The Project Gutenberg eBook of Handbuch der Geschichte der Buchdruckerkunst. Zweiter Teil

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Title: Handbuch der Geschichte der Buchdruckerkunst. Zweiter Teil

Author: Carl Berendt Lorck

Release date: December 9, 2019 [eBook #60888]

Language: German

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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK HANDBUCH DER GESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. ZWEITER TEIL ***

HANDBUCH DER GESCHICHTE
DER
BUCHDRUCKERKUNST

VON

CARL B. LORCK.


ZWEITER TEIL


WIEDERERWACHEN UND NEUE BLÜTE DER KUNST

1751–1882.

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LEIPZIG

VERLAG VON J. J. WEBER

MDCCCLXXXIII.

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VORBEMERKUNG

zu dem zweiten Teil.

Indem ich den Schlussteil meines Handbuches der Geschichte der Buchdruckerkunst etwas später und nicht unwesentlich umfangreicher, als es in der ursprünglichen Absicht lag, der Öffentlichkeit übergebe, geschieht es, trotz der wohlwollenden Aufnahme, welche dem ersten Bande sowohl seitens der Presse als des Publikums zuteil wurde, nur mit vermehrter Zaghaftigkeit.

Seite für Seite nähert sich die Darstellung einer Periode, in welcher jeder dem Fach angehörende Leser nicht nur zu den Zuschauenden, sondern, durch längere oder kürzere Zeit, in mehr oder weniger hervorragender Weise zu den Mitwirkenden gehört. Von den Leistungen dieser Periode wird er sich selbst ein Bild gemacht haben und eine fertige Meinung mitbringen. Über Einzelheiten wird derselbe nicht selten genauer unterrichtet sein, als der Verfasser des Buches, und wird deshalb leicht geneigt sein, streng über letzteren zu Gericht zu sitzen, der genötigt war, die Leistungen der verschiedenen Völker auf dem typographischen Gebiete als Gesamtmasse und in[vi] ihrem Verhältnis zu einander auf einem mässigen Raume in gedrängter Übersicht vorzuführen und dem deshalb manches weniger bedeutend erscheinen könnte, was vielleicht dem Leser von einem nationalen, lokalen oder persönlichen Standpunkte von grösserer Bedeutung vorkommt. So kann es leicht geschehen, dass der Betreffende sein Ideal oder seinen Lieblings-„Meister“ nicht oder nur mit wenigen Worten erwähnt findet oder dass über einen Gegenstand, welchen die Fachjournale die Pflicht hatten, ausführlich zu erörtern, nur eine kurze Notiz gegeben ist. Diesen Lesern muss ich zu bedenken geben, einerseits, dass der vorliegende Band einen Zeitraum von fast anderthalb Jahrhunderten des mächtigsten Fortschreitens der Kunst in der alten und neuen Welt umfasst, andererseits, dass ein geschichtliches Handbuch weder ein technisches Lehrbuch noch ein geschäftliches Adressbuch oder ein empfehlender Preiscourant für Fabrikanten sein kann und darf.

In der Innehaltung der richtigen Grenze des zu Besprechenden liegt eben die Hauptschwierigkeit eines geschichtlichen Handbuches, welches bis auf den heutigen Tag heranreicht. Dass indes diese Grenze überall richtig getroffen sein sollte, darf ich nicht behaupten. Missgriffe und Fehler, sowohl hinsichtlich des Weggelassenen als des Besprochenen, können bei der grossen Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit des Stoffes und bei der Unmöglichkeit, überall gleichmässig orientiert zu sein, wohl vorkommen, nur hoffe ich, dass man ein tendenziöses Hervorheben oder Weglassen mir nirgends wird nachsagen können.

Über die in diesem Bande befolgte Gruppeneinteilung habe ich mich bereits in dem Vorwort zum ersten Bande ausgesprochen. Wenn ich auch bestrebt gewesen bin, jedem der maassgebenden Hauptländer sein Recht werden zu lassen, so ist es doch selbstverständlich, dass Deutschland[vii] den Anspruch auf eine etwas detailliertere Behandlung als England und Frankreich hatte, doch hoffe ich, das erlaubte Maass zugunsten Deutschlands nicht überschritten zu haben.

Obwohl die Bedeutung einer Offizin für die Geschichte sich keineswegs immer nach Zahl der Pressen oder der beschäftigten Arbeiter messen lässt — die berühmte Kunstdruckerei von H. Reiss in Wien arbeitete mit „einer“ Handpresse und „einem“ Drucker —, so schien es doch geboten, zur Vervollständigung eines Gesamtbildes des grossartigen Wirkens der heutigen Presse den Umfang der grösseren Offizinen anzudeuten, obwohl bei der Aufzählung einer Reihe von Firmen Monotonie nicht ganz zu umgehen war. Dasselbe gilt von den statistischen Angaben über ganze Länder oder einzelne Städte. Sie sind hauptsächlich auf Mitteilungen aus den Jahren 1880–1882 begründet, ohne sich durchweg an ein und dasselbe Jahr zu halten, was für den Zweck einer allgemeinen Übersicht ohne Bedeutung war.

Hätte ich die Gewissheit, das mir gesteckte Ziel, über welches ebenfalls im Vorworte zum ersten Bande näheres gesagt wurde, erreicht zu haben: „mit dem enormen aufgespeicherten Material aufzuräumen, das Nutzlose zu beseitigen und in das zurückbleibende Wertvolle einigermassen Ordnung und Übersichtlichkeit zu bringen“, so würde ich mit grosser Befriedigung die Feder nach vollbrachter, jahrelanger mühsamer Arbeit weglegen; jetzt kann ich es nur mit dem Bewusstsein thun, dass ich ehrlich bemüht gewesen, nicht gar zu weit hinter der Aufgabe zurückzubleiben.

Leipzig, den 24. Oktober 1883.

Carl B. Lorck.

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INHALTS-VERZEICHNIS.

  Seite
EINLEITUNG.
DAS LICHT UND DIE CHEMIE ALS FÖRDERER DER TYPOGRAPHIE.
Wiederbelebung der Buchdruckerkunst. Das geistige und das physische Licht. Photographie, Lithographie, Chemigraphie. — Alois Senefelder und der chemische Druck, Musiknoten-, Landkarten-, Ölbild- und Aquarelldruck, anastatischer Druck. Die Daguerreotypie. Die Silberphotographie, die Photographie und die Druckkunst, das Woodbury-Verfahren, der Lichtdruck, die Alberttypie, der photographische Lichtdruck, die Photolithographie. — Verschiedene Hochdruckversuche: die Chemitypie, die Zinkhochätzung, ihre Vorzüge und Mängel, ihre Zukunftsstellung 3–20
ERSTES BUCH.
DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE.
EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH (23–28).
I. KAPITEL.
SCHRIFTGIESSEREI UND SETZMASCHINEN DER ANGLO-AMERIKANISCHEN GRUPPE.
Die Schriftgiesserei: W. Caslon II., J. Jackson, D. Bruce, Mac Kellar Smiths & Jordan u. a. Die Holztypen. Der Blindendruck. Lord Stanhopes Stereotypie. Die Giessmaschine: Nicholson, Elihu White,[x] D. & G. Bruce, Johnson und Atkinson, Westcotts Giessmaschine. Die Setzmaschine, frühere Versuche: T. Alden, W. Mitchell, A. Fraser u. a. Hattersley, Kastenbein, Mackie. Der Matrix compositor und ähnliche Apparate 29–48
II. KAPITEL.
DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN DER ANGLO-AMERIKANISCHEN GRUPPE.
Die Handpresse. Lord Stanhope und seine Nachfolger: Cogger, Clymer u. a. Die Auftragmaschine. Die Glätt- und Prägmaschine: Bramah. Die Schnellpresse: Friedrich König in England, Bensley, John Walter, der 29. November 1814, Kränkungen Königs, seine Abreise von London, Walters Eintreten für ihn. Die Nachfolger Königs: Napier, Applegath & Cowper, Hoe u. a. Die Endlosen: W. Bullock, die Walter-Maschine u. a. Die Mehrfarbe-Endlose. Die Tretmaschine. Die Ausleger, die Anleger. Die Satiniermaschine. Die Feuchtapparate. Die Bronciermaschine. Die Falzmaschine. Diverse Hülfsmaschinen. Walzen und Farbe. Die Materialienhandlungen 49–72
III. KAPITEL.
DIE TYPOGRAPHIE UND DAS BUCHGEWERBE ENGLANDS.
England. Aufblühen der Typographie: J. Baskerville, Bowyer Vater und Sohn, J. Nichols, Miller-Ritchie, W. Bulmer, Th. Bensley, Hansard Vater und Sohn. Die Xylographie: Thom. Bewick. Der Farbendruck: G. Baxter, W. Savage, W. Congreve. Oxford, Cambridge, Edinburgh u. a. Die Zeitungspresse: Die Times und die Familie Walter; Stempel; telegraphischer Verkehr; Inseratenwesen; Statistisches. Der Accidenzdruck. Der Buchhandel: Die illustrierten Blätter, Ch. Knight. Der Bibeldruck. Die Bibliophilie: Lord Spencer, T. F. Dibdin. Die Buchbinderkunst.  
Asien: Indien, China, Japan, der Indische Archipel. — Australien, die Südseeinseln. — Afrika 73–114
IV. KAPITEL.
DIE TYPOGRAPHIE UND DAS BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS.
Wachstum der Presse. Die Zeitungen: Statistisches, der Herald, Horace Greeley und die Tribune, G. Childs und der Ledger, die Familie Harper, Frank Leslie und die illustrierte Presse. Die Holzschneidekunst. Die Buchdruckerei und der Buchhandel: Die Staatsdruckerei und der Accidenzdruck, Organisation des Buchhandels. Grosse Druck- und Verlagsfirmen: Appleton, Lippincott,[xi] Houghton u. a., Einfluss des deutschen Elements, Nachdruck deutscher Werke, deutsche Buchhandlungen und Zeitungen. Das Papier 115–136
ZWEITES BUCH.
DIE ROMANISCHE GRUPPE.
EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH (139–144).
V. KAPITEL.
DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN IN FRANKREICH.
Die Schriftgiesserei: Das Schriftsystem Didots, seine Anglaise, Molé. Orientalia. Notendruck, E. Duverger, Charles Derriey und das typographische Ornament. Holzschnitt und Hochätzung. Die Stereotypie: Daulé, Gaveaux, Jannin. Die Maschinen: Marinoni, Alauzet, Dutartre u. a. Die Utensilien. Farbe. Papierfabrikation. Die Buchbindekunst 145–162
VI. KAPITEL.
DER STAAT UND DIE PRESSE In FRANKREICH. DIE SCHÖPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE.
Der Staat und die Presse unter Ludwig XVI., der Revolution, Napoleon I., der Restauration, dem Bürgerkönigtum, Napoleon III. Die Älteren Buchdruckereien: Die Staatsdruckerei und die Didot in ihrem Einflusse auf die Typographie, die Familien Panckoucke, Barbou, Lottin, Treuttel & Würtz, Berger-Levrault, Dentu, Crapelet 163–190
VII. KAPITEL.
DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS UND DAS BUCHGEWERBE.
Das Aufleben des Buchgewerbes. Die Prachtwerke. Neue Bahnen. Der Cercle de la Librairie. Die Fachlitteratur. Statistisches. Die Journallitteratur. Die Moderne Typographie: A. Mame & Co., H. Fournier, P. Dupont, J. Claye, N. Chaix, H. Plon u. a. Der illustrierte Verlag: Ch. Furne, J. Dubochet, J. Paulin. Die Luxusbücher: L. Curmer, G. Silbermann, Engelmann Vater & Sohn. Die verschiedenen Richtungen des Buchhandels: Baillère, Masson, Hachette & Co. u. a. Der archaïstische Druck: L. Perrin, D. Jouaust. Die Bibliographie: Die Buchhandlungen für das Ausland. Statistisches 191–224
VIII. KAPITEL.[xii]
DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE.
Die Niederlande: Zurückgehen der Kunst. Der Nachdruck. Die neuere Typographie Hollands und Belgiens. — Italien: G. Bodoni. Langsame Fortschritte. Venedig, die Mechitaristen. Panfilo Castaldi. Der Buchhandel, die Familie Pomba. Rom, die Druckerei der Propaganda. Erfreuliche Aussichten. — Spanien: J. Ibarra. Madrid. Barcelona. Portugal: Die Staatsdruckerei. Südamerika: Buenos Aires, Rio de Janeiro, Lima, Cuba, Mexiko. — Nordafrika: Algier, Ägypten. Türkei: Aufblühen und Verfall der Kunst. Jetzige Lage 225–252
DRITTES BUCH.
DIE GERMANISCHE GRUPPE.
EINFÜHRUNG IN DAS DRITTE BUCH (253–260).
IX. KAPITEL.
ALLGEMEINER ÜBERBLICK ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE.
Gedrückter Zustand des Pressgewerbes. Nachdruck und Presspolizei. Die kaiserl. Bücherkommission. Die Presse in den einzelnen Bundesstaaten. Die nationale Litteratur. Reform des Buchhandels. Der Börsenverein. Die Bücherproduktion. Der Buchdrucker-Verband und der Prinzipal-Verein. Statistisches. Die Papierfabrikation. Die Buchbinderkunst, der Masseneinband und die Handarbeit 261–280
X. KAPITEL.
DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION IN DEUTSCHLAND-ÖSTERREICH.
Aufschwung der Schriftgiesserei. Ed. Hänel. Die deutsche Druckschrift. Walbaum Vater und Sohn. Hamburg, Berlin, Leipzig, Frankfurt a. M. Österreich. G. Haase, C. Faulmann. Die Stereotypie, die Galvanoplastik, die Dynamo-Elektrik. Die Giessmaschine. Die Illustration: Verfall im XVIII. Jahrhundert, Wiedererwachen des Holzschnittes. Die Unger, Gubitz, Unzelmann, Kretzschmar u. a. Österreich: Prestel, Höfel, Knöfler u. a. Die Planotypie. Die Stigmatypie: Carl Fasol 281–304
XI. KAPITEL.[xiii]
DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN IN DEUTSCHLAND.
Fr. König und die Schnellpresse. Die Bedeutung derselben. Jugendgeschichte Königs. Seine Rückkehr aus England. Etablissement König & Bauer in Oberzell. Kampf und Sieg. Die Zweifarbenmaschine. Die Endlose. Die Maschinenfabrik Augsburg und andere Fabriken Deutschlands. Helbig & Müller in Wien und andere Fabrikanten Österreichs. Die lithographische und die zinkographische Schnellpresse. Die Handpressen. Die Satinier-Schnellpresse. Die Farbenfabrikation 305–320
XII. KAPITEL.
DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE.
J. G. I. Breitkopf, seine Reformen, der Musiknotendruck vor Breitkopf und dessen Verbesserungen, Breitkopf & Härtel. G. J. Göschen. Friedr. Arnold Brockhaus und seine Nachfolger. B. G. Teubner. Karl Tauchnitz. Fr. Nies und seine Nachfolger. B. Tauchnitz. Das Jubelfest 1840. Giesecke & Devrient. Das Bibliographische Institut. Verschiedene Offizinen Leipzigs. — Dresden: Meinhold & Söhne u. a. Halle: Waisenhausdruckerei, Schwetschke & Sohn. — Weimar: Hofbuchdruckerei. — Gotha: Just. Perthes. — Braunschweig: Vieweg & Sohn, G. Westermann, Dr. Heinrich Meyer und das Journal für Buchdruckerkunst 321–356
XIII. KAPITEL.
DER NORDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.
Berlin: Wachsende Bedeutung. Die Familie Decker, Unger Vater und Sohn, Gebr. Unger, Familie Spener, Reimer, Mittler u. a. Ed. Hänel-Gronau. Die Zeitungsdruckereien. Die Accidenzdruckereien. Die lithographischen und sonstigen Kunstanstalten. Breslau. Frankfurt a. O. Posen. Königsberg. Danzig. Stettin. Lübeck. Hamburg. Bremen. Hannover. Köln: Die Offizin der „Kölnischen Zeitung“ 357–382
XIV. KAPITEL.
DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.
Emporwachsen Stuttgarts: Die Familie Cotta. J. B. Metzler. Die illustrierte Litteratur. Ed. Hallberger, Gebr. Kröner u. a. Die Xylographie. Der Buchhandel. Statistisches. Tübingen. München: Aufschwung aller graphischen Künste: Kasp. Braun, Fr. Hanfstängl, J. Albert, Fr. Bruckmann u. a. Nürnberg. Regensburg. Augsburg. Rheinische Städte. Frankfurt a. M. Mainz und das Einweihungsfest.[xiv] Freiburg i. Br. Dornach: Ad. Braun. Strassburg: Das Gutenbergdenkmal, die Bibliothek.  
Die Schweiz. Lokale Schwierigkeiten. Basel: Die Familie Haas. Zürich: Orell Füssli & Co., Kartographie. St. Gallen: Chr. Zollikofer. Einsiedeln: Gebr. Benziger. Bern 383–412
XV. KAPITEL.
DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.
Presszustände in Österreich. J. T. Trattner. J. G. Trassler. J. v. Kurzbeck. A. Schmid. Familie Gerold. J. V. Degen. A. Auer. Die Hof- und Staatsdruckerei. W. v. Braumüller. Das Museum und die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Der Buchdrucker-Verein. Neuere Buchdruckereien Wiens. Die Druckereien in den Provinzen. Ungarn. Druckereien in Budapest und an anderen Orten. Statistisches aus Österreich-Ungarn 413–440
XVI. KAPITEL.
DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE.
Dänemark. Fortschritte der Typographie: B. Luno, Gebr. Thiele, C. Ferslew & Co. u. a. Die Chemitypie: C. Piil. Die Giessmaschine: L. Brandt. Die Setzmaschine: C. Sörensen. Die Schreibkugel: Malling Hansen. Island. Grönland. Norwegen. Geistiges Leben. Schweden. Norstedt & Söner, Central-Tryckeriet u. a. Finnland. Russland und Polen. Die Staatsdruckerei und andere Offizinen. Das Zeitungswesen. Die Donauländer: Serbien, Rumänien, Bulgarien. Griechenland 441–464
REGISTER.
A. Namen- und Sachregister 465–487
B. Nachweis der angeführten Quellenschriften 488–493
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EINLEITUNG

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DAS LICHT UND DIE CHEMIE
ALS FÖRDERER DER TYPOGRAPHIE


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DAS LICHT UND DIE CHEMIE ALS FÖRDERER DER TYPOGRAPHIE.

Wiederbelebung der Buchdruckerkunst. Das geistige und das physische Licht. Photographie, Lithographie, Chemigraphie. — Alois Senefelder und der chemische Druck, Musiknoten-, Landkarten-, Ölbild- und Aquarelldruck, anastatischer Druck. Die Daguerreotypie. Die Silberphotographie, die Photographie und die Druckkunst, das Woodbury-Verfahren, der Lichtdruck, die Alberttypie, der photographische Farbendruck, die Photolithographie. — Verschiedene Hochdruckversuche: die Chemitypie, die Zinkhochätzung, ihre Vorzüge und Mängel, ihre Zukunftsstellung.

Wiederbelebung der Buchdruckerkunst.
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LS die Grenze des allmählichen Rückganges, teilweise der Erniedrigung der Buchdruckerkunst, von welcher der Leser in dem ersten Teil der Geschichte bereits Kenntnis nahm, zugleich als der Ausgangspunkt einer neuen Entwickelung zum Besseren kann das dritte Jubeljahr der Erfindung bezeichnet werden. Nicht lange nach diesem Zeitpunkt beginnt eine, fast durch mehr als ein Jahrhundert sich erstreckende ununterbrochene Kette von Verbesserungen und neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Druckkunst, so dass diese um die Zeit der vierten Jubelfeier, begünstigt von dem überall aufblühenden, frischeren geistigen, politischen und gewerblichen Leben, ihre zweite Glanzperiode antritt, inmitten welcher wir uns jetzt noch befinden, von der festen Zuversicht durchdrungen, dass unsere Nachkommen von einem abermaligen Herabsteigen von der erklommenen Höhe nicht zu berichten haben werden.

[4]

In der letzten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts knüpften die Verbesserungen und Erfindungen noch behutsam an das Bestehende an; von dem Beginn unseres Jahrhunderts an ging es aber mit Sturmschritten auf neuen Bahnen unaufhaltsam vorwärts.

Die Maschinen.

„Meister Blutlos“ hatte das Scepter in die Hand genommen und je mehr wir uns unseren Tagen nähern, um so uneingeschränkter wurde die Herrschaft dieses Meisters, „der aus dem Gedanken des Menschen Leben trank und Nahrung zog, die seinen eisernen Gliedmassen Kräfte verlieh, welche der Mensch selbst nicht besitzt“.

Doch nicht genug hiermit. Der graphischen Kunst entstanden neue mächtige Bundesgenossen in der alles belebenden Sonne und in den geheimen Kräften der Natur, in deren nimmer rastende Werkstätte die Chemie uns einen belehrenden Einblick eröffnet hatte.

Das Licht.

Indem Gutenbergs Kunst der Menschheit zu dem geistigen Licht der Kenntnisse verhalf, durch welche es ihr gelang, sich die Kräfte des physischen Lichts dienstbar zu machen, erreichte sie zugleich, dass das letztere nunmehr seinerseits eines der wichtigsten Mittel zur Verbreitung der geistigen Erleuchtung wurde: die Sonne selbst zeigte sich als eine direkte Förderin der Druckkunst, wennauch zugleich als eine gefährliche Konkurrentin, deren Macht zu weichen jedoch selbst unserm Altmeister nicht zur Unehre gereichen würde, denn in der Photographie mit den vielen in ihr wurzelnden Reproduktionsverfahren liegen Kräfte, welche denen des Hercules in der Wiege gleichen. Sie zeigen sich jetzt schon als ganz ausserordentliche, obwohl sie sich noch in den ersten Stadien ihrer Entwickelung befinden und erst ahnen lassen, welche Umwälzung sie der Druckkunst in der Zukunft bereiten können.

Lithographie.

Eine junge, als Förderin der graphischen Kunst jedoch ältere Kraft denn die ewige Sonne, wuchs in der Lithographie empor. Wennauch diese Kunst heute bereits aufgehört hat, den hervorragenden Platz zu behaupten, den sie eine zeitlang als Produzentin künstlerischer Schwarzdrucke einnahm, so macht sie sich um so mehr im Farben- und Lichtdruck um Wissenschaft und Kunst, Chemigraphie.Industrie und Gewerbe verdient; hat jedoch schon eine neue, nach mehreren Richtungen hin glückliche Mitbewerberin um die Gunst des Publikums in der Chemigraphie gefunden, welcher, wie es scheint, eine grosse Zukunft bevorsteht.

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Die typographischen Institute.

So sehen wir heute eine Reihe von graphischen Verfahren mit der Typographie zur Herstellung der mannigfachsten Druckwerke je nach ihrer Eigenart einträchtig zusammen wirken. Jedes dieser Verfahren kann seine eigentümlichen Vorzüge geltend machen und zugleich die Kräfte der anderen benutzen. Deshalb pflegen auch die grösseren typographischen Institute von heute gewöhnlich gleichzeitig mehrere Verfahren, wodurch sie imstande sind, Arbeiten für die verschiedensten Zwecke der Wissenschaft, der Bildung, des Handels, des bürgerlichen und des staatlichen Lebens in einer Vollendung zu liefern, wie sie durch eine einzelne dieser Künste nicht zu erreichen gewesen wäre.

Zurücktreten der Person.

Jedoch, je mächtiger die Technik vorwärts schritt, je allgemeiner der Dampf, das Licht und die Chemie das Übergewicht erlangten, um so mehr musste die Biographie aufhören, als Mittelpunkt der Geschichtschreibung zu dienen, während sich in den früheren Perioden die Teilnahme vorzugsweise auf hervorragende Männer richtete, die mit dem historischen, zumteil auch mythischen Nimbus umgeben waren und deren Stellung in der Geschichte der Typographie von der öffentlichen Meinung längst bestimmt war.

Heutzutage, wo die Buchdruckerei hauptsächlich, wennauch im besten Sinne, eine auf Grossbetrieb angelegte Fabrik geworden, ist die Maschine und das Fabrikat in den Vordergrund getreten. Der Besitzer einer vortrefflichen Buchdruckerei ist jetzt nicht immer ein vortrefflicher Buchdrucker, dessen Name in der Geschichte fortleben wird, sondern oft nur ein gut rechnender Kaufmann, der imstande war, das beste Material anzuschaffen, und klug genug, um durch einen tüchtigen Dirigenten und tüchtige Arbeiter das zu ersetzen, was ihm selbst fehlt. Das Individuum tritt somit gegen die Gesamtsumme der Tüchtigkeit und des Unternehmungsgeistes eines ganzen Volkes und — das müssen wir allerdings hinzusetzen — gegen die Summe von dessen Kapital zurück.

Der internationale Verkehr.

Doch auch ganze Völker verlieren nach und nach viele ihrer Eigentümlichkeiten und selbstverständlich sind es namentlich die kleineren unter denselben, oder die in der Kultur zurückgebliebenen, die sich von der Anziehungskraft der grossen Zentren beeinflusst fühlen. Wie in der Politik, der Litteratur, der Kunst und dem Handel der Kirchturmsausblick dem kosmopolitischen Fernblick[6] Platz machte, so auch in der Typographie. Je leichter der Verkehr zwischen den Nachbarländern sich gestaltet, um so leichter und schneller eignet sich ein Volk die Vorzüge und Erfindungen des anderen an. Diese Leichtigkeit geht so weit, dass es, obgleich es sich oft um eine uns nahe liegende Vergangenheit handelt, nicht mehr zu konstatieren ist, wem oder welchem Lande diese oder jene Erfindung gehört. Der Eine wirft einen Gedanken hin; der Andere nimmt ihn auf und arbeitet ihn weiter aus; der Dritte macht einen unpraktischen Versuch damit; dem Vierten erst gelingt die Durchführung. Oft geschieht diese Aneignung unwillkürlich, oft entsteht ein Gedanke gleichzeitig bei Mehreren; die Luft ist sozusagen mit Erfindungsstoffen geschwängert.

Unter solchen Verhältnissen wird es, je mehr wir uns der Jetztzeit nähern, desto schwieriger, eine streng gesonderte Behandlung der typographischen Geschichte jedes einzelnen Volkes, jeder Stadt, jeder Firma beizubehalten, denn Eigentümlichkeiten machen sich hauptsächlich nur in den grösseren Gruppen bemerkbar.

Die Gruppenbildung.

Von solchen bildeten sich im Laufe der Zeit drei: die Anglo-Amerikanische, die Romanische und die Germanische. Nicht immer war die nationale und sprachliche Verwandtschaft der Völker für die Gruppierung allein massgebend; öfters wirkten auch politische, merkantile und technische Verhältnisse sehr stark mit. So sehen wir, wie den germanischen nahe verwandte Länder, wie die Niederlande, mehr der romanischen Gruppe in der Typographie sich zuneigen, während die, dem Germanentum nichts weniger als freundlich gesinnten slawischen und magyarischen Völker sich in gewerblich-technischer Hinsicht der germanischen Gruppe anreihen. Der ferne Osten Asiens und Australien unterliegen der Wucht der Beherrscherin des Ozeans, während der Einfluss Frankreichs sich in den Umländern des Mittelmeeres, in den europäischen sowohl wie in den afrikanischen und asiatischen, geltend macht.

Es wird unsere Aufgabe sein, in den folgenden Abschnitten die eigentümliche Entwickelung, welche jede dieser Gruppen, trotz der Amalgamierung der Völker im allgemeinen, genommen hat, zu verfolgen. Warum wir mit der Anglo-Amerikanischen Gruppe anfangen, daran die Romanische reihen, und mit der Germanischen schliessen, ergiebt sich aus der Geschichte.

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Bevor wir jedoch an diese Gruppen herantreten, um die Leistungen der einzelnen zu überschauen, ist es nötig, auf das Entstehen und Fortschreiten der erwähnten neuen Schwesterkünste der Typographie, des Steindrucks, des Lichtdrucks und des Zinkdrucks, in ihrem Zusammenhang unter einander und mit der Typographie, einen Blick zu werfen[1], der sich allerdings innerhalb der engsten Grenzen zu halten haben wird. Die Reihe eröffnet dem Altersrang gemäss:

DIE LITHOGRAPHIE.

Alois Senefelder.

„Ich wünsche, dass die Steindruckerei bald auf der ganzen Erde verbreitet, der Menschheit durch viele vortreffliche Erzeugnisse vielfältigen Nutzen bringen und zu ihrer grösseren Veredlung gereiche, niemals aber zu einem bösen Zweck missbraucht werden möge. Dies gebe der Allmächtige; dann sei gesegnet die Stunde, in der ich sie erfand.“

So spricht — nicht unähnlich seinem grossen Vorgänger Gutenberg in der Nachschrift zu dem Katholikon (I, S. 33) — der Erfinder der Lithographie Alois Senefelder in seinem berühmten Werke[2], voll des Dankes gegen die Vorsehung, welche ihn als Werkzeug benutzt hatte, um die Menschheit einer grossen Wohlthat teilhaft werden zu lassen.

Sollte nun auch die Lithographie so wenig, wie die Typographie, von jedem unedlen Missbrauch verschont bleiben, so wiegen trotzdem bei beiden der „vielfältige Nutzen“ und die erzielte „Veredlung der Menschheit“ so schwer, dass der Erfinder wohl ohne Bedenken die Stunde der Erfindung segnen mochte. Jeder Deutsche kann aber ausserdem mit Stolz dieser Stunde gedenken, denn er zählt den Erfinder auch dieser, nach der Typographie wichtigsten der lichtbringenden Künste zu den Seinigen.

Dass Senefelder die Ehre nicht streitig gemacht werden konnte, wie es mit Gutenberg geschah, dafür hatte der letztere gesorgt, so dass ersterer selbst in der Lage war, durch sein Werk über seine[8] Kunst uns zu teilnehmenden Begleitern durch sein wechselvolles Leben und alle Phasen seiner Kunst zu machen. Er konnte selbst unwidersprechliches Zeugnis ablegen, dass es kein Verfahren in der Lithographie giebt, welches von ihm ungeahnt, ja unversucht geblieben wäre.

Durch diese lange Reihe von Versuchen dem Erfinder zu folgen, ist hier nicht möglich; es sei nur erwähnt, dass Alois Senefelder am 6. November 1771 zu Prag geboren wurde, sich der Jurisprudenz widmen sollte, jedoch, von unwiderstehlichem Drang geleitet, in München dem Theater als Dichter und Darsteller zugeführt wurde; dass er, zu arm, um seine Theaterstücke drucken zu lassen, nach vielen Experimenten, um eine billigere Herstellung zu finden, schliesslich durch Zufall auf die Entdeckung der Lithographie geführt wurde.

Wesen der Lithographie.

Das Gravieren in Stein, selbst das Ätzen eines solchen, so dass eine Zeichnung auf demselben erhaben zurückblieb, war nichts Neues, und dass die Chinesen ein lithographisches Druckverfahren hatten, wurde bereits (I, S. 4 und 282) erwähnt. Das Charakteristische der neuen Erfindung lag in der Entdeckung, dass eine mit fetter Kreide oder fetter Tinte auf einem Stein von besonderer Art gemachte Zeichnung von über ihn gegossenem Scheidewasser nicht angegriffen wird, dass ferner die auf den Stein aufgetragene fette Farbe nur auf der Zeichnung haften bleibt, von den geätzten, gummierten und gefeuchteten Steinflächen jedoch abgestossen wird, schliesslich, dass es möglich war, einen Abdruck mechanisch auf einen andern Stein zu übertragen und, wie in der Typographie durch die Stereotypie, durch Wiederholung hiervon neue Druckplatten in unbegrenzter Zahl herzustellen, wodurch es der Lithographie, namentlich seit Erfindung der lithographischen Schnellpresse, möglich geworden, der Typographie auf einzelnen Gebieten erfolgreiche Konkurrenz zu machen.

Nützlichkeit der Lithographie.

Durch die neue Kunst konnte eine massenhafte Verbreitung von Nachbildungen älterer und neuerer Kunstwerke in einer Schnelligkeit und Billigkeit stattfinden, wie sie durch den Grabstichel nicht zu erreichen war, was ausserordentlich zur Popularisierung der Kunst beitrug. Wissenschaftliche und technische Werke liessen sich durch Beigabe lithographischer Tafeln verständlicher machen;[9] Nachbildungen gaben die Miniaturen des Mittelalters in prachtvollem Gold- und Farbendruck wieder; die Verkäuflichkeit der Zeitschriften und der Lieferungswerke fand durch schwarze, kolorierte, später durch bunt gedruckte Bilder einen gewaltigen Vorschub.

Der Notendruck.

Vor allem bemächtigte sich die Lithographie des musikalischen Notendruckes. Es war dies der erste Zweig, der von Senefelder selbst mit Erfolg betrieben wurde und ein vorteilhaftes Übereinkommen mit dem bekannten Musikalienhändler André in Offenbach herbeiführte, das jedoch später von Senefelder selbst, wohl ohne hinreichenden Grund, aufgehoben wurde. Der musikalische Typendruck konnte sich von jetzt ab nur dann bewähren, wenn der Text einen überwiegenden Teil bildete, namentlich also bei theoretischen Werken, oder wenn die Auflage, was bei musikalischen Werken nur selten vorkam, eine sehr grosse war. Ausserdem liess die Lithographie eine zum Kaufen anlockende Ausschmückung zu und jeder Walzer oder jedes sentimentale Lied erhielt ein Titelblatt mit schwungvoll verzierten Schriften, wenn nicht gar mit einer bildlichen Darstellung, als Helferin beim Absatz.

Der Landkartendruck.

Ein Feld, welches vom Beginn ab ebenfalls der Lithographie zufiel, war die Herstellung von Landkarten und Plänen. Dieser Zweig nahm nach und nach einen ausserordentlichen Aufschwung. Die Methode, durch Anwendung verschiedener Schraffierungen und Ätzungen mit wenigen Farbensteinen eine grosse Zahl von Farbenabstufungen hervorzubringen, ist zu hoher Vollkommenheit gediehen. Die Schichtlegung ist viel methodischer geworden und es gelang, ein naturgetreues, fast plastisches Bild zu geben.

Wer es mit der Xylographie gut meinte, konnte sich nur freuen, dass sie von einem Feld abgedrängt ward, welches sie nie mit Erfolg und nur notgedrungen bebaut hatte. Als jedoch die Lithographie mit ihrer leichten Herstellungsweise Miene machte, sich des ganzen Accidenzfaches zu bemächtigen, welches die Typographie so lange mit Glück betrieben hatte, da erhob sich ein heftiger Widerstand, der Veranlassung zu ganz wesentlichen Fortschritten der Typographie gab. So kämpften altes und neues Verfahren mit einander, jenes um den bis jetzt innegehabten Platz zu behaupten, dieses um dem Gegner neues Terrain abzugewinnen, bis, wie es so oft geschieht, wenn tüchtige Gegner ihre Kräfte gemessen und schätzen gelernt[10] haben, zum beiderseitigen Vorteil aus den Feinden Verbündete wurden.

Der Ölbild- und Aquarelldruck.

Eine besonders eifrig gepflegte Art des lithographischen Verfahrens ist der Farbendruck in den beiden Abzweigungen Ölbild- und Aquarelldruck.

Die Technik des Bilderdrucks.

Das Verfahren bei der Herstellung beider ist in der Hauptsache dasselbe. Zuerst wird eine Pauszeichnung gemacht, auf Stein übertragen und so oft abgezogen als Farbensteine notwendig sind. Auf jedem der Steine werden nun die Partien eingezeichnet, die mit gleicher Farbe gedruckt werden. Für manche Platten genügt es, sie mit einer Asphaltlage zu überziehen, auf der man durch Schaben und Schleifen Töne in so gleichmässiger Abstufung erzielen kann, als wären sie mit dem Pinsel gemacht. Die allgemeinen, leichten Töne des Bildes werden zuerst eingedruckt, dann folgen die Steine mit den Lokalfarben und den Formendetails, schliesslich wird das Bild mit neutralen Tönen abgestimmt. Da eine neue Farbe die vorherige nicht verbirgt, sondern mit ihr Mischung eingeht, so ist es klar, einerseits, dass grosses Verständnis, grosse Erfahrung und ein feines künstlerisches Gefühl dazu gehört, die richtige Tiefe der Töne zu treffen, andererseits, dass Nüancierungen, die nach hunderten zählen, durch die Verschiedenheit der über einander gedruckten Farben und die detailliertere oder leichtere Ausführung der Zeichnungen sich erzielen lassen.

Die Torchonplatte.

Um den Eindruck des pastosen Pinselauftrags und der rauhen Malerleinwand oder bei den Aquarellen des rauhen Papieres, dessen man sich für die Aquarell-Zeichnungen bedient, hervorzubringen, werden die Pinselstriche oder Unebenheiten in einen Stein graviert oder geätzt und das fertige Bild mit diesem Stein, selbstverständlich ohne Farbenauftrag, durch die Presse gezogen, so dass die vertieften Stellen in dem Stein nunmehr als Erhabenheiten auf dem Bilde erscheinen.

Farbensteine.

Da zu einem gut ausgeführten Bild 20 bis 30 Farbensteine gehören, so sind die Kosten sehr hoch und nur die grossen Auflagen, welche durch die Schnellpresse sehr erleichtert sind, machen Preise möglich, die wenigstens fünfundzwanzigmal geringer sind, als die für eine oft mittelmässige Kopie. Wie weit die Chromographie es gebracht hat, beweist die Thatsache, dass die artistischen[11] Anstalten es auf Ausstellungen wagen konnten, Original und Druck neben einander aufzuhängen, um zu beweisen, dass ein Blick des Kenners dazu gehört, das Original vom Druck zu unterscheiden, ja, dass sogar für diesen bei dem Aquarelldruck eine Täuschung möglich war. Vortreffliche Dienste leistet der lithographische Farbendruck bei Herstellung der Bilder für den, jetzt auf einer hohen Stufe stehenden Anschauungsunterricht.

Der anastatische Druck.

Nicht ohne Wichtigkeit ist der anastatische Druck (von dem griechischen [Greek: anastasis], Auferstehung), namentlich um von älteren Drucken vollkommene Facsimiles herzustellen.

Nachdem der alte Druck mit verdünnter Salpetersäure getränkt worden ist, presst man ihn an einen Stein oder eine Metallplatte. Die Säure ätzt die Platte mit Ausnahme der mit Schrift, die nun ein wenig erhaben dasteht, bedeckten Stellen. Hat jedoch der alte Druck nicht mehr Fettigkeit genug, um die Säure abzustossen, so kann man erstern erneuern, indem man das Blatt in Weinsteinsäure legt. Hierdurch werden alle unbedruckten Papierstellen mit kleinen Weinsteinsäure-Krystallen überzogen, welche, wenn man mit den Schwärzewalzen über das Papier fährt, die Schwärze abstossen, die nur von der alten Schrift angenommen wird. Das Experiment ist jedoch, da die Möglichkeit der Vernichtung des Originals vorhanden ist, immer bedenklich, wenn letzteres wertvoll oder gar unersetzlich ist.

Das Verfahren wurde von einem Schlesier Rud. Appel erfunden und von Faraday nutzbar gemacht. Da eine Verfälschung von Wertpapieren durch dasselbe leicht möglich war, stellten Appel & Glyne ein Patentpapier her, dessen Zusätze die Benutzung zum Umdruck aus chemischen Gründen unmöglich machten.

Lithographiesteine.

Eine Kalamität für die Lithographie ist der beginnende Mangel an gutem Steinmaterial. Die Steine bester Qualität sind nur in den Solnhofener Brüchen in Bayern zu finden; alle anderen Steine haben sich für bessere Arbeiten bis jetzt nicht bewährt, obwohl kein Jahr vergeht, ohne dass die Nachricht durch die Blätter läuft, jetzt seien wirklich gute Steine, bald in Polen, bald in Algier, dann in Canada, dann bei Marseille, aufgefunden. Ebensowenig haben die Versuche, die Steine durch eine künstliche Masse zu ersetzen, Erfolg gehabt. Unter diesen Verhältnissen steht dem Zink, welches[12] die eigentümlichen Eigenschaften des lithographischen Steines besitzt, dabei billig ist, sich leicht aufheben und auf einem Cylinder zum Druck anbringen lässt, ganz abgesehen von seiner Verwendung in der Hochätzung, eine bedeutende Zukunft in Aussicht.

DIE PHOTOGRAPHIE.

Camera obscura.

Es war sehr erklärlich, dass die Camera obscura, welche das Bild der Umgebung im kleinen auf das getreueste wiedergiebt, den Gedanken, ein solches Bild durch Lichtwirkung zu fixieren, weckte. Bereits im Jahre 1802 hatte der bekannte englische Steingutfabrikant Wedgwood im Verein mit dem Chemiker Davy Experimente zur Herstellung von Lichtbildern auf einem mit Höllenstein überstrichenen Papier gemacht und Fox Talbot verbesserte das Verfahren. In Paris hatte Nicéphore Nièpce die grosse Lichtempfindlichkeit des Asphalt (Judenpech) entdeckt. Dieses Erdharz hat die merkwürdige Eigenschaft, dass es, obwohl für gewöhnlich sehr leicht löslich, dem Lichte ausgesetzt unlöslich wird. Überzieht man nun eine Kupferplatte damit und belichtet sie unter einer Zeichnung auf Papier, so wird der Asphalt auf allen Schattenstellen des Bildes löslich, und zwar nur dort; wischt man nun die löslichen Stellen weg und übergiesst die Platte mit Ätzsäure, so werden nur die blossgelegten Stellen angegriffen und es entsteht somit eine druckbare Platte. Man hatte es also bereits eigentlich mit der Heliographie zu thun, die, wie aus Nièpces Hinterlassenschaft hervorgeht, von ihm erkannt, jedoch nicht praktisch geübt worden war.

L. Daguerre * nbsp;1787, † 12. Juli 1851.

Louis Daguerre in Paris hatte mit Nièpce langezeit Versuche gemacht, um auf Silberplatten, die den Dämpfen des schwarzen, leichtflüssigen Jods ausgesetzt wurden, durch kurze Belichtung Bilder hervorzubringen; es wollte dies jedoch nicht recht gelingen. Da führte ein reiner Zufall zu der Entdeckung, dass die auf der Platte hervorgebrachten äusserst schwachen Bilder in dunklem Verschluss durch Quecksilberdämpfe sich kräftig entwickeln. Hiermit war die Daguerreotypie erfunden und wurde dieses Wunder am 19. August 1839 in einer Sitzung der Akademie der Wissenschaften in Paris der Welt verkündet.

Daguerres Verbesserungen ermöglichten es, die Aufnahmezeit von zwanzig Minuten auf eine bis zwei zu verkürzen. Durch die[13] von Professor Petzval in Wien erfundenen und von Voigtländer ausgeführten Portrait-Doppelobjektive wurde die Zeit auf einige Sekunden reduziert, damit kam die Portraitaufnahme in hohen Flor und die Erfindung machte schnell ihre Weltreise.

Die Papierphotographie.

Ein Übelstand war der Spiegelglanz der Platten, welcher den Totaleindruck sehr beeinträchtigte. Die gar zu grosse Treue, mit welcher jede Runzel, jeder Fleck und alles Nebensächliche in voller Stärke wiedergegeben wurde, wirkte ebenfalls störend und eine Retouche war unmöglich. Auch verlangte jedes Exemplar eine neue Sitzung. Die Versuche von Talbot und Nièpce de St. Victor führten nun dazu, erst ein Negativbild auf lichtempfindlichem Papier herzustellen, welches sich leicht fixieren liess, und dann von diesem durch Lichtwirkung wieder ein positives Bild hervorzubringen, welches in einer beliebigen Anzahl von Exemplaren wiederholt und retouchiert werden konnte. Statt des Papieres wurde für den Negativprozess später Glas genommen, welches mit einer mit Jodkalium versetzten Firnislösung überzogen war, bis diese durch Kollodium ersetzt wurde. Hiermit gelangte die Portraitphotographie zu einer enormen Verbreitung. Auch Landschaftsbilder wurden in überraschender Vorzüglichkeit geliefert.

Mit ihren immer grossartigeren Erfolgen dient die Photographie nicht allein der Kunst durch getreueste Wiedergabe ihrer Erzeugnisse, sondern auch den meisten Wissenschaften: der Feldmesskunst, der Astronomie, den Naturwissenschaften und der Medizin; selbst das gerichtliche Verfahren zieht von ihr Nutzen. Viele Zweige der Industrie und des Kunstgewerbes, wie z. B. die Porzellan- und die Glasmanufaktur, haben in ihr eine grosse Förderin.

Photographie und Druckkunst.

Was uns jedoch hier am meisten interessiert und am nächsten liegt, ist die Ausführung des Gedankens, die Photographie in die Reihe der eigentlichen vervielfältigenden Künste einzuführen. Das Verfahren: ein negatives Bild in ein positives umzuändern, nimmt Zeit in Anspruch, und die Silberkopie, deren Haltbarkeit immerhin auch zweifelhaft bleibt, ist zu teuer, wenn es sich um Massenproduktion handelt. Man suchte deswegen nach Auswegen, die in verschiedener Weise gefunden wurden.

Tiefdruckplatten.

Fox Talbot entdeckte im Jahre 1852, dass der, durch eine chromsaure Kali-Leimlösung auf einer Stahlplatte gebildete Überzug[14] im trockenen Zustande eine Schicht bildet, die, vom Lichte getroffen, unlöslich, jedoch, im Dunkeln aufbewahrt, mit Wasser sich auflösen lässt. Er belichtete nun eine solche Schicht unter einer Zeichnung oder einem positiven Glasbilde. Hierdurch wurden die vom Licht getroffenen Stellen der Schicht unlöslich, die durch die dunklen Partien der übergelegten Zeichnung oder Platte geschützten Stellen behielten jedoch ihre Auflöslichkeit. Wurden nun letztere im Dunkeln abgewaschen, so blieben erstere als eine Zeichnung auf bräunlichem Grunde zurück. Diese wurde nun geätzt und so entstand ein vertieftes Bild, wie es für den Stahl- oder Kupferdruck erforderlich ist. Ein anderes Verfahren übte G. Scamoni, ein Deutscher aus Würzburg und Angestellter der Staatsdruckerei in St. Petersburg, aus. Er hatte bemerkt, dass ein photographisches Negativ ein, wennauch sehr schwaches Relief bildet, in welchem die durchsichtigen Stellen (also die Schatten) tief erscheinen, während die undurchsichtigen (die Lichter) hoch sind. Dieses Relief liess sich mittels chemischer Einwirkung durch Niederschläge erhöhen. Hierdurch gewann man ein Relief, fast so hoch, wie eine Kupferdruckplatte tief ist. Über dieses Relief wurde galvanisch eine Tiefplatte niedergeschlagen und man hatte somit eine druckbare Kupferplatte. Durch die Photographie waren beliebige Vergrösserungen oder Verkleinerungen möglich und Scamoni schaffte namentlich in letzterer Weise kleine Wunderwerke, die bei der Wertpapier-Fabrikation unschätzbar sind.

Hochdruckplatten.

Für die Typographie musste jedoch die Herstellung von Hochdruckplatten durch die Photographie noch von unendlich grösserem Werte sein. Gelang es, dieses Problem in wirklich praktischer Weise zu lösen, so war ein unendliches Feld für die Typographie erworben.

Paul Pretzsch.

In dieser Richtung ist namentlich Paul Pretzsch, ein Österreicher, von hoher Bedeutung. Durch Belichtung der mit salpetersaurem Silber, Jodkali und doppeltchromsaurem Kali überzogenen Platte wird in bereits erwähnter Weise das erhabene Bild hergestellt. Nachdem es die genügende Festigkeit erlangt hat, wird eine Guttapercha-Mater darüber gepresst und nun ist es möglich, jenachdem das Bild ein negatives oder positives war, eine Platte für Tief- oder Hochdruck zu bilden. Während indes die vertieften[15] Platten ihren Zweck vollständig erfüllten, waren die Resultate der Hochplatten nicht vollkommen genügend. Die Vertiefungen waren, und das ist die Klippe für alle bisher gemachten Versuche in dieser Richtung, nicht genügend, um zu verhindern, dass die Schwärze in diese drang und den Druck schädigte. Eine Hauptschwierigkeit ist namentlich das Hervorbringen der Halbtöne.

Das Woodbury-Verfahren.

Ein vortreffliches Verfahren zur Herstellung von Tiefdruckplatten ist der nach dem Erfinder genannte Woodburydruck. Nachdem man durch Belichtung in bereits geschilderter Weise ein Gelatinerelief nach einem Negativ auf einer Stahlplatte gebildet hat, wird es mit einer Platte von einem weichen Metall bedeckt. Beide Platten werden dann in einer hydraulischen Presse einem starken Druck ausgesetzt. Hierdurch gewinnt man eine druckbare Platte wie bei dem Naturselbstdruck. Der Drucker arbeitet an einem rotierenden Tisch, auf welchem sechs kleine Pressen, in der Art der Kopierpressen, stehen. Er tröpfelt eine warmgemachte, halb durchsichtige Gelatineschwärze auf die Platte, bedeckt diese mit dem Papier und bringt sie unter die Presse. Bis er mit allen sechs Pressen durch ist, hat sich die Farbe in der ersten zu einem schwachen Relief erhärtet, das in den dünnen Lagen weniger dunkel erscheint, als in den dicken. Bei den in der Dicke abnehmenden Stellen der Platte entsteht ein Übergang vom Dunkleren zum Helleren, gleich den Halbtönen in der Photographie, und somit ein der letzteren in der Wirkung ganz ebenbürtiges, dazu vollständig unveränderliches Bild.

In London übte die Relief Printing Company das Verfahren. In Frankreich wurde es durch Goupil & Co. in Asnières bei Paris und in Deutschland durch Fr. Bruckmann in München zu hoher Vollkommenheit gebracht. Da auch die Herstellung des Bildes auf Glas möglich ist, so lassen sich prächtige Transparentbilder schaffen; auch ist die Verwendung für die Stereoskopie und die Laterna magica von Bedeutung.

Der Lichtdruck.

Verschieden von diesem Verfahren ist der eigentliche Lichtdruck. Die Leimchromatschicht hat die Eigenschaft, dass sie in ihren belichteten Stellen für die fette Farbe empfänglich wird. Überfährt man nun mit einem nassen Schwamm einen belichteten Leimchromatbogen, so saugt er das Wasser nur an den nicht[16] belichteten Stellen auf. Färbt man ihn dann mit fetter Schwärze ein, so bleibt diese nur an den belichteten Stellen haften, und legt man das Papier darauf, so erhält man einen Abdruck in unveränderlicher fetter Farbe. Dieses von Poitevin entdeckte Verfahren ist namentlich von Die Alberttypie.J. Albert in München für die Praxis zur Vollkommenheit gebracht. Albert brachte die Gelatinelösung auf Glas und setzte die Rückseite für einige Augenblicke der Belichtung aus, wodurch die Masse auf das festeste mit dem Glas verbunden wurde. Von der Vorderseite wird die Schicht mit einem Negativ bedeckt und hierdurch die Platte in schon bekannter Weise hergestellt. Zum Druck bedient man sich der Walzen, und eine gut behandelte Platte hält bis zu 1000 Abdrücke aus.

Der photographische Farbendruck.

Die ebenfalls von Albert geübte Farbenphotographie wird durch drei Aufnahmen, die eine durch rotes, die zweite durch blaues, die dritte durch gelbes Glas, auf mit verschiedentlichen Substanzen behandelten Platten erzielt. Alle übrigen Farben erhält Albert durch Übereinanderdrucken dieser drei Platten mit drei Lasurfarben, deren Wahl den reinen Tönen des Sonnenspektrums genau entsprechen muss.

Nächst Albert hat sich besonders Obernetter in München um den Lichtdruck verdient gemacht. Ganz besonders eignet sich dieser für die Wiedergabe von Bleistift- und Kreidezeichnungen. Will man den Lichtdruck an Glanz der Silberphotographie ähnlich machen, so wird er mit Lack überzogen. Mit einander verglichen, hat der Woodburydruck den Vorzug in der Wiedergabe der dunkleren Partien, der Lichtdruck in derjenigen der helleren.

Die Photolithographie.

Die Photolithographie, welche ebenfalls Poitevin ihre Existenz verdankt, hat mit dem Lichtdruck manches gemeinsame, aber auch von diesem wesentliche Verschiedenheiten. Poitevin überzog einen Stein mit der bekannten Lösung und stellte nach dem Negativ ein Chromobild her, das nur in den vom Licht getroffenen Stellen die Farbe annahm. Anfänglich fehlte es an den Halbtönen, die beim Waschen verlorengingen. Asser und Osborne versuchten es mit einem Umdruckverfahren von auf Papier erzeugten Bildern; die Abdrücke blieben jedoch auf Grund der körnigen Beschaffenheit des Steines sehr hinter der Photographie zurück, namentlich in den Mitteltönen, und das Verfahren eignete sich[17] deshalb nicht ganz für die Wiedergabe von Kunstblättern. Die Photozinkographie bietet, da die Zinkplatte dieselben Eigenschaften besitzt wie der lithographische Stein, nichts Eigentümliches.

Kartographie.

Für die Kartographie hat die Photolithographie eine ganz besondere Wichtigkeit auf Grund der Schnelligkeit in der Herstellung und der Leichtigkeit, die Originale zu vergrössern oder zu verkleinern. Eine nützliche Bereicherung der Kartographie wurde ebenfalls durch die Photolithographie möglich, indem man erst Reliefkarten in Gips herstellte und diese photographierte resp. photolithographierte. Die in dieser Weise hergestellten Karten wirkten wie Reliefs.

DIE ZINKOGRAPHIE.

Die ersten Hochdruckplatten.

So höchst wertvoll alle diese Verfahren für das Buchgewerbe waren, so war damit doch die Hauptaufgabe, Hochdruckplatten zu gewinnen, die sich auf der Buchdruckpresse mit Text zusammen leicht drucken lassen, noch nicht ganz erreicht. Es sollte dies in anderer Weise gelingen.

Wenn der lithographische Stein geätzt wird, so ist das darauf zurückbleibende Bild in gewisser Beziehung ein erhabenes, jedoch ist diese Erhabenheit nicht genügend für den Druck auf der Buchdruckerpresse und da in dieser das Feuchten des Steines ausserdem nicht thunlich, würde der Stein sich vollschmieren. Es wurden deshalb viele Versuche gemacht, durch weitere, stärkere Ätzung dem Bilde die genügende Höhe zu geben. Bereits Senefelder hatte solche angestellt. Schon vor Ablauf des XVIII. Jahrhunderts brachten Duplat und Susemihl aus Darmstadt in Paris recht gelungene Hochätzungen in Stein sowohl, als in Metall zustande. Duplat gab in dieser Weise 1812 Lafontaines Fabeln und Gessners Idyllen heraus. 1826 druckte der Kupferstecher W. Erhard eine Broschüre über die Hochätzung; 1827 nahmen Didot und Motte ein Patent, ihr Verfahren kam jedoch nicht zur Ausführung. 1832 hatte Bauckeller Hochätzungen geliefert. 1834 wurde der Metallhochschnitt von A. Dembour in Metz geübt, der 1835 sein Verfahren, Ektypographie, in einer Broschüre schilderte. Dasselbe war schon in Deutschland bekannt und in einem Werke, „Das Thierreich“ von Dr. J. J. Kaupp, verwendet. Lithographischen Hochdruck brachte Jul. Baumgärtner in Leipzig zur Ausführung[18] und nannte ihn seine Erfindung, worüber sich ein heftiger Federkrieg entspann, denn die Kunst war schon vor mehreren Jahren von Girardet in Paris geübt, der damit einen Preis von 2000 Franken gewann. Es scheint jedoch, als habe Baumgärtner in gutem Glauben gehandelt. Alle diese Versuche, sowie die bereits oben erwähnten von Pretzsch und anderen mit erhabenen Kupferplatten, hatten jedoch keinen rechten Erfolg und die Praxis ergab so viele Misstände, dass dem grossen Betrieb nicht mit dem Verfahren geholfen war.

Schliesslich wurden in der Chemitypie und der Zinkhochätzung zwei Verfahren erfunden, die, wenn sie auch in vielen Fällen den Holzschnitt nicht ersetzen können, in anderen wieder vor letzterem Vorzüge und neben demselben jedenfalls eine grosse Zukunft haben.

Die Chemitypie.

Die beiden Verfahren werden oft als identisch betrachtet, sie sind es jedoch nicht. Bei der Chemitypie, von dem Dänen C. Piil erfunden und in Leipzig zur Ausführung gebracht, wird eine Zinkplatte zuerst mit Deckgrund überzogen und dann die Zeichnung mit der Nadel gemacht und tiefergeätzt. Die vertiefte Zeichnung wird mit einem leicht flüssigen Metall ausgegossen und mit der Oberfläche der Zinkplatte, von welcher der Deckgrund entfernt wurde, gleichgeschabt oder -geschliffen. Hierauf wird die ganze Platte einer Ätzung unterworfen, welche nur den blossliegenden Zink angreift, aber nicht das hineingegossene Metall, so dass das Bild nach der Ätzung erhaben dasteht und nun eine für die Buchdruckerpresse verwendbare Platte bildet. Dieses Verfahren hat namentlich für die Kartographie eine ganz ausserordentliche Bedeutung und ermöglicht, unter Zuhülfenahme der Mehrfarbenmaschine, geographische Kartenwerke zu unglaublich billigen Preisen zu liefern.

Die Zinkhochätzung.

Die Zinkhochätzung eignet sich mehr für Feder- und Kreidezeichnungen. Auf die Zinkplatte lässt sich, wie auf lithographischen Stein, mit präparierter Kreide oder fetter Tusche leicht zeichnen oder malen. Bringt man nun eine solche Zeichnung auf eine Zinkplatte oder überträgt man den mit fetter Farbe gemachten Abzug einer bereits vorhandenen Zeichnung, eines Holzschnittes, einer Lithographie oder eines Kupferstiches u. dgl. und ätzt die Platte, so wird nur die blossliegende Oberfläche des Metalls angegriffen und[19] die Zeichnung bleibt, wie bei der Lithographie, stehen und tritt bei fortgesetzter Ätzung so weit hervor, dass sie sich auf der Buchdruckerpresse drucken lässt.

Vorzüge und Mängel der Hochätzung.

Als das Hochätzungsverfahren aufkam, gab es Enthusiasten genug, welche meinten, dass es von nun ab mit dem Holzschnitt vorbei sei. Andererseits fehlte es nicht an warnenden Stimmen prinzipieller Gegner des Verfahrens, die von demselben nichts wissen wollten, weil es weder den Kupferstich, noch die Radierung oder den Holzschnitt vollständig ersetzen könne. Wäre die Rede davon, zwischen Xylographie und Hochätzung wählen und eine davon ganz fallenlassen zu müssen, so würde die Entscheidung kaum eine schwierige sein. Jedoch eine solche Entscheidung ist ja nicht zu treffen. Fehlt auch der Hochätzung der volle, satte Ton und die weiche Modulation des Holzschnittdruckes, so bleibt doch für sie ein sehr reiches Feld der Illustration übrig, auf welches der Holzschnitt zumteil gar nicht folgen kann. Wo es sich in erster Linie um das nützliche handelt, in Mustervorlagen aller Art, in Schriftarbeiten, Karten, in technischen und mathematischen Figuren, selbst in solchen künstlerischen Nachbildungen, die in Umrissen oder ohne bedeutende Tonabstufungen gehalten sind, wird die Hochätzung auf Grund der Billigkeit und der Schnelligkeit sehr oft den Vorzug Vergleich mit dem Holzschnitt.verdienen. Aber kein Verfahren wird der durch vier Jahrhunderte bewährten Xylographie den Vorrang im allgemeinen streitig machen können. Neben den leichten, rasch verschwindenden Arbeiten werden die Schöpfungen der xylographischen Künstler und die Prachtwerke bleiben. Kein anderes Verfahren giebt dasselbe Kolorit, die Klarheit und Mannigfaltigkeit in der Abstufung der Töne, die Milde mit Kraft gepaart, wie der Holzschnitt. Kein Verfahren ist imstande, bei guter Ausführung die Zeichnung des Meisters in seinem Charakter so treu wiederzugeben; keins hat die Fähigkeit, den Mängeln einer weniger guten Zeichnung so geschickt abzuhelfen. So wenig die Zahl der Bücher sich durch die Zeitungen vermindert, so wenig werden die xylographischen Kunstwerke durch Zeitungsillustrationen in den Hintergrund gedrängt werden. Wenn Zeit und Kosten nicht zu scheuen sind, wird man immer zum Holzschnitt greifen.

Die Hochätzung und die Tagespresse.

In einer Beziehung wird aber die Hochätzung die Illustrationsmethode der Zukunft werden, nämlich, sobald die Frage der[20] illustrierten Tagesblätter ernstlich auf die Tagesordnung gestellt wird. Da schlagen die Schnelligkeit der Hochätzung und ihre Billigkeit, wenn sie inzwischen nicht durch neue Erfindungen verdrängt wird, durch. Eine in geeigneter Weise vom Zeichner behandelte Skizze, die z. B. zeitig am Nachmittage der Offizin einer illustrierten Zeitung übergeben wird, kann noch abends umgezeichnet und in eine druckbare Platte verwandelt gegen Mitternacht in der Presse sein, um dann, mit einer Schnelligkeit von 10–12000 Exemplaren in der Stunde auf der Rotationsmaschine gedruckt, in den Frühstunden in den Händen des Publikums zu sein. Zugegeben auch, dass augenblicklich eine Stunde oder zwei noch zugelegt werden müssten, so ist das Erwähnte im grossen und ganzen kein Phantasiebild und die Möglichkeit vorhanden, innerhalb der kürzesten Zeit eine Illustration für ein Tageblatt herzustellen. Allerdings müssen dann die Zeichnungen auch der Reproduktionsweise angepasst sein, es muss sozusagen eine Art Stenographie der zeichnenden Kunst entstehen. Eine besondere Ausbildung wird notwendig dazu sein, Zeichner für ein Tageblatt zu werden. Die Akademiker werden vielleicht die Nase rümpfen über einen solchen „Spezial-Artisten“, wie der Gelehrte über „unsern eignen Korrespondenten“. Die Kunst wird für diese Richtung ein Kunstgewerbe werden. Aber es entstehen wichtige, lohnende und ehrenvolle Stellungen für talentvolle Jünglinge, von denen viele als Akademiker verkümmern würden. Das wirkliche Genie wird jedoch durch dieses künstlerische Reportertum ebensowenig zugrunde gehen, wie z. B. Charles Dickens durch seine Reporterwirksamkeit verhindert wurde, ein Dichter ersten Ranges zu werden.

Die Reproduktionsweisen sind da, es darf den Künstlern nicht nachgesagt werden, dass die Räder der Presse ihnen zu schnell gehen, dass die Chemie und die Sonnenstrahlen sich zu zeitig zu ihrer Disposition gestellt hätten.

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ERSTES BUCH.

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DIE ANGLO-AMERIKANISCHE GRUPPE.


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EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH.

Die englische Presse.
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ENN die Presse in dem Zeitabschnitt von der dritten bis zur vierten Jubelfeier der Buchdruckerkunst einen derartigen Aufschwung nahm, dass man ihr einen Platz unter den Grossmächten einräumte, so hat man dies ganz besonders England zu verdanken. Nirgends hat man, nachdem schon frühzeitig der schwere, jedoch erfolgreiche Befreiungskampf der Presse gegen ihre Feinde geführt war, es in gleichem Masse verstanden, die Unabhängigkeit derselben von aller Despotie von oben und unten zu schützen, wie dort. Nirgends ist der Einfluss der Presse auf die öffentliche Meinung ein grösserer und wohlthätigerer gewesen; nirgends ist sie in gleicher Weise von dem Vertrauen des Publikums getragen worden, und nirgends hat sie sich eines solchen Vertrauens durch ihre Festigkeit und ihr Fernhalten von unreinen Tendenzen würdiger gezeigt, als in England. Kein Volk war so, wie das englische, von dem Bewusstsein durchdrungen, welch ein Palladium es in seiner freien Presse besass, ein Bewusstsein, welchem der bekannte Staatsmann und Dichter Sheridan in den stolzen Worten Ausdruck verlieh: „Gebt mir meinetwegen einen Tyrannen zum König, ein widerhaariges Oberhaus und ein demoralisiertes Unterhaus,[24] lasst mir aber die Presse und ich will sie alle über den Haufen werfen“.

Verdienste der Engländer.

Kein Wunder, dass die Engländer, als einmal dies Bewusstsein von der Wichtigkeit der Presse bei ihnen Wurzel gefasst hatte, nun auch vor allen anderen Völkern es sich angelegen sein liessen, der Buchdruckerkunst ihre Teilnahme zu bekunden und sie derartig auszubilden, dass sie die ihr zu teil gewordene grosse Aufgabe auch vollständig zu erfüllen imstande war. Während in dem XVI. Jahrhundert druckende und zeichnende Kunst in so glänzender Weise auf dem Kontinente sich verbunden hatten, leisteten die Engländer auch nicht annähernd das, was Deutschland, Italien, Frankreich oder selbst die Niederlande schafften. Als jedoch mit dem XIX. Jahrhundert die Aufgaben der Presse für das politische und praktische Leben immer grössere Dimensionen annahmen, da waren es die Engländer, die mit dem ihnen innewohnenden praktischen Sinn, verbunden mit ihrer Energie, allen anderen voran ihr Augenmerk auf die technische Vervollkommnung der Kunst richteten, so dass von nun an der Schwerpunkt der typographischen Geschichte mehr in der Geschichte der mechanischen Erfindungen als in der der ausübenden Buchdrucker liegt.

Und da werden wir sehen, wie fast alle Verbesserungen und weitgehenden Reformen in der Technik der Druckkunst, der Schriftgiesserei, der Xylographie, der Farbenfabrikation, der Stereotypie und des Pressenbaues aus England stammen. Ja, selbst die rasche Einführung der deutschen, alle anderen weit hinter sich lassenden Erfindung der Schnellpresse haben wir, nach des Erfinders eigenen Worten, nur England zu verdanken, nicht minder die Dienstbarmachung des Dampfes für die Zwecke der Typographie.

Nordamerika.

Nordamerika gebührt der Ruhm, neben dem Mutterlande sehr vieles zur Vervollkommnung des typographischen Apparats beigetragen zu haben. Hinsichtlich des Pressenbaues, der Stereotypie und der Schriftgiesserei zahlte es seine typographische Schuld mit Zins vom Zins an das Mutterland redlich zurück, und nicht selten hatten die Erfindungen, welche in letzterem geschäftlich ausgebeutet wurden, ihre Heimat jenseit des Ozeans, nicht selten wurden auch wieder englische Erfindungen dort der Vollkommenheit nähergebracht.

[25]

Somit ist die typographische Geschichte Amerikas mit derjenigen Englands so eng verknüpft, dass beide sich nicht von einander trennen lassen, und wollen wir nicht Gefahr laufen, in der Erzählung vorzugreifen und Anachronismen zu begehen, so müssen wir den neuesten Abschnitt der Geschichte mit der anglo-amerikanischen Gruppe beginnen; lässt es sich doch nicht einmal umgehen, die Anfänge der Erfindung Fr. Königs in dem dieser Gruppe gewidmeten Kapitel zu behandeln.

Die Typographie Englands.

Betrachten wir die Erscheinungen der Typographie der Anglo-amerikanischen Gruppe und zunächst die Englands genauer, so finden wir, dass diese denselben Charakter der Solidität an sich tragen, der überhaupt den englischen Fabrikaten eigen ist. Kein Land hat in der Typographie der Mode geringere Konzessionen gemacht, als England. Es behielt seine breiten, etwas plumpen, aber sehr leserlichen Schriften bei und war selbst im Accidenzfache mit der Verwendung aller der unzähligen Zierschriften, die man gemeiniglich in Deutschland für nötig hielt, äusserst sparsam. Kann man auch nicht behaupten, dass sich in allen englischen Arbeiten ein geläuterter Geschmack kundgiebt, so bringen doch, selbst wo dieser fehlen sollte, in der Regel die Vorzüglichkeit des Materials, die Einfachheit, die Sauberkeit und die Korrektheit einen so befriedigenden Gesamteindruck hervor, dass man nicht zum Reflektieren über einen etwaigen Verstoss gegen den feinen Geschmack kommt.

Dass England in Indien, Ost-Asien und Australien seinen typographischen Einfluss geltend gemacht hat, versteht sich von selbst, ebenso, dass wir nicht berechtigt sind, aus diesen Erdteilen jetzt schon Erzeugnisse, die einen ganz besonderen typographischen Wert besitzen, zu verlangen, überall zeigt sich jedoch ein sehr rüstiges Vorwärtsschreiten, an welchem selbst der äusserste Vorposten der Kultur, Japan, sich eifrigst beteiligt.

Die Typographie Amerikas.

Die Typographie Nordamerikas kann keineswegs als blosser Abklatsch von derjenigen Englands betrachtet werden; sie hat sich vielmehr ihre eigenen Wege gebahnt.

In der Mannigfaltigkeit der Schriften wetteifert Amerika mit Deutschland, und es findet auch ein reger Verkehr der deutschen und amerikanischen Schriftgiessereien statt, der sich hauptsächlich auf Tausch von Matrizen gründet. Überhaupt geht ein gewisser[26] germanischer Duktus durch die amerikanische Typographie; man liebt nicht die presbyterianische Einfachheit des englischen Werkdruckes, und ein in Deutschland mit Antiquaschrift gedrucktes Buch ähnelt viel mehr einem amerikanischen, als einem englischen oder französischen Presserzeugnis.

Xylographie.

Fassen wir auch die englische Xylographie, welche in dieser Periode einen enormen Aufschwung nahm, ins Auge[3].

Wie das gedruckte Wort den Gedanken eines Autors nicht in allgemeinen Grundzügen, sondern Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe, wie er niedergeschrieben wurde, wiedergeben soll, so ist es auch die eigentliche Aufgabe des Holzschneiders, jeden Strich wiederzugeben, wie der Zeichner ihn auf dem Holze gezeichnet hat. Eine andere Aufgabe hat der Kupferstecher. Ihm liegt ein in Farben ausgeführtes Bild oder eine Zeichnung vor, die in einer ganz anderen Manier behandelt ist, als die, in welcher er seinen Stich zu geben hat. Der Stecher hat seine ganz selbständige Technik. Ist er auch nicht mit dem Autor eines Dichterwerkes zu vergleichen, so doch mit einem poetisch begabten Übersetzer, dem es nicht gelingen würde, das Gedicht im Geist des Originals wiederzugeben, wenn er nicht selbst von dem Geiste beider Sprachen, der des Originals sowohl als der der Übersetzung, durchdrungen ist. Wenn deshalb der Stecher mit wenigen Ausnahmen auch dem Urheber des Bildes nachsteht, so steht er, wenn er ein Meister seiner Kunst ist, doch auf einer höheren Kunststufe als der Holzschneider, dessen erste Eigenschaft grösste Gewissenhaftigkeit ist.

Eigentümlichkeiten der engl. Schule.

So sollte es immer sein; in der Praxis stellt sich jedoch die Sache nicht selten anders. Denn wie es Autoren giebt, deren Gedanken wohl korrekt und verständlich sind, die aber dennoch keinen schönen Stil besitzen, so geht es oft mit dem Zeichner, der für den Holzschnitt arbeitet. Manchmal würde der Holzschneider dem Zeichner keinen Gefallen erweisen, wenn er genau so schneiden würde, wie letzterer zeichnete. Oft begnügt sich der Zeichner sogar mit einer estompierten[27] Skizze, wo dann dem Holzschneider die gleiche Aufgabe obliegt, wie sie dem Kupferstecher zufällt, wenn dieser die Zeichnung in die Stichmanier zu übertragen hat. Und hiermit kommen wir auf die nationalen Eigentümlichkeiten der englischen Holzschnitte. In diesen ist der Tonschnitt ganz vorherrschend; für den englischen Holzschneider existieren kaum Konturen, viel weniger innere Linien. Nachdem er sich den Ton roh vorgeschnitten hat, verfährt er ganz selbständig. Ton wird auf Ton gelegt, ohne Scheidung durch Konturen. Er gewinnt in dem Technischen eine grosse Fertigkeit und kann unter Umständen, wenn er seine Sache versteht, aus einer schlechten Zeichnung einen anziehenden Schnitt zuwege bringen; er kann aber auch auf das gründlichste eine schöne Zeichnung verderben, die vom Künstler darauf berechnet war, in jedem Strich ihre Geltung zu behalten. Zeichnungen nun nach einer Richtung, wie die Jos. Führichs, oder, nach einer entgegengesetzten, wie die Ad. Menzels würden, auf englische Manier behandelt, vollständig charakterlos werden.

Im Landschaftlichen, wo alles auf die Farbe und den Ton ankommt, wird der Engländer Meister sein; in Figuren, überhaupt überall, wo das Hauptgewicht auf die charakteristische Linie und den individuellen Ausdruck des Künstlers fällt, wird er in der Regel zurückbleiben. Das alles ist bei der Beurteilung der englischen xylographischen Werke ins Auge zu fassen.


Die Quellen.

Zusammenhängende Darstellungen der neueren Geschichte der Buchdruckerkunst, die als Stützpunkte für die folgende Schilderung sowohl der anglo-amerikanischen Gruppe als der beiden anderen Gruppen dienen könnten, besitzen wir nicht. Selbst die Werke bekannter Autoren, als Falkenstein, Didot, Dupont u. a., die sich als Geschichten der Buchdruckerkunst im allgemeinen betiteln, begnügen sich, was die bei ihrem Erscheinen „Neue“ Geschichte betrifft, hauptsächlich mit Aufzählen einer Reihe von Namen, auch ist eine lange Zeit seit ihrer Veröffentlichung verflossen. Somit waren wir hauptsächlich auf ein Zusammensuchen der, sich oft vollständig widersprechenden Nachrichten aus technischen und anderen Zeitschr356iften; auf die nicht selten sehr stark gefärbten und übertreibenden[28] Ausstellungsberichte; auf die technischen Lehrbücher einzelner Branchen oder Memoiren über einzelne Erfindungen; auf Nekrologe, Denkschriften u. dgl. und schliesslich auf die eigenen Wahrnehmungen angewiesen. Zwar ist die Fachzeitschriften-Litteratur eine ausnehmend reiche, sie hat jedoch mit der einzigen Ausnahme des „Journals für Buchdruckerkunst“ erst seit den siebenziger Jahren eine eigentliche Bedeutung[4]. Diejenigen, welche für die Geschichtschreibung im allgemeinen die grösste Ausbeute geben, finden erst am Schluss des Bandes Erwähnung, um sie nicht bei jedem Abschnitt zu wiederholen. Dasselbe ist der Fall mit der grossen Anzahl von offiziellen Berichten, zu welchen die Weltausstellungen in London 1851 und 1862; in Paris 1855, 1867, 1878; in Wien 1873, und in Philadelphia 1876 Veranlassung gaben.

Die Quellen für spezielle Fälle sind, wie im ersten Teil, jedesmal an der betreffenden Stelle angegeben.

Fußnoten:

[1] Die wichtigeren Erscheinungen der einschlägigen reichen Litteratur sind am Schlusse des Bandes zu finden.

[2] A. Senefelder, Vollständiges Lehrbuch der Steindruckerey. Mit einer Vorrede von Fr. v. Schlichtegroll. München 1818.

[3] J. Jacksons und W. A. Chattos: A treatise on wood engraving enthält in der zweiten Ausgabe von 1839 ein Zusatz-Kapitel: Artists and engravers on wood of the present day von Henry G. Bohn. Dasselbe giebt eine grosse Auswahl von Proben der Kunst neuerer englischer Zeichner und Holzschneider, jedoch ohne Charakteristik derselben und ohne kritische Würdigung der Leistungen.

[4] L. Mohr in Strassburg, der sich um die typographische Litteratur und die Bereicherung der Bibliothek des deutschen Buchhändler-Vereins vielfach verdient gemacht hat, lieferte, unterstützt von W. Blades in London, Chr. Huber in Paris und John Faehr in Cincinnati, in den „Annalen der Typographie“, IX. Bd. Nr. 432 und 433, ein Verzeichnis der Erscheinungen der periodischen Fachpresse älterer und neuerer Zeit. Ein Separat-Abdruck erschien 1879 in Strassburg.

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I. KAPITEL.

SCHRIFTGIESSEREI UND SETZMASCHINEN
DER ANGLO-AMERIKANISCHEN GRUPPE.

Die Schriftgiesserei: W. Caslon II., J. Jackson, D. Bruce, Mac Kellar, Smiths & Jordan u. a. Die Holztypen. Der Blindendruck. Lord Stanhopes Stereotypie. Die Giessmaschine: Nicholson, Elihu White, D. & G. Bruce, Johnson und Atkinson, Westcotts Giessmaschine. Die Setzmaschine, frühere Versuche: T. Alden, W. Mitchell, A. Fraser u. a. Hattersley, Kastenbein, Mackie. Der Matrix compositor und ähnliche Apparate.

W. Caslon II. † 17. Aug. 1778.
W

ILLIAM Caslon dem ältern, dem Begründer der Selbständigkeit der englischen Schriftgiesserei, folgte in rühmlicher Weise der schon 1742 als Teilnehmer in das väterliche Geschäft aufgenommene Sohn William Caslon ii. Dieser hinterliess als Witwe Elisabeth Cartlich und zwei Söhne William iii. und Heinrich i., welcher letztere 1788 starb, während William 1793 aus dem Geschäft trat. Die Frau Heinrichs, Elisabeth Row, führte für ihren und ihres Sohnes Heinrich ii. Anteil das Geschäft bis 1795 in Verbindung mit ihrer Schwiegermutter fort, nach deren Tode allein. Trotz ihrer schwachen Gesundheit entwickelte sie eine grosse Umsicht. Als sie jedoch merkte, dass trotz aller Anstrengungen das Renommé des Hauses etwas hinter dem jüngerer Firmen zurückblieb, liess sie, unter Mitwirkung eines tüchtigen Künstlers, John Isaack Drury, sämtliche Schriften neu schneiden und nahm Nathanael Catherwood zum Associé, der auch allen von ihm gehegten Erwartungen entsprach.[30] Später associierte sich Heinrich Caslon zuerst mit Jacob James Catherwood, seit 1821 mit Martin William Livermore. Sie führten eine neue Schreibschrift ein nach dem System des Franzosen Boileau.

Jos. Jackson * 4. Septbr. 1733, † 14. Jan. 1792.

Bei William Caslon II. hatte Joseph Jackson gelernt. Das Verfahren bei der Herstellung der Stempel wurde sehr geheimgehalten und Caslon verschloss letztere mit grosser Vorsicht, wenn er nicht daran arbeitete. Jackson bohrte nun, um die Arbeit Caslons zu beobachten, ein Loch durch die Wand und sein Vorhaben gelang ihm auch auf diese Weise, von deren nicht ehrenhafter Natur er wohl kaum das volle Verständnis hatte, denn mit grossem Stolz zeigte er dem Meister seine Arbeit, erhielt jedoch eine sehr strenge Zurechtweisung. Seine Mutter kaufte ihm nun das nötige Handwerkzeug und er benutzte jeden freien Augenblick, um zuhause zu arbeiten. Nach vollendeter Lehrzeit blieb er bei Caslon, bis er, weil Teilnehmer an einer Lohnbewegung, zugleich mit seinem Freunde Thomas Cotterell den Abschied erhielt. Jackson ging zur See und arbeitete dann bei Cotterell, der ein tüchtiger Schriftgiesser geworden war, und versuchte später selbst sein Glück. 1790 wurde seine Giesserei durch Feuer zerstört, ein Schlag, von dem er sich körperlich und geistig nicht erholen konnte. Unter seinen vielen vortrefflichen Schriften sind besonders hervorzuheben die Facsimile-Type der Schrift des Doomsday Book, seine alexandrinisch-griechische Schrift, sowie die Schrift zu der von Th. Bensley ausgeführten berühmten Bibel von Maclin, die jedoch in einer späteren Ausgabe durch Schriften von V. Figgins ersetzt wurde.

W. Caslon III.

Bei Jacksons Tode kaufte der aus dem väterlichen Geschäft ausgetretene William Caslon iii. dessen Schriften. Die Giesserei wurde sehr erweitert und namentlich mit schönen Ornamenten vervollständigt. Das Probebuch von 1785 war das schönste aller bis jetzt erschienenen. Caslon übergab, nachdem er noch glücklich von einer längere Zeit andauernden Blindheit geheilt war, das Geschäft an seinen Sohn William iv., der es 1819 an Blake, Garnett & Co. (jetzt Blake, Stephenson & Co.) verkaufte.

V. Figgins.

Von Bedeutung war der eben erwähnte Vincent Figgins. Er hatte bei Jackson gelernt und blieb bei ihm bis zu dessen Tode. So gern er es gewollt, konnte er doch nicht mit Caslon beim Ankauf des Geschäftes konkurrieren. Von Joh. Nichols kräftig unterstützt[31] ward es ihm jedoch möglich, sich selbständig zu machen. Er schnitt manche schöne, zumteil seltene Schriften. Das Geschäft besteht noch unter der Firma V. & J. Figgins und arbeitet mit 70 durch Dampf getriebenen Giessmaschinen. Dass die Offizin imstande war, einer am Sonnabend vollständig abgebrannten Zeitungsdruckerei am folgenden Dienstag das Weiterarbeiten mit 40 Setzern möglich zu machen, mag als Probe der Leistungsfähigkeit einer modernen Schriftgiesserei dienen. Auch William Martin, der von Bulmer gestützt wurde, lieferte Vorzügliches.

A. Wilson * 1714.

Als Schöpfer der schottischen Schriftgiesserei wurde bereits Alexander Wilson erwähnt (I, S. 266). Er war in St. Andrews geboren, hatte viel Sinn für Mechanik und Astronomie, kam jedoch 1737 nach London in eine Droguenhandlung. Durch Zufall sah er eine Schriftgiesserei und fasste sofort den Gedanken, die Herstellung der Schriften in einfacherer Weise als bisher herbeizuführen. Zu diesem Zwecke verband er sich mit seinem Freunde Baine. Der Aufenthalt in London wurde ihnen jedoch zu teuer und sie zogen nach St. Andrews. Mit der Erfindung kam es nicht recht vorwärts, deshalb schritten die Besitzer, ohne dass sie die eigentlichen Kenntnisse dazu besassen, 1742 zur Einrichtung einer Schriftgiesserei in üblicher Weise. Die schottischen Buchdrucker, die hauptsächlich in Edinburgh etabliert waren, sahen gern die neue Giesserei entstehen, und unterstützten sie, da die Verbindung mit London noch schwierig war. Als Wilson & Baine, um mit dem grossen Verkehr, namentlich mit Amerika und Irland, leichtere Fühlung zu behalten, nach dem Dorfe Camlachie bei Glasgow gezogen waren, beschlossen sie 1747, dass einer von ihnen nach Irland gehen sollte; wer? das sollte durchs Los entschieden werden. Dieses traf Baine. Zwei Jahre später wurde die Verbindung ganz gelöst.

Wilson stand in engem Verkehr mit der Universität Glasgow und schnitt für diese in uneigennütziger Weise griechische Schriften, für welche er grosses Lob erntete. 1760 wurde er von der Universität mit dem Professorat in der praktischen Astronomie beehrt und die Schriftgiesserei nun von seinen beiden ältesten Söhnen fortgesetzt. Auf Grund der billigeren Löhne und Materialien konnten sie sogar in London mit den dortigen Giessereien konkurrieren. Ein anderer tüchtiger schottischer Giesser war Millar in Edinburgh.

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Ph. Rusher.

Ungefähr gleichzeitig mit Lord Stanhopes Auftreten erhielt (1802) Philipp Rusher in Banbury, Oxfordshire, ein Patent für verschiedene Veränderungen und Verbesserungen in der Form der Typen, welche die Kosten und die Arbeit beim Setzen verringern und die Schönheit und Gleichmässigkeit des Satzes vermehren sollten. Rusher druckte mit diesen Typen den Rasselas, lieferte jedoch damit alles eher, als den Beweis für die obengenannten Eigenschaften der neuen Schrift.

Millar, Besley u. a.

Von englischen Schriftgiessern sind ferner zu erwähnen: Rob. Besley & Co. (später Reed & Fox), Müller & Richard u. a.[5]. Durch orientalische Schriften sind bekannt: Edm. Fry, W. M. Watts, Gilbert & Rivington und die Giesserei der Clarendon-Press in Oxford. Grossen Beifall gewannen die von Thorowgood in London eingeführten Schreibschriften. Sie konnten wegen der Leichtigkeit des Setzens, da jeder der 190 Charaktere wie in der Cursivschrift selbständig ist, sich neben den kunstvolleren, aber schwer zu behandelnden Schreibschriften Didots behaupten. Als die Renaissanceschriften in Frankreich aufkamen, den Spruch bewahrheitend: Il n'y a de nouveau en ce monde, que ce qui est vieux, veranstaltete der Buchdrucker Whittingham bei Caslon einen Neuschnitt der 1716 hergestellten Elzevier-Antiqua, jedoch mit etwas breiteren und runderen Buchstaben. Diese Mediæval gefiel ganz ausserordentlich und hiermit war der Weg für die Renaissance eröffnet, die selbstverständlich in England starke Verbreitung fand; jedoch hielt man sich von Übertreibungen, so wie auch von Ausschreitungen in den Titel- und Zierschriften ziemlich frei[6].

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Schriftgiesserei in Amerika.

In Amerika lagen die Verhältnisse anders als in England. Man hatte mit keiner Tradition, mit keinem bereits ausgeprägten Geschmack oder früherer Gewohnheit zu rechnen, man nahm das Gute, wo es sich darbot, und erfand nach Herzenslust, wo etwas fehlte. In Ermangelung einer nationalen Litteratur hatte die Werkdruckerei noch keine grosse Bedeutung, man war auf billige Nachdrucke englischer Werke angewiesen. Die Anstrengungen der amerikanischen Giessereien richteten sich deshalb vornehmlich auf die Befriedigung der Bedürfnisse der Zeitungs- und Accidenzdruckereien. Um vielen Stoff in den Zeitungen zu häufen, und viele Zeilen auf die Spalte zu bringen, war es notwendig, möglichst kleine Schriftkegel zu wählen, dafür jedoch das Bild der Buchstaben so gross, wie es der Kegel nur zuliess, zu schneiden, wozu es erforderlich war, die herauf- und heruntersteigenden Buchstaben und die Versalien möglichst kurz zu halten. In solchen Schriften wurde Vorzügliches geschnitten und in vortrefflichem Metall gegossen.

In jüngster Zeit erreichte die Zahl der Accidenzschriften eine beträchtliche Höhe. Ausgezeichnet sind namentlich die Schreibschriften. In Titelschriften wurde vieles Gute unter vielem Unnützen produziert[7]. Einfassungen in allen möglichen Geschmacks- oder Ungeschmacks-Richtungen, sogar in japanischem oder chinesischem Stil, vertragen sich brüderlich mit den Antik- und Renaissance-Ornamenten.

Trotz der sehr bedeutenden Produktion ist die Zahl der massgebenden Giessereien eine beschränkte (32). Die grossen Schriftgiessereien liessen die kleineren mit Originalproduktionen nicht aufkommen, gewährten ihnen dagegen einen so hohen Rabatt, dass die Kleineren ihren Vorteil dabei fanden, die Schriften der Grossen in ihre Proben aufzunehmen und als eigene Arbeit zu verkaufen. Dem typographischen Publikum entgingen zwar hierdurch die aus einer lebhaften Konkurrenz entstehenden Vorteile, es stand sich jedoch nicht schlecht dabei, indem die grossen Giessereien, um ihren Platz auszufüllen, sehr bedeutende Anstrengungen machten.

Um das Jahr 1800 existierte in den Vereinigten Staaten nur die eine Giesserei von Binney & Rolandson in Philadelphia, die durch[34] Franklins Unterstützung gute Giessinstrumente aus Frankreich erhielt und diese noch verbesserte.

David Bruce * 12. Novb. 1770, † 15. März 1857.

Eine der ältesten und bedeutendsten Giessereien ist die von David Bruce, einem Schottländer, gegründete. Nachdem dieser in Edinburgh die Buchdruckerei gelernt hatte, siedelte er 1793 nach Amerika über und begann 1806 im Verein mit seinem jüngeren Bruder George Bruce (geb. 1781) eine Buchdruckerei. Die Wichtigkeit der Stereotypie hatte er ganz begriffen und ging deshalb 1812 nach London, um unter den Auspicien des Lord Stanhope die Stereotypie aus dem Fundament zu erlernen. Das Vorhaben gelang jedoch nicht ganz, so dass er noch den Weg der eigenen Erfahrungen einschlagen musste. Er lieferte die erste in Amerika stereotypierte Bibel und widmete sich nun ausschliesslich der Schriftgiesserei und der Stereotypie. Im Jahre 1822 zog er sich aus dem Geschäft zurück, welches sein Sohn David ii. sehr in die Höhe brachte. Die grosse Schriftprobe des letzteren aus dem Jahre 1869, bis auf den heutigen Tag durch achtzehn Supplemente vervollständigt, bietet eine unermessliche Auswahl von Schriften jeder Art[8].

James Conner * 22. Aug. 1798, † 10. Mai 1861.
Th. Mac Kellar.

Als Schriftgiesser waren ebenfalls bedeutend James Conner, dessen Sohn gleichen Namens zuerst galvanische Matern lieferte, und Mac Kellar, Smiths & Jordan. Der Teilhaber letzterer Firma, Thomas Mac Kellar, war Verfasser eines sehr guten Handbuches der Typographie: The American Printer und Herausgeber des Typographical Advertiser, ein Blatt, welches zwar zunächst den Interessen der Firma dient, jedoch manches allgemein Beachtenswerte bringt. Ähnliche Blätter werden von fast allen grossen amerikanischen Giessereien herausgegeben, sie verbreiten zugleich[35] mit den Proben der neuen Leistungen ihrer Geschäfte mancherlei nützliche Kenntnisse[9].

George Guess.

Eine merkwürdige Erscheinung des amerikanischen Schriftenwesens ist das Cherokee-Alphabet des Indianers Sequoyah oder George Guess. Durch Umgang mit Weissen kam er erst auf eine Bilder-, dann auf eine Silbenschrift mit 68 Schriftzeichen, für welche er sich zumteil der Formen der lateinischen Buchstaben bediente, ohne jedoch von dem sprachlichen Wert derselben eine Vorstellung zu haben. Er vollendete seine Arbeit, für welche ihn die Cherokesen-Häuptlinge durch die Prägung einer Medaille ehrten, im Jahre 1821.

Die Holztypen.

Der Plakatdruck mit seinen grossen Schriften führte auf die geschäftsmässige Fabrikation der Holztypen. In Amerika begann diese im grösseren Massstab um das Jahr 1830 durch Wanderburgh Wills & Co. und durch Edw. Allen, der sich später mit der Firma W. H. Page & Co. verband. Zur Verwendung kommt fast nur Ahorn, mitunter Mahagoni oder Buchsbaum. Die Klötze werden erst in Querschnitte gesägt, mit Dampf behandelt und zwei Jahre lang aufgespeichert. Die Oberfläche poliert, man wiederholt mit Schellack und Sandpapier und teilt die Querschnitte in die benötigten Grössen. Die Buchstabenbilder werden vermittelst Maschinerie hergestellt[10].

Blindendruck.

Der in Frankreich zuerst geübte Blindendruck wurde in England wie auch Amerika in durchgreifender Weise verbessert. James Goll in Edinburgh wandte 1827 eckige Zeichen an; der Amerikaner Dr. Howe in Boston gab den gemeinen Buchstaben der Antiqua ebenfalls eckige Formen; ein ähnliches Alphabet von Fry in London erhielt 1857 von der dortigen Society of arts einen Preis. Das in England am meisten verbreitete und unter den willkürlichen eines der zweckmässigsten Alphabete ist das von T. M. Lucas in Bristol 1845 erfundene Chiffre-Alphabet, bestehend aus einem Zirkel und einem Halbzirkel in zwei Grössen, einer grösseren und einer kleineren Linie und einem Punkt. Hiermit liessen sich vierzig zweckmässige Zeichen kombinieren. — Der, selbst blinde, Vorsteher[36] der Blinden-Anstalt in Brighton, Moon, erfand ein Chiffre-Alphabet von zehn Zeichen aus gebogenem Draht, die auf Zinkplatten gelötet wurden, ein Verfahren, das bereits 1839 von Frère geübt war. Nach Moons System wurden heilige Schriften in achtzig Sprachen gedruckt. Ausser den erwähnten bestehen jedoch noch viele Systeme.

Ausserordentlich zu bedauern bleibt es, dass man sich nicht über ein einheitliches System der Blindenschrift hat einigen können; nirgends wäre wohl eine Einheitlichkeit für den Lernenden sowohl als für den Lehrer nützlicher, und wie wäre die Bildung von Blindenbibliotheken hiermit befördert worden! Aus vielen Gründen dürfte eine Einigkeit, wenn sie überhaupt möglich ist, nur auf Grundlage des Antiqua-Alphabetes stattfinden können.


Die Stereotypie.

Die praktische Durchführung des vielfach versuchten Verfahrens der Stereotypie hat man, wie so manche andere Verbesserungen im Druckwesen, dem edlen Charles Mahon, Lord Stanhope zu verdanken. Derselbe war erst in Eton College, später unter des bekannten Le Sages Anleitung sorgfältigst erzogen. Mit besonderer Vorliebe wendete er seine Aufmerksamkeit der Typographie und der Schriftgiesserei zu, und fast zu gleicher Zeit traten sein Stereotypverfahren und seine eiserne Presse in Wirksamkeit.

W. Ged hatte seine Versuche nicht fortsetzen können (I, S. 266), Müller und van der Mey (I, S. 251) waren ganz in Vergessenheit geraten. Die Wichtigkeit der Stereotypie leuchtete aber mit der Zunahme der schwierigen Arbeiten und der grossen Auflagen immer mehr ein. Fast 50 Jahre nach Ged machte Dr. Tilloch in Glasgow, ohne dessen Erfindung zu kennen, eine ähnliche und übte diese in Verbindung mit dem Universitätsbuchdrucker Foulis. Sie brachten auch einige Bände fertig, gaben jedoch später ihre Arbeiten auf. Lord Stanhope liess sich von Tilloch und Foulis unterrichten und brachte es in Verbindung mit einem bekannten Londoner Buchdrucker, Wilson, nach zweijähriger Arbeit zur Vollkommenheit in dem Verfahren. 1804 konnte letzterer unter Lord Stanhopes Zustimmung beantragen, die Bibeln und Gebetbücher der Universität Cambridge mittels des neuen Verfahrens herstellen zu lassen. Es fand allgemeine Anerkennung und schleunige Verbreitung, denn[37] Lord Stanhope litt durchaus nicht, dass diese, noch eine andere seiner Erfindungen Gegenstand eines Patentschutzes wurde; im Gegenteil, er liess jedesmal ein Caveat in dem Patent-Office einregistrieren, damit kein Unbefugter sich der Erfindungen bemächtigen und für sich patentieren lassen konnte.

Stanhopes Stereotypie.

Der Stanhopesche Prozess[11] ist folgender: Feiner, möglichst frischer Gips wird mit Boluswasser zu einem flüssigen Brei angerührt und die Schriftform oder die Holzschnittplatte, welche man stereotypieren will, mit der Masse erst eingepinselt, dann übergossen. Nachdem der Gips fest geworden, lässt er sich leicht von der Form abtrennen und man hat nun eine genaue vertiefte Kopie (Matrize) des zu stereotypierenden Gegenstandes. Diese wird mit grosser Vorsicht langsam in einem dazu eingerichteten Ofen getrocknet, dann, mit der Bildseite nach unten, in eine Pfanne gelegt, die in einen Kessel mit flüssigem Schriftzeug gesenkt wird. Letzterer dringt durch Öffnungen der Pfanne und füllt selbst die kleinsten Vertiefungen der Matrize aus. Nachdem die Pfanne aus dem Kessel herausgenommen und die Masse erkaltet ist, lässt sich die Mater von der Platte ablösen, erstere geht jedoch dabei verloren, dafür hat man das getreue Abbild des stereotypierten Gegenstandes in Schriftmasse[12].

Das Schriftmetall.

Doch nicht alle Druckarbeiten, bei welchen das Verfahren zweckmässig gewesen wäre, konnten stereotypiert werden, namentlich war dasselbe bei Zeitungen zu langsam, man musste deshalb die Aufmerksamkeit auf Verbesserung des Schriftzeuges richten. Während der drei ersten Jahrhunderte der Kunst war eine grosse Auflage eine Seltenheit gewesen und die Schriften hielten sich oft mehrere Generationen hindurch brauchbar, ausserdem nahm man es damals nicht so genau wie heute mit der Schärfe des Druckes. Als nun die vielen Abzüge die Abnutzung, also auch den Bedarf vermehrten, musste ein härteres Schriftmetall beschafft werden. Der Prozess des Schmelzens und die Mischung der Metalle[38] geschah nicht mehr nach Gutdünken, sondern nach wissenschaftlichen Regeln, auch nicht in der Giesspfanne, sondern in grösseren Quantitäten in zweckmässigen Schmelzöfen. J. R. Johnson lieferte den Zeug so hart, dass man seine Typen als Stempel in gewöhnlichen Schriftzeug eintreiben konnte. Auch wurden Matern durch Prägung mittels hydraulischer Pressen in Stahl, anstatt durch Einschlagen in Kupfer, produziert, und Versuche gemacht, Typen aus Kupferstangen zu pressen oder die Schrift zu vernickeln und zu verkupfern. Zu diesem Zweck wurde die Newton Coppertype Company in New-York etabliert, welche die Schriften für etwa 18–20 Prozent des Schriftwertes verkupferte. Ausschluss wurde von Messing, Zink und Vulcanit herzustellen versucht.

Allein die Verbesserung des Stoffes genügte noch nicht, man musste auch auf Schnelligkeit und Billigkeit in der Produktion sehen, und hier konnte nur die Maschine Hülfe schaffen.

Die Schriftgiessmaschine.

Über den ersten Ursprung der Schriftgiessmaschine verlautet nur, dass dem Will. Nicholson in London im Jahre 1790 ein Patent auf eine solche für „konisch“ gebildete Typen erteilt wurde. Eine konische Form mit einer grösseren Bild- und einer kleineren Grundfläche hielt Nicholson für nötig, weil er die Schriften um den Cylinder einer Schnellpresse anbringen wollte, welch letztere er sich ebenfalls patentieren liess. Er hatte das, später von Didot in Paris versuchte, polyamatype Giessverfahren vor Augen, nach welchem viele Buchstaben auf einmal gegossen werden sollten. Es blieb, wie mit den übrigen Erfindungen Nicholsons, bei dem Patentnehmen.

Die praktische Durchführung der Giessmaschine gehört Amerika an. Die ersten Patente dort wurden 1805 und 1807 dem Elihu White und dem William Wing in Hartford erteilt. Auch hier hatte man zuerst das polyamatype Verfahren im Auge, ja man wollte sogar ganze Alphabete auf einmal giessen. White experimentierte zehn Jahre lang, ohne zu einem nennenswerten Resultate zu kommen. Die Schriftgiesser Binney & Rolandson hatten ebenfalls viele Versuche gemacht und schienen dem Ziele näher als White gerückt zu sein, hielten jedoch ihre Resultate sehr geheim. White schmuggelte in wenig ehrenhafter Weise einen seiner Arbeiter bei Binney ein, damit er hinter die Geheimnisse komme, reussierte jedoch[39] dessenungeachtet und trotz seiner Verbindung mit dem Mechaniker Will. M. Johnson nicht.

Einen wirklichen Erfolg hatte erst David Bruce 1838. Es entspann sich jedoch ein bitterer Streit darüber, ob Bruce, wie er selbst auf das bestimmteste behauptete, oder einer seiner Arbeiter, der dänische Schlossergeselle Lauritz Brandt (s. Kap. IX), der eigentliche Erfinder sei. Bruces Maschine wurde von Will. M. Johnson verbessert.

Schleifmaschinen.

Seit 1840 sind Schleifmaschinen im Gang, haben jedoch nicht in demselben Umfange, wie die Giessmaschinen, Eingang gefunden. Selbst in Amerika, wo man doch sicherlich etwas von Arbeitsteilung und rationeller Ausnutzung der Maschinen versteht, wird Schleifen mittels Handarbeit jetzt noch vielfach geübt. Die Arbeiter haben sich eine solche manuelle Fertigkeit erworben, dass sie fast als Maschinen betrachtet werden können. In London wurden die Schleifapparate namentlich von Figgins gebaut.

Johnson und Atkinson.

Eine der interessantesten Maschinen ist die kombinierte automatische Giess-, Schleif- und Fertigmach-Maschine von Johnson & Atkinson, die ohne menschliche Beihülfe die Buchstaben gegossen, geschliffen, bestossen, gehobelt und in Reihen aufgestellt liefert[13]. Eine allgemeine Verbreitung hat diese Maschine, die in Deutschland durch Flinsch, Genzsch & Heyse und Meyer & Schleicher eingeführt wurde, jedoch nicht gefunden; es gehören verschiedene Vorbedingungen dazu, wenn ihre Arbeit genügend nutzbringend sein soll. Das Patent von 1862 ging auf die Patent Type Foundry über, die eine Reihe von Jahren von P. M. Shank geleitet wurde und dann in dessen Besitz überging. Sein Mitarbeiter J. M. Hepburn änderte die Maschine vollständig um, so dass sie bei vereinfachter Konstruktion nur die Hälfte des Raumes der älteren einnimmt und die Typen direkt in die Setzkästen oder in die für die Setzmaschine bestimmten Röhren legt. In letzterer Weise erhalten die Times alltäglich die neue Schrift für die Nummer des kommenden Tages und der Satz der vorigen wandert in die Giessmaschine; denn abgelegt wird nicht.

Westcott.

Noch weiter ging die amerikanische kombinierte Schriftgiess-, Schleif-, Bestoss- und Setzmaschine von Westcott. Ein Setzer[40] spielt, wie bei der Setzmaschine, von der unten die Rede sein wird, sein Manuskript auf einer Klaviatur ab; durch Berührung einer Tangente rückt die gewünschte Mater vor die Öffnung des Schriftgiessinstrumentes und die Buchstaben werden gegossen, geschliffen, bestossen und gesetzt, nicht aber abgelegt, denn die Schrift wird nach Ausführung des Druckes in die Giesspfanne geworfen. Diese Maschine arbeitete auf der Ausstellung in Philadelphia vollkommen korrekt, aber sehr langsam und vermochte nur 2000 Buchstaben in der Stunde zu giessen und zu setzen[14].


Die Setzmaschine.

Es konnte nicht anders sein, als dass die grosse Errungenschaft der Druckmaschine die Gedanken der Techniker darauf leiten musste, ob es nicht möglich sei, die verhältnismässig langsam vorwärtsschreitende Arbeit des Setzens durch Mechanismus überflüssig zu machen oder wenigstens zu erleichtern. Einmal ausgesprochen, wird auch ein solcher Gedanke selten ad acta gelegt, und so ist es, trotz der unüberwindlich scheinenden Schwierigkeiten, gelungen, die Setzmaschine[15], wennauch nicht in der ausgedehnten Weise wie die Schnellpresse, in das praktische Leben einzuführen. Wie gross der damit zu erzielende Vorteil sein wird, lässt sich noch nicht genau übersehen. Fraglich erscheint es namentlich, ob die Schnelligkeit in der Herstellung der Zeitungen wesentlich gefördert werden wird. Gerade bei dem Zeitungssatz handelt es sich um die angestrengteste Ausnutzung der Zeit von dem Augenblicke ab, wo das letzte Manuskript in die Hände der Druckerei gelangt, und gerade da wirken viele, gleichzeitig arbeitende, tüchtige und möglichst selbständige Kräfte sicherer und rascher, als die Setzmaschine. Dass diese nichtsdestoweniger eine Zukunft haben wird, kann nicht in Abrede gestellt werden, es liegt aber in der Natur der Sache, dass die Thätigkeit des denkenden Setzers nicht ohne weiteres ersetzt werden kann. Die Maschine kann ihm zwar einen Teil der leichteren Arbeit abnehmen, ihn aber nicht entbehrlich machen. Soll die Setzmaschine für das Setzen dieselbe Bedeutung erlangen, wie die Schnellpresse für das Drucken, müssten wir alle typographischen Errungenschaften von[41] vier Jahrhunderten über Bord werfen, die Typen müssten auf gleich grosse Körper (Gevierte oder Halbgevierte) gebracht werden und entweder die Versal- oder die gemeinen Buchstaben wegfallen, dann müsste man das Recht haben, eine Zeile ohne Rücksicht auf Silbenteilung zu brechen und selbst das würde nicht ganz genügen, denn jede Auszeichnung wäre in Wegfall zu bringen. So weit rückwärts wird sich wohl die Phantasie selbst des grössten Bewunderers der Setzmaschine kaum versteigen. Nehmen wir diese für jetzt für das, was sie ist, eine höchst beachtenswerte Hülfsmaschine, nicht aber für einen, das ganze Geschäft umgestaltenden Apparat, wie die Schnellpresse. Wenn bei der Setzmaschine zumeist weibliche Kräfte in Anspruch genommen werden, so sind allerdings die Billigkeit und die Fingerfertigkeit der Frauen mitbestimmend gewesen, Schuld tragen jedoch auch die Setzer selbst daran durch die feindliche Haltung, welche sie, wie seinerzeit die Drucker zu der Schnellpresse, der neuen Erfindung gegenüber einnahmen.

Ältere Versuche mit der Setzmaschine.

Von wem der Gedanke zuerst ausgesprochen wurde, ist schwer zu entscheiden. Friedrich König hat bereits im Jahre 1811 oder 1812 erfahren, dass ein junger Mann in Birmingham sich mit der Absicht trug, eine Setzmaschine zu bauen. König & Bauer selbst hatten ihre Gedanken auf eine solche gerichtet, liessen ihn jedoch fallen. Thatsache ist, dass ihn Dr. Church in Birmingham im Jahre 1822 dargelegt hat. Die Zahl der Versuche ist Legion; in England allein wurden in den Jahren 1822–1860 57 Patente erteilt. Mit dem Jahre 1840 gewinnen die Versuche zwar einen realeren Boden, doch gehören auch sie alle jetzt als Überlebtes der Geschichte an oder sind der Vergessenheit anheimgefallen. In dem erwähnten Jahre bildete sich in Pressburg eine Gesellschaft, um eine von Joseph v. Kliegel erfundene Setz- und Ablegemaschine zu erbauen, wozu der Franzose Etienne Robert Gaubert eine Ablegemaschine lieferte. In demselben Jahre erhielten der Engländer John Clay in Cottingham und der Schwede Fr. Rosenborg Patente, im Jahre 1841 James Hadden Young, Spinnereibesitzer, und Adrien Delcambre, Fabrikbesitzer, beide in Lille. Zu ihrer 1844 ausgestellten Maschine, welche nur auf das Setzen eingerichtet war, baute A. N. Chaix eine Ablegemaschine; beide fanden keinen Eingang. In Wien experimentierte, durch Auer unterstützt, L. Tschulik. Er lehnte sich[42] zunächst an Rosenborg an, während J. X. WURM viele Verbesserungen an seiner Maschine anbrachte. Der eigentliche Schöpfer der lebensfähigen Setzmaschine war der Däne Chr. SÖRENSEN im Jahre 1851[16].

Tim. Alden * 14. Juni 1819, † 4. Dez. 1858.

Unter den älteren englischen und amerikanischen Setzmaschinen war die von Timotheus Alden die bedeutendste. Von 1835–1846 arbeitete Alden als Setzer und sprach bereits in seinem neunzehnten Jahre, 1838, die Absicht aus, eine Setzmaschine zu bauen. Obwohl vielfach ausgelacht, ging er mit aller Energie daran und konnte 1856 die letzte Hand an sein Werk legen. Er hatte sich jedoch dabei geistig und körperlich aufgerieben. Bei seinem Tode 1858 hinterliess er seinem Vetter Henry W. Alden, der ihm treu geholfen hatte, sein Werk. Die Aldensche Maschine war sehr kompliziert und demnach kostspielig. Henry Alden vereinfachte sie und übergab einer Gesellschaft die Erfindung zur Ausbeutung, sie fand jedoch keine grosse Verbreitung und die Gesellschaft löste sich 1874 auf[17].

Eine Maschine von William H. Mitchell in New-York war schon 1861 in Wirksamkeit bei dem Satz von Appletons Encyclopaedia. Alexander Fraser, Teilhaber der Firma Neill & Co. in Edinburgh, wollte erst nur eine Ablegemaschine für Hattersleys Setzmaschine konstruieren, lieferte jedoch 1862 eine brauchbare Setz- und Ablegemaschine, für fünf Schriftgrade benutzbar[17]. Ein anderer Apparat von Henry A. Burr[18], von welchem acht Stück in der Offizin der New-York Tribune arbeiten, ähnelt Kastenbeins System[19]; der Ablegeapparat erfordert Typen mit vielfachen Einschnitten. Von einer von Adie in London nach dem Fraserschen System in der Behring Manufacturing Company gebauten Maschine arbeitet eine grössere Zahl in verschiedenen Offizinen. Felts' 1861 gebaute Maschine versprach vieles, ob sie es gehalten, haben wir nicht erfahren. Die von Clowes' Druckerei eingeführte und nach dem Besitzer die „Clowes-Maschine“ genannte Erfindung des Setzers John Hooker[20], war 1874 in London ausgestellt, sie fand jedoch keine weitere Verbreitung. Es wird bei derselben die elektro-magnetische Kraft zur Anwendung gebracht. Anstatt Tasten finden sich kleine Kupferplättchen vor, mit leitenden Drähten an deren Rückseiten, die in Verbindung mit einem Elektromagnete stehen. Lässt nun der[43] Setzer den mit einem Holzgriff umgebenen, mit dem negativen Pol der Batterie verbundenen Leitdraht eine Kupferplatte berühren, so wird die galvanische Kette geschlossen und ein Hebel in Bewegung gesetzt, der den begehrten Buchstaben vorschiebt. Das Ablegen muss durch Handarbeit besorgt werden. Ein diesem ähnliches Prinzip lag dem 1876 in Philadelphia ausgestellten Apparat von G. P. Drummond aus Canada zugrunde.

Die in der Caxton-Ausstellung 1877 zur Anschauung gebrachte Setzmaschine des in London lebenden Deutschen M. L. Müller[21] war für viele Schriftarten bestimmt und mit 200 Tangenten in sechs Reihen über einander versehen. J. Rob. Winder[22] in Bolton behauptet als Vorzüge für sein Fabrikat die gleichzeitige Beförderung mehrerer Buchstaben. Die in gewissen Verbindungen sehr oft vorkommenden Buchstaben sind demgemäss in mehreren, verschieden gelegenen Rinnen untergebracht. Wick, der Besitzer der Glasgow News, suchte nach ähnlichen Prinzipien den Vorteil in kombinierten Griffen, und seine Klaviatur hat sogar eine Anzahl von Tangenten für Logotypen der üblichsten Silben-Verbindungen der englischen Sprache[23].

Eine der neuesten Setz- und Ablege-Maschinen ist die 1880 in Düsseldorf ausgestellt gewesene von A. von Langen und C. G. Fischer, die, was den Setz-Apparat betrifft, der Kastenbeinschen Maschine ähnelt, deren Ablege-Apparat jedoch den des letztgenannten an Brauchbarkeit bedeutend übertreffen soll.

Die Doppelmaschine Westcotts für Guss und Satz wurde bereits (S. 40) erwähnt; als Halbmaschinen lassen sich die von Millar und Porter bezeichnen. Millars 1870 ausgestellte Maschine verwendet nur die gemeinen Buchstaben, die Ausschliessungen und einige der am häufigsten vorkommenden Versalien; die anderen Schriftzeichen müssen aus einem Kasten durch die Hand des Setzers hinzugefügt werden. Wenn nicht vollkommen, ist der Apparat wenigstens sehr billig. T. J. Porters Apparat[24] führt auf mechanischem Wege dem Setzer die Typen zu, welche er sonst aus den Fächern des Setzkastens nehmen musste, das eigentliche Setzen jedoch wird mit der Hand vollzogen.

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Es wäre zwecklos, der obigen Reihe von Erfindern noch einige Dutzend Namen anzuhängen. Das hier bereits Angeführte mag hinreichend dafür sprechen, dass schwerwiegende Hindernisse, die oben schon angedeutet wurden, einem vollkommenen Setzapparat im Wege liegen. Es bleibt nur noch übrig, die drei Männer zu erwähnen, deren Erfindungen am meisten in die Praxis gedrungen sind: Hattersley, Mackie und Kastenbein, welch letzterer nach der augenblicklichen Sachlage die grösste Aussicht für die Zukunft zu haben scheint.

Robert Hattersley in Manchester erhielt 1857 ein Patent auf Verbesserungen an den Setz- und Ablegemaschinen. Die seinigen wurden zuerst 1859 in der Buchdruckerei von Bradbury & Evans in London verwendet. Über eine Klaviatur, deren Tasten nach dem Masse des Vorkommens der mit ihnen korrespondierenden Typen geordnet sind, befindet sich ein etwa 1½  Meter hoher Aufsatz von Eisen, an welchem sich zwei eiserne horizontale Tafeln befinden, auf welchen die Typen in Rinnen gereiht stehen. Wird eine Taste angeschlagen, so drückt ein, je über dem letzten Buchstaben einer Rinne befindliches Stäbchen diesen heraus, worauf letzteres in die frühere Lage durch ein sich zusammenziehendes Gummischnürchen zurückgeschnellt wird. Das Nachrücken der Buchstaben in der Rinne geschieht ebenfalls durch Zusammenziehen einer Gummischnur, welche mit einem Metallstück, das von hinten auf die Reihe drückt, verbunden ist, über diese sich hinzieht und vorn nach oben festgemacht ist. So befindet sich stets ein Buchstabe am vordern Rande der Rinne.

Die herausgestossenen Buchstaben gleiten durch Rinnen, die sich in einem vertikalen herzförmigen Behälter befinden, dem einzigen Mundstück an der unteren Spitze des Behälters zu und stellen sich einer neben dem andern in den Winkelhaken auf. Ist eine Zeile voll, wird eine Setzlinie auf den Satz gelegt und dieser in das unter dem Winkelhaken befindliche Schiff heruntergeschoben. In letztem wird nunmehr der Satz Zeile für Zeile ausgeschlossen.

Theoretisch ist die Leistungsfähigkeit 7–8000 Buchstaben pro Stunde, in der Praxis 4–5000. Eine Zeitlang schien es, als würde die Hattersley-Maschine einen Platz behaupten. Zwei Exemplare wurden 1874 in der Offizin der „Neuen Freien Presse“ in Wien[45] aufgestellt; seitdem ist es jedoch still darüber geworden. Ein grosser Übelstand ist die Abhängigkeit von den durch die Witterung und Abnutzung beeinflussten Gummischnüren, mit denen keine bestimmte Rechnung sich machen lässt. Die Leistungsfähigkeit der Ablegemaschine ist ungefähr die Hälfte der Setzmaschine.

C. Kastenbein, wohnhaft in Brüssel, baute 1871 in Paris die erste Maschine für die Times-Druckerei in London. 1872 arbeiteten dort 5 Setzmaschinen und 8 Ablegemaschinen. Die Typen liegen in Rinnen eines hochaufsteigenden Behälters. Durch Niederdrücken einer Tangente wird ein Hebel in Bewegung gesetzt, der dem Buchstaben an der Fussfläche einen Stoss nach vorn giebt, wodurch er in horizontaler Lage aus der Rinne herausgestossen, jedoch durch den Bau der Rinne während des Heruntergleitens in vertikale Lage gebracht wird. Wie bei der Hattersley-Maschine befinden sich die Gleitrinnen in einem herz- oder birnenförmigen Behälter und endigen in einem gemeinschaftlichen Mundstück. Ein Glasverschluss gestattet dem Setzenden, jede in den Rinnen vorkommende Unregelmässigkeit zu bemerken. Die Rinnen für die schwersten Typen mit der grössten Fallgeschwindigkeit sind so angebracht, dass diese Typen den weitesten Weg zurücklegen, wodurch die erforderliche gleiche Beförderungszeit der verschiedenen Typen erzielt wird. Die in einem langen Winkelhaken sich aufreihenden Buchstaben werden nun dem Setzschiff zugeführt, das seitwärts auf einem schrägen Pult-Gestell ruht, an welchem der mit dem Umbrechen der Zeilen Betraute, das Gesicht dem Setzenden zugewendet, sitzt, und den Satz in Empfang nimmt, davon so viel für eine Zeile notwendig ist auf das Schiff schiebt und ausschliesst. Durch Treten eines Pedals senkt sich darauf das Schiff um so viel als notwendig ist, damit eine neue Zeile hinübergeschoben werden kann. Die Leistungsfähigkeit ist in der Praxis 3–4000 Buchstaben; in der Ausstellung zu Paris 1878 wurde sie jedoch probeweise bis zu 10200 gesteigert. Die Maschine ist, ausser in England, in Nordamerika, Dänemark, Italien vielfach verwendet. Die Reichsdruckerei in Berlin schaffte sie 1879 an.

Seinen ersten Ablegeapparat verwarf Kastenbein selbst als zu kompliziert; bei dem zweiten werden die Buchstaben förmlich in einen mit Löchern versehenen Kasten, wie sonst in die Fächer des[46] Setzkastens mit der Hand, abgelegt. Durch Treten, oder durch Drehen eines Rades, wird ein Mechanismus in Bewegung gesetzt, welcher Stösser treibt, die die Buchstaben in die für sie bestimmten Reihen der Rinnen treiben. Man sieht, dass auch dieser Apparat nicht vollkommen und nur teilweise automatisch ist. Zu zwei Setzmaschinen gehören etwa drei Ablegemaschinen.

Ein von allen anderen abweichender Weg wurde von Dr. Alexander Mackie[25], einem praktischen Buchdrucker in Warrington, eingeschlagen. Das Städtchen liegt halbwegs zwischen Manchester und Liverpool, ziemlich im Zentrum eines Kreises kleinerer aufblühender Städte. Mackie fasste den Plan, für jede derselben eine eigene Zeitung zu gründen, die den leitenden und politischen Teil mit den anderen gemeinschaftlich, dabei jedoch einen lokalen selbständigen Teil besitzen sollte. So entstand eine ganze Familie von Guardians, sieben an der Zahl, die mit dem Manchester Guardian 1853 anfing. Um nun den gemeinschaftlichen Teil schnell für jedes der Lokalblätter herstellen zu können, kam Mackie auf eine Kombination von drei verschiedenen Maschinen, von welchen die eine, wenn man so sagen darf, die Manuskriptmaschine, die andere die Setz-, die dritte die Ablegemaschine bildete. Durch die ersten wird beim Anschlagen einer Taste ein Loch in einen Papierstreifen gebohrt. Die Löcher sind so rangiert, dass, wenn ein perforierter Streifen der Setzmaschine übergeben wird und ein Loch in diesem ein Loch in einer Walze, über welche der Streifen geführt wird, gerade deckt, ein Stift hineinfällt, der bis dahin einen Behälter, worin die benötigten Buchstaben sich befinden, zugeschlossen hielt. Aus dem nunmehr geöffneten Behälter fällt die Type auf eine schnell rotierende Gleitschiene und wird dem Winkelhaken zugeführt. Selbstverständlich beruht alles auf der richtigen Lage der, durch die mit den Tasten verbundenen Stifte in den Streifen gebohrten Löcher. Es ähnelt diese Manipulation dem Wirken der Stifte auf der Walze einer Spieldose, welche zur rechten Zeit die, den richtigen Ton angebende Metallfeder treffen müssen. Im Prinzip hat Mackies Maschine grosse Vorzüge. Sie ist, was die eigentliche Setzmaschine betrifft, vollständig automatisch. Das perforierte Manuskript kann gleichzeitig in mehreren Exemplaren hergestellt werden und somit behufs des[47] Setzens durch eine Maschine nach verschiedenen Orten gesandt werden. Von einer grossen Verbreitung des Apparates verlautet indes nichts, dagegen wird berichtet, dass Mackie sich fortwährend mit Verbesserungen an demselben, namentlich am perforierenden Teil, beschäftigt, so dass anzunehmen ist, dass ihn die Leistungen noch nicht ganz befriedigen, obwohl er jetzt schon 350000 Buchstaben pro Woche garantiert.

Dr. Mackie ist ein so eigentümlicher und bedeutender Repräsentant moderner Arbeitsweise, dass es wohl geboten ist, seine Wirksamkeit etwas näher zu betrachten. Nachdem er Erfolge erzielt hatte, ging er noch weiter und errichtete im Jahre 1877 in einer kleinen Stadt Crewe, gelegen an einem Knotenpunkte der Londoner Nord-West-Bahn, mit 25000 Einwohnern, von denen ein bedeutender Teil in den umfangreichen dortigen Werkstätten der Eisenbahngesellschaft beschäftigt ist, eine grossartige Druckoffizin. In gothischem Stile erbaut, bildet sie eine mächtige Halle von 150 Fuss Länge und 30 Fuss Breite, in welcher 14 Mackiesche Setzmaschinen mit den nötigen Hülfsmaschinen, zwei Atkinsonsche Giessmaschinen und die erforderlichen Schnellpressen arbeiten. Unter den nahe an 150 Beschäftigten sind nur etwa 30 Männer. Indem Mackie die Offizin nach Crewe legte, rechnete er darauf, dass er unter den vielen Töchtern der dortigen Arbeiter sehr leicht tüchtige Hülfskräfte finden würde. Er, oder vielmehr die Kommandit-Gesellschaft Mackie, Brewthal & Co., druckt dort verschiedene Zeitschriften und viele Werke für Buchhändler in London[26].

Mit dieser Anstalt hat Mackie in jüngster Zeit auch ein Ausbildungs-Institut für werdende Berichterstatter, Unterredakteure und Zeitungsbesitzer vereinigt. Der Betreffende erhält Unterweisung: 1) im praktischen Setzen, um später richtig disponieren, Manuskript berechnen und die für das Setzen nötige Zeit beurteilen zu können; 2) im Korrekturenlesen, unter Berücksichtigung, wie bei der Korrektur die Zeit des Arbeiters geschont werden kann; 3) im[48] Berichterstatten und der Art, das Manuskript für den Satz praktisch und korrekt abzufassen; 4) in der Buchführung für Journalunternehmungen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass ein solches Institut, seitdem die journalistische Thätigkeit ein wirklicher Lebensberuf so Vieler geworden ist, einen grossen Wert hat und wohl Nachahmung verdient.

Zu diesem und seinen übrigen Instituten fügte er noch im Jahre 1880 eine neue grossartige Offizin in Warrington. Das prächtige Gebäude von 200 Fuss Länge und 100 Fuss Breite im gothischen Stil hat wie das in Crewe nur ein Stockwerk. Der grosse Arbeitssaal von 126 Fuss Länge und 96 Fuss Breite wird durch zwei Reihen von eisernen Säulen in drei Längenschiffe geteilt.

Das Prinzip der Setzmaschinen: durch eine Tastatur Buchstaben in Bewegung zu setzen, führte zu den Versuchen mit dem sogenannten Matrix compositor (Matrizen-Setzer) des John E. Sweet & Daul (Paris 1867) und deren vielen Nachfolger als: D. Timiriazeff (London 1872), Jos. Liwtschack in Wilna (1876), Peterson in Wien, G. Hambruch in Elbing u. a. Sweets Gedanke war theoretisch ein sehr hübscher. Er wollte, indem er die Stempel durch die Tastatur in eine weiche Masse drückte, Matrizen auf dem Setzwege direkt herstellen. Dieselben Schwierigkeiten jedoch, die hinderlich waren, um einen korrekt ausgeschlossenen Satz durch die Setzmaschine zu liefern, stehen auch diesem Verfahren, und zwar in einem noch höheren Grade, entgegen. Sweets verschiedene Ausstellungsproben — und über diese hinaus scheint er nicht gekommen zu sein — waren äusserst wenig empfehlend.

Fußnoten:

[5] J. M. Powell gab 1875: Select specimens of the best faces of the british Founders.

[6] Wie würde es wohl Th. C. Hansard bei dem Anblick der heutigen Extravaganzen fast aller Länder zumute geworden sein, wenn er sich schon bei den damaligen zaghaften Überschreitungen zu dem folgenden Ausbruch veranlasst fühlte: „O, ihr geheiligten Schatten von Moxon und van Dyck, von Baskerville und Bodoni, was würdet ihr wohl zu den typographischen Monstruositäten heutiger Mode gesagt haben? Und die, welche uns nach ebensovielen Jahren folgen werden, als jene uns vorangegangen sind, in welches Zeitalter werden sie die Erzeugnisse, die uns hier vorliegen, versetzen? Solchen Ungeheuerlichkeiten gegenüber wird die Nachwelt sich manche sonderbare Vorstellung machen. Es ist keineswegs unmöglich, dass die jetzt in der City von London gedruckten Erzeugnisse in späterer Zeit dem Meistbietenden als echt ägyptische Seltenheiten antediluvianischen Ursprungs zugeschlagen und den ausgesuchtesten Teil der Schätze von Sammlungen der Kenner bilden werden“.

[7] Specimen Book von: G. Bruces Son & Co.; Farmer, Little & Co.; James Conners Sons; Mac Kellar, Smiths & Jordan.

[8] Als ein guter Einfall Bruces muss es betrachtet werden, dass er zur Vorführung seiner Schriften sich nicht sinnlos zusammengestellter Wörter bedient, sondern mit jeder neuen Schrift den Titel eines Werkes der typographischen Litteratur wiedergiebt. Um einen Buchdrucker sattelfest in der typographischen Bibliographie zu machen, giebt es kaum ein besseres mnemotechnisches Mittel. Wenn die Schriftgiesser statt des Quousque tandem etc. Sätze wählten, die für den Buchdrucker ein Interesse darbieten, so würden die Proben gewiss manchmal aufmerksamer ins Auge gefasst werden und die Schriften sich mehr dem Gedächtnis einprägen. Schliesslich gab Bruce noch als Beilage zu seinen Proben eine Geschichte der Buchdruckerei, 164 Seiten 4, mit zahlreichen Abbildungen, mit seinen verschiedenen Werkschriften gedruckt.

[9] Die Firma Schelter & Giesecke in Leipzig führte diese Sitte in Deutschland ein (vgl. IX. Kap.).

[10] History and Manufacture of Wood Type. Typographical Messenger 1869, Nr. 4.

[11] Thomas Hodgson, An essay on stereotype printing. Newcastle 1820. — J. F. Wilson, Stereotyping and electrotyping. London. — H. Meyer, Handbuch der Stereotypie. Braunschweig 1838.

[12] Über die früheren Versuche und die neueren Methoden der Franzosen vgl. Kap. V.

[13] Journ. f. B. 1872, Nr. 42. — Print. Reg. 1881, Okt. — Ann. d. Typ. B. IV, Nr. 183.

[14] Oest. B.-Ztg 1876, Nr. 33.

[15] Th. Goebel, Die Setzmaschinen geschichtlich und technisch. Wiecks Illustr. Gewerbe-Ztg. 1877.

[16] Vgl. Kap. XIII.

[17] Journ. f. B. 1866, Nr. 15, 17, 19, 24.

[18] Print. Reg. 1880.

[19] Journ. f. B. 1876, Nr. 38.

[20] Print. Reg. 1877, Nov.

[21] Journ. f. B. 1875, Nr. 7.

[22] Print. Reg. 1880, Dez.

[23] Journ. f. B. 1880, Nr. 13. Print. Reg. 1880, März.

[24] Print. Reg. 1880, Juni.

[25] Print. Reg. 1877, Okt. Ann. d. Typ. I, Nr. 24. III, Nr. 109.

[26] Eines der frühesten umfangreicheren Bücher, deren Satz mittels der Setzmaschine fertiggestellt wurde, ist: Italy and France. An Editors Holiday by Alex. Manckie. London 1874. xvi und 415 Seiten. Der Verfasser schildert darin die Eindrücke einer im Fluge unternommenen Ferienreise. Leider hält er sich nicht so lange bei der Schilderung der typographischen Etablissements Roms und Paris auf, als dem Leser gewiss lieb gewesen wäre.

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II. KAPITEL.

DIE DRUCK- UND HÜLFSMASCHINEN
DER ANGLO-AMERIKANISCHEN GRUPPE.

Die Handpresse. Lord Stanhope und seine Nachfolger: Cogger, Clymer u. a. Die Auftragmaschine. Die Glätt- und Prägmaschine: Bramah. Die Schnellpresse: Friedr. König in England, Bensley, John Walter, der 29. November 1814, Kränkungen Königs, seine Abreise von London, Walters Eintreten für ihn. Die Nachfolger Königs: Napier, Applegath & Cowper, Hoe u. a. Die Endlosen: W. Bullock, die Walter-Maschine u. a. Die Mehrfarbe-Endlose. Die Tretmaschinen. Die Ausleger, die Anleger. Die Satiniermaschine. Die Feuchtapparate. Die Bronciermaschine. Die Falzmaschine. Diverse Hülfsmaschinen. Walzen und Farbe. Die Materialienhandlungen.

Druckpresse.
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EIT dreihundertundfünfzig Jahren hatte man sich zur Herstellung selbst der vorzüglichsten Druckwerke noch immer der alten hölzernen Presse bedient. Nach den Verbesserungen an dieser in den ersten fünfzig Jahren der Kunst waren im ganzen genommen keine, das eigentliche Wesen der Presse weiter ändernden eingetreten, namentlich blieb der zweimalige Zug, einer für jede Hälfte der Druckform. Erst gegen das Ende des XVIII. Jahrhunderts gelangten ernsthafte Verbesserungsversuche zur Ausführung, um den Druck grösserer Formate mit einmaligem Zuge zu bewerkstelligen. Besonders hierfür thätig waren W. Haas in Basel (Kap. XIV) und F. Didot in Paris (Kap. V).

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Lord Stanhopes Presse.

Den eigentlichen Umschwung kennzeichnet erst die eiserne Presse Lord Stanhopes. Nach vielen kostspieligen Versuchen brachte er, mit Hülfe des tüchtigen Mechanikers Walker, diese zustande und das erste Exemplar wurde in der Offizin Will. Bulmers aufgestellt und beim Druck der grossen Prachtausgabe von Shakespeares Werken verwendet[27].

Wände, Krone, Ober- und Unterbalken der hölzernen Presse wurden jetzt durch ein Stück Gusseisen ersetzt. An Stelle der Schraube mit dem Bengel trat ein zusammengesetzter Hebel, der es möglich machte, in dem Augenblick des Druckes eine fast unbegrenzte Kraft zu entwickeln. Die Arbeiter, die früher mit Aufgebot aller Gewalt den Bengel an sich ziehen mussten, indem sie mit zurückgebogenem Körper den Fuss an den Antritt stemmten, konnten gar nicht begreifen, dass ein gelindes Anziehen im letzten Augenblick genügend sei, um einen kräftigen Abdruck zu erzielen. Das Zurückgehen des Tiegels wurde durch ein Gegengewicht bewerkstelligt. Nur der Fuss blieb anfänglich noch Holz, doch auch hiervon kam man bald ab und baute auch diesen Teil aus Eisen[28].

Die Druckwalze.

Die grossen Handpressen erforderten auch eine raschere Art der Einfärbung. Den Gedanken, die Ballen durch Walzen zu ersetzen, hatte schon früher der französische Holzschneider Papillon gehabt. Lord Stanhope liess viele Versuche machen, um einen zweckmässigeren Überzug derselben fertig zu bringen, gelangte aber nicht zum Ziel. Ein geschickter Drucker in Weybridge, Forster, kam, angeregt durch die Verwendung der Leimmasse in einer Töpferei in Staffordshire, auf den Gedanken, eine Masse von Leim und Syrup auf grobes Segeltuch zu giessen und, nach der Erkaltung, die Ballen damit zu überziehen. Erst später wurden hölzerne Walzengestelle mit Masse umgossen. Hiermit war ein wesentlicher Gewinn an Arbeit und Zeit erreicht, der namentlich der Schnellpresse zugutekommen sollte.

[51]

Fortwährende Verbesserungen.

Als einmal das Feld für den Pressenbau eröffnet war, entstanden eine Menge von Pressen, von welchen jede besondere Vorzüge haben sollte. Neben manchem Unwesentlichen kamen auch wirkliche Verbesserungen vor. Doch wie die hölzerne Presse schon jetzt ein Gegenstand ist, den mancher tüchtige Buchdrucker der Gegenwart nur von Hörensagen kennt, so wird es einst mit der eisernen Handpresse gehen, die jetzt schon fast der Vergangenheit angehört, so dass manche grosse Druckerei nur noch zum Abziehen der Korrekturen eine invalide Presse, von einem Drucker-Invaliden bedient, besitzt.

J. Cogger.

Die Coggersche Presse entwickelte eine noch grössere Kraft, als die Stanhopesche. Säulen von Schmiedeeisen bildeten die Presswände. Ein querarmiger zusammengesetzter Hebel gab die Kraft, die dicht unter dem Oberbalken in ausgedehnter Weise wirkte. Durch Federn wurde das Zurückgehen des Tiegels bewerkstelligt[29].

J. Clymer.

Einen hohen Ruf durch die ganze Welt erwarb sich die „Columbia-Presse“ John Clymers. Dieser stammte aus einer Schweizerfamilie, die nach Amerika ausgewandert war. Im Alter von sechzehn Jahren erfand der junge Clymer bereits einen neuen Pflug mit so besonderen Vorzügen, dass er die Aufmerksamkeit der Männer der Wissenschaft auf sich zog. Der Zustand der Druckerpresse erweckte seine Erfinderlust und bereits im Jahre 1797 begann er seine Verbesserungen an der Holzpresse, später an der eisernen, bis er seine berühmte „Columbia-Presse“ zustande brachte, die er 1818 in England einführte, wo sie allgemeine Verbreitung fand. In den dreissiger Jahren beherrschte sie fast alle Druckoffizinen, auch die des Kontinents. In dieser Presse wurde durch eine Kombination von Hebeln bei grosser Gleichmässigkeit des Druckes eine ausserordentliche Kraft geübt, und der Abdruck erschien, bei wesentlicher Schonung der Schrift, in grösster Schärfe. Das Zurückgehen des Tiegels geschah durch ein, auf einem langen Hebel angebrachtes, schweres Gewicht, meist in der Gestalt des auffliegenden amerikanischen Adlers. Die Presse hatte etwas Imposantes und konnte für sehr grosses Format gebaut werden[30].

[52]

W. Hagar.

Eine weite Verbreitung fanden ebenso diejenigen Pressen, welche bei geringer Kraftanwendung und bei elastischem Zug durch einen Kniehebel einen starken Druck ausübten. Der Tiegel wurde durch Spiralfedern getragen, das Einstellen für die verschiedenen Schrifthöhen geschah sehr leicht. Diese Pressen wurden zuerst von dem Amerikaner Hagar gebaut[31]. Das Prinzip des Kniehebels war bereits, jedoch nicht in glücklicher Weise, in der sehr komplizierten „Strebepresse“ von Hawkin[32] angewendet und wurde später bei mehreren englischen Pressen benutzt. Sehr verbreitet war die „Albionpresse“ von Hopkinson[33] und die „Imperialpresse“ von J. Cope[34].

J. Ruthven.

Alle die Abarten der Handpresse, die keine grosse Rolle gespielt haben, hier zu beschreiben, wäre eine unfruchtbare Arbeit; es seien nur noch einige, die sich durch Originelles in der Konstruktion auszeichneten, kurz erwähnt. Bei der von John Ruthven in Edinburgh 1813 erbauten „Schottischen Presse“ blieb das Fundament, welches mit Deckel, Rähmchen und Punkturen versehen ist, unbeweglich, während der Tiegel in Schienen hin und her ging und das Fundament durch einen unter demselben angebrachten Mechanismus kräftig angezogen wurde[35]. Sehr originell war die Konstruktion der 1820 in D. Treadwell.J. Saxton.England patentierten „Tretpresse“ des Amerikaners Daniel Treadwell. Das Fundament war, wie bei der Ruthven-Presse, fest. Sie arbeitete leicht, nahm aber einen grossen Raum ein und sah sehr hässlich aus, fand auch nicht Eingang[36]. Nicht besser ging es der „Hydrostatischen Presse“ Jos. Saxtons, in welcher der Tiegel an das Fundament gedrückt wurde durch die Kraft des Wassers, das sich in einem hohlen, elastischen, in der Art der Ziehharmonika geformten und mit dem Tiegel zusammenhängenden Behälter befand, während beim Abfluss des Wassers aus demselben der Tiegel sich wieder hob.

Die Auftragmaschine.

Der Gedanke, die Farbe auf mechanischem Wege aufzutragen, lag ziemlich nahe und ist auch verschiedentlich, jedoch nie in ganz befriedigender Weise, bei der Handpresse zur Ausführung gebracht. Die ersten Versuche geschahen 1820 durch Thomas Parkin. Sein Apparat nahm jedoch einen sehr grossen Platz ein und die Drucker[53] leisteten gegen denselben passiven Widerstand, damit nicht der eine der bisher nötigen zwei Drucker ausser Brot kam.

In Amerika erfand 1833 Fairlamb in Boston, der sich mit einem erfahrenen Buchdrucker und Mechaniker Namens Gilpin vereinigte, einen solchen Apparat, von welchem viele hunderte gebaut wurden. Das Farbewerk stand mit der Kurbel in Verbindung und die Walzen gingen zweimal über die Form weg. Nach der Verbreitung der Schnellpresse verlor jedoch diese Erfindung fast ihren ganzen Wert, da Auflagen, wo Schnelligkeit notwendig war, nicht mehr auf der Handpresse gedruckt wurden.

Bramahs Glätte- und Prägpresse.

Dem Bedürfnis nach einer guten Glätte half namentlich Bramahs „Hydraulische Presse“ ab, die im Vergleich mit der Schraubenpresse den grossen Vorteil hat, dass die Reibung nicht mit der Zunahme des Druckes wächst, der in dem letzten Augenblick eine enorme Steigerung erreichen kann.

Weitere Verdienste erwarb sich Bramah durch seine Präg- und Numeriermaschinen, von welchen eine der frühesten 1809 bei dem Druck der Noten der englischen Bank Verwendung fand. Vor dieser Zeit mussten die Nummern und das Datum mit der Hand eingeschrieben werden. Es dauerte nicht lange, so verwendete die englische Bank 40 Bramahsche Maschinen[37].


Die Schnellpresse.

So wichtig nun auch alle die erwähnten Verbesserungen und Erfindungen waren, so verschwanden sie doch gegen die grosse, am 28. November 1814 der Welt als vollzogen angekündigte That, „dass die Times auf einer durch Dampf betriebenen, ohne Beihülfe von Menschenhänden arbeitenden Schnellpresse gedruckt sei“.

Fr. König.

Mit besonderem Stolz blickt Deutschland auf dieses Ereignis, denn der Name des deutschen Erfinders Friedrich König wird neben dem Gutenbergs auf ewige Zeit mit Anerkennung und Dankbarkeit genannt werden. Ganz ohne Bitterkeit bleibt die Freude hierüber allerdings nicht, denn die Verhältnisse lagen damals für Deutschland so schlimm, dass es, wie König selbst sagt, nicht möglich gewesen wäre, ohne die Beihülfe Englands die Erfindung für das praktische Leben nutzbar zu machen. Für uns erwächst hieraus die Notwendigkeit, die Anfänge der Geschichte der deutschen[54] Erfindung der Schnellpresse in Verbindung mit der typographischen Geschichte Englands zu behandeln[38].

Th. Bensley.
Andr. Fr. Bauer.
John Walter.

Nachdem Königs Hoffnungen in Deutschland, Österreich und Russland vollständig gescheitert waren, kam er 1806 nach England und fand in dem folgenden Jahre in dem tüchtigen Buchdrucker Thomas Bensley einen Mann, der die nötigen Geldmittel zur Erlangung eines Patentes und zur gemeinschaftlichen Ausbeutung desselben herzugeben bereit war. Der neue Gutenberg war hierdurch, wie der Urvater der Typographie, ebenfalls an einen klug-berechnenden und eigensüchtigen Fust gefesselt, hatte jedoch das Glück, in seinem Peter Schöffer — Andreas Friedrich Bauer — nicht nur einen technisch tüchtigen Mitarbeiter, sondern auch einen treuen Freund für das Leben zu besitzen, und in seinem Conrad Humery — John Walter — nicht nur den wohlwollenden und vermögenden Beschützer, sondern den mächtigen direkten Förderer seiner Pläne zu finden.

R. Taylor und G. Woodfall.
Das erste Patent.

Zu König und Bensley traten noch Richard Taylor und G. Woodfall, bekannte Buchdrucker und rechtliche Männer. Es wurden nach und nach vier Patente für verschiedene Arten von Druckmaschinen in England genommen. Das erste Patent: „Für eine Methode mittels Maschinen zu drucken“, wurde Fr. König am 10. März 1810 erteilt; die Spezifikation ist am 27. September eingetragen. Alle Verrichtungen waren auf eine wiederkehrende Bewegung zurückgeführt, so dass Betrieb durch Dampf möglich war und die Arbeiter weiter nichts zu thun hatten, als die Bogen auf dem Deckel anzulegen und nach dem Druck abzunehmen. Deckel und Rähmchen waren ungefähr wie bei der Handpresse, nur mit dem Unterschied, dass das Rähmchen am unteren, statt am oberen Ende des Deckels angebracht war. Beide schlossen und öffneten sich durch einen einfachen Mechanismus. Die Druckfarbe wurde aus einem Behälter ausgepresst. Die Zerteilung der Farbe geschah durch rotierende, zugleich in der Längsrichtung sich[55] bewegende Cylinder, das Auftragen durch Walzen, welche mit egalisiertem Ballenleder überzogen waren. 1811 im April war diese erste Tiegeldruck-Schnellpresse fertig und der erste Bogen, der darauf in der Bensleyschen Druckerei gedruckt wurde, war der Bogen H des Annual Register for 1810 in einer Auflage von 3000 Exemplaren.

Zweites Patent.

Das zweite Patent „für weitere Verbesserungen der Methode mit Maschinen zu drucken“ datiert vom 30. Oktober 1811, die Spezifikation vom 29. April 1812. In diesem Patent wird das Prinzip fast aller folgenden Schnellpressen ausgesprochen. Es enthält eine ausführliche Beschreibung und Abbildung der einfachen Cylinder-Druckmaschine, zugleich wird jedoch erwähnt, dass durch eine Kombination einer grösseren Anzahl derselben Teile oder Prinzipien die Wirkung verdoppelt und vervierfacht werden könne und dass überhaupt von einer Form eine grosse Anzahl von Abzügen in kürzester Zeit zu erhalten sei. Dies alles wurde durch Zeichnungen erläutert. Das dritte Patent, vom 23. Juli 1813, mit der Spezifikation vom 22. Juli 1814, bezieht sich „auf additionelle Verbesserungen der Methode mit Maschinen zu drucken, namentlich was den Farbenapparat, die endlose Bänderleitung, die Horn- und Segmenträder und die Verbindung des Druckcylinders mit dem Karren betrifft“.

Drittes Patent.

Die nach dem zweiten Patent zuerst gebaute einfache Cylindermaschine wurde im Dezember 1812 vollendet. Die ersten Leistungen dieser ganz cylindrischen Presse waren die Bogen G und X von Clarkson, Life of W. Penn. Vol. I. Die Maschine druckte 800 in der Stunde. Als der Eigentümer der Times, J. Walter, die Leistung gesehen, war er in wenigen Minuten entschlossen, zwei Doppelmaschinen zu bestellen. Diese Maschinen mit doppeltem, vorwärts und rückwärts wirkendem Druckcylinder lieferten in der Stunde 1100 Abdrücke in einer weit besseren Ausführung, als man bei Zeitungen gewohnt war. Am 29. November 1814 ging die erste Nummer der Times, mit diesen Maschinen gedruckt, aus der Offizin im Printinghouse-Square hervor. John Walter selbst machte dies dem Publikum in einem leitenden Artikel bekannt, an dessen Schluss es heisst:

„Über die Person des Erfinders haben wir wenig hinzuzusetzen. Sir Christophe Wrens[39] edelstes Denkmal ist das Gebäude, welches[56] er errichtete; ebenso ist die beste Lobpreisung, welche wir dem Erfinder der Druckmaschine darbringen können, diese selbst, deren Macht und Nützlichkeit wir in schwachen Worten zu schildern versucht haben. Es mag genügen, zu sagen, dass der Erfinder von Geburt ein Sachse ist, dass er Friedrich König heisst und dass die Erfindung unter der Leitung seines Freundes und Landsmannes Bauer zur Ausführung gebracht wurde.“

Viertes Patent.

Das vierte Patent Königs „für weitere Verbesserungen an der Schnellpresse“ wurde am 24. Dezember 1814, die Spezifikation am 22. Juni 1816 registriert. Aus den Grundsätzen derselben gingen die Schön- und Widerdruckmaschine, die verbesserte einfache Druckmaschine und die verbesserte Doppelmaschine hervor. Die erste Komplettmaschine wurde im Februar 1816 in der Druckerei von Bensley & Son aufgestellt und lieferte stündlich 900–1000 auf beiden Seiten bedruckte Bogen. Die Literary Gazette war das erste Wochenblatt, welches von 1818 ab dort auf der Schnellpresse gedruckt wurde. In den Nummern vom 3. und 10. Januar äusserte sich Bensley selbst auf das günstigste über die Leistungen der Maschine. Eine verbesserte Doppelmaschine, welche 1500–2000 Exemplare pro Stunde lieferte, wurde in der Times-Offizin aufgestellt und der Eigentümer sprach sich am 3. Dezember 1824 in günstigster Weise über sie aus.

Aus den Patent-Akten geht also hervor, dass schon damals alle Hauptklassen von Maschinen nicht allein von König spezifiziert, sondern mit Ausnahme der achtfachen auch ausgeführt wurden: die einfache Maschine mit Tiegeldruck, die einfache Cylindermaschine, die Doppelmaschine mit abwechselnd stillstehendem Cylinder, die vielfache Maschine, die Schön- und Widerdruckmaschine, die verbesserte einfache Cylinderpresse, die verbesserte Doppelmaschine. Zur Ausführung der achtfachen Maschine wurde König und Bauer die Gelegenheit nicht gegeben. So lange sie in England verweilten, war die Notwendigkeit einer solchen noch nicht eingetreten, und als sie das Land verlassen hatten, war es natürlich, dass John Walter lieber mit den dortigen Mechanikern verkehrte, so dass die achtfache Maschine mit vertikalen Cylindern, welche man bis 1860 als ein Wunderwerk in der Times-Druckerei anstaunte, nach Applegaths Konstruktion ausgeführt wurde.

[57]

Umtriebe gegen König.

Nach diesen praktischen Resultaten und nach den Zeugnissen Walters und Bensleys wäre wohl zu erwarten gewesen, dass über die Erfindung der Schnellpresse kein Zweifel mehr obwalten konnte, und dass dem Erfinder auch der volle materielle Lohn geworden wäre. Das war jedoch nicht der Fall. Th. Bensley zeigte sich als ein egoistischer Teilhaber, der in der Sozietät das Übergewicht geltend machte. Ihm war es mehr darum zu thun, die Erfindung zur Hebung der eigenen Offizin zu benutzen, als darum, Bestellungen von seinen Konkurrenten zu erzielen. Statt den Vertrieb zu fördern, erschwerte er denselben und leitete, wie es scheint, die Unterhandlungen in einer der Sache wenig förderlichen Weise. Selbst die Ergebnisse der bereits abgeschlossenen Geschäfte suchte er sowohl Fr. König als auch dem anderen Teilhaber Taylor zu verkümmern. Ja sogar die Ehre der Erfindung sollte nicht unangetastet bleiben.

Will. Nicholson.

William Nicholson, ein heller Kopf und redlicher Mann, hatte sich früher mit der Idee einer Druckmaschine umgetragen und bereits am 29. April 1790 ein Patent genommen „auf eine Maschine oder ein Instrument, um auf Papier, Leinwand, Kattun, Wollenzeug und andere Stoffe in einer netteren, wohlfeileren und genaueren Manier zu drucken, als durch die jetzt gebräuchlichen Instrumente möglich ist“[40]. Seine Zeichnungen und Erklärungen sind sehr skizzenhaft. Es wird mehr angegeben, was Nicholson will, als „wie“ er es zu machen gedenkt. Nicholson hat seine Ideen nie ausgeführt; sie waren von ihm selbst längst beiseitegelegt und vergessen, als König und Bensley aus des Genannten eigenem Munde davon hörten, als sie ihn in ihrer Patentangelegenheit konsultierten; denn Nicholson übte die Vermittelung in solchen Geschäften als Erwerb. Bei dieser Gelegenheit äusserte derselbe, „er habe die Sache vor 17 Jahren versucht, sie gehe aber nicht“. Auch hat er, selbst als König öffentlich mit seiner Erfindung auftrat, sich ganz still verhalten.

E. Cowper.

Dagegen tauchten andere auf, die es sich mit dem Fortbauen auf den gemachten Erfahrungen bequem machten. Wäre hierzu nur Nicholsons geistige Hinterlassenschaft benutzt, so hätten König und Bauer keine Veranlassung sich zu beschweren gehabt; es wurden aber ihre Ideen vollständig, z. B. von E. Cowper in seiner Schön- und Widerdruckmaschine, ausgebeutet. Rechtsgelehrte erklärten,[58] dass ein Einschreiten seitens Königs von Erfolg sein würde, aber Bensley stimmte gegen ein solches und die Klage musste demnach unterbleiben. Ja, es scheint sogar, dass Bensley in Übereinstimmung mit Cowper gehandelt habe. „Denn letzterer offerierte“ — so, sagt Savage, sei ihm berichtet worden — „als einen Akt der Gerechtigkeit und in Betracht der grossen Kosten von mindestens 16000 Pfd. Sterl., welche für Bensley bei der Durchführung der Erfindung der Druckmaschine entstanden waren, diesem einen Anteil an seinem Patent[41], was von Bensley angenommen wurde.“ Die Freundschaft der beiden scheint jedoch nicht von langer Dauer gewesen zu sein, denn später liess Bensley König ersuchen, gegen Cowper einzuschreiten, was jetzt jedoch König seinerseits ablehnte. Wie es Cowper machte, so thaten es auch andere; man nahm von Nicholson und König, was passte, und fügte einiges Neue hinzu.

König geht nach Deutschland.

Ermüdet von allen diesen Verdriesslichkeiten beschlossen König und Bauer im Jahre 1817, England zu verlassen und in das Vaterland zurückzukehren, dem sie fortan mit Ruhm und Erfolg angehören sollten. Das Verlassen Englands unter den obwaltenden Umständen war selbstverständlich gleich einem Aufgeben der Patentrechte und der daran geknüpften Aussichten. Die englische Presse vergass schnell den Namen König. Wenn von der Erfindung und Verbesserung der Schnellpresse die Rede war, so wurden Nicholson, Cowper, Applegath und andere genannt; König existierte nicht. Nur die Times fuhr fort, eine rühmliche Ausnahme zu machen, und stellte noch am 3. Dezember 1824 König das ehrendste Zeugnis aus. Es dürfte, wenn auch König keiner Ehrenrettung bedarf, eine Pflicht gegen die deutsche Erfindung sein, die hauptsächlichsten Stellen daraus wiederzugeben:

John Walter über König.

„Bei der ersten Einführung der Druckmaschinen erregte diese Erfindung grosse Teilnahme, und ihre Originalität wurde nicht bestritten, indem niemand einen Beweis für die frühere Anwendung derselben Grundsätze anführen konnte. Schon damals waren wir bemüht, den Ansprüchen des Erfinders, Herrn König, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, der einige Jahre später in sein Vaterland Deutschland zurückkehrte, jedoch — fürchten wir — ohne den Lohn[59] empfangen zu haben, der seinem Verdienste für seine wunderbare Erfindung und deren Ausübung in England zukam.“ Es wird nun der ungerechten Versuche von anderer Seite, sich die Erfindung anzueignen und die Verdienste Königs entweder ganz zu ignorieren oder auf ein Minimum zu reduzieren, gedacht und dann fortgefahren: „Es ist ein so seltener Fall, dass ein Ausländer in England eine Erfindung zur Ausführung bringt; es giebt hier so viele eingeborene Talente in den mechanischen Künsten, und England steht in dieser Beziehung so hoch; dass es wohl ausländischem Verdienste Gerechtigkeit widerfahren lassen kann.“ Dies thut nun das Blatt, indem es die Ansprüche des Herrn Bensley auf null, die des Herrn Nicholson auf eine fallengelassene Idee und die der Nachfolger Königs auf das facile est inventis addere zurückführt. „Wir können zum Schluss nicht umhin, zu bezeugen, dass wir in Herrn König nicht nur einen Mann von hoher Bildung und feurigem Geiste, sondern auch von grösster Ehrenhaftigkeit und lauterster Rechtlichkeit gefunden haben. In dem kritischen und prüfungsreichen Zeitraum, wo seine Erfindung in unserer Offizin zur Ausführung gebracht wurde, standen wir in täglichem Verkehr mit ihm, so dass wir volle Kenntnis von seiner Art und Weise und von seinem Charakter erlangten; die Folge ist gewesen, dass wir für ihn innige Freundschaft und hohe Achtung für immer hegen.“

Ein Zeugnis, ehrend für König, ehrend für Walter!


Verbesserer der Schnellpresse.

Sehen wir von dem gegen König geübten Unrecht ab, so können wir den englischen Erbauern von Schnellpressen unmöglich die Anerkennung versagen, diese so wesentlich verbessert zu haben, dass die Leistungen der ersten Schnellpressen gegen die heutigen Rotationsmaschinen sich fast eben so verhalten, wie die Leistungen der Handpressen zu denen der ersten Schnellpressen. Nur diese Fortschritte haben es der englischen und amerikanischen Journalistik möglich gemacht, ihren hohen Rang zu erkämpfen und zu behaupten.

Napier.
Applegath & Cowper.

Unter den Verbesserern der Schnellpresse sind besonders zu erwähnen: Edw. Cowper, Aug. Applegath, D. Napier, Isaac Adam, R. Hoe & Co. Noch viele andere könnten genannt werden. Napier führte zuerst Greifer ein und baute Maschinen mit einem sehr grossen[60] Druckcylinder, der sich in fortwährender Bewegung befand und von welchem nur etwa der dritte Teil als Druckcylinder benutzt wurde. Bekannt sind die von Applegath & Cowper im Jahre 1827 für die Times-Druckerei erbauten viercylindrischen Maschinen mit einer Leistungsfähigkeit von 4–5000 Exemplaren[42]. Noch renommierter wurde jedoch Applegaths Rotationsmaschine mit vertikalen Satz- und Druckcylindern. Der Satz war auf einem Teil des mittleren grossen Cylinders angebracht, dessen übriger, grösserer Teil als Farbentisch zum Verreiben der Farbe diente. Acht vertikale Druckcylinder von je 40 englischen Zoll Durchmesser waren derart um den Satzcylinder gruppiert, dass alle bei einmaliger Umdrehung des letzteren mit dem Satz in Berührung kamen, so dass also acht Bogen einseitig gedruckt waren. Durch keilförmige Spaltlinien und eben solche Kolumnenstege wurde fester Anschluss der Typen erzielt, die wie Mauersteine beim Bauen eines Bogens zusammenhielten. Jeder der Anleger führte alle vier Sekunden der Maschine einen Bogen zu, während acht Abnehmer die gedruckten Bogen in Empfang nahmen. Die Hauptschwierigkeit in der Konstruktion lag in dem Bändersystem, welches die in horizontaler Lage zugeführten Papierbogen in die für den Druck notwendige vertikale Lage zu bringen hatte. Die allergeringste Zögerung seitens eines Anlegers machte den Bogen zu Makulatur. Ein Vorzug der vertikalen Cylinder war, dass der abgehende Papierstaub nicht auf die Satzform, sondern zur Erde fiel. Die Maschine lieferte über 7000 Exemplare[43]. Applegath erfand auch eine solche, um zu gleicher Zeit mit sechs Farben zu drucken. Für sein System unnachahmlicher Banknoten zahlte ihm die englische Bank 18000 £ Sterl. Er starb in Dartford im Jahre 1871 in einem Alter von 84 Jahren.

C. A. Holm.

Ein Schwede, C. A. HOLM, nahm 1840 in London Patent auf seine, „Skandinavia-Presse“ genannte Tiegeldruckmaschine. Trotz ihres schweren Ganges und ihrer geringen Leistungsfähigkeit von 5–600 Exemplaren war sie doch in England sehr verbreitet und beliebt, namentlich zum Druck illustrierter Werke, die man damals[61] noch nicht in heutiger Vollkommenheit auf der Cylindermaschine lieferte[44].

Rob. Hoe * 1784, † 1833.

Die Wundermaschine Applegaths wurde durch die von Hoe übertroffen, die 1860 in der Times-Offizin Aufstellung fand. Robert HOE war der Begründer der berühmten Anstalt für die Fabrikation aller Arten von typographischen Maschinen in New-York. Er war als Sohn eines Pächters in Leicestershire in England geboren und lernte als Zimmermann. Im Jahre 1803 ging er nach Amerika und heiratete dort, erst zwanzig Jahre alt. Zwei seiner Schwäger, Matthias und Peter Smith, letzterer Erfinder einer renommierten Handpresse, hatten ein Geschäft errichtet, welches nach dem Tode der Inhaber Hoe & Co.von Hoe 1823 übernommen wurde. Es war damals noch klein, hatte aber, als Robert Hoe 1832 aus demselben trat, einen bedeutenden Umfang erreicht. Sein ältester Sohn Richard M. Hoe und dessen Vetter Matthias Smith, welche seit 1823 Teilhaber des Geschäfts gewesen waren, übernahmen es nun ganz für sich. Smith, ein Mann von ungewöhnlichen Fähigkeiten, starb 1842 und Robert Hoe Jun. und Peter Smith Hoe nahmen seine Stelle ein.

Die Blitzpresse.

Im Jahre 1846 wurde die epochemachende Maschine mit rotierendem Cylinder: The type revolving printing oder Lightning Press (Blitzmaschine) gebaut. Die Schriftform ist auf einem grossen horizontalen Cylinder angebracht, um den sich 4–10 Druckcylinder bewegen, deren Anordnung je nach der Zahl derselben sich richtet. Bei der zehnfachen Maschine, wie sie in den Offizinen der Times und der Daily News arbeiteten, sassen die Anleger vier Etagen über einander. Die Bänderleitung war weniger kompliziert, als bei den Applegathschen Maschinen, weil die horizontal eingelegten Bogen in dieser Lage verblieben. Der grosse Cylinder hatte einen Durchmesser von 4½ Fuss englisch. Die Länge der Maschine war 35 Fuss, die Breite 12 Fuss und die Höhe 18 Fuss. Die Leistungsfähigkeit betrug gegen 25000 Exemplare. Der Anblick in der Offizin der Daily News, wo zwei solche Maschinen gleichzeitig arbeiteten, war wahrhaft sinnverwirrend, wenn die zwanzig grossen Bogen auf einmal in der Luft herumschwirrten[45].

[62]

Isaak Adam.

Der Beifall, welchen diese und andere ihrer Maschinen erhielten, spornte Hoe & Co. zu noch grösseren Anstrengungen an. Nicht zufrieden mit den eigenen Erfindungen kauften sie auch noch von Isaak Adam aus Boston dessen mehr als fünfzig Patente für Hand- und Schnellpressen. Dieser war der älteste Pressenbauer Amerikas, der 1830 die Tiegeldruck-Maschine gebaut hatte, welche in Amerika noch viele Freunde besitzt. 1861 eröffneten Hoe & Co. auch ein Etablissement in London, namentlich um dort bequemer die Reparaturen und Verbesserungen an ihren vielen in England verbreiteten Maschinen ausführen zu können. Ein zweites Etablissement in New-York wurde 1870 eingerichtet und Hoes beschäftigten damals bereits 1000 Arbeiter. Ihr Katalog beweist den enormen Umfang ihrer Fabrikation, unter welchen die Billet- und Nummeriermaschinen für mehrfarbigen Druck einen hohen Rang einnahmen[46].

Die „Endlosen“.

Doch auch die Wundermaschinen Hoes gehören der Vergangenheit an und wurden durch die eigenen späteren Leistungen, zuerst aber durch die Rotationsmaschine für endloses Papier des Amerikaners Bullock in Schatten gestellt. Es wäre zwar anzunehmen gewesen, dass man bei der erreichten Arbeitsschnelligkeit Beruhigung gefasst habe. Jedoch weit gefehlt, denn man betrachtete das Geleistete nur als eine Abschlagszahlung. Die mit der Handhabung der grossen Schriftformen verbundene Gefahr war noch eine bedeutende und es gehörten immer noch zur Bedienung einer grossen Hoeschen Maschine 18 Personen. Die Arbeiterbewegungen hatten aber gezeigt, wie wünschenswert es sei, bei Unternehmungen, wo Viertelstunden entscheiden, von menschlicher Beihülfe oder Missgeschick der Arbeiter unabhängig zu sein. Die Aufmerksamkeit richtete sich deshalb auf möglichste Selbstthätigkeit der Maschine, die schliesslich in der „Endlosen“[47] in Verbindung mit der Segment-Papierstereotypie das Ideal erreichte. Zwanzig Minuten nach Fertigstellung der letzten Satzform einer Zeitung sind die segmentförmigen Stereotypplatten auf dem Satzcylinder befestigt. Mit einer Schnelligkeit, welche die Lieferung[63] von 200 fertigen Nummern in der Minute ermöglicht, wird das endlose Papier von der Rolle abgewickelt, erst durch die Feuchtwalzen, dann zwischen die Satz- und Druckcylinder geführt, durch den Schneideapparat von der Rolle in einzelnen Bogen abgetrennt, dem Falzapparat übergeben und zum Versenden gefalzt; thatsächlich ohne eine weitere menschliche Beihülfe als die der Burschen, welche die zum Versand fertigen Haufen wegzuschaffen haben.

Bedenkt man nun, dass eine Endlose, wie sie in der Times-Offizin gebaut wird, in einer Stunde eine Papierlänge von zwei deutschen Meilen auf zwei Seiten druckt, faktisch also 4 Meilen Gedrucktes in der Stunde liefert, man demnach mit zwei solchen Maschinen und einem doppelten Exemplare von Stereotypen in wenigen Stunden 100000 Exemplare von einer grossen Zeitung beschaffen kann, so sollte man meinen, ein non plus ultra erreicht zu haben; doch selbst diese Schnelligkeit ist bereits übertroffen worden.

Ursprünge der Endlosen.

Wer zuerst eine mehr als allgemeine Idee der Endlosen gefasst hat, ist schwer zu sagen. Den Gedanken deutet schon der Erfinder der Schnellpresse selbst an. In England hat man früher die Priorität der Erfindung für die Firma Nelson & Sons in Edinburgh in Anspruch genommen, ein Modell ihrer projektierten Maschine befand sich auf der Londoner ersten Weltausstellung 1851. Auf der Caxton-Ausstellung 1877 waren jedoch Überreste eines Modells zu sehen, Rowland Hill * 3. Dezbr. 1795, † 27. Aug. 1879.welches der berühmte englische General-Postmeister Sir Rowland Hill 1835 hatte anfertigen lassen. Seine Maschine war darauf eingerichtet, dass keilförmige Typen oder gebogene Clichés auf einem Cylinder angebracht wurden und dass ein endloser Bogen zwischen den Schrift- und den Druckcylinder geführt wurde, wie bei den jetzigen Rotationsmaschinen. Die Maschine ward patentiert, in Chancery-Lane aufgestellt und von kompetenten Richtern sehr günstig beurteilt. Die Regierung gestattete jedoch nicht den Druck des damals noch bestehenden Stempels bei dem Durchgang des Bogens mit vorzunehmen, und die Sache unterblieb; ob allein aus diesem Grunde, wird wohl jetzt schwer zu entscheiden sein. Was die endlosen Pressen Auers betrifft, so verhielten sie sich zu den jetzigen wie chinesischer Tafeldruck zur Typographie Gutenbergs (vgl. Kap. XIV). Die Amerikaner behaupten, dass schon um das Jahr 1840 J. B. Wilkinson eine Endlose erfunden habe.

[64]

Will. Bullock * 1813, † 1867.

Auch wenn dies nicht wäre, gebührt jedenfalls doch einem Amerikaner William Bullock die Ehre, dem Gedanken zuerst eine praktische Lösung gegeben zu haben.

Derselbe war zu Greenville geboren. In Philadelphia lernte er als Eisengiesser und Maschinenbauer. 1849 gründete er dort eine Zeitung und baute 1853 für den eigenen Bedarf eine Holzpresse mit einem mechanischen Zubringer des Papiers. Schrittweise wurde er nun zu seiner Erfindung geführt, auf welche er am 14. April 1863 Patent erhielt. Seine Maschine ist in Amerika sehr geschätzt, hat aber in England keinen besonderen Beifall gefunden und ist auf dem Kontinent gar nicht eingeführt. Er verunglückte bei Prüfung einer seiner Maschinen.

Times-Presse.

Die eigentliche Aera der Endlosen datiert von der Erbauung der „Walter-Maschine“. Es war eine Wiederholung der Scene von 1814. Bereits lange zirkulierten mysteriöse Gerüchte von einer neuen Wundermaschine, die in der Times-Offizin gebaut werde. Aber es gelang niemand, durch den dichten Schleier zu dringen, mit welchem die Vorbereitungen bedeckt waren. Nicht einmal die ältesten Maschinenmeister oder die Vertrauensmänner im Geschäft bekamen Erlaubnis, den streng verschlossenen Raum zu betreten, in welchem das neue Wunder zusammengesetzt wurde, bis der Tag anbrach, an welchem es seine Pflicht zum erstenmal erfüllte. Der Constructeur war der erste Ingenieur der Offizin J. C. Macdonald, im Verein mit J. Calverley. Die Presse erhielt, dem Besitzer zu Ehren, den Namen „Walter-Presse“[48].

Prinzip der „Endlosen“.

Wenn auch die Lage der Cylinder und die Reihenfolge der Funktionen bei den verschiedenen Systemen eine verschiedene ist, so bleibt doch das Prinzip dasselbe. Das Papier wird von der Fabrik auf eine Rolle gewickelt geliefert; die Zapfen der Rolle drehen sich leicht in den Lagern, in welche sie eingelegt werden, so dass das Papier, wenn einmal den Cylindern zugeführt, durch den Zug der sich drehenden Cylinder von der Rolle abgewickelt wird. Der Streifen passiert (wenn das Papier nicht durch eine besondere Vorrichtung im voraus gefeuchtet wurde) einen Feuchtapparat, wird[65] erst auf der einen Seite gedruckt und dann durch eine S-förmige Bewegung auf den Widerdruckscylinder geführt. Während des ferneren Passierens des Papiers zwischen den Schneidewalzen hindurch wird es derartig perforiert, dass die Löcher sich dicht an einander reihen, so dass das Stück, welches einen Bogen bildet, durch den Ruck, welchen Leitbänder, die mit ungleicher Schnelligkeit sich bewegen, hervorbringen, von der Rolle abgetrennt wird. Der fächerartige Selbstausleger legt nun die Bogen entweder einzeln oder mehrere zusammen auf einen Haufen, oder sie werden, wenn eine Falzmaschine, wie es gewöhnlich der Fall ist, zugleich mit der Druckmaschine verbunden ist, dieser zugeführt und fallen, wie Stroh aus der Dreschmaschine, fertig zum Versenden in einen Behälter. Dabei nimmt eine solche Maschine sehr wenig Raum ein; eine Walter-Maschine erfordert 14 engl. Fuss Länge, 5 Fuss Breite.

Segmentförmige Clichés.

Selbstverständlich gehören zu dieser Maschine segmentförmige Clichés. Boden und Decke des hierzu erforderlichen Giessinstrumentes liegen wie in den für flache Stereotypen bestimmten, parallel, jedoch nicht in der Ebene, sondern in einer Bogenform. Die biegsamen Papiermatern schmiegen sich an den Boden des gerundeten Giessinstrumentes an, der Deckel wird zugemacht und die Platte in üblicher Weise gegossen, voll, oder, wenn der Deckel des Giessinstrumentes darauf eingerichtet ist, nur auf Rippen ruhend. Um den nötigen Druck beim Eingiessen des flüssigen Schriftmetalls auszuüben, ist ein starker Anguss notwendig, dessen Beseitigung durch eine Kreissäge jedoch nur Sache eines Augenblicks ist. Die Justierung des Clichés geschieht ebenfalls in einer Minute oder weniger durch eine Hobelmaschine und die Platte ist zum Einsetzen in die schwalbenschwanzförmigen Halter des Schriftcylinders fertig. Ein Nachteil bei der Papier-Stereotypie ist, dass die Typen beim Trocknen der Matern heiss werden und zusammenbacken. Ryles & Son in Bradford haben nun eine Methode erfunden, die Mater, welche im feuchten Zustande von der Schrift abgehoben wird, in einem besonders konstruirten Rahmen festzuhalten und für sich ohne die Schrift zu trocknen.

Verschiedene „Endlose“.

Der Walterpresse folgte die „Victoriapresse“[49] von Duncan & Wilson in Liverpool. Diese, namentlich in der Provinz beliebte[66] Maschine war die erste, die mit Falzapparat arbeitete; dann kam die „Prestonian“ der Herren Bond & Forster, welche sowohl für Platten- als für Schriftdruck eingerichtet ist; die „Northumbrian“ von Donnison & Son in Newcastle u. T.; die „Whitefriars“ des Jos. Pardoe, gebaut von A. H. Payne, die sowohl für Papier in Bogen als für endloses sich benutzen lässt und namentlich für illustrierte Blätter bestimmt ist.

In Amerika folgten Hoe & Co. und überboten an Leistungsfähigkeit ihrer Maschinen die Engländer. Die Fabrikate von Andr. Campbell sind neueren Datums und noch nicht recht in die Praxis gedrungen.

„Man möchte glauben, dass die äusserste Grenze erreicht sei, wenn die Erfahrung nicht den Menschen belehrte, nie das Wagnis zu unternehmen, der Vervollkommnung eines Menschenwerkes und den unerforschlichen Absichten der Vorsehung eine Grenze im voraus zu bestimmen“, so schrieb Ambr. Firmin-Didot, als er 1851 die Leistungen der Applegathschen Times-Maschine angesehen hatte. Wie sehr er Recht gehabt, zeigen die enormen Leistungen in der Druckerkunst, die wir seit jener Zeit erlebt haben. Jedoch trotz diesen, wer würde es heute wagen, zu sagen: „Nun ist die Grenze wirklich erreicht“.

Endlose für Illustrationsdruck.

Die Verwendung der Endlosen für Illustrationsdruck gelang bis jetzt in England nicht so gut wie in Deutschland. Die von Thomas Middleton & Co. 1874 für die Offizin der Illustrated London News gebaute, und dem Gründer des Blattes zu Ehren genannte „Ingram-Maschine“ wird zum Druck eines kleinen Blattes The Penny Paper benutzt. Die Konstruktion der Cylinder ist eine eigentümliche. Der vordere, für die Bilderform bestimmte hat einen grossen Umfang und nimmt drei Exemplare der Platten auf, man hat damit erzielen wollen, dass die Clichés nur wenig gebogen werden, damit nicht Verzerrungen in den Bildern entstehen. Der kleinere Cylinder für die Schriftform ist nur mit zwei Exemplaren des Textes belegt, infolge dessen muss sich dieser Cylinder mit ein Drittel grösserer Schnelligkeit bewegen, als der grosse. Diese Maschine lieferte 7000 Exemplare und ist, da die Zurichtung von fünf Formen selbstverständlich viel Zeit kostet, nur bei sehr grossen Auflagen zweckentsprechend.

[67]

Für Farbendruck bauten Conisbee & Son in London eine Endlose, die dreifarbigen Druck in 3000 Exemplaren liefert, ebenso D. F. Powell. In Chicago fabrizierten Suitterlin Claussen & Co., in Philadelphia T. O. Ferree Vielfarbemaschinen[50].

Die Tretpresse.

Wie die Extreme sich so oft berühren, so geschah es auch in dem Druckpressenbau, denn neben den ganz grossen Zeitungsmaschinen waren es namentlich die ganz kleinen, welche durch Treten in Bewegung gesetzt werden können und nur einen Arbeiter, in der Regel einen Burschen, zur Bedienung verlangen, welche die Aufmerksamkeit der Maschinenbauer in Anspruch nahmen.

Es war ganz natürlich, dass man besonders in den Ländern, wo der Spruch „Zeit ist Geld“ seine volle Gültigkeit hatte, und wo die Zahl der kleineren Accidenzarbeiten sich ins Kolossale steigerte und viele Druckereien sich ausnahmslos nur mit solchen „Job-Arbeiten“ beschäftigten — also in Amerika und England —, an diese kleinen Maschinen dachte. Man hatte nicht, wie in Deutschland, Zeit abzuwarten, bis ein Drucker an der Handpresse mit seinen langwierigen Vorbereitungen fertig war, um hundert Visitenkarten zu drucken, auch nicht Lust, deshalb eine 5000 Mark oder mehr kostende Maschine, deren Karren einen weiten Weg hin und zurück zu machen hatte, in Bewegung zu setzen. So entstand in England und Amerika eine Legion solcher Tretpressen unter verführerischen Namen, als: Universal, Nonpareille, Minerva, Non plus ultra, Franklin, Excelsior, Progress, Lilliput, Favorit, Star etc. etc. Die Bahn hatten zwei Deutsche, Degener & Weiler, in New-York mit ihrer Liberty-Press gebrochen. Die auf dem Kontinent verbreitetsten Tretpressen dürften jetzt neben den Degener & Weilerschen die „Gordon-Pressen“ sein. Trotz einiger, diesen kleinen Maschinen anhaftenden Mängel haben sie doch in zweckmässigster Weise eine bedeutende Lücke im Druckgewerbe ausgefüllt. Ein Kabinettstück unter den kleinsten Maschinen ist Mausel Baylys Kombinationspresse. Der Umstand, dass diese kleinen Pressen, welche ganz die Handpressen verdrängt haben, zum Nachteil des geregelten Druckgeschäfts in die Hände der sogenannten Trittmüller — kleine Papierhändler, Buchbinder und andere Nichtbuchdrucker — gefallen[68] sind, hat sie in einen unverdienten üblen Ruf gebracht. Das Prinzip der Endlosen ist in geistreicher Weise durch Tiegeldruck auf diese kleinen Maschinen in der Kidder-Press mit feststehendem Tiegel und hin- und hergehender Schriftform zur Anwendung gebracht.

Die beim Druck von Wertpapieren so notwendigen Numeriermaschinen wurden von Bodel so konstruiert, dass sie die Nummern erhaben pressen und von beiden Seiten verschiedenartig färben.

Ausleger und Anleger.

Eine wesentliche Verbesserung bei den gewöhnlichen Schnellpressen waren die rechenförmigen Mechanischen Ausleger, die mit ihren, sich zwischen den Leitbändern auf- und niederbewegenden Rechen die Bogen von den Leitbändern wegnehmen und auf den Auslegetisch niederdrücken. Diese Verbesserung hat allgemeinste Verbreitung gefunden, was dagegen weniger mit den Mechanischen Anlegern der Fall ist. Die Schnelligkeit der Hand des Anlegenden hat eine Grenze, die sich nicht überschreiten lässt. Man suchte deshalb nach dem Mittel, die Hand entbehrlich zu machen, und kam auf den Gedanken, durch luftleer gemachte, in schwingender Bewegung sich befindende Saugröhren einen Bogen von dem Haufen ansaugen zu lassen, den man dann, wenn die Röhren bei ihrer Bewegung sich in der richtigen Lage über dem Anlegetisch befinden, durch Einführung von Luft zum Niederfallen bringt. Um zu verhindern, dass die Saugröhren zu gleicher Zeit zwei an einander anklebende Bogen von dem Haufen aufheben, wird durch einen zweiten Apparat Luft zwischen den obersten und den darauf folgenden Bogen eingelassen. Der erste Erfinder war J. F. Ashley in New-York.


Satiniermaschine.

Bei jedem Maschinenpapier ist die Seite, welche mit dem Drahtgewebe, auf welches der Lumpenbrei ausfliesst, in Berührung gewesen, rauher, als die obere, was schon bei jeder Druckarbeit eine Unannehmlichkeit war. Noch nachteiliger wirkten jedoch die Unebenheiten und Unreinlichkeiten im Papier auf die feineren Schriften, namentlich aber auf die Holzschnitte. Um nun dem Papier eine vollkommen glatte Oberfläche zu geben, kam man frühzeitig auf den Gedanken, nach dem Feuchten, aber vor dem Druck, jeden Bogen einzeln zwischen Zinkplatten zu legen und diese dann, 10–20 übereinandergelegt, unter starkem Druck zwischen[69] zwei Hartgusswalzen durchzudrehen. Diese Manipulation mit der Satiniermaschine war langwierig und teuer, namentlich weil die Zinkplatten (Satinierbleche) sich leicht abnutzten und Nachlässigkeit der Arbeiter leicht das Papier verdarb. Die Versuche jedoch, die Bogen einzeln zwischen die sich drehenden Cylinder zu führen, gelangen erst in letzter Zeit (vgl. Kap. X).

Um nach dem Druck ein stärkeres Glätten als durch die übliche Glättpresse möglich war, zugleich um ein schnelles Trocknen der feuchten Bogen zu erzielen, bauten Furnival & Co. in Manchester nach Gills Patent eine Presse, die den Bogen zwischen zwei, mittels Dampfes erhitzte Stahlcylinder führt. Die Gefahr, welche durch das Abschmutzen der frisch gedruckten Bogen auf die Walzen droht, wird durch einen vorzüglichen Reinigungsapparat beseitigt. Die Ein- und Ausfuhr der Bogen geschieht auf endlosen Bändern.

Das heisse Glätten.

Das heisse Glätten des Papieres soll vor neunzig Jahren durch Thomas Turnbull erfunden sein, der an einer Presse beschäftigt war, in welcher Tuch durch heisse Cylinder gepresst wurde. Als nach dem Tode des Prinzipals die Witwe ein Zirkular an die Kundschaft druckte, missfiel die Rauheit des Druckes Turnbull und er glättete die Bogen, indem er sie zwischen glatte Pappen legte und durch die Tuchwalzen gehen liess. Die Resultate waren so befriedigend, dass er in London ein Geschäft eröffnete, um für die Buchdruckereien die Arbeiten zu glätten. Die Frage, ob das heisse Glätten im ganzen von Vorteil ist, kann noch nicht als entschieden betrachtet werden; ein Nachteil ist jedenfalls, dass jede kleinste Unreinlichkeit in dem Papier durch den starken Druck breitgequetscht und das Papier leicht verunstaltet wird.

Eine Trocken- und Glättpresse von J. W. Jones in Harrisburg (Pennsylvanien) trocknet, glättet und falzt von der Schnellpresse weg 6000 Bogen in der Stunde.

Die gewöhnliche Glättpresse erhielt durch Boomer & Borchert in London eine wesentliche Verbesserung. Ihre Presse ist sehr leicht zu handhaben und soll an Wirkung noch die hydraulische Presse übertreffen.

Feuchtapparate.

Das Feuchten des Papiers mit der Hand war bei den grossen Zeitungsbogen und den grossen Auflagen fast eine Unmöglichkeit geworden. Grössere Druckereien schafften deshalb Mechanische[70] Feuchtapparate (Hoe & Co., Harrild & Sons) an, die das Papier entweder zwischen nassen, mit Filz überzogenen Walzen hindurchgehen liessen oder durch einen Sprühregen benetzten. Für feinere Arbeiten bleibt das Handfeuchten vorzuziehen, da man es, je nach der Beschaffenheit des Papiers und den sonstigen Verhältnissen, mehr in seiner Macht behält, das Feuchten rationeller zu betreiben. In Amerika wird sehr viel auf ungefeuchtetes Papier gedruckt, was für diejenigen, welche einen Spiegelglanz des Papieres lieben, als ein Vorteil erscheinen mag.

Die Bronciermaschine.

Bei einer grossen Anzahl von feinen Accidenzarbeiten kommt bekanntlich das Broncieren in Anwendung. Bronciermaschinen erleichtern diese Arbeit nicht allein, sondern sie verhindern auch das der Gesundheit so nachteilige, mitunter sogar tödlich wirkende Einatmen des Broncestaubes. Das Prinzip ist, die ganze Arbeit in einem verschlossenen Behälter durch ein System von Bürsten und Wischern vollziehen zu lassen, so dass die Arbeit vollständig fertig aus dem Behälter herauskommt[51]. Eine ähnliche Maschine von E. A. Clowes & John Baley verrichtet das der Gesundheit ebenfalls sehr nachteilige Einbürsten der zu galvanisierenden Matern mit Graphitstaub.

Die Falzmaschine.

Die bei der Schnellproduktion so wichtigen Falzmaschinen fanden namentlich in Amerika Beachtung. Sie wurden dort von Cyrus Chamber eingeführt, der, im Verein mit seinem Bruder Edwin, 1856 eine Fabrik in Philadelphia unter der Firma Chambers Brothers & Co. errichtete. Nach vielen Versuchen gelangten sie zu guten Resultaten und bauten im Jahre 1870 nach etwa 40 verschiedenen Systemen. Eine Maschine z. B. falzt einen und einen halben Bogen in einander, kleistert, heftet und beschneidet sie. Sehr verbreitet ist seit 1863 die Zeitungsfalzmaschine von S. C. Forsaith & Co. in Manchester in den Vereinigten Staaten, die sich für verschiedene Formate stellen lässt.

Verschiedene Hülfsmaschinen.

Weitere Erleichterungen gewähren die Buchheftmaschinen (Wheeler & Wilson) und die Zusammentragemaschine (Howe). Letztere ist in der Art der Kinder-Karussels gebaut. Auf einem sich drehenden Tisch, vor dem der Komplettierer steht, liegen die[71] Bogenhaufen der Reihe nach und werden im Vorbeipassieren einer nach dem andern von dem Komplettierer ergriffen.

Von den unendlich vielen Hülfsmaschinen seien nur noch erwähnt die Couvertmaschine (G. Tidcombe & Son, J. Wilkinson; C. Godall & Son) und die Schneidemaschine. Spezialisten für letztere sind Furnival & Co. in Manchester, die sie in grosser Vollkommenheit bauen. Das Ingangsetzen des Messers, der Schnitt eines Ries Papiers und das Zurückgehen des Messers in seine erste Lage dauert nur vier Sekunden. Überhaupt ist die Fabrik Furnival berühmt wegen der Vortrefflichkeit aller ihrer Hülfsmaschinen, deren Fabrikation in ausgedehntester und rationellster Weise betrieben wird.

Die Utensilien.

Wie aus dem obigen hervorgeht, fehlt es an erleichternden Mitteln nicht, und doch war es nur möglich, das Hauptsächlichste zu erwähnen. Sowohl Hülfsmaschinen als Utensilien werden jährlich vermehrt und verbessert. Nicht wenig erleichtert ist die Anschaffung derselben durch die Utensilien-Geschäfte, welche alle notwendigen Gegenstände von der Ahle ab und bis zu der grössten Schnellpresse liefern, ja selbst die Einrichtung vollständiger Druckereien übernehmen, so dass der Besteller nur unter Angabe der besonderen Orts- und Geschäfts-Verhältnisse den Preis bestimmt, alles andere dem Lieferanten überlassend[52].


So bedeutend auch der Fortschritt von dem Ballen und der Lederwalze zu der Massenwalze war, so litt die letztere doch unter wesentlichen Mängeln, namentlich war ihre Brauchbarkeit sehr von der Temperatur und der Witterung beeinflusst. Zu Zeiten schwanden die Walzen, dann wurden sie hart wie Stein, bald nahmen sie, wenn sie zu feucht waren, die Farbe nicht an, bald wurden sie so weich, dass sich die Form mit Walzenmasse vollschmierte, bald mussten sie am Ofen oder mittels brennender Fidibusse erwärmt, bald mit Sägespänen abgerieben, geschabt, gewaschen, schliesslich, unter Ersatz der klumpig gewordenen Masse durch neue, umgegossen[72] werden. Waren die lokalen Verhältnisse nicht besonders günstig, so konnte man wohl rechnen, dass der zehnte Teil der Arbeitszeit durch Pflege der Walzen verlorenging.

Englische Walzenmasse.

Diesen Übelständen ist durch die Englische Walzenmasse, die hauptsächlich aus Gelatine und Glycerin besteht, abgeholfen. Jede Fabrik solcher behauptet, im Besitz von geheimen Rezepten zu sein; das hauptsächlichste Geheimnis besteht wohl darin, das vorzüglichste Material zu nehmen und alle wässerigen Teile daraus zu scheiden. Ohne solche Walzen würden der vollen Ausnutzung der Rotationsmaschinen bei der starken Reibung und dem schnellen Gang immer noch grosse Schwierigkeiten erwachsen.

Eine weitere Verbesserung sind die Lanham-Walzen. Waren sie anfänglich nur für lithographische Schnellpressen bestimmt, so liefert der Erfinder jetzt auch ein Fabrikat für typographische Maschinen, das sich vorzüglich bewährt. In der Offizin des Daily Telegraph druckt jede Hoesche Maschine stündlich 1000 Exemplare mehr seit Verwendung der Lanham-Walzen. Der Hauptbestandteil derselben ist vulkanisierter Kautschuk, der wieder mit einem in besonderer Weise präparierten Kautschuk-Überzug versehen ist.

Die Farbenfabrikation.

Nachdem die Druckereien aufgehört hatten, ihre Farbe selbst zu fabrizieren, entstanden Etablissements, die sich ausschliesslich mit dieser Fabrikation beschäftigten, deshalb auch imstande waren, rationell zu fabrizieren und gute Farben billig zu liefern. Auch hier standen die englischen Fabrikate obenan, und es gab eine Zeit, bis um das Jahr 1840, wo in Deutschland kein illustriertes, oder selbst ein in der Ausstattung nur einigermassen hervorragendes Werk mit anderer Farbe als der von Parson oder Lawson gedruckt werden durfte. Ist die englische Farbe auch jetzt ziemlich vom Kontinent verdrängt, so behauptet sie doch ihren guten Ruf. Sie zeichnet sich durch ihren tiefen, etwas ins Bläuliche spielenden Ton aus, der ausserordentlich schön ist, den Illustrationen jedoch etwas Kaltes giebt. Die bedeutendsten Fabrikanten sind Parsons, Fletcher & Co. in London und A. B. Fleming & Co. in Leith, wohl die grösste Farbenfabrik der Welt.

Fußnoten:

[27] Die Sitte in England, manchmal eine Offizin als Press zu bezeichnen, hat in Deutschland öfters zu Missverständnissen Anlass gegeben. So stand in einem deutschen Fachblatt, dass Lord Stanhopes eiserne Presse unter der Bezeichnung Shakespeare-Press verbreitet sei, während diese Bezeichnung die Firma für Bulmers Offizin war, wo die Stanhope-Presse zuerst arbeitete.

[28] Journ. f. B. 1834, Nr. 10; 1835, Nr. 24.

[29] Beschrieben und abgebildet Journ. f. B. 1834, S. 62.

[30] Über die von J. Clymer erfundene Patent-Columbiapresse. Braunschweig 1828. — Journ. f. B. 1834, S. 95.

[31] Journ. f. B. 1836, Nr. 42.

[32] Journ. f. B. 1835, Nr. 33.

[33] Journ. f. B. 1838, Nr. 33.

[34] Journ. f. B. 1835, Nr. 81.

[35] Journ. f. B. 1835, Nr. 4.

[36] J. f. B. 1834, Nr. 62.

[37] Journ. f. B. 1835, Nr. 55; 1836, Nr. 122.

[38] König & Bauer, Die ersten Druckmaschinen erbaut in London bis zu dem Jahre 1818. Mit Abbildungen. Leipzig 1851. — S. Smiles, Frederick König, Inventor of the steam printing machine. MacMillans Magazine, Dzbr. 1869. — Th. Goebel, Fr. König und die Erfindung der Schnellpresse. Braunschweig 1875. — Königs Jugendgeschichte und die spätere Geschichte des Etablissements König & Bauer in Kloster Oberzell ist in Kap. X behandelt.

[39] Erbauer der Paulskirche in London.

[40] Repertory of arts vol. 1, 1796. — Savage, Dictionary of the art of printing. 1841.

[41] Cowpers Maschine ist in Monthly Magazine vom 1. Jan. 1819 beschrieben und abgebildet.

[42] A description of A. Applegaths & Cowpers horizontal machine and of Applegaths vertical machine for printing the Times. London 1851.

[43] Wenn in dem Folgenden von Leistungen der Maschinen ohne eine Zeitbestimmung gesprochen wird, ist stets damit in einer Stunde gemeint.

[44] In Deutschland arbeitet unseres Wissens nur ein Exemplar in der Viewegschen Buchdruckerei in Braunschweig.

[45] Journ. f. B. 1860, Nr. 30.

[46] R. Hoe & Co., The typographical Messenger, 1869.

[47] Diese Bezeichnung wurde halb im Scherz von den „Annalen der Typographie“ gebraucht und dann von Anderen acceptiert. „Rotationsmaschine“ ohne nähere Bezeichnung deckt den Begriff der „Endlosen“ nicht genau.

[48] Eine Reihe von Artikeln, welche die englischen und amerikanischen Endlosen beschreiben und abbilden, sind separat erschienen als: J. F. Wilson, Typographic Printing Machine and Machine Printing. London 1871.

[49] Ann. d. Typ. 1. Bd. Nr. 32; V. Bd. Nr. 235.

[50] Fr. Noble, The principles and practice of colour printing. London 1881.

[51] Tapley. Leming Ray & Lynede in Manchester. L. Poirier & G. Legrand in Paris. A. Fichtner (für Haufler & Schmuterer) in Wien.

[52] Wer die unendlich vielen Gegenstände, welche ein solches Geschäft verhandelt, näher durch Beschreibung und Abbildungen kennen lernen will, dem ist eine Reihe von Artikeln im Journ. f. B. 1867, Nr. 31, 32, 36, 37 zu empfehlen. Nicht weniger Interesse bieten die grossen illustrierten Kataloge, die fast alle bedeutenden Utensilienhandlungen herausgeben.

[73]


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III. KAPITEL.

DIE TYPOGRAPHIE UND DAS BUCHGEWERBE ENGLANDS.

England. Aufblühen der Typographie: J. Baskerville, Bowyer Vater und Sohn, J. Nichols, Miller-Ritchie, W. Bulmer, Th. Bensley, Hansard Vater und Sohn. Die Xylographie: Thom. Bewick. Der Farbendruck: G. Baxter, W. Savage, W. Congreve. Oxford, Cambridge, Edinburgh u. a. Die Zeitungspresse: Die Times und die Familie Walter; Stempel; Telegraphischer Verkehr; Inseratenwesen; Statistisches. Der Accidenzdruck. Der Buchhandel: die illustrierten Blätter, Ch. Knight. Der Bibeldruck. Die Bibliophilie: Lord Spencer, T. F. Dibdin. Die Buchbinderkunst.

Asien: Indien, China, Japan, der Indische Archipel. — Australien, die Südseeinseln. — Afrika.

John Baskerville * 1706, † 8. Jan. 1775.
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LS der eigentliche Schöpfer der neueren englischen Typographie gilt John Baskerville, 1706 in Wolverley in Worcestershire geboren. Im Jahre 1726 leitete er eine Schreibschule in Birmingham; 1745 übernahm er ein Lackiergeschäft, durch welches er viel Geld verdiente. Seine Neigung war jedoch der Buchdruckerei zugewandt. Von der Universität Cambridge erhielt er die Erlaubnis, eine Bibel in Folio und zwei Ausgaben des Common Prayer Book zu drucken, gegen Zahlung einer Abgabe an die Universität von 20 resp 12 £ Sterl. für je 1000 Exemplare und an die Stationers Company weitere 12 £ Sterl. für die Erlaubnis, seinen Ausgaben die Psalmen anzufügen. Zu seinen berühmtesten Druckwerken gehören die Ausgaben[74] des Virgil in 4° und in 12°, sowie sein Horaz von 1762. Baskerville wendete seinen Arbeiten eine unausgesetzte Aufmerksamkeit zu. Er bereitete selbst seine Farben und baute selbst seine Pressen. Namentlich waren seine schönen Buchschriften, ganz besonders seine Cursivschriften, berühmt. Auch dem Papier und dessen Behandlung widmete er die grösste Sorgfalt, die gedruckten Bogen wurden einzeln zwischen zwei erwärmten Kupferplatten gepresst. Jetzt ist jedoch das Aussehen seiner Drucke keineswegs schön, mutmasslich hat unrichtige Behandlung bei der warmen Pressung nachteiligen Einfluss auf das Papier geübt.

Trotz aller Liebe zur Kunst wurde doch Baskerville derselben müde und erklärte, er bereue es bitter, je ihre Ausübung angefangen zu haben. Seinem letzten Willen gemäss wurde er in seinem Grundstück in ungeweihter Erde unter einer Windmühle begraben.

Nachkommen hinterliess Baskerville nicht. Seine Witwe hörte schon 1775 zu drucken auf, setzte aber die Schriftgiesserei noch bis 1777 fort. So viele Vorzüge auch Baskervilles Schriften besassen, so fanden sie doch nicht allgemeinen Beifall bei dem englischen Publikum, das den Schriften Caslons und Jacksons den Vorzug gab. Sie lagen nun als tote Masse da, bis der bekannte Beaumarchais in Paris sie im Jahre 1779 um den Preis von 3700 £ Sterl. kaufte; die Universität Cambridge hatte die angebotene Erwerbung abgelehnt.

W. Bowyer d. ä. * 1663, † 1737.

Ein grosses Ansehen als einer der gelehrtesten, tüchtigsten und bravsten Buchdrucker erwarb sich William Bowyer d. j. Bereits sein Vater Will. Bowyer d. ä. besass einen höchst geachteten Namen. Er hatte 1686 ein Verlagsgeschäft, 1699 eine Buchdruckerei begründet. Wie gross die Achtung war, die er genoss, zeigte sich, als sein Geschäft in der Nacht vom 29. zum 30. Januar 1712 vollständig durch Feuer zerstört wurde. Durch rasche Subskription deckten Freunde und Konkurrenten mehr als die Hälfte des ihm entstandenen Schadens von 5000 £ Sterl.

W. Bowyer d. j. * 19. Dez. 1699, † 18. Nov. 1777.

Der Sohn William Bowyer d. j. studierte in Cambridge, wo er von 1716–1722 mit litterarischen Arbeiten und Korrekturen wissenschaftlicher Werke beschäftigt war. Dann trat er in das Geschäft des Vaters und fuhr fort, den mehr litterarischen Teil desselben zu besorgen, worin ihn seine zweite Frau, Elizabeth Bill,[75] vortrefflich unterstützte. 1729 wurden Bowyer die Arbeiten des Unterhauses übertragen, die er fast 50 Jahre lang lieferte[53].

John Nichols * 15. Juli 1779, † 26. Mai 1826.

Im Jahre 1766 hatte Bowyer John Nichols zum Teilhaber genommen. Dieser hatte bei Bowyer gelernt und sich so gut betragen, dass Bowyer die Hälfte des Lehrgeldes an den Vater Nichols' zurückzahlte. Aus dem Lehrherrn und dem Lehrling wurden Freunde und Associés. Nach Bowyers Tod behielt Nichols das Geschäft allein. Er war nicht nur Erbe der Tüchtigkeit und Gelehrsamkeit seiner Vorgänger, sondern auch von deren Unglück, denn am 8. Februar 1808 war wieder das Feuer Verheerer alles dessen, was seit fast hundert Jahren, seit dem ersten Brande, an Verlag, seltenen Büchern, Druckmaterial u. s. w. gesammelt war. Nichols war jedoch nicht der Mann, den Mut zu verlieren. Mit seinem Sohne und Associé, der den Zunamen Bowyer angenommen hatte, richtete er alles aufs neue ein. 1804 war er Vorsteher der Stationers Company geworden und hatte damit das Ziel seines geschäftlichen Ehrgeizes erreicht. Seit 1806 beschäftigte er sich zumeist mit litterarischen Arbeiten.

Will. Strahan * 1715.

William Strahan kaufte einen Teil des Patentes eines königlichen Buchdruckers, erwarb für so hohe Honorare, wie sie selten bezahlt worden waren, die Verlagsrechte von Arbeiten der hervorragendsten Autoren seiner Zeit und ward 1774 Vorsitzender der Stationers Company. Er stand zu einer Reihe von bedeutenden Persönlichkeiten in naher Beziehung, unter anderen zu Franklin, mit Andr. Strahan † 1831.
Thom. Spilbury
dem er in London zusammen gearbeitet hatte. Noch in einem seiner letzten Briefe an Strahan bespricht Franklin in von der Buchdruckerkunst entlehnten Allegorien und Ausdrücken scherzhaft die Politik. Der Sohn Andrew Strahan trat in die Fussstapfen des Vaters und fand in Thomas Spilbury einen würdigen Nachfolger, der französische Klassiker mit solcher Korrektheit druckte, dass sie selbst in Frankreich den französischen Ausgaben vorgezogen wurden.

Miller Ritchie † 28. Nov. 1828.

Die Vervollkommnung des Werkdruckes, in welchem die Engländer so bedeutendes geleistet haben, hat man wesentlich Miller Ritchie, einem geborenen Schottländer, zu verdanken. Er begann seine Laufbahn 1785 mit einer Royal-Oktav-Ausgabe der[76] englischen Klassiker, für welche zum erstenmale das gelblich gerippte Papier Whatmans benutzt wurde. Eine Quartbibel in zwei Bänden folgte. Wie Baskerville hatte er schwer mit dem alten Schlendrian der Arbeiter zu kämpfen und oft musste er zu den Druckerballen greifen, wenn er einen ihn befriedigenden Druck haben wollte[54]. Er fand jedoch zwei mächtige Bundesgenossen für seine Bestrebungen in dem Papierfabrikanten Whatman und dem Farbefabrikanten Blackwell, wie überhaupt das vortreffliche Papier und die gute englische Farbe ausserordentlich viel zu dem Übergewicht englischer Werkdrucke beigetragen haben. Trotz seiner Tüchtigkeit, oder vielleicht eben weil er die Vorzüglichkeit der Arbeit höher stellte als den Gewinn, konnte Miller Ritchie keine unabhängige Stellung behaupten.

Will. Bulmer * 1754, † 1830.

Als ein würdiger, zugleich glücklicherer Nachfolger in denselben Bestrebungen muss William Bulmer genannt werden, dessen Name mit dem Schönsten und Korrektesten verbunden ist, was die Buchdruckerkunst Englands, die durch ihn auf die höchste Stufe der Vollendung gebracht wurde, aufzuweisen hat. Bulmer, in Newcastle geboren, wurde während seiner Lehre dort mit dem später so berühmten Holzschneider Thomas Bewick, für den er die Probedrucke besorgte, bekannt und brachte ihn auf den Gedanken, die Holzschnitte abzuflachen, so dass die leichteren und verschwindenden Stellen tiefer zu liegen kamen, wodurch der Abdruck eines Holzschnittes, selbst ohne jede Zurichtung, sich in den richtigen Abstufungen der Farbentöne zeigt. Durch einen Zufall kam er in Verbindung mit dem Buchhändler George Nicol, der eine grosse Prachtausgabe von Shakespeares Werken vorbereitete, die in artistisch-typographischer Hinsicht alles übertreffen sollte, was bis dahin geliefert war. Das Werk, 9 Bände Folio und ein Band Kupfer (1794–1801), wurde in Bulmers Offizin, genannt Shakespeare-Press, gedruckt mit Schriften, die von William Martin in Birmingham geschnitten waren. Der Druck des Werkes, das im Jahre 1794[77] begonnen wurde und allein wohl mehr Bogen enthielt, als alle Bodonischen Prachtausgaben zusammen, ist von unübertroffener Gleichmässigkeit; der letzte Bogen sieht genau aus wie der erste. Neben diesem Werk ist die grosse Ausgabe von Milton, 3 Bände Folio, zu erwähnen, die typographisch vielleicht noch höher als die von Shakespeare steht; dann die Ausgabe von Goldsmith und Parnell. 1798–1803 wurde das prachtvolle Museum Worsleyanum, zwei Bände Folio, gedruckt, auf welches Richard Worsley 27000 £ Sterl. verausgabte und das nie in den Handel kam. Aus der Reihe der grossartigen Druckwerke Bulmers nennen wir noch Dibdins Typographical Antiquities und die Bibliotheca Spenceriana, wohl das brillanteste bibliographische Werk, das existiert. Ein Meisterstück der Bulmerschen Pressen ist ferner Dibdins Bibliographical Decameron mit einer grossen Anzahl von Vignetten. Er druckte auch 1808 Wilkins Sanskrit Grammar, ein Quartband von 662 Seiten in prachtvoller Ausstattung. 1819 zog er sich ganz vom Geschäft zurück, das auf Will. Nicol, den Sohn seines Freundes, überging. Auch Bulmer wurde vortrefflich durch Whatman und ausserdem durch den Holzschneider Bewick unterstützt. Als der bedeutendste Drucker und Mitarbeiter Bulmers wird Daniel Grimsshaw genannt. Ein Hauptstreben Bulmers war auf eine vorzügliche Farbe gerichtet. Diese lieferte erst Rob. Martin in Newcastle; bei der Unmöglichkeit für diesen, Bulmers Bedarf zu decken, fand letzterer sich veranlasst, selbst die nötigen Einrichtungen zur Gewinnung eines zufriedenstellenden Fabrikates zu treffen.

Th. Bensley und andere.

Ein Rival Bulmers, dessen Verhältnis zu König und Bauer schon erwähnt wurde, war Thomas Bensley. Als jener seinen Shakespeare druckte, folgte Bensley mit seiner prachtvollen Bibel von Maclin in sieben Bänden in Quarto. Ganz vorzüglich war auch die Ausgabe von Thomsons Jahreszeiten.

Ch. Whitaker.

Schöne Drucke lieferte im Beginn dieses Jahrhunderts auch Charles Whitaker. Seine Ausgabe der Magna Charta, ganz in Golddruck von hervorragender Schönheit mit illuminierten Initialen, ist eine grosse Seltenheit. Seinen Golddruck behandelte er als Geheimnis und schlug das Anerbieten der Gesellschaft zur Förderung der Kunst ab, das Verfahren gegen eine öffentliche Belohnung bekannt zu geben.

[78]

Zu den schönsten englischen Presserzeugnissen gehört das Gedicht The Press, von dem Buchdrucker John M'Creery im Jahre 1803 gedichtet und gedruckt, und von Holl illustriert.

Ch. Whittingham * 16. Juni 1767.

Charles Whittingham war in Calledon bei Coventry geboren. Im Jahre 1792 etablierte er sich in London, wo er bis 1811 viele schöne Werke für Londoner Verleger druckte. Er war einer der ersten, welche die Zurichtung der Holzschnitte zur Vollkommenheit brachten. Im Jahre 1811 überliess er seinem Teilnehmer Rowland die Leitung des Londoner Geschäfts und zog nach Chiswick. Aus seiner Chiswick-Press ging unter anderen bedeutenden Werken in den Jahren 1819–1822 eine vortreffliche, nur in 500 Exemplaren gedruckte und auf einmal herausgegebene Oktav-Ausgabe der englischen Dichter in 100 Bänden hervor. Das Geschäft ging auf Whittingham II. * 30. Okt. 1795.den Neffen Charles Whittingham über, der jedoch daneben eine von ihm selbst begründete Offizin in London hatte, wo er, mit Peels Werken beginnend, eine Reihe von schönen Ausgaben für Will. Pickering bis zu dessen 1854 erfolgtem Tode druckte. Sein Sohn Ch. John Whittingham starb am 21. April 1876.

Luke Hansard * 5. Juli 1752, † 28. Okt. 1828.

Berühmt wurden auch Hansard Vater und Sohn. Ersterer, Luke Hansard, ist namentlich als Parlamentsdrucker bekannt. Er lernte in seiner Vaterstadt Norwich und arbeitete später in dem Geschäft des Parlamentsdruckers John Hughs. Hansard wurde erst Dirigent der Buchdruckerei, dann Teilhaber und im Jahre 1800 Alleinbesitzer. Sein Ruf wurde durch die ungewöhnliche Promptheit, mit welcher er stets die Regierungsarbeiten ausführte, fest begründet. Freilich war es auch lohnend, für die Regierung zu arbeiten. Die Rechnungen Hansards d. j. betrugen 1829 125772 £ Sterl.; in dem Jahre 1830 wurde für 86217 £ Sterl. gedruckt. 1831 machten die Parlamentsakten 120 Foliobände aus[55]. Luke Hansard starb, 77 Jahre alt, im Besitz des allgemein verbreiteten Rufes, ein seltener Mensch gewesen zu sein[56].

Th. C. Hansard * 6. Nov. 1776, † 14. Mai 1833.

Thomas Curson Hansard, der Sohn und Nachfolger Lukes, ist namentlich bekannt als Verfasser der Typographia, des renommiertesten englischen Handbuches der Geschichte und Technik der[79] Buchdruckerkunst, welches eine Menge schätzbares Material enthält, dessen bessere Sichtung und Durcharbeitung jedoch sehr zu wünschen gewesen wäre.


Xylographie.

Gleichzeitig mit der Wiedergeburt der Typographie erhob sich auch die Xylographie aus dem Elend, in welches sie versunken war, eine Renaissance, die wir ebenfalls einem Engländer verdanken, was um so mehr überrascht, als England zu einer Zeit, wo diese Kunst in Deutschland, Frankreich und Italien blühte, noch gar keine Holzschneidekünstler aufzuweisen gehabt hatte. Auf welcher Stufe der Unbedeutendheit die Xylographie sich befand, geht daraus hervor, dass zu Anfang des XIX. Jahrhunderts London nur zwölf Holzschneider zählte. Man kann sonach, was England betrifft, fast richtiger von einer Geburt als von der Wiedergeburt der Kunst durch Thomas Bewick reden.

Th. Bewick * 12. Aug. 1753, † 8. März 1828.

Die ersten Übungen seines Zeichnertalentes bestanden in dem mit Kreide Bemalen fast aller Häuser in Cherry-Burn, seinem Geburtsorte. Mit dem 14. Jahre kam er in die Lehre bei einem tüchtigen Graveur in Newcastle: Ralph Beilby.

Als ein Gelehrter, Dr. Hutton, ein grosses Werk über die Messkunst herausgab, riet ihm Beilby, statt Kupferplatten Holzschnitte für die Illustrationen zu wählen. Hutton ging auf diesen Gedanken ein und die Ausführung der Holzschnitte wurde Bewick anvertraut, der sich seiner Aufgabe so geschickt entledigte, dass ihn Beilby aufmunterte, seine gesamten Kräfte dieser vernachlässigten Kunst zu widmen. Nachdem er sich eine zeitlang in London und in Schottland aufgehalten hatte, kehrte er nach Newcastle zurück und wurde in dem Geschäft seines Lehrers Teilhaber. Er bildete nun auch seinen Bruder John für die Kunst aus. Eine Ausgabe von Gays Fabeln gab den Brüdern Gelegenheit, ihr Talent in einer höheren Kunstrichtung zu zeigen. Ein Holzschnitt „Der alte Hund“ erhielt im Jahre 1775 die von der Gesellschaft der Kunst ausgesetzte Prämie für den besten Holzschnitt. Die „Geschichte der Vierfüssler“ erschien 1790; das berühmte Werk „Die Geschichte der englischen Vögel“ folgte 1797. Kühnheit der Zeichnung, Lebendigkeit und Naturtreue in den Stellungen, Korrektheit und Unterscheidung des Charakters, der Lebensweise und der Bewegung in allen Figuren sind Vorzüge[80] der Holzschnitte Bewicks. Der Bruder John starb bereits am 21. Oktober 1795 in seinem 25. Jahre. Er kam seinem Bruder an Talent gleich, lebte aber nicht lange genug, um einen solchen Ruf wie dieser zu erlangen. Die Holzschnitte des Thomas Bewick sind zum grossen Teil in einem im Jahre 1870 erschienenen Album vereinigt[57].

Seit Bewicks Zeit hat England eine sehr grosse Zahl tüchtiger Xylographen aufzuweisen, und es gab eine Zeit, wo die englischen Holzschneider auch auf dem Kontinent massgebend waren.

Der Farbendruck.
W. Savage.

Wie England sich in der neueren Xylographie als bahnbrechend zeigte, so auch in dem Farbendruck. Zuerst ist William Savage zu nennen, geboren zu Houdon in Yorkshire, wo er sich auch mit seinem Bruder James 1790 als Drucker und Buchhändler etablierte. William ging 1797 nach London, und wurde dort vorzüglicher Drucker und Verfasser der epochemachenden: Hints on decorative Printing in zwei Teilen (1819–1832). 1840 folgte sein bekanntes Werk Dictionary of the Art of Printing. Übertroffen wurde er von George Baxter.George Baxter, der seine ersten Versuche 1835 machte und Patent auf den Druck von Bildern mit Ölfarben nahm. Baxter druckte den Untergrund und die Umrisse mit Stahlplatten, dann die einzelnen Farben von Holzstöcken, deren Zahl mitunter zwanzig überstieg. Seine besten Arbeiten finden sich in seinem Pictorial-Album, das 1837 bei Chapman & Hall erschien. In Landschaften ist er nicht übertroffen worden. Von einem kleinen Blatt „Die Dreieinigkeit“ nach Rafael wurden über 700000 Exemplare verkauft.

Will. Congreve * 1772.

Eine weitere Art des Farbendruckes, welche eine zeitlang eine bedeutende Rolle spielte, ist diejenige von dem, auch durch seine Tod und Verderben schleudernden Raketen bekannten Sir William Congreve erfundene. Congreve war Zeuge von dem mühsamen zweifarbigen Druck in der Applegathschen Buchdruckerei gewesen, und da die englische Regierung einen Preis auf die Herstellung unnachahmlicher Banknoten gesetzt hatte, richtete er alle seine Gedanken auf diesen Punkt. Er erhielt ein vierzehnjähriges Patent[81] auf eine von Donkin für ihn gebaute Maschine. Das Prinzip des Congreveschen Druckes beruht darauf, die verschiedenen Teile einer Metallplatte, insoweit diese mit einer und derselben Farbe gedruckt werden sollen, knapp aus der Platte herauszusägen, so dass sie, wieder in einander gefügt, ein Ganzes bilden. Nach einander werden die Teile, welche eine und dieselbe Farbe bekommen sollen, durch Unterlagen hochgestellt und eingefärbt, bis schliesslich das Ganze, welches nach Entfernung aller Unterlagen eine glatte Oberfläche bildet, mit einem Zug des Bengels abgedruckt werden kann. Im Verein mit einem Buchdrucker Whiting legte Congreve eine Buchdruckerei an, die sich hauptsächlich mit Druck von Etiquetten u. dgl. beschäftigte. Durch die Fortschritte der Lithographie und die Erfindung der Mehrfarbenmaschinen ist Congreves Methode so gut wie verdrängt. Die Engländer nennen sie Compound Printing, die Bezeichnung „Congreve-Druck“ rührt von Ed. Hänel her, der das Verfahren nach Deutschland brachte.


Ausser London haben als Druckorte in England nur Oxford und Cambridge, in Schottland Edinburgh eine grössere Bedeutung.

Oxford.

Von den Buchdruckereien der beiden englischen Universitäten nimmt die in Oxford den bei weitem wichtigeren Platz ein. Nachdem sie von 1669–1713 in dem Sheldonian Theater installiert gewesen war, wurde sie in den Clarendonbau übergeführt und blieb dort, bis sie 1830 die schöne und geräumige Lokalität bezog, die sie jetzt noch innehat. Bei der Abgesondertheit von dem grossen Verkehr war es notwendig, alle Branchen, sogar Farbe- und Walzenfabrikation, zu vereinigen. Gebunden wurden die Bücher in der Universitätsbuchbinderei in London. Das Papier lieferte eine der Universität gehörende Fabrik in Wolvercote. Eine besonders gepflegte Spezialität war neben dem Bibeldruck die Herstellung orientalischer Werke. Die Druckerei erhielt seit der Clarendonschen Stiftung noch öfters wertvolle Dotationen, so z. B. 1785 eine von Lord Godolphin im Betrag von 5000 £ Sterl.

Cambridge.

Die Universitätsdruckerei in Cambridge, Pitt-Press genannt, befindet sich seit 1834, gerade drei Jahrhunderte nach ihrer Begründung, in einem neuen, im Stil des XV. Jahrhunderts, erbauten kirchenähnlichen Gebäude, das 1860 erweitert wurde. Die Kosten[82] wurden zumteil aus den Überschüssen des zu einem Denkmal für William Pitt gesammelten Fonds bestritten. Die Offizin kann sich an Bedeutung für die Wissenschaft zwar nicht mit der Clarendon-Press in Oxford messen, hat jedoch in neuerer Zeit einen raschen Aufschwung genommen, welcher namentlich C. J. Clay, seit 1856 Direktor und Teilnehmer sowohl des Cambridger als des Londoner Geschäfts der Universität, zuzuschreiben ist.

Edinburgh.

In Edinburgh, dem „Neuen Athen“, herrschte zu Beginn des laufenden Jahrhunderts ein sehr bewegtes litterarisches und typographisch-bibliopolisches Leben.

James Balantyne * 1772, † 16. Juni 1821

Der bekannteste Buchdrucker war dort James Balantyne[58]. Nachdem er der Jurisprudenz, seinem vorherigen Berufe, Lebewohl gesagt hatte, etablierte er in seiner Vaterstadt Kelso eine Buchdruckerei. Ein Zufall brachte ihn auf einer Reise mit seinem früheren Schulkameraden Walter Scott zusammen, woraus eine, für beide erst glänzende, dann verhängnisvolle Geschäfts-Verbindung entstand. Die von Balantyne gedruckte Ausgabe der Balladen Walter Scotts erregte durch ihre schöne Ausstattung solche Aufmerksamkeit, dass man Balantyne veranlasste, nach Edinburgh überzusiedeln. Seine Offizin nannte er The Border-Press, nach dem Werke Scotts Minstrelsy of the Scottish Border. Bis 1826 druckte er nun alle Werke Walter Scotts, der Teilhaber der Druckerei und des wöchentlich erscheinenden Edinburgh Journal wurde. Walter Scott sowohl als sein Drucker erlitten — wie es kam, ist nicht ganz aufgeklärt — einen gemeinschaftlichen finanziellen Ruin. Thatsache ist, dass ihre Freundschaft diesen überlebte. Balantyne war auch ein von Walter Scott gern gehörter Kritiker, der mit grosser Sorgfalt und vielem Verständnis die manchmal flüchtigen Manuskripte des Dichters verbesserte.

Die letzte Veranlassung zu der erwähnten Katastrophe gab der plötzliche Fall des Verlegers Walter Scotts Archibald Constable, der zugleich Verleger der Encyclopaedia Britannica geworden und 1802 das Edinburgh Review begründet hatte, welche Werke später alle auf A. Ch. Black übergingen.

A. Black * 1784.

Der Begründer dieser Firma war Adam Black im Verein mit seinem Neffen Charles Black. Das Edinburgh Review erwarben[83] sie 1826 gemeinschaftlich mit Th. N. Longman, allein kauften sie die Encyclopaedia Britannica, die eine glänzende Aufnahme fand. Die Kosten der 1842 beendigten siebenten Auflage, 21 Bände in Quarto, betrugen über 2½ Millionen Mark; 1851 wurden Blacks Besitzer des Verlagsrechtes auf Scotts Romane.

Ebenfalls einen bedeutenden Ruf hatten die Firmen W. Blackwood & Sons und R. & W. Chambers.

Blackwood d. ä. * 20. Dez. 1776, † 16. Sept. 1834.
Blackwood d. j. * 7. Dez. 1818, † 29. Okt. 1879.

Erstere wurde von William Blackwood 1804 begründet. Blackwood trieb erst Antiquariatsgeschäfte; 1811 fing er an zu verlegen. Das 1817 begonnene Edinburgh Monthly Magazine wollte nicht „ziehen“. Nach sechs Nummern erschien als Nr. 7 Blackwoods Magazine, das sofort Beifall fand. 1827 wurde die Edinburgh Cyclopaedia in 18 Bänden vollendet. Der Sohn Will. Blackwood, der von 1840–1845 das Londoner Geschäft der Firma verwaltet hatte, dann aber nach Edinburgh gezogen war, redigierte das Magazin bis zu seinem Tode mit der äussersten Sorgfalt[59].

W. Chambers * 1800.
Rob. Chambers * 4. Febr. 1802, † 17. Mai 1871.

Vor etwa sechzig Jahren gründeten die Brüder William und Robert Chambers erst eine Buchhandlung und dann eine Buchdruckerei mit einem Kapital von 3 £ Sterl., einem halben Zentner Schrift und einer elenden Holzpresse in der Absicht, gute und billige Bücher zu drucken. Tüchtigkeit und Energie brachten das Geschäft rasch in die Höhe. Am 4. Februar 1832 wurde das heute noch blühende Chambers Edinburgh Journal, das sofort 50000 Abnehmer fand, und 1845 deren 90000 zählte, gegründet. Dieses Journal, das vier Wochen vor dem Penny Magazine begann, hat sehr viel zu der Bildung des englischen Publikums beigetragen. 1844 begann Rob. Chambers ein höchst verdienstliches Werk: Cyclopaedia of English Litterature, enthaltend Biographien und kritische Charakteristiken von 832 Autoren nebst Proben ihrer Werke. 130000 Exemplare davon wurden in England verbreitet, eine nicht geringere Anzahl in Amerika[60].

Buchdrucker in der Provinz.

Von den bedeutenden Buchdruckern Edinburghs in neuester Zeit nennen wir Nelson & Co. mit ihrer grossen, sehr praktisch eingerichteten Offizin und W. C. Blackie & Co., namentlich in[84] Accidenzien bedeutend. Unter den Buchdruckern der Provinz zeichnet sich Stephan Austin in Hereford durch seine schönen orientalischen Drucke aus. John Heywood in Manchester besitzt vier Etablissements von grösster Ausdehnung, namentlich für die Stationery. Durch ein kleines Werkchen: The bona fide Pocket Dictionary hat sich John Bellow in Gloucester einen Namen unter den Meistern aller Zeiten erworben. Die zu dem Büchlein verwendete Schrift, nur 3⅜ typographische Punkte gross, schnitten Millar & Richard in Edinburgh und London.


Die Zeitungspresse.

Am staunenswertesten ist die Entwickelung, welche die Zeitungspresse trotz des erschwerenden Zeitungsstempels nahm. 1761 wurde letzterer auf einen Penny, 1776 auf anderthalb, 1789 auf zwei Pence festgestellt; 1794 musste der ganze Bogen drittehalb, 1799 viertehalb, schliesslich gar vier Pence zahlen. Im Jahre 1833 brachte diese Steuer dem Staate gegen 10½ Millionen Mark ein, zu welchen die Times allein zeitweilig über zwei beizutragen hatten. Für jedes Inserat musste 3 sh 6 d Abgabe gezahlt werden, infolge dessen die kleinste Bekanntmachung mit 7 sh berechnet wurde. Jede Zeitungsnummer kostete gewöhnlich 7 Pence.

Die Times.

Es ist nicht hier die Aufgabe, die Entwickelung des Zeitungswesens Schritt für Schritt zu verfolgen, geboten scheint es jedoch, in einem Handbuch der Buchdruckerkunst wenigstens der historisch gewordenen Offizin der Times, welche für alle folgenden grossartigen Zeitungsoffizinen als Muster galt, einige Worte zu widmen, um so mehr, als die Besitzer immer voran waren, wenn es galt, neue Erfindungen zu benutzen oder selbst die Initiative zu solchen zu ergreifen.

John Walter d. ä.

Der Begründer der Times, John Walter d. ä., war ein bedeutender Kohlenhändler. Als er sich vom Geschäft zurückgezogen hatte, verlor er als Beteiligter bei Schiffsassekuranzen sein ganzes Vermögen, nicht aber den Ruf eines braven und redlichen Mannes. Zum Glück für den Journalismus wurde durch einen Ministerwechsel seine Hoffnung auf eine Staatsanstellung zunichte. Damals führte ihn der Zufall mit einem Setzer Henry Johnson, einem Schwärmer für ein ihm patentiertes Logotypsystem, zusammen. Walter erwarb dessen Patent, modifizierte das System jedoch so wesentlich, dass[85] man es wohl als „System Walter“ bezeichnen kann. Die Typen wurden wie andere, jedoch etwas niedriger als üblich, gegossen, durch Untergiessen von Metall verbunden und auf die richtige Höhe gebracht. Walter etablierte sich nun als Logographic Printer und wurde von Benjamin Franklin und Sir Josuah Banks, Präsident der Gesellschaft der Wissenschaften, aufgemuntert. Er selbst nährte die ausschweifendsten Hoffnungen in betreff der Erfolge und teilte die Menschheit in zwei Klassen, Freunde und Feinde der Logotypen. In jedem, der Zweifel an seinem System hegte, erblickte er einen persönlichen Feind, so in dem bisher mit ihm eng befreundeten Schriftgiesser Caslon und dem berühmten Buchdrucker John Nicol. Der gekränkte Walter wollte, nachdem er es bereits mit einem Büchlein: Gabriel, the Outcast, versucht hatte, nun auch der Welt zeigen, dass man Zeitungen mit Logotypen zweckmässig herstellen könne. Am 1. Januar 1785 erschien Nr. 1 des Daily Universal Register. Es fand jedoch keinen grossen Beifall und mit dem 1. Januar 1788 wurde der Titel in Times umgeändert, deren erste Nummer jedoch in der angefangenen Reihenfolge weiter als Nr. 940 erschien.

So war der Anfang der Times, die später zwar den Besitzern reichen Segen, anfänglich jedoch schwere Sorgen brachten. Das Logotypsystem wurde von Walter selbst als unpraktisch über Bord geworfen.

John Walter II.

Dem alten Walter folgte der Sohn John Walter ii. Denselben klaren Blick, welcher ihn sofort sich der Erfindung Friedr. Königs bemächtigen liess, zeigte er auch in allen anderen Verhältnissen. Es giebt Zeitungen mit einer weit grösseren Auflage, als die Times sie je gehabt, aber kein Blatt hat je eine bedeutsamere Stellung eingenommen. Sie wurden eine förmliche Macht, auf deren Stimmabgabe Behörden, Richter, die Vertreter des Handels und der Industrie spannten und mit der Regierungen wie mit einer gleichberechtigten unterhandelten. Jeder Engländer betrachtete dieses Institut wie einen Teil seines eigenen Ichs und eine Schädigung desselben wie eine ihm selbst zugefügte. Kein Fremder, der nach London kam, vergass, wenn er die Erlaubnis zu einem Besuch in der Offizin im Printinghouse-Square erhielt, einen solchen abzustatten.

Die neue Times-Druckerei.

Doch diese historisch berühmten Räume wurden dem Blatt nach und nach zu eng und mussten durch Neubauten ersetzt werden.[86] Die Hauptfaçade derselben, in einer Länge von 100 englischen Fuss und einer Höhe von 60 Fuss, die für den breiten Giebelteil auf 80 Fuss steigt, liegt nach der Victoriastrasse. Das Kellergeschoss bildet einen grossen, 16 Fuss hohen Raum und ist ausschliesslich dem Bau der „Waltermaschine“ gewidmet. Das Gebäude, von roten und gelben polierten Ziegeln aufgeführt, enthält ausserdem noch ein Parterre und vier Stockwerke; jede Etage hat neun halbbogenförmige Fenster. Der Eingang, architektonisch reich geschmückt, in gehauenen Steinen ausgeführt und mit Bogen, die auf polierten Granitsäulen ruhen, befindet sich an dem westlichen Ende. Ein vier Fuss hoher Karnies aus gehauenen Steinen wird durch den Giebelbau, der fast zweidrittel der Länge einnimmt, unterbrochen. Als Ausschmückung sind auf diesem drei grosse offene Bücher, von reichem Eichenlaub mit Eicheln umgeben, angebracht. Auf dem mittelsten derselben ist mit grossen schwarzen Buchstaben zu lesen: Times; auf dem links: Past Times; auf dem rechts: Future.

Die Times haben direkte Drähte von Wien, Berlin und Paris. Mit den Sälen der Parlamentshäuser stehen sie durch telephonische Leitung in Verbindung. Das Endstück in der Offizin ist mit zwei Tuben versehen, welche an den Ohren des an der Kastenbeinschen Setzmaschine arbeitenden Setzers angebracht sind. Der Reporter spricht ihm die Verhandlungen zu, der Setzer spielt sie auf seinem Klavier ab, und der Satz ist fertig. Man hat dabei alle die Vorteile des mündlichen Verkehrs, um Nichtverstandenes zu wiederholen und Missverstandenes aufzuklären. Gegen die bisherige telegraphische Verständigung bietet die telephonische den Vorteil, dass die Wiedergabe der Berichte über die in der Nacht stattfindenden Parlaments-Debatten fast um eine Stunde weiter reichen kann, als früher der Fall war.

John Delane.

Von 1841–1879 leitete John Thaddeus Delane das Blatt als Hauptredacteur mit grossem Geschick und feinem Takt, ohne jedoch bei der Herausgabe litterarisch thätig einzugreifen. Wenn man die Times so oft als das „leitende Blatt“ bezeichnet, so ist dies insofern vielleicht nicht ganz korrekt, als sie nicht den Anspruch erheben, die öffentliche Meinung zu „machen“. Ihr Hauptverdienst ist, rasch und sicher zu fühlen, was die öffentliche Meinung will, und[87] dies dann bestimmt auszusprechen, oft ehe sich das Publikum selbst darüber recht klar geworden ist. Ihre Ansichten gegen den Strom durchsetzen wollen die Times nicht, und deshalb sind oft Vorwürfe gegen dieselben erhoben worden, als hätten sie einen nachteiligen Einfluss auf den englischen Volksgeist und die englische Politik geübt. Damit haben wir es jedoch hier nicht zu thun; als Institution des Buchgewerbes muss den Times unbedingte Bewunderung ausgesprochen werden und es mögen die von Sir Ed. Lytton Bulwer im Parlament gesprochenen Worte noch hier stehen: „Wenn ich in der Lage wäre, ein Denkmal unserer Civilisation der späteren Nachwelt hinterlassen zu müssen, so würde ich nicht in erster Reihe unsere Docks, unsere Eisenbahnen, nicht unsere öffentlichen Gebäude, selbst nicht den Prachtbau, in welchem wir tagen; ich würde einen Band der Times wählen“. John Walter II. speziell muss jeder Deutsche seine Achtung zollen wegen der Art und Weise, wie er für Friedr. König eintrat. Ohne den festen Rückhalt, den letzterer an Walter fand, wäre er wahrscheinlich, als ein zweiter Gutenberg, in den Händen kleinlicher Geldmenschen, verkümmert.

Das Fallen der Stempelsteuer.

Das Sinken der fesselnden Steuer auf Zeitungen ging rascher als das Steigen. 1851 war sie ganz abgeschafft, 1861 die Papiersteuer. Jetzt stand der Entwickelung einer wohlfeileren Zeitungspresse, dem sogenannten Monopol der Times gegenüber, nichts im Wege, und man verfehlte nicht, rasch von der Lage Gebrauch zu machen. Zwar fehlte es nicht an ängstlichen Gemütern, welche gerade in den Erleichterungen einen Ruin der „guten Presse“ und ein Heraufbeschwören der bösen Geister erblickten. Diese Stimmen sind durch die mit den Times um den Einfluss kämpfenden Penny-Blätter zum Schweigen gebracht und noch jetzt gelten die Worte Macaulays: „Während eines Zeitraums von 170 Jahren ist die Freiheit unserer Presse immer vollständiger geworden und während dieser 170 Jahre ist die Beschränkung, welche das allgemeine Urteil der Leser den Schriftstellern auferlegt, immer strenger geworden. Noch heutzutage sind Fremde vollständig ausser Stande, zu begreifen, wie es geschehen kann, dass die freieste Presse in Europa zugleich die rücksichtsvollste ist.“


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Statistik der Zeitungspresse.

Was die Zahl der Organe betrifft, steht die englische Zeitungspresse nicht nur weit hinter Amerika, sondern selbst gegen Deutschland und Frankreich zurück, ihre Macht ist jedoch nicht in der Zahl, sondern in dem Umfang, der Reichhaltigkeit und der starken Verbreitung der Zeitungen zu suchen[61].

Im Jahre 1881 hatte Grossbritannien 1986 Zeitschriften, von welchen 378 in London, 1087 in der Provinz, 66 in Wales, 181 in Schottland, 181 in Irland und 20 auf den Kanalinseln erschienen. Unter diesen waren nur 153 Tagesblätter, von welchen 18 London, 94 der Provinz, 3 Wales, 21 Schottland, 16 Irland, 1 den Kanalinseln gehörten. 69 derselben kosteten nur 1/2 Penny, 70 1 Penny, die übrigen waren im Preise verschieden bis zu 3 Pence. Die Post allein versandte im Jahre 1880 131 Millionen Zeitungsblätter, was jedoch nur einen Bruchteil des Konsums, namentlich der Wochenblätter, repräsentiert. Der Daily Telegraph druckte eine amtlich beglaubigte Auflage von täglich 242215 Exemplaren im Durchschnitt; der Standard versandte 209555 Exemplare. Das macht für die zwei Blätter jährlich 135531000 Nummern, während die Gesamtzahl aller Tageszeitungen im Jahre 1851 nur 18 Millionen erreichte, zu welchen die Times allein etwa zweidrittel beitrugen. 1821 brachten es alle Zeitungen und Zeitschriften zusammen auf gegen 25 Millionen Nummern, heute beträgt die Jahressumme Einer Wochenschrift: Lloyds Weekly, bei einer Durchschnitts-Auflage von 612902 Exemplaren, 32 Millionen.

Und dabei, welchen Umfang haben die jetzigen Zeitungen! An einem aufs Geratewohl gewählten Tage, dem 13. Mai 1880, wiesen Times 120 ihrer Riesenspalten auf, davon 80 mit Anzeigen. Daily Telegraph hatte 96 Spalten, von welchen die Inserate 62 in Anspruch nahmen. Daily News und Standard brachten je 64 Spalten, erstere 36 Anzeigenspalten, letzterer 28. Eine Nummer eines Provinzialblattes, The Scottsman in Edinburgh, bestand aus 112[89] Spalten in Folio mit 33000 Zeilen und über 2 Millionen Buchstaben, etwa doppelt so viel, als ein dreibändiger Roman enthält.

Das Anzeigewesen ist sehr praktisch eingerichtet und man kennt in England nicht das Übermass von Accidenzschriften, Abbildungen u. dgl., von welchem der Inseratenteil der deutschen Zeitungen strotzt. Der Preis einer Inseratzeile ist gewöhnlich 1 sh.

Der telegraphische Verkehr.

Von enormer Bedeutung ist der telegraphische Verkehr der Zeitungen. Es gab eine Zeit, wo die Tagespresse sich rühmte, jetzt nur fünf Monate für die Herbeischaffung von Nachrichten aus Gegenden zu gebrauchen, wozu früher dreizehn Monate gehört hatten. Am 1. Oktober 1880 war 23 Minuten nach der Eröffnung der Welt-Ausstellung in Melbourne die Nachricht davon bereits von Reuters Bureau in London gedruckt ausgegeben, obwohl die Depesche fast durch ein Dutzend Linien hatte gehen müssen.

Im Jahre 1880 wurden 313500000 Wörter für die Zeitungen in England telegraphiert. In einer Nacht beförderte das Hauptamt in London oft 100000 Wörter, wobei der bedeutende Verkehr der Privatleitungen der Zeitungen nicht gerechnet ist.

Grosse Summen werden von englischen Blättern auch auf die Spezialkorrespondenten verwendet, die ebenfalls mit Telegrammen nicht sparsam sind. So erzählt man von einem Korrespondenten in Paris, dass er, um für eine zu erwartende wichtige Nachricht sich die Benutzung des Drahtes vorher zu sichern, stundenlang ganze Kapitel aus der Bibel telegraphiert habe.


Statistik der Buchdruckerei.

Die Anzahl der Buchdruckereien in Grossbritannien wird auf 4000 geschätzt. England besitzt eine verhältnismässig kleinere Zahl von Schnellpressen, was sich durch die grosse Leistungsfähigkeit der neuen Rotationsmaschinen erklärt. Rechnet man die graphischen Nebengeschäfte mit, so ist die Zahl der direkt und indirekt dem Pressgewerbe angehörenden eine enorme. London allein zählte im Jahre 1881 871 Druckereien, 60 Schriftgiessereien, Stereotyp- und galvanische Anstalten, 74 Maschinen- und Utensilien-Fabriken, 32 Farbe- und Walzenfabriken, 231 lithographische Anstalten, 80 Kupferdruckereien, gegen 2000 Papierhandlungen, 400 Buchbindereien, 850 Sortimentshandlungen, 460 Buch- und Musikalienverleger, 950 Zeitungshandlungen, 130 Inseratagenturen.

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Da viele Geschäfte 300–1000 Personen beschäftigen, so ist das Heer der Arbeiter ein mächtiges. Im Jahr 1882 betrug die Zahl der Mitglieder des Londoner Setzer-Vereins 4960; die Einnahme war 10000 £ Sterl., das Einkommen der verschiedenen Gehülfen-Organisationen bezifferte sich im ganzen auf 257439 £ Sterl., die Fonds betrugen 272413 £ Sterl.

Die Frauen als Setzerinnen.

Die Versuche, Frauen als Setzerinnen auszubilden, haben keine bedeutenden Erfolge gehabt. Miss Emily Faithfull, die Gründerin der seit 1858 bestehenden „Victoria-Druckerei“, gab 1880 ihren Posten auf. Nur bei den Setzmaschinen finden Frauen in grösserer Zahl Beschäftigung.

Arbeitsweise.

In den grossen Buchdruckereien werden die Arbeiten in fabelhaft kurzen Fristen ausgeführt und das vorhandene Material ist ein enormes. Umfangreiche Werke in mehreren Bänden bleiben oft in Formen geschlossen stehen, bis über einen etwaigen Neudruck entschieden wird. Solche Arbeiten müssen selbstverständlich den Anforderungen entsprechend bezahlt werden, während gewöhnliche, die mit Musse betrieben werden können, billig zu haben sind. Hierbei zeigt sich so recht der geschäftliche Vorteil, der darin liegt, erstens nur eine Druckschrift nötig zu haben, und dann nicht von dem individuellen Geschmack eines jeden Bestellers abhängig zu sein, wie es in Deutschland der Fall ist, wo, abgesehen von Fraktur oder Antiqua, bald eine breite, dann eine schmale, bald eine runde, dann eine eckige Schrift verlangt wird, stets natürlich zugleich eine neue.

Für seine wirkliche Arbeit wird der englische Setzer gut bezahlt, den „Speck“ der deutschen Buchdruckereien kennt er nicht. Die Setzer teilen sich in Establishment hands (oder Stabhands), die den festen Stamm bilden und im festen Gelde arbeiten; Full framers, die nach Stück bezahlt werden und in der Regel auch tüchtige Arbeiter sind; Suppers, die nur volle Arbeit haben, wenn das Geschäft flott geht, denen jedoch ein Minimum garantiert wird; und Grasscutters, die täglich nachfragen, ob augenblicklich Arbeit vorhanden ist.

Die Lokale sind in der Regel nicht besonders bequem eingerichtet, weil der Raum ein sehr kostspieliger, so dass in dem von einer deutschen Buchdruckerei in Anspruch genommenen eine englische Druckerei des doppelten Umfanges Platz finden würde.


[91]

Die Accidenzarbeiten.

Eine enorme Quantität von Arbeiten zu einem Betrage von jährlich etwa 10 Mill. Mark absorbiert der Staat. Als Beispiel übernahm eine Firma, McCorquodale & Co., eine Lieferung von 2610 verschiedenen Regierungsaccidenzen, in Auflagen, die von 10 bis zu 300000 Exemplaren variierten, ausserdem eine von 40 Millionen Briefcouverts. Die Firma beschäftigte in sechs enormen Offizinen an verschiedenen Orten gegen 2000 Personen und etwa 550 Maschinen aller Art fast nur mit Regierungs- und Eisenbahn-Arbeiten. Eine andere Firma, Harrison & Co., erhielt auf einmal eine Bestellung auf 137 Millionen Telegrammformulare. Grosse Summen setzt jedesmal eine Parlamentswahl in Umlauf. Die beiden Parlamentshäuser beanspruchen für ihre jährlichen Druckarbeiten etwa 1500000 Mark. Die Bank von England druckte im Laufe eines Jahres 15000000 Noten zu einem Geldwert von 338 Millionen £ Sterl. Die Druckarbeiten der Bank mehren sich bedeutend dadurch, dass sie eine an sie zurückgekehrte Banknote, und wenn sie nur eine Stunde in Zirkulation gewesen, nie wieder ausgiebt. Eine solche wird ungiltig gemacht und fünf Jahre aufgehoben. In dieser Weise liegen bis gegen 100 Millionen Noten in einer Weise geordnet, dass eine etwa zur Stelle gewünschte im Augenblick zu finden ist.

Ansehen des Pressgewerbes.

In welcher hohen Achtung das Pressgewerbe in England steht, zeigte unter anderem die imposante Caxtonfeier in London im Jahre 1877 mit ihrer interessanten Ausstellung[62]. In Ermangelung eines Portraits von Caxton beschloss man, von einer Statue zu seiner Erinnerung abzusehen, und stiftete in der Margarethenkirche in Westminster, nahe dem Schauplatz seiner Thätigkeit, ein gemaltes Fenster. Als ein fernerer Beweis von der bedeutenden Stellung der Pressgewerbe muss auch betrachtet werden, dass schnell hintereinander drei Ausüber derselben: der Schriftgiesser Besley, der Buchdrucker Sidney Waterlow und der Drucker und Stationer Francis Truscott das angesehenste bürgerliche Ehrenamt der Welt, das eines Lord Mayors von London, bekleidet haben; es spricht zugleich für den Flor des Geschäfts, denn es ist ein mit grossen Ausgaben verbundenes Amt. Den Kostenanteil für „seinen Tag“ muss der Lord Mayor auf 50000 Mark anschlagen, und es[92] heisst, Sir Truscott habe für die Zeit seiner Amtsführung eine Summe von 10000 Mark wöchentlich als Repräsentationskosten ausgeworfen.


Der Buchhandel.

Der Buchhandel, ohne welchen die Buchdruckerei nicht die eigentliche Blüte erreichen kann, nahm in England, besonders in London, mächtige Dimensionen an und weist eine Reihe der intelligentesten und bedeutendsten Verleger auf. Im allgemeinen ist der Buchhandel weit einfacher organisiert, als in Deutschland. Der Verlagsbuchhändler beschäftigt sich selten mit Buchdruckerei und anderen Nebengeschäften und zersplittert nicht seine Kräfte, behält damit den freien Blick und kann jede Konjunktur rasch benutzen. Kommissions- und Halbpartgeschäfte kommen oft vor, während berühmte Autoren grossartige Honorare beziehen. Der Absatz eines Buches ist rasch durch die mit einem splendiden Diner verbundenen Verlagsauktionen und die Subskriptionen der Zwischenhändler und grossen Leihbibliotheken entschieden. Eine der letzteren, die von Muddie, welche die grösste ist, nimmt nicht selten 1–2000 Exemplare von einem hervorragenden Werke. Durch das Alleinrecht des Verkaufs auf allen Eisenbahnstationen spinnt die grosse Zeitungsanstalt und Buchhandlung von Smith & Son ihre Fäden über das ganze Land. Mit einer Abonnementskarte von ihnen versehen, kann man überall auf den Stationen Bücher leihen und sie wieder auf jeder beliebigen Station abgeben. Die sogenannten Wholesale-booksellers, unter welchen Marshal & Co. die bedeutendsten sind, versehen die eigentlichen Sortimentshändler (Retaillers), welche in der Regel ihren Bedarf nur aus einer Hand beziehen. Bedeutenden Anteil an dem Absatz haben die Stationers (Schreibmaterialienhändler) und die vielen Secondhand-Booksellers. Das deutsche System mit seinen Kommissionssendungen kennt man nicht, weshalb auch die Buchläden in den kleineren Städten nicht so gut assortiert sind, wie dies in Deutschland der Fall ist.

Im Laufe eines Jahres erscheinen zwischen 5–6000 Werke (1881, neue Auflagen ungerechnet, 5406), darunter eine bedeutende Zahl der schönsten illustrierten Reisewerke, Prachtausgaben der englischen Klassiker, philologischen, theologischen und Geschichtswerke[93] und eine grosse Menge von Romanen. Die Zahl ist, wie bei den Zeitungen, eine viel kleinere, als in Deutschland; aber man muss, wie bei diesen, nicht bloss zählen, sondern auch wägen, sowohl was Umfang, als was Auflage betrifft.

Die Stationers Company.

Gegen Nachdruck schützt die Eintragung in die Rolle der Stationers Company und die Abgabe von 5 Pflichtexemplaren. Der Schutz gilt für 42 Jahre — jedenfalls bis zum Tode des Verfassers und 7 Jahre nach demselben. Vor dem Jahre 1709 ist es nicht zu ermitteln, wie viel Bücher jährlich in die Rolle der Stationers Hall eingetragen wurden. Von 1709–1766 betrug die Durchschnittszahl ungefähr 50; im Jahre 1732 war die Zahl auf die tiefste Stufe, 17, gefallen. Beim Beginn dieses Jahrhunderts hatte sie sich wieder auf 3–400 gehoben; 1814 auf 541; 1815 auf 1244; von da ab und bis 1826 blieb die Durchschnittszahl etwa 1000.

Ausfuhr.

Der Absatz des Buchhandels nach dem Ausland übersteigt 20 Millionen Mark, der der Stationary-Artikel wird auf etwa 14 Millionen, des Papiers auf etwa 16 Millionen gerechnet. Fügt man noch den Umsatz in Druckfarbe und Druckmaschinen hinzu, so wird die Gesamtausfuhr von allen zu dem Druckgewerbe gehörenden Gegenständen die Summe von 60 Millionen Mark nicht unbedeutend übersteigen.

Die Fachpresse.
J. M. Powell * 2. Juni 1822, † 17. Sept. 1874.

Unter den Blättern der Fachpresse, die sich zunächst mit der Typographie beschäftigen, nehmen namentlich zwei eine bedeutende Stellung ein. Joseph Martin Powell gab seit dem Jahre 1863, unter dem Titel Printers Register, ein Fachblatt heraus, welches viele Verdienste, namentlich um die Förderung der Maschinen-Fabrikation, hat und oft die Maschinenbauer zu Erfindungen anregte. Das Blatt wird jetzt von Powells ältestem Sohne Arthur geleitet. Eine mehr ideelle und theoretische Richtung verfolgt The Printer and the Lithographer, welches Blatt die Firma Wyman & Son verlegt und mit vielem Geschick und Geschmack redigiert. Es bringt hauptsächlich sehr ausführliche belehrende Artikel, aus welchen, zu besonderen Lehrbüchern gesammelt, bereits manches tüchtige Werk entstanden ist. Auch das Printers Register lieferte solche Artikelreihen. Ein Vorzug der englischen Pressorgane ist, dass sie sich hauptsächlich nur mit dem Technischen abgeben, und die sozialen Verhältnisse und die darin einschlagenden Kontroversen nur leise[94] berühren und alles vermeiden, was zu einem gehässigen Federkrieg Veranlassung geben könnte.

Im Interesse des Buchhandels erscheinen das vierzehntägige Publishers Circular (gegründet 1837) und der monatliche The Bookseller (gegründet 1838), seit 1860 mit dem, 1802 begonnenen, Bents Literary Advertiser vereinigt. Der von Whitaker herausgegebene Reference-Catalogue of current Literature giebt in der Form von Verlagskatalogen eine Übersicht der gangbarsten litterarischen Erscheinungen Englands.


Die Annuals.
R. Ackermann * 30. April 1764, † 26. März 1834.

Eine Episode in dem englischen Buchhandel bildet die Herausgabe der illustrierten Annuals, hervorgerufen 1822 durch den Kunsthändler Rudolph Ackermann. Geboren zu Stollberg, kam er als einfacher Sattlergehülfe nach London. Erst erwarb er durch seine Zeichnungen Aufmerksamkeit, dann wurde er Kunsthändler und Verleger bedeutender Prachtwerke. Die später so beliebten Taschenbücher wurden von diesem „Vater der Almanache“ mit dem Forget me not zuerst in Scene gesetzt und eine Reihe von Jahren hindurch von den besten künstlerischen Kräften Englands unterstützt[63]. Mit Heaths Book of Beauty wurde 1833 eine Reihe von poetischen Werken von Klassikern und neueren Schriftstellern mit Illustrationen sowohl in Stahlstich wie in Holzschnitt begonnen, denen eine grosse Anzahl von illustrierten geographischen und ethnographischen Werken folgte. Als Drucker und Herausgeber solcher machte sich namentlich Henry Fischer bekannt.

Gereicht schon die Herstellung schöner Luxuswerke den englischen Buchhändlern und Buchdruckern zur Ehre, so gebührt ihnen eine noch grössere Anerkennung, weil sie allen anderen Nationen vorangegangen sind, als es sich darum handelte, die Verbindung der Xylographie mit der Typographie zur Verbreitung nützlicher Kenntnisse und allgemeiner Bildung selbst in Kreisen der nicht mit Glücksgütern Gesegneten zu benutzen. Das Penny Magazine, später die Illustrated London News, sind massgebend geworden für die ähnlichen Erscheinungen aller anderen Länder.

Das Penny Magazine.

Das epochemachende Ereignis des Erscheinens der ersten Penny Magazine-Nummer fand am 1. April 1832 statt. Charles[95] Knight[64], der bekannte Buchhändler und Schriftsteller, war der geistige Urheber des Unternehmens, welches von der Society for the diffusion of usefull knowledge ausging; gedruckt wurde das Blatt bei Clowes. Von den Nummern 1–106 fanden 20 Millionen Exemplare Verbreitung. Die gewöhnliche Auflage war 200000. Im Jahre 1780 schätzte Edm. Burke die Gesamtzahl der Leser in England auf 80000; 1833 zählte das Penny Magazine allein jedoch deren mehr als eine Million[65]. Zwei Applegath- und Cowpersche Maschinen verrichteten in zehn Tagen die Arbeit, zu welcher zwei Drucker an der Handpresse ein halbes Jahr nötig gehabt haben würden, in Clowes' Buchdruckerei, die mit 18 Schnellpressen und 15 Handpressen und einem wöchentlichen Papierverbrauch von 2000 Ries, neben der Times-Druckerei, geradezu ein Weltwunder war.

Ch. Knight.

Ganz abgesehen von dem durch das Penny Magazine geübten Einfluss erwarb sich Charles Knight grosse Verdienste durch eine Reihe von ihm veröffentlichter, zumteil von ihm geschriebener oder herausgegebener populärer illustrierter Unternehmungen, unter welchen The Library of Entertaining Knowledge, 43 Bde.; The Penny Cyclopaedia, 1833–1858, 30 Bde.; die Shillings Volumes, 186 Bde.; The English Cyclopaedia, 23 Bde.; Popular History of England, 8 Bde.; Pictorial Bible, 4 Bde., u. a. m. hervorzuheben sind.

Die illustrierten Zeitungen.

Waren die Herausgeber des Penny Magazine und ähnlicher Blätter hauptsächlich bemüht, allgemein nützliche Kenntnisse unter dem Volke zu verbreiten, so versuchten als Bahnbrecher die Illustrated London News, begründet von Cook & Ingram, die Tagesgeschichte in den Bereich der Illustration zu ziehen. Mit ihrer ersten Nummer vom 14. Mai 1842 beginnt eine illustrierte Geschichte der Gegenwart von grossem Wert, der mit den Jahren noch steigt. Die gewöhnliche Auflage ist etwa 100000 Exemplare. Viele Versuche wurden gemacht, dem Blatte Konkurrenz zu machen, jedoch nur The Graphic gelang es auf die Dauer, sich neben der älteren Schwester in der Gunst des Publikums zu halten. Die Weihnachtsnummern beider Zeitschriften werden mit einem Kostenaufwande[96] von je 300000 Mark in etwa 400000 Exemplaren gedruckt. Grosse Verbreitung erreichten auch die vielen illustrierten technischen und Modeblätter. In der humoristischen Zeitungspresse trug der Holzschnitt den Sieg über die Radierung, deren hauptsächlichster Vertreter George Cruikshank (geb. 1792, gest. 1878) war, davon; der Punch, begründet 1841, behielt seine Popularität bis auf den heutigen Tag.


Den hauptsächlichsten Schauplatz des pressgewerblichen Lebens und Treibens in London bildeten von der ältesten Zeit bis auf heute Fleet-Street, St. Pauls Church-Yard, Farringdon-Street, Printinghouse-Square und Paternoster-Row. Letztere wird bereits 1367 genannt, kam aber namentlich nach dem grossen Brande im Jahre 1666 in Aufnahme und wurde in der letzten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts besonders fashionable als Sitz der grossen Verlagshandlungen, während Fleet-Street vorzugsweise dem Journalismus und den Buchdruckereien Obdach bot. Hier reihen sich als Glieder einer ununterbrochenen Kette an einander Druckoffizinen, Zeitungsbüreaus, Telegraphenstationen, Inseratagenturen, Associationen der Presse, Sortiments-, Zeitungs-, Stationers-Laden und andere Geschäfte, die mehr oder weniger mit der Typographie in Verbindung stehen. Hier hat auch der Londoner Setzer-Verein sein Büreau, und je nach dem grossen oder kleinen Belagerungszustand, in welchem die Zugänge zu diesem sich befinden, kann man mit Sicherheit auf den Gang des Londoner Geschäfts schliessen.

Es würde, ohne die gesteckten Grenzen zu sehr zu überschreiten, nicht möglich sein, alle grossen Druck- und Verlagsfirmen aufzuführen[66]. Ausser den bereits an anderen Orten genannten seien nur einige erwähnt. Eine mächtige Zahl von Zeitschriften drucken Spottiswoode & Co.; Accidenzien Spottiswoode & Eyre, Harrison & Co. Als Hersteller von Wertpapieren und kaufmännischen Arbeiten sind bedeutend Wilkinson & Co., Waterlow & Sons[67] und Blades,[97] East und Blades. Der Senior dieser Firma William Blades ist namentlich durch seine typographisch-litterarischen Arbeiten bekannt, vorzugsweise durch seine klassische Biographie Caxtons, zu dessen Popularität in England Blades viel beigetragen hat. Sein neuestes Werk ist eine Medallic History of Printing mit vielen Abbildungen[68], das zuerst in den Printing-Times erschien. Eine der jüngeren Offizinen, die in kurzer Zeit riesenhafte Dimensionen angenommen J. Cassell * 23. Jan. 1817, † 1. Apr. 1865.hat, ist die von Cassell, Petter & Co. Der Gründer John Cassell war erst Zimmermann und lernte in den Werkstätten die geistigen Bedürfnisse der Arbeiter kennen. Als The Total Abstinance-Bewegung 1833 entstand, war er erst ein begeisterter Reise-Apostel derselben, entschloss sich aber dann in wirksamster Weise durch die Presse der Mässigkeits-Sache zu dienen. Zur Herausgabe angemessener Schriften vereinigte er sich mit den Besitzern einer bis dahin nicht bedeutenden Druckerei, Petter & Galpin. Bald ging man aber weiter und gab illustrierte Lieferungswerke heraus. Das Geschäft erhielt eine solche Ausdehnung, dass es 1880 34 illustrierte Werke in Lieferungen auf einmal in der Presse hatte. Das bedeutendste Verlagswerk war die Family-Bible, die, mit einem Aufwand von 2 Millionen Mark hergestellt, innerhalb sechs Jahren einen Absatz von 350000 Exemplaren erzielte. Bei John Cassells Tod hatte das Personal bereits die Zahl von 500 erreicht, jetzt ist diese auf 1000 gestiegen.

Sam. Bagster & Sons liefern namentlich polyglotte Werke, Gilbert & Rivington orientalische. In letzterer Richtung hat jedoch Deutschland ein Übergewicht und viele orientalische Werke werden für englische Rechnung in Deutschland gedruckt.

Von den grossen Verlagsfirmen haben besonders Longman, Green & Co. und John Murray Weltruf erlangt.

Th. Longman * 1699, † 10. Juni 1755.

Der Begründer ersterer Firma Thomas Longman erwarb 1724 den Verlag von Will. Taylor und damit zugleich zwei Häuser: „Der schwarze Schwan“ und „Das Schiff“ in Paternoster-Row. Er ward Mitbesitzer von Ephraim Chambers Cyclopaedia, das Vorbild der vielen in und ausserhalb Englands erscheinenden Encyklopädien, ausserdem auch von Johnsons Dictionary of the English Language.[98] Th. Norton Longman * 1771, † 28. Aug. 1824.Noch folgten in drei Generationen Thomas Longmans, von welchen Thomas Norton Longman der bedeutendste war. Welche Grösse das Geschäft erreicht hatte, sieht man daraus, dass der Genannte ein Vermögen von 200000 £ Sterl. hinterliess, ein Teilhaber Green ebensoviel, während ein dritter Teilhaber Brown 100000 £ Sterl. in Legaten aussetzen konnte.

Obwohl Longmans Verlag ein universeller ist und auch die Namen der berühmtesten Dichter Englands (den Verlag von Byrons Schriften hatten sie abgelehnt) ihren Katalog schmücken, so haben sie doch namentlich ihren vielen encyklopädischen Verlags-Artikeln, und vor allem Macaulays Geschichte ihren Ruhm und ihre Stellung zu verdanken. Von der ersten Auflage des III. und IV. Teils des letztern Werkes waren 25000 Exemplare gedruckt. Diese waren jedoch bereits am Tage der Veröffentlichung, 17. Dezember 1855, verkauft und 11000 Bestellungen mussten unexpediert bleiben. Von den amerikanischen Ausgaben soll ein Buchhändler in zehn Tagen 73000 Bände verkauft haben. Innerhalb vier Wochen sollen überhaupt mehr als 180000 Exemplare verbreitet worden sein.

John McMurray * 1745, † 6. Nov. 1793.
John Murray II. * 1778, † 27. Juni 1843.

John McMurray gründete 1768 ein Geschäft und erzielte damit gute Erfolge. Sein Sohn John Murray ist namentlich als Verleger und Freund Byrons (1807–1823) bekannt und wurde bei seinem Tode wieder von einem Sohn John gefolgt. Grosse Verbreitung fand die billige Home and Colonial Library und die vielen bedeutenden illustrierten Reise- und naturwissenschaftlichen Werke. Murrays rote Reisebücher sind jedem bekannt, und wir können uns kaum einen reisenden Engländer ohne ein solches in der Hand oder unterm Arm denken.

H. Colburn † 16. Aug. 1855.

Unter den Verlegern der schönen Litteratur in Prosa sind Colburn und Bentley die bekanntesten. Henry Colburn verlegte eine Unzahl von Romanen, von James allein 225 Bände, einer wie der andere in drei, in Leinwand gebundenen, Bänden, jeder ziemlich genau 300 Seiten stark und einer wie der andere zum Preise von anderthalb Guineen (31 Mark 50 Pf.). Im Jahre 1819 gründete er Colburns Monthly; 1817 ward die Literary Gazette begonnen. 1832 R. Bentley † 1871.verkaufte er sein Geschäft an Richard Bentley, der früher sein hauptsächlichster Buchdrucker und kurze Zeit sein Associé gewesen war. Colburn verpflichtete sich, unter bedeutender Konventionalstrafe,[99] kein Geschäft innerhalb 20 englischer Meilen Entfernung von London zu eröffnen. Der „Verlagsteufel“ liess ihn jedoch nicht auf seinen Lorbeern ruhen. Erst etablierte er sich in Windsor, dann zahlte er die Konventionalstrafe und zog wieder nach London. Bentley gründete 1837 Bentleys Miscellany, dessen erster Herausgeber Charles Dickens war.

Als Verleger von Shillings-Ausgaben erwarben Routledge & Sons einen Ruf. Die Verbreitung solcher Ausgaben war eine so grosse, dass die Verleger an Bulwer für die Erlaubnis, billige Ausgaben seiner Werke während zehn Jahren drucken zu dürfen, 200000 Mark Honorar zahlten und dabei einen sehr guten Erfolg für sich erzielten.


Der Bibeldruck.

Eine wesentliche Bedeutung für das Druckgewerbe hat der Bibel- und Gebetbuchdruck, der, was die autorisierten Ausgaben betrifft, noch ein Privilegium der Universitätspressen von Oxford und Cambridge ist. Eine grosse Bewegung rief die neue autorisierte Ausgabe der heiligen Schrift hervor, welche viele Jahre hindurch mit grossem Aufwand theologischer Arbeit vorbereitet war und am 17. Mai 1881 in sechs Ausgaben dem Publikum übergeben wurde. In Oxford allein wurden sofort zwei Millionen Exemplare bestellt, Amerika verlangte 300000, druckte jedoch, unter den enormsten Anstrengungen der Konkurrenten, sich gegenseitig den Vorsprung abzugewinnen, die Ausgabe nach. Ein typographisches Kunststück ist eine Oxforder Miniatur-Ausgabe für Lehrer, die mit dem Einbande nur 90 Gramm wiegt und auf 1416 Seiten 2430400 Buchstaben enthält.

Eine grosse Wirksamkeit zeigte The British and Foreign Bible Society, welche mit dem Jahre 1804 unter den Auspicien des Herrn Granville Sharpe begann. Bis 1881 hatte die Gesellschaft mit einem Aufwande von etwa 175 Millionen Mark nicht weniger als 93953000 Exemplare der heiligen Schrift gedruckt. 1881 wurden allein 2938000 Exemplare verbreitet. The Religious Tract Society verwendete in einem Jahre 2½ Millionen Mark auf Bücherdruck.

N. Trübner * 1817.

Unter den Verlegern in der theologischen und philologischen Richtung ist die Firma Rivington hervorragend. Der Stammvater dieser ältesten der noch bestehenden Verlagsfirmen Englands, Charles Rivington, gründete 1711 sein Geschäft in der Paternoster-Row in der „Bibel und Krone“, welche Insignia noch heute die[100] Rivingtonschen Verlagswerke schmücken. Bedeutenden Ruf haben ferner die beiden, mit der Oxforder resp. Cambridger Universitätsbuchdruckerei eng verbundenen Familien Parker, dann James Nisbet. Ganz hervorragende Verdienste um die linguistische Litteratur erwarb sieh ein Deutscher, Nikolaus Trübner aus Heidelberg. Durch Zufall mit Longman bekannt geworden, ging er 1843 als Commis in das Longmansche Geschäft nach London. 1852 etablierte er dort ein eigenes Geschäft mit der Absicht, in der Weltstadt einen bisher fehlenden Zentralpunkt für die litterarischen Erzeugnisse Amerikas und Asiens zu schaffen. Er gab einen vortrefflichen Bibliographical Guide to American Literature 1817–1857 heraus und gründete, um seine Zwecke zu fördern, das Monatsblatt Trübners American and Oriental Literary Record und eine Anzahl von Agenturen in den fernsten Weltteilen. Durch das Heranziehen der bisher schwer zugänglichen Länder mit ihren litterarischen Produkten hat Trübner sich nicht allein um die Wissenschaft hochverdient gemacht, sondern auch sowohl direkt durch seinen grossen linguistischen Verlag, als noch mehr indirekt durch die Belebung dieses Verlagszweiges dem graphischen Gewerbe Vorschub geleistet.

Steht auch das Antiquariatsgeschäft den eigentlichen Zweigen des Buchgewerbes, die uns hier beschäftigen, etwas ferner, so hat dasselbe doch in England eine solche Weltbedeutung gewonnen und wirkt auch durch Verbreitung der Liebe zu Büchern auf das ganze Pressgewerbe vielfach so belebend ein, dass es am Platze sein dürfte, wenigstens die zwei hervorragendsten Vertreter des Antiquariats zu erwähnen, was um so lieber geschieht, als der eine, jetzt noch wirkende ebenfalls, wie Trübner, ein Deutscher ist.

H. G. Bohn * 4. Jan. 1796.

Der Bahnbrecher für den grossartigen Betrieb des Antiquariats war Henry George Bohn aus Richmond. Sein 1841 erschienener Guinea-Catalogue war die imposanteste Ankündigung eines Bücherlagers, welche man bis dahin kannte. Derselbe hatte einen Umfang von 1448 Seiten und verursachte einen Kostenaufwand von 40000 Mark. Bohn wirkte auch als Schriftsteller und Verleger; seine nach damaligen englischen Vorstellungen ausserordentlich billigen Standard Volumes zu 5 sh. 6 d. waren allgemein beliebt.

B. Quaritch * 23. April 1819.

Bernhard Quaritch aus Worbis, jetzt ohne Widerspruch der bedeutendste Antiquar der Welt, lernte in Nordhausen und ging[101] 1842 nach London. 1849 gründete er dort mit einem Kapital von 200 Mark ein eigenes Geschäft zunächst für Penny-Litteratur. Durch Gewandtheit, Fleiss und Ausdauer brachte er bald seinen Handel in die Höhe, so dass er 1860 noch ein zweites, grösseres Lokal in Piccadilly mieten konnte. Hier sammelte er nun einen wahren Schatz sowohl von bedeutenden wissenschaftlichen Werken, als von ausgesuchten Seltenheiten für Bücherliebhaber. Neben seinen Spezial-Katalogen gab er ab und zu einen General-Katalog heraus. Unter den letzteren übertrifft der von 1880 noch Bohns Guinea-Catalogue, kostet aber auch 2 Guineen. Der Band ist 6½ Zoll stark und enthält auf 2166 Seiten die Titel resp. Beschreibungen von 28009 Werken. Ein Index von 228 Seiten giebt etwa 55000 Nachweise. Quaritchs eigener bedeutender Verlag besteht sowohl aus Werken, wozu er selbst die Initiative ergriffen, als auch aus solchen, die er von anderen Verlegern an sich gebracht hat[69].


Die Bibliophilie.

Ein mächtiger Hebel für die Entwickelung der Buchdruckerei war es, dass hochgestellte und reiche Männer sich nicht nur, wie Lord Stanhope, für die technischen Fortschritte interessierten, sondern auch eine Ehre darein setzten, das Schönste, Beste und Seltenste in ihren Büchersammlungen zu vereinigen. Als Liebhaber ersten Ranges ist John Herzog von Roxburgh zu nennen. Seine Bibliothek brachte bei der Versteigerung, welche in den Monaten Mai und Juni 1812 stattfand, einen Erlös von mehr als einer halben Million Mark. Die Nummer 6292 des Katalogs, das einzige bekannte vollständige Exemplar von Il Decamerone di Boccaccio, in Folio, von Christoph Waldarfer in Venedig im Jahre 1471 gedruckt, wurde dem Marquis von Blandford für die Summe von über 45000 Mark zugeschlagen, der höchste Preis, der je für ein Buch bezahlt worden ist. Zur Erinnerung an dieses bibliophilische Ereignis wurde von 31 der bedeutendsten Büchersammler Englands, unter dem Präsidium von Lord Spencer, der Roxburgh-Club gegründet. Zu keiner Zeit hatte die Bibliomanie eine solche Höhe erreicht und sie sollte auch nicht lange auf derselben bleiben, so dass Lord Spencer wenige Jahre später den Waldarfer für 18000 Mark kaufen konnte, also[102] für fast nur den dritten Teil des in der Roxburgh-Auktion gezahlten Preises.

Lord Spencer.

Noch grössere Bedeutung in der Geschichte der Bibliophilie als der Herzog von Roxburgh hat George John, Lord Spencer auf Althorpe. Er war am 1. September 1758 geboren und folgte 1783 seinem Vater im Besitz von dessen Titeln und fürstlichem Vermögen. Es war sein Stolz, die Notabilitäten der Wissenschaft und der Litteratur um sich zu versammeln, und wo er konnte, stand er deren Bestrebungen in liberalster Weise bei. Von gleicher Gesinnung war sein Sohn beseelt, was sich durch die Caxton-Ausstellung 1877 deutlich zeigte, zu welcher Lord Spencer eine ganze Sammlung der seltensten Inkunabeln und Prachtwerke geliefert hatte. In seiner in der Stationary-Company gehaltenen Rede sprach er es auch aus, eine wie grosse Freude es ihm gewähren würde, seine Bibliothek recht oft von Fachmännern besucht zu sehen.

T. F. Dibdin.

Ein wesentlicher Förderer des Sammeleifers sowohl des Lord Spencer als auch anderer war Thomas Frognall Dibdin. Derselbe stammt aus Calcutta, erhielt jedoch, nachdem seine Eltern dort gestorben waren, in England eine sorgfältige Erziehung und wählte den geistlichen Beruf. Von Lord Spencer wurde er als Pfarrer nach Althorpe berufen, zugleich um als Bibliothekar des Lords zu fungieren. In den Jahren 1814–1815 erschien die Beschreibung der Sammlung als: Bibliotheca Spenceriana; von 1810–1819 Typographical Antiquities; 1817 Bibliographical Decameron; 1821 A bibliographical, antiquarian and picturesque tour in France and Germany (2. Ausgabe 1827), in welchem Werk der Verfasser eine in Begleitung des Zeichners George Lewis im Interesse der Spencerschen Bibliothek unternommene Reise schildert. 1838 folgte A bibliographical, antiquarian and picturesque tour in the northern countries of England and Scottland.

Lord Brougham.

In praktischer Weise interessierten sich andere Edle für die Presse. Henry Lord Brougham war die Seele der schon erwähnten Society for the Diffusion of usefull Knowledge. Francis Egerton, Lord Bridgewater bestimmte vor seinem Tode im April 1829 gegen 120000 Mark als Honorar für den Verfasser eines Werkes, welches die Weisheit, Macht und Güte Gottes, wie sie sich in der Schöpfung offenbaren, zum Gegenstand haben sollte. Dies gab Veranlassung[103] zu den sogenannten Bridgewater-Büchern, die der populärwissenschaftlichen Litteratur einen mächtigen Anstoss gaben.

Lord Arundel.

Thomas Howard, Lord Arundel wirkte wieder auf andere Weise. Als eifriger Bewunderer der alten christlichen Kunst gab er Veranlassung zur Begründung der Arundel Society (1848), deren Hauptziel es ist, die leichtvergänglichen, dem Verderben besonders ausgesetzten älteren, namentlich vorrafaelischen Werke der Kunst wenigstens in vorzüglichen Farbendrucken der Nachwelt zu erhalten. Die Reproduktion geschieht hauptsächlich unter Beihülfe von den besten Anstalten des Auslandes, besonders der von Storch & Kramer in Berlin, Hangard-Maugé und Engelmann & Graf in Paris.


Die Buchbinderkunst.

Dass die Bücherliebhaberei auf die Buchbinderkunst ungemein fördernd einwirken musste, ist leicht begreiflich. Es entstanden für die reichen Privatsammlungen Meisterstücke, die zu hohen Preisen verkauft wurden. Dieselbe Eigenschaft, die den englischen Bücherdruck auszeichnet: die Verwendung der vollendeten Technik auf dem vorzüglichsten Material, findet sich in der englischen Buchbindung wieder. Die Behandlung des Leders, der Pappen, des Schnittes, des, das gute Aufschlagen des Buches bedingenden Rückens, kurz des ganzen Körpers des Buches ist eine so überaus sorgfältige, dass man leicht eine mitunter nicht ganz kunstgerechte Komposition der Ornamentierung übersieht.

Berühmte Buchbinder.

Merkwürdig genug ist der Umstand, dass ganz besonders Deutsche zu den ausgezeichnetsten Meistern in England gehören. Unter den Eingeborenen war einer der berühmtesten Buchbinder Roger Payne (gestorben 1797), ein eben so talentvoller, wie in seinem Leben unordentlicher Mann[70]. Als sein Meisterwerk gilt ein Aeschylos im Besitz des Lord Spencer. In seinen Ornamenten, die er selbst fertigte, wird er mitunter bizarr, seine Technik bleibt jedoch immer unvergleichlich. Schöne Bände von ihm wurden mit 400 Mark und mehr bezahlt. Ein Einband von dem Boydellschen Shakespeare in neun Bänden kostete über 2500 Mark. Eine zeitlang arbeitete er zusammen mit Richard Wier, auch ein höchst geschickter Mann, aber eben so unordentlich wie Payne. Die Verbindung artete in einen oft mit den Fäusten ausgekämpften innern Krieg aus. Wiers[104] Frau war bekannt als unübertroffen in der Restauration alter Bücher. Nächst Payne wurde Charles Lewis, aus Hannover stammend, gelobt. Seine durch Harmonie und Eleganz sich auszeichnenden Bände werden als die grössten Zierden der Bibliotheken reicher Sammler betrachtet.

Der Buchbinder Kalthöfer hatte einen solchen Ruf erlangt, dass die Kaiserin von Russland einen besonderen Abgeordneten sandte, um ihn zu bewegen, nach Russland zu kommen, was er jedoch, trotz der glänzenden Bedingungen, ablehnte. In neuester Zeit gilt als erster Meister nicht nur in England Joseph W. Zähnsdorf, ein Böhme von Geburt, der auch durch Herausgabe von The Art of Bookbinding theoretisch wirkte, ohne damit ganz den Erwartungen zu entsprechen, die man hegen durfte, wenn ein so eminenter Praktiker seine Erfahrungen zu Papier bringt.


Stationary.

Die Stationary-Artikel, die teils auf typographischem, teils auf chromolithographischem Wege hergestellt werden, veranlassen ein sehr bedeutendes Geschäft. Die Zahl der Neujahrskarten allein berechnet man auf mehr als 12 Millionen Stück. Welchen Wert man auf solche Kleinigkeiten legt, geht daraus hervor, dass ein Fabrikant 14 Prämien, zusammen von 10000 Mark, für die besten Zeichnungen bestimmte. Von den in London von Weihnachten bis Neujahr versandten 8–9 Millionen Couverts wird bei weitem die grössere Zahl eine Neujahrskarte mit enthalten. Ebenfalls bedeutend ist der Verkehr in Osterkarten und Valentines, schöne, manchmal kostbar ausgestattete Huldigungskarten für das zarte Geschlecht, die am St. Valentinstag, den 14. Februar, in grosser Zahl anonym versandt werden. In der Regel ist der Preis einer solchen Karte 6 Pence bis zu 1 Shilling, es kommen aber auch nicht selten solche vor, die 10 bis 20 Guineen und mehr kosten.

Da jährlich 1200 Millionen Briefe versandt werden, so erfordern diese allein eine enorme Anzahl von Couverts. Diese Fabrikations-Branche beschäftigt gegen 3000 Menschen.

Wie bedeutend der Kalenderdruck in England ist, kann man daraus beurteilen, dass ein Kalenderdrucker, A. Cooke in Leeds, allein bei einer einzigen Holzhandlung 1700000 Stäbe als Halter für Kalender in Bogen bestellte.

[105]

Von Spielkarten-Fabriken hat England 18, die etwa 1200000 Pack liefern.

Unter den Firmen, die besonders für die Stationers arbeiten, sind: Marcus Ward, der mit 60 Schnellpressen namentlich Weihnachtskarten und Valentines nebst illustrierten Kinderbüchern druckt; de la Rue & Co., die in ähnlicher und Spielkarten-Fabrikation, so wie mit Herstellung von Luxuspapieren 1000 Personen beschäftigen; Ch. Goodall & Sons, die in ihren Camden-works mehr als 600 Sorten Spielkarten liefern.

Eins der bedeutendsten Stationery-Geschäfte in London ist das der Regierung, von welchem etwa 250 öffentliche Institute ihren Bedarf beziehen. Der jährliche Umsatz beträgt etwa 13 Millionen Mark, von welchen gegen 4 Millionen auf Indien kommen. Dass dabei auch Makulatur vorkommt, ergiebt der jährliche Verkauf von solcher zu einem Betrag von ungefähr 320000 Mark, die einen ursprünglichen Wert von etwa 1600000 Mark repräsentieren.

Das Papier.

Da der Konsum von Papier ein ausserordentlich grosser ist und billige Preise verlangt werden, so konnte es nicht anders sein, als dass die Stoffmischungen der Neuzeit in der Papierfabrikation, welche für die Zukunft der Bücher im höchsten Grade gefahrdrohend geworden, auch in England nicht ohne Verwendung blieben, jedoch wird dort immer noch am meisten auf ein gutes Papier selbst bei gewöhnlichen Arbeiten gehalten[71]. Die Fabrikation des Maschinenpapiers ist zwar keine englische Erfindung (vgl. Kap. V), aber, wie die Schnellpresse, kam auch die Papiermaschine erst in England zur praktischen Geltung, namentlich durch die Bestrebungen Donkins. Der Name Whatman ist typisch geworden für das[106] vorzügliche Büttenpapier, welches bei den Ausgaben für Liebhaber verwendet wird. Whatman selbst zog sich vom Geschäft zurück aus Verdruss, weil er seinen Arbeitern nicht denselben Sinn für Erreichung der höchsten Ziele einflössen konnte, der ihn selbst beseelte.

ASIEN, AUSTRALIEN UND SÜD-AFRIKA.

An die typographische Geschichte Englands schliesst sich eng diejenige Asiens, Australiens und Süd-Afrikas.

In ihren Anfängen lernten wir bereits die Presse in Asien kennen (I, S. 282), sie sollte rasch an Bedeutung gewinnen.

Indien, Calcutta.

Calcutta, die Hauptstadt Indiens und der wichtigste Sitz des dortigen Pressgewerbes, erhielt erst im Jahre 1778 durch Charles Wilkins, einen berühmten Sanskritforscher, eine Buchdruckerei mit einer Schriftgiesserei. Hier wurden neben den Missionsschriften eine Menge wissenschaftliche und belehrende Schriften in den Landesidiomen, ausserdem auch englische Bücher und Zeitschriften gedruckt. In dem naheliegenden Serampur, dem wichtigsten Platz der Baptisten-Mission, besass Dr. Carey zu Anfang des Jahrhunderts eine Presse, auf welcher er 1801 das Neue und bald nachher das Alte Testament druckte. Eine Schriftgiesserei und eine Papiermühle liessen nicht lange auf sich warten und eine lebhafte Thätigkeit entwickelte sich, um die heiligen Schriften in verschiedenen Sprachen der Eingeborenen zu veröffentlichen. Die Offizin brannte zwar 1811 vollständig nieder, da jedoch glücklicherweise alle Matern gerettet waren, konnte man bereits nach Verlauf von kaum einem Jahre wieder heilige Schriften in 18 Sprachen herausgeben. Ein 1818 gedrucktes Probebuch enthält das Vaterunser mit 51 verschiedenen Sorten einheimischer Typen gesetzt.

Benares.
Madras.

Benares, die heilige Stadt der Hindus am Ganges, wo sich eine englisch-indische Hochschule zur Ausbildung der Hindus befand, besass eine, später sehr thätige, Offizin. In Negapatnam hatte der aufgeklärte Rajah von Tanjore eine von Europäern bediente Presse im Gang. Die Britische Bibelgesellschaft gründete dort ebenfalls[107] eine Buchdruckerei. Auch Madras, die zweitwichtigste Stadt an der Ostküste, entwickelte seit 1772 eine rege Thätigkeit.

Bombay.

Aus dem Hauptorte der Westküste, Bombay, finden sich Bücher mit der Jahreszahl 1792; der Aufschwung der dortigen Presse datiert jedoch erst von 1813. In Cotym, auf der Malabarküste, versuchte der Missionär Benj. Baley Typen der Landesschrift selbst zu schneiden und zu giessen, um damit heilige Schriften zu drucken; 1820 kam ihm die Bibelgesellschaft in Calcutta mit einer ordentlich eingerichteten Buchdruckerei zuhülfe.

Am 18. Mai 1818 erschien die erste Zeitung in einheimischer Sprache „Spiegel von Serampur“ durch den Missionär Marshman. In demselben Jahre erhielt Bombay seine Zeitung in der Gujurati-Sprache.

Die einheimische Presse.

Der Generalgouverneur von Indien, Marquis Wellesley (1798 bis 1805), späterer Lord Wellington, war der Presse nicht sehr zugethan; selbst englische Bücher sah er nicht gern entstehen und gestattete nicht die Anlegung von Buchdruckereien ausserhalb Calcuttas. Ein grösserer Freund der Kunst war Wellesleys Nachfolger, der Marquis Hastings, welcher den „Spiegel von Serampur“ zu einem halbamtlichen Blatte erhob. Auch Lord Amherst trat der Presse nicht feindlich entgegen, doch verblieb sie unter sehr strenger Aufsicht. Zur Errichtung einer Buchdruckerei bedurfte es einer Konzession und zur Begründung einer Zeitung Stellung von Kaution. Erst im Jahre 1835 erhielt Indien, hauptsächlich durch die Anstrengungen des Lord Th. Macaulay, den Genuss der Pressfreiheit, die nun mit Jugendfeuer benutzt wurde. Man griff die Massregeln der Regierung, namentlich die gegen die Weiberverbrennung gerichteten, rücksichtslos an.

Die Zahl der Blätter nahm jedoch nicht in dem Masse zu, wie man hätte vermuten sollen, und steigerte sich wesentlich erst nach der Verbreitung der Lithographie, welche sich mit weit grösserer Leichtigkeit dem Geschmack des Publikums anschmiegen konnte, als die Typographie. Da viele des Lesens unkundig sind, so wird das Vorlesen für grössere Kreise sehr geübt und auf mündlichem Wege verbreiten sich dann die neuen Nachrichten schnell. Die Thätigkeit im Buchhandel ist eine sehr bedeutende und Sanskrit-Werke finden unschwer Verleger.

[108]

Nach dem Sipahi-Aufstande 1857 wurden die englischen Behörden zur Unterdrückung jeder Buchdruckerei ermächtigt und viele der letzteren bei dieser Gelegenheit auch geschlossen. Noch bis vor kurzem befand sich die einheimische Presse in strengen Ausnahmezuständen, jetzt ist jedoch eine Änderung eingetreten und der Wunsch der Regierung in London, allen ihren Unterthanen gleiche Rechte zu gewähren, erfüllt. Eine Presskommission hat alle Verhältnisse der Presse mit der Regierung zu regulieren.

Die Presse Indiens.

Von Zeitschriften erscheinen gegen 700, davon der dritte Teil (230) in Landessprachen. Die Auflagen sind durchweg klein, gewöhnlich 350, die höchste Auflage ist noch nicht 2000. Die Versendung geschieht unter Kreuzband. Der Abonnementspreis für Tagesblätter beträgt etwa 40 Mark, für Wochenblätter etwa 4 Mark. Die Einfuhr von Papier ist für das Mutterland ein wichtiger Gegenstand und erreichte 1879 einen Wert von über 2½ Millionen Mark.

In Bengalen haben die einheimischen Blätter einen schweren Stand gegen die englischen. Mehrere der letzteren sind jedoch in Besitz und unter geschickter Leitung von Eingeborenen. In den nordwestlichen Distrikten, zwischen Lucknow und Lahore, erscheinen in der Hindustani- und Urdusprache gegen einhundert, zumteil sehr gut redigierte Zeitschriften. Ziemlich eine ähnliche Zahl, in der Maharati- und Gujurati-Sprache geschrieben, werden in Bombay gedruckt. Die tamulische und Telegupresse in Madras ist nicht von Belang.

Die Bücherproduktion, unter der Führung Bengalens, ist eine sehr bedeutende und erreicht an Zahl fast die Englands. Im Jahre 1878 erschienen 4193 Bücher, davon 576 in europäischen, 3148 in einheimischen Sprachen, 673 in dem klassischen Idiom Indiens. 2495 Schriften waren originale Neuheiten, 340 Übersetzungen, die übrigen Bücher neue Auflagen. Die Theologie erschien mit 1502 Nummern; die Technik mit 961, die Linguistik mit 612; Biographie, Länder- und Völkerkunde, Politik waren nur äusserst spärlich vertreten.

Ceylon.

Auf Ceylon gingen aus der bereits vom Freiherrn von Imhof gegründeten Druckerei (I, S. 288) im Jahre 1771 das Neue Testament in cingalesischer Sprache und später manche, zumteil vorzüglich[109] ausgestattete wissenschaftliche Werke hervor. Die Pressthätigkeit in der Hauptstadt Colombo ist jetzt eine bedeutende und die sehr gut geleitete Regierungsdruckerei beschäftigt über 150 Personen, unter welchen sich nur zwei Europäer befinden. Sie disponiert über 5 Schnellpressen, 10 Handpressen, 1 Eisenbahn-Billetdruck-Maschine und 5 Liniiermaschinen.

Hinterindien.

Nach Ranguhn in Hinterindien, der Hauptstadt von Birma, war bereits 1808 eine Presse gekommen. 1814 erhielt Dr. Carey in Serampur von dem Kaiser von Birma den Auftrag, in Ava eine Druckerei zu errichten, und bereits 1822 war das Neue Testament in 29 Sprachen und die ganze Bibel in 6 Sprachen gedruckt, darunter eine mit beweglichen Typen gesetzte chinesische Bibel. Noch viele wissenschaftliche Werke entsprangen der thätigen Presse.

In Malacca druckte der Missionär Milne anfänglich nach chinesischer Art. Später traf eine europäische Druckeinrichtung ein. Das dort errichtete englisch-chinesische Kollegium, das für Religion und Wissenschaft gute Früchte getragen hatte, ward später nach Singapur verlegt.

Die Inseln.

Von den Inseln des Indischen Archipels erhielt Java eine, 1823 von dem Missionär Medhurst in Batavia eingerichtete Offizin, aus welcher im Jahre 1835 des Genannten Wörterbuch der chinesischen, japanischen und der Korea-Sprache hervorging. Auf Sumatra befanden sich um 1820 in Benkulen und dem benachbarten Fort Marlborough Missionspressen.

China.

In China war einer der wichtigsten Druckorte Macao bei Canton. Dort machte im Jahre 1810 Morrison Versuche, das Neue Testament von Holztafeln zu drucken. 1814 wurde ihm von der Ostindischen Handelsgesellschaft eine vollständige Druckerei unter der Leitung von P. Thoms übersandt, doch gelang es erst 1822, das englisch-chinesische Wörterbuch in 6 Quartbänden zu vollenden. In diesem Jahre erschien auch die erste Nummer einer portugiesischen Zeitschrift „Die chinesische Biene“. Medhursts „Dictionary of the Hok-Kien dialect of the Chinese language, containing 12000 characters“ konnte erst 1832 ausgegeben werden. In Canton selbst wurde ebenfalls sehr viel gedruckt. Die grösste Buchdruckerei ist die der presbyterianischen Mission in Shanghai, mit der eine Schriftgiesserei verbunden ist. Im Jahre 1868 wurden dort 25 Millionen[110] Seiten gedruckt, 1869 ein illustriertes Neues Testament und verschiedene Andachtsbücher mit dort angefertigten Abbildungen in vortrefflichen Galvanos. Hier erschien auch das grosse japanische Lexikon des Dr. Hepburn in Yokohama. In hohem Grade hemmend ist bei der Anwendung der europäischen Druckmethode die enorme Zahl der Fächer (gegen 6000) in den Setzkästen; jeder Setzer befindet sich förmlich inmitten eines Amphitheaters von Kästen.

In Peking erscheint die offizielle Zeitung King-Pao, welche die kaiserlichen Dekrete bringt und deren Geschichte bis an die Dynastie Tang, d. h. bis an das siebente bis zehnte Jahrhundert n. Chr., reicht. Jede Nummer bildet ein Heft von 20, wohl auch von 40 Seiten in gelbem Umschlag. Die Ausstattung ist eine klägliche, der jährliche Preis beträgt 27 Mark. Die Offizin befindet sich in dem kaiserlichen Palast. Seit mehreren Jahren erscheint eine Quintessenz aus der Zeitung in englischer Übersetzung. In Hongkong wurde die erste gedruckte Zeitung vor etwa 25 Jahren gegründet. In Shanghai werden zwei grosse chinesische Zeitungen nach europäischem Zuschnitt gedruckt, die nicht allein den Inhalt der kaiserlichen Zeitung reproduzieren, sondern auch Belehrendes und Ankündigungen bringen. Die eine, „Shénpao“, vertritt europäische Interessen, die andere, „Sinpao“, ist Organ europafeindlicher Mandarinen. Die Blätter sind gern gelesen und das eine hat gegen 10000 Abnehmer. Überhaupt ist das Publikum sehr wissenslustig und man findet in Shanghai fast an jeder Thüre eifrige Leser.

Eine besondere Bestimmung über das litterarische Eigentum giebt es in China nicht, es ist ein Eigentum wie jedes andere und Nachdruck wird mit 100 Stockschlägen und Deportation bestraft.

Japan.

In der Hauptstadt von Japan, Yeddo (Tokio), wurde seit 1785 in europäischer Weise gedruckt und entwickelt sich dort eine rege Thätigkeit. Jedenfalls ist Japan, dieser ferne Kulturposten im Osten, bestimmt, einen hervorragenden Platz in der Geschichte der Civilisation einzunehmen. Das Tick-Tack der Typen und das Klappern der Pressen haben jedenfalls dort grössere Eroberungen gemacht, als alle Flotten der alten und der neuen Welt mit ihren Kanonen und Soldaten fertiggebracht haben würden. Die japanische Druckindustrie ist in fortwährender Steigerung begriffen und die Ausüber sind fast alle Eingeborene. Noch vor 15 Jahren hatte Japan[111] kein Journal in einheimischer Sprache, jetzt zählen die Journale nach hunderten, unter welchen weder Mode-, Witz- noch illustrierte und photographische Blätter fehlen. Das verbreitetste Blatt ist Yomiri Schimbun mit 20000 Exemplaren. Nach einzelnen Zeitungsnummern gerechnet, erreichte die Produktion jährlich 33 Millionen, von welchen ungefähr der dritte Teil durch die Post befördert wurde. Die Redaktion einer Zeitung ist keine ganz gefahrlose Beschäftigung, denn ein der Regierung missliebiger Artikel hat Haft und Geldstrafe zur Folge.

Die Produktion von Büchern ist eine ausserordentlich starke. Namentlich werden englische, deutsche und italienische Wörterbücher, Grammatiken, Parleure, Übersetzungen von astronomischen, nationalökonomischen und namentlich auch medizinischen Werken gedruckt[72]. Der Buchhandel steht unter der Aufsicht der Regierung, geniesst jedoch Abgabenfreiheit. Der Verkauf der Verlagsartikel findet durch Versteigerungen dreimal im Jahre statt, zu denen die Sortimentshändler oder vielmehr die Bücherverleiher — denn das Verleihen ist ein Hauptgeschäft — zuströmen, um die Lücken ihres Vorrates auszufüllen. Es giebt Leihbibliotheken mit 25000 und mehr Bänden. Die Romane, die sehr gern gelesen werden, sind sehr bändereich. Eine deutsche Buchhandlung besteht seit 1870 und viele deutsche Unterrichtsschriften werden nach dort versandt.

Früher liess Japan sein Papiergeld bei Naumann und Dondorf in Frankfurt a. M. drucken; jetzt besitzt es in Tokio eine Staats- und Geldpapier-Fabrik. Die Gebäulichkeiten, von einem französischen Architekten in Backsteinen aufgeführt, bestehen in einem grossen Vordergebäude mit zwei Flügeln und in mehreren Hintergebäuden. Das Institut ist mit dem vorzüglichsten Material und vortrefflichen Maschinen, grösstenteils von König & Bauer, ausgerüstet und arbeitet mit einem fast ausschliesslich einheimischen Personal, von Männern sowohl als von Frauen.

[112]

Die erste mechanische Papierfabrik nach europäischer Art wurde 1875 in Tokio eingerichtet. Das Gebäude ist aus Ziegelsteinen aufgeführt, misst 225 englische Fuss in der Länge, 106 Fuss in der Breite. Der Maschinensaal ist 130 Fuss lang, 32 Fuss breit, die Maschine selbst nach dem System Fourdrinier hat eine Länge von 76 Fuss. Durch zwei Zentrifugalpumpen können pro Minute bis zu 1600 Gallonen Wasser auf einen Turm von 26 Fuss Höhe, wo die Wasserreservoirs der Fabrik sich befinden, hinaufgepumpt werden. Die Beleuchtung geschieht durch selbstfabriziertes Gas. Es werden seitens der japanesischen Regierung grosse Anstrengungen gemacht, um den Verkauf des Fabrikats am Londoner Markt zu fördern, doch findet man es dort zu teuer.

Australien.

Australien hat den Engländern die Bekanntschaft mit der Kunst Gutenbergs zu verdanken. In Sidney entstand 1802 die erste Presse, deren Begründer ein Creole, George Howe, war. Der Durst nach politischen Nachrichten und öffentlichen Mitteilungen rief 1803 die erste Zeitung hervor, der bald andere folgten. Die Zügellosigkeit der Presse veranlasste ein sehr strenges Pressgesetz von 1827, das jedoch später aufgehoben wurde. Hobarttown auf Vandiemensland (Tasmanien) erhielt 1818 eine Druckwerkstätte.

Seit der Zeit haben sich die Verhältnisse sehr günstig für die Kunst in Australien gestaltet. In dem jungen aufblühenden Lande mit einer energischen, vorwärtsstrebenden Bevölkerung eröffneten sich für die Zeitungspresse die schönsten Aussichten. Sie ist denn auch in Australien in einem gewaltigen Vorwärtsschreiten begriffen und Zeitungen wie The South Australian Register in Adelaide, Argus und Age in Melbourne, Morning-Herald in Sidney nehmen es mit grossen englischen und amerikanischen Zeitungen auf, selbst in Bezug auf den Umfang der telegraphischen Korrespondenz. Jede kleine Stadt besitzt eine Zeitung oder doch ein Wochenblatt. Bei einer Bevölkerung von nur 2500000 Menschen hatte Australien 478 Zeitungen, davon in der Kolonie Victoria 151, in Neu-Süd-Wales 118, in Süd-Australien 46, in Queensland 48, auf Neu-Seeland 114, auf Tasmanien 12, in Westaustralien 3. Sie sind fast alle in englischer Sprache; die deutsche ist fast gar nicht vertreten. Die Ausstattung der Druckereien daselbst ist eine entsprechende. Die Setzer sind vorzugsweise Europäer, das Lehrlingswesen liegt im Argen.

[113]

Die Fabrikation für die Typographie ist noch in der Kindheit und das Mutterland hat in Australien einen sehr guten Kunden. Melbourne allein zahlt für Typen, Papier und Stationary-Artikel jährlich mehr als 6 Millionen Mark an England, doch schafft jetzt die amerikanische Konkurrenz, welche fast alle Accidenzschriften liefert, diesem einen schweren Stand.

Die Inseln der Südsee.

Nach den Gesellschafts-Inseln brachten die Missionäre 1818 die Kunst. Von einer auf der Missionspresse gedruckten Bibel wurden 3000 Exemplare in wenigen Tagen verkauft. Der Preis für ein Exemplar war ein Quantum von etwa zehn Kannen Kokosöl.

Auf den Sandwichs-Inseln wird in der Hauptstadt Honolulu seit 1821 gedruckt und 1835 erschien eine Zeitung. Der König gab dazu seine Erlaubnis mit den folgenden Worten: »Ich gebe meine Einwilligung, denn es freut mich, die Werke anderer Länder kennen zu lernen, sowie Dinge zu hören, die neu sind und die ich gern sehen möchte, wenn ich dort wäre. Ich habe zu dem Minister gesagt: »„Mache Druckerpressen««. Mein Gedanke ist zu Ende. König Kanegeaguli“. Auch der König Kalakaua war Redacteur und fleissiger Leitartikelschreiber. — Die Fidschi-Inseln haben vier Druckereien.


Afrika.

Der Norden Afrikas wird weiter unten (Romanische Gruppe) Erwähnung finden.

Über die frühzeitige Verbreitung der Buchdruckerkunst durch die Portugiesen in Abessinien und auf der Westküste von Afrika liegen keine begründeten historischen Nachrichten vor. Erwiesen ist nur, dass im Jahre 1583 auf der Insel Terceira gedruckt und zwar sehr gut gedruckt wurde.

In Freetown auf der Westküste gründeten Missionäre Schulen und Druckereien. Die Insel St. Helena erhielt aus Veranlassung der Gefangenschaft Napoleons eine Buchdruckerei.

In der seit 1806 den Engländern gehörenden Kapkolonie blühte die Presse bald empor. Die erste eigentliche Zeitung erschien 1824. Seit 1830 werden auch im Innern des Landes Zeitungen gedruckt. Der Zeitungsstempel wurde 1848 abgeschafft. 1854 wurde die erste mit Dampf betriebene Schnellpresse aufgestellt und 1860 hatte die[114] Kolonie 29 periodische Schriften. Bereits damals beschäftigte die vorzügliche Druckerei von Saul Salomon & Co. über 100 Arbeiter und zwei Dampfschnellpressen und lieferte auch eine grosse Zahl von Accidenzarbeiten in bester Ausführung. 1880 war die Zahl der Zeitungen 52, von denen 43 in englischer, 6 in holländischer Sprache, 3 in beiden Sprachen zugleich erschienen.

Recht fröhlich gedieh die Kunst auf Madagascar. König Radáma I. (gestorben 1828) war ein aufgeklärter Mann und Freund des Christentums und der Presse, welche von Missionären in den zwanziger Jahren eingeführt wurde. Diese brachten erst die Sprache der Eingeborenen in ein orthographisches System, um dieselbe geschrieben und gedruckt wiedergeben zu können. In der Hauptstadt Antananarivo wurden sechs periodische Schriften herausgegeben, darunter die Monatshefte „Gute Worte“ in einer Auflage von 3000 Exemplaren und das halbmonatlich erscheinende Blatt „Reis mit Honig gemischt“.

Fußnoten:

[53] Anecdotes biographical and literary of W. Bowyer. London 1778.

[54] Der bekannte Thom. Curson Hansard behauptet in seiner Typographia, dass, wenn die besten Prachtwerke Englands nicht ganz die besten der Franzosen und Bodonis erreichen sollten, dies in der schwierigeren Behandlung der Farben liege, deren Konsistenz in der wechselnden Temperatur Englands nicht ganz gleichmässig erhalten werden könne.

[55] 1879 rechnete man, dass jedes Parlamentsmitglied während der Dauer des letzten Parlaments 20 Zentner an Drucksachen empfangen habe.

[56] Biographical Memoir of Luke Hansard. London 1829.

[57] Thom. Landseer, Life and letters of W. Bewick. 2 Bde. London 1870. — J. G. Bell, A descriptive and critical Catalogue of works illustrated by T. and J. Bewick. — Th. Hugo, The Bewick Collector, London 1866. Supplement 1868. — Bewicks wood cuts, ed. by Th. Hugo. London 1870.

[58] History of the Balantyne Press. Edinburgh 1871.

[59] R. Lindau setzte dem Verstorbenen ein ehrendes Denkmal in der „Gegenwart“, abgedruckt im Börsenbl. f. d. d. B. 1879, Nr. 293.

[60] Autobiography and Memoir of R. & W. Chambers. Philadelphia 1872.

[61] C. Mitchell & Co., The newspaper press directory 1881. London. 36. Jahrg. — F. L. May & Co., Press-guide. — A. Andrews, The history of british journalism to 1855. 2 Bde. London 1859. — James Grant, The newspaper Press. 3 Bde. London 1871. — Jul. Duboc, Geschichte der englischen Presse. Hannover 1873. — R. R. Madden, The history of Irish periodical Litterature. London 1867. — Zur Charakteristik des Journalismus in England. Deutsche Vierteljahrsschrift 1853. — H. Sampson, A history of Advertising. London 1874.

[62] G. Bullen, Caxton Celebration. London 1877. — Catalogue of the Loan Collection etc. London 1877.

[63] Börsenbl. f. d. d. B. 1834, Nr. 17, 18.

[64] Ch. Knight, The old Printer and the modern Press.

[65] Merkwürdigerweise war das „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ der heftigste Antagonist der ganzen Richtung und wurde nicht müde, das Pfennig-Magazin auf das heftigste anzugreifen.

[66] Kelly, Directory of Stationers, Printers etc. of England. 3. Ausg. London 1880. — Whitaker, Reference Catalogue of current Litterature (periodisch). — H. Curven, A history of booksellers. London 1874. Ein kritikloses, aber viele interessante Details enthaltendes Buch.

[67] Diese grossartige Offizin wurde ausführlich von Th. Goebel im Journ. f. B. 1875, Nr. 40 u. f. beschrieben.

[68] Deutsch bearbeitet von L. Mohr in Strassburg (in Waldows Archiv), französisch von Léon Degeorge.

[69] A. Ulm, Bernh. Quaritch, N. Anz. f. Bibliogr.; ebenfalls Börsenbl. f. d. Buchh. 1880, Nr. 21.

[70] J. A. Arnett, Bibliopegia. London 1835.

[71] Einen sehr hübschen Überblick sowohl über die zu feineren Accidenzarbeiten zur Verwendung kommenden, in Qualität und Färbung oft ganz vorzüglichen Papiere, als auch über die englische Art, Accidenzien zu behandeln, giebt das bei Field & Tuer in London jährlich (1882 zum drittenmale) erscheinende The printers international Specimen Exchange in connection with the Paper and Printing-Trades-Journal. Es beruht das Unternehmen, das nicht in den Handel kommt, auf einem eigentümlichen internationalen Umtausch von Accidenzien. Wer eine solche in angegebener Weise ausgestattete in der nötigen Zahl von Exemplaren liefert, erhält ein Exemplar des Buches gegen eine mässige Vergütung für den Einband. Die Ausführung ist meistens technisch gut und zeugt von dem Streben, etwas mit dem Material zu machen. Ob Hansard (vgl. S. 16) sich freuen würde: that is the question!

[72] Der Buchhändler Herr W. v. Braumüller in Wien erhielt vom Kaiser von Japan als Gegengeschenk für eine, der deutschen medizinischen Schule in Tokio übersandte Sammlung der hervorragendsten Artikel seines wissenschaftlichen Verlages eine Auswahl von 144 von den besten und seltensten japanischen Werken in 1408 Bänden. Herr v. Braumüller liess ein Verzeichnis davon als Bibliotheca Japonica drucken. Die Titel sind mit deutscher Übersetzung versehen und gewähren einen belehrenden Einblick in die Bücherproduktion Japans.

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IV. KAPITEL.

DIE TYPOGRAPHIE UND DAS BUCHGEWERBE NORDAMERIKAS.

Wachstum der Presse. Die Zeitungen: Statistisches, der Herald, Horace Greeley und die Tribune, G. Childs und der Ledger, die Familie Harper, Frank Leslie und die illustrierte Presse. Die Holzschneidekunst. Die Buchdruckerei und der Buchhandel: die Staatsdruckerei und der Accidenzdruck, Organisation des Buchhandels. Grosse Druck- und Verlagsfirmen: Appleton, Lippincott, Houghton u. a., Einfluss des deutschen Elements, Nachdruck deutscher Werke, deutsche Buchhandlungen und Zeitungen. Das Papier.

Steigende Macht der Presse.
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ACHDEM Amerika seine Unabhängigkeit erkämpft hatte, stieg die Macht seiner Presse in rapider Weise. Es war natürlich, dass von einem Zustand gemütreicher litterarischer Beschaulichkeit noch keine Rede sein konnte und dass sich die geistigen Kräfte der Besten des Volkes fast ausschliesslich dem praktischen und dem politischen Leben zuwenden mussten. Die litterarischen Bedürfnisse liessen sich leicht und billig durch den Nachdruck der geistigen Erzeugnisse des Mutterlandes befriedigen und der Nachdruck war ja nicht verboten, also eine ehrliche, ja lobenswerte Sache.

Die Zeitungen.

Vor allem hatte man Zeitungen nötig; auf diese konzentrierten sich deshalb die Gedanken und Pläne der Verleger, der Buchdrucker, der Schriftgiesser und der Maschinenbauer und bald zeigte sich ein an das Wunderbare grenzender Aufschwung dieses Zweiges des Buchgewerbes.

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Im Jahre 1776 hatte New-York nur 4 Zeitungen, Massachusetts 7, Pennsylvanien gar keine aufzuweisen. Zur Zeit der Centennial-Feier und der Weltausstellung zu Philadelphia im Jahre 1876 erschienen in New-York 1088, in Massachusetts 346, in Pennsylvanien 738 Zeitschriften. Heute beträgt die Gesamtzahl der periodischen Schriften Nordamerikas 11418, darunter täglich erscheinende Blätter 982, Wochenblätter 8725. Von der Gesamtzahl liefert New-York 1412, Illinois 1032, Missouri 531. Illustrierte Blätter giebt es 512, Zeitschriften religiösen Inhalts 572. In englischer Sprache wurden 10619 Blätter gedruckt, 605 in deutscher, 35 in französischer, 37 in schwedischer und dänischer Sprache. Beschäftigung finden bei der Herstellung 72000 Menschen mit einem Lohnaufwande von 115 Millionen Mark. Der Brutto-Ertrag wird auf 370 Millionen Mark geschätzt. Die tägliche Zirkulation der Tagesblätter ist auf 3637000 Nummern — dieselbe ungefähr, die England mit seinen 135 Blättern erzielt — berechnet, die einmalige der Wochenblätter auf 19450000, die Gesamtsumme aller Zeitungen und Zeitschriften jährlich auf 2077650675 Nummern[73].

Es hat sich jemand die Mühe gegeben, auszurechnen, dass mit einem Gürtel an einander gereihter Bogen eines Jahrganges der amerikanischen Zeitungen die Erde sich 47mal umwickeln lasse und dass der Papierstreifen fünf Meilen länger sein würde, als die Entfernung der Erde von dem Monde. Ein anderer giebt an, dass zu einer Nummer sämtlicher Zeitschriften Nordamerikas 5000000 Pfund Schriften oder etwa 3 Milliarden Typen gehören. Kontrolliert haben wir die Rechnungen nicht.

Befinden sich unter den Zeitungen auch manche unbedeutende, die nur dazu dienen, die Zahl auszufüllen, so begegnen uns andererseits viele riesenhafte Unternehmungen, mit denen in Europa ausser den Times nur noch einige wenige sich messen können. Das New-Yorker Zeitungsviertel umschliesst die Prachtgebäude der Journale: New-Yorker Staatszeitung, Daily News, Star, Sun,[117] Tribune, Times, Observer, World, Evening Mail, Evening Telegraph, Herald, dazu den grossartigen Bau des Zentral-Telegraphenamtes, die kolossalen Offizinen von Harper Brothers u. a. Mit diesem bibliopolisch-typographischen Viertel kann sich selbst Fleet-Street, Paternoster-Row und Umgebung in London nicht messen.

Der Herald.

Das grossartigste Zeitungs-Institut ist wohl das des New-York Herald. Die Herausgeber haben sich die Mühe gegeben, eine Nummer des Herald mit der korrespondierenden Nummer der englischen Times zusammenzustellen. Jede enthält 120 Spalten; unter diesen hatte der Herald 80 Inseratenspalten mit 3061 Anzeigen, Times 73 Spalten mit 1846 Annoncen. Dem Stoff nach enthält die Herald-Nummer auf 31350 Zeilen mit etwa 2800000 Typenstücken den ungefähren Stoff von fünf gewöhnlichen Romanbänden. Die Ausgaben für einzelne Telegramme sind enorm und waren es früher noch mehr, als zehn Wörter 400 Mark kosteten. Während des englisch-abessinischen Krieges musste die englische Regierung ihre Nachrichten aus dem Privatbureau des Herald holen, denn dieser empfing seine Telegramme so zeitig, dass die englischen Blätter die aus New-York zurücktelegraphierten Nachrichten als ihre neuesten Nachrichten bringen mussten. Zur Zeit des deutsch-französischen Krieges hatte die Tribune den Herald überholt. Erstere brachte mit einem Kostenaufwand von 3000 Dollars das erste, spaltenlange Telegramm über den Kampf bei Gravelotte, das schon Tage lang in New-York gelesen war, als man in Berlin sich noch immer mit dem bekannten kurzen Telegramm aus dem Hauptquartier begnügen musste. Das machte die Tribune während des Krieges sehr populär. Als Trumpf hiergegen spielte nun der Herald die sehr kostspielige afrikanische Expedition Stanleys zum Aufsuchen Livingstones aus.

H. Greeley * 3. Febr. 1811, † 29. Nov. 1872.

Überhaupt erreichte die von Horace Greeley im Verein mit gleichgesinnten Mitarbeitern 1841 gegründete Tribune[74] eine hohe Bedeutung. Horace Greeley war Sohn eines armen Bauers in Amhorst. Er half seinem Vater beim Holzfällen; jedoch seine Liebe zu den Büchern erweckte den Wunsch in ihm, Setzer zu werden. Er kam auch in die Lehre nach Pultney, was er jedoch dort lernen konnte, war bald gelernt. Nach verschiedenen bösen Erfahrungen[118] kam er am 18. August 1831 nach New-York mit zehn Dollars in der Tasche. Trotz seiner Tüchtigkeit ward es ihm sehr schwer, eine Stelle zu finden. Man traute ihm nichts ordentliches zu, namentlich weil er gar zu wenig auf sein Äusseres gab. Endlich fand er in einer Druckerei Stellung. Es wurde ihm die schwerste Aufgabe, der Satz eines polyglotten Neuen Testaments, aufgetragen. Die Arbeit fiel vortrefflich aus und Greeley war bei derselben mit solchem Fleiss, dass er in Misskredit bei seinen von ihm ausgestochenen Kollegen kam. Ein Dr. Steppard, ein Mann mit vielen Kenntnissen, aber ganz ohne Vermögen, wünschte Teilnehmer für ein Blatt, die „Morgenpost“, und veranlasste Greeley und den Faktor der Druckerei, Story, solche zu werden. Das Blatt schlug fehl, jedoch die angefangene Druckerei kam vorwärts; Story starb und Greeley nahm einen anderen Associé, Winchester. Auch eine zweite Zeitschrift, der „New-Yorker“, an dem Greeley gearbeitet hatte, ging ein. Dieser, der demnach Schriftsteller geworden war, gründete nun selbst 1841 die Tribune. Die Anfänge waren klein. Greeley war die Seele des Ganzen, bald am Redaktionstisch schreibend, bald am Setzkasten zugreifend, dann, wenn nötig, bei der Presse Hand anlegend. Das Blatt gewann rasch einen grossen Aufschwung und die etwa zwanzig Gründer, die mit ihrer Arbeit — denn über ein anderes Kapital hatten sie nicht zu verfügen gehabt — beteiligt waren, wurden wohlhabende Leute. Ausser der Tagesausgabe druckte man eine halbwöchentliche und eine wöchentliche, zusammen in ungefähr 100000 Exemplaren. Horace Greeley schlug standhaft die Übernahme der ehrenvollsten, selbst Gesandten-Posten, aus und meinte, wenn ein Journalist auf seinem Posten ist, dann kann er in einem Lande mit einer freien Presse mehr leisten, als alle Gesandte zusammen[75]. Die Setzer der Vereinigten Staaten wollten ihm zuerst ein aus Typen gegossenes Monument setzen, errichteten ihm jedoch später auf dem Greenwood-Friedhofe in Brooklyn ein Denkmal, bestehend in einer Bronce-Kolossalbüste. Die vier Seiten des Sockels sind mit Reliefs geschmückt.

G. W. Childs.

Bedeutenden Einfluss übte auch The Public Ledger George W. Childs'. Dieser, in Baltimore geboren, kam als vierzehnjähriger[119] Bursche nach New-York in eine kleine Buchhandlung, erwarb sich durch grössten Fleiss, verbunden mit Sparsamkeit, einige hundert Dollars und fing mit diesen in einem Winkel des Gebäudes des Public Ledger ein kleines Geschäft an, jedoch mit dem Vorsatz: „das muss alles einmal mir gehören“. Childs wurde Teilhaber einer respektablen Buchhändlerfirma R. E. Peterson & Co., in der, unter seiner Beteiligung, viele bedeutende Werke erschienen.

Inzwischen war es mit dem angesehenen Ledger rückwärtsgegangen. Es bestand als Penny-Blatt seit dem Jahre 1816 und die Unternehmer hatten nicht den Mut, diesen Preis zu erhöhen, obwohl er unter den indes eingetretenen Valuta-Verhältnissen ein völlig unhaltbarer geworden war. Trotz der grossen Verbreitung und der massenhaften Inserate verlor man, wovon das Publikum jedoch keine Ahnung hatte, jährlich an 150000 Dollars. Unter diesen Verhältnissen kaufte Childs das Blatt für eine Summe, welche die eines Jahresausfalles wenig überschritt, stellte den Preis auf zwei Pence und erhöhte entsprechend den Inseratenpreis. Anfänglich grosser Krach in der Zahl der Abonnenten, dann aber das Gefühl bei denselben, den alten bewährten Freund nicht entbehren zu können, und die Sache ging wieder vorwärts. Nun war Childs ein gemachter Mann und der Ledger[76] eine grosse Macht, von der jedoch der Besitzer immer nur den edelsten Gebrauch gemacht hat. Er begriff, dass der Mann, welcher eine Druckerpresse besitzt und die Feder führt, ebensowenig das Recht hat, Schmähnachrichten zu verbreiten oder die Ehre eines anderen anzutasten, als derjenige, der eine Uniform und ein Schwert trägt, befugt ist, nach Belieben zu tödten oder zu verwunden, um seinen Launen oder boshaften Gesinnungen zu fröhnen. Sogar über die Anzeigen wachte er und hatte den Mut, von dem Prinzip abzugehen, wonach der Herausgeber eines Blattes nicht die Verantwortlichkeit, wennauch nur die moralische, für die Anzeigen zu tragen habe. Dass er mit diesem Prinzip zugleich auf grosse Einnahmen verzichtete, ist leicht zu begreifen. Childs sorgte auch stets in grossartigster Weise für die Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter.

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Es ist nicht möglich, die bedeutenden Zeitungsanstalten alle näher zu charakterisieren und ihre Offizinen ausführlich zu beschreiben, die auch im Westen grossartige Dimensionen angenommen haben, so z. B. die Offizin der Chicago Times, die in einem aus weissen Sandsteinen erbauten, palastähnlichen Eckgebäude mit zwei Fronten von je 80 Fuss ein Erdgeschoss und fünf Stockwerke einnimmt. Überhaupt würden solche Äusserlichkeiten an und für sich keine Bedeutung für die Geschichte der Buchdruckerkunst haben, wenn sie nicht mit als Beweis dienten, welche kolossale Ausdehnung und hohe Macht die Zeitungspresse besitzt, die doch immer nur ein Teil der Gesamtpresse ist.

Auch unter den Wochenblättern erheben einige stolz ihre Häupter über das Gewöhnliche. Unter den Verlegern und Druckern, die sich um diese Litteratur, doch nicht nur um diese, verdient gemacht haben, steht die Familie Harper obenan[77].

John Harper * 22. Jan. 1797, † 22. April 1875.

Der Gründer derselben, John Harper, stammt aus Newtown (Rhode Island). Sein Bruder James und er waren in New-York in einer Buchdruckerei beschäftigt und zählten mit zu den tüchtigsten Arbeitern, James als Drucker, John als Setzer. Im Jahre 1817 gründeten die Brüder eine kleine Buchdruckerei unter der Firma J. & J. Harper. Durch Promptheit erwarben sie sich einen guten Ruf und ihre eigenen Verlagsunternehmungen wurden mit Vertrauen empfangen. 1833 gesellten sich noch zwei Brüder, Joseph Wesley Harper und Fletcher Harper, als Teilnehmer dazu und die Firma wurde Harper Brothers. Die vier Brüder waren alle sehr verschiedenen Charakters, ergänzten sich jedoch ganz vortrefflich. Frug man: wer ist Harper? und wer sind die Brüder? so konnte man nur antworten: „irgend einer derselben ist Mr. Harper und die anderen sind die Brüder“. Gerade in diesem innigen Zusammenwirken lag das Geheimnis ihrer Erfolge. Im Jahre 1850 begannen sie Harpers Monthly, dessen Aufnahme eine so ausserordentlich günstige war, dass sie 1857 Harpers Weekly und 1867 Harpers Bazar folgen liessen.

Harpers neues Etablissement.

Jeder der Brüder hatte sein besonderes Departement, welches er selbständig leitete. Das der Finanzen gehörte John, zugleich die Besorgung der Erwerbungen an Material und Maschinen. Er[121] war ein Mann von bestimmtem Charakter, rasch im Entschliessen, fest in der Durchführung der Entschlüsse, in allen Verhältnissen ein Gentleman, bei aller Lebhaftigkeit stets ruhig und besonnen, nie in Unruhe oder Hast.

Brand des Etablissements.

Als das grosse Harpersche Etablissement in Franklin-square 1853 ein Raub der Flammen wurde, stand John mit seinen Brüdern ruhig unter der aufgeregten Menschenmasse und beobachtete das Fortschreiten des verheerenden Elements. Seine Uhr aus der Tasche ziehend bemerkte er gegen die Brüder, dass es jetzt Essenszeit sei; es wäre wohl das beste, man käme nach dem Essen zu ihm, dort könne man ruhig überlegen, was zu thun! Die Brüder fanden sich ein und sassen schweigend in Gedanken vertieft. Da ergriff John das Wort: „Unser Geschäft ist zu wertvoll, um es fallen zu lassen oder um es in andere Hände zu geben. Wir haben alle Söhne; sie haben uns geholfen und sind nun bald imstande, unsere Plätze einzunehmen. Wir wollen ihnen das Geschäft weiter führen und ihnen zeigen, dass wir noch keine alten Schlafmützen sind“.

Und so wards beschlossen. Noch an demselben Abend begann John die Pläne für den Neubau zu entwerfen. Die Zeichnungen von allen den inneren Räumlichkeiten und Einrichtungen wurden unter Berücksichtigung der mannigfachen Bedürfnisse des Geschäfts in allen Details von John gemacht und dann dem Architekten übergeben, dem es überlassen wurde, das Äussere dem Innern anzupassen. Durch Schaden klug geworden, liess man alles aus Stein oder Eisen aufführen. Jedes Stockwerk ist für sich ganz abgeschlossen und die Kommunikation mit den beiden Geschäftshäusern nur durch die, in einem freistehenden Turm, von welchem aus Verbindungsbrücken nach jedem Stocke der beiden Geschäftsgebäude führen, befindliche Treppe unterhalten. Es dürfte dieses Etablissement jetzt eines der eigentümlichsten, zugleich eine der am besten gegen Feuersgefahr gesicherten Druckereien der Welt sein. Ein eigentümlicher Zug von John Harper war es, dass er, obwohl er täglich von 9–3 Uhr im Comptoir arbeitete, die nach seiner eigenen Angabe gebauten Lokalitäten, mit Ausnahme des Maschinenraumes, nie betrat. Was in sein Departement nicht gehörte, überliess er ganz und gar seinen Brüdern, Söhnen und Neffen. Der Bruder James starb 1869, Wesley 1870, John selbst 1875 am 22. April, nur[122] sein Bruder Fletcher überlebte ihn. Bis zum Jahre 1878 hatten Harpers 3291 Werke in über 4000 Bänden herausgegeben.

K. Scribner.

Wennauch Harpers Monthly die grösste Auflage von allen Monatsschriften hat — 160000 Exemplare —, so kommt ihm doch das von Karl Scribner gegründete Scribners Monthly, das jetzt den Titel The Century angenommen hat, nahe. Der materielle Wert eines solchen Unternehmens ist ein sehr bedeutender; so erhielten die Söhne Scribners für ihren 40prozentigen Anteil die Summe von mehr als 1100000 Mark, wonach also das ganze Unternehmen den Wert von gegen 3 Millionen Mark repräsentierte.

Frank Leslie * 1821, † 1. Jan. 1880.

Unter den Herausgebern illustrierter Blätter ist Frank Leslie besonders zu erwähnen. Sein eigentlicher Name war Henry Carter. Erst Holzschneider und Vorsteher der xylographischen Anstalt der Illustrated London News, ging er im Jahre 1848 nach Amerika und unternahm die Gazette of Fashion, dann den Chimney Corner und das Ladys Magazine. Am 14. Dezember 1855 erschien Frank Leslies Illustrated Newspaper. Zwar erwarb er sich damit ein sehr grosses Vermögen; bei seiner excessiven Freigebigkeit überstiegen jedoch seine Ausgaben die Einnahmen und er musste 1877 sein Geschäft an J. W. England abtreten, wirkte aber für dasselbe fort. Leslie war der erste, welcher die grossen Holzplatten mit den darauf sich befindenden Zeichnungen in viele Stücke zersägen liess, um sie nach Vollendung des Schnittes, der nun gleichzeitig von einer grossen Zahl von Holzschneidern, also sehr schnell, gearbeitet werden konnte, wieder zusammen zu leimen oder durch Rahmen zusammen zu pressen.

Georg Putnam * 21. Febr. 1814, † 20. Dez. 1872.

Auch Georg Palmer Putnam erwarb sich einen bedeutenden Namen als Journal-Herausgeber. 1840 gründete er die Firma Wiley & Putnam. In London legte er eine Filiale an, weilte dort sieben Jahre und gab von 1843 ab The American Bookseller heraus. Putnam war der erste, der regelmässig Bücher nach England exportierte und umgekehrt von dort importierte. Nach seiner Rückkehr nach New-York wurde 1852 Putnams Magazine gegründet, welches damals in Nordamerika einzig in seiner Art dastand.

The Daily Graphic.

Amerika hat auch zu einer täglich erscheinenden illustrierten Zeitung den ersten Anlauf genommen. Seit 1873 erscheint in[123] New-York The Daily Graphic; jede Nummer mit etwa zwanzig grösseren oder kleineren Illustrationen. Bei einem äusserst mässigen Preis sind Druck und Papier sehr gut. Da jedoch die Bilder — Hochätzungen von verschiedenem Wert — in der Mehrzahl den unterhaltenden Teil illustrieren, also im voraus fertiggestellt werden können, so ist das Problem einer wirklichen illustrierten Tageszeitung noch nicht als voll gelöst zu betrachten.

Die Summe, welche die Inserierenden an die Zeitungs-Herausgeber zu zahlen haben, wird auf 120 Millionen Mark geschätzt. Von The Sun wurde neulich eine der 350 Aktien „billig“ für 18000 Mark verkauft, das gäbe nahe an sechs und eine halbe Million Mark. Der Redakteur A. Dana bezieht als Salair und Tantième jährlich etwa 300000 Mark. Hiernach kann man sich eine Vorstellung machen von dem enormen pekuniären Wert der amerikanischen Zeitungen.


Xylographie.
Alex. Anderson * 21. April 1775, † 17. Jan. 1870.

Der Schöpfer der amerikanischen Holzschneidekunst war Alexander Anderson. Bereits als Schulknabe schnitt er mit einem Handmesser kleine Vignetten in Schriftmetall und verkaufte sie an Zeitungs-Herausgeber. Später wählte er die Medizin als Brotstudium; jedoch die Liebe zur Kunst behielt die Oberhand bei ihm, und als er erfuhr, dass Bewick in London in Buchsbaum schnitt, hing er die Medizin an den Nagel und wurde der erste Holzschneider in Amerika. Seine letzte Arbeit in Metall war „das Abendmahl“ nach Holbein für eine Bibel in Quart. Bis in sein 94. Jahr arbeitete er unverdrossen. Während Amerika 1840 nur etwa 40 Xylographen hatte, betrug die Zahl bei Andersons Tod bereits über 400.

J. Adams.

Um den Druck der Holzschnitte, zugleich um diese selbst und die galvanische Vervielfältigung derselben hat J. Adams wesentliche Verdienste. Nach vielen vergeblichen Versuchen gelang es ihm, mit Harpers ein Übereinkommen betreffs des Verlages und Druckes einer illustrierten Bibel abzuschliessen, wobei er die Bedingung gestellt hatte, dass der Druck vollständig nach seiner Angabe geschehe. Mit unermüdlicher Sorgfalt wendete er das noch nicht bekannte Verfahren des Unterlegens an und nach vierzehntägiger Arbeit an der Adamsschen Tiegeldruckpresse, während deren er vieles von den über ihn spottenden Druckern und der Bedenklichkeit[124] der Verleger zu leiden hatte, leistete er zum Staunen der ersteren und zur Genugthuung der letzteren mit dem ersten Bogen einen Druck, wie man ihn noch nicht kannte. Das Publikum lohnte der Verleger Opferwilligkeit durch Abnahme von 50000 Exemplaren.

Die Regierungsdruckerei.

Unter den Druckanstalten Amerikas sowohl als unter den Staatsdruckereien anderer Länder nimmt die Regierungsdruckerei[78] der Vereinigten Staaten einen achtunggebietenden Standpunkt ein.

Zuerst wurden die Staatsarbeiten an die, von beiden Häusern gewählten Privatdruckereien vergeben, mit denen man auf Grund bestimmter Preise kontrahierte. Später beliebte man den Zuschlag an den Mindestfordernden, dann wurde zu einer Anstalt geschritten, deren Direktor der Präsident erwählt. Die 1861 bezogenen Räumlichkeiten sind später bedeutend erweitert worden.

Vor der Rebellion der Südstaaten genügten 23, grösstenteils Adamssche, Schnellpressen. Durch 4 Accidenzpressen und einige Liniiermaschinen wurden die kleineren Arbeiten erledigt. Während des Aufstandes nötigte jedoch der Bedarf des Kriegs- und Marinedepartements zur Verstärkung der Kräfte. Obwohl von Liniiermaschinen allein 16 fortwährend beschäftigt waren, mussten manche Arbeiten Privaten übertragen werden. Nachdem jedoch der Kongress bestimmt hatte, dass alle Regierungsarbeiten in der Staatsdruckerei besorgt werden sollten, waren grosse Erweiterungen vorzunehmen.

Das Druckhaus ist ein vierstöckiges, nicht besonders schönes, jedoch gut belichtetes und zweckmässig eingerichtetes Gebäude von 300 Fuss Länge und 60–70 Fuss Breite. Der Druckersaal nimmt die ganze Tiefe und 270 Fuss Länge ein. Die Zahl der Schnellpressen beträgt 63, die der Arbeiter 1200. Die Jahresausgabe für Löhne und Material wird auf etwa 9 Millionen Mark veranschlagt. Die Arbeiten sind in drei Klassen geteilt: Staatsakten, gerichtliche und laufende Arbeiten. Die in der Anstalt gedruckten Werke haben oft einen grossen Umfang, so umfasst das Werk über den Secessionskrieg 96 Bände in Grossoktav. Oft ist rasende Eile notwendig; so wurden die Berichte der Halifax-Fischerei-Kommission 480 Seiten in Oktav in 48 Stunden gesetzt, korrigiert, gedruckt, gebunden und dem Kongress übergeben. Der jährliche landwirtschaftliche Bericht ist[125] ein Band von 800 Oktavseiten und wird in 225000 Exemplaren gedruckt.

Banknotendruck.

Der Banknotendruck unterlag durch Jakob Perkins, der die Herstellung von Stahlplatten einführte, einer bedeutenden Umänderung und Verbesserung. 1818 ging Perkins nach London und arbeitete dort mit dem vorzüglichen Graveur Heath zusammen. Mehrere Sicherheitsmassregeln wurden erfunden, namentlich das Hineinarbeiten von Fäden oder Haaren in das Papier. Die Noten sind, dem Geschmack der Amerikaner gemäss, recht bunt und enthalten vollständige Bilder, ja sogar Schlachtenscenen, in Stahlstich. Sie werden in dem Bureau of Engraving and Printing, einer Abteilung des Schatzamtes, und bei der American Banknote Company ausgeführt.

Die Postkarten liefert laut Vertrag die American Phototype Company in Holyoke. Der Bogen enthält 40 Postkarten. Die Pressen sind mit verschlossenen Zählapparaten versehen, zu welchen nur Regierungsbeamte den Schlüssel haben. Zirkularschneidemaschinen teilen den Bogen viermal der Länge nach, die Längenschnitte werden wieder zehnmal der Quere nach geschnitten. Täglich wird durchschnittlich 1 Million Stück geliefert, die Produktion kann aber auf 1700000 gesteigert werden.

Dass die Versendung von Drucksachen durch die Post eine sehr grosse ist, begreift sich leicht; sie beträgt neben 1100–1200 Millionen Briefen jährlich gegen 750 Millionen Zeitungsnummern und mehr als 300 Millionen andere Drucksachen.

Accidenzdruck.

Der Accidenzdruck setzt in einem Geschäftslande, wie es Amerika ist, enorme Summen in Zirkulation. Nach Einführung der Tretmaschinen ist ein grosser Teil der Arbeiten in die Hände der Stationer (Trittmüller) übergegangen. Bei der Sucht, auffällig zu sein, laufen allerdings manche sonderbare Erzeugnisse unter den Accidenzen mit unter, aber vieles ist auch ausserordentlich schön. Unter den Accidenzdruckern, speziell unter den Farbendruckern, steht W. J. Kelly in hohem Ansehen. Als Herausgeber einer Fachzeitschrift, The Model Printer, macht er zugleich seine Arbeiten der Allgemeinheit der Buchdrucker nutzbar. Einen würdigen Konkurrenten hat er in J. F. Earhart in Columbus. Auch Oscar H. Harpel in Cincinnati, der den glücklichen Gedanken hatte, etwa 700 von ihm[126] O. H. Harpel * 8. Juni 1828, † 20. Nov. 1881.in der Praxis ausgeführte Accidenzen in einem Band Harpels Typograph zu sammeln, genoss eines verdienten Ansehens. Ausser seinem praktischen Musterbuch gab er ein mit grossen Kosten verbundenes Werk heraus: Poets and Poetry of Printerdom. Harpel war eine der ideal angelegten Naturen, die in ihrem Streben nach Vollkommenheit nicht genug das Praktische berücksichtigen, und er erzielte deshalb nicht die Vorteile, die ihm auf Grund seiner Tüchtigkeit und Liebe zur Kunst sehr zu gönnen gewesen wären.

Als Beispiel, welche Summen auf Accidenzarbeiten verwendet werden, sei angeführt, dass ein Kurzwaren-Geschäft in New-Haven für 2000 Exemplare eines Muster-Katalogs gegen 350000 Mark verausgabte. Der Folioband von 290 Seiten mit etwa 700 in der wirklichen Grösse und in den natürlichen Farben ausgeführten Abbildungen kostet allein zu binden 65 Mark für jedes Exemplar. Dabei übersandten die Besteller nach Vollendung des Bandes dem Drucker mit einem sehr verbindlichen Schreiben ein äusserst kostbares Chronometer, ein Zeichen der Anerkennung, wie sie im Geschäftsleben wohl nicht gar zu oft vorkommt.

Die Durchschnittsqualität des Buchdruckes ist eine gute. Man fabriziert in Amerika weniger für besondere Klassen von Lesern, es fehlt deshalb in der Regel einerseits das höchste Raffinement, andererseits ein ungeniertes Sichgehenlassen. Die Schulbücher sind, was nicht genug gelobt werden kann, fast ausnahmslos vortrefflich ausgestattet. Druckt man einmal wirkliche Prachtwerke, so können sie auch den Vergleich mit den besten Erzeugnissen der alten Welt aushalten, z. B. Appletons Picturesque America und Picturesque Europe.


Der Buchhandel.

Über die Ausdehnung des Buchhändlerischen Geschäfts[79] ist es nicht leicht, eine ganz bestimmte Übersicht zu gewinnen, da keinerlei Kontrolle ausgeübt wird. Die Zahl der eigentlichen Buchhändler wird auf etwa 3000 angegeben, darunter sind gegen 800 Verleger. Neun Zehnteile des Verlagsgeschäftes sind jedoch auf höchstens 50 Firmen verteilt. Buchhändler, welche nicht ein ausschliessliches Geschäft aus dem Handel mit Büchern machen, giebt es über 10000.

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Bücherproduktion.

Hat die Bücherproduktion auch nicht eine so immense Steigerung aufzuweisen wie die Zeitungsproduktion, so ist sie doch eine sehr bedeutende. Die amerikanische Originallitteratur bietet schon jetzt einen bedeutenden Stoff, daneben werden mit einer, bei lohnenden Aussichten staunenswerten, einer besseren Sache zur grössten Ehre gereichenden Energie die besten Erzeugnisse des Mutterlandes nachgedruckt. Ein internationaler Vertrag mit England lässt immer noch auf sich warten, und obwohl selbst in Amerika gewichtige Stimmen für den Schutz gegen Nachdruck sich erheben, ist doch kaum anzunehmen, dass der „praktische“ Amerikaner sich dem Zwange sobald fügen wird, es wäre denn, dass die Zunge der Interessenwage sich zu seinen Gunsten neigen würde.

Organisation des Buchhandels.

Der eigentliche Ursprung des organisierten Buchhandels in Amerika rührt von der Begründung der Amerikanischen Buchhandlungs-Gesellschaft im Jahre 1801 her. Sie errichtete Comptoire in New-York, Philadelphia und Boston, stellte feste Bedingungen für den Betrieb und war bemüht, durch Preisausschreiben die Fabrikation des Papiers und der Druckerschwärze zu fördern. Doch blieben die Fortschritte des Buchhandels immer noch klein. Die Auflagen wurden selten höher als 5–600 gemacht.

Mit dem Jahre 1830 hatte sich dies schon sehr geändert und später erreichten Werke selbst von grösserem Umfang und hohem Preis grosse Verbreitung. Agassiz' Naturgeschichte Nordamerikas, die über 600 Mark kostete, hatte über 2500 Subskribenten; von Kanes Reise nach den arktischen Regionen wurden 60000 Exemplare abgesetzt, von Murrays geographischer Encyklopädie 50000, von Chambers Encyclopædia of Literature über 100000. 1860 gab es bereits 400 Verleger und der Wert der produzierten Bücher — nicht Zeitungen —, der 1820 10 Millionen Mark betrug, hatte 1860 70 Millionen Mark überschritten. Die Zahl der Buchdruckereien war 1860 bis auf 4000 gestiegen, nachdem sie 1776 40, 1812 400 betragen hatte.

Die Organisation des Buchhandels ist nicht so geschlossen, wie in Deutschland, doch hat die American Book Trade Association einige Ähnlichkeit mit dem Börsen-Verein der deutschen Buchhändler. Die Buchhändler teilen sich in Publishers (Verleger), Jobbers (Kommissionäre) und Retailers (Sortimentshändler), doch sind diese[128] drei Branchen oft in einer Hand vereinigt. Eine besondere Klasse der Verleger bilden die sogenannten Subscription Publishers, welche ihren Verlag nur durch Vermittelung von Agenten vertreiben, von welchen jedem ein gewisses Territorium überlassen bleibt, innerhalb dessen Grenzen er allein den Vertrieb hat. Der Jobber dient als Mittelsmann für diejenigen Sortimenter, die nicht mit den einzelnen Verlegern in Rechnung stehen können oder wollen, und vorziehen, ihren ganzen Bücherbedarf aus einer Hand zu nehmen. Sie kaufen oft tausende von Exemplaren von den Verlegern und verkaufen mit einem mässigen Nutzen.

Einmal im Herbst und einmal im Frühjahr findet eine grosse Bücherauktion statt, in welcher der Sortimentshändler sein Lager versorgt. Die Produktion des Jahres 1877 betrug 4476 Werke, also ungefähr dieselbe Quantität, die England produzierte. Nur einige grosse Firmen schlagen eine universelle Richtung ein, gewöhnlich beschränkt sich eine Firma auf einen Zweig.

Eine für Amerika eigentümliche Institution ist die American News Company. Diese Gesellschaft konzentriert in ihren Händen fast den ganzen Betrieb der periodischen Unternehmungen; ihre Interessen vertritt The American Bookseller. Es ist eine Anstalt, mit der die Journal-Verleger rechnen müssen, die jedoch ihre Macht in loyaler Weise gebraucht.

Fr. Leupoldt.

Um die Förderung der buchhändlerischen Organisation und des Büchervertriebes hat sich der Deutsche Friedr. Leupoldt aus Stuttgart besonders verdient gemacht. Wie in früherer Zeit Deutsche die Buchdruckerkunst durch alle Länder verbreiteten, so sind es in späterer Zeit fast überall Deutsche, die sich um die rationelle Einrichtung der buchhändlerischen Institutionen verdient gemacht und, durch die mühsamen Arbeiten der Inventarisierung, System in den Vertrieb gebracht haben. Die von Leupoldt ins Leben gerufene Publishers Weekly ist die beste bibliographische Zeitschrift Amerikas. Ebenfalls vortrefflich ist sein seit 1876 erscheinendes American Library Journal und sein jüngstes Werk Catalogue and Finding List of all American Books in Print and for Sale. 1881. Eine grosse Erleichterung für den Vertrieb bildet schliesslich die, ebenfalls von Leupoldt in Scene gesetzte, Uniform Trade List Annual, eine in gleichförmigem Äussern durchgeführte Sammlung der[129] Kataloge der Mehrzahl der Verlagshändler, eine Idee, welche in Europa sofort Nachahmung fand, auch den Anstoss zu dem idealern, aber vielleicht weniger praktischen Russellschen „Gesamt-Verlagskatalog des Deutschen Buchhandels“ gegeben hat.

Sower, Potter & Co.

Einige der massgebenden und bahnbrechenden Verleger und Drucker wurden bereits genannt; es mögen zur Charakterisierung noch einige wenige angeführt werden und zwar zuerst das älteste Druckgeschäft Amerikas, dessen Geschichte noch weiter zurückgeht, als die der Vereinigten Staaten selbst und welches zugleich deutschen Ursprungs ist. Ein Teilhaber der angesehenen Firma Sower, Potter & Co. in Philadelphia ist der direkte Nachkomme in fünfter Generation von Christoph Saur (I, S. 274). Wie bereits in ihren ersten Anfängen beschäftigt sich die Firma noch heute hauptsächlich mit dem Druck von Erziehungs- und Erbauungsschriften.

Der Bibeldruck.

Letzterer Zweig ist überhaupt von sehr grosser Bedeutung, namentlich entwickeln die Bibel- und Missionsgesellschaften eine ausserordentliche Thätigkeit. Die 1816 gestiftete Amerikanische Bibelgesellschaft, deren Jahres-Einnahme jetzt etwa zwei und eine halbe Million Mark beträgt, druckte während der ersten sechzig Jahre ihres Bestehens über 33 Millionen Bibeln in 20 verschiedenen Ausgaben mit einem Aufwande von 75 Millionen Mark. Die Druckerei der Gesellschaft arbeitet mit 12 Rotationsmaschinen; die Zahl ihrer Stereotypplatten beträgt 65000. Im Jahre 1868 verbreitete The American Tract Society 807000 Bände und 9493000 Flugblätter. Der Verein Für Presbyterianischen Verlag weist über 2000 Artikel auf. Eine ähnliche Zahl sind aus den Pressen der, etwa 500 Personen und 30 Schnellpressen beschäftigenden Druckerei der Gesellschaft der Methodisten, die über ein Kapital von ungefähr 3500000 Mark disponiert, hervorgegangen. Über hundert Ausgaben der Bibel druckte die Firma John E. Potter & Co., unter deren zahlreichen anderen Verlagsartikeln sich die Bible Encyclopædia mit ihren 10000 Artikeln und über 3000 Abbildungen befindet. In einer ähnlichen Richtung wie die obigen Anstalten wirken The American Sunday School Union, The Evangelical Knowledge Society, der Nationale Mässigkeits-Verein, sowie die Firma A. J. Holman & Co. und noch viele Gesellschaften und Verleger. Für die Bedürfnisse der Katholiken sorgt unter anderen die Gesellschaft zur Verbreitung[130] der Katholischen Litteratur. Auch die bekannte Firma Gebrüder Benziger in Einsiedeln unterhält zu diesem Zwecke eine Filiale in New-York.

Appleton & Co.

Das Geschäft, welches die vielseitigste Thätigkeit entwickelt, ist D. Appleton & Co. in New-York, gegründet 1831. Wie bei Brockhaus in Leipzig das Konversations-Lexikon, so bildet bei Appletons The American Encyclopaedia mit 4000 Holzschnitten und vielen Karten den Mittelpunkt des Verlages. Das schönste illustrierte Buch in Amerika dürfte ihr Picturesque America mit 850 Holzschnitten und 48 Stahlstichen sein, dem eine Picturesque Europe folgte. Ein wichtiger Teil des Verlages ist der den Bildungszwecken gewidmete. Auch die Anregung zu den International Scientifiques Series, die gleichzeitig auch in Deutschland, England, Frankreich, Italien und Russland erscheinen, ging von Appletons aus. Ihr North American Review steht in grossem Ansehen. Die Offizinen der Firma nehmen einen Raum von über 60000 engl. Quadratfuss ein. Mit der Buchdruckerei von etwa 50 Schnellpressen sind die verschiedenartigsten graphischen Anstalten verbunden.

J. B. Lippincott & Co.

Die Werkstätten von J. B. Lippincott & Co. in Philadelphia zählen zu den grossartigsten. Ihr Katalog führte 1879 weit über 2500 Werke auf, darunter Worcesters Dictionary of the English Language, das mit dem Websterschen um den Vorrang kämpft und einen mächtigen Band von 1854 Quartseiten mit 1000 Illustrationen bildet.

Houghton & Co.

Die Firma Houghton, Osgood & Co. besitzt ausser ihrem Geschäft in Boston ein bedeutendes Drucketablissement The riverside Press in Cambridge in unmittelbarer Nähe der Harvard-Universität. Sie vereinigen in ihrem Verlagskataloge die bedeutendsten Dichter und Romanschriftsteller Amerikas und Englands.

Blakeman & Co.

Ivison Blakeman, Taylor & Co. in New-York und Chicago, gegründet 1828, widmen sich ausschliesslich dem Verlage von Schulbüchern und verbreiteten bereits gegen 100 Millionen Bände. Wie bedeutend der Umfang der Geschäfte in Amerika ist, sieht man daraus, dass eine Sortimentshandlung in Chicago an einem Tage 186600 Bände aus dem Verlage der Genannten bestellte. Der tägliche Vertrieb ist gewöhnlich 15000 Bände. Von den vielen Lesebüchern von Sander werden jährlich etwa zwei Millionen[131] Bände verbreitet. Bei dieser Firma erschien auch das Webstersche Wörterbuch, ein Quartband von 1840 Seiten mit 3000 Abbildungen.

Woods & Co.

Für die medizinische Litteratur haben Will. Woods & Co. in New-York grosse Bedeutung. In ihrem Verlage erschien u. a. Ziemssens Encyklopädie der praktischen Medizin, 17 Bände. Die Orange Judd Company pflegt mit grossem Nachdruck die Landwirtschaft und die Architektur; Boericke & Tafel sind speziell Verleger homöopathischer Werke.

L. Prang * 12. März 1827.

Es war natürlich, dass in einem Lande mit einem grossen, noch nicht auf der höchsten Stufe der Bildung stehenden Publikum der Bilderdruck ein gutes Feld finden musste und Amerika wurde der stärkste Konsument der einschlägigen deutschen Produkte. Amerika selbst besitzt eine hervorragende chromolithographische Anstalt, die von L. Prang & Co. in Boston. Ludwig Prang ist ein Deutscher und wurde in Breslau geboren, wo sein Vater als Formenschneider in einer Kattundruckerei arbeitete. Dieser war ein in vielen Sachen unterrichteter Mann und schwang sich zum Teilnehmer der Fabrik empor. Unter seiner Anleitung erhielt der Sohn die ersten künstlerischen Anregungen. Nach fünf wechselvollen Ausbildungsjahren wurde Prang von dem Strudel der deutschen Revolution mit fortgerissen, musste nach der Schweiz flüchten und ging von dort nach Nordamerika, wo er sich in verschiedenen Geschäften ohne Glück versuchte. Schliesslich warf er sich mit aller Energie auf die Holzschneidekunst und wurde bald einer der tüchtigsten Xylographen Amerikas, ruinierte jedoch seine Gesundheit, so dass er einen andern Beruf wählen musste.

Prang wendete sich nun der Lithographie zu und etablierte sich mit einem tüchtigen Freunde, der aber ebensowenig, wie er selbst, Vermögen besass. Sie setzten jedoch ihr Vorhaben, eine Anstalt für Farbendruck zu errichten, durch und debutierten mit einem Rosenbouquet in vier Farben, das, obwohl keineswegs vollendet, doch sehr gefiel. Die Assoziation löste sich 1860. Durch den Sezessionskrieg wurde Prang vielfach von seinen Plänen abgelenkt, gewann aber durch Kartenarbeiten Mittel, um auf jene zurückzukommen. Im Jahre 1865 erschienen die ersten Nachbildungen von Gemälden, zwei amerikanische Landschaften nach Beiker. Der Erfolg war jedoch kein ermutigender und Prangs Freunde rieten ihm,[132] sein Vorhaben aufzugeben. Jedoch ein kleines Bild — eben aus den Eiern ausgekrochene Küchlein — von Tait gab den Ausschlag. Es wurde nicht nur in enormen Massen verkauft, sondern riss auch die liegengebliebenen Landschaften mit fort, und öffnete die Wege für die Millionen von Chromos — diese Bezeichnung führte Prang ein —, welche in Amerika gedruckt oder von Europa importiert wurden. Prangs Erzeugnisse machten dagegen die Rundreise in Europa und fanden allgemeine Anerkennung.

In Verbindung mit John S. Clark, von der Firma Osgood & Co., führte Prang eine Reihe von Unternehmungen, zu Unterrichts- und künstlerischen Ausbildungszwecken bestimmt, durch und leistete hierin vorzügliches.


Das deutsche Element.

Den Einfluss des Deutschen Elements auf das Buchgewerbe in Nordamerika zu verfolgen ist von ganz besonderem Interesse[80]. In dem Aufschwung desselben, welcher sich in der vorigen Periode (I, S. 273) kundgab, sollte bald ein Rückschlag eintreten. Zur Zeit der Befreiungskämpfe Amerikas, sowie später der französischen Revolutionskriege und der Gewaltherrschaft Napoleons, 1775 bis 1815, hatte die deutsche Einwanderung fast aufgehört, und als sie wieder anfing, bestand der Zufluss fast nur aus Leuten, die des fehlenden täglichen Brotes wegen die Heimat verlassen und keiner geistigen Nahrung bedurften, viel weniger selbstthätig das geistige Element kräftigen konnten. Die wenigen begabten Männer unter ihnen schlossen sich mehr dem englischen Element an.

Erste Druckthätigkeit der Deutschen.

Unter solchen Verhältnissen beschränkte sich die deutsche Druckthätigkeit auf die Herstellung einiger deutscher Schul- und Gebetbücher, sowie Kalender, welche man immer noch hauptsächlich den wenigen deutschen Pressen Philadelphias verdankte. Dies änderte sich erst mit dem politischen Aufschwung in Deutschland in den dreissiger Jahren und mit der darauf folgenden Sturm- und[133] Drangperiode von 1848 nebst der Zeit der Nachwehen der Reaktion. Unter den von 1830–1870 aus Deutschland eingewanderten zwei und eine halbe Millionen befand sich eine nicht geringe Zahl von Männern, die den gebildeten Ständen angehörten, welche geistige Bedürfnisse hatten, zumteil in der Lage waren, diejenigen anderer zu befriedigen. Hiermit begann die eigentliche Entwickelung des deutschen Buchhandels und Druckgewerbes in dem Emporium New-York.

Der erste, der dort geschäftlich kräftig eingriff, war der Deutsch-Amerikaner Heinrich Ludwig (geb. 1804). Er etablierte sich 1832, importierte anfänglich hauptsächlich Schul- und Erbauungsbücher und fing 1834 selbst zu drucken an. Er lebte bis 1877, hochgeachtet wennauch geschäftlich längst durch neuere Etablissements überflügelt.

New-Yorker Staatszeitung.

Bereits 1835 wurde die deutsche New-Yorker Staatszeitung unter sehr bescheidenen Verhältnissen ins Leben gerufen, sie sollte sich aber bald zu einer der bedeutendsten Zeitungen Amerikas hinaufarbeiten. Keine Zeitung Deutschlands und kaum eine Nordamerikas dürfte fürstlicher untergebracht sein, als die Staatszeitung in ihrem 1873 im Printinghouse-Square in New-York bezogenen Palast. Derselbe ist mit einem Kostenaufwand von zwei Millionen Mark, nicht gerechnet eine Million für Grund und Boden, in Renaissancestil aufgeführt. Der Unterbau und der erste Stock sind aus schwarzem Granit, die übrigen Stockwerke aus hellem Granit. Ein Mansardendach von entsprechender Höhe krönt das ganze. Die eisernen Dachbalken sind mit eisernen Platten bedeckt; die Scheidewände sind ebenfalls aus Eisenplatten. Die Comptoirlokalitäten in Renaissancestil sind reich mit Schnitzwerk geschmückt und die Eleganz der Beleuchtungsapparate, der Marmortische und der Mosaikfussböden entspricht dem übrigen. Allerdings Äusserlichkeiten, aber welche Macht hat eine solche Zeitung erlangt, um sich derartige Äusserlichkeiten schaffen zu können.

Nach und nach entstanden viele deutsche Blätter, welche, obwohl anfänglich schwach, an Mängeln aller Art leidend und sich christlich von Raub nährend, doch den Boden für die weitere Pflege der deutschen Litteratur bearbeiteten. Im Verlauf der letzten 30 Jahre hat jedoch die deutsche Zeitungspresse, die über 500 Organe zählt,[134] sehr an Bedeutung zugenommen und nicht wenige der Blätter können sich mit den besten deutschen Zeitungen messen.

Verschiedene deutsche Buchhändler.

Einen wesentlichen Einfluss auf die Verbreitung der deutschen Litteratur übte der Berliner Wilhelm Radde (geb. 1800), der 1834 eine deutsche Buchhandlung in New-York gründete, viele Werke für die Bedürfnisse der Gelehrten einführte und sich daneben auch in billigen Nachdrucks-Ausgaben der Klassiker versuchte. Jedoch waren diese noch verfrüht und wollten damals noch nicht „ziehen“. Ein Buchhändler schrieb an Radde: »Ich gebrauche umgehend folgende „echte« Klassiker gegen bar: 100 Schinderhannes, 100 heilige Genoveva, 100 bayrische Hiesel, 100 Eulenspiegel. Grössere Bestellungen werden nachfolgen“. Radde liess sich dies nicht zweimal sagen, er veranlasste jedoch 1853 die Cottasche Buchhandlung, namentlich um den Nachdrucken des W. Thomas entgegenzutreten, von ihren „unechten“ Klassikern sehr gute und billige Konkurrenz-Ausgaben zu veranstalten; selbst Werke wie Humboldts „Kosmos“ und dessen „Ansichten der Natur“ erschienen in solchen. Andere Verleger wollten von dieser Konkurrenz gegen sich selbst nichts wissen und Campe in Hamburg sah z. B. ruhig zu, wie eine Ausgabe von Heine nach der andern dort gedruckt wurde. In dieser Weise drangen viele tausend Bände der besten Werke selbst in die unter bescheidenen Verhältnissen lebenden deutschen Familien und stärkten die geistige Verbindung mit dem Mutterlande.

Im Jahre 1845 hatten deutsche Verleger sich mit dem Plane beschäftigt, auf Aktien eine bedeutende deutsche Buchhandlung in Amerika zu errichten. Rudolph Garrigues, ein junger gebildeter Buchhändler aus Kopenhagen, wurde nach Amerika entsendet, um das Terrain zu sondieren. Garrigues' klarer Bericht fand allgemeinen Beifall, als es indes zum Zeichnen der Aktien kam, schreckte der deutsche Buchhandel vor einem mässigen Kapital von 30000 Thalern zurück. Sonderinteressen machten sich, wie gewöhnlich, geltend, und die Sache verlief im Sande. Garrigues etablierte sich nun selbst mit einem tüchtigen deutschen Buchhändler, F. W. Christern. Später folgten Jul. Helmich, L. W. Schmidt, G. & B. (jetzt W. & C.) Westermann Brothers; das Bibliographische Institut in Hildburghausen legte eine Filiale in New-York an; Fr. Gerhard druckte ein sehr gutes deutsch-amerikanisches Konversations-Lexikon; Schäfer[135] & Koradi in Philadelphia wurden bedeutend als Sortimenter wie als Verleger. Leupoldts Verdienste sind schon erwähnt.

E. Steiger.

Gross ist die Wirksamkeit Ernst Steigers in New-York, als Sortimenter sowohl, wie als Verleger und Drucker, gewesen. Steiger, aus Oschatz in Sachsen gebürtig, bildete sich als Buchhändler in Leipzig aus und arbeitete elf Jahre bei Westermann in New-York. Er erwarb eine kleine deutsche Buchhandlung mit Zeitungsgeschäft und fing dann Buchdruckerei und Verlag von Schulbüchern an, allerdings zuerst in Nachdrucken. Durch ungemeines Verbreiten seiner zumteil sehr umfangreichen Kataloge wirkte er sowohl im eigenen Interesse, wie in dem der deutschen Verleger. Eine verdienstliche bibliographische Leistung ist Steigers The Periodical Literature of the United States of America with Index and Appendices. 1873. Auch erwarb sich Steiger das Verdienst, für die Wiener Weltausstellung 1873 eine Probe-Kollektion von je einer Nummer von 6209 amerikanischen Zeitungen in 119 Foliobänden fertiggestellt zu haben, die er nachher der Wiener Hof- und Staatsbibliothek zum Geschenk machte. Von der Bedeutung, welche der Absatz in Amerika für das deutsche Druckgewerbe hat, kann als Beispiel dienen, dass allein Steiger von der „Gartenlaube“ 12000, von der „Illustrirten Zeitung“ 3800, von „Über Land und Meer“ 4000, von der „Romanzeitung“ 3500, von „Daheim“ 3000 und vom „Bazar“ 2500 Exemplare im Jahre 1871 verbreitete. Auch im Westen und Süden der Vereinigten Staaten entstanden deutsche Buchhandlungen, so Theobald & Theuerkauf in Cincinnati, L. C. Witter in St. Louis.

Der Nachdruck.

Jetzt, wo die deutschen Klassiker zu fabelhaft billigen Preisen aus Deutschland eingeführt werden können, lohnt der Nachdruck derselben nicht mehr und dieser beschränkt sich fast nur auf Benutzung der Erzeugnisse neuerer Belletristen für die Feuilletons. Konkurrenz und Sitte haben jedoch zur Folge gehabt, dass jetzt hierfür öfters Honorare gezahlt werden. Es ist vieles über den Nachteil und das Unmoralische des amerikanischen Nachdrucks geschrieben worden, jedoch alle mit den dortigen Verhältnissen näher bekannten Sachverständigen sind der Ansicht, dass „seinerzeit“ der Nachdruck eine nötige Stütze des deutschen Elements und ein Mittel für die jetzige Verbreitung deutscher Originaldrucke[136] war. „Es ist“, so sagt z. B. Friedrich Kapp, „eine mehr als naive Erwartung, dass eine Bevölkerung, die von der Heimat geschieden ist, noch jenseit des Ozeans Gesetze beobachten soll, welche den Bildungsinteressen der Ausgewanderten hemmend in den Weg treten. Sich hier dem Monopole deutscher Buchhändler unterwerfen, hiesse, die Mittel der geistigen Fortbildung und Entwickelung mutwillig von sich schleudern.“ Als der deutsche Buchhandel in Amerika infolge der Bildungslust festen Fuss gewann und die Bücher gleich zu haben waren, kaufte man lieber die schöneren und korrekteren Originalausgaben als die Nachdrucke, die vor allem der Ungeneigtheit deutscher Verleger, billige Ausgaben für den amerikanischen Markt zu drucken und der Unmöglichkeit, die Originale schnell zu erhalten, ihr Dasein verdankten.


Die Papierfabrikation.

Dass unter den geschilderten Druckverhältnissen der Papierverbrauch ein kolossaler sein muss, leuchtet ein. Die Fabrikation[81] reicht bis auf das Jahr 1680 hinauf. Die eigentlichen Fortschritte datieren jedoch erst aus diesem Jahrhundert. Zur Verwendung kommt fast nur Baumwolle. 1860 hatte Amerika etwa 700 Fabriken, welche gegen 300 Millionen Pfund zu einem Werte von etwa 200 Millionen Mark produzierten. Die Zahl der Fabriken beträgt jetzt über 1000. Während im Jahre 1869 der Wert der Einfuhr 527465 Dollars, der der Ausfuhr nur 3777 Dollars betrug, hat sich das Blatt in zehn Jahren vollständig gewendet und Amerika führte 1880 für 1018318 Dollars aus und nur für 135487 Dollars ein.

Die Einfuhr aller zum Pressgewerbe gehörenden Materialien und Maschinen ist überhaupt eine durch die Zölle so schwer belastete, dass sie nicht von Belang sein kann, während sich die Ausfuhr nach Europa sowohl als auch nach Asien und Australien in einer Weise vermehrt, welche der englischen Konkurrenz Bedenken einflösst. Der Wert der nach Amerika eingeführten deutschen Bücher und Kunstsachen beträgt etwa vier Millionen Mark jährlich.

Fußnoten:

[73] E. Steiger, The periodical litterature of the United States. New-York 1873. — G. P. Rowell, The man who advertise. New-York 1870. — A. Maverik, H. J. Raymond and the New-York Press. Hartford, U. S., 1870. — M. Cucheval-Clavigny, Histoire de la Presse en Angleterre et aux États Unis. Paris 1857. — Die Angaben über den heutigen Bestand sind von einem erfahrenen Verleger Amerikas, M. North.

[74] Die Offizin ist abgebildet im Journ. f. B. 1876, Nr. 6.

[75] James Parton, The life of Horace Greeley. New-York 1855.

[76] Eugen Munday, Historical sketch of the public Ledger. Philadelphia 1870. — James Parton, George W. Childs. Philadelphia 1870. — Die Offizin ist abgebildet im Journ. f. B. 1876, Nr. 4.

[77] Jac. Abott, The Harper Establishment. New-York 1855.

[78] Journ. f. B. 1881, Nr. 22. — Ann. d. Typ. II, Nr. 92.

[79] Catalogue of the Collectiv Exhibit of the American Book Trade. Paris 1878. — Der amerikanische Buchhandel. Ausland 1862, Nr. 19.

[80] Fr. Kapp, Der deutsch-amerikanische Buchhandel. Deutsche Rundschau 1878, 4. Heft. — Fr. Kapp, Der deutsch-amerikanische Buchdruck und Buchhandel im vorigen Jahrhundert. Archiv d. B.-V, I. Leipzig 1878. — E. Steiger, Der Nachdruck in Nordamerika. New-York 1866. — Die deutsch-amerikanische Presse. Ausland 1863, Nr. 6.

[81] Directory of the paper manufactures in the United States and Canada. 6. Aufl. New-York 1880.

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[137]


ZWEITES BUCH

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DIE ROMANISCHE GRUPPE.


[139]

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EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH.

D

IE Romanische Gruppe, an deren Spitze Frankreich, hat, wie die Anglo-Amerikanische, vor der Germanischen den grossen Vorsprung der einheitlichen Druckschrift voraus. Hat dieser Umstand auch mitunter eine gewisse Monotonie in seinem Gefolge, so wirkt die Einfachheit und die Ruhe, die über die Druckwerke verbreitet ist, doch ungemein wohlthuend und gewährt in dem praktischen Geschäftsbetrieb und in der Ausbildung eines festen Geschmackes grosse Vorteile.

Trotz aller Beweglichkeit des französischen Charakters und dem ewigen Wechsel der in Frankreich geschaffenen Moden hat seine Typographie einen weit konservativeren Charakter als die deutsche. Der durch die Nationaldruckerei und die Didots hervorgerufene Typenduktus ist noch immer und mit Recht der herrschende geblieben. Namentlich haben die Didotschen Schriften von ihrem ersten Auftreten ab durch die strenge, jedoch anmutige Zeichnung, den regelmässigen und scharfen Schnitt, die bewundernswürdig berechnete Zurichtung in der Weite ihr Übergewicht behauptet.

Zwar hat das Streben nach vorwärts und der berechtigte Wunsch eines jeden befähigten Schriftschneiders und Schriftgiessers,[140] den Reichtum zu vermehren, eine Anzahl von Varianten zur Folge gehabt; von allen diesen, bald mehr, bald weniger glücklichen Neuerungen kann jedoch keine ihren Ursprung verleugnen und der ältere Duktus ist geblieben. Die erwähnten zwei Druckereien, des Staates und der Didots, sind in der That für das Druckgewerbe dermassen bestimmend gewesen, wie ähnliches in keinem anderen Lande in der neueren Periode der Druckkunst vorkommt, ausgenommen allenfalls in Österreich, wo die Herrschaft der Staatsdruckerei zwar eine mächtige, jedoch nicht langdauernde war.

Neben der Einheitlichkeit der Schrift war für die französische Typographie auch die Einheitlichkeit des Schriftsystems ein förderndes Moment, deren Wichtigkeit kein Fachmann, der unter der Systemlosigkeit in Deutschland gelitten hat, unterschätzen wird.

Schliesslich ist die Betreibung von Spezialitäten sowohl in der Schriftgiesserei wie in der Typographie ein gewaltiger geschäftlicher Vorsprung der Franzosen. Diese Teilung der Arbeit geht in der Schriftgiesserei so weit, dass es Geschäfte in Paris giebt, die sich nur mit Giessen von Ausschluss und Durchschuss abgeben. Auch verlangt man dort nicht, wie in Deutschland, dass jeder Buchdrucker Virtuos in allen Branchen sein solle, auch nicht, dass jede Druckerei auf alle Arbeiten gleichmässig eingerichtet sei, auch ist keine Rede von dem Erschwernis einer deutschen Buchdruckerei, dass sie in zweierlei Schriftarten gleichmässig gut assortiert sein müsse.

Das gesagte gilt ebenso für die Buchbinderei. Nicht nur, dass die verschiedenen Arten des Einbandes selten in einer und derselben Offizin geübt werden; es ist nicht einmal üblich, alle zu einer Art von Einband gehörenden Arbeiten in einer Werkstätte zu vollbringen, sondern es giebt besondere Schnittvergolder, Handvergolder, Marmorierer etc., denen man die Einzelarbeiten zuweist.

Unter solchen Arbeitsverhältnissen ist es selbstverständlich viel leichter, in Frankreich in einem einzelnen Zweig Virtuos zu werden und praktische Erfolge zu erzielen. Dieses darf nicht übersehen werden, wenn man das Mass der Tüchtigkeit und Intelligenz vergleichend beurteilen will, welches in Frankreich und Deutschland in den graphischen Künsten Verwendung findet.

Trotzdem kann Frankreich weder, was Werk- und Accidenzdruck, noch weniger was Zeitungsdruck betrifft, im allgemeinen ein[141] Übergewicht über Deutschland eingeräumt werden. Es wird im Gegenteil vieles dort so schlecht gedruckt, wie es in Deutschland nicht geschieht, man möchte fast sagen, nicht mehr geschehen kann. Eine Überlegenheit zeigt die französische Typographie erst dann, wenn es sich um die Verbindung von Geschmack, Eleganz und Geschick zur Herstellung von etwas wirklich Hervorragendem handelt. Da fehlt es eben an nichts, dann arbeiten sich alle Beteiligten der verschiedenen graphischen Gewerbe einmütig in die Hände, ohne Jalousie und ohne die Prätensionen des Virtuosentums, das sich auf Kosten der Gesamtwirkung hervorzuthun strebt. »Alle Mitwirkende fühlen sich dann als Glieder einer Kette, wie sie auch wirklich in dem Cercle de la Librairie zu einer solchen vereinigt sind. Gerade in dieser Vereinigung „Aller“, durch welche sich „Jeder“ als Teil des Ganzen fühlt, aber auch „nur als Teil«, über dem das Ganze steht, liegt sicherlich ein wesentlicher Grund zu den Erfolgen, welche der Buchhandel und die Typographie Frankreichs erzielen, sobald sie geschlossen auftreten[82].“

Noch ein, und zwar ein sehr wesentlicher Faktor wirkt zugunsten der französischen Buchdrucker und Buchhändler mit: „das Publikum“. Ob die „Bildung“ und „die Leselust“ in Deutschland nicht grösser sind, als in Frankreich, mag hier unerörtert bleiben, unzweifelhaft ist es jedoch, dass die „Kauflust“ und die „Kauffähigkeit“ in dem letzteren Lande überwiegen. Hierdurch wird die Herstellung der schönsten Ausgaben zu verhältnismässig sehr billigen Preisen, welche sehr grosse Auflagen voraussetzen, möglich. — Schliesslich kommt auch die grosse Konzentration der wissenschaftlichen und technischen Kapazitäten in Paris dem dortigen und damit fast dem ganzen französischen Buchgewerbe ausserordentlich zustatten.

[142]

Wie die französische Typographie mitten zwischen der englischen und der deutschen steht und in ihren besten Erzeugnissen in gewisser Beziehung die guten Eigenschaften beider vereinigt, so auch die Xylographie. Der französische Holzschneider ist im allgemeinen weniger ängstlich in der Wahrung der Eigentümlichkeiten des Zeichners als der deutsche, andererseits nicht so ungebunden in der technischen Behandlung wie der englische und zeigt fast immer Grazie und Anmut in der Behandlung. Er ist bestimmter in der Umgrenzung als der englische, zarter in den Formen als der deutsche. Aber oft geht doch dem französischen Holzschneider die frappierende Wirkung über die innerliche Wahrheit und die ruhige Kraft.

Was den „Druck“ der Illustrationswerke betrifft, so kann der deutsche sich vollständig mit dem französischen messen, doch lässt es sich nicht leugnen, dass die französischen Prachtwerke trotzdem in der Regel einen vornehmeren und harmonischeren Gesamteindruck hervorbringen; die Ursache liegt in dem schon oben Angedeuteten.

Im Accidenzfache haben die Franzosen seit ihrem weltberühmten Derriey keine Fortschritte gemacht. Sie legen überhaupt nicht auf die minutiöseste Ausführung der Accidenzen so viel Gewicht wie die Deutschen, die eher geneigt sind, des Guten zu viel zu thun.

In der Erfindung von Druckmaschinen umwälzender Art haben die Franzosen keine hervorragenden Verdienste. Dagegen verstanden sie es vortrefflich, mit der ihnen angeborenen Findigkeit und unter Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse, das Dargebrachte in geschicktester Weise zu verbessern, für den Betrieb nützlicher, für das Ansehen wohlgefälliger und in der Anschaffung billiger herzustellen. Von ausländischen Maschinen wurden nur wenige in Frankreich eingeführt und die Fabrikation deckte nicht nur den heimischen Bedarf, sondern versorgte auch fast den ganzen ausserdeutschen Kontinent, bis es Deutschland gelang, mit in die Konkurrenz zu treten.

Der Vorwurf, der öfters den französischen Maschinenbauern gemacht wird, dass sie die Eleganz auf Kosten der Solidität fördern, dürfte in der Allgemeinheit nicht richtig sein. Man geht in Frankreich von dem Grundsatz aus, dass die gewerblich-technischen[143] Fortschritte in zehn Jahren bereits so enorm sein werden, dass man klüger thut, billige Maschinen zu bauen, um ohne zu grosse Kosten schneller neue Anschaffungen machen zu können, als mit für die Ewigkeit gebauten Maschinen festzusitzen. Die Billigkeit wird übrigens auch dadurch gefördert, dass man fast ausschliesslich dem Prinzip der Tischfärbung und der Eisenbahnbewegung statt der kostspieligen Cylinderfärbung und Kreisbewegung huldigt[83].

Bezeichnend ist in Frankreich der grosse Einfluss, welchen die Regierung in doppelter Richtung, teils in fördernder, teils in hemmender Weise, übte. Was sie mit der einen Hand gab, nahm sie mit der andern. Alle Regierungen dort unterstützten die Fortschritte der „Typographie“ in ihrer Unmündigkeitsperiode, suchten jedoch die vormundschaftliche Autorität über diese hinaus auszudehnen, und hemmten von Beginn ab die ruhige und freie Entwicklung der „Presse“. Hierin bildete Frankreich einen vollständigen Kontrast zu England, wo Typographie und Presse, sich selbst überlassen, eine mächtige Entwicklung nahmen, und teilweise zu Deutschland, wo man die fördernde Teilnahme von oben nie, um so öfter jedoch die hemmende, kennen lernte.

Die Dependenzen der französischen Typographie stehen dieser nicht gleich.

Belgien liefert zwar manches gute, jedoch nicht viel hervorragendes. Es giebt sich in seiner Typographie eine gewisse Schwerfälligkeit kund. Die Schrift ist zwar französisch, aber die leichte Eleganz der besseren französischen Presserzeugnisse wird selten erreicht. Das Material ist das gleiche, aber die in der Ausführung damit hervorgebrachte Wirkung eine andere.

In Italien, Spanien und Portugal stehen die Leistungen im ganzen genommen auf einer und derselben Stufe, der des Mittelguten,[144] mitunter auch des Mittelmässigen. In Bezug auf die Erzeugnisse der Schriftgiesserei und des Pressenbaues befinden sich die genannten Länder fast vollständig im Abhängigkeitsverhältnis zu Frankreich. Erst in neuester Zeit hat Deutschland hie und da mit zu konkurrieren begonnen. Politische Verhältnisse, fortwährende Unruhen und Fremdherrschaft in stetem Wechsel haben eine freie Entwicklung auf lange Zeit gehemmt. Es werden aber jetzt ernste Anstrengungen gemacht, um lange Versäumtes nachzuholen.

Der Orient steht zu Frankreich fast in demselben Verhältnis, wie Ostasien zu England und wie die slawischen und Donauländer zu Deutschland-Österreich. Nordafrika unterliegt selbstverständlich ganz Frankreichs Einfluss. Die Türkei und Ägypten liefern einiges gute, doch darf dies weniger als nationale Leistung betrachtet werden, denn die Hersteller sind meistenteils Franzosen, die mit französischem Material arbeiten.

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[145]


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V. KAPITEL.

DIE SCHRIFTGIESSEREI UND DIE MASCHINEN
IN FRANKREICH.

Die Schriftgiesserei: Das Schriftsystem Didots, seine Anglaise, Molé. Orientalia. Notendruck, E. Duverger, Charles Derriey und das typographische Ornament. Holzschnitt und Hochätzung. Die Stereotypie: Daulé, Gaveaux, Jannin. Die Maschinen: Marinoni, Alauzet, Dutartre u. a. Die Utensilien. Farbe. Papierfabrikation. Die Buchbindekunst.

F

OURNIER Le Jeune hatte mit seinen Bemühungen für die Einführung einer gleichmässigen Einteilung der Schriftgrössen (I, S. 214) kein rechtes Glück gehabt. Erst Ambroise François Didot war es beschieden, ein von Fourniers Grundsätzen etwas abweichendes System zur rechten Geltung zu bringen, und hiermit nicht der Typographie seines Vaterlandes allein einen unermesslichen Dienst zu erweisen, dessen Wert allerdings dem Nichtfachmann weniger als die äussere Schönheit seiner Typen und seiner Drucke oder der innere Gehalt seiner Verlagswerke in die Augen springt.

In seiner Einteilung ging Didot von dem damals in Frankreich geltenden Massstab, dem Pied du Roi, aus. Eine Linie desselben teilte er in sechs typographische Punkte und bestimmte nach solchen die regelmässige Abstufung der Schriftgrade. Hieraus erwuchs indes eine Differenz mit dem Fournierschen System, indem 11 Didotsche Punkte gleich 12 Fournierschen sind.

[146]

Sicherlich stände das Didotsche System widerspruchslos da, hätte nicht das erst später in Frankreich und anderen Ländern gesetzlich eingeführte, wissenschaftlich allein stichhaltige Metermass mit Dezimaleinteilung wieder einen Riss hineingebracht, indem das Didotsche System sich nicht vollständig rationell auf das neue Mass übertragen lässt. Die Frage des einheitlichen Welt-Schriftkegels kann demnach erst in der Zukunft ihre volle Lösung finden[84].

Didotsche Schreibschriften.

Eine Didotsche Erfindung ist ebenfalls die berühmte Schreibschrift Anglaise. Die bisherigen Schreibschriften waren eigentlich nur Cursivschriften; jeder Buchstabe stand für sich, ohne Verbindung mit seinen Nachbarbuchstaben. Didot führte die der Schriftlage folgende schräge Typenbildung ein, welche die Verbindung der Schriftzüge unter einander erleichterte. Um die vollständige Freiheit der mit der Hand hergestellten Schrift zu erreichen, waren jedoch grosse technische Schwierigkeiten zu überwinden. Jenachdem ein Buchstabe zu Anfang, zu Ende oder in der Mitte eines Wortes stand, oder die Nachbarbuchstaben herauf- oder heruntergehende waren u. dergl., war eine Variation der Verbindungsstriche und somit eine grosse Vermehrung der Typen notwendig. Manche derselben enthielten nicht einmal einen vollständigen Buchstaben, sondern dieser musste aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden. Hierin und in der Wahl der richtigen Ansätze liegen die Schwierigkeiten und nicht jeder Setzer wird diese zu überwinden verstehen. Ausserdem erfordert der Druck infolge der Zartheit der Haarstriche eine ganz besondere Aufmerksamkeit, denn die schöne und teure Schrift kann durch Ungeschicktheit des Druckers schon bei dem erstmaligen Gebrauch verdorben werden. Damit die schrägen Typenstücke fester an einander schliessen, sind sie an der einen Seite mit einer halbrunden Vertiefung, auf der andern mit einer ebensolchen Erhöhung versehen, die in einander greifen. Dreiseitige Schlussstücke stellen die für die Festigkeit der sonst schrägstehenden Zeile notwendige rechtseitige Gestalt her.

Joseph Molé.

Einer der bedeutendsten Schriftgiesser Frankreichs war Joseph Molé. Bereits als Kind befasste er sich mit Gravieren und als Achtzehnjähriger hatte er schon manchen Stempel geliefert.[147] Während seines geschäftlichen Wirkens schnitt er eigenhändig über 200 komplette Schriften. Ihm verdankt man auch die Einführung der so praktischen Hohlstege.

Orientalische und chinesische Schrift.

Auf fremdländische resp. orientalische Schriften wurde im ganzen genommen von den Schriftgiessereien und Buchdruckereien nicht grosses Gewicht gelegt. Eine Ausnahme machte jedoch die, während eines Jahrhunderts siebzehnmal den Namen wechselnde, jedoch ihrem Charakter treu bleibende Staatsdruckerei. Mit besonderer Vorliebe und grosser Ausdauer wurden dort nicht weniger als sechs Versuche gemacht, den Chimborasso der Typographie, die Herstellung chinesischer Schrift, zu überschreiten.

Die erste, für Fourmonts Grammatik benutzte Schrift hatte ein vollständig barbarisches Aussehen. Auch die 14000 Typen für Desguignes Lexikon waren noch viel zu gross und hässlich. Spätere 12000 Typen von Deshauterais wurden nie benutzt. Rémusat liess 2000 Zeichen schneiden, deren er sich für seine Grammatik bediente. Die von M. H. Klaproth veranlassten Typen machten grosse Ansprüche, elegant zu sein, es wurden mit denselben jedoch nur wenige Seiten gesetzt. 1836 machte der Direktor der Staatsdruckerei, Marcellin le Grand, unter Leitung des Orientalisten Pauthier einen neuen Versuch. Als Grundlage diente das Wörterbuch von Kanghi, welches 43496 Charaktere enthält, die auf gegen 30000 reduziert und in zwei Klassen geteilt wurden, die der nicht zerlegbaren (3581) und die der zerlegbaren (26295) Zeichen, welche sich mittels 4267 Stempel herstellen liessen[85].

Der Notendruck.
Fournier und Gando.

In dem Lande der Franzosen, die nicht in dem Grade ein singendes und spielendes Volk sind, wie die Deutschen, war auch die typographische Herstellung von Noten nicht von der Wichtigkeit, wie in Deutschland; doch hatten, abgesehen von den älteren Versuchen, Fournier le jeune und Gando Noten geliefert, die freilich keinen Anspruch auf Originalität machen konnten (s. Kap. XII). Die Genannten bekämpften sich gegenseitig; Gando warf Fournier vor, er habe Breitkopfs Noten kopiert; Fournier behauptete, Gando hätte überhaupt keinen Stempel schneiden können, also auch keine Noten.

[148]

Der Wunsch, den Übelstand der Breitkopfschen Noten: dass die Linienstücke an jeder Note hängen, also trotz des vorzüglichsten Gusses die Sichtbarkeit der Zusammenfügungen kaum zu vermeiden ist, musste zu Versuchen führen, Linien und Noten unabhängig von einander herzustellen. Doppelter Druck, der der Linien für sich und der der Noten für sich, ist jetzt noch, war aber namentlich mit den damaligen Druckapparaten ein schwieriges Unternehmen und der Satz der Noten allein ohne System auch ein sehr beschwerlicher. Duvergers und Derrieys Systeme.Eugen Duverger suchte diese Übelstände zu überwinden. Mussten die Noten auch bei seiner Methode für sich gesetzt werden, so war der Satz doch durch ganz zarte Andeutungen der Linien erleichtert, welche an die Type angegossen waren und als Richtschnur bei dem Setzen dienten. Über den Notensatz wurde eine Gipsmater geformt und in diese das Liniensystem mittels einer Maschine durch kleine Rollmesser hineingeschnitten. Da die Systemlinien kräftiger waren als die an den Typen befindlichen schwachen Linienandeutungen, so wurden letztere durch erstere vollständig gedeckt. Um die Zahl der notwendigen 417 Stempel in der Praxis zu vermindern, wurden erst die komplizierteren geschnitten und von diesen die Matern angefertigt, dann durch Wegschneiden einzelner Teile die einfacheren Stempel gebildet. Aus diesem Verfahren erwuchs jedoch der Nachteil, dass man sofort von den komplizierteren Stempeln so viele Matern abschlagen musste, als man überhaupt für alle Zukunft haben wollte. Die Schleifungen wurden durch schwache Kupferblättchen erzielt, deren Anfang in den Typensatz eingelassen wurde, während der übrige Teil sich nach Belieben biegen und abschneiden liess[86]. Duverger stellte auch Karten her durch ein System kleiner Kupferlinien, welche in eine Bleiplatte eingefügt wurden, ebenso wurde es mit den Schriften gehalten.

Derrieys Notensatz bestand in einem System aus fünf ganzen Messinglinien, an deren oberen und unteren Seiten die aus zwei Teilen bestehenden Notenköpfe angesetzt wurden. Die Köpfe waren so unterschnitten, dass der Anschluss an die Linie ein vollkommener war. So sinnreich auch sowohl seine als Duvergers Methode waren, so springt es doch dem Fachmann leicht in die[149] Augen, dass für die Praxis mancher Mangel mit beiden, mit der Derrieyschen noch der besondere Übelstand der Verwendung von Messinglinien zusammen mit Noten von Schriftzeug, verbunden war.

Pyrostereotypie.

Die Anwendung der Pyrostereotypie (Planotypie, vgl. Kap. IX) wurde in Frankreich von Wals eingeführt und von Carbonnier verbessert; zuerst war sie 1840 in Irland benutzt worden.

Ornamente und Einfassungen.
Charles Derriey * 17. Aug. 1808, † 11. Febr. 1877.

Was die Erzeugnisse der Schriftgiesserei für dekorative Zwecke anbelangt, hat Frankreich einen bis jetzt nicht übertroffenen Meister in dem erwähnten Charles Derriey aufzuweisen. Sein Schicksal entschied sich nicht schnell. In einem Alter von 18 Jahren verliess er die Offizin Gauthier in Besançon, wo er sich etwas mit allem, was zur graphischen Kunst gehört, beschäftigt hatte. Er trat nun in das Haus Didot ein, wo er nacheinander als Setzer, Drucker, Stereotypeur, Schriftgiesser und Zeichner arbeitete und schliesslich in seinem 27. Jahre die Gravierkunst lernte. Da er mit angeborenem Kunstsinn und ernster Willenskraft viele praktische Kenntnisse verband, trug er kein Bedenken, sich selbständig zu machen. Wollte man ihm von Stufe zu Stufe in seinem Schaffen folgen, so müsste man sein berühmtes Probebuch[87], einen Folianten von gegen 200 grösstenteils in Farben und Gold ausgeführten Seiten, Blatt für Blatt beschreiben. Vignetten, verzierte Schriften, Züge, Eckstücke, Linien, Einfassungen u. dgl. finden sich darin in grosser Vollkommenheit und reicher Abwechselung. Seine Phantasie-Einfassungen übertreffen durch Neuheit, Eleganz, Genialität, Akkuratesse der Arbeit und ihre endlosen Kombinationen alles Dagewesene. Derriey mutet der Schriftgiesserei und der Typographie nicht wenig zu, kennt jedoch genau die Grenze, bis wohin er sie führen darf. Er zeichnete und schnitt nicht allein, sondern setzte und kombinierte in der geschicktesten Weise. Jedes Stück steht an seinem rechten Platz; Licht und Schatten versteht er meisterhaft in effektvollster Weise wechseln zu lassen.

Auch als Mechaniker hatte Derriey grosse Bedeutung. Seine Giess- und Linieninstrumente sind Erfindungen von hohem Werte. Ein kleines Wunderwerk bleibt namentlich seine Numeriermaschine für Banknoten.

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Derrieys Erzeugnisse fanden nicht weniger Anerkennung im Auslande als in seinem Vaterlande. Leider muss hinzugefügt werden, dass er durch galvanische Nachbildungen in arger Weise um die Vorteile seines geistigen Eigentums gebracht wurde. Seine Giesserei mit allem Zubehör ging nach seinem Tode auf A. Turlot (Gebr. Virey) über.

In Derrieys Atelier arbeiteten auch zwei der berühmtesten Kunstsetzer in Paris Sixte Albert und L. Moulinet. Beide lieferten im Figuren- und Porträtsatz mittels Linienstücke Unglaubliches; Albert eine viel angestaunte Laokoon-Gruppe, Moulinet († 1874) einen Béranger in ganzer Figur und eine Amor und Psyche-Gruppe.

Dechamps und Petibon.
Laurent & Deberny.
Fonderie générale u. a.

Von anderen Künstlern in der Richtung der ornamentierenden Schriftgiesserei sind zu nennen Dechamps und der sehr fruchtbare Petibon, der die Kaleidoskop-Einfassungen einführte, die zwar sehr hübsch waren, jedoch zumeist für den Buchdrucker ein totes Kapital blieben, weil die Setzer das Material nicht zu behandeln verstanden. Laurent & Deberny lieferten schöne Züge, Initialen und Plakatschriften. Ihre Polytypen beliefen sich auf mehr als 6000, mit denen sie alle Länder der Romanischen Gruppe reich versorgten. Eine bedeutende Anstalt entstand unter der Firma Fonderie générale Laboulaye & Co., später Réné & Co., aus der Vereinigung der Firmen Didot, Molé, Crosmer, Evérat, Tarbé & Co., welche letztere sich durch ihre systematischen Hohlstege und Stereotyp-Unterlagen bekannt gemacht haben. Auch Lombardot, Batenberg & Majeur lieferten viele Einfassungen, sowie Phantasie- und Titelschriften. Renault & Robcis zeichneten sich in der Spezialität der Messinglinien, der Hohlstege und des Durchschusses aus. In neuester Zeit machte sich Henry J. Tucker, Filiale der Londoner Giesserei Caslon, sowohl durch die Leistungen des von ihm vertretenen Instituts, als durch die vorzüglich geleitete Fachzeitschrift Typologie Tucker einen Namen.

Metallverbesserung.

Um das Jahr 1840 führte Colson eine Zeugmischung von Eisen und Schriftmetall ein, welche die Haltbarkeit des gewöhnlichen Zeuges verdreifachte. Die Versuche Petyts, Typen aus Kupferstangen durch Pressung in eine Stahlmater zu erzielen, erreichten ebensowenig ein praktisches Resultat, wie Cardons Erfindung, ein kupfernes Buchstabenbild auf einen Typenstiel von Schriftmetall[151] anzubringen. Die Herstellung der Typen aus Glas blieb ebenfalls ohne wirkliche Erfolge.

Die Stereotypie.

Verdankte man auch die erste praktische Methode der Schriftstereotypie und der Anfertigung von Clichés England, so hatten die Franzosen sich doch schon lange mit der Stereotypie beschäftigt[88] und durch ihre späteren Verfahren das Stanhopesche überflügelt; ja es scheint fast, als wären sie auf dem Wege, selbst die Verwendung der Jacobischen Galvanoplastik für die Typographie durch die Celluloïd-Clichés zu verdrängen.

Gabr. Valleyre.

Bereits vor Beginn des XVIII. Jahrhunderts lieferte ein Pariser Gelehrter und Buchdrucker Gabr. Valleyre einen Kalender in Messingplatten, die in Matern aus Thon oder diesem ähnlicher Masse gegossen waren. Da aber diese Matrizen nicht vollständig gleichmässig vertieft und die Platten ausserdem auf der Rückseite nicht ganz glatt waren, so fiel der Druck nicht gleichmässig aus.

Ign. Hoffmann.

Der Akademiker Darcet hatte 1773 seine Erfahrungen über das Legieren leicht schmelzbarer Metalle veröffentlicht. Ein Elsässer Franz Ignaz Joseph Hoffmann wurde wahrscheinlich hierdurch veranlasst, Matern aus fetter, mit Gips vermischter Erde, welcher Syrup und Kleister zugesetzt wurden, zu bilden und diese in erhitztem Zustande in eine Legierung von Wismuth, Blei und Zinn in dem Augenblick der Erstarrung der Metalle einzudrücken. Die so erhaltene Platte wurde auf Nussbaumholz mit feinen Nägeln festgemacht.

Mit solchen Platten druckte Hoffmann 1787 ein dreibändiges Werk Recherches historiques sur les Maures par de Chemin père. Hoffmann musste seine Druckerei in andere Hände geben und ersann nun ein anderes Verfahren. Er liess 360 Stempel, teils einzelne Buchstaben, teils Logotypen, anfertigen. Durch mechanische Vorrichtungen wurden diese Stempel senkrecht in die oben beschriebene Metallmasse gesenkt. Die gewonnene Matrize ward in einer Presse, wie ein Petschaft in der Stempelpresse, angebracht und durch einen Balancier in die dem Erstarren nahe Schriftmasse mit einem kräftigen Schlage eingetrieben. Von einer praktischen[152] Verwendung dieses aus vielen Gründen unzweckmässigen Verfahrens verlautet nichts. Ebensowenig wie von Hoffmanns Logotypen, für welche er 1792 ein Patent für 15 Jahre erhielt.

J. Carez.

Hoffmanns erste Proben hatten viele Nachahmungen hervorgerufen, unter denen die von Joseph Carez, Buchdrucker in Toul, besondere Beachtung verdienen. Seine Matrizen litten aber sehr durch die Hitze und das Zusammenbacken mit der Schrift. Bei einem befreundeten Münzsammler hatte er jedoch gesehen, wie dieser durch einen kurzen trockenen Schlag Abdrücke in Zinn von seinen Münzen nahm. Carez bediente sich nunmehr eines Fallklotzes, um eine Schriftseite in die halbflüssige Masse einzuprägen und so eine brauchbare Mater zu erhalten. 1786 lieferte er ein Kirchengesangbuch in zwei Grossoktav-Bänden, jeder von 1000 Seiten, in dieser Weise hergestellt und später viele Werke, darunter eine Nonpareille-Bibel.

Gengembre und Heran.

Als der Assignatendruck eine rasche Vervielfältigung der kleinen Platten notwendig machte, um viele solche auf einmal drucken zu können, verbesserten Gengembre und Heran das Verfahren mit dem Fallklotz, welcher in Fugen vertikal und parallel stehender Säulen, wie in einem Rammbocke, eingelassen wurde. Die Tischplatte, auf welcher der Behälter mit der Schriftmasse stand, übte durch starke Federn einen elastischen Gegendruck aus und man erhielt in dieser Weise Platten in scharfer Prägung, deren Rückseiten durch Hobeln egalisiert wurden.

Peter Didot und Heran.

Die von Didot 1795 herausgegebenen Logarithmen werden gewöhnlich als Stereotypen bezeichnet, sie sind jedoch nur von zusammengeschmolzenen Schriftkolumnen gedruckt. 1798 vereinigte sich jedoch Peter Firmin Didot, der auch ein Patent besass, mit Heran[89] zu dem Zweck, Stereotyp-Ausgaben zu veranstalten, um nicht nur die gedruckten Exemplare, sondern auch die Platten zu verkaufen. Das erste nach ihrem Verfahren hergestellte Buch war ein Virgil in 18mo von etwa 400 Seiten. Ein Exemplar kostete nur 15 Sous, eine Platte drei Franken.

Heran wollte noch reformieren und liess von Stahlstempeln Matrizen in typenförmige Kupferstückchen treiben, die in einem Winkelhaken aufgesetzt wurden. Jedoch musste der Setzer mit dem[153] letzten Worte einer Zeile und dem letzten Buchstaben eines Wortes anfangen oder, was etwas leichter war, wie gewöhnlich von links nach rechts setzen und dann den Satz der Zeile Buchstabe für Buchstabe umstellen. Spatien und Quadraten mussten höher sein als die Typen, nicht wie sonst niedriger, weil die Zwischenräume in der Platte tiefer liegen mussten. Schön in der Theorie aussehend, war das Verfahren in der Praxis unzweckmässig und teuer, Korrektur-Abzüge konnten vor dem Guss nicht gemacht werden, so dass alle Änderungen erst in den Platten vorgenommen werden mussten.

Daulé.

Das bis dahin einzig praktische Stereotyp-Verfahren, das Stanhopesche, fand natürlich auch in Frankreich Eingang. Eine namentlich für das Giessen von Clichés weit bequemere Methode erfand der Franzose Daulé, der nicht die Matrize in die flüssige Schriftmasse versenkte, sondern sie zwischen zwei eiserne Platten mit erhöhten Rändern einlegte, die einen flachen Giesskasten bildeten, in welchen der Zeug mittels des Giesslöffels eingegossen wurde.

Genous Papierstereotypie.

Eine sehr grosse Bedeutung gewann die Papierstereotypie des Setzers Genou. Anfänglich mit Misstrauen empfangen, hat sie sich später besonders für Schriftstereotypie vortrefflich bewährt und ist für die Einführung der Rotationsmaschinen ein unbedingtes Erfordernis geworden.

Die Mater wird aus einer Anzahl von Blättern, teils Seiden-, teils stärkeren Papiers, gebildet, die einzeln, mit einer breiartigen Klebemasse angestrichen, aufeinandergelegt werden, bis sie die Stärke eines festen Kartons erreicht haben. Durch Klopfen mit einer langstieligen Bürste wird die Schriftkolumne in die weiche Papiermasse eingeprägt und die Mater dann unter mässigem Druck und bei gelinder Wärme in der Trockenpresse getrocknet. Der Guss geschieht in einem Apparat wie der Daulésche.

Der Vorteil bei diesem Verfahren liegt nicht allein in der Billigkeit und der Leichtigkeit der Herstellung, sondern gründet sich auch darauf, dass eine und dieselbe Mater für den Guss mehrerer Platten benutzt werden kann und dass man die Matern nach dem Guss, oder ohne überhaupt einen solchen vorzunehmen, für den späteren Gebrauch mit Leichtigkeit aufheben kann. Auch ist ein hoher Ausschluss nicht notwendig. Der ganze Apparat ist ein so einfacher,[154] dass selbst eine kleine Druckerei mit Vorteil einen solchen anschaffen kann. In neuester Zeit ist noch ein Verfahren eingeführt, um die Matern rasch und ohne Ofenwärme zu trocknen, was für die Schonung der Schrift, mehr noch für die der Holzschnitte, von Bedeutung ist.

Jannins Celluloïd-Cliché.

Von einschneidender Wichtigkeit scheint die Erfindung der Celluloïd-Clichés zu werden; doch ist die Methode noch zu neu, um ein bestimmtes Urteil, namentlich über die Tragweite des Nachteils der leichten Entzündbarkeit, dieser Clichés zu fällen.

Der Bildhauer Jannin in Paris war auf den Gedanken gekommen, das Celluloïd, eine durch chemische Behandlung von Faserstoff hergestellte Masse von ausserordentlicher Härte, ausserdem, nach erfolgter Erwärmung, von grosser Biegsamkeit, ausser zu verschiedenen plastischen Arbeiten zu Clichés für typographische Zwecke zu benutzen.

Um dieses zu können, war es jedoch notwendig, eine entsprechende Masse für die Mater zu schaffen, die den bei der Herstellung des Celluloïd-Clichés notwendigen Druck unter Erhitzung vertragen konnte. Eine solche Masse wurde in einem aus Bleiglätte und Glycerin bestehenden Knetstoff gefunden. Derselbe wird in halbflüssigem Zustande über den zu clichierenden Gegenstand sorgsam gestrichen, in derselben Weise, wie der Gips bei der gewöhnlichen Stereotypie, und die Lage bis zu einer Dicke von 3–5 mm verstärkt. Ist die Mater unter einem mässigen Druck erhärtet, was bei Holzschnitten in 15–20 Minuten, bei Metall-Originalen, wo Erwärmung anwendbar ist, in drei bis vier Minuten der Fall ist, kann sie sofort zur Herstellung eines Clichés verwendet werden, zu welchem Behuf sie in eine hydraulische Presse gelegt und mit einer durch Erwärmung schmiegsam gemachten Celluloïd-Platte bedeckt wird. Unter Erhitzung der Presse, der Mater und der Platte bis auf 120°C. wird ein Druck von 120–130 Atmosphären ausgeübt, darauf das ganze durch einen Strom von kaltem Wasser abgekühlt. Nach vollständiger Erkaltung der Platte löst sich selbe, ohne vorhergegangene Einreibung des Originals mit Graphit oder Öl, mit Leichtigkeit ab und kann sofort zum Druck aufgenagelt werden. Fehler können, wie bei Stereotyp-Platten, durch Einsetzung eines Pflocks von Celluloïd und Nacharbeiten desselben mit dem Stichel[155] ausgebessert werden. Da die Platte durch keine Säuren oder Farbenzusammensetzungen angegriffen wird, so ist sie ganz besonders zum Druck von bunten Farben geeignet.

V. Haye und der Blindendruck.

Um den Druck FÜR Blinde machte sich Valentin Haye zuerst verdient. Zu seinen Versuchen wurde er durch den Verkehr mit einer blinden deutschen Dame, Fräulein von Paradies, veranlasst. Er liess hoch geschnittene scharfe Typen anfertigen, die in die Rückseite eines starken Papiers eingeprägt wurden, so dass für die Finger bemerkbare Erhabenheiten auf der Vorderseite entstanden. Mit verschiedenen Modifikationen fand das Verfahren fast in allen anderen Ländern Eingang[90].

Den Versuchen, den Holzschnitt durch andere Illustrationsverfahren zu verdrängen, wurde namentlich in Frankreich Vorschub geleistet. A. Dembour in Metz (1814) stellte durch Ätzung Platten in Kupfer für die Buchdruckerpresse her. Die Zeichnung wurde mittels Pinsels oder Feder auf Metall gemacht und die nicht bezeichneten Stellen weggeätzt. Dem ähnlich ist die Acrographie.

Zinkhochätzung.

Grosse Bedeutung hat die Zinkhochätzung. Dieses Verfahren ist in Frankreich ein sehr beliebtes geworden, weil ganz besonders für die leichten Skizzen geeignet, mit welcher die vielen Witz-, leider auch vielen Schmutzblätter illustriert werden, zu welchen früher die lithographischen Kreide- und Federzeichnungen verwendet wurden. Doch auch in der ernsten Zeitungspresse fand die Methode Eingang, und es werden oft Blätter geliefert, die nichts zu wünschen übrig lassen. Eine grosse Virtuosität entwickelte namentlich Firmin Gillot, der 1850 Patent auf sein Verfahren nahm, welches er Paniconographie, die Franzosen jedoch, welche Gillot als Erfinder der Hochätzung betrachteten, Gillotage nannten. Eine mehr der Chemitypie sich nähernde Methode ist die von Dulos. Er macht die Zeichnung mit lithographischer Kreide auf eine Kupferplatte und lässt diese mit einem schwachen Silberniederschlag überziehen, der nur auf den nicht bezeichneten Stellen haftet. Hierauf wird ein mit Quecksilber vermischtes, leichtflüssiges Metall heiss auf die Platte gegossen. Das Metall verbindet sich fest mit den versilberten Teilen der Platte, während die Zeichnung nun so vertieft liegt, dass man sie als Mater für ein galvanisches Hochdruck-Cliché benutzen kann.[156] Ein drittes, sehr rasches Verfahren ist das von Comte, welches besonders für die Abbildungen in l'Art pour tous verwendet wird. Lehmann & Lourdel und Yves & Barrot u. a. haben es darin weit gebracht.

Neue Holzschnittmethode.

Ein ganz eigentümliches Verfahren, um, wie der Erfinder glaubte, Holzschnitte billiger und besser herzustellen als bisher, wendeten Mame & Co. in Tours an.

Bekanntlich sind die Kreuzschraffierungen dem Holzschneider stets ein Dorn im Auge gewesen, denn das Umschneiden einer Linie an allen vier Seiten ist eine zeitraubende und Tüchtigkeit erfordernde, folglich teure Arbeit. Der Erfinder der neuen Methode, Gusman, lässt nun zwei Holzblöcke bezeichnen, auf dem einen alle von rechts nach links gehenden Linien, auf den andern die diese von links nach rechts kreuzenden. Werden diese Platten nach einander auf einem Bogen gedruckt, so zeigt der Abdruck die kompliziertesten Kreuzschraffierungen, die sich an Kühnheit mit denen des Kupferstiches messen können. So sagt die Theorie, die Praxis hat aber viel hineinzureden. Abgesehen davon, dass zwei Holzstöcke, zwei Zeichnungen, zwei Schnitte und doppelter Druck notwendig sind, die Ersparnisse also mehr als problematisch werden, so ist die Wirkung im voraus seitens des Zeichners kaum zu berechnen. Die beiden sich kreuzenden Linien vereinigen sich nämlich nicht wie in der Radierung, sondern die eine Lage liegt sichtbar „über“ der andern und bringt dadurch oft eine falsche Wirkung hervor[91]. So interessant diese Versuche sind, so verlautet doch von den praktischen Erfolgen nichts.

Das beginnende Fehlen des Buxbaumholzes hat zu vielen Versuchen geleitet, dieses zu ersetzen. 1876 nahm Bertin Badoureau ein Patent auf komprimierte Birnbaumplatten. Durch Kochen, Pressen, Gelatinieren wird das Holz unempfindlich für die Einwirkung von Temperatur und Witterung und fast auf die Hälfte des ursprünglichen Umfanges reduziert.

H. Marinoni * 1823.

Was der Name König & Bauer für Deutschland, ist derjenige Hippolyte Marinonis für Frankreich. Dieser ward in Paris geboren,[157] arbeitete bei Gaveaux und baute später im Verein mit diesem seine ersten Maschinen. Die Pressen, mit welchen Marinoni seinen grössten Ruhm erwarb und mit denen er der Journalistik in Frankreich einen sehr bedeutenden Vorschub leistete, waren seine Maschinen à Réaction, in welchen — im Gegensatz zu den Maschinen à Retiration mit mehreren Cylindern — Druck und Widerdruck durch einen und denselben Cylinder geübt wird, indem ihm der das erste mal gedruckte Bogen über Rollen weg nochmals behufs des Widerdrucks zugeführt wird. Der Nachteil bei diesen die Schnelligkeit sehr fördernden Maschinen ist, dass auf dem Cylinder keine Zurichtung stattfinden kann. Während nun möglicherweise der Schöndruck aus einer kompressen Form besteht, bietet der Widerdruck vielleicht eine mit grossen Anzeige-Schriften oder dgl. gefüllte, die eine ganz andere Behandlung im Unterlegen verlangt. Da lässt sich nur durch primitive Unterlegung unter der Schriftform etwas nachhelfen; alles andere muss, wie bei den alten Holzpressen ehe man die Zurichtung im Deckel kannte, durch einen sehr starken, oft zu erneuernden Filzüberzug des Cylinders erzwungen werden. Hiervon rührt zumteil eine Ausführung der französischen Zeitungen her, welche sehr zu ihren Ungunsten nicht allein gegen die der englischen, sondern auch gegen die der deutschen Zeitungen absticht, obwohl letztere nicht gerade stolz auf ihr äusseres Gewand sein dürfen. Jedoch der Billigkeit und der Schnelligkeit wurde genügt; die französischen Abendblätter, welche erst nach Schluss der Börse, um vier Uhr, fertiggestellt werden konnten, wurden schon um fünf Uhr durch ganz Paris verkauft.

Bereits 1847 hatte Marinoni seine berühmte vierfache Maschine für La Presse, der später die sechsfache folgte, geliefert. Im Jahre 1867 baute er für Le Petit Journal eine Maschine, welche stündlich 36000 des in mehreren Exemplaren clichierten Blattes fertigstellte, so dass die damalige Auflage von 350000 Exemplaren durch fünf Maschinen in zwei Stunden beschafft werden konnte. Derartige Druckapparate, in Verbindung mit dem verhältnismässig geringen Umfang der französischen Blätter, der typographischen Genügsamkeit des Zeitungspublikums und der Unsicherheit der Presszustände verursachte, dass die mächtigen und kostspieligen Rotationsmaschinen bei weitem nicht die Bedeutung für Frankreich wie für England und[158] Amerika hatten. Dass Marinoni jedoch den Bau derselben nicht unterlassen würde, verstand sich von selbst, und er besitzt bereits siebzehn Patente auf solche. Seine Rotationsmaschinen unterscheiden sich von den anderen hauptsächlich durch die Lage der Satz- und Druckcylinder, die über einander angebracht sind[92]. Von seinen kleineren Maschinen sind namentlich die Universelle (1850) und die Indispensable (1853) weit verbreitet. Bis zum Jahre 1880 hatte er 6539 Maschinen für typographische Zwecke und 410 Dampfmaschinen gebaut. In Deutschland ist Marinoni bald hoch belobt, bald sehr getadelt worden; Thatsache ist wohl, dass er einer der genialsten Constructeure der Jetztzeit ist.

P. Alauzet * 15. Juni 1816, † 22. Jan. 1881.

Als an Tüchtigkeit Marinoni gleichkommend, in Eleganz und Nettigkeit selbst in den unwesentlichen Teilen der Arbeit ihn übertreffend ist Pierre Alauzet zu nennen. In Rodez geboren, war er bis zu seinem achtzehnten Jahre Landarbeiter und kam ohne die geringsten mechanischen Kenntnisse bei dem Pariser Pressenfabrikant Normand in Arbeit. Nach vollendetem Tagewerk besuchte er die Schule und holte das ihm Fehlende so gut nach, dass er sich 1846 etablieren konnte. Bekannt sind namentlich seine Schön- und Widerdruckmaschinen für feine Werk- und Illustrationsarbeiten, die auch in dem Süden Deutschlands Eingang fanden. Dem Abschmutzen des Schöndruckes beim Übergang auf den Widerdruckscylinder wird mittels Durchlassens von Schmutzbogen begegnet.

Von seinen 2500 Schnellpressen ist fast nicht eine ganz wie die andere gebaut, da er unermüdlich bestrebt war, Verbesserungen anzubringen. Für die Petite République Française lieferte er eine Rotationsmaschine für zwei Meter breites Papier, welche stündlich 70–80000 Exemplare des Blattes druckt; mit der für Illustrationsdruck bestimmten hat er erst nach vielen Versuchen befriedigende Resultate erzielt.

A. B. Dutartre u. a.

A. B. Dutartre und andere lieferten Maschinen mit mouvement varié, deren Druckcylinder während der Zeit, in welcher er den Druck übt, sich langsamer bewegt und solche, deren Druckcylinder so langezeit ruht, wie das Fundament gebraucht, um zum zweitenmal unter dem Farbenwerk hin- und zurückzugehen, damit die Einfärbung[159] verstärkt werde. Seine Zweifarben-Maschinen gewannen allgemeine Anerkennung.

Für vier Farben bauten Prudon & Co. eine Presse, bei welcher die Formen hinter einander liegen; hierdurch wurde eine Länge von sieben Metern erforderlich, die den Eingang dieser Maschinen hinderte.

Lithographische u. Kupferdruckmaschinen.

Als Verfertiger lithographischer Maschinen erwarb Th. Dupuy Ruf. Marinoni baute ebenfalls solche, die zugleich für typographischen Druck zu verwenden waren. Sie arbeiteten zwar sehr gut, die Umänderung von einer Druckweise zur andern erforderte jedoch viel Zeit und diejenigen Offizinen, welche Lithographie mit Typographie verbanden, waren in der Regel auch in der Lage, besondere Maschinen für die verschiedenen Zwecke anzuschaffen.

Jules Derriey, der Bruder des genialen Schriftgiessers Charles, erwarb sich Verdienste durch seine Zeitungsmaschinen von sehr einfacher Konstruktion mit Cylinderfärbung nach deutscher Art und baute auch Rotationsmaschinen[93]. Bekannt sind weiter für Zeitungsmaschinen A. Y. Gaveaux, für einfache Schnellpressen H. Voirin und Maulde & Vibart. Auf Laien machte auf allen Ausstellungen die kleine, sehr niedliche Visitenkartenpresse von G. Leboyer grossen Eindruck[94].

Noch sei eine eigentümliche Kupferdruckpresse erwähnt, welche Aug. Godchaux zum Druck seiner kalligraphischen Vorlagen benutzt. Sie ist in der Art der Kattundruckpresse eingerichtet und druckt von endlosem Papier 2–3000 Exemplare. Nach vollzogenem Druck wird der Bogen durch Mechanismus von der Papierrolle abgetrennt. Ein Apparat, gleich dem Messer eines Farbewerks der Schnellpresse, hält die Kupferplatte rein. Für den Druck von Kunstblättern genügt die Maschine nicht.

Die Schriftgiessmaschine wurde von Baudoin, Laval, Foucher u. a. sehr verbessert. Beifall fanden die Maschinen von Serière & Bausa, welche mit zwei Giessinstrumenten und zwei Pfannen, die mit Einem Feuer erhitzt werden, versehen und von Einem Arbeiter bedient, täglich gegen 50000 Buchstaben lieferten.

Hülfsmaschinen und Apparate.

Von Arbeitserleichterungsmaschinen sind L. Poiriers und L. Legrands Bronciermaschinen, Tolmers Feuchtapparate und[160] P. Ragueneaus autographische Pressen beachtenswert. Als Motor ist die Gasmaschine Lenoirs sehr beliebt.

Die allgemeinste Verbreitung und Nachahmung fanden die mechanischen Schliessstege von Marinoni & Chaudré, die in einfach-praktischer Weise einen vortrefflichen Ersatz der Schraubenrahmen bildeten. Eiserne Stege, an denen die dem Rahmen zugekehrte Seite schräg geformt und gezahnt ist, werden durch kleine, zwischen Steg und Rahmen einzufügende Rädchen, in deren Einschnitte die Zähne des Steges eingreifen, mittels eines Schraubenschlüssels unter sehr geringer Kraftanwendung angezogen und so die Form ganz fest geschlossen. Alcan Lévy & Lavater traten mit zerlegbarem Schliessrahmen auf, Valét & Co. in Marseille mit galvanischen Hohlstegen.

Utensilienlager.

Die Anschaffung des Materials erleichterte namentlich das grosse Utensilien-Geschäft von J. E. Boieldieu & Fils, denen auch manche Verbesserung zu verdanken ist. Namentlich sind ihre Stereotyp-Apparate vortrefflich. Die von ihnen gebaute grosse Plakatpresse besteht in einem mit Zahnstangen versehenen Fundament, in welchem ein Cylinder mit Zähnen, ähnlich wie in den Korrekturpressen, sich bewegt. Das Durchsehen des reichhaltigen illustrierten Katalogs[95] der Firma belehrt in leichter Weise über die Unterschiede des deutschen und des französischen Materials. Ein zweites sehr umfangreiches Utensilien-Geschäft sind die, durch Fusion der Firmen Ch. Bonnet & Co. aus Genf und Chevalier & Dreyfus in Paris entstandenen Usines Gutenberg.

Die französische Druckfarbe ist in den feineren Qualitäten vorzüglich. Als Fabrikanten stehen obenan Ch. Lorilleux[96], denen Le Franc & Co., Prudon & Co., Cauderon & Co. für bunte Farben folgen. Lemercier & Co. liefern vorzügliche lithographische Farben[97].

[161]

Das Papier.

Das französische Papier hat einen verdienten Ruf erworben und Frankreich gehört die Ehre der Erfindung der Papiermaschine. Auf Anregung Didots liess Pierre Montgolfier das erste ungerippte Velinpapier anfertigen und adoptierte das holländische System der Zerfaserung der Lumpen durch Schneidecylinder statt durch Stampfen. Die erste Idee des Papiers ohne Ende hatte der Werkführer Louis Robert in der Papiermühle Didot-Saint-Légers in Essonnes gefasst. Letzterer erwarb die Rechte Roberts und erhielt von der Regierung 8000 Livres zu seinen Versuchen. Infolge der Revolution begab sich Didot nach London, wo die Papiermaschine durch die Talente des Ingenieurs Donkin und die Kühnheit der Papierfabrikanten Gebr. Foudriner ihre Vervollkommnung erhielt. Als Didot 1814 nach Frankreich zurückgekehrt war, wurde nach seinen Angaben die erste Maschine von Berthe in Sorel gebaut, es folgten solche in Saint Jean-d'Heures und in Mesnil. Zu gleicher Zeit wurde sie durch Canson in Annonay errichtet.

An Papierfabriken besitzt Frankreich 524 mit 28656 Arbeitern und mit einer Betriebskraft von 21000 Pferden. Sie produzieren jährlich Ware zu einem Werte von 104 Millionen Franken. Die wichtigsten Produktionsorte sind Annonay, Angoulème und das Departement Isère. Die Papiersteuer brachte 16439000 Franken.

Die Buchbinderkunst.

In der Kunst des Buchbindens steht Frankreich obenan. Von dem Bücherleinen hat es sich im ganzen genommen freigehalten. Fast alle neuen Bücher werden im broschierten Zustand in den Handel gebracht. Ausgenommen davon ist die Litteratur der Andachtsbücher, in deren Herstellung zu fabelhaft billigen Preisen bei reicher Ausstattung Mame & Co. in Tours Bedeutendes leisten. Neben diesen billigen Einbänden kommen jedoch auch die kostbarsten aus Seide, Sammet, Leder und Elfenbein mit echten Spangen und Beschlägen vor, die sich in die höchsten Preise versteigen. Die Handarbeit, unterstützt durch Reichtum und Geschmack einer bedeutenden Zahl von Bücherfreunden, hat in Frankreich noch einen grossen Spielraum. Sie übertrifft an Geschmack die englische, muss aber dieser den Vorzug in der Behandlung des Leders einräumen. Verwendet werden gewöhnlich Chagrin und Corduan. Die Mosaikarbeiten der Franzosen sind nicht eigentlich eingelegte Arbeiten, sondern die betreffenden Stellen werden ganz dünn geschabt, das[162] andere farbige Leder darauf gelegt und die Ränder mit Goldverzierungen bedruckt.

Auf die strenge Einteilung der Arbeit in der Buchbinderei wurde schon hingewiesen. In den einzelnen Offizinen sind wieder die einzelnen Beschäftigungen gruppenweise verteilt. Viele der Arbeiter, die in ihrer Spezialität Vorzügliches leisten, würden nicht imstande sein, allein ein Buch leidlich zu binden. Dieses System mag allerdings der allgemeinen Ausbildung des einzelnen Individuums hinderlich sein, das Publikum erhält jedoch durch dasselbe billigere und bessere Bände.

Neben der Anlehnung an die goldene Zeit hat sich eine selbständige moderne Dekorationsweise ausgebildet, die vieles Hübsche liefert. Die Führerschaft dürfte Lortic zukommen, der sich ganz besonders durch die Wissenschaftlichkeit seiner Arbeiten auszeichnet. Jeder Einband ist in dem Geist der Zeit, welcher das Werk angehört, streng durchgeführt; für die jetzige Zeit hat er sich einen eigenen Stil des XIX. Jahrhunderts gebildet. Bände von ihm werden bis mit 3000 Franken bezahlt.

Fußnoten:

[82] Die obigen Worte sind der von dem Verfasser dieses Handbuches als Mitglied der Internationalen Jury für die Gruppe XII der Wiener Ausstellung, im Jahre 1873 und Berichterstatter derselben abgefassten Motivierung des Antrages der Jury entnommen: dem Cercle de la Librairie die goldene Ehrenmedaille zu erteilen. Überhaupt kommen in dem Versuch der Charakterisierung der modernen Typographie in den verschiedenen Gruppen öfters Anführungen vor aus der im Auftrag der Kaiserlich Deutschen Ausstellungs-Kommission abgefassten Schrift: „Die graphischen Künste auf der Weltausstellung zu Wien. Offizieller Bericht von Carl B. Lorck. Braunschweig 1874“. Diese Entlehnung aus eigener Arbeit wird wohl niemand als Plagiat betrachten.

[83] Nachdem dieser Abschnitt bereits gesetzt war, geht uns ein Artikel des bekannten Fachjournals L'Imprimerie zu, in welchem einer der tüchtigsten Typographen Frankreichs, Motteroz, nicht allein das obengesagte zugiebt, sondern noch viel weiter geht und eine Überlegenheit Deutschlands nicht nur in der Typographie und der Schriftgiesserei, sondern auch in der Xylographie und der Papierfabrikation anerkennt und für die Franzosen nur den Vorzug in der Maschinenfabrikation beansprucht. Im Gegensatz zu einer öfters vorkommenden Überhebung seiner Landsleute scheint Motteroz fast in eine Kleinmütigkeit zu verfallen, die doch wohl zu weit geht, wenn er schliesst: „Noch wäre es vielleicht Zeit, sich aufzuraffen, besitzen wir aber hierzu die nötige geistige Kraft?“

[84] H. Smalian, Praktisches Handbuch für Buchdrucker im Verkehr mit Schriftgiessereien. 2. Aufl. Leipzig 1877.

[85] Über die französische Schriftgiesserei vergleiche noch die Abschnitte „Didot“ und „Staatsdruckerei“.

[86] E. Duverger, Album typographique. Paris 1840. Ein Prachtwerk, welches Duverger anlässlich der Jubelfeier erscheinen liess.

[87] J. C. Derriey, Spécimen Album. Fol. Paris 1862.

[88] A. G. Camus, Mémoire sur l'hist. etc. du polytypage et de la stéréotypie. Paris 1802. — de Porvy, Précis sur la stéréotypie. Paris 1822. — H. Meyer, Handbuch der Stereotypie. Braunschweig 1838.

[89] So schreibt ihn Didot, nicht, wie üblich, Heran.

[90] Vergl. Kap. I und XV.

[91] Auf einem grossen Blatt: „Die Grablegung Christi“ nach Tizian sieht z. B. das nackte Bein eines der Knieenden ganz so aus, als wäre es mit einem Strumpf bekleidet.

[92] Journ. f. B. 1878, Nr. 75. — Ann. d. Typ. IV. B. 1873, Nr. 189.

[93] Journ. f. B. 1876, Nr. 24.

[94] Journ. f. B. 1878, Nr. 36 u. 37.

[95] Outilage Typographique Boieldieu. Paris.

[96] Ch. Lorilleux sur la Fabrication des encres d'Imprimerie. Paris 1867. Lorilleux giebt jährlich einen Abreiss-Kalender mit geschichtlichen oder technischen Notizen heraus. Der Jahrgang 1882 enthält eine typographische Bibliographie der in Frankreich erschienenen Fachwerke. Jänecke & Schneemann in Hannover folgten dem Beispiel.

[97] Didot behauptet, dass die Erfindung der Kompositionswalze einem französischen Leimfabrikanten Garmal gehöre (vgl. dagegen S. 34).

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[163]


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VI. KAPITEL.

DER STAAT UND DIE PRESSE IN FRANKREICH.
DIE SCHÖPFER DER NEUERN TYPOGRAPHIE.

Der Staat und die Presse unter Ludwig XVI., der Revolution, Napoleon I., der Restauration, dem Bürgerkönigtum, Napoleon III. Die älteren Buchdruckereien: Die Staatsdruckerei und die Didot in ihrem Einflusse auf die Typographie, die Familien Panckoucke, Barbou, Lottin, Treuttel & Würtz, Berger-Levrault, Dentu, Crapelet.

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ÄTTE die Liebe eines Königs für die Buchdruckerkunst genügt, um diese in dessen Lande zum grössten Flor zu bringen, so müsste sie in Frankreich unter Ludwig XVI. goldene Tage gehabt haben[98]. Ludwig war noch als Kind durch Martin Lottin in der Kunst unterrichtet worden und druckte als Dauphin, kaum zwölf Jahre alt, 1766 einen kleinen Band: Maximes tirées de Télémaque. Auch Karl v. Artois, später Karl X., besass Vorliebe für die Kunst und liess 1780–1784 bei dem älteren Didot eine Sammlung von französischen Schriftstellern in 64 Bänden in 18. für sich drucken, während Ludwig XVI. später die Sammlung ad usum delphini (zum Gebrauch für den Dauphin) ausführen liess. Mehr als in irgend einem andern[164] Lande hatten die Aristokraten Frankreichs sich es angelegen sein lassen, Privatdruckereien zu errichten. Bereits während der Regierung Heinrichs IV. besass der Kardinal Duperron eine Druckerei in Bagnolet bei Paris, ebenso später Kardinal Richelieu auf Schloss Richelieu in der Touraine. Der Kanzler d'Auguesseau; die Marquise von Pompadour; die Dauphine Marie Josephe, Mutter Ludwigs XVI.; der Herzog von Burgund, Bruder Ludwigs XVI., und manche andere Grossen waren Besitzer von Privat-Offizinen.

Im Jahre 1777 erliess Ludwig XVI. ein Gesetz zur Regelung des litterarischen Eigentumsrechts, nach welchem jedoch alles auf Privilegien beruhte, die, wenn einmal den Autoren erteilt, auch auf die Erben derselben übergingen, jedoch, wenn in Buchhändlerhänden befindlich, mit dem Tode des Verfassers erloschen. Wie alle Privilegien fielen auch diese durch Beschluss der konstituierenden Die Revolutionszeit.Versammlung vom 4. August 1789, nach welcher Zeit nun auch jeder, der einige Zentner Schriften kaufte oder borgte und ein Patent zahlte, Buchdrucker werden konnte. Selbst diese letzte Bedingung hörte 1793 auf, und die Zahl der Buchdruckereien wuchs von den früheren 36 privilegierten auf 700. Die Pressfreiheit war bereits durch die Verfassung vom 14. September 1791 garantiert, nach welcher jeder das Recht erlangte, seine Gedanken ohne vorherige Zensur schreiben, drucken und veröffentlichen zu können. Unter dem Direktorium wurde wenigstens festgestellt, dass der Buchdrucker seinen Namen auf alles, was er druckte, setzen, auch auf Aufforderung den Namen des Verlegers nennen musste.

Broschüren auf rötlich-grauem Papier mit Typen gedruckt, die mitunter geradezu unleserlich waren, sind die hauptsächlichsten Produkte der Revolutionszeit. Eins der lohnendsten Geschäfte war der Druck von Assignaten, deren erste Emission im Betrage von 1200 Millionen am 19. Dezember 1789 dekretiert wurde. Der Direktor der Königlichen Druckerei, Anisson-Duperon, wurde mit der Ausführung betraut. Die späteren Emissionen beschäftigten Tag und Nacht eine grosse Anzahl von Pressen. Ende 1794 wurden auf einmal 40 Milliarden in Auftrag gegeben.

Das Konsulat.

Unter den Konsuln wurde 1797 die politische Tagespresse auf ein Jahr unter Aufsicht der Polizei gestellt und später diese Anordnung prolongiert. 1800 behielten sich die Konsuln das Recht der[165] Repressivmassregeln gegen diejenige Zeitungspresse vor, die sich etwa gegen die Gesellschaft, die Regierung oder die Souveränität des Volkes versündigte. Durch ein weiteres Dekret vom Jahre 1803 wurde bestimmt, dass ein Exemplar jedes Buches dem Revisionsamte zur Durchsicht übergeben werden sollte „zum Schutze der Freiheit der Presse“ (!).

Die Zeit war der letzteren nicht günstig. Die Zahl der Zeitschriften verminderte sich und die 1790 vorhandenen 700 Buchdruckereien waren auf 340 zusammengeschmolzen. Dafür begannen nun die älteren, gut eingerichteten Offizinen an die alten Traditionen wieder anzuknüpfen.

Das Kaisertum.

Nach Begründung des Kaisertums beschäftigte sich Napoleon sehr mit der Organisation des Buchhandels und der Buchdruckerei. Ein bekannter Schriftsteller, Fievée, wurde mit dem Plane betraut. „Die Buchdruckerei“ — so argumentierte Napoleon — „ist ein mit gefährlichen Waffen gefülltes Zeughaus, das man ungern in den Händen des ersten besten lässt. Die Buchdruckerei ist kein Handelszweig; es genügen deshalb einfache Privilegien, um sie zu organisieren. Es handelt sich um einen Stand, an dessen Gedeihen der Staat ein Interesse hat, letzterer muss deshalb die Entscheidung in den Angelegenheiten dieses Standes haben. Der Buchdrucker kann ein geschickter, selbst ein gelehrter Mann sein, er ist aber kein Kaufmann und kein Fabrikant. Eben weil der Erfolg nicht von ihm selbst, sondern von der Spekulation anderer abhängt, kann nur eine gewisse Zahl von Buchdruckern existieren. Beschränkt der Staat nicht die Zahl und leidet infolge davon der Buchdrucker Not, so kann man nicht auf dessen rechtlichen Charakter zählen und die Druckkunst ist eine zu furchtbare Waffe, um sie in den Händen von Notleidenden zu lassen. Gut situierte Bürger sind weniger geneigt, gegen die Gesetze zu handeln; es ist deshalb ebenso human als politisch richtig, die Zahl der Buchdruckereien zu beschränken und aus demselben Grunde die Zahl der Lehrlinge zu normieren.“

Direktion der Buchdruckerei.

Am 5. Februar 1810 erschien das Dekret, welches eine Direktion der Buchdruckerei und des Buchhandels einrichtete. Die Zahl der Buchdruckereien wurde in Paris auf 60 festgestellt, die unter den 3–400 bestehenden gewählt werden sollten. Die bleibenden hatten die andern zu entschädigen und waren verpflichtet, das Material der[166] zu löschenden Firmen anzukaufen. 4000 Franken, für die eine mehr, für die andere weniger, wurden als Durchschnittsentschädigung bestimmt. Das Brevet war eine einfache Autorisation und schloss nicht, wie dies bis zum XVIII. Jahrhundert der Fall gewesen war, die Garantie der geschäftlichen Befähigung des Inhabers in sich. Strenge Massregeln in betreff der zu führenden Geschäftsbücher wurden getroffen.

Privilegien.

Ein weiteres Dekret vom 11. Februar 1811 erhöhte die Zahl der Buchdruckereien auf 80, das litterarische Eigentumsrecht wurde geregelt und die Zensur in optima forma eingeführt. Ein dem Ministerium der Polizei beigegebenes Bureau de l'esprit public sollte für Verbreitung der Regierungsansichten und die Bearbeitung der öffentlichen Meinung wirken. Jedes Departement durfte nur ein Journal haben, für jeden Zeitungsbogen zahlte man 1 Centime Stempelgebühren.

Im Jahre 1812 wurden die Privilegien auch für den Buchhandel eingeführt, jedoch die Zahl der Buchhandlungen nicht beschränkt. Zensierte Werke konnten nachträglich konfisziert werden, jedoch mussten die Druckkosten ersetzt werden. Diese Bestimmung kam nur in einem einzigen Fall zur Anwendung und zwar anlässlich des Werkes De l'Allemagne der Frau von Staël.

Napoleons Interesse für die Typographie.

Dass der Buchhandel und die Buchdruckerei sich unter der Regierung Napoleons trotz des äusseren Glanzes nicht recht entwickeln konnten, wird jeder verstehen. Unter den von der Regierung selbst hervorgerufenen Werken steht obenan die Description de l'Égypte, das Resultat der Thätigkeit der gelehrten Kolonie, welche Bonaparte mit nach Ägypten geführt hatte.

Hätte überhaupt die Typographie keine andere Aufgabe gehabt, als der Wissenschaft zu dienen, so würde sie in Napoleon gewiss den grössten Freund gefunden haben, denn ein Geist wie der seinige konnte den Verkehr mit der Presse nicht entbehren. Selbst im ärgsten Kriegslärm mochte er die Wissenschaft und die Litteratur nicht missen.

Beabsichtigte Feldbibliothek.

Bereits 1798 hatte er daran gedacht, eine Feldbibliothek herstellen zu lassen, die ihm auf seinen Feldzügen folgen sollte, und 1808 den Plan wieder in Bayonne aufgenommen. Als er bei seinem Aufenthalt in Schönbrunn die Werke, die er mitzuführen gewünscht[167] hatte, die aber wegen des äusseren Umfangs zurückgeblieben waren, sehr vermisste, kehrte er ernstlich zu der Idee einer Feldbibliothek zurück und diktierte am 12. Juni 1809 den Plan zu einer solchen, der seinem Bibliothekar Barbier als Richtschnur unterbreitet werden sollte.

Napoleon wollte eine Sammlung schön gedruckter und gut gebundener Werke in kleinem Format mit kleinem Rand. „Er sei reich genug, um sich diesen Wunsch erfüllen zu können.“ Vorläufig wollte er 3000 Bände von je 4–500 Seiten, hauptsächlich geschichtlichen Inhalts, die Bibel dürfe nicht fehlen; wären diese 3000 Bände fertig, so könnten weitere 3000: Reisen, Naturgeschichtliches, Unterhaltendes, folgen. Eine Anzahl gewiegter Männer der Wissenschaft sollte die Redaktion besorgen und allen unnützen Ballast über Bord werfen.

Im November 1809 stattete Barbier seinen Bericht ab. Die Kosten für die 3000 Bände waren bei einer Auflage von fünfzig Exemplaren auf vier und eine halbe Million Franken berechnet. Würden jedoch 300 Exemplare gedruckt und verkaufte man den Band zu fünf Franken, so entstände eine Einnahme von etwa drei Millionen Franken. Man glaubte, täglich einen und einen halben Band oder jährlich gegen 500 Bände liefern zu können. Die Proben wurden gemacht — und hierbei blieb es.

Kunstleistungen der Kaiserlichen Druckerei.

Ein seltenes Pracht- und Kunststück führte die Kaiserliche Druckerei aus, als Papst Pius VII. anlässlich der Kaiserkrönung 1805 sich in Paris aufhielt und die erwähnte Anstalt besuchte. Während dieses Besuches druckten 150 Pressen die L'oraison dominicale (das Vater unser) in 150 Sprachen und der Direktor Marcel überreichte dem Papste das Widmungsexemplar.

Bei Gelegenheit der Geburt des Königs von Rom beschloss Napoleon den Druck einer Sammlung in der Art der Ausgaben ad usum delphini. Mit der Aufstellung des Katalogs war jedoch auch diese Sache zuende.

Sozusagen beim Bivouac-Feuer entwarf Napoleon den Plan zu einer Fortsetzung der Histoire de France von Velly, durch den Abbé Halma, den Bibliothekar der Kaiserin. Schliesslich darf nicht das wichtigste Werk der ganzen Zeitperiode, das dem Kaiser so viel zu verdanken hatte, der Code Napoléon, vergessen werden.

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Als das Unglück über den Kaiser hereinbrach, konnte es nicht fehlen, dass die Presse im geheimen stark gegen ihn arbeitete und dass die Massregeln gegen dieselbe noch verschärft wurden. Während der Hundert Tage, als er die Presse brauchte, wollte er die von Ludwig XVIII. bereits zugesagte Pressfreiheit gewähren und ein Dekret vom 24. März 1815 hob die Zensur auf. Waterloo machte das Dekret zu einem toten Buchstaben.

Die Restauration.

Das erste Kaiserreich hatte dem Buchgewerbe die goldene Zeit nicht gebracht. Günstiger waren die Auspizien bei Beginn der Restauration. Der Artikel VIII der Charte sicherte allgemeine Pressfreiheit zu. Es dauerte jedoch kaum einen Monat, als die Repressionsmassregeln wieder begannen. Unter anderem konnten die Zeitschriften nur mit Autorisation des Königs erscheinen. Bei Übertretungen der Gesetze stand das Zurückziehen des Brevets in Aussicht.

Wir können nicht der Geschichte der Massregelungen gegen die Presse durch alle ihre Phasen Schritt für Schritt folgen. Zensur, Kautionen, Suspensionen, eine etwas grössere oder kleinere Portion Pressfreiheit folgten in schnellem Wechsel unter der Herrschaft Ludwigs XVIII. Die Regierung Carls X. fing für die Presse etwas milder an, aber das projektierte Pressgesetz vom 29. Dezember 1826 übertraf an Schärfe alles bisherige, wurde jedoch von der Pairskammer abgelehnt, die sich diesmal liberaler als die Deputiertenkammer zeigte. Nichtsdestoweniger wurde gegen Buchdrucker, Buchhändler und Journalisten mit grosser Strenge verfahren. Die Prozesse häuften sich; nicht allein wirkliche Pressvergehen, sondern selbst unbedeutende Formfehler wurden unnachsichtlich und schwer bestraft. Die Massregeln schlossen mit den berüchtigten Ordonnanzen Julirevolution.Polignacs vom 25. Juli 1830, die das Ende der Regierung Carls X. herbeiführten. Trotz der Verfolgungen gegen die Presse behielt doch der letzte der Bourbonen seine Liebe für die Druckkunst bei und zeichnete öfters die Vertreter derselben persönlich aus, liess auch manche grosse Unternehmungen durch Subskription der Ministerien unterstützen.

Leider vergingen die blutigen Julitage nicht ohne grobe Unordnungen seitens der typographischen Arbeiter, welche in mehreren Druckereien die Schnellpressen zerstörten. Jedoch die[169] Masse der Arbeiter trat gegen die Unruhestifter auf und eine Proklamation Firmin Didots an die Arbeiter trug sehr viel zur Beruhigung derselben bei.

Das Bürgerkönigtum.

Die neue Charte vom 14. August 1830 brachte wieder Pressfreiheit und „ewige“ Aufhebung der Zensur. Die Lage der Buchdrucker und Buchhändler ward durch die allgemeine Krisis eine sehr schwierige und die Folgen der Überproduktion zeigten sich in trauriger Weise. Die Regierung that, was sie konnte, um die Kalamität zu mildern und gewährte Anleihen. Benj. Constants Antrag auf Freigebung der Buchdruckerei und des Buchhandel-Gewerbes scheiterte zwar, die gesetzlichen Bestimmungen wurden jedoch vielfach umgangen, indem man Zessionen an Nichtfachleute zuliess und die Gründung von Succursales gestattete, die unter Verantwortlichkeit von Brevetinhabern von anderen betrieben wurden. Auch entstanden in der nächsten Umgebung von Paris Druckereien, die recht wohl mit den brevetierten konkurrieren konnten. Mehrere Druckereien änderten sich in Aktienunternehmungen um und nahmen kolossale Dimensionen an.

Die Lage der Journale war sehr erleichtert; man benutzte aber keineswegs die Freiheit mit der notwendigen Mässigung, so dass ein beschränkendes Gesetz am 9. September 1835 erlassen wurde, das von der Regierung jedoch mit Schonung gehandhabt wurde.

Ludwig Philipp selbst war, wie die Bourbonen es gewesen, ein Freund der Buchdruckerkunst. Mag er auch sonst als recht sparsam gegolten haben, in Bezug auf die Erzeugnisse der Presse zeigte er sich freigebig und liess mehrere grosse Unternehmungen auf seine Kosten drucken. Die Korrekturen las er dann selbst und las sie sehr gut.

Die Revolution von 1848.

Bekanntlich nahm das Bürgerkönigtum am 24. Februar 1848 ein jähes Ende. Die provisorische Regierung zählte mehrere Männer der Wissenschaft und der Presse unter ihren Mitgliedern. Ihre Freunde fanden Anstellung in der Administration; es war also natürlich, dass die Presse mit Wohlwollen behandelt wurde. Der Zeitungsstempel, die Kautionen und das strenge Pressgesetz vom 9. September 1835 wurden aufgehoben. Eine Unmasse von Journalen entstand, die Vorteile aus dem Druck fielen jedoch nur einigen wenigen grossen Zeitungsdruckereien zu, die eigentlichen Werk- und Accidenzdruckereien litten Not und fast der dritte Teil der[170] Das zweite Kaiserreich.Arbeiter war brotlos. Während der Zeit der am 10. November 1848 begonnenen Präsidentschaft Louis Napoleons und des Kaiserreichs Napoleons III. hob sich das Druckgeschäft wieder, aber es traten selbstverständlich strengere Überwachungsmassregeln ein. Im Jahre 1852 wurde die Direction générale de l'Imprimerie et de la Librairie ins Leben gerufen, welche Massregel im allgemeinen mit Befriedigung aufgenommen wurde.

Das neue Pressgesetz vom 17. Februar 1852 gab der am 2. Dezember 1852 eingesetzten kaiserlichen Regierung eine furchtbare Waffe in die Hände, denn es hing alles von der Art der Ausführung des Gesetzes ab. Napoleon III. liebte die Buchdruckerkunst gleich seinen Vorgängern, und er selbst suchte, wie bekannt, schriftstellerischen Ruhm. Für den äusseren Glanz der Typographie namentlich durch die Weltausstellungen, auf welchen das französische Buchgewerbe stets in würdigster Weise vertreten war, war er eifrigst besorgt.

Jetzt ist die Republik im Besitz des liberalen Pressgesetzes vom 29. Juli 1881[99].


Wie die französischen Regierungen, mögen sie Namen geführt haben wie sie wollten, fortdauernd und mehr als gut war sich mit der Stellung der Presse zum Staate beschäftigten, so setzten sie auch ihre direkte Beeinflussung der technisch-gewerblichen Verhältnisse der Buchdruckerkunst durch die Staatsdruckerei fort, welche jedoch mehr und mehr sich von ihrem schönen Ziel, der Veredelung der Kunst, entfernte, um in die Reihe der brotsuchenden Anstalten zu treten und den Privatdruckereien Konkurrenz zu machen.

Staatsdruckerei.

Die Staatsdruckerei[100] stand seit dem 1723 erfolgten Rücktritt Claude Rigauds 71 Jahre lang unter der Direktion von Mitgliedern[171] der Familie Anisson. Die Ernennung des letzten derselben, Étienne Alex. Jacq. Anisson Duperon, zum Direktor geschah 1789.

Erwerbungen unter Ludwig XV.
L. Luce † 1773.

Bedeutend waren die Fortschritte während der Regierungszeit Ludwigs XV. nicht. Für die Summe von 100000 Livres erfolgte 1773 die Erwerbung der aus 15 Graden bestehenden neuen Antiqua und Cursiv, welche der königliche Graveur Louis Luce in den Jahren 1740–1770 geschnitten hatte, zugleich seiner gothischen und Schreibschriften, sowie seiner zahlreichen Vignetten und Ornamente. Diese neuen Schriften Luces waren ganz anders gehalten als die von Ludwig XIV. veranlassten. Luce wollte, wie er selbst sagte, etwas von dem Vorhandenen ganz Verschiedenes schaffen, was ihm auch, jedoch nicht zum Vorteil der Sache, gelang. Die Schriften sind sehr schmal gehalten, es fehlen ihnen die besonderen Kennzeichen (I, S. 210) der Schriften der Staatsdruckerei. Sein Nachfolger als königlicher Graveur war Fagnion.

Eine weitere Acquisition bestand in einer Sammlung der Vignetten Jean Papillons (I, S. 200). Sie hat, wie die Sammlungen von Luce, zwar den Wert des historischen Museums der Anstalt sehr erhöht; für die Praxis waren diese Vermehrungen bei den Fortschritten der Kunst ohne Interesse.

Einfluss Ludwigs XVI.

Ludwig XVI. begünstigte ebenfalls die Staatsdruckerei und liess die kleinen Offizinen in den Tuilerien und in Versailles unter die Direktion derselben stellen. Das Verhältnis des Direktors zu der Anstalt war ein ziemlich kompliziertes. Er war nicht ein einfacher, fest salarierter Beamter, sondern zu einem wesentlichen Teil gingen die Arbeiten für Rechnung des Direktors, wurden nach der Taxe bezahlt und mit einem dem Direktor selbst gehörenden Material ausgeführt. Wie bedeutend dieses war, geht aus der später zu erwähnenden Auseinandersetzung mit der Witwe Anisson hervor, wobei es sich um eine Summe von einer halben Million Livr. handelte. Staatseigentum waren hauptsächlich nur die Stempel und Matern der Schriften, ausserdem vielleicht 10000 Pfund Schrift und etwa ein Dutzend Pressen.

Zustande während der Revolution.

Nach dem Ausbruch der Revolution begann eine unerfreuliche Periode für die Staatsdruckerei. Die wissenschaftlichen und die administrativen Arbeiten traten in den Hintergrund, die Hauptbeschäftigung war der Druck der vielen Gesetze und Dekrete, der[172] ebenfalls auf Rechnung des Direktors ging, welcher die Zahl der Pressen fast auf 100 vermehren und bei der Unzulänglichkeit der Lokalitäten im Louvre zwei Succursales errichten musste.

Der Assignaten-Druck.
E. A. J. Anisson † 1794.

Zu diesen Arbeiten kam noch die Ausführung von 1200000 Stück Assignaten[101]. Doch dies war nur ein Tropfen ins Meer. Bereits am 30. Sept. 1790 wurde eine neue Emission von 800 Millionen Livres, bestehend in 3060000 Stück, beschlossen. Anisson verlangte für die Ausführung 100000 Livres; Didot erklärte sich bereit, die Lieferung für 22000 Livres zu übernehmen. Dies verursachte grosse Misstimmung gegen Anisson. Indes sprach manches zu dessen Rechtfertigung, da die Ausführung, welche von Didot verlangt wurde, eine weit einfachere als die frühere und Didot inzwischen in Besitz der Stereotypie gelangt war (S. 152). Doch kam es noch nicht zum Bruch und man bewilligte ihm auf seine Vorstellungen sogar einen höheren Tarif als den bisherigen für seine Arbeiten. Es war jedoch nicht angenehm, Männer wie Marat und Pétion zu persönlichen Feinden zu haben. Auf Antrag des letzteren ward Anisson am 8. Oktober 1792 verhaftet, wozu der, angeblich gegen seine Instruktion erfolgte Druck eines Dekrets als plausibler Vorwand dienen musste. Aus seinem Gefängnis schlägt er dem Sicherheits-Ausschuss vor, seine Direktorstelle aufzugeben und der Öffentlichkeit sein auf 499036 Livres taxiertes Material käuflich zu überlassen. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht angenommen. Anisson starb 1794 auf dem Schafott. Sein Eigentum ward mit Sequester belegt und erst nach langen Verhandlungen fand ein Vergleich mit der Witwe statt.

Die Druckerei in Ägypten.

Als ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte der Staatsdruckerei während der Republik ist die bereits oben kurz erwähnte Einführung der Druckerei in Ägypten zu verzeichnen. Bereits nach der Eroberung Italiens hatte Bonaparte die Errichtung zweier Druckereien, einer griechischen und einer arabischen, auf den Ionischen Inseln verlangt und, als er nach Ägypten gezogen war, die Einrichtung einer umfangreicheren Buchdruckerei dort gefordert. Der damalige Direktor der Staatsdruckerei Duboy-Laverne beauftragte den Orientalisten Langlès mit der Ausführung. Die Sache ging[173] aber Bonaparte nicht rasch genug und er beschuldigte die Genannten der mutwilligen Verzögerung. Er verlangte Erlass einer Ordre, „die griechischen Schriften, mit welchen der Xenophon gedruckt werde, sofort zu verpacken. Xenophon könne ohne Schaden drei Monate warten, bis wieder neue Schriften fertig wären“.

J. J. Marcel.

An die Spitze der ägyptischen Druckerei wurde ein tüchtiger Arabist J. J. Marcel, später Direktor der Staatsdruckerei, gestellt. Die Offizin wurde in dem Hause des griechischen Konsuls in Alexandrien eingerichtet, dann nach Kairo und Gizeh gebracht. Ausser den dienstlichen Arbeiten druckte die Anstalt Le Courrier de l'Égypte und etwa ein Dutzend belehrende Schriften in arabischer Sprache. Auch in Pondichery auf der Küste Koromandel in Ostindien wurde eine französisch-persische Druckerei durch Vermittelung der Staatsdruckerei angelegt.

Nach Rückkehr der Franzosen aus Ägypten wurde beschlossen, die Arbeiten der, zugleich mit der Armee entsendeten wissenschaftlichen Expedition herauszugeben. Eine Kommission von acht angesehenen Gelehrten wurde ernannt, um die Redaktion zu besorgen, und es entstand in der Staatsdruckerei eines der hervorragendsten Druckwerke aller Zeiten, die Description de l'Égypte in neun Foliobänden mit Text und vierzehn mit Kupfern und Karten, das erst 1809 vollendet wurde. Von bedeutenden Werken der Staatsdruckerei aus der Zeit der Republik sind noch die umfangreichen Reisewerke von La Pérouse, Marchand, Vancouver, Millins Monumens antiques u. a. zu nennen.

Im Jahre 1800 war der Beschluss gefasst worden, dass von den in der Staatsdruckerei ausgeführten Werken 200 Exemplare dem Ministerium des Innern zur Disposition gestellt werden sollten, damit dieses sie im Interesse der Wissenschaft und der Aufklärung zweckmässig verteile.

Orientalische Schriften.

Die orientalischen Schriften waren in Ordnung gebracht, mehrere neue geschnitten und der Raub der Schriften der Propaganda in Rom hatte diesen Zweig der Typographie ausserordentlich bereichert. Das Lokal war nach dem Hôtel Penthièvre verlegt worden.

Man sieht aus dem obigen, dass die Zeit der Republik in Waffen doch keine ganz verderbliche für die Staatsdruckerei gewesen[174] war, die vieles dem 1801 verstorbenen Direktor Duboy-Laverne zu verdanken hat.

Umzug.

Der Kaiser widmete der Anstalt noch mehr Aufmerksamkeit als der Konsul. Die Administration wurde geordnet, Pensionskassen eingerichtet und die Arbeiten nach Tarifen reguliert. Ein Umzug fand 1809 nach dem Hôtel Soubise mit dessen Annex Palais Cardinal (Rohan) statt. 1811 wurden die orientalischen Schriften, allerdings wieder durch Raub, mit den Stempeln und Matern der Druckerei der Medici in Florenz vermehrt. In demselben Jahre erhielt Didot den Auftrag, das Schriftensystem nach dem inzwischen eingeführten Metermass umzuändern und neue Schriften zu schneiden, doch wurde dieses Vorhaben wegen der Kostspieligkeit nicht zuendegeführt. Ein grosses Prachtwerk Rélation des cérémonies du sacre et du couronnement, etc. de Napoléon wurde 1812 angefangen und erst während der Hundert Tage vollendet, 1813 erteilte der berühmte Gelehrte Silvestre de Sacy den Eleven der Anstalt Unterricht in orientalischen Sprachen, um tüchtige Setzer zu bilden.

Ausser den erwähnten sind noch unter den bedeutenden Erscheinungen der Staatsdruckerei zu nennen die Statistique de la France, Fol., 1804; Recherches asiatiques 1805 und de Guignes Dictionnaire chinois, Fol., 1813.

Die Zeit der Restauration.

Mit alledem waren die Kriegszeiten doch im ganzen keine glücklichen für die Entwickelung der Staatsdruckerei. Am 15. April 1814 verschwand der kaiserliche Adler als Insigne und mit diesem auch verschiedene Schätze der Anstalt, da, nach den Bestimmungen des Pariser Friedens, die den Offizinen der Propaganda und der Medici geraubten Stempel zurückzugeben waren. Doch geschah dies nicht vollständig, und von den Stempeln behielt man Abschläge zurück, sodass die Vollständigkeit der Anstalt eigentlich nicht litt.

Reorganisation Anisson-Duperon.

Ludwig XVIII. bestimmte durch ein Dekret vom 28. Dezember 1814, dass vom 1. Januar 1815 ab die Arbeiten für Rechnung des Staates mit ganz wenigen Ausnahmen aufhören sollten und dass es den verschiedenen Ministerien zu überlassen sei, ihre Arbeiten nach bestem Ermessen auch an Privatdruckereien zu vergeben. Das Inventar sollte dem Direktor zur Disposition gestellt werden, Schriften und Abschläge konnte er unter festgesetzten Bedingungen verkaufen. Marcel wurde in Ruhestand versetzt und der Sohn des[175] hingerichteten Direktors Anisson, vielleicht als Ersatz für die seiner Familie zugefügte Unbill, zum Vorstand gewählt. Da kamen die Ereignisse vom 20. März 1815 und das Kaiserreich der Hundert Tage warf alles über den Haufen, damit es nach drei Monaten wieder eingeführt werde. Anisson liess von Jacquemin neue Schriften nach englischen Mustern schneiden. Dies missfiel der Regierung und da überhaupt die neue Einrichtung sich wenig zuträglich zeigte, versuchte eine Ordonnanz vom 23. Juli 1823 den ungefähren Standpunkt des kaiserlichen Dekrets von 1809 wiederherzustellen.

Villebois.

Zum Chef des Instituts wurde E. de Villebois ernannt. Er führte wieder Präzision in der Administration ein und liess von Marcelin Legrand 16 Grade Antiqua und Cursiv mit einem Aufwande von 39200 Franken schneiden. Eine gelehrte Kommission sollte die Ausführung der Schriften überwachen, hatte aber, wie es mit Kommissionen gewöhnlich der Fall ist, mehr hemmend als fördernd gewirkt. Das erste Werk, welches mit den neuen Typen gedruckt wurde, war Raoul-Rochettes Monumens inédits d'antiquité figurée in gross Folio 1828.

Orientalische Sammlung.
Neuerungen.

Bereits 1824 hatte Ludwig XVIII. die Herausgabe der seit lange beabsichtigten Sammlung orientalischer Werke angeordnet, die Anfänge konnten jedoch erst 1832 nach der Julirevolution gemacht werden. 1828 fasste man auch das Herz, Schnellpressen einzuführen, wogegen man sich lange gesträubt hatte. Zumteil beruhte diese Zögerung wohl in humanen Gründen, da man keinem Arbeiter den Abschied geben wollte; teils lag vielleicht auch ein gewisser Stolz zugrunde; man wollte, wie es scheint, die Maschine nicht als der Handpresse ebenbürtig anerkennen. Die verschiedenen Ministerien beschwerten sich über die teueren Preise, man entschloss sich deshalb, zuerst die Preise nur so zu berechnen, als wären die Arbeiten auf Maschinen gedruckt. Doch es half nichts, man musste sich den Forderungen der Zeit fügen und im Jahre 1829 wurden 96000 Franken zur Anschaffung von Schnellpressen angewiesen, die jedoch während der Revolutionstage 1830 von eindringenden Arbeitern teilweise demoliert wurden.

Villebois hatte das Schicksal seines Gönners, des Ministers de Peyronnet, und wurde entlassen. Unter den Werken aus der Zeit der Restauration sind noch zu nennen: Caillauds Voyage à[176] l'oasis de Thèbes, Folio, 1821; Silvestre de Sacy, Les Séances de Hariri, 1822; Freycinet, Voyage autour du Monde, 4°, 1826, und das vorzügliche Album typographique de l'Imprimerie Royale, 1830.

Pierre Lebrun.

Am 15. September 1831 wurde der Posten Villebois' definitiv dem Akademiker Pierre Lebrun übertragen, nachdem diese Stellung, wie man sagt, erst Béranger[102], dann bestimmt Ambroise Firmin Didot angeboten worden war. Letzterer erklärte sich bereit, die Stelle anzunehmen, wenn allein diejenigen Arbeiten, deren Ausführung durch den Staat sicherheitshalber notwendig war, von der Staatsdruckerei übernommen, alle anderen jedoch der Privatkonkurrenz überlassen würden; wenn man die seltenen Schriften an Buchdrucker zu billigen Preisen ablassen wollte, und schliesslich, wenn es nicht nötig sei, dass er Gehalt annähme. Die Gründe, weshalb man darauf nicht eingehen konnte, lagen klar am Tage und es war wohl auch Didot mehr darum zu thun, die Grundsätze laut auszusprechen, die er für die von einer Staatsanstalt einzig richtigen hielt, als den Direktorposten anzunehmen.

Wennauch kein Fachkundiger, suchte Lebrun doch mit Eifer sich die nötigen Kenntnisse zu erwerben und der Anstalt nützlich zu sein. Von der erwähnten orientalischen Kollektion wurden drei Werke in Angriff genommen: Raschid-Eddins Geschichte der Mongolen in Persien, Bhâgavata Pûrana und Firdusis Buch der Könige. Die Werke wurden streng im orientalischen Stil mit Ornamenten in Gold- und Farbendruck ausgeführt. Neue orientalische Schriften wurden von Marcelin Legrand, Delafond, Ramé père, Loeulliet unter Aufsicht berühmter Orientalisten geschnitten und die Didotschen Schreibschriften erworben. Auch bauliche und technische Verbesserungen wurden vorgenommen und die Lithographie eingeführt, durch die namentlich vorzügliche geologische Karten geliefert wurden.

Die Februar-Revolution.

Die Februarrevolution hatte manche Unordnungen zur Folge, welche Lebrun veranlassten, seine Stelle niederzulegen, die im Jahre 1850 definitiv Saint-Georges übertragen wurde. Dieser behauptete[177] die Ehre der Anstalt auf verschiedenen Weltausstellungen. Für die in Paris 1855 abgehaltene wurde mit allen Raffinements der graphischen Künste eine Prachtausgabe der Nachfolge Christi lateinisch mit der poetischen Paraphrase Corneilles gedruckt.

Angriffe gegen die Staatsdruckerei.

Die Staatsdruckerei ist zwar bereits seit der ersten Revolution fortwährend Gegenstand der Angriffe gewesen, es haben diese jedoch in jüngster Zeit an Heftigkeit zugenommen. Man hält die Konkurrenz der Anstalt mit der Privatindustrie nicht allein für unnötig, sondern für sehr schädigend. Zur Hebung der Kunst sind solche Anstalten nicht mehr nötig. Was Didot aussprach, denkt gewiss Jeder: Eine Staatsanstalt soll nicht den Steuerzahlenden unnötige Konkurrenz machen. Die Typographie ist mündig geworden und bedarf keines öffentlichen Mentors.


Die Familie Didot.

Noch in einem höheren Grade als das Wirken der Staatsdruckerei war in dem ganzen Abschnitt der Buchdrucker-Geschichte Frankreichs von 1750 bis auf den heutigen Tag das Vorgehen der Familie Didot massgebend[103]. Während die Buchdruckerei als Kunst und der höhere Buchhandel in der Revolutionszeit gänzlich darnieder lagen, waren die Didot fast die einzigen, die unentwegt und unbekümmert um den ringsum tosenden Sturm die Flagge Gutenbergs stolz vom hohen Mast wehen liessen.

Das ganze Sein dieser Familie ist von einem so edlen Geist durchdrungen; alles, was sie geschaffen hat, trägt so sehr den Stempel der Gediegenheit, dass der Name Didot noch langezeit als Stern erster Grösse glänzen wird.

Zudem besitzen alle Unternehmungen dieser Firma neben den Vorzügen des französischen Charakters auch das Gepräge einer echt germanischen Wissenschaftlichkeit und Gründlichkeit, wie auch manche der hervorragendsten Werke ihrer Pressen unter Mitwirkung deutscher Gelehrten durchgeführt wurden. Schliesslich ist die Verbindung dieses Hauses mit Deutschland seit langen Jahren eine weit innigere, als es sonst seitens französischer Firmen der Fall zu sein pflegt. Das alles macht, dass der deutsche Gewerbsgenosse sich[178] dieser Familie näher stehend fühlt als den übrigen hervorragenden Repräsentanten der graphischen Gewerbe in Frankreich.

François Didot * 1689, † 2. Novbr. 1757.

Der Stammvater des Hauses war François Didot aus Paris (1713). Schon er machte sich bekannt durch seine vielen wichtigen Unternehmungen, darunter die Histoire générale des Voyages von Abbé Prevost in 20 Quartbänden mit einer grossen Anzahl von Kupfern und Karten. François Didot hatte elf Kinder, von welchen François Ambroise und Pierre François den Beruf des Vaters ergriffen. Zwei seiner Töchter waren an berühmte Buchhändler, Guillaume de Bure und Jacques Barrois in Paris, verheiratet. Als Druckerzeichen nahm er die goldene Bibel an und sie ist es auch bis auf heute geblieben.

Ambr. F. Didot * 7. Jan. 1730, † 10. Juli 1804.

Dem Ambroise François verdankt Frankreich die Einheitlichkeit seines Schriftsystems (S. 145), die Freiheit und Eleganz seines Schriftschnittes, daneben die Vervollkommnung des Velinpapieres und die Einführung der Druckerpresse mit nur einem Zuge. Unter seinen Druckwerken sind hervorzuheben die früher schon erwähnte Collection d'Artois, eine Sammlung von Romanen in 64 Bänden, ferner die Sammlungen von französischen Klassikern in 18°, 8° und 4°, welche, wie ebenfalls erwähnt wurde, im Auftrage des Königs Ludwig XVI. zum Unterrichtszwecke für den Dauphin gedruckt wurden.

Pierre F. Didot * 9. Juli 1732, † 7. Dezb. 1793.

Der Bruder Pierre François leistete bedeutendes als Buchdrucker, Buchhändler, Papierfabrikant und Schriftgiesser, führte viele Verbesserungen in der letzteren Branche ein und legte die berühmte Papierfabrik in Essonnes an.

Pierre Didot * 21. Jan. 1760, † 31. Dez. 1853.

Pierre, der älteste Sohn Ambr. François', übernahm 1789 die Druckerei des Vaters und zeichnete sich so aus, dass seine Offizin im Louvre installiert wurde. Hier druckte er mit Schriften, die sein Bruder Firmin geschnitten hatte, die prachtvollen sog. Louvre-Ausgaben: den Virgil in Folio mit 23 Kupfern (1798); den Horaz in Folio (1799); den Racine, drei Bände in Folio mit 57 Stichen (1801–5), die Fabeln des La Fontaine. Die Jury der damaligen Ausstellung in Paris erklärte den Racine für das vollkommenste typographische Erzeugnis aller Zeiten. Noch manche andere grossartige Werke, z. B. Viscontis griechische und römische Iconographie; Denons Reise in Ägypten; Nodiers malerische Reise im alten[179] Frankreich, und die berühmte Oktav-Ausgabe der französischen Klassiker „für Freunde der Typographie“, die dieser Bezeichnung vollständig würdig war, gingen aus seinen Pressen hervor.

Jules Didot * 5. Aug. 1794 † 18. Mai 1871.

Sein Sohn Jules spielte eine zeitlang eine glänzende Rolle, die jedoch keinen Bestand hatte. Mit grossen Kosten hatte er eine bedeutende Offizin in Brüssel gegründet, die nicht gedeihen wollte und von der Regierung als Grundlage einer Staatsdruckerei erworben wurde. Nach Paris zurückgekehrt, errichtete Jules Didot ein ausgedehntes Etablissement, in welchem er eine grosse Zahl vorzüglich schöner Ausgaben alter und neuer Schriftsteller für verschiedene Pariser Verleger druckte. Im Jahre 1823 erhielt er auf Grund einer Prachtausgabe von Phädrus' Fabeln, in Folio auf Seide gedruckt, und anderer schöner Arbeiten die goldene Medaille. Geschäftliche Misserfolge zerstörten jedoch vollständig seine bereits geschwächten Geisteskräfte.

Firmin Didot * 14. April 1764, † 24. April 1836.

Firmin Didot, der zweite Sohn Ambroise François', hielt als Buchdrucker und namentlich als Schriftgiesser und Schriftschneider den berühmten Namen des Vaters in Ehren. Seine Schreibschriften (1806) liessen alles Dagewesene weit hinter sich, und seine Antiquaschriften, mit welchen sein Bruder Pierre die erwähnten Louvre-Ausgaben druckte, gelten als die musterhaftesten. Er verbesserte (1795) ganz wesentlich die Stereotypie und stereotypierte fast alle französischen, italienischen und englischen Klassiker in 18°-Ausgaben, die durch ihre Korrektheit und Billigkeit bekannt wurden. Der Virgil, fehlerfrei und mit Vignetten illustriert, kostete 15 Sous. Später acceptierte er die vorzügliche Stanhopesche Methode. Ausserdem druckte er eine grosse Anzahl Prachtausgaben, darunter (1817) die Lusiaden und die Henriade. Er ward Mitglied der Akademie und des Instituts und 1834 königlicher Buchdrucker. Das Geschäft Didots war ein Sammelplatz von Notabilitäten Frankreichs und des Auslandes. Im Jahre 1814 besuchte Kaiser Alexander seine Offizin und liess zwei junge Russen zurück, um bei ihm zu lernen. Sein Haus war überhaupt eine Bildungsschule der Typographie, aus welcher Renouard, Paul Dupont, Claye, Rignoux, Brun und andere, später berühmte französische Buchdrucker hervorgingen, ebenso die drei ersten Buchdrucker Griechenlands: Coromilas, Dobras, Apostolidès, sowie viele Missionsbuchdrucker. Um sich ganz dem[180] öffentlichen Leben zu widmen, überliess er im Jahre 1827 seinen Söhnen das Geschäft. Auch als tüchtiger Schriftsteller war Firmin Didot bekannt.

Eine der Töchter Pierre François' heiratete Bernardin de Saint-Pierre, welcher eine zeitlang bei der Papierfabrik in Essonnes beteiligt war, wo er Paul et Virginie schrieb. Von seinen drei Söhnen sind namentlich Henry und Didot Saint-Léger zu erwähnen.

Henry Didot * 15. Juli 1765, † 1852.

Henry Didot that sich als Schriftschneider, Schriftgiesser und Mechaniker rühmlichst hervor. Noch in einem Alter von 66 Jahren schnitt er für seine „mikroskopischen“ Ausgaben, z. B. von Horaz, Rochefoucauld u. a., seine nec plus ultra-Schrift. Um dieselbe giessen zu können, musste ein neues Giessinstrument erfunden werden, welches Henry Didot polyamatype nannte, in welchem 160 Buchstaben auf einmal gegossen wurden.

Didot St.-Léger.

Der Bruder Henrys, bekannt unter dem Namen Didot Saint-Léger, dirigierte die Papierfabrik in Essonnes. Seiner Verdienste um die Papierfabrikation wurde bereits (S. 161) gedacht.

Firmin Didot hatte drei Söhne: Ambroise Firmin, Hyacinthe und Firmin Frédéric (gest. 1836).

Ambr. F. Didot * 20. Dez. 1790, † 24. Febr. 1876.

Ambroise Firmin genoss eine ausgezeichnete Erziehung und legte sich mit besonderem Eifer auf griechische Sprache und Litteratur. Er machte Reisen in Kleinasien, Syrien, Palästina und Ägypten und war eine zeitlang Attaché bei der französischen Gesandtschaft in Konstantinopel. Nach der Erhebung Griechenlands zeichnete er sich als einer der eifrigsten Förderer der griechischen Sache aus. Er schenkte unter anderem Griechenland die erste Buchdruckerei. Die Bürgerschaft von Athen hat in dankbarer Erinnerung der Verdienste Didots noch in letzter Zeit einer Strasse in Athen den Namen Didot-Strasse beigelegt.

Ambr. F. Didot.

Im Verein mit seinem Bruder Hyacinthe druckte und verlegte er eine Reihe bedeutender Werke, z. B. die Reisen Champollions d. j. in Ägypten, dessen Ägyptische Grammatik und Wörterbuch; Texiers Reisen in Kleinasien und Armenien, fünf Bände, Folio; das Glossarium mediae et infimae latinitatis von Du Cange; in sechster Auflage das Wörterbuch der Akademie, 1835, welches in erster Auflage bereits 1694 erschienen war, und eine grosse Anzahl anderer Wörterbücher; die Encyclopédie moderne, 39 Bände mit einem Atlas in fünf[181] Bänden; das Dictionnaire de la conversation, 21 Bände; die Encyclopédie d'histoire naturelle, 22 Bände mit neun Bänden Atlas; die Nouvelle Biographie générale, 46 Bde.; die Biographie universelle des musiciens von Fétis, acht Bände; J. C. Brunets: Manuel de la librairie; die Bibliothèque grecque in mehr als 60 Bänden; die Bibliothèque latine-française, 27 Bände; die Bibliothèque française; das Univers pittoresque, 67 Bände mit 4000 Stahlstichen. Wenn die Bändezahl dieser Kollektionen schon imponiert, so ist noch zu erwägen, dass es sich hierbei grösstenteils um Bände in grossem Oktav, in gespaltenem Satz mit kleiner Schrift gedruckt, handelt, so dass in der Regel ein Band den Stoff von sechs bis acht gewöhnlichen Oktavbänden enthält.

Als ein Hauptwerk Didots, zugleich für Deutschland doppelt interessant, weil es hauptsächlich durch gelehrte Kräfte Deutschlands durchgeführt wurde, ist der Thesaurus graecæ linguæ zu nennen. Diese unerschöpfliche, von Heinrich Stephanus stammende (I, S. 207) Fundgrube griechischer Lexikographie wurde unter Zusammenwirken einer grossen Anzahl Gelehrter Frankreichs und Deutschlands nach 300 Jahren neu herausgegeben und damit der Wissenschaft ein Denkmal hergestellt, das seinesgleichen sucht. Die Redaktion übernahmen die Professoren Hase, Wilhelm und Ludwig Dindorf. Das Werk bildet neun Bände in Folio.

In jüngerer Zeit haben Didots sich auch mit Vorliebe den neueren Illustrationsmethoden zugewendet. Racinets L'ornement polychrome und Mantz' Les chefs-d'œuvre de la peinture italienne mit den Chromolithographien Kellerhovens müssen als Prachtwerke erster Klasse genannt werden. Höchst anziehend ist auch eine Reihe von reich mit Holzschnitten und Chromolithographien geschmückter Werke, welche namentlich Leben, Sitte und Kunst früherer Jahrhunderte illustriert und sich trotz der musterhaftesten Ausstattung durch einen sehr billigen Preis auszeichnet. Fast als ein Saulus unter den Propheten erschien 1860 in dem Didotschen Verlage nach dem Muster des „Bazar“ das Journal La Mode illustrée, welches an 100000 Abonnenten zählte.

Ein anstaunenswertes Unternehmen bleibt in seiner Art auch: Annuaire-Almanach du Commerce, von welchem mehr als 80 Jahrgänge vorliegen. Das Unternehmen ist jetzt in den Händen einer[182] Gesellschaft, die es mit einem Kapital von 7½ Millionen Franken ausbeutet.

Mit Obigem haben wir nur einen Teil der grossartigen Wirksamkeit der Weltfirma andeuten können. Der bescheiden ausgestattete Verlagskatalog lässt kaum auf den hohen Wert der verzeichneten Unternehmungen schliessen, der schwerlich von dem irgend eines Verlagskataloges übertroffen werden dürfte.

Wenn wir noch sehen, welche bedeutende litterarische Thätigkeit Ambroise Firmin mit seiner geschäftlichen zu verbinden wusste, so muss unsere Achtung und Bewunderung für diesen Mann sich noch steigern.

Seine Mitwirkung bei dem Thesaurus wie bei vielen der encyklopädischen Unternehmungen des Hauses zeugen schon von seiner gelehrten und wissenschaftlichen Bedeutung, jedoch lieferte er ausserdem noch eine Reihe selbständiger Schriften. Wir können hier nur die bedeutendsten derjenigen erwähnen, die sich auf das graphische Gewerbe beziehen. Als Mitglied der Ausstellungs-Jury schrieb er L'imprimerie, la librairie, la papeterie à l'exposition 1851 à Londres (2. Auflage 1854). Sein 1863 erschienener Essai typographique et bibliographique sur l'histoire de la gravure sur bois ist ein vortreffliches Werk, das nur den einen Fehler hat, dass es mit ganz ausserordentlich kleiner Schrift gedruckt ist[104]. Sein letztes umfangreiches Buch ist das 1875 erschienene Alde Manuce et l'hellénisme à Venise. Über die Frage der Orthographie und des litterarischen Eigentumsrechtes gab er verschiedene wertvolle Schriften heraus. Unter seinen Monographien erwähnen wir: Étude sur les œuvres de Jean Sire de Joinville, zwei Bände, fünfte Auflage, 1870; Missel de Juvénal des Ursins, ein kostbares Manuskript, welches Didot für 23000 Franken erworben, jedoch der Bibliothek des Hôtel de Ville cediert hatte, bei dessen Brande es vernichtet wurde; Étude sur Jean Cousin, 1872. Didot besass eine Bibliothek typographischer Seltenheiten ersten Ranges, die nach Millionen von Franken geschätzt wurde und auch[183] bei der Versteigerung nach Didots Tode wirklich enorme Summen einbrachte. Diese Sammlung hatte Didot Veranlassung zu dem Werke: Catalogue raisonné des livres de la Bibliothèque de A. F. Didot, I. 1: Livres à figures sur bois, Solennités, Romans de chevalerie, 392 zweispaltige Seiten, gegeben. Als Supplemente hierzu erschienen: Les apocalypses figurées und Essai de classification des Romans de chevalerie. Sein Bibliothekzimmer war Didots liebster Aufenthalt, und hier musste oft sein Diener den in die Arbeit Vertieften an die vorgerückte Nachtstunde erinnern.

Das Geschäft beschränkte sich nicht allein auf bibliopolisch-typographische Hyacinthe Didot * 1794, † 7. Aug. 1881.Th. Lefèvre * 17. Sept. 1798.Unternehmungen, sondern umfasste auch die bedeutende Papierfabrikation in Mesnil und Sorel. Dagegen sah sich Didot veranlasst, die Schriftgiesserei als selbständiges Geschäft aufzugeben; sie wurde der grossen Gesellschaft Fonderie générale einverleibt. Als die Einrichtung der Papiermaschinen viele bei der Fabrikation beschäftigt gewesene Mädchen in Mesnil arbeitslos machte, richtete Didot eine bedeutende Druckerei für Frauen ein, sorgte für tüchtige Anleitung und etablierte Schulen. Diese Anstalt war namentlich ein Werk Hyacinthe Didots, des treuen Mitarbeiters des Ambroise durch eine lange Reihe von Jahren. Sie stand unter der Leitung des Théotiste Lefèvre, und wurde nachträglich noch durch eine Abteilung für taubstumme Mädchen erweitert. Der jetzt 84jährige Th. Lefèvre, bekannt durch sein Handbuch für Setzer[105], arbeitet seit 46 Jahren in dem Hause Didots.

Dass es Ambroise Firmin Didot an äusseren Ehren der verschiedensten Art nicht fehlte, ist begreiflich. In den letzten Jahren seines Lebens genoss er noch die Auszeichnung, Mitglied des Instituts von Frankreich zu werden. Die höchste Ehre war es ihm jedoch, die unbegrenzte Achtung und Liebe seiner Mitbürger und Untergebenen zu besitzen und der Vater seiner Arbeiter zu sein, was er im vollen Sinne des Wortes war, bis ihn der Tod ihnen raubte.

Alfred und Paul Didot.

Das Haus Didot steht jetzt unter der Leitung des Sohnes des Ambroise Alfred Firmin Didot (geboren 1828) und des Sohnes des Hyacinthe Paul Firmin Didot (geboren 1826). Die Druckerei in Paris ging in den Besitz von G. Chamerot über.

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Trotzdem dass die Firma, wie auch aus dem Obigen hervorgeht, in mancher Hinsicht ihre Thätigkeit beschränkte, wird sie sicherlich noch lange den berühmten Namen mit Ehren behaupten. Für Frankreichs Typographie hat die Familie Didot eine Bedeutung, welche die der Familie Stephanus noch überragt.


Andere ältere Familien.

Neben dem Geschlecht der Didot besass Frankreich noch eine Anzahl bedeutender Druckerfamilien, die, aus dem XVIII. in das XIX. Jahrhundert herüberreichend, die verbindenden Glieder in der grossen Kette bilden, in welcher sich die modernen vortrefflichen Typographen an die alten Meister anreihen.

Unter diesen Familien nahm die der Panckoucke, wennauch nur auf kürzere Zeit, eine sehr glänzende Stellung ein.

J. Panckoucke * 1736, † 1799.

Joseph Panckoucke, geboren zu Lille, war ein tüchtiger Mathematiker und bereitete sich für den Beruf eines Dozenten vor, etablierte sich jedoch zuerst als Buchhändler, dann 1774 als Buchdrucker. Eine der ersten seiner Unternehmungen sollte eine Gesamtausgabe von Voltaires Werken sein, für deren Durchsicht und Emendation er den berühmten Verfasser selbst gewonnen hatte. Die Kaiserin von Russland war ersucht worden, die Widmung anzunehmen, da jedoch nach Ablauf von sieben Monaten die Erlaubnis zur Dedikation noch nicht eingegangen war, betrachtete Panckoucke die Sache als gescheitert und verkaufte seine Rechte P. Beaumarchais † 1799.an den bekannten Schriftsteller P. Beaumarchais, der die Absicht hatte, etwas noch nicht Dagewesenes von einer Prachtausgabe zu liefern. Am Tage nach dem Abschluss kam — zu spät! — die Erlaubnis der Kaiserin, begleitet von einer Anweisung auf 150000 Livres.

Beaumarchais liess in Kehl, Strassburg gegenüber, eine Offizin errichten und Arbeiter aus Deutschland und der Schweiz kommen. Seine Abgesandten nach Holland studierten die dortige Papierfabrikation und errichteten danach Fabriken in den Vogesen. Die Stempel und Matern Baskervilles wurden erworben (S. 74). Der Hauptherausgeber war Condorcet; die typographische Redaktion besorgten Decroix und Letellier. In fünf Jahren (1784–89) verausgabte man mehr als drei Millionen auf eine Oktavausgabe in 70 Bänden und eine Duodezausgabe in 92 Bänden. Um allen[185] Ansprüchen gerecht zu werden, wurden von beiden Ausgaben Exemplare auf fünf Sorten Papier gedruckt in einer Gesamtauflage von 28000 Exemplaren. Zu dem grossen Aufwand stimmte nicht recht die nachlässige Korrektur. Pekuniär war das Unternehmen ein vollständiger Misserfolg und kostete Beaumarchais für seinen Anteil eine Million.

Der Moniteur.

Von Panckoucke stammt auch der Gedanke des Moniteur. Nachdem er in England den Wert und die Macht der periodischen Presse kennen gelernt hatte, wollte er ein solches Institut, das auch äusserlich mit einem der grossen englischen wetteifern konnte, in Frankreich gründen. Der erste Redacteur war Maret, später Herzog von Bassano. Das Blatt erreichte die damals ganz ausserordentliche Auflage von 15000 Exemplaren und wurde ein Quellenwerk für die Geschichte, das an Interesse wenige Konkurrenten hat.

Als Verleger war Panckoucke äusserst splendid und bei Hofe sehr angesehen. Er druckte Buffons sämtliche Werke; die erste grosse Sammlung von Reisewerken und begann auch die Encyclopédie méthodique, welche 166 Bände in Quart und 51 Teile mit 6429 Kupfertafeln umfasste, deren Herstellung ein halbes Jahrhundert in Anspruch nahm. Der Erfolg war anfänglich ein ganz ausserordentlicher. Ein einziger Madrider Buchhändler, Sancha, hatte Subskriptionen bis zu einem Betrage von anderthalb Millionen Livres gesammelt. Die lange Reihe von Jahren, welche das Unternehmen bis zu seiner Vollendung erforderte, schmälerte jedoch sehr den Ertrag, da wenige Unterzeichner das Ende des Werkes erlebten.

Panckoucke selbst war als Schriftsteller sehr thätig und lieferte ausser selbständigen Werken und Übersetzungen noch zahlreiche Artikel zu den periodischen und encyklopädischen Werken seines Verlages.

C. L. Panckoucke * 25. Dez. 1780, † 11. Juli 1844.

Sein Sohn Charles Louis Panckoucke vertauschte die als Beruf ergriffene Rechtswissenschaft mit der Buchdruckerei und dem Buchhandel. Er vollendete die Encyclopédie und druckte unter Mitwirkung der besten wissenschaftlichen Kräfte das Dictionnaire des sciences médicales, die Flore médicale, die Biographie médicale. Während des Rückganges des nationalen Glanzes in den Jahren 1814–15 begann er die Herausgabe der Victoires et Conquêtes, welche einen ausserordentlichen Erfolg hatten. Weiter veranstaltete er eine neue[186] Ausgabe der Expédition d'Égypte. Auch er war als Schriftsteller mehrseitig thätig. Sein Sohn Charles Louis Ernest (geboren 1806) verliess den Buchhandel, behielt jedoch die Buchdruckerei und den Druck des Moniteurs.

Familie Barbou.

Der Ursprung der Familie Barbou ist in Lyon um die Mitte des XVI. Jahrhunderts zu suchen. Eins der Mitglieder derselben, Jean Joseph Barbou, etablierte sich 1717 als Buchhändler, 1723 als Buchdrucker in Paris. Der Sohn Joseph Gérard Barbou machte sich einen übeln Namen durch die Art und Weise, wie er einberufene deutsche Arbeiter behandelte. Sein Neffe Joseph Gérard d. j. begann eine schöne Kollektion lateinischer Klassiker in 76 Bänden mit Vignetten, die 1808 auf J. A. Delalain überging, der das Geschäft erst allein, seit 1836 mit seinem Sohne A. H. J. Delalain führte. Diese Firma druckte mehrere tausend Klassiker-Ausgaben und Unterrichtswerke; derselben verdankt man auch das Annuaire de la librairie et de l'imprimerie und mehrere Fachschriften. Die Familie gehört zu den geachtetsten ihres Faches in Frankreich.

P. N. Lottin † 1751.

Philipp Nicolas Lottin etablierte 1724 eine Druckerei. Sein Sohn Aug. Martin war der typographische Lehrmeister Ludwigs XVI., der damals, ein glücklicher Knabe von zwölf Jahren, mit der Presse spielen konnte, die ihn später aufs Schafott bringen sollte. Lottin ist der Verfasser eines jetzt sehr selten gewordenen Werkes: Catalogue chronologique des libraires et imprimeurs de Paris depuis 1470–1789.

J. G. Treuttel * 1744, † 1826.
J. G. Würtz * 1768, † 1841.

Das Geschäft Treuttel & Würtz wurde 1770 in Strassburg, 1795 in Paris, 1817 in London errichtet. J. G. Treuttel war in Strassburg geboren, ebenso sein Schwiegersohn J. G. Würtz; ein zweiter Schwiegersohn E. Jung trat nach Treuttels Tod als Teilhaber in das noch in der Familie unter der Firma Jung-Treuttel fortwirkende Geschäft. Unter den vielen bedeutenden Arbeiten desselben nennen wir nur einige: d'Agincourts L'histoire de l'art par les monumens; die Werke der Frau von Staël, 17 Bände; Les archives des découvertes, 31 Bände; die bedeutendsten Werke Sismondis; die Bipontiner (Zweibrücker) Ausgaben der Klassiker in 115 Bänden; die Encyclopédie des gens du monde.

Familie Berger-Levrault.
Fr. Schmuck * 1678.
Wilh. Schmuck * 1682, † 1751.
J. R. Christmann † 1661.
F. R. Christmann * 1728.

Eines der bekanntesten Häuser Frankreichs ist das Strassburg ebenfalls angehörende Berger-Levrault, welches seit mehr als[187] 200 Jahren in einer Familie fortgeführt wurde[106]. Der Gründer desselben war Friedr. Wilh. Schmuck um 1675; die Druckerei entstand 1685. Der Sohn Friedrich Schmuck und dann sein Bruder Wilh. Schmuck folgten, letzterer wurde Buchdrucker des Königs und der Universität. Nach Fr. Schmucks Tode ging das Geschäft auf seinen Schwiegersohn Joh. Rob. Christmann aus Kempten und dann auf dessen ältesten Sohn Franz Robert Adrian über, der als Teilnehmer seinen Schwager Franz Georg Levrault aufnahm, worauf die Firma Christmann & Levrault, dann nach Christmanns Tode Georg Levrault wurde und bis 1858 fortbestand. Von den vier Söhnen Georgs, die sich alle der Druckerei widmeten, wurde der F. L. X. Levrault * 1762, † 17. Mai 1821.älteste Franz Laurent Xavier, welcher in der Schreckenszeit auf Grund seiner royalistischen Gesinnungen hatte fliehen müssen, Chef des Hauses. Unter ihm fand ein bedeutender Aufschwung des Geschäfts statt. Ein grosser Teil des Exports französischer Bücher nach Deutschland und Russland ging durch seine Hände und seine Pressen brachten zahlreiche Verlagsartikel hervor. Eine Spezialität des Hauses bildete die Lieferung von Militärformularen, die sogar der grossen Armee nach Russland nachgesendet wurden. Levrault war ein Mann von ungewöhnlicher geistiger Begabung und Arbeitskraft, die er nicht nur dem Geschäfte, sondern auch seinen Mitbürgern, unter denen er im höchsten Ansehen stand, widmete. Eine treue und tüchtige Gehülfin hatte er in seiner Frau, welche, als Überanstrengungen 1821 seinen Tod herbeiführten, sich beherzt Witwe Levrault † 1850.an die Spitze des Hauses stellte und während 29 Jahren das Erbe der Familie mit sicherer Hand erhielt und förderte. Von 1825 bis 1837 wurde sie durch einen Schwiegersohn Friedr. Berger kräftig unterstützt, ein anderer Schwiegersohn C. Pitris leitete das in Paris gegründete Haus. Nach Bergers Tode übernahm dessen Witwe Berger-Levrault † 28. Mai 1879.Witwe die Führung der Druckerei, während die Witwe Levrault bis zu ihrem Tode der Buchhandlung vorstand. Die Witwe Berger nahm nun ihren Sohn Oscar Berger-Levrault zum Teilnehmer, wodurch die Firma sich in Berger-Levrault Sohn änderte. Unter der Leitung Jul. Norbergs nahmen die Geschäfte einen immer grösseren Umfang an. Mit gewaltigen Anstrengungen siegte man[188] in dem Kampf gegen Konkurrenten um Behauptung der administrativen Arbeiten. Bedeutende Erfolge belohnten die Thätigkeit und ein grossartiges Geschäftshaus wurde erbaut. Kaum war der Umzug bewerkstelligt, da brach der Krieg aus. Die Schwierigkeit resp. Unmöglichkeit, während desselben und der darauf folgenden Friedensverhandlungen die administrativen Arbeiten auszuführen, waren ausserordentlich; nach der Abtretung des Elsass an Deutschland musste das Haus mit diesen Arbeiten nach Frankreich auswandern und 1873 fand die Übersiedelung nach Nancy statt. Bereits am 20. Mai 1876 ward das dortige äusserst zweckmässig eingerichtete Etablissement ein Raub der Flammen, es wurde jedoch mit einer fabelhaften Energie und mit noch besseren Einrichtungen als vorher neu aufgeführt.

Das Strassburger Etablissement, welches jetzt nach 200 Jahren wieder zu den deutschen zählt, besteht unter alleiniger Leitung des Herrn Rud. Schultz als Kommandit-Gesellschaft unter der Firma R. Schultz & Co. (Berger-Levrault Nachfolger).

J. G. Dentu * 1770, † 1840.
G. Dentu d. j. * 1796, † 1849.

Der Gründer der Firma Dentu, Jean Gabriel Dentu, etablierte um 1795 eine Buchdruckerei und später eine Buchhandlung in Paris. Sein Journal des Dames hatte einen ausserordentlichen Erfolg. Er gab eine grosse Reihe von Reisewerken sowie Schriften naturwissenschaftlichen Inhalts heraus und druckte und verlegte nach der zweiten Restauration fast alle legitimistischen Broschüren. Der Sohn Gabriel Dentu, der 1826 das Geschäft übernahm, blieb den politischen Traditionen der Firma treu, wurde dadurch nach der Julirevolution 1830 in 27 Pressprozesse verwickelt und musste ausser zahlreichen Geldstrafen neun Monat Gefängnis aushalten. Einer seiner Söhne Ed. Dentu folgte ihm als Buchhändler; die Buchdruckerei wurde verkauft.

H. M. Cazin † 5. Okt. 1795.

Als Verleger einer Reihe reizender und koketter Ausgaben in 18° mit schönen Illustrationen und allerliebsten Ornamenten der besten Künstler ist Hubert Martin Cazin bekannt.

Mit grosser und wohlbegründeter Pietät nennen die französischen Fachgenossen den Namen Crapelet.

Charles Crapelet * 13. Nov. 1762, † 9. Okt. 1809.

Charles Crapelet war in Bourmont geboren. Seine Erziehung war sehr vernachlässigt, er versuchte jedoch durch unermüdliche Arbeit das Fehlende zu ersetzen. Erst 17 Jahre alt übernahm er[189] die Leitung des bedeutenden Geschäfts des Buchdruckers Stoupe. Er beteiligte sich auf das lebhafteste bei den Bestrebungen, die Typographie durch Geschmack und Eleganz zu heben, und war zugleich einer der vorzüglichsten Korrektoren. Als Beweis seines Pflichteifers wird erzählt, wie er sich von dem Festschmause am Abend seines Hochzeitstages gegen Mitternacht heimlich entfernte. Als er nicht wiederkam, geriet die Gesellschaft in Verlegenheit, die junge Frau in die grösste Unruhe. Nachdem der anwesende Prinzipal Stoupe sich eine zeitlang an dieser Situation ergötzt hatte, machte er schliesslich dem Entsetzen ein Ende durch die Erklärung, Crapelet sei in die Druckerei gegangen, um die Korrektur einiger Bogen zu erledigen, die man morgen drucken müsse. Der Vermisste erschien dann endlich auch früh gegen drei Uhr.

Im Jahre 1789 wurde er der Nachfolger Stoupes. Nach dem Beispiele Baskervilles suchte er Einfachheit mit Eleganz zu verbinden und übertraf sein Vorbild durch die Gleichmässigkeit und die grosse Korrektheit seiner Drucke. Seine Ausgaben werden von allen Bücherfreunden in Ehren gehalten und seine Pergamentdrucke und die Golddruck-Exemplare von Audiberts Histoire des colibris sind typographische Seltenheiten.

Vom Glück war Crapelet nicht begünstigt und Missbrauch seines Vertrauens brachte ihm ausserdem schwere Verluste. Um diese zu ersetzen, arbeitete er über seine Kräfte. Ein Druckfehler in dem ersten Bogen seiner Ausgaben des Télémaque, wo, statt Pénèlope, Pélènope gedruckt war, versetzte ihn in eine solche Aufregung, dass nur die ernsthaftesten Vorstellungen seiner Freunde ihn von seinem Entschluss, die Buchdruckerei aufzugeben, abzubringen vermochten. Leider zu seinem Schaden, denn er starb, erst 49 Jahre alt, durch geistige und körperliche Anstrengungen aufgerieben, als Märtyrer seines Berufs. Unter den vielen Werken aus seinen Pressen seien die schönen Ausgaben der französischen Klassiker und Audiberts Histoire naturelle des oiseaux chantans, Folio, 1805, genannt.

G. A. Crapelet * 1789, † 1842.

Notgedrungen musste der Sohn Georg August Crapelet, kaum 20 Jahre alt, das Geschäft übernehmen. In seinen Leistungen übertraf er noch den Vater, war ausserdem ein bedeutender Fachschriftsteller und Archäolog. Seine Ausgaben französischer Klassiker sind berühmt und die Grosspapier-Exemplare davon sind als Prachtdrucke[190] gesucht. Crapelet der Sohn gehörte, wie der Vater, zu denjenigen Buchdruckern, die mehr zur Ehre der Kunst als zum eigenen Vorteil den alten Traditionen treu blieben. Seine Fachwerke sind sehr geschätzt. Von den Études pratiques et littéraires sur la typographie, Paris 1837, wurde leider nur der erste Teil veröffentlicht, den Abschluss des Werkes verhinderte des Verfassers Tod. 1840 erschien De la profession d'un imprimeur.

De Bure.

Den Grund zu den bedeutenden bibliographischen Arbeiten Frankreichs legte Wilhelm Franz de Bure, einer bereits seit 1660 bestehenden Buchhändler-Familie angehörend. Er verfasste 1753 das Museum typographicum und 1785 seine Bibliographie instructive, sowie mehrere von den Bibliographen sehr geschätzte Kataloge, unter andern die über die Bibliothek des Herzogs von la Vallière, in damaliger Zeit die bedeutendste Privatbibliothek Frankreichs.

Fußnoten:

[98] P. Dupont, Histoire de l'Imprimerie, vol. I. Paris 1854. — A. F. Didot, Histoire de la Typographie. Paris 1882. (Abdruck aus der Encyclopédie moderne.) — Edm. Werdet, De la Librairie Française. Paris 1860. — F. A. Duprat, Histoire de l'Imprimerie Impériale. Paris 1861. — Ed. Werdet, Histoire du Livre en France. 4 Bde. Paris 1861–62.

[99] Loi sur la liberté de la Presse, 29. Juli 1881.A. Faivre, Code manuel de la Presse 1881. Paris. — Loi de 1881 sur la Presse avec observations par H. Celliez et Ch. le Senne. Paris 1881.

[100] Vergl. I, S. 208–211. In dem Folgenden ist, bei dem fortwährenden Wechsel der offiziellen Benennung je nach dem Wechsel der Regierungsform, die Bezeichnung „Staatsdruckerei“ angenommen. — Ausser Duprats Werk (S. 163) vgl. A. J. Bernard, Notice historique sur l'Imprimerie nationale. Paris 1848. — V. Goupy, L'Imprimerie nationale et sa Collection de Types orientales. Paris 1874. — A. Bernard, Histoire de l'Imprimerie Royale du Louvre. Paris 1867.

[101] Die 300-Livres-Noten tragen als Jahreszahl 1090 statt 1790, man ging jedoch darüber hinweg.

[102] Pierre Jean de Béranger (* 1780, † 1857) lernte die Buchdruckerei bei Laisnez in Péronne und arbeitete dort zwei Jahre. Während dieser erschienen seine ersten Gedichte, die mit solchem Beifall aufgenommen wurden, dass er den Winkelhaken beiseitelegen konnte.

[103] G. Brunet, Firmin Didot et sa Famille. Paris 1870. — E. Pitou, La Famille Didot. 1856. — E. Werdet, Études bibliographiques 1713–1864. — A. F. Didot, Histoire de la Typographie. Paris 1882.

[104] Seine 1882 in einem zweiten, unveränderten Abdruck erschienene Histoire de la Typographie entspricht nicht dem, was man nach dem Titel erwarten könnte. Es ist ein Abdruck eines grossen, vor langen Jahren erschienenen Artikels in der Encyclopédie moderne und enthält nur chronologisch an einander gereihte Notizen, fast ausnahmslos über französische Buchdrucker, namentlich über Mitglieder der Familie Didot, und schliesst mit dem Jahre 1851.

[105] Guide pratique du compositeur d'imprimerie. Paris 1855. Vol. II. 1872.

[106] L. Mohr, Das Haus Berger-Levrault. Strassburg 1876. — L'Imprimerie de Berger-Levrault & Co. Nancy 1878. — Ann. d. Typ. B. VIII. 1876, Nr. 352.

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VII. KAPITEL.

DIE MODERNE TYPOGRAPHIE FRANKREICHS UND DAS BUCHGEWERBE.

Das Aufleben des Buchgewerbes. Die Prachtwerke. Neue Bahnen. Der Cercle de la Librairie. Die Fachlitteratur. Statistisches. Die Journallitteratur. Die moderne Typographie: A. Mame & Co., H. Fournier, P. Dupont, J. Claye, N. Chaix, H. Plon u. a. Der Illustrierte Verlag: Ch. Furne, J. Dubochet, J. Paulin. Die Luxusbücher: L. Curmer, G. Silbermann, Engelmann Vater & Sohn. Die verschiedenen Richtungen des Buchhandels: Baillère, Masson, Hachette & Co. u. a. Der archaïstische Druck: L. Perrin, D. Jouaust. Die Bibliographie: Die Buchhandlungen für das Ausland.

Aufatmen des Buchhandels.
S

CHWERE Zeiten hatten in der Sturmperiode Frankreichs auf der Buchdruckerei und dem Buchhandel gelastet und nur wenigen Auserwählten der alten Garde war es, wie wir gesehen, vergönnt gewesen, aus der Krisis ungeschädigt hervorzugehen. Als nun das Buchgewerbe wieder aufzuatmen begann, war es, da die neue Litteraturperiode noch nicht angebrochen war, natürlich, dass die Schaffenslust sich zuerst der Herstellung von schönen Ausgaben der vorhandenen Schriftsteller, die zu den französischen Klassikern gezählt wurden, zuwendete.

Th. Desoër.
J. J. Lefèvre.

Theodor Desoër war der erste, der eine solche Prachtausgabe: einen zwölfbändigen Voltaire, herausgab, die alle Welt in Erstaunen versetzte, welche die Frage lebhaft diskutierte, ob der Verleger bald[192] ein reicher oder ein bankerotter Mann werden würde. Jean Jacques Lefèvre wollte Ausgaben bringen, die selbst die Didotschen übertreffen sollten. In den Jahren 1826–1829 gab er zuerst in 73 Bänden in Oktav die französischen Klassiker mit reichhaltigen Kommentaren heraus, dann die ohne Rivalen gebliebenen Sammlungen älterer und neuerer Klassiker aller Länder in 32°. Gleichzeitig veröffentlichte L. Janet seine luxuriösen Ausgaben der geistlichen Schriftsteller.

Prachtausgaben.

Eine Prachtausgabe jagte nun die andere. Von Voltaire allein erschienen nicht weniger als vierzig Ausgaben in den verschiedensten Formaten und zu den verschiedenartigsten Preisen. In ununterbrochener Reihe folgten Buffon, Madame de Sévigné, Boileau, Bossuet und viele andere ältere Schriftsteller mit prachtvollen Stichen, unter Mitwirkung von Künstlern wie Desenne, Deveéia, Henriquel-Dupont, Calamatta, Lecomte, Girardet, Lorichon u. a. Daneben behaupteten jedoch auch die älteren Ausgaben ihren Wert bei den vielen Bücherliebhabern. Zu zahlreichen Werken mit und ohne Illustrationen gaben die Thaten Napoleons und der grossen Armee Anlass. Die arbeitenden 1500 Pressen, davon 800 in Paris, reichten öfters nicht aus, um dem Andrängen der Verleger zu genügen. Im Jahre 1811 erreichten die gedruckten Bogen die Zahl von neunzehn Millionen, 1826 war sie auf 145 Millionen gestiegen, nicht gerechnet die enorme Zahl der politischen Broschüren, der Zeitungen und der Revues.

C. Ladvocat.

Trotz der Schönheit der Klassiker-Ausgaben traten diese mit der Zunahme der modernen Schriftsteller von Bedeutung wie Benj. Constant, Chateaubriand, Lamartine, Cas. Delavigne und viele andere in den Hintergrund. Was Lefèvre für die alten Verfasser gewesen, wollte nun Charles Ladvocat für die lebenden sein. Er war der richtige Typus eines modernen Buchhändlers, kühn, unermüdlich, freigebig, von Liebe zu seinem Geschäft beseelt. Er verstand jedoch nicht, dabei klug haushälterisch zu sein. Er gab zwar der Litteratur einen mächtigen Stoss nach vorwärts, sollte aber so wenig wie Lefèvre die Früchte des regen Schaffens geniessen, und beide starben arm.

Der Roman.

Dem Roman war es beschieden, einen mächtigen Einfluss auf das Druckgewerbe zu üben. Am Tage der Herausgabe eines neuen Romans von Victor Hugo, Jules Janin, Ch. Nodier, H. de Balzac,[193] Paul Lacroix, Léon Gozlan, Eug. Sue, Alf. Karr u. a. waren die Buchhandlungen förmlich belagert. Die höchsten Honorare wurden bezahlt, oft für Bücher, von denen noch keine Zeile geschrieben war.

Das Feuilleton.

Doch hiermit sollte es nicht genug sein. Emil Girardin öffnete dem Roman noch neue Bahnen. Er hatte den Gedanken gefasst, ein Journal von dem Umfange der grossen Blätter, aber nur zu vierzig statt zu achtzig Franken, herauszugeben. Das wirkte in der Journalistik gleich einer Revolution im Staate. Im Jahre 1835 erschien Girardins La Presse; Le Siècle war die erste Konkurrenz. Das Publikum sollte namentlich durch das Feuilleton angelockt werden und es entstand eine wahre Hetzjagd nach Romanen für dasselbe und selbst die ernsthaftesten Journale mussten dem Strom folgen. Souliés Mémoires du diable und Sues Mystères de Paris in dem Journal des Débats wurden geradezu verschlungen. Die Männer des Romans genügten nicht und es entstand eine ganze Legion von romanliefernden Blaustrümpfen. War der Roman im Feuilleton beendigt, so kam eine Nachlese für Autor, Verleger und Drucker durch Herausgabe als Buch.

Die Kunst des Zeilenmachens[107] wurde im grossen Stil geübt, als besonderer Virtuos zeigte sich hierin Victor Hugo. Da nach den Zeilen bezahlt wurde, so waren Zeilen wie „Ja“ — „Nein“ — „Er ging“ — „Sie lächelte“ etc. sehr profitabel.

Doch das Romanfieber liess nach und es machte sich nun, unterstützt durch die Fortschritte der Holzschneidekunst und das vortreffliche Material an Schrift, Papier und Pressen, die Sucht geltend, alles mit Holzschnitten zu illustrieren.

Der Holzschnitt.

So prachtvoll die Stahlstiche auch gewesen, man sehnte sich doch nach einfacherer Kost. Der Holzschneider Porret war einer der ersten, der auf Antrieb Achille Devérias zur Reorganisation der Xylographie die Initiative ergriff. Die talentvollen Zeichner eigneten sich mit Eifer die Methode für den Holzschnitt zu zeichnen an. Desenne, Devéria, Alfr. und Tony Johannot, Jul. David, Raffet, Charlet, J. J. Grandville, Horace Vernet, Vict. Adam, Ary Scheffer, Gavarni und andere Künstler ersten Ranges erschienen auf dem Die illustrierten Klassiker.Kampfplatz. Da gab es ein lustiges Turnier. Alle Klassiker, fremde und einheimische, wurden mit Holzschnitten illustriert; geschichtliche,[194] ethnographische und naturwissenschaftliche Werke folgten in bunter Reihe, daneben die illustrierten Blätter. Schliesslich kamen die illustrierten Romane zu 20 Cent. für die Lieferung an die Reihe und auch die Jugendschriften nahmen ein anderes Gesicht an. Der Sieg des Holzschnittes über den Stahlstich war ein vollständiger.

Gegen das Ende des Bürgerkönigtums hatte das Geschäft wenigstens anscheinend eine hohe Blüte erlangt. In der Zeit von 1830–1848 betrug die Zahl der erschienenen Werke 105000 und sie hat sich mit stellenweisen Unterbrechungen durch die politischen Wandlungen auf einer hohen Stufe erhalten.

Der Cercle de la librairie.

Zu dem Ansehen des französischen Pressgewerbes hat, wie bereits in der „Einführung“ angedeutet wurde, der Cercle de la librairie, de l'imprimerie, de la musique et des estampes[108] vieles beigetragen. Aus dem angeführten Titel geht schon hervor, dass der Cercle als Sammelplatz für alle die mannigfachen Kräfte dient, welche bei den graphischen Künsten im weitesten Sinne beschäftigt sind. Nicht nur in allen Verhältnissen der Regierung gegenüber, sondern auch bei allen Weltausstellungen hat der Cercle die Interessen des Buchgewerbes mit Energie, Geschick und Glück vertreten. Er wacht mit Eifersucht dem Auslande gegenüber, jedoch ohne Eifersüchtelei unter den Mitgliedern des Vereins, über die Behauptung der hervorragenden Stellung des französischen Druckgewerbes, wenn dieses auf dem Weltmarkt sich zeigt.

Der am 5. Mai 1847 unter dem Vorsitz von Ambr.-Firmin Didot gegründete, 1853 reorganisierte Verein erwarb 1856 das Eigentumsrecht auf die seit dem Jahre 1811, damals im Besitz der Familie Pillet, erscheinende Bibliographie de la France. Das 1858 unternommene L'Annuaire de la librairie wird nicht regelmässig fortgesetzt und hat für den Buchhandel Frankreichs nicht die Bedeutung wie in Deutschland O. A. Schulz' Adressbuch. 1863 wurde das Comité judiciaire des Cercle eingerichtet. Am 12. Juni 1878 wurde der Grundstein zu einem prachtvollen Versammlungshaus, Ecke der Rue Grégoire-de-Tours und des Boulevard St.-Germain, gelegt und dasselbe am 4. Dezember 1879 feierlich eingeweiht. Es werden seit der Zeit höchst interessante Ausstellungen dort abgehalten. Im Jahre 1880 war die Zahl der wirklichen Mitglieder 317, darunter[195] 119 Buchhändler, 40 Buchdrucker, 26 Lithographen, 55 Papierfabrikanten, 11 Buchbinder, 8 Maschinenfabrikanten etc. Ausserdem hatte der Cercle 21 Ehrenmitglieder und 145 korrespondierende Mitglieder. Das Vereinsvermögen betrug 350000 Franken.

Fachlitteratur. Gabr. Charavay † 22. Mai 1878.

Als Organ der Typographie besteht seit 1864 das durch Gabr. Charavay geleitete L'Imprimerie, journal de la typographie et de la lithographie. Es beschäftigt sich namentlich mit den Verhältnissen der Buchdrucker zum Staate und mit den gewerblichen Interessen, ist in technischer Beziehung jedoch nicht so reichhaltig wie die leitenden englischen Journale. Letzteren nachzukommen ist das seit 1873 begonnene Journal La Typologie Tucker mit Glück bemüht. Es bringt wertvolle Artikel, so wurden z. B. die bekannten Lettres d'un bibliophile von R. R. Madden zuerst hier mitgeteilt. Von den übrigen Fachjournalen sei noch erwähnt das durch Fusion von drei typographischen Blättern 1882 entstandene Bulletin de l'imprimerie et de la librairie, redigiert von Léon Degeorge. Was von den englischen Fachjournalen gesagt wurde, dass sie sich von allen persönlichen Gehässigkeiten und Reibungen freihalten, gilt auch von den französischen, obwohl sie zum grossen Teil direkt im Interesse einzelner grossen Fabrikanten herausgegeben werden.


Nachdem wir in dem vorhergehenden Kapitel die Wirksamkeit und Bedeutung der Bahnbrecher der neueren Periode haben kennen lernen, wenden wir uns den bedeutenderen der modernen Anstalten zu, welche dazu beigetragen, Frankreichs typographischen Ruhm in neuester Zeit zu fördern.

Es könnte anscheinend ein Widerspruch darin gefunden werden, dass die Reihe mit einem Institut angefangen wird, welches bereits zuende des vorigen Jahrhunderts gegründet wurde. Dasselbe ist jedoch seiner ganzen Organisation und Arbeitsweise nach so innig mit der neuen Zeit verknüpft und übt auf diese seinen Einfluss in einer so hervorragenden Weise, dass es wohl nicht mit Unrecht gerade hier an der Spitze steht, als Prototyp einer im besten Sinne modernen Buchdruckerei: es ist das Druckinstitut von A. Mame & Co. in Tours.

Alfred Mame * 1811.

Der Gründer desselben war (1798) Armand Mame, ein junger und energischer Mann. 1830 assoziierte er sich mit seinem Schwiegersohne[196] und Neffen Ernest Mame. 1833 traten seine zwei Söhne Alfred Henri Armand und Ernest als Teilnehmer ein. Nach dem Tode des Vaters übernahm Alfred Mame das Geschäft allein und von da ab datiert sich der enorme Aufschwung desselben. Die Ateliers wurden den Forderungen der Zeit entsprechend eingerichtet und Neubauten vorgenommen. Auch der Buchbinderei widmete Mame besondere Sorgfalt. Seit 1859 ist der Sohn Paul Teilhaber. Schon damals beschäftigte das Institut über 1000 Leute und produzierte täglich gegen 15000 Bände. Der Verlag besteht hauptsächlich in Schriften pädagogischen und religiösen Inhalts, welche, mit einem Preise von 60 Cent. für ein schön gebundenes Bändchen beginnend, bis zu den höchsten Preisen geliefert werden. Mames grösster Vorzug ist eine für alle Arbeiten, die billigsten ebensogut wie die teuersten, sich gleichbleibende Sorgfalt. Seine glänzenden typographischen Siege errang er hauptsächlich durch seinen Schwarzdruck; bunte Farben, Gold und die Hülfsmittel der Schwesterkünste der Buchdruckerkunst wurden von ihm nur als notwendige Konzessionen an den Geschmack des Publikums betrachtet. Er ist ein echter Schwarzkünstler.

Unter seinen Prachtwerken sind ausser seinem herrlichen Missale in Folio, das mit allem Raffinement ausgestattet ist, besonders zu erwähnen die illustrierten Prachtwerke La Touraine mit Zeichnungen von Français, K. Girardet und Catenacci, das schon 1855 von der Jury der Weltausstellung als ein Meisterwerk ersten Ranges anerkannt wurde, und die Bibel mit den epochemachenden Illustrationen Gustav Dorés, die mittels Clichés Eigentum fast aller Länder geworden sind. Zu den neueren Prachtwerken, bei welchen Künstler wie Foulquier, Giacomelli und Hallez mitwirken, gehören die Chefs-d'œuvre de la langue française. Von allen von ihm herausgegebenen Werken lässt Mame ein Exemplar auf Pergament drucken, eine typographische Sammlung von grossem Wert. Auf allen Weltausstellungen erreichte Mame das höchste Mass der Auszeichnungen und es ist wohl kaum eine Stimme dagegen laut geworden[109].

[197]

H. Fournier * 1795.

Die Leitung der Mameschen Buchdruckerei lag in den Händen Henri Fourniers. Derselbe arbeitete 1812 bei Didot, wo er für den tüchtigsten Setzer galt. 1824 gründete er selbst in Paris eine Buchdruckerei, die später durch Kauf in die Hände Jules Clayes überging. Fournier druckte und verlegte eine Anzahl kompakter Ausgaben der französischen Klassiker und verschiedene illustrierte Werke: Les petits Misères de la vie humaine, La Chine ouverte, die von einem feinen Geschmack und grosser Tüchtigkeit zeugten. Er zog nach dem Verkauf seines Geschäfts wieder nach seiner Vaterstadt Tours. Auf Grund der typographischen Ausführung von La Touraine wurde er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Allgemein bekannt auch in Deutschland ist Fournier durch seinen Traité de la typographie, das einzige die Kunst des Setzers mit Geschmack behandelnde Lehrbuch.

P. Dupont * 1796, † 12. Dec. 1880.

Für den Accidenzdruck haben Paul Dupont und seine Imprimerie administrative et des chemins de fer Bedeutung[110]. Seinem ganzen Wesen nach ist das Institut eins der modernsten und umfasst Buchdruckerei und lithographische Anstalt mit mehr als 50 Schnellpressen, 25 Handpressen und 1200 Arbeitern. Ein merkwürdiges Unternehmen Duponts sind die Archives parlementaires der verschiedenen Repräsentationen Frankreichs von 1787–1860: Generalstaaten, Direktorium, Konsulat, Kaiserreich, Restauration, Hundert Tage, zweite Restauration, Juli-Regierung, zweite Republik, zweites Kaiserreich; kann man eine grössere Abwechselung verlangen? Dupont hat sich Ruf durch seine praktischen Beiträge zur Lösung der Arbeiterfrage durch Beteiligung der Arbeiter erworben und hat in seinen Bestrebungen unter den französischen Industriellen viele Gleichgesinnte und Nachfolger gefunden, z. B. Laurent & Deberny, Schriftgiesserei, seit 1848, Chaix & Co. und Godchaux & Co. seit 1871, Mame und Masson seit 1877.

Anlässlich der Pariser Ausstellung 1867 gab Dupont ein Prachtwerk heraus, enthaltend eine für den Laien interessante Schilderung seiner Anstalt; freilich nicht ohne eine gewisse Ostentation und kräftige Hervorhebung der Lichtseiten. Ferner schrieb er eine Histoire de l'imprimerie, zwei Bände, 1854, jedoch mehr eine Sammlung von[198] Material als eine durchgearbeitete Geschichte[111] und, abgesehen von der Erfindungsgeschichte, fast ausschliesslich sich mit Frankreich beschäftigend.

Von den vielen grossen Offizinen nennen wir nur diejenigen, die irgend eine charakteristische Seite aufzuweisen haben.

Jules Claye.

Jules Claye (ursprünglich H. Fournier) ist eine bedeutende Buchdruckerei, aus welcher eine grosse Anzahl von Prachtwerken Pariser Verleger hervorging, darunter die grossartigste Erscheinung der jüngeren Typographie, Hachettes Les Évangiles. Wenn wir gleich daneben ein kleines Kunststückchen Clayes, seinen Katalog der Ausstellung des Cercle de la librairie in Wien 1873 nennen, so geschieht es nur, weil das Büchlein zu den Gegenständen gehört, bei deren Betrachtung man sich sagen muss, es giebt ein gewisses Etwas in der französischen Typographie, in welchem man ihr nicht nachkommt, nicht weil man es technisch nicht ebenso gut machen könnte, nachdem es einmal vorliegt, sondern weil man einfach nicht auf den Gedanken kommt, es so zu machen. Clayes Nachfolger im Geschäft ist A. Quantin. Aus der Schule Mames hervorgegangen, gilt dieser als einer der vorzüglichsten und geschmackreichsten Drucker. Die Histoire de Joseph wird als ein würdiges Seitenstück zu Les Évangiles bei Hachette betrachtet.

A. Chaix.

Zu Claye steht A. Chaix & Co. ungefähr in demselben Verhältnis wie Dupont zu Mame. Die Firma, jetzt wie die Duponts in den Händen einer Kommandit-Gesellschaft, ist Imprimerie et librairie centrales des chemins de fer[112]. Wie schon aus der Bezeichnung hervorgeht, legte sich Chaix besonders auf Arbeiten für Eisenbahnen und zwar zu einer Zeit, als viele Eisenbahnbauten in Angriff genommen wurden. Ausserdem druckte er viele Wertpapiere. Selbst das für so manchen ruinöse Jahr 1848 brachte Chaix' Etablissement Vorteil durch die vielen dort ausgeführten Zeitungen und politischen Broschüren, denn seine Druckerei war der Sammelplatz der neuen politischen Grössen, wo auch der nachmalige Kaiser fast täglich verkehrte. 1878 beschäftigte er 48 Schnellpressen und gegen 700 Personen. Das Lokal gewährt das Bild einer grossen Eisenbahnhalle, mit Oberlicht versehen und von Galerien umgeben. In der Mitte arbeiten die[199] Setzer; ringsherum stehen die Maschinen. Jeden Monat wird ein neuer Orientierungsplan ausgegeben, um die Hersteller der verschiedenen Arbeiten leicht auffinden zu können. Das grosse Tarifbuch im stehenden Satz enthält 36 Millionen Nonpareil-Typen. Für die mehrfarbigen Plakate, öfters von mehr als zwei Meter Höhe und anderthalb Meter Breite, sind die schon oben erwähnten besonderen Maschinen in Gang. Die Buchhandlung beschäftigt sich fast ausschliesslich mit Eisenbahnlitteratur. Chaix sorgt sowohl durch Beteiligungssystem und Kassen, die jetzt über ein Kapital von 300000 Franken verfügen, als durch zweckmässige Einrichtungen in dem Lokal und eine billige Arbeiterküche für das Wohl der Gehülfen. Für die Ausbildung der Lehrlinge errichtete er eine Schule mit vier Klassen unter Berücksichtigung der vier Lehrjahre der Zöglinge. Nicht allein, dass der Unterricht frei ist, sondern den Lehrlingen werden Marken verabreicht, die sie beim Beginn der Stunden abzugeben haben. Für jede Marke, die also als Zeichen der Anwesenheit in der Schule gilt, wird dem Lehrling ein kleiner Geldbetrag gutgeschrieben. Für die Schüler schrieb Chaix selbst ein Handbuch der Buchdruckerkunst, gab auch anlässlich der Ausstellung 1878 einen 338 Seiten starken Bericht über seine Anstalt heraus.

Agence Havas.

Ist Chaix' Druckerei als typisch für eine Druckerei des Augenblicks zu betrachten, so kann die am Place de la bourse gelegene Offizin der Agence Havas, der politischen Korrespondenz Frankreichs, als das Bild einer Zukunftsdruckerei gelten. Es werden hier nur Setzmaschinen verwendet, und zwar Kastenbeinsche, die durchweg von Frauen bedient werden. Diese Druckerei liefert für die Provinzblätter stereotypierte Satzspalten, die, in Stücke zersägt, sich mit dem eigenen Satz der Blätter zusammen verwenden lassen.

P. H. Plon * 1805.

Einen bedeutenden Namen als Werkdrucker erwarb Ph. H. Plon[113]. Er war Setzer in der Offizin Béthunes, bei dem das Dictionnaire de la conversation in 52 Bänden erschien. Bei der Herausgabe zeigte Plon eine grosse Thätigkeit und wurde Teilnehmer des Geschäfts. Als auf Grund entstandener Verlegenheiten Béthune sich zurückzog, übernahm Plon allein das Geschäft, welches sich äusserst rasch hob und Luxus- und Farbendrucke von Bedeutung lieferte,[200] besonders aber gute Werkdrucke. 1854 wurde Plon Buchdrucker Napoleons III. und druckte und verlegte dessen Leben Caesars. Sein wissenschaftlich und künstlerisch ausgebildeter Sohn übernahm nach dem Tode des Vaters das Geschäft.

Den Farbendruck hat die Firma so gut wie fallen lassen. Ohne gerade als Meisterstücke hervortreten zu wollen, zeichnen sich, wie die älteren, so auch die neueren Verlagserzeugnisse Plons, als: Collection des classiques français in 32°; Les Chartes et les archives nationales in 4°; die Bibliothèque historique in mehr als 300 Bänden in 8°; die Bibliothèque des voyages und die Bibliothèque des romans durch Tüchtigkeit in der Ausführung aus.

Lacrampe.

Die Firma Lacrampe & Co. wurde 1837 als Assoziationsdruckerei von 19 Arbeitern, alles tüchtige, arbeitsame und für ihren Beruf enthusiasmierte Männer, begründet. Sie wählten ihren Chef und wirtschafteten gemeinschaftlich. Das Resultat war trotz der redlichsten Anstrengungen und zahlreichen Aufträge kein günstiges. Nicht besser ging es der unter der Firma François & Co. gegründeten Assoziationsbuchdruckerei, gewöhnlich „die Zehn“ genannt.

Crété fils.

Crété Fils ist zwar in Corbeil ansässig, gehört jedoch thatsächlich zu den Pariser Buchdruckereien, da das kolossale Etablissement nur für Pariser Verleger beschäftigt ist; Crété konkurriert würdig mit Claye in der Herstellung illustrierter Werke, namentlich für Hachettes Verlag, und wird hinsichtlich einer sich stets gleichbleibenden Güte und Gleichmässigkeit des Schriftdrucks kaum übertroffen.

Gauthier-Villars.

Gauthier-Villars macht eine Spezialität aus solchen Arbeiten, die andere am liebsten von sich weisen möchten; bei ihm heisst es aber, je schwieriger, desto besser. Seine für die wissenschaftlichen Institute und Akademieen gelieferten Tabellen-, arithmetischen und mathematischen Arbeiten, unter welchen sich die Werke des de Laplace und Lagrange befinden, sind mit grossem Fleisse und mit typographischem Verständnis ausgeführt, würden jedoch in Deutschland nicht für so epochemachend gehalten werden, wie es in Frankreich der Fall war. Als Schöpfer des modernen mathematischen Satzes muss der bis in sein 78. Jahr bei Gauthier-Villars arbeitende Bailleul † 30. Mai 1875.Setzer Bailleul betrachtet werden, der zuerst bei Crapelet ausgebildet war und bei dem Schriftgiesser Ch. Laboulaye in seinen[201] Bemühungen Unterstützung fand. Er wurde zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Es sei dies als Zeichen eines anerkennenswerten Vorgehens der französischen Regierung angeführt, dass sie den hochverdienten Arbeiter ganz in derselben Weise wie den ersten Bürger ehrt, und andererseits ist es von den französischen Buchdruckern zu loben, dass sie neidlos die Verdienste ihrer Kollegen und Gehülfen in ein helles Licht zu setzen suchen, damit die Regierung sie kennen und schätzen lernt.

Verschiedene Pariser Offizinen.

Unter den tüchtigen Firmen seien noch wenigstens kurz erwähnt: C. Motteroz, der sich auch schriftstellerisch durch sein Werk über die chemischen Illustrations-Verfahren[114] verdient gemacht hat und unter Zuhülfenahme aller graphischen Künste viele Accidenzarbeiten für die grossen Magazine in Paris ausführt; Emile Martinet, bekannt durch sein seit 1872 bestehendes Internat für Setzerinnen in Puteaux; Georges Chamerot, Nachfolger von Firmin Didot, der schöne illustrierte Ausgaben lieferte; Wittersheim & Co., deren Zeitungsdruckerei von der Regierung angekauft wurde; Lahure, der mit 40 Schnellpressen und 18 Handpressen viele illustrierte Werke druckt; Dumaine, der die Arbeiten des Kriegs- und des Marineministeriums liefert und selbst einen grossen Verlag von Militaria, Rang-, Quartierlisten etc. hat; die Société de publications périodiques, welche, von Panckoucke unter der Firma Société du Moniteur et de l'Encyclopédie méthodique gegründet, unter der Direktion von Paul Dalloz einen bedeutenden Aufschwung genommen hat und eine grosse Zahl von Zeitungen druckt.

Offizinen der Provinz.

Unter den Offizinen ausserhalb Paris finden sich, abgesehen von den schon erwähnten von Mame und Berger-Levrault, noch manche von Bedeutung. Ganz besonders hervorzuheben sind die Firmen L. Danel in Lille und F. C. Oberthur in Rennes. Erstere, seit dem Ende des XVII. Jahrhunderts bestehend, arbeitet mit 33 Maschinen, 26 Handpressen und 450 Arbeitern, alle graphischen Nebengewerbe in ihren Räumen vereinigend, die, nach einem totalen Brand 1871, höchst zweckmässig neu aufgeführt wurden. Der Hauptzweig ist Congrevedruck und die Firma liefert für den Handel und die Fabrikation eine enorme Zahl von Accidenzien. Um seine Tüchtigkeit im chromographischen Druck zu zeigen, hatte Danel zur Ausstellung[202] 1878 ein Werk Voyage dans un grenier geliefert. Oberthurs Offizin hat ungefähr dieselbe Ausdehnung wie die Danels und ist 1874 neu aufgebaut; sie versorgt Frankreich namentlich mit Agenden, Kalendern und ähnlichem.

Zu erwähnen sind unter anderen noch Oudin Frères in Poitiers mit umfangreichen Verlagswerken als: Historiens des Gaules und Les Châteaux historiques de France mit in den Text gedruckten Radierungen; Allier Père & Fils in Grenoble mit dem Armorial et nobiliaire de l'ancien duché de Savoie; Capoulaud Frères (seit 1607) in Limoges, welche kleinere Stadt in der Bücherproduktion mit 466 Werken in einem Jahre gleich nach Paris mit 2286 kommt, während das einst graphisch so bedeutende Lyon nur 134 Werke, Bordeaux nur 49 aufwies. In Toulouse sind J. M. Sirven und P. Privat, in Caen F. Leblanc-Hardel, in Mans Monnoyer bemerkenswert.


Drucker und Verleger illustrierter Werke.

Unter den Herstellern der ausserordentlich zahlreichen illustrierten Werke, die in Paris erschienen sind, Verlegern sowohl als Buchdruckern, befinden sich hervorragende Männer. Wie das Pressgewerbe sich gestaltet hat, ist es oft schwer zu sagen, wem der Ruhm für die schöne Ausstattung am meisten gebührt, dem Verleger, der die Herstellung in allen Details mit Sachkenntnis und Geschmack anordnet, oder demjenigen, der den Druck übernimmt. Nicht selten sind die Fälle, dass der Verleger erst den Ruf eines Druckers macht, der anfänglich nur unwillig sich von dem Schlendrian und dem Alltäglichen abbringen lässt, vielleicht gar den Verleger verwünscht, der ihn zwingt, ein guter Drucker zu werden. Oft teilen sich beide, Verleger und Drucker, in die Ehre, und so sollte es immer sein, wenn nicht Verleger und Drucker in einer Person vereinigt sind.

Ch. Furne.

Noch produktiver als der obenerwähnte Fournier war Charles Furne, erst Angestellter im Zollfach, dann seiner Leidenschaft für schöne Bücher nachgebend, ein unternehmender Bücherproduzent. Den Text zu dem von ihm verlegten Don Quixote hatte er selbst übersetzt. Wie es in Paris so oft der Fall war, ging das Geschäft 1836 in eine Aktiengesellschaft über, deren Direktor Furne wurde. Eine der vorzüglichsten Leistungen der jetzigen Firma Furne,[203] Jouvet & Co. ist Michauds Histoire des Croisades, illustriert von G. Doré, in Folio.

E. Bourdin.

E. Bourdin brachte J. Janins L'Ane mort, Sternes Voyage sentimentale, La Normandie et la Bretagne, Mémorial de Saint-Hélène von Las-Cases, illustriert von Charlet, das grosse Reisewerk des Fürsten Demidoff und andere Prachtwerke.

J. Hetzel.

Jules Hetzel, selbst ein geachteter Schriftsteller (Pseudonym P. J. Stahl), lieferte Grandvilles Scènes de la vie publique et privée des animaux und dessen Les Animaux peints par eux-mêmes. H. Delloye veröffentlichte Balzacs La Peau de chagrin, La France pittoresque, La France monumentale, La France militaire. Ein grossartiges, jedoch nicht illustriertes Verlagswerk war Nap. Landais' Dictionnaire de la langue française. Durch politische Verhältnisse gezwungen siedelte Hetzel 1851 nach Brüssel über, kehrte jedoch 1859 nach Erlass der Amnestie zurück und gründete die Librairie d'éducation et de récréation. 1864 begann er das Magasin illustré d'éducation et de récréation, eine Sammlung tüchtiger Werke für die Jugend.

J. J. Dubochet.

Epoche machte die bei J. J. Dubochet erschienene Histoire de Napoléon, illustriert von Horace Vernet. Ein allerliebstes Werk war Töpffers Voyage en zigzag. Von Dubochets nichtillustrierten Werken sind zu erwähnen eine vortreffliche Kollektion von älteren Klassikern in Übersetzungen von Nisard, 27 Bände Oktav, und die J. Paulin * 1793.Million de faits. Mit ihm gleichzeitig wirkte J. B. A. Paulin, erst Mann der Wissenschaft und Advokat, dann Verleger, der zusammen mit Dubochet L'Illustration (1843) gründete. Diese Zeitschrift ging später in die Hände von A. Marc & Co. über. Sie nimmt einen ehrenwerten Platz unter den illustrierten Blättern ein, ohne jedoch ihr Vorbild, die Illustrated London News, zu erreichen, hat auch nur eine Verbreitung von 18000 Exemplaren. Paulin gab auch eine prachtvolle Ausgabe von Thiers' Histoire du Consulat et de l'Empire in 17 Bänden heraus. Das frühere Werk L'Histoire de la Révolution française von dem damals unbekannten Advokaten erschien bei Lecointe & Pugin und auf dem Titel wurde der Name Félix Bodin als Deckung vor den Namen Ad. Thiers eingeschmuggelt. Der Erfolg war ein solcher, dass Thiers ferner keine schützende Flagge für seinen Namen und seine Werke gebrauchte.

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Magasin pittoresque.

Unter den illustrierten kleineren Blättern, die in Nachahmung des Penny Magazine erschienen, ist das Magasin pittoresque das hervorragendste und das am schönsten ausgeführte nicht allein in Frankreich. Ein Phänomen ist es, dass nicht allein der Redacteur Charton und die Xylographie von Andrew Best & Leloir, sondern auch die Direktion der Setzer und Drucker von 1833 bis auf die jüngste Zeit dieselben geblieben sind. Der Unternehmer hiess Lachevardière; die Ehre gebührt jedoch Charton und Best († 2. Oktober 1879), Martinet lieferte den vortrefflichen Druck. Zu demselben wurde die erste Schnellpresse in Frankreich eingeführt, die von Applegath & Cowper in London gebaut war. Neben dem genannten Blatt nahm namentlich Le Musée des familles einen respektablen Platz ein. Bourdillat, der auch die [Oe]euvres de Gavarni herausgab, gründete Le Monde illustré, Hachette das sehr verbreitete Journal pour tous. Ein xylographischer Künstler von grossem Ruf war L. H. Brevière[115].

L. Curmer * 17. Dezbr. 1801.

Der Bahnbrecher für die eigentlichen Luxusbücher, die unter Benutzung der Chromoxylographie und der Chromolithographie entstanden, war Léon Curmer (1834). Er gehörte einer alten irländischen Adelsfamilie an, war aber in Paris geboren. Wenige Verleger haben in dem Grade ihre Zeit begriffen, wie er sie verstand, und wenige haben in gleicher Weise, wie er es that, auf die Ausbildung des Kunstdrucks gewirkt ohne selbst die Kunst zu üben. Stets wusste er eine Anregung, eine neue Idee zu bringen. Wie reich er an Initiative war zeigt jeder seiner Verlagsartikel. Er verstand es, sich mit Künstlern zu umgeben, die ganz auf seine Intentionen eingingen, und so entstanden seine Werke aus einem Gusse. Eine seiner bewunderten Unternehmungen war Paul et Virginie, illustriert mit Holzschnitten von Tony Johannot und Meissonier, und auf das vortrefflichste von Evérat gedruckt. Es folgten dann Le Jardin des plantes, La Grèce pittoresque, L'Irlande pittoresque, Les Anglais und Les Français peints par eux-mêmes, Les Beaux-Arts, Les Contes des fées von Perrault und andere Werke. Prachtvoll waren seine religiösen Bücher mit Randleisten in Farbendruck und anderem Schmuck. Alle überragt L'Imitation de Jésu-Christ[205] mit einer grossen Anzahl Nachbildungen von Miniaturen und Einfassungen in Farben und Golddruck, ebenso Le Livre d'heures de la Reine Anne de Bretagne.

Sowohl in dem chromoxylographischen als in dem chromolithographischen Druck besass Frankreich Meister ersten Ranges, so für ersteren G. Silbermann und E. Meyer, für letzteren Engelmann Vater und Sohn.

G. Silbermann * 1801, † 23. Juni 1876.

Kaum giebt es unter den neueren Typographen einen Namen, ausser dem Didotschen, der überall einen so guten Klang hat wie der Gustav Silbermanns in Strassburg[116]. Die Anfänge des Hauses sind in einer dortigen kleinen Buchdruckerei des Andreas Ulrich zu suchen, welche die Grossmutter Silbermanns 1798 ankaufte. Letzterer lernte bei Didot und ging dann zu seiner Ausbildung nach England und Deutschland. Als 1840 Engelmann, ebenfalls ein Elsässer, mit seinen Chromolithographien die allgemeine Aufmerksamkeit erregte, gründete Silbermann 1846 ein Etablissement in Paris, zur Herstellung chromoxylographischer Drucke, gab dies jedoch bald in die Hände seines Mitarbeiters, Ernst Meyer, der trotz seiner Tüchtigkeit nicht recht prosperierte und 1863 das Etablissement an Marc verkaufte. Silbermann war nach Strassburg zurückgekehrt und vervollkommnete fortwährend den Buntdruck. Eine seiner ersten Arbeiten dort war eine Ausgabe von Pfeffels Fabeln mit bunten Einfassungen. Für die englischen Modezeitungen lieferte Silbermann in grossen Auflagen farbige Stickmuster. Einer seiner bedeutendsten Drucke ist die Nachbildung des Banners der Stadt Strassburg, ein Blatt von 60 × 50 Centimeter. Da das Banner selbst 1793, das Bild, nach welchem es angefertigt war, 1870 zugrunde ging, so hat das Blatt einen um so grösseren Wert. Als eifriger französischer Patriot verliess Silbermann nach dem Kriege Strassburg und verkaufte sein Geschäft an M. Schauenburg in Lahr, erwarb es jedoch 1872 wieder, um es in die Hände seines früheren Schülers und durch 35 Jahre treuen Mitarbeiters Fischbach zu geben[117].

[206]

G. Engelmann * 17. Aug. 1788, † 25. April 1839.

War auch die lithographische Kunst dem Worte nach durch den Grafen Lasteyrie 1814 nach Frankreich gebracht worden, so ist dem Sinne nach Gottfried Engelmann[118] aus Mülhausen der eigentliche Einführer. Im Jahre 1816 etablierte Engelmann ein Atelier in Paris, 1820 brachte er die Lithographie nach Spanien, 1826 gründete er ein Haus in London. Er muss als der bedeutendste Förderer der Kunst Senefelders bezeichnet werden und steht zu dieser etwa in dem Verhältnis wie Schöffer zu der Erfindung Gutenbergs. Engelmann ist der eigentliche Schöpfer der Chromolithographie. 1837 ward ihm für seine Erfindungen ein zehnjähriges Patent erteilt und 1838 erhielt er den Preis der Gesellschaft zur Aufmunterung der Künste.

Joh. Engelmann † 25. Juli 1875.

Den Ruhm des Vaters behauptete der Sohn Johann Engelmann. Seine im Verein mit Aug. Graf betriebene Chromolithographie blieb lange die einzige in Paris. Ganz besonders widmete sich diese der Reproduktion von Glasgemälden und Miniaturen älterer Manuskripte. Das erste Livre d'heures in Chromolithographie ging nach dreijähriger Arbeit aus dem Atelier hervor. Ein Meisterwerk sind auch die Statuts de l'ordre du Saint-Esprit 1853.

Ganz vorzüglich sind die sogenannten Diaphanie-Bilder von Engelmann und Graf, welche in transparenter Chromolithographie die Glasmalerei täuschend nachahmen. Mit acht bis höchstens neun Farben, — mehr dürfen der Durchsichtigkeit wegen nicht verwendet werden, — brachten sie, nachdem die Bilder mit Firnis getränkt waren, die vortrefflichsten Effekte hervor.

Lemercier.

Ein bedeutender Künstler in jeder Branche der Lithographie ist A. Lemercier. In den polychromen Unternehmungen fast aller Pariser Verleger finden sich die Erzeugnisse seiner Thätigkeit vor. Sein grosses Musterbuch ist eine so lehrreiche Geschichte der Lithographie, A. Racinet.wie man sie nur wünschen kann. Auch die Anstalt von Didot unter des verdienten A. Racinets künstlerischer Leitung nimmt in dem Chromodruck eine höchst bedeutende Stellung ein. Weltruf hat des letzteren L'Ornement polychrome erworben.

Lithographischer Buntdruck.

Im Bilderdruck leistete Frankreich im Verhältnis zu Deutschland wenig; die besten Leistungen sind die von Jehenne, Hangard-Maugé,[207] J. F. Dupuy, Omer-Henry. Dagegen ist es Deutschland quantitativ und qualitativ voraus in der Verwendung des Farbendruckes zu illustrativen Zwecken. Es entstand in dieser Weise eine Reihe unvergleichlich schöner Werke, namentlich über Architektur, Kunstindustrie, Kulturgeschichte, ja selbst über Kochkunst, welche Meisterstücke sind sowohl hinsichtlich der korrekten Zeichnung als auch der technischen Durchführung und Naturtreue des Kolorits und dabei zu ungewöhnlich billigen Preisen geliefert werden. Auch in der Verwendung des Farbendruckes für die unzähligen Gegenstände der Papeterie behaupteten die Franzosen lange Zeit den Vorsprung. In dieser Branche zeichneten sich Testu & Massin (jetzt Champenois & Co.) und F. A. Appel aus. Letzterer lieferte Vorzügliches im Miniaturdruck und ist zugleich Spezialist im Plakatdruck auf Zink, dessen eigentlicher Erfinder Max Cremnitz ist. Ebenfalls im Plakatdruck erzielt J. Chévet grossen Effekt mit wenigen Farben; für Arbeiten zu wissenschaftlichen Zwecken ist Bequet & Fils bekannt. Etikettendruck betreiben in grossem Umfang Pichot & Co. Als ein seltener Fall ist noch das gute Gelingen der Assoziations-Anstalt unter der Firma Romanet & Co. zu erwähnen. Im Zinkdruck steht Monroq obenan. Die hervorragendste Erscheinung in der Photochromie ist Vidal und seine Trésor artistique de la France und Histoire générale de la tapisserie sind nicht übertroffen; doch dürfte seine Methode, als zu teuer und umständlich, nicht rasch in die Praxis dringen.

Als Kunstdrucker für Stiche ist Chardon hervorragend. Im Stichverlage dürfte wohl Goupil mit den Filialen in London, New-York, Brüssel, Haag, Berlin und Wien die erste Weltfirma sein. In ihren grossartigen Ateliers in Asnières bei Paris, unter der künstlerischen Leitung von Rousselon, wird der photographische Lichtdruck, hauptsächlich jedoch der Woodburydruck und die heliographischen Methoden in vortrefflichster Weise geübt.

E. Schieble * 1823, † 23. Okt. 1880.

Im Kartendruck erwarb sich Erhard Schieble (gen. Erhard) aus Forchheim in Baden einen bedeutenden Namen. Er verwendete alle Erfindungen der Neuzeit und brachte durch pastosen Auftrag der Farben vortreffliche reliefartige Wirkungen hervor. Die schönsten Karten der Regierung sowohl als der privaten Verleger stammen aus seiner Offizin.

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A. Collas.

Erwähnt sei hier noch die von Achill Collas geübte Methode, erhabene Medaillons u. dgl. mittels des Storchschnabels zu gravieren (Glypthotik), in welcher die mehr oder weniger anschwellenden Linien vollständig den Eindruck von Reliefs gewähren. Le Trésor de numismatique in dieser Weise durchgeführt giebt einen glänzenden Beleg für den Wert der Glypthotik. Die ersten Versuche dieser Kunst hatte schon ein Deutscher Christ. Gobrecht in Philadelphia 1817 gemacht. 1819 kam die Maschine nach London und wurde von Turrel & Saxton verbessert. Für die Bank zu London konstruierte 1829 Bate eine die früheren weit übertreffende Maschine, die jedoch immer noch gegen die von Collas sehr zurückstand.

J. Gavard.

Joseph Gavard lieferte mittels des von ihm erfundenen Diagraphen, unterstützt von Calamatta und Mercuri, in drei verschiedenen Ausgaben die Galerie historique de Versailles in 13 Bänden mit 3 Supplementbänden (1837–1847) mit 1550 Stahlstichen.

Von den Werken der Kupferstichkunst sei noch als eines der bedeutendsten das Musée français von Robillard-Péronville mit 344 Kupfertafeln der bedeutendsten Stecher Frankreichs erwähnt, während die Lithographie zur Ausschmückung des grossartigen Werkes Voyages de la commission scientifique du Nord, 29 Bände, mit 762 Tafeln in gr. Folio, in hervorragender Weise diente.

Morel & Co.

Was Curmer für die Luxusbücher war, ist die Firma Veuve A. Morel & Co. in Benutzung des Chromodruckes für die Zwecke des praktischen Lebens. Im Fache der Architektur ist sie unerreicht und die Zahl der Prachtwerke in dieser Richtung, die mit Aufgebot allen Raffinements in der künstlerischsten Ausführung von dieser Firma geliefert wurde, ist eine so grosse, dass es kaum möglich ist besondere Gründe zu finden, um eins oder das andere aus der Reihe hervorzuheben. Bei Morel (jetziger Inhaber der Graf des Fosez) erscheint auch das weitverbreitete Journal L'Art pour tous.

J. Baudry.

In ähnlicher Richtung wirkten mit Umsicht und Erfolg, ohne jedoch den Höhepunkt Morels in der Ausstattung zu erreichen, Ducher & Co., Dunod und J. Baudry. Des letzteren, 1834 gegründete, Librairie polytechnique in Paris und Lüttich legte sich seit 1863 ganz besonders auf die Fächer der Berg- und Hüttenwissenschaft, der Eisenbahn und Wegebautechnik und förderte eine bedeutende Anzahl grosser Tafelwerke an das Licht. Auch Dunod kultiviert[209] diese Spezialität. Unter den Prachtwerken von Ducher & Co. befinden sich: Architecture privée an XIX siècle; Le nouvel Opéra von Charles Garnier.

Roret.

Für die Popularisierung der technischen und naturwissenschaftlichen Litteratur wirkte Roret durch seine, 1824 begonnene Encyclopédie des sciences et des arts, besser bekannt unter dem Namen Manuels Roret. Er brachte auch eine neue vollständige Ausgabe von den Werken Buffons mit den Suites de Buffon, gegen 100 Bände mit unzähligen Abbildungen.

Für die Medizin und die Naturwissenschaften sind die leitenden Firmen J. B. Baillère, Germer-Baillère, V. Masson und Vve A. Delahaye & Co. Die Kataloge dieser Firmen sind getreue Zeugen der wissenschaftlichen Bewegung nicht nur in Frankreich, sondern auch in England und Deutschland, denn es erschien im Ausland kaum ein einschlägiges Werk, das nicht von einer dieser Verlagshandlungen in tüchtigster Bearbeitung herausgegeben wurde.

J. B. Baillère * 1798.

J. B. Baillère[119] (seit 1818) machte grosse Unternehmungen, darunter Cruveilher, Anatomie pathologique 1830–42; Hippokrates' Werke, griechisch und französisch, 1839–50; Iconographie ophthalmologique 1852. Im Jahre 1840 wurde eine Filiale in London, 1848 eine in New-York errichtet und heute sind die Seitenzweige dieser Familie über alle Erdteile, Australien nicht ausgenommen, verbreitet. Germer-Baillère druckt ausser naturwissenschaftlichen auch viele philosophische Werke und mehrere Journale.

Victor Masson * 1807, † 13. Mai 1879.

Victor Masson, einer der hervorragendsten Buchhändler, geb. zu Beaume, trat 1838 als Teilhaber in das Geschäft Chrochard, das 1846 in Massons alleinigen Besitz überging. 1847 wurde die Bibliothèque polytechnique angefangen, der eine grosse Anzahl von technischen, medizinischen und naturwissenschaftlichen Werken folgte, darunter Cuvier, Le Règne animal; Bonamy et Beau, Atlas d'anatomie[120]; der grosse Dictionnaire encyclopédique des sciences médicales u. v. a. Nach 35jähriger rastloser Thätigkeit überliess G. Masson.Masson seinem Sohne Georges das Geschäft, das dieser in derselben grossartigen, französische und deutsche Vorzüge vereinigenden[210] Weise glänzend fortführt. Die Firma verlegt nicht weniger als 17 periodische Fachzeitschriften und ist die Buchhandlung für die bedeutendsten Akademieen und Gesellschaften. Trotz des vorwiegend wissenschaftlichen Charakters des Verlags ist der Verleger bestrebt, demselben auch eine anziehende äussere Form zu geben. Als Vorsitzender des Cercle hat Masson sich bedeutende Verdienste um das Ausstellungswesen desselben, namentlich bei der Weltausstellung in Wien 1873, erworben.

Delahaye hält sich streng an Medizin und Chirurgie und verlegt mehrere Journale und viele bedeutende Werke, unter welchen der Traité d'Anatomie descriptive von Sappey als ein hervorragendes Monument gilt.

Spezialfirmen sind für Landwirtschaft J. A. Bixio; für Mathematik A. L. J. Bachelier; für Militärwissenschaft J. Dumaine und Corréard Jeune; für Geschichte und Staatswissenschaften G. Guillaumin, P. F. Amyot, A. Baudouin; für Kalenderverlag Pagnerre.

Ch. Hingray * 1796.

Charles Hingray, erst Militär, dann Buchhändler, wurde durch seinen juristischen und sprachlichen Verlag bekannt, in Deutschland namentlich durch das vortreffliche Wörterbuch von Schuster und Régnier. Das Werk eines enormen Fleisses ist der Dictionnaire de la langue française von Littré. Das Manuskript umfasste 415636 Blätter. Der Satz dauerte, mit einer durch den Krieg 1870 herbeigeführten Unterbrechung, 13 Jahre. In einer Spalte gesetzt würde das Buch eine Länge von 37525 Meter haben.

Maisonneuve.

Der Druck orientalischer Werke ist keine Lieblingsaufgabe der französischen Buchdrucker. Als Verlagshandlung in dieser Richtung haben Maisonneuve & Co. den Vorrang. Im Jahre 1851 kaufte Maisonneuve, früher Associé von Cormon & Blanc in Lyon, von Théophile Barrois eine Anzahl orientalischer Verlagswerke, die er später mit vielen neuen vermehrte. Der Verlag enthält eine grosse Anzahl grammatikalischer und lexikalischer Werke der orientalischen Sprachen und die Namen der bedeutendsten Orientalisten als Eug. und Emile Burnouf, Eichhoff, Abbé Favre, G. de Tassy, Stan. Julien, J. Oppert, Abel Rémusat, L. de Rosny u. a. sind mit der Firma Maisonneuve & Co. verknüpft. — Unter den wenigen Buchdruckern in der Provinz, die in der Herstellung orientalischer Werke etwas leisten, ist Dejussieu in Châlons zu nennen.

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J. P. Migne * 1800.

Eine merkwürdige Erscheinung ist der Abbé J. P. Migne. Er wurde 1824 Priester, nahm jedoch anlässlich einer Differenz mit dem Erzbischof seiner Diözese seine Entlassung und ging nach Paris, wo er das Journal L'Univers gründete, welches er 1836 verkaufte. In Petit-Montrouge vor den Thoren von Paris gründete er eine Buchdruckerei, um katholische Werke zu drucken. Die Anstalt gewann eine grosse Ausdehnung und umschloss vom Schriftsteller ab bis zum Buchbinder alle Persönlichkeiten und alle technischen Apparate, die zur Herstellung des Verlags des Instituts notwendig waren. Die Sammlungen der Kirchenväter- und anderer älterer theologischen Schriftsteller zählen nach hunderten von Bänden.

In ähnlicher Richtung wie Migne wirkten Gaume Frères.

Eug. Belin.

Im Unterrichtsfache weist der Buchdrucker und Verleger Eugène Belin mehr als 1000 Werke auf. Armand Collin & Co., eine Firma neueren Datums (1870), liefert Schulatlanten in Farbendruck zu sehr billigen Preisen. Ch. Delagrave hat, unter Mitwirkung bedeutender Fachmänner, das Institut géographique de Paris gegründet, aus welchem Brues Atlas universel, von E. Levasseur revidiert, hervorging. Er verlegte ferner viele biographische und technische, reich illustrierte Dictionnaire, grosse Wand- und Reliefkarten, Globen etc.

P. Ducroq (1836) war einer der ersten, die für Bildungswerke die Illustration mittels Stahlstichs im Verein mit Holzschnitten einführten. Seine Bibliothèque des familles in Bänden zu 2 Franken ist sehr beliebt. Delarue giebt gute Klassiker-Ausgaben zu billigen Preisen heraus.

Eine Spezialität aus liturgischen und archäologischen Werken macht die Société générale de librairie catholique und sie sucht die belgische Produktion nach dieser Richtung hin aus dem Felde zu schlagen. In ihrem Verlag erscheint auch eine Ausgabe der Acta sanctorum der Bollandisten; ferner der Recueil des historiens des Gaules et de la France; die, 1626 begonnene, Gallia christiana, auch Werke im alten Stil mit kunstreichen Einfassungen, als: Notre-Dame de Lourdes und Christoph Colombe, werden dort gedruckt.

Unter den grossen Nachschlagewerken müssen genannt werden: Die Biographie universelle (1811) von J. und L. G. Michaud, 84 Bände; W. Ducketts Dictionnaire de la conversation, 68 Bände[212] (1812–1814); ein ähnliches Werk erschien in 52 Bänden bei Belin-Mandar. Als ein seltenes Beispiel der grossen Verbreitung eines gelehrten Werkes steht die bei diesem Verleger (1838) erschienene Konkordanz von Dutripont da, lateinisch geschrieben, ein in 28000 Expl. verkaufter Quartband von 200 Bogen in dreispaltigem Satz.

Ein Sammelwerk von grossem Umfang war Collection Baudry, zahllose deutsche, italienische, spanische und andere schönwissenschaftliche Werke, leider allerdings lauter Nachdrucke, enthaltend. Als die Franzosen so heftig über die Brüsseler Nachdrucker herfielen, hätten sie nicht vergessen sollen, dass sie es selbst nicht besser gemacht haben. Dass die grossen Ausgaben der deutschen Klassiker, die bei Tetot erschienen, keinen Erfolg hatten, beweist nicht den Mangel an gutem Willen zu schädigen.

G. Charpentier * 1805.

Durch den Buchdrucker Henri Delloye unternahm G. Charpentier eine Sammlung französischer Werke in dem nach ihm benannten und oft zur Verwendung gekommenen hübschen Format in 18°. Diese elegant und kompakt gedruckten Bände, von denen in wenigen Jahren über 400 erschienen, fanden durch ihre Eleganz und den damals wohlfeilen Preis von 3½ Franken grossen Beifall.

Unter den Herausgebern von Werken der schönen Litteratur ist Ch. A. Perrotin, der Verleger Bérangers, zu nennen. Er erwarb des letzteren Gedichte gegen Zahlung einer Jahresrente, die er freiwillig bedeutend erhöhte, und blieb Bérangers Freund bis an dessen Ende und nachher sein Testamentsvollstrecker. Pourrat Frères druckten eine sehr schöne Ausgabe von Chateaubriands Werken in 36 Bänden. Bekannt waren auch Gustave Barba, Vater und Sohn, welche den Roman in Heften zu 20 Cent. einführten. Mit immensem Erfolg lieferte Charles Gosselin die Werke W. Scotts, Coopers, Lamartines u. a.

Die bedeutendsten Romanverleger waren jedoch Michel Lévy Frères (1836), jetzt Calman Lévy, deren jährliche Produktion etwa 1¾ Millionen Bände beträgt, in etwa 200 neuen Werken und 650 neuen Abdrücken. Sie gaben eine grosse Zahl der Werke Scribes, Dumas' u. v. a. heraus und führten die billigen Ausgaben in Bänden zu 1 Frank (jetzt 1 Frank 25 Cent.) ein, deren Zahl mehr als 1500 beträgt, während die Zahl der Theaterstücke an 6000 heranreicht. Sie gründeten auch L'Univers illustré.

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Wir wenden uns jetzt einer Firma zu, welche sich in keine Klasse einordnen lässt, fast einzig in ihrer Art dasteht und, obwohl zu den jüngeren gehörend, alle anderen überflügelt hat: L. Hachette & Co.

L. Hachette & Co.

„Sollte jemand dem Verleger die Eigenschaft als Produzent streitig machen, und ihn zu einem einfachen Händler stempeln wollen, der nichts zu thun hat, als das Manuskript in die Druckerei zu tragen und dann das zurückempfangene Druckwerk einfach zu verkaufen, so möchten wir ihm die Leistungen der Firma Hachette entgegensetzen“[121], sagt ein Bericht über die Wiener Ausstellung 1873 und diese Worte müssen sich unwillkürlich dem aufdrängen, welcher das Entstehen und das Wachstum dieses Hauses[122] ins Auge fasst. Sein Begründer Louis Hachette, geboren in Rethel, lag erst den Studien ob und begründete dann, 1836, eine pädagogische Buchhandlung unter der Devise: Sic quoque docebo. 1837 erhielt er auch Brevet als Buchdrucker, die Firma übte jedoch dies Geschäft nicht. Im Jahre 1859 traten seine Schwiegersöhne L. Breton und A. Templier dem damals bereits bedeutenden Geschäfte als Teilhaber bei. Unverrückt wurde von der Begründung ab die Thätigkeit auf alles gewendet, was für die Erziehung des Kindes, die Belehrung und Veredlung des Jünglings oder der Jungfrau, die Fortbildung des Mannes oder der Frau dient, und mit Stolz kann die Firma auf ihren, eine ganze und grosse Bibliothek bildenden Verlag zurückblicken und mit dem Bewusstsein, nie die edelste der Künste anders als in würdiger Weise verwendet zu haben. Und dies bezieht sich nicht allein auf das Innere der Bücher, sondern auch äusserlich ist alles in der besten Ausstattung hergestellt, manchmal zu erstaunlich billigen Preisen. Dieses konsequente, nie nachlassende Streben hat auch seinen äusseren Lohn gefunden und das Haus Hachette steht durch seine Grösse und die vortreffliche Organisation wohl unübertroffen da. Die mit 300 Angestellten arbeitende Anstalt unter Leitung der Teilhaber G. Hachette, Breton, E. und A. Templier und R. Fouret versendet monatlich gegen 18000 Kolli und hat einen jährlichen Umsatz von etwa 15 Millionen Franken. Wie Mame widmen sie dem billigsten[214] Buche dieselbe Sorgfalt wie dem teuersten, und was dies sagen will begreift sich, da die Verlagswerke der Zahl 5000 nahekommen. Aus dieser Masse Einzelnes herauszugreifen hat seine Schwierigkeiten, es seien nur kurz erwähnt die bändereichen Kollektionen Bibliothèque variée; Bibliothèque des chemins de fer; die Guides-itinéraires; die Bibliothèque rose illustrée; der Dictionnaire des contemporains von G. Vaperau; das in mehr als 150000 Exemplaren gedruckte illustrierte Journal pour tous, schliesslich ein monumentales Druckwerk für Jahrhunderte: die Prachtausgabe der vier Les Évangiles.Evangelien, zwei Bände im grössten Folioformat. Bida lieferte hierzu im Format des Werkes 128 Zeichnungen, die von fünfzehn der besten Künstler radiert wurden. Die Zeichnung zu der von der fonderie générale geschnittenen Schrift rührt von Ch. Rossigneux her, der ebenso 290 Zeichnungen zu den in Stahl gestochenen Anfangs- und Schlussvignetten, sowie zu den Initialen, unter Vermeidung der Anwendung jeder menschlichen Figur, komponierte. Jules Claye führte den typographischen Druck aus. Rote, quer über das ganze Format gehende Linien umgeben den Text. Die Anwendung der verschiedenen Druckweisen, Kupfer- und Bücherdruck, und der rote Druck, verlangten, dass jeder Bogen 32 mal durch die Hände der Arbeiter ging, ehe er als fertig bezeichnet werden konnte. Elf Jahre wurden unausgesetzt auf die Arbeit verwendet.


Die Bibliophilie.

Wie Frankreichs Fürsten ausnahmslos die Typographie liebten, wenn sie auch die Presse hassten, so erhielt sich im Volke fortwährend eine Liebe für schöne Bücher, und der Wunsch, solche zu besitzen. Es war weniger eine Bibliophilie oder Bibliomanie im Sinne der englischen Sammler, die enorme Summen für ein mangelhaftes Produkt zahlten, nur weil es alt und selten war; man fand in Frankreich Lust an dem Besitz „schöner“ Ausgaben auf Extra-Papier und in feinen und kostbaren Einbänden mit Stichen in ersten Abdrücken. Es wurden, um dieser Liebhaberei zu genügen, sehr viele Bücher in Frankreich gedruckt und gekauft nur der Ausstattung halber, und ein Bücherliebhaber erwarb unter Umständen zehn Exemplare eines und desselben Werkes, wenn es in zehn schönen Ausgaben zu haben war.

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Die archaïstische Druckrichtung.
L. Perrin * 12. Mai 1799.

Natürlich war es demnach auch, dass das Zurückgreifen auf die Renaissance vornehmlich von Frankreich ausging und dort Nahrung fand. Unter den französischen Buchdruckern dieser Richtung zeichnen sich besonders zwei aus, Louis Perrin und D. Jouaust. Louis Benedict Perrin, in Lyon geboren, war mit bedeutendem Sinn für Kunst begabt. 23 Jahre alt etablierte er sich mit Durand. Perrin war von dem Gedanken beseelt, die Druckerei zu regenerieren. Das Mechanische sei zwar vollendeter geworden, jedoch die Kunst in der Schriftgiesserei fehle. Ein tüchtiger Maler Pierre Revoil bestärkte Perrin in seinen Ansichten, dass man zu den Formen zurückkehren müsse, deren sich Vascosan, de Tournes und andere bedient hatten. Perrin war nicht in der Lage, seine Ideen ohne Rücksicht auf die Kosten durchsetzen zu können, und in Frankreich war es einem Provinzialbuchdrucker doppelt schwierig, durchzudringen. Gegen das Jahr 1846 liess er eine Sammlung von schönen Kapitalschriften aus der Zeit des Kaisers Augustus schneiden. Die damit gedruckten Inscriptions antiques de Lyon 1854, ein grosser Quartband mit über 400 Inschriften, machte grosses Aufsehen und Didot erklärte das Buch für ein Meisterwerk ersten Ranges. 1854 konnte Perrin das erste Werk mit der von ihm nach Mustern des XVI. Jahrhunderts veranlassten Antiqua und Cursiv drucken: Luigi Cibarios Delle Artiglerie, welches er auch mit Vignetten im Renaissancestil schmücken liess.

In seinen Bestrebungen war ihm auch der Zufall günstig. Beim Durchsuchen der Nachlassenschaft des alten Hauses Rey in Lyon fand er eine vollständige Sammlung von Matern aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts oder aus dem Anfang des XVII. Jahrhunderts, so dass er imstande war, eine Ausgabe von Rabelais mit denselben Typen zu drucken, die seinerzeit François Just und Etienne Dolet verwendeten. Unter seinen Drucken gelten für besonders schön Le Théâtre du Molière mit Vignetten von Hillemacher; die Généalogie de la maison de Savoye; Parfums, chants et couleurs. Der Sohn setzte das Geschäft mit Marinet fort.

D. Jouaust.

Als sein Rival ist D. Jouaust[123] zu nennen, welcher namentlich die Werke der Académie des bibliophiles, den Verlag des Herausgebers[216] der Bibliothèque Elzévirienne, P. Janet, später Paul Daffis', sowie des A. Lemerre druckte. Seine Ausgabe des Dichters Régnier gilt als eine Musterleistung. Der Druck solcher Ausgaben erfordert je nach der Verschiedenheit des Papiers eine andere Behandlung und bedingt eine fortwährende Aufmerksamkeit. Das Papier Whatman, von einer feinen, festen und durchsichtigen Masse, zeichnet sich durch eine blendende Weisse aus, welche nicht das Resultat irgend eines chemischen Prozesses ist, sondern nur von der Vorzüglichkeit des verwendeten Materials herrührt. Das chinesische Papier, in welches die Schwärze leichter eindringt, giebt einen Druck von milderer und gleichmässigerer Färbung und ist namentlich für Bücher mit Vignetten geeignet. Das Pergament zeigt sich dagegen widerspenstig in der Annahme der Farbe und verlangt die allergrösste Sorgfalt in der Behandlung.

Derjenige Verleger, der sich am meisten um die Verbreitung der Ausgaben für Bücherliebhaber und die archaïstische Richtung in der Druckerei bemüht hat, ist Pierre Janet, aus Bordeaux gebürtig. Seine Elzevierbibliothek alter und klassischer französischer Autoren des XVI. und XVII. Jahrhunderts umfasst mehr als 100 Bände und wurde von Paul Daffis fortgesetzt. Daneben beschäftigte sich Janet eifrigst mit der Verbesserung der Zeichen für die chinesische Sprache, welche er sich selbst zu eigen gemacht hatte.

Unterstützung fanden solche Bestrebungen nicht minder bei Bachelin-Deflorenne durch dessen Bibliophile français illustré; Album de Relieures; Armorial du Bibliophile und seine Collection des bibliophiles français. Léon Téchener Fils ist Herausgeber von Bulletin du bibliophile und Bulletin universel de la Bibliographie.

Fortschritt oder Rückschritt?

Liegt nun der Reiz der Renaissance-Schriften nur in dem Alter oder haben sie wirkliche Vorzüge? Letzteres muss unbedingt bejaht werden. Dass grosse Fortschritte in der Schriftschneiderei gemacht sind, setzt keineswegs voraus, dass alle älteren Schriften geringer oder weniger geschmackvoll gewesen sind als die heutigen, auch nicht, dass solche Schriften älteren Datums nur in Rücksicht auf die Zeit ihres Entstehens Anerkennung verdienen. Würde es jemand einfallen, ein bedeutendes Kunstwerk der Glanzzeit der Malerei oder ein bewundernswertes Hausgerät aus der besten Periode der Renaissance nur in Anbetracht seines Alters erträglich zu finden?[217] Nicht besser ist es aber, wenn man in Bezug auf die Meisterwerke aus der Blütezeit der Typographie Stimmen hört, wie: „Es ist zwar alles mögliche, wenn man bedenkt, wie alt die Bücher sind!“ Als ob nicht diese Schriften an und für sich mustergiltig wären und uns als Vorbilder dienen könnten. Sie bedürfen nicht einer schonenden Beurteilung „des Alters wegen“; letzteres sagt uns aber, dass sie zu einer Zeit entstanden sind, in der die Liebe zur typographischen Kunst, der individuelle Charakter, der geläuterte Geschmack und das ästhetische Gefühl sich weit stärker geltend machten, als es jetzt der Fall ist, wo die meisten fertig zu sein glauben, wenn sie nur neue Schriften, feines Papier und teure Schwärze zur Verwendung bringen, dagegen um Stil und Charakter eines Druckwerkes sich gar nicht bekümmern.

Es dürfte sehr fraglich sein, ob die Schriften neueren Schnittes mit den grossen Unterschieden zwischen Grund- und Haarstrichen, welche letztere wegen ihrer Feinheit oft kaum zu bemerken sind, eine wirkliche Verbesserung seien und ob der Leser verpflichtet ist, jedes Produkt der Laune des Schriftgiessers, mit welchem er seinen Konkurrenten den Rang abzugewinnen sucht, schön zu finden, oder ob wirklich ein Mensch alles guten Geschmackes bar ist, weil ihm die Renaissance-Schriften mit ihrer dem Auge so wohlthuenden Ruhe sympathisch sind.

Schliesslich sei noch bemerkt, dass die Bezeichnung Elzevier-Schriften eine ungerechtfertigte ist, denn die Originale bestanden schon ein Jahrhundert vor den Elzevieren, zutreffender wenigstens ist die Bezeichnung Aldinsche Schriften.


Die Bibliographie.

Unter den Männern, die, waren sie auch nicht selbst ausübende Typographen, doch einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der Typographie verdienen wegen ihres Einflusses auf das Buchgewerbe, sind namentlich Brunet und Renouard zu nennen.

J. Ch. Brunet * 2. Nov. 1780.

Jacques-Charles Brunet, Sohn eines kleinen Buchhändlers in Paris, widmete sich dem Beruf des Vaters. Er war der eigentliche Gründer des antiquarischen Buchhandels in Frankreich; seine Berühmtheit verdankt er aber seinem Werke Manuel du libraire, von dem 1810 die erste, 1865 die fünfte Auflage erschien. Die Vervollkommnung dieses Werkes war seine Lebensaufgabe. Er[218] nahm keinen Titel auf, wenn er das Werk nicht selbst in den Händen gehabt hatte. Von Firmin Didot Frères & Co. für die Abtretung des Eigentumsrechtes an das Manuel eine Leibrente geniessend verbrachte er sein Leben still und rüstig arbeitend.

A. A. Renouard † 1853.

Antoine-Augustin Renouard, der in hervorragender Weise die Eigenschaften des Buchhändlers, Sammlers und Schriftstellers in sich vereinigte, wurde 1765 in Paris geboren. Schon frühzeitig ward er von Bewunderung für die Familie des Aldus Manutius in Venedig erfüllt und von dem Wunsche beseelt, ihre Geschichte zu schreiben. Dazu sammelte er erst die Ausgaben dieser berühmten Drucker in einer an Vollständigkeit grenzenden Weise und schrieb nun seine Annales de l'imprimerie des Aldes 1803. 2 Bde. Die 3. Auflage, welche das letzte Wort der Bibliographie in Bezug auf die Aldi spricht, erschien 1834. Kaum mit diesem Werke fertig, lenkte er seine Studien auf die Familie Stephanus und 1837 erschienen seine Annales de l'imprimerie des Étienne, von welchen 1843 die zweite Auflage folgte. Das Werk hat ebenfalls seine bedeutenden Verdienste, wenn es auch nicht die Arbeit über die Aldi erreicht. Von seiner eigenen vorzüglichen Bibliothek liess er 1818 den Catalogue de la bibliothèque d'un amateur in 4 Bänden erscheinen, in welchem ein Schatz von interessanten Notizen niedergelegt ist. Sein Sohn Jules Renouard im Verein mit Jules Tardieu lieferte viele tüchtige Verlagswerke, darunter Galerie des peintres.

L. C. Silvestre * 1762.

An den obigen schliesst sich nicht unwürdig an Louis Catherin Silvestre, dessen Auktionsinstitut Weltberühmtheit erlangte. Eine Spezialität von ihm waren die Buchdruckermarken und er liess, als Fortsetzung der Werke Roth-Scholtz', seine Marques typographiques mit 1237 Abbildungen von Druckerzeichen erscheinen. Silvestre hatte in Pierre Janet einen würdigen Nachfolger.

Die neuere französische Bibliographie ist in den besten Händen und zwar in denen zweier Deutschen: C. Reinwald & Co., welche den Catalogue annuel de la librairie française herausgiebt und O. Lorenz, der den Catalogue de la librairie française seit 1840 erscheinen lässt.

M. Bossange * 1766.
H. Bossange.

Für die Verbreitung der Erzeugnisse der französischen Litteratur im Auslande hatten Martin Bossange Père[124] und dessen Sohn Hector Bossange grosse Verdienste. Nach dem Frieden mit[219] England etablierte Bossange ein grosses Haus in London, später auch in Leipzig. Der Sohn Hector Bossange setzte das Werk des Vaters fort, gründete Buchhandlungen in Montréal in Canada, in Quebeck, New-York, Rio de Janeiro, Odessa. Sein grosser Katalog vom Jahre 1845 von gegen 31000 Werken galt als ein Musterkatalog.


Die französische Bücherproduktion hält ungefähr mit der deutschen Schritt. An Drucksachen erschienen im Jahre 1879: Bücher und Broschüren: 14122, Musikstücke 2424, Kupferstiche, Lithographien etc. 4661.

So bedeutend die Bücherausfuhr aus Frankreich sich gestaltet, so wenig konkurrieren die französischen Buchdrucker mit dem Auslande, während Belgien, England und Deutschland in der Lage sind, Druckarbeiten für das Ausland zu übernehmen. Mehr als die Arbeitsverhältnisse trägt wohl dazu bei, dass die französischen Buchdruckereien nicht so gut auf schwierige Arbeiten eingerichtet sind, wie namentlich die deutschen.

In Paris absorbiert die Journalistik fast alle tüchtigen Setzerkräfte, trotzdem ist es auf Grund der Eigentümlichkeiten der französischen typographischen Art und Weise dem fremden Arbeiter schwer, in Paris fortzukommen[125]. Viele Bücher, bei welchen übertriebene Schnelligkeit nicht notwendig ist, werden jetzt ausserhalb Paris gedruckt; besonders gilt dies von Neudrucken älterer Werke, sodass den grossen Pariser Werkdruckereien namentlich diejenigen Werke verbleiben, bei welchen, zudem unter gedrückten Preisen, grosse Ansprüche an Material und Schnelligkeit gestellt werden. Unter solchen Verhältnissen verlieren diese die Lust an der Lohndruckerei und legen sich selbst auf das Verlegen. Die Typographie in Paris steht auf einem Vulkan; selbst kurz vor der Weltausstellung 1878, wo es galt, alle Kräfte zusammenzunehmen, trug die Société typographique kein Bedenken, einen sehr kostspieligen und wenig erfolgreichen Strike in Scene zu setzen. Die Lokale der eigentlichen Werkdruckereien liegen meist zwischen Häusermassen eingeklemmt[220] und haben sich erst nach und nach mit dem wachsenden Geschäft erweitert, sodass ihnen meist die ersten Erfordernisse: Raum, Licht und Luft, fehlen. Alle diese Verhältnisse fangen an, den Provinzdruckereien zugute zu kommen. Dringen auch die Fortschritte etwas langsamer in diese ein, so haben sie dafür ein festeres, anhänglicheres und gut geschultes Personal. Zweckmässige Lokaleinrichtungen sind weniger kostspielig als in Paris und manche Provinzdruckerei kann sich schon mit tüchtigen Pariser Offizinen messen. Einen wesentlichen Vorschub leisten die vielen lokalen Gesellschaften für Kunst und Wissenschaft, namentlich Archäologie, welche viele Werke mit Aufwand hinsichtlich Ausstattung, Illustration und Beigabe von Kunstblättern für ihre Rechnung drucken. Auch fangen die Provinzbuchdrucker an, selbst zu verlegen und Depots in Paris zu errichten. Kurz, wenn auch die Zentralisation noch eine bedeutende ist, so bereitet sich offenbar eine Dezentralisation im Sinne des deutschen Buchgewerbes vor und man fängt mit Versuchen an, sich von dem allmählich überwältigend gewordenen Einfluss des Pariser Geschäfts zu emanzipieren.

Mit Ausnahme der administrativen Arbeiten, welche in grosser Zahl und mit grossem Geschick ausgeführt werden, haben die Accidenzien weder in Quantität noch Qualität eine solche Bedeutung, wie in Deutschland. Im allgemeinen werden, und wohl nicht ganz mit Unrecht, dort nicht eine solche Sorgfalt und solche Kosten wie hier auf diese sehr schnell dem Papierkorb verfallenden Drucksachen verwendet; diese lässt man lieber den Werken selbst zukommen.

Ein ziemlich klares Bild von dem Zustand des Accidenzdruckes in Frankreich, soweit dieser dem Buchgewerbe dienstbar ist, liefern die Kataloge zu den Fachausstellungen, die in dem Hause des Cercle in den letzten Jahren abgehalten wurden. Diese Kataloge sind durch die vereinten Kräfte einer Anzahl der bedeutendsten Buchdruckereien hergestellt, von welchen jede einen halben oder einen ganzen Bogen geliefert hat, ohne dass eine andere Grenze auferlegt war, als die Innehaltung des Papierformats. Man darf also annehmen, dass das möglichst Beste geliefert wurde. Es geht aus diesen Katalogen hervor, dass man seit dem vortrefflichen Derriey fast stehen geblieben ist.

[221]

Die Zeitungslitteratur hatte in Frankreich mit manchen Hindernissen zu kämpfen, die nun durch das Pressgesetz von 1881 beseitigt sind. Die grossen Journale haben fast alle denselben äusseren Umfang, vier Seiten in gross Folio. Die Franzosen, im ganzen mässig, mögen auch nicht täglich eine solche Masse von geistiger Kost geniessen, wie sie ein englischer Lesermagen verträgt. Versuche mit Blättern nach letzterem Mass eingerichtet sind vollständig fehlgeschlagen. Durch ihre, den nationalen Eigentümlichkeiten ganz Rechnung tragende Organisation darauf berechnet, das, worauf es ankommt, mit Leichtigkeit ins Fleisch und Blut dringen zu lassen, üben jedoch die französischen Journale einen ausserordentlichen Einfluss auf die Partei, deren Interessen sie verfechten. Des grossen Anlagekapitals, wie ein solches in England notwendig ist, bedarf ein neues französisches Journal nicht; es genügt eine mässige Summe, wenn sich mit dieser die genügende Intelligenz und journalistische Routine des wirklichen Leiters verbindet. Ist dieser ein beliebter Schriftsteller oder eine politische Grösse, so stellt sich das Publikum rasch ein.

Die kleinen Zeitungen erscheinen gewöhnlich in einem Format, halb so gross, als das ihrer grossen Schwestern, ihr Einfluss und ihre Verbreitung sind jedoch bedeutend. Das Petit Journal[126] wurde Ende 1880 in 598309 Exemplaren gedruckt und ergab einen Gewinn von drei Millionen Franken. La petite république hatte eine Auflage von 196372, die Lanterne von 150531, Le petit moniteur von 100476 Exemplaren. Die tägliche Gesamtproduktion der Journalnummern erreichte die Ziffer 1984521, von welcher dreiviertel auf die republikanische Presse kam.

Zum Beginn des Jahres 1869 erschienen[127] in Frankreich 2110 Journale aller Art, jetzt 3135. Von diesen kamen im Jahre 1869 auf Paris 816, auf die Provinz 1294; jetzt resp. 1355 und 1780. In Paris fand demnach ein Wachstum von 539 Journalen statt, in der Provinz von 425. Letzteres trifft namentlich die kleineren Städte,[222] besonders solche, die früher kein Journal aufzuweisen hatten, während die grösseren Städte stabiler geblieben. Unter den Pariser Blättern waren 75 politische Tagesblätter, 168 Journale politischen Inhaltes.

Am 10. September 1870 waren die gesetzlichen Bestimmungen, welche hemmend auf die Errichtung graphischer Etablissements wirkten, gefallen und der erste Paragraph des Pressgesetzes von 1881 bestätigt dieses durch die Bestimmung: „Die Buchdruckerei und der Buchhandel sind frei“. Vergleicht man den Stand der graphischen Gewerbe vor dem Kriege mit dem heutigen, so begegnet einem selbstverständlich besonders eine grosse Vermehrung der Buchdruckereien in Paris, wo die Zahl der Brevets früher auf 80 beschränkt war. Doch muss man diese Zahl nicht ganz buchstäblich nehmen, sie betrug thatsächlich wenigstens 150, indem manche Buchdrucker auf Brevets von Kollegen arbeiteten.

Für den Buchhandel hatte die erlangte Freiheit nicht die Bedeutung wie für die Buchdruckerei, denn wenn ein Brevet auch für den Buchhändler erforderlich war, so hielt es doch, da die Zahl nicht beschränkt war, nicht schwer, ein solches zu erlangen. Es fand sogar in dieser Branche ein Rückgang statt. In den übrigen graphischen Gewerben zeigt sich, wenn man die Jahre 1868 und 1882 mit einander vergleicht, einigermassen ein Stillstand. Doch dürfen, wenn man daraufhin Schlüsse ziehen will, die schweren Jahre für das Land und auch der Umstand nicht übersehen werden, dass durch die Abtretung von Elsass-Lothringen sich der Bestand plötzlich um 259 Buchhandlungen, 35 Buchdruckereien und 59 lithographische Anstalten, sowie um drei Städte von 50000 Einwohnern verminderte, die bei einem Vergleich mit dem Wachsen der graphischen Anstalten in Deutschland dann doppelt wirken[128].

[223]

Die beifolgende Tabelle zeigt den Stand der verschiedenen Pressgewerbe in den Jahren 1868 und 1882.

1868 Frankreich zählte: 1882
1084 Buchdruckereien 1722
1549 Lithographische Anstalten 1692
244 Kupfer- und Stahldruckereien 169
6001 Buchhandlungen 6134
423 Musikalienhandlungen 536
245 Kunsthandlungen 288
  Von diesen kommen auf Paris:  
83 Buchdruckereien 244
436 Lithographische Anstalten 495
160 Kupfer- und Stahldruckereien 92
1649 Buchhandlungen 1072
119 Musikalienhandlungen 105
126 Kunsthandlungen 98
  Ausserdem in Paris andere graphische Gewerbe:  
42 Schriftgiessereien und Stempelschneidereien 52
15 Stereotypien und galvanoplastische Anstalten 17
167 Gravieranstalten für Metall und Stein 156
64 Xylographische Anstalten 102
25 Buchdruckerei-Utensilienhandlungen 44
43 Maschinen- und Pressenfabrikanten 56
20 Farbefabriken 29
87 Papierhandlungen en gros 74
992 Papierhandlungen en détail 906
348 Buchbindereien und Broschieranstalten 343
40 Kolorier- und Vergolder-Anstalten 49
42 Inseraten-Bureaus 35
  Ausserhalb Paris stellen sich die Zahlen:  
1011 Buchdruckereien 1478
1197 Lithographische Anstalten 1274
4352 Buchhandlungen 5062
413 Musikalien- und Kunsthandlungen 621

[224]

Die pressgewerblichen Verhältnisse der Städte aufwärts von 50000 Einwohnern (die Hunderte in abgerundeten Zahlen) sind folgende:

Städte Einwohnerzahl Buchdrucker. Lithogr. Anstalten Buchhandl. Zeitschriften
Lyon 324000 32 52 100 67
Marseille 300000 36 33   45 66
Bordeaux 197500 31 71   91 54
Lille 178000 32 40   66 34
Toulouse 127000 19 20   56 51
Nantes 122500 10 13   49 29
Saint-Étienne 111000 13 21   16 13
Rouen 102500 10 13   35 20
Havre 100000 19   9   35 13
Roubaix   84000   6   5   15   5
Reims   82000   8 12   30 12
Toulon   77000   6   4   11 19
Nancy   72000 10   9   37 28
Brest   67000   3   4   15   4
Amiens   61000   9   6   23 13
Besançon   60000   9   9   13 23
Limoges   60000 10   8   23   8
Besançon   60000   7   8   21 21
Angers   58500   9   7   23 20
Montpellier   55500 19 10   26 16
Nizza   53500 10   4   23 22
Grenoble   51000   8   7   29 16
Le Mans   50000   8   3   25 15
Orléans   50000   7   4   49 29
Rennes   50000   7   7   20 17
Versailles   50000   5   3   32 25

Fußnoten:

[107] Eug. de Mirecourt, Fabrique de romans. Paris 1845.

[108] Le Cercle de la librairie. Notice hist. Paris 1881. — J. B. Baillère, Le Cercle, etc.

[109] Behufs Verteilung bei Ausstellungen gab Mame einen illustrierten Bericht über sein Etablissement heraus. In dem Jahrgang 1865 des Journ. f. B. Nr. 6 ff. findet sich eine deutsche Bearbeitung mit den Abbildungen des Originals. Bei späteren Ausstellungen erschienen neue Auflagen des Berichts.

[110] Notice sur les établissements de P. D. 1867. — P. D. et ses ouvriers assoc. — Journ. f. B. 1865, Nr. 35–37. — P. Dupont, Une Imprimerie en 1867. Paris 1867.

[111] Die 1881 erschienene neue Ausgabe ist die alte mit einem neuen Titel.

[112] Histoire de l'imprimerie centrale, etc. Paris 1878.

[113] Quelques mots sur la maison Henri Plon. — Henri Plon. Paris 1873.

[114] Essai sur les gravures chimiques. Paris 1871. 2. Aufl. Paris 1879.

[115] J. Adeline, L. H. Brevière. Rouen 1876.

[116] Ann. d. Typ. Nr. 361. VIII. Band.

[117] 1840 erschien anlässlich der Einweihung der Gutenbergstatue in Strassburg ein Album typographique von Silbermann, um die Fortschritte der Kunst zu veranschaulichen. 1872 sammelte er unter dem Titel Album d'impressions typographiques en couleur eine Anzahl Blätter seiner Drucke, die von seinen Leistungen eine, wennauch nicht ganz genügende, Vorstellung geben.

[118] Ann. d. Typ. VII. Bd. 1875, Nr. 329.

[119] J. B. Baillère, La cinquantaine d'un libraire. Paris 1862.

[120] V. Masson, Notice nécrologique. Paris 1879. — Börsenbl. f. d. d. B. 1879. Nr. 130.

[121] G. Masson, Rapport sur les arts graphiques, Vienne 1873. Paris 1873.

[122] Notice sur la vie de L. Hachette. Paris 1864.

[123] Imprimerie Jouaust. Catalogue descriptif et raisonné. Paris 1867. — Ann. d. Typogr. II. Bd. 1870, Nr. 66. — VII. Bd. 1875, Nr. 304.

[124] J. M. Querard, Quelques mots sur M. Bossange père. Paris 1863.

[125] Auf Sitte und Arbeitsweise der Pariser Setzer wirft ein Werkchen Eugène Boutmys: Les typographes parisiens, suivi d'un petit dictionnaire de la langue verte typographique, Paris 1874, interessante Schlaglichter.

[126] F. Maillard, Le petit Journal 1850–1860.

[127] Ed. Texier, Hist. des journaux. Paris 1851. — E. Hatin, Hist. du Journal en France 1631–1853. — F. Maillard, Hist. anecdotique et critique de 150 journaux und dessen Hist. de la presse parisienne. Paris 1859. — Alfr. Sirven, Journaux et Journalistes. Paris 1865. — A. Gagnère, Hist. de la presse sous la Commune. Paris 1881.

[128] Da ein solcher Vergleich der graphischen Machtstellung Frankreichs und des Deutschen Reiches, welche jetzt an Umfang und Einwohnerzahl sich ziemlich gleichstehen und nicht unter so grundverschiedenen Verhältnissen, wie sie sich bei einem Vergleich mit England oder Amerika darbieten, arbeiten, nicht nur von Interesse, sondern auch von Wichtigkeit ist, so bedarf es wohl kaum einer Entschuldigung, wenn die Statistik Frankreichs und des Deutschen Reiches in diesem Handbuche etwas ausführlicher behandelt wird, als die der anderen Länder. Als Grundlage für die Notizen über Frankreich dienten namentlich die Angaben des Annuaire de la librairie von 1868 und 1882. Vergl. auch Chaix, Statistique de l'imprimerie en France. Paris 1874.

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[225]


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VIII. KAPITEL.

DIE ZWEIGE DER ROMANISCHEN GRUPPE.

Die Niederlande: Zurückgehen der Kunst. Der Nachdruck. Die neuere Typographie Hollands und Belgiens. — Italien: G. Bodoni. Langsame Fortschritte. Venedig, die Mechitaristen. Panfilo Castaldi. Der Buchhandel, die Familie Pomba. Rom, die Druckerei der Propaganda. Erfreuliche Aussichten. — Spanien: J. Ibarra. Madrid. Barcelona. Portugal: Die Staatsdruckerei. Südamerika: Buenos Aires, Rio de Janeiro, Lima, Cuba, Mexiko. — Nordafrika: Algier, Ägypten. Türkei: Aufblühen und Verfall der Kunst. Jetzige Lage.

DIE NIEDERLANDE.

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IE typographische Glanzperiode der Niederlande war dahin. Auf die Zeit der blutigen Knechtschaft durch Spanien folgte im Süden die Periode der österreichischen Herrschaft. Darf auch letztere mit der ersteren kaum in einem Atemzuge genannt werden, so war sie doch nicht geeignet, eine neue Blüte der Typographie hervorzurufen, noch weniger war eine solche nach der Einverleibung in Frankreich zu erwarten.

Holland.

Auch der Norden lernte erst seit 1795 als Batavische Republik unter Frankreichs „Schutz“, dann von 1806 ab als Königreich unter einem Napoleoniden, bis auch dieser Selbständigkeitsschein 1810 aufhörte, die Segnungen französischer Presszustände kennen.

[226]

Der Pariser Friede 1814 löste die Länder aus der eisernen Umarmung Frankreichs, um sie zu einem Königreiche der Niederlande zu vereinigen. Diese, dem Zusammengiessen von Essig und Öl nicht unähnliche Verschmelzung des protestantischen, germanischen Nordens mit dem katholischen, zum grossen Teil französischen Süden wurde durch die Revolution in Brüssel 1830 faktisch, durch den Frieden 1839 definitiv und rechtlich aufgelöst.

Seit dieser Zeit entwickelte sich ein freieres geistiges Leben in Belgien sowohl als in Holland. Zwar ist der alte Ruhm des niederländischen Pressgewerbes nicht wieder erreicht, jedoch steht dasselbe auf einem achtbaren Standpunkte und lässt weitere Fortschritte erwarten.


Freiere Pressverhältnisse.

In Holland verursachten die freieren Pressverhältnisse vor dem Ausbruch der französischen Revolution, dass viele französische Autoren und Verleger ihre Artikel dort, namentlich in Amsterdam und dem Haag, drucken liessen. Hierin liegt wohl zumteil der Keim zu dem später gewerbsmässig betriebenen holländisch-belgischen Nachdruck, welcher jedoch anfänglich keine grosse Bedeutung hatte und von selbst aufhörte, solange die Niederlande der französischen Herrschaft unterlagen.

Holländische Typographie.

Die holländische Typographie hält fest an dem einmal angenommenen Typenduktus mit seinen langen, schmalen und eng zugerichteten Schriften, die insofern praktisch sind, als mit ihnen sich viel Stoff auf einen kleinen Raum, allerdings auf Kosten eines gefälligen Eindrucks, zusammendrängen lässt. Unter den Formaten ist ein Gross-Median-Oktav das beliebteste und selbst Romane und Gedichte werden in demselben gedruckt.

Durch seine Kolonien in Hinterindien und auf den Inseln des indischen Ozeans ist die Schriftgiesserei Hollands auf die Pflege der Schriften der dortigen Eingeborenen angewiesen. Unter Aufsicht von T. Roorda wurden von J. Enschedé & Zoonen in Haarlem javanische Lettern angefertigt. Ein bedeutendes Renommé in dieser Richtung erwarb sich N. Tetterode in Rotterdam, welcher Mandalingisch, Batakisch, Manarisch und Boeginesisch lieferte. Unter der Direktion von J. Hoffmann liess die holländische Regierung auch chinesische Typen schneiden, die später in den Besitz von E. J. Brill[227] in Leyden übergingen[129]. Als Schriftgiesser wirkten ferner in Gröningen Omkens, van Baskenes und Damste.

Statistisches.

Im Jahre 1882 hatte Holland in 128 Städten 428 Buchdruckereien (1840 besass es nur 146), 183 lithographische Anstalten, 700 Buchhandlungen. Die Buchdruckereien arbeiteten mit 740 Schnellpressen und 650 Handpressen. Die Zahl der lithographischen Schnellpressen war 125, die der Handpressen 700. Die zur Verwendung kommenden Maschinen verschiedener Art stammen namentlich aus französischen Fabriken. An Tageblättern gab es 29, an Wochenblättern und an anderen periodischen Schriften 397.

In Amsterdam liefert die Königliche Buchdruckerei Accidenzien für den Staat. Eine bedeutende Anstalt ist die von Roeloffzen & Hübner in Amsterdam mit drei Rotations- und sieben gewöhnlichen Schnellpressen; sie druckt die in 20000 Exemplaren täglich in einem Umfange von 8–16 Seiten erscheinende Het News van den Dag mit ihrem Sonntagsblatt. C. A. Spinn & Zoon bringen sehr kunstreiche Accidenzarbeiten. Zu erwähnen sind ebenfalls J. van Oosterzee, G. L. A. Amand, Metzler & Barting und Gebr. Binger.

In Haarlem blüht noch das Geschlecht der Enschedé (I, S. 251) und zeigt, dass es nicht auf seinen Lorbeern auszuruhen gedenkt. Das Geschäft arbeitet mit 11 Handpressen, 11 Schnellpressen und 25 Giessöfen und zeichnet sich durch Druck von Reproduktionen, Bibeln und Wertpapieren aus. Van Aspern van der Velde liefert namentlich Illustrationsdruck.

Buchhandel.

Die Interessen des holländischen Buchgewerbes werden seit 1816 von der Vereenigung ter Bevordering van de Belangen des Boekhandels vertreten[130]. Dieselbe hatte im Jahre 1881 in der Art des Pariser Cercle eine Ausstellung von den Erzeugnissen der[228] Hülfsgewerbe des Buchhandels veranstaltet und auch in derselben Weise wie der Cercle einen reichen Katalog erscheinen lassen[131], zu welchem 28 Buchdruckerfirmen jede eine Abteilung und verschiedene Papierfabrikanten Papier geliefert haben. Dieser Katalog zeigt, dass die holländischen Accidenzbuchdrucker bemüht sind, ihren Kollegen in anderen Ländern nachzukommen. Die Arbeiten sind sauber und akkurat, wenn auch von einer Einschlagung neuer Bahnen keine Rede ist.

Als lithographische Farbendrucker haben Tresling & Co. in Amsterdam und Emrik & Binger in Haarlem Verdienste. Das Topographische Institut liefert nach dem Ecksteinschen Verfahren der Schichtlegung durch die verschiedenartige Behandlung der Schraffierungen und die dadurch entstehende Abstufung der Töne vortreffliche Karten in Farbendruck.

Das holländische Papier ist seit alters her berühmt und von bester Qualität. Weltruf hat das Büttenpapier von van Gelder & Zoonen in Amsterdam. Um die Farbefabrikation machte sich seinerzeit der Major E. W. J. Bagelaer (1817) verdient; jetzt wird der Markt ganz von dem Pariser Fabrikat beherrscht.

Die litterarische Produktion ist eine bedeutende und jährlich erscheint eine stattliche Reihe von wertvollen Werken auf allen Gebieten, mit Ausnahme dessen der Phantasie. An poetischen und illustrierten Werken ist die Ausbeute keine grosse und die Lese- und Schaulust des Publikums wird namentlich durch Übersetzungen und Bearbeitungen deutscher Schöpfungen befriedigt.

Unter den holländischen Verlegern seien erwähnt: Kemink & Zoon, P. W. van de Weyer in Utrecht, J. B. Wolters in Gröningen, A. W. Sythoff und E. J. Brill in Leyden, welche beide letzteren einen reichen Verlag orientalischer Werke haben. Das japanisch-holländisch-englische Wörterbuch in Brills Verlag ist eine bedeutende Leistung. Überhaupt ist Leyden ein wichtiger Verlagsplatz, namentlich für medizinische und naturwissenschaftliche Litteratur, während Utrecht die Fächer der Philologie und Geschichte kultiviert. Bedeutende Druckplätze sind noch Haag und Rotterdam; am letzteren Orte sind J. Würtheim & Zoon, welche namentlich Artikel für den Export liefern, bedeutend.

[229]

Fr. Müller * 22. Juli 1817.

Einen hochangesehenen Namen in der Geschichte des holländischen Buchhandels der neueren Zeit erwarb Frederik Müller auf Grund seiner Bestrebungen, System in den Betrieb des Handels und in die holländische Bibliographie zu bringen. Müller hatte eine vorzügliche Ausbildung in dem Etablissement von Johannes Müller, welches aus dem Geschäft von Friedr. Arnold Brockhaus entstanden war (s. Kap. XII), erhalten. Im Jahre 1843 etablierte er sich in Amsterdam auf dem Rockin in einem Keller, der bald ein Sammelpunkt der angesehensten Gelehrten wurde. Eine mit grossem Geschick ausgeführte Bücherbestellung des Vorstandes der Sternwarte zu Pulkowa bei St. Petersburg brachte ihn in eine wichtige Verbindung mit der St. Petersburger kaiserlichen Bibliothek und gab Veranlassung zu der Herausgabe einer Bibliographie néerlandorusse 1859, welcher verschiedene bibliographische Arbeiten folgten.

Der Nachdruck hatte in Müller, trotz dem Widerstande seiner Kollegen, den eifrigsten Bekämpfer, überhaupt nahm er den lebhaftesten Anteil an allen den Buchhandel betreffenden Fragen. Zwei Aufgaben seines Lebens musste er unvollendet lassen: die Abfassung einer allgemeinen niederländischen Bibliographie und die Geschichte des niederländischen Buchhandels, zu welcher das Material zum grössten Teil in der Bibliothek des niederländischen Buchhändler-Vereins deponiert wurde[132].


Belgien.

Der Name Belgiens ist in der Geschichte der neueren Typographie von dem Pariser Frieden ab und bis zu dem Vertrage mit Frankreich vom 1. Mai 1861 hauptsächlich durch die masslose Ausübung des zwar damals nicht verbotenen, doch wenig ehrenvollen Geschäfts des Nachdruckes bekannt.

Der Nachdruck.

Da in den belgischen Provinzen die französische Gesetzgebung auch nach der Trennung von Frankreich massgebend blieb, so waren es selbstverständlich zuerst die besten Werke der französischen Jurisprudenz, welche, da der Vorteil ein sicherer war, den Nachdruckern anheimfielen. Ein Fortschritt der belgischen Typographie war dabei nicht bemerkbar; Papier und Druck blieben mangelhaft und im Jahre 1818 hatte Brüssel erst 18 Druckerpressen.

[230]

Der König Wilhelm, der wohl einsah, dass aus dem Druckgewerbe nur dann ein eigentlicher Vorteil für das Land zu erwarten sei, wenn die Erzeugnisse technisch besser ausgeführt würden, unterstützte die Papierfabrikanten und Buchdrucker und förderte die Einberufung französischer Arbeiter. Schon mit dem Jahre 1820 trat eine Besserung in der Produktion ein, doch blieb der Umfang des Druckgewerbes noch bis zur Revolution ein mässiger; der Nachdruck beschränkte sich damals hauptsächlich auf Werke für den inländischen Bedarf und nahm erst nach dem Jahre 1830 grossartigere Dimensionen an.

Produktion.

Während im Jahre 1815 die litterarische Produktion nur fünf Millionen Bogen betrug, war sie 1838 auf über 32 Millionen Bogen gestiegen. 1815 war die Zahl der Buchdruckereien in den belgischen Provinzen 20 mit 27 Pressen, 1838 aber 53 mit 429 Pressen oder, wenn man die vorhandenen Schnellpressen der üblichen Leistungsfähigkeit nach auf Handpressen überträgt, 519 Handpressen.

Grosser Umfang des Nachdrucks.

Von der Gesamtproduktion kamen etwa acht Millionen Bogen, hauptsächlich in Duodezformat, welches Quantum 6–700000 der damals üblichen Romanbände gleichkam, auf die französischen Nachdrucke, deren Umsatz sich auf etwa 3½ Millionen Franken belief. Die bedeutendsten Nachdruckerfirmen Wahlen & Co., Louis Haumann & Co., Meline Cans & Co. gingen an Aktien-Gesellschaften über, die mit einem Kapital von insgesamt etwa fünf Millionen Franken arbeiteten. Diese Gesellschaften machten jedoch keine guten Geschäfte, da der kostspielige und komplizierte Administrations-Apparat den Vorteil absorbierte, zudem die kleineren Nachdrucker mit ihrem einfachen Geschäftsbetrieb die Preise ausserordentlich gedrückt hatten.

Von der Bedeutung des Nachdrucks mögen einige Thatsachen sprechen: Bérangers Gedichte wurden in etwa 30000 Exemplaren gedruckt; Thiers' Revolution in 15000; Lamennais' Paroles d'un croyant in 60000 Exemplaren. Die kostbarsten Werke, z. B. die mit grossen Opfern durch Didot ins Leben gerufene neue Bearbeitung des Dictionnaire de l'Académie, fielen den Nachdruckern anheim, ja selbst mit den besten Zeitschriften als der Revue des deux mondes und der Revue britannique war es der Fall. Es kam sogar so weit, dass man eine eigene Zeitschrift Revue des Revues gründete, welche[231] eine Quintessenz der verschiedensten periodischen Schriften von Wert brachte, während die politischen Zeitungen Belgiens den Romanhunger des Publikums mit Nachdrucken französischer Feuilletons stillten. Die Brüsseler Buchhandlungen unterhielten Comptoire in London, Leipzig und anderen Orten; in vielen Grenzorten Frankreichs errichteten sie Depots behufs des Schmuggels, ja selbst in Algier existierte ein solches, um die heimliche Einfuhr nach Frankreich zu betreiben.

Aufhören des Nachdrucks.

Diesem Unfug wurde, zum wahren Vorteil Belgiens, durch den Vertrag mit Frankreich ein Ende gemacht und Belgien war nun genötigt und auch mit Erfolg bemüht, sich auf dem Litteraturmarkt selbständig geltend zu machen. Auch das Druckgewerbe hatte von der Änderung einen Vorteil; denn, waren auch die Nachdrucke meist sauber ausgestattet, so hielten sich doch alle Erscheinungen auf demselben Niveau des einfach mittelguten Werkdrucks und von einem höheren Aufschwung der Kunst war keine Rede[133].

Der Import an Büchern aus Frankreich ist jetzt begreiflicherweise ein bedeutenderer geworden und beträgt etwa drei Millionen Franken an Wert, während der Export nach Frankreich nur etwa eine halbe Million Franken erreicht.

Verschiedene Buchdrucker.

Ein Zweig des Pressgewerbes von grosser Bedeutung ist der Druck liturgischer und überhaupt Andachtsbücher. Selbst die französischen Pressen haben in dieser Richtung schwer mit der belgischen Konkurrenz zu kämpfen. Unter denjenigen Offizinen, die sich in dieser Produktion auszeichnen und eine grosse Ausfuhr nach allen Weltteilen haben, sind M. H. Dessain und Haniq in Mecheln, mit welchen Wesmael-Charlier, Legros in Namur und Greuse in Brüssel, welch letzterer auch die umfangreiche venetianische Ausgabe der Bolandisten fortsetzt, konkurrieren. Hebräische und chaldäische Werke liefern van Linhout und van der Zande in Löwen. J. S. van Dooselaere in Gent[134] ist ein, seinem Fache mit grosser Liebe zugethaner Jünger Gutenbergs.[232] Ein von ihm gedruckter Recueil descriptif des antiquités ist ein typographisches Kunststück, indem der Text die äussere Form E. Vanderhaegen † 1881.der beschriebenen kunstgewerblichen Gegenstände nachbildet. E. Vanderhaegen, ebenfalls in Gent, machte sich durch seine Bibliographie gantoise, 7 Bände, 1858–1869, einen Namen. Henri Castermann & Co. in Tournai vereinigen mit der Buchdruckerei auch die verwandten Geschäftszweige und den Verlagshandel. Allen ihren Arbeiten sind Nettigkeit und Eleganz nachzurühmen.

In Brüssel zeichnet sich Ad. Mertens durch gute Illustrationsdrucke und Luxusarbeiten aus. F. Guyot Frères[135] sind bedeutend im Accidenzfache und liefern viele Wertpapiere und Regierungsarbeiten, in welchen auch F. Hayez Beachtenswertes produziert. Bruylant-Christophe zeigt im Werk- und Buntdruck technische Tüchtigkeit. Adolf Wahlen veranstaltete mit A. Delpierres Leben der Maria von Burgund ein vorzügliches Druckwerk. Ein glücklicher Zufall hatte ein auf das feinste verziertes, nachweislich von der eigenen Hand der kunstsinnigen Prinzessin Marie herrührendes Alphabet Initiale vor dem Untergange bewahrt, welches nun mit grösster Sorgfalt für das erwähnte Werk nachgebildet wurde. Auch auf den Satz verwendete man die grösste Mühe, so dass in dem ganzen Werk kein geteiltes Wort vorkommt, ohne dass deshalb die Regelmässigkeit des Ausschlusses irgendwie gestört wäre.

Der Schatz, welchen Antwerpen in dem Plantin-Museum besitzt, durch welches diese Stadt ein typographisches Mekka geworden, ist bereits (I, S. 225) ausführlicher besprochen[136].

Statistisches.

Die Zahl der Buchdruckereien in Belgien beträgt 639; davon kommen auf Brüssel 101, Antwerpen 51, Lüttich 37, Gent 34, Brügge 21. Unter den Schriftgiessereien zeichnen sich Vanderborght und Meline Cans & Co. aus. Die Zeitungspresse[137] Belgiens teilt sich in zwei, einander gegenüberstehende Lager, das katholische und das liberale. Im Jahre 1840 hatte Belgien nur 75 Journale, darunter 39 vlämische. 1880 war die Zahl auf 388 gestiegen,[233] darunter 143 in vlämischer Sprache. 54 Zeitungen erscheinen täglich. Die älteste derselben ist das 1764 gegründete Journal de Liège. Unter den Fachblättern sind zu nennen die Annales de l'imprimerie.

ITALIEN.

Italien.

Italien seufzte in der vorliegenden Periode unter dem Druck der Fremdherrschaft bald österreichischer, bald spanischer und französischer Machthaber. Jede freiere Geistesregung war verschwunden und infolge davon vegetierte auch die einst so blühende Typographie nur in kümmerlichster Weise fort. Der kleinen Stadt Parma allein war es beschieden, durch den einzigen bedeutenden Meister dieser Zeit einen grossen, jedoch nur kurz andauernden Ruf zu gewinnen.

J. B. Bodoni * 16. Febr. 1740, † 30. Nov. 1813.

Dieser Meister, Johann Baptist Bodoni[138], ward in Saluzzo von einfachen aber respektablen Eltern geboren. Die Anfänge der Kunst lernte er bei dem Vater und bereits frühzeitig entwickelte er ein nicht gewöhnliches Zeichentalent und schnitt in seinen Freistunden Vignetten in Holz, die später, nachdem der unbekannte Holzschneider ein berühmter Buchdrucker geworden war, von Sammlern sehr gesucht wurden.

Bodoni in der Propaganda.

Achtzehn Jahre alt begab er sich mit einem Freunde nach Rom, wo der letztere einen Onkel hatte, von welchem die Wanderer Unterstützung erwarteten. Die kleine Barschaft war unterwegs bald aufgezehrt, da half Bodoni durch Verkauf von Holzschnittvignetten an Buchdrucker. Den nach Rom Gekommenen erklärte der Onkel nicht helfen zu können. Bodoni war zur Rückkehr entschlossen, wollte jedoch wenigstens der berühmten Offizin der Propaganda einen Besuch abstatten. Bei diesem erregte die Lebhaftigkeit und das gefällige Wesen Bodonis die Aufmerksamkeit des Direktors, Abbé Ruggieri, und er wurde engagiert. Auf Veranlassung der obersten Spitze der Anstalt, des Kardinals Spinelli, der Bodonis Streben wohlgefällig bemerkte, nahm dieser an einem Kursus[234] der orientalischen Sprachen Anteil und lernte auch Arabisch und Hebräisch lesen. Mit der typographischen Ausführung eines arabisch-koptischen Missale und des Alphabeticum Tibetanum des Paters Georgi betraut, entledigte er sich der Aufgaben in so befriedigender Weise, dass Ruggieri dem Schlusse des Werkes den Vermerk: „Roma, excudebat J. B. Bodoni, Salutiensis 1762“ aufdrucken liess.

Bei der Ordnung der orientalischen Schriftenvorräte der Anstalt war die Lust bei Bodoni entstanden, selbst Schriftschneider zu werden und er griff diesen Gedanken mit einem solchen Eifer auf, dass er in kurzer Zeit ein sehr tüchtiger Stempelschneider wurde. Wahrscheinlicherweise wäre sein Schicksal für stets mit der Propaganda verknüpft geblieben, wenn nicht der freiwillige Tod seines Gönners Ruggieri ihm den dortigen Aufenthalt verleidet hätte. Er nahm einen Ruf nach England an, wollte jedoch vor seiner Abreise nochmals seine Eltern in Saluzzo sehen. Dort erkrankte er in so bedenklicher Weise, dass seine Abreise verschoben werden musste, und als der Marquis Telino ihm das Anerbieten machte, an die Spitze einer, der Königlichen Buchdruckerei in Paris ähnlichen Anstalt, die man in Parma errichten wollte, zu treten, gab Bodoni das Engagement nach England ganz auf und siedelte nach Parma über.

Buchdrucker in Parma.

Hier begann nun für ihn eine Zeit des strengsten Arbeitens, auch war er anfänglich keineswegs pekuniär günstig gestellt. Im Jahre 1771 legte er durch seine Saggio tipographico di fregi et majuscola Proben seiner Kunst als Stempelschneider ab. 1774 folgten Iscrizioni esotiche von de Rossi und 1775 bei Gelegenheit der Vermählung des Fürsten von Piemont mit der Prinzessin Clotilde von Frankreich, die in 25 verschiedenen Sprachen, orientalischen und europäischen, gedruckten Epithalamia exoticis linguis reddita. Das letztere Werk richtete die allgemeine Aufmerksamkeit auf Bodoni. Kein Reisender von Bedeutung unterliess es, dessen Druckanstalt zu besuchen. Karl III. von Spanien ernannte ihn zu seinem Hofbuchdrucker; Gustav III. von Schweden und Ferdinand IV. von Neapel erteilten ihm Auszeichnungen. Alle waren einig, dass Bodonis Erzeugnisse in Bezug auf Eleganz und Gleichförmigkeit nicht übertroffen seien.

[235]

Im Jahre 1788 wurde ihm von dem Ritter d'Azara, dem spanischen Gesandten in Rom, das Anerbieten gemacht, in dessen Palast eine Druckerei für die Herausgabe griechischer, lateinischer und italienischer Klassiker einzurichten. Unwillig darüber, dass jemand ihm eine solche typographische Kapazität rauben wolle, gestattete der Herzog von Parma, dass Bodoni eine ähnliche Offizin, wie die in Rom beabsichtigte, in dem herzoglichen Schlosse einrichtete, aus welcher dann einige der schönsten Klassiker-Ausgaben, darunter der Virgil von 1793 und Tassos Gerusalemme liberata in drei Foliobänden (1794), hervorgingen.

Prachtwerke.

Die kostbarste aller seiner Prachtausgaben war jedoch der Homer (1808), den er dem Kaiser Napoleon dedizierte, von welchem er in der Zeit der Franzosenherrschaft in jeder Weise begünstigt wurde. Bei der Überreichung des Dedikationsexemplares erhielt Bodoni eine Pension von 3000 Franken. Der Vizekönig von Italien, Eugen Beauharnais, wollte ihn gern nach Mailand, Murat nach Neapel ziehen. Bodoni wünschte jedoch nicht Parma zu verlassen und schützte Alter und Kränklichkeit vor. Er hasste überhaupt das Franzosentum, verstand es aber ganz wohl, sich in die Verhältnisse zu schicken und diese sich nutzbar zu machen.

Im Jahre 1811 wurde er von Murat dekoriert. Letzterer hatte die Absicht, für den jungen Murat eine Reihe von Klassikern drucken zu lassen. Der Anfang wurde 1812 mit Télémaque gemacht, dem 1813 Racine folgte; erst 1814, nach Bodonis Tod, erschienen Lafontaine und Boileau. Auf Grund dieser französischen Klassiker-Ausgaben erteilte Napoleon dem Bodoni kurz vor dessen Tode das Kreuz der Ehrenlegion in Begleitung eines Ehrengeschenkes von 18000 Franken.

Unter Bodonis Arbeiten müssen noch zwei erwähnt werden, die für den Typographen von Fach ein ganz besonderes Interesse haben: seine Oratio dominica und sein Manuale tipographico.

Oratio dominica.

Als der Papst Pius VII. im Jahre 1805 auf seiner Rückreise von Paris, wo ihm in der Staatsdruckerei die Oratio dominica durch Marcel überreicht worden war, durch Parma kam, forderte er Bodoni auf, zu zeigen, dass Italien ein ähnliches Werk liefern könne. Bodoni wollte nun die Pariser Ausgabe noch übertreffen und lieferte auch, und zwar in sehr kurzer Zeit, die seinige in 155 Sprachen;[236] 51 asiatischen, 82 europäischen, 12 afrikanischen und 20 amerikanischen, allerdings nur, indem die Propaganda ihn mit ihren Vorräten unterstützte.

Manuale tipographico.

Das Manuale tipographico del Cavaliere Giambattista Bodoni, zwei Bände in kleinem Folio, wurde erst 1818 von seiner Witwe herausgegeben. Es enthält auf 87 Seiten eine Einleitung der Witwe und 267 Seiten Proben. Die erste Serie bringt auf 144 Blatt die Caratteri latini tondi e corsivi, eine Sammlung von Antiqua- und Cursivschriften, wie sie in solcher Vollständigkeit, Vollendung und einheitlichen Durchführung sonst wohl selten oder nie gefunden wird. Bodoni schnitt folgende 22 Grade: Parmigianina, Nonpariglia, Mignona, Testino, Garamoncino, Garamone, Filosofia, Lettura, Silvio, Soprasilvio, Testo, Parangone, Ascendonica, Palestina, Canoncino, Sopracanon, Canone, Corale, Ducale, Reale, Imperiale, Papale. Darauf folgen 85 Blatt Versalien, Antiqua-, Cursiv- und Schreibschriften. Der zweite Band enthält 59 Blätter Griechisch, 33 Blätter Orientalia, darauf, zwischen Malabarisch und Russisch, zwei Blätter Caratteri tedeschi, in einer Ausführung, die allerdings nahe ans Malabarische grenzt. Die russischen Schriften sind auf 82 Blättern sehr reich und schön vertreten. Den Schluss machen 91 Blatt Fregi (Einfassungen), Linien und Diverse, die ohne Bedeutung sind.

Das Ganze bildet ein Druckwerk ersten Ranges. Der tiefschwarze und doch mit wenig Farbe erzielte Druck, die Schärfe der Schrift, die Einfachheit und das Ebenmass des Ganzen, das schöne milchweisse Velinpapier, ohne den schädigenden Glanz der Satinage, haben ein Kunstwerk zuwegegebracht, welches das Studium jedes Gutenberg-Jüngers verdient.

Bodonis Schriften wurden nicht allein in Italien überall verbreitet, sondern fanden auch Eingang in Berlin durch Decker und Unger, in Leipzig durch Breitkopf, in der Schweiz durch Gessner, in London durch Nicholls, in Kopenhagen und an andern Orten.

Krankheit und Tod.

Bodoni war von der Natur kräftig, schadete sich aber durch übermässiges Arbeiten. Er bezeichnete sich selbst als einen Galeerensklaven und war in der That an die Druckerei wie angeschmiedet. Seit Jahren an Podagra leidend, liess er sich durch Schmerz und Ungeduld verleiten, als Kur innerhalb je 12 Stunden 36 Pfund heisses Wasser zu trinken, und er würde dies noch weitergetrieben haben,[237] wäre er nicht durch Ohnmachten daran gehindert worden. Die Folge war eine Schwächung des Magens, die nicht wieder gehoben werden konnte. Am 30. November 1813 unterlag er, und am 2. Dezember rief die grosse Glocke des Domes die Bürger Parmas zu der feierlichen Beerdigung ihres hochverdienten Mitbürgers.

Bodonis Denkmal in Saluzzo wurde am 20. Oktober 1872 eingeweiht. Es stellt ihn in ganzer Figur vor, umgeben von den Werkzeugen seiner Kunst.

Verdienste.

Bodoni leistete vieles ganz ausserordentlich Schöne, doch entstanden die Produkte seiner Pressen zumteil mehr aus typographischem Ehrgeiz als aus dem Wunsch, höheren, veredelnden Zwecken zu dienen, wie dies in der Vergangenheit das Ziel seines grossen Landsmannes Aldus gewesen oder in seiner Zeit das der Didots war. Er huldigte öfters zu sehr dem Luxusdruck ohne eigentlichen Zweck. Sein Wirken erhellte deshalb zwar eine zeitlang den typographischen Himmel Italiens, es war jedoch nicht mit dem erwärmenden, fruchtbringenden Licht der Sonne zu vergleichen, sondern mehr mit der prachtvollen, die Augen entzückenden Erscheinung eines glänzenden Meteors, welches ebenso unvermutet zum Vorschein kommt, als es rasch verschwindet.

Die Typographie in Italien.

So finden wir bis um die Mitte unseres Jahrhunderts die Typographie und das Buchgewerbe Italiens in einem wenig erfreulichen Zustande. Die Zensur war eine ausserordentlich strenge und die Bücher, die in einem Teil des Landes gedruckt waren, konnten nicht unbehindert in einem anderen vertrieben werden. In Neapel existierten Zölle, die gleich einem Verbot wirkten; dabei florierte der Nachdruck und der Verkehr mit dem Auslande bot die grössten Schwierigkeiten.

Statistisches.

Im Jahre 1833 gab es 464 Buchdruckereien und Buchhandlungen; 1835 wurden 2819 Werke in 4295 Bänden herausgegeben. 1836 zählte man, einschliesslich der offiziellen Zeitungen der verschiedenen Staaten, nur 185 Zeitschriften, davon 26 in Neapel, 19 in Mailand, je 10 in Rom und Turin, je 8 in Palermo und Florenz.

Die 1848 in Piemont eingeführte Pressfreiheit trug zwar bald Früchte, jedoch datiert der eigentliche Fortschritt erst von der Einigung Italiens. 1859 gab es gegen 600 Buchdruckereien mit etwa 2000 Pressen. Turin hatte 780 Setzer, 164 Handpressen und[238] 47 Schnellpressen, bei deren Einführung man nicht darauf drucken wollte, bevor die Macht des Satans über sie durch Besprengung derselben mit geweihtem Wasser seitens eines Geistlichen beseitigt war. 1872 bestanden bereits 911 Buchdruckereien, in welchen 745 Schnellpressen, 2691 Handpressen und nahe an 11000 Personen beschäftigt wurden. Unter den 1083 Buchhandlungen verdienten allerdings eine ziemliche Anzahl kaum diesen Namen. Viele, selbst bekannte Schriftsteller mussten ihre Werke auf eigene Kosten drucken lassen.

Die buchhändlerische Produktion, welche 1863 4243 Werke betragen hatte, war 1872 auf 6798 neue Werke gestiegen. 6509 Fortsetzungen waren noch im Gange, wozu noch 2666 Gesetze, Statuten etc. kamen, so dass die ganze Produktion 15973 Nummern betrug[139].

Im Jahre 1869 war die Zahl der Zeitschriften auf 450 angewachsen. Damals zeigte sich die grösste journalistische Thätigkeit in dem Norden, dem eigentlichen Herde der Freiheit Italiens. Turin zählte derzeit über 100 Zeitschriften, Mailand 80, Florenz 51, Genua 37. Zwei Drittel derselben waren politischen Inhalts; 75 erschienen täglich, 65 zwei- bis dreimal, 179 einmal wöchentlich. 1872 war die Zahl schon 723. Obenan stand damals Florenz mit 101, während Turin auf 75 gesunken war. Im Jahre 1873, mit 1126 Zeitschriften, hatte Mailand mit seinen 137 den Vorsprung über Florenz und Turin gewonnen, Rom zählte 109; ihm folgte Florenz mit 107 auf dem Fusse, dann Turin mit 85, Neapel mit 81, Genua mit 51, Palermo mit 48, Venedig mit 38, Bologna mit 36. Die Gesamtauflage einer Nummer aller Zeitschriften betrug 1¾ Millionen Stück. Die Post versandte jährlich gegen 100 Millionen einzelne Nummern. Zeitungen mit einer allgemeinen grossen Verbreitung gab es in Italien nicht; jedes Städtchen hängt an seinem Lokalblättchen.

[239]

Wie rasch Italien sich unter seinen neuen Verhältnissen entwickelt, geht schon daraus hervor, dass 1881 die Zeitschriften auf 1854 gestiegen waren, unter welchen 159 Tageszeitungen.

Werfen wir noch einen Blick auf die Pressthätigkeit der einzelnen Städte.

Venedig.

Venedigs hoher typographischer Ruhm war wie sein politischer zu Grabe getragen, wennauch einzelne bedeutendere Erscheinungen sich sporadisch zeigten, zu welchen Alvisopolis vortreffliches Prachtwerk Le fabbriche più cospicue di Venezia, zwei Bände in Folio, gehörte. Aus alter Zeit hat sich nur die armenische Offizin Mechitaristen.der Mechitaristen auf der Insel S. Lazaro (I, S. 186) erhalten. Das Kloster entging auf Grund seiner wissenschaftlichen Bestrebungen der Aufhebung unter napoleonischer Herrschaft und wurde zu einer armenischen Akademie erhoben, die noch existiert und für welche die Offizin eine Monatsschrift Pasmaveb (der Polyhistor) druckt, von welcher dreissig Bände erschienen. Die Akademie erwählte auch auswärtige Mitglieder, zu welchen Lord Byron zählte, der oft und gern dort verkehrte und armenische Studien trieb. Zu ihren bedeutenderen Leistungen aus neuerer Periode gehören der Thesaurus linguae armenicae und die Chronik des Eusebius in armenischer, lateinischer und griechischer Sprache, sowie das Dizionario armeno-letterale. Als Probe ihrer Produktionsfähigkeit liessen die Brüder-Typographen 1837 die Preces sancti Nercetis in 24 Sprachen erscheinen[140].

In Udine erschien bei den Brüdern Mattiuzzi eine schöne Ausgabe von Vitruvii Pollionis Architectura, vier Bände in Quart, 1825.

Panfilo Castaldi.

Ein sonderbares Schauspiel vollzog sich am 25. September 1868 in dem Städtchen Feltre, an welchem Tage unter grossen Festlichkeiten ein Monument des Erfinders der Buchdruckerkunst — selbstverständlich nicht Gutenbergs, sondern des Italieners Panfilo Castaldi — enthüllt wurde.

Der Prätor Antonio Cambruzzi schrieb um 1556 in seiner Geschichte der Stadt Feltre: »Um diese Zeit (1456) lebte Pamfilio Castaldio, Doktor der Rechte und Dichter, in Feltre, der die[240] Erfindung (!) der Buchdruckerkunst entdeckte (!!). Der Burggraf Faust lernte von ihm diese Kunst, als er in seinem Hause zu Feltre wohnte, um die italienische Sprache zu studieren. Er führte die Druckkunst nach Deutschland, übte sie in Mainz und bekam nachher von Einigen den Titel des ersten Erfinders. Andere haben diese Erfindung einem Deutschen namens Cuttembergo aus der Stadt Strassburg zugeschrieben, allein der erste Erfinder ist, »„wie aus den Chroniken von Feltre erhellt««, Pamfilio Castaldio gewesen“.

Recht schade ist es, dass diese „erhellenden Chroniken“ nicht existieren. Indes dies geniert die „späteren Zeugen“, die auf Cambruzzi fussen und ihn sogar fälschen, nicht, wie es auch Gutenbergs Manen nicht genieren wird, dass seinen Konkurrenten in Feltre und Haarlem Statuen errichtet wurden. Fast möchte man aber glauben, dass es Italien besser angestanden hätte, der Zierde der italienischen Typographie, dem Aldus Manutius, ein würdiges Monument zu setzen, statt einer mythischen Person zu huldigen, zu einer Zeit, wo der Nebel, welcher die Geschichte der Erfindung bisher umhüllte, wenigstens so weit zerstreut ist, dass man nicht Erfindern à la Castaldi und Coster Denkmäler errichten sollte.

In jüngster Zeit hat der Vorsteher des Staatsarchives zu Mailand, Cesar Cantu, zwei Urkunden entdeckt, nach welchen sich ergiebt, dass Castaldi im Jahre 1472 in seinem 74. Lebensjahre als Lehrer der Buchdruckerkunst von dem Herzog Galeazzo Maria Sforza in Mailand nach dort berufen und dass ihm das Recht erteilt wurde, eine Druckerei zu eröffnen. Wie damit eine Erfindung seitens des Castaldi bewiesen werden soll, ist nicht leicht ersichtlich[141].

Padua.

Padua beansprucht den etwas zweifelhaften Ruhm, in seinem sogenannten Dantino das mit der kleinsten Schrift gedruckte Buch hervorgebracht zu haben. Im Jahre 1834 hatte bereits Antonio Farina eine Schrift, die er Occhio di mosca (Fliegenauge) nannte, geschnitten. In demselben Jahre trat Claudio Wilmant mit einer noch kleineren, Milanina, hervor. Nach vielem Herumirren derselben schloss der letzte Besitzer dieser Schrift, Giovanni Gnocchi, 1873 einen Vertrag mit den Gebrüdern Salmin in Padua über den[241] Druck einer Ausgabe von Dantes göttlicher Komödie ab und nach fünf Jahren erschien dieselbe.

Mailand.

Mailand trug durch P. E. Giustis Ausgabe der Famiglie celebri di Italia des Grafen Pompeo Litta zur Ehre der Kunst bei. Dort wirkt die Anstalt von Ed. Sonzogno (gegr. 1861) mit 30 Schnellpressen und 500 Personen für die Herstellung des eigenen Verlags der Firma, darunter 15 Zeitschriften. Civelli (1840) hat Druckereien in Mailand, Turin, Verona, Ancona und Rom, ausserdem zwei Papierfabriken und verlegt fünf Zeitschriften. Er druckt fast alle Arbeiten für die italienischen Eisenbahnen. Ein Riesenwerk ist das Vocabulario universale della lingua italiana, acht Bände in Quart.

Was den lithographischen Bilderdruck betrifft, hat Mailand zwei vortreffliche Repräsentanten aufzuweisen, Ulysses Borzino und seine Frau, die beide selbst tüchtige Künstler sind.

Familie Pomba.

Was Bodoni für die Typographie Italiens gewesen, war die Familie Pomba in Turin für den Verlagshandel. Die von derselben 1818 begonnene Collezione dei classici Latini in 108 Bänden wurde 1835 beendigt. Ihre Biblioteca populare di classici autori, 100 Bände, in 16. (1829) gab den ersten Impuls in Italien zur Verbreitung guter Bücher zu den billigsten Preisen. Nach dem Vorbilde der Penny Cyclopaedia wurde 1842–1849 die Encyclopedia populare, zwölf Bände in Quart, herausgegeben. Glänzenden Erfolg erzielte Cesar Cantus Storia universale, die in sehr kurzer Zeit zwei teuere Auflagen und eine billige erlebte. Die Firma Pomba & Co. unternahm die Biblioteca dell' Economista, 26 Bände, und ein kolossales Werk, Istituzioni di agricoltura.

Luigi Pomba † 1872.

Am 1. Februar 1855 ging das Pombasche Geschäft mit noch einigen anderen, kleineren Geschäften in den Besitz der Unione tipografico-editrice über, die unter der Direktion Luigi Pombas eine grosse Wirksamkeit, namentlich in encyklopädischer Richtung, entwickelte und Filialen in Rom, Neapel und Pisa gründete. Neue grossartige Werke der Firma waren das Wörterbuch von Nic. Tommaseo, acht Bände in Quart; die Encyclopedia di chimica, zehn Bände in Quart, und die Prachtausgabe von A. Palladios Fabbriche etc., fünf Bände in Fol., ferner die italienischen illustrierten Ausgaben der Werke Brehms, Darwins u. a.

[242]

Ausser durch die eigene Verlagsthätigkeit zeichnete sich Joh. Pomba durch seine allerdings ohne Erfolg gebliebenen Bestrebungen, den italienischen Buchhandel nach Art des deutschen zu organisieren, aus. Um sich näher mit dem Betrieb des letzteren bekannt zu machen, besuchte Pomba die Leipziger Messe und liess 1869 eine Broschüre Informazione della fiera di Lipsia erscheinen.

Grosse Anstrengungen machte die königliche Druckerei in Turin in den Händen der Firma Paravia (Vigliardi), die auch Filialen in Mailand, Florenz und Rom errichtete. Schöne Arbeiten lieferten in Turin ebenfalls Bona, sowie Chirio & Mina. Unter den Arbeiten der letzteren ragt die Geschichte des Klosters Alta Comba in Folio mit Einfassungen in Golddruck im Geschmack des XV. Jahrhunderts hervor.

Florenz.

In Florenz, das durch Verbindung vieler Eigenschaften (geographische Lage, allgemeine Bildung, Reinheit der Sprache, Tüchtigkeit der Setzer) geeignet wäre, ein Leipzig Italiens zu werden, lieferte 1825 Molini eines der schönsten Druckwerke Italiens, die vom Grossherzog von Toscana veranstaltete Prachtausgabe der Opere di Lorenzo de' Medici, vier Bände in Gross-Quart. Mareingh, erst in Florenz, dann in Triest, zeigte in Tassos Gerusalemme liberata, zwei Bände in Gross-Folio, 1820, und in den Monumens sépulcraux de Toscane, 1821, feinen Geschmack und grosses Geschick. Eines der bedeutendsten Werke der letzten Zeit ist das in der Tipografia Cenniniana auf 1648 zweispaltige Seiten gedruckte Vocabulario Italiano von P. Fanfani, Rigutini und F. Corridi. Als Drucker und Verleger bedeutend ist G. Barbera; er ist durch seine Diamant-Ausgaben italienischer Klassiker bekannt.

Florenz hat einen Cercolo tipografico, in dem Prinzipale und Gehülfen zwanglos verkehren. Hier erscheint auch seit 1869 das in würdiger Weise von Salv. Landi geleitete und typographisch sehr gut ausgestattete Journal L'Arte della stampa. Als Organ der Gehülfen dient Il tipografo (Turin). Senefelder ist der Titel einer in Turin in italienischer und französischer Sprache erscheinenden lithographischen Monatsschrift.

Rom.

Rom hatte zwar nie einen ersten Platz in der typographischen Geschichte eingenommen, sank jedoch in der Periode von 1750 ab tiefer als man hätte erwarten sollen. Das einzige Institut von einiger[243] Bedeutung war die Druckerei der Propaganda (I, S. 186)[142]. Ihren Flor verdankt sie dem gelehrten Prälaten Leo Allacci (Allatius), den Kardinälen Antonelli, Ruggieri, Spinelli, Consalvi und Zurla, sowie den Monsignoren Ricci, Amaducci und Borgia. Eine solche Stellung jedoch, wie dies Institut hätte einnehmen können und sollen, wurde nicht erreicht. Nicht nur andere Staatsanstalten, sondern auch Privatdruckereien anderer Länder überflügelten weit die Propaganda. 1812 ward sie zeitweilig ganz unterdrückt, hob sich jedoch später wieder. Die von Napoleon geraubten Schriften kamen wieder nach Rom zurück. Besonders der Papst Pius IX. nahm sich der Anstalt an und ernannte 1865 den verdienten Ritter Marietti zum Direktor, der 1872 seine Stelle niederlegte und von Federigo Melandri gefolgt wurde. Unter den seit 1865 entstandenen Werken der Offizin sind zu erwähnen der Bibliorum Sacrorum Codex Vaticanus, mit den Typen des Tischendorfschen Codex Sinaiticus gedruckt, und eine Oratio dominica in 250 Sprachen, die trotz der Schriftenmannigfaltigkeit zeigt, dass die Anstalt nicht auf der Höhe der Jetztzeit steht[143].

Eine Hofbuchdruckerei Stamperia camerale wurde 1834 sehr hübsch in dem Palast Cornaro eingerichtet. Im Jahre 1881 gab es in Rom 53 Buchdruckereien mit 172 Schnellpressen und 129 Handpressen. Die Zahl der Gehülfen war 722, der Lehrlinge 268. Die grösste Zahl der Schnellpressen, 31, und ebenso viele Handpressen beschäftigte die „Aktienbuchdruckerei“. Bedeutend sind ferner: Civelli, Bottas Nachfolger, mit 11 Schnellpressen und 81 Setzer; die Druckerei der Nationalbank mit 8 Schnellpressen und 11 Handpressen; Molina mit 16 resp. 8.

Neapel.

Neapel[144] sucht in seinen Leistungen nicht zurückzubleiben. Angeli & Sohn liefern viele Accidenzien. Dort gelangte eines[244] der prachtvollsten Stichwerke der Neuzeit zur Ausführung, das von Piranesi Vater und Sohn herausgegebene: Antike Denkmäler Roms. In der Kunst, die Monumente und Ruinen darzustellen, sind die beiden Meister nicht übertroffen. Der Vater J. P. Piranesi † 1778.Joh. Baptist Piranesi aus Venedig lieferte die ersten 16 Bände und der Sohn Franz Piranesi setzte das Werk fort. Nach verschiedenen Schicksalen liess sich letzterer in Paris nieder. Napoleon begünstigte ihn sehr und es wurde der Beschluss gefasst, von Staatswegen das Werk für 300000 Franken und ein Jahresgehalt an Piranesi von 12000 Franken zu erwerben. Das Unglück in Moskau verhinderte die Vollziehung des betreffenden Dekretes, jedoch erwarben die Didots das grossartige Unternehmen von 29 Bänden mit über 2000 Kupferstichen im grössten Atlanten-Format.

SPANIEN. PORTUGAL. SÜDAMERIKA.

Spanien.

Spanien hat wie Italien in der Periode von 1750 ab einen einzigen hervorragenden Namen aufzuweisen, während seine typographische Geschichte wenig von Bedeutung verzeichnen kann[145].

J. Ibarra.

Der Kammerdrucker des Königs, Joachim Ibarra aus Saragossa, war der Mann, der die Buchdruckerkunst in Spanien zu einer dort noch nicht gekannten Höhe erhob und einen Wetteifer der Buchdrucker hervorrief, der sie weiter trieb, als 20O Jahre es vermocht hatten. Ibarras Prachtwerke zeichnen sich gleich sehr durch die Schönheit des Druckes, der Typen und der Illustrationen, sowie durch die Glätte des Papiers, und durch die Korrektheit aus.

Unter seinen Druckwerken sind besonders zu nennen die spanische Übersetzung des Sallust durch den Infanten Don Gabriel, mit Illustrationen, Folio, 1772; eine Dissertation des Fr. Perez Bayer über die phönizische Sprache, Folio, 1772; die Prachtausgabe des Don Quixote, vier reich illustrierte Bände in Quart, 1780; Marianas Geschichte Spaniens, zwei Bände, Folio, 1780. Ibarras Witwe setzte das Geschäft in rühmlichster Weise fort; eine vorzügliche Leistung von ihr ist das Diccionario de la lengua Castellana, Folio, 1803.

[245]

Für die Achtung, welche die Spanier ihrem grossen Dichter Cervantes zollen, spricht der Umstand, dass eine Facsimile-Reproduktion der ersten Ausgabe der Werke desselben (I, S. 190), von Francisco Quijano in 1500 Exemplaren veranstaltet, sofort vergriffen war.

Madrid.

Unter den neueren Druckern Madrids werden mit Ruhm genannt: Gaspar & Roix, Calleja Millado, Man. Rivadaneira (jetzt Abelardo de Carlos und Sohn), Juan Aguado, Ducazal, Joachim Fontanet, Gabriel Albamra u. a. Im Jahre 1881 hatte die Stadt 104 Buchdruckereien, 110 Buchhandlungen, 64 lithographische Anstalten. Die Schriftgiessereien sind schwach vertreten, J. Aguado † 22. März 1878.die bedeutendste darunter ist die von Juan Aguado, der auch die Fachzeitschrift Bulletin tipografico herausgiebt. Ein zweites Fachblatt ist die Cronica de la imprenta. Von Zeitschriften erschienen 206 (darunter 60 politische, von welchen die Correspondencia die grösste Auflage [über 50000] hat). Die spanische illustrierte Zeitung ist eine tüchtige Leistung A. de Carlos' und enthält viele gute Original-Illustrationen, ebenso El museo universal.

Barcelona.

Nächst Madrid ist Barcelona der bedeutendste Druckort. Die dort bestehende Banknotendruckerei unter Direktion von Zaragozano & Jaime ist ganz mit französischem Material ausgerüstet und beschäftigt über 60 Personen. Früher wurde das spanische Papiergeld in England gedruckt. In Barcelona erscheint auch ein Fachblatt El correo tipolitografico von Cepherino Gorchs. Die Stadt besass 1881 42 Buchdruckereien, davon 6 mit Dampf- und 10 mit Gasbetrieb. 919 Personen, 95 Schnellpressen (darunter 81 französische), 60 Handpressen (darunter nur zwei deutsche) waren beschäftigt. Ausserdem zählte man dort 51 lithographische Anstalten, 57 Buchhandlungen und 63 Journale.

Valencia.

Das in Valencia erschienene Bayeri opus de nummis Hebrae-Samarithanis, zwei Bände in Quart, 1781 und 1790, ist ein Werk, welches eine Vorstellung giebt von dem, was die Buchdruckerkunst in Spanien hätte werden können, wenn sie genügende Unterstützung gefunden hätte und nicht zugleich mit der Entwickelung der allgemeinen Bildung unter unglücklichen inneren Verhältnissen so sehr gehemmt worden wäre.

[246]

Portugal.
Imprenza Nacional.

Wennauch die Typographie in Portugal[146], gleichwie in Spanien, im allgemeinen keine besonders hohe Stufe erklommen hat, so besitzt das Land doch eine Anstalt, die, vortrefflich geleitet, ganz Vorzügliches leistet: die Imprenza Nacional. Sie ist durch Marquis Pombal, den bekannten Staatsreformator Portugals unter der Regierung Josephs I., ins Leben gerufen, mit der Absicht, eine Anstalt wie die Pariser königliche Druckerei zu schaffen, welche eine Pflanzstätte der Kunst werden, zugleich auch billige Unterrichtsbücher drucken sollte.

Das Dekret, welches die Imprenza Regia anordnete, datiert vom 24. Dezember 1768. Ein Regierungspalast wurde ihr eingeräumt und bereits in den ersten Tagen des Jahres 1769 konnte M. da Costá.sie zu arbeiten beginnen. Die Leitung ward Miguel Manescal da Costá übertragen, einem vorzüglichen Typographen, dessen Buchdruckerei, sowie die Schriftgiesserei des João de Villeneuve als Grundlagen für die Staatsanstalt angekauft waren. Einer damit verbundenen Gravierschule stand der geschickte Joaquim Carneiro da Silva vor. Eine Spielkartenfabrik war die Melkkuh des Instituts.

Von 1769–1801 wurden unter da Costás Direktion 1230 Bände gedruckt, unter welchen viele bedeutende Erscheinungen. Nach dessen Tode wurde eine Junta administrativa ernannt, mit dem gewöhnlichen Erfolg kollegialischer Behandlung technischer Geschäfte. Im Jahre 1810 schritt man zur Ernennung eines General-Administrators in der Person Joaquim da Costás, der mit einer kurzen Unterbrechung die Leitung der Anstalt bis 1833 behielt. Mit dem Sturze der Regierung Dom Miguels wurde die Staatsdruckerei dem Ministerium des Innern direkt untergeordnet.

J. P. Marcécos.

Mit der 1838 erfolgten Wahl des José Frederico Pereira Marcécos zum Administrator begann die Glanzzeit der Anstalt. Marcécos bereiste England, Frankreich und Belgien und brachte die Erzeugnisse der neuesten Erfindungen mit nach Hause. Nach F. A. Marcécos.seinem frühen Tode, 1844, wurde die Stelle seinem Bruder Firmo Augusto Marcécos anvertraut, welcher fortfuhr, alle Verbesserungen der Neuzeit einzuführen, daneben Lehrlingsschulen, Hülfskassen u. dgl. errichtete. Vom Staate erhält die Anstalt keinen Zuschuss,[247] sie hatte im Gegenteil bis zum Jahre 1873 an diesen drei Millionen Franken abgeliefert und beschäftigte in dem genannten Jahre über 300 Personen. Zwei Deutsche haben viel zur Hebung der Anstalt beigetragen: Joseph Leipold, der Direktor der galvanoplastischen Abteilung, und Ignaz Lauer, Leiter der Schriftgiesserei. Seit 1878 ist der Vorsteher Dr. Venancio Deslandes[147].

Die zur Weltausstellung in Wien 1873 gesandten portugiesischen, spanischen und englischen Wörterbücher, die rot und schwarz gedruckten Missale und Breviarum Romanum, die Carta constitutional, die Werke Camoens' in sechs Bänden, vorzugsweise eine in zwölf Sprachen gedruckte Episode daraus, Inez de Castro, waren alle in dem besten Stil und vortrefflich gedruckt.

Auch die Wertpapiere verdienten alles Lob, jedoch ergreift die Anstalt nicht, wie die St. Petersburger, die Initiative, sondern benutzt nur geschickt das Vorhandene, namentlich die Erzeugnisse Derrieys.

Gebr. Lallemant.

Nicht ganz auf derselben Stufe stehen die Gebrüder Lallemant[148], sie liefern aber sehr beachtenswerte Arbeiten, ebenso die Gebrüder José de Castro.

Im Jahre 1878 hatte Portugal 118 Zeitungen, darunter 66 politischen Inhalts; die älteste, Revuluçao de September, existiert 33 Jahre. Die Journale sind nicht von grosser Bedeutung und nicht geeignet, grosse Erwartungen von dem Standpunkte der Typographie dort zu erwecken. Seit 1882 erscheint El Gutenberg.

Lissabon hatte 1881 23 Buchdruckereien, 26 Buchhandlungen, 56 Zeitschriften; Coimbra 10 Buchdruckereien; Oporto 56 Journale.


Südamerika.

Südamerika. Ein grösserer typographischer Kontrast als zwischen Nord- und Südamerika ist kaum denkbar. Fortwährende Revolutionen und Kriege, der Einfluss einer unwissenden Geistlichkeit und die Indolenz der Völker haben ein intellektuelles Leben, infolge davon auch ein Gedeihen der Buchdruckerkunst nicht aufkommen lassen.

[248]

Buenos Aires.

Buenos Aires, welches 53 Buchdruckereien, 59 Buchhandlungen, 24 lithographische Anstalten und 27 Zeitschriften aufweist, feierte am 9. Juli 1876 die hundertjährige Betreibung der Buchdruckerkunst. Es wurde beschlossen, Gutenberg und dem Einführer seiner Kunst Don Juan José Vertiz ein Denkmal, in einem Obelisk bestehend, zu errichten und einen Preis für die beste Bearbeitung der Geschichte der Buchdruckerkunst in der Argentinischen Republik auszustellen. 1872 erhielt Buenos Aires eine illustrierte Zeitung: El Plata illustrado[149].

Rio de Janeiro.

In Rio de Janeiro wurde ebenfalls das hundertjährige Jubelfest am 9. Juli 1880 abgehalten. Ausser in Rio sind nicht viele Buchdruckereien in Brasilien in Thätigkeit. Manche der Arbeiter, die im ganzen genommen schlecht bezahlt werden und für Extraarbeit keine Entschädigung erhalten, sind Sklaven. Schlaffheit herrscht von oben bis herab auf den Laufburschen. Die Zahl der Zeitungen war 1878 297. Südamerika hat im ganzen 17 deutsche Zeitungen, von welchen 11 auf Brasilien, 4 auf die argentinische Republik, je eine auf Uruguay und Chile kommen.

Lima besitzt 21 Buchdruckereien, 11 Buchhandlungen, 11 lithographische Anstalten und 13 Zeitschriften. St. Jago di Chile hat 11 Buchdruckereien, Valparaiso 7.

Auf Cuba befanden sich 52 Offizinen, 50 Buchhandlungen, 10 lithographische Anstalten und 47 Zeitschriften erschienen dort. Mexico hat zwischen 50–60 Offizinen, davon 23 in der Stadt Mexico, daneben 11 lithographische Anstalten, 16 Buchhandlungen. Puebla weist 8 Buchdruckereien auf.

NORDAFRIKA. DER ORIENT.

Nordafrika.

Nordafrika hatte bereits während des ägyptischen Feldzugs Bonapartes eine typographische Werkstätte (S. 172) und durch die Besitzergreifung von Algerien ist diese Provinz eine Pflanzstätte der Kultur in Afrika geworden. Es besitzt heute schon 29 Buchdruckereien, 18 lithographische Anstalten und 54 Buchhandlungen, davon sind in der Stadt Algier 9 Buchdruckereien, 8 lithographische Anstalten, 10 Buchhandlungen; in Constantine[249] resp. 3, 2, 5; in Oran resp. 3, 3, 10. Von Zeitschriften erscheinen 35 in 12 Städten, davon in Algier 18, unter welchen das offizielle Journal Mobacher in arabischer und französischer Sprache. Der Buchhändler Bastide hat sehr zur Verbreitung der Litteratur beigetragen.

Ägypten.

In Ägypten wurde von Mehemed Ali eine Buchdruckerei in Boulak errichtet, man hatte aber sehr mit der Abneigung der Muselmänner gegen gedruckte Bücher zu kämpfen. In den letzten 50 Jahren sind etwa 250 Werke aus den dortigen Pressen hervorgegangen. Von Privatpressen entstanden verschiedene, unter welchen die von Mustapha Wahabi nennenswert ist.

Die Lithographie wurde 1834 eingeführt. Da die verschiedenen graphischen Anstalten in den Händen von Franzosen sind und die Arbeiten durch Franzosen ausgeführt werden, so kann die mitunter sehr hübsche Produktion eigentlich nicht von nationaler Bedeutung sein.

Von Zeitungen erscheinen etwa 25 in arabischer, französischer, griechischer, italienischer und englischer Sprache. Sie stehen unter Zensur und nach erfolgter Warnung kann Unterdrückung stattfinden.

Im Jahre 1878 hatte der Bei von Tunis eine Druckerei errichtet und der Kaiser von Marokko beabsichtigte ebenfalls in Fez eine solche anzulegen. Von zwei wöchentlichen Zeitungen erscheint eine in Ceuta, eine in Tanger.

Buchhandel.

Der Buchhandel in Kairo ist ziemlich lebhaft. Die Buchhändler sind meist Gelehrte und nicht so fanatisch, wie z. B. in Damaskus, wo sie nur ungern Bücher an Christen verkaufen. Es ist dies namentlich mit den Koran-Ausgaben der Fall, welche abgesondert oder unter besonderem Verschluss aufbewahrt sind. Die Bücher liegen übereinandergeschichtet. Der Einband ist von Leder oder gewöhnlicher Pappe, der Titel wird auf den Schnitt oder auf ein auf den Umschlag geklebtes Blatt geschrieben. Zwischen alten und neuen Exemplaren wird nicht der strenge Unterschied gemacht, wie in dem europäischen Buchhandel. Einige Buchhändler debitieren nur die von ihnen verlegten Bücher, andere sind Sortimentshändler nach unseren Begriffen. Ein fester Ladenpreis existiert nicht und die Schwankungen sind oft bedeutend.


[250]

Europäische Türkei.

Europäische Türkei. Die nach dem Tode des verdienten Förderers der Typographie Ibrahim Effendi (I, S. 281) in der Entwickelung derselben eingetretene Stockung fand erst unter der Regierung Abdul Hamids eine Unterbrechung. Reschid Effendi, der Schatzkanzler, und Achmed Wassif Effendi, der Reichshistoriograph, erhielten Auftrag, nach dem Verbleib der in Stillstand geratenen Buchdruckerei Said Effendis Untersuchungen anstellen zu lassen. Der grösste Teil derselben wurde auch glücklich aufgefunden, restauriert und dann die Pressen in Skutari wieder in Gang gesetzt. Zu Direktoren dieser neu entstandenen Reichsdruckerei ernannte der Sultan Mustafa und Adam Effendi, ersterer Rechtsgelehrter, letzterer Geistlicher. Beide nahmen sich ihres Amtes mit Eifer an und viele Werke, die sich durch gute Ausstattung auszeichneten, gingen aus der Anstalt hervor. Eines der schönsten Erzeugnisse der orientalischen Druckkunst ist Makkisada Mustafa Effendis Kommentar zur Burda, einem Lobgedicht auf den Propheten, in einem Quartband von 621 Seiten. Eine weitere lange Liste fremdartiger Titel hier folgen zu lassen dürfte keinen Zweck haben.

Rückgang und neuer Aufschwung.

Nach einer kurzen Blüte folgte wieder Stillstand unter der Regierung Selims III. und während des Anfangs der Regierung Mahmuds des Grossen. Nachdem jedoch durch Ausrottung der Janitscharen Ruhe im Innern hergestellt war und Mahmud sich den Werken des Friedens widmen konnte, kam die Reihe auch bald an die Staatsdruckerei. Im Jahre 1831 wurde dieselbe von Skutari wieder nach Stambul übergeführt und erhielt dort eine grosse Lokalität. Neue Pressen wurden aus London, neue Typen aus Venedig eingeführt und Arbeiter namentlich aus Deutschland herbeigeschafft.

Ein rascher Aufschwung machte sich bemerkbar. Die überall versteckten Schätze der türkischen Litteratur wurden gesammelt, um in guten und billigen Ausgaben dem Volke zugänglich gemacht zu werden. Man veröffentlichte die Werke der Reichsgeschichtsschreiber und liess viele tüchtige Fachwerke, namentlich militärische und medizinische, aus europäischen Sprachen übersetzen.

Nach einer Glanzperiode von etwa zwanzig Jahren trat unter Abdul Aziz und unter unglücklichen politischen und finanziellen[251] Konjunkturen ein Rückgang ein, der erst unter Abdul Medschid aufhörte.

Jetziger Zustand.

Konstantinopel besitzt vier kaiserliche Druckereien, zwei unter Leitung des Ministeriums des Innern, von welchen die eine sich mit der Herstellung von allen offiziellen Aktenstücken, die andere sich mit Bücherdruck beschäftigt. Die dritte, unter das Kriegsministerium ressortierende Druckerei dient nur militärischen Zwecken; die vierte, mit welcher eine lithographische Anstalt für die Arbeiten des Generalstabes verbunden ist, befindet sich in dem Palast Dolma-Bagdsche und steht unter der unmittelbaren Leitung des Palastmarschalls. Die Ausführung der öffentlichen Arbeiten ist eine durchweg gute.

Von Privatdruckereien waren 1880 etwa 25 vorhanden, unter welchen sich die Offizinen des armenischen und des griechischen Patriarchen, sowie die des Gross-Rabbi befinden. Von lithographischen Anstalten gab es ebensoviele. Die Zahl der Schnellpressen war gegen 70, der Tret- und Handpressen 120, beschäftigt waren gegen 500 Personen. In den nationalen Sprachen erschienen etwa 200 Werke.

Zeitungswesen.

Das Zeitungswesen entstand erst spät. Im Jahre 1852 erschien in Smyrna der Spectateur de l'Orient; 1831 wurde der Moniteur ottoman (Wekaje) gegründet, der später auch türkisch gedruckt wurde. Nach den offiziellen Angaben aus dem Jahre 1878 erschienen in Konstantinopel 72 Zeitungen und Zeitschriften, unter welchen 30 Tagesblätter. Von den Zeitschriften sind 16 in türkischer, 20 in französischer, 12 in griechischer, 13 in armenischer Sprache. Eine Verordnung von 1879 verbot, vor 6 Uhr türkischer Tageseinteilung (ungefähr unsere Mittagsstunde) die Zeitungen auszugeben, was für diese, deren Verteilung sonst um 6 Uhr früh stattfand, ein grosser Schlag war. Eine illustrierte Zeitung Mussaveri Turkestan (Illustrierte Türkei), herausgegeben von der Gesellschaft der Freunde des Vaterlandes, erscheint wöchentlich.

Asiat. Türkei.

In Smyrna gehörten die ersten Pressen (seit 1658) den Juden; dann folgten die Christen und schliesslich die Türken. Eine erfolgreiche Thätigkeit entwickelte mit sehr geringen Mitteln das Kloster Mar-Hanna auf einem steilen Abhange des Berges Kesroan gelegen. Die dortige Druckerei ist 1732 von dem Priester Abdallah Ben[252] Zacher gegründet, welcher selbst das nötige Handwerkszeug fertigte, Typen schnitt und goss, dann abwechselnd als Setzer und Drucker arbeitete. Noch vor dem Jahre 1794 erschienen dort gegen 40 Werke. In Safad, am westlichen Ufer des Sees Tiberias, war eine hohe Schule für arabische und hebräische Gelehrsamkeit, welche eine Druckerei besass, die jedoch im Jahre 1759 durch ein Erdbeben zerstört wurde. Berühmt durch ihre vortrefflichen arabischen Drucke ist die Offizin der amerikanischen Missionsgesellschaft in Beirut.

Cypern.

Auf der Insel Cypern erscheinen jetzt drei englische und zwei griechische Zeitschriften.

Persien.

Nach Persien kam die Buchdruckerkunst 1820 und zwar nach Teheran und Tabris. Über die weiteren Fortschritte verlautet so gut wie nichts. Bei seiner Anwesenheit in Wien anlässlich der Ausstellung 1873 beabsichtigte der Schah Nasser-Eddin die erste Schnellpresse zu bestellen. Seit 1872 erscheint in Teheran eine Zeitung für Persien, zu welcher der Schah selbst Beiträge liefert, zumeist Schilderungen seiner Jagdabenteuer.

Eine grosse Schwierigkeit für die Verbreitung der Typographie in Persien bildet das hohe Ansehen, in welchem die Schönschreibekunst steht, und der hohe Grad von Vollkommenheit, welchen sie erreicht hat. Wird einmal zur mechanischen Vervielfältigung gegriffen, so ist die Lithographie viel leichter als die Typographie imstande, die wunderbaren, mit Gold und Farben geschmückten Schriftzüge wiederzugeben. Auf eine schnelle Verbreitung von Gutenbergs Kunst in Persien ist deshalb nicht zu rechnen.

Fußnoten:

[129] J. Hoffmann, Catalogus van chinesische Matrijzen en drukletters 1860, 1864, 1876.

[130] Reglement over de vereenigung ter bevordering etc. Amsterdam 1841. — Bepalingen omtrent den boekhandel.L. D. Petit, Proeve einer Geschiedenis der Vereenigung etc. Amsterdam 1875. — Otto Mühlbrecht, Der holländische Buchhandel seit Coster. Leipzig 1867. — Gunne, Flüchtige Gedanken über den Buchhandel in Holland. — C. L. Brinkmann, Alphab. Naamlijst van boeken 1850–1875. — F. L. Hoffmann, Ouvrages conc. l'histoire de l'imprimerie en Belgique et en Hollande. Brüssel 1859.

[131] Tentoonstelling van hulpmiddelen voor den Boekhandel. Amsterdam 1881.

[132] Otto Harrassowitz, Fr. Müller. Börsenbl. f. d. d. B. 1881, Nr. 5.

[133] Mémoire sur la situation actuelle de la contrefaçon en Belgique. Paris 1841. — C. Muquardt, De la contrefaçon. Brüssel 1844. — Over den Nadruk in Belgien. Aug. Schnee, Trente ans de la littérature belge 1830–1860. Brüssel 1861.

[134] J. S. van Dooselaere, Aperçu. London 1851.

[135] Imprimerie E. Guyot. Brüssel 1880.

[136] Wer nicht Gelegenheit oder Lust hat, die I, S. 225 zitierten Werke einzusehen, findet in Westermanns Monatsheften 1883, Heft 319 eine ausführliche Beschreibung des Plantin-Museums.

[137] J. Mallou, Notice statistique sur les journaux Belges. Brüssel 1843.

[138] Lama, Vita del cavaliere G. Bodoni, 1816, 2 Bde., von welchen der letztere ein analytisches Verzeichnis seiner Druckwerke enthält. — J. Bernardi, Vita di G. Bodoni. Saluzzo 1872.

[139] Diese Angaben sind G. Ottinos, La stampa periodica, il commercio dei libri e la tipografia in Italia, Mailand 1875, entnommen. Das Buch enthält eine sehr sorgfältige Zusammenstellung der periodischen Presse, die zuerst anlässlich der Wiener Ausstellung 1873 ausgearbeitet war, und muss zugleich als eine ganz vorzügliche typographische Leistung gelten. Vergl. auch „Zur Geschichte der Presse in Italien“, Prutz' Museum, Leipzig; Paolo Lioy, „Über die geistige Nahrung des italienischen Volkes“ in C. Hillebrands Italia, Bd. III, S. 90.

[140] Printers Register 1874, Dezbr. — Das Journ. f. B. 1880 enthält in Nr. 2 und 3 die Schilderung eines Besuches Th. Goebels in dieser Druckerei.

[141] A. Bernhardi-Zinghellini et a Valsecchi, Intorno à P. Castaldi. Mailand 1866. — A. del Como, Mem. della citta di Feltre. Venedig 1710. — A. v. d. Linde, Gutenberg. Stuttgart 1878.

[142] Propaganda, Specimen characterum. Rom 1843. — Cat. librorum qui ex typogr. S. Congr. etc. prodierunt. Rom 1773.

[143] A. Mackie's Italy and France bringt in dem Letter XXXVI und dem Appendix A die Schilderung eines Besuchs des bekannten englischen Zeitungsdruckers in der Propaganda. Eine Äusserung von ihm wird in Deutschland interessieren: „Ich bemerkte nicht eine einzige Maschine englischen Ursprungs. Bereits in England war mir gesagt worden, dass die englischen Maschinen überflügelt seien. Deutschland hatte hier alles geliefert, selbst eine kleine Falzmaschine“.

[144] Giustiniani, Saggio sulla tipografia del regno di Napoli. Neapel 1791.

[145] F. Mendez, Tipografia Española. Madrid 1861. — J. E. Equizabal, Hist. de la legislation española 1480–1873. Madrid 1879. — Annuario del comercio. Madrid 1882.

[146] J. Kugelmann, Histoire de l'Imprimerie en Portugal. Paris 1867.

[147] Bericht über die Nationaldruckerei in Lissabon. 1873. Deutsch und Französisch. — A. M. Abranches de Riego, Catalogo des obras impr. de J. A. de Macedo. Lissabon 1849. — Caracteres de la imprenza Real en 1793.

[148] Inigo, Lallemant frères.

[149] J. M. Guitiemez, Bibliogr. de la prim. imprenta de Buenos Aires. 1866.

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[253]


DRITTES BUCH.

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DIE GERMANISCHE GRUPPE.


[255]

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EINFÜHRUNG IN DAS DRITTE BUCH.

Z

U der Germanischen Gruppe, mit welcher dieser geschichtliche Überblick schliesst, gehören in erster Reihe die zu einer bibliopolisch-typographischen Einheit verbundenen zwei Kaiserstaaten Deutschland und Österreich-Ungarn, sowie die Schweiz; in zweiter Linie die stammverwandten skandinavischen Reiche: Dänemark, Schweden und Norwegen. An obige schliessen sich in dritter Reihe die, wennauch der Gruppe national fremd, zumteil sogar feindlich gegenüber stehenden SLAWISCHEN und magyarischen Länder, welche nicht nur ihr typographisches Material, sondern auch die arbeitenden Kräfte hauptsächlich Deutschland entnehmen oder wenigstens bis vor kurzem entnahmen.

Eine Eigentümlichkeit dieser Gruppe, soweit ihre Angehörigen germanischen Ursprungs sind, ist die Verwendung der von den zwei anderen Gruppen fast ganz ausgeschlossenen Frakturschrift. Trotzdem ist diese, wie bekannt, nicht die alleinherrschende geblieben. Von der Fraktur „will“, von der Antiqua „kann“ man nicht lassen. So hat sich ein geschäftlicher Usus eingebürgert, demzufolge[256] den beiden Schriften in dem eigentlichen Bücherdruck fast ähnliche Stellungen zugewiesen werden, wie sie im Altertum die hieratischen und demotischen Schriften Ägyptens innehatten, sodass die Antiqua mehr die Schrift der Eingeweihten blieb, während die Fraktur mehr die Volksschrift wurde. Zu den Werken der strengeren Wissenschaften und zu Prachtausgaben verwendet man vorzugsweise die aristokratischere Antiqua, zu den Erscheinungen der schönwissenschaftlichen und populären Litteratur, zu Unterrichts- und Andachtsbüchern dient hauptsächlich die populärere Fraktur[150].

Die Accidenzien fallen in ganz überwiegender Weise der Antiqua zu, dagegen die Zeitungen fast ausnahmslos der Fraktur. Und so wird es wahrscheinlich noch lange Zeit bleiben[151].

Diese Doppelheit in der Schrift trägt allerdings eine grössere Vielseitigkeit zur Schau, hat jedoch für die deutschen Buchdruckereien den Nachteil gehabt, dass diese gleichmässig reich mit Antiqua- und Frakturschriften ausgestattet sein müssen. Somit schliesst jede Offizin eigentlich zwei Druckereien in sich: eine für Arbeiten in Fraktur, eine zweite für die in Antiqua, so dass bei einem gleichen Quantum von Schrift eine französische oder englische Offizin, weil nur nach einer Richtung hin ausgestattet, quantitativ fast eine doppelt so grosse Leistungsfähigkeit als eine deutsche besitzt.

[257]

Was den deutschen Arbeiter betrifft, so vereinigt er in sich vielleicht mehr als der irgend eines anderen Landes die mancherlei Eigenschaften, die dem Typographen eigen sein müssen. Er ist selbständiger im Arbeiten und leistet aus eigenem Antrieb in der Regel mehr, als ein anderer, weshalb man auch fast nie „schlechte“ Arbeiten aus Deutschland sieht. Seine Fähigkeiten sind vielseitiger; er bringt es aber selten zur Virtuosität in einem einzelnen Fach und es ist schwer, ihn zur Überschreitung der Grenzen des ihm „Gut genug“ scheinenden zu bringen. Das mag wohl auch darin liegen, dass es in vielen Fällen nicht anders mit den Prinzipalen, den Verlegern, den zeichnenden Künstlern und den sonst Beteiligten steht. So selten das wirklich Schlechte ist, dem man in der französischen Typographie täglich begegnet, so selten trifft man auf vollendete, stilvoll durchgeführte Leistungen in Deutschland. Viel Schuld dabei trägt die Verwendung der Antiqua und der Fraktur nicht nur „neben“, sondern geradezu „unter“ einander. Die richtige Behandlung der beiden Schriftarten beruht jedoch auf abweichenden Grundsätzen; es kommt deshalb trotz sonstiger Vorzüge der Arbeiter selten zu einem fest ausgebildeten Geschmacke.

Was in Bezug auf Deutschland gesagt wurde, gilt auch von Österreich, welches namentlich im Accidenzfache hinter Deutschland nicht zurücksteht, in dem xylographischen Farbendruck es sogar übertroffen hat. Auch Ungarn nimmt an den Bestrebungen teil. Die Schweiz und die Skandinavischen Länder, die, was Material, Schriften u. dgl. betrifft, hauptsächlich von Deutschland abhängig waren, schlossen sich ganz der deutschen Schule an und liefern jetzt, wennauch nicht gerade viel Hervorragendes, so doch sehr viel Beachtenswertes. Die Slawischen Länder machten wesentliche Fortschritte und leisten zumteil Gutes, jedoch stehen im allgemeinen die Erzeugnisse dieser Länder etwas zurück und es wird wohl aus leicht begreiflichen Gründen auch noch einige Zeit darüber vergehen, ehe sie eine, derjenigen der grossen Kulturländer ebenbürtige Stellung einnehmen werden.

Die Pressverhältnisse, die Technik und die Industrie in Deutschland waren zur Zeit des allgemeinen Aufblühens der Typographie zu Beginn des XIX. Jahrhunderts nicht derart, dass die Notwendigkeit des Maschinenbetriebes so wie in England und Amerika sich[258] von selbst aufgedrängt hätte. Es kann deshalb Deutschland nicht so sehr zur Last fallen, dass es die erste Ausbeutung der, die Typographie umgestaltenden deutschen Erfindung der Schnellpresse, sowie die ersten Verbesserungen und die spätere Vervollkommnung derselben dem Auslande überliess, so dass die Erfindung sozusagen erst wieder aus dem Auslande importiert werden musste. Sobald die Verhältnisse sich jedoch einigermassen besser gestalteten, hat es gezeigt, dass es in der Technik und Mechanik nicht allein nicht zurückgeblieben, sondern auf dem besten Wege ist, sich den Weltmarkt zu erobern.

Wie in der Typographie macht sich auch in der Xylographie eine doppelte Strömung geltend. Der echte deutsche Holzschnitt der Gegenwart lehnt sich an die Arbeiten der Meister aus der Renaissancezeit an und seine Technik ist geradezu ein Gegenstück zu dem englischen. Der „tüchtige“ deutsche Xylograph unterordnet sich vollständig dem Zeichner und entsagt dem Ruhm, auf Kosten des Urhebers der Zeichnung ein schaffender Künstler zu sein. Er ist bestrebt, jeden Strich genau so wiederzugeben, wie er in der Zeichnung dasteht. Er lässt nichts weg, setzt nichts hinzu. Der deutsche Holzschnitt steht deshalb öfters gegen den englischen in der glänzenden Technik zurück, aber er hat den Vorzug, die Zeichnung in ihrem eigentümlichen Charakter wiederzugeben und er verdient deshalb die lebhafteste Unterstützung der Künstler.


Während die Geschichte der Buchdruckerkunst in Frankreich und England ziemlich mit der Schilderung der typographischen Wirksamkeit der beiden Metropolen Paris und London zusammenfiel, lagen die Verhältnisse in Deutschland etwas anders.

Zwar besitzt das deutsche bibliopolisch-typographische Reich in Leipzig einen Mittelpunkt des Verkehrs, der in mehrfacher Hinsicht einzig in seiner Art dasteht; zwar haben sich in Leipzig, einer Provinzialstadt mittleren Umfanges, durch die eigene Kraft und Thätigkeit bei kluger Benutzung günstiger Umstände nicht allein der ganze Kommissionsbuchhandel, sondern auch eine grossartige Verlags- und typographische Wirksamkeit entwickelt, und die Stadt gilt noch heute mit Recht als das Zentrum der bibliopolisch-graphischen Thätigkeit Deutschland-Österreichs. Es[259] war jedoch in den Verhältnissen begründet, dass Berlin mit der zunehmenden Wichtigkeit der Machtstellung Preussens mehr und mehr ein Sammelpunkt wissenschaftlicher, künstlerischer und journalistischer Kräfte werden und damit für den Buchhandel und die Typographie eine hohe, sich namentlich über den Norden erstreckende Bedeutung gewinnen musste. Dass dies in einem noch weit höheren Masse von der jetzigen Reichshaupt- und Millionenstadt gilt, bedarf kaum der Erwähnung.

Andererseits entwickelte sich in dem Süden ein in mancher Beziehung schon aus religiösen Gründen von dem nordisch-protestantischen abweichendes Geistesleben, das in seiner Sonderrichtung zumteil von divergierenden politischen Neigungen genährt wurde. München, das durch seine Stellung in Kunst und Wissenschaft und durch seine Bedeutung als Hauptstadt des zweitgrössten Staates Deutschlands zur Führung des Südens berechtigt war, wusste nicht diese Berechtigung geltend zu machen. Wie im Zentrum, so gelang es auch im Süden einer Mittelstadt durch günstige Verhältnisse, Rührigkeit und Intelligenz den ersten Platz einzunehmen und es wurde Stuttgart möglich, wennauch nicht Leipzigs Bedeutung für das Ganze, so doch eine bevorzugte Stellung für den süddeutschen Buchhandel zu erreichen und letzterem eine gewisse Selbständigkeit in dem deutschen bibliopolisch-typographischen Reich zu erwerben.

Eine ausschliessliche Konzentration fand mit alledem nicht in den drei erwähnten Emporien statt. In Nürnberg, Augsburg und Frankfurt a. M. lebten die alten Traditionen noch lange fort; die freien Hansastädte waren nicht Provinzialstädte im englisch-französischen Sinne geworden, und in mancher der kleinen Residenzen spross öfters ein unabhängiges reiches Kulturleben hervor. Während in Frankreich z. B. ein in Nantes oder Bordeaux, in England ein in Liverpool oder Manchester erschienenes Verlagswerk, welches sich Geltung zu verschaffen wusste, ein Phänomen blieb, war es, um in Deutschland mit einem Werke durchzudringen, nicht notwendig, dies in Leipzig, Berlin oder Stuttgart erscheinen zu lassen, wenn dies auch seine geschäftlichen Vorteile hatte. Ein Verleger in Braunschweig, Gotha, Altenburg oder in jeder anderen kleinen Druckstadt konnte, wenn er der rechte Mann und seine[260] Artikel gute waren, diese zur Geltung bringen. Infolge davon verbreiteten sich auch die typographischen Anstalten gleichmässiger über das ganze Reich.

Dies war der Segen der eigentümlichen Organisation des deutschen Buchhandels, der in der Zeit der nationalen Drangsale Deutschlands fast das einzige Band war, welches das politisch zersplitterte Reich zusammenhielt.

Solange der politische Druck auf Österreich und seiner Hauptstadt lastete, war es mit dem Press- und Buchgewerbe dort nur kümmerlich bestellt. Es konnte jedoch nicht fehlen, dass mit dem Fallen der Fesseln dies anders werden musste. Es war nicht denkbar, dass Wien, damals im Range die dritte der Weltstädte, sich einer Provinzialstadt Mitteldeutschlands bibliopolisch und typographisch unterordnen sollte. In rapider Weise entwickelte sich dort der Verlag und die Buchdruckerkunst und um die Kaiserstadt herum gruppierten sich nun wieder die Provinzialstädte des Reiches, die früher vollständig isoliert gestanden hatten.

So sehen wir nunmehr das deutsche Pressgewerbe, unter Beibehaltung seines eigentümlichen Wesens, namentlich in vier Emporien repräsentiert: Leipzig im Zentrum, Berlin im Norden, Stuttgart im Süden, Wien im Osten, während die übrigen Teile und Städte Deutschland-Österreichs sowohl als der von diesem geschäftlich abhängigen Umländer, je nach Lage, Sympathien oder nach der politischen oder geschäftlichen Attraktionskraft der Mittelpunkte, sich um diese gruppieren.

Von einer scharfen Abgrenzung kann dabei selbstverständlich nicht die Rede sein. Da es jedoch die Übersicht sehr erleichtert, den massenhaften Stoff nach den natürlichen Kreisen zu scheiden, so ist diese Vierteilung für die folgenden Kapitel beibehalten, jedoch unter Voranstellung einer Gesamt-Übersicht der Schriftgiesserei, der Xylographie, der Maschinenfabrikation und sonstiger für die Gesamtheit gleichen Verhältnisse.

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[261]


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IX. KAPITEL.

ALLGEMEINER ÜBERBLICK
ÜBER DAS DEUTSCHE PRESSGEWERBE.

Gedrückter Zustand des Pressgewerbes. Nachdruck und Presspolizei. Die kaiserl. Bücherkommission. Die Presse in den einzelnen Bundesstaaten. Die nationale Litteratur. Reform des Buchhandels. Der Börsenverein. Die Bücherproduktion. Der Buchdrucker-Verband und der Prinzipal-Verein. Statistisches. Die Papierfabrikation. Die Buchbinderkunst, der Masseneinband und die Handarbeit.

Gedrückter Zustand des Pressgewerbes.
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ER gedrückte Zustand, in welchem wir das deutsche Pressgewerbe zum Schluss der früheren Periode verliessen (I, S. 168), sollte sich noch weit über den Schluss des achtzehnten Jahrhunderts ausdehnen. Der siebenjährige Krieg, die Revolutionskriege, die Zwingherrschaft Napoleons, die verkümmerten national-ökonomischen Verhältnisse lasteten schwer auf dem ganzen Volk und auf allen gewerblichen Verhältnissen, begreiflicherweise nicht in letzter Reihe auf Buchhandel und Bücherdruck. Diese hatten, ausser mit den allgemeinen, noch mit ihren besonderen Plagen, Der Nachdruck.Nachdruck und Presspolizei, zu kämpfen. Ersterer erhob in schamlosester Weise sein Haupt und brachte den Verlagshandel um die Früchte seiner Opfer und seiner Thätigkeit. Unter solchen Verhältnissen konnten keine angemessenen Honorare gewährt[262] werden und die schlecht bezahlten Autoren versuchten zumteil ihr Heil in dem Selbstverlage ihrer Werke auf Subskription oder durch Vereinigungen zu den sogenannten „gelehrten Buchhandlungen“, die gewöhnlich ein trübes Ende nahmen und den Verlagsbuchhandel noch mehr diskreditierten.

Die Polizeiwillkür.

Doch nicht allein die Nachdrucker, sondern auch die Polizeiwillkür betrachtete ein Presserzeugnis als ein herrenloses Gut und die Erzeuger als ausserhalb des Schutzes der Gesetze stehend. Es ist nicht gerade notwendig, den extremsten Fall, die Erschiessung Palms in Braunau am 26. August 1806 durch Napoleon, heraufzubeschwören, das Dasein der der Presse Dienenden war ein Zustand von Hangen und Bangen, der, wennauch nicht das Leben, so doch oft Opfer an Gut und Freiheit kostete.

Die kaiserliche Bücherkommission und die Zensur.

Mit der Verlegung des Schwerpunktes der Pressgewerbe nach Leipzig war rechtlich keine Änderung in den presspolizeilichen Verhältnissen eingetreten. Ein kaiserliches Edikt vom 10. Februar 1746 beschäftigte sich sehr eingehend mit der Bücherzensur im heiligen römischen Reich und spricht „seine sonderbare Befremdung“ über die bisherige Nichtachtung der Reichsgesetze aus. Über alle Einzelheiten im Buchhandel und Buchdruck, selbst über Papier und Schriften wurden Bestimmungen getroffen. Dieser Standpunkt wiederholt sich in den Wahlkapitulationen bis 1792. Wie die Reichsregierung jedoch selbst klagt, es blieb meist bei den leeren Worten und die kaiserliche Bücherkommission war faktisch seit Verlegung der Messe nach Leipzig so gut wie von der Bühne verschwunden. Sie wusste, dass sie keinen Gehorsam finden würde und hielt sich deshalb möglichst hinter den Kulissen. Somit war die Presse fast lediglich von der Gesetzgebung der einzelnen Staaten und deren Politik abhängig; von einer Einheitlichkeit der Pressgesetzgebung, der Zensur und der Presspolizei war keine Rede[152].

Pressverhältnisse der einzelnen Bundesstaaten.
Preussen.

Preussen genoss schon vor Friedrich dem Grossen eine gewisse Freiheit und letzterer gewährte den Zeitungen einen noch grösseren Spielraum und bediente sich sogar derselben, um seine Massregeln[263] vorzubereiten oder zu verteidigen. „Die Gazetten, wenn sie interessant sein sollen, müssen nicht geniert werden.“ Doch darf man dieses Wort nicht zu genau nach dem Buchstaben nehmen. Über Angriffe auf seine Person dachte der König allerdings sehr liberal, dagegen konnte er bei Einmischung in seine Verwaltung unduldsam werden. Die Zensur der Schriften, welche das öffentliche Recht behandelten, übertrug er dem Kabinettsministerium. Im Jahre 1747 wurde die Berliner Akademie mit der Zensur aller Schriften betraut. 1749 erschien ein etwas verschärftes Zensuredikt, welches bis zum Tode Friedrichs in Kraft blieb, jedoch mild gehandhabt wurde, wie der König überhaupt die Presse mit mehr Achtung behandelte, als man damals gewohnt war.

Nach dem Tode Friedrichs nahm die Lage in Preussen eine andere Gestalt an. In dem Jahre 1788 erschienen das berüchtigte Religionsedikt und das diesem geistesverwandte Zensuredikt vom 19. Dezember desselben Jahres. Natürlich „wollte man den Unterthanen alle erlaubte Freiheit gern akkordieren“ — aber „zugleich Ordnung im Lande haben“.

Die französische Revolution und Napoleons eiserner Druck auf Deutschland hemmten den Fortschritt gewaltig, wennauch sein Dekret vom 5. Februar 1810, durch welches die Angelegenheiten der Presse, des Buchhandels und der Buchdruckerei geordnet werden sollten, auf Grund der Schwerfälligkeit des gesamten Apparates in seinen Folgen nicht so schlimm wurde, als man hätte befürchten müssen[153].

In den nichtpreussischen Teilen des deutschen Reiches sah es bald besser, bald schlimmer aus, je nach dem Vorgehen der Einzelregierungen, denn die Reichsgesetze hatte man entweder im stillen beseitigt oder sie waren gar, wie in Holstein, wo die dänische Pressfreiheit eingeführt war, offiziell abgeschafft. Auch in Mecklenburg, Braunschweig, Weimar, Hessen-Darmstadt, Nassau bestand faktisch Pressfreiheit, ohne dass sie rechtlich garantiert war. In Hannover waren wenigstens die Werke der Professoren der Universität Göttingen zensurfrei. In Baden, Dessau und den freien Reichsstädten, namentlich in Hamburg, fand die Tagespresse in der Regel[264] Bayern.eine sichere Zufluchtsstätte. Am traurigsten sah es in Bayern aus. Nach einem kurzen Lichtblick unter der Regierung des Kurfürsten Maximilian III. Joseph war ein ganz massloser Druck eingetreten, Württemberg.und auch in Württemberg wurde grosse Härte und Willkür geübt. Es kam dort zu Vorgängen — wie gegen den Dichter Schubart —, die sich denen der Säbelherrschaft Napoleons nicht unwürdig anreihen.

Die geistlichen Staaten.

In den geistlichen Staaten unterlagen die Presserzeugnisse neben der weltlichen Zensur auch noch der des römischen Stuhles und es kamen öfters Fälle vor, dass Schriften auf Befehl Roms nachträglich konfisziert wurden, nachdem sie bereits die Landeszensur passiert hatten.

Sachsen.

Sachsen, obwohl der Hauptsitz des Buchhandels, war nicht, wie man es wohl hätte erwarten können, geneigt, zu freisinnigen Pressinstitutionen die Initiative zu ergreifen, um damit Leipzig auch zum Zentrum der wissenschaftlichen Bewegung und der Tagespresse zu machen, wie es der Mittelpunkt des bibliopolischen Verkehrs geworden war. Es fehlte sowohl bei der Regierung wie bei dem Volke der eigentliche Schwung. Schon die Religionsverschiedenheit der Herrscher und des Volkes legte der freien Behandlung religiöser Fragen Hindernisse in den Weg. War man jedoch auch nicht freisinnig in der Gesetzgebung, so war man doch in der Praxis mild und suchte den Buchhandel auf Grund von Leipzigs Stellung zu demselben möglichst zu schonen[154]. Die Bücherkommission, zu welcher die Regierung Mitglieder der Universität, des Rats und später des Buchhandels ernannte, verfuhr mit grösster Schonung, nur über einen, den strengen Zensor Bel, war man sehr missgestimmt; ja es kam so weit, dass man von dem Wegbleiben der Auswärtigen von der Messe sprach.

Die nationale Litteratur.
Zeitschriften.

Mit dem Beginn der vorliegenden Periode beginnt auch das Aufblühen der nationalen Litteratur, die zu Ende des XVIII. und zu Beginn des XIX. Jahrhunderts ihre schönsten Blüten trieb. Zu der Zeitungslitteratur, welche sich mit Besprechung oder Kritik der öffentlichen Zustände beschäftigte, gab erst A. L. v. Schlözer in Göttingen, dem K. F. v. Moser nacheiferte, den Anstoss. Schlözers[265] Staatsanzeigen 1782–1793 hatten zurzeit 4000 Abnehmer und waren selbst in den höchsten Kreisen beachtet. Von da ab wurden alle Der Buchhandel.Verhältnisse in den Wochen- und namentlich in den Monatsschriften erörtert und um 1785 gab es 400–500 Zeitschriften. Die politische Tagesschriftstellerei war damals noch nicht ein förmliches Gewerbe, die Unternehmer waren meist Professoren und Gelehrte, die Bücherkäufer bestanden hauptsächlich nur aus Gelehrten, Bibliotheken und Beamten, deren begrenzte Mittel sie jedoch gewöhnlich zwangen, sich auf das Nötigste zu beschränken. Das übrige Publikum begnügte sich nicht selten mit fader Unterhaltungslitteratur. Ein direktes Eingreifen des Buchhandels, um neue litterarische Erscheinungen hervorzurufen, war nur selten bemerkbar, der buchhändlerische Unternehmungsgeist war noch nicht erwacht.

Erst mit Friedr. Arnold Brockhaus beginnt das eigentliche tendenziöse Eingreifen der Verleger, welche die Verbreitung wirklicher allgemeiner und politischer Bildung ins Auge fassten. Aber welche Quelle der Sorgen und Plagen sollten ihm und seinen Gesinnungsgenossen aus solchem Beginnen erwachsen[155]!

Reform des Buchhandels.

Eine Reform des buchhändlerischen Geschäftsbetriebes war schon in der letzten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts versucht worden, namentlich richteten sich die Bestrebungen auf die Unterdrückung des Nachdrucks und auf Gleichmässigkeit und Ordnung in den Rechnungsverhältnissen. Ph. E. Reich in Leipzig gelang es 1765, den ersten Buchhändler-Verein zustande zu bringen, doch war die Wirksamkeit desselben keine grosse und er verschwand bald ganz. 1792 versuchte P. G. Kummer in Leipzig wieder einen solchen zu begründen, jedoch erst der durch C. C. Horvath aus Potsdam hervorgerufene Börsenverein[156] war von Dauer und aus ihm entstand 1824 erst der wirkliche, jetzt noch bestehende Börsenverein der Deutschen Buchhändler, dem es namentlich durch die unermüdlichen Anstrengungen des 1833 am 25. Februar gegründeten Leipziger Buchhändler-Vereins und durch die liberale Unterstützung der[266] Sächsischen Regierung gelang, am 1. Mai 1836 sich in dem eigenen stattlichen Börsengebäude versammeln zu können.

Börsenverein.

Seit der Zeit ist der Verein ruhig fortgeschritten und zählte 1882 1480 Mitglieder. Sein Haus besitzt er seit 1869 vollständig schuldenfrei; ausserdem eine höchst wertvolle, in ihrer Art einzig dastehende Fachbibliothek und reiche Sammlungen für die Geschichte der graphischen Künste[157], einen Verlag fachgeschichtlicher Schriften, ein wohlgeordnetes Finanzwesen und ein Vermögen von nahe an 400000 Mark.

Ein wesentlicher Einfluss auf die Gesetzgebung über das litterarische Eigentumsrecht und auf die Ordnung der Verhältnisse der Presse ist dem Verein durch das Vertrauen der Regierungen zugefallen. Einige in letzter Zeit in seinem Schosse entstandene Differenzen, die aus den Versuchen entsprangen, dem Verein Machtbefugnisse beizulegen, die ihn berechtigt haben würden, in geschäftliche Verhältnisse des Einzelnen einzugreifen, waren nicht derart, um für den so fest begründeten nützlichen Verein Gefahren zu bereiten.

Das Vereinsorgan ist das 1834 gegründete, seit 1867 täglich erscheinende „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“[158]; dieses im Verein mit dem „Naumburgschen Wahlzettel“, „Schulz' Adressbuch für den deutschen Buchhandel“ und dem „Hinrichsschen Bücherverzeichnisse“ sind geschäftliche Hülfsmittel von grossem Werte, wie sie in dieser Ausdehnung keine andere buchhändlerische Organisation besitzt[159].


Aufschwung der Pressgewerbe.

Fast gleichzeitig mit der Gründung des Börsenvereins und des Leipziger Buchhändler-Vereins war die grosse politische Bewegung infolge der Julirevolution in Paris 1830 und die bedeutenden technischen Verbesserungen der Typographie eingetreten. Die Produktion kam nun rasch in Fluss und trat in mancher Beziehung in andere Bahnen ein. War der Buchhändler früher weniger ein[267] Spekulant gewesen, so wurde er jetzt vielfach ein Bücherfabrikant und unterlag als solcher mehr als sonst den Schwankungen der Zeitverhältnisse[160].

Die illustrierten Blätter.

Die Zeitschriften, selbst die belletristischen, schlugen unter Führung des jungen Deutschlands mehr oder weniger eine tendenziös-politische Richtung ein. Daneben wucherte die Broschürenlitteratur in üppigster Fülle.

Geradezu umwälzend wirkte 1832 das Erscheinen des Penny magazine (S. 94) auf die deutsche Journallitteratur. Es entstanden die verschiedensten Nachahmungen und selbst die Verleger der nichtillustrierten Blätter waren wenigstens bemüht, diese durch Bilderprämien, zuerst Stahlstiche und schwarze Lithographien, später Chromolithographien, unter Zuhülfenahme der Colportage „bis in die Hütten“ zu verbreiten. Den Pfennigblättern folgte 1843 die „Illustrierte Zeitung“. Auch der Humor machte unter Vortritt der „Fliegenden Blätter“ (1845) seine Rechte in einer Reihe von periodischen Schriften geltend, in welchen hauptsächlich die lithographische Federzeichnung, bei welcher der Künstler ohne die Dazwischenkunft eines Anderen seiner Laune die Zügel schiessen lassen konnte, Verwendung fand.

Die Kalenderlitteratur.

Im Gefolge der illustrierten Blätter und unterstützt durch die grossen Fortschritte der Holzschneidekunst stellten sich die zahlreichen Volkskalender ein, von denen der von Fr. W. Gubitz (1833) herausgegebene der reichste an Inhalt sowie an Illustrationen, zugleich der am weitesten verbreitete war. Leider wurde dieser volkstümlichsten und bei ehrlichem Streben sehr beachtenswerten Gattung von Presserzeugnissen nicht allein durch die Höhe der daraufgelegten Stempelsteuer, sondern noch mehr durch die mit der Erhebung derselben in der Zeit der Vielstaaterei und der[268] ausgebildetsten Zollplackerei verbundenen Schwierigkeiten sehr gehemmt und den Verlegern eine Quelle des fortwährenden Verdrusses und Nachteils eröffnet.

Die illustrierten Heftwerke.

Die Illustration bemächtigte sich jedoch nicht nur der Journallitteratur, sondern es entstanden auch illustrierte Lieferungswerke in grosser Zahl, welche bei der Erscheinungsweise in Heften zu 2½, 5 oder höchstens 10 Groschen leicht Eingang fanden, bis Missbrauch der Geduld und der Kasse des Publikums sie in Misskredit brachte.

Den Reigen begannen Werke mit lithographischen, zumteil kolorierten Bildern, dann folgten solche mit Stahlstichen, Holzschnitten und Chromolithographien. Leipzig und Stuttgart gaben den Ton an. Österreich blieb in der Produktion zurück, bildete aber das vorzüglichste Absatzgebiet. Für Holzschnittwerke wurden zuerst namentlich französische Clichés benutzt; bald aber konnte Deutschland Originale genug liefern und gab bereits im Jahre der Jubelfeier von Gutenbergs Kunst vollgültige Beweise seines selbständigen Schaffens. Die Stahlstichwerke wurden hauptsächlich mit englischen Produkten illustriert; dann wagte man sich daran, unter Beihülfe englischer Künstler, von denen viele sich in Deutschland etablierten, die Stiche selbst zu liefern.

An die Stelle der Taschenbücher in bescheidenem Format traten nach englischen Mustern die grossen Albums und Jahrbücher, die sich jedoch eben so wenig in Deutschland wie in England hielten und den illustrierten Dichterwerken Platz machten.

Die Klassiker-Ausgaben.

Ebenfalls eine andere von England nach Deutschland verpflanzte, jedoch sehr schnell verschwindende Mode war die der Klassiker-Ausgaben in einem Bande grossen Formats mit gespaltenen Kolumnen. Dahingegen fanden die sogenannten Schiller-Ausgaben (von 1845 ab) in einem kleinen breiten Sedez eine grosse Verbreitung und andauernden Beifall. Jeder Verleger spürte in seinem Verlagskataloge eifrigst nach, ob er nicht einen von ihm übersehenen „Klassiker“ im Verlage habe und mancher wunderbare Klassiker-Heilige zeigte sich mit der Schillerkutte angethan. Selbst umfangreichere wissenschaftliche Werke fielen der Schillerformat-Manie anheim. Für die epochemachende Tauchnitz-Collection war dies Format bereits 1842 angenommen.

[269]

Konversationslexika.

Die Bedürfnisse nach allgemeinen encyklopädischen Kenntnissen fanden reiche Nahrung durch die grosse Zahl von Konversationslexika mit oder ohne Illustrationen, die alle mehr oder weniger in Brockhaus' Kielwasser mit einer von ihm in billigster Weise entlehnten Ladung segelten. Sogar die Damen erhielten ein solches Lexikon und es fehlte auch nicht einmal eins für Kinder.

Die Zensurplackereien in den Jahren 1830–1848 überschritten alle Grenzen. Zwar waren Schriften über 20 Bogen zensurfrei geworden, jedoch musste 24 Stunden vor der Herausgabe ein Exemplar der Polizei überreicht werden, und diese Zeit genügte für die provisorische Beschlagnahme, die in ihren Wirkungen für Die politische Poesie.den Verleger einer definitiven ziemlich gleichkam. Für die politische Poesie und den politischen und sozialen Roman lag hierin ein Vorschub, da diesen Erzeugnissen nicht so leicht beizukommen war als denjenigen eines klar ausgesprochenen politischen Inhalts. Der Unterdrückte wird durch strenge Massregeln seiner Überwacher nur erfinderischer in der Auswahl seiner Mittel, diese zu umgehen, und die erwähnten Litteraturzweige blühten.

Pressfreiheit.

So hatte es lange unter der Asche geglimmt, bevor der Brand infolge der Pariser Februar-Revolution 1848 in Deutschland in hellen Flammen sich Luft machte. Eine Folge war die endliche Gewährung der seit mehr als 30 Jahren verheissenen Pressfreiheit und die unbehelligte Einfuhr der Bücher in Österreich, bei welcher jedoch der Buchhandel pekuniär vorläufig wenig gewann, da der Reiz des Besitzes des Verbotenen nunmehr aufhörte.

Die Zeitungen und Broschüren.

Für die erste Zeit nahmen Zeitungen und Broschüren[161] die Aufmerksamkeit des Publikums ausschliesslich in Anspruch. Viele Kontinuationswerke kamen ins Stocken; der Kredit des Buchhandels wurde beschnitten. Nur in der Zeitungslitteratur herrschte frisches Leben, aber auch eine grosse Zersplitterung der Kräfte, unter welcher die Erzielung grosser Resultate sehr schwer war. Jede[270] Parteischattierung, jede Stadt, jedes Städtchen wollte ein Blatt oder Blättchen für sich haben.

Während die politischen Zeitungen mit ihren reichhaltigen litterarischen und schönwissenschaftlichen Feuilletons die eigentliche Unterhaltungslitteratur und auch die litterarischen Blätter ganz zurückdrängten, gediehen die illustrierten, halb unterhaltenden, halb belehrenden Wochenblätter, für welche die „Gartenlaube“ die Bahnbrecherin gewesen war, vortrefflich.

Modezeitungen.

Als ein bedeutendes Element trat die Mode hinzu. Die grossen Muster- und Modezeitungen, welchen zurseite die Frauen standen, die zum Schrecken der Männer alles Mögliche und Unmögliche behäkelten oder bestickten und in „Schnitten“ das Unglaublichste leisteten, fanden eine mitunter kolossale Verbreitung und wurden selbst in Paris massgebend.

Auch die politisch-soziale Satire hatte ihren Tummelplatz, auf welchem der „Kladderadatsch“ sich als Vorturner auszeichnete.

Die Reaktion.

Nachdem die Regierungen nach der Sturmperiode sich von ihrem Schrecken erholt und wieder festeren Boden unter sich fühlten, begann die Reaktion erst im stillen, dann offen ihr Spiel zu treiben und die Verfolgungen gegen Schriftsteller, Verleger und Drucker gehörten zur Tagesordnung. Von allen Seiten trat die Politikmüdigkeit ein, dagegen stieg die Lust an Büchern in demselben Verhältnis wie die Unlust an Zeitungen. Die Konkurrenz im Buchhandel erhob sich wieder mächtig. Sprach jemand einen Gedanken aus, so fiel gleich ein halbes oder ganzes Dutzend Verleger über denselben her und zeigte sich bereit, an der Abhülfe eines längst Die Kollektiv-Unternehmen.gefühlten Bedürfnisses mitzuwirken. Die Kollektiv-Unternehmungen aller Art schossen wie Pilze aus der Erde und fanden guten Absatz, mit Ausnahme der Romansammlungen, denn trotz der Billigkeit und der zumteil guten Auswahl derselben zog das Publikum doch vor, sich mit der schönen Litteratur durch die Zahlung von fünf Pfennigen oder einem Groschen Leihgebühren pro Band abzufinden.

Durch die Eisenbahnen war die Welt in eine fortwährende Bewegung gekommen. Es musste also auch für die Bedürfnisse des reisenden Publikums gesorgt werden, was in ergiebigster Weise durch Reisehandbücher und Reiseatlanten, Parleurs etc. geschah.

[271]

Der 9. November 1867.

Ein Tag von grosser Bedeutung in der Geschichte des Buchgewerbes war der 9. November 1867, an welchem die Verlagsrechte an die Werke der seit 30 Jahren oder länger verstorbenen Autoren Gemeingut wurden. Merkwürdigerweise hatten die hauptsächlichsten Verleger der Werke, die von der Bestimmung getroffen wurden, nicht versucht, der Gefahr beizeiten energisch zu begegnen, und überliessen den Konkurrierenden eine zeitlang das Feld. Diese hatten aber um so vorsorglicher gehandelt und sich zumteil vor Ablauf des Termins mit einigen Verlegern geeinigt, sodass sie noch vor dem 9. November ihre Kollektionen zu den wohlfeilsten Preisen beginnen konnten. Fast noch einschneidender als im Buchhandel wirkte dieser Tag in dem Musikalienhandel.

Der Colportage-Roman.

Neben den besseren Erzeugnissen der Unterhaltungs-Litteratur florierte die Schmarotzer-Pflanze des Colportage-Romans und tötete teilweise den Sinn für ernstere Lektüre, brachte auch nebenbei durch Beigabe grösstenteils mittelmässiger Prämienbilder die jugendlich frisch aufblühende Kunst des Farbendruckes in Misskredit.

Die Pracht-Albums.

Die grossen Fortschritte der Typographie, der Xylographie und der Chromolithographie in Verbindung mit der Photographie und den verschiedenen Lichtdruckverfahren hatten den Geschmack für schöne Bücher mächtig gefördert und riefen ARCHITEKTONISCHE und technische Werke von grossem Werte, sowie Mustersammlungen der besseren Erzeugnisse alter, mittlerer und neuerer Zeit hervor. Es folgten prachtvolle ethnographische Werke. Schliesslich entstand eine wahre Sintflut von Albums, hauptsächlich mit photographischen Illustrationen zu Gedichten, Romanen, Opern u. dgl.

Die „Mark-Bibliotheken“.

Als jüngste Phase des Buchhandels, deren Resultate noch nicht vorliegen können, müssen die Mark-bibliotheken bezeichnet werden, in welchen ein hübsch gebundener Band für eine Mark geliefert wird. Diese Kollektionen beschränken sich nicht auf die Unterhaltungs-Litteratur, sondern dehnen sich auch auf die wissenschaftliche aus.

Die Landkarten-Produktion.

Zum Schluss sei noch die Landkarten-Produktion erwähnt. Diese erhielt durch Hülfe der Chemitypie und der Zinkographie, sowie der Vielfarben-Druckmaschine eine gewaltige Ausdehnung[272] und die Billigkeit der Erzeugnisse bei schöner Ausführung grenzt an das Wunderbare. Da diese Branche der Aufklärung ohne jeden bitteren Beigeschmack dient, so kann die Freude hierüber eine ungetrübte sein.


Buchdrucker-Gehülfen-Verband.

Unter den Errungenschaften des Jahres 1848 war auch das Associationsrecht. Es war selbstverständlich, dass die Buchdrucker-gehülfen dasselbe benutzten, um sich in Vereine zu sammeln behufs Vertretung ihrer Interessen mit gemeinsamen Kräften. Dass sie mässiger in der Benutzung ihrer Freiheiten hätten sein sollen als alle anderen Klassen, war nicht zu verlangen. Die alte „patriarchalische“ Zeit hatte ihnen durch willkürliche Berechnungs- und unregelmässige Zahlungsweise manche Unbill gebracht, für welche sie jetzt Revanche nahmen, dabei die Berechnung der Zinsen nicht vergessend.

Eine erste allgemeine Versammlung der Gehülfen aus ganz Deutschland fand in den Tagen vom 11. bis 14. Juni 1848 in Mainz statt. Die dort gefassten Beschlüsse hatten zwar einen Protest von gegen 200 Prinzipalen zur Folge, dabei blieb es jedoch und man liess den Verband der Buchdrucker- und Schriftgiesser-Gehülfen, welcher die lebhafteste Beteiligung fand, ruhig gewähren.

Der Prinzipal-Verein.

Erst nachdem der Verband fast unumschränkter Herr in den Druckereien geworden, dachten die Prinzipale daran, sich auch an einander zu schliessen und versammelten sich am 15. August 1869 ebenfalls in Mainz. Der dort konstituierte Verein wollte nicht nur Front gegen den Gehülfen-Verein machen und die persönlichen Beziehungen fördern und kräftigen, sondern auch in der Art des Börsenvereins der deutschen Buchhändler die Interessen des Geschäfts in allen Lagen vertreten. Zum Vorort wurde Leipzig bestimmt und ein Vorstand von neun Mitgliedern gewählt. 1872 zählte der Prinzipal-Verein mehr als 700 Mitglieder; der Gehülfen-Verband das Zehnfache (7295). Die Gesamtzahl der Gehülfen mochte gegen 11000 betragen. Von den etwa 4000 Nichtverbandsmitgliedern hielt sich eine ziemliche Anzahl nur als „Schlaumeier“ von den Verbandsbestrebungen zurück; im Herzen gönnten sie selbstverständlich, wenn sie auch nicht immer das Vorgehen des Verbandes im einzelnen billigten, wohl so ziemlich alle dem Verband[273] die grösstmöglichsten Vorteile, denn auch sie genossen ja in ihrer gedeckten Position die errungenen Vorteile mit.

Differenzen zwischen Prinzipalität und Gehülfenschaft.

Nach einer langen Reihe von Differenzen und nach zahlreichen Übergriffen seitens des Verbandes fand zu Anfang des Jahres 1873 eine allgemeine Kündigung der Gehülfen seitens der Prinzipale statt. Da jedoch nicht alle Druckereien dem Verein angehörten, denn auch unter den Prinzipalen gab es viele „Schlaumeier“, und ein grosser Teil der Mitglieder den gefassten Beschlüssen nicht treu blieb, kam es nach vielen Verhandlungen zwischen den beiden Vereinen am 12. Januar 1874 zu einem Abkommen, das mit einem allgemein einzuführenden Tarif und dem Einsetzen eines Einigungsamtes in Differenzfällen endigte.

Der Prinzipal-Verein hat seinen Zweck bis jetzt nur im beschränkten Masse erreicht, weil er zu viel in einer zu kurzen Zeit erreichen wollte und weil manche seiner Mitglieder direkte Hülfe in ihren besonderen Angelegenheiten vom Verein erwarteten, während dieser nur für eine Anbahnung besserer Zustände im allgemeinen wirksam sein konnte. Jetzt, wo er seiner Thätigkeit engere Grenzen gesteckt hat, ist auch zu erwarten, dass er, wennauch nur Schritt für Schritt, zum Ziel gelangen wird, um so mehr, als die Gehülfen ihre prinzipielle Opposition gegen ihn aufgegeben haben[162].

Die offenbar zu grossen Einräumungen der Prinzipale im Jahre 1874 sind durch die Praxis gemildert, denn auch die Gehülfen haben einsehen gelernt, dass es im Geschäft gewisse Grenzen giebt, die man ohne sich selbst zu schädigen nicht überschreiten kann.

Ruhigere Verhältnisse.

So hat die beste Lehrmeisterin, die Erfahrung, am meisten dazu beigetragen, das Verhältnis im allgemeinen befriedigender zu gestalten. Die Versuche der Gehülfen, kooperative Druckereien zu begründen, haben aus den jedem Geschäftsmann leicht erklärlichen Gründen fast nur Misserfolge gehabt. Diese Thatsache hat ebenfalls[274] gedient, die Gehülfen darüber aufzuklären, dass auch im Geschäft nicht alles Gold ist, was glänzt, und sie mit dem Los der Abhängigkeit zu versöhnen. Somit steht zu hoffen, dass künftig ein innigeres Zusammenwirken von Prinzipalität und Gehülfenschaft dazu beitragen wird, Gutenbergs Kunst stets mehr und mehr zu Ehren zu bringen.

Die Organe der Gehülfenschaft.

Das bedeutendste Organ der Gehülfenschaft ist der, jetzt dreimal wöchentlich erscheinende, 1862 gegründete „Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgiesser“. Früher fast nur und oft in massloser Weise polemisch wirkend, ist das Blatt mit den Verhältnissen auch ruhiger geworden, bringt jetzt manche technische und belehrende Artikel und hat namentlich um statistische Aufnahmen Verdienste. Der Leiter ist seit einer langen Reihe von Jahren Richard Härtel, der, früher zugleich Präsident des Verbandes, mit Klugheit und Geschick die Interessen desselben wahrgenommen hat. Das Organ der österreichischen Gehülfen ist „Vorwärts“ in Wien.


Statistisches.

Es erübrigt noch, einen kurzen Überblick über die Kräfte, welche bei der graphischen Produktion in Deutschland wirken, und über die Produktion selbst zu geben.

Buch- u. Steindruckereien.

Das Deutsche Reich hatte 1881 in 1471 Städten 3389 Buchdruckereien und 1994 Steindruckereien[163]. In diesen Offizinen sind 96 Rotationsmaschinen, 5811 typographische, 1369 lithographische Schnellpressen, 244 Tretmaschinen, 2463 typographische und 6687 lithographische Handpressen vorhanden. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass der grösste Teil der typographischen Handpressen entweder nur als Korrekturpressen dienen oder auch ein vollständiges Stillleben führen. Beschäftigung fanden (1875) 52000 männliche, 11600 weibliche Mitarbeiter und 8400 Lehrlinge, in Summa also 71000 Arbeiter.

[275]

Von Schriftgiessereien waren 342 mit 2588 Arbeitern, von Schriftschneidereien und xylographischen Anstalten 371 mit 2353 Personen vorhanden. Von 66 Spielkartenfabriken wurden jährlich gegen 4500000 Pakete geliefert, auf denen Abgaben von etwa 1200000 Mark ruhten.

Buch- u. Kunsthandlungen.

Von Buch- und Kunsthandlungen gab es in 987 Städten 4376 mit 10590 Mitarbeitern. 11251 Buchbindereien beschäftigten 31624 Personen (darunter 7055 weibliche). Leihbibliotheken gab es 455, Zeitungs- und Annoncen-Expeditionen 326, Öldruck- und Globen-Anstalten 342.

Zeitschriften.

Im Jahre 1882 lieferten 1432 Städte 4998 Zeitschriften, von denen 76 in nichtdeutscher Sprache. Unter diesen vielen Zeitungen wurzeln bloss 9 in dem XVII., 89 in dem XVIII. Jahrhundert. Über 4000 entstanden seit 1830, von denen wieder über 2000 in den letzten zehn Jahren verschwanden, um wieder anderen Raum zu gewähren. Von den Zeitschriften kamen 2435 auf Preussen, 515 auf Bayern, 504 auf Sachsen, 216 auf Württemberg. Der Hauptvertrieb fällt der Post zu. Die Versendung betrug im Jahre 1880 gegen 300 Millionen Nummern.

Die Bücherproduktion.

Die Bücherproduktion des gesamten deutschen Buchhandels (also nicht nur des Deutschen Reiches) betrug 1879 14179 Nummern, 1880 14941 Nummern, 1881 15191 Nummern, und findet in ähnlicher Weise seit langer Zeit eine fortwährende Steigerung statt. In betreff der Ausfuhr deutscher Bücher ist Nordamerika für diese der bedeutendste Markt, auf welchem jährlich etwa für zwei Millionen Mark abgesetzt wird.

Zum Vergleich mit dem (S. 224) gegebenen Verzeichnis, aus welchem hervorgeht, dass 26 Städte Frankreichs von mehr als je 50000 Einwohnern zusammen eine Bevölkerung von 2594100 Seelen, 343 Buchdruckereien, 390 lithographische Anstalten, 908 Buchhandlungen und 640 Zeitschriften haben, folgt umstehend eine ähnliche Aufstellung aus dem Deutschen Reiche.

Das Deutsche Reich hat demnach in 42 Städten mit über je 50000 Einwohnern und einer Gesamteinwohnerzahl von 4176000 Seelen 966 Buchdruckereien, 888 lithographische Anstalten, 1737 Buchhandlungen, 1153 Zeitschriften. Nehmen wir zu einem näheren Vergleich die 26 ersten Städte des Deutschen Reichs (von[276] Berlin abgesehen) und stellen sie gegen die 26 Städte Frankreichs, so finden wir, dass erstere 3286000 Einwohner, 769 Buchdruckereien, 730 lithographische Anstalten, 1478 Buchhandlungen, 961 Zeitschriften haben; also gegen letztere ein Mehr von 692000 Einwohnern, 426 Buchdruckereien, 340 lithographischen Anstalten, 470 Buchhandlungen, 321 Zeitschriften aufweisen[164].

Städte Einwohnerzahl Buchdrucker. Lithogr. Anstalten Buchhandl. Zeitschriften
Hamburg   290000 100 114   125     59
Breslau   273000   31   30     53     33
München   230000   49   38     95     71
Dresden   220000   43   52   126     61
Leipzig   149000   92   69   400   248
Köln   145000   43   32     47     27
Königsberg   141000   14   12     25     25
Frankfurt a. M.   137000   58   45     71     59
Hannover   123000   32   19     48     38
Stuttgart   117000   38   30   107     98
Bremen   113000   22   30     26     19
Danzig   109000   11     8     21     21
Strassburg   105000   15   16     26     32
Nürnberg   100000   26   45     40     26
Magdeburg     98000   30   18     38     19
Barmen     96000   10   31     12       9
Düsseldorf     95500   20   15     30     11
Chemnitz     95000   14   10     33     10
Elberfeld     93500   16   19     18       7
Stettin     92000   22   20     18     17
Altona     91000   17   16     14       5
Aachen     85500   14   13     17     15
Braunschweig     75000   16   12     31     18
Posen     75000   12     8     20     15
Krefeld     74000   11   21     10       4
Halle     71500   15   10     35     17
Dortmund     67000   10     5     12     12
Mühlhausen     64000     7   12       4       4[277]
Augsburg     61500   13     7     23     19
Mainz     61000   22   25     24     17
Kassel     58500   19   14     25     14
Essen     57000     9     5       9       6
Erfurt     53500     6     9     12     14
Metz     53000     8     7     15       9
Mannheim     53000   11     7       8     11
Würzburg     51000   13     7     14     13
Lübeck     51000   11     9     10       6
Frankfurt a. O.     51000     2     5       8       4
Wiesbaden     50500   16     9     27     22
Görlitz     50500   11     4     13       8
Karlsruhe     50000   17   14     21     15
Darmstadt     50000   20   16     26     15
Summa[164] 4176500 966 888 1737 1153

Die Bedeutung von Paris für die graphischen Gewerbe Frankreichs ist bekanntlich eine weit tiefer eingreifende als die der Reichshauptstadt für Deutschland. Sollte der graphische Vergleich auf die Metropole ausgedehnt werden, so müsste man, der Deutschland eigentümlichen Organisation gemäss, Berlin und Leipzig zusammen Paris gegenüberstellen, um einigermassen zu einem richtigen Resultat[278] zu gelangen. In diesem Falle würde dann Leipzig ausfallen und Posen als 26. Stadt einrücken und damit das Mehr der 22 deutschen Städte wesentlich beschränkt werden, nämlich auf: 618000 Einwohner, 346 Buchdruckereien, 279 lithographische Anstalten, 190 Buchhandlungen und 88 Zeitschriften.

Die Papierfabrikation.

Die Papierfabrikation Deutschlands ist eine sehr bedeutende und beträgt nahe an 250 Millionen Kilogramm. Zur Herstellung sind 785 Papiermaschinen und 185 Bütten und die Arbeit von etwa 80000 Menschen notwendig. Ausserdem wirkten noch 260 Holzschleifereien, 45 Rohstofffabriken und 20 Cellulosefabriken, zusammen mit etwa 7500 Arbeitern. Rechnet man hinzu etwa 40000 Menschen, die mit Hadernsammeln und Nebenarbeiten beschäftigt sind, so giebt das ein Arbeiterkontingent von rund 128000 Köpfen. Um den Umfang dieser einen Branche richtig zu beurteilen, wären noch alle diejenigen mitzuzählen, die sich mit dem Papierhandel und der Fabrikation von Brief- und Luxuspapieren, Pergamentpapier, Couverts, Tapeten, Handlungsbüchern, Papierwäsche etc. etc. beschäftigen[165].


Die Buchbinderkunst[166] stand, als nach der Mitte unseres Jahrhunderts die Buchdruckerkunst auf ihrem Höhepunkt angelangt war, noch beträchtlich zurück und es dauerte auch noch eine zeitlang, ehe sie einen frischen Anlauf nahm.

Der Leinwandband.

Der Leinwand-„Einband“ dominierte vollständig. Man begnügte sich nicht wie in England mit diesem als einer provisorischen Hülle, sondern die Leinwanddecke war in Deutschland das definitive Kleid des Buches für Jahrhunderte (?). In der Verzierung solcher Bände ging man noch weiter als in England und verwendete neben den Goldverzierungen oft die Hochprägung, bei welcher Medaillon-Porträts, Büsten, allegorische Figuren, Lyras, Palmenzweige, sogar Landkarten zur Verwendung kamen. Die Hautreliefs wurden[279] bald flach gedrückt. Man gewöhnte sich, den Einbanddeckel als etwas zu betrachten, was er nicht ist und nicht sein soll: ein illustrierter Titel oder ein Frontispice, um den Inhalt des Buches zu erläutern.

Die Massenbände.

Der Betrieb des deutschen Buchhandels und die deutschen Verhältnisse waren dieser Verwendung des Leinwandbandes günstig. Die Verleger liessen ganze Auflagen in Leinwand binden und unter dem Publikum verbreiten. Ausser den Verlegern waren es noch die „Grosssortimenter“, welche dem Leinwandband Vorschub leisteten. Die Genannten kaufen von den Verlegern grosse Partien gangbarer Bücher, lassen dazu „stilvolle“ Platten anfertigen und verkaufen nun die gebundenen Bücher an die eigentlichen Sortimentshändler zu Bedingungen, die es den letzteren noch möglich machen, dem Publikum so wohlfeile Preise zu stellen, wie sie ein einzelner Privatbesteller beim Buchbinder auch nicht annähernd erzielen kann.

Im Prinzip ist diese Einrichtung gewiss eine höchst praktische, aber die Preise werden der Konkurrenz halber dem Buchbinder gegenüber so heruntergedrückt, dass Pfennige den Ausschlag geben, wodurch es dem Buchbinder fast unmöglich wird, auf Falzen, Heften und auf die Zuthaten an Pappe, Vorsetzblättern u. dgl. die nötige Sorgfalt und Ausgabe zu wenden.

Fortschritte im Geschmack.

Hinsichtlich der Dekoration des Leinwandbandes sind in jüngster Zeit ganz wesentliche Fortschritte gemacht worden. Die schreienden Farben der Leinwand haben den zarteren Modefarben und der Pergament-Imitation Platz machen müssen[167]. Das „Bemalen“ oder „Ausmeisseln“ der Bände durch Figurales, Landschaftliches etc. hat mehr und mehr aufgehört und wird durch Flachornamente ersetzt, für welche man die vielen trefflichen Vorbilder früherer Zeit benutzt oder tüchtige Künstler gewinnt. Ein Fehler ist noch ziemlich verbreitet: der übergrosse Reichtum der Ornamentierung und Überladung mit Silber, Gold und Mosaik imitierenden Farben. Je mehr man sich gewöhnen wird, die körnige Chagrin-Imitation und einfache Ornamentierung zu verwenden, um so mehr wird das Leder-Surrogat, welches wir nun einmal nicht werden entbehren können, seinen Platz in zweckmässiger Weise ausfüllen.

[280]

Die Handarbeit.

Die Handarbeit, namentlich den Halbfranz, lernt man in der letzten Zeit in Deutschland wieder schätzen und es sind hierin tüchtige Fortschritte gemacht worden. Von Lederbänden wird nicht viel die Rede sein können, solange die Kreise der wohlhabenden Kaufleute und Fabrikanten, sogar Magnaten keine gewählte Bibliothek besitzen. Die Sammler sind meist unter den Gelehrten, Beamten, selbst unter den weniger gut dotierten Landgeistlichen zu suchen. Deshalb haben die Buchbinder, falls es ihnen wirklich um die Förderung ihrer Kunst Ernst ist, sich vor der Klippe zu hüten, als Revanche für den Druck, den sie durch die Verleger und Grosssortimenter zu erleiden hatten, das Publikum zu überteuern und zu glauben, dass jeder, der gern ein Buch hübsch binden lassen will, ein reicher Büchernarr sei, dem man jeden Preis abverlangen könne. Begnügt sich der Buchbinder bei reeller Bedienung mit einem mässigen Vorteil, so wird er immer noch in Deutschland ein kaufendes Publikum finden.

Die Buchbinderkunst in Österreich.

In Bezug auf ein solches ist der Buchbinder in Österreich schon besser situiert und die Buchbindung hat demzufolge auch schon beträchtliche Fortschritte gemacht. Doch betreffen diese im allgemeinen noch mehr die Album- und Portefeuille-Fabrikation als die eigentliche Buchbinderei. Eine mächtige Einwirkung auf den Geschmack hat das Kunstgewerbe-Museum in Wien geübt. Man schliesst sich mehr der Art der Franzosen an und übertrifft diese in der Ledermosaik, die eine wirklich eingelegte Arbeit ist.

Die Vorteile der Maschinen.

Was den Betrieb der Buchbinderei betrifft, so hat dieser einen sehr wichtigen Anteil an den Vorteilen gehabt, welche das Maschinenwesen jedem Geschäft gebracht hat (vgl. Kap. XI). Die Maschinen besorgen das Falzen der Bogen, das Walzen des gefalzten Bogens, das Heften desselben mit Faden oder Draht, das Beschneiden und Pressen des Buches, das Abrunden des Rückens, das Einfassen, die Anbringung der Kapitäle, das Schneiden und Abschrägen der Pappen, das Pressen und Vergolden der Deckel. Für die sonstigen Arbeiten der Buchbinder sind die Couvert- und Klebemaschinen, Liniier- und noch viele andere Maschinen da.

Fußnoten:

[150] Zwei wertvolle neuere Einlagen in der Streitfrage „Antiqua oder Fraktur“ sind: F. Soennecken, Das deutsche Schriftwesen und die Notwendigkeit seiner Reform, Bonn 1881, und Dr. Johann Kelle, Die deutsche und die lateinische Schrift, Separatabdruck aus der Rundschau 1882.

[151] Um zu einiger Klarheit über das Verhältnis der Antiqua zu der Fraktur in der deutschen Typographie zu kommen, hat der Verfasser dieses Buches eine Zählung der litterarischen Erzeugnisse des Jahres 1881 nach dem Hinrichsschen Katalog unternommen. Von 14320 Nummern sind 8894 mit Fraktur, 5426 mit Antiqua gedruckt (gleich 62 zu 38 Proz.). In zwei grosse Gruppen nach den obigen Andeutungen der praktischen Verwendung geteilt, giebt die „wissenschaftliche Gruppe“ 7142 Werke, davon 2896 mit Fraktur, 4246 mit Antiqua (gleich 40 zu 60 Proz.); die zweite Gruppe, die „populäre Litteratur“, weist 7178 Werke auf, davon 5998 mit Fraktur, 1180 mit Antiqua (gleich 83½ zu 16½ Proz.). Zeitungen sind hierbei nicht mitgezählt, wohl aber Wochen- und Monatsschriften. Wie überwiegend die Antiqua in dem Accidenzfache verwendet wird, zeigt z. B. eine genaue Aufstellung der C. G. Naumannschen Accidenzdruckerei in Leipzig, nach welcher von 9447 Aufträgen in dem Jahre 1878 nur 161 in Frakturschrift bestellt waren.

[152] Lud. Hoffmann, Geschichte der Bücherzensur. Berlin 1879. — Die Preussische Pressgesetzgebung unter Friedr. Wilhelm III. Leipzig 1881. — Fr. Kapp, Aktenstücke zur Gesch. der Preuss. Zensur etc. (Archiv d. B.-B.-V. IV). Leipzig 1879. — R. E. Prutz, Zur Geschichte d. Presse in Preussen (Deutsch. Mus. 1857, 11).

[153] K. Biedermann, Deutschland im XVIII. Jahrhundert. 1. Bd. 2. Aufl. Leipzig 1880. — Friedr. Perthes' Leben. 6. Aufl. Gotha 1872.

[154] C. B. Lorck, Geschichte des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Leipzig 1883.

[155] H. E. Brockhaus, Friedrich Arnold Brockhaus. Sein Leben und Wirken. 3 Bde. Leipzig 1872.

[156] Fr. Frommann, Geschichte des Börsenvereins. — Der Börsenbau (Kap. II in Lorcks Gesch. d. Vereins d. Buchh. zu Leipzig). — Statut des Börsenvereins vom 25. April 1880.

[157] Katalog der Bibl. des Börsen-Vereins. Leipzig 1869. Nachtrag 1870.

[158] Ein Jahrgang des Börsenblattes bildet jetzt vier Quartbände, zusammen in einem Umfange von gegen 6000 Seiten. Seit 1856 wurde es von Jul. Krauss redigiert.

[159] E. Berger, Die Anfänge der period. Litteratur des Buchhandels (Publ. d. B.-B.-V. 11). Leipzig 1875.

[160] O. A. Schulz, Der Buchhandel (Schiebes Handelslexikon). — A. Schürmann, Der Buchhandel (Pierers Universallexikon). — K. Buchner, Schriftsteller und Verleger vor 100 Jahren. — Dr. A. Kirchhoff, Litteratur und Buchhandel am Schluss des XVIII. Jahrh. — J. H. Meyer, Die genossenschaftlichen Buchhandlungen des XVIII. Jahrh. (Archiv d. D. B.-B.-V. 11). Leipzig 1879. — A. Prinz, Der Buchhandel von 1815 bis zum Jahre 1863. 7 Teile. Altona 1855–1863. — E. Berger, Aus dem Buchhandel vor 50 Jahren (Publ. d. B.-B.-V. 11). Leipzig 1875. — Derselbe, Der deutsche Buchhandel in d. J. 1815–1867 (Arch. d. B.-B.-V. 11). Leipzig 1879. — K. Buchner, Beiträge zur Gesch. d. Buchhandels.

[161] R. E. Prutz, Geschichte des deutschen Journalismus. Hannover 1845. — Derselbe, Fortschritte der Zeitungspresse (Deutsch. Museum 1858 Nvbr.). — J. Kuranda, Deutsche Zeitungen und Zeitschriften. — H. Wuttke, Die deutschen Zeitschriften. 2. Aufl. Leipzig 1875. — Einen Einblick in die Herstellung einer Zeitung gewährt: J. H. Wehle, Die Zeitung. 2. Aufl. Wien 1883.

[162] Die Geschichte des Deutschen Buchdrucker-Vereins von 1869–1876 ist in den Annalen der Typographie 1870, Nr. 341–390 im Zusammenhang ausführlich behandelt. Die „Annalen“ waren von der Begründung des Vereins bis 1876 Organ desselben und wurden von dessen Sekretär Carl B. Lorck herausgegeben. Jetzt giebt der Verein selbst in unregelmässigen Zwischenräumen die „Mitteilungen aus dem Deutschen Buchdrucker-Verein“ heraus.

[163] Die etwa 700 Offizinen, welche Buchdruckerei und Steindruckerei vereinigen, sind doppelt angeführt.

Das Deutsche Reich, Österreich und die Schweiz als graphische Einheit betrachtet ergiebt die Zahl von 6993 graphischen Anstalten mit 9378 Schnellpressen und etwa 13500 Tret- und Handpressen. Die Details über Österreich und die Schweiz finden sich S. 406 und S. 436.

[164] Die Angaben hier können zwar keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit erheben, kommen jedoch der Wahrheit so nahe, dass sie genügen, um sich ein richtiges Bild zu machen. Für die Angaben der Bevölkerung wurde Neumanns „Geographisches Lexikon“, Leipzig 1883, mit Abrundung der Einwohnerzahl auf 500 benutzt; für die der Buchdruckereien und der lithographischen Anstalten „Klimsch' Adressbuch der Buch- und Steindruckereien“, Frankfurt a. M. 1880; für die Buchhandlungen „Schulz' Adressbuch für den deutschen Buchhandel“, Leipzig 1882, für die Zeitschriften R. Mosses „Zeitungskatalog“, 1882; die in diesem fehlenden Zeitschriften sind ohne Einfluss auf das Gewerbe.

[165] J. Chr. Schäfer, Sämtliche Papierversuche. Regensburg 1772. — L. Müller, Die Fabrikation des Papiers. 4. Aufl. Berlin 1877. — Lenormand, Handbuch der gesamten Papierfabrikationen. 3. Aufl. Weimar 1881.

[166] R. Steche, Zur Geschichte des Bucheinbandes (Archiv d. D. B.-B.-V. Bd. I). Leipzig 1878. — G. Fritzsche, Moderne Bucheinbände. Leipzig 1878. — C. Bauer, Handbuch der Buchbinderei. Weimar 1881. — L. Brade, Illustriertes Buchbinderbuch. Halle 1881.

[167] Im Deutschen Reiche giebt es nur eine Fabrik „englischer Leinen“, die von Schultze & Niemann in Eutritzsch bei Leipzig.

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[281]


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X. KAPITEL.

DIE SCHRIFT UND DIE ILLUSTRATION
IN DEUTSCHLAND-ÖSTERREICH.

Aufschwung der Schriftgiesserei. Ed. Hänel. Die deutsche Druckschrift. Walbaum Vater und Sohn. Hamburg, Berlin, Leipzig, Frankfurt a. M. Österreich. G. Haase, C. Faulmann. Die Stereotypie, die Galvanoplastik, die Dynamo-Elektrik. Die Giessmaschine. Die Illustration: Verfall im XVIII. Jahrhundert, Wiedererwachen des Holzschnitts. Die Unger, Gubitz, Unzelmann, Kretzschmar u. a. Österreich: Prestel, Höfel, Knöfler u. a. Die Planotypie. Die Stigmatypie: Carl Fasol.

Aufschwung der Schriftgiesserei.
Ed. Hänel
L

ANGSAMER als in England und Frankreich entwickelte sich die Schriftgiesserei in Deutschland. Erst aus den dreissiger Jahren datiert der eigentliche Aufschwung des reineren Geschmacks in den Produktionen derselben und an Einfluss in dieser Richtung kam niemand Eduard Hänel gleich. Er führte die neuesten und schönsten französischen und englischen Antiquaschriften ein, liess die geradestehende griechische, Kanzlei, fette und halbfette, gothische und andere Zier- und Auszeichnungsschriften schneiden oder erwarb aus dem Auslande die besten Matern zu denselben.

Im Accidenzdruck brachte Hänel eine vollständige Umwälzung hervor und aus seiner Magdeburger Offizin, und nach dem Brande derselben im Jahre 1838 aus seinem Berliner Institut gingen vorzügliche[282] Druckarbeiten hervor. Er war der erste, der den Compound-Druck (S. 80), den er Congreve-Druck nannte, nach Deutschland brachte. Mit seinen Guillochen- und Unterdruckplatten, namentlich seinen Spitzenmustern enthusiasmierte er das deutsche Publikum. Fast kein Umschlag, ja kaum ein Rechnungsformular konnte damals ohne Guillochen und Buntdruck hergestellt werden. Bereits 1837 hatten seine Zierstücke die Zahl von 2813 erreicht.

Der Kampf mit der Lithographie ward damals mutig von den Buchdruckern aufgenommen. Viele der letzteren warfen sich mit Eifer auf das Accidenzfach und andere Schriftgiesser folgten dem Beispiel Hänels. Es war eine Zeit des regsten, lustigsten Schaffens, vom Guten, Halbguten und Geschmacklosen, vom Praktischen und Unpraktischen unter einander.

F. W. Gubitz.
W. Pfnorr.

Noch vor Hänel hatten F. W. Gubitz in Berlin und der Kammergerichtsassessor W. Pfnorr in Darmstadt manche Beiträge im Ornamentfache geliefert, unter welchen die Einfassungen mit Säulen, umwunden von Epheu- und Blumenguirlanden oder mit vollständigen schweren architektonischen Aufbauten einen wichtigen Platz einnehmen. Auch viele Polytypen stammen von Gubitz, der im Jahre 1836 bereits 1668 solcher geschnitten hatte. Nach Hänels Vorangehen trat nun auch ein besserer Geschmack in den Einfassungen und eine grössere Leichtigkeit in der Ausführung ein. Vielen Beifall fanden die sogenannten Kaleidoskop-Einfassungen, aus sehr kleinen systematischen Stückchen bestehend, die sich in die mannigfaltigsten Formen zusammenfügen liessen und congreveartig in verschiedenen Farben gedruckt manchmal eine recht hübsche Wirkung hervorbringen konnten. Auch zu Kapitel-Anfangs- und -Schlussvignetten wurden sie zusammengesetzt, in Gestalt von Schmetterlingen, Vasen, Kronen etc. Man näherte sich jedoch damit den zeitraubenden, wenig wahre Befriedigung erzielenden Arbeiten der Stigmatypie (S. 304) und sie verschwanden bald von der typographischen Bühne.

Die deutsche Druckschrift.

Die deutsche Druckschrift, die sogenannte Fraktur, nahm um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts eine sehr niedrige Stufe ein. Die männliche Kraft und das Urwüchsige der gothischen Schrift, Eigenschaften, welche die Schwabacher Schrift wenigstens noch teilweise besass, waren ganz verloren gegangen, ohne dass die Fraktur durch[283] Eleganz das ersetzte, was ihr an Kraft gebrach. Nachdem J. G. J. Breitkopf, wie es scheint, lange geschwankt hatte, ob er nicht seine reformatorischen Absichten der Verbesserung der Antiqua zuwenden sollte, folgte er schliesslich doch der Tradition und versuchte der Fraktur eine kunstgerechtere Haltung zu geben (S. 365). Etwas Mustergültiges vermochte jedoch auch Breitkopf nicht zu schaffen, noch weniger J. F. Unger in Berlin.

Erich Walbaum.
Th. Walbaum † 12. Juli 1830.

Erst Erich Walbaum in Weimar und namentlich seinem Sohne Theodor Walbaum gelang es, eine Frakturschrift herzustellen, die auf längere Zeit und allgemein sich Geltung erwarb. Der Vater war anfänglich Konditor, zeigte jedoch einen solchen Geschmack im Ornamentieren, dass er von Sachverständigen veranlasst wurde, sich der Stempelschneiderei zu widmen. Der Sohn Theodor arbeitete erst als Gewehrgraveur wie der berühmte englische Schriftgiesser Caslon (I, S. 268), wurde jedoch später von seinem Vater als Stempelschneider ausgebildet.

Die Vorzüge der Walbaumschen Frakturschriften liegen namentlich in dem Ebenmass aller Buchstaben durch alle Grade hindurch von dem kleinsten bis zu dem grössten. Form und Zurichtung sind gleich gut; die Stärke ist gerade die rechte; Leserlichkeit geht mit Dauerhaftigkeit Hand in Hand. In der Fraktur nimmt die Walbaumsche Schrift fast die Stelle ein, wie in der Antiqua die Didotsche, und würde noch heute, neu mit den Hülfsmitteln der neuesten Technik zweckmässig durchgeführt, immer eine klassische Fraktur bleiben, wenn wir diese Bezeichnung überhaupt für eine Schrift modernen Ursprungs und, man sage für ihre nationale Berechtigung und ihre Zweckmässigkeit für das Volk was man will, nicht in dem Besitz derjenigen Schönheit, welche wir von dem, was wir klassisch nennen, verlangen, gebrauchen dürften.

Theodor Walbaum starb, als Künstler und Mensch gleich geachtet, in dem Bade Berka bei Weimar und wurde von seinem Vater überlebt. Das Walbaumsche Geschäft erwarb F. A. Brockhaus in Leipzig, welcher es im Jahre 1843 nach dort verlegte.

Die neueren Frakturschriften.

Seit Walbaum hat Deutschland eine grosse Zahl von Frakturschriften aufzuweisen, bald magerere, bald fettere; bald eckigere, bald rundere; vielen derselben ist die Korrektheit nachzurühmen. Oft sind sie sich selbstverständlich so ähnlich, dass nur ein sehr[284] geübtes Auge einen Unterschied bemerkt. Leider haben sehr viele Druckereien die üble Gewohnheit, einzelne Grade aus den Garnituren verschiedener Giessereien untereinander anzuschaffen, indem sie bald den Launen der Besteller nachgeben, bald nur dem eigenen Antrieb folgen, nicht berechnend, dass selbst die weniger schönen Schriften konsequent durch alle Grade durchgeführt ein weit gelungeneres Ganzes hervorbringen, als Schriften sogar des schönsten Schnittes, wenn sie unter einander gemengt sind.

Im Jahre 1838 hatten Deutschland, Österreich und die Schweiz bereits gegen 100 Giessereien, die beständigen Zuwachs erhielten.

J. D. Trennert.
Genzsch & Heyse.
J. A. Genzsch * 14. Sept. 1800, † 29. Juni 1869.

Im Norden Deutschlands waren die bedeutendsten derselben J. D. Trennert in Altona und Genzsch & Heyse in Hamburg, welche hauptsächlich die Bedürfnisse des skandinavischen Nordens und Russlands deckten. Der Gründer der letztgenannten Firma, J. A. Genzsch aus Audigast in Sachsen, ward 1827 erster Faktor bei Fr. Dresler & Rost-Fingerlin, als diese in Frankfurt a. M. eine Schriftgiesserei etablierten. Im Jahre 1833 assoziierten sich Genzsch und J. G. Heyse aus Bremen und führten die Thorowgoodschen Schreibschriften in Deutschland ein. Die Firma, seit 1866 im Besitz von Emil Julius Genzsch, dem Sohne des Gründers, erwarb sich besondere Verdienste um die Einführung der Renaissance-Antiqua mit entsprechenden Kopfleisten, Vignetten und Initialen, sowie um die Umgestaltung der Schwabacher Schriften. Da man für letztere nicht so wie für die Antiqua ältere mustergültige Vorbilder hatte, weil die Stempelschneiderei Deutschlands zur Zeit der Einführung der Schwabacher (I, S. 41) auf keiner hohen Stufe stand, so musste der Versuch gemacht werden, etwas Neues zu schaffen, und es ist in der That Genzsch & Heyse gelungen, sehr ansprechende moderne Schwabacher Schriften in allen Grössen herzustellen. In jüngster Zeit etablierten Genzsch & Heyse eine Schriftgiesserei in München durch Ankauf zweier dortigen Firmen[168].

Fr. Vieweg & Sohn.

In Braunschweig wirkten als Schriftgiesser namentlich Fr. Vieweg & Sohn, allerdings nur für den eigenen Bedarf schaffend, aber sehr für Verbreitung des guten Geschmacks wirkend.

[285]

Berlin.
Hänel-Gronau.

Die Hänelsche Offizin in Berlin ging nach verschiedenem Wechsel in die Hände W. Gronaus über und behauptete sich unter dessen kräftiger und einsichtsvoller Leitung als eine der vorzüglichsten Anstalten Deutschlands. Im Hänelschen Geiste wurden Ornamente, Zier- und Brotschriften in reicher Fülle geschaffen, zugleich der Schnitt griechischer und russischer Schriften gepflegt. Auch als Druckerei behielt die Offizin einen ehrenvollen Platz. J. H. F. Bachmann * 8. Juli 1821, † 27. Juli 1876.Hier wirkte als Faktor J. H. F. Bachmann aus Stralsund. Acht Jahre verbrachte dieser in Kiew als Leiter erst der Universitätsbuchdruckerei, später der Regierungsdruckerei. Nach Deutschland zurückgekehrt, weilte er 1850–1860 bei J. H. Meyer in Braunschweig, wo er den Grund zu seiner ziemlich umfangreichen fachschriftstellerischen Thätigkeit legte. Sein letztes Werk war das 1875 in Weimar erschienene ausführliche „Handbuch der Buchdruckerkunst“.

Trowitzsch & Sohn.
v. Decker.

Eine bedeutende Thätigkeit entwickelten Trowitzsch & Sohn, auch als Kalenderverleger bekannt. Die von Deckersche Giesserei schaffte in erster Richtung hauptsächlich für den eigenen Bedarf. Ihre Frakturschriften von einer etwas eigentümlichen Form sind korrekt und tüchtig durchgeführt, konnten jedoch nicht allgemein gefallen. Es hat fast den Anschein, als wäre die Absicht vorhanden gewesen, nach dem Beispiel der Nationaldruckerei in Paris etwas Absonderliches für sich allein zu haben, ohne Rücksicht darauf, ob es zugleich etwas Schönes sei. Im Jahre 1873 zur Zeit der Wiener Ausstellung betrug die Zahl der Stempel und Matrizen über 100000. Deckers lieferten auch orientalische Schriften, die unter der Aufsicht der Akademie der Wissenschaften geschnitten wurden, welche letztere sich überhaupt um diesen Zweig der Schriftgiesserei verdient machte. Beyerhauss.Als Stempelschneider in dieser Richtung erwarb sich Beyerhauss einen Ruf. Unter anderem lieferte er für die amerikanische Mission in New-York 4000 chinesische Stempel, mit welchen 22000 der am häufigsten vorkommenden Kombinationen herzustellen waren. F. Theinhardt.F. Theinhardt lieferte Hieroglyphen nach der Anleitung des Professors C. R. Lepsius, die sich von den Niesschen dadurch unterscheiden, dass sie kein schwarzes Typenbild, sondern nur wie mit der Feder gezeichnete Umrisse bilden. Die Zahl der geschnittenen Charaktere beläuft sich auf über 1300. Auch Theinhardts[286] sonstige fremdländische Schriften und andere Leistungen sind vorzüglich[169].

H. Ehlert.
W. Woellmer.

Treffliche Einfassungen und Ornamente lieferte Heinr. Ehlert. Rastlos schaffte im Accidenzfach Wilh. Woellmer, und namentlich erwarben sich seine Züge, Einfassungen und Schreibschriften, besonders die Rundschriften[170], grosse Beliebtheit, wozu seine von W. Büxenstein in Berlin genial arrangierten und meisterhaft gedruckten Proben das ihrige beitrugen.

Je grössere Dimensionen das Geschäft im allgemeinen annahm, um so vorteilhafter war es, wenn sich Spezialitäten vom Stamm abzweigten und besondere Geschäfte bildeten. Als eine solche Spezialität, welche eine ganz besondere Pflege nötig hatte, ist die Fabrikation von Messinglinien, galvanoplastischen Arbeiten u. dgl. H. Berthold.zu bezeichnen. In der Fabrikation der ersteren hat es H. Berthold in Berlin zu einer grossen Virtuosität gebracht. Besonderen Dank seitens seiner Berufsgenossen erwarb er sich durch seine Bemühungen für die Einheitlichkeit des Schriftkegels und die Herstellung eines Normaltypometers. Unter Beihülfe wissenschaftlicher Kräfte ersten Ranges, darunter des Direktors des Observatoriums in Berlin, Professor Dr. Forster, stellte er nach achtzehnmonatlicher Arbeit ein solches Typometer in einer Länge von 30 cm = 133 Nonpareil = 798 Punkte her[171]. Leider ist auch bei diesem neuen verdienstlichen Versuche nicht das Metermass nach seinen Einheiten genau zugrundegelegt. Man sieht hier, wie bei den orthographischen Verbesserungsplänen, wie schwer es ist, eine wissenschaftliche Reform durchzusetzen, wenn nicht ein Gebot des Staates dahintersteht. Bei dem enormen vorhandenen Setzmaterial und den übergrossen Schwierigkeiten, dieses schrittweise nach einem neuen System zu vervollständigen oder umzumodeln, ist auch nicht abzusehen, wann eine Einheitlichkeit durchgeführt sein kann, denn solche Radikalkuren[287] anzuwenden, wie die Reichsdruckerei es that, indem sie ihre gesamten Schriftenvorräte ins Zeug warf und umgoss, sind nicht jedermanns Sache.

C. Hanemann.

In Jena schnitt C. Hanemann nach Angaben des Professors W. Lagus eine arabische Schrift für die Frenckellsche Offizin in Helsingfors.

Leipziger Schriftgiesser.

Leipzig nahm in der Schriftgiesserei nicht eine so bedeutende Stelle ein, wie man es hätte vermuten sollen. F. A. Brockhaus, Breitkopf & Härtel, Karl Tauchnitz, F. Nies und dessen Nachfolger C. B. Lorck und W. Drugulin u. a., welche hauptsächlich nur im Interesse der eigenen Druckoffizinen arbeiteten, finden Erwähnung bei der Besprechung der Wirksamkeit dieser (Kap. XII). Gustav Schelter zeichnete sich namentlich durch seine Musiknoten aus. Der talentvolle, leider zu früh aus dem Leben geschiedene Ernst Otto war ganz besonders um die Verbesserung des Schriftmetalls bemüht. Die einzige bedeutende Schriftgiesserei war langezeit J. G. Schelter & Giesecke.hindurch die von J. G. Schelter & Giesecke, die einen ganz besonders regen Verkehr mit dem Norden unterhielt und eine Filiale in Wien (jetzt Meyer & Schleicher) errichtete. Die Leipziger Anstalt ist in jüngster Zeit ganz nach amerikanischen Grundsätzen umgebildet und gehört durch ihren Umfang und die ausgedehnteste Anwendung von Hülfsmaschinen, welche sie selbst baut, zu den bedeutendsten Schriftgiessereien der Jetztzeit, liefert zugleich kleine Druckmaschinen und alles, was zum Arbeitsmaterial gehört. In jüngster Zeit haben Schelter & Giesecke sich besonders um das Schaffen schöner Ornamente und Einfassungen verdient gemacht[172].

J. Klinkhardt.

Die als Schriftgiesserei noch junge Firma Julius Klinkhardt, früher schon als Verlagshandlung und Buchdruckerei bekannt, entwickelt eine grosse Thätigkeit. Der Gründer der Firma, Julius Klinkhardt, kaufte 1864 die gut eingerichtete Buchdruckerei von Lüders & Umlauf, 1871 die bekannte lithographische Anstalt von J. G. Bach und die Schriftgiesserei von Gust. Schelter. Unter der Beteiligung der Söhne Robert und Bruno Klinkhardt nahm das[288] Geschäft einen ungemein raschen Aufschwung; in Wien wurde 1877 eine Filiale errichtet. Die Anstalt machte namentlich in betreff der Musiknoten und der dekorativen Typographie bedeutende Anstrengungen[173].

Galvanoplastiker und Graveure.

Als Galvanoplastiker erwarb sich in Leipzig C. A. Kloberg, als Graveur R. Gerhold Ruf. In Magdeburg zeichnete sich in diesem Fache Feodor Schmitt (früher Falckenberg & Co.) aus, dessen Spezialitäten Numerierwerke und alle Messingarbeiten für Buchbinder sind.

Frankfurt a. M.

Frankfurt A. M. behielt, mit dem benachbarten Offenbach, selbst nachdem der Hauptsitz der Typographie und des Buchhandels nach Leipzig verlegt war, die Superiorität als Sitz der Schriftgiesserei. Ein verdientes Ansehen genoss dort schon lange die J. Andreae.Schriftgiesserei von J. Andreae (I, S. 131), die einen wesentlichen Einfluss auf die Ausbildung des guten Geschmacks geübt hat. Sie verbesserte das Konkordanzsystem und war eifrig für die Einführung des einheitlichen Kegel- und Höhesystems (I, S. 160) thätig. Im Jahre 1838 ging das Geschäft auf Benj. Krebs über, der auch die ersten guten deutschen Schreibschriften lieferte, deren Zeichen zwar, wie die der Anglaise, auf schrägem Kegel geschnitten, jedoch nicht wie die letztere aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt werden mussten. Jedes Typenstück ist zugleich ein vollständiger Buchstabe, nur existieren, wie in der Ronde, von manchen Buchstaben Varianten (bis zu fünf) unter Berücksichtigung der Anschlüsse an die Nachbarbuchstaben. Krebs hat auch durch sein für die damalige Zeit (1827) vortreffliches und heute noch nicht übertroffenes „Handbuch der Buchdruckerkunst“ sehr wohlthätig gewirkt. Die Firma lieferte auch vorzügliche hebräische, und in jüngerer Zeit auch Frakturschriften, die zu den besten gehören; seit 1870 ist H. Poppelbaum alleiniger Besitzer der Firma.

F. Dresler.

Im Jahre 1827 gründete Friedr. Dresler mit Rost-Fingerlin in Frankfurt eine Schriftgiesserei, die bald einen weiten Ruf erlangte. Die Dreslerschen gothischen Schriften wurden allgemein nachgeahmt und seine Fraktur fand sogar Eingang in die Nationaldruckerei in Paris. Dresler schnitt auch Musiknoten ohne Linienansätze,[289] welche für sich gesetzt und dann einer, die Linien enthaltende Druckform aufgedruckt wurden. Doch hat dieses Verfahren trotz des durch die Zweifarbenmaschine erleichterten Doppeldruckes sich nie einbürgern können. Die Verwendung von zweierlei Metall, Messing für die Linien und Schriftzeug für die Noten, bietet schon wesentliche Nachteile, da die Abnutzung eine verschiedene ist, der C. Meyer.H. Flinsch.Druck demnach nie ein recht gleichmässiger sein wird. Dreslers tüchtiger Nachfolger Carl Meyer verfolgte, unterstützt von Ferd. Michael, die begonnenen Pläne weiter und H. Flinsch, in dessen Besitz das Geschäft 1859 überging, vollendete sie.

Unter Flinsch ist die Anstalt zu der grössten Deutschlands, zu einer der grössten der Welt herangewachsen. Im Jahre 1882 waren vorhanden: 92 Giessmaschinen, welche täglich ca. 2 Millionen Typen liefern können, ausserdem 26 Schleif- und viele Hülfsmaschinen. Die Zahl der Arbeiter betrug über 200. An Stempeln besass die Offizin 106000, an Matrizen 198200. Flinsch war der erste in Deutschland, der die Johnson-Atkinsonsche Giessmaschine einführte und Matrizen von Stahl und Neusilber verwendete, auch für die Güte und Härte des Zeugs wurden grosse Anstrengungen gemacht.

J. C. Bauer * 1802, † 1867.

Als Schriftschneider erwarb sich Joh. Chr. Bauer aus Hanau ein grosses Ansehen. Nachdem er sich in England ausgebildet hatte, begann er 1828 seine schönen Frakturschriften auszuführen, von welchen die ersten 1852 erschienen. Nach und nach folgten andere und Bauer schnitt über 10000 Stempel. Seine Nachfolger wirken in gleicher Richtung. Sie haben das Patent auf die Hepburnsche Giessmaschine erworben (S. 295), deren Erfinder seine Thätigkeit dem Frankfurter Hause widmet.

C. D. May.

Cosman Damian May gehört halb Frankfurt, halb London an. Geboren in ersterer Stadt, ging er 1828 nach England und war bis 1845 Teilnehmer der Schriftgiesserei Miller & Richard. 1852 kam er wieder nach Frankfurt; kehrte jedoch 1865 abermals nach London zurück. Er schnitt Frakturschriften sowohl in einer abgerundeteren Form (Midoline), als auch in der üblichen eckigen. Bekannter sind seine Antiquaschriften geworden, deren treffliche Ausführung alles Lob verdient.

J. Ch. D. Nies.
J. H. Rust.
C. J. Ludwig.

Die Firma J. Ch. D. Nies wurde 1834 gegründet. C. J. Ludwig, aus der Flinschschen Schule hervorgegangen, hat sich seit 1876 für[290] seine junge Firma bereits einen guten Ruf erworben. In dem benachbarten Offenbach zeichnete sich J. M. Huck & Co. und J. H. Rust, letzterer namentlich durch seine eleganten Ornamente und Einfassungen, aus.

Stuttgart hat in der Schriftgiesserei keine grosse Bedeutung gehabt. In neuester Zeit machte sich Otto Weisert durch seine Zierstücke, Stoffler & Backé durch Holzschriften bemerkbar. Solche fabrizierten namentlich Sachs & Schumacher in Mannheim, Nachtigall & Dohle in Aachen.

Österreich.
Andr. Haase * 30. Aug. 1804, † 25. Juni 1864.

In Österreich stand die Schriftgiesserei lange auf einem ziemlich untergeordneten Standpunkte. Eine Änderung hat man erst Gottlieb Haase in Prag zu verdanken, der in Österreich ungefähr dieselbe Stellung einnahm, wie Hänel in Deutschland.

Der Begründer der Firma war 1798 nach Prag eingewandert. Sein rasch aufgeblühtes Geschäft arbeitete mit 18 Pressen und war mit einer Schriftgiesserei verbunden. Der Sohn Andreas widmete sich nach einer sorgfältigen Erziehung der Buchdruckerkunst und übernahm, kaum zwanzig Jahre alt, nach dem Tode des Vaters im Verein mit seinen beiden jüngeren Brüdern Gottlieb und Rudolph das Geschäft, das bald eins der bedeutendsten in Österreich wurde. Im Jahre 1836 disponierte es bereits über eine Doppelmaschine, drei einfache Schnellpressen, zwölf Stanhope- und vierzehn ältere Handpressen, nebst zwei hydraulischen Glättpressen. Die Schriftgiesserei zählte 45 Arbeiter und versah ganz Österreich und die Donauländer. Eine Maschinenfabrik wurde in Wran angelegt. Nach dem Tode Andreas' übernahm Gottlieb als Chef die Leitung der Buchdruckerei. Ihm zur Seite stand als Dirigent der Schriftgiesserei sein Neffe Guido; Rudolph leitete die Buchhandlung. Im Jahre 1871 ging das Geschäft in die Aktiengesellschaft Bohemia auf, bis es Andreas Haase später wieder übernahm.

Schriftgiesserei in Wien.

Der sehr bedeutende Aufschwung, welchen die Wiener Schriftgiesserei in neuester Zeit genommen hat, entstammt zumteil den Bestrebungen Auers, zumteil den bei der günstigen Wendung der Pressverhältnisse nach Wien eingewanderten deutschen Geschäften. Die jetzt bedeutendste Schriftgiesserei Meyer & Schleicher, welche ihre Verbindungen selbst bis Japan ausdehnt, wurde, wie bereits erwähnt, als Filiale von Schelter & Giesecke in Leipzig gegründet.[291] Sie führte die Atkinsonsche Giessmaschine in Wien ein. J. H. Rust aus Offenbach etablierte 1856 ein Geschäft. Aus einer Filiale von Krebs in Frankfurt a. M. ward die Firma Poppelbaum & Bossow, jetzt Poppelbaum. In jüngster Zeit folgte Jul. Klinkhardt aus Leipzig.

Ausser der Staatsdruckerei verbanden auch andere Druckanstalten mit ihren Druckoffizinen Schriftgiessereien, so v. Waldheim, Zamarski, Fromme. Letzterer verkaufte jedoch die Giesserei an Brendler & G. Harler. Carl Brendler schnitt vortreffliche orientalische Schriften und die stenographischen Typen für Faulmann.

C. Faulmann und die Stenographie.

Carl Faulmann, erst Setzer, dann Stenograph und Linguist, Verfasser mehrerer Werke über Schrifttum und Typographie[174], hat sich ganz besondere Verdienste in betreff der Lösung der schwierigen Aufgabe, die Stenographie in die Typographie einzuordnen, erworben. Die ersten Versuche hatte bereits 1854 Gustav Schelter mit Typen nach Gabelsbergers System gemacht, sie fielen jedoch nicht genügend aus. Die Staatsdruckerei liess von Joseph Leipold und Christian Plesse Typen nach Stolzes System herstellen, die 1854 in München ausgestellt, für den praktischen Gebrauch jedoch zu gross befunden wurden. 1859 zeichnete Faulmann für die Staatsdruckerei neue Typen nach Gabelsbergers System, die, von Leipold geschnitten, sich als zweckmässig bewährten. 1864 erschienen wieder neue Typen von Faulmann, die er auf seine Rechnung von Brendler schneiden liess und die später von der Staatsdruckerei angekauft wurden. Diese neuesten Typen reihen sich ohne Verbindungsstücke an einander an, wie gewöhnliche Typen. Allerdings ist die Zahl derselben, trotz einer grossen Reduktion der früheren 1300 Stücke, noch eine bedeutende, 800, so dass ein Kasten sie nicht alle fassen kann, auch laufen die überhängenden Buchstaben beim Drucken leicht Gefahr, beschädigt zu werden. Liegt es nun auch in der Natur der Sache, dass die Geschwindschrift nie Gegenstand eines Geschwindsatzes werden kann, so ist doch das Problem des stenographischen Satzes als glücklich durch Faulmann gelöst zu betrachten[175].

[292]

Reichtum an Schriften.

Betrachten wir den grossen Reichtum an Material, welchen die Schriftgiessereien für Einfassungen, Ornamente, Titel-, Schreibschriften u. dgl. den Setzern in die Hände liefern, so können letztere nicht darüber klagen, dass es ihnen an Mitteln gebricht, ihre Kunstfertigkeit zu zeigen. Eher verleitet sie der Reichtum zur Verschwendung und unter den hunderten von Schriften wird mehr gewühlt als gewählt und sinnlose Zusammenstellungen gemacht. Erfreulich ist es zu sehen, wie jetzt das Ausland, das fast nur von den Derrieyschen Einfassungen zehrte, jetzt die deutschen Produkte vielfach benutzt, die selbst in Frankreich Eingang fanden.

Übersättigung führt zur Einfachheit und so haben in den letzten Jahren die einfache typographische Linie und der Punkt (S. 304) eine bedeutende Rolle gespielt und oft werden mit diesen kleinen Mitteln wirkliche Meisterstücke ausgeführt, in welchen namentlich W. Büxenstein in Berlin, Jul. Klinkhardt in Leipzig und die Pierersche Hofbuchdruckerei in Altenburg excellieren, der in letzterer arbeitende taubstumme Watzulik ist ein ausserordentliches Setzer-Genie[176].


Die Stereotypie.

Das Stereotyp-Verfahren[177] wird in ausgedehnter Weise in Deutschland geübt, ohne dass dieses selbst bedeutende eigene Verdienste um dasselbe erworben hätte, wenn sich auch Spuren älterer Versuche zeigen.

Ältere Versuche.

Ein Steingutfabrikant, Schmidt in Durlach, fand auf einem Schutthaufen seiner Fabrik das Bruchstück einer Schriftplatte in Porzellan, welche den Schluss einer Dedikation oder eines Gesuches an den Grossherzog Karl von Baden seitens eines Müller d. ä., datiert Paris den 1. August 1787, enthält, des Inhalts:

„Diese Erfindung ist in Teutschland schlechterdings unbekannt. Sie gehört dem Amtmann Hoffmann, welcher aus einer alten Familie aus den Markgräflich-Badenschen Landen herstammt. Ich werde mich glücklich schätzen, wenn sie unter der Protektion Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht, durch mich, durch Errichtung einer Polytypie eingeführt, und alle Kirchen- und Schulbücher meines[293] gnädigsten Privilegii, zuerst in Teutschland polytypiert, von mir können abgedruckt werden. Ein Unternehmen, das der glorreichen Regierung meines gnädigsten Fürsten ein ewiges Denkmal stiften und den wärmsten Dank aller edlen Seelen verdienen wird; denn das Werk ist eines Fürsten würdig.

Ich ersterbe ehrfurchtsvoll
Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht
unterthänigster treu-gehorsamer Knecht
Müller älter.“

V. v. Pallhausen.

Im Jahre 1805 machte Vincenz von Pallhausen in München, unterstützt von dem Xylographen Th. Neuer, einen Versuch zu stereotypieren. Ehe dieser einigermassen gelang, verunglückten verschiedene Platten. Von den hiervon noch übrig gebliebenen, deren Inhalt ein Gedicht auf Gutenberg bildet, veranstaltete Prögel in München 1836 einen Abdruck in einem Büchlein: „Denkmal in Stereotypen den Manen Gutenbergs 1805 gewidmet von Vincenz von Pallhausen“.

Polytypen, Plakat- und grössere Titelschriften waren längst mit der Hand clichiert worden. Die Clichiermaschine von Pfnorr in Darmstadt erleichterte sehr das Verfahren[178].

Stanhopes Stereotypie.

Die ersten, welche das Stanhopesche Verfahren in Deutschland erwarben und ausbeuteten, waren v. Decker und K. Tauchnitz; 1819 kam es nach Österreich. Die Stereotypendrehbank[179] vereinfachte die Arbeit. Eine grosse Förderung gewährte die Papierstereotypie (S. 153). In Deutschland war Georg Jaquet in München der erste, der das Verfahren 1834 erwarb. Für die weitere Verbreitung wirkten namentlich Th. Archimowitz und J. Isermann in Hamburg[180].

Stereotypie in Eisen.

Versuche mit Stereotypen in Eisen wurden schon 1805 auf Veranlassung des Buchhändlers Gädicke in Berlin gemacht. Auf den Rübeländer Eisenwerken im Harz brachte Ziegler nach jahrelangem Arbeiten eine vollständige Bibel in dieser Weise zustande.

[294]

So vorteilhaft die Stereotypie ist, namentlich zur Herstellung der Clichés von Abbildungen, ohne welche die illustrierte Litteratur nie eine so enorme Ausdehnung hätte erreichen können, so wurde sie doch bedeutend durch die Herstellung von Clichés auf galvanoplastischem Wege übertroffen.

Galvanoplastik.
H. Jacobi * 21. Sept. 1801, † 10. März 1874.

Die Galvanoplastik[181] ist eine Erfindung des Deutschen Moritz Hermann Jacobi aus Potsdam. 1835 erhielt dieser einen Ruf nach Dorpat, 1837 nach St. Petersburg. Bereits in diesem Jahre erfand er das Verfahren, auf chemischem Wege Kupfer abzulagern, und, abgesehen von den sonstigen hochwichtigen Verwendungen, druckbare Kupferplatten sowohl für den Tiefdruck auf der Kupferdruckpresse als für den Hochdruck auf der Buchdruckpresse, je nach dem Original, zu erzielen. Das Verfahren kaufte die russische Regierung, die mit einer höchst anerkennenswerten Liberalität es der Allgemeinheit preisgab. Die erste Veröffentlichung geschah in dem Bulletin der Akademie zu St. Petersburg vom 5. Oktober 1838.

Missbrauch der Galvanoplastik.

Die Galvanoplastik ward jedoch für das Geschäft zu einer zweischneidigen Waffe. Die Möglichkeit, durch ihre Hülfe von einem Cliché oder einer Type eine getreue Mater herzustellen, somit ohne Kosten und Mühe sich die Arbeit des Stempelschneiders oder Holzschneiders anzueignen, wurde stark gemissbraucht. Nicht nur über die Produkte des Auslands fiel man her, sondern auch die Kollegen im Inlande wurden nicht geschont und ein Gesetz verbot diese kollegialische Beraubung nicht. Hier konnte nur Selbsthülfe wirken und am 15. Mai 1857 konstituierte sich auch ein deutscher Schriftgiesser-Verein, jedoch erstens waren nicht alle Schriftgiessereien Mitglieder des Vereins und zweitens konnte dieser weiter keine Strafe diktieren, als öffentliche Bekanntmachung von Kontraventionen, und diese genügte nicht immer. Erst der Erlass des Reichsgesetzes zum Schutze der Muster vom 1. Juli 1873 konnte dem Übel steuern.

Die dynamo-elektrische Maschine.

Ein grosser Fortschritt in der Galvanoplastik ist die Gewinnung von Clichés durch die dynamo-elektrische Maschine, welche als[295] Ersatz für die galvanischen Elemente eintritt und einen kräftigen elektrischen Strom durch Verbindung eines mit Kupferdraht umwickelten, sich rasch drehenden Eisenringes und eines Elektromagneten hervorbringt, welcher stark genug ist, um damit in wenigen Stunden ein Cliché zu erzielen. Diese, namentlich von Sigm. Schuckert in Nürnberg und Siemens & Halske in Berlin erbauten Maschinen sind, wo Dampfbetrieb einmal vorhanden ist, mit einem geringen Kostenaufwande zweckmässigst zu benutzen[182].

Vernickelung.

Zu erwähnen bleibt noch die Vernickelung der Typen, eine Erfindung des Prof. Bötticher in Frankfurt a. M., die jedoch, da sie in Deutschland keinen Anklang fand, nach Amerika auswanderte, um dann von dort als Neuheit nach Deutschland importiert zu werden.

Die Schriftgiessmaschine.

Die Giessmaschine ist keine deutsche Erfindung, sie gelangte aber in Deutschland zur grossen Verwendung. E. Hänel war der erste, der sie hier baute, nachdem er das Patent Lauritz Brandts (Kap. XVI) erworben hatte. Ein Schüler Brandts, Corfitz Möller aus Kopenhagen, baute Giessmaschinen bei F. A. Brockhaus in Leipzig, Gursch & Klemm und C. Kisch in Berlin, Steiner in München und Rob. Kühnau in Leipzig waren bestrebt, sie zu verbessern. Grosse Verbreitung fanden die amerikanischen Apparate. Auf die neue Hepburnsche Maschine (S. 39) hat, wie schon erwähnt, die Bauersche Giesserei in Frankfurt das Patentrecht.

Das anfängliche Misstrauen gegen die Giessmaschinen, hervorgerufen durch die, wegen der eingeschlossenen Luft verursachten Hohlheiten im Guss sowie die Unmöglichkeit der Verwendung von Hartmetall, ist nach Beseitigung dieser Übelstände durch verbesserte Konstruktion verstummt und die Giessmaschine steht jetzt in der Schriftgiesserei ebenbürtig der Schnellpresse in der Buchdruckerei zur Seite.

Die Setzmaschine.

Die Setzmaschine[183] (S. 40) bahnt sich in Deutschland langsam den Weg und hat auch hier wenige praktische Verbesserungen gefunden. Erst in neuester Zeit nehmen die Erfindungen von Prasch in Wien, von A. v. Langen in Düsseldorf im Verein mit C. G. Fischer auf Schloss Holte in Westfalen[184], sowie von E. W. Brackelsberg in Hagen[185] die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch,[296] namentlich wird die Ablegemaschine der letzteren allgemein gelobt, jedoch sind diese Erfindungen noch zu neu, um ihnen in der Geschichte der Typographie jetzt schon einen bestimmten Platz anweisen zu können.

DIE ILLUSTRATION.

Die Illustration im XVIII. Jahrh.

Die grosse Ausdehnung der Illustration in dem XVI. Jahrhundert lernten wir bereits kennen (I, S. 105). Die Holzschnitte und Stiche Dürers hatten überall Eingang gefunden. Die Gegenstände aus dem profanen Leben waren jedem verständlich und auch die Darstellungen aus der heiligen Schrift in ihrer Naivetät ganz dem Fassungsvermögen des Publikums angemessen. Nicht so rasch gestaltete sich die Verallgemeinerung der Renaissance. Es fehlte dem grösseren Publikum der Sinn für die Schöpfungen derselben, der Zusammenhang mit dem Altertum war nicht wie in Italien vorhanden, und unter den Leiden des dreissigjährigen Krieges ging vollends der Geschmack an edleren Genüssen verloren. Die später eindringende französische Malerei diente namentlich zur Verherrlichung der Machthaber und stand dem Volke fern. Das Bedürfnis nach Schmuck im kleinen war aber doch nicht untergegangen und zeigte sich auch in der zweiten Hälfte durch einen Aufschwung in der Bücher-Ornamentierung und der Illustration.

D. Chodowiecki * 16. Okt. 1726, † 7. Febr. 1801.

Die Holzschneidekunst war inzwischen so gut wie abhandengekommen und man nahm deshalb Zuflucht zu dem Kupfer. Kaum ein Buch erschien, welches nicht wenigstens eine Titelvignette, einige Kapitel-Anfangs- und Schlussvignetten aufwies. Von dem Ornament ging man zur wirklichen Illustration über und diesmal kam der Anstoss von Frankreich, wo die Illustration jedoch einen mehr aristokratischen Anflug hatte, während sie in Deutschland, wie in früherer Zeit, den volkstümlichen Charakter annahm und namentlich eine Begleiterin der vielverbreiteten Kalender wurde.

Einer der grössten Meister in dieser illustrierenden Kleinkunst war Daniel Chodowiecki, geboren in dem damals noch zu Polen gehörenden Danzig. Da der Vater frühzeitig starb, musste Daniel ein Handwerk ergreifen, später konnte er jedoch seiner Neigung folgen[297] und bildete sich unter der Leitung des Malers Haid mit Erfolg für die Kunst aus. Mit dem Jahre 1764 traten seine Arbeiten mit der Radiernadel in den Vordergrund; 1769 lieferte er die ersten zwölf Blätter Illustrationen zu Lessings „Minna von Barnhelm“. Von nun an häuften sich die Aufträge der Buchhändler derart, dass seine ganze Arbeitskraft dazu gehörte, um sie zu bewältigen, und es giebt kaum einen bedeutenden Schriftsteller damaliger Zeit, dessen Werke er nicht illustriert hätte.

Der Holzschnitt.

Der Holzschnitt trat jedoch nicht gleich die Erbschaft an und es dauerte noch eine Zeit, ehe man an diesem wieder Geschmack fand; wesentlichen Anteil an der Erweckung desselben haben die beiden Unger, Vater und Sohn[186].

J. G. Unger d. ä. * 1715, † 1788.

Johann Georg Unger, der Vater, stammt aus Pirna bei Dresden. Erst Schriftsetzer, widmete er sich seit 1757 ganz dem Holzschnitt. Zu seinen besten Arbeiten gehören „Fünf geschnittene Figuren, gezeichnet von O. Meil“.

J. F. Unger d. j. * 1750.

Joh. Friedr. Unger, der Sohn, war in Berlin geboren. Auch er begann als Buchdrucker, erwarb jedoch als Holzschneider einen noch grösseren Ruf als sein Vater. Bekannt sind seine „Sechs Figuren für Liebhaber der schönen Künste“ (1779) und von Vignetten lieferte er eine grosse Zahl. Als Schriftsteller versuchte er durch mehrere Fachbroschüren zu wirken; seine Bemühungen für die Verbesserung der Frakturschrift hatten keinen Erfolg. Im Jahre 1800 wurde er Professor der Holzschneidekunst.

F. W. Gubitz * 27. Febr. 1786, † 5. Juni 1870.

Derjenige Holzschneider neuerer Zeit, der zunächst als der geistige Erbe Chodowieckis angesehen werden kann und am meisten dazu beigetragen hat, den Holzschnitt aufs neue populär zu machen, ist Friedr. Wilh. Gubitz. Im Alter von 15 Jahren stellte er auf der Berliner Kunstausstellung sieben Vignetten aus, die ihm Ehre und Geld einbrachten. 1812 wurde er Professor der Holzschneidekunst. 1835 begann er seinen Volkskalender, der mit seinen zahlreichen Illustrationen rasch eine grosse Popularität erlangte. Für Buchdrucker lieferte er eine enorme Anzahl von Polytypen, darunter auch eine Serie für Didot in Paris. Sein in Farben gedruckter Heiland nach Lucas Cranach, das Bildnis der Gräfin Voss, seine Blätter in Tuschmanier gehören zu den besten Arbeiten ihrer Art.[298] Gubitz gehörte noch ganz der alten Schule an, welche in dem Holzschnitt mit dem Kupferstich konkurrieren wollte. Er schnitt immer noch in Langholz. Eine eigentliche Schule bildete er nicht und sein talentvollster Schüler Unzelmann war in der Manier das gerade Gegenstück zu Gubitz.

Ritschl v. Hartenbach * 1797.
> W. Pfnorr.
Dan. Vogel d. ä.

Zu nennen sind noch J. Ritschl von Hartenbach, der sich jedoch nicht bis zur Meisterschaft erhob; der Kammersekretär Wilh. Pfnorr in Darmstadt, ein Dilettant, der aber Tüchtiges namentlich in ornamentalem Schmuck lieferte, und Daniel Vogel, der Vater, in Berlin.

Fr. Unzelmann * 1793, † 1855.

Der erste bedeutende Repräsentant der neuen Richtung der Holzschneidekunst ist Friedrich Unzelmann aus Berlin. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er auf der königlichen Akademie. Bis 1827 arbeitete er für Gubitz. Nach seiner Trennung von diesem zeigte er sofort eine freiere Handhabung der Technik. Bis jetzt hatte er, wie Gubitz, nur mit dem Messer in Langholz gearbeitet, jetzt griff er zum Stichel und zu dem Hirnholze.

Unzelmann stellte sich die Aufgabe, die ja auch die einzig wahre des Holzschneiders ist, wenn eine für den Holzschnitt korrekt gezeichnete Vorlage vorhanden ist, die Zeichnung vollständig facsimile wiederzugeben. Er lieferte viele Blätter zu den damals erscheinenden illustrierten Werken, namentlich A. Menzels „Friedrich der Grosse“, und zu den auf Rechnung des Königs von Preussen herausgegebenen Werken seines grossen Vorfahren. Ein Jubelblatt aus dem Jahre 1840, Gutenberg und Fust an der ersten Presse, ist in dem Archiv des Berliner Kupferstichkabinetts deponiert, um 1940 aufs neue gedruckt zu werden. Im Jahre 1843 wurde Unzelmann Mitglied der Akademie, 1844 Professor.

Ed. Kretzschmar * 21. März 1807, † 1858.

Der bedeutendste Schüler Unzelmanns, vielleicht an Genialität ihm nicht ganz gleichkommend, aber von noch grösserem Einfluss auf die Förderung der deutschen Xylographie, war Eduard Kretzschmar, aus Oschatz gebürtig.

Schon frühzeitig äusserte sich seine Neigung für die zeichnenden Künste; Armut zwang ihn jedoch, als Laufbursche in der Brockhausschen Buchdruckerei zu dienen. Später wurde er Konditorlehrling, übte dieses Geschäft elf Jahre und zeigte sein plastisches Talent, indem er Formen für Kuchenverzierungen schnitt. Als im[299] Jahre 1833 das Pfennigmagazin erschien, wagte er sich an einen Holzschnitt, den er mit einem Federmesser in Birnbaumholz ausführte. 1836 ging er nach Berlin und arbeitete unter Unzelmanns Leitung. Die erwähnte illustrierte „Geschichte Friedrichs des Grossen“ von Menzel war das erste Werk, durch das Kretzschmar eigentlich Gelegenheit bekam, sein Talent zu entfalten und das zugleich ihm Veranlassung wurde, ein xylographisches Institut in Leipzig zu gründen, um genügend tüchtige Kräfte heranzubilden, welche selbst die Anforderungen eines Menzel, dieses Schreckbildes der Holzschneider, befriedigen sollten, ein Vorhaben, das dem mit allen Eigenschaften eines guten Lehrers Ausgerüsteten auch vortrefflich gelang.

Als 1843 die „Illustrirte Zeitung“ erschien, waren die zu überwindenden Schwierigkeiten gross. Anfänglich musste natürlich das Ausland zum wesentlichen Teil mit Clichés aushelfen, doch dauerte diese Abhängigkeit nicht lange. Kretzschmar erweiterte sein Atelier und richtete es fast ganz auf die Bedürfnisse der „Illustrirten Zeitung“ ein. Bei seinem Tode ging es in die Hände der Expedition der „Illustrirten Zeitung“ über. Die von Kretzschmar meist zum Experimentieren angelegte vortreffliche kleine Kunstdruckerei erwarb Ph. Grumbach.

Alb. Vogel * 1814.
> Otto Vogel * 1816.

Die Brüder Albert und Otto Vogel in Berlin traten ganz in Unzelmanns Fussstapfen. Beide konnten auf Grund ihrer Verhältnisse nicht ihrer Neigung folgen, die Albert zum Kupferstechen und zur Malerei, Otto zur Skulptur hinzog. Beide lieferten Vortreffliches, doch ist Otto der bedeutendste und seine Schnitte nach Menzels Zeichnungen sind wahre Meisterstücke.

Caspar Braun * 1807, † 1877.

Eine besondere Bedeutung hat Caspar Braun aus Aschaffenburg[187], der den Holzschnitt in München heimisch machte und durch die „Fliegenden Blätter“ einen weitverbreiteten Namen erwarb. Erst ging er nach München, um sich in der Malerei auszubilden, und dann nach Paris, wo er zwei Jahre bei Brevière arbeitete. Nach seiner Rückkehr gründete er mit v. Dessauer ein Holzschneideatelier und arbeitete namentlich für die Cottaschen illustrierten Ausgaben, bis er sich mit Friedr. Schneider zur Herausgabe der „Fliegenden Blätter“ verband.

[300]

Hugo Bürckner * 1819.
Gaber.

Hugo Bürckner aus Dessau war erst Bereiter, wandte sich aber bald dem Zeichnen und Malen zu und ging 1837 nach Düsseldorf. Ein Zufall veranlasste ihn, sich für die Holzschneidekunst als Beruf zu entscheiden. Im Jahre 1840 folgte er dem nach Dresden übergesiedelten Maler Hübner, nachdem er erst einen kurzen Unterricht bei Unzelmann genossen hatte. Seine Thätigkeit widmete er namentlich den im strengeren künstlerischen Stil gehaltenen buchhändlerischen Unternehmungen G. Wigands und T. O. Weigels. In ähnlicher Richtung zeichnete sich Gaber in Dresden aus.

Heinr. Lödel * 1798.

Von Bedeutung sowohl als Kupferstecher wie als Holzschneider ist Heinr. Lödel aus Hameln. Er lernte die Buchbinderei, ging nach Göttingen und versuchte sich dort im Schneiden von Vergoldestempeln und Vignetten, schliesslich im Kupferstechen. Durch einen Holbeinschen Totentanz erwachte seine Neigung für den Holzschnitt, in welchem er sich besonders durch getreue Reproduktionen älterer Meisterwerke auszeichnete.

J. G. Flegel † 20. Dez. 1881.

Die Bestrebungen J. G. Flegels in Leipzig waren stets auf Vervollkommnung seiner Kunst gerichtet. Seine mikroskopischen, naturwissenschaftlichen und anatomischen Arbeiten sind nicht übertroffen und nur durch Betrachtung durch die Lupe ganz zu würdigen. Vorzüglich sind auch seine Nachbildungen Rembrandtscher Radierungen. Viele seiner besten Arbeiten finden sich in den Verlagswerken Wilh. Engelmanns verstreut. Besonders in technischen Illustrationen zeichnen sich Klitzsch & Rochlitzer aus.

In neuerer Zeit hat Stuttgart sich in der Xylographie namentlich durch das Institut von Ad. Closs ein hohes Ansehen erworben. Es wird Gelegenheit sein, hierauf in dem folgenden zurückzukommen (Kap. XIV). Eine hervorragende Stufe nimmt die Anstalt von R. Brend'amour & Co. in Düsseldorf mit Zweiganstalten in Düsseldorf, Berlin, Leipzig und Stuttgart ein.

J. G. Prestel * 1739, † 1808.

Österreich hat in der Xylographie, ganz besonders in dem Clairobscur- und dem Polychromdruck, bedeutende Namen aufzuweisen. Unter den wenigen Leistungen aus der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts sind die Clairobscur-Blätter von Joh. Gottl. Prestel rühmlichst zu erwähnen, namentlich eine Kreuzabnahme nach Raphael. Auch Karl Friedr. Holtzmann (1740–1811) lieferte Tüchtiges in dieser Richtung. Die vorzüglichsten seiner Arbeiten[301] erschienen gesammelt als „Abdrücke in Helldunkel nach verschiedenen Meistern“. Er wandte, wie schon ältere Künstler es gethan hatten, Kupferstich in Verbindung mit Holzschnitt an und druckte mit zwei bis zu sechs Platten. Auch von Karl Ruprecht (1799–1831) existieren gute Clairobscur-Blätter.

B. Höfel * 27. Mai 1792, † 17. Sept. 1863.

In seiner Arbeitsweise mit Gubitz verwandt, jedoch als Künstler weit bedeutender ist Blasius Höfel. Er war in Wien geboren und zeigte frühzeitig ein ungewöhnliches Zeichentalent. Nach vielen Schwierigkeiten gelang es ihm, einen Platz in der Akademie der bildenden Künste zu erlangen. Um dort am Tage studieren und arbeiten zu können, musste er in den Nachtstunden seinen ärmlichen Lebensunterhalt durch Illuminieren von Bildern erwerben. Anfangs widmete er sich mit Erfolg der Malerei, ging jedoch bald zum Kupferstich über und lieferte eine grosse Anzahl von Blättern, allein 120 Porträts für Artaria. Im Jahre 1820 erhielt Höfel die Professur des freien Handzeichnens an der Militär-Akademie in Wiener-Neustadt.

Auf einer Reise in Deutschland im Jahre 1829 lernte er Gubitz und Unzelmann kennen und sofort die Wichtigkeit der neuerwachten Holzschneidekunst begreifend, warf er sich mit Eifer auf dieses Verfahren. Eine seiner ersten Arbeiten: „Betende Alte“ nach Waldmüller wurde in 127000 Exemplaren verkauft. Die Aufmerksamkeit des Fürsten Metternich ward auf Höfel gelenkt, auf dessen Anregung erfasste er die von Collas erfundene Reliefmanier und lieferte treffliche Platten zu dem „Ehrentempel Österreichs“. Eben im Begriff nach Paris zu gehen, verlor Höfel Haus und Habe durch einen grossen Brand, welcher 633 Häuser in Wiener-Neustadt am 8. September 1834 in Asche legte, und er musste nun von neuem anfangen. Eine Verbindung mit der Nationalbank führte nicht zu einer dauernden Anstellung und infolge einer Reorganisation der Militär-Akademie in Neustadt wurde Höfel pensioniert. Er verband sich nun, um seine Erfindungen auszubeuten, mit dem Buchdrucker Sollinger. Letzterer erhielt bei der Industrie-Ausstellung in Berlin 1840 die goldene Medaille. Höfel ging leer aus. Bei seinem nun folgenden Versuch mit einer eigenen Buchdruckerei geriet er in Konflikt mit dem Gremium der Buchdrucker und Buchhändler, woraus ihm viel Verdruss und viele Verluste entstanden.

[302]

Im Jahre 1845 stellte er eine Anzahl der schönsten Farbendrucke aus, darunter eine Madonna nach Führich in 25 Platten auf Goldgrund. Die Verhältnisse des Jahres 1848 zwangen Höfel, sein Geschäft um jeden Preis zu verkaufen. Er ging nun nach Salzburg und baute sich in dem am Fusse des Gaisberges reizend gelegenen Dorfe Aigen einen Meierhof, wo er den Rest seiner Tage, mit der Ausführung verschiedener grosser Stahlplatten beschäftigt, verbrachte.

Auf Aufforderung von G. Haase Söhne lieferte er für die Ausstellung in München einen lebensgrossen Christuskopf nach Hübner in der Baxterschen Manier, 22 Platten Farbe auf Farbe ohne Konturen gedruckt. Das Bild erschien in vier Auflagen. Trotz seines schweren Kampfes mit dem Leben behielt Höfel noch im Greisenalter seine jugendliche Geistesfrische und seinen Unternehmungsgeist, bis eine Lungenlähmung seinem vielbewegten Leben ein Ende machte.

F. v. Exter * 7. März 1820, † 27. Juni 1860.

Friedrich Von Exter, ein Schüler Höfels und einer der geschicktesten Holzschneider der Anstalt von Braun & Schneider in München, wurde 1846 von Auer als Leiter der xylographischen Abteilung der Staatsdruckerei nach Wien berufen. Zu seinen besten Leistungen gehören „Kaiser Joseph an der Buchdruckerpresse“ und „Karl V. im Kloster St. Just“. Zu den Peintures de Polygnote à Delphe der Gebr. Riepenhausen lieferte Exter die ersten zwölf Tafeln in Chromoxylographie, die späteren Platten wurden lithographisch ausgeführt.

H. Knöfler * 1824.

Heinrich Knöfler aus Schmölln im Altenburgischen brachte es von einem einfachen Tischlergesellen zu einem hervorragenden xylographischen Künstler und Kunstdrucker. Prof. von Berger in Wien war der erste, welcher auf sein ausserordentliches Talent aufmerksam wurde. Den Unterricht in der Xylographie erhielt er von Bader, der von Stuttgart nach Wien übergesiedelt war. Ein Holzschnitt Knöflers, „Der Stephansturm“, wurde sehr bewundert und verschaffte ihm eine Anstellung in der Staatsdruckerei, welche er später mit einer solchen bei Zamarski vertauschte, bei dem er sich viel mit dem Chromodruck beschäftigte.

Seinen hauptsächlichsten Ruf erwarb sich Knöfler durch seine Miniaturen zu dem bei Reiss erscheinenden Missale und durch seine[303] Illustrationen zu den liturgischen Werken Pustets in Regensburg. Eine ihm von Didot angebotene ehrenvolle und vorteilhafte Stellung lehnte er ab. Knöfler ist namentlich ein Meister in der Behandlung der Köpfe seiner kleinen Figuren. Eine seiner bedeutendsten Leistungen ist die Nachbildung des Marienfensters des Prof. Trenkwald in der Votivkirche zu Wien. Ferner sind die Illustrationen zu dem „Ägyptischen Joseph“ und zu Führichs „Geistliche Rose“ zu nennen.

Ein ehemaliger Schüler und Mitarbeiter Knöflers, Hermann Paar, arbeitete mit Biberhofer zusammen. Die Aufmerksamkeit wurde auf ihn durch den Druck der von Bader geschnittenen Trachtenbilder Albr. Dürers gelenkt. Sein Bildnis eines Unbekannten nach Jan van Eyck ist eine vollendete Leistung, ebenso sein Kegelschieber nach Ostade. Ein Xylograph ersten Ranges ist der mehrerwähnte Bader. Sein Panorama von Wien im Jahre 1873 hat bei einer Höhe von 77 cm eine Länge von 122 cm.


In Verbindung mit der Xylographie müssen wir noch zwei Verfahren nennen, die, wennauch ihr praktischer Wert kein ausserordentlicher ist, doch dem Fachmann von Interesse sind.

Die Planotypie.

Die erste ist die Planotypie[188]. Eine Zeichnung in Linien wird auf Lindenholz getragen. Mittels einer durch eine Stichflamme glühend gemachten Stanze wird die Zeichnung Strich für Strich in das Holz vertieft eingebrannt und so eine Matrize gebildet, in welche eine leicht flüssige Metalllegierung gegossen wird. So wird ein erhabenes Cliché erzielt, mit welchem man, nachdem die Oberfläche vollständig egalisiert worden ist, drucken kann. Das Verfahren wurde zuerst von Lepel, früher in Berlin, dann in Dresden, verwendet, namentlich für die sehr grossen Musterbogen der Modenzeitungen, auf welchen die verschiedenen Muster für das Zuschneiden auf einer Platte sich kreuzen.

Mit vielem Geschick ist diese Methode zur Illustrierung eines umfangreichen Werkes „Trachten der Völker in Bild und Schnitt“ (Dresden, bei Müller, Klemm und Schmidt) verwendet. Über 1000 Figurenbilder sind in dieser Weise in Umrissen wirksam und charakteristisch hergestellt.

[304]

Stigmatypie von Fasol.

Ein anderes Verfahren oder vielmehr eine besondere Verwendung der einfachsten typographischen Figur, des Punktes, zur malerischen Typographie, die Stigmatypie, fand besonders in Wien durch Carl Fasol Pflege.

Mit fünf Graden von Punkten liefert derselbe nicht allein die kompliziertesten Ornamente, sondern auch förmliche bildliche Darstellungen: Porträts, Architektonisches, Landschaftliches, Blumen- und Fruchtstücke mit Licht- und Schatteneffekten, die, wenn man des benutzten Materials eingedenk bleibt, geradezu wunderbar sind. Die Zeichnung wird auf karriertes Papier übertragen und zur Erleichterung beim Setzen die Stärke der zu wählenden Punkte durch Farbennuancierungen kenntlich gemacht. Um die unendliche Mühe einer solchen stigmatypischen Arbeit zu beurteilen, mag die Erwähnung des Umstandes genügen, dass zu einem Fruchtstück in der Grösse von 11×13 Zoll etwa 80000 Punkte gehörten. Man muss dem bedeutenden Talent und der grenzenlosen Ausdauer des Künstlers seine Achtung zollen, jedoch nicht ohne eine herbe Beimischung von Bedauern, dass doch nur bedingungsweise Gelungenes zustande gebracht werden kann, was man mit weniger Mühe und Aufwand in anderer Weise besser und leichter hätte erzielen können. Doch bleiben diese stigmatypischen Arbeiten eine Anspornung für den Typographen, sein Material gut zu benutzen, wenn er sieht, mit wie wenigen Mitteln sich etwas Hübsches schaffen lässt und deshalb verdienen die von Fasol herausgegebenen Proben („Album der Buchdruckerkunst“, fünf Hefte in Folio, 1868–1881) einen Platz in jeder grösseren Druckanstalt und in jeder typographischen Gesellschaft.

Fußnoten:

[168] Zu dem 50jährigen Jubiläum am 28. Februar 1883 erschien „Chronik der Schriftgiesserei Genzsch & Heyse“.

[169] C. R. Lepsius, Standard-Alphabet. II. Ed. London 1863. — Fr. Ballhorn, Alphabete orientalischer und occidentalischer Sprachen. 12. Aufl. Nürnberg 1880. — F. Theinhardt, Liste hieroglyphischer Typen. Berlin 1875. — H. Brugsch, Mémoire sur la réproduction imprimée des caractères démotiques. Berlin 1868.

[170] F. Soennecken, Das deutsche Schriftwesen. Bonn 1881. — H. Smalian, Praktisches Handbuch für Buchdrucker im Verkehr mit Schriftgiessereien. 2. Aufl. Leipzig 1877. — J. H. Bachmann, Die Schriftgiesserei. Leipzig 1868.

[171] Journ. f. B. 1879, Nr. 29.

[172] Die in zwanglosen Zwischenräumen erscheinenden „Typographischen Mitteilungen von J. G. Schelter & Giesecke“ dienen ihrem Geschäft als Organ, enthalten aber auch Nachrichten und Belehrungen von allgemeinem Interesse.

[173] Das „Probenalbum der Buchdruckerei Julius Klinkhardt“ 1882 ist eine Musterleistung moderner Ausstattung, namentlich neuerer Ornamentierung.

[174] Illustrierte Geschichte der Schrift. Wien 1880. — Das Buch der Schrift. Wien 1878. — Illustrierte Geschichte der Buchdruckerkunst. Wien 1882. — Illustrierte Kulturgeschichte. Wien. — Stenographische Unterrichtsbriefe. Wien.

[175] Österr. Buchdr.-Ztg. 1873, Nr. 29. — Journ. f. B. 1874, Nr. 16 u. 18.

[176] Eine „Anleitung zum Accidenzsatz“ von Heinr. Fischer. Leipzig 1877, versucht ein System für den titelförmigen Satz aufzustellen.

[177] H. Meyer, Handbuch der Stereotypie. Braunschweig 1838.

[178] Journ. f. B. 1835, Nr. 5; 1838, Nr. 1.

[179] Journ. f. B. 1837, Nr. 5.

[180] Th. Archimowitz, Die Papierstereotypie. Karlsruhe 1862. — A. von Flammenstern, Stereotypie in Österreich. Wien 1822.

[181] A. Hering, Die Galvanoplastik und ihre Anwendung in der Buchdruckerkunst. 7. Ausg. — F. von Roseleur, Handbuch der Galvanoplastik. Deutsche Übers. Stuttgart. — Dr. G. Seelhorst, Katechismus der Galvanoplastik. 2. Aufl. Leipzig.

[182] Journ. f. B. 1877, Nr. 38.

[183] Litteratur der Setzmaschine s. S. 40 u. ff.

[184] Journ. f. B. 1881, Nr. 33 u. 34.

[185] Österr. B.-Ztg. 1882, Nr. 34; 1883, Nr. 2.

[186] Max Schasler, Die Schule der Holzschneidekunst. Leipzig 1866.

[187] Ann. d. Typ. 1877, Nr. 425.

[188] H. Klemm, Die Planotypie. Dresden 1871.

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[305]


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XI. KAPITEL.

DIE TYPOGRAPHISCHEN MASCHINEN
IN DEUTSCHLAND.

Fr. König und die Schnellpresse. Die Bedeutung derselben. Jugendgeschichte Königs. Seine Rückkehr aus England. Etablissement König & Bauer in Oberzell. Kampf und Sieg. Die Zweifarbenmaschine. Die Endlose. Die Maschinenfabrik Augsburg und andere Fabriken Deutschlands. Helbig & Müller in Wien und andere Fabrikanten Österreichs. Die lithographische und die zinkographische Schnellpresse. Die Handpressen. Die Satinier-Schnellpresse. Die Farbenfabrikation.

Fr. König und die Schnellpresse.
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M 17. April 1874 waren hundert Jahre vergangen seit dem Tage, an welchem Friedrich König, der Erfinder der Schnellpresse, in Eisleben das Licht der Welt erblickt hatte[189]. „Eine kleine Stadt war sein Geburtsort, aber ihr Name hatte Weltruf erlangt, denn in Eisleben stand die Wiege des grossen Reformators, Luther, den hunderte, über das ganze Erdenrund verbreitete Millionen als den Befreier von dem auf dem Geiste lastenden Druck verehren; dessen Name jeder gebildete Deutsche, der Genuss und Belehrung[306] in den Werken sucht, welche die Heroen der deutschen Litteratur und Wissenschaft schufen, als den des Reformators der Muttersprache hoch hält, selbst wenn er dem Träger desselben auch nicht als Reformator in Glaubenssachen huldigt.“

Kulturhistor. Bedeutung der Erfindung.

„Wie wäre jedoch die weltbewegende Wirksamkeit Luthers gehemmt gewesen, wenn er nur auf das gesprochene Wort und auf die Verbreitung desselben durch Niederschrift angewiesen gewesen wäre, wenn ihm nicht die thätigen Pressen Wittenbergs und Leipzigs fördernd zur Seite gestanden hätten. Glücklich müssen wir uns preisen, dass die deutsche Erfindung Gutenbergs es ihm möglich machte, seine zündenden Blitze nach überall hinzuschleudern.“

„Und doch, wie unvollkommen und langsam war die damalige Hülfe der Presse, wenn wir sie mit derjenigen vergleichen, welche sie uns heute leistet. Vergegenwärtigen wir uns, wie viel durchgreifender und wie unendlich schneller die Erfolge der reformatorischen Thätigkeit Luthers hätten sein müssen, wenn man derzeit über diejenigen mechanischen Hülfsmittel zu verfügen gehabt hätte, die uns jetzt zu Gebote stehen; wenn die Schnellpresse damals dienend zur Seite gestanden hätte; wenn diejenige Reform im Druckwesen, welche die Times vom 29. November 1814 den staunenden Lesern verkündete, gleichzeitig mit der Reform des Glaubens und der deutschen Sprache ins Leben getreten wäre.“

»Doch verlieren wir uns nicht in Phantasien über das, was hätte werden können, und halten wir uns an die grosse Errungenschaft, wie wir sie wirklich jetzt besitzen. Die Schnellpresse gehört unserer Zeit. Sie ist ein Kind des XIX. Jahrhunderts und hat wieder so unendlich viel dazu beigetragen, dieses zu einem der denkwürdigsten in der Geschichte der Entwickelung der Menschheit zu machen. Sie hat die Presse zu der sechsten, oder wenn wir wollen, zu der ersten Grossmacht herangebildet, sie hat der öffentlichen Meinung, verkörpert in dem Journalismus, eine Macht verliehen, vor der sich selbst die Mächtigsten der Erde beugen, sie trägt die Bildung bis in die Hütte und macht es dem Ärmsten möglich, an den geistigen Genüssen, welche gottbegabte Männer uns bereiteten, teilzunehmen, sie hat, wie die Grabschrift des Erfinders sagt, [307]„der Presse Flügel verliehen, ohne welche sie ihr zehnfaches Tagewerk nicht genügend würde erfüllen können.“

Königs Jugendgeschichte.

Der Vater Königs war ein schlichter Ackerbauer, die Mutter eine vortreffliche Frau, die für einen guten Unterricht des Sohnes Sorge trug. Zu Johanni 1790 kam Friedrich in die Buchdruckerlehre bei J. G. J. Breitkopf und wurde Michaeli 1794 losgesprochen. Jede freie Stunde verwendet er auf seine Ausbildung, hörte später Vorlesungen und beschäftigte sich wahrscheinlich schon frühzeitig mit Plänen zur Verbesserung der Holzpresse und mit dem Gedanken, Stempel in Platten einzudrücken, um in letztere Stereotypplatten zu giessen. In betreff der Konstruktion einer Tiegeldruck-Schnellpresse[190] war er schon im Jahre 1805 mit sich ins Reine gekommen, denn in diesem Jahre wendete er sich von Wien aus an den Kaiser von Russland und bietet ihm die Erfindung an. Die Pläne wurden nach St. Petersburg gesandt; er selbst folgte am 12. Mai 1806. Anfänglich gestalteten sich die Aussichten vortrefflich und König schrieb an seine Mutter, mit der er auch später sich schriftlich in kindlicher Liebe unterhält, Berichte voll der schönsten Hoffnungen. Bald sollten jedoch diese vernichtet werden und noch in dem erwähnten Jahre ist König in London, um dort seine Pläne durchzusetzen.

König & Bauer.

Wie dies geschah ist bereits erzählt (S. 53). König kehrte Ende August 1817 nach Deutschland zurück, wo es ihm gelungen war, das reizend gelegene frühere Benediktiner-Kloster Oberzell, eine halbe Meile von Würzburg, zu erwerben. Erst später, im Mai 1818, kam der treue Freund Bauer nach Oberzell. Dieser, 1783 in Stuttgart geboren, war ein sehr tüchtiger Mechaniker und hatte durch sieben Jahre treu alle Arbeiten und Sorgen mit König geteilt, ohne dass ein festes Geschäfts-Verhältnis zwischen beiden stattgefunden hatte. Erst wenige Tage vor Königs Abreise von London wurde, am 9. August 1817, der erste Vertrag zwischen beiden abgeschlossen. Nach demselben sollte König als Erfinder und als Ersatz für seine bisherigen Opfer zwei Anteile am Gewinn haben, während ein Anteil[308] Bauer zufallen sollte; auch würde Oberzell Königs Eigentum bleiben. Im Jahre 1821 wurde der Vertrag dahin abgeändert, dass eine gleichmässige Teilung des Gewinns stattfand.

König über Bauer.

Über Bauers Anteil an der Erfindung und an der Fortbildung derselben thun wir am besten, uns an Königs eigene Worte zu halten, welche in wenigen Zeilen das Verhältnis so trefflich und schön charakterisieren: „Wenn zwei Männer gemeinschaftlich und im höchsten Vertrauen zu einander einen Zweck verfolgen, so dürfte es schwer sein, den Anteil zu bestimmen, den ein Freund gehabt hat, der bei allem zu Rate gezogen, mit dem jede Angelegenheit des Geschäfts überlegt worden ist und wir haben uns selbst nie Rechenschaft darüber abgelegt oder abgefordert“.

Man hatte nun nicht nur ein Dach über dem Kopfe, sondern war, was Lokalität anbetrifft, eingerichtet, wie es nicht besser sein konnte, aber es galt jetzt, alles aus nichts zu schaffen, nicht nur Werkzeug und Hülfsmaschinen, sondern auch Arbeiter, denn die Verhältnisse lagen nicht wie in England; aus rohen Bauern waren erst tüchtige Gehülfen auszubilden.

Erste Bestellung.

Dann mussten Bestellungen herbeigeführt werden. Cotta, an den man sich zuerst wandte, konnte „Staatsgeschäfte halber“ vorläufig sich nicht mit dem Maschinenwesen befassen. Dagegen fanden Königs Vorstellungen offene Ohren bei Georg Jacob Decker in Berlin und dessen Schwager K. Spener. Bereits während Königs Aufenthalt in England waren nähere Unterhandlungen mit Decker angeknüpft, die jedoch durch Königs Absicht, England zu verlassen, unterbrochen wurden. Am 15. Oktober 1817 kam es mit den Genannten zu dem Abschluss eines Kontraktes über die Lieferung von zwei Schnellpressen, die innerhalb zwei und einem halben Jahre fertig zu stellen waren. Die Abnehmer sollten 7000 Thaler zahlen, ausserdem alle Spesen tragen und, anstatt der von König anfänglich geforderten jährlichen Abgabe, ein für allemal ein Prämium von 10000 Thalern gewähren. Man sieht aus dem obigen, dass es den Bestellern nicht an Opferfreudigkeit und Zutrauen zu den Ideen Königs fehlte.

Schwierigkeiten aller Art.

Die Ausführung gestaltete sich für beide Teile zu einer langen Leidensgeschichte. Nicht nur die oben erwähnten Schwierigkeiten der Arbeiterverhältnisse, sondern auch der Mangel an Fonds machten[309] sich in quälender Weise für König & Bauer geltend. Zwar erhielten sie ein zinsfreies Darlehen von 20000 fl., jedoch zunächst um eine Papierfabrik in Gang zu bringen. Die ersten 10000 fl. waren bereits absorbiert, ohne dass die Arbeiten, an welche die Auszahlung der zweiten 10000 fl. geknüpft waren, ihr Ende erreicht hatten. John Walter, für welchen König noch Arbeiten auszuführen hatte, ward unwillig, weil er sich unmöglich die Jämmerlichkeit der deutschen Arbeiterverhältnisse vorstellen konnte. Das langsame Vorwärtsschreiten machte Decker und Spener ärgerlich, trotzdem unterliessen sie nicht, der Fabrik allen möglichen Vorschub zu leisten. Erst im Juli 1822 konnte der erste Probedruck in Oberzell gemacht werden. Am 15. November 1822, also erst fünf Jahre nach der Bestellung, waren die durch Nachbestellung auf vier vermehrten Maschinen zum Versand fertig. Im Januar 1823 befanden sie sich zwar im Gange und das erste Produkt war die Nr. 11 der Spenerschen Zeitung vom 25. Januar 1823; es dauerte jedoch fast ein Jahr, bevor die Leistungen zufriedenstellend ausfielen. Mit allen dazu gehörigen Einrichtungen kamen die Kosten für die Besteller auf etwa 30000 Thaler zu stehen, dazu im Jahre 1827 noch 5500 Thaler für Umbau.

Vielfache Pläne.

Es war eine schwere und aufreibende Zeit gewesen. Mit der Papierfabrik wollte es nicht vorwärts. Im Herbst 1823 musste König selbst nach London gehen, um von den neuesten Erfindungen und Verbesserungen der Papierfabrikation Kenntnis zu nehmen. Die Geldsorgen endigten vorläufig durch den Beitritt Cottas zu diesem Geschäft; 1831 übernahmen jedoch König & Bauer dessen Anteil wieder. Obwohl das Unternehmen somit schliesslich festen Boden gewann, so war die Zersplitterung der Kräfte doch kaum als ein Glück für das Schnellpressen-Etablissement zu betrachten, dessen rasche Förderung noch nicht gelingen wollte, sie gewährte aber eine fortwährende Beschäftigung für Königs regen Geist. Er brachte an den Times-Maschinen Verbesserungen an, beschäftigte sich mit dem Gedanken einer Roundabout-Presse mit zehn Druckcylindern, welche stündlich 5000 Exemplare liefern sollte, und mit dem bereits erwähnten Verfahren, geschlagene Matern herzustellen. Selbst die Setzmaschine spielte eine Rolle in seinen damaligen Plänen.

Verbreitung der Schnellpresse.

Am 12. Juli 1824 erhielt Cotta eine Schnellpresse für die Allgemeine Zeitung in Augsburg. König selbst leitete die Aufstellung[310] im Verein mit seinem Neffen Fritz Reichenbach, der bei Decker gelernt hatte und den König von Berlin mitgenommen hatte, um ihn als Maschinenbauer auszubilden; ein zweiter Neffe, Friedrich Helbig, zeichnete sich später in Wien aus.

Um die Anbringung der Maschinen zu erleichtern, wollte König solche auf eigenes Risiko bauen und sie auf Gewinn-Anteil ausleihen. König litt jedoch unter demselben Mangel an Betriebskapital, der die Buchdrucker selbst drückte, und der Plan liess sich nicht durchführen. Er musste nun darauf bedacht sein, kleinere und billigere Maschinen zu bauen, die sich durch Menschenhände bewegen liessen und von denen er gleichzeitig mehrere Exemplare bauen könnte, wodurch die Herstellung wesentlich billiger zu stehen kommen würde. Der Erfolg bewies, dass die Rechnung eine richtige gewesen. 1826 wurden elf Maschinen fertiggestellt, darunter die ersten für Stuttgart (J. B. Metzler) und Leipzig (F. A. Brockhaus). Schon Fr. Arn. Brockhaus hatte an Anschaffung einer Schnellpresse gedacht, schreibt jedoch 1819 an König, dass ihm der Mut fehle (Kap. XII). Nach Paris wurde die erste Maschine an A. Guyot & Scribe, die zweite an E. Pochard geliefert; für Enchedé & Sohn in Harlem waren bereits zwei solche abgesandt.

Rückgang und dann neue Erfolge.

Somit schien alles im besten Gange zu sein, da kam die Julirevolution. Die Drucker zerschlugen die Schnellpressen, die Bestellungen sowohl aus Frankreich wie aus Deutschland blieben aus; niemand hatte Lust, Kapitalien in Maschinen, welche der Zerstörung ausgesetzt waren, anzulegen, und als Ruhe und Vertrauen wiederkehrten, konnte Frankreich seinen Bedarf selbst decken. Die Fabrik in Oberzell, die über hundert Arbeiter beschäftigt hatte, behalf sich jetzt mit vierzehn. Die Teilhaber verloren jedoch den Mut nicht und machten alle Anstrengungen, um die Buchdrucker für die Maschinen zu interessieren. In einem diesbezüglichen Zirkular finden sich merkwürdige Äusserungen. Die Firma erklärt, vierfache Maschinen bauen zu können, die wenigstens 4000 Exemplare in der Stunde liefern, glaubt jedoch, „dass es nirgends Verhältnisse giebt, in welchen eine so grosse Geschwindigkeit besondere Vorteile gewähren würde“, und fährt dann fort: „Wir halten noch andere seltsamere Kombinationen — mit endlosem Papier — nicht nur für möglich, sondern auch für leicht ausführbar. Allein, obgleich man[311] damit ein ungeheures Resultat erhalten würde, so treten doch, nach unserer Meinung, so viel praktische Hindernisse, die in der Beschränktheit des Bedarfs und den bestehenden Formen und Gewohnheiten ihren Grund haben, ein, dass wir uns nie zu einem Versuche entschliessen könnten, wiewohl wir dazu alle Mittel zur Hand haben. Zum wohlfeilen und schnellen Druck ist genug geschehen, zum besseren Druck bleibt noch viel zu thun übrig“.

Königs Verheiratung und Tod.

Im Jahre 1825 heiratete der 50jährige König eine 18jährige junge Dame aus Suhl. Sie schenkte König drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. König fühlte sich sehr glücklich, sollte jedoch leider nicht lange sein Glück geniessen. Die Entbehrungen in den jüngeren Jahren, die fortwährenden Anstrengungen und aufreibenden Sorgen hatten seine Gesundheit untergraben. Er starb nach einem Schlaganfall am 17. Januar 1833. Seine treue Gefährtin lebte bis zum 1. April 1882. Sein Freund Bauer überlebte ihn fast 30 Jahre Königs Nachfolger.und ruht seit 1860 an seiner Seite. Die Söhne Wilhelm (geb. am 9. Dezember 1826) und Friedrich (geb. am 29. Januar 1829) übernahmen das Geschäft. König und Bauer, aus einem ganz verschiedenen Stoff gebildet, ergänzten sich vortrefflich. Der erste hochstrebend, weitblickend, rasch schaffend; Bauer bedächtig überlegend, minutiös im Arbeiten und genau rechnend. Nur einmal in dem schweren Jahre 1824 trat eine vorübergehende Missstimmung zwischen Beiden ein, die sich jedoch schnell ausglich.

Wachstum des Etablissements.

Bei Königs Tod waren im ganzen etwa 60 Schnellpressen ausgeführt. Es ging aber nun so rasch vorwärts, dass im Jahre 1865 die tausendste, am 6. September 1873 die zweitausendste Maschine fertiggestellt wurde, bei welcher Gelegenheit die beiden Brüder den Orden des heiligen Michael erhielten und damit in den Adelstand erhoben wurden. Für das erste 1000 waren 50 Jahre nötig gewesen, während das zweite 1000 nur acht Jahre brauchte. Von den 2000 Maschinen blieben 1243 in Deutschland. Leipzig erhielt davon 265, Stuttgart 117; 392 gingen nach Russland (208 nach St. Petersburg). Die stärksten Abnehmer waren Brockhaus und Teubner in Leipzig, die Staatsdruckerei in St. Petersburg mit je 33 Stück, Cotta mit 32[191]. Das dritte Tausend wurde 1882 voll.

[312]

Verbreitung der Königschen Schnellpressen.

Die Schnellpressen König & Bauers zeichneten sich stets durch die grosse Akkuratesse der Arbeit und durch Solidität aus. Die mit Kreisbewegung und Cylinderfärbung versehenen Maschinen erwarben in Deutschland wegen ihres ruhigen Ganges und der Vorzüglichkeit des Farbewerkes ihre Beliebtheit, obwohl sie schwerer zu bewegen und teurer sind, als die mit Eisenbahnbewegung und Tischfärbung. Welches Ansehen die Schnellpressen König & Bauers genossen, beweisen z. B. Bestellungen von 24 Stück auf einmal, darunter acht Zweifarbe-Maschinen, zum Banknotendruck nach Rom und von 20 Stück für die Bank von Frankreich. Die Banknotendruckerei von St. Petersburg beschäftigt vorzugsweise König & Bauerschen Tiegeldruckmaschinen, welche für die feinsten Arbeiten allen anderen vorgezogen werden, obgleich sie einen sehr grossen Raum einnehmen, langsam arbeiten und sehr teuer sind. Eine Eigentümlichkeit der Tiegeldruckmaschine sind die zwei Fundamente, von welchen man nach Belieben beide oder nur eins von beiden benutzen kann. Die Färbung, eine Kombination von Cylinder- und Tischfärbung, ist eine höchst vollkommene.

Die Zweifarbenmaschine.

Vorzüglich sind ebenfalls die Zweifarbe-Maschinen König & Bauers. Wenn sie auch nicht dieselben in die Praxis zuerst einführten, so gebührt ihnen der Ruhm, sie zuerst zur Vollkommenheit gebracht zu haben. Diese Maschinen müssen als eine besonders wertvolle Bereicherung des Materials der modernen Typographie betrachtet werden und fanden rasch eine grosse Verbreitung. Durch sie hat die ebenfalls neue Erfindung der Hochätzung erst ihren vollen Wert erhalten, indem es durch sie möglich geworden ist, farbige Landkarten zu einem solchen Preis zu liefern, dass sie überall Eingang finden können. Auch für die Accidenzarbeiten ist der Nutzen ein hervorragender und die harte Not des richtigen Registers beim Doppeldruck hat nun in manchen Fällen aufgehört.

In neuester Zeit bauten König & Bauer nach dem ursprünglichen Patent von A. H. Payne in Leipzig eine Dreifarben-Maschine, welche jedoch nach der Erwerbung seitens der Fabrik in Oberzell umkonstruiert worden ist. Die gebogenen Galvanos werden auf einem grossen Cylinder angebracht, der den dreimaligen Umfang eines der Druckcylinder hat. Die Maschine liefert in der Stunde sieben bis achthundert Drucke in drei Farben, lässt sich[313] auch für eine grössere Anzahl von Farben bauen und wurde bereits für fünf nach Frankreich angefertigt[192].

Königs Endlose.

Als die „Endlosen“ aufkamen, verhielten König & Bauer sich eine ziemlich lange Zeit abwartend und liessen der Fabrik „Augsburg“ den Vorsprung. Erst als sie, ohne ihre Anstalt wesentlich zu schädigen, nicht zurückbleiben konnten, gingen sie ans Werk, dann aber auch mit der hergebrachten Energie. Sie hielten sich zunächst an die Konstruktion der Victory-Press, deren Cylinder alle in der Ebene liegen. Ihre derartigen Maschinen für die Kölnische Zeitung wurden nach den Angaben des Obermaschinenmeisters E. Bragard hergestellt[193].

Maschinenfabrik Augsburg.
Fr. Reichenbach † Juni 1883.

Nach der Anstalt von König & Bauer hat die Maschinenfabrik Augsburg die grösste Ausdehnung für den Schnellpressenbau in Deutschland gewonnen. Sie wurde von dem erwähnten Neffen Fr. Königs, Fritz Reichenbach, gegründet und ging dann später in die Hände einer Aktiengesellschaft über. Die Anstalt baute namentlich Maschinen mit Eisenbahnbewegung; grosse Verbreitung fanden ihre Zweifarben-Maschinen; sie war auch die erste, welche in Deutschland die Rotationsmaschine für endloses Papier baute und nahm sich namentlich die Walter-Presse als Vorbild. Das erste Exemplar wurde in der Spaarmannschen Offizin in Oberhausen aufgestellt. Bis 1880 hatte die Augsburger Fabrik 65 Rotationsmaschinen in 38 Formaten und nach 21 verschiedenen Konstruktionen gebaut, von denen 46 im eigentlichen Deutschland, 14 in Österreich-Ungarn blieben, eine nach Batavia ging. Ihr gelang es auch (1879) zuerst in zufriedenstellender Weise diese Maschinen für den Illustrationsdruck herzustellen. Auf dreien derselben, welche je 4000 Exemplare stündlich liefern, werden die Hallbergerschen illustrierten Blätter mit bestem technischen Erfolg gedruckt. Die Rotationsmaschine hat im allgemeinen in Deutschland eine viel schwierigere Aufgabe als in England. Teils ist das deutsche Papier für gewöhnlich geringer und schwächer, als das englische, reisst daher leichter und legt sich schwerer aus, dann aber vertragen die abwechselnden Schriften, namentlich die vielen Auszeichnungsschriften untermischt mit Illustrationen, welche die Inseratenseiten deutscher Blätter füllen, viel weniger den Mangel an Zurichtung als[314] die englischen und amerikanischen Zeitungen mit ihren kompakten, den Kegel fast füllenden Antiquaschriften.

Die Endlose in Wien.

Bereits im Jahre 1859 war mit „Endlosen“ in Wien durch Auer experimentiert worden, doch können diese Versuche nicht als gelungen bezeichnet werden (vgl. Kap. XV). Nach Wien kamen die ersten zwei englischen Walterschen Rotationsmaschinen, durch Ludw. Lott, den Direktor der Druckerei der „Presse“, eingeführt, zunächst um den Ausstellungskatalog 1873 zu drucken. Ebenfalls zur Ausstellung liess die Druckerei der „Neuen Freien Presse“ eine ihrer grossen Marinoni-Maschinen nach des Direktors Reisser Angaben zu einer Endlosen umarbeiten, die in dem Pavillon der „Neuen Freien Presse“ in dem Prater die Ausstellungszeitung druckte und täglich, wenn das grosse Geräusch den Anfang der Arbeit verriet, eine grosse Masse Wissbegieriger sammelte, um von ihrem Wirken Zeugen zu sein. Die Presse konnte nicht mit den englischen Maschinen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit konkurrieren. Überhaupt hat Wien mit dem Bau der „Endlosen“ bis jetzt kein grosses Glück gehabt.

Andere Rotationsmaschinen.

Auch C. Hummel in Berlin baute „Endlose“ und will das Patent von G. A. Horn auf eine Doppelrotationsmaschine mit zwei von einander ganz unabhängigen Systemen ausbeuten[194]. Jeder der Schriftcylinder wird von seinem Papierzubringer gespeist und ist mit zwei Farbewerken versehen. Stellt man eins der Drucksysteme ab und arbeitet nur mit dem andern, so wird dies von vier Farbewerken bedient, und eignet sich dann um so besser für die Lieferung feinerer Arbeiten. Die Bogen werden nach beiden Seiten der Maschine ausgeführt. Es muss sich ergeben, ob die Praxis hier mit der Theorie Hand in Hand gehen wird. Die bekanntesten Maschinen Hummels waren die nach den Angaben des Obermaschinenmeisters Eugen Bragard für den Druck der Kölnischen Zeitung mit Vor- und Rückwärtsbewegung gebauten, die stündlich 6000 Exemplare druckten.

Verschiedene Fabriken.
J. Forst † 14. Febr. 1879.

Von anderen Maschinenbauanstalten sind zu nennen: G. Sigl in Berlin, der schon 1865 etwa 1000 Schnellpressen geliefert hatte; Aichele & Bachmann in Berlin. Die Firma Klein, Forst & Bohn in Johannisberg a. Rh., begründet 1846 von Johannes Forst und Joh. Klein, hatte am 30. Januar 1875 die 1000. Maschine vollendet. Sie liefert auch Schnellpressen mit dem von E. C. Brunn in Münster[315] konstruierten Querlinien-Druckapparat. Albert & Hamm in Frankenthal hatten 1879 300 Maschinen in die Welt gesandt. In Würzburg arbeitet die Firma Bohn, Fassbender & Herber, in Worms die Maschinenfabrik Worms. In Leipzig sind die bekanntesten Firmen Ph. Swiderski, dessen kleine Maschine „Lipsia“ vielen Beifall findet; Schmiers, Werner & Stein, die viele grosse Maschinen bauen. Tretmaschinen fabrizieren A. Hogenforst und Schelter & Giesecke. Eine Fünffarben-Rotationsmaschine konstruierte A. H. Schumann in Leipzig, welche in zehn Stunden 8000 fertige Bogen, also 40000 Druck, liefern soll. Zurichtung ist nur unter den Platten möglich[195].

Fr. Helbig * 1800, † 1842.
Leo Müller * 1800, † 1843.

In Österreich waren Helbig & Müller die ersten Schnellpressenfabrikanten. Fr. Helbig, ein Sohn aus erster Ehe der Schwester Fr. Königs, Marie Rosine, mit einem Bergmann Helbig in Eisleben, hatte bei König gelernt. Leo Müller war in Rieglern in dem Vorarlbergschen Walserthale geboren. Sein Vater war dort Bauer und der Sohn genoss nur den dürftigen Unterricht der Dorfschule. Seine Lust an Mechanik trieb ihn, 18 Jahre alt, das Handwerk eines Schreiners zu ergreifen und als solcher kam er nach Oberzell zu König & Bauer und wurde bald Leiter der Modellabteilung. Sein Wunsch, Teilhaber der Anstalt zu werden, konnte nicht erfüllt werden, weshalb er nun nach Österreich zurückging und seinen ersten Versuch im Schnellpressenbau in Imbach im Innthale für Rechnung von Rauch & Wagner in Innsbruck machte. Er führte viele Verbesserungen bei der Schnellpresse ein, zu denen namentlich der Doppel-Excenter behufs Erzielung des Stillstandes des Druckcylinders beim Rückgange der Form gehört, der Cylinder wurde freier gelegt, die Bänder beseitigt und durch Greifer ersetzt, auch verwendete er zuerst die Eisenbahnbewegung. Gerade eine Differenz mit Helbig in Patentangelegenheiten gab Veranlassung zu einer Verbindung beider (um 1836). Sie bauten nun sowohl einfache wie doppelte Maschinen und auch solche für zwei Farben; die Idee der letzteren war jedoch keine neue und König & Bauer hatten sich schon 1826 Erhard in Stuttgart gegenüber erboten, solche anzufertigen, was wegen der Kosten jedoch unterblieb[196].

[316]

Andere Fabrikanten in Österreich.

Als tüchtige Maschinenbauer sind Sigl, Ludw. Kaiser und J. Anger bekannt. Als Fabrikant von kleinen typographischen Maschinen hat G. Bernhardt Ruf und er baute bereits mehrere hundert solcher, deren System sehr gelobt wird. Auch die Tretmaschinen von O. O. Fuchs und Jeanrenaud & Co. finden Beifall.

Lithographische Schnellpressen.

Die Lithographie hat durch die Erfindung der lithographischen Schnellpresse eine enorme Ausdehnung erreicht und der Buchdruckerei ein bedeutendes Feld abgewonnen. Es gab dabei manche Schwierigkeit mehr als bei der typographischen Schnellpresse zu überwinden. Die lithographischen Steine haben nicht, wie die Schrift, eine gleiche Höhe, die Maschinen mussten deshalb jedesmal nach der Stärke des Steines eingerichtet werden. Der Druck musste ein sehr kräftiger, zugleich ein sehr elastischer sein, wenn der Stein nicht springen sollte. Neu hinzuzufügen war der Anfeuchteapparat, durch welchen der Stein bei dem jedesmaligen Druck abgewischt und angefeuchtet wurde. Massenwalzen konnten nicht verwendet werden, man musste deshalb Walzen von feinem Leder benutzen, bis es in England gelang brauchbare Kompositionswalzen herzustellen. Die erste lithographische Schnellpresse wurde im Jahre 1850 in der Maschinenfabrik von G. Sigl in Wien durch Hoppes für H. Engels Institut gebaut[197]. 1855 erschien die lithographische Schnellpresse auf der Pariser Weltausstellung. In Frankreich begann Marinoni 1864 den Bau und führte wesentliche Verbesserungen ein. Die Pariser Ausstellung von 1867 brachte eine Menge von Varianten durch Marinoni, Dupuy, Moulde & Vibart, Voirin, Alauzet u. a. In Deutschland bauen sie namentlich G. Sigl in Wien und Berlin; König & Bauer; Swiderski; Schmiers, Werner & Stein; Klein, Forst & Bohn.

Ferd. Schlotke.
Zinkdruckpresse.

Für den zinkographischen Druck hat Ferdinand Schlotke in Hamburg eine Maschine erfunden, durch welche mittels zweier je um eine Stahlwalze gelegter Platten der Bogen auf zwei Seiten gleichzeitig bedruckt wird, und zwar mit der Schnelligkeit von 1000 Exemplaren in der Stunde[198].

Verbesserungen der Handpresse.

Die eiserne Handpresse wurde in Deutschland vielfach nachgebaut und auch verbessert. Die Stanhopepresse lieferte namentlich Chr. Dingler in Zweibrücken. Die Columbiapresse wurde von Fr. Vieweg eingeführt und im Jahre 1825 in dem Hüttenwerk Zorge[317] am Harz gebaut. Ein Nachteil bei diesen Pressen war das öftere Springen der Seitenwände. C. Hoffmann in Leipzig baute die Coggersche Presse nach, und seine Konstruktion wurde von Vielen der der Originalpressen vorgezogen, weil das Heben des Tiegels durch Kugelgewichte auf langen Hebeln und nicht durch Federn geschah. Die Presse von Koch in Magdeburg fand, weil sehr billig und leicht, vielen Beifall; auch war sie insofern sehr zweckmässig, als sie über den Tiegel hinaus keinen Oberbau hatte, so dass die Form voll belichtet war. Sehr verbreitet waren die Hagar-Pressen, die in vorzüglicher Qualität von Chr. Dingler in Zweibrücken fabriziert wurden. Dingler verstärkte noch die Kraft und die Sicherheit der Original-Konstruktion, indem er statt Hagars einfachen Kniehebels vier schrägstehende Knieteile verwendete, die, wenn der Tiegel sich in der Höhe befindet, die Form eines Andreaskreuzes bilden, während sie, wenn er angezogen ist, zu zwei und zwei senkrecht aufeinander, wie Säulen, stehen[199]. Die Pressen sind jetzt fast die einzigen im Gebrauch befindlichen, wenn man eine Anzahl unverwüstlicher Stanhopepressen nicht rechnet, die noch das Gnadenbrot als Korrekturpressen geniessen[200].

Farbeauftrag-Maschinen.

Mit einer Farbeauftrag-Maschine hatten schon B. Strauss in Wien, Hermsdorf in Mannheim und Schuhmacher in Hamburg experimentiert. Georgi in Bonn, im Verein mit dem Faktor der Brönnerschen Offizin in Frankfurt a. M., R. Gerhard, führte eine solche in brauchbarer Weise aus. Eine kombinierte Buch-, Stein- und Kupferdruckpresse baute Georg Jontzen in Bremen. Ein Mittelding zwischen Schnell- und Handpresse war die von Selligué. Tiegel und Fundament stehen fest, nur das Rähmchen mit dem Papierbogen ist beweglich. Während ein Drucker von der einen Seite den Bogen einlegt, hebt ihn ein zweiter von der andern Seite ab. Für Brockhaus in Leipzig baute der Schlosser Kallmeyer in Osterode einen ähnlichen Apparat.

Diverse Maschinen.

Von kleineren Maschinen sind zu erwähnen die Falzmaschinen von Sulzberger & Graf in Frauenfeld in der Schweiz, später von König & Bauer, Isermanns Hobelmaschine, Brockhaus' Zifferndruckmaschine[318] und Farbereibmaschine, H. Zimmermanns und F. G. Wagners und B. Auerbachs Numeriermaschine, A. Fomms und Karl Krauses Schneidemaschinen, Brendler & Harlers Perforiermaschine, Hansens mechanischer Ausleger u. v. a. J. F. Klein in München liefert eine Kontrolle-Billetmaschine, die von endlosen Streifen 150 Stück in der Minute druckt und numeriert. Eisenbahnbilletmaschinen lieferten ferner Karig in Wien und G. Göbel in Darmstadt. Solche Maschinen schneiden das Papier, drucken den Text, die laufende Nummer, zählen die Exemplare und drucken schliesslich das Datum darauf. Albert & Co. in Frankenthal bauten Signiermaschinen, A. Fichtner in Wien Bronciermaschinen, A. Meyer & Schleicher Graphiteinreibungsmaschinen, B. Dondorf in Frankfurt a. M., Fr. Heim & Co. in Offenbach und noch viele andere stellten Liniiermaschinen etc. her.

Die Satiniermaschine.

Die Satiniermaschine mit zwei Stahlwalzen, zwischen welche Zinkplatten mit je einem zwischen zwei Platten gelegten Bogen unter starkem Druck gezogen wurden, hielt sich trotz aller Inkonvenienzen lange. Erst in letzterer Zeit wurde sie durch Satinierwerke mit zwei Hartgusswalzen und zwei äusserst harten und sehr glatt gedrehten Papiermassewalzen, welche durch den stärksten hydraulischen Druck eine völlig harte Masse geworden, abgelöst. Das Papier geht einen S-förmigen Weg und kommt somit von beiden Seiten mit den Stahlwalzen in Berührung. Schaber und Wischer halten die Walzen rein und stählerne Abstreifer verhindern das Ankleben des Bogens an die Walzen. Zuerst wurden sie nur mit einer Stahl- und einer Papierwalze gebaut, da jedoch die Seite des Papiers, welche mit der Papierwalze in Berührung kam, weniger glatt wurde, so musste das Papier zweimal umschlagen und nochmals eingelegt werden; was nun durch das doppelte Walzenpaar unnötig geworden ist.

Obwohl die Papierwalzen ausserordentlich hart sind, so hinterlassen doch die kleinen Knoten und Unreinheiten des Papiers nach und nach Eindrücke, die von Zeit zu Zeit durch Leerlaufenlassen der Massenwalze an die Stahlwalze oder durch Abdrehen beseitigt werden müssen. Diese Satinierwerke werden namentlich von W. F. Heim & Co. in Offenbach[201] und C. G. Haubold in Chemnitz gebaut;[319] Karl Krause in Leipzig liefert sie auch mit sechs Cylindern, zwei von Stahl und vier von Papier. Auch F. Schlotke machte sich durch Anfertigung von Satiniermaschinen bekannt. W. Schroeder & Co. in Leipzig fertigen Satinierwerke, bei welchen die Massenwalzen mit einem Stahlblech umzogen werden, wodurch die vollkommene Glattheit der Stahlwalze sich mit der Elastizität der Massenwalze verbindet[202]. Die Werke von W. R. Schürmann in Düsseldorf haben zwei Hartgusswalzen, die nicht ganz cylindrisch geschliffen sind, damit der ausgeübte Druck sich ganz gleichmässig verteilt[203].

Für das heisse Satinieren nach dem Drucke lieferten C. G. Haubold jun. in Chemnitz und W. F. Heim in Offenbach Werke, die mit günstigem Erfolg 1000–1600 Exemplare in der Stunde satinieren und nur zwei Personen zur Bedienung gebrauchen[204].

Unter den Utensilienfabrikanten nehmen Schelter & Giesecke, A. Hogenforst und Alex. Waldow in Leipzig einen bedeutenden Platz ein. Klimsch & Co. in Frankfurt a. M. haben durch ihr „Adressbuch für Buch- und Steindruckereien“ und durch ihren „Allgemeinen Anzeiger für Druckereien“ Verdienste um die Erleichterung des Verkehrs und berücksichtigen mit ihrem Utensilien-Geschäft namentlich Steindruckereien, ebenso G. E. Baumann in Berlin; Gursch & Klemm in Berlin liefern Giesserei-Werkzeuge. In Stuttgart wirken Stoffler & Backé.


Die Farbefabrikation.

Nachdem die Buchdruckereien aufgehört hatten, selbst ihre Farbe zu bereiten, und grössere Anforderungen an den Druck gestellt wurden, war Deutschland, was die feinere, namentlich die Illustrationsfarbe betraf, dem Ausland, vorzüglich England, tributpflichtig geworden, und noch bis in die vierziger Jahre hinein waren Parson, Lawson u. a. die Hauptlieferanten für den deutschen Markt. Um diese Zeit fingen jedoch namentlich Jul. Hostmann in Celle und Gebr. Jänecke & Friedr. Schneemann in Hannover an, ihre Fabrikation durch rationellen Betrieb in die Höhe zu bringen. Kostete es anfänglich auch grosse Mühe, durchzudringen, so kam es doch so weit, dass der deutsche Fabrikant nicht allein auf dem deutschen Markte siegreich blieb, sondern auch im Auslande sich geltend[320] machte. Nicht ohne grosse Bedeutung ist es, dass auf der Weltausstellung in Melbourne die letztgenannte deutsche Fabrik die goldene Medaille erhielt, während der berühmten Firma A. B. Fleming & Co. in Leith (S. 72) nur der dritte Preis zufiel.

Teigfarben.

Von älteren und jüngeren Fabriken sind zu nennen: Fischer, Naumann & Co. in Ilmenau, J. Brönner in Frankfurt a. M., Kast & Ehinger in Feuerbach bei Stuttgart, Robert Gysae in Oberlössnitz bei Dresden, J. E. Breidt in Hammerling in Nieder-Österreich, Friedr. Wüste in Pfaffenstetten, Frey & Sening in Leipzig. Letztere brachten auch die sogenannten Teigfarben in Aufnahme, die sich jahrelang geschmeidig erhalten und vor der Verwendung nur eines leichten Anreibens unter Zusatz der nötigen Quantität von Firnis bedürfen; es ist dies eine sehr beachtenswerte Neuerung für Buchdruckereien, die nicht regelmässig mit bunten Farben arbeiten.

Die Kopierfarbe.

Nicht unwichtig war die Einführung der Kopierfarbe, denn diese macht es möglich, die mit solcher Farbe vorgedruckten Blanketts zusammen mit dem mittels Kopiertinte Hineingeschriebenen später zu kopieren, was besonders in dem ganzen Frachtverkehr von grossem Werte ist.

Surrogate.

Versuche, Farbe aus billigeren Stoffen, z. B. aus dem Saturationsschlamm der Zuckerfabriken, aus den tanninschwarzhaltigen Lederabfällen zu bereiten, sowie, eine abwischbare Farbe herzustellen, so dass Makulatur wieder in weisses Papier umzuändern wäre, haben alle für die Praxis keinen Wert gehabt. Mit der Farbefabrikation ist öfters die der sogenannten englischen Walzenmasse (S. 71) verbunden.

Fußnoten:

[189] Die folgenden Zeilen sind einem Glückwunschschreiben entnommen, welches der Herausgeber dieses Buches als Sekretär des Deutschen Buchdrucker-Vereins an die Söhne Friedrich Königs zum 17. April 1875 abzufassen hatte (vgl. Annalen d. Typ. Nr. 301). Dieses Schreiben sowohl wie der Jubelartikel in dem Journ. f. B. 1875, Nr. 15 ff. kamen jedoch, wie nach späterer Feststellung des Geburtsjahres Königs hervorgeht, um ein Jahr zu spät.

[190] Th. Goebel, Friedrich König und die Erfindung der Schnellpresse. Braunschweig 1875. Eine von demselben verfasste umfangreiche Geschichte der Erfindung, zugleich der Firma König & Bauer, war bei dem Satz dieser Bogen und bei dem bereits erfolgten Druck der Bogen 4 und 5 noch nicht ausgegeben, konnte demnach nicht für die Darstellung hier benutzt werden. — J. H. Bachmann, „Die ersten Schnellpressen in Deutschland“; eine Reihe von Artikeln in dem Journ. f. B. 1868, Nr. 38–48, 1869, Nr. 2–17 enthält die ausführliche Geschichte des Baues von vier Schnellpressen für Spener und Decker in Berlin.

[191] König & Bauer, Verzeichnis der ersten 2000 Schnellpressen. 1873.

[192] Journ. f. B. 1881, Nr. 32.

[193] Journ. f. B. 1880. Nr. 17.

[194] Abgebildet und beschrieben im Journ. f. B. 1879, Nr. 36.

[195] Journ. f. B. 1879, Nr. 8.

[196] Österr. Buchdr.-Ztg. 1880.

[197] Österr. Buchdr.-Ztg. 1880, Nr. 2.

[198] Journ. f. B. 1882. Nr. 32.

[199] Journ. f. B. 1866, Nr. 21 u. 22.

[200] Fast alle hier erwähnten Handpressen sind in dem Journ. f. B. 1834–36 abgebildet und beschrieben. Näheres vergl. S. 51–53.

[201] Journ. f. B. 1877, Nr. 13.

[202] Journ. f. B. 1881, Nr. 3.

[203] Journ. f. B. 1881, Nr. 45.

[204] Journ. f. B. 1879, Nr. 19.

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XII. KAPITEL.

DAS ZENTRUM DER GERMANISCHEN GRUPPE.

J. G. I. Breitkopf, seine Reformen, der Musiknotendruck vor Breitkopf und dessen Verbesserungen, Breitkopf & Härtel. G. J. Göschen. Friedr. Arnold Brockhaus und seine Nachfolger. B. G. Teubner. Karl Tauchnitz. Fr. Nies und seine Nachfolger. B. Tauchnitz. Das Jubelfest 1840. Giesecke & Devrient. Das Bibliographische Institut. Verschiedene Offizinen Leipzigs. — Dresden: Meinhold & Söhne u. a. — Halle: Waisenhausdruckerei, Schwetschke & Sohn. — Weimar: Hofbuchdruckerei. — Gotha: Just. Perthes. — Braunschweig: Vieweg & Sohn, G. Westermann, Dr. Heinrich Meyer und das Journal für Buchdruckerkunst.

J. G. I. Breitkopf.
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IEMLICH gleichzeitig mit dem Begründer der nationalen Grösse Deutschlands, Friedrich II., und mit den Bahnbrechern des nationalen Kultur- und Kunstlebens: Lessing, Klopstock, Gellert, Kant, Just. Möser und Winckelmann wurde der Reformator der deutschen Typographie Johann Gottlob Immanuel Breitkopf am 23. November 1719 in Leipzig geboren, welches nunmehr unter der Führung Breitkopfs und anderer tüchtiger Gesinnungsgenossen die Stellung als Vorort der deutschen Typographie behaupten sollte[205].

Breitkopf war ein Sohn des rühmlichst bekannten Bernh. Christoph Breitkopf (I, S. 149). Von Natur sehr aufgeweckt und geistig begabt, hatte er keine Neigung, dem Wunsche des Vaters gemäss, sich der Buchdruckerei zu widmen, dagegen zog es ihn[322] unwiderstehlich zu den Studien hin. Der Kampf zwischen dem Vater und dem Sohne schloss mit einem Kompromiss, wozu beide, und Gutenbergs Kunst dazu, sich nur Glück wünschen konnten: Johann Immanuel sollte sich sowohl den Studien, als dem Geschäft widmen.

Seine Ausbildung.

Er legte sich nun mit grossem Eifer auf die Wissenschaften und versuchte sich auch schriftstellerisch. Grossen Einfluss auf seine Ausbildung übte Gottsched. Erst in späterer Jugend machte sich die Lust an der Mathematik, der er später einen grossen Teil seines Ruhmes verdanken sollte, bei ihm geltend. Das Werk Albrecht Dürers „Unterweysung der Messung mit dem Zirkel u. s. w.“ fiel ihm in die Hände. Die mathematische Berechnung der Schriftverhältnisse interessierte ihn, und nun war er für die Typographie gewonnen. Er ging an das Vergleichen mit den alten Drucken und fand, wie die sich immer mehr verschlechternde Form mit dem Verfall der Schönschreiberei in Verbindung stand. Mit grossem Eifer fing er an die Buchstaben mathematisch zu berechnen. Er sammelte emsig alle Musterschriften und Werke über Schriftenkunde und begann nun seine Reformen, namentlich arbeitete er unablässig für die Verbesserung Breitkopf und die Fraktur.und Verschönerung der Frakturschrift. Die Gründe, die ihn bewogen an dieser festzuhalten und seine Anstrengungen der Regeneration derselben zu widmen, hat er später in einer Schrift: „Über Bibliographie und Bibliophilie“ (1793) entwickelt. Seiner Ansicht nach wäre die deutsche Schrift der lateinischen unbedingt vorzuziehen; sie eigne sich selbst für Transkription fremdländischer Werke, als hebräischer und arabischer, besser als die Antiqua. Nur die Verachtung, welche die Gelehrten der deutschen Schrift bewiesen, trage die Schuld, dass dieselbe nicht eben so verbessert und verschönert worden sei, wie die allgemein beliebte lateinische. Es bedürfe aber nur der Aufmunterung, um die Künstler zu veranlassen, unter Zugrundelegung der Schöfferschen Muster, oder der Theuerdank-Type eine Frakturschrift zu schaffen, welche der schönsten Antiquaschrift die Wage halte.

So lautete der Ausspruch Breitkopfs und er ging nun auch daran, seiner Ansicht praktische Geltung durch eine verbesserte Frakturschrift zu verschaffen, welche zuerst in: „Einige Lieder für Lebensfreuden“ angewendet wurde, während die neue Antiqua zuerst in Forbigers Ausgabe des „Catull“ zum Abdruck gelangte.

[323]

Wäre Breitkopf der Fraktur abhold und ein eifriger Freund der Antiqua gewesen und hätte er letztere zu einer Zeit, wo man anfing sich nach schön gedruckten Büchern zu sehnen, zum Gegenstand seiner reformatorischen Pläne gemacht, so hätte möglicherweise die Frage: „Antiqua oder Fraktur“ unter seiner Autorität längst eine Entscheidung im Sinne der Vertreter der Antiqua gefunden. Denn damals lag die Angelegenheit weit einfacher als heute, wo sie bei der Mehrzahl der Gegner der Antiqua weit eher eine nationale Gefühlssache als eine Frage der Zweckmässigkeit und der Schönheit geworden ist.

Der Musiknotendruck.

Einen ganz wesentlichen Anteil an dem Weltruhm Breitkopfs haben seine Verbesserungen des typographischen Musiknotendrucks. Der Umstand, dass die Buchdruckerkunst gleich bei ihren ersten Erzeugnissen auf die Bedürfnisse der Kirche geführt wurde, musste die Gedanken auf den Notendruck richten; doch war die Technik damals nicht so weit vorgeschritten, dass man an die Überwindung der durch die Verbindung des Druckes der horizontalen Linien und der vertikalen Notenzeichen entstehenden Schwierigkeiten denken konnte. Man musste deshalb beim Drucken des Textes Raum lassen, für die nachträglich einzuschreibenden Noten. Später wurden Linien und Text rot gedruckt, die Choralnotenköpfe eingezeichnet, teilweise auch mit der Hand durch Stempel einzeln aufgedruckt oder das Ganze in Holz geschnitten. Das erste mit Holzschnitt-Choralnoten gedruckte Buch ist das bei Hans Froschauer in Augsburg erschienene Lilium Musicae planae des Michael Kiensbeck aus dem Jahre 1473. Die ersten Proben von Figuralmusik in Holzschnitt kommen in einem Werke des Nic. Burtius vor, gedruckt von Hugo de Rugeriis in Bologna 1487.

Noten in Holzschnitt.

Solche in Holz geschnittene Noten wurden noch benutzt, nachdem das Verfahren mittels beweglicher Choralnotentypen zu drucken erfunden war, z. B. in den Liederbüchern Luthers. Wann und wo der Versuch mit letzteren zuerst geschah ist nicht zu ermitteln, denn das Verfahren wurde ziemlich gleichzeitig an vielen voneinander sehr entfernten Orten, z. B. um das Jahr 1488 in Basel, geübt.

Oct. dei Petrucci.

Hat es nun auch Choralnotentypen vor der Erfindung des typographischen Druckes der Figuralmusik gegeben, so ist es doch unzweifelhaft, dass letzterer eine Erfindung des Octaviano dei Petrucci[324] aus Fossombrone war[206]. Dieser, von edlen jedoch armen Eltern geboren, kam als Buchdrucker nach Venedig. Im Jahre 1498 erhielt er seitens des Senates ein Patent auf Druck von mehrstimmiger Musik für „Gesang und Laute“, dem später ein ähnliches des Papstes Leo X., datiert 1513, folgte. Sein erster Notendruck war harmonice musices Odhecaton 1501. Er entwickelte eine so grosse Thätigkeit, dass er bereits in den Jahren 1501–1507 zwanzig verschiedene Werke gedruckt hatte. Unvermögenheit veranlasste ihn den Betrieb seiner Druckerei den thätigen Buchhändlern Amad. Scotti und Nic. da Raphael zu überlassen.

Petruccis System.

Petruccis System war auf Doppeldruck gegründet. Die Linien bestanden aus Stücken in der Grösse der Formatbreite. Die Noten wurden für sich gesetzt und auf die Linien gedruckt. Die Genauigkeit der Typen ist eine grosse und der Druck, besonders der Linien, ein vorzüglicher. In allen Ausgaben Petruccis sowie seiner Nachfolger für lange Zeit wurden die einzelnen Stimmen für sich meist nebeneinander gedruckt, für den Druck von Partitur-Ausgaben war man damals technisch noch nicht weit genug fortgeschritten.

Andere Notendrucker.

Den Druck mit Typen, in welchen jedes der Notenzeichen zugleich mit einem Stück des Liniensystems verbunden war, so dass nur ein Druck notwendig und die Schwierigkeit des Passens der Formen umgangen ward, führte Erhard Oeglin in Augsburg zum erstenmale vor in: Melopoiae sive Harmoniae tetracenticae 1507. Peter Schöffer in Mainz übte das Verfahren 1511.

Pierre Hutin.

In Frankreich schnitt der Graveur und Drucker Pierre Hutin 1527 die ersten derartigen Noten, mit welchen Pierre Attaignant in Paris und Tylman Susato in Antwerpen druckten. Bei allen diesen Versuchen waren die Notenköpfe noch eckig. Von diesen wurde zum erstenmale in den Werken des päpstlichen Kapellmeisters Eleazar Genet genannt Carpentras abgewichen. Als der genannte in seinen alten Tagen in Avignon seine Kompositionen drucken lassen wollte, veranlasste er Stephan Briard aus Bar-le-duc, Typen, welche die Handschrift nachahmte, zu schneiden. Jean de Channay in[325] Avignon druckte damit 1532 das erste Liber primus Missarum Carpentras. Die Neuerung fand jedoch keine Folge.

Venedig blieb lange Zeit das Zentrum für den Musiknotendruck und den Musikalienverlag. Die bedeutendste Firma war die der Familie Gardano, die von 1536 ab bis tief in das XVIII. Jahrhundert blühte und die Werke Palästrinas verlegte.

Notendruck in Deutschland.

In Deutschland wurden nicht nur Originale gedruckt, sondern auch alles „Gangbare“ des Auslandes nachgedruckt. Hieronymus Formschneider schnitt gute Notentypen. Der bedeutendste Notendrucker des XVI. Jahrh. war Adam Berg in München, Verleger der Werke Orlando Lassos. Fast alle seine Drucke, bei denen er die Unterstützung des musikliebenden Herzogs von Bayern genoss, sind Prachtausgaben in Folio. Sein Hauptwerk ist das: Patrocinium musices aus 1573. Als das bedeutendste Werk aus dem XVI. Jahrhundert muss das von Nic. Heinrich in München gedruckte Magnum opus musicum genannt werden. In dem XVII. Jahrhundert war namentlich Gimel Bergen in Dresden thätig.

Frankreich.

In Frankreich lieferte Guillaume le Bée um 1550 vollkommenere Noten als die Hutins, deren sich Rob. Ballard und dessen Schwager Adrian le Roy bedienten. Die Familie Ballard, welche die Noten le Bées für die hohe Summe von 50000 Livres erwarb, war die bedeutendste Musikfirma nicht nur in Frankreich und erwarb sich namentlich durch die Herausgabe der Werke Lullys Weltruf. Sie druckte die Partituren fast aller französischen Opern und hielt sich beinahe 200 Jahre in Ansehen.

Englands Anteil an dem Musiktypendruck war kein bedeutender. John Day wandte um 1560 die verbesserte Methode an. Thomas Este (um 1600) brachte sehr elegante Drucke.

Verfall des Notendruckes.

Um 1725 war der musikalische Typendruck, dessen Wesen überhaupt seit Petrucci wenig fortgeschritten war, ganz in Verfall geraten und der Kupferdruck hatte dessen Platz eingenommen. Als letzte bedeutende Erscheinung können die in Venedig bei Domenico Lovisa in acht, mit allem, damals zugebote stehenden Luxus ausgeführten Foliobänden gedruckten Fünfzig Psalmen von Benedetto Marcello bezeichnet werden. —

Aus dem Gesagten geht hervor, dass es unrichtig ist, wenn Breitkopf, wie es gewöhnlich geschieht, als Erfinder des typographischen[326] Notendruckes genannt wird, dagegen bleibt ihm, was ihm wieder von verschiedenen Seiten streitig gemacht worden ist, die Ehre, dem typographischen Notendruck eine solche Gestaltung gegeben zu haben, wie er sie noch heute hat. Die Bedeutung dieser That würde eine noch grössere Tragweite haben, wenn nicht die Erfindung der Lithographie und der lithographischen Schnellpresse in dem Notendruck und dem Musikalienverlag eine gewaltige Umwälzung zur Folge gehabt hätte.

Am allertiefsten fast stand vor Breitkopf der Notendruck in Leipzig; selbst die Arbeiten sonst verdienter Männer als Wolfg. Stöckel und Abr. Lamberg sind äusserst mangelhaft. Die Kolumnen sahen mit ihren unendlich vielen, jämmerlich zusammengesetzten Linienstücken vollständig gequirlt aus.

Breitkopfs Noten.

Da erschien im Jahre 1755 bei Breitkopf „Sonnet auf das Pastorell Il trionfo della fedelta“, ein Versuch, der bereits wenig zu wünschen übrig liess, doch ist die umfangreiche (283 S. in qu. fol. umfassende) Tondichtung der Kurfürstin Marie Antonie von Sachsen Il trionfo della fedelta selbst noch geeigneter, die Vorzüge von Breitkopfs Leistungen ins helle Licht zu setzen. In der Schlussschrift heisst es: „Stampato in Lipsia; nella stamperia di Giov. Gottlob Immanuel Breitkopf, Inventore di questa nuova maniera di stampar la Musica con Carratteri separabili e mutabili. E questo Dramma Pastorale la prima opera stampata di questa nuova guisa; comminciata nel Mese di Luglio 1755, e terminata nel mese d'Aprile 1756[207]“.

Der bewegliche Geist Breitkopfs liess ihn jedoch nicht bei solchem Siege Beruhigung fassen, sondern trieb ihn ein Feld zu bebauen, wobei man zwar volle Gelegenheit hat, seine Fähigkeiten zu bewundern, jedoch nicht ohne eine Beimischung des Bedauerns, dass dieselbe so unfruchtbaren Arbeiten zugewendet wurden.

Landkartensatz.

Zuerst wollte er die Herstellung der Landkarten der Buchdruckerei zuweisen. Die Berechnung aller der wellenförmigen Linien der verschiedensten Art für Terrainzeichnung; die Notwendigkeit, die Schrift kreuz und quer nach allen Richtungen hin zu setzen; kurz, alle die Schwierigkeiten, die eine Kartenzeichnung darbietet, machen[327] die typographische Ausführung, wennauch nicht geradezu unmöglich, doch so schwer, dass die Kosten sich nicht in der Praxis erschwingen lassen. Dies fühlte wohl Breitkopf bald selbst, wie aus seiner 1777 herausgegebenen Broschüre: „Über den Druck der geographischen Karten“ hervorgeht, und die darin enthaltenen Proben würden überhaupt kaum an das Tageslicht getreten sein, wenn er sich nicht von dem sein Ehrgefühl verletzenden Verdacht hätte reinigen wollen, dass er mit seiner Erfindung später als Haas in Basel mit der seinigen gekommen sei.

Satz figürlicher Gegenstände.

Diesem Verdacht tritt er mit Entrüstung entgegen und kritisiert streng den Haasschen Versuch, den er „mehr ein opus musivum als typographicum“ nennt, „mit Thon und gekautem Papier nachgeholfen, wie man dergleichen schon längst in der Druckerei kennt“ (vgl. Kap. XIV). In demselben Jahre folgte noch „Die Beschreibung des Reichs der Liebe“ mit einer Karte; 1799 „Der Quell der Wünsche“ ebenfalls mit einer Karte, die beide als eine glückliche Lösung seiner Aufgabe nicht betrachtet werden können. Immerhin ist Breitkopfs typographischer Scharfsinn doch sehr zu bewundern, und seine kartographischen Versuche bleiben typographische Reliquien von hohem Wert. Der Satz, der noch heute erhalten ist, beseitigt jeden Verdacht, als sei durch Feile, Messer, unregelmässigen Ausschluss oder in anderer Weise nachgeholfen; alle Stücke sind streng systematisch und einfach, wie in jedem anderen Satz, an einander gereiht.

Chinesische Schrift.

Obgleich Breitkopfs klarer Verstand ihm sagte, dass er auf diesem Wege keine grossen praktischen Erfolge erzielen würde, so veranlasste ihn doch sein etwas hartnäckiger Charakter, sogar noch weiter zu gehen: er wollte es noch möglich machen, Porträts mit Typen herzustellen. Die Strichlagen des Kupferstechers liessen ihn glauben, durch parallel laufende Linienstücke das Ziel erreichen zu können. Seine Proben hat er nicht veröffentlicht, wer aber die neuesten Arbeiten Moulinets und anderer Meister in diesem Genre kennt, kann sich leicht von dem, was erreicht werden konnte, ein ungefähres Bild machen. Zwar gehören alle solche Versuche den Gebieten des an und für sich Unpraktischen an, wir können sie dennoch so wenig wie die späteren Stigmatypien Fasols als wertlos für die Fortbildung der Typographie bezeichnen.

[328]

Die Beschaffung des chinesischen Satzes mit beweglichen Lettern war eine der Aufgaben, die sich die Typographie gestellt hatte. Sowohl die französische als die päpstliche Regierung hatten darauf viel Geld unnütz verwendet. Die grosse Anzahl der Schriftzeichen machte die Anfertigung der Typen kostspielig und die Ähnlichkeit der Charaktere unter einander den Satz zu einem äusserst schwierigen. Indes, Breitkopf löste seine Aufgabe und sandte sofort eine allerdings nicht sehr ansprechende, im J. 1789 der Öffentlichkeit übergebene Probe an den Papst, der ihm durch den Kardinal Borgia in sehr schmeichelhaften Ausdrücken danken liess. Aber auch bei dieser Erfindung unterblieb die praktische Ausbeutung. Ein holländischer Verleger unterhandelte zwar mit Breitkopf über das Setzen eines chinesischen Textes in Leipzig, die Verhandlungen führten aber nicht zu einem Resultate.

Typographische Ornamentik.

Nun wollte Breitkopf auch mathematische Figuren mit beweglichen Typen setzen, ein Gedanke, der bei der Billigkeit des einfachen Holzschnittes keine grossen Erfolge in Aussicht stellen konnte und auch nicht zur Verwendung kam.

Schriftgiesserei.

Schliesslich wendete er seine Aufmerksamkeit darauf, die Verzierungen, die nach und nach den höchsten Grad von Ungeschmack erreicht hatten, durch geschmackvollere zu ersetzen. Zu diesem Zweck liess er gute ältere Vorbilder nachahmen und in Holz schneiden.

Auch das Giessen und das Drucken haben ihm Verbesserungen zu verdanken. Seine Giesserei war wegen der Vortrefflichkeit der Metall-Legierung berühmt. Einen Beweis für die Güte liefert die Reinheit der Abdrücke, die nach Verlauf von hundert Jahren von dem vorhandenen Landkartensatze gemacht wurden. Die Giesserei arbeitete mit vierzig Leuten und zwölf Öfen und sandte ihre Schriften nach allen Ländern der Welt. Dagegen misslangen eine von ihm angefangene Spielkartenfabrik und eine Tapetenfabrik, obwohl die Muster von dem besten Geschmack zeugen. Breitkopf war eben ein Erfinder, nicht aber in gleichem Masse für die pekuniäre Ausbeutung der Erfindungen geschaffen.

Sittliche Reformen.

Einem so feingebildeten Mann wie Breitkopf konnten die handwerksmässigen Roheiten, die mit der Lossprechung eines Lehrlings verbunden waren (I, 165), selbstverständlich nicht zusagen. Er schaffte deshalb die bei solchen Gelegenheiten üblichen scenischen[329] Aufführungen ab und beschränkte sich darauf, den symbolischen Sinn der Marterwerkzeuge erklären zu lassen und in einer sinnigen Rede den Losgesprochenen über seine Rechte und Pflichten zu belehren. Solche Änderungen und Neuerungen, die auf das Beschränken der Völlerei und des Feierabendmachens abgesehen waren, fanden jedoch begreiflicherweise keine Gnade bei den Gehülfen, und man ging anfänglich so weit, die bei Breitkopf Ausgelernten nicht für voll anerkennen zu wollen, doch bahnten sich Vernunft und Sitte schliesslich ihren Weg.

Schriftstellerische Arbeiten.

Wie viele seiner technischen Pläne und Experimente, so blieben auch manche seiner schriftstellerischen Arbeiten nur Entwürfe. Um seinen Hauptplan, eine grossartig angelegte Geschichte der Buchdruckerei gründlich durchführen zu können, hatte er mit vieler Sorgfalt und mit grossen Kosten eine Bibliothek von Werken über Buchdruckerkunst und Proben von den Leistungen derselben gesammelt. Durch eine Reihe von Jahren legte er Kollektaneen an, hatte auch einige Partien des Werkes ausführlicher ausgearbeitet. 1779 erschien seine Broschüre „Über die Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst“, welche den breit angelegten Plan seines Werkes entwickelte. Es folgte dann 1784 einer der durchgearbeiteten Abschnitte: „Versuch über den Ursprung der Spielkarten“. Erster Teil. Der zweite Teil wurde nach Breitkopfs Tode von J. C. F. Roch 1801 herausgegeben, welcher in der Vorrede darüber klagt, dass die hinterlassenen Notizen Breitkopfs nicht derart beschaffen seien, dass eine grössere Ausbeute daraus erwachse. Breitkopfs reger Geist führte ihn während der Arbeit immer weiter; die Noten überwuchern den Text. Er wollte alles, was ihn interessierte, auch ausführlicher bearbeiten, und so haben wir zu bedauern, dass wir nur einige, wenn auch sehr wertvolle Bruchstücke erhielten, statt einer vollständigen, noch heute nicht vorhandenen Geschichte der Buchdruckerkunst, die zu schreiben er, wie kaum ein zweiter, fähig gewesen wäre, wenn er nur die Kunst, sich zu beschränken, besser verstanden hätte.

Breitkopfs Tod.

Breitkopf starb am 28. Jan. 1794 und hinterliess seine Buchdruckerei als eine der am reichsten ausgestatteten wenn nicht gar als die reichste der Welt. Sie besass gegen 400 verschiedene Schriftgattungen, 16 Sorten Noten, einen grossen Vorrat von[330] Vignetten und beschäftigte 120 Arbeiter. Das Geschäft wurde von dem Sohne Christoph Gottlob fortgeführt, der sich im Jahre 1796 mit Gottfried Christoph Härtel assoziierte. Die jetzige Firma Breitkopf & Härtel.Breitkopf & Härtel datiert aus dem Jahre 1798. Härtel war zwar kein gelernter Buchdrucker, stand jedoch dem Geschäft in vortrefflichster Weise vor. Er liess durch Schelter griechische Typen nach R. Härtel
Dr. H. Härtel † 5. Aug. 1875.
Bodoni und Antiquaschriften nach Levrault schneiden und gründete auch eine Steindruckerei (1805). Nach dem Tode Härtels (am 25. Juli 1827) trat zuerst der jüngere Sohn Raymund Härtel, später (1835) der ältere Dr. jur. Hermann Härtel in das Geschäft. Sie brachten dasselbe, das während ihrer Minderjährigkeit etwas zurückgegangen war, bald wieder zur alten Blüte.

Der etwas altersgrau gewordene „goldene Bär“ wurde 1867 verlassen und ein neues immenses Geschäftshaus bezogen, wo es jedoch auch bald zu eng geworden wäre, hätte die Firma nicht ihre Pianofortefabrikation aufgegeben. Am 27. Januar 1869 beging das verjüngte Geschäft die Feier seines 150jährigen ruhmvollen Bestehens. Es arbeitet mit 30 typographischen und lithographischen Schnellpressen, 18 Handpressen und gegen 400 Arbeitern.

Als Musikverleger hält das Haus den alten Ruhm aufrecht. Das bis Ende 1878 ergänzte Musikverzeichnis umfasst in mehr als 15000 Werken das gesamte Gebiet der Musik, wie auch deren Litteratur und Pädagogik nach allen Seiten hin vertreten ist. Nach dem Ausscheiden Raymund Härtels im Jahre 1879 sind seine Neffen W. Volkmann und Dr. O. Hase die Chefs des Hauses.

G. J. Göschen * 1752.

Auf der Grenze des XVIII. und XIX. Jahrhunderts wirkte Georg Joachim Göschen[208], aus Bremen gebürtig. Seine Jugend verbrachte er in ärmlichen Verhältnissen. Drei Jahre lebte er in einer Pension bei einem Schullehrer in Arbergen, einem Dorfe bei Bremen, wo der Vater des bekannten Gelehrten Heinr. Ludw. Heeren Pastor war und Göschen zugleich mit seinem eigenen Sohne Unterricht erteilte. Nach überstandener Lehre erhielt er eine Stelle in Leipzig in der Crusiusschen Buchhandlung, die er 13 Jahre mit Erfolg bekleidete. Dann ging er nach Dessau, wo in ihm der Entschluss reifte, sich in Leipzig zu etablieren. Das Glück war dem strebsamen Manne hold,[331] er trat nach und nach in Verbindung mit den besten Autoren und verschaffte sich rasch einen angesehenen Namen.

Um eine Prachtausgabe von Wielands Werken mit lateinischen Lettern zu drucken, fasste Göschen den Plan, selbst eine Buchdruckerei zu errichten, da die vorhandenen Druckereien seine Forderungen nicht erfüllen konnten. Das war aber in der damaligen Blüte des Innungswesens keine leichte Sache, da Göschen nicht gelernter Buchdrucker war. Er musste in seinem Konzessionsgesuche, welches am 4. Mai 1793 bewilligt wurde, geltend machen, dass er nur „mit lateinischen Lettern nach Didot“ drucken wolle, dass jedoch diese in Leipzig nicht vorhanden wären, und dass seine Typen noch schöner seien als die von Unger in Berlin, wodurch Leipzigs Buchdruckerruhm steigen würde; ausserdem wolle er nur für sich drucken und sogar nur solche Artikel seines Verlages, die Andere nicht ausführen könnten. Nichtsdestoweniger wurde von seiten der Innung mit allen Kräften gegen ihn gearbeitet; man hatte wohl das Gefühl, dass ein Mann von Göschens Geist, wenn er einmal sich der Typographie gewidmet hatte, nicht bei den „lateinischen Typen nach Didot“ stehen bleiben würde.

Prachtausgaben.

Er schritt nun an sein grosses Vorhaben, eine Gesamtausgabe von Wielands Werken zu liefern, die etwas noch nicht dagewesenes sein und in vier Gestalten erscheinen sollte. Von der Prachtausgabe in 42 Bänden in 4°, mit Antiqua gedruckt und mit 36 Kupfern geschmückt, kostete ein Exemplar 250 Thlr. Den 1794 in Leipzig anwesenden Wieland liess Göschen unter festlichem Gepränge den ersten Band von jungen, Genien vorstellenden Damen überreichen, während die Muse Wielands Haupt mit einem Lorbeerkranze schmückte. Auch von Klopstocks Werken wollte Göschen eine ähnliche Ausgabe veranstalten; sie blieb jedoch unvollendet. Bedeutende Leistungen seiner Buchdruckerei sind die, ebenfalls nicht vollständig gewordenen Prachtausgaben des Wolfschen Homer, sowie die Griesbachsche Ausgabe des Neuen Testamentes. Die Ausstattung aller dieser Werke ist die prachtvollste und sorgfältigste, ohne jedoch einen recht befriedigenden Eindruck zu machen. Die Antiquaschriften trafen den Geschmack des Publikums nicht und auch die griechischen Schriften sind charakterlos, der Satz des Homer ausserdem unschön weitläufig.

[332]

Um den erwähnten Beschränkungen in seinem Geschäftsbetrieb zu entgehen, hatte Göschen seine Buchdruckerei nach Grimma verlegt, in dessen Nähe er das Gut Hohnstädt besass, auf welchem er, 75 Jahre alt, am 5. April 1828 starb. Er hatte bis in sein hohes Alter seine volle Geistesfrische erhalten und sie durch seine grosse Wirksamkeit als Verleger bethätigt.

Fr. A. Brockhaus * 4. Mai 1772, † 20. Aug. 1823.

Von hervorragender Bedeutung für das Buchgewerbe im allgemeinen, wenn auch weniger für die Typographie war Friedrich Arnold Brockhaus.

Etablissement in Amsterdam.

Sohn eines Kaufmanns in Dortmund, lernte er die Handlung in dem väterlichen Geschäfte und lag später den Studien ein Jahr lang in Leipzig ob. Im Jahre 1798 eröffnete er in Verbindung mit zwei Genossen ein englisches Manufakturwarengeschäft in Dortmund, welches er nach Trennung von seinen Teilhabern, von welchen der eine einen traurigen Einfluss auf die ganze Zukunft Brockhaus' üben sollte, 1802 nach Amsterdam verlegte und 1805 aufgab, um sich einem buchhändlerischen Geschäft unter der Firma Rohloff & Co. zu widmen, welche Firma 1810 in Kunst- und Industrie-Comptoir geändert wurde und erst 1814 in F. A. Brockhaus überging.

Bei einem Besuche der Leipziger Michaelismesse im Jahre 1808 erwarb er das begonnene aber ins Stocken geratene Konversations-Lexikon, ein Unternehmen, welches bestimmend für seine ganze geschäftliche Zukunft werden sollte.

Altenburg und Leipzig.

Veranlasst durch den Tod seiner geliebten Frau und durch die Franzosenherrschaft in Holland siedelte Brockhaus im Jahre 1810 nach Altenburg über und verkaufte 1811 das Amsterdamer Geschäft an Johannes Müller. In Altenburg weilte er bis 1817, um dann, nachdem er zwischen Dresden und Leipzig geschwankt hatte, am letzteren Orte sich bleibend niederzulassen und das in Altenburg bereits nach grossen Dimensionen betriebene Verlagsgeschäft in noch grössere Bahnen zu lenken.

Das Konversations-Lexikon.

Seinen Scharfblick für die Bedürfnisse der Zeit, verbunden mit einer thatkräftigen patriotischen Gesinnung bekundete er durch viele Unternehmungen. Der Eckstein des ganzen grossen Gebäudes blieb jedoch das Konversations-Lexikon. Der Anfang hierzu war bereits um das Jahr 1793 von Dr. Renatus Gotthelf Löbel gemacht. Dieser verband sich mit einem Advokaten Chr. Wilh. Franke zu der Herausgabe;[333] für die buchhändlerische Durchführung wurde Aug. Leupold ausersehen. Das Werk hatte jedoch keinen grossen Erfolg und die Unternehmer verkauften es an Leupold. Nach vielen Schicksalen kam es noch vor dem Erscheinen des sechsten (Schluss-) Bandes an Brockhaus, der nun mit seiner gewohnten Energie an die Vollendung und Umarbeitung ging[209].

Druckerei.

Mehr und mehr fühlte Brockhaus das Bedürfnis über eine eigene Druckerei disponieren zu können und hatte zuerst den Gedanken, diese in Altenburg zu errichten, wovon er jedoch zurückkam. Anfang des Jahres 1818 eröffnete er nun eine Offizin mit drei hölzernen Pressen, zu welchen bald noch weitere vier kamen. Die Innung legte Protest ein, weil Brockhaus kein gelernter Buchdrucker sei. Da musste sein Freund Teubner aushelfen und durch Verkauf, Rückkaufsvertrag etc. etc. wurde es Brockhaus möglich, faktisch seinen Willen durch die Errichtung einer „zweiten Teubnerschen Buchdruckerei“ durchzusetzen, bis der Sohn Friedrich, der bei Vieweg in Braunschweig gelernt hatte, am 21. Okt. 1820 die Konzession als Buchdrucker erhielt.

Die Schnellpresse.

Merkwürdig genug, dass ein Mann, begabt mit dem weiten Blick Brockhaus' und so gewohnt, pekuniäre Schwierigkeiten zu überwinden, sich die Ehre nehmen liess, als erster die Schnellpresse in Deutschland zur Anwendung zu bringen; dies um so mehr, als er die Sache scharf ins Auge genommen hatte und die Wichtigkeit der Schnellpresse vollständig erfasst hatte, wie aus einer Korrespondenz zwischen ihm und König & Bauer, die auch ein interessantes Streiflicht auf Königs weiten Geschäftsblick wirft, hervorgeht[210]. Bereits am 7. November 1818 wandte er sich an König & Bauer, um Näheres über die Leistungsfähigkeit der Schnellpresse zu erfahren, indem er betonte, dass 25 Handpressen nicht imstande gewesen, die Hälfte des Lexikons, fünf Bände in 12000 Auflage, innerhalb fast eines Jahres zu liefern, und dass die Arbeiter bei der Einförmigkeit der Arbeit ermüdeten und zuletzthin nur schlechte Arbeit lieferten. König & Bauer beleuchten in ihrer Antwort, dass 2–3 Schnellpressen genügen würden, um 25 Handpressen zu ersetzen, und dass trotz[334] des Anlagekapitals von 15000 Gulden für jede Schnellpresse grosse Ersparnisse eintreten müssten. Sie machten dabei Brockhaus einen eigentümlichen Vorschlag, dass er seine Druckerei nach Oberzell verlegen sollte. Sie hätten noch Raum genug für eine Druckerei von 70 bis 80 Setzern und die nötigen Maschinen, welche durch Wasser betrieben werden könnten, auch enorme Trockenböden ständen zur Disposition. Da das Papier aus Bayern und Franken bezogen werden würde, könnten die Transportkosten demnach zum grossen Teil gespart werden, ja, sie selbst gingen mit der Idee um, eine englische Papiermaschine zu bauen, um gutes Papier zu liefern, „das deutsche Papier“, heisst es, „ist doch ein Schandartikel, womit kein englischer Buchhändler vor das Publikum zu kommen sich unterstehen dürfte“. Der Brief schliesst: „Was sagen Sie zu dieser seltenen Vereinigung von Mitteln für grosse litterarische Unternehmungen, in einen kleinen Raum zusammengedrängt? Vielleicht liesse sich zwischen unseren und Ihren Plänen, unseren und Ihren Mitteln eine Verbindung ausmitteln, die beiden Parteien vorteilhaft wäre“.

Hätte dieser Vorschlag einige Jahre früher gemacht werden können, wer weiss wozu das geführt haben würde. Jetzt antwortete Brockhaus und zwar erst nach einem halben Jahre, ablehnend, er wollte die Ausführung seiner Gedanken die Schnellpresse anzuschaffen seinem Sohne überlassen.

König liess trotzdem die Sache nicht fallen und machte im Juni 1819 den Vorschlag, „zu dessen Annehmen offenbar viel weniger Mut gehört, als Sie Ihren übrigen Unternehmungen nach zu urteilen besitzen“, auf ihre Kosten zwei Schnellpressen in Leipzig zu Brockhaus' ausschliesslichem Gebrauch aufzustellen, in Betrieb zu halten und nach 10 Jahren an Brockhaus unentgeltlich zu überlassen, wenn er auf 10 Jahre hinlängliche Beschäftigung garantieren wollte und zwar gegen um 25% wohlfeilere Druckpreise, als sie ihm in seiner eigenen Druckerei zu stehen kämen. Aber auch diesen Antrag lehnte Brockhaus ab, obwohl er nach seiner Angabe über fünfzig eigene und fremde Pressen beschäftigte. So kam es denn, dass Brockhaus' Offizin und Leipzig überhaupt erst 1826, drei Jahre nach Friedrich Arnolds Tod, in Besitz einer Schnellpresse kam, welche von den Arbeitern mit Demolierung bedroht wurde, die in[335] Leipzig, wie anderswo, noch nicht einsehen gelernt hatten, dass sie hiermit nur gegen ihr eigenes Fleisch und Blut wüteten.

Der Verlag.

Neben dem Konversations-Lexikon pflegte Brockhaus mit besonderer Vorliebe den journalistischen Verlag, repräsentiert durch Okens „Isis“, „Zeitgenossen“, „Leipziger Kunstblatt“, „Hermes“ und „Litterarisches Wochenblatt“, die alle, mit Ausnahme des letzteren, welches noch als „Blätter für litterarische Unterhaltung“ besteht, kein langes Leben hatten. Auf seinen reichhaltigen sonstigen Verlag kann hier nicht näher eingegangen werden.

Tod Fr. Arn. Brockhaus'.

Die angestrengteste Geschäftsthätigkeit, die damit verbundenen Sorgen, zu welchen sich der bereits angedeutete ärgerliche, immer wieder auftauchende Streit von Dortmund her kam; seine fortwährenden Zensurkämpfe namentlich mit der preussischen Regierung; verdriessliche litterarische Händel, die durch sein heftiges Temperament genährt wurden; die Not, welche ihm Konkurrenz und Nachdruck des Lexikons verursachten, rieben seine Kräfte vor der Zeit auf, und brachten ihn um den ruhigen Genuss seines unermüdlichen Schaffens. Seine Gesundheit war untergraben. Obwohl im November 1822 dem Tode nahe und bereits allgemein totgesagt, erholte er sich wieder, unterlag jedoch einem neuen Anfall am 20. Aug. 1823[211].

Fr. Brockhaus † 15. Aug. 1865.

Das umfangreiche verwickelte Geschäft wurde von den jungen Söhnen Friedrich und Heinrich Brockhaus fortgesetzt. Friedrich hatte, wie schon erwähnt, die Leitung der Buchdruckerei übernommen, welche 1823 10 Holzpressen beschäftigte. Im Jahre 1833 wurde eine Stereotypie eingerichtet, 1836 die Walbaumsche Schriftgiesserei erworben (S. 283). Friedrich war eifrig bemüht, der Buchdruckerei die Superiorität in dem in den vierziger Jahren aufblühenden Illustrationsdruck zu sichern, und scheute keine Opfer, um den Vergleich mit dem Auslande aushalten zu können. Die ersten epochemachenden illustrierten Werke: Vernets „Napoleon“, Menzels „Friedrich der Grosse“, die „Illustrirte Zeitung“ wurden unter der[336] Leitung Friedr. Brockhaus' gedruckt, der sich am 1. Januar 1850 von dem Geschäft zurückzog.

H. Brockhaus * 4. Febr. 1804, † 15. Novbr. 1874.

Heinrich Brockhaus leitete die Buchhandlung. Er war ein mit einer ausserordentlichen Arbeitskraft und grossem Organisationstalent begabter Mann von unabhängiger Gesinnung. Am 4. Mai 1872 konnte er mit Genugthuung den hundertjährigen Geburtstag des Gründers begehen, denn das Etablissement war in seiner Art eines der vielseitigsten der Welt und in Wahrheit ein Universalgeschäft geworden, das mehr als 600 Personen beschäftigte. Der mit grösster Sorgfalt von Heinrich Brockhaus herausgegebene, 1148 Seiten starke Verlagskatalog verzeichnete damals bereits 2552 Artikel in 5851 Bänden. Als Teilnehmer waren die Söhne Heinrichs, Dr. Eduard und Rudolf Brockhaus, eingetreten. Heinrich Brockhaus, von der Universität Jena zum Ehrendoktor, von der Stadt Leipzig zum Ehrenbürger ernannt, starb am 15. November 1874[212].

Das Konversations-Lexikon bildet immer noch den Mittelpunkt des grossen Verlags und der Einfluss, welchen dieses jetzt in der 13. Auflage erschienene Werk auf die allgemeine Bildung geübt hat, ist ein grosser. Der Bilderatlas zum Konversations-Lexikon, 2. Aufl., ist ein Werk, wie es nur in einem Universalgeschäft, das über alle Arten der technischen Herstellungsmethoden gebietet, in solcher Weise durchgeführt werden konnte.

B. G. Teubner * 16. Juni 1784, † 21. Jan. 1856.

Benedictus Gotthelf Teubner, zu Grosskraussnigk in der Niederlausitz geboren, hatte noch vor Brockhaus sein später so bedeutendes Etablissement 1811 mit zwei Holzpressen angefangen. Bereits 1823 verband er mit seiner Buchdruckerei eine Buchhandlung, die sich durch ihren philologischen Verlag und korrekte Klassiker-Ausgaben einen grossen Ruf erwarb. Teubner war eifrigst für einen sorgsamen Druck bemüht, und hat in dieser Hinsicht wesentliche Verdienste um die Kunst, auch richtete er sein Streben auf eine, für damalige Zeit nicht gerade übliche, Eleganz in allen Accidenzarbeiten unter Verwendung des Guilloche- und Farbendruckes. Die von ihm herausgegebene Jubelschrift des Dr. K. Falkenstein zeigt, was das Geschäft auf den verschiedenen Feldern des graphischen Gebietes[337] zu leisten vermochte. Sind diese Leistungen auch durch die der jüngeren Zeit überflügelt, so waren sie doch damals bedeutend und die Buchdruckerei Teubners gehörte mit zu den in der neuern Richtung tonangebenden. Bei seinem Tode waren sieben Schnellpressen in Gang, auch hatte er in Dresden eine Filiale gegründet. Die Nachfolger, seine Schwiegersöhne Ad. Rossbach und Albin Ackermann, verliessen die früher eingeschlagene Kultivierung des Accidenzdruckes und zeichneten sich durch ihren vortrefflichen Werk- und namentlich durch ihren Zeitungs-Illustrationsdruck aus. Der grossartige philologische Verlag, aus gegen 2000 Werken in über 3000 Bänden bestehend, wurde unter besonderer Leitung des jetzigen Geschäftsteilhabers Dr. Aug. Schmitt in kräftigster Weise fortgeführt. Ohne irgend eine typographische Prätension zu erheben sind unter diesen Werken unübertroffene und unübertreffliche Drucke, um einen unter vielen als Beispiel zu nennen Herodiani reliquiae in geradstehender griechischer Schrift. Die Offizin ist eine der am besten eingerichteten und grössten Deutschlands, sie arbeitet mit 35 Schnellpressen und gegen 400 Arbeitern, und druckt 18 Zeitschriften.

Karl Tauchnitz * 29. Okt. 1761, † 14. Jan. 1836.

In die Reihe derjenigen verdienten Männer, die als Bahnbrecher der deutschen Typographie zu bezeichnen sind, gehört als einer der ersten Karl Christoph Traugott Tauchnitz.

Tauchnitz war in Grossbardau bei Grimma geboren. Da er seiner Armut wegen nicht studieren konnte, ward er 1777 Buchdruckerlehrling und arbeitete später bei Unger in Berlin. 1792 kehrte er nach Leipzig zurück. Im Jahre 1797 gelang ihm der Ankauf einer kleinen Buchdruckerei. Das Geschäft gewann durch Tauchnitz' Fleiss und Akkuratesse an Ausdehnung. Bereits 1800 konnte er eine Schriftgiesserei und eine Buchhandlung mit der Buchdruckerei vereinigen. Seine Wirksamkeit muss namentlich von dem Standpunkte der Verbindung dieser Geschäfte zu einem ganz bestimmten Ziel beurteilt werden. Dies Ziel war die Herausgabe der griechischen und römischen Klassiker in guter Ausstattung, grösster Korrektheit und zu den billigsten Preisen.

Die Klassiker.

Im Jahre 1808 machte er damit den Anfang. Jedoch ohne das von Lord Stanhope eingeführte Stereotypverfahren, welches er[338] durch den Engländer Watts gelernt hatte, wären die oben erwähnten Erfordernisse der Kollektion schwer zu erreichen gewesen.

In seinen Bemühungen um die Verbesserung der Antiqua, der griechischen und der orientalischen Schriften wurde er durch die Schriftgiesser J. G. Schelter und Matthes unterstützt.

Prachtwerke.

Seine Leistungen beschränkten sich jedoch nicht auf brauchbare billige Ausgaben; er lieferte auch Prachtdrucke ersten Ranges und wissenschaftliche Werke bedeutenden Umfanges. Zu den ersteren gehören sein Theokrit in Folio (1821); das Carmen Arabicum Szanicddini Helensis (1816), dessen Originaltext im orientalischen Stil in Gold und bunten Farben gedruckt ist; die Kuhnsche Hymne an König Friedr. August von Sachsen. Zu seinen bedeutendsten typographischen Leistungen zählen noch die arabische Ausgabe des Korans durch Flügel; die Fürstsche Bearbeitung der Buxtorffschen „Concordanz“, die stereotypierten hebräischen Bibeln von Hahn u. a.

K. Ch. Tauchnitz.

Mitten unter Plänen zu neuen wichtigen Unternehmungen rief ihn der Tod plötzlich ab. Sein Sohn Karl Christian Philipp, der eine ausgezeichnete Bildung genossen hatte, setzte das Geschäft, ohne demselben mit der vollen Neigung des Vaters zugethan zu sein, doch ganz im Sinne des Verstorbenen fort. Auf Veranlassung der Amerikanischen Mission in Syrien wurde eine neue arabische Schrift geschnitten, die sich dem Geschmack der Orientalen gut anpasst, jedoch im Satz grössere Schwierigkeiten bietet, als die ältere, mit welcher der Koran gedruckt wurde. Die Firma erlosch durch Verkauf der verschiedenen Geschäftsbranchen.

Fr. Nies * 6. Aug. 1804, † 16. Juni 1870.

In dem Streben für die Herstellung orientalischer Werke war Fr. Nies aus Offenbach mit Karl Tauchnitz verwandt, wenn auch der letztere von wissenschaftlichem sowohl als typographischem Standpunkte aus Idealeres anstrebte. Angeregt namentlich durch den genialen Verleger W. A. Barth, den Professor M. G. Schwartze und den Paläographen E. F. F. Beer, später auch durch Professor Seyfarth unterstützt, unternahm Nies das Wagnis, hieroglyphische Typen in seiner, 1831 angelegten Schriftgiesserei herzustellen. Die hieroglyphische Schrift bestand aus etwa 1500 Stücken. Diese in verschiedenen Grössenabstufungen sowohl nach links als nach rechts gewendet ausgeführten, oft einander sehr ähnlichen Figuren in ein richtiges Typensystem zu bringen war für damals wirklich eine That;[339] sie gelang und viele Werke, darunter das Riesenwerk des Dr. M. G. Schwartze „Das alte Ägypten“[213], zeigen, dass die Offizin nach damaligen Verhältnissen Bedeutendes leistete. Nies konnte mit seinen selbstgegossenen Schriften in gegen 300 Sprachen drucken, vermochte jedoch nicht, sich mit dem Gedanken zu befreunden, heute das rückhaltlos zu verwerfen, was gestern gut gewesen war, und ermüdete deshalb unter den erhöhten Ansprüchen der fortschreitenden Wissenschaft und Technik in seinen Anstrengungen. Das sonst so blühende Geschäft verödete nach und nach. Im Jahre 1856 übernahm es Carl B. Lorck, der erst sich mit J. J. Weber zur Ausführung der unter dieser Firma in den Jahren 1837–1845 erschienenen grösstenteils illustrierten Werke und Zeitschriften vereinigt hatte. Die Druckerei und Schriftgiesserei wurde zeitgemäss reorganisiert und vervollständigt. Eine bedeutende Zahl von orientalischen Werken, besonders für das Ausland gedruckt, verliess in den Jahren 1856 bis 1868 die Pressen der Offizin. In letzterem Jahre übernahm sie W. Drugulin * 20. Aug. 1821, † 20. April 1879.W. Drugulin, welcher die bis dahin fortgeführte Firma Fr. Niessche Buchdruckerei in W. Drugulin änderte. Lorck gab die „Annalen der Typographie“ (1869–1877) und mehrere Fachschriften heraus[214]. Drugulin setzte das begonnene Werk im bisherigen Sinne fort. Hatte die Jury der Pariser Weltausstellung von 1867 bereits erklärt, dass in Frankreich nur die kaiserliche Druckerei ähnliches prästieren könne, wie diese Privatoffizin in Leipzig, so wurde nun in der That durch Drugulins Erwerbungen, unter welchen sämtliche Stempel und Matern der früheren Karl Tauchnitzschen orientalischen, älteren Renaissance- und holländisch gothischen Schriften sich befanden, ein Komplex geschaffen, wie er ausser in den Staatsanstalten zu Wien und Paris sich nicht wieder vorfindet. Drugulins aussergewöhnlichen Kunst- und antiquarischen Kenntnisse kamen ihm[340] bei seinen vielen Reproduktionen und Imitationen von Drucken älteren Stils vortrefflich zu statten. Namentlich ist das grossartige Werk: „Die Chronik des Sächsischen Königshauses und seiner Residenzstadt“, ein Geschenk der Stadt Dresden zur Feier der silbernen Hochzeit des Königs Albert und der Königin Carola, ein Meisterstück dieser Gattung. Es war jedoch Drugulin nicht beschieden, den Schluss des Werkes zu erleben.

Hieroglyphendruck.

Die von Nies eingeführten hieroglyphischen Typen wurden zumteil durch die früher erwähnten eleganteren und kleineren Typen in Umrissen verdrängt (S. 285), teils hat es in jüngster Zeit den Anschein, als wollte die Lithographie und speziell die Autographie der Typographie das Terrain der Ägyptologie streitig machen. Der bedeutende Verlag der J. C. Hinrichsschen Buchhandlung in Leipzig auf diesem Felde ist fast durchweg in Autographie hergestellt, z. B. das hieroglyphisch-demotische Wörterbuch von H. Brugsch-Bey, das 1728 Seiten in kl. Folio umfasst. Vorausgesetzt, dass der Verfasser es versteht, hieroglyphische Umrisse korrekt wiederzugeben und sonst leicht leserlich schreibt, ist die autographische Wiedergabe eine ganz zweckmässige. Wenn mit Typen gesetzt, würden die Kosten für ein Werk wie das genannte, dessen Absatz begreiflicherweise nur ein beschränkter sein kann, allerdings kaum erschwinglich sein; im Interesse der Wissenschaft muss man deshalb die Besiegung der Typographie durch die Lithographie auf diesem Gebiete mit Ruhe hinnehmen.

B. Tauchnitz.

Die Offizin des Neffen des K. Tauchnitz, Bernhard Tauchnitz, erneute den Weltruf des Namens ebenfalls hauptsächlich durch die konsequente und grossartige Durchführung eines einzigen Unternehmens, bei welchem jedoch weniger die typographische als die bibliopolische Bedeutung hervortritt. Wer kennt nicht die Tauchnitz Collection, die Sammlung von Werken englischer und amerikanischer Autoren, deren Bändezahl jetzt 2000 übersteigt, die in über 600000 Stereotypplatten vorhanden sind? Wie die Karl Tauchnitzsche Kollektion auf die altklassische Bildung, so hat das B. Tauchnitzsche Unternehmen ganz ausserordentlich zur Verbreitung der englischen Litteratur und Sprache auf dem Kontinent, daneben auch zur Mehrung des Ansehens des deutschen Buchhandels in England beigetragen. Der Umstand, dass der Unternehmer den Autoren resp.[341] den Verlegern zu einer Zeit Honorar zahlte, wo dies noch nicht durch gesetzliche Bestimmungen geboten war, erwarb ihm sofort die Gunst der genannten, die er sich zu erhalten verstanden hat.

Ausser der Sammlung lieferte die Offizin für den Verlag des Besitzers — für Andere arbeitet sie nicht — eine Reihe von ebenso gut ausgestatteten wie durch ihre Korrektheit bekannten bedeutenden Werke, besonders in juristischer und linguistischer Richtung, unter welchen beispielsweise die fehlerfreien Logarithmen von Köhler genannt sein mögen.

Andere Firmen.

Ausser B. G. Teubner hatten bereits G. H. Maret, Wilh. Haack und namentlich C. L. Hirschfeld in allen Accidenzarbeiten einen sehr guten Geschmack gezeigt. Letzterer, durch einen längeren Aufenthalt in Paris tüchtig ausgebildet, verband Stereotypie und Gravieranstalt mit seiner Buchdruckerei. Im Bunt- und Golddruck leistete er Bedeutendes und das von ihm 1840 herausgegebene Tableau in etwa zwanzig Farbenplatten, Typographia jubilans, ist eins der bedeutendsten Erzeugnisse der Jubelpresse.

Das Jubelfest 1840.

Es dürfte hier, ehe wir zur jüngsten Gestaltung des graphischen Geschäfts in Leipzig übergehen, der Ort sein, mit einigen Worten des Jubelfestes 1840 zu gedenken, das sich nicht zu einer Lokalfeier, sondern zu einem grossen nationalen Feste gestaltete, welches in der Geschichte der Buchdruckerkunst einen Platz verdient.

Während im Jahre 1640 fünf Buchdruckereibesitzer mit 14 Gehülfen, im Jahre 1740 achtzehn Offizinen mit 138 Gehülfen dem Feste beiwohnten, zeigt die Liste der Beteiligten im Jahre 1840 24 Buchdruckereien mit 232 Handpressen, 11 Schnellpressen und 672 Gehülfen, dazu noch 7 Schriftgiessereien mit 62 Gehülfen, schliesslich 108 Buchhandlungen mit 121 Gehülfen. Das Kontingent, welches allein das Brockhaussche Geschäft stellte, betrug mehr als die Gesamtzahl der das Fest von 1740 Feiernden.

Die Sammlungen der Buchdrucker zu einem Festfond begannen bereits 1837. Die Buchhändler traten 1839 hinzu und die Stadt bewilligte 3000 Thaler. Das unter den günstigsten Auspizien vorbereitete Fest nahm den würdigsten Verlauf.

Bereits am Nachmittag des 23. Juni hatte die ganze Stadt sich festlich geschmückt. Die Häuser waren mit Guirlanden und Kränzen behängt, Fahnen wehten und Triumphbogen waren errichtet.

[342]

Früh am 24. durchzog eine grosse Reveille die Stadt. Um 8 Uhr versammelten sich die anwesenden Kammermitglieder, die königlichen und städtischen Behörden, die Konsuln, das Offiziercorps, die Geistlichkeit, die Schulrektoren, die Spitzen der Universität und die Professoren, die Handlungsabgeordneten, die Obermeister und Beisitzer der Innungen, schliesslich die Festgeber: Buchdrucker, Schriftgiesser und Buchhändler, an verschiedenen Orten. Von Deputierten des Festcomités geleitet begaben sich die einzelnen Züge nach der Thomaskirche zu dem, vom Superintendenten Dr. Grossmann abgehaltenen Festgottesdienste. Als Text war gewählt: „Es ward ein Mann von Gott gesandt, der hiess Johannes; derselbe kam und zeugte von dem Licht“.

Um 10 Uhr begann der grosse Festzug von dem Gewandhause aus nach der Buchhändlerbörse, wo die von den Frauen gestiftete Fahne den Buchdruckern übergeben wurde. Von da ab ging der Zug nach dem Marktplatze, dessen dritten Teil die amphitheatralische Zuschauer- und Musiker-Tribüne einnahm. Nach Absingung der von Felix Mendelssohn-Bartholdy komponierten Festkantate hielt Raymund Härtel eine begeisterte und zündende Festrede, die mit den Worten schloss:

„Du Allmächtiger, der du jedem Volke seine Bestimmung zugeteilt hast, lass unser Jubelfest der Buchdruckerkunst dir ein Dankfest sein für die hohe Gabe und hilf du selber, dass sie forthin durch menschliche Willkür weder gemissbraucht, noch verkümmert werde. Ein Jubelfest ist auch ein Ausruhen von hundertjähriger Arbeit, und das ernste Geschäft des Lebens verklärt sich zum heiteren Festspiele: Darum öffne sich die Werkstatt und der alte Meister erscheine mitten unter seinem Feste!“ Als dann die Hülle sank, welche bis jetzt die im Mittelpunkte des Marktes befindliche Festoffizin mit den arbeitenden Giessern, Setzern und Druckern, weit überragt von dem kolossalen Gipsabguss der Mainzer Gutenberg-Statue Thorwaldsens, den Blicken der Menge entzogen hatte, entstand ein unbeschreiblicher Jubel. Es war ein unvergesslicher Augenblick, der, im jugendlichen Alter erlebt; noch dem Greise in späten Jahren so lebhaft in der Erinnerung vorschwebt, als handle es sich um ein Ereignis von gestern, und den miterlebt zu haben als eine Gunst des Schicksals betrachtet werden muss.

[343]

Um 3 Uhr fand in der Halle am Augustusplatze ein Festessen statt, an welchem etwa 3000 Personen teilnahmen. Bei Eintritt der Dunkelheit bekundete eine glänzende Erleuchtung der Stadt die allgemeine Teilnahme aller Behörden und Bürger an dem Feste.

Am 25. vormittags fand eine Versammlung fremder und einheimischer Gelehrter, Künstler und Buchhändler in der Festhalle statt. Gleichzeitig wurde in der Buchhändlerbörse eine interessante Ausstellung älterer und neuerer Druckwerke, Xylographien u. a. eröffnet. Um 3 Uhr füllte die Aufführung des von Mendelssohn für das Fest komponierten Lobgesanges, die unter Leitung des Komponisten und unter Beihülfe von über 500 Sängern und Musikern stattfand, die Thomaskirche. Abends war grosser Ball von über 4000 Personen in der Festhalle. Die Familien der Beamten, Professoren, Prinzipale und Gehülfen verkehrten im fröhlichsten Durcheinander und selbst der eindringende Gewitterregen musste dazu beitragen, die Heiterkeit zu erhöhen.

Am 26. vormittags war eine interessante Festvorstellung im Schauspielhause veranstaltet: Theaterschau von der Erfindung der Buchdruckerkunst bis auf die neueste Zeit. Um 1 Uhr begannen die Festzüge der Innungen, sich nach dem Exerzierplatz am Rosenthal, wo ein echtes Volksfest abgehalten werden sollte, in Bewegung zu setzen. Der mit Zelten in grosser Zahl, Fahnen, Buden, Caroussels, Tribünen etc. geschmückte, dicht an den Wald sich lehnende Platz bot mit den etwa 60000 Anwesenden ein höchst belebtes und anmutiges Bild. Am Abend ward noch ein glänzendes Feuerwerk abgebrannt. Dann zogen die Innungen nach und nach wieder mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen nach der Stadt. Den Beschluss machte der grosse Zug der Festgeber mit 1000 Fackeln, die unter Gesang und Jubel auf dem Marktplatze zusammengeworfen wurden.

Nicht ein Misston hatte das herrliche Fest gestört, welches Leipzig mit dankbaren und stolzen Gefühlen hatte begehen können, denn es war zugleich ein Huldigungsfest Leipzigs als Führerin auf dem Gebiete der Buchdruckerei und des Buchhandels im Vaterlande Gutenbergs geworden. Dass Leipzig willens ist, seine ehrenvolle Stellung zu behaupten, wird ein Blick auf die jüngste Vergangenheit und auf den Augenblick zeigen.

[344]

Giesecke & Devrient.

Eine eigentliche Umgestaltung des Geschmacks für das Accidenzfach, das heutzutage einen so wichtigen Platz einnimmt, ging erst von der Firma Giesecke & Devrient aus. Diese, jung an Jahren, reich an Ehren, zeigte, dass eine Staatsdruckerei nicht notwendig ist, um das zu leisten, was man von Staatsanstalten verlangt und mit Recht verlangen kann, weil diese in erster Reihe zu Ehren der Kunst und nicht um eine Existenz zu begründen arbeiten.

Die Firma wurde von Hermann Giesecke und Alphonse Devrient am 1. Juni 1852 begründet, zu einer Zeit, wo der typographische Geschmack und der Sinn für schöne Accidenzarbeiten namentlich durch Hänel einen wesentlichen Aufschwung genommen hatte (S. 281). Die genannten waren Männer, wie sie die Zeit eben verlangte, um dem Geschmack eine bestimmte Richtung zu geben. Sie haben hierin bedeutende Verdienste und waren stets redlich bemüht, das Halbgute durch das wirklich Gute zu ersetzen.

Nach und nach entstand in ihrem Hause eine Reihe von graphischen Spezialanstalten, die namentlich zur Herstellung der unendlich vielen Wertzeichen nötig waren, mit deren Anfertigung die Firma nicht nur von den verschiedenen Regierungen und Geldinstituten Deutschlands betraut wurde, sondern die ihnen auch aus der Schweiz, Italien, Holland, Schweden, Finnland, Rumänien und Amerika zuflossen. Es war die glänzendste Zeit der Gründungen, des Aktien- und Papiergelddruckes, welcher erst der Krach, dann die Gründung der Reichsbank eine Grenze setzte.

Aber der Ruhm der Firma war nicht allein von diesem höheren Accidenzdruck abhängig, sondern wurde noch durch hervorragende Werkdrucke gesteigert. Unter diesen muss einer erwähnt werden, welcher, wenn auch von kaiserlicher Munifizenz getragen, als eine der hervorragendsten Leistungen intelligenter Typographen dasteht: die Reproduktion des von Const. Tischendorf entdeckten Codex Sinaiticus.Codex Bibliorum Sinaiticus, welche für Rechnung der Besitzerin dieses Schatzes, der russischen Regierung, ausgeführt wurde. Zuerst wurden photographische Facsimiles derjenigen unter den einzelnen Buchstaben, welche dem Herausgeber den Charakter der Handschrift am besten auszudrücken schienen, veranstaltet, und hiervon zwei Gattungen, eine grössere für den Text und eine für die Noten,[345] dazu später noch eine dritte geschnitten. Als es sich jedoch ergab, dass die Abstände zwischen den einzelnen Buchstaben in dem Original manchmal in einem anderen Verhältnis zu einander standen als in dem Satz, mussten verschiedenartige Güsse gemacht oder durch Unterschneiden der einzelnen Buchstaben nachgeholfen werden. Der Raum der einzelnen Buchstaben wurde durch Tischendorf nach Millimetern ausgerechnet und die Zahl solcher an jeder einzelnen Stelle im Manuskript verzeichnet. Nachdem Tischendorf ferner entdeckt hatte, dass vier verschiedene Kalligraphen bei dem Codex thätig gewesen waren, mussten eine Menge Ergänzungstypen geschaffen werden, um die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Schreiber wiederzugeben. So hatte z. B. das Omega sieben Varianten. Auch die getreue Wiedergabe der Zusätze zwischen den Zeilen des Manuskripts musste statthaben, ja selbst die Abweichungen der alten Kalligraphen von der üblichen Regel waren getreulich nachzuahmen. So entstand ein Werk ohne Rivalen.

Papyros Ebers.

Ebenfalls als eine höchst gelungene Facsimile-Ausgabe ist der durch Lithographie im Verein mit der Typographie hergestellte Papyros Ebers (bei Wilh. Engelmann in Leipzig) zu bezeichnen. Die Nachahmung der Färbung der Schrift und der Pflanzentextur des Papyrus ist so vollkommen gelungen, dass man auf Carton aufgezogene Papyrosblätter vor sich zu haben glaubt. Während die lithographische Nachbildung aus der Offizin von Giesecke & Devrient stammt, ist der textliche Teil mit den hieroglyphischen Typen des F. Theinhardt von Breitkopf & Härtel gedruckt.

Alph. Devrient * 21. Jan. 1821, † 1878.

Alphonse Devrient, der berühmten Künstlerfamilie Devrient angehörend, starb frühzeitig auf einer Erholungsreise nach Berlin am Ostermorgen 1878. Er hatte bei Fr. Nies gelernt und arbeitete vier Jahre in der Imprimerie royale in Paris in der sogenannten Chambre arabe unter der strengen, jedoch wohlwollenden Leitung Lud. Rousseaus und des gelehrten Orientalisten Jul. Mohl und ging dann nach England. Er war einer der tüchtigsten Typographen seiner Zeit. Der überlebende Chef Herm. Giesecke entstammt dem bekannten Hause Schelter & Giesecke, als Sohn des C. F. Giesecke.

Bibliographisches Institut.

Eine aus kleinen Anfängen rasch zu einem Weltgeschäft angewachsene Druck- und Verlagsanstalt ist das Bibliographische Institut.

[346]

Jos. Meyer * 9. Mai 1796, † 27. Juni 1856.

Im Jahre 1826 gründete Joseph Meyer in seiner Vaterstadt Gotha das Institut, welches 1828 nach Hildburghausen verlegt wurde. Das mit Stahlstichen illustrierte „Universum“ erreichte eine für damalige Zeit ganz enorme Auflage von 80000 Exemplaren. Es folgten verschiedene Klassiker-Bibliotheken, deren Rechtmässigkeit bestritten wurde, die aber durch eine bisher ungekannte Billigkeit die Kauf- und Leselust anregten und eine weite Verbreitung fanden. Dann kam das grosse Konversations-Lexikon in 52 starken Bänden. J. Meyer war ein Mann von ausgebreiteten Kenntnissen mit einer staunenswerten Arbeitskraft, die er jedoch über alles Mass anstrengte, indem er neben der bibliopolisch-typographischen Wirksamkeit noch grossartige industrielle Pläne verfolgte.

H. J. Meyer.

Sein Sohn Hermann Julius Meyer zog mit dem Institut 1874 nach Leipzig[215]. Jetzt steht dasselbe als eines der grossartigsten und am besten geleiteten nicht nur in Deutschland da. So imponierend auch schon die äusseren Einrichtungen wirken, so ist es doch namentlich die innere Organisation dieser mit zwei Rotationsmaschinen und 31 Schnellpressen arbeitenden Anstalt, welche Bewunderung erregt. Das Geschäft sucht und findet seine Kraft in der Konzentration und in der Erreichung möglichster Vollkommenheit innerhalb der selbstgesteckten Grenzen für seine Wirksamkeit. Von der dritten Auflage des grossen Konversations-Lexikons wurden über 100000 Exemplare abgesetzt, daneben erlangte das kleine Lexikon in zwei Bänden eine grosse Popularität. Ein Werk von hohem Wert ist A. E. Brehms „Tierleben“ in zehn prachtvoll illustrierten Bänden.

J. Klinkhardt.

Ein Geschäft, welches ebenfalls in verhältnismässig kurzer Zeit eine grosse Entwickelung und Ausdehnung gewann, ist das bereits (S. 287) erwähnte von J. Klinkhardt, welches mit 21 Schnellpressen, 22 Handpressen und 35 Giessmaschinen über 400 Personen beschäftigt und vortreffliche Arbeiten im modernen Stil liefert.

Verschiedene Druckereien.

Dass diese und die sonst genannten Offizinen dem Illustrationsdruck alle erdenkliche Sorgfalt widmen, ist selbstverständlich, ausser denselben besitzt Leipzig jedoch noch eine Reihe von[347] Druckereien, die sich vorzugsweise mit Illustrationsdruck beschäftigen. Des von Ed. Kretzschmar begründeten Geschäfts (jetzt C. Grumbach) wurde bereits (S. 298) gedacht. Vieles zur Bildung einer tüchtigen Schule von Holzschnittdruckern trug Kretzschmars erster Gehülfe Joh. Chr. Benedict bei. A. H. Payne druckt mit Rotationsmaschine und 18 Schnellpressen für den eigenen Verlag eine grosse Anzahl von illustrierten Blättern und Werken. Alex. Edelmann und Otto Dürr wirkten erst zusammen, dann getrennt und lieferten mehrere der grossen Berliner Modezeitungen und viele Prachtwerke für Alf. Dürr, während A. Hundertstund & A. Pries namentlich den Seemannschen Kunstverlag druckten. Alex. Wiede beschäftigt 18 Schnellpressen fast nur mit der Herstellung der „Gartenlaube“. Aus den Pressen der Firma Fischer & Wittig stammen sehr viele der schönsten illustrierten Prachtwerke neuerer Zeit sowohl aus dem Verlag von Leipziger als auswärtigen Buchhändlern.

Mit wissenschaftlichen Werken beschäftigten sich vorzugsweise Metzger & Wittig, A. Th. Engelhardt, C. Hirschfeld, Otto Wigand und Bär & Hermann, welche letztere den Druck russischer Werke als Spezialität pflegen; Ph. Reclam jun. liefert mit 22 Schnellpressen fast ausschliesslich Zwanzigpfennigbände seiner Universalbibliothek; Otto Spamer druckt seine zahlreichen illustrierten Jugendschriften und populären Werke; C. G. Naumann hat seine umfangreiche Offizin nur für Accidenzien eingerichtet; Alex. Waldow verwendet die seinige nur für den Druck des „Archiv der Buchdruckerkunst“ und anderer in seinem Verlage erscheinender, zumteil von ihm verfasster typographischer Fachschriften[216].

An Tagesblättern ist Leipzig geradezu arm und manche Provinzialstädte Deutschlands von 30–50000 Einwohnern haben eine weit reichere Zeitungslitteratur aufzuweisen. Das umfänglichste Journal, namentlich zur Zeit der Messen, ist das „Leipziger Tageblatt“. Der Verleger E. Polz beschäftigt für den Druck desselben und ausserdem hauptsächlich für den des C. F. Winterschen Verlags drei Rotationsmaschinen und elf Schnellpressen.

[348]

Nicht alle graphischen Firmen Leipzigs, die tüchtiges liefern, können wir hier aufzählen. Die Zahl der Buchdruckereien Leipzigs (incl. der Vororte) beträgt 92 mit 7 Rotationsmaschinen, 437 Schnellpressen und 292 Tret- und Handpressen. Die 69 lithographischen Anstalten beschäftigen 146 Schnellpressen, 517 Handpressen. In beiden Branchen sind gegen 6200 Personen thätig.

C. G. Röder.

Den enormen Aufschwung, welchen das Musikaliengeschäft in Leipzig nahm, veranlasste ein Institut für Notendruck, das seinesgleichen sucht. C. G. Röder gründete mit kleinsten Mitteln 1846 seine Notendruckanstalt, welche jetzt mit 34 Schnellpressen, 25 Handpressen und einem Personale von 400 Köpfen arbeitet und namentlich die äusserst umfangreiche Édition Peters im Verlage des Bureau de musique druckt. An eigentlichen lithographischen Kunstinstituten hat Leipzig keinen Überfluss, dagegen ist die Anstalt für Phantasieartikel und Luxuspapiere von Meissner & Buch, die mit 15 Schnellpressen, 30 Handpressen und 46 Präg- und anderen Maschinen arbeitet, von grosser Bedeutung; auch die Offizin von Wetzel & Naumann hat einen enormen Aufschwung genommen und arbeitet hauptsächlich für den Export mit 32 Schnellpressen, 27 Handpressen und 450 Arbeitern. H. Wagner & E. Debes beschäftigen sich ausschliesslich mit kartographischen Arbeiten. Als Lichtdrucker leisten A. Naumann & Schröder vorzügliches. Die Zahl der xylographischen und chemigraphischen Anstalten ist eine beträchtliche.

Die die Typographie fördernden Verleger.

Es würde zu weit führen, alle die Verleger aufzuzählen, die, ohne eigene Druckereien zu besitzen, doch auf die Typographie einen grossen Einfluss übten. Den Buchdruck für wissenschaftliche Zwecke förderten u. a. namentlich J. A. Barth, W. Engelmann, Sal. Hirzel, L. Voss, die J. C. Hinrichssche Buchhandlung, F. C. W. Vogel[217], T. O. Weigel (I, S. 6), Rud. Weigel (I, S. 103), O. Wigand und C. F. Winters Verlag.

Für den illustrierten Verlag waren J. J. Weber und Georg Wigand in den dreissiger Jahren bahnbrechend. J. J. Weber führte[349] 1832 das „Pfennig-Magazin“ und 1843 die „Illustrirte Zeitung“ ein. Die von Ad. Menzel illustrierte Geschichte Friedrichs des Grossen wurde noch während der Zeit der ersten Neuentwickelung des Holzschnittes in Deutschland (S. 297) unternommen, überhaupt wirkte geschmackvolle Ausstattung aller Weberschen Artikel sehr anregend sowohl auf die Buchdruckereien wie auf die Verleger.

Gleichzeitig mit Weber wirkte Georg Wigand, dessen im Verein mit seinem Bruder Otto Wigand 1840 unternommene Ausgabe von dem Nibelungenlied, illustriert von Hübner und Bendemann, eine schöne Jubelerinnerung bildet. Sowohl durch eigene Neigung als namentlich durch seine innige Verbindung mit Loda, Richter und Schnorr von Carolsfeld wurde er auf die mehr ursprüngliche echt deutsche Art des Holzschnitts geführt, von welchem Schnorrs Bibel in Bildern ein monumentales Denkmal bleibt.

In neuerer Zeit waren es namentlich E. A. Seemann und Alf. Dürr, welche den illustrierten Verlag förderten. Seemann lieferte eine grosse Reihe von Werken über die verschiedenen Zweige der Kunst und der Kunstgewerbe, Alf. Dürr pflegte namentlich die strengere Richtung der illustrierenden Kunst in den Werken von J. Führich, Preller u. a., daneben lieferte er eine Reihe von Jugendschriften in höchst anziehender Weise durch Osc. Pletsch illustriert. Auch Fr. Brandstetter, J. A. Baumgärtner, E. Keil, Velhagen & Klasing, K. Bädeker, Schmidt & Günther u. a. leisteten durch ihren Verlag den Illustrationsdruckern grossen Vorschub.


Dresden.

Unter den sonstigen Städten des Königreichs Sachsen hat die Residenzstadt Dresden allein einen bedeutenden Platz und unter den 47 Buchdruckereien und 54 lithographischen Anstalten, die mit 209 Schnellpressen und 251 Tret- und Handpressen arbeiten, nimmt wieder die Firma C. C. Meinhold & Söhne die hervorragendste Familie Meinhold.Stellung ein. Der Begründer derselben, Carl Christian Meinhold, Sohn eines Bergmannes aus Marienberg, erwarb die Hofbuchdruckerei, welche ihren Ursprung dem Herzog Georg dem Bärtigen verdankt, der 1524 den Buchdrucker Wolfg. Stöckel aus Leipzig nach Dresden berief, um reformatorische Schriften zu drucken. Stöckels Geschäft kam 1590 an die Familie Bergen, in welcher es[350] blieb, bis Meinhold es 1778 übernahm und bald zu einer grösseren Blüte brachte. Er druckte die sächsischen und polnischen Kassenbillets und Staatspapiere und machte auch glückliche Verlagsspekulationen. Im Jahre 1816 übergab er die Geschäftsleitung seinen C. I. Meinhold * 1784. † 1861.Söhnen, von welchen Christian Immanuel Meinhold es nach dem Tode des Vaters allein übernahm. Zu der Buchdruckerei fügte er Schrift- und Stereotypengiesserei. Seine Söhne Julius und Theodor wurden 1855 Teilnehmer und von 1875 führte Julius das Geschäft allein fort und feierte am 28. Januar 1878 das hundertjährige Jubiläum der Firma.

Andere Offizinen.

Zu erwähnen sind noch namentlich B. G. Teubners Filiale des Leipziger Geschäfts (6 Schp.), E. Blochmann & Sohn (2 Rotm., 5 Schp.), der von Leipzig übersiedelte W. Baensch (8 Schp.), R. H. Dietrich (8 Schp.), Gleissner (Rotm. und 7 Schp.), C. Heinrich (12 Schp.), H. G. Münchmeyer (9 Schp.), Liepsch & Reichhardt (Rotm., 4 Schp.), J. Pässler (7 Schp.), Ad. Wolf (7 Schp.). Von den lithographischen Anstalten waren früher besonders angesehen: H. Hanfstängl und Fürstenau, ersterer auf Grund seines Galeriewerkes, letzterer wegen seiner brillanten Accidenzarbeiten; jetzt sind die grössten Institute W. Brückner & Co. (8 Schp., 6 Hdp.), R. Bürger (6 Schp., 5 Hdp.), R. Friedländer (7 Schp., 7 Hdp.). Als Lichtdrucker haben Römmler & Jonas (7 Schp.) bereits lange einen Namen. W. Hoffmann arbeitet mit 8 Lichtdruckschnellpressen. Als Verlagsort hat Dresden Bedeutung durch seine Kunstverleger, als: E. Arnold, A. Gutbier, Hanfstängl, F. & O. Brockmann Nachfolger, G. Gilbers, H. Krone u. a.

In der Fabrikstadt Chemnitz beschäftigen sich die Buchdruckereien wesentlich nur mit Zeitungs- und Accidenzdruck. Einen ungewöhnlichen Umfang erreichte das Geschäft von Pickenhahn & Sohn (1 Rotm., 20 Schp. und 150 Arb.). Unter den lithographischen Anstalten ist R. Oschatz (8 Schp., 16 Hdp.) die grösste. Bautzen hat eine sehr leistungsfähige Steindruckerei und Luxuspapierfabrik, Gebr. Weigang (23 Schp., 12 Hdp.); in dem Fabrikort Buchholz liefert G. Adler tüchtige Accidenzarbeiten für seine eigene bedeutende Cartonnagenfabrik. In Plauen wirkt ebenfalls für den Bedarf der Fabriken Mor. Wieprecht (6 Schp.), in Meissen C. E. Klinkicht & Sohn (4 Schp.).

[351]

Durch die Eisenbahnverbindung kann Altenburg fast als eine Vorstadt des typographischen Leipzig betrachtet werden. Wohlfeilere Lebensverhältnisse setzten in der tariflosen Zeit die dortigen Buchdrucker in den Stand, vorteilhaft mit den Leipzigern konkurrieren zu können. Diese Verhältnisse verstanden erst H. A. Pierer, welcher 1832 das von dem Vater Joh. Pierer erworbene Druckgeschäft übernommen hatte, und dann dessen Söhne Eugen und Alfred mit Geschick zu benutzen, so dass das gut und mit genügenden Mitteln geleitete Geschäft den Leipziger Druckereien öfters eine schwer zu bestehende Konkurrenz bereitete. Das in Pierers Verlag erschienene „Universal-Lexikon“ besass neben dem Brockhausschen Konversations-Lexikon ein grosses Ansehen, wenn auch die Verbreitung sich innerhalb mässiger Grenzen hielt[218].

Am 1. Januar 1872 ging die Druckerei in die Hände eines Leipziger Konsortiums über, unter Leitung des Mitbesitzers Steph. Geibel. Die Offizin wuchs rasch (19 Schp.) und hat sich namentlich einen Ruf durch ihre Accidenzarbeiten erworben (S. 292).

Thüringen hat viele gut eingerichtete aber keine besonders hervorragenden Druckanstalten aufzuweisen. In Gera lieferte Issleib & Rietschels Hofbuchdruckerei (6 Schp.) Beachtenswertes, namentlich im chemigraphischen Landkartendruck. Hildburghausen hatte früher durch das Bibliographische Institut (S. 346) Bedeutung; eine tüchtige Druckanstalt daselbst ist noch die von Gadow & Sohn (5 Schp.). Die Hofbuchdruckerei in Weimar datiert aus dem Jahre 1624, als der an allen Kulturbestrebungen regen Anteil nehmende Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen in seinem Schloss eine Offizin errichten liess, in welcher er selbst und seine Gemahlin an dem Satz Lutherscher Werke arbeiteten. Die Hauptstücke der christlichen Lehre fasste er als Enchiridion für den Unterricht seiner beiden Töchter zusammen.

Nach manchen Wandlungen durch zwei Jahrhunderte kam die Offizin in den Besitz Hermann Böhlhaus[219], in welchem sie sowohl[352] durch Arbeiten für den eigenen Verlag, wie für fremde Rechnung einen raschen Aufschwung genommen hat.

Eine rastlose Thätigkeit entwickelte die Weimarer Druck- und Verlagsfirma B. F. Voigt. Verfolgt sie auch keine idealen Zwecke, so hat sie doch durch ihren grossen technischen Verlag (gegen 1500 Artikel und 20 Zeitschriften), namentlich durch ihren „Schauplatz der Künste und Handwerke“ in etwa 300 Werken, von welchen mehr als die Hälfte neue Auflagen (öfters sechs bis acht) erlebten, vieles zur Verallgemeinerung technischer Kenntnisse beigetragen. Die Natur des Verlages lässt keine Prachtwerke zu, doch sorgt die Firma für gute Ausführung der Werke sowohl als der vielen lithographischen Beilagen.

Justus Perthes * Septbr. 1785. † 1. Mai 1816.

In Gotha gehört die Engelhard-Rheyersche Hofbuchdruckerei zu den besten Anstalten Deutschlands. Der Besitzer Fr. Engelhard hat sich ausserdem um die Organisation der Krankenkassen der Gehülfen sehr verdient gemacht. Einen Weltruf hat das geographische Institut von Justus Perthes erlangt. Der Gründer war Joh. Georg Justus Perthes aus Rudolstadt; die ausschliesslich geographische Richtung erhielt das Geschäft erst durch den Sohn Wilh. Perthes, der auch den Gothaischen Hofkalender und den Almanach de Gotha erwarb. Stielers Handatlas eröffnete die Reihe des bedeutenden kartographischen Verlags, bei welchem H. Berghaus, Bernh. Perthes * 27. Okt. 1857.v. Stülpnagel, v. Spruner u. a. mitwirkten. Die grösste Blüte erlangte die Anstalt unter der Direktion des Bernhard Perthes, die noch während der Lebenszeit des Vaters begann, leider aber bereits vier Jahre nach des letzteren Tod ihre Endschaft erreichte.

Aug. Petermann „Mitteilungen“.

Unter der wissenschaftlichen Leitung des Dr. August Petermann bildete sich das Geschäft, unterstützt durch die seit 1855 monatlich erscheinenden „Mitteilungen aus Justus Perthes' geographischer Anstalt“, zu einem Mittel- und Einigungspunkte der Bestrebungen für die gesamte Erdkunde aus.

Perthes' Absichten in technischer Beziehung gingen nicht darauf, alle graphischen Künste in ein äusserlich grosses Etablissement zu vereinigen, sondern er verteilte die Arbeiten auf etwa dreissig selbständige Unternehmer, welche nahe an 400 Arbeitern den Unterhalt brachten.

[353]

In Erfurt geben die vielen Gärtnereien und die Eisenbahndirektion zu einem lebhaften Accidenzgeschäft Veranlassung. Die bedeutenderen Offizinen sind die von Ohlenroth (6 Schp.), Fr. Bartholomäus und G. A. König. H. C. Bestehorn in Aschersleben beschäftigt 8 Schnellpressen und viele Arbeiter mit Luxuspapierfabrikation. Th. Müller in Nordhausen liefert mit 8 Schnellpressen Etiquetten, Geschäftspapiere u. dgl.

Die Cansteinsche Bibelanstalt.

In Halle befindet sich die altehrwürdige Waisenhausbuchhandlung und Buchdruckerei nebst der damit verbundenen v. Cansteinschen Bibelanstalt. Die erstere wurde 1697 durch den Pfarrer Heinr. Jul. Elers als Teil der Franckeschen philanthropischen Stiftungen begründet[220]. Für eine Buchdruckerei wurde wenige Jahre nachher ein Privilegium erteilt. Die Cansteinsche Bibelanstalt ist durch die Anstrengungen des Barons Carl Hildebrandt von Canstein durch gesammelte Beiträge gegründet. Bereits 1712 konnte das Neue Testament, 1713 die ganze Bibel gedruckt werden. v. Canstein starb am 19. Juli 1719, worauf Francke die Anstalt übernahm, die im Jahre 1713 ebenfalls eine eigene Buchdruckerei erhielt.

Eine neue Epoche für dieselbe begann mit der Gründung der Britischen Bibelanstalt 1804 (S. 99) und der deutschen Hauptbibelgesellschaft. Im Jahre 1830 konnte die erste Schnellpresse aufgestellt und 1839 eine Stereotypie eingerichtet werden. Die Zahl der von 1712–1872 gedruckten Bibeln und Neuen Testamente betrug nahe an sechs Millionen. Seit dem Jahre 1860 sind die beiden Druckereien der Franckeschen Stiftungen im Betrieb vereinigt (12 Schp.) unter der sicheren Leitung des tüchtigen Buchdruckers C. Bobard. Einen besonderen Aufschwung nahm die Buchhandlung O. Bertram † 10. April 1876.seit 1858 unter der umsichtigen Direktion von Osw. Bertram, der sich auch um den Deutschen Buchdrucker-Verein sehr verdient gemacht hat. Sein Nachfolger ist der durch seine höchst verdienstlichen bibliopolischen Schriften bekannte Aug. Schürmann[221].

[354]

Carl August Schwetschke * 29. Sept. 1756.

Ein angesehenes Geschäft ist das Gebauer-Schwetschkesche. Carl August Schwetschke aus Glauchau kam 1783 als Faktor in die Buchhandlung der Witwe Hemmerde, welche ihn 1788 als Mitbesitzer aufnahm. Die Firma wurde nun Hemmerde & Schwetschke und, als des letzteren Sohn Carl Ferdinand im Jahre 1828 eintrat, Dr. Carl Gust. Schwetschke * 5. April 1805, † 5. Okt. 1881.Schwetschke & Sohn. Im Jahre 1820 war ihm die Gebauersche Buchhandlung und Buchdruckerei zugefallen, die er als besonderes Geschäft seit 1828 mit seinem jüngeren Sohne Dr. Carl Gustav Schwetschke fortführte.

Bereits am 30. September 1878 konnte die Familie eine dreifache Jubelfeier begehen, die des hundertjährigen Bestehens des Geschäfts, die fünfzigjährige der geschäftlichen Wirksamkeit Dr. Gustavs und die fünfundzwanzigjährige derjenigen seines Sohnes Carl Ferdinand. Zu den bedeutenden Unternehmungen der Firma gehören: Suidae Lexicon graece et latine und Freytagii Lexicon arabico latinum. Dr. G. Schwetschke erwarb sich einen bekannten und beliebten Namen durch seine litterarischen Arbeiten[222].

Die frühere Bedeutung Magdeburgs als Druckplatz ging bald verloren. Erst durch Ed. Hänel (S. 281), dessen Etablissement noch heute besteht, gewann es wieder einen Namen. Zu nennen sind besonders das Etablissement von E. Baensch jun. (10 Schp.) und die Druckerei der Brüder Alexander und Robert Faber, welche die in ihrem Verlage erscheinende „Magdeburgische Zeitung“, die eine einflussreiche Stellung und eine grosse Verbreitung erreicht hat, mit 3 Rotationsmaschinen und 5 Schnellpressen druckt.

Fr. Vieweg † 25. Dez. 1835.
Ed. Vieweg * 15. Juli 1797, † 1. Dez. 1869.

Braunschweig hat, obwohl nicht durch besondere örtliche Verhältnisse begünstigt, eine ziemlich bedeutende Rolle in der deutschen Typographie gespielt. Hier wirkte die Firma Vieweg & Sohn, welche durch ihr Beispiel grossen Einfluss auf die Fortschritte in der deutschen Bücherausstattung geübt hat. Der Begründer des Geschäfts war Fr. Vieweg (1799), den Höhepunkt erreichte dasselbe nach dem Beitritt des Sohnes Hans Heinrich Eduard Vieweg im Jahre 1825. Er war zu Berlin geboren und hatte sich für seinen[355] Beruf in Frankreich ausgebildet. In Paris schloss er eine für das Leben dauernde Freundschaft mit dem berühmten Chemiker Justus v. Liebig, die für Viewegs geschäftliche Wirksamkeit von grösstem Einfluss wurde. Aus England brachte er die erste Columbiapresse nach Deutschland und unternahm es, auf der Zorger Eisenhütte im Harz dergleichen Pressen bauen zu lassen (S. 316).

Einfluss Viewegs.

Vieweg wurde ein Bahnbrecher für den guten typographischen Geschmack. Durch die Verwendung des instruktiven Holzschnittes in einem Maasse, wie früher nicht gekannt war, hat er ganz ausserordentlich zu der wahren Popularisierung der Wissenschaft, welche nicht mit dem oberflächlichen Naschen durch Hülfe zusammengeschriebener, sogenannter populärer Litteratur verwechselt werden darf, beigetragen. Seine Druckwerke, zu denen die eigenen Werkstätten die Schriften, die Holzschnitte und das Papier lieferten, waren ein Spiegelbild seiner eigenen Persönlichkeit. Alles durch und durch gentlemanlike: gediegenes Innere in einfach nobler Hülle. Das ganze Viewegsche Institut erinnert an die besten Werkstätten der früheren Blütezeit der Typographie mit ihren begeisterten, nach einem festen Ziele strebenden Leitern. Für das allgemeine Interesse des Buchgewerbes trat Vieweg stets mit Energie ein. Er unterlag in seinem 73. Jahre langen und schweren Leiden. Das Geschäft blüht fort und beschäftigt 14 Schnellpressen und 10 Handpressen.

G. Westermann * 23. Febr. 1810, † 7. Sept. 1869.

In ähnlicher Weise wie Vieweg wirkte George Westermann, welcher mit seiner 1838 gegründeten Buchhandlung 1845 eine Buchdruckerei vereinigte. Beide Geschäftszweige gelangten zur vollen Blüte und die Westermannschen Leistungen sind ebenso vorzüglich wie seine Offizin (15 Schp.) eine schön eingerichtete ist. Unter seinen Verlagsunternehmungen sind am bekanntesten seine nach amerikanischem Muster angelegten illustrierten „Westermanns Monatshefte“ (seit 1856). Durch E. Gäbler errichtete er in Leipzig eine chemitypische Anstalt, in welcher er seine äusserst billigen Kartenwerke herstellte. Von Langes Schulatlas ist bereits mehr als eine Million Exemplare verbreitet.

Unter den Druckanstalten Braunschweigs nimmt auch die von Julius Krampe (1 Rotm., 8 Schp.) einen angesehenen Platz ein. Die lithographische Anstalt der Firma H. Litolff (8 Schp., 5 Hdp.) druckt den bedeutenden Musikalien-Verlag der Firma.

[356]

Dr. H. Meyer.

An Braunschweig und die Firma Joh. Heinr. Meyer knüpft sich noch die Erinnerung an einen Mann, der von den deutschen Typographen stets hoch in Ehren gehalten zu werden verdient. Wie Vieweg auf dem praktischen Wege bahnbrechend wirkte, so Dr. Heinrich Meyer auf dem theoretischen durch sein „Journal für Buchdruckerkunst“. Dasselbe wurde 1834 begründet, zu einer Zeit des regsten Schaffens auf allen graphischen Gebieten. Kaum eine Woche verging, welche nicht eine Verbesserung, eine neue Schrift, eine neue Maschine u. dgl. brachte. Das Verdienst, alle diese Neuheiten nicht nur gewissenhaft registriert, beschrieben und abgebildet, sondern auch ihrem wahren Werte nach unparteiisch und nüchtern beurteilt zu haben, gehört Meyer. Fast immer war sein Urteil zutreffend und die Zukunft lehrte gewöhnlich, wie recht er gehabt hatte. In seiner Selbstlosigkeit war ihm die Sache alles; nie liess er sich von persönlichen Sympathien bestechen oder von Antipathien zu Ungerechtigkeiten hinreissen; sein Blatt blieb frei von allem Koteriewesen. In seinem Urteil war er mild, konnte jedoch auch, wenn es sein musste, gegen anmassende Dummheit derb, jedoch nie gehässig werden.

Dr. Meyer starb am 4. November 1863, schwerlich Feinde hinterlassend, wohl aber viele Freunde, die seinen Hingang als einen schweren Verlust für die deutsche Typographie betrauerten.

Nach seinem Tode litt das Blatt unter einem langen Schwanken in den redaktionellen Verhältnissen, bis im Herbst 1872 Theodor Goebel, an Kenntnissen und Sammelfleiss Meyer ebenbürtig, die Redaktion antrat und bis zum Herbst 1879 fortführte. Namentlich seine vielen ausführlichen und sachkundigen Ausstellungsberichte bieten wichtige Beiträge zur Kunde der Fortschritte auf allen graphischen Gebieten. Nach Goebels Rücktritt folgte wieder eine Periode der Unsicherheit, bis das Blatt im Herbst 1881 in den Verlag und in die Redaktion von Ferd. Schlotke in Hamburg überging.

Das „Journal für Buchdruckerkunst“ wird bald sein fünfzigjähriges Bestehen feiern können. Es bleibt die wichtigste Quelle für die Geschichte der typographischen Entwickelung in dem letzten halben Säkulum, in dessen Gewirr es einer späteren Generation schwer werden würde, sich ohne seine Hülfe zurechtzufinden.

Fußnoten:

[205] K. G. Hausius, Biographie J. G. I. Breitkopfs. Leipzig 1794. — Dr. O. Hase, Breitkopf & Härtel, 1883.

[206] Fr. Chrysander, Abriss einer Geschichte des Musikdruckes von XV. bis zum XIX. Jahrhundert. In der Allg. Musik. Ztg., 1879, No. 11 u. ff. — Ant. Schmid, Ottaviano dei Petrucci da Fossombrone. Wien, 1845.

[207] Über diesen sowie über die sonstigen Musikdrucke Breitkopfs vergl. Lorck, „Der Buchhandel und die graphischen Künste auf der Kunstgewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1879“. Sep. Abdr. aus dem Börsenbl. f. d. d. B.

[208] Chr. G. Lorenz, Zur Erinnerung an G. J. Göschen. 4. Grimma 1861.

[209] Herm. Francke, Das Konversations-Lexikon und seine Gründer. Börsenbl. f. d. d. B. 1873. No. 23.

[210] H. E. Brockhaus, Friedrich Arnold Brockhaus. Leipzig 1872. II. B. VI. K.

[211] Sein Enkel Dr. Ed. Brockhaus setzte ihm in dem Werke „Friedrich Arnold Brockhaus, sein Leben und Wirken“. 3 Bde. Leipzig 1872–1881 ein würdiges Denkmal. Neben der interessanten und lehrreichen Darstellung hat das Buch das, bei einem so entstandenen Werke gewiss seltene Verdienst der grössten Offenheit und einer fast bis zum Äussersten gehenden Unparteilichkeit, die auch nicht den geringsten Versuch zulässt, die Schwächen und Fehler des bedeutenden Mannes zu bemänteln.

[212] Seine Erlebnisse auf einer grossen Reise in den Jahren 1867–1868 schilderte Brockhaus in der ihn charakterisierenden schlichten Weise in seinem „Reisetagebuch“. 2 Bde. 1873.

[213] Den Satz dieses Werkes von gegen 2200 Seiten in Quart übernahmen, nachdem verschiedenen Setzern die Geduld ausgegangen war, ohne vorher ein orientalisches Wort gesetzt zu haben, zwei Setzerlehrlinge F. Essigke und H. Kauxdorf, deren der Verfasser, ein gewiss seltener Fall, in der Vorrede in der ehrendsten Weise gedenkt.

[214] Als: Die Herstellung der Druckwerke. 4. Aufl. 1883. — Die graphischen Künste auf der Wiener Ausstellung 1873; amtlicher Bericht. — Die Druckkunst und der Buchhandel in Leipzig. 1879. — Geschichte des Vereins der Buchhändler in Leipzig; Jubelschrift. 1883.

[215] Das Etablissement, durch Pläne illustriert, ist im Journ. f. B. 1876, Nr. 27 ausführlich beschrieben.

[216] Darunter: Die Buchdruckerkunst in ihrem technischen und kaufmännischen Betriebe. 2 Bde. 4. 1874–1877. — Illustrierte Encyklopädie der graphischen Künste. 1880–1883.

[217] Früher hatte diese Firma eine 1811 eingerichtete, namentlich mit orientalischen Schriften gut ausgestattete Druckerei, die 1858 auf G. Kreysing überging.

[218] Über Pierers Verhältnis zu Brockhaus und dessen Konversations-Lexikon, sowie über das Entstehen des Universal-Lexikons enthält das bereits erwähnte Werk des Dr. Ed. Brockhaus sehr interessante Details.

[219] H. Böhlau, Zur Geschichte der Hofbuchdruckerei in Weimar. Einleitung zu seinem Verlagskatalog.

[220] Osw. Bertram, Geschichte der Cansteinschen Bibelanstalt in Halle. 1863. — Die Stiftungen A. H. Franckes. Halle 1863. — G. Kramer, A. H. Francke. Halle 1880. — Ann. d. Typ. 1873, Nr. 204 u. 205.

[221] Die Usancen des deutschen Buchhandels. 2. Aufl. Leipzig 1867. — Magazin für den deutschen Buchhandel 1874–1876 u. a.

[222] Vorakademische Buchdruckergeschichte von Halle. 1840. — Codex nundinarius Germaniae literatae bisecularis 1850. — In weiteren Kreisen fanden grossen Beifall seine prosaischen und poetischen Schriften in korrumpiertem Latein, darunter Novae epistolae obscurorum virorum.

[357]


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XIII. KAPITEL.

DER NORDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Berlin: wachsende Bedeutung. Die Familie Decker, Unger Vater und Sohn, Gebr. Unger, Familie Spener, Reimer, Mittler u. a. Ed. Hänel-Gronau. Die Zeitungsdruckereien. Die Accidenzdruckereien. Die lithographischen und sonstigen Kunstanstalten. Breslau. Frankfurt a. O. Posen. Königsberg. Danzig. Stettin. Lübeck. Hamburg. Bremen. Hannover. Köln: Die Offizin der „Kölnischen Zeitung“.

Allmähliche Fortschritte.
B

ERLIN hatte, als die neue Periode der Buchdruckerkunst anfing, noch keine Bedeutung als Druckstadt; dieselbe zeigte sich erst nach und nach unter der Regierung des grossen Königs, hielt jedoch immer noch nicht Schritt mit der zunehmenden Bedeutung der Residenz eines mächtig emporblühenden Landes.

Die Hofbuchdrucker.

Im Jahre 1757 wurde Christ. Friedr. Henning zum zweiten deutschen Hofbuchdrucker ernannt mit der Aussicht, die Stelle des ersten, Chr. Alb. Gäberts, nach dessen Tode zu erhalten. Neben den „deutschen Hofbuchdruckern“ gab es auch „französische“. Den Titel eines solchen hatte bereits 1696 Robert Roger aus Amsterdam. In dem Jahre 1718 ging Rogers Offizin in die Hände J. G. Michaelis über. Er sowohl als Henning waren sehr tüchtige Buchdrucker, die einen wesentlichen Anteil an der Hebung des typographischen Geschmacks in Berlin hatten.

[358]

Die Familie Decker.

Die berühmtesten Hofbuchdrucker gehörten jedoch der Familie Decker an, der eine so glänzende Rolle zufiel, wie wenigen in Deutschland[223].

Die Familie stammt aus Eisfeld im Thüringschen. Der am 23. April 1596 geborne Georg Decker siedelte nach Basel über und Joh. Jac. I Decker * 1635.erwarb 1635 durch Heirat mit der Witwe des Buchdruckers Johann Schröter dessen Offizin, die er so rasch zur Blüte brachte, dass er bereits 1636 zum Universitätsbuchdrucker ernannt wurde. Sein Sohn und Nachfolger Johann Jacob i zog 1680 mit einem Teile der Druckerei nach Neu-Breisach, um Drucker des dortigen französischen Gerichtshofes zu werden.

Joh. Jac. II Decker * 1666, † 1726.
J. Heinr. I Decker * 18. März 1679, † 29. Dez. 1741.

Von dessen beiden Söhnen Johann Jacob ii und Heinrich i führte der erste, als der Vater nach Breisach übersiedelte, das Geschäft in Basel fort und behielt nach dessen Tode im Interesse der Familie die Leitung, erwarb jedoch ausserdem die dortige Ludinsche, früher Henric Petrische Offizin. Der Bruder Joh. Heinrich I gründete in Colmar, welches durch den Ryswicker Frieden 1697 französisch geworden war, eine Offizin, um Regierungsarbeiten zu drucken.

Joh. Heinr. II Decker.

Der kinderlose Joh. Jacob ii vermachte sein Geschäft dem Joh. Heinrich ii, Sohn des Heinrich I, welcher ausserdem mit Erfolg das Colmarer Geschäft fortsetzte. Leider wurde er durch einen Verwandten zur Gründung einer Papierfabrik veranlasst, welche ihn in Verlegenheiten und Verdriesslichkeiten verwickelte, die ihn so erschütterten, dass er in einen Zustand von Geistesschwäche verfiel, unter welchem das Geschäft fast zugrundeging.

G. Jac. I Decker * 12. Febr. 1732, † 17. Nov. 1799.

Johann Heinrich II hatte zwölf Kinder, unter diesen Georg Jacob i. Derselbe lernte die Buchdruckerei, studierte dann in Strassburg, wo er im Hause seines Oheims, des bekannten Geschichtschreibers der Typographie, Joh. Schöpflin, gute Aufnahme und Nahrung für seine Liebe zur Typographie fand. Im Jahre 1750 ging Georg Jacob auf Reisen und kam, nachdem er vergeblich Aufnahme in der Breitkopfschen Offizin in Leipzig gesucht hatte, nach Berlin, wo er sechs Monate in der Henningschen Druckerei arbeitete.

[359]

Joh. Grynäus.

Ein französischer Emigrant Arnold Dussarrat hatte 1713 Konzession für eine französische Buchdruckerei erhalten, welche sich 1721 in den Händen des Johann Grynäus aus Basel befand. Letzterer kam, obwohl ein tüchtiger Mann, nicht vorwärts, und die Druckerei befand sich bei seinem Tode 1740 in misslicher Lage. Als Helfer trat nun Georg Jacob heran, der mit der Tochter des Grynäus, Louise Dorothea, einen Bund des Herzens geschlossen hatte. Nachdem er erst Ordnung in die verwickelten Angelegenheiten des väterlichen Geschäfts in Basel gebracht hatte, infolge welcher das Colmarer Haus auf den Bruder Johann Heinrich III überging, dessen Nachkommen noch in Besitz des dortigen angesehenen Geschäfts sind, übernahm Georg Jacob die alleinige Leitung der Grynäusschen Offizin und wurde 1756 Mitbesitzer, wodurch sich die Firma in Grynäus & Decker änderte.

Grynäus & Decker.

Der nun folgende rasche Aufschwung konnte nicht einmal durch den siebenjährigen Krieg gehemmt werden, da die grosse Zahl von Flugschriften und Neuigkeitsblättern eine lebendige geschäftliche Bewegung veranlasste. Nach dem Einzug der Russen in Berlin hielt der verschiedentlich kompromittierte Decker es jedoch für geraten, zeitweilig die Stadt zu verlassen.

Im Jahre 1763 wurde er alleiniger Inhaber des Geschäfts und von nun war sein Glück in stetem Wachsen. Er erhielt das Direktoriat der für das Lotto errichteten königlichen Druckerei mit einem Gehalt von 300 Thalern und nach erfolgtem günstigen Urteil der Akademie der Wissenschaften den Titel eines Hofbuchdruckers mit der Anwartschaft auf die klingenden Vorteile eines solchen. Die Versuche Deckers, diese Stellung sich erblich zu sichern, strandeten damals, ohne dass er deshalb den Gedanken daran aufgab.

Schriftgiesserei in Berlin.

Mit der Schriftgiesserei in Preussen war es noch schlecht bestellt. Seit Thurneyssers Anlauf (I, S. 152) war Berlin bis 1743 ohne Schriftgiesserei, und spätere Versuche waren nicht günstig abgelaufen. Das war für Decker ein günstiger Moment. Er kaufte die besten Baskervilleschen und Fournierschen Matern und liess einen gut geschulten Faktor kommen, versprach auf seine Kosten eine tüchtige Schriftgiesserei einzurichten und „alle französischen Bücher von Wert nachzudrucken, wodurch viel Geld dem Lande erhalten werden würde“. Dies schlug bei dem König, dem der[360] Decker erblicher Hofbuchdrucker.nervus rerum stets wichtig war, durch, und am 4. Januar 1769 erhielt Decker die erbliche Würde eines Hofbuchdruckers, ausserdem ein Privilegium für die nachzudruckenden Bücher. Der König blieb Decker stets gewogen und gehörte als Schriftsteller zu dessen Kunden; eine solche war auch die Königin Elisabeth Christine, die sich mit der Herausgabe frommer Bücher beschäftigte.

Aufblühen des Verlagsgeschäfts.

Das frischere geistige Leben, welches seit dem Hubertusburger Frieden 1763 in Berlin pulsierte, unterliess nicht, seinen Einfluss auf das Deckersche Geschäft zu üben. Georg Jacob trat in Verbindung mit den vielen schriftstellerischen Berühmtheiten und fing nun 1769 selbst an zu verlegen, und zwar mit einem solchen Eifer, dass die Zahl seiner Verlagsartikel bald an 400 betrug. Damals begann auch allgemein eine bessere Ausstattung der Bücher; selten erschien ein solches ohne Zuthat bildlichen Schmuckes namentlich unter der Mitwirkung Chodowieckis. Die Druckerei war hierdurch und durch fremde Arbeiten so stark beschäftigt, dass Decker viele Aufträge auswärts ausführen lassen musste. Als Verleger ging er jährlich zweimal zur Messe nach Leipzig, wo er in freundschaftlichem, zugleich geschäftlichem Verkehr mit Bernhard Breitkopf, später mit dessen Sohn Immanuel, stand. Das Baseler Geschäft wurde von ihm und dem Bruder in Colmar der Direktion eines Geschäftsführers überlassen.

Gunst Friedrich Wilhelms II.

Nach dem Tode Friedrichs II. 1786 bestätigte der König Friedrich Wilhelm II. nicht allein die Privilegien Deckers, sondern er hatte ausserdem Decker und der Vossschen Buchhandlung das Recht gewährt, französische und ins Deutsche übersetzte Werke Friedrich des Grossen zu drucken unter der Bedingung, dass sie in einer besonderen, im königlichen Schlosse zu Potsdam dazu angewiesenen Lokalität hergestellt wurden. Decker stellte schleunigst zehn und dann noch weitere zehn Pressen auf und schon im Frühjahr 1789 waren die 25 Bände der Werke gedruckt. Der König war mit der raschen Ausführung so zufrieden, dass er Decker, als besonderen Beweis seiner Gnade, für sich und seine Erben für alle Zeiten zum Geheimen Ober-Hofbuchdrucker ernannte. Die Ausgabe genügte jedoch nicht in derselben Weise den Anforderungen der Kritik. Die Redaktion war eine des grossen Autors ganz[361] unwürdige. Hierdurch und auf Grund von Nachdrucken wurde das Unternehmen für die Verleger ein verfehltes.

Letzte Jahre G. Jacobs I.

Das Ziel von Deckers Ehrgeiz war erreicht. Das Glück hatte ihn im Geschäft und in der Familie begünstigt. Vier Töchter verheirateten sich mit Männern von Fach, den Brüdern Christ. Spener und Joh. Carl Spener, dem Buchhändler H. A. Rottmann und dem berühmten Schriftgiesser Wilh. Haas d. ä. in Basel. Der Mann der fünften Tochter, Ph. Rosenstiel, war zwar Oberfinanzrat, spielte jedoch auch in der geschäftlichen Geschichte der Familie eine Rolle.

Beim Eintritt in sein 60. Jahr am 25. Juni 1792 überliess Georg Jacob I seinem Sohne Georg Jacob ii sein Geschäft käuflich und führte im Kreise der Seinigen sowie von Künstlern und Männern der Wissenschaft ein, wennauch mit körperlichen Leiden verbundenes so doch heiteres Leben, bis der Tod den Achtundsechzigjährigen am 17. November 1799 abrief.

Georg Jacob II * 9. Novbr. 1765, † 26. Aug. 1819.

Der Sohn Georg Jacob II hatte die Buchdruckerei im väterlichen Hause und bei H. G. Effenbart in Stettin, den Buchhandel bei Treuttel & Würtz in Strassburg gelernt und sich auf längeren Reisen weiter ausgebildet. Teilhaber des Geschäfts war er bereits 1788 geworden.

Zensurschwierigkeiten.

Ihm sollte das Leben nicht ohne schwere Sorgen und harte Prüfungen verlaufen. Ein Hemmnis für die Verlagsthätigkeit Deckers wie für den ganzen Buchhandel wurden die schon im Jahre seines Eintritts in das Geschäft 1788 erfolgenden Edikte des Ministers Wöllner, die besonders empfindlich die Zeitungen trafen, von welchen eine nach der andern einging. Die Verlagshandlung wurde von der Druckerei getrennt und in die Hände Rottmanns, unter dessen Firma, gelegt, dafür wurde aller Fleiss und jede Mühe auf die Verbesserung der Buchdruckerei und der Schriftgiesserei seitens Georg Jacob d. j. verwendet. Er schaffte Matern von Bodoni, W. Haas und Didot an, sowie das beste Material für die Typen und die Farbe.

Das Posener Geschäft.

Die Regierung wünschte in dem durch die zweite Teilung Polens ihm zugefallenen Posen die Anlage einer Druckerei. Decker kam den vertraulichen Aufforderungen nach. Das Unternehmen machte ihm jedoch viele Sorgen und ging 1819 in die Hände des Schwagers Deckers, Rosenstiel, für dessen Sohn über.

[362]

Kalamitäten des Baseler Geschäfts.

Noch grössere Sorgen sollte ihm das Baseler Geschäft bereiten. In dieses hatte er einen sehr talentvollen, jedoch extravaganten Mann, Maximilian Schoell, erst als Disponent, dann als Teilhaber aufgenommen, der, nicht zufrieden mit der buchhändlerischen Wirksamkeit, Decker in Banquierunternehmungen verwickelte und ihn in ein seine Existenz bedrohendes Meer von Sorgen stürzte, so dass dieser noch froh sein musste, das Baseler Geschäft mit einem Verlust von 180000 Livres an den dortigen Buchdrucker und Verleger Thurneisen übergeben zu können.

Die Notjahre Preussens.

Auch in Berlin sollten schwere Schläge nicht ausbleiben. Die fortwährende Ausdehnung des dortigen Geschäfts hatte den Erwerb eines schönen Grundstückes in der Wilhelmstrasse veranlasst. Die Notjahre Preussens konnten jedoch nicht spurlos an Decker vorübergehen. Keine Schwierigkeiten vermochten indessen seine Energie und Anstrengungen für die technischen Fortschritte in der Druckerei zu schwächen. So war er der erste in Berlin, der die grossen Erfindungen der Neuzeit, die Lithographie, die eiserne Presse, die Stereotypie einführte, mit seinem Schwager Spener der erste in Deutschland, der eine Schnellpresse erwarb. Die Freude, letztere in Gang zu sehen, als Lohn für seine dabei bewiesene Opferwilligkeit, war ihm nicht beschieden.

Tod G. Jacob II Deckers.

So überstand Decker rüstig und mutvoll kämpfend die schweren Jahre, obwohl er während der französischen Okkupation an 80000 Thaler Lasten und Verluste zu tragen hatte. Vom Jahre 1813 aber trat wieder eine so starke Beschäftigung ein, dass er sich für die gehabte Not reichlich entschädigt sah. Nach langen Leiden entschlief er am 26. August 1819.

Über acht Jahre lang wurde das Geschäft unter Vormundschaft vortrefflich weiter geleitet, bis am 31. Januar 1828 der jüngste Sohn Rudolf Ludwig nach erreichter Volljährigkeit mit dem älteren Bruder Carl Gustav (der älteste der Brüder war bereits gestorben) das Geschäft übernahm, welches nach dem bereits 1829 erfolgenden Tode Carl Gustavs dem Rudolf allein zufiel.

Rudolf Decker * 8. Jan. 1804, † 12. Jan. 1877.

Rudolf Decker war durch eine vorzügliche technische und wissenschaftliche Ausbildung auf das beste für seinen Beruf vorbereitet und widmete sich mit vollem Eifer demselben. Durch ihn erreichte der Ruf des Hauses seinen Höhepunkt.

[363]

Seine Aufmerksamkeit war namentlich der Schriftgiesserei gewidmet, in welcher er sich sowohl im väterlichen Hause, wie in der Schriftgiesserei Molé in Paris tüchtige Kenntnisse erworben hatte. Mit besonderer Vorliebe pflegte er die Fraktur (S. 285). Die Bestrebungen der Schriftgiesserei fanden Ausdruck in der grossen für die erste Londoner Ausstellung 1851 angefertigten und später vervollständigten Schriftprobe. Die Akademie der Wissenschaften in Berlin übertrug Decker den Schnitt ihrer koptischen, arabischen, Sanskrit- und anderen orientalischen Schriften, die in fast allen Universitätsbuchdruckereien eingeführt wurden. Für diese Arbeiten wirkten die Schriftschneider Beyerhauss, J. Schilling, Wotze, Schultz, Krumwiede u. a.

Prachtwerke.
Œuvres de Frédéric le Grand.

Die Druckerei blieb nicht zurück, und lieferte Werke, die für alle Zeiten ihren Rang behaupten werden. Anlässlich der Gutenbergfeier 1840 wurde das Prachtwerk „Zwanzig alte Lieder von den Nibelungen“ herausgegeben von Prof. Carl Lachmann mit eigens dazu in Annäherung an die gothische Schrift geschnittenen Typen gedruckt. Eine wahre Zierde der deutschen Druckkunst und Xylographie ist die Jubelausgabe der Œuvres de Frédéric le Grand, 30 Bände Quart, durch welche die redaktionellen Fehler der ersten Ausgabe in gelungenster Weise gutgemacht wurden. Die Redaktion leitete auf Veranlassung des Königs Friedrich Wilhelm IV. Professor Preuss. Das Werk, mit den trefflichsten Holzschnitten von Unzelmann und den Brüdern Vogel nach den genialen Zeichnungen Menzels geschmückt, wurde in 200 Exemplaren gedruckt, die nur zum Verschenken bestimmt waren. Nichts wurde an Arbeit, Material und Kosten verabsäumt, um ein wahres Meisterwerk zu schaffen, welches, 1844 begonnen, erst nach dem Tode des königlichen Förderers 1860 vollendet wurde[224].

Das Neue Testament.
Das Krönungswerk.

Ein Druckwerk ersten Ranges ist ebenfalls das nur in 80 Exemplaren für die Londoner Ausstellung ausgeführte „Neue Testament“ nach Luther in gr. Folio mit bildlichem Schmuck von Cornelius und Kaulbach. Als eine „grosse“ Leistung in den verschiedenen[364] Bedeutungen des Wortes ist die Krönung I. M. des Königs Wilhelm und der Königin Augusta am 18. Oktober 1861 zu nennen. Das Buch hat eine Höhe von 74 cm und eine Breite von 53 cm; aufgeschlagen bedeckt es eine Tischfläche von 7844 □cm. Die 135 Blätter des Buches sind einzeln gedruckt und auf Falz geklebt. Typographisch konnte das Werk nicht besser ausgeführt sein, als geschehen. Die edle Einfachheit verdient volles Lob. Von den genealogischen Tafeln misst die eine in der Länge 416 cm. Kopf- und Schlussvignetten sind dem einfachen Stil des Werkes angepasst. Das Buch hat eine besonders interessante Geschichte. Zweimal wurde der Druck durch Kriege unterbrochen und als es im Sommer 1872 erschien, konnte der Bericht über die Krönung des preussischen Königs Wilhelm dem deutschen Kaiser Wilhelm dediziert werden.

Lieder des Mirza Schaffy.

Rudolf von Deckers — denn er war anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Hauses in den Adelsstand erhoben — letzte typographische That war die Jubelausgabe der „Lieder des Mirza Schaffy“, ein Prachtwerk, in welchem die Leistungen der Typographie und der Chromolithographie sich den Rang streitig machen.

Doch nicht nur die Prachtwerke, sondern jede auch die gewöhnlichste Arbeit wurde mit der grössten Sorgfalt behandelt. So waren das Coursbuch und nicht minder die demselben beigegebene typographisch ausgeführte Eisenbahnkarte, eine Arbeit des späteren Frankfurter Buchdruckers A. Mahlau, ganz vorzügliche Leistungen. Zu dem umfangreichen Geschäft erwarb R. Decker im Jahre 1852 noch die Papierfabrik Eichberg in Schlesien.

Wennauch das Verhältnis zu der Regierung dem Deckerschen Geschäft ausserordentliche Vorteile brachte, so lässt es sich andererseits nicht in Abrede stellen, dass die Reihe der Besitzer ernstlich bemüht war, ihre Anstalt auf eine Stufe, die einer solchen bevorzugten Stellung entsprach, zu bringen und auf einer solchen zu erhalten[225].

J. G. Unger * 26. Okt. 1715, † 15. Aug. 1788.
J. F. Unger * 1753, † 26. Dezb. 1804.

Unter den älteren Buchdruckereien Berlins aus dieser Periode werden mit besonderer Achtung Unger Vater und Sohn genannt. Ersterer, Johann Georg Unger, bei Pirna geboren, kam 1740 als Drucker nach Berlin. Er etablierte sich hier als Formenschneider[365] und starb als angesehener Künstler[226]. Der Sohn Johann Friedrich Unger erfreute sich ebenfalls eines guten Rufes als Formenschneider, erwarb 1780 eine Buchdruckerei und legte 1791 eine Schriftgiesserei an, namentlich um die Didotschen Schriften allgemein einzuführen, welche damals so sehr beliebt waren, dass die Fraktur Gefahr lief, von ihnen verdrängt zu werden (S. 283). Später wendete sich jedoch Unger, wie früher Breitkopf, der Fraktur zu, suchte aber das Heil für diese auf einem Irrwege durch Annäherung ihrer Formen an die runde Antiqua. In dieser Weise schuf er die sogenannten Ungerschen Lettern und liess diese durch Joh. Chr. Gubitz, den er aus der Breitkopfschen Offizin in Leipzig engagiert hatte, schneiden, welche Schriften sich jedoch nicht einbürgern wollten[227]. Im Jahre 1800 wurde Unger zum Professor ernannt. Nach seinem Tode konnte die Witwe trotz all ihrer Tüchtigkeit und Arbeitsamkeit doch nicht das weitverzweigte Geschäft in dem bisherigen Schwung erhalten. Während der Drangsale der Kriegsjahre verfiel es nach und nach und gelangte 1821 zum grossen Teil in den Besitz von Trowitzsch & Sohn, die den grössten Kalenderverlag haben und mit der umfangreichen Buchdruckerei (9 Schp.) eine bedeutende Schriftgiesserei verbinden.

Gebr. Unger.

Mit der genannten Familie Unger stehen die Gründer der Firma Gebr. Unger in keiner verwandtschaftlichen Beziehung. Otto Ludwig Unger[228] und Jul. Ferd. Unger erwarben 1824 die von F. W. Maas gegründete Buchdruckerei. Der Sohn des Julius, Carl Joh. Friedr. Unger, ward 1856 Hofbuchdrucker. Die an orientalischen Schriften reiche Offizin lieferte viele vorzügliche Werkdrucke.

Die von Chr. S. Spener 1773 erworbene Buchdruckerei ging bei dessen Tod 1813 auf seinen Bruder J. K. Ph. Spener über, der mit derselben 1815 die, 1785 gegründete, vorzügliche Offizin von G. H. Wegner vereinigte. Wie erwähnt, führte er zugleich mit[366] Decker die Schnellpresse in Berlin ein (S. 308). 1826 gingen das Geschäft und die „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“ in den Besitz des Bibliothekars Dr. S. H. Spiker über.

G. A. Reimer * 27. Aug. 1776, † 26. April 1842.

G. A. Reimer aus Greifswalde war eine der Zierden des deutschen Buchhandels, ebenso bekannt durch seine patriotische Gesinnung als seine geschäftliche Tüchtigkeit. Im Jahre 1817 legte er eine Buchdruckerei für seinen eigenen Bedarf an. Zu seinem bedeutenden Verlag erwarb er noch die Weidmannsche Buchhandlung in Leipzig und gehörte somit sowohl Berlin als Leipzig C. Reimer † 29. Juli 1859.an. Der Weidmannsche Verlag ging 1830 auf den ältesten Sohn Carl Reimer über, der ihn, zuerst im Verein mit seinem Schwager Salomon Hirzel, dann allein fortsetzte. Im Jahre 1855 verlegte C. Reimer das Geschäft nach Berlin.

E. S. Mittler * 26. Jan. 1785.

E. S. Mittler aus Halle war einer der tüchtigsten und beliebtesten der deutschen Buchhändler. Im Jahre 1816 übernahm er, erst als Leiter, dann als Besitzer, die Buchdruckerei seines Schwiegervaters Wilhelm Dieterici und druckte seinen eigenen meist aus Militaria bestehenden Verlag. Im Jahre 1862 nahm er seinen Enkel Dr. Th. Töche als Teilnehmer auf, der nach Mittlers Tode das Geschäft mit aller Energie fortsetzt.

Die Druckerei der Akademie der Wissenschaften (jetzt unter Leitung von G. Vogt) ist an Umfang nicht bedeutend, jedoch reich an seltenen Schriften, mit welchen die Werke der Akademie gedruckt wurden, darunter Schotts chinesische Grammatik.

Ed. Hänel * 1804, † 16. Aug. 1856.

Auf die Verdienste Ed. Hänels ist bereits oben (S. 281) hingewiesen. Er war in Magdeburg geboren, wo sein Vater C. J. Hänel königl. Hofbuchdrucker war, hatte sich in England tüchtig ausgebildet und ging später nach Paris und Belgien. 1835 druckte er die preussischen Kassenanweisungen, zu welchem Zweck er eine Zweiganstalt in Berlin etablierte. Nachdem das Magdeburger Geschäft durch Feuer verheert worden war, zog er ganz nach Berlin und überliess seinem Bruder Albert das Magdeburger Etablissement. Das Berliner Geschäft, welches er 1852 an Carl David verkauft hatte, kam nach einigen Wandlungen 1864 in die festen Hände Wilh. Gronaus, der es im Hänelschen Geiste fortführt und namentlich der Schriftgiesserei seine Thätigkeit zuwendet.

[367]

J. Sittenfeld * 1801.
Carl Schultze * 30. Juli 1821.

Im Jahre 1835 kaufte Jul. Sittenfeld eine kleine Buchdruckerei, die er schnell in die Höhe brachte. Die Offizin war im Hebräischen besonders leistungsfähig; unter anderen druckte er den Talmud in acht Foliobänden. Der jetzige Besitzer (Dr. O. Löwenstein) hat das Geschäft bedeutend erweitert (15 Schp., 200 Arb.). Die Buchdruckerei von C. F. Amelang ging durch Kauf auf Carl Schultze über. Er richtete dieselbe besonders auf den Druck schwieriger wissenschaftlicher, namentlich orientalischer Schriften ein.

Der Zeitungsdruck.

Ein sehr bedeutender Teil der Druckkräfte Berlins wird durch das Zeitungsgeschäft in Anspruch genommen, indessen haben die einzelnen Blätter nicht solchen Umfang und Verbreitung, dass man dort Zeitungsdruckereien wie in England und Amerika aufweisen könnte, selbst Blätter von dem Umfang und dem Einfluss wie die „Kölnische Zeitung“ und die „Neue Freie Presse“ besitzt Berlin nicht. Im allgemeinen lassen Druck, Papier und Korrektheit der Zeitungen viel zu wünschen übrig. Das verbreitetste Blatt war 1880 das „Berliner Tageblatt“ mit 70000 Abnehmern. Diesem kamen am nächsten „Berliner Zeitung“, „Volkszeitung“, „Vossische Zeitung“ mit zwischen 20–30000 Exemplaren; dann folgten „Staatsbürger-Zeitung“, „Berliner Börsenzeitung“, „National-Zeitung“ in 15–20000 Auflage. Von Rotationsmaschinen besitzt Berlin 19. Die Zahl der Journale beträgt etwa 478, darunter 43 amtliche, 66 politische. Der Zeitungsdebit durch die Post bezifferte sich 1880 auf etwa 80 Millionen Nummern.

Zu den bedeutendsten Zeitungsdruckereien gehört die von Lessing („Vossische Zeitung“) mit 2 Rotations-, 4 Doppelmaschinen, nebst 5 Stereotyp-Apparaten; Ed. Krause (15 Schp. „Nationalzeitung“, „Bank- und Handelszeitung“, „Kladderadatsch“, „Wolffs Depeschen“ u. a.); Norddeutsche Buchdruckerei und Verlags-Anstalt (12 Schp. „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“, „Reichsanzeiger“ u. a.); R. Mosse (18 Schp. „Berliner Tageblatt“ etc.); Büxenstein (3 Rotm. und 21 Schp. „Börsen-Courier“, „Gerichtszeitung“, „Neue Volkszeitung“); Adam Wilh. Hayns Erben (9 Schp. „Berliner Intelligenzblatt“); die Buchdruckerei der „Berliner Börsenzeitung“ (10 Schp.).

Der Illustrationsdruck war bis jetzt nicht die starke Seite der Berliner Offizinen, doch dürfte bei dem Umstand, dass mehrere der[368] grossen Berliner illustrierten Blätter in Leipzig gedruckt werden, neben dem guten Druck noch andere geschäftliche Verhältnisse mitreden. Die verbreitetsten sind: der von L. Schaefer gegründete „Bazar“, jetzt im Besitz einer Aktiengesellschaft; F. Lipperheides „Modenwelt“; „Das Berliner Modenblatt“, die „Illustrierte Frauenzeitung“. Von den politischen Witzblättern fand der „Kladderadatsch“ eine grosse Verbreitung.

Der Accidenzdruck.

Auch das Accidenzfach war bis vor nicht langer Zeit in Berlin etwas vernachlässigt und ausser Hänels Druckerei hatte keine einen besonderen Ruf auf Grund von Accidenzarbeiten. In jüngster Zeit ist dies vielfach anders geworden. Ein grosses Ansehen geniesst W. Büxenstein (S. 268), dessen neu eingerichtete mit Lithographie verbundene Buchdruckerei vorzügliches im Accidenz- und Illustrationsdruck liefert. In letzterer Richtung erwarb sich W. Möser (13 Schp.) einen sehr guten Namen. Auch Gebr. Grunert lieferten höchst beachtenswertes im Accidenz- und Luxusdruck. Ein eigentümliches Accidenzgeschäft ist das der Gebr. Litfass, welches sich namentlich dem Plakatdruck widmet und das Monopol der Anschlagesäulen besitzt. Während der Kriegszeit 1870 befand sich das „Depeschenhaus“ im andauernden Belagerungszustand, denn von Litfass' Offizin aus gingen die lakonischen aber inhaltsschweren Telegramme „aus dem Hauptquartier“ in das Publikum.

Der Letteverein.

Wollten wir alle grösseren Druckereien Berlins nennen, würden wir Seiten damit füllen, hier sei nur noch erwähnt die Aktiengesellschaft Letteverein, welche unter der Direktion von C. Janke dessen frühere Offizin als Frauendruckerei seit 1875 im Gang erhält; sie beschäftigt 45 weibliche, 20 männliche Arbeiter und 7 Schnellpressen.

Zuletzt ist noch die im Range erste Druckerei Deutschlands zu erwähnen.

Die Preussische Staatsdruckerei und die Reichsdruckerei.

Seit dem 1. April 1879 ist das Reich im Besitz einer Reichsdruckerei, entstanden aus einer Verschmelzung der Deckerschen geheimen Oberhofbuchdruckerei mit der königlich preussischen Staatsdruckerei.

Kgl. Preuss. Staatsdruckerei.

Letztere, verhältnismässig junge Druckanstalt hatte sich einen sehr guten Ruf erworben. Früher wurden die preussischen Banknoten und Kassascheine, wie erwähnt, bei Ed. Hänel und auch[369] in der Deckerschen Offizin ausgeführt. Eine Zentralisation der Regierungsarbeiten wurde jedoch als notwendig erachtet und durch Kabinettsordre vom 30. August 1851 die Königliche Staatsdruckerei für Anfertigung von Wertpapieren ins Leben gerufen. Nach Auflösung des Königlichen Lithographischen Instituts fiel der Staatsdruckerei auch die Herstellung der Generalstabskarten zu.

Reichsdruckerei.

Im Jahre 1877 am 1. Juli wurden die Deckerschen Grundstücke und die Oberhofbuchdruckerei für die Summe von 6780000 Mark vom Reich angekauft. Von dieser Summe kamen auf die letztere 1780000 Mark. 1879 am 1. April beschloss der Reichstag, die Königlich Preussische Staatsdruckerei für die Summe von 3573000 Mark für das Reich zu erwerben und mit der Deckerschen Offizin zu einer Reichsdruckerei zu vereinigen. Die Lokalitäten der Staatsdruckerei in der Oranienstrasse wurden in zweckmässiger, auch äusserlich imponierender Weise umgebaut und beide Druckereien im eigentlichen Sinne des Wortes verschmolzen, denn die ganzen Schriftenvorräte von 333000 Kilo wurden ins Zeug geworfen und umgegossen, weil die Systeme der beiden Offizinen nicht mit einander stimmten, zugleich wohl auch, weil vieles veraltet war. Auch neue Maschinen wurden angeschafft, so dass die Reichsdruckerei augenblicklich mit einem Werte von etwa sieben Millionen Mark angesetzt wird. Ob, wenn einmal das Reich eine eigene Druckerei haben musste, eine solche nicht von neuem viel zweckmässiger und viel billiger hätte hergestellt werden können, ist nunmehr allerdings eine müssige Frage. Jetzt bleibt mehr zu wünschen, als zu hoffen, dass diese Anstalt sich streng auf diejenigen Arbeiten beschränken werde, welche wirklich nur die Bedürfnisse der Reichsregierung befriedigen. Nach manchen Zeichen zu urteilen, beabsichtigt man jedoch, aus der Reichsdruckerei eine Art von Vorbild für die deutsche Typographie zu schaffen, wie es seinerzeit die Wiener Staatsdruckerei für Österreich war, wobei man jedoch vollständig vergisst, dass erstere seit lange mündig geworden. Selbst die Herstellung der schwierigsten orientalischen Werke, diese Ausstellungs-Paradepferde der Staatsanstalten, mit Ausnahme der vortrefflichen St. Petersburger Wertpapierdruckerei, hat sich in den Privatdruckereien Deutschlands in einer Weise ausgebildet, dass es nur als eine Schädigung der ohnehin durch die starke gegenseitige[370] Konkurrenz bedrohten Privatinteressen betrachtet werden müsste, wenn der Staat ihnen Konkurrenz bereiten sollte.

Die Anstalt beschäftigt 700 Personen, besitzt 55 Schnellpressen, 18 Handpressen und über 200 Hülfsmaschinen. In runder Summe werden jährlich 100 Millionen Bogen gedruckt und über 800 Millionen Poststempel und andere Wertzeichen zu einer Gesamtsumme von etwa 123 Millionen Mark, ferner etwa 3½ Millionen Stück Reichsbanknoten, Kassenscheine und andere Papiere, die einen Wert von nahe an einer Milliarde für die Besitzer repräsentieren.

Das Budget von 1881–82 ergab eine Einnahme von 3240000 Mark, eine Ausgabe von 2221980 Mark, doch da hiervon über 700000 Mark Zinsen und Abschreibungen abgehen und die Stellung der Preise bei Mangel an Konkurrenz keine geschäftliche Bedeutung hat, so ist es schwer zu sagen, wie es mit der Rentabilität, wenn mit den Leistungen von Privatdruckereien verglichen, sich verhält.

Die Reichsanstalt ist unter der bisherigen vorzüglichen Leitung der Königlich Preussischen Staatsdruckerei geblieben, die Direktion hat somit Herr Geheimrat Busse, die technische Führung Herr E. Ringer. Die neuesten, künstlerisch wenig befriedigenden Produktionen, die Fünfzig-, Zwanzig- und Fünfmarkscheine, sind auf Papier gedruckt, in dessen Masse, nach dem in Amerika angewendeten Verfahren, farbige Fasern strichweise hineingearbeitet sind. Das Papier wurde unter Aufsicht von Beamten der Reichsdruckerei von Gebr. Ebart in Spechthausen bei Eberswalde angefertigt. Über die Untrüglichkeit des Systems wird gestritten.

Lithographie.

Berlin ist der Hauptsitz für den lithographischen Farbendruck geworden in seinen verschiedenen Zweigen, welche sowohl der Herstellung von Öldruckbildern als der Zeitschriften- und Bücher-Illustrationen, sowie den vielen Bedürfnissen des Papeteriegeschäfts dienen. Die eigentliche Bedeutung erhielt der lithographische Farbendruck durch die Bemühungen Schinkels und Beuths, unterstützt durch das Wohlwollen, welches der nachmalige König Friedrich Wilhelm IV. schon als Kronprinz dem neuen Kunstzweig entgegentrug. Den Wert desselben bezeugte in glänzender Weise das grosse Werk Prof. Zahns über pompejanische Altertümer.

Kunstanstalten.

Guten Ruf erlangte die Anstalt J. Winckelmanns, der zuerst 1816 in Verbindung mit Heinr. Arnz das bekannte Institut Arnz & Co.[371] in Düsseldorf begründet hatte. Die Leitung desselben lag eine zeitlang in den Händen von J. Storch, der später sich mit C. Kramer verband und tüchtiges im Landschaftsfache lieferte. Ganz vortrefflich sind Storch & Kramers für die Arundel-Society in London ausgeführte Reproduktionen der Freskogemälde altitalienischer Maler (S. 103). Als Meister im architektonischen und landschaftlichen Aquarelldruck zeichneten sich Loeillot Und R. Steinbock aus, bekannt sind unter anderen Hildebrandts „Reise um die Welt“ und Köhlers polychrome Meisterwerke. Mit dem eigentlichen Ölbilderdruck beschäftigten sich mit mehr oder weniger Glück eine nicht kleine Anzahl von Firmen und es bleibt nur zu bedauern, dass neben dem Guten so vieles Geschmacklose, zumteil elendes Machwerk hervorgebracht wurde, welches eine Kunst für den Augenblick in Misskredit gebracht hat, die ein besseres Schicksal verdient hatte, und nun neue Wege suchen muss, um sich die verscherzte Gunst wieder zu erwerben. Unter den Firmen, die ausser den erwähnten tüchtiges leisteten, sind zu nennen Carl Gerold, Otto Troitzsch, Böhme & Fränkel.

Einen bedeutenden Einfluss auf die Verwendung des Farbendruckes übten die Gropiussche Buchhandlung (später Ernst & Korn) durch ihre grossartigen architektonischen Unternehmungen, Rud. Wagner durch die erwähnte Hildebrandts „Reise um die Welt“ und ähnliche Aquarell-Albums, Alex. Duncker durch eine Reihe von Prachtwerken aus.

In neuerer Zeit hat die Verwendung der Chromolithographie zu gewerblichen Zwecken eine enorme Ausdehnung gewonnen. Die Anführung einiger der bedeutendsten Firmen wird einen Begriff von dem Umfang solcher Etablissements geben.

W. Hagelberg beschäftigt 38 Schnellpressen, 29 Handpressen, 94 Hülfsmaschinen und 700 Arbeiter; Carl Hellriegel 9 Schnellpressen, 42 Handpressen, 450 Arbeiter; Schäfer & Scheibe, deren hauptsächlichste Produktion in Neujahrs- und Gratulationskarten besteht, 9 Schnellpressen, 50 Handpressen, 350 Arbeiter; A. Kaufmann & Co. 23 Schnellpressen, 16 Handpressen und 250 Arbeiter. Umfangreich sind ferner Albrecht & Meister, die Berliner Luxus-Papierfabrik, Kutzner & Berger und noch manche andere. Man findet hierin die Bestätigung, wie sehr in dem Druckgewerbe der[372] Zeitungs- und der Accidenzdruck dem eigentlichen Bücherdruck über den Kopf wächst.

Als Verleger von Karten und Globen wurden namentlich Dietrich Reimer, E. Schotte & Co. und das Berliner Lithographische Institut massgebend.

Als Herausgeber von Werken unter Zuhülfenahme des Lichtdruckes entwickelte E. Wassmuth eine enorme Thätigkeit, auch Paul Bette war in dieser Richtung sehr rührig. Die Photographische Gesellschaft besitzt einen ausserordentlich grossen Fond von photographischen Blättern, auch G. Schauer lieferte viele Blätter und Albums. Den eigentlichen Kunstverlag pflegten E. H. Schröder (R. Schuster), Sachse & Co., Amsler & Ruthardt, Goupil & Co. (Filiale von Paris). Unter den Verlegern, die einen besonderen Einfluss auf das Druckgewerbe übten, sind noch zu nennen: G. Grote, Duncker & Humblot, Veit & Co. (beide jetzt in Leipzig), Jul. Springer, Gebr. Paetel, P. Parey, Dümmlers Verlag, A. Hirschwald, G. Langenscheidt (selbst Buchdrucker), A. Asher & Co., Wiegandt & Grieben.


Breslau.

In der drittgrössten Stadt des Deutschen Reiches Breslau[229] hat die Druckerei im Verhältnis zur Grösse der Stadt keine Rolle gespielt, so wenig wie in den anderen grossen Städten des Nordens Königsberg, Danzig, Hamburg, Magdeburg und Köln.

Grass, Barth & Co.

Im Jahre 1748 übernahm Carl Wilh. Grass die Stadtbuchdruckerei in Breslau von den Baumannschen Erben (I, S. 145), dem sein Bruder Friedr. Sigm. Grass folgte. Nach dessen Tode erwarb Joh. Aug. Barth das Geschäft und vermehrte es durch die Druckerei der katholischen Landes-Universität. Ein schönes Denkmal der Leistungsfähigkeit der Offizin ist das 1818 erschienene Pacis annis 1814 et 1815 foederatis armis restitutae monumentum in Gross-Folio, welches Jubelgedichte in 42 grösstenteils fremdländischen europäischen und orientalischen Sprachen enthält. Die Firma wurde Grass, Barth & Co., sie verbindet jetzt Typographie mit Lithographie und arbeitet mit 14 Schnellpressen.

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W. G. Korn.

Einen grossen Umfang erreichte die Verlagshandlung und Buchdruckerei von W. G. Korn, welche am 13. Januar 1882 ihr 150jähriges Jubiläum beging. Joh. Jos. Korn eröffnete an diesem Tage 1732 sein Geschäft und erhielt 1741 Privilegium zur Herausgabe der „Schlesischen Zeitung“. Sein Sohn Joh. Gottlieb Korn trat 1828 die Buchhandlung, 1836 die „Schlesische Zeitung“ an seine beiden Söhne ab. Im Jahre 1851 übernahm Heinr. Korn das Etablissement. Anlässlich des Jubiläums errichtete er, abgesehen von manchen anderen Schenkungen, für seine Mitarbeiter eine Stiftung mit einem Kapital von 100000 Mark und wurde in den Adelsstand erhoben. Das Geschäft arbeitet mit 15 grossen Maschinen und etwa 150 Arbeitern, besitzt auch bedeutende Papierfabriken.

S. Schottländer hat einen reichhaltigen Verlag und arbeitet mit 15 Schnellpressen. Von grossen Verlagshandlungen sind noch zu nennen Max & Co., Ferd. Hirt und E. Trewendt.

C. Flemming * 10. Mai 1806, † 1. Nov. 1878.

Einen bedeutenden Umfang erreichte das Geschäft von Carl Flemming in Glogau, welches sich namentlich der Produktion von Landkarten widmet und damit 11 typographische und lithographische Schnellpressen beschäftigt.

Posen.

In Posen wurde, wie erwähnt, von G. J. Decker ein Etablissement errichtet, das jetzt als W. Decker & Co. typographisch und lithographisch mit 7 Schnellpressen arbeitet. Frankfurt a. O., die erste Stadt Preussens, in welcher die Druckerei eingeführt wurde, hat so wenig wie andere Städte des östlichen Preussens eine besondere Stellung in der Typographie erworben. Die bedeutendste Druckanstalt dort ist Trowitzsch & Sohn (gegr. 1779) mit 6 Schnellpressen.

Königsberg.

Selbst die Königs- und Universitätsstadt Königsberg misst sich kaum mit mancher Stadt von 20–30000 Einwohnern hinsichtlich graphischer Produktion. Erst 1523 war die Druckerei dort durch Hans Weynreich eingeführt, dessen Offizin nach vielen Wandlungen zur Zeit des dritten Jubelfestes in den Händen Joh. Fr. Reussners war.

J. H Hartung * 17. Aug. 1699, † 5. Mai 1756.

Das bedeutendste Geschäft ist das von Joh. Heinr. Hartung, durch Übernahme der J. Stelteschen Buchdruckerei 1732 gegründet. Durch Umsicht und Unermüdlichkeit erwarb sich Hartung allgemeines Ansehen. Die Stände von Livland und Kurland übertrugen ihm den Druck der lettischen Bibel und der cyrillischen Postille;[374] für erstere erhielt er 7000 Thaler. Neben seiner Buchdruckerei trieb er bedeutenden Verlags- und Sortimentshandel und sein 1746 erschienener Sortimentskatalog war über 400 Seiten stark. In Leipzig hatte er während der Messe offenes Gewölbe. Zu seinem grossen Geschäft erwarb er noch die erwähnte Reussnersche Hof- und akademische Buchdruckerei. Er verschied in Leipzig 1756 während der Ostermesse.

Gottl. Hartung * 12. Aug. 1747, † 19. Nov. 1797.

Nachdem sein ältester Sohn bereits 1759 gestorben war, übernahm 1763 der jüngere Gottlieb Leberecht Hartung das Geschäft, nach dessen Tode dirigierte es seine Witwe Sophie Charlotte mit Mut und Ausdauer, bis sie es 1817 ihrem Sohne Georg Friedrich Hartung übertragen konnte. Die von Hartung herausgegebene „Königsberger Zeitung“ ist eine der ältesten Deutschlands und ihre Geschichte lässt sich bis auf das Jahr 1640 verfolgen. Vom 6. Februar 1758 bis 1. Juli 1762 und dann vom 19. Juli bis 10. August 1762 musste der ihre Kopfzeile schmückende preussische Adler mit dem russischen vertauscht werden. In den Jahren 1807 und 1808 hatte die Zeitung eine grössere Bedeutung erreicht, da der Krieg in der Nähe um Königsberg geführt wurde, wodurch indes Hartung verschiedenen Gefahren ausgesetzt wurde.

Wie wenig bedeutend der Umfang des Druckgewerbes in Königsberg war, geht aus den Aufzeichnungen über die vierte Jubelfeier hervor. Dieselben weisen nur 7 Druckereien mit 45 Gehülfen und 28 Lehrlingen auf; da die Hartungsche Druckerei 20 Gehülfen und 7 Lehrlinge beschäftigte, so kommen auf sechs Druckereien 25 Gehülfen und 21 Lehrlinge[230]. Jetzt arbeitet die Hartungsche Buchdruckerei mit sechs Schnellpressen und etwa 100 Personen.

Marienwerder.

Von Königsberg aus wurde, als Friedrich der Grosse bei der ersten Teilung Polens Westpreussen erhielt, der Buchdrucker R. Kanter nach Marienwerder als Hofbuchdrucker berufen, um die königlichen Arbeiten zu liefern; die Offizin besteht noch heute Danzig.mit 5 Schnellpressen. In Danzig sind die bedeutendsten Druckanstalten die von Jul. Sauer und von A. W. Kafemann, letztere ist Stettin.zugleich mit Schriftgiesserei verbunden. Stettin hat nur Bedeutung im Accidenz- und Zeitungsdruck; die dortige Firma H. G. Effenbart beging 1879 ihr 300jähriges Jubiläum. Noch um zwei Jahre älter[375] ist die, jetzt mit 8 Schnellpressen arbeitende, Firma H. Hessenland. R. Grassmann, zugleich Schriftgiesserei, beschäftigt elf Schnellpressen und gegen 100 Arbeiter.

Mecklenburg.

In Rostock besteht die Offizin von Adlers Erben (6 Schp.) seit 1635. Ausser in Rostock hat D. C. Hinstorff, bekannt als der Verleger und Drucker von Fritz Reuters Werken, noch Geschäfte in Wismar (5 Schp.) und Ludwigslust. Die grösste Druckerei Schwerins ist die von W. Sandmeyer (8 Schp.).

Neuruppin kann Armeen aus der Presse stampfen. Die Firma Gustav Kühn arbeitet mit Rotationsmaschine, 11 Schnellpressen und einer grossen Zahl von Hülfsmaschinen, welche von gegen 400 Arbeitern bedient werden. Oehmigke & Riemschneider beschäftigen 6 Schnellpressen und 200 Arbeiter hauptsächlich mit den bekannten Bilderbogen.

Lübeck. Hamburg.

Lübeck verlor seine Bedeutung, die es in der früheren Periode eine zeitlang hatte, und auch Hamburg nimmt nicht eine solche Stellung ein, wie man es von dem ersten Handelsplatze und der, der Bevölkerung nach, zweiten Stadt des Reiches erwarten könnte. Vielleicht wären seinerzeit die Bemühungen des Friedr. Andreas Perthes, Hamburg zu einem Emporium des buchhändlerischen Verkehrs mit dem Auslande zu erheben, gelungen, wenn nicht die schwere Zeit des Napoleonischen Druckes auf Deutschland im allgemeinen und Hamburg im besonderen hemmend gelastet hätte[231]. Nur für den Zeitungsverlag hatte Hamburg einige Bedeutung und erst in neuerer Zeit ist es Sitz einiger grösserer Verlagshandlungen geworden.

Selbst der Accidenzdruck hat keinen rechten Aufschwung genommen. Der solide Hamburger Kaufmannssinn giebt wenig auf Eleganz der Druckarbeiten.

Lessing als Buchdrucker.

Inzwischen sollte doch das wenig poetische Hamburg einen grossen Dichter Deutschlands unter seinen Buchdruckern zählen. Eine zeitlang war nämlich Lessing Associé des Buchdruckereibesitzers Joh. Joach. Christ. Bode. Ostern 1767 hatte letzterer auf dem Holzdamm eine Buchdruckerei angelegt und Lessing trat gleich nach seiner Ankunft in Hamburg als Sozius ein. Die „Hamburgische Dramaturgie“, die „Antiquarischen Briefe“ und die[376] Abhandlung „Wie die Alten den Tod gebildet“ sind von den eigenen Pressen Lessings gedruckt, und das Projekt, die Werke der bedeutendsten Gelehrten mit lohnenderem Ertrage für Verfasser und Verleger zu veröffentlichen, erregte in den beteiligten Kreisen so grosse Aufmerksamkeit, dass Klopstock schon im Sommer 1767 versprach, für das geplante „Deutsche Museum“ seine „Hermanns Schlacht“ und Gerstenbergs „Ugolino“ herzugeben. Die Publikationen dieser Druckerei und Verlagsfirma erhielten ein seltsames Kleinquart-Format; zum Druck wurde ein fein gestreiftes resp. geripptes italienisches Papier verwendet, so dass der eigentümliche Geschmack Bodes und Lessings vielfach Spottreden hervorrief. Die junge Firma wurde schon 1768 unter bedeutenden Verlusten für Lessing aufgelöst, dessen finanzielle Bedrängnisse, welche seinen Abgang von Hamburg bis zum Jahre 1770 verzögerten, jedenfalls zum grössten Teil diesem Misserfolg zuzuschreiben sind.

Hamburger Offizinen.

Das grösste der heutigen Etablissements ist das von J. F. Richter (2 Rotm., 14 Schp., 15 Hdp., 150 Arb.). Als Zeitungsdruckereien sind zu nennen die Aktiengesellschaft Neue Börsenhalle, welche die „Börsenhalle“ und den „Correspondent“ druckt, Hermanns Erben (1 Rotm., 6 Schp.), Diederich & Co. (1 Rotm., 5 Schp.). C. Adler verbindet mit Buchdruckerei und lithographischer Anstalt (9 Schp., 8 Hdp.) ein ausgedehntes Geschäft mit Lehrmitteln. F. Schlotke wurde schon in dem Kapitel über Maschinen erwähnt, ist ausserdem durch seine litterarische Wirksamkeit bekannt und jetzt Besitzer, Redacteur und Drucker des „Journal für Buchdruckerkunst“ (S. 356).

Das holsteinische Städtchen Itzehoe besitzt die bedeutende Buchdruckerei von G. J. Pfingsten, dessen weitverbreitete „Itzehoer Nachrichten“ namentlich vor und während der dänischen Kriege einen grossen Einfluss übten.

Wandsbeck.
G. W. Seitz * 6. Febr. 1826.

In dem als eine Vorstadt von Hamburg zu betrachtenden Wandsbeck hat die bedeutendste chromolithographische Anstalt Deutschlands ihren Sitz aufgeschlagen. Gustav W. Seitz lernte erst als Setzer, versuchte sich dann ohne jedwede Anleitung als Holzschneider, bis er später in München seine weitere Ausbildung erhielt. Dann wagte er sich in Hamburg an den Verlag. Durch Zufall mit dem lithographischen Farbendruck bekannt geworden,[377] erblickte er in diesem die Illustrationsmethode der Zukunft. Nach Überwindung unendlicher Schwierigkeiten gelang es Seitz, zwanzig Handpressen zu beschäftigen, bis der Krieg 1866 wieder Stockungen brachte. Trotzdem beschloss er, sich ein Domizil zu bauen und zwar in dem äussersten Ende von Wandsbeck. Ein kleines humoristisches Bild von Süs, „Der erste Gedanke“, wurde in 18000 Exemplaren verkauft. Trotz der Abmahnungen des Künstlers selbst wagte er sich nun an Carl Werners Nilbilder in Aquarelldruck und errang einen vollständigen Sieg. Unter seinen vielen Blättern ist der grosse Aquarelldruck „Auroras Triumphzug“ nach Guido Reni eine ausserordentlich gelungene Leistung.

Besondere Verdienste hat Seitz durch die Vervollkommnung des Reduktionsapparates. Schon im Jahre 1860 tauchte die englische Erfindung auf, ein Bild auf eine Gummihaut, die in einem Rahmen von vier durch Schrauben verstellbaren Stäben angebracht war, durch stärkere Anspannung resp. durch Lockerung der Spannung der Haut zu vergrössern oder zu verkleinern. In dieser veränderten Gestalt wurde dann das Bild auf einen Stein übertragen, so dass man Kopien in verschiedenen Grössen ohne eine neue Zeichnung erhalten konnte. Alles kommt natürlich auf die ganz verhältnismässig richtige Vergrösserung oder Verkleinerung nach Höhe und Breite an. Seitz ist es gelungen, die Apparate so fein zu vervollkommnen, dass Bilder von zwanzig und mehr Farben, zu welchen ebenso viele Steine gehören, im vollkommensten Passen der Umränderungen hergestellt werden können.

Stenochromie.

In Wandsbeck übte um 1875 Otto Radde (durch Mühlmeister & Johler dort, später in Hamburg) ein eigentümliches Verfahren, um Öldruckbilder herzustellen. In der Art, wie die einzelnen Glas- oder Steinstückchen zu einem Mosaikbild gefügt werden, setzte Radde die aus festen Teichfarben mittels Blechschablonen in die nötigen Formen gebildeten Blöcke in einem Rahmen zu einer Bilderform zusammen. Wurde nun ein mit Terpentin gefeuchteter Bogen darauf gelegt und Form und Bogen in einer Presse einem gelinden Druck ausgesetzt, so erhielt man ein Öldruckbild, das jedoch nur als eine Untermalung zu betrachten war, welche erst durch Aufdruck mehrerer lithographischer Farbenplatten Ausdruck und Schattierung erhielt. Das Verfahren war nicht neu. Bereits Senefelder[378] hatte in seinem Werke daran gedacht und der Maler Liepmann in Berlin lieferte 1842 einige recht hübsche Bilder in dieser Weise. 1873 zeigte sich Jul. Greth aus Charlottenburg damit auf der Wiener Weltausstellung. Auch ein Engländer, J. M. Johnson, hatte es geübt, um Landkarten zu illuminieren, sowie um Tapeten und andere Arbeiten herzustellen, wo die Farben sich bestimmt abgrenzen und nicht in einander übergehen müssen. Von dem mit grossem Eclat in Scene gesetzten Verfahren (Stenochromie) ist es ganz still geworden.

Bremen.

Die Handelsstadt Bremen ist so wenig wie Hamburg ein bedeutender Verlagsplatz geworden, deshalb beschränkten sich die Buchdruckereien hauptsächlich auf Zeitungs- und Accidenzarbeiten. Die grössten Offizinen sind die von C. Schünemann (9 Schp., 120 Arb.), welche die „Bremer Nachrichten“ und die „Weser-Zeitung“ druckt, und Gebr. Hauschild, die hauptsächlich Accidenzarbeiten liefern.

Oldenburg.

In Oldenburg sind G. Stalling und die Schulzesche Hofbuchdruckerei, je mit 4 Schnellpressen, thätig. In dem kleinen Detmold besteht seit 1570 die Meyersche Hofbuchdruckerei, welche, jetzt mit Steindruckerei verbunden, 8 Schnellpressen und 9 Handpressen in Gang hält.

Hannover.

In Hannover findet eine rege Druckthätigkeit hauptsächlich für Zeitungs- und Accidenzdruck statt; namentlich ist dasselbe ein Hauptplatz für die Herstellung von Handlungsbüchern geworden. Obenan in letzterer Richtung stehen J. C. König & Ebhardt mit 29 Schnellpressen, darunter 14 für mehrere Farben, 16 Liniiermaschinen, 30 Buchbinderpressen, 12 Papierschneidemaschinen nebst zahlreichen sonstigen Hülfsmaschinen und einem Personal von 350 Köpfen. Auch Edler & Krische (10 Schp., 200 Pers.) und die Hannoversche Geschäftsbücherfabrik arbeiten in ähnlicher Richtung, während R. Leunis & Chapman die Handeltreibenden mit Tüten und ähnlichem versorgen und damit ein grosses Personal beschäftigen.

Die Gebr. Jänecke (als Farbenfabrik Jänecke & Schneemann S. 319) gaben ihrem Druckgeschäft eine grosse Ausdehnung (10 Schp., 11 Hdp.), sowohl als Zeitungsdruckerei („Hannöverscher Courier“) wie als Werk- und Accidenzdruckerei. Von Bedeutung sind ferner[379] Klindworths Hofbuchdruckerei (10 Schp., 9 Hdp.) und die Schlütersche Buchdruckerei (2 Rotm., 7 Schp.). In der Zeit der Privilegien hatte die Hahnsche Hofbuchhandlung fast den ganzen Sortimentshandel des Königreichs in den Händen. Ihr bedeutender Verlag hat seinen Sitz in Leipzig. — Die Universitätsstadt Göttingen hat als Druckplatz nie eine grosse Bedeutung gehabt.

Westfalen und Rheinland.

Münster, in der Zeit der Humanisten ein so wichtiger Platz (I, S. 51), macht sich wie Paderborn und Trier (Fr. Lintz, 7 Schp.) hauptsächlich nur durch seinen streng katholischen Verlag bemerkbar. Oberhausen verdient Erwähnung als der erste Platz in Deutschland, wo die Rotationsmaschine (durch A. Spaarmann) eingeführt und zum Bücherdruck verwandt wurde. In Minden liefert E. C. Brunn (6 Schp.) namentlich Post- und merkantile Arbeiten.

Verschiedene Städte.

G. D. Bädeker in Essen beschäftigt 150 Arbeiter und zehn Schnellpressen, die Bädekersche Buchdruckerei in Elberfeld 6 Schnellpressen namentlich mit Eisenbahnarbeiten; daselbst drucken auch S. Lucas mit 14, R. L. Friderichs mit 10 Schnellpressen.

L. Schwann übersiedelte von Neuss nach Düsseldorf und errichtete dort eine grosse Offizin (10 Schp., 120 Arb.), welche namentlich bedeutende Accidenzien in Chromoxylographie liefert. Dass Düsseldorf als Sitz der berühmten Kunstschule sich auch im Kunstverlag auszeichnet, ist fast selbstverständlich. Als Kunstdruckerei hat L. Baumann, früher Arnz & Co., einen Ruf; die „Düsseldorfer Monatshefte“ waren weltbekannt. A. Bagel, früher in Wesel, hat eine sehr bedeutende typographisch-lithographische Anstalt (21 Schp., 150 Pers., Papierfabrik) und liefert namentlich Arbeiten für Schulen, Bilderbücher u. dgl.

Bonn gehört zu denjenigen Universitätsstädten, wo namentlich der orientalische Druck gepflegt wird, besonders durch die Druckerei von C. H. Georgi.

Köln.

Köln, im frühen Mittelalter die berühmte hohe Schule der Wissenschaft und der Typographie, von wo aus das Licht Gutenbergs über die Niederlande und den Norden ausgegangen war, lieferte später nur ultramontane Schriften und musste sogar seinen berühmten Namen zur Einschmuggelung verbotener oder gar schmutziger Bücher hergeben, die überall hin mit der Firma[380] „Peter Hammer“ oder „Pierre Marteau“ und Druckort Köln verbreitet wurden.

Von den Offizinen hat die der Verlagshandlung J. P. Bachem in der katholischen Welt eine grosse Bedeutung und druckt mit ihren 9 Schnellpressen mehrere Zeitschriften und Zeitungen mit katholischer Richtung. Die Langensche Buchdruckerei beschäftigt 16 Schnellpressen, die von W. Hassel 10.

Am öftesten wird jedoch in der neuern typographischen Geschichte Köln auf Grund der Offizin der Kölnischen Zeitung genannt, mit der auf dem Kontinent nur die der Wiener „Neuen Freien Presse“ in den technischen und redaktionellen Einrichtungen wetteifern kann.

Du Mont-Schauberg und die „Köln. Zeitung“.

Bereits 1651 gab es zu Köln eine Zeitung, die als Stammmutter der jetzigen „Kölnischen Zeitung“ zu betrachten ist: die im Besitz von Franz Köntgen erscheinende „Postamts-Zeitung“, welcher er den Namen „Kölnische Zeitung“ gab. Sie wurde bei Schaubergs Erben gedruckt, eine Offizin, die von Gereon Arnold Schauberg bereits anfangs des XVIII. Jahrhunderts gegründet war[232].

Als Schauberg das Blatt von Köntgen erwarb, hatte es eine Auflage von 250 Exemplaren. Der frühere Besitzer erhielt eine Rente von monatlich zwei Kronenthalern; stiege die Zahl der Abonnenten auf 400, so sollte monatlich ein halber Thaler zugelegt werden.

Am 10. Juni 1805 gingen sowohl die Schaubergsche Offizin als die „Kölnische Zeitung“ auf Marcus Du Mont über, welcher sich in demselben Jahre mit Catharine Schauberg verheiratete. Köln schmachtete damals wie das ganze linke Rheinufer unter der Herrschaft Napoleons und da in jedem Departement nur ein Regierungsblatt geduldet wurde, so musste die „Kölnische Zeitung“ 1809 einfach zu erscheinen aufhören. Der Kaiser entschädigte jedoch[381] den Verleger durch eine Jahresrente von 4000 Franken. 1814 ist das Jahr der Wiedergeburt des Blattes und 1822, wo der Zeitungsstempel in Preussen eingeführt wurde, hatte es bereits über 2000 Abonnenten. Die Ereignisse von 1830, 1848 und namentlich die Kriegsjahre 1866 und 1870 trugen wesentlich zur Hebung und Verbreitung des Journals bei. Riesig waren die Opfer, welche dasselbe durch Errichtung eigener Telegraphenlinien, und Entsendung eigener Korrespondenten brachte, allein diese Aussaat ist auf guten Boden gefallen, die „Kölnische Zeitung“ ist heute ein Weltblatt und druckt täglich eine Auflage von 30 bis 40 tausend Exemplaren.

Unter solchen Verhältnissen wurden die Lokalitäten mehrmals zu enge und im Jahre 1846 entstand mit einem Aufwande von über 300000 Mark in der Breitenstrasse ein höchst zweckmässiger Neubau, der am 26. September 1847 bezogen und im Jahre 1871 durch Neubauten vergrössert wurde. Das erste Telegramm der Zeitung erschien am 5. Oktober 1849. Am 1. Januar 1858 nahm sie das Format an, in welchem sie noch heute erscheint.

Am 1. Januar 1845 hatten bereits die Brüder Joseph und Michael Du Mont das Geschäft im alleinigen Besitz und zwar übernahm Michael die Buchhandlung, Joseph behielt die Zeitung. Leider starb dieser bereits am 3. März 1861 und hinterliess seiner Witwe und seinen vier Kindern sowie seinem treuen Freunde und Associé Wilhelm Ferdinand Schultze aus Magdeburg, welcher 1844 in das Geschäft getreten war, das umfangreiche Institut. Am 31. Juli 1874 erhielt sie ihre eigene Drahtleitung von Berlin, nachdem bereits früher der Telegraph in grossartiger Weise benutzt worden war. In den Prozessen Kullmann und Graf Arnim betrugen die Kosten für Telegramme 25000 M. und öfters wurden mehr als 20000 Worte hintereinander depeschiert. Eine Wochenausgabe der Zeitung hatte bereits im Jahre 1866 am 5. Oktober begonnen.

Nachdem die „Kölnische Zeitung“ mehrmals ihre Pressen durch neue verbesserter Konstruktion ersetzt hatte, wurden 1877 Rotationsmaschinen, und zwar von König & Bauer gebaute, angeschafft. Die drei vorhandenen Exemplare liefern stündlich je 16200 komplette Bogen. Als Motoren für diese und noch für 10 Schnellpressen dienen vier Gasmaschinen. 1880 betrug die Zahl der Angestellten[382] 155, ausserdem waren 78 Knaben beschäftigt. Reich dotierte Kranken- und Unterstützungskassen sind mit der Offizin verbunden.

Kurz nach dem Tode Ludwigs, des ältesten Sohnes Josephs, starb am 30. November 1881 der mit den reichsten Gaben des Verstandes und des Herzens ausgerüstete W. F. Schultze, der ausserordentlich viel dazu beigetragen hat, dass die Zeitung heute eine so hohe Stufe einnimmt, dabei war er von einer so grossen Bescheidenheit, dass nicht einmal sein Name in der erwähnten aus seiner Feder stammenden Festschrift genannt wird.

Es ist begreiflich, dass kaum ein Reisender, der die Aufgabe der Presse zu würdigen versteht, bei einem Aufenthalt in Köln die Offizin der „Kölnischen Zeitung“ unbesucht lässt. So erschien eines Nachmittags im Herbst 1877 der Feldmarschall Graf Moltke. Rasch entwarf einer der Redacteure, Hermann Grieben, einige begrüssende Zeilen, die, in wenigen Minuten gesetzt und in der Presse abgezogen, dem berühmten Besucher überreicht wurden; sie mögen hier einen Platz finden:

Heil und Dank Dir, Schlachtenleiter, dass Du auch bei uns erschienst,
Und auch unsre wackren Streiter inspizierst in ihrem Dienst.
Ja die kleinen Bleisoldaten sind, verhunderttausendfacht,
Wohlgeführt und wohlberaten eine respektable Macht.
Täglich rückt ihr Kriegsgeschwader tapfer aus zum Geisterstreit,
Ihre grossen Hinterlader schiessen tausend Meilen weit. —
Sieh im Kasten hier die Letter! Einzeln ist sie nur ein Zwerg,
Doch im Chor ein Siegsgeschmetter: „Freiheit, Licht und Gutenberg“.

Fußnoten:

[223] Aug. Potthast, Die Abstammung der Familie Decker. Berlin 1863. — Börsenbl. f. d. d. B. Januar 1877. — Ann. d. Typ. 1877, Nr. 388.

[224] Durch eine mit allerhöchster Erlaubnis dem Buchhändler Rud. Wagner in Berlin gestattete Ausgabe der Holzschnitte, welche ganz vorzüglich in der Staatsdruckerei ausgeführt wurde, sind diese glänzenden Schöpfungen Menzels dem Publikum seit dem Jahre 1882 zugänglicher geworden.

[225] Die letzte Wandlung der Anstalt wird weiter unten zu behandeln sein.

[226] J. Fr. Unger, Denkmal eines Berlinischen Künstlers und braven Mannes, von seinem Sohne. Berlin 1789.

[227] J. Fr. Unger, Probe einer neuen Art deutscher Lettern. Berlin 1793. — Die zweite Probe erschien unter der Form: „Die neue Cäcilia“, 1794. Unger schrieb ferner: „Etwas über die Holz- und Formschneidekunst“.

[228] Schrieb flüchtige Blicke auf die letzten 40 Jahre der Buchdruckerkunst. Berlin 1840.

[229] Geschichte der seit 300 Jahren in Breslau befindlichen Stadtbuchdruckerei. 1804.

[230] Geschichte der Buchdruckerkunst in Königsberg. 1840.

[231] Clemens Th. Perthes, Friedr. Perthes' Leben. 6. Aufl. Gotha 1872.

[232] Geschichte der „Kölnischen Zeitung“ und ihrer Druckerei. Diese wahrhaft prächtige Gelegenheitsschrift erschien anlässlich der Gewerbe-Ausstellung in Düsseldorf 1880, wo M. Du Mont-Schauberg eine komplette Zeitungsdruckerei mit Rotationsmaschine ausgestellt hatte. Das Werk enthält höchst interessante Beiträge zur Geschichte der Zeitungen, zeichnet sich daneben durch eine fast beklagenswerte Abwesenheit alles und jeden Hervorhebens der leitenden Persönlichkeiten aus.

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XIV. KAPITEL.

DER SÜDEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Emporwachsen Stuttgarts: Die Familie Cotta. J. B. Metzler. Die illustrierte Litteratur. Ed. Hallberger, Gebr. Kröner u. a. Die Xylographie. Der Buchhandel. Statistisches. Tübingen. München: Aufschwung aller graphischen Künste, Kasp. Braun, Fr. Hanfstängl, J. Albert, Fr. Bruckmann u. a. Nürnberg. Regensburg. Augsburg. Rheinische Städte. Frankfurt a. M. Mainz und das Einweihungsfest. Freiburg i. Br. Dornach: Ad. Braun. Strassburg: Das Gutenbergdenkmal, die Bibliothek.

Die Schweiz. Lokale Schwierigkeiten. Basel: Die Familie Haas. Zürich: Orell Füssli & Co., Kartographie. St. Gallen: Chr. Zollikofer. Einsiedeln: Gebr. Benziger. Bern.

Sinken der Bedeutung des Südens.
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OCH vor Ablauf der vergangenen Periode hatten der Westen und der Süden Deutschlands ihr typographisches Übergewicht verloren. Die blühenden Hauptsitze der Buchdruckerei und des Buchhandels, Nürnberg und Augsburg, waren von ihrer Höhe zurückgegangen und wurden zu Anfang unseres Jahrhunderts bayrische Provinzialstädte, während die Hauptstadt Bayerns keine Anstrengungen machte, um ein Emporium des Bücherverkehrs in Süddeutschland zu werden, wie es wohl möglich gewesen, wenn Gutenbergs Kunst von oben dieselbe Unterstützung und Förderung gefunden hätte, wie die bildende Kunst. Der hohe Glanz Basels war hinfällig geworden; es blieb zwar eine sehr respektable schweizerische Universität, der europäische Ruf war jedoch dahin. Strassburg zählte seit seiner Überrumpelung durch die Franzosen im Jahre 1681 nicht mehr zu Deutschland und[384] galt in jüngster Zeit mehr als Festung denn als Sitz der Wissenschaft und Kunst. Frankfurt am Main hatte als Bücheremporium längst Leipzig den Platz räumen müssen, war auch nicht bestrebt, wenigstens als Verlagsort, ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale zu legen, und die Heimat der Druckkunst, Mainz, hatte es nie versucht, die günstigen Antezedentien zu benutzen und die Erbschaft Gutenbergs im Geiste des Erfinders anzutreten.

Emporblühen Stuttgarts.

Unter diesen Verhältnissen gelang es einer bis 1750 in der Geschichte der Typographie kaum genannten Stadt, die noch tief in unser Jahrhundert herein hauptsächlich nur als Sitz der Cottaschen Verlagshandlung und des Nachdruckes in der graphischen Welt bekannt war, in der Zeit von knapp einem Menschenalter sich zum dritten typographisch-bibliopolischen Hauptplatz des Deutschen Reiches emporzuschwingen, und zwar hauptsächlich nur durch die Energie der Gewerbtreibenden selbst, verbunden mit Tüchtigkeit, kaufmännischer Klugheit und dem nötigen Mut „ins Zeug zu gehen“ gepaart.

Joh. Fr. Cotta * 27. April 1764, † 29. Dez. 1832.

Seinen ersten Ruhm verdankt Stuttgart, wie erwähnt, der Familie Cotta. Johann Friedrich Cotta, ein Urenkel des Begründers des Cottaschen Geschäfts in Tübingen (I, S. 134), Enkel des Kanzlers der Universität, war in Stuttgart geboren. Sein Vater hatte im österreichischen Reiterdienst gestanden und auch er fühlte Neigung für den Militärdienst und widmete sich namentlich dem Studium der Mathematik, ergriff jedoch als Brotstudium die Rechtswissenschaft und trat 1785 in Tübingen als Hofgerichtspraktikant ein. Die seinem Onkel gehörende Buchhandlung in Tübingen war in Verfall geraten und Johann Friedrich musste, um sie der Familie zu erhalten, sich entschliessen, die buchhändlerische Carrière zu ergreifen. Er trat am 1. Dezember 1787 unter unendlichen Sorgen und Mühen in Besitz des Tübinger Geschäfts und verband sich zuerst mit einem redlichen, aber für den Buchhandel nicht geeigneten Mann, Dr. Zahn. Dieses Geschäftsverhältnis wurde jedoch nach wenigen Jahren gelöst.

Cottas Verbindung mit Schiller und Goethe.

Bekannt ist Cotta namentlich durch sein intimes Verhältnis zu Goethe und Schiller, ein Verhältnis so schön, wie es zwischen Autor und Verleger nur gedacht werden kann. Cotta hatte den Plan zu einer deutschen Zeitung gefasst, die von Schiller redigiert werden sollte, jedoch Goethes Pläne führten zur Herausgabe der Horen (1795).[385] Nun verständigte sich Cotta mit Dr. Posselt über die Herausgabe der Allgem. Zeitung.„Allgemeinen Weltkunde“, aus der dann die „Allgemeine Zeitung“ entstand. Posselt erkannte jedoch selbst, dass er sich zur Herausgabe einer Tageszeitung nicht eigne. Nach mehrmaligem Redactionswechsel wurde die Zeitung 1798 nach Augsburg verlegt und ging nunmehr gewöhnlich unter der Bezeichnung „die Augsburgerin“.

Übersiedelung nach Stuttgart.

Cotta siedelte 1810 nach Stuttgart über; der alte Adel wurde wieder aufgenommen und Cotta Freiherr von Cottendorf.

Thätigkeit Cottas.

Es gelang Cottas Thätigkeit, Umsicht und Liberalität, nach und nach alle deutschen Dichter von Bedeutung und viele andere hervorragende Schriftsteller an seinen Verlag zu fesseln. Für ein aufkommendes Talent wog der Umstand, sein Werk im Cottaschen Verlag erscheinen zu sehen, mehr als alle sonstigen Empfehlungen. Bezeichnend für Cotta und seine Handlungsweise sind seine Worte an Schiller: „Ich wünsche, Sie bestimmten das Honorar für die Sammlung Ihrer theatralischen Schriften. Sie werden dabei finden, dass Sie es mit einem Manne zu thun haben, der neben der Überzeugung, dass bei Schriftstellern, wie Sie, das Honorar nie ein Äquivalent für die Arbeit sein könne, und dass mithin ein Akkord nie die Verbindlichkeiten des Buchhändlers in einem solchen Falle erschöpfe, sobald der Erfolg ihm noch mehr zu thun erlaubt, auch Ihre Freundschaft zu schätzen weiss“.

Münchener Unternehmungen.

Im Jahre 1815 ging Cotta im Auftrag mehrerer der geachtetsten Buchhändler Deutschlands nach Wien, um bei dem Kongress die Interessen des Buchhandels zu wahren. Eine seiner erfolgreichen Unternehmungen aus damaliger Zeit war Dinglers „Polytechnisches Journal“. Von seiner Liebe zur Kunst geleitet gründete er in München eine grossartige Anstalt für Kupferstecherei und Lithographie, verbunden mit einer Kunst- und Landkarten-Handlung. Dort erfolgte nun die Herausgabe vieler grösserer die Kunst fördernder Werke: Gaus' Prachtwerk über „Nubien“; Platners topographisches Werk über „Rom“, das jedoch nicht zur Vollendung gelangte; Bröndsteds „Reise in Griechenland“; die Werke von Moritz Retzsch, Eugen Neureuther, Weitbrecht u. a.

Johann Friedrich starb am 29. Dezember 1832. Seine Thätigkeit im Dienste des Vaterlandes und seine Vorzüge als Landwirt gehen über den Rahmen dieses Handbuches hinaus.

[386]

G. v. Cotta * 19. Juli 1796, † 1. Febr. 1863.

Sein Sohn Georg von Cotta fand ein zwar hochberühmtes, aber auch auf Grund der Vielseitigkeit der Unternehmungen stark belastetes Geschäft vor. Es gelang ihm aber durch seine grosse Energie, alle Schwierigkeiten zu beseitigen, dabei doch vollständig im Geiste des Vaters fortwirkend. Im Jahre 1839 erwarb er das Göschensche Geschäft in Leipzig, wodurch er so ziemlich der Alleinverleger der deutschen Klassiker wurde. Im Jahre 1845 kaufte er noch die Vogelsche Verlagshandlung in München und brachte die litterarisch-artistische Anstalt dort in lebhaften Schwung. Er veranstaltete zahlreiche neue Ausgaben der Klassiker. Gegen die Autoren war er äusserst liberal, weniger gegen den Sortimentshandel, auch wurde nicht immer die nötige Sorgfalt auf die Korrektheit und gute Ausstattung der Ausgaben verwendet. Unter den von ihm ins Leben gerufenen Zeitschriften hat die „Deutsche Vierteljahrsschrift“ besondere Bedeutung.

Cotta war, der politischen Gesinnung nach, ein ausgeprägter Grossdeutscher und in diesem Sinne wurde auch die „Augsburger Allgemeine“ geleitet, bis die Ereignisse auch dieser einen anderen Stempel aufdrückten (S. 398). Im Jahre 1882 siedelte die Zeitung nach München über.

Änderungen im Geschäft.

Mit dem Tode Georg Cottas 1863 ging das Geschäft in den gemeinschaftlichen Besitz der Familie über. Die Firma Cotta war selbstverständlich diejenige, welche die grösste Einbusse durch den Bundesbeschluss: vom 6. November 1867 ab alle Privilegien zu gunsten des Schutzes der Schriften einzelner Autoren nicht zu erneuern, erlitt. Im Jahre 1869 wurde die Literar.-Artistische Anstalt in München verkauft.

1879 übergaben Cottas ihre Buchdruckerei für zehn Jahre in Pacht an Gebrüder Kröner. So ganz ausserordentlich gross die Verdienste der Firma um die Litteratur sind, so lässt es sich nicht leugnen, dass die Typographie nicht in derselben Weise von ihr begünstigt wurde. Erst in späterer Zeit schloss sich die Cottasche Druckerei den besten Deutschlands an und lieferte Prachtwerke von Bedeutung, z. B. Goethes Faust, illustriert von G. Seibertz; Reineke Fuchs in Goethes Übersetzung, illustriert von W. v. Kaulbach; Herders Cid, illustriert von E. Neureuther; die Jubelausgabe von Schillers Gedichten u. a.

[387]

Ihre früheren, selbst die Prachtausgaben der deutschen Klassiker leiden an wesentlichen Mängeln. So sehr auch ihre sogenannten Schillerausgaben zur weitesten Verbreitung der besten Werke noch vor Ablauf der diesen gewährten Schutzfrist beigetragen haben, so wenig dienten sie, den Geschmack für hübsche Buchausstattung zu wecken. Dagegen muss in die Wagschale gelegt werden, dass nie ein Buch aus ihren Pressen hervorging, bei welchem die Spekulation über die Ehre der Litteratur ging.

J. B. Metzler.

Eine alte ehrenwerte Firma Stuttgarts ist die 1681 gegründete J. B. Metzlersche, die, was ein seltener Fall ist, sich in letzter Zeit vollständig verjüngt hat und kühn den Kampf mit den jungen frisch aufblühenden Firmen aufnehmen konnte. Im Jahre 1876 trennten sich die Besitzer Ad. Bonz und L. Werlitz. Letzterer setzte das Stammgeschäft fort, welches 1881 sein zweihundertjähriges Jubelfest feiern konnte.

A. Bonz * 1824, † 1878.

Adolf Bonz ist als der eigentliche Stifter des Deutschen Buchdrucker-Vereins zu betrachten. Schon jahrelang vor dem Entstehen desselben hatte er für das Zustandekommen gewirkt. Seine grosse geschäftliche Erfahrung, sein reiches positives Wissen als studierter Mann und Jurist, verbunden mit einer grossen Klarheit und einer unerschütterlichen Ruhe, befähigten ihn ganz besonders zur Leitung grösserer Versammlungen, und er hatte gute Gelegenheit, dieses Talent bei zwei der schwierigsten Verhandlungen in dem Vereinsleben, dem Eisenacher Buchdruckertage am 10. März 1872 und der ausserordentlichen Generalversammlung zur Statuten-Revision in Frankfurt am Main am 14. und 15. September 1874, zu bewähren. Er war bei dem schweren Kampfe, um Stuttgart dem Vereine treu zu erhalten, stets das vermittelnde und versöhnende Prinzip[233].

Für den Aufschwung der Metzlerschen Buchdruckerei interessierte er sich lebhaft und es entstanden unter seiner Leitung mehrere schöne Illustrationswerke, als Scheffels „Trompeter von Säkkingen“; Scheffels „Bergpsalmen“ sowie dessen „Gaudeamus“ und „Juniperus“. Die nach dem Tode von A. Bonz entstandene neue Firma A. Bonz Erben strebt in ähnlicher Richtung und gehört zu denen, die allen ihren Druckwerken grosse Sorgfalt widmen und diese auf die ganze Einrichtung und die Behandlung des Formats ausdehnen.

[388]

Gebr. Kröner.

Eine ebenfalls auf eine lange Vergangenheit zurückschauende Buchdruckerfirma ist die der Gebrüder Mäntler, jetzt Gebrüder Kröner. Durch ihre Illustrationsdrucke glänzt diese Firma als ein Stern erster Grösse, und kein Jahr vergeht, in welchem nicht Prachtwerke von Bedeutung, teils dem eigenen Verlage zugehörend, teils für fremde Rechnung gedruckt, ihre Pressen verlassen. Es seien darunter einige aus dem eigenen Verlage Kröners genannt: „Unser Vaterland“ in den verschiedenen Abteilungen: das bayrische Gebirge, Tirol, Steiermark, Nord- und Ostsee, Rheinfahrt; Jägers Wanderungen durch die Tierwelt. Eines der weniger bekannten und umfangreichen, „Hugdietrichs Brautfahrt“, dürfte in konsequenter und korrekter Durchführung als eine typographische Musterleistung bezeichnet werden.

Im Jahre 1879 nahmen Kröners die Cottasche Offizin mit 27 Schnellpressen auf zehn Jahre in Pacht. Nachdem die ehemalige Mäntlersche Buchdruckerei in das Cottasche Lokal übergesiedelt war, bietet sich das für den Typographen interessante Schauspiel zweier, nach verschiedenen Systemen eingerichteter und vollständig getrennt in einem Raum arbeitender Druckereien; doch wird wohl auch die Zeit kommen, wo diese beiden Druckereien wie die Preussische Staatsdruckerei und die Geheime Oberhofbuchdruckerei v. Deckers in eine „zusammengeschmolzen“ werden.

Beginn des illustrierten Druckes.

Doch die genannten Firmen sind nur einige der Anstalten, die dazu beigetragen haben, Stuttgarts Ruhm als Verlags- und Druckort zu begründen. Derselbe datiert von dem Ende der dreissiger und dem Beginn der vierziger Jahre. Als in Paris um diese Zeit die illustrierten Unternehmungen sich geradezu überstürzten, erwachte auch der Unternehmungsgeist in Stuttgart und die rührigen Verleger und Drucker dort fanden, ganz im Gegensatz zu den Verhältnissen in Leipzig, bereitwillige Unterstützung bei den dortigen Geldmännern. Unter denjenigen, welche die Mittel in Bewegung F. G. Franckh.zu setzen wussten, stand obenan F. G. Franckh. Unter der Firma „Verlag der Klassiker“ in Pforzheim, der 1839 in den Besitz von Dennig, Finck & Co. überging und nach Stuttgart übersiedelte, erschien eine Reihe von Unternehmungen, die hauptsächlich mit französischen Clichés illustriert wurden. Doch wagte man sich bald daran, Eigenes zu produzieren. So waren die Illustrationen zu[389] „1001 Nacht“ deutsche Originale, dienten jedoch zur Ausschmückung einer französischen Ausgabe. J. Scheible brachte ein kleines „Universum“, C. Krabbe die Übersetzung von Swifts „Gullivers Reisen“ u. s. w.

Ed. Hallberger * 22. März 1822, † 29. Aug. 1880.

Derjenige, welcher die grössten und andauerndsten Erfolge in dieser Stuttgart charakterisierenden Richtung erringen sollte, war Eduard Hallberger, eine der bedeutendsten Erscheinungen des modernen Buchhandels und der neuen Typographie.

Hallberger trat zuerst in das väterliche Geschäft, gründete jedoch 1848 eine eigene Firma und übernahm 1850 die mit drei Schnellpressen arbeitende Buchdruckerei des Vaters. 1853 gründete er die Zeitschrift „Illustrierte Welt“; 1858 fasste er den Plan zu einem „Über Land und Meer.“grossen illustrierten Unterhaltungsblatt „Über Land und Meer“[234]. Hackländers Name als Redacteur war ein tüchtiges Zugmittel; 1862 wagte Hallberger den Sprung von acht Thalern auf vier Thaler Abonnementspreis und hiermit war sein Erfolg entschieden. Holzschnitte und Zeichnungen sind durchweg vortrefflich und haben einen grossen Einfluss auf die Xylographie in Stuttgart geübt.

Dorés Bibel.

Unter den Druckwerken Hallbergers nimmt die Heilige Schrift, illustriert von Gustav Doré, in zwei Ausgaben, für Lutheraner und Katholiken, einen hohen Platz ein. Sein Meisterstück ist jedoch „Ebers' Ägypten“.„Ägypten in Wort und Bild“ mit mehr als 700 Illustrationen und mit Text von Georg Ebers. Alles ist hier deutschen Ursprungs und bildet ein hervorragendes Monument der graphischen Künste Deutschlands im XIX. Jahrhundert. Würdig schliesst sich an dieses „Palästina“.an, wenn es dasselbe auch nicht ganz erreicht: „Palästina“, zu welchem Werk England einen Teil des künstlerischen Schmuckes lieferte. Auch die grossen Ausgaben von Shakespeare, Goethe und Schiller zusammen mit gegen 2400 Holzschnitt-Illustrationen sind bedeutende Erscheinungen, die von vielen geringeren Umfanges gefolgt wurden. Ein wichtiges Werk sind die „Klassiker der Musik“, herausgegeben von J. Moscheles. Der Romanverlag, dessen Perlen die ägyptischen Romane von G. Ebers sind, ist daneben ein sehr ausgedehnter.

Hallbergers Offizin.

Hallbergers Druckerei kann als eine Musteranstalt betrachtet werden. Früher wurden seine illustrierten Blätter auf Alauzetschen[390] Komplettmaschinen vorzüglich gedruckt, jetzt verrichten drei Rotationsmaschinen der Augsburger Fabrik die Arbeit und Hallberger selbst hat wesentlichen Anteil an der glücklichen Durchführung der Aufgabe dieser Maschinen; ausserdem sind 27 Schnellpressen in Thätigkeit. Die Zahl der Arbeiter war etwa 400, dazu beschäftigt die Buchbinderei jetzt 24 Maschinen und etwa 400 Personen; grosse Papierfabriken gehören der Anstalt.

Allgemein betrauert starb Hallberger auf seinem schönen Landsitz Tutzing am Starnberger See[235]. Er besass eine grosse und ideal angelegte Natur, die sich in seinen Unternehmungen ausprägt, weshalb diese auch sympathisch wirken. Dasselbe gilt auch von seinen Bestrebungen zur Gründung einer allgemeinen deutschen Pensions- und Invalidenkasse für Typographen, die vielleicht von Hallbergers Seite zu viel Idealismus enthielten und an dem zu wenig dieser Eigenschaft bei seinen Kollegen strandeten. Für seine eigenen Arbeiter hat er in mehrfacher Hinsicht vortrefflich gesorgt. In seinen Arbeiten wurde er treu von seinem Bruder Karl Hallberger unterstützt.

Aus dem Geschäft wurde eine Aktiengesellschaft Deutsche Verlags-Anstalt unter Karl Hallbergers Direktion. Eine Expedition in Leipzig war bereits 1871 gegründet.

Verschiedene Druckereien.

Eine umfangreiche Druckanstalt ist die von H. Schönlein (24 Schp.), in welcher dessen weit verbreitete illustrierte Blätter gedruckt werden.

Von Druckereien seien noch erwähnt: Greiner & Pfeiffer, die (mit 14 Schp.) namentlich Accidenzien und illustrierte Werke drucken. Die von Gehülfen gegründete Vereinsdruckerei liefert sehr gute Accidenz-, besonders Farbendrucke. J. F. Steinkopf druckt vorwiegend die religiösen Werke seines Verlags; C. Grüninger ist der einzige Buchdrucker Stuttgarts, der sich auf orientalische Druckarbeiten legt und namentlich russische Bücher liefert. C. Hoffmann druckt mit 7 Schnellpressen hauptsächlich die Verlagsartikel von K. Thienemann.

Xylographie.

Die Stuttgarter Xylographie hat begreiflicher Weise eine hohe Bedeutung. Die Anstalt von A. Closs ist eine so vorzügliche, wie wenige, und ist fast ausnahmslos in jedem Stuttgarter Prachtdrucke[391] vertreten. Die Stuttgarter Holzschnitte verbinden so sehr französische Eleganz mit den deutschen Vorzügen, dass vor dem Kriege viele Holzschnitte nach Paris geliefert wurden.

Lichtdruck.

Ausser der Xylographie hat auch der Lichtdruck eine grosse Verbreitung. Die Anstalt von Martin Rommel & Co. liefert vortreffliches und finden ihre Erzeugnisse namentlich ihren Platz in den Prachtwerken von Paul Neff. Auch in der Chromolithographie hat Stuttgart Tüchtiges aufzuweisen durch die Anstalten von Emil Hochdanz, Max Seeger, Gustav Weise. Die Leistungen finden hauptsächlich Verwendung in den Jugendschriften von W. Nitzschke, Schmidt & Spring, Levy & Müller, F. Loewe, K. Thienemann und Gustav Weise. Eine Spezialität des letzteren sind die, in grossen Massen verbreiteten „Bilder für Jung und Alt“. K. Thienemann lieferte auch eine Reihe naturwissenschaftlicher illustrierter Werke.

Schriftgiesserei.

Die Schriftgiesserei hat erst in neuester Zeit begonnen, einen Aufschwung in Stuttgart zu nehmen (S. 290). Der Verlagsrichtung gemäss findet vorzugsweise die Produktion zu dekorativen Zwecken Beachtung und ist in dieser Richtung namentlich Otto Weisert thätig. Im Jahre 1882 siedelte der bekannte Schriftschneider Bauer sen. von Frankfurt nach Stuttgart über. Als Farbenfabrikanten sind Kast & Ehinger von Bedeutung, namentlich in bunten Farben.

Kunststellung Stuttgarts.

„Das eigenste, was Stuttgart besitzt, gehört nicht der schaffenden idealen Kunst, sondern der schmückenden, dekorierenden, vorab dem Kunstgewerbe. Wer die Kunst beobachten will, der begebe sich vor allem in die Werkstätte der Holzschneider, Lithographen, Zeichner, Buchbinder, der Holz- und Metallarbeiter, der Bauhandwerker. Die schwäbisch-industrielle Regsamkeit hat sich da mit einem Geschmack verbunden, der in Stuttgart, als einer Hauptstadt der deutschen Litteratur und des Buchhandels, von den verschiedensten Seiten angeregt wurde. Hierbei ist der unmittelbare Einfluss der Bücher-Illustration auf die Stuttgarter Kunstgewerbe durchaus nicht zu unterschätzen[236].“

Stuttgarter Verleger.

Unter den Werken, die einen ganz wesentlichen Einfluss in der angedeuteten Richtung geübt haben, steht obenan die „Gewerbehalle“ von J. Engelhorn. Die ersten Künstler und die besten Schriftsteller[392] unterstützen diese, 1863 begonnene Zeitschrift. Ausser der stark verbreiteten deutschen Ausgabe existieren Ausgaben in Amerika, England, Italien, Frankreich, Böhmen, Spanien und Holland. Die „Gewerbehalle“ kann demnach als ein Weltblatt bezeichnet werden.

Ausserdem liess Engelhorn eine Anzahl der vorzüglichsten illustrierten Werke erscheinen: „Italien“ mit etwa 400 Illustrationen, das „Schweizerland“ von Kaden mit 450 Illustrationen, die „Kunstschätze Italiens“ von Karl v. Lützow, „Unser Jahrhundert“ von Otto von Leixner.

Ebner & Seubert gaben eine Reihe von wertvollen, prachtvoll geschmückten Werken über Kunst von Lübke, Burckhardt, Weiss, Schnaase, Kugler heraus. C. Witwer wendete seine Thätigkeit den Werken der Architektur zu.

Paul Neff benutzt für seinen grossartigen Verlag vorzugsweise den Lichtdruck als Illustrationsmittel. Obenan stehen „Die goldene Bibel“ und die „Klassiker der Malerei“. Sowohl hinsichtlich der Ausdehnung als was Ausführung betrifft, höchst bedeutende Werke sind: Ludw. Weisers „Bilderatlas zur Weltgeschichte“, welcher auf 146 Grossfolio-Tafeln über 5000 Darstellungen bringt; die „Denkmäler der Kunst“ mit gegen 200 Tafeln in Stahlstich; M. v. Schwinds „Die schöne Melusine“ und „Die sieben Raben“; A. Racinets „Das polychrome Ornament“, 100 Tafeln in Gold- und Farbendruck; „Die Kunst für alle“ von Gutekunst: das sind einige der Publikationen von Neff; alle anzuführen würde zu weit gehen.

W. Spemann.

Eine der jüngsten und jetzt bereits eine der umfangreichsten Verlagshandlungen ist die, 1873 von W. Spemann gegründete. Grossen Erfolg hatte Johannes Scherrs „Germania“; Jakob von Falkes „Hellas und Rom“; Bruno Buchers „Geschichte der technischen Künste“; die illustrierten Werke von Friedrich v. Hellwald u. a. Die „Kollektion Spemann“ eröffnete den Reigen der Mark-Kollektionen und in Kürschners „Deutscher National-Litteratur“ unterbot der Verleger sich selbst durch Lieferungen zu 50 Pf. Die Monatsschrift „Vom Fels zum Meer“ hat eine sehr bedeutende Verbreitung. Um das typographische Publikum machte sich Spemann verdient durch die Herausgabe des epochemachenden Werkes „Gutenberg“ von Dr. A. v. d. Linde in Wiesbaden.

[393]

Die übrigen Verleger Stuttgarts, die weniger Einfluss auf die graphischen Gewerbe übten, müssen hier unerwähnt bleiben.

Tübingen.

Tübingen verlor sehr an Bedeutung durch Übersiedelung Cottas nach Stuttgart. In Esslingen liefert J. F. Schreiber (6 Schp., 8 Hdp.) Bilderbücher und Vorlagen. In Ulm druckt J. Ebner (9 Schp.).

Reutlingen und der Nachdruck.

Einen üblen Ruf erwarb sich Reutlingen als hauptsächlichster Sitz der grössten Nachdruckfirmen: Mäcken, Ensslin und Fleischhauer, welche ihr böses Handwerk natürlich nur im „Interesse der Litteratur“ mit aller Kraft betrieben und schliesslich gar als Wohlthäter der Menschheit womöglich ein Ehrendenkmal verdient zu haben glaubten.

Württemberg besitzt im ganzen 173 Buchdruckereien und 71 lithographische Anstalten mit 398 Schnell-, 350 Tret- und Handpressen. Die Druckereien verteilen sich auf 76 Städte; Stuttgart allein hat 68 Buchdruckereien mit 191 Schnellpressen und 32 lithographische Anstalten mit 43 Schnell- und 104 Handpressen. Im Jahre 1840 besass Stuttgart zwar bereits 24 Buchdruckereien, diese hatten jedoch zusammen nur 30 Schnellpressen, also nicht mehr als eine der grossen jetzigen Druckanstalten, ganz abgesehen von der Leistungsfähigkeit der Maschinen von heute gegen die damaligen. 1882 betrug die Bücherausfuhr Württembergs 3110301 Kilo zu einem Werte von wenigstens 6 Millionen Mark.

München.

München erlangte, wie bereits erwähnt wurde, bei weitem nicht die Bedeutung für den Buchhandel und die Buchdruckerei wie für die Kunst, doch ist es in jüngster Zeit eifrig bemüht das Versäumte nachzuholen. Der wissenschaftliche Verlag hatte keine grosse Ausdehnung und die wichtige Branche der Unterrichtslitteratur befand sich ganz in den Händen der Regierung, welche durch den sogen. Der Schulbücher-Verlag.„Schulbücher-Verlag“ dafür sorgte, „dass kein Gift der Jugend verabreicht wurde“. Durch Reskript vom 12. Oktober 1785 wurde das Privilegium, welches der Buchbinder G. Ruprecht und dann J. B. Oettl auf planmässige Schulbücher innegehabt hatten, zu gunsten des „Deutschen Schulfonds“ erneuert und letzterem der Verlag „aller verlegender Schulbücher auch anderer zur Erziehung dienlicher Schriften“ vorbehalten.

Durch spätere Reskripte wurde dieses Privilegium noch erweitert. Die verschiedentlichen Remonstrationen der Buchhändler blieben,[394] trotz der ihnen zur Seite stehenden Rechts- und Vernunftgründe, unbeachtet. Dass die allgemeine Bildung und der Verlagshandel darunter leiden mussten, ist begreiflich; aber auch der Sortimentshandel wurde geschädigt, da der Schulfond, unter Umgehung der Sortimenter, den Vertrieb durch eigene Zwischenhändler und durch Lehrer besorgen liess, die billiger verkauften, als die Buchhändler einkaufen konnten[237].

E. Mühlthaler.

E. Mühlthaler (seit 1867) war der erste in München, der sich im illustrierten Prachtdruck versuchte, und zwar mit den im Bruckmannschen Verlag erscheinenden „Die Schweiz“ von Gsell-Fels und „Rhododendron“. Bei unverkennbarer Tüchtigkeit und anerkennenswertester Sorgfalt erreichten diese Ausgaben doch nicht ähnliche Stuttgarter Leistungen. Seit 1875 druckt Mühlthaler die Münchener „Fliegende Blätter“ und entwickelt auch seine Intelligenz in merkantilen Accidenzarbeiten. Er beschäftigt bereits 15 Schnellpressen.

Knorr & Hirth.

Eine der angesehensten Firmen ist die von Knorr & Hirth, die mit zwei Rotationsmaschinen, zwei vierfachen und verschiedenen einfachen Schnellpressen arbeitet. Dr. Hirth ist bekannt durch seine Bestrebungen zur Erweckung des Sinnes für die Renaissance, worauf namentlich die in seinem Verlag erscheinenden Werke: Formenschatz der Renaissance; Butsch, Bücherornamente u. a. hinzielen. Nebenbei liefert die Offizin hübsche Accidenzarbeiten und druckt die „Münchener Nachrichten“ in 33000 Exemplaren. Noch weiter als Knorr & Hirth greift in seiner Geschmacksrichtung in der Zeit M. Huttler.zurück Dr. M. Huttler aus Augsburg, welcher eine Filiale in München errichtet hat. Seinen Verlag von Erbauungsbüchern druckt er in gothischer oder Schwabacher Schrift in streng durchgeführter Imitation älterer Drucke.

F. Straub.
J. G. Weiss.

Die „Akademische Buchdruckerei“ von F. Straub beschränkt sich namentlich auf gelehrte Arbeiten und amtliche Drucke, ebenso die Universitätsbuchdruckerei von J. G. Weiss.

R. Oldenbourg.

Unter den neueren Offizinen zeichnet sich die von R. Oldenbourg (13 Schp.) sowohl durch ihre vortrefflichen Einrichtungen als durch ihre Arbeiten aus. Im Jahre 1874 übernahm Oldenbourg[395] von Pustet in Regensburg den Zentral-Schulbücherverlag, ausserdem erscheinen bei ihm sechs Zeitschriften; dagegen werden Accidenzarbeiten weniger gepflegt.

Verschiedene Druckereien.

Zu erwähnen sind noch folgende Offizinen: C. Wolff & Sohn (8 Schp.); F. Wild (7 Schp.); J. Deschler (8 Schp.); E. Huber (6 Schp.), dessen Spezialität hebräische Bücher sind; W. Weifenbach, welcher feine Accidenzarbeiten liefert. Die Cottasche Buchhandlung verlegte die Druckerei der „Allgemeinen Zeitung“ nach München (1 Rotm. und 4 Schp.).

Die Xylographie.
Kasp. Braun * 13. Aug. 1807, † 29. Oktb. 1877.

Unter den Münchener xylographischen Anstalten erwarb sich die von Braun & Schneider einen weit verbreiteten Ruf. Kaspar Braun aus Aschaffenburg hatte sich als Künstler in mehreren Techniken versucht; durch den Anblick von Grandvilles Illustrationen zu Lafontaines Fabeln wurde der Gedanke in ihm fest, den Holzschnitt in Deutschland zu dem alten Ansehen zu bringen. Rasch führte er den Entschluss aus nach Paris zu gehen, um sich, unter des trefflichen Brevière Anleitung, im Holzschnitt auszubilden. Das beste Zeugnis für Braun dürfte es sein, dass Brevière seinerseits später seinen Sohn in die Lehre zu Braun gab. Zuerst gründete er mit v. Dessauer eine xylographische Anstalt, dann vereinigte er Fr. Schneider * 1815, † 9. April 1864.sich mit Friedrich Schneider aus Leipzig zu einem ebenso innigen als erfolgreichen Zusammenwirken. Die „Fliegende Blätter“ behaupten sich bis auf den heutigen Tag in der unveränderten Gunst des Publikums und kaum wird eine ähnliche Sammlung von Gaben des köstlichen Humors sich zusammenfinden, wie in den 2000 Nummern dieses Blattes, aus welchem wieder die „Münchener Bilderbogen“ entstanden. Brauns typische Figuren als: Eisele und Beisele, Wühlhuber, Heulmeier sind jedem bekannt. Durch Schneiders Tod erlitt Braun und sein Humor einen nicht zu verwindenden Stoss. Sein 70. Geburtstag brachte ihm noch Ehren und Freude, dann folgte er seinem vorausgegangenen Freunde.

In jüngster Zeit haben die grossen Verlagsunternehmungen von Friedr. Bruckmann und Th. Stroefer einen bedeutenden Einfluss auf die Münchener Xylographie geübt, einen besonderen Namen erwarben sich: Hecht, Th. Knesing, J. Walle u. a.

Jubiläum.

Als München am 28. Juni 1882 das 400jährige Jubiläum der Einführung der Buchdruckerkunst feierte, hatte dasselbe 49 Buchdruckereien,[396] 38 lithographische Anstalten mit 5 Rotationsmaschinen, 148 Schnellpressen und 229 Tret- und Handpressen. Zu Ehren des Einführers der Buchdruckerkunst, Hans Schauer, dessen ersten Druck mirabilia urbis Romae man in dem Kloster Tegernsee aufgefunden hat, wurde eine Denktafel an seinem Druckhause in der Rosenstrasse Nr. 10 angebracht. Die älteste der noch existierenden Druckereien Münchens ist die aus dem Jahre 1769 stammende F. S. Hübschmannsche.

Die Lithographie.

Dass die lithographische Kunst sich in München, der Wiege derselben (S. 7), weiter entwickelte und in den dortigen reichen Sammlungen Stoff zu Vervielfältigungen fand zu einer Zeit, wo die Lithographie den Kunstsammlungen gegenüber fast die Stellung einnahm, wie jetzt die Photographie, ist natürlich.

Fr. Hanfstängl * 1. März 1804, † 18. April 1877.

In beiden Kunstzweigen erwarb sich Franz Hanfstängl grossen Ruhm. Er war, als Sohn wenig bemittelter Bauern, in Tölz geboren. Obwohl für die Laufbahn eines Malers bestimmt, machte der Zufall es, dass er sich der Lithographie widmete. Gleich gewandt als Zeichner und als Lithograph, etablierte er 1830 eine lithographische Anstalt, ging jedoch 1834 nach Paris, um sich bei Lemercier noch mehr auszubilden. Schnell erwarb er sich neben Strixner, Piloty und Bodmer einen Namen, besonders durch seine genialen Portraitaufnahmen. Als die kgl. sächsische Regierung den Plan gefasst hatte, die Meisterwerke der Dresdner Galerie durch Steindruck zu veröffentlichen, ward Hanfstängl ausersehen, die Ausführung zu übernehmen; ihm gefiel jedoch die Abhängigkeit nicht und das Unternehmen geschah auf seine Kosten. Seine Wirksamkeit in Dresden war an Ehren reich. Inzwischen hatte die Photographie Boden gewonnen. Hanfstängl fühlte die Wichtigkeit der neuen Kunst sofort heraus und warf sich mit aller Kraft auf dieselbe. Als es sich um Herausgabe der bedeutendsten Bilder der alten Pinakothek handelte, blieb er unter 22 Konkurrenten Sieger, und lieferte eine Sammlung, die in ihrer Art ebenso hervorragend ist wie die in Dresden veranstaltete.

J. Albert.

Einen bedeutenden Namen erwarb sich gleichfalls Jos. Albert, besonders durch seine Lichtdrucke (Albertotypie) und seine Photographien in Farben. Als der eigentliche Erfinder des Lichtdruckes, der jedoch das Verfahren nicht zuerst praktisch in Anwendung[397] brachte, gilt J. B. Obernetter. Die Arbeiten desselben stehen in hohem Ansehen, darunter die Facsimile-Ausgabe der „Meister von 1440–1694“; die „Kunstschätze aus dem bayrischen Nationalmuseum“ u. s. w. Ein Portrait des Kaisers wurde in einer Auflage von einer Million gedruckt. Auch Jul. Allgeyer und C. Bolhoevener zeichneten sich in ihrem photochemischen Verfahren aus. In neuester Die Autotypie.Zeit erregte die Autotypie des Ingenieurs G. Meisenbach Aufsehen. Ein Mangel bei der Zinkhochätzung war die Notwendigkeit, eine Vorlage in scharfen Linien oder mit lithographischem Korn versehen zu haben; eine getuschte Zeichnung, sowie eine Aufnahme nach der Natur oder einem Ölgemälde war nicht zu benutzen. Dem will die Autotypie abhelfen. Die Aufnahme des Bildes für die Hochätzung findet durch ein System von Linien statt, wodurch der notwendige Halt für die Reproduktion in Zinkographie geschaffen wird.

Fr. Bruckmann.

Die berühmte Bruckmannsche Kunstanstalt, jetzt eine Aktiengesellschaft, wurde 1865 gegründet. Im Jahre 1869 erwarb Friedr. Bruckmann das durch Patent geschützte Woodbury-Verfahren; 1875 nahm er den Lichtdruck auf; 1882 die Photogravüre, die sich namentlich zur Reproduktion von Ölgemälden eignet[238]. Bruckmann lieferte eine grosse Anzahl Galerien zu den vielen deutschen Dichtern und unter Zuhilfenahme der Xylographie grossartige Prachtwerke, z. B. Krelings „Faust“ und die „Geschichte der Hohenzollern“, die zu den bedeutendsten Erzeugnissen der neuen Zeit gehören.

Der Farbendruck.

Die Chromolithographie wird in ziemlichem Umfange in München betrieben. Bekannt sind die Anstalten von Gebr. Obpacher, Lehmann & Wentzel, W. Forndran, F. Gypen, Th. König, Mey & Widmayer, sie arbeiten hauptsächlich für das Papeteriegeschäft oder beschäftigen sich mit der Herstellung religiöser Bilder. Als Kunstverleger sind thätig A. Ackermann, F. Finsterlin, E. A. Fleischmann, G. Franz, P. Kaeser u. a.

Nürnberg.

Nürnberg erhielt in neuerer Zeit wieder eine erhöhte Bedeutung durch das Germanische Museum und seine Kunstgewerbeschule, welche beide direkt und indirekt, auch durch Ausstellungen, auf das graphische Gewerbe fördernd wirken. Die Stadt ist auch der Sitz[398] verschiedener Fabrikationen, die mit den graphischen Gewerben in naher Verbindung stehen, z. B. Bronce, Farbe, Zeichenmaterial. Auch die Zahl der eigentlichen graphischen Anstalten ist noch eine bedeutende, namentlich für den lithographischen sowie für den Kupfer- und Stahldruck. Die Zahl der Buchdruckereien ist 26 mit 49 Schnellpressen, darunter G. B. J. Bieling (5 Schp.), U. E. Sebald (7 Schp.). Die älteste Druckerei ist die von W. Tümmel, seit Ende des XVI. Jahrhunderts bestehend, welche mit 2 Rotationsmaschinen den „Fränkischen Kurier“ druckt. Unter den 46 lithographischen und Kupferdruck-Anstalten, welche mit 79 Schnellpressen und gegen 300 Handpressen arbeiten, sind zu nennen: G. Brunner, hauptsächlich Phantasieartikel liefernd (15 Schp., 24 Hdp.); Karl Mayer für Farbendruck, Luxuspapier und Kupferdruck (5 Schp., 30 Hdp.); C. A. Pocher (16 Schp., 35 Hdp.); C. Schimpf (5 Schp., 18 Hdp.); Franz Schemm; H. Serz & Co.; J. G. Martin (4 Schp., 22 Hdp.); E. Nisler (12 Schp., 14 Hdp.). Man sieht aus diesen Angaben, dass der Export Nürnbergs immer noch ein bedeutender ist. In dem benachbarten Fürth arbeiten J. Hesse (5 Schp., 15 Hdp.) und G. Löwensohn (5 Schp., 5 Hdp.).

Regensburg. Fr. Pustet.

Regensburg ist berühmt durch die liturgischen Druck- und Verlagswerke von Fr. Pustet (17 Schp.) und J. G. Manz (9 Schp.). Einzelne mit Aquarellen geschmückte Bände erreichen einen Preis von 1000 fl. und mehr. Viele der Ausgaben sind mit vortrefflichen Miniaturen in xylographischem Farbendruck von Knöfler in Wien geschmückt. Von den Pustetschen Drucken seien erwähnt: das Missale in Gross-Folio von 1863; das Graduale in zwei mächtigen Folianten; die musica sacra des Kanonikus C. Proske, 6 Bände in Quart; das Missale Romanum mit Einfassungen und Illustrationen von Prof. Klein in Wien. Dass neben dem wirklich Schönen auch mancher Flitterstaat vorkommt, lässt sich bei Werken dieser Art J. G. Manz.kaum vermeiden. Manz wendet in seinem Verlag mehr den Stahlstich an, hat ausserdem noch einen bedeutenden katholisch-wissenschaftlichen Kempten.Verlag. In Kempten verfolgt Jos. Kösel ebenfalls den liturgischen Verlag, ohne sich mit dem Regensburger messen zu können. Dort wirkt auch Tob. Dannheimer.

Augsburg.

Augsburg wurde oft genannt als Druckort der „Allgemeinen Zeitung“. Eine lange Reihe von Jahren war diese das einflussreichste[399] Journal Deutschlands, namentlich auf Grund der besonderen Freiheiten, welche das Blatt in Österreich genoss, und ihrer intimen Beziehungen in den höchsten Wiener Regionen. Berühmt waren ihre wissenschaftlichen Beilagen, welche, dank den weitverzweigten litterarischen Verbindungen der Firma Cotta, die vortrefflichsten Artikel in Bezug auf Kultur-, Litteratur- und Kunstzustände enthielten. Von den 13 Druckereien Augsburgs sind noch anzuführen J. P. Himmer (7 Schp.) und Gebr. Reichel (7 Schp.). Des Dr. Huttler wurde bereits gedacht (S. 394). Dasselbe ist der Fall mit der grossen Maschinenfabrik Augsburg (S. 313).

Würzburg u. a. Städte.

Von anderen Städten Bayerns sind zu erwähnen: Würzburg mit der B. Stahelschen (4 Schp.), der Bonitas-Bauerschen (5 Schp.) und Theinschen Offizin (6 Schp.), sowie mit der Maschinenbauanstalt von König & Bauer im Kloster Oberzell; Landshut mit der J. Thomannschen Buchdruckerei (6 Schp.); Ansbach, wo C. Brügel & Sohn (6 Schp.) drucken. Auf Grund seiner vortrefflichen Accidenzarbeiten verdient J. B. Dorn in Kaufbeuren genannt zu werden.

Frankfurt a. M.

Hatte Frankfurt a. M. auch seine frühere Bedeutung als Emporium des Buchhandels verloren, so behauptete es wenigstens, wie schon früher erwähnt, seine Suprematie in der Stempelschneiderei und der Schriftgiesserei, zeichnete sich daneben auch in der Verwendung der verschiedenen graphischen Künste für den Accidenzdruck Accidenzdruckereien.aus. Ganz besonders traten hervor die Firmen C. Naumann (14 Schp., 23 Hdp.) und B. Dondorf (9 Schp., 12 Hdp.), mit Bunt- und Congrevedruck, pantographischen Arbeiten, Reliefdruck und dergleichen, sowohl jeder für sich, als wenn sie zu einzelnen Zwecken zusammentraten. Bedeutendes in technischer und quantitativer Hinsicht wurde von ihnen bei der Anfertigung des italienischen und japanischen Papiergeldes geleistet, bis auch diese Länder soweit fortgeschritten waren, dass sie ihren „Bedarf“ in diesem wichtigen Artikel selbst decken konnten.

Verschiedene Druckanstalten.

In neuester Zeit hat A. Osterrieth sein Geschäft zu einem, alle graphischen Zweige umfassenden (18 Schp., 12 Hdp., 150 Arb.) ausgebildet. Albert Mahlau, Inhaber der Firma Mahlau & Waldschmidt, wurde bereits (S. 364) erwähnt. Bedeutend ist die Steindruckerei E. G. May Söhne (10 Schp., 12 Hdp.). Die C. Knatzsche[400] Anstalt liefert in Etiquetten und dergleichen mannigfach Gutes. K. Klimsch verbindet Buch- und Steindruckerei (S. 319)[239].

Auf dem Rossmarkte steht das Gutenberg-Monument (I, S. 36); hätten doch im Leben Gutenberg, Fust und Schöffer so fest zu einander gestanden wie hier auf dem Bildwerke des Freiherrn v. d. Launitz.

Darmstadt.

In Darmstadt, das auch durch die Firmen Jonghaus & Venator, F. Lange und W. Leske für den Kunsthandel eine gewisse Bedeutung hatte, drucken C. F. Winter und L. C. Wittich; in Wiesbaden die L. Schellenbergsche Hofbuchdruckerei; in Cassel Gebr. Gotthelft und die Hof- und Waisenhausbuchdruckerei, je mit 5 Schnellpressen. In letzterer Stadt liefert Th. Fischer zu seiner Palaeontographica (ein Exemplar kostet über 2000 Mark) und anderen Werken tüchtige Abbildungen in lithographischem Farbendruck. Noch sei das Städtchen Allendorf a. d. Werra genannt, mit der Offizin Bodenheim & Co., die mit 10 Schnellpressen und 150 Arbeitern hauptsächlich Schreibhefte, Kapseln und dergleichen liefert.

Mainz.

Kein Jünger Gutenbergs hört den Namen Mainz nennen ohne den Gedanken an dessen frühere Herrlichkeit für die Buchdruckerkunst. Dass die Erfindung in Mainz geschah, war in Zufälligkeiten begründet und für die Entwickelung einer Kunst oder eines Gewerbes sind Verhältnisse mitwirkend, die zu regeln und zu ändern nicht in der Macht des Einzelnen liegt. Deshalb lässt sich, wenn das goldene Mainz nicht eine Gutenbergsche Hochschule geworden, darüber mit den Mainzern nicht rechten, wohl aber dürfte sie der Vorwurf treffen, dass sie nicht beizeiten an die Gründung eines Gutenberg-Museums gedacht und dass sie noch leichteren Kaufes, als die, allerdings sehr ungünstigen, Verhältnisse es notwendig machten, ihre typographischen Schätze dahingegeben haben, die jetzt hauptsächlich Zierden der Nationalbibliothek in Paris sind. Trotzdem wird Mainz ein Wallfahrtsort der Jünger Gutenbergs bleiben, um wenigstens das[401] Standbild des Meisters zu schauen, das seit dem 14. August 1837 den Das Einweihungsfest des Monuments.Gutenbergsplatz schmückt. Die Einweihung desselben gestaltete sich zu einem glänzenden Feste. Ein grossartiger Festzug von den aus allen Gauen Deutschlands, ja selbst aus fremden Ländern zusammengeströmten Gästen begab sich erst nach dem Dom, wo der Bischof einen feierlichen Gottesdienst abhielt und wo ein Te Deum von Sigm. Neukomm gesungen wurde. Von dort bewegte sich der Zug nach dem Festplatze, wo der Vorsitzende des Gutenberg-Vereins die Übergabe-Rede hielt, worauf die Enthüllung der Statue Thorwaldsens vollzogen wurde. Am zweiten Tag ward ein Volksfest, auf dem Rhein ein Fischerstechen, abends ein glänzender Fackelzug und im Schauspielhause ein Ball abgehalten. Am dritten Festtage fand eine Versammlung der Fachgenossen statt, um über die Säkularfeier zu beraten, deren Abhaltung für den 24. Juni 1840 endgültig bestimmt wurde. Thorwaldsen ward zum Ehrenbürger der Stadt erwählt und ihm ein kunstvolles Diplom in silberner Decke übersandt[240].

Offenbach a. M.
Mannheim.

Offenbach a. M. hat eine Bedeutung in der Geschichte der Lithographie durch die Verbindung Senefelders mit Joh. André, der die Erfindung erwarb, um sie für die Herstellung seines Musikalienverlags nutzbar zu machen. Mannheim hat 12 Buchdruckereien, darunter M. Hahn & Co. (7 Schp.) und die Mannheimer Vereinsbuchdruckerei (5 Schp.). In dem gegenüberliegenden Ludwigshafen Karlsruhe.befindet sich die Baursche Buchdruckerei (4 Schp.). In Karlsruhe mit 17 Offizinen ist die grösste die Ch. F. Müllersche Hofbuchdruckerei und lithographische Anstalt (8 Schp., 11 Hdp.). Tüchtiges liefern die G. Braunsche Hofbuchdruckerei und C. & G. F. W. Hasper * 31. Juli 1796, † 21. Juni 1871.Macklot. Hier wirkte auch Friedr. Wilhelm HASPER, bekannt durch sein „Handbuch der Buchdruckerkunst“ 1835, das jedoch nicht ganz den gehegten Erwartungen entsprach. Karlsruhe hatte zu der Zeit, wo die Stahlstich-Illustration florierte, eine ziemliche Anzahl von Kunstinstituten aufzuweisen, als W. Creuzbauer, F. Gutsch, T. B. Veit, J. Velten. Obwohl Universitätsstadt hat Heidelberg keinen bedeutenden Platz in der Geschichte der Buchdruckerkunst; A. Emmerling & Sohn beschäftigen 4 Schnellpressen.

[402]

Freiburg i. Br.

Nach erfolgter Einführung nahm die Buchdruckerkunst in Freiburg einen ziemlichen Aufschwung, verfiel jedoch unter der österreichischen Zensur und Jesuitenherrschaft. Erst mit Maria Theresia und Joseph II. begannen freundlichere Tage für die Presse. 1840 zählte Freiburg 7 Buchdruckereien und 6 Kupfer- und Steindruckereien. Besondere Bedeutung hat die Herdersche, 1801 gegründete Anstalt. Herder war der erste, der einen Bilderatlas zu dem Konversations-Lexikon, unter der Leitung des Geographen Heck, versuchte. Seine geographischen Verlagsartikel, namentlich die grossen Arbeiten Wörls; Kausslers „Schlachtenatlas“; J. Löwenbergs „Historisch-geographischer Atlas“ sind von Wichtigkeit. Auch Rottecks Weltgeschichte, die seinerzeit eine sehr grosse Verbreitung fand, erschien bei Herder, der ausserdem den katholischen Verlag sehr pflegte.

In Lahr hatte seit 1800 J. H. Geiger, jetzt M. Schauenburg, ein umfangreiches Etablissement (19 Schp., 11 Hdp., 150 Arb.). Allgemein bekannt ist der „Lahrer hinkende Bote“.

Elsass-Lothringen.

Metz besitzt neun Buchdruckereien und sieben lithographische Anstalten; die bedeutendste Offizin (5 Schp.) ist die nach dem Kriege von Gebr. Lang begründete. In Mülhausen arbeiteten für die dortigen Fabriken sieben Buchdruckereien und zwölf lithographische Anstalten, darunter W. Baader & Co. (6 Schp., 12 Hdp.). Das Strassburg gegenüber liegende Kehl war für eine kurze Zeit bekannt durch die Beaumarchaissche Druckerei (S. 184). Weltberühmt Ad. Braun.ist die von Ad. Braun 1858 in Dornach gegründete photographische Anstalt. Braun begann seine Laufbahn als Musterzeichner in einer Kattundruckerei. Berühmt wurden seine Schweizer Landschaften; auch liess er später ganz Mitteleuropa bereisen, um Aufnahmen zu machen, welche 1862 bereits die Zahl 15000 erreicht hatten. Seit 1866 trieb er den Pigmentdruck im grossen Stil. Sämtliche Museen Europas wurden bereist und eine grosse Zahl der berühmtesten Handzeichnungen grosser Meister als treue Facsimiles reproduziert, ebenso die interessantesten Gemälde fast aller Galerien. Die Anstalt, welche in eine Aktiengesellschaft umgestaltet wurde, besass bei Brauns Tod 1877 mehr als 60000 Negativplatten. In Colmar besteht noch das von Decker gegründete Geschäft unter der Firma C. Decker Witwe (S. 358).

[403]

Strassburg.

Mit hoher Befriedigung wird jeder Deutsche in Strassburg, der „ersten Wiege“ der Druckkunst, welche injuria temporum Deutschland, wie es fast den Anschein hatte für immer, verloren gegangen war, einkehren, da er jetzt nicht nötig hat, deshalb die Grenzen des Reichs zu überschreiten. Wird auch der Politiker und Kriegsführer Metz mit derselben Freude als deutsch begrüssen, das Herz des Volkes und der Fachgenossen besonders hängt doch mehr an Strassburg.

Gutenbergdenkmal.

Mag das Denkmal Gutenbergs (I, S. 36) von Franzosen errichtet sein, mag das Buch, welches der Meister in der Hand hält, immerhin die französische Inschrift Et la lumière fût tragen, hoffentlich wird nie der, in einem Augenblicke hoher Aufregung ausgesprochene, Gedanke, das Monument, oder wenigstens die Inschrift, zu entfernen, wieder entstehen. Ist doch die Huldigung, dem deutschen Manne von einem grossen Volke dargebracht, keine Schande für ihn, der für alle Völker segensreich gewirkt hat, wie es auch das Relief des Denkmals versinnlicht, wo sich Repräsentanten aller Völker sammeln, um dem Meister enthusiastische Huldigung darzubringen. Das Denkmal steht, wo es hingehört, auf deutschem Grund und Boden, da mag es mit französischer Aufschrift stehen.

Strassburg unter Frankreich.

Mit dem Übergang Strassburgs in die Hände der Franzosen erlosch nach und nach das frische deutsche Kultur- und Kunstleben, das nicht durch eine französische Akademie ersetzt werden konnte. Doch hatte Strassburg in der Geschichte der graphischen Künste gute Namen zu verzeichnen: Berger-Levrault (S. 187), Treuttel & Würtz (S. 186), Gustav Silbermann (S. 205), zu denen Engelmann Vater und Sohn aus Mülhausen sich gesellen (S. 206). Jetzt zählt Strassburg 15 Buchdruckereien und 16 lithographische Anstalten mit 64 Schnellpressen und 98 Tret- und Handpressen. Die hervorragendste Druckanstalt bleibt die wennauch geteilte Offizin Berger-Levrault (S. 186), jetzt eine Kommanditgesellschaft unter der Firma R. Schultz & Co. mit 22 Schnellpressen, 18 Handpressen und 250 Arbeitern. Die berühmte Silbermannsche Anstalt ging erst auf M. Schauenburg in Lahr, dann auf Silbermanns früheren Geschäftsführer R. Fischbach über (9 Schp., 7 Hdp.), ausserdem ist die Universitätsbuchdruckerei von J. H. E. Heitz (4 Schp.) zu nennen.

[404]

J. D. Schöpflin * 8. Sept. 1694, † 6. Aug. 1771.

Einen gewichtigen Namen in der Geschichte der typographischen und geistigen Interessen Strassburgs hat der gelehrte Joh. Dan. Schöpflin. Er schrieb die bekannten Vindiciae typographicae (1760) und überliess 1765 der Stadt gegen eine mässige Leibrente seine historischen Sammlungen und seine bedeutende Bibliothek, fuhr jedoch fort, diese auch nach der Abtretung zu vermehren. Die Bibliothek.Durch die Einziehung der Klöster und durch jährliche Erwerbungen war die Sammlung auf gegen 12000 Handschriften und gegen 180000 gedruckte Bücher angewachsen, darunter gegen 2000 Inkunabeln zumteil der seltensten Art. Als ein Kleinod der Sammlung galt das Manuskript der Äbtissin Herrade von Landsberg, Hortus deliciarum, aus dem XII. Jahrhundert, in Gross-Folio, mit den kostbarsten Miniaturen fast auf jedem Blatt. Auch eines der wichtigsten Dokumente aus der Erfindungsgeschichte der Buchdruckerei, die Zeugenaussage in dem Prozess zwischen Gutenberg und den Brüdern des Andr. Dritzehn aus dem Jahre 1439 (I, S. 25), befand sich unter den Schätzen, welche seit dem Jahre 1805 in die neue evangelische Kirche verlegt wurden, wo bereits eine andere wichtige Sammlung, die Universitätsbibliothek, untergebracht war.

Einige leider zu gut gezielte Bomben haben das alles vernichtet und die Opferfreudigkeit, mit welcher die Strassburger Bibliothek neu und grossartig errichtet wurde, konnte den unersetzlichen Teil nicht wiederschaffen[241].

[405]

Hoffen wir, dass materielle und nationale Wunden mit der Zeit vernarben, dass das alte Strassburg wieder als eine der hauptsächlichsten deutschen Kulturstätten erstehe und neuen typographischen Ruhm erwerbe, dass zum nächsten Jubelfeste die Angehörigen der verschiedenen Nationalitäten sich um das Abbild des Meisters brüderlich die Hand reichen. Gutenbergs Kunst kann zwar schwere Wunden schlagen, aber sie heilt auch solche!

DIE SCHWEIZ.

Örtliche Schwierigkeiten.

Als einige Geistliche in Cellarina im Ober-Engadin den Gedanken gefasst hatten, eine Druckerei anzulegen, liessen sie einen Setzer und einen Drucker aus Bergamo kommen, welche die kleine Letternanschaffung in ihrem Ranzen auf dem Rücken trugen. Eine abgenutzte Holzpresse wurde auf einen Esel gepackt, weil noch kein Fahrweg vorhanden war. Ein Zimmermann schlug auf dem Boden eines Heustalles Regale auf und zimmerte Setzkasten. Als Gespan des Druckers fungierte ein Bauernbursche, welcher auch die Abwartung des im unteren Stock einlogierten Esels zu besorgen hatte. Wenn der Winter herannahte, ging das Personal nach Bergamo heim und kam mit dem Frühjahr wieder zurück. Durch dessen Arbeit entstand eine Sammlung geistlicher Lieder, welche noch nach dem Jahre 1840 das allgemeine Kirchengesangbuch des Engadin bildete.

Wenn nun auch dieses kleine typographische Genrebild, selbst in der Schweiz, wohl nicht viele Pendants hat, so kann es doch als eine hübsche wennauch drastische Illustration der Schwierigkeiten dienen, welche der raschen Verbreitung der Typographie in einem Berglande mit zerstreuter Bevölkerung, kleinen Städten und einem Erfreuliches Emporblühen.schwierigen Verkehr entgegenstanden. Diese Verhältnisse müssen die Achtung für die Schweizer Typographen steigern, die, obwohl die Litteraturen des mehrsprachigen Landes sich denen der grossen Nachbarvölker anschliessen müssen, gewusst haben, ihre gewerbliche[406] Selbständigkeit zu wahren und, allerdings kräftigst durch eine wennauch kleine so doch hochgebildete und hochpatriotische Bevölkerung unterstützt, eine bedeutende Produktion zu erzielen.

So bildet die schweizerische Typographie das Bild einer allmählichen, ruhigen, den Verhältnissen angemessenen Fortentwickelung. Man ist eifrig bemüht gewesen, nicht zurückzubleiben, strebt aber andererseits nicht danach, eine der Sachlage nicht angemessene blendende Stellung einzunehmen.

Statistisches.

Die Schweiz besitzt in 164 Städten, Städtchen, Flecken und Dörfern 325 Buchdruckereien und 184 lithographische Anstalten mit zusammen 534 Schnellpressen und 812 Tret- und Handpressen, von welchen die Tretpressen verhältnismässig sehr stark repräsentiert sind. In dem Druckgewerbe werden überhaupt gegen 5000 männliche und 1000 weibliche Arbeiter beschäftigt.

Zeitschriften-Litteratur.

Wenn die Schweiz vorzugsweise reich an Zeitschriften ist — es giebt eine solche auf je fünfhundert Einwohner —, so liegt dies an der Zersplitterung der Interessen durch die kantonale und kommunale Kleinregierung, an den verschiedenen Nationalitäten und an der örtlichen Lage. Deshalb hat die Schweiz keine Blätter von grosser Verbreitung und allgemeiner Bedeutung und die Auflagen sind oft winzig klein. Die Zahl der in 158 Druckorten erscheinenden Journale politischen oder lokalen Inhalts beträgt 307, darunter 60 täglich, 161 zwei- oder dreimal wöchentlich erscheinende; 222 davon in deutscher, 75 in französischer, 7 in italienischer, 2 in romanischer, 1 in englischer Sprache. Von nichtpolitischen Zeitungen giebt es 253; darunter 166 deutsche, 78 französische, 7 italienische und 2 romanische. Bei weitem die meisten dieser Blätter sind sauber gedruckt. Die Zahl der jährlich erscheinenden Bücher beträgt etwa 1200.

Basel.

Basel mit seinen grossen Traditionen war nicht in der Lage, unter veränderten Verhältnissen seinen hohen typographischen Ruhm aufrecht zu erhalten. Doch hat es zum Beginne der neuen Periode eine Druckerfamilie von europäischer Bedeutung aufzuweisen[242].

[407]

Die Familie Haas.
W. Haas d. ä. * 23. Aug. 1741, † 8. Juni 1800.

Wilhelm Haas war in mancher Beziehung ein ebenbürtiger Zeitgenosse J. G. I. Breitkopfs. Sein Vater war ein geschickter Schriftschneider und Schriftgiesser aus Nürnberg, der das Bürgerrecht in Basel erworben hatte. Der Sohn Wilhelm Haas zeigte schon in seiner Jugend ein entschiedenes Talent für den Beruf des Vaters und wurde gründlich von Daniel Bernoulli in Mathematik und Mechanik unterrichtet. Er übernahm das Geschäft des Vaters und brachte es bald dahin, dass seine Schriftgiesserei als eine der Seine Typen.vorzüglichsten Deutschlands angesehen wurde. Die Frakturschriften betrachtete man in Bezug auf Regelmässigkeit und Klarheit als mustergültig. Für seine Antiqua nahm er Baskerville zum Vorbild; sie ist z. B. in der bei Thurneysen erschienenen Ausgabe von Voltaires Werken verwendet, auch schnitt er eine nicht unbeträchtliche Zahl von orientalischen Schriften. Zu seinen Verbesserungen gehört sein System der Spatien und der Stücklinien, worüber er sich in einer besonderen Schrift (1772) aussprach.

Verbesserte Handpresse.

Sein Hauptaugenmerk galt jedoch der Verbesserung der Druckpresse, die seit dem Jahre 1500 so ziemlich ungeändert geblieben war. Haas lebte aber noch in der Blütezeit des Innungszopfes. Er war kein kunstgemäss gelernter Buchdrucker und seine freundlichst gesinnte Kollegenschaft brachte es glücklich so weit, dass er nicht mit der von ihm konstruierten Presse arbeiten durfte, die er deshalb an Schweighauser verkaufte. Er selbst musste sich mit der Herausgabe einer deutschen und einer französischen Beschreibung begnügen. Die Hauptbestandteile seiner Presse waren aus Eisen und ruhten auf einem Steinblock; der Tiegel hatte die Grösse des Fundaments, so dass für den Druck einer Form nunmehr nicht zwei Züge notwendig waren. Der Bengel wurde an dem Kopfende der Spindel angebracht und der Hebel mit einer Schwingkugel versehen.

Landkartensatz.
A. G. Preuschen.

In das Jahr 1775 fallen Haas' Versuche, Landkarten und Musiknoten mit Typen herzustellen. Den ersten Gedanken zu dem Landkartensatz fasste der Hofdiakon A. G. Preuschen in Karlsruhe, der sich an Haas mit dem Vorschlag wandte, mit ihm in eine Association für diese neue Kunst, die „Typometrie“, zu treten. Haas ging mit Energie und Überzeugung auf den Gedanken ein. Als erstes Probestückchen erschien zu Anfang des Jahres 1776 in Basel ein Blättchen mit einer Waldung und dem Lauf eines Flusses; das zweite griff[408] schon weiter und wurde der Kaiserl. Akademie zu St. Petersburg und dem berühmten Geographen Büsching vorgelegt, der Feuer und Flamme für die Erfindung wurde.

Nun trat Breitkopf hervor und erklärte, er habe sich schon zwölf Jahre mit denselben Versuchen beschäftigt, und versandte seine Proben. Im Oktober 1776 gab Haas eine Karte des Kantons Basel in Quart heraus, von welcher 1777 eine neue Ausgabe im üblichen Landkartenformat erschien, der eine Nachbildung der Karte von Sicilien von Hubert Jaillot aus dem Jahre 1736 folgte. Sie wurde dem König Ferdinand IV. von Neapel dediziert und erschien auch in einer französischen Ausgabe. Wilh. Haas gab noch etwa ein Dutzend solcher Karten heraus. Nach den neueren Erfindungen hat die Typometrie jedes praktische Interesse verloren, das nie ein nennenswertes gewesen, und nur das historische ist geblieben.

Haas und Thurneysen.

Im Jahre 1780 errichtete Haas im Verein mit dem talentvollen Buchdrucker und Buchhändler Joh. Jak. Thurneysen ein Geschäft, das sehr elegante Arbeiten lieferte. Die Verbindung hörte jedoch nach sechs Jahren auf und Haas der Sohn übernahm die Leitung der Buchdruckerei und führte sie nach dem Tode seines Vaters, der zugleich Brigade-Chef und General-Inspektor der helvetischen Artillerie war und auf einer artilleristischen Inspektionsreise zum allgemeinen Bedauern starb, fort.

W. Haas d. j. * 15. Januar 1766, † 22. Mai 1838.

W. Haas d. j. hatte eine sehr sorgfältige Erziehung genossen und zeigte frühzeitig ein entschiedenes Talent für die Typographie. Als achtjähriger Knabe setzte er ein Frag- und Antwortspiel aus Nonpareil mit einer Einfassung und druckte es in zwei Farben. Als sechzehnjähriger Gehülfe stellte er, unter Benutzung der systematischen Stücklinien des Vaters, die grosse Karte der Weltgeschichte von F. K. Fulda (Augsburg, Stagesche Buchhandlung) fertig, die aus zwölf grossen Formen besteht, welche zusammen ein Tableau von 5 Fuss Höhe und 6 Fuss Breite bilden.

Weitere Reformen.

Nach der oben erwähnten Übernahme des Geschäfts im Jahre 1786, welches die Firma Wilhelm Haas der Sohn annahm, heiratete er 1788 die Tochter Georg Jacob Deckers (S. 361). An der Druckpresse brachte er noch weitere Verbesserungen an und vervollkommnete den Satz der Landkarten, von welchen viele Blätter bei ihm erschienen. Nach dem Beispiel Baskervilles fertigte er nach[409] seiner eigenen und des Vaters Idee eine Satiniermaschine, die er jedoch, als er die von Bodoni konstruierte gesehen hatte, verwarf. Seine Musiknoten sind elegant. Er druckte auch verschiedene hebräische Werke, darunter eine Bibel in vier Bänden, Grossoktav. Auch den Accidenzarbeiten wurde grosse Sorgfalt gewidmet.

Wilhelm und Eduard Haas.

Zu der im Jahre 1830 in Basel stattgehabten Kunst- und Industrie-Ausstellung hatte Haas „Das Gebet des Herrn“ in hundert Sprachen, wie er bemerkt: die vierzigste derartige Sammlung, ausgestellt. Das Geschäft überliess er seinen Söhnen Wilhelm und Eduard, von denen letzterer sich bei Didot als Stempelschneider ausgebildet hatte, und erlebte in Zurückgezogenheit noch sein 77. Jahr. Das Geschäft besteht noch heute als geachtete Schriftgiesserei.

Eine bekannte Baseler Druckerfamilie war die Thurneysensche, die ihre Aufmerksamkeit namentlich dem Bibeldruck zuwendete. In jüngster Zeit hat die Schweighausersche Offizin durch Benno Schwabe mehrere vorzügliche Arbeiten, namentlich im Renaissancestil, geliefert, welche den besten aus der Glanzzeit Basels ebenbürtig sind.

Zürich.

Wenn Bern auch die Hauptstadt der Schweiz ist, so bleibt doch Zürich, sowohl was Einwohnerzahl betrifft, als auch in Beziehung auf Kultur, Litteratur und Druckgewerbe, die erste Stadt der Schweiz. Sie besitzt 22 Buchdruckereien und 18 lithographische Anstalten, die 55 Schnellpressen, 136 Tret- und Handpressen beschäftigen. Der Kanton Zürich hat 40 Buchdruckereien, 30 lithographische Anstalten mit 97 Schnellpressen, 190 Handpressen und 800 Arbeitern und überragt weit jeden anderen der Kantone. Berühmt war Zürich schon in der älteren Druckgeschichte als Sitz des Geschäfts Christ. Froschauers, als dessen würdige Nachfolgerin Orell Füssli & Co.die Firma Orell Füssli & Co. noch heute sich zeigt (I, S. 140). Die Offizin würde auch in Deutschland zu den bedeutenderen zählen (10 Schp., 15 Hdp.); sie vereinigt alle Branchen der graphischen Künste und liefert in allen Vorzügliches. Das am 25. August 1881 bezogene neue Haus „Zum Bären“ ist ein höchst stattlicher Bau. Einen eigentümlichen äusseren Schmuck desselben bildet ein, eine ganze Wand des vierstöckigen Hauses einnehmender, Bär. Die frühere Lokalität war durch 105 Jahre von der Firma benutzt[410] gewesen. Ein grosses Geschäft ist die Firma Zürcher & Furrer (6 Schp.).

Zürich besitzt mehrere bedeutende lithographische Anstalten. Die Lithographische Genossenschaft (4 Schp., 7 Hdp.), ebenso J. J. Hofer & A. Burger liefern sehr gute Chromodrucke. Berühmt ist Kartographie.die Anstalt von Wurster, Randegger & Co. durch ihre kartographischen Arbeiten, in welcher Richtung H. Mühlhaupt & Sohn sowie R. Leuzinger in Bern und H. Furrer in Neuenburg sich ebenfalls einen Namen erwarben. Überhaupt geniesst die Schweiz hinsichtlich ihrer kartographischen Arbeiten eines grossen Rufes. Die geringe Ausdehnung des Landes bei den interessanten Bodenformationen und den komplizierten hydrographischen Verhältnissen luden ganz besonders zur Anfertigung detaillierter, malerisch ausgeführter Terrainkarten ein. Den mächtigsten Anstoss gab der General Dufour, dessen Generalkarte der Schweiz noch heute als das bedeutendste Meisterwerk kartographischer Darstellungskunst gilt.

Winterthur.

In Winterthur befindet sich die ziemlich bedeutende Offizin von Bleuler, Hausheer & Co. (4 Schp.). J. Westpheling liefert sehr gute Arbeiten und introduzierte sich in sehr empfehlender Weise in grösseren Kreisen durch seinen Schweizer-Ausstellungs-Katalog (Wien 1873), der denselben Beifall fand, wie die ganze Kollektiv-Ausstellung der Schweiz.

St. Gallen.
Joh. Zollikofer.
Chr. Zollikofer.
Emil Zollikofer.

St. Gallen umschliesst eine der besten Offizinen der Schweiz. Dieselbe wurde von Joh. Zollikofer, aus einer alten, vom Kaiser Rudolf 1578 geadelten Familie stammend, im Jahre 1789 gegründet. Durch Ankauf erwarb er 1792 noch eine zweite kleine Buchdruckerei und blieb bis 1802 der alleinige Buchdrucker in St. Gallen. Im Jahre 1834 wurde der Sohn Christoph Associé. Durch Eintritt C. P. Scheitlins ward die Firma in Scheitlin & Zollikofer umgeändert und ein bedeutender Verlag gegründet, der später auf den Schwager Christoph Zollikofers, Iwan v. Tschudi, überging, während der erstgenannte die Druckerei behielt. Der Sohn Emil Zollikofer wurde 1867 Teilnehmer. Durch längeren Aufenthalt im Auslande ausgebildet, reformierte er die Buchdruckerei übereinstimmend mit den Forderungen der Zeit. Ein neuer stattlicher Bau ward 1868 ausgeführt, fiel jedoch bereits am 17. Juli 1880 den Flammen zum Opfer. Ein zweiter Neubau wurde mit fabelhafter Energie betrieben und[411] vier Monate nach dem Brande stand ein Prachtbau, hauptsächlich aus Glas und Eisen, fertig da. Christoph Zollikofer war, von seinen Mitbürgern hochangesehen, bereits Anfang September 1870 verstorben.

Unter den schweizerischen graphischen Anstalten giebt es nur eine, die für den Weltmarkt arbeitet und auch einen Weltruf sich erworben hat. Der Bergflecken Einsiedeln mit 7000 Einwohnern, berühmt durch sein Benediktiner-Kloster mit dem wunderthätigen Muttergottesbilde und deshalb jährlich von hunderttausenden von Wallfahrern besucht, ist in der typographischen Geschichte durch Gebr. Benziger.die grossartige Anstalt der Gebr. Benziger merkwürdig geworden. Das Geschäft, welches nur auf die Bedürfnisse strenggläubiger Katholiken berechnet ist, wurde von dem Landamman Josef Karl Benziger 1805 gegründet und ging von ihm auf seine Söhne Karl und Nikolaus (letzterer vom Papst in den Grafenstand erhoben) über. In allen Erzeugnissen der Anstalt, auch den billigsten, ist das Streben sichtbar, nur Gutes zu liefern. Die Erzeugnisse der Phototypie sowohl in Vergrösserungen als Verkleinerungen gehören zu den besten Leistungen in dieser Richtung. Die Anstalt verfügt über 27 Schnellpressen und eine grosse Anzahl von Buchbinderei- und anderen Maschinen und soll 700–1000 Menschen, Erwachsene und Kinder, beschäftigen. In New-York, Cincinnati und St. Louis besitzt die Firma Filialen[243].

Um den Leistungen dieser Anstalt vollkommen gerecht zu sein, muss man der örtlichen Lage derselben eingedenk bleiben. Dieselbe machte die Fürsorge für die Arbeiter durch Kosthäuser, Kassen und andere humanitäre Einrichtungen, die nach vielen verschiedenen Richtungen hin vorhanden sind, noch notwendiger, als bei gewöhnlichen Verhältnissen.

Bern.

Die Hauptstadt Bern zählt, was Bevölkerung betrifft, erst als die fünfte Stadt der Schweiz und bietet in graphischer Hinsicht nichts Bemerkenswertes dar. Die bedeutendsten Offizinen sind die Stämpflische mit 7 Schnellpressen, Rieder & Simmen, Jent & Reinert, K. J. Wyss und B. F. Haller. Dieser war der erste, der[412] eine eiserne Presse in der Schweiz einführte; die erste Schnellpresse erhielten Orell Füssli & Co. im Jahre 1832.

Genf.

In der französischen Schweiz ist Genf durch das rege wissenschaftliche und litterarische Leben bekannt. Die Stadt hat 18 Buchdruckereien und 17 lithographische Anstalten, doch kein Geschäft von bedeutendem Umfang. Die grössten derselben sind Chr. Schuchardt und J. Lang mit je 4 Schnellpressen. Auch in Lausanne ist ein regeres geschäftliches Leben. Unter den 17 typographischen und lithographischen Anstalten daselbst ist zu nennen die von G. Bridel (4 Schp.), die gute Werk- und Accidenzdrucke liefert.

Fußnoten:

[233] Annalen d. Typ. 1872, Nr. 172, und 1874, Nr. 273. 274.

[234] Die Nummer 1000 von „Über Land und Meer“ ist Nr. 12 des Jahrg. 1878.

[235] Biographische Skizzen lieferte Paul Lindau in der „Gegenwart“, Theod. Göbel in dem „Journ. f. Buchdrk.“, 1880, Nr. 36.

[236] Riehl, Deutsche Kunststädte. Augsb. Allg. Ztg. 1870.

[237] C. Wolff, Über den gegenwärtigen Zustand des Buchhandels in Bayern. München 1827.

[238] Ein sehr interessantes Probenbuch der Firma aus dem Jahre 1882 giebt eine Übersicht der vielen verschiedenen photographischen Verfahren.

[239] Klimsch' „Adressbuch der Buch- und Steindruckereien“ ist eine grosse Zahl von statistischen Einzelheiten zu verdanken. Das Buch will für das Druckgewerbe das werden, was O. A. Schulz' „Adressbuch“ bereits lange für den Buchhandel ist. Da die Angaben von den Buchdruckerei-Besitzern selbst herrühren, kann der Herausgeber des Adressbuches nicht für die Richtigkeit jeder Zahl verantwortlich gemacht werden; der auf die Zusammenstellung verwendete Fleiss ist ein ausserordentlicher.

[240] Teil I, S. 36 ist durch einen Schreibfehler der erste Festtag als der 17. August statt 14. August angegeben.

[241] Die „Annalen der Typographie“, welche, nebenbei gesagt, die erste öffentliche Aufforderung zur Wiedererrichtung der Strassburger Bibliothek bereits in ihrer Nr. 65 vom 8. Oktober 1870 enthielten, sagen in Nr. 62 desselben Jahres bei Gelegenheit eines Rückblickes auf die Geschichte der Bibliothek, deren endliches Schicksal damals noch nicht genau bekannt war:

„Eine solche Sammlung von Schätzen sollte rettungslos verloren gegangen sein!? Das glauben wir nun und nimmermehr auf die vagen Äusserungen (des Bibliothekars Zeller in Paris) hin. Die brennende Bibliothek hat ja nicht urplötzlich die Einwohner aus tiefem Schlafe geweckt. Wochenlang war vorauszusehen, was kommen würde. Und da sollte nicht ein verdienstvoller Bibliothekar, der über seine Bücherschätze ängstlich wacht, wie der Vater über seine Kinder, nicht ein um das Eigentum der Stadt besorgter Beamter daran gedacht haben, wenigstens das Unersetzlichste in Sicherheit zu bringen? Die Wechselfälle, denen eine belagerte Stadt ausgesetzt ist, sind doch nicht unbekannt, selbst wenn die Belagerer nicht aus „Attilas Horden“ beständen. Da sollte nicht Zeit gefunden worden sein, ein halbes Dutzend Kisten mit den grössten Seltenheiten beiseite zu schaffen? Das halten wir trotz aller Kopflosigkeit, trotz aller Zuversicht der Franzosen zu den eigenen Waffen und der souveränen Verachtung gegen den „Landsturm« nicht für möglich.“ — Noch heute muss es jedem unbegreiflich erscheinen, wenn nichts gerettet sein sollte. Dann wäre die Barbarei Deutschlands, „das seine Gelehrsamkeit nur im Verwüsten zeigt“, wie der Bibliothekar Zeller sagt, doch durch die passive Barbarei des der Verwüstung ruhig Zusehenden übertroffen.

[242] P. W(egelin), Die Familie Haas (im Baseler Taschenbuch 1855). — W. Haas, Beschreibung und Abriss einer neuen Buchdruckerpresse, erfunden in Basel 1772. 1790. — A. G. Preuschen, Grundriss der typometrischen Geschichte. Basel 1778.

[243] Phototypie Benziger, Reproduktionen von Holzschnitten, Lithographien, Stahlstichen, Handzeichnungen, auf Metallplatten, hochgeätzt für Buchdruck.

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XV. KAPITEL.

DER OSTEN DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Presszustände in Österreich. J. T. Trattner. J. G. Trassler. J. v. Kurzbeck. A. Schmid. Familie Gerold. J. V. Degen. A. Auer. Die Hof- und Staatsdruckerei. W. v. Braumüller. Das Museum und die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Der Buchdrucker-Verein. Neuere Buchdruckereien Wiens. Die Druckereien in den Provinzen. Ungarn. Druckereien in Budapest und an anderen Orten. Statistisches aus Österreich-Ungarn.

Gedrückte Zustände der Presse.
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U derselben Zeit, wo die Presse in Preussen beinahe einer uneingeschränkten Freiheit sich erfreute, hatte sie in Österreich mit dem schwersten Druck zu kämpfen. Unter dem Kaiser Karl VI. wurde noch glimpflich verfahren, unter Maria Theresia trat jedoch grössere Strenge ein. Ein Patent vom 12. Juli 1752 befahl den Unterthanen, alle geistlichen Bücher ihren Seelsorgern zur Prüfung zu übergeben, diese hatten die irrlehrigen an sich zu nehmen, die unverdächtigen, nachdem sie mit Siegel versehen waren, zurückzustellen. Selbst die Buchbinder waren verpflichtet, die ihnen zum Binden übergebenen Bücher den Geistlichen vorzulegen. Politische und staatswissenschaftliche Schriften wurden mit ähnlichem Argwohn behandelt und die Jesuiten hatten sich ganz der Zensur bemächtigt. In Ermangelung von gedruckten Zeitungen wurden geschriebene „Gassenblätter“ regelmässig versandt. Zeitungsschreibern, welche falsche Nachrichten[414] verbreiteten, wurde mit Auspeitschung und Landesverweisung gedroht und Angebern 100 Dukaten Belohnung zugesagt. Die einzige in Wien erscheinende Zeitung, das im Jahre 1703 gegründete „Diarium“, durfte nur solche inländische Nachrichten verbreiten, die ihr von der Hofstelle zukamen. Ausländische privilegierte Zeitungen konnten eingeführt werden, sie unterlagen jedoch einer Revision und wurden nur durch die kaiserlichen Postämter vertrieben. Damals entstanden auch die verschiedenen Stufen des Verbotes und der Zulassung. 1765 erschien das erste Verzeichnis der verbotenen Bücher, welches schliesslich selbst verboten wurde, damit man nicht die Titel der „schlechten“ Bücher kennen lernte.

Freiere Bewegung unter Joseph II.

Dem unhaltbaren Zustand setzte die Thronbesteigung Josephs II. (1780) eine Grenze. Er hob die geistliche Zensur ganz auf und bildete eine Zensurkommission aus aufgeklärten und unabhängigen Männern. Das Pressgesetz von 1781 war in seinen Grundlagen nach den eigenen Bestimmungen des Kaisers entworfen. Das Verzeichnis der verbotenen Bücher wurde revidiert und mehr als 2500 derselben wieder erlaubt. Nur gegen schmutzige Bücher wurde mit aller Strenge verfahren. Im Jahre 1787 wurde es gestattet, anstatt der Manuskripte die bereits gedruckten Werke der Zensurbehörde vorzulegen. Es ward dem Kaiser nicht leicht, bei diesen Reformen den passiven Widerstand der Beamten zu überwinden. In der letzten Zeit seiner Regierung ward er auch selbst weniger freisinnig und die zuletzt erwähnte Massregel wenige Wochen vor seinem Tode durch eine Verordnung vom 21. Januar 1790 zurückgenommen.

Neue Beschränkungen.

Kaiser Leopold II., eingeschüchtert durch die französische Revolution, ergriff strengere Massregeln gegen die Presse, und sein Nachfolger, Franz II., verschärfte diese noch mehr. 1801 ward die Zensur der Polizeihofstelle übergeben; 1803 begann eine Rezensurkommission ihre Thätigkeit und setzte wieder tausende von früher freigegebenen Büchern auf den Index. Während der Besitznahme Wiens durch Napoleon fand 1809 eine temporäre Erleichterung statt und die Druckereien waren nicht imstande, alle ihnen angebotenen Aufträge auszuführen. Dieser Zustand nahm jedoch mit Patent vom Nov. 1810.dem Patente vom 1. November 1810 zur Regelung der Pressverhältnisse ein schnelles Ende. „Kein Lichtstrahl, er komme, woher er wolle, soll künftig unbeachtet oder unbekannt in der Monarchie[415] bleiben“, so hiess es und die Geschichte lehrt die Wahrheit dieser Worte des Programms kennen, wennauch nicht in der vermuteten Auslegung; es blieb in der That kein Lichtstrahl unbeachtet — seitens der Polizei. Übertretungen der Zensurmassregeln wurden streng geahndet. Das Recht, Buchhandel und Buchdruckerei zu Abstufung der Bücherverbote.betreiben, beruhte natürlicherweise auf Privilegien. Die Abstufungen der Zulässigkeit der Werke wurden genau reguliert. Professoren und Gelehrten von Fach sollte nur in besonderen Ausnahmefällen ein Buch verweigert werden. Einige Bücher erhielten admittitur, d. h. sie waren ganz freigegeben; andere, denen das transeat zu teil geworden, durften verkauft, jedoch nicht öffentlich angekündigt werden. Um andere beziehen zu können war wieder eine besondere Erlaubnis notwendig (erga Schedam). Inländische Verlagsartikel erhielten das imprimatur entweder ohne Beschränkung oder nach Weglassungen resp. Änderungen, andere fielen dem damnatur anheim. Es ist bekannt genug, wie die Bestimmungen über die Einfuhr der Bücher vielfach umgangen wurden und wie wöchentlich ganze Ballen nichterlaubter Bücher von Leipzig nach Wien gesandt wurden. Dort waren Bestechungen selbstverständlich an der Tagesordnung; das Geschäft wurde demoralisiert, aber im Sortimentshandel viel Geld verdient, während der Verlagshandel und die Buchdruckerei darnieder lagen. Kein Autor von Bedeutung mochte sein Werk in Österreich verlegt oder gedruckt sehen und ein in Österreich gedrucktes Buch war fast gleichbedeutend mit einem schlecht gedruckten.

Zustand der graphischen Gewerbe.

Der Festredner bei dem vierhundertjährigen Jubelfest (1882) der Einführung der Buchdruckerkunst in Wien Karl v. Scherzer, im Jahre 1846 noch ein enthusiastischer Jünger Gutenbergs, schrieb damals: „Es ist in dem Volke noch nicht das Bedürfnis zu lesen erwacht; es begnügt sich, die ‚Wiener Zeitung‘ durchzublicken und alle Jahre die renommiertesten französischen Schauerromane in deutscher Übersetzung durchzublättern. Es fehlt uns hier auch an nichts weniger als an allem, um selbst die geringste litterarische Unternehmung mit Ehren ins Leben rufen zu können. Kein genialer Zeichner, kein fähiger Holzschneider, kein tüchtiger Drucker und so fort bis zum Farbenjungen. Während das Ausland seit Jahren uns mit illustrierten Ausgaben überflutet, haben wir hier kaum den[416] Mut gefasst, ein einziges grosses Werk mit Holzschnitten zu verzieren; selbst die ‚Theaterzeitung‘ hat ihr illustriertes Gewand seit dem neuen Jahre wieder abgelegt und noch bei dem neuesten illustrierten Werk ‚Erzherzog Karl von Österreich‘ mussten, durch unübersteigbare Hindernisse dazu gezwungen, die beabsichtigten Holzschnitt-Illustrationen den in den Text gedruckten Lithographien weichen“[244].

Mit den Accidenzien ging es nicht besser, als mit dem Werkdruck. Die Privilegien der „Wiener Zeitung“ verursachten ausserdem, dass Accidenzien im Interesse des Handels und der Gewerbe fast gar nicht vorkamen.

Zeitungslitteratur.

Mit der Zeitungslitteratur war es gar schlecht bestellt; nur die verflachenden, witzelnden und pikanten Theater-, Kunst-, Litteratur- und Modeblätter erfreuten sich eines bedeutenden Absatzes. Alle Zeitungen, mit Ausnahme der „Wiener Zeitung“ und des „Österreichischen Beobachters“, unterlagen einer Vorzensur und kamen dann erst in die Hände des bekannten Grafen v. Sedlnitzky und erfolgten aus diesen gewöhnlich in einem Zustande zurück, von dem man sich heute schwer eine Vorstellung wird machen können. Die willkürlichsten Änderungen wurden getroffen, die sich nicht bloss auf Politik und ernstere Interessen bezogen; es konnte auch einem Theaterkritiker, welcher erzählt hatte, wie sehr Fräulein X. missfallen, passieren, dass er in seiner Zeitung las, wie ausnehmend sie gefallen. Adlige Bösewichte gab es in Romanen und Theaterstücken gar nicht; sie mussten vorher ins Bürgerliche übersetzt werden.

J. T. Trattner * 1717, † 1798.

Unter solchen Verhältnissen ist es immer noch zu verwundern, dass Wien einige bedeutende Männer unter den Ausübern der Druckkunst aufzuweisen hat. Die populärste Erscheinung aus dieser Periode des Rückgangs ist Johann Thomas Trattner. Er gehört nicht zu denjenigen Koryphäen der Druckkunst, zu denen wir mit Ehrerbietung emporblicken. Seine Hauptthätigkeit war eine, welche der Staat zwar zuliess, die öffentliche Meinung und das Rechtsbewusstsein aber verurteilten: Trattner war ein Nachdrucker ersten Ranges[245].

[417]

Er war als Sohn eines armen Pulvermüllers zu Jahrmannsdorf unweit Güns geboren und frühzeitig verwaist. In seinem 18. Jahre kam er in die Lehre. Als Drucker erwarb er sich in der Offizin Johann von Gehlens (I., S. 144) etwas Geld und einige vermögende Gönner, die bereit waren, den jungen strebsamen Mann zu unterstützen. Seine Bemühungen, eine Konzession sich zu verschaffen, blieben jedoch vergeblich. Da fasste er den kühnen Entschluss, sich persönlich an die Kaiserin Maria Theresia zu wenden, die ihn gnädig beschied. Nun kaufte Trattner am 12. März 1748 die im Laufe der Zeit sehr herabgekommene Buchdruckerei der Frau Eva Schelgin. Den Ertrag seiner ersten Arbeit, ein vom Abte des Stiftes Mölk verfasstes Gebet, widmete er den Armen, wodurch er sich das Wohlwollen der Jesuiten erwarb, die nun alle ihre Arbeiten bei ihm drucken liessen, so dass er zeitweilig sechzehn Pressen beschäftigen konnte; sie aber regelmässig im Gange zu halten war eine schwere Aufgabe. Trattner legte sich deshalb auf das Nachdrucken der Werke der besten deutschen Autoren und machte sich hiermit eben so verhasst in Deutschland wie beliebt in Österreich, wo man den Nutzen der guten und billigen Bücher hatte. Es ging ganz wie in neuerer Zeit in Nordamerika: der durch den Nachdruck gebildete Geschmack des Publikums kam wenigstens später den einheimischen Autoren und Verlegern zu gute, welche den Boden vorbereitet fanden.

Der Trattnerhof.

Eine grosse Erweiterung seines Geschäfts (bis auf 34 Pressen) entstand, als ihm bei der Studienregelung im Jahre 1752 der Druck der sämtlichen Schul- und Lehrbücher übertragen wurde. Er legte Filialen seiner Druckerei in Pest, Triest, Innsbruck, Linz und Agram an, erwarb zwei Papierfabriken, gründete eine Schriftgiesserei, alle Arten von artistischen Anstalten und unterhielt 23 Bücherlager. Am „Graben“ erbaute er den schönen Trattnerhof, welcher seinen Wahlspruch „Labore et favore“ trug. Seine Bücher stattete er mit grosser Sorgfalt aus, so dass es von einem guten Druck hiess: „Der ist wie von Trattnern“. Bis in sein 78. Jahr war er der alleinige Leiter des Geschäfts und erlebte 1798 noch sein goldenes Jubiläum. Von zwei Frauen hatte er 21 Kinder, von denen jedoch nur zwei am Leben blieben. Vom Kaiser Franz war er 1764 in den Adelstand[418] erhoben. Das Geschäft wurde nach Trattners Tod geteilt und ging auf verschiedene Personen über.

J. G. Trassler † 1816.

Neben Trattner nahm Josef Georg Trassler aus Wien eine bedeutende Stelle ein. Im Jahre 1779 erwarb er eine Buchdruckerei in Troppau, die bereits 1785 mit 25 Pressen arbeitete. Eine zweite Buchdruckerei errichtete er 1786 in Brünn; diese beschäftigte bis 60 Pressen. Eine dritte Offizin etablierte er 1795 in Krakau, die jedoch 1809 von den Polen demoliert wurde. Ausserdem hatte er noch verschiedene graphische Geschäfte und eine Buchhandlung.

Seine Erfolge verdankte er zum nicht geringen Teil den Freimaurern und den mit diesen in Verbindung stehenden Gesellschaften, welche letztere zur Bildung des Volkes unzählige Nachdrucke mit der Bezeichnung „Gedruckt bei Josef Georg Trassler und im Verlage der Compagnie“ verbreiteten. Ausserdem besass Trassler selbst einen grossen Verlag zumteil bedeutender Werke, darunter A. F. Büschings grosse Erdbeschreibung in 30 Bänden; die 34 Bände starke Sammlung der besten Reisebeschreibungen; die „Allgemeine Weltgeschichte“, 88 Bände; Krünitz' „Encyklopädie“, 129 Bände. Die bedeutendste Leistung war jedoch J. C. Adelungs berühmtes Wörterbuch in vier starken Bänden in Grossquart von zusammen 7587 Seiten[246].

Obwohl der Verlag nach Trasslers Tod noch vermehrt wurde, ging das Geschäft in den Händen der Kinder doch zurück. Der zweite Sohn, Adolf, zog mit dem übrig gebliebenen Teile desselben nach Troppau, wo es wieder emporblühte und seit 1879 im Besitz Alfreds, des Sohnes von Adolf, gedieh.

Josef v. Kurzbeck * 21. Nov. 1736.

Ein sehr verdienter Buchdrucker war Josef Kurzbeck. Nach vollendeten Studien widmete er sich der Buchdruckerei und übernahm die väterliche, nur mit zwei Pressen arbeitende Offizin, die nunmehr bald 15 Pressen beschäftigte. Im Jahre 1770 richtete er sich für den Druck des Illyrischen, Walachischen und Russischen[419] ein, später schaffte er noch verschiedene orientalische Schriften an. Da es sehr an Setzern für fremdländische Sprachen fehlte und es schwierig war, solche in dem Geschäft selbst auszubilden, ersuchte Kurzbeck den Kaiser Joseph II., die Ausbildung einiger seiner Zöglinge an der K. K. Orientalischen Akademie zu gestatten, was auch gewährt wurde. Hierzu wurden die späteren Buchdruckereibesitzer Anton Schmid, Josef della Torre und M. Santner bestimmt. Kurzbeck liess die als Mannsfeldsche bekannten Schriften schneiden, verschaffte sich die besten Amsterdamer Matern und druckte dann mehrere umfangreiche hebräische Werke, als den Talmud, Mischnajoth und Machsorim, welche allgemeine Anerkennung fanden. In Kurzbecks Offizin erschien auch 1775 das von Kaiser Maximilian I. 1514 beabsichtigt gewesene Prachtwerk „Weisskunig“ (I, S. III) von Treitzsauer v. Erentreitz mit 237 grossen Holzschnitten von Hans Burgkmair. Durch den Tod des Kaisers geriet dieses Werk wie mehrere von seinen litterarisch-artistischen Unternehmungen ins Stocken, die Holzschnitte waren jedoch in Graz glücklicherweise erhalten geblieben. Als der Druck Kurzbecks veranstaltet wurde, hatte man leider kein Verständnis für die Reproduktion eines Werkes älteren Stils, so dass die Ausführung nicht eine würdige wurde (S. 429).

Kurzbeck erzielte durch sein Wirken sowohl Gewinn als Ehre; im Jahre 1773 verlieh ihm die Kaiserin Maria Theresia eine goldene Kette und erhob ihn in den Adelsstand.

Anton v. Schmid * 1765, † 26. Juni 1855.

Unter den Schülern Kurzbecks befand sich, wie erwähnt, Anton Schmid, später der hebräische Schmid genannt. Der Abt des Klosters der Zisterzienser zu Zwetl, wo Schmid geboren war, liess ihn im Lateinischen unterrichten. Seine an der Universität begonnenen Studien musste er auf Grund seiner Armut unterbrechen und trat in seinem zwanzigsten Jahre bei Kurzbeck in die Lehre, wo er später die Leitung des Druckes der hebräischen Bücher übertragen erhielt. Er bewog den kränklichen Kurzbeck, der keine rechte Freude mehr am Geschäft fand, ihm seine hebräischen Schriften zu überlassen, um damit ein selbständiges Geschäft zu beginnen. Kurzbeck ging auf den Gedanken ein, Schmid wurde jedoch mit seinem Konzessions-Gesuch abgewiesen, bis der Kaiser direkt zu seinen Gunsten einschritt. Nun ging er mit aller Kraft auf sein Ziel los. Seine Offizin wurde reich mit syrischen, persischen und arabischen Schriften[420] ausgestattet und alle Lehrbücher in diesen Sprachen für die theologischen Anstalten wurden bei Schmid gedruckt. Seine Bücher waren vorzüglich ausgestattet und sein Ruf drang in fremde Länder.

1839 übergab Anton Schmid, der 1825 in den Adelsstand erhoben war, seinem Sohne Franz Edlen von Schmid sein Geschäft. Ein der Hofbibliothek geschenktes Exemplar der Schmidschen orientalischen Druckwerke umfasst 148 Werke im Gesamtumfange von 12447 Bogen. Vor allen zu nennen ist die 1795 in mehreren, rasch aufeinanderfolgenden, Ausgaben veranstaltete vollständige hebräische Bibel mit Übersetzung von Mendelssohn und einem Kommentar in hebräischer Sprache, an welchem eine Reihe der berühmtesten Gelehrten mitgewirkt hat. Die Druckerei ging auf Adalbert della Torre über.

Familie Gerold.
Karl Gerold † 23. Sept. 1854.

Unter den älteren Buchdruckereien Wiens, die bis auf den heutigen Tag ihre Bedeutung behalten haben, ist diejenige, welche Josef Gerold 1775 von J. Kalliwoda erwarb. Der erstgenannte sowohl wie sein Sohn Karl Gerold erweiterten das Geschäft bedeutend. Durch den Druck mehrerer mathematischer und technischer Werke für das unter Prechtls Direktion gestellte Polytechnische Institut erwarb Gerold sich einen so guten Ruf, dass Cotta ihm den Druck der 20 Bände starken Prechtlschen Encyklopädie übertrug. Die gedrückten Pressverhältnisse veranlassten Gerold, sich weniger dem Verlag als dem Sortiment zu widmen. Aus den 1848 geänderten Zuständen zog jedoch auch die Geroldsche Offizin Nutzen und das Geschäft erweiterte sich in dem Besitz der in den Adelsstand erhobenen Söhne Karls: Friedrich und Moriz von Gerold ausserordentlich[247].

Pichlersche Buchdruckerei.

Die Pichlersche Buchdruckerei wurde durch den Druck der Werke Karoline Pichlers in Fachkreisen bekannt, jedoch mehr durch den Druck der 1838 in vier Blättern dreifarbig ausgeführten, in Typen gesetzten Post- und Reisekarte der österreichischen Monarchie von F. Raffelsberger[248]. Die Arbeiten derselben stehen weit über denen von Breitkopf und Haas, sind jedoch, wie diese, mehr auf Grund der mühsamen Arbeit bewundernswert als für die Praxis nutzbringend.

[421]

Anton Strauss.
L. Sommer.

Ein tüchtiger Buchdrucker war Anton Strauss, der aus geringen Anfängen die Zahl seiner Pressen auf 20 brachte. Nach seinem Tode ging das Geschäft auf Leopold Sommer über, der grossen Schwung hineinbrachte und 1848 an Zeitungen und Zeitschriften allein zwanzig druckte. Er war auch der erste, der in Österreich eine politische Zeitung gründete, welche wirklich diesen Namen verdiente, die unter E. v. Schwarzers Leitung unternommene „Österreichische Zeitung“.

M. Salzer * 1799, † 4. Jan. 1878.

Matthäus Salzer, Sohn des Kaspar Salzer, der zu den Zeiten Josephs II. Buchhändler und Buchdrucker war, lernte erst als Sattler, trat aber bald in das Papiergeschäft seines Bruders Franz und wurde später Leiter der Papierhandlung seines verstorbenen zweiten Bruders Jakob, dann durch Verheiratung mit dessen Witwe Besitzer des Geschäfts. Nach und nach erwarb er die Papiermühlen in Wiener-Neustadt, Ebenfurth und Stettersdorf. 1866 kaufte er die Überreuthersche Buchdruckerei und beschäftigte 11 Schnellpressen und 150 Arbeiter, namentlich mit Aufträgen seitens der Eisenbahnen und ähnlicher Anstalten. Im Jahre 1874 feierte Salzer sein goldenes Geschäftsjubiläum.

J. V. Degen * 11. März 1763, † 5. Okt. 1827.

Als ein Stern in der langen Nacht der österreichischen Typographie leuchtet Josef Vincenz Degen aus Graz. Er studierte dort und in Wien, widmete sich dann dem Buchhandel, kaufte 1800 die vorzüglich eingerichtete Albertische Buchdruckerei und errichtete zugleich eine Schriftgiesserei. Durch die Tüchtigkeit seiner Leistungen erwarb er sich bald ein bedeutendes Renommé. Im Jahre 1804 richtete er die K. K. Hof- und Staats-Aërial-Druckerei ein und brachte sie auf einen blühenden Stand. Vertragsmässig arbeitete diese Anstalt nur für Behörden. Eigentum des Staates wurde sie erst im Jahre 1814. Degen, der in den Adelsstand als Edler von Elsenau erhoben worden war, wurde zum Direktor der nunmehrigen Staatsdruckerei ernannt, die sich durch ihre Arbeiten in vorteilhaftester Weise auszeichnete.

Staatsdruckerei.

Anders ward es nach Degens Tod unter der Direktion J. A. von Wohlfahrts. Aus übertriebener Sparsamkeit liess man die Anstalt verfallen und als Wohlfarth 1840 in den Ruhestand versetzt wurde, war es so weit gekommen, dass die Staatsbehörden sich mit ihren Aufträgen an Privatdruckereien wandten.

[422]

Wie es in der Staatsdruckerei aussah, so war es auch in den anderen Offizinen mit Ausnahme der einzelnen erwähnten und vielleicht noch einiger weniger anderen.

Der Buchhandel.

Der Buchhandel, der sich unter Maria Theresia sehr entwickelt hatte, verfiel unter Joseph II. trotz der milden Zensur. Man zersplitterte die Kräfte meist in Broschürenlitteratur, durch welche sich eine Reihe von Winkeldruckereien, die jedoch wieder mit dem Tode des Kaisers verschwanden, nährte. Von den bedeutendsten Werken dieser Periode seien noch erwähnt: Jacquins Historia stirpium americanarum; Hortus Vindebonensis; Observationes botanicæ mit 150 Kupfern; Icones plantarum rariorum mit 649 Kupfern; Flora austriaca mit 500 kolorierten Kupfern, Herrgotts Monumenta Aug. Austriacæ in Grossfolio mit vielen Tafeln, die von den Geistlichen des Stiftes St. Blasien gedruckt wurden; Maninskys grossartiges „Orientalisches Wörterbuch“ u. a.

Als der Regenerator der österreichischen Buchdruckerei, die in der jüngeren Zeit so enorme Fortschritte gemacht hat, muss Auer betrachtet werden.

Al. Auer * 11. Mai 1813, † 10. Juli 1869.

Alois Auer war zu Wels in Österreich als der Sohn eines armen Traunflössers am 11. Mai 1813 geboren. Da es ihm unmöglich war, seinem Drang zum Studieren nachzugehen, trat er im Beginn des Jahres 1825 als Setzer in die Lehre bei dem Buchdrucker Michael Haas in Wels. Nach vollendeter Tagesarbeit benutzte er die späten Abendstunden, um sich gründliche Kenntnisse der Muttersprache anzueignen. Nach Beendigung seiner fünfjährigen Lehrzeit begann er mit Energie die Sprachkunde zu treiben, da er eingesehen hatte, von wie grossem Nutzen dieselbe für den Typographen ist. Seine Mussestunden benutzte er nun zur Erlernung der französischen, italienischen, englischen, spanischen und portugiesischen Sprache, so dass er sich schon im Oktober 1835 einer Prüfung in der französischen und englischen, im Mai 1836 einer in der italienischen Sprache an der Universität zu Wien mit günstigem Resultat unterwerfen konnte. Gleichzeitig bestand er die Prüfung in der Erziehungskunde. Sein guter Ruf verschaffte ihm bald eine öffentliche Anstellung in Linz als Lehrer der italienischen Sprache. Auer begann nun eine Schriften- und Vaterunser-Sammlung anzulegen, die hinsichtlich ihrer Vollständigkeit fast allen Ansprüchen genügte, und benutzte[423] diese Sammlung, um die Raumverhältnisse aller Schriftarten genau zu berechnen[249]. Auf diese Art entstand sein „typometrisches System“, über dessen praktischen Wert sich allerdings nicht viel sagen lässt.

Danach machte er sich an die Ausarbeitung verschiedener Sprachlehren, zunächst der französischen und italienischen Sprache, und indem er nach gleicher Methode alle Sprachen der Erde darzustellen beabsichtigte, keimte in ihm die Idee auf, einen Sprachen-Atlas zu entwerfen. Eine solche Aufgabe zu lösen reichten aber Metternich und Auer.die Kräfte eines einzigen Menschen nicht aus. Es gelang ihm indes den zu jener Zeit in Österreich noch allmächtigen Fürsten Metternich für seine Sache zu gewinnen.

Nach Verlauf von einem Monat überreichte ihm Auer in Wien einen Plan zur Gründung eines Polygraphischen Instituts als Vorbereitung einer „Zentral-Verlagsstätte Deutschlands in Wien“. Während dieser Plan die verschiedenen Staatsbehörden durchwanderte, bereiste Auer 1839 England, Frankreich und die Schweiz, um die typographischen Anstalten des Auslandes kennen zu lernen, fand jedoch nirgends ein Institut, wie es seiner Phantasie vorschwebte.

Im Jahre 1841 wurde nun Auer zum Leiter der Staatsdruckerei ernannt. Mit jugendlicher Kraft ging er an sein reformatorisches Werk zur Verwirklichung seiner Lieblingsidee. Vorerst mussten die Personalverhältnisse und der Geschäftsgang der Anstalt geregelt werden; die alten Schriften wurden eingeschmolzen und andere nach dem neuen typometrischen System gegossen, veraltete Pressen durch zweckmässigere ersetzt. Dann wurde eine Stempelschneide-Anstalt eingerichtet, fremde Schriften geschnitten, Matrizen geschlagen und Lettern gegossen, und um der Staatsdruckerei in der That den Charakter einer polygraphischen Anstalt zu geben, wurden in ihr Offizinen für Lithographie, Stereotypengiesserei, Kupferdruck, Galvanoplastik, Photographie, Chemitypie und später für Naturselbstdruck errichtet. Die Anstalt selbst wurde mit einer Dampfmaschine zur Bewegung der Schnellpressen und zur Heizung sämtlicher Lokale, mit Gasbeleuchtung und mit anderen Verbesserungen der Neuzeit versehen. Ferner gründete Auer unter dem Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse, ordnete das Lehrlingswesen und führte einen Unterricht für die Zöglinge in den Abendstunden[424] ein, so dass diese Technik, Sprachen (Lateinisch, Griechisch, Französisch, Englisch, Italienisch, Sanskrit, Persisch), Geographie, Geschichte, Stil u. s. w. unentgeltlich lernen konnten.

Schnell mehrten sich die Arbeiten der neuorganisierten Anstalt. 1860 beschäftigte sie schon über 1000 Arbeiter und besass 48 Schnellpressen, 50 Handpressen, 30 lithographische, 24 Kupferdruckpressen, 21000 Stahlstempel, 80000 Matrizen, 6000 Zentner Lettern. Die Ausstellungen von London und Paris[250] verbreiteten den Ruhm der Anstalt, welche der höchsten Auszeichnungen teilhaftig wurde. Aber auch Auer ging nicht leer aus. Er wurde in den Adelsstand als Ritter Auer von Welsbach erhoben und 24 Orden zeugen dafür, dass er die Kunst, sich Anerkennung zu verschaffen, nicht übel verstanden hat.

Die Erfindungen Auers.

Mit seinen vielbesprochenen Erfindungen, die öfters, und wohl nicht mit Unrecht, ihm nicht für voll angerechnet wurden, hatte er in der Praxis kein rechtes Glück. Diejenige, die am meisten von sich reden machte, war der Naturselbstdruck (Auto-Typographie). Dieser bestand darin, von einer Pflanze, einem Gewebe u. dgl. nach dem Einlegen zwischen einer Stahlplatte und einer anderen von weichem Metall durch eine starke hydraulische Pressung eine vertiefte Druckplatte zu gewinnen, die mittels Galvanisierung in eine Hochdruckplatte verwandelt werden konnte. Ein grossartiges, von Konstantin v. Ettinghausen herausgegebenes Werk, Physiotypia plantarum, wurde in Angriff genommen und auf den Ausstellungen sehr bewundert[251]. Das Verfahren wurde durch kaiserlichen Beschluss der Allgemeinheit preisgegeben, hat jedoch für die Praxis keinen grossen Wert.

Die „Endlose“.

Eine zweite „Erfindung“ war der Druck vom endlosen Papier. Der Gedanke, den Papierbrei der Papiermaschine an dessen oberen Ende zuzuführen und von dem anderen Ende in die Schnellpresse zu leiten, so dass er aus dieser als gedruckter Bogen herauskam, musste[425] für einen so elastischen Geist wie Auer grosse Anziehungskraft haben. Er brachte ihn auch in seiner Weise, d. h. blendend, zur Ausführung; für die Praxis war der Nutzen ein geringer. Das Papier wurde in eine gewöhnliche Schnellpresse geführt, nach dem Schöndruck durch Mechanismus zerschnitten und die Bogen durch den Hansenschen Ausleger ausgeführt. Der staunende Beschauer ahnte in den seltensten Fällen, dass der Widerdruck auf gewöhnliche Weise, auf einer anderen Schnellpresse besorgt werden musste, und konnte nicht wissen, dass der Lohn eines Anlegers oder einer Anlegerin das einzige war, was hätte gespart werden können, wenn nicht dieser Gewinn durch die Kosten des ganzen Apparates weit überwogen worden wäre.

Maispapier.

Ebensowenig Glück sollte Auer mit seiner Maispapierfabrikation haben[252]. Er brachte zwar eine Ausstellung zustande, in welcher nicht allein verschiedene Sorten Papier, sondern auch manche der Gegenstände zu sehen waren, welche Chinesen und Japanesen aus Papierstoff fabrizieren. Damit blieb aber auch diese Sache ruhen.

Selbst mit dem orientalischen Druckapparat, dem Stolz der Staatsdruckerei, hatte es mitunter einen Haken. Viele Schriften figurierten in den prachtvollen Proben; in der Wirklichkeit sah es mit deren Bestand öfters schwach genug aus.

Auers Hauptfehler war, sich nicht mit dem Schaffen von Tüchtigem zu begnügen, sondern auch blenden zu wollen, und dafür war ihm kein Preis — auf Kosten des Staates — zu hoch. Seine Eitelkeit war noch grösser als seine Tüchtigkeit.

Auers Feinde.

Es konnte an Angriffen — begründeten, unbegründeten, durch Neid hervorgerufenen u. a. — nicht fehlen. v. Plener, des genialen Bruck Nachfolger als Finanzminister, war nicht so geneigt wie letzterer, über die Finanzfrage leicht hinwegzugehen. Auer wurde am 2. März 1866, nach verschiedenen Misshelligkeiten, in Anerkennung seines 25jährigen verdienstlichen Wirkens mit seinem vollen Gehalt definitiv in den Ruhestand versetzt.

Auers Tod.

Auer war nicht geschaffen, männlich den Schlag, die mit diesem verbundene Unthätigkeit und das Vergessensein zu überwinden. Sein Gemütszustand wurde ein immer reizbarerer und die Kräfte aufreibender; er starb bereits am 10. Juli 1869 in Hietzing.

[426]

Auers Einfluss auf die deutsche Typographie.

Hat nun Auer auch dem Glanze zu viel geopfert und nach Alchymistenart öfters Thaler zu Groschen destilliert, so muss sein Einfluss auf die Typographie im allgemeinen und auf die österreichische insbesondere doch sehr hoch angeschlagen werden. Vor seiner Zeit war, wie erwähnt, ein in Österreich gedrucktes Buch ziemlich gleichbedeutend mit einem schlecht gedruckten; dass dies so ganz anders geworden ist, dazu hat Auer direkt und indirekt wesentlich beigetragen; selbst „draussen im Reich“ wurde sein Einfluss gespürt. Die ganze deutsche Typographie hat aus der Weltberühmtheit der Wiener Staatsdruckerei ihren Teil an Ehre und Vorteil gehabt; sie ist verpflichtet, Auers Namen in Ehren zu halten.

Staatsdruckerei unter Beck.

Seit Auers Tod steht die Staatsdruckerei unter der Direktion eines nicht fachmännischen Staatsbeamten, Hofrat Dr. Beck, der sie in angemessenster Weise auf einer achtunggebietenden Stufe erhält, während nicht prätendiert wird, die Führung der jetzt mündig gewordenen österreichischen Typographie fortzusetzen. Ein Hindernis für die rechte Entfaltung der Anstalt ist die vollständig ungenügende Räumlichkeit.

Blindendruck.

Neben dem Geld- und Wertpapierendruck wird unter Mitwirkung des Direktors der Blindenanstalt in Ober-Döbling, Fr. Entlicher, in anerkennenswerter Weise besonderes Gewicht auf den Druck für Blinde gelegt. Bei diesem Druck wird der Pressendeckel mit einem Überzug von Gutta-Percha versehen und darin ein scharfer Abzug von den Typen gemacht. Ist der Gutta-Percha-Überzug vollständig erhärtet, in welchem Zustand er 2–3000 Abzüge aushält, so wird die Schrift mit dem Papierbogen bedeckt, welcher, um eine grössere Zähigkeit zu erzielen, in einem mit Glycerin und Alaun versetzten Wasserbade gefeuchtet ist, in die vertiefte Gutta-Percha-Masse geprägt. Unter den verschiedenen Leistungen im Blindendruck befinden sich auch hebräische Lesebücher und durch erhabene Figuren illustrierte naturgeschichtliche Lehrbücher[253].

Auch die Chromolithographie wird mit Glück von der Staatsdruckerei geübt. Eine ausgezeichnete Leistung ist z. B. das Prachtwerk über die Votivkirche in Wien 1879. Die Reproduktion des[427] Marienfensters (S. 303) übertrifft bei weitem ähnliche Arbeiten Silbermanns.

Budget.

Das Budget der Staatsdruckerei zeigt bei einer Einnahme von etwa zwei Millionen Mark einen Überschuss von etwa 200000 Mark, bei Staatsanstalten ohne Konkurrenz Ziffern ohne grosse Bedeutung. Die Schriftenmasse beträgt 500000 Kilo in etwa 1500 verschiedenen Arten von Typen, darunter gegen 350 fremdländische[254]. Die Zahl der Schnellpressen beträgt 57, der Handpressen 54, ausserdem sind etwa 80 Hülfsmaschinen vorhanden. Die Schriftgiesserei arbeitet mit 14 Giessmaschinen und besitzt etwa 30000 Stempel und 200000 Matern. Die Gesamtzahl der Arbeiter ist gegen 900.

W. v. Braumüller.

Haben wir die Verdienste Auers und der Staatsdruckerei gebührend anerkannt, so ist es Pflicht, einen Mann zu erwähnen, der, obwohl nicht Buchdrucker, einen ganz eminenten Einfluss auf die Buchdruckerkunst in Österreich gehabt hat; es ist der Buchhändler Wilhelm Ritter von Braumüller. Früher bekannt als einer der bedeutendsten Sortimenter Wiens, die mit ihren vollen Börsen oder Portefeuilles und ihrem jovialen Wesen vorzugsweise gern gesehene Gäste zur Leipziger Messe waren, widmete sich Braumüller erst seit dem Jahre 1840 dem Verlag und zwar mit ebenso grossem Geschick und Energie als Glück.

„Von dem Streben geleitet, die wissenschaftliche Litteratur Österreichs dem Auslande gegenüber zur vollen Geltung und Anerkennung zu bringen, hat meine Handlung einen Verlag geschaffen, welcher sowohl nach seinem Werte als der Ausdehnung und Ausstattung nach den ersten Rang einnimmt, und welcher dadurch noch eine ganz besondere Bedeutung gewinnt, dass, hauptsächlich durch die geschmackvolle typographische Ausstattung angezogen, eine grosse Zahl litterarischer Notabilitäten fremder Universitäten durch gediegene Werke dabei vertreten ist. Vor allen ragt quantitativ und qualitativ die Medizin hervor, und die dominierende Stellung, welche Österreich durch seine medizinischen Celebritäten in der wissenschaftlichen Welt Deutschlands einnimmt, spiegelt sich auch in diesem Verlagszweige wieder. Eine Reihe veterinärwissenschaftlicher Werke, durch die Professoren des K. K. Tierarznei-Institutes würdig repräsentiert, schliesst sich demselben an. Die land- und[428] forstwirtschaftliche Litteratur, bis dahin in Österreich gar nicht gepflegt, ist jetzt ausschliesslich in meinem Verlage vereinigt, und durch die Werke der Professoren an den berühmten Fachschulen in Mariabrunn, Ung.-Altenburg, Eulenberg, Hohenheim, Eisenach etc. würdig repräsentiert. Die vortreffliche Ausstattung, welche ich allen Werken mit der grössten Sorgfalt gewidmet, hat ohne Zweifel wesentlich zu einer allgemeinen besseren und würdigeren Ausstattung der litterarischen Erzeugnisse in Österreich beigetragen und auf die Entwickelung anderer Industriezweige, die Papier-Fabrikation, Buchdruckerei, Holzschneidekunst, welchen die obenangeführten Summen zugeflossen, einen nicht zu unterschätzenden Einfluss geübt[255].“

Äusserte sich der Einfluss von Braumüller zunächst auf den Werkdruck zu wissenschaftlichen Zwecken, so hat Wien das Glück, zwei ebenso bedeutende Förderer der Verbindung der graphischen Museum für Kunst.
Gesellschaft für vervielf. Kunst.
illustrierenden Künste mit der Typographie zu besitzen: das Museum für Kunst und Industrie und die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Wenn es in Wien möglich geworden ist, Werke zu schaffen, in welchen Radierung, Xylographie, Hochätzung, Farben- und Lichtdruck in glücklichster Weise zusammenwirken und öfters nahe an die Vollkommenheit reichen, so haben die beiden erwähnten Anstalten durch die von ihnen ausgehenden Anregungen und Druckwerke den Vorwärts-Bestrebungen Wiens einen mächtigen Vorschub geleistet[256].

Prachtwerke.

Unter den Erscheinungen des Museums behaupten Teirichs „Blätter für Kunstgewerbe“ einen hervorragenden Platz. Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst brachte eine Reihe brillanter Publikationen; den grössten Einfluss übt sie jedoch durch ihre Zeitschrift „Die graphischen Künste“, welche nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihre vorzügliche technisch-artistische Ausführung belehrend und fördernd wirkt.

[429]

Unter der Ägide des Vorstandes der K. K. Kämmerei, des kunstsinnigen Grafen v. Crenneville, erschien ebenfalls eine Anzahl der schönsten Prachtwerke. „Die Kunstwerke der Schatzkammer des österreichischen Kaiserhauses“ (1870–1873), „Schloss Schönbrunn“ (1875), „Der kaiserliche Thiergarten“ (1876), „Laxenburg“ (1877). In neuester Zeit kommt zu diesen Erscheinungen das „Jahrbuch der künstlerischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses“, zu welchem als Beilagen der „Frydal“, der „Theuerdank“, der „Weisskunig“, der „Triumph“, die „Ehrenpforte“, die „Heiligen aus der Familie des Kaisers“ gegeben werden, alles Werke, die von dem Kaiser Maximilian veranlasst oder vorbereitet waren und zu welchen die Originale der grossen Zeichenkünstler von damals noch vorhanden sind.

Buchdrucker-Verein.

Aber auch die Buchdrucker selbst haben als Korporation die Hände nicht in den Schoss gelegt. Der unter vielen Opfern im Jahre 1874 gegründete Buchdrucker-Verein hatte zwar zunächst die materiellen und sozialen Verhältnisse des Geschäfts vor Augen, liess jedoch die Fachzeitschrift „Österreichische Buchdrucker-Zeitung“ erscheinen, die bestrebt war, nicht nur für die obgedachten Interessen, sondern auch für die technische Bildung zu wirken. Der Verein löste sich zwar im Jahre 1880 wieder auf, die Zeitung besteht jedoch fort im Besitz des „Graphischen Klubs“, der ausserdem durch Vorträge, Ausstellungen und technische Diskussionen anzuregen sucht. Auch das Gehülfenblatt „Vorwärts“ folgt dem Beispiel des „Correspondent“ und widmet seine Aufmerksamkeit jetzt nicht nur den sozialen Interessen, sondern auch der Technik und der Geschichte.

G. Gistel * 16. Okt. 1825, † 10. Mai 1883.

Durch die Bemühungen des Vereins ist auch seit 1874 eine Fachschule errichtet, von der gute Erfolge zu erwarten sind. Die Seele dieser Vereinsbestrebungen ist namentlich G. Gistel gewesen. Auch um den Unterstützungs-Verein der Buchdrucker und Schriftgiesser Niederösterreichs und die Pensionskasse für Faktoren und deren Witwen hatte Gistel grosse Verdienste, war auch bei allen Tarifverhandlungen, bei der Säkularfeier, kurz bei jeder Gelegenheit, wo die Buchdrucker vereinigt auftraten, bereit, seine Kräfte dem Allgemeinen rückhaltslos zu opfern.

L. C. Zamarski.

An Bedeutung der Staatsdruckerei am nächsten stehend ist die Offizin L. C. Zamarski (früher H. Engel & Sohn und L. C. Zamarski),[430] die namentlich in der Gründerperiode eine erstaunliche Masse von Wertpapieren druckte. Die Anstalt, welche unter der Leitung von A. Pietzsch sich vortrefflich bewährt hat, wurde 1881 an die Papierfabrik Steyermühl um 800000 Gulden verkauft und mit einem Kapital von 3700000 Gulden in eine Aktiengesellschaft umgeformt. Es werden in der Anstalt die „Neue Illustrirte Zeitung“, das „Wiener Tageblatt“, die „Vorstadt-Zeitung“ und die „Deutsche Zeitung“ gedruckt. Vorzüglich sind ihre, unter Leitung von A. Frantz hergestellten Heliographien. Die Offizin arbeitet mit 28 Schnellpressen und beschäftigt gegen 350 Personen. Engels Erben befassen sich namentlich mit lithographischen Arbeiten; sie lieferten u. a. die japanischen Postmarken.

R. v. Waldheim.

Ein vielseitiges, grosses Institut ist ebenfalls die Verlagsbuchhandlung und Artistische Anstalt von R. v. Waldheim (22 Schp., 25 Hdp. und gegen 250 Arbeiter), die eine bedeutende Zahl von illustrierten Werken namentlich technischen Inhalts herausgiebt und vielen technischen, kriegswissenschaftlichen oder in das Eisenbahnwesen einschlagenden Zeitschriften, wir nennen nur Teirichs „Blätter für das Kunstgewerbe“ und die „Allgemeine Bauzeitung“, druckt, verlegt oder debitiert, auch viele Accidenzien liefert.

C. Fromme.

Carl Fromme zeichnet sich besonders durch seine geschmackvollen und korrekten Accidenzarbeiten aus. Eine Spezialität, die er mit Virtuosität betreibt, ist der Kalenderdruck. Typographische Kraftstücke Frommes sind die Bilderreihe der Regenten Österreichs und die Stammtafel der Zisterzienser-Klöster. Diese zehn Meter lange Tafel besteht aus 108 Formen, in zwei Farben ausgeführt. Der Druck und die Zurichtung sind so vorzüglich, dass die Zusammensetzung dem Auge vollständig unbemerkbar ist.

Rollinger & Mössner.

Die Arbeiten von Rollinger & Mössner sowohl im Accidenz- als im Werkdruck gehören mit zu den vollendetsten der neueren Typographie. Die Genannten zählen unter die nicht zu zahlreichen Buchdrucker, welche nichts für unbedeutend halten und eben deshalb Mustergiltiges liefern, z. B. die „Geschichtsquellen der Stadt Wien“. Zu derselben Klasse, jedoch meist in anderer Richtung A. Holzhausen.arbeitend, gehört Adolf Holzhausen, dessen Offizin an orientalischen Schriften sehr reich ist und dessen Drucke denen der Staatsdruckerei vollkommen ebenbürtig sind. Er lieferte den Druck[431] des oben erwähnten Jahrbuchs der kaiserlichen Sammlungen und Albrecht Dürer würde gewiss den „Ansichten aus der Presse“ von seinen und der gleichzeitigen Meister Arbeiten sein imprimatur G. Gistel.
Fr. Jasper.
nicht verweigert haben. Zu den strebsamen Buchdruckern der jüngsten Zeit gehören der erwähnte G. Gistel und Fr. Jasper. Letzterer druckte die Festgabe zu dem 400jährigen Jubiläum, und liefert sehr gute Illustrationsdrucke.

H. Reiss * 28. Aug. 1799.

Einen ganz besonderen Ruf hat sich Wien durch seinen xylographischen Farbendruck erworben. Der erste, der sich durch diesen auszeichnete, war Heinrich Reiss, aus einer Familie, die von altersher eine Buchdruckerei besass, welche er, nachdem er erst verschiedene Reisen gemacht hatte, 1828 übernahm. 1850 folgte er jedoch einem Rufe der Staatsdruckerei, leitete später die Buchdruckerei von Zamarski und gab sich seit 1857 ganz der Kunstdruckerei hin. Seine Hauptarbeit, an der er 23 Jahre lang gearbeitet hatte, ist das Missale Romanum mit etwa 90 Miniaturen von H. Knöfler. Zu der Herstellung eines Bildes wurden bis zu 15 Platten verwendet. Vorzüglich sind die zwei grossen Titelblätter, das Abendmahl und Christus am Kreuze. Der Text bildet einen Folioband von mehr als 700 zweispaltigen Seiten. Die Grundschrift ist eine fette Gothisch, zu der besondere Initialen geschnitten wurden. Das Papier, ein geripptes Büttenpapier, ist jedoch, wie auch der Textdruck, von sehr ungleicher, mitunter sogar geringer Qualität. Aus diesem Grunde fehlt, trotz der ausserordentlichen Aufopferung seitens Reiss' und der Vorzüglichkeit des Bilderdruckes, dem Werk, als Ganzes betrachtet, doch gar vieles, um als ein typographisches Denkmal ersten Ranges zu gelten. Derartige Werke dürfen nicht Not leiden und müssen in Händen eines Herausgebers sein, dem es möglich ist, bis ans Ende ruhig auszuhalten. Deshalb aber nicht weniger Ehre dem Andenken eines echten Jüngers Gutenbergs. Sein Geschäft übernahm Ludw. Lott, vorher als technischer Leiter der „Alten Presse“ und als Einführer der „Endlosen“ auf dem Kontinent bekannt. Er wirkte im Geiste seines Vorgängers fort und seine Arbeiten fanden in England und Amerika allgemeine Bewunderung. Seine Drucke auf Blech sind ebenfalls vortrefflich.

Prag.

Eine ziemlich bedeutende Thätigkeit entwickeln in Prag 33 Buchdruckereien und 30 lithographische Anstalten mit ihren[432] 114 typographischen und 25 lithographischen Schnellpressen. Die bedeutendste Offizin ist die von A. Haase (S. 290) mit 21 Schnellpressen und 18 Handpressen. Ign. Fuchs (11 Schp., 19 Tr.- u. Hdp.) liefert sehr gute lithographische Arbeiten, auch J. Farsky bringt Tüchtiges in dieser Richtung. Dr. Ed. Grégrs Offizin arbeitet mit Rotationsmaschine und 5 Schnellpressen. H. Mercy (9 Schp.) druckt namentlich Werke. Die Buchdruckerei der K. K. Statthalterei beschäftigt 7, die Buchdruckerei für Politik 8, J. Otto 7, B. Styblo 6, C. Bellmann 7 Schnellpressen.

Reichenberg.

Die Fabrikstadt Reichenberg besitzt eine grossartige graphische Anstalt, die der Gebr. Stiepel, welche durch 13 Schnellpressen und 20 Tret- und Handpressen die zahlreichen Fabriken mit Etiketten, Geschäftskarten, Rechnungsformularen etc. versieht. Tetschen.Das kleine Tetschen an der Elbe hat auch eine bedeutende Druckanstalt aufzuweisen, die von F. W. Stopp, welche (mit 7 Schp., 7 Hdp.) hauptsächlich für lithographische Arbeiten eingerichtet Teschen.ist. In Teschen in Österr. Schlesien befindet sich die Offizin von K. Prochaska (10 Schp.), eine der besten Provinzdruckereien Österreichs. Sie wurde 1806 von Thomas Prochaska gegründet.

Brünn.
Lemberg.

In Brünn arbeiten hauptsächlich für Lokalbedürfnisse W. Burkart (7 Schp.), Buschak & Irrgang (4 Schp.), Carl Winiker (5 Schp.), R. M. Rohrer (6 Schp.). Galizien bietet nur wenig von Interesse. In Krakau, einst von Bedeutung in der typographischen Geschichte, druckt die Offizin des Czas (5 Schp.) und die Buchdruckerei der Akademie der Wissenschaften H. Lisicki & Co., in Lemberg E. Winiarz (4 Schp.).

Graz.

Unter den Offizinen des südlichen Österreichs ist die Aktiendruckerei Leykam-Josefsthal (15 Schp., 16 Tr.- u. Hdp.) in Graz eine weit verzweigte graphische Anstalt, die manches Gute geliefert hat. Die Grazer „Post“ wurde 1882 an eine zweite Gesellschaft Leykam für gegen 1100000 M. verkauft. Die Gesellschaft Styria und die Gutenberg-Druckerei in Graz beschäftigen je 5 Schnellpressen. In Innsbruck verfolgt die Wagnersche Buchdruckerei eine wissenschaftliche Richtung. In Linz wirken A. Eurich und J. Wimmer. Die älteste Druckerei Österreichs besitzt Klagenfurt. Hier etablierte sich Ferd. v. Kleinmayr 1548. Sein Nachfolger gründete 1777 die „Klagenfurter Zeitung“. In Laibach feierte die[433] Offizin von J. v. Kleinmayr & F. Bamberg (4 Schp.) 1882 ihr Triest.100jähriges Jubiläum. In Triest hat sich die Buchdruckerei des Österr.-Ungar. Lloyd als eine tüchtige Vertreterin der Kunst bewiesen und wirkte auch früher als bedeutende Verlegerin illustrierter Werke.

Von der Holzschneidekunst in Wien und den Meistern, welche diese förderten J. G. Prestel, Blasius Höfel, Friedr. v. Exter, H. Knöfler u. a., wurde bereits (S. 300) berichtet, auch fanden die Paul Pretzsch * 1808, † 28. Aug. 1873.wichtigen Erfindungen von Paul Pretzsch (S. 14) Erwähnung. Je weniger das verdienstvolle Wirken dieses Mannes vom Glück begünstigt war und je öfter der Versuch gemacht wurde, seine Erfinderehre zu schädigen, namentlich seitens englischer Erfinder, um so mehr gebietet es die Pflicht, hier seiner mit einigen Worten noch zu gedenken.

Pretzsch war als Sohn eines Goldarbeiters in Wien geboren, lernte dort die Buchdruckerkunst und trat nach längerem Aufenthalt im Auslande in den Dienst der K. K. Hof- und Staatsdruckerei, welche er 1851 auf der Londoner Weltausstellung vertrat. Dort erhielt er auf Grund der von ihm ausgestellten Photographien eine Prämie und nun entstand in ihm der Gedanke, Photographien druckbar zu machen, weshalb er sein Engagement bei der Staatsdruckerei aufgab, 1854 wieder nach London ging und dort neun Jahre blieb, um seine Pläne zur Ausführung zu bringen. Seine Erfindung, Tiefdruckplatten von Photographien herzustellen, nannte er Photogalvanographie und sie wurde einer Patent-Photo-Galvanographic-Society zur Ausbeutung übergeben, welche 1856 fünf Hefte eines Werkes in Grossfolio unter dem Titel Photographic Art Treasures herausgab. Nach etwa zweijährigem Bestehen löste sich jedoch die Gesellschaft auf und Pretzsch war wieder auf sich selbst angewiesen, während Fox Talbot, der die Erfindung gemacht hatte, durch Ätzung Photographien druckbar zu machen, ihn auf Grund seines Patentes verfolgte, wennauch ohne Resultat, da Pretzschs Verfahren sich nicht auf Ätzen gründete.

Nach der Weltausstellung 1862 kehrte Pretzsch nach Wien zurück und war längere Zeit schwer leidend, so dass er erst 1864 seine Thätigkeit wieder aufnehmen konnte. Diese richtete sich nun vornehmlich auf Herstellung von Hochdruckplatten und nach[434] mannigfachen, mühsamen und kostspieligen Versuchen gelang ihm auch die Fertigstellung solcher, von welchen Proben 1873 in Wien ausgestellt waren.

Hiermit war das wichtigste Problem der Illustration der Zukunft zwar Wirklichkeit geworden, jedoch noch nicht in zufriedenstellender Weise; denn die Platten besassen nicht Tiefe genug, um mit Leichtigkeit in der Buchdruckerpresse behandelt zu werden. In Berücksichtigung der hohen Bedeutung, welche die Erfindung möglicherweise würde erreichen können, erhielt Pretzsch eine Staatsunterstützung, um seine Versuche weiterzuführen, und noch wenige Stunden vor seinem Tode war er mit diesen beschäftigt.

In der Zeit der Blüte der Schwarzlithographie erreichte Kriehuber im Porträtfache eine bis dahin unbekannte Meisterschaft. Die Chromolithographie fand einen günstigen Boden, der zuerst von der K. K. Staatsdruckerei bebaut wurde. Das erste Werk von Bedeutung waren die Aquarellbilder nach niederösterreichischen Bauwerken von Conr. Grefe, welcher Künstler überhaupt besondere Verdienste um den Buntdruck hat. Ed. Hölzel lieferte namentlich viele gute Landschaftsbilder; sein bestes Blatt und eines der besten der Öldruckbilder überhaupt dürfte „Die beiden Brüder“, nach v. Defregger sein. Seine instruktiven, geographischen und naturwissenschaftlichen Blätter und die architektonischen Bilder nach J. Langl, in Sepiamanier gedruckt, sind höchst wertvolle Erscheinungen. Reifenstein und Rösch (jetzt G. Reifenstein), Haupt & Czeiger, A. Hartinger & Sohn, Fr. Paterno lieferten gutes, die ersteren beiden Firmen im figürlichen, die beiden letzteren im naturwissenschaftlichen und geschichtlichen Unterrichtsfache.

Ed. Sieger * 12. Dezbr. 1810. † 21. Jan. 1876.

Im lithographischen Accidenzfache zeichnete sich Ed. Sieger aus. Seine Riesenplakate wurden angestaunt und seine Erfindung des Ivoirit, einer täuschenden Imitation des Elfenbeins, brachte, in Bücherbänden oder in Ebenholz-Kassetten und Möbeln eingelegt, eine frappante Wirkung hervor.

Die Zinkhochätzung fand tüchtige Vertreter, unter welchen C. Angerer & Göschl ihr Verfahren zur ganz besonderen Vollkommenheit brachten. Auch C. Haack erwarb sich einen Namen, Moritz und Max Jaffé traten mit der Jaffétypie auf. Die Kupferstecherkunst, welche sehr zurückgegangen war und wesentlich nur[435] in den Prämienblättern und den Nieten der Kunstlotterien fortvegetierte, trat durch die Ernennung Louis Jacobys (jetzt in Berlin) zum Professor dieser Kunst in ein neues Stadium des Fortschrittes. Die Radierung kam besonders durch W. Unger zu Ehren. Die Photographie, namentlich die Porträtphotographie, wurde mit viel Glück in Wien geübt.

In der Verwendung aller graphischen Kunstzweige, namentlich der in der Photographie wurzelnden, ist das Militär-geographische Institut berühmt geworden. Es entstand 1839 durch Vereinigung der topographisch-lithographischen Anstalt des K. K. Generalstabes in Wien mit dem zu Mailand bestandenen Deposito della Guerra. Die Anstalt kultiviert die Kartographie in ausgedehntester Weise unter Verwendung aller neueren Verfahren. Unternehmungen wie die Karte der Umgebungen Wiens in 48 Blättern; die Spezialkarte der Österreich-Ungarischen Monarchie in 720 Blättern, die Generalkarte von Zentral-Europa in 192 Blättern, und viele andere gehören zu den Meisterwerken der Kartographie.

Die Buchbinderkunst steht in Wien schon seit langer Zeit im Ansehen, wird jedoch noch mehr in den sogenannten Galanterie-Arbeiten als in der eigentlichen Buchbindung geübt. Vortrefflich sind in letzterer Richtung die Mosaikbände mit wirklichen Ledereinlagen, nicht nach französischer Art mit nur aufgelegtem dünn geschabten Leder. Namen wie A. Klein, Leop. Groner, Conr. Berg u. a. haben den besten Klang.

Unter solchen Verhältnissen wie den obengeschilderten konnte Wien, wo die Zustände im Jahre 1840 den Gedanken an ein fröhliches Gutenbergfest, wie das in Leipzig, nicht aufkommen liessen, sich mit Befriedigung zur Begehung des vierhundertjährigen Festes der Einführung der Kunst in Wien (I, S. 49) rüsten. Schon Jahre vorher waren die Vorbereitungen getroffen, namentlich für die Herausgabe einer bedeutenden Festschrift, einer Geschichte der Kunst in Wien seit vier Jahrhunderten, welche zugleich Proben der Leistungsfähigkeit der graphischen Anstalten vorführen sollte[257]. Das Fest fand am 24.–25. Juni 1882 statt und wurde durch einen Aktus, verbunden[436] mit einer durch v. Eitelberger arrangierten historischen Ausstellung, eröffnet. Die eigentliche Festrede hielt der österreichische Generalkonsul in Leipzig, Karl v. Scherzer, wie bereits erwähnt ein früherer Gutenbergsjünger. Ein allgemeines Fest fand am 25. Juni in Hietzing in der „Neuen Welt“ statt, wo gegen 14000 Festgenossen sich versammelt hatten und wo Karl Höger als Festredner auftrat.


Ungarn. Buda-Pest.

In Ungarn steht die Buchdruckerei im allgemeinen nicht auf einem sehr hohen Standpunkte. Buda-Pest ist selbstverständlich der Sammelpunkt der bedeutendsten Offizinen. Im Jahre 1851 waren dort 8 Druckereien vorhanden mit 22 Schnellpressen; 1870 bereits 50 mit 140 Schnellpressen; 1882 48 Buchdruckereien und 23 lithographische Anstalten mit 130 Schnellpressen und 200 Tret- und Handpressen.

Staatsdruckerei.

Die Staatsdruckerei Ungarns besteht in ihrem jetzigen Umfange (16 Schp., 18 Hdp., 250 Arbeiter) erst seit der Trennung der Verwaltung Ungarns und Österreichs und befand sich früher in Temesvar als Filiale der Staatsdruckerei in Wien. Sie liefert sehr viele Accidenzarbeiten und Wertpapiere, die nicht auf der Höhe der Vollkommenheit stehen. Neben Gutem findet sich unter ihren Arbeiten manches Mittelgute. Die, unter ausgedehnter Anwendung der Galvanoplastik, gelieferten Kartenwerke haben einen grossen Umfang.

Druckereien in Buda-Pest.

Einen bedeutenden Aufschwung hat die Pester Buchdruckerei-Aktien-Gesellschaft, geleitet von Siegm. v. Falk, genommen; sie arbeitet in gedeihlicher Weise mit 15 Schnellpressen, 8 Handpressen und 200 Personen. Die Aktiengesellschaft Athenäum (12 Schp., 12 Giessm., 250 Arb.) druckt nicht weniger als zwanzig periodische Schriften. Die Offizin der Aktiengesellschaft Franklin-Verein (Rotm., 11 Schp., über 200 Arb.) hat sowohl als Werk- wie als Accidenzdruckerei einen guten Ruf. Im Jahre 1873 erwarb der Verein den bedeutenden Verlag von Gustav Heckenast, der einen wesentlichen Anteil an dem Aufblühen des Buchhandels in Ungarn gehabt hat. Er kam als Apotheker nach Pest, übernahm aber, als der dort etablierte Otto Wigand aus Göttingen auf Grund politischer Verhältnisse Ungarn schleunigst verlassen musste, dessen Geschäft und verband sich 1840 mit dem Buchdrucker Landerer. Mit seinen[437] nationalen Verlagsunternehmungen hatte Heckenast viel Glück, namentlich mit dem von Kossuth redigierten Pesti Hirlap. Später gab er die illustrierte „Sonntags-Zeitung“ heraus.

Die von der Gesellschaft Hungaria 1869 gegründete, schön eingerichtete, Buchdruckerei (verbunden mit Verlagsgeschäft) druckt mit Rotationsmaschine das „Neue Pester Journal“ und das „Volksblatt“ und beschäftigt 170 Arbeiter. Das grosse Geschäft von Gebr. Légrádý liefert namentlich zahlreiche Jugendschriften, Victor Hornyánsky viele sehr gut gedruckte Bibeln in verschiedenen Sprachen. Ausserdem sind zu erwähnen die Universitäts-Buchdruckerei (7 Schp.) und die bedeutenden Zeitungsdruckereien: Khór & Wein, welche das „Illustrirte Tageblatt“ auf Augsburger Rotationsmaschine drucken, Ph. Wodianer, M. Deutsch (10 Schp.). Vortreffliche Arbeiten im kaufmännischen Accidenzfach gehen aus den Pressen der typo-lithographischen Anstalt von C. L. Posner (7 Schp., 11 Hdp.) hervor.

Mor. Ráth gab als Verleger zwar eine Reihe von vorzüglich ausgestatteten Prachtwerken heraus, da er jedoch die Mehrzahl in Wien drucken liess, so kann man aus denselben sich kein Bild der Leistungsfähigkeit der Pester Typographie machen.

Hervorragende Druckanstalten besitzt Transleithanien sonst nicht. In Agram befindet sich die wohleingerichtete Druckerei und lithographische Anstalt von C. Albrecht mit 6 Schnellpressen und die der Landesregierung gehörende Offizin des Narodne Noviny (4 Schp.). Gutes leisten in Raab Sandor Czéh; in Temesvar Gebr. Magyar; in Szegedin Burger & Co.; in Neusatz befindet sich die Druckerei des Serbischen National-Vereins. Das „okkupierte“ Bosnien hat eine nach neuestem Zuschnitt gut eingerichtete K. K. Landesbuchdruckerei in Serajewo.


Während in dem Jahre 1856 der österreichische Gesamtstaat (die italienischen Provinzen nicht mitgerechnet) kaum 200 Druckoffizinen aufwies, besassen die cis- und transleithanischen Länder 1882 in 372 Städten 756 Buchdruckereien, 345 lithographische Anstalten, 29 Schriftgiessereien und 1183 Buchhandlungen. Die Zahl der vorhandenen Schnellpressen betrug 1568, die der Hand- und Tretpressen 2250. Beschäftigung fanden gegen 15000 männliche,[438] 3500 weibliche Arbeiter und 2000 Lehrlinge. 38 Gehülfen-Vereine hatten 4162 Mitglieder und, darin eingerechnet das Vermögen des Wiener Unterstützungs-Vereins von etwa 300000 Mark, ein Gesamtkapital von über einer Million Mark.

Vergleichen wir die Österreichisch-Ungarische Monarchie mit dem Deutschen Reiche, so geht hervor, dass erstere bei einem Umfange von 11300 Meilen und einer Bevölkerung von etwa 37500000 Menschen in der graphischen Produktion sehr gegen letzteres zurückbleibt. Scheiden wir die österreichische Monarchie in vier graphische Gruppen, so erhalten wir als Resultat folgende Zahlen:

    Buchdruck. Lithogr. Anstalten Typogr. Schnellpr. Lithograph. Schp.
I. Die nördliche Gruppe:
Schlesien, Böhmen, Mähren, Galizien, Bukowina
251 148   442   75
II. Die mittlere Gruppe:
Nieder- und Oberösterreich, Salzburg
190 111   450   79
III. Die südliche Gruppe:
Tirol, Steiermark, Kärnthen, Krain, die Küstenländer
  73   31   450   79
IV. Die östliche Gruppe:
Ungarn, Siebenbürgen, Slawonien, Kroatien, Bosnien
242   55   344   11
    756 345 1369 199

Die rein deutsche Gruppe II, mit der Kaiserstadt, in welcher fast alle bedeutenden graphischen Anstalten ihren Sitz haben, und in der über eine Million Menschen lebt, ist mehr als anderthalbmal so gross an Umfang als das Königreich Sachsen und zählt nur etwa 200000 Einwohner mehr. Nichtsdestoweniger beträgt in Sachsen die Zahl der Buchdruckereien 136, der lithographischen Anstalten 101 und der Schnellpressen 663 mehr als in der österreichischen Gruppe II.

[439]

Das Deutsche Reich, einen Umfang von etwa 2000 □Meilen weniger als Österreich-Ungarn besitzend und etwas über 5 Millionen Einwohner mehr zählend, hat 2633 Buchdruckereien, 1649 lithographische Anstalten, 5708 Schnellpressen und etwa 3000 Buchhandlungen mehr. Bei einer solchen Zusammenstellung darf jedoch nicht übersehen werden, dass in den cis- und transleithanischen Ländern die Zahl der Deutschsprechenden nicht viel mehr als den vierten Teil der Einwohner beträgt.

Ebenso ungünstig stellt sich das Verhältnis, wenn wir die österreichisch-ungarischen Städte mit 50000 Einwohnern und mehr mit den deutschen (S. 276) zusammenstellen. Es giebt in Österreich deren nur zehn, nämlich:

Städte Einwohnerzahl Buchdruck. Lithogr. Anst. Buchhandl. Zeitschriften
Buda-Pest 365000 49 24 57 83
Prag 190000 33 30 83 84
Triest 124000 10   4 12   6
Lemberg 104000 15   4 22 33
Graz   94000   7   9 26 17
Brünn   82000 12   6 15 24
Szegedin   76000   4   1   4   2
Krakau   61000   6   2 15   8
Debreczin   52000   3   1   2   2
Pressburg   50000   6   3   4   2

Die Bücherproduktion Österreichs lässt sich nicht wohl aus der des ganzen deutschen Litteraturgebietes ausscheiden. Die Büchereinfuhr in Österreich betrug 27620 Meterzentner, die Ausfuhr 9378; da von letzterer jedoch die Remittenden der in Kommission versandten Artikel abgehen, so kann die wirkliche Ausfuhr kaum auf 4000 Meterzentner geschätzt werden. Merkwürdigerweise stellt sich das Verhältnis bei Musikalien noch ungünstiger, da bei einer Einfuhr von 937 Meterzentner nur 66 Zentner ausgeführt wurden. Trotz der geringen Ziffern hat sich die Einfuhr seit 1860 zwei und einhalbmal, die Ausfuhr einmal erhöht.

[440]

Die Zahl der Journale war zum Beginne des Jahres 1880 in den im Reichsrate vertretenen Kronländern 1074, darunter 340 politische Tages- und Wochenblätter. Von der Gesamtzahl erschienen 79 täglich, 80 mehrmals wöchentlich, 310 wöchentlich, 211 vierzehntägig, 226 monatlich. 728 Journale waren in deutscher, 73 in polnischer, 131 in tschechischer Sprache. Wien beteiligte sich mit 483 Zeitschriften. 1872 hatte ein Rückgang in der politischen Zeitungspresse stattgefunden und es erschienen 19 Tagesblätter weniger als 1871.

Ungarn lieferte damals 558 Zeitungen, davon 356 in magyarischer, 120 in deutscher, 56 in slawischer und 21 in rumänischer Sprache. Die Zahl der magyarischen Blätter hat seit der Zeit um 70 zugenommen, in Buda-Pest erschienen 168; in den übrigen Sprachen ist die Zahl ziemlich unverändert geblieben.

Fußnoten:

[244] Journ. f. B. 1846.

[245] J. T. v. Trattner, Der gerechtfertigte Nachdrucker. Wien 1778.

[246] Während Trassler noch als Faktor bei Trattner arbeitete, hatte letzterer für den nachmaligen Kaiser Josef II. eine kleine Buchdruckerei eingerichtet. Ein grosser vortrefflicher Holzschnitt von F. v. Exter (S. 302) hat eine Szene aus dieser Druckerei verewigt, wo der Prinz an dem Bengel zieht, Trassler die Ballen einschwärzt und Trattner gute Lehren erteilt. Die Presse selbst befindet sich in dem Museum der K. K. Staatsdruckerei.

[247] Annalen d. Typ. 1875, Nr. 327. — „Zur hundertjährigen Gründungsfeier“ etc. Wien 1815.

[248] Franz Raffelsberger, Proben der ersten graphischen Typen. Wien 1838.

[249] A. Auer, Über das Raumverhältniss der Buchstaben. Wien 1848.

[250] A. Auer, Geschichte und Beschreibung der K. K. Hof- und Staatsdruckerei. 1851. — Der polygraphische Apparat, 1851. — Album der K. K. Hof- und Staatsdruckerei. 1853. — Die K. K. Hof- und Staatsdruckerei auf der Pariser Ausstellung. 1855.

[251] A. Auer, Die Entdeckung des Naturselbstdruckes. 1853. — K. v. Ettinghausen und A. Pokorny, Die wissenschaftliche Anwendung des Naturselbstdruckes. Wien 1856.

[252] J. Arenstein, Österreich auf der internationalen Ausstellung 1862.

[253] Jos. Trentsensky, Erzeugung von Schriften en haut-relief für Blinde. Wien 1836. — Freisauff v. Neudegg, Die Ektypographie für Blinde. Wien 1837.

[254] 1876 erschien die zweite Auflage der Alphabete des gesamten Erdkreises.

[255] Die obigen nicht wenig zuversichtlichen Worte gehören dem Herrn v. Braumüller selbst und sind dem Vorwort zu seinem Jubelkatalog entnommen. Es ist eine eigene Sache, in einem geschichtlichen Buch jemand sein eigenes Lob aussprechen zu lassen; wenn man jedoch mit gutem Gewissen jedes Wort unterschreiben kann, weshalb dann nicht? — C. Beyer, Wilh. v. Braumüller und Heinr. v. Cotta.

[256] Eitelberger, Die Kunstbewegung in Österreich. 1878.

[257] Das Werk gewann einen grösseren Umfang, als anfänglich vorgesehen war. Bis jetzt erschien der erste Band, gedruckt bei Fr. Jasper, mit vielen Beilagen.

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XVI. KAPITEL.

DIE ZWEIGE DER GERMANISCHEN GRUPPE.

Dänemark. Fortschritte der Typographie: B. Luno, Gebr. Thiele, C. Ferslew & Co. u. a. Die Chemitypie: C. Piil. Die Giessmaschine: L. Brandt. Die Setzmaschine: C. Sörensen. Die Schreibkugel: Malling Hansen. Island, Grönland. Norwegen. Geistiges Leben. Schweden. Norstedt & Söner, Central-Tryckeriet u. a. Finnland. Russland und Polen. Die Staatsdruckerei und andere Offizinen. Das Zeitungswesen. Die Donauländer: Serbien, Rumänien, Bulgarien. Griechenland.

DÄNEMARK UND NORWEGEN.

Die Presse in Dänemark.
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EGEN das Ende des XVIII. Jahrhunderts ergriff die politische und geistige Gährung auch Dänemark und übte ihre Wirkung auf die Presse aus. Unter dem allmächtigen Ministerium Struensee wurde 1770 am 14. September die schrankenloseste Pressfreiheit eingeführt, was nicht ohne gröbliche Ausartungen abging. Wie gewöhnlich trat dann als Gegensatz eine weit über das Ziel schiessende Reaktion ein, deren Schlussstein die Verordnung vom 27. September 1799 war, durch welche die Zensur wieder eingeführt wurde und die Verfolgungen gegen die Presse ihren freien Lauf nahmen. Ausserdem begann das XIX. Jahrhundert sehr unglücklich für Dänemark, welches die damals herrschende Politik mit dem[442] Bombardement von Kopenhagen, dem Verlust seiner glänzenden Flotte und der Abtretung Norwegens bezahlen musste[258].

Unter diesen Verhältnissen konnte die Typographie Dänemarks in der ersten Hälfte der Periode und noch länger keine grossen Fortschritte machen. Es herrschte kein guter Geschmack und die Produktionen gingen nur selten über das Mittelgute hinaus. Als bedeutendere Erscheinungen sind zu nennen: Den danske Vitruvius, 2 Bände, Folio; Langebecks Scriptores rerum danicarum, 8 Bände, Folio; Beskrivelse over danske Mönter og Medailler, 3 Bände, Folio; Flora Danica, ein sehr bedeutendes und umfangreiches Werk.

Die Typographie in Kopenhagen.

Die Buchdruckereien in Kopenhagen beherrschten, durch Innungsverhältnisse begünstigt, die Buchdruckereien der Provinz. Die Autoren suchten, da der Buchhandel nicht gut organisiert war, zumteil Verleger im Auslande.

E. H. Berling * 1689, † 1759.

Carl Heinrich Berling, Sohn des eingewanderten E. H. Berling (I, S. 156), erwarb das Privilegium der Posttidender, welche den Titel Statstidende, später Berlingske Tidende annahm, unter welchem Namen sie noch heute besteht. Viele Jahre hindurch waren dieses und ein anderes, ungefähr auf derselben Stufe der Mittelmässigkeit stehendes Blatt, Dagen, die einzigen Quellen tagesgeschichtlicher Weisheit.

Das Volk verfiel in ein durch Geistesspielereien gewürztes weichliches Wohlleben, aus welchem der Nationalgeist erst durch die Dichtungen Adam Oehlenschlägers erwachen sollte. Allmählich fielen die Schranken der Presse wieder und es erblühte ein überaus reges geistiges Leben, das ebenfalls die Entwickelung der Buchdruckerei und des Buchhandels im Gefolge hatte.

Bianco Luno * 27. Juni 1795, † 12. Aug. 1852.

Im Jahre 1825 kam die erste Schnellpresse nach Dänemark. Der eigentliche Schöpfer des guten Geschmacks und der Typographie im Sinne der Neuzeit war Bianco Luno[259], der sich, nach vielfachen Wanderungen in Italien, Ungarn und Deutschland, 1831 in Kopenhagen etablierte. Die Ausstattung und Ordnung seiner[443] Druckerei war eine noch nicht in Dänemark bekannte und würde selbst im Auslande als eine mustergültige gegolten haben. Er lieferte namentlich in Werk- und tabellarischen Arbeiten vortreffliches. Die Druckerei arbeitet jetzt mit 9 in Kopenhagen von Eickhoff gebauten Schnellpressen.

Gebr. Thiele.
J. R. Thiele † 1876.

In feineren Accidenz- und illustrierten Drucken sind die Brüder Just und Andreas Thiele, Nachkommen eines 1770 aus Lemgo eingewanderten Buchdruckers Joh. Rud. Thiele, in Dänemark unübertroffen. Sie erhielten ihre Ausbildung in der Brockhausschen Offizin in Leipzig und können sich mit den besten Illustrationsdruckern Deutschlands messen. Als Beispiele ihrer Leistungen seien erwähnt: Illustreret Tidende, The old northern Runic monuments und Queen Dagmars Cross in Farbendruck. Die Offizin ist die grösste in Dänemark und arbeitet mit 17 König & Bauerschen Schnellpressen. Die Gebrüder Thiele drucken auch die Noten der Bank, die Postmarken und fast alle dänischen Wertpapiere.

C. Ferslew.

Als Zeitungsdruckerei steht die Offizin C. Ferslew & Co. obenan. Sie verbindet Typographie mit Lithographie und Papierfabrikation. Ferslew druckte zuerst mit einer „Victoria-Endlosen“. Drei grosse Tageszeitungen werden in der Offizin hergestellt, in welcher 9 Kastenbeinsche Setzmaschinen und 11 Ablegemaschinen arbeiten, wohl mehr als für den Augenblick im ganzen Deutschen Reich. Bei der Bedienung sind mehr als dreissig Mädchen unter Leitung einer Directrice beschäftigt. Um den Satz zu beschleunigen, werden schlecht geschriebene Manuskripte erst mittels der Malling Hansenschen Schreibkugel (S. 446) umgeschrieben und dann dem Setzer übergeben, wodurch es möglich wird, den Hauptteil einer grossen Zeitung in zwei Stunden herzustellen. Die als eine Neuheit von Beschke in Deutschland eingeführten Wetterkarten werden schon seit fünf Jahren bei Ferslew hergestellt.

Das Beispiel Lunos und Thieles hat sehr befruchtend gewirkt und der dänische Druck nimmt im ganzen eine sehr respektable Stellung ein. Die Offizin von Berling, welche jetzt nur die Berlingske Tidende mit Rotationsmaschine aus der Fabrik Eickhoff in Kopenhagen druckt, hat sich durch Einführung der technischen Verbesserungen und Erfindungen des Auslandes verdient gemacht. Der letzte männliche Besitzer der Firma Carl Berling spielte als[444] Kammerherr, Reisemarschall und Günstling des Königs Friedrich VII. eine Rolle. Er starb auf einer Reise in Ägypten am 30. März 1871. Geachtete Namen erwarben sich unter anderen Andreas Seidelin und die von J. F. Schultz begründete Hofbuchdruckerei, jetzige Universitätsbuchdruckerei von J. H. Schultz, welche mit 12 Schnellpressen namentlich Regierungs-, Universitäts- und Kommunalarbeiten liefert. In der Provinz ist zu nennen die über 110 Jahre bestehende Fyens Stifts-Buchdruckerei in Odense, wo die Wiege der dänischen Buchdruckerei stand (I, S. 74).

Statistisches.

Zur Zeit hat Dänemark 175 Buchdruckereien (davon 71 in Kopenhagen) mit einem Arbeitspersonal von 1438 Köpfen, darunter 746 Setzergehülfen, 354 Setzerlehrlinge; 69 Setzerinnen, namentlich bei den Setzmaschinen thätig; 176 Drucker, 82 Druckerlehrlinge. Die Zahl der Schnellpressen ist 294, der Tretpressen 36 (davon in Kopenhagen 151 Schnellpressen, 35 Tretpressen). 90 Handpressen werden wohl, wie überall, fast nur als Korrekturpressen dienen[260].

Die litterarische Produktion ist nicht so genau wie in Deutschland anzugeben, da die einzige Kontrolle in der angeordneten Ablieferung eines Exemplars jeden Druckwerkes an die königliche Bibliothek besteht. Eingereicht wurden im Jahre 1880 349 Zeitschriften, 1806 Bücher und Broschüren. In Kopenhagen erscheinen 14 Tageblätter zumeist im Format der grossen Pariser Zeitungen; in den Provinzen 50. Kopenhagen hat 14 illustrierte Wochenblätter, unter welchen die humoristischen eine grosse Verbreitung haben.

Xylographie und Chemitypie.

Die Xylographie, früher hauptsächlich durch Deutsche geübt, leistet sehr anerkennenswertes; die bedeutendsten Anstalten sind die der Illustreret Tidende, H. P. Hansen, F. Hendrikson und J. J. Rosenstand. Die Chemitypie verdankt dem Dänen Chr. Piil[261] ihr Dasein und ist in Dänemark sehr beliebt geworden. Öfters wird sie mit der Zinkhochätzung verwechselt, jedoch beruht sie auf anderen Grundsätzen (S. 18). Piil brachte seine Erfindung nach Leipzig und übte sie dort in Verbindung mit dem Buchhändler H. Friedlein. Auch die Zinkographie fand sehr geschickte Ausüber in Dänemark.

Schriftgiesserei.

Auf Grund des kleinen Geschäftsgebietes konnte die Schriftgiesserei nicht mit der deutschen Schritt halten. Schriften wurden[445] hauptsächlich von Trennert in Altona und Genzsch & Heyse in Hamburg, dann auch von Berlin und Leipzig bezogen. Gute Arbeiten liefert H. A. F. Fries in Kopenhagen.

Die Schriftgiessmaschine.
L. Brandt * 6. Sept. 1807.

In Deutschland gilt (S. 295) der Däne Lauritz Brandt allgemein als Erfinder der Schriftgiessmaschine. Er stammte aus Faaborg auf der Insel Fühnen. Als Schlossergeselle ging er nach St. Petersburg, wo er allerlei mechanische Instrumente anfertigte, reiste kreuz und quer durch Deutschland, verheiratete sich dort und segelte dann nach Amerika. Hier führte er den Gedanken, die Giessmaschine zu konstruieren, aus und baute diese in dem Hause der bekannten Schriftgiesserei David Bruce jun. in New-York. 1844 ging er nach Deutschland und verkaufte sein Patent an Eduard Hänel in Berlin. Brandt erntete hieraus weder grosse pekuniäre Vorteile noch Ehre, denn Hänel verschwieg seinen Namen, sodass bald dieser selbst, bald Steiner in München als Erfinder galt. Brandt verliess Deutschland und ging nach Dänemark, wo er mehrere Maschinen für die Schriftgiesserei Fries baute, die noch heute in Wirksamkeit sind. In Schweden erwarb L. Hierta das Patent, welches später auf die Firma Norstedt & Söner überging. Nach einem etwa vierjährigen Aufenthalt in Europa ging Brandt nach New-York zurück und gründete dort ein Etablissement, aus dem eine grosse Anzahl Maschinen hervorging. 1859 zog er sich ins Privatleben zurück und übergab sein Etablissement an N. Erlandsen, der, ebenfalls ein Däne, als armer Junge von seinen Eltern aufgenommen worden war. Gegen Brandts Ansprüche machte David Bruce sein Erfindungsrecht geltend (S. 39).

Die Setzmaschine.
Chr. Sörensen * 7. Mai 1818, † 30. Jan. 1861.

Wennauch mit Setzmaschinen verschiedentlich experimentiert worden war, so muss doch Christian Sörensen[262] in Kopenhagen als der Erfinder betrachtet werden, denn er war der erste, der eine wirklich lebensfähige Maschine herstellte, die auf den Prinzipien beruhte, welche von allen späteren Erfindern, mit Ausnahme von Mackie, angenommen wurde.

Sörensen war von ganz armen Eltern geboren und musste schon als Kind zum Verdienst mit beitragen durch Arbeit bei einem Leineweber, und konnte nur in den Abendstunden einen notdürftigen Unterricht geniessen. Durch einen Zufall kam er später in Setzerlehre.

[446]

Er war ein mechanisches Genie. In seinem zwanzigsten Jahre entstand bei ihm der Gedanke, eine Setzmaschine zu schaffen. Von den vor ihm gemachten Versuchen hatte er keine Ahnung. Am 29. April 1846 erhielt er ein Patent für eine Setz- und Ablegemaschine und eine Unterstützung zur Ausführung eines Modells. Während Sörensen hiermit noch beschäftigt war, ergingen die Einladungen zur ersten Weltausstellung in London. Gelang es, dort mit der Setzmaschine zu erscheinen, so war das Ziel erreicht! Das Erscheinen gelang ihm zwar, aber — die Maschine erhielt nicht einmal eine ehrenvolle Erwähnung.

Das war ein harter Schlag für Sörensen, und seine Gönner fingen nun an, sich von ihm zurückzuziehen. Da erschien als Retter in der Not der Publizist J. F. Gjödwad, Herausgeber der Zeitung Fädrelandet, und bestellte eine Maschine und, als sie gut ausfiel, noch eine zweite. Ehe diese zur Vollendung kam, trat die Pariser Ausstellung von 1855 ins Leben. Der Besteller war liberal genug, Erfolge in Paris.zu gestatten, dass sie erst in Paris ausgestellt würde. Hier erregte sie allgemeines Staunen und wurde einstimmig von dem Jury-Kollegium der höchsten Belohnung würdig befunden, welche für diejenigen Männer bestimmt war, „die sich um die Gesellschaft besonders verdient gemacht“ hatten.

Die Maschine war eine doppelte, eine Setz- und eine Ablegemaschine, und wurde erst durch eine Giessmaschine vervollständigt, die auch sehr schwieriger Natur war, da viele (bis auf 6) komplizierte Signaturen notwendig waren; doch gelang alles nach Wunsch.

Not, Sorge und Tod.

Der pekuniäre Vorteil des Pariser Erfolges blieb jedoch für Sörensen aus. Er fiel in Paris Schwindlern in die Hände und nach vielen vergeblichen Anstrengungen für die Einführung der Maschine in Frankreich, Deutschland und Österreich kehrte er krank und gebeugt nach Dänemark zurück. Hier fand er wieder Beistand und Aufmunterung bei seinem alten Gönner Gjödwad. Zwar geschahen auch von anderer Seite Schritte, die Sörensens Zukunft wenigstens sorgenfreier gestalteten, aber Kummer und frühere Nahrungssorgen hatten seinen Lebensfaden durchschnitten und er erlag seinen Leiden am 30. Januar 1861.

Die Schreibkugel.
R. Malling Hansen.

Mit der Setzmaschine verwandt ist die Schreibmaschine oder Schreibkugel. Der erste, der mit einer solchen wirkliche Erfolge[447] erzielte, war der Direktor der königlichen Taubstummenanstalt in Kopenhagen, R. Malling Hansen. Durch sein Nachsinnen über die Mittel zu einer leichteren Verständigung zwischen Taubstummen und Blinden kam er auf den erwähnten Apparat, den er nach und nach sehr vervollkommnet hat.

Durch die Oberfläche einer hohlen metallenen Halbkugel geht eine Anzahl von Stahlstiften, die wie Radien eines Kreises nach dem Mittelpunkte zusammenlaufen, was durch künstliches Unterschneiden der Stifte ermöglicht wird. Auf dem unteren Ende eines jeden derselben ist ein Antiqua-Versalbuchstabe erhaben geschnitten, wie jeder Typenstempel. Unter dem Mittelpunkte, wo alle Buchstaben zusammentreffen, liegt das Schreibpapier mit einem Farbepapier bedeckt. Durch den Druck mit dem Finger auf den Knopf eines Stempels wird dieser nach dem Zentrum geführt und übt einen Druck auf das Farbepapier, wodurch der Buchstabe auf das weisse Papier abgefärbt wird. Nach jedem Druck bewegt sich das Papier soweit seitwärts zurück, dass der nächste Buchstabe in die richtige Entfernung von dem vorhergehenden zu stehen kommt. Ist die Zeile voll, schiebt sich das Papier so weit nach oben, dass es in die richtige Lage kommt, um die folgende Zeile aufzunehmen. Eine Schnelligkeit von 20000 Buchstaben in der Stunde ist noch keine übertriebene. Durch Übereinanderlegen von bis zu zehn Schreib- und Farbeblättern ist es möglich, eine ebenso grosse Anzahl Drucke gleichzeitig zu schaffen, die wieder durch elektrische Verbindung mehrerer Apparate nach Belieben gesteigert werden kann.

Die Maschinenfabrikation.
J. G. A. Eickhoff * 4. März 1809, † 30. Mai 1875.

Die erste eiserne Handpresse in Dänemark wurde 1836 von Hüttemeyer, die erste Schnellpresse 1847 von J. G. A. Eickhoff aus Wittenförden in Mecklenburg-Schwerin nach dem System König & Bauer hergestellt. Seine 200. Maschine folgte 1874. Über 125 davon gingen nach dem Auslande, namentlich nach Schweden und Russland. Eickhoff baut auch Rotationsmaschinen.

Die Papierfabrikation ist besonders durch die Familie Drewsen in die Höhe gebracht. Das dänische Fabrikat ist in den Mittelsorten ein sehr brauchbares. Die Buchbinderei nahm stets einen respektablen, wennauch keinen hervorragenden Platz ein.

Lithographie.

Die Lithographie wurde durch C. C. Lose von einem Deutschen Heinrich Wenzler 1811 eingeführt und hauptsächlich[448] für den Notendruck benutzt. Der Kunstsinn, welcher, durch die von Thorwaldsen gegebene Anregung in allen Schichten der Bevölkerung geweckt, einen mächtigen Einfluss auf das Kunstgewerbe geübt hat, wirkte auch auf die Lithographie. Es entstanden nicht nur vorzügliche Kartenarbeiten, sondern auch wirkliche Kunstblätter, letztere namentlich durch Emil Bärentzen & Co., jetzt Hoffensberg & Trap, welche auch vorzügliche Chromos liefern. Neben diesen verdienen J. W. Tegner & Kittendorf genannt zu werden.

Der Buchhandel in Dänemark ist nach deutschem System gut organisiert. Das offizielle Organ des skandinavischen Buchhandels ist das seit 30 Jahren von O. H. Delbanco herausgegebene Nordisk Boghandlertidende.

Island.

Auf der Insel Island blieb stets der Sinn für die Litteratur herrschend. Es bestehen dort 5 Druckereien mit 7 Pressen und 4 Journale erscheinen daselbst. Die Offizinen von Einar Thordarson und Björn Jónsson besitzen je eine Schnellpresse. Im Jahre 1799 kam die Isländische Litterarische Gesellschaft[263] in den Besitz einer kleinen Druckerei, in der bereits 1840 über 100 Werke gedruckt waren. Auch die Färinseln besitzen eine Offizin und ein Blatt. Selbst Grönland.Grönland ist nicht zurückgeblieben. Unter den in den dänischen Kolonien wohnenden 12000 Eingeborenen ist die Fertigkeit im Lesen und Schreiben so verbreitet, wie irgend in Europa. In den Jahren 1857–61 machte der Inspektor von Süd-Grönland, nachdem ihm auf Rechnung der Grönländischen Handelsdirektion eine Buchdruckpresse gesendet war, einen Versuch, einen Eingeborenen, Lars Möller, im Setzen und Drucken und einen andern im Holzschneiden zu unterrichten. 1861–62 hielt sich ersterer in Kopenhagen auf und wurde dort ordentlich im Buch- und Steindruck unterrichtet. Nach seiner Rückkehr liess der Inspektor ein kleines Gebäude aufführen und als Buch- und Steindruckerei einrichten. Ausser einigen kleinen erzählenden Schriften gingen zwei periodische Unternehmungen aus dieser Offizin hervor: Atuagagdliutit (Unterhaltungslektüre), worin auch Beiträge von Eingeborenen und viele Abbildungen enthalten sind; das andere enthält die Jahresberichte der Ortsvorsteher mit lithographierten Tafeln. In der Kolonie[449] Godthaab (Gute Hoffnung) befindet sich eine zweite Herrnhutische Missionspresse, aus der eine Anzahl von Erbauungs- und Unterrichtsbüchern hervorgingen. Das erste dort gedruckte Buch war eine Legendensammlung Kalladtit Okalluktua alliaït mit zwölf von Eingeborenen gezeichneten und geschnittenen Holzstöcken und acht Liedern mit Musiknoten.


Norwegen.

In Norwegen[264] kann man, sieht man von der altehrwürdigen Litteratur der Eddas und des reichen Sagenschatzes in der Norröna-Zunge ab (I, S. 156), eigentlich erst seit etwa 70 Jahren von einer Nationallitteratur reden.

Christiania.

In Christiania wurde die zweite Druckerei erst im Jahre 1807 angelegt. Nachdem die politische und die damit verbundene Pressfreiheit im Jahre 1814 urplötzlich und in einem Maasse, wie es in der Geschichte nicht oft vorkommt, errungen war, begann auch eine grosse Regsamkeit in der Litteratur. Man machte bedeutende, mitunter etwas krampfhafte Anstrengungen, um eine nationale norwegische Litteratur zu schaffen, und damit fing auch die Buchdruckerkunst an, einen bedeutenderen Platz einzunehmen.

Zeitungswesen.

In einem Lande, wo die grosse räumliche Ausdehnung, die kleine, weit zerstreute Bevölkerung und die Naturschwierigkeiten einen schnellen Paketverkehr notwendig machten, war die Journalpresse von grosser Wichtigkeit und oft die einzige Quelle der Belehrung und Unterhaltung. Die Spuren derselben reichen bis auf das Jahr 1760 zurück. Die erste eigentliche Zeitung waren die 1763 begonnenen Norske Intelligenzsedler. Die Zeitungen unterlagen, wie in Dänemark, der Zensur und zwar einer sehr strengen. Zur Empfangnahme von Zeitungen durch die Post gehörte eine besondere Erlaubnis. Im Jahre 1814 war die Zahl der periodischen Schriften nur fünf. 1815 wurde das erste täglich erscheinende Morgenbladet gegründet. Die wissenschaftliche Journalistik ist nicht ohne Wichtigkeit. Unter den 85 Journalen Norwegens befinden sich auch mehrere illustrierte.

Bücherproduktion.
Statistisches.

Auch die Bücherproduktion wurde eine regere. Im Jahre 1868 konnten bereits 650 Autoren bezeichnet werden. Zum Betrieb des[450] Buchhandels nach deutschem Zuschnitt gab der Däne Johann Dahl den Anstoss und Norwegen hat seitdem eine Reihe von tüchtigen Buchhändlern und Buchdruckern aufzuweisen. 1840 zählte man dort schon 33 Buchdruckereien, von welchen Christiania 15 mit 35 Pressen und 95 Arbeitern aufwies. 1879 war die Zahl der Buchdruckereien auf 126 gestiegen, davon 29 in Christiania mit 72 Schnellpressen und 483 Personen. Die Gröndahlsche Buchdruckerei dort hat das Verdienst, 1830 die erste eiserne Presse, 1840 die erste Schnellpresse, 1854 den Dampfbetrieb eingeführt zu haben. Von ihr stammt auch die Annahme des Didotschen Kegelsystems. Bis vor kurzem hatte die Fraktur entschieden das Übergewicht, sie weicht aber Schritt für Schritt der Antiqua. Bergen hatte 8 Offizinen und 9 Schnellpressen.

Zur Papierfabrikation trägt Norwegen indirekt durch eine starke Ausfuhr von Holzstoff bei, deren Wert 1879 nahe an 1½ Millionen Mark betrug.

SCHWEDEN UND FINNLAND.

Schweden.

In Schweden, dessen Einwohner so oft die Franzosen des Nordens genannt werden, zeigte sich eine besondere Vorliebe für französische Litteratur und französisches Wesen. Vielleicht hat dies mit dazu beigetragen, dass die Schweden rascher und allgemeiner als die Dänen und Norweger die Antiquaschrift als übliche Buch- und Zeitungsschrift annahmen, so dass thatsächlich die Fraktur nur für kirchliche oder wirklich nur für das Volk bestimmte Litteratur beibehalten wurde. Es dürften überhaupt in den drei skandinavischen Ländern die Tage der Fraktur gezählt sein.

In betreff des Bezuges von Schriften, Druckmaterial und Utensilien ist Schweden noch mehr als Dänemark auf das Ausland, namentlich Deutschland, angewiesen, und stand auch im allgemeinen etwas hinter Dänemark in der Typographie zurück.

Typographen.

Einer der bedeutendsten Buchdrucker war Peter Momma († 1772), ein Rechtsgelehrter, der auf seinen Reisen die Buchdruckerei in Holland lernte. Er war auch der erste, der eine Schriftgiesserei in Schweden errichtete. J. S. Ekmansson führte 1796 die Didotschen Schriften ein. In Lund erwarb der Däne C. Gustav Berling 1745 eine Offizin, welche Bedeutung erlangte[451] und mit der eine, hauptsächlich den akademischen Bedürfnissen gewidmete Schriftgiesserei verbunden wurde. Sie blüht noch in den Händen der Familie Berling.

P. A. Norstedt.

Den bedeutendsten Platz unter den typographischen Anstalten Schwedens nimmt die von P. A. Norstedt in Stockholm gegründete ein. Er kaufte 1821 die Offizin von J. P. Lindh, nahm seine beiden Söhne Adolf und Carl zu Teilnehmern und firmierte seit 1823 P. A. Norstedt & Söner. Im Jahre 1862 ging das Geschäft auf die Verwandten Norstedts Gustav Laurin und Albert Laurin über, beide starben jedoch zum allgemeinen Bedauern zeitig. Das jetzt noch blühende Geschäft hat Werke geliefert, welche mit den besten des Auslandes konkurrieren können. 1869 begannen Norstedts die Nordisk Bogtryckertidende, welche leider 1875 wieder zu erscheinen aufhörte[265].

Im Jahre 1874 gründete eine Aktiengesellschaft ein grosses graphisches Institut, Central-Tryckeriet, unter der Direktion von Hans Forsell, welches im Jahre 1875 15 periodische Schriften, darunter 11 illustrierte Blätter, druckte. In der Nacht vom 20. zum 21. Dezember desselben Jahres brannte die Anstalt teilweise ab, bei welcher Gelegenheit der verdiente Dirigent der lithographischen Abteilung, der Deutsche A. SEEDORF, einen jämmerlichen Tod in den Flammen fand.

Selbst die Hauptstadt des schwedischen Lapplands, Haparanda, dicht an der Grenze des russischen Finnlands, hat eine Druckerei und zwar mit einem adeligen Besitzer, G. C. von Klercker, und ein Wochenblatt Nyaste Riksgränsen.

[452]

Zeitungen.

Die periodische Litteratur weist 321 Nummern auf. 91 Journale erscheinen in Stockholm, 18 in Gothenburg, 10 in Malmö, 7 in Lund. 14 Blätter erscheinen täglich, davon 4 in doppelten Ausgaben; Stockholm hat deren 6, Gothenburg, Helsingborg, Malmö je zwei.

Durch die Bestrebungen der eingewanderten Dänen C. W. Gleerup in Lund und Ad. Bonnier in Stockholm ist der schwedische Buchhandel ganz in der Art des deutschen organisiert. Die Zahl der Buchhandlungen beträgt 261.

Der Schwede liebt das Bunte und neben einer grossen Anzahl von geschichtlichen Werken und Romanen werden auch viele illustrierte, namentlich ethnographische Prachtwerke mit Chromolithographien gedruckt, doch werden sie auch zumteil in Deutschland ausgeführt. Die Lithographie kam 1818 nach Schweden. Eine Anstalt von Bedeutung ist Lithographiska Aktie Bolaget i Norrköping, welche namentlich vortreffliche Landkarten geliefert hat.

Die Papierfabrikation.

Die Papierfabrikation Schwedens hat eine grosse Bedeutung und die Zahl der Fabriken beträgt etwa 60. Es wird sehr gutes Papier fabriziert, wennauch für gewöhnlich ein recht mittelmässiges Fabrikat zur Verwendung kommt. Schweden mit seinem grossen Reichtum an Holz und Wasserkraft hat die Fabrikation des Holzstoffes mit Eifer ergriffen und führt bedeutende Quantitäten aus. Seine erste Farbenfabrik erhielt es erst vor wenigen Jahren durch O. Marin in Söderköping.


Finnland.

Finnland, politisch mit Russland vereinigt, im Besitz seiner nationalen Sprache und einer, wennauch nicht bedeutenden, nationalen Litteratur, in dem höheren litterarischen Verkehr sich der schwedischen Sprache bedienend, ist in betreff des Buchgewerbes mehr zu Schweden als zu Russland gehörend zu betrachten.

Typographen.

Die bedeutendste typographische Familie ist die Frenckellsche. Statt der nach Stockholm verlegten Druckerei (I, S. 158) erhielt Åbo 1772 eine neue Offizin, die im Jahre 1750 in die Hände von J. C. Frenckell kam, welcher 1755 zum akademischen Buchdrucker ernannt wurde, und 1802 noch eine Druckerei in Helsingfors, wohin 1829 die Universität von Åbo verlegt wurde, gründete, die noch kräftig blüht.

[453]

Zeitungen.

Im Jahre 1771 erschien die erste schwedische Zeitung in Åbo; 1776 die erste in finnischer Sprache. Unter der strengen Zensur konnte die Zeitungslitteratur nur einen sehr langsamen Fortgang nehmen, erst in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts trat ein erheblicher Umschwung ein, so dass im Jahre 1878 24 Zeitungen in schwedischer, 30 in finnischer Sprache erschienen. 1871 hatte Finnland 20 Buchdruckereien, die sich auf 12 Städte verteilten, davon kamen 7 auf Helsingfors. Die Zahl der Gehülfen betrug 118, der Lehrlinge 99. Schnellpressen gab es 12, Handpressen 45. Jetzt hat Finnland 40 Buchdruckereien.

Die von Tilgmann aus Helsingfors erfundene Tiegeldruck-„Endlose“ Mia hat wohl nicht den in Deutschland gehegten Erwartungen ganz entsprochen[266].

RUSSLAND UND POLEN.

Langsame Entwickelung der Typographie.

Dass die Typographie in Russland und Polen nicht in der Weise blühen konnte, wie in Ländern, wo die politische Freiheit eine frische litterarische Bewegung und eine lebhafte Wechselwirkung mit den bedeutendsten Kulturvölkern hervorrief, ist selbstverständlich. Hierzu kommt noch als erschwerendes Moment die grosse räumliche Ausdehnung des Reiches. Wie (S. 257) bereits erwähnt wurde, erhielt Russland nicht nur sein typographisches Material aus Deutschland, sondern auch die Ausüber der Buchdruckerkunst sowohl als des Buchhandels waren grösstenteils Deutsche. Diese haben erst Ordnung und System in das graphische Geschäft gebracht. Der national-russische Buchhandel war noch 1840 in einem desolaten Zustande. Smirdin in St. Petersburg und Simin in Moskau gehörten zu den wenigen, welche das Geschäft kaufmännisch regelrecht betrieben.

Die Buchdruckereien verbreiteten sich langsam; 1874 war die Zahl derselben in St. Petersburg 107, die der lithographischen Anstalten 105, der Schriftgiessereien 11, der Buchhandlungen mit offenem Laden 77. Den Bemühungen eines Deutschen, R. Schneider, ist die Errichtung einer typographischen Lehrlingsschule zu verdanken. Derselbe gab auch 1867–1869 ein typographisches[454] Journal in russischer und deutscher, später nur in russischer Sprache heraus, das auf Ed. Hoppe überging. Schneider verliess 1882 Russland und ging nach der Schweiz.

Die Staatsdruckerei.

Eine eben so eigentümliche wie vortreffliche Anstalt ist die kaiserliche Staatsdruckerei oder, wie die offizielle Bezeichnung lautet: „die Kaiserlich Russische Expedition zur Anfertigung der Staatspapiere“, ein Institut, das jedes, selbst das in den graphischen Künsten am weitesten fortgeschrittene Land mit Stolz das seinige nennen würde. Durch ihre wahrhaft eminenten Leistungen in photographischen Hoch- und Tiefdruckplatten, durch die geistreiche Kombination von Heliographie und Galvanoplastik und durch die vielfachen wichtigen Anwendungen der verschiedenen graphischen Künste zur Herstellung von Staats- und Wertpapieren hat sie tief eingreifende Erfolge erzielt. Die Fabrikation von Papier mit Wasserzeichen in unvergleichlicher Klarheit und Zartheit, sowie von geschöpftem Handpapier mit allen den Eigenschaften, die man von einem für Wertzeichen bestimmten Papier verlangt, wird in grossartigem Maassstabe betrieben. Die Festigkeit ist namentlich dem vorzüglichen russischen Hanf zuzuschreiben. Die Kontrolle beginnt mit der Feststellung des Gewichts des abgelieferten Papiers und lässt sich für jeden Bogen auf seiner Wanderung durch die Anstalt verfolgen. Die Fabrik arbeitet mit sechs grossen Maschinen und vierzehn Bütten[267].

Stempel und Matrizen, Clichés in Kupfer und namentlich in Eisen, eine Spezialität der Anstalt, die gerade für die Herstellung des farbigen Druckes in grossen Auflagen sowohl der Dauerhaftigkeit, als der Unangreifbarkeit durch Farben wegen von wesentlich praktischem Werte sind, werden in vorzüglichster Qualität geliefert. Buch- und Holzschnittdruck, Kupferdruck, Lithographie, Autographie, Chromographie, Photogalvanographie, Heliographie, Elektrotransformatypie, ein Verfahren zur Herstellung einer Platte mit Bildstellung beliebig nach rechts und links, kurz, jeder nennbare graphische Prozess wird dort zur Vollkommenheit gebracht. Ebenfalls vorzüglich sind die durch Georg v. Scamoni photographisch erzielten mikroskopischen Schriften. Derselbe, aus Würzburg[455] gebürtig, hat einen grossen Anteil an den Erfolgen der Anstalt in allen heliographischen Verfahrungsweisen[268].

Die Anstalt wurde 1818 unter Leitung von Theod. Schneider aus Mannheim gegründet und besteht seit 1866 als selbständiges Geschäft, das seine Überschüsse an die Staatskasse abliefert. Der Chef ist seit 1861 der Staatsrath Theod. von Winberg. Bereits im Jahre 1873 hatte die Anstalt 17 Dampfmaschinen mit 362 Pferdekraft zur Disposition. Die Druckerei arbeitete mit 58 Schnellpressen, darunter 35 aus der Fabrik von König & Bauer, 60 Handpressen, eine ausserordentliche Zahl von Hülfsmaschinen und beschäftigte im Hause 1400–1800, ausser dem Hause 300–1200 Arbeiter.

Eine eigentümliche Einrichtung ist die Beteiligung des ganzen Personals bis zum jüngsten Arbeiter herunter an dem Gewinn der Anstalt, der ein bedeutender, zwischen 3–400000 Rubel jährlich, sein soll. Die eine Hälfte derselben fliesst in die Staatskasse, die andere wird unter das Personal in der Weise verteilt, dass jeder Arbeiter mindestens einen Monatslohn als Anteil empfängt.

Die baulichen Anlagen der Anstalt, welche in dem südlichen, nicht sehr bebauten Stadtteil sich befinden, bedecken einen grossen, an drei Seiten von Strassen begrenzten Flächenraum, auf welchem ausser der eigentlichen Druckerei auch die Papierfabrik und die Wohnungen der Beamten sich befinden.

Zum Schutze der Anstalt hält eine Wache von 36 Mann die verschiedenen Zugänge bei Tag und Nacht besetzt. Die Gebäude sind durchweg massiv und feuersicher, fast nur von Stein und Eisen. An der Spitze der Anstalt, welche dem Finanzministerium unterstellt ist, steht ein technisch gebildeter Direktor. Als Vorsteher der einzelnen Abteilungen, sowie zur Wahrnehmung der Kassen- und Rechnungsgeschäfte und der Kontrolle sind 160 Beamte und 280 Meister und Meistergehülfen angestellt. Sehr zu loben ist, dass die mächtige Anstalt nur auf die Bedürfnisse des Staats beschränkt bleibt, obwohl es in Russland eher als in anderen Ländern zu entschuldigen wäre, wenn sie Privaten Konkurrenz machte.

[456]

Verschiedene Firmen.

Die Universitätsbuchdruckerei wurde 1755 gegründet. 1871 beschäftigte sie 16 Schnell- und viele Handpressen und ist reich mit orientalischen Schriften versehen; das Vaterunser konnte in 325 Sprachen gesetzt werden. Eine zweite orientalische Buchdruckerei, namentlich für armenischen Druck bestimmt, errichtete 1836 Joachim Lazareff. Unter den älteren Buchdruckereien nimmt die von J. J. Glasanow (Oberbürgermeister, wirklicher Staatsrat, Excellenz), welche bereits ihr hundertjähriges Bestehen feierte, einen bedeutenden Platz ein, während unter den jüngeren die von B. M. Wolff hervorragend ist. Der kürzlich verstorbene Wolff verband Verlagshandel mit Buchdruckerei und hat Verdienste um die Verschönerung der russischen Schrift und der Anpassung der Renaissance-Antiqua an diese. Eine bedeutende Accidenzdruckerei ist die von Golowin. Alex. Bencke liefert ebenfalls viele Accidenzarbeiten und beschäftigt nur Nationalrussen. Hermann Hoppe giebt das illustrierte Journal, von Ed. Hoppe gedruckt, heraus. Die Gesellschaft Allgemeiner Nutzen ist ein ausgedehntes Etablissement, besonders für Herausgabe illustrierter Blätter. Bedeutende Schriftgiessereien sind die Filiale von Flinsch in Frankfurt a. M. (Franz Mark), Revillon & Co. und O. J. Lehmann. Die lithographische Anstalt von A. Iljin liefert gute Landkarten.

Die Provinzen.

In Moskau wird die graphische Kunst in ziemlich umfangreicher Weise geübt. Im Jahre 1881 bestanden 237 Offizinen, in welchen mit 202 Buchdruck-, 147 Steindruck-Schnellpressen und 712 Tret- und Handpressen gearbeitet wurde. Die Schriftgiessereien, unter welchen Seliwanowski bedeutend ist, arbeiteten mit 47 Giessmaschinen. Die bekannte Synodalbuchdruckerei (I, S. 279) erhielt eine neue und zweckmässige Einrichtung. Mor. NEUBINGER druckt namentlich Wertpapiere.

Dorpat hatte schon 1624 eine Offizin, Mitau 1774, Odessa 1825. Charkow mit seiner 1804 gegründeten Universität erhielt 1820 eine Druckerei. In Warschau sind namentlich H. & M. Orgelbrand durch ihre hebräischen Drucke bekannt.

In den baltischen Provinzen erschienen 1871 22 deutsche, 7 esthnische und 6 litauische Zeitungen und nur eine russische.

Die armenische Typographie wurde namentlich in dem berühmten Kloster Etzschmiazin bei Eriwan, der Hauptstadt Armeniens,[457] gepflegt. Ein zweiter Druckort ist Nachitschewan, wo 1794 unter anderem eine Übersetzung von Fénelons Télémaque erschien. Tiflis hat mehrere Offizinen. In der Herrnhuter-Kolonie Sarepta befand sich seit dem Jahre 1763 eine unbedeutende Missionsdruckerei. Astrachan erhielt zu Anfang des Jahrhunderts, Kasan 1815 Offizinen.

In den Gouvernementsstädten Sibiriens finden sich zwar Buchdruckereien, jedoch primitivster Einrichtung, nur Jekaterinenburg und Irkutsk haben gut versehene Offizinen. Die einzige offizielle Zeitung Sibiriens, welche in Irkutsk erschien, wurde 1880 verboten. In Selenginsk wurde auf Veranlassung der Londoner Missionsgesellschaft die ganze Bibel 1834 in mongolischer Sprache gedruckt.

Die russischen Papierfabrikanten beschweren sich sehr über Mangel an Lumpen, die namentlich nach England ausgeführt werden. Die Kartenfabrikation ist ein Monopol der Regierung; die einzige Fabrik liefert jährlich etwa sieben Millionen Spiele.

Statistisches.

Im Jahre 1874 hatte Russland 322 Buchhandlungen und die Zahl der erschienenen Bücher betrug 2589. 1870 war der Wert der Büchereinfuhr 1153082 Rubel, von welcher Summe die Million auf Deutschland fiel, die Ausfuhr bezifferte sich auf 83714 Rubel.

Die Zahl der Zeitschriften ist eine verhältnismässig sehr geringe und betrug 1881 nur 776, davon 80 in polnischer, 43 in finnischer, 39 in schwedischer, 36 in deutscher, 13 in lettischer, 10 in esthnischer Sprache und 26 in verschiedenen Idiomen. Es erscheinen von diesen Zeitschriften 197 in St. Petersburg, 75 in Moskau, 79 in Warschau, 36 in Helsingfors, 23 in Riga, 21 in Tiflis, 20 in Kiew, 19 in Odessa.

Zeitungswesen.

Die verbreitetste Zeitung (71000 Auflage) war der „Golos“ (die Stimme)[269], sie hatte so wenig wie die Times eine bestimmte Tendenz, aber ein ebenso feines Gehör für das, was kommen würde. „Die neue Zeit“, ein chauvinistisches Slawenblatt (30000 Auflage) hatte etwas an Verbreitung eingebüsst. Im Hetzen gegen Deutschland hatte es fast den Sieg über die russische St. Petersburger Zeitung davongetragen, wogegen die „Russische Wahrheit“ einen gebildeten Ton anschlug. Auch das „Gerücht“ hielt sich von Chauvinismus frei.[458] Die „Moskauer Zeitung“ hatte namentlich in Moskau selbst und in dem Lande südlich und östlich von Moskau Geltung.

Die Regierung besass nur ein offizielles Organ, „Der Regierungsbote“. Als offiziös konnten das Journal de St. Pétersbourg und die Agence générale russe und im Auslande der Brüsseler Le Nord, allenfalls auch der „Russische Invalide“ gerechnet werden. Neben der russischen St. Petersburger Zeitung existiert auch eine deutsche; beide gehören der Akademie der Wissenschaften, welche sie verpachtet, und haben bereits 1877 ihr 150jähriges Jubiläum gefeiert.

Die grossen Petersburger Zeitungen stehen zwar nicht unter Präventiv-Zensur, müssen aber 5000 Rubel Kaution stellen. Sobald sie ausschreiten, werden sie verwarnt und nochmaliges Verwarnen zieht zeitweiliges oder auch vollständiges Verbot nach sich. In ausländischen Angelegenheiten haben die grossen Blätter ziemlich freien Spielraum, und sind selbst hinsichtlich der inneren bei weitem nicht so beengt, wie man gewöhnlich annimmt. Der Ton gegen Deutschland ist bekanntlich im allgemeinen voller Hass und zur Schau getragener Verachtung.

Manche Städte von 10000 und mehr Einwohnern haben keine Zeitung, so dass oft ein grosser Kreis oder ein Gouvernement ohne Organ ist. Mit welchen Schwierigkeiten ein Zeitungsherausgeber oft zu kämpfen hat, mag daraus erhellen, dass z. B. aus Neu-Tscherkask erst das Manuskript, dann die Korrektur eines Blattes nach Moskau gesendet werden muss, womit zehn Tage verloren gehen, dazu noch die Zeit für Satz und Druck.

DIE DONAULÄNDER.

Die jüngsten Staaten.

Wir wenden uns jetzt den jüngsten selbständig gewordenen Mitgliedern des europäischen Staatenbundes zu, deren Bedeutung für die Presse erst der Zukunft gehört. Mit der Erlangung des politischen Selbstbestimmungsrechtes eines Volkes ist ja auch stets das Aufblühen des geistigen Lebens verbunden gewesen, und ist die erste Gährung überstanden, so ist es bei der Bildungsfähigkeit der betreffenden Völker auch zu erwarten, dass sie eine angemessene Stellung auf dem Gebiete der Presse einnehmen werden. Zu hoffen und zu wünschen bleibt, dass es nicht deutschfeindlichen Einflüssen gelingen möge, nationale und geistige Antipathien gegen germanische[459] Kultur zu erregen, wodurch die Völker selbst am meisten gegen ihre Unabhängigkeit und ihr geistiges Interesse handeln würden.

Serbien.

Serbien[270]. Als die neue Ära in unserem Jahrhundert für Serbien begann, standen das Volk, welches belehrt werden musste, und die Geistlichkeit, welche belehren sollte, ziemlich auf derselben Stufe des Wissens oder vielmehr der Unwissenheit.

Das erste Buch, welches in Serbien erschien, ist eine von dem Woiwoden von Celat, Georg Cernojević, 1493–1495 veranstaltete, mit cyrillischen Lettern gedruckte Ausgabe des Psalters, welche Schafarik den schönsten slawischen Druck nennt, wie überhaupt die Erzeugnisse der südslawischen Pressen an innerem und äusserem Wert die ihnen um einige Jahre vorausgegangenen Krakauer cyrillischen Drucke übertrafen.

Doch dauerte dieser Glanz nicht lange und erlosch bereits im XVI. Jahrhundert in den Kämpfen mit dem Halbmond. Von da ab versorgte Russland die südslawischen Länder mit Kirchenbüchern, bis die eigene Staatsdruckerei die Lieferung derselben übernehmen konnte. Ferner that die englische Bibelgesellschaft manches für die Verbreitung des Neuen Testaments, welches sie von dem bekannten Gelehrten Vuk übersetzen und mit cyrillischen Lettern drucken liess. Auch andere Werke, namentlich Übersetzungen, wurden in Österreich und Deutschland gedruckt.

Die Staatsdruckerei.

Die Grundlage zu der Staatsdruckerei war durch ein Geschenk des Kaisers Nikolaus, bestehend in zwei Druckerpressen, 1830 gelegt. Dieselben wurden zuerst in Kragujevac aufgestellt, um unter der Leitung Berrmanns aus Wien erst nur liturgische Bücher mit russischen Lettern zu drucken. Im Jahre 1831 wurde die Druckerei vom Fürsten Milosch nach Belgrad verlegt und mit noch drei Handpressen, später mit zwei König & Bauerschen Schnellpressen ausgestattet. Die Schriftgiesserei wurde von dem Stuttgarter Ockenfuss eingerichtet. Um den Typenschnitt machten sich zwei andere Deutsche, Schröpel († 1864) und dessen Faktor Walter aus Frankfurt, verdient. Nach 1864 traten zwei junge in Deutschland ausgebildete Serben an die Spitze der Anstalt. Die alt- und neuslawischen Typengattungen sind gut vertreten, auch[460] Musiknoten sind vorhanden und xylographische, galvanoplastische und Stereotypie-Anstalten wurden eingerichtet. Im Jahre 1870 waren mehr als 50 Setzer und Lehrlinge beschäftigt und zahlreiche Arbeiten wurden sowohl für den Staat wie für Private ausgeführt, ausserdem die Landeszeitung und mehrere andere Journale dort gedruckt.

Um 1850 wurde auch die Lithographie durch einen Deutschen, Braumann, eingeführt. Karten, Pläne und andere chromographische Arbeiten wurden in guter Ausstattung geliefert, auch die serbischen Postmarken sind sehr gut gedruckt.

Die serbische Sprache.

Die serbische Sprache, die auch seit 1830 von den Kroaten als Schriftsprache adoptiert wurde, wird von Kennern als reich, kurz, energisch und melodiös geschildert. Der Linguist Vuk führt in seinem Wörterbuch mehr als 62000 Wörter auf. Bis jetzt beschäftigte sich die serbische Presse meist mit dem Druck von Lehrbüchern und mit Übersetzungen, doch hat die Originallitteratur schon bedeutende Anfänge aufzuweisen. Das 1838 vom Fürsten Milosch gegründete Lyceum wurde 1863 Universität. 1841 gründete Fürst Michael die „Gesellschaft für serbische Litteratur“, die ein Mittelpunkt der geistigen Bestrebungen wurde und durch ihr Jahrbuch (Glasnik) viel wirkte.

Zeitungen.

Als Gründer der politischen Presse im europäischen Stil ist Miloš Popović zu betrachten, der von 1841–1861 fast ununterbrochen die offizielle Zeitung redigierte und dann im Verein mit Dr. Rosen eine quasi offiziöse Zeitung gründete. Da diese die gelesenste von allen war und trotzdem nur in 750 Exemplaren gedruckt wurde, so lässt sich ein Schluss auf die Grösse des Lesepublikums der übrigen im Jahre 1866 in Belgrad erschienenen Blätter ziehen. Mit dem Buchhandel ist es auch noch nicht sonderlich bestellt.

Graphische Künste.

Auf dem Gebiete der vervielfältigenden Künste haben sich einige Persönlichkeiten vorteilhaft bekannt gemacht. Natal, Bonifacij und Martin Rota-Kolunić wirkten als Kupferstecher bereits im XVI. Jahrhundert in Rom. Unter den zahlreichen Stichen des letzteren ist namentlich „Das jüngste Gericht“ bekannt. Zu Anfang unseres Jahrhunderts gab Joseph Milowuk Bildnisse berühmter Serben in Kupferstich heraus. Sein Sohn machte einen Versuch[461] mit einer illustrierten Zeitung in Belgrad und suchte somit für den Holzschnitt in Serbien Bahn zu brechen; doch war der Erfolg kein bedeutender.

Um die Lithographie und die Photographie in Serbien erwarb sich die meisten Verdienste Nastas Jovanović. Vom Fürsten Milosch nach Wien gesandt, um dort die Kupferstecherkunst zu lernen, gründete er später einen nationalen Kunstverlag, in welchem sich zahlreiche Blätter mit historischen Vorwürfen befanden. In seinen Unternehmungen ward er von Wiener Künstlern, namentlich von Vincenz Katzler, unterstützt.


Rumänien.

Rumänien. Das Rumänische ist die Muttersprache von über zehn Millionen Menschen, hat also für die Typographie der Zukunft eine nicht geringe Bedeutung. Es wird nicht allein in Rumänien gesprochen, sondern ist auch in den östlichen Teilen Ungarns, im Banat und in Siebenbürgen, in Bessarabien, Podolien und in der Bukowina verbreitet. Von manchem wird die rumänische Sprache irrtümlich für eine slawische gehalten; sie stammt jedoch aus dem Lateinischen und schliesst sich ziemlich eng an das Italienische an, erscheint deshalb auch den Bewohnern der eigentlichen Kulturländer Europas nicht so fremdartig als die slawischen Idiome.

Die dortige Typographie befindet sich schon im raschen Aufblühen. Bereits in der Mitte der siebenziger Jahre unseres Jahrhunderts befanden sich in Rumänien in zwölf Städten verteilt 34 Buchdruckereien mit 217 Gehülfen und 117 Lehrlingen. Von diesen kamen auf Bukarest zwölf Druckereien mit 138 Gehülfen, 108 Lehrlingen, 27 Maschinen und 11 Handpressen. Die Regierung ist sehr um die Einführung der Papierfabrikation bemüht. Für das Interesse, welches in diesem jungen, der Kultur zugeführten Staat für die Typographie herrscht, spricht das Erscheinen zweier Fachzeitschriften.


Bulgarien.

Bulgarien. Diese jüngste Staatenschöpfung in Europa hat begreiflicherweise noch zu sehr mit den notwendigen Existenzfragen zu kämpfen, um auf dem Gebiete der Presse schon wesentliches leisten zu können. Erst kommen, wie überall, die Zeitschriften und die Unterrichtsbücher. Seit 1824 liessen bulgarische Emigranten[462] zahlreiche Schul- und kirchliche Bücher im Auslande drucken und Druckereien wurden 1870 in Salonik und Smyrna zu diesem Zwecke begründet. Ein Journal Ljuboslovic erschien bereits in den Jahren 1844–1846 in Smyrna. Die erste in Bulgarien in der Landessprache erschienene Zeitung war 1849 Czarigradskij Vestnik, sie fand jedoch keine grosse Verbreitung und ging 1861 ein. Ein in Odessa herausgegebenes Blatt Mirozrenie wurde, obwohl politisch ganz harmlos, verboten. 1879 erschienen in Konstantinopel und Rumänien 14 bulgarische Zeitschriften.

Sofia hat jetzt sechs Zeitungen aufzuweisen, unter welchen das wöchentlich erscheinende Regierungsblatt. Die in deutscher Sprache erscheinende „Bulgarische Korrespondenz“ ist zur Aufklärung des Auslandes bestimmt. Unter den Zeitungen befindet sich auch eine illustrierte, Bolgarskaya Illywstratsiya. Rustschuck hat zwei Journale, unter welchen das oppositionelle Bolgarin die stärkste Verbreitung hat. In Sistowa, Tirnowa, Philippopel und Sliwnia giebt es je eine Zeitung.

GRIECHENLAND.

Griechenland.

Griechenland war eines der letzten Länder, nicht nur in Europa, in welchem die Buchdruckerkunst ein festes Heim fand.

Unter der Herrschaft der Türken hatte sich nur ab und zu eine wandernde Druckerei eingefunden, um rasch wieder zu verschwinden, eine bleibende Stätte für die Typographie gab es nicht. Die notwendigsten liturgischen, daneben einige wenige Unterrichtsbücher wurden bei Nikolas Glyky in Venedig, einige auch in Wien und Paris gedruckt.

Der Errichtung zweier Offizinen auf den jonischen Inseln durch General Bonaparte wurde bereits (S. 172) gedacht. Zu Anfang des Jahrhunderts fanden schwache Versuche zur Gründung griechischer Zeitungen in Konstantinopel, Smyrna und Bukarest statt. Auszüge aus der heiligen Schrift in neugriechischer Sprache liess 1817 der Missionär Wilson auf Corfu drucken. 1818 folgte dort eine politische Zeitschrift in italienischer und neugriechischer Sprache. Bereits früher hatte der Missionär Lowndes eine albanesische Bibel, wahrscheinlich das erste gedruckte Buch in albanesischer Sprache, dort ausführen lassen.

[463]

Der Freiheitskampf.

Als 1821 der Freiheitskampf der Griechen überall in Europa die grösste Teilnahme erweckte, und die Bildung der philhellenischen Vereine veranlasste, fassten letztere auch die Beschaffung einer griechischen Druckoffizin ins Auge. Firmin Ambroise Didot, ein eifriger Griechenfreund, schenkte Griechenland eine vollständige Druckerei-Einrichtung (S. 180), die in Nauplia ihre Stätte fand. Missolunghi erhielt eine Offizin durch Lord Byron, und Lord Stanhope brachte eine solche nach Athen; ausserdem erhielten Korinth, Patras, Hydra, Chios und Aegina Pressen. Auf Aegina erschien während der Präsidentschaft des Grafen Capo d'Istria das Regierungsblatt „Ephemeriden“; auf Hydra „Der Freund des Gesetzes“, in Missolunghi die „Hellenische Chronik“, in Korinth die „Trompete von Hellas“.

Regierung König Ottos.

Als König Otto 1833 nach Griechenland kam, war der Zustand der Druckereien, zu denen inzwischen noch einige lithographische Anstalten gekommen waren, ein so kläglicher, dass es nicht einmal möglich war, die notwendigsten Regierungsarbeiten alle im Lande auszuführen. Unter den mit dem Könige angekommenen bayrischen Soldaten befanden sich 11 Buchdrucker, 7 Lithographen und 13 Papiermacher, die nun bessere Dienste leisten konnten, als die Muskete tragen; von G. Jacquet in München war auch noch eine Druckerei-Einrichtung gesandt worden. In Athen wurde das, noch 1870 dreimal wöchentlich erscheinende „Jahrhundert“ gegründet. „Der Erlöser“ erschien zweimal wöchentlich in italienischer und neugriechischer Sprache. 1834 gründete die Amerikanisch-Englische Gesellschaft zur Verbreitung religiöser Ansichten eine gut eingerichtete Buchdruckerei, die viele Schulbücher, an welchen Griechenland noch sehr arm war, lieferte[271].

Ein organisierter Buchhandel[271] existierte natürlich noch nicht. Auch hier waren es, wie an so manchen Orten, Deutsche, denen die Aufgabe zufiel, in diesen Ordnung zu bringen, in welcher Hinsicht der am 27. Juli 1882 verstorbene Buchhändler und deutsche Konsul Karl Wilberg durch seine seit 1827 bestehende, vortrefflich organisierte Buchhandlung sich besondere Verdienste erwarb. Die deutsche wissenschaftliche Litteratur hat Wilberg viel zu verdanken, denn er[464] trug nicht allein zur Verbreitung ihrer Erzeugnisse ausserordentlich bei, sondern stand auch den in Griechenland reisenden Forschern mit Rat und That zur Seite.

Aufblühen der Presse.

Bis 1837 gab es kein Pressgesetz. 1843 wurde durch die Verfassung vollkommene Pressfreiheit garantiert, diese jedoch trotzdem 1850 sehr beschränkt, bis die Presse nach der Thronbesteigung König Georgs 1863 wieder ganz frei wurde. 1873 erschienen 152 Journale, davon 74 in Athen, und das litterarische Leben ist in raschem Aufblühen begriffen. Eine illustrierte griechische Zeitung Hesperos, herausgegeben von Dr. J. Pervanoglou, wird in Leipzig (bei W. Drugulin) gedruckt.

Bevor in Griechenland das Licht der Kultur, welches einst über dessen glückliche Gefilde so herrlich leuchtete, vollständig erlosch, um einer tiefen, wie es schien ewigen, Finsternis Platz zu machen, hatte es jedoch den „Barbaren“ seine unvergleichlichen Geisteswerke hinterlassen, die so vieles dazu beitrugen, bei letzteren die Aufklärung zu verbreiten und der Buchdruckerkunst den Weg zu ebnen.

Der „Barbar“ Gutenberg glich die Rechnung mit Griechenland aus, indem er ihm seine äusserlich unscheinbare, aber in ihren Wirkungen unvergängliche und unvergleichliche Erfindung als Entgelt brachte. Mit dieser erhielt Griechenland, wie jedes Land des Erdkreises, für immer die Gewähr, dass es nicht zum zweitenmal der geistigen Verkümmerung und Finsternis anheimfallen könne. Und so mögen die folgenden, dem Denkmal im Hofe „Zum Gutenberg“ entlehnten Zeilen hier statt eines Kolophons stehen.

Was einst Pallas Athene dem griechischen Forscher verhüllte,
Fand der denkende Fleiss deines Gebornen, o Mainz!
Völker sprechen zu Völkern, sie tauschen die Schätze des Wissens;
Mütterlich sorgsam bewahrt, mehrt sie die göttliche Kunst;
Sterblich war einst der Ruhm; SIE gab ihm unendliche Dauer,
Trägt ihn von Pol zu Pole, lockend durch Thaten zur That;
Nimmer verdunkelt der Trug die ewige Sonne der Wahrheit,
Schirmend schwebt ihr die Kunst, Wolken verscheuchend, voran.
Wandrer, hier segne den Edlen, dem so viel Grosses gelungen,
Jedes nützliche Werk ist ihm ein Denkmal des Ruhms.

Fußnoten:

[258] Cam. Nyrop, Bidrag til den danske Boghandels Historie. 2 Teile. Kopenhagen 1870. — Klein, Adressebog for den danske norske og svenske Boghandel. — Nyerop in Læsendes Aarbog for 1801.

[259] C. Nyrop, Bianco Luno og den danske Bogtrykkerkonst. Kopenhagen 1881.

[260] M. Truelsen, Statistisk Oversigt over Typographien i Danmark. Kopenh. 1881.

[261] C. Piil, Die Chemitypie. Leipzig 1846.

[262] C. Nyrop, Christian Sörensen. Et Industribillede. Kopenhagen 1869.

[263] Det islandske Literaire Selskabs Love. Kopenhagen 1851. — Nyerop, Læsendes Aarbog for 1801.

[264] Paul Botten-Hansen, La Norvège littéraire. Christiania 1868. — Beretning om Säcularfesten i Christiania 1840.

[265] Einer der neuesten Verlagsartikel der Firma ist J. G. Nordins Handbok i Boktryckare konsten, ein so vorzügliches, nebenbei gesagt typographisch so vortrefflich ausgestattetes Lehrbuch der Kunst, wie es Deutschland nicht besitzt. Am 1. April 1883 begann ein neues Fachjournal: Nordisk Typograf-Tidning. Am 1. Juli 1883 und den folgenden Tagen feierte Schweden die 400jährige Einführung der Kunst, bei welcher Gelegenheit eine Festschrift des erwähnten J. G. Nordin im Verein mit dem um die Bibliographie Schwedens verdienten Bibliothekar G. E. Klemming: Svensk Bogtryckeri-Historia 1483–1883, 1. Teil, erschien. Der Teil reicht leider nur bis zu dem erwähnten Momma (etwa bis 1770). Aus demselben geht jedoch hervor, dass nunmehr die Thatsache feststeht, dass gleichzeitig mit Joh. Snell (I, S. 75) ein zweiter deutscher Buchdrucker, Nic. Gothan, der früher schon in Magdeburg eine Offizin hatte, 1483 in Stockholm ein Buch, Vita St. Katherine, druckte.

[266] Journ. f. B. 1878, Nr. 7.

[267] Das Journ. f. B. 1872 bringt eine sehr detaillierte Beschreibung des Instituts, von Th. Goebel.

[268] Seine Erfahrungen hat er in seinem „Handbuch der Heliographie“ mit Atlas, Berlin 1872, niedergelegt.

[269] Die folgenden Angaben beziehen sich auf das Jahr 1879. „Golos“ ist seitdem eingegangen.

[270] F. Kanitz, Serbien. Leipzig 1868.

[271] Coromilas, Dem., Catalogue des livres publiés en Grèce. L'Exposition Vienne 1873.

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[465]


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A. NAMEN- UND SACHREGISTER.

[488]

B. NACHWEIS DER ANGEFÜHRTEN QUELLENSCHRIFTEN.

(Bei Zeitschriften, Adressbüchern, Ausstellungsberichten u. dgl., die öfters zitiert werden, ist ein Hinweis nicht gegeben.)

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LEIPZIG, DRUCK VON W. DRUGULIN.


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Anmerkungen zur Transkription:

Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originaltextes wurden übernommen, und offensichtliche Druck- und Setzfehler wurden korrigiert.

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