese ihre Ansicht äußern konnten,
Sah’n schon am Thor sie sich und eingezwängt
Von lautgeschwätz’gem Volk, das heimwärts strebte.
Als dann die Herrn sich durch den Schwarm gedrängt,
Der Stadtknecht half mit seinem Spieße wacker,
Gelangte man auch bald zum „Herrenacker.”

Hier trennten sich Herr Am Staad und des Klosters Abbas
Vom Randenburger, nachdem sie noch fein
Versprochen hatten, Abends auf ein Stündchen
Zu ihm zu kommen, um ein Kännlein Wein
Im trauten Stüblein bei des Wachsstocks Blinken,
Zum Willekomm’ des werthen Gasts zu trinken.

Der Ritter aber und sein Reitertrüpplein folgten
Herrn Götzen, dessen steingebauen Haus,
Ein Erker zierte es, sie gleich erreichten.
Hei! zogen sich der Mägdlein Stirnen kraus,
Da von des Hausdachs Rinne grimme Drachen
Auf sie herniedersahn mit offnem Rachen.

Die Ungethüme waren jedoch schnell vergessen,
Als Götzens Häuserin, Frau Hilda Rahm,
Im großen Flur des Hauses nun den Mägdlein
Voll milder Freundlichkeit entgegen kam
Und also herzig die Erstaunten grüßte,
Als ob sie beide längst im Hause wüßte.

Da ging es nicht mehr lange, saßen Wirth und Gäste,
Bei Tische, den Frau Hilda heut’ im Saal
Zu decken gut fand, wo, ohn’ langes Zaudern,
Die Kleinen schmecken ließen sich das Mahl,
Bis vor dem Sandmann, der sich angeschlichen,
Die müden Aeuglein bald die Segel strichen. —

Der Abt und Am Staad hatten treulich Wort gehalten.
Es traten beide bei dem Schultheiß ein,
da just die Nacht begann herauf zu dämmern,
und nun im Saale blinkte Kerzenschein;
doch trafen hier sie schon auch einen dritten,
der längst als guter Hausfreund wohl gelitten.

Es war der Propst vom St. Agnesenstift, Herr Ulrich,
Der in der Dämm’rung, wie er öfter that,
Dem Schultheiß guten Abend bieten wollte,
Doch gern es annahm, als Herr Götz ihn bat,
Ein Stündlein oder zweie zu verweilen,
Den Abend mit den Freuden heut zu theilen. —

Die Herren saßen um den Erkertisch im Saale,
Beim blanken Zinnkännlein Schaffhauserwein,
Der, traf des Wachslichts Schein ihn nur ein wenig,
Hellroth erglühte, wie Rubinen fein.
Ein trinkbar Tröpflein, das der Schultheiß wählte,
Weil dabei sich’s gut lauschte und erzählte.

Das Letzt’re that denn auch der Ritter heute fleißig.
Vor Jahren viel gereist, und nun im Zug,
Verstand er es, mit Anmuth zu erzählen.
Was Wunder also, wenn die Zeit im Flug
Den wortlos Lauschenden dahin geschwunden,
Indessen ihre Freundschaft er gefunden!

Es waren drum die Herrn dem Schultheiß gern zu Willen,
Als, da der Ritter schwieg, er diese bat
Des Freundes Kindlein helfend zu gedenken.
Sie gingen alsbald mit sich selbst zu Rath
Und überlegten ernst, auf welche Frauen
In diesem Falle wohl man könnte bauen.

Doch schien die Sache schwierig, sintemalen Zweifel
Sie bald beschlichen, ob auch all’ den Frau’n,
So sich der Mägdlein anzunehmen willig,
Die Fähigkeiten völlig zuzutrau’n?
Frug sich man da auf Ehre und Gewissen,
Ließ eine dies, die andre jenes missen.

Nach langem Sinnen war’s der Propst, der endlich anhub:
„Wie mich bedünkt, so handelt sich’s nicht bloß
Um eine Pflegerin für unser Pärlein,
Das missen muß den warmen Mutterschooß;
Wir brauchen Jemand, dem die Kunst verliehen,
Die Kindlein, wie es recht ist, zu erziehen!”

Zum Abt sich wendend fuhr er fort: „Ich kenne eine;
Ist zwar ein Nünnlein nur, doch sicher hat
Vom Nesenstift die Mutter Euch, Hochwürden,
Schon deren Lob gesungen frisch vom Blatt,
Daß weit und breit sich keine Schwester finde,
Die so viel Geist mit Frömmigkeit verbinde!”

„Wenn Frauen ihresgleichen loben, muß was dran sein,
Da, wie man weiß, sie sparsam damit sind!
Nun, ich traf selbst die Schwester, Schule haltend
In Burgerhäusern, rühme drum nicht blind;
Doch nie noch sah ich so geschickt verkehren
Mit Kindern, oder hörte besser lehren.”

„Wasmaßen nun, hochwürd’ger Herr und liebe Freunde,
Des werthen Gastes Sache anbetrifft,
So meine ichs: man sollte ohne Säumen
Der Meisterin vom Sankt Agnesenstift
Den Vorschlag thun, die Mägdlein aufzunehmen,
Auf daß in Obhut jener Nunn’ sie kämen!”

Hier schwieg der Propst, erwartend, daß der Abt jetzt spreche;
Doch weil derselbe noch zu denken schien,
Nahm bald Herr Götz das Wort und meinte:
Herrn Ulrichs Rathe wäre immerhin
Zu folgen; etwas Besseres zu finden,
Würd’ er nicht trauen sich zu unterwinden.”

Sein Kännlein fassend, sagte nun auch Herr Johannes,
Zum Propst gewendet: „Euer Rath ist fein
Und steht bei Euch, daß auch zur That er werde!
Legt selber nur ein gutes Wörtlein ein
Bei unsrer Schwester und, ich möchte wetten,
Sie werden bald im Stift den Mägdlein betten.”

Stets gern gefällig, gab Herr Ulrich das Versprechen.
Er meinte nur, daß auch der Rath der Stadt
Mit seinem Placet dann nicht zögern dürfe;
Es gehe dies nicht immer rund und glatt,
Da Stift und Nunnen ja in manchen Dingen,
Vom gnäd’gen Willen ihrer Stadt abhingen.

So war es mälig spät geworden und drum machten
Die Freunde bald sich auf die Socken leis
Und schieden. Vorher freilich hatte jedoch
Herr Ulrich wiederholt dem Stadtschultheiß
Versprechen müssen, in den nächsten Tagen
Im Stift der Mägdlein wegen anzufragen. —

Die Herren waren fort. Doch Wirth und Gastfreund blieben,
Beim Weine sitzend, noch ein Stündlein wach.
Hell, überm Kohlfirst, hing am Sternenhimmel
Der Vollmond, dessen Strahlen nach und nach,
So wie sie durch die bunten Scheiben flossen,
In Farbenschein sich in den Saal ergossen.

Da war’s der Wein wohl und die nächtlich stille Stunde,
Verwoben mit des Mondlichts Zauberbann,
— Nicht wenig aber auch des Wirthes Wesen,
Derweil sein Takt Vertrauen ihm gewann, —
Was von des Gastes Herz den Riegel sprengte,
Und ihn sich rückhaltlos zu äußern drängte.

Und einmal angefangen, glich’s des Wildbachs Wellen,
Die, jach zu Thale stürzend, nichts mehr hemmt,
Vom Regen hochgeschwoll’nen Wasserfluthen,
Die nun ihr Rinnsal plötzlich überschwemmt’;
Als, mit dem Freund alleine, er erzählte,
Was ihm sein Innerstes seit lange quälte.

„Es war ein Unglück, Schultheiß,” klangen herb die Worte,
„Als ich zur Frauen mir die Base nahm.
Denn anstatt Sälde, heitern, frohen Tagen,
Ward Leid mein Theil und stündlich neuer Gram.
Selbst das, was Ihr bei uns gesehn von Frieden,
War nur ein Schein, da sich die Herzen mieden.

„Doch mußt’ es wohl so kommen! Arm von Hause, sah ich
Im Reichthum nur des Menschen höchstes Glück.
Als hernach fein dem Thoren es erblühte,
Erkannt’ ich leider erst des Schicksals Tück’,
Dem ich mit schwerem Herzeleid bezahlte,
Was voller Herrlichkeit ich einst mir malte!”

„So reich die Base war, so eisig war ihr Herze.
Der Milde bar und holder Frauen Art,
Die glücklich ist, kann andrer Glück sie schaffen,
Blieb herb ihr Wesen und wie Marmor hart.
Es gab bald Nichts, so ehrlich auch ich’s meinte,
Was nicht, voll Eigensinn, sie mir verneinte.”

„In gegenseit’gem Quälen, bis auf’s Blut oft kränkend,
— Noch heute überläuft mich drob die Scham! —
Verbitterten wir elend uns das Leben,
Bis, immer häufiger, die Flucht ich nahm,
Um drauß’ im Forst, an gar zu bösen Tagen,
Mir Rettung vor Verzweiflung zu erjagen.”

„Noch öfter aber suchte ich, besonders anfangs,
Die Fraue zu begüt’gen, ihren Stolz
Durch Nachsicht zu vermindern und mit Bitten;
Alleine, gleich dem Harnisch, wo der Bolz
Auch abprallt, es vermochte nie mein Sprechen,
Den starren Trotz und Eigensinn zu brechen!”

„So war ich ärmer denn, als je zuvor im Leben,
Und wußte, traun! wie tief den Mann es kränkt,
Wenn gutgemeinte Worte ihm die Fraue
Voll Hohn im Mund verdreht und, giftdurchtränkt,
In’s strackte Widerspiel der besten Absicht wandelt,
Weil, statt der Liebe er nur Gold erhandelt’.

„Mich nur nach Frieden sehnend, ließ die Frau ich walten,
Trug ihre Launen, wie ein duldend Schaf,
Bis endlich, müde und zum Sterben willig,
Ich nichts mehr war, als ein gehetzter Sclav’,
Der nahe dran, mit seinen eignen Händen,
So jammervolles Dasein sich zu enden!”

„Doch kam es nicht so weit. Als uns ein Kindlein wurde,
Schien meiner Hoffnung wieder neu der Tag.
Im Handumdrehn war Gram und Leid vergessen,
Als mir im Arm das zarte Wesen lag
Und mir, dem jüngst noch vor dem Dasein graute,
Mit klaren Aeuglein frisch in’s Antlitz schaute.”

„Glückselig ob dem Anblick, wähnt’ ich hoffnungsfreudig,
Es ziehe Frieden nun in unser Haus.
Ich täuschte mich; schon in den nächsten Tagen
Blies bös ein Sturmwind mir dies Lichtlein aus;
Eh’ schien mir herber noch der Fraue Wesen,
Als all’ die Zeiten vorher es gewesen!”

„Doch ich, gelobend mir, dem Mägdlein nun zu leben,
Ließ sie gewähren, fügte mich und mied,
Noch mehr denn sonst, was Zwiespalt konnte bringen,
Als früh, beim zweiten Kind, der Tod uns schied,
Und zwar so jäh, daß ich’s kaum glauben wollte,
Da schon die Erde auf den Sarg ihr rollte.”

„Wohl schien mir da, als trüge ich die Schuld alleine,
Daß unsrem Bund nicht Glück noch Stern gelacht.
Und doch, beim heil’gen Blut! ich meint’ es ehrlich;
Ließ leider nur das Sprüchlein außer Acht:
Ein’ gute Heimstatt Glück und Frieden finden,
Wo sich in Lieb’ der Menschen Herzen binden!”

„Nun aber,” schloß er, „laßt mich um Verzeihung bitten,
Weil ich es wagte treuem Freund so lang
Die Ruh’ zu rauben. Freilich weiß ich selber
Es nicht zu nennen, was mich heute zwang,
Daß ich Euch beichten mußte ohne Hehle,
Was sonst verschwiegen ruhte in der Seele.” —

Bei sich den Freund bedauernd, hatte ernst der Schultheiß
Dem Ritter zugehört, bis er zu Ende war.
Jetzt ließ es ihn jedoch nicht länger schweigen.
Er war zu Gast einst bei dem jungen Paar
Und hätte damals, meinte er, geschworen,
Daß dies den Himmel sich schon hier erkoren.

Nun freilich er das Gegentheil davon vernommen,
Auch wohl so großes Unrecht nicht drin’ fand,
Daß nur nach Reichthum einst der Junker strebte
Und wahre Neigung nicht die Herzen band —
Befliß er sich dem Freunde Trost zu spenden:
Vergessen soll man, was nicht mehr zu wenden.

Im Saale war der Mondenschein schon längst verschwunden
Und auf dem Leuchter brannt’ das Wachslicht tief,
Als Gast und Wirth sich von den Siedeln hoben —
Und Letzt’rer leise einem Knechtlein rief,
Dem dann die Weisung ward, sich flink zu rühren,
Den müden Herrn in’s Schlafgemach zu führen.

Der Schultheiß selber aber ging noch nicht zur Ruhe.
Seit Jahren schon geheimen Künsten hold,
Wollt’ eine Tinktur er noch schnell erproben,
Die ihm verwandeln sollte Blei in Gold,
Ward richtig sie gebraucht im Vollmondszeichen. —
Heut’ ließ sich hoffen, dieses zu erreichen. — —

Herr Ulrich löste andern Tages sein Versprechen.
Er ging in’s Stift, um für die Mägdlein dort
Sein Wort bei der Aebtissin einzulegen;
Der Würdigen zu sagen, daß ein Ort,
Der besser, als Agnesenkloster passe,
In ganz Schaffhausen nicht sich finden lasse.

Klug wußte im Gespräch er darauf hinzuweisen,
Welch’ ein Gewinn für’s Stift es dürfte sein,
Wenn dessen Frauen eine sich den Mägdlein
Als Lehrerin und Mutter wollte weihn;
Der Vater nenne manch Gehöft sein eigen
Und sei der Mann, sich dankbar zu bezeigen.

Weil trotzdem mit der Antwort die Aebtissin säumte,
Erwähnte er noch, schlau, daß selbst vom Rath
Der Herren etzlich gern es sehen würden,
Wenn sie entschließe sich zur guten That;
Auch schon im Voraus drüber einig wären,
Dem Stift das nöth’ge Placet zu gewähren.

Auf solches Winken aber gab’s nur eine Antwort.
Und so erklärte sie gar grämlich: sie
Sei einverstanden mit des Propstherrn Vorschlag;
Obzwar sie selber noch nicht wisse, wie
Es anzufangen und was zu geschehen,
Da sich das Stift solch’ Gästen unversehen.

Indeß auch dafür wußte jetzt Herr Ulrich Hülfe.
Es möge die Frau Mutter, sprach er schlau,
Sich vorerst mit der Kusterin bereden;
Wenn die zu pflegen sich die Mägdlein trau’,
So würden sicherlich sie nichts vermissen,
Die Schwester ziere Tugend ja und Wissen.

Ein Weiteres zum Lob der Nonne noch zu sprechen,
Kam ihm die Oberin jedoch zuvor.
Wie schon gewohnt, so rühmte sie nun Jene,
Bis fast der Stiftspropst die Geduld verlor
Und froh war, als des Klosterglöckleins Klingen,
Die Dame abberief zum Vespersingen. —

Mich aber soll es mahnen, diese Zeit zu nutzen
Und, Rückschau haltend, werther Freunde Gunst
Nicht allzusehr auf’s Spiel zu setzen. Ist’s doch
Geschehen, mögen sie verzeihn! Die Kunst,
Sich im Erzählen weise zu beschränken,
Ist nicht so leicht, als oft die Leser denken. —

* * *

Als, an dem Morgen da Herr Kuonrad fortgeritten,
Des Vogtes Tochter spät zum Vorschein kam,
Im blassen Angesichte Thränenspuren,
Die Zeugniß gaben von des Herzens Gram,
Gab’s Frida Anlaß, voller Spott zu fragen,
Ob sie sich nächtens ließ vom Schrättlein plagen.

Da Elsbeth hierauf keine Antwort hatte, sondern,
Wie es sich schickte, nach den Gästen frug,
Vermehrte dies der Alten schlechte Laune,
Gleich einem Funken, der in’s Pulver schlug,
Daß kaum die Herrin sich zu athmen traute,
Weil selten noch so bös sie jene schaute.

„Bei Eurer Mutter selig, tröst’ sie Gott, die Gute!”
Hub lärmend Frida an, „da war der Brauch,
Daß man vor Mitternacht das Pfuehl sich suchte;
Es hatte aber dann der Kaplan auch
Nicht leerem Kirchlein eine Meß’ zu lesen,
Wie heute Früh der Fall bei uns gewesen!”

„Es ging ja schier, als hausten wir in einer Schenken,
Drin’ Alt und Jung beim Weine sitzend schmort;
Hat man genug, geht’s, ohne Abschiedsnehmen,
In aller Still’ bei Nacht und Nebel fort.
Ja wäger! Wo die Frau im Hause fehlet,
Da bleiben halt die Männer ungestrählet!”

„Ein B’hüet Gott! hätte wohl dem Junker nicht geschadet,
Hi, hi! Und wenn es jetzt auch hundert Mal
Des Bischofs Nistel ist, was sie ihm freiten! —
Hi, hi! Ich mein’, es sollte seine Wahl,
Will einer nicht um andrer Schulden büßen,
Ein jeder für sich selbsten treffen müssen!” —

„Mir kam das Herrlein übrigens nicht vor wie einer,
Der unverhofftem Glücke plötzlich nah —”
Hier jedoch hielt sie tief erschrocken inne,
Denn in den blauen Augen Elsbeths sah
Sie etwas schimmern, was wie Thränen blinkte,
Der allzu Borstigen zu schweigen winkte.

Verwundert schaute Frida auf, ward aber irre,
Da, nun sie schwieg, die Herrin lächelnd frug,
Weßwegen denn der Strom so jach versiegte,
Der eben noch gar hohe Wellen schlug;
Es blieb ihr nichts, als selbst sich zu gestehen,
Daß, wie schon oft, sie wieder falsch gesehen.

Nun, noch mehr aufgebracht, ließ drum sie ihrem Zünglein
Von neuem flink den Lauf, nicht ahnend, daß,
So oft sie von Herrn Kuonrad sprach, der Herrin
Es, einem Feuer gleich, am Herzen fraß,
Die Arme mit sich rang, in heißen Kämpfen,
Getäuschter Hoffnung bitter Leid zu dämpfen.

Doch, wer sein Glück verschweigen kann und hehlen,
Dem öffnet seltner noch das Leid den Mund;
Stumm trug auch Elsbeth ihre Lieb’ zu Grabe,
Versenkte tief sie in der Seele Grund;
Es nicht zu zeigen, was sie litt im Stillen,
Gelobte sich die Maid mit festem Willen. —

Sie hatte freilich noch am gleichen Tag, beim Abschied
Von Fräulein Adelgunden manches Wort
Von Männertreu’ und Aehnlichem zu hören,
Das kränkend sich in ihre Seele bohrt’,
Doch blieb sie still und ließ das Fräulein sprechen,
Wollt auch das Herz in seinem Leide brechen.

Auch nachher quälte Elsbeth sich noch lange. Sie fand
Den Schlummer erst, wenn bald der Morgenstern
Zu bleichen anfing und der Hahnschrei mahnte,
Der neue Tag sei nicht mehr allzufern;
Vom Weinen müd’, ersehnte sie den Morgen,
Ihr Leid betäubend durch des Tagwerks Sorgen.

Und Arbeit war noch stets der beste Sorgenbrecher.
Es fiel zwar auf, daß bei der Mägde Lied
Der Herrin Stimme man nur selten hörte,
Wie auch, daß sie die allzulauten mied,
Wenn Abends beim Gesangs die Wirtel kreisten;
Zu fragen — mochte Niemand sich erdreisten.

Am Weihnachtsfeste aber, war es Elsbeth wieder,
Die, wohl zur Freude Aller, selbst den Sang
„Agnoscat omne saeculum” anstimmte,
Und glockenhelle aus der Brust es klang,
Als ob die Seele, frei von ird’schem Ringen,
Sich jubelnd auf zum Himmel wollte schwingen.

Als endlich allgemach der Winter nordwärts rückte
Und, fern aus Süd’, der Frühling näher kam,
In Hof und Haus die Arbeit täglich mehrend,
War, gleich dem Schnee, verschwunden auch der Gram;
Die heimlich blaßgehärmten, zarten Wangen
Erblühten mälig aus, wie Rosenprangen.

Und nun der Lenz gekommen, pflegte Elsbeth wieder
Von Kunz begleitet, der ihr Körblein trug,
Am Fuß des Bergs die Hütten aufzusuchen,
Drin’ sie, wie früher, nach den Armen frug,
Um mild des Körbleins Inhalt zu verwenden,
Bresthaften Hör’gen Speis und Trank zu spenden.

War sie mit diesen fertig, kam der Kinder Reihe.
Für jedes hatte sie ein freundlich Wort;
Auch fehlten nicht die Schäflein in dem Täschchen,
Denn eher ließen jene sie nicht fort,
Sie konnte stundenlang bei ihnen weilen,
Froh Scherz und Kurzweil mit den Kleinen theilen.

Am liebsten jedoch suchte sie in seinem Stüblein
Den Kaplan auf, der meist am Fenster saß,
Es heißt der Platz noch jetzt „des Herren Bänklein,”
Wo er, zur Abwechslung, mit seinem Glas
Im Thal des Reiches Straße observirte,
So schon zur Römerzeit im Gau fortführte.

Wie vormals lauschte jetzt die Leidgeprüfte willig
Dem Kaplan; faßte dessen Lehre nun:
Daß dem alleine es nur sei beschieden,
In wahrem Gottesfrieden traut zu ruhn,
Der, klüglich wählend, ird’schem Glück entsage,
Mit eitler Weltlust nicht die Sinne plage.

Gab es denn Zweifel noch an solcher Worte Wahrheit,
Seit sie an sich erfuhr, wie schmerzlich jach
Das Schicksal ihren schönsten Traum zerstörte,
Gleich jenem Glase, das in Scherben brach?
Mußt’ sich dem Herzen nicht der Wunsch enthüllen,
Was Benno lehrt, auch gläubig zu erfüllen? —

Im stillen Kloster, wie der Vater längst dies wollte,
Erhoffte Gottergebnen Sinn’s die Maid
Für sich ein Glück, das Lebenslang genügte,
Nicht endete in bitterm Herzeleid;
Dies schöne Ziel in Bälde zu erlangen,
War nun der Frommen einziges Verlangen.

Wohl lag es schwer und bang auf ihrer jungen Seele.
Von Haus und Heim zu scheiden ging ihr nah’,
Als eines Tags, vom Vater nur begleitet,
Mit jedem Schritt sie immer ferner sah,
Des Schlosses Thürme hinter sich versinken,
Die letzten Grüße noch zum Abschied winken.

Der Trennung herbstes Weh empfand die Jungfrau aber,
Als, unweit Riedern, wo der Weg abzweigt,
Zum Punkt sie kamen, da dem scharfen Blicke
Der Schloßberg sich ein letztes Mal noch zeigt;
Nach rückwärts schauend, mußte hier in Thränen
Die Scheidende sich an den Vater lehnen.

Und, selbst erschüttert von dem Leid der Tochter, hatte
Herr Heinz sie dort gewähren lassen, eh’
Sein tröstend Wort die Schluchzende ermahnte,
Sich nicht zu überlassen solchem Weh’,
Da einer Heimat auf der Spur sie wäre,
Von wo kein Abschied mehr das Herz beschwere.

Nach einer weitern Rast, am Fall des Rheins gehalten,
Ging’s dann auf müden Rossen allgemach
Schaffhausen zu, das sie auch bald erreichten.
Hei! sahn die Burger hier dem Fräulein nach
Und wollten schier dem eignen Blick nicht trauen,
Im Bann der Stadt so schöne Maid zu schauen.

Die Schöne freilich war am nächsten Tag Novize
In Sankt Agnesens frommer Frauenschaar.
Des Vaters Bruder hatte, weil er damals
Des Stiftes wohlbestellter Propstherr war,
Schon vorher dafür Sorge tragen müssen,
Daß Oberin und Schwestern gern sie grüßen.

Ein letztes Stücklein Reben, das um Elsbeths willen
Der Vogt seit Jahren unverpfändet ließ,
Es ward ihr Seelgerett’, dem Stift zu eigen
Auf ew’ge Zeiten, wie’s im Briefe hieß;
Doch sollte dieses, nach kaum hundert Jahren,
Was Menschen ewig nennen, bös erfahren. —

Zufrieden sah sich Elsbeth so am Ziel des Wunsches,
Den ihre Seele sehnlich noch gehegt,
Seit holdern Wunsch ihr jählings ward vernichtet,
Der Blume gleich, von Reif und Schnee belegt;
Wenn anfangs etwas ihr am Herzen nagte,
War es das Heimweh, was sie leise plagte.

Nach etlich Wochen aber war auch dies bezwungen:
Sie widmete als Nonne nun ihr Thun
Und Denken freudig den gebotnen Pflichten;
Der Schwestern Jüngste ließ es sie nicht ruhn,
Gebet und Arbeit stets vereint zu pflegen,
Im frommen Haushalt tüchtig sich zu regen.

Ihr unmerklich war Jahr auf Jahr dahingeschwunden,
Indeß sie selber täglich im Vertrau’n
Der Ob’rin zugenommen, so daß diese
Der Schwester, als der Klügsten von den Frau’n
Im Stifte, das Amt der Kust’rin übertragen,
Mit der sie Rathes pflog in heiklen Fragen. —

Als ob dem Menschen nicht die ganze Welt zu eigen,
Baut jeder sich noch eine eigne drin’,
Gestaltend sie nach seinem besten Können,
Entfremdend ganz, was außer ihr, dem Sinn.
Er fühlt sich wohl nur im gewohnten G’leise
Der selbst gezognen, oft gar engen Kreise.

So ging es auch der Nonne. Uralt dumpf Gemäuer,
In welches selten mal die Sonne schien,
War ihre Welt in der sie, emsig waltend,
Längst nicht mehr achtete der Jahre Fliehn.
Sie lebte im Bewußtsein: Glück und Frieden
Sei reich vom Himmel ihr schon hier beschieden.

Und doch — ein wunschlos Glück war’s nicht, was ihr erblühte.
Wer dürft’ auch rühmen, daß ihm dies gelacht
Nur eines Tages kurz gemess’ne Stunde?
Wem bliebe nicht, vom Glücke selbst entfacht,
Ein letzter Wunsch stets, der das wieder raubte,
Was glücklich schon man zu besitzen glaubte? —

Es wohnte in der Schwester Brust ein heimlich Etwas,
Das zu bezwingen sie hielt nicht für Pflicht,
Das aber immer, wenn der Burger Kindlein
Zum Hochamt kamen, mit den Aeuglein licht
Durch’s Gitter luegten, wo die Nonnen sangen,
Von neuem nahm der Kust’rin Sinn gefangen.

Der Kindlein Anblick rief zu jeder Zeit der Guten
Die Sehnsucht wach: doch wiederum ein Mal
Mit ihnen plaudern und sie kosen dürfen,
Zu spiegeln sich in heller Aeuglein Strahl;
Wenn auch für Stunden nur, sich zu gewinnen
Der kleinen Herzen unverfälschtes Minnen.

Sie fand kein Unrecht darin, diesen Wunsch zu hegen,
Ihm zu gestatten, daß er Keime trieb
Und stetig wuchs; ein letztes Glückverlangen,
Das heimlich noch der keuschen Seele blieb,
Sie hold umwob im angebornen Sehnen,
An Kindesherz das eigene zu lehnen.

Dem Wunsche selber fehlte freilich jede Hoffnung,
Daß mehr er werde, als ein schöner Traum.
Es schied des Chores Gitter gar zu neidisch
Die Lieblinge und sie bemerktens kaum,
Wenn Elsbeth ihnen leise einmal nickte,
Durch’s enge Gitterwerk ein Grüßlein schickte. — —

Es war am dritten Osterfeiertag, als Elsbeth,
Wie dies die Pflicht der Kusterin gebot,
Schon früh am Morgen bei der Ob’rin eintrat
Und diese ihr alsbald von ihrer Noth
Erzählte, daß für Kindlein, reich von Hause,
Man Obdach bat in Sankt Agnesens Clause.

Der Stiftspropst habe gestern sie gar warm empfohlen
Und, wenn dies nun der Schwestern Wille sei,
Bei sich im Haus solch’ junges Blut zu dulden,
So wäre sie am Ende auch dabei,
Mit Raths Vergunst die Kindlein aufzunehmen,
Da Stift und Schwestern nicht in Nachtheil kämen.

Die Kindlein selber seien mutterlose Mägdlein,
Mit Zucht und Sitten wäger unbekannt,
Und daher wohl des Vaters Wunsch begreiflich,
— Des Ritters Name wurde nicht genannt, —
Die Kleinen bald in einem Haus zu wissen,
Drin’ gute Ordnung sie nicht länger missen.

Nun scheine jedoch, daß der Propstherr für die Kindlein
In ganz Schaffhausen keinen bessern Ort
Gefunden habe, als ihr armes Kloster;
Er hätte gestern drum in einem fort
Ihr vorgeredet, bis sie halb versprochen,
Den Vorschlag zu erproben etlich Wochen.

Doch dieses auszuführen, tauge sie mit nichten
Und wär’ zu alt. Zum andern aber klar,
Daß von den Schwestern allen nur der Kust’rin
Man anvertrauen könnt’ das Mägdleinpaar,
Weil sie der wen’gen eine sei im Kloster,
Die mehr verstünde, als das Pater noster.

Getraue sich die Schwester, solche Last zu bürden
Und zu dem Custosamte auch die Pflicht
Der Pflegerin zu fügen — wär’s zu schätzen.
Die Antwort drauf verlange gleich sie nicht;
Wohl aber sei ihr lieb, am nächsten Tage
Zu wissen, was die Schwester dazu sage.

Was weiter dann die Oberin noch sagen mochte,
Der Schwester ging’s verloren. Hold bethört
Vom Vorschlag mit den Mägdlein, erfaßte es
Die Ueberraschte kaum, was sie gehört
Und schuf die Aussicht, daß des Herzens Sehnen
Sich unverhofft erfülle, ihr schier Thränen.

Ihr freudiges Empfinden. jedoch rasch bemeisternd,
Gab eine Zusage die Kusterin noch nicht.
Doch zog es eilig sie zur stillen Zelle,
Um dort, mit tiefgesenktem Angesicht,
Am Betpult knieend, für des Wunschs Gelingen,
Der Himmelskönigin den Dank zu bringen.

Dann aber floß, im Stundenglas der Froherregten,
Der Sand an jenem Tage langsam nur,
Es wollt’ nicht Abend werden und der Morgen
Fand von durchwachter Nacht die Spur,
Als früh zur Ob’rin, die noch tief im Bette,
Sie wieder ging, nach fromm vollbrachter Mette.

Gewohnter Demuth voll, jedoch beredten Mundes,
Gab auf Befragen sie der „Mutter” kund,
Daß sie gewillt sei, für das Paar zu sorgen,
Der Mägdlein leiblich Wohl zu pflegen und
Mit allem Fleiße, zu Sankt Agnes’ Ehren,
Was ihr bewußt, auch ihnen gern zu lehren.

Als ob sie dies erwartet, lauschte die Aebtissin
Der Schwester Worten, in Gedanken schon
Die Schenkung schätzend, so der Mägdlein Vater
Vergaben dürfte, als verdienten Lohn
Für Sorg’ und Mühen, die dem Stifte würden,
Solch’ ungewohnte Last sich aufzubürden.

Mit ein paar Worten ihren Dank bezeigend, trug sie,
Weil wieder gichtkrank, gleich der Kust’rin auf
Statt ihrer, mit dem Ritter zu verhandeln,
Falls der und seine Mägdlein schon im Lauf
Des Tages kämen, Antwort zu verlangen,
Auch, ihn im Saal des Stiftes zu empfangen.

Voll freudigen Gehorsam’s neigte sich die Gute;
Dann aber eilte sie, ein Stübchen rein
Zu lüften und mit Hülfe einer Schwester
Zwei Betten zu beziehn mit Linnen fein,
Auf daß die Mägdlein, wenn sie kommen wollten,
In trauter Ordnung Alles finden sollten. —

* * *

Die Nonnen hatten just die Vesper abgesungen,
Als laut die Glocke klang am Klosterthor,
So daß die Schwester Pförtnerin im Eilen,
Ihr letztes Bischen Athem fast verlor
Und keuchend durch des Auslugs Gitter schaute,
Wer allso heftig sich zu klingeln traute. —

Es war der Ritter mit den Mägdlein, dem die Schwester,
Wie ihr die Kusterin heut früh befahl,
Ohn’ lang zu fragen, Einlaß nun gewährte,
Nur bittend, ihr zu folgen nach dem Saal
Und da in Gnaden etwas zu verweilen;
Sie werde flink den Herrn zu melden eilen.

Nach kurzem Gruße folgten bald die Drei der Schwester
Gedämpften Schritts durch einen düstern Flur,
Deß’ graue Wände alte Bilder zierten,
Nothdürftig zeigend noch der Farben Spur,
Und überschritten eines Saales Schwellen,
Der fern lag Refectorium und Zellen.

Es war ein öd’ Gemach, doch ließen ein paar Fenster
Die Sonne ein und Duft von frischem Grün,
Das, windgeschützt, im Klostergarten prangte,
In welchem, lärmend, etlich’ Spatzen kühn
Und übermüthig nah’ den Fenstern jagten,
Auch ab und zu bis in den Saal sich wagten.

Im Garten selber sonnte sich ein schlafend Kätzlein
Bei jungen Hühnern, die, im warmen Sand
Des Weges badend, laut sich unterhielten,
Daß ihr Gepips das Ohr der Mägdlein fand,
Die, kaum im Saal, dem Vater flink entwichen,
Auf leisen Zehen zu den Fenstern schlichen.

Es drohte zwar des Ritters Finger leis den Schlimmen,
Als ihm vom Fenster her ihr Plaudern klang,
Das, wie das silberhelle, frohe Lachen,
Bis in die Zellen zu den Nonnen drang,
Die Frommen sicher dort im Beten störte,
Weil allzulaut ihr Ohr die Frohen hörte.

Bald aber achtete er nicht mehr ihres Treibens,
Nur darauf lauschend, was die Schwester sprach,
So Auftrag hatte, ihm hier mitzutheilen,
Daß, weilen die „Frau Mutter” krank und schwach
Sich fühle, es der Kust’rin Amt gebühre,
Zu hören, was den Herrn zu ihnen führe.

Dies sagend huschte sie davon, der Schwester
Es anzumelden, daß die Mägdlein da.
Der Ritter harrte also guter Laune,
Da schon versorgt er seine Kindlein sah;
Bemerkte nicht, daß die auf flinken Sohlen,
Zum offnen Fenster sich hinaus gestohlen.

Doch, da er es bemerkte und sie schelten wollte,
Ob der verwegnen, unbefugten That,
Vernahmen seine Ohren leise Schritte.
Rasch nun sich wendend, um zu sehn wer naht’,
Ward ihm, als sollte er die Nahende erkennen,
Geliebten Namen seine Lippen nennen. —

War das ein Traumbild, oder äffte ihn der Himmel?
In ihrer Demuth, wie ein Cherub mild,
Stand vor Herrn Kuonrad, denn dies war der Ritter,
Ein ihm gar wohl bekanntes Frauenbild,
Das, trotzdem es ein Nonnenschleier deckte,
Erinnerung an sel’ge Zeiten weckte.

Wohl ebenso verwundert schien jetzt auch die Kust’rin,
Als, nahgetreten, sie die Blicke hob
Und in dem Harrenden den Mann erkannte,
Der einst in ihre Träume sich verwob,
Dem Herzen, das von ihm geliebt sich glaubte,
Auf lange hin den süßen Frieden raubte.

Am liebsten wohl hätte sie gleich den Saal verlassen;
Denn, statt der Freude, die sie drob empfand,
Daß nah’ dem Ziel sich ihre Sehnsucht wußte,
Nahm jetzt die Reue jählings überhand,
Im Busen einen Wunsch genährt zu haben,
Der ihre Ruhe konnte untergraben.

In einer Sturmflut überquellender Gefühle
Gedachte sie voll Wehmuth all’ der Zeit,
Die hier in stillem Frieden ihr entschwunden.
Sie lebte ruhig, frommer Pflicht geweiht,
Bis, schuldlos zwar, ein letztes Glückverlangen
Mit aller Kraft die Sinne nahm gefangen.

Nun zog auf’s neue ihr ein schneidend Weh durch’s Herze
Bei der Erinnerung, was sie empfand,
Als ihre Liebe sie betrogen wußte
Vom selben Manne, der hier vor ihr stand,
Und wie berufen schien, ihr Leid zu bringen,
Wenn je sich hoben ihrer Sehnsucht Schwingen.

Fast mit dem Himmel hadernd, schmerzte der Gedanke
Sie immer wieder, daß das Mägdleinpaar,
Deß lautes Lachen aus dem Garten tönte,
Zu eigen dem, der einst ihr theuer war,
Und daß das Schicksal ihr nun also lohnte
Für ein Gefühl, das still im Herzen wohnte.

Doch ihm, der trug die Schuld, ihm grollte sie mit nichten
Um all’ das Leid, das er ihr angethan.
Es regte leise sich im Herzen etwas
Für ihn und klopfte, Mitleid flehend, an;
Denn ächter Liebe lenzgeborner Schimmer
Mag zwar erblassen — ganz erlischt er nimmer! —

Ein helles Roth, das Elsbeths Wangen überhauchte,
Gleich Rosen frisch, die man im Thaue brach,
Ward zur Verräth’rin dessen, was sie fühlte,
Und was ihr licht aus treuen Augen sprach,
Als endlich, leicht verneigend, sie es wagte,
Frommernsten Gruß dem Ueberraschten sagte.

Da konnte sich Herr Kuonrad nicht mehr länger halten
Und seinem Mund entfuhr’s: „Ach, Elsbeth, kennt
Von eh’dem Ihr den Junker Kuonrad nimmer?
Verzeihet, wenn mein Mund den Namen nennt
Der Trauten, deren Bild mir nie entschwunden,
Obgleich ich’s meiden mußte, kaum gefunden!”

Es wehte aus den Worten schlecht verhehlte Trauer,
Die mit des Wiedersehens Freude rang,
Nun ihm, so unverhofft, nach langem wieder
Der Holden Stimme in den Ohren klang,
In milder Süße sie, wie einst, ihn grüßte,
Als ob auf Küssaburg er heut’ noch büßte.

Doch nun, er freudig ihr die Rechte reichen wollte,
Versah’s die Kust’rin; fromm den Blick gesenkt,
Glich fast sie einem Steinbild, stumm die Hände
Im Aermelpaare des Gewands verschränkt,
So daß der Stürm’sche sich besinnen mußte,
Daß Klosterfrauenbrauch es anders wußte.

Verlegen ließ er drum die Hand schnell wieder sinken.
Es wollt’ ihn reuen, seiner Freude jach
Und ungeziemend Wort verliehn zu haben,
Als Elsbeth selbst das schwüle Schweigen brach
Und ihn, mit ihrer Stimme Silberklange,
Zu sprechen bat, was er vom Stift verlange.

Jetzt athmete Herr Kuonrad freier auf und malte
Sein Unglück ihr mit wohlberedtem Mund.
’s war eigentlich mehr eine Beichte, in der
Zerknirscht ein Sünder öffnete den Grund
Schuldschwerer Seele, nimmermehr verhehlend,
Wie selbst er sich gestürzt in Leid und Elend.

Als jedoch auf die Mägdlein kam die Rede, wollte
Es nicht mehr glatt vom Munde; ’s ward ihm schwer,
Der Kleinen wegen Elsbeth nun zu bitten.
Er drehte drum die Worte hin und her,
In Sorgen drob, ob sie sich willig finde,
Von ihm zu nehmen solch’ ein Angebinde.

Sein Zagen da bemerkend, sah sie milden Blickes
In’s Antlitz ihm so traut und seelengut,
Daß bald die Scheu vor ihr verschwinden mußte
Und ihm zur Bitte endlich kam der Muth,
Sie möchte, ihn von Sorgen zu befreien,
Den Kindlein ihren Schutz und Pflege leihen.

Jetzt kam die Reihe an die Kusterin zu zagen.
Wie, wenn sie die Gewährung nun versagt’,
Weil ihr bewußt war, wem die Mägdlein eigen?
Von schweren Zweifeln sah sie sich geplagt,
Die lang nicht zur Entscheidung kommen ließen:
Soll das Gefühl, soll der Verstand beschließen?

Vermochte sie noch, der es mühsam nur gelungen,
Daß des Geliebten Bild, gleich einem Stern
Am Morgenhimmel, mälig blasser worden,
Als reine Braut zu gelten Gott dem Herrn,
Wenn in des Herzens innersten Verstecken,
Die Kindlein längst Vergang’nes wieder wecken?

In solchem Zwiespalt mit sich, kam ihr keine Ahnung
Daß längst Herrn Kuonrads Blicke unverwandt
Aus ihr, die noch in Jugendschöne prangte,
Geheftet ruhn, als wären sie gebannt,
Indessen ein Verlangen ihm erwachte,
Das bald den Muth zu kühnerm Wunsch entfachte.

Ihr Sinnen unterbrechend, hob er an zu sprechen;
Es wies sein Wort auf jene Tage hin,
Die auf Schloß Küssaburg er froh verlebte,
Eh’ ihn sein Unstern ließ von dannen ziehn
Mit dem Bewußtsein, daß sein heimlich Scheiden
Zwei Herzen zwang, auf immer sich zu meiden.

„Mir wurde Strafe und ich büßte strenge,” sprach er,
„Für das, was ich in Minneschuld verbrach;
Doch kam im Leiden mir auch oft die Frage, —
Das einzige, was meiner Hoffnung Bach
Nicht ganz versiegen ließ, im Sand verrinnen, —
Kann Liebe nicht sich Lieb’ zurück gewinnen?”

„Ein trunkner Knabe war ich, der sich selbst betrogen!
Heut’ sehet Ihr den Mann um jene Schuld
Vergebung bitten in dem festen Glauben,
Daß nicht erlöschen konnte ganz die Huld,
So, holdem Lenze gleich, dem Knaben lachte,
An Sälde reich, ihn wunschlos glücklich machte.” —

Schier wie versteinert lauschte sie des Ritters Worten;
Es deckte Leichenblässe ihr Gesicht.
Bald kam zum Stolze auch noch das Gewissen,
Was sie erinnert’ an Gelübd’ und Pflicht,
Die, schwer geschädigt schon, sich drob empören,
Daß sie nicht floh, statt solcher Red’ zu hören.

Gesenkten Hauptes und den Blick am Boden haftend,
Erflehete von Gott die Arme Kraft,
Daß nicht, im Kampfe gegen die Versuchung,
Die Seele falle in der Sünde Haft, —
Indessen doch, in seligem Berauschen,
Sie’s heimlich zwang — dem lieben Mann zu lauschen.

Sekundenlang in wonnig Träumen nun versunken,
In das gewiegt sie seiner Worte Gift,
War ihrem Sein die Wirklichkeit entschwunden.
Sie sah sich, statt im öden, stillen Stift,
Der Welt und allem Irdischen gestorben,
Auf einmal frei, von Liebe hold umworben.

Es klang so süß dem Ohre, da Herr Kuonrad sagte:
„Es stünd’ mir übel, was ich selbst verlor,
Erschmeicheln nun zu wollen, glatt zuredend,
Gleich einem alten, aberwitz’gen Thor.
Doch schwör’ ich, daß in all’ den Jahren, Tagen,
Ein einzig Bild im Herzen ich getragen!”

„Und so ist’s wahr! An dieses eine Bild zu denken,
Gab Kraft zu tragen bittern Vorwurf’s Qual,
Die Jahre durch mir an der Seele nagte,
Den Frieden scheuchte und die Ruhe stahl,
Bis ich, mein elend Dasein abzukürzen,
Schon nahe war, mich in den Tod zu stürzen!”

„„O, haltet ein, Herr!”” bebten da der Kust’rin Lippen
So leise, daß es kaum zu hören war,
Indessen schön, wie blitzende Demanten,
Auf ihren Wangen perlten Thränen klar,
Die, sammt des Busens schnellem Wogen zeugten,
Daß Schwur und Pflichten sich dem Mitleid beugten.

Dann, wohl der Schwäche bang, gedachte sie zu fliehen,
Nicht weiter anzuhören, was er sprach;
Doch dazu fehlte ihrer Kraft der Wille.
Sie fühlte, wie das Blut ihr heiß und jach
In’s Antlitz stieg, nun sie der Ohnmacht dachte,
Die in Versuchung so die Seele brachte.

Da, während noch sie mit sich selber kämpfte, zürnte,
Erwuchs Herrn Kuonrad nun der Muth erst recht,
Es ging nicht lange, hörte sie ihn fragen:
„Darf ich das Bild Euch nennen, Elsbeth? — Sprecht,
Könnt Ihr den Schwergeprüften darum hassen,
Daß ihm das Glück erscheint, und er’s will fassen?”

„Ihr zürnt dem Manne nicht, wenn er, des Ort’s vergessend,
Den sich zum Obdach frommer Sinn geweiht,
Zu Euch, als seinem guten Engel stehend,
Dem übervollen Herzen Worte leiht,
Die, leider viel zu schwach nur, Euch enthüllen,
Welch schöne Träume es zur Stunde füllen!”

„Es ist der Himmel selber, der den Weg mich führte
Zu Euch zurück! — O, Elsbeth, saget an:
Gelang’s Euch wirklich, Euer Herz zu meistern,
Daß Liebe ihm sich nimmermehr darf nahn? —
Ich kann’s nicht glauben — drum erlaub’ dem Zagen,
Dir Herz und Hand in Treuen anzutragen!” —

In Todesängsten bebend, aber hingerissen
Von seiner Worte zärtlicher Gewalt,
Hob die Gequälte da die Sonnenblicke,
Doch nicht zu ihm, deß’ Antlitz freudig strahlt, —
Nein, ’s galt dem Christusbild im güldnen Rahmen,
Zu dem die Blicke ihre Zuflucht nahmen.

Sie wollte beten; doch Herr Kuonrad drängte flüsternd:
„Du schweigst, Elisabeth? — O, sag’ nicht nein! —
Laß’ Dir das Herz von meiner Liebe rühren! —
Der Oheim wird mir helfen, Dich befrei’n. —
Du wärst die Erste nicht und nicht die Letzte,
Die ihre Liebe über Alles setzte! —

Es war genug. „Herr!” sagte sie, ihn ernst verweisend,
Schon allzulange hab’ ich Euch gelauscht;
Denn was Ihr meint, das darf die nicht verstehen,
Die ihre Welt an einen Ort getauscht,
Wo das Gedenken an verwehte Träume
Verunheiligt die Gott geweihten Räume!”

„Verwehte Träume!” rief er da, ihr näher tretend,
„Verwehte Träume? Elsbeth, glaubst Du nicht,
Daß sie uns wiederkehren, wenn die Liebe
Ihr heilig Band um unsre Herzen flicht? —
Mir sagt ein wonnig Ahnen, Glück und Frieden,
Wär Dir wie mir, für Lebenslang beschieden!”

Ein schmerzlich Lächeln überflog das schöne Antlitz,
Nun ihr sein Mund von Glück und Frieden sprach;
Es klang wie Vorwurf fast und doch auch bittend,
Als sie den Schmeichelnden jetzt unterbrach:
„Herr, Eure Rede gilt verlornen Zielen;
Ich bin zufrieden, wie die Loose fielen!”

„Der Welt und ihrem Glück hat unschwer zu entsagen,
Wer je erfahren mußt’, was beide werth!
In Gott allein und treuem Pflichterfüllen
Wird Frieden nur und wahres Heil bescheert;
Noch mehr zu wollen — ich fühl’ kein Verlangen.
Die Zeit der Träume, Herr, ist mir vergangen!”

Sie schwieg. Herr Kuonrad aber ließ sich nicht bedeuten;
Er legte sacht’ die Hand auf ihren Arm
Und frug mit leiser Stimme, süß und nahe,
Daß leicht sein Odem sie berührte warm:
Sprach auch das Herz so, Elsbeth? — Sag’ mir offen,
War es dabei, als Du vergrubst sein Hoffen?” —

„Dem meinen ging es anders! Konnt’ es nimmer zwingen,
Nur einen Tag, ja, nur minutenlang
Sein Sehnen zu vergessen! Seine Liebe
Lag nie im Banne leid’ger Pflichten Zwang,
Und — Dir die Wahrheit vollends zu gestehen,
Ich selber ließ es nur zu gern geschehen!”

„Du weißt es, wahre Liebe kennet kein Vergessen,
So lang wir athmen, unser Puls noch schlägt;
Und sie ist’s, die vereint mit Glauben, Hoffen,
Auf lichten Schwingen uns zum Himmel trägt. —
Dem Schönsten, was vom Paradies verblieben,
Du konntest ihm entsagen, nicht mehr lieben?”

„O, sprich ein Wort! Ein einzig Wort nur, das mir kündet,
Daß auch Dein Herz der Liebe nicht vergaß,
Die Du so reich mich einstens ahnen ließest! —
Komm’, sei mein trautlieb Weib; nein, mehr als das!
Mein guter Engel! — meine Königinne,
Der allzeit unterthan ich treu in Minne!”....

Beim letzten Worte war Herr Kuonrad, überwältigt
Von seines Herzens minneheißem Drang,
Auf’s Knie gesunken vor der arg Erschreckten,
Schon sicher hoffend, daß es ihm gelang,
Die Zagende allendlich zu gewinnen,
Da stumm sie vor ihm stand, in tiefem Sinnen.

Es war ein Wahn. Zwar, hingerissen vom Empfinden
Bestürmender Gefühle Allgewalt,
Schien Elsbeths Pflichtbewußtsein leis zu wanken,
Als, flüchtig, jetzt ihr Blick dem Manne galt,
Der vor ihr auf des Saales Fliesen knie’te,
In Demuth harrend, was nun sie ihm biete. —

In sich verloren und voll sel’ger Lust erschauernd,
Daß tiefe Glut ihr aus den Augen strahlt’,
Stand Elsbeth schweigend, während ihre Seele
Geschäftig sich das Glück der Liebe malt’
In lichten Farben und so lenzeshelle,
Wie’s nur vermag erregten Herzens Welle.

Doch rasch versank das Bild. Todtbitt’re Wehmuth füllte
Der Armen Herz, nun die Besinnung kam,
Welch’ weite Kluft sie von dem Manne trenne,
Der eine Liebe jetzt in Anspruch nahm,
Die, seit dem Himmel Treue sie geschworen,
Doch wohl ihr Recht auf irdisch Glück verloren.

Nun galt kein Zaudern mehr, sie mußte überwinden
Und dem gehören, der ihr Trost gesandt,
Als jäh des Herzens holder Liebesfrühling,
Kaum recht erblüht, ein traurig Ende fand.
Gott soll auch fernerhin ihr Wirken bleiben,
Aus seinem Hause keine Macht sie treiben.

Im Rahmen dort das Bild, es schien ihr Kraft zu spenden,
Erinnernd gleich auch, daß sie längst vergaß,
Was Pflicht und Regel ihr zu thun gebieten,
Wenn sündhaft ein Gedanke sich vermaß,
Die Gottgeweihte Seele ihr zu meistern,
Für irdisch Glück sich heimlich zu begeistern. —

„Herr Ritter!” klang es strengsten Tones zu Herrn Kuonrad,
„Vor unserm Orte ist man nicht gewohnt,
Mit Weltgeschäften sich die Zeit zu rauben;
Auch blieb ich schwerer Strafe kaum verschont,
Würd’ ruchbar werden es der Schwestern Ohren,
Was ich mir bieten ließ, der Pflicht verloren!”

„Euch hier zu sehen, hab’ ich allweg nicht vermuthet,
Und hätte mir geschwant, wer meiner harrt,
So bliebe frevler Wünsche eitel Sehnen
Mir allso vorzutragen Euch erspart.
Steht darum auf — die aber lasset gehen,
So Anderm zu begegnen sich versehen!”

Betroffen stand er auf und wollte reden; doch sie,
Die fühlte, daß es ihr an Kraft gebrach
Das Herz zu meistern, wandte sich zur Thüre,
Da scholl ein silbern Lachen durch’s Gemach
So froh, das es den Schritt ihr sogleich bannte
Und, stille stehend, sie die Blicke wandte. —

Sieh’ dort! In kind’scher Lust, die Aeuglein freudeglänzend,
Schwung durch das Fenster sich das Mägdleinpaar,
Die purpurn angehauchten Sammetwangen
Licht überwallt von goldigblondem Haar,
Das, voller Ringeln, sich der Freiheit freute,
Weil Strähl und Schapel ihm nur selten dräute.

Es war des Ritters Paar, das, müd’ des Spielens draußen,
Vergnüglich plaudernd so den Saal betrat.
Ihr Kommen mochte nun den Vater mahnen,
Daß ihretwegen er die Reise that,
Denn kaum, daß seine Augen sie ersahen,
Hieß leis ein Wink von ihm die Holden nahen;

Ihm selbst, dem eben es zu Muthe noch gewesen,
Wie einem der verurtheilt war zum Tod,
Erschienen nun zur rechten Zeit die beiden;
Sie sollten ihm jetzt helfen aus der Noth,
In welche ihn sein Minnewerben brachte,
Als er an sich, statt an die Seinen dachte.

Der Mägdlein Hände fassend, war er rasch besonnen
Und sank, eh’ noch die Kust’rin wehren konnt’,
Mit den Verwunderten ihr schnell zu Füßen,
Wohl hoffend, daß der Unschuld es vergonnt,
Was ihm, trotz allem Flehn nicht mocht’ gelingen,
Durch ihre stumme Sprache zu erringen.

„Gewähret wenigstens den Kindlein hier Erbarmen —”
So hörte leise man den Stolzen flehn,
„Und laßt die Mutterlosen nicht entgelten,
Welch’ schwerer Schuld der Vater sich versehn!
Gott wird Euch dafür lohnen, was den Kleinen
Ihr Gutes thut, und sind es gleich die Meinen.” —

Er kam nicht weiter; denn was jetzt sein Blick erschaute,
Es bot Gewährung deß’, was er begehrt’.
Voll milder Anmuth neigte Elsbeth freundlich,
Das Antlitz einem Engel gleich verklärt,
Sich zu den Mägdlein nieder, traut sie grüßend
Und frischen Munds die rothen Wänglein küssend.

Ein liebefroher Bild ließ sich, fürwahr! nicht malen,
Als es die Gruppe hier im Saale war:
In süßem Selbstvergessen knie’te Elsbeth
Froh bei den Schüchternen und strich das Haar
Aus Stirn und Wangen ihnen mit den Händen,
Um stets auf’s Neue Gruß und Kuß zu spenden.

Der Kleinen Schüchternheit verschwand dann auch zusehends,
Wie wenn durch Nebel sich die Sonne brach,
Und machte Platz ergötzlichem Verwundern,
Das, großen Blickes, aus den Aeuglein sprach,
Die Mäulchen roth nicht länger mehr ließ zaudern
Mit dieser Huldgestalt vertraut zu plaudern.

Sie selber sah, ein selig Lächeln auf den Lippen,
Zu Theil geworden ihr, was sie ersehnt’,
Sah mit der Liebe treugemeinten Blicken,
Auf’s Schwesternpaar, an ihre Brust gelehnt,
Und glich dem Baum, umringt von jungen Schossen,
Die, auch in Blüthe, aus der Erde sprossen.

Kuonrad und seine Töchter knien vor Elsbeth

Herr Kuonrad aber hatte langsam sich erhoben;
Er stand, die feuchten Blicke unverwandt
Auf Elsbeth heftend, in ein Glück versunken,
Wie schöner er bis jetzt dies nicht gekannt.
Was er ersehnte sich in manchen Stunden,
Hier war es unverhofft und reich gefunden.

Was Wunsch und Sorge ihm, auf Flügeln schien’s entflohen;
Er selbst entrückt in ein ihm fremd Gefild,
Da Menschenglück und sel’ger Herzensfrieden
Nicht länger sehnender Gedanken Bild.
Nein, sichtbarlich vor seinem Blick enthüllte
Das Glück sich, wie es längst sein Herz erfüllte. —

Doch es kam anders, als der Glückliche sich träumte,
Denn, als die Kusterin, an jeder Hand
Der Mägdlein ein’s, sich auch erhoben hatte
Und, hold den Sonnenblick ihm zugewandt,
Die Bitte that, die Kindlein ihr zu lassen,
So wollte dies der Eitle noch nicht fassen.

Im Wahne, Elsbeth lasse doch noch sich bereden,
Bat er, — nicht darauf achtend, welche Qual
Ihr sein erneutes Werben machte — leise
Die Milde, ihm zu folgen als Gemahl;
Indessen wie demüthig er auch flehte —
Es galt zu ernten, was sein Treubruch sä’te.

„Herr!” war die Antwort „laßt mich dem, dem ich geschworen!
Mein Loos ist schöner, als Ihr ahnen könnt;
Denn, freudig fühlt es meine Seele heute,
Es ward von Gott das Höchste mir gegönnt,
Was er an Seligkeit nur konnte geben:
Es ist das Glück — für andrer Wohl zu leben!”

„Wie einst der Herre hieß die Kindlein zu sich kommen,
Will Eure Mägdlein gern ich nehmen an
In seinem Namen. Ich will für sie sorgen,
Gleich treuer Mutter sie im Herzen ha’n;
Auch, was ich weiß, ’s ist nicht viel, beiden lehren
Zu ihrem Nutz und Sankt Agnesen Ehren!” —

Gerührt von so viel Großmuth und doch nicht zufrieden
Kam zu der Reue nun auch noch die Scham,
Dem Ritter, daß er die einst täuschen konnte,
Die jetzt so edel ihm entgegen kam;
Ja, statt, wie er verdiente, ihn zu hassen,
Gar darum bat, die Kindlein ihr zu lassen.

Doch während er noch sann, ihr Dank dafür zu sagen,
Nahm Elsbeth schon das Schwesternpaar zum Ziel,
Versprach den Mägdlein, wenn sie bei ihr bleiben,
Zu Scherz und Kurzweil schöne Hel’gen viel;
Auch wollte sie die Leckermäulchen laben
Mit Nonnenkräpflein, süß wie Honigwaben.

Da glänzten denn gar froh vier blaue Kinderäuglein,
Als wenn man helle Sternlein blitzen sah!
Es blieb kein Zweifel, beide waren willig;
Denn wie aus einem Munde klang ihr „Ja!”
Auf Elsbeths freundlich wiederholte Frage:
Ob hier zu bleiben ihnen es behage?

Erfreut von solcher Antwort, wandte sich die Gute
Herrn Kuonrad zu und bat, wie’s schien in Hast,
Weil doch der Kleinen Sinn noch ändern könnte:
„Herr, lasset mir die Lieben hier zu Gast
Bis morgen; trau’n, sie sollen nichts vermissen,
Da wir Bescheid so braven Mägdleins wissen!”

„Euch jedoch bitte ich dann morgen her zu kommen
Und nach zu schau’n, wie es den Holden geht.
Wenn noch sie Willens sind, bei uns zu bleiben,
Eu’r Einverständniß vorgesehn! so steht
Ja nichts im Wege, drüber zu verhandeln,
Wie wir, zum Heile ihnen, weiter wandeln.”

Und nun ermahnte sie die Mägdlein, fein vom Vater
„B’hüet Gott!” zu nehmen, bis zum nächsten Tag,
Indeß’ auch sie zum Abschied sich verneigte.
Der Ritter aber stand, schier wie vom Schlag
Getroffen, als, die Mägdlein ihr zur Seiten,
Sein Blick die Edle sah zum Ausgang schreiten.

Die feuchten Augen wischend, währte es fast lange,
Eh’ sich der Stolze nach und nach besann
Und, jähen Scheidens bitter Weh verwindend,
Gedrückten Sinns verließ des Stiftes Bann,
Um nun den Freunden sein vor allen Dingen,
Wie’s um die Mägdlein stand, Bericht zu bringen.

Daß jedoch in der Kust’rin ihm die Maid begegnet’,
Die seiner Liebe einzig Sehnen war,
Verschwieg der arg getäuschte Ritter freilich
Den Freunden gegenüber, ganz und gar,
Da, sich die Holde wieder zu erringen,
Er seine letzte Hoffnung sah zerrinnen. — —

Als nächsten Tages, wieder um dieselbe Stunde,
Herr Kuonrad sich im Stifte melden ließ,
War’s, statt der Kusterin, die Ob’rin selber,
Die, unpaß zwar, ihn nun willkommen hieß,
Um Nachsicht bat, daß Alter und Gebrechen,
Sie nicht schon gestern ließen mit ihm sprechen.

Dann, auf die Mägdlein kommend, war auch sie der Meinung,
Es thue Noth, die beiden zu erziehn,
Erwähnte auch, wie ihr der Propst gerathen,
Des Klosters Armuth und wies darauf hin,
Daß schon im Rückblick auf sothane Nöthen,
Die Schwestern gern den Kindlein Obdach böten.

Herr Kuonrad merkte sich’s; denn als nun doch die Dame
Allendlich schwieg, erbot er sich, dem Stift
Den Nießbrauch eines Hofs mit Vieh und Fabel,
Sammt Rebgelände, Aeckern, Wald und Trift’,
Auf doppelt so viel Jahre zu verleihen,
Als seine Kinder zu St. Agnes seien.

Die Ob’rin war’s zufrieden; aber nicht er selber,
Der, in der Hoffnung, Elsbeth noch zu sehn,
Zum Abschied seine Mägdlein grüßen wollte,
Doch nur den Rath erhielt, fein abzustehn
Und lieber ohne Gruß sich zu empfehlen,
Als Trauer damit schaffen ihren Seelen.

Da sie darauf bestand, so fügte er sich endlich
Und schied vom Orte, der sein Liebstes barg,
Mit schwerem Herzen, all’ sein Hoffen bettend
Zu ew’gem Schlummer in der Seele Sarg;
Noch dabei froh, daß doch der Trost geblieben,
In guter Hand zu wissen seine Lieben.

So war es auch. Voll hoher Freude, daß der Himmel
Doch ihrem Wunsch Erfüllung noch bescheert’;
Was sie ersehnt’, in trüben Augenblicken
Lieböden Daseins, nun dem Herz gewährt,
Hielt Elsbeth treulich, was sie ihm versprochen,
Der, sich zum Schaden, ihr die Treu’ gebrochen.

Wohl rief ihr anfangs oft, beim Anblick seiner Kinder,
Erinn’rung schlummernde Gedanken wach,
Die sie gestorben glaubte, malte Bilder
Verlornen Glückes ihr; doch nach und nach
Verscheuchten Sorgen um das Wohl der Kleinen
Jed’ ander Denken aus dem Sinn der Reinen.

Stets frohen Muthes waltete sie all’ der Pflichten,
Die wohl nur Mutterliebe sonst sich wählt;
Gab’s mal zu rügen die oftmals zu Losen,
War bloß der Mund es, der sie schmält’,
Mit mildem Worte wußt’ das Herz zu rühren,
Statt scharf und streng das Regiment zu führen.

Und, gleich wie gute Saat dem Boden rasch entkeimet,
Wenn Gott sie schützet, fröhlich grünt und blüht,
So auch gediehen unter Elsbeths Pflege
Die Mägdlein fein an Liebreiz und Gemüth;
In Kunst und Wissen, sittig frommem Wesen,
Sich selbst zur Ehre, wie auch St. Agnesen.

Da ging es nicht gar lang, bis von der Burgern Frauen
So manche, die auch Mägdlein eigen nannt’,
Weil noch der Stadt für sie die Schule fehlte,
Nach kurzem Sinnen sich an Elsbeth wandt’,
Und diese baten, jenen doch zu lehren,
Was selbst zu wissen leider sie entbehren.

Die Milde that es gerne. Doch, wenn sich die Schwestern
Nur freuten, daß des Klosters Hab und Gut
Auf solche Weise zunahm, sah sie selber
In all’ den Pfleglingen, die man zur Hut
Ihr anvertraute, einen reichen Garten
Voll zarter Pflänzlein, ihnen fein zu warten.

Der lieben Mühe Sold war wiederum die Liebe,
Die treulich jedes Herz der kleinen Schaar
Mit Zinseszinsen ihrem Liebling zahlte,
So daß der Guten bald zu Muthe war,
Als hätte ihr der Himmel schon hienieden
Die Wonnen süßer Seligkeit beschieden. —

Es wuchs denn auch im Lauf der Zeit die Zahl der Mägdlein,
Bis daß im Stift sich eine Schule schuf,
In welcher Elsbeth, auch noch als Aebtissin,
Voll Freuden ihrem köstlichen Beruf
Sich widmete, mit Liebe stets beflissen
Zu mehren ihrer Schüler Zucht und Wissen. —

Schaffhausens Chronikschreiber haben, wohl zum Lobe,
Das „Gotteli von Küssaberg” genannt;
Doch wer ihn ihr verliehn den trauten Namen,
Der noch im Kletgau überall bekannt,
Das wird dem Leser nun von selber kommen:
Es gab ihn süßer Kindermund der Frommen!

* * *

Wo sanft die Gute ruht von ihrem edeln Wirken,
Kein Krenzlein oder Grabstein weis’t den Ort;
Wär’ auch ganz ungereimt, darnach zu suchen,
Denn länger lebt im Wort des Liedes fort,
Was sich im Leben treu und ächt erwiesen,
Als was — in Gold auf Marmorstein gepriesen.

Zierde


Anmerkungen.

Seite 16. „Heer” — Pfarrherr, Seelsorger.
„ 19. „Pfeitlein” — Hemdlein.
„ 26. „’ring, g’ring,” — leicht, ohne Mühe.
„ 64. „hön” — grollen, böse sein.
„ 65. „Seelgerett’” — für das Heil der Seele nach dem Tode.
„ 68. „Sankt Vrenen Tag” — in Zurzach der 1. September.
„ 68. „kuomli” — angenehm, bequem.
„ 87. „Zindal,” „Palmat,” „Saben” — die ersten beiden Seidenstoffe, das letztere Linnen.
„ 88. „hornin Noster” — zum Zählen der Gebete gebräuchliche Schnur (Rosenkranz.)
„ 88. „Hel’gen” — Bilder, Heiligenbilder.
„ 91. „Niftel” — Nichte.
„ 108. „Wannen” — aus dünnem Flechtwerk hergestellte Geräthe zum Getreidereinigen.
„ 117. „Kulter,” „Pflumit” — Polster, Bettpfühl, Federkissen.
„ 134. „Nägelein” — Gewürznelken.
„ 175. „batten” — helfen.
„ 198. „stat” — langsam.
„ 213. „wäger” — wahrlich.
„ 214. „Urständ” — Auferstehung.
„ 231. „Göller”— ein den Hals bedeckendes Kleidungsstück.
„ 250. „Lächen” — Stromschnellen im Rheine bei Schaffhausen.
„ 251. „Mauchen” — früher und wohl auch noch jetzt gebrauchter Ausdruck der Schaffhauser Bürger gegenüber den Nichtbürgern, Hintersässen.

Seite 252. „Wat” — mittelalterlicher Ausdruck für Anzug.
„ 260. „Richtagen” — Reichthümer.
„ 260. „Huben,” „Hube” — Hofgut von ca 40 Morgen oder Juchart.
„ 266. „Herrenacker” — in Schaffhausen der Hauptplatz.
„ 277. „Schrättlein” — Alpdrücken.
„ 313. „Gotteli” — Verkleinerung von „Gotte,” in Süddeutschland und der Schweiz, namentlich von den Kindern für die Pathin oder ihnen sonst freundlich gesinnte Personen gebrauchtes Wort.

Zierde





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Karl Friedrich Würtenberger

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