The Project Gutenberg eBook of Leibniz: Zu seinem zweihunderjährigen Todestag 14. November 1916 This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Leibniz: Zu seinem zweihunderjährigen Todestag 14. November 1916 Author: Wilhelm Max Wundt Release date: December 8, 2019 [eBook #60879] Language: German Credits: Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK LEIBNIZ: ZU SEINEM ZWEIHUNDERJÄHRIGEN TODESTAG 14. NOVEMBER 1916 *** Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net Anmerkungen zur Transkription Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist _so markiert_. Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so ausgezeichnet~. Im Original fetter Text ist =so dargestellt=. Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des Buches. Leibniz Zu seinem zweihundertjährigen Todestag 14. November 1916 Von Wilhelm Wundt [Illustration] Alfred Kröner Verlag in Leipzig 1917 Copyright 1916 by Alfred Kröner Verlag in Leipzig Druck von Metzger & Wittig in Leipzig Vorwort. Der Verfasser dieser kleinen Schrift hat sich vor sehr vielen Jahren einmal mit dem kühnen, vielleicht phantastischen Plan getragen, eine wissenschaftliche Leibniz-Biographie zu schreiben. Natürlich ist nichts aus dem Plan geworden, er ist nicht einmal bis zu den Anfängen seiner Ausführung gediehen. Aber als ich infolge meines späteren Lehrberufs von Zeit zu Zeit immer wieder veranlaßt war, zur Beschäftigung mit diesem merkwürdigen Manne zurückzukehren, sammelte sich mir im Lauf der Jahre eine Anzahl von Bemerkungen an, die mir in mancher Beziehung das Bild dieser Persönlichkeit in etwas verändertem Lichte gegenüber dem überlieferten erscheinen ließen. Diese Schrift beabsichtigt daher nicht, mit den verschiedenen Interpretationen der Leibnizschen Philosophie in Wettstreit zu treten, und sie hat deshalb auch nirgends Anlaß gehabt, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich bin überhaupt nicht von seiner Philosophie, sondern zunächst von seinen mathematisch-physikalischen Arbeiten ausgegangen, die mich dann, so weit dies möglich war, zu gelegentlichen Beschäftigungen mit seinen sonstigen wissenschaftlichen und praktischen Interessen geführt haben. Von hier aus suchte ich endlich den Wegen nachzugehen, auf denen er zu seinen philosophischen Ideen gelangt ist. Er selbst ist ja, wie bekannt, im wesentlichen diesen Weg gegangen und darum, hierin nicht unähnlich seinem großen Nachfolger Kant, erst spät zu der Reihe von Gedanken gelangt, die man sein System zu nennen pflegt, und die doch eigentlich mehr den Charakter einer phantasievollen Verknüpfung seiner wissenschaftlichen Ideen als den eines strengen logischen Systems besitzen. Ich bekenne, daß mir im Zusammenhang mit dieser Betrachtung vieles in der Kultur seiner eigenen und der folgenden Zeit sowie in der weiteren Geschichte der deutschen Philosophie verständlicher geworden ist, als es zuvor war. Ich veröffentliche diese Studie zum zweihundertjährigen Todestag des Mannes, mit dem die neue deutsche Philosophie begonnen hat. Möge dieser Tag daran erinnern, daß die deutsche Philosophie, mehr als manche unserer Zeitgenossen Wort haben wollen, aus eigener Kraft entstanden ist, und daß sie zu einer Zeit geboren wurde, da die deutsche Nation ungleich mehr als heute einer ungewissen Zukunft entgegensah. Leipzig, im September 1916. =W. Wundt.= Inhalt. Seite I. Leibniz und seine Zeit 1 II. Leibniz und die Scholastik 20 ~a.~ Leibniz als Mathematiker 24 ~b.~ Die dynamische Naturphilosophie 36 ~c.~ Die Aktualität der Seele 57 ~d.~ Die Einheit der Wissenschaften 66 III. Leibniz und die neue Wissenschaft 73 ~a.~ Der Wandel der Substanzbegriffe 79 ~b.~ Die ~Lex continuitatis~ 90 ~c.~ Der neue Idealismus 103 ~d.~ Philosophie und Theologie 114 IV. Leibniz und die Zukunft der deutschen Philosophie 121 Anmerkungen 130 I. Leibniz und seine Zeit. Daß der gegenwärtige Krieg der größte und furchtbarste sei, den die Welt jemals gesehen, ist ein in den letzten Monaten oft gehörtes Wort. Doch für uns Deutsche trifft dieses Wort nicht zu. Das deutsche Volk hat einen Krieg erlebt, furchtbarer und zerstörender als diesen. Das war jener Krieg, in welchem dreißig Jahre lang der deutsche Boden zum Kriegstheater geworden war, auf dem die Völker Europas ihre Kämpfe ausfochten und der schließlich nur deshalb zu Ende ging, weil die Söldnerscharen, die hier aus aller Welt zusammenströmten, in den niedergebrannten Dörfern und verarmten Städten nichts mehr zu plündern fanden. Unter den Trümmern der von ihr angerichteten Verwüstung hatte die Kriegsfurie zuletzt sich selber begraben. Zurückgelassen aber hatte sie an der Stelle einer zuvor blühenden Kultur eine durch Hunger, Seuchen und Gewalttaten dezimierte, um den kümmerlichen Aufbau ihres zerstörten Besitzes sich abmühende Bevölkerung. Über ein Jahrhundert, in manchen Gegenden das Doppelte dieser Zeit, soll nach der Schätzung der Wirtschaftsstatistik verflossen sein, bis der Wohlstand der Nation annähernd wieder auf der gleichen Höhe angelangt war, die er vor dem Kriege erreicht hatte. Doch wer könnte schätzen, was das deutsche Volk in diesem halben Jahrhundert der Friedlosigkeit versäumt hatte! Denn auch für ein Volk gilt in gewissem Sinne, was für den einzelnen Menschen gilt: eine verlorene Lebenszeit läßt sich nicht wieder ersetzen. Und was für eine gewaltige Zeit europäischer Kultur ist gerade diese erste Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts gewesen! Es ist das Zeitalter, in dem sich England zur ersten Seemacht der Welt zu erheben begann, in dem Frankreich zur unbestritten herrschenden Landmacht Europas geworden war, und in dem mit dem politischen Aufschwung in beiden Ländern die Blüte der Kunst und der Wissenschaft sich verband. Wohl kann man nicht ohne Rührung dessen gedenken, daß selbst in dieser trostlosen Zeit des deutschen Niedergangs neben den Nachfolgern Shakespeares und den großen französischen Klassikern die Stimmen der deutschen Dichtung ihren eigenen Reiz besitzen. Um so mehr lastete auf einem andern Gebiet geistigen Schaffens, das mehr als der Ausdruck seelischer Stimmungen in Poesie und Musik von der Gunst äußerer Bedingungen abhängt, das schwere Schicksal dieses Krieges. Es ist die _neue Wissenschaft_, die in diesem Jahrhundert den glänzenden Abschluß des Zeitalters der Renaissance bildet. Zwar die große Umwälzung der Himmelskunde, die ihr den Weg bereitete, war vorangegangen. Noch reichte das Leben des großen deutschen Forschers, der durch die Entdeckung der Gesetze der Planetenbewegungen dem neuen Weltsystem die Herrschaft gesichert hatte, in die Zeit der Schrecken des Krieges hinein. Doch Kepler fristete, unstet von Ort zu Ort wandernd, notdürftig sein Dasein und starb schließlich im Elend. An jenem Aufschwung auf allen Gebieten der Forschung, der vornehmlich in diese erste Hälfte des Jahrhunderts fällt, und von dem mit Recht gesagt worden ist, er sei nicht bloß eine Wiedergeburt, sondern eine völlige Neuschöpfung, an ihm hat die deutsche Wissenschaft keinen nennenswerten Anteil genommen. Indes die deutschen Universitäten zumeist in der ödesten Spätscholastik befangen geblieben waren, hatte Richelieu die Pariser Akademie gegründet, die sich rasch zu einer Art obersten Tribunals der Wissenschaften erhob. Ihr folgte bald die Königliche Gesellschaft zu London. Eine Reihe hervorragender Mathematiker und Physiker sammelte sich um diese neuen Pflanzstätten der Wissenschaft, die auch aus der Ferne die hervorragendsten Gelehrten in ihren Kreis zogen. Neben den exakten Wissenschaften sind es die Fragen des Staats- und Völkerrechts, die in dieser bewegten Zeit besonders die Geister beschäftigen. Vor allem aber erhebt sich unter dem mächtigen Impuls der Naturwissenschaft und in grundsätzlicher Abkehr von der aristotelischen Scholastik die neue Philosophie. Um die Zeit, in der der deutsche Krieg zu einem Weltkrieg zu werden begann, entwarf Francis Bacon sein großes Werk »Über den Wert und die Fortschritte der Wissenschaften«, in welchem er seine Übersicht über alles, was die neue Wissenschaft geleistet und was sie noch zu leisten habe, mit einer begeisterten Lobpreisung ihres Wertes für den Fortschritt der Menschheit begleitete. Und zwanzig Jahre später, als sich das zerstörende Werk des Krieges seinem Ende zuneigte, verfaßte Descartes jene Reihe seiner Schriften, die seinem und noch dem größten Teil des folgenden Jahrhunderts als die unbestritten größten Schöpfungen der Philosophie galten. Zwei Jahre vor dem Ende des Krieges ist Leibniz geboren. Seine Jugend fällt in eine Zeit, in die wir uns heute schwer hineindenken können. Wie anders mußte doch die Welt einem Geschlecht erscheinen, in welchem die jugendlichere Hälfte der Lebenden den Frieden noch niemals gesehen hatte, die ältere aber diesen Frieden nur noch in dem verklärenden Licht jugendlicher Erinnerungen erblickte, das durch den Kontrast gegen die Schrecken des seither Erlebten um so heller strahlte. So falsch es darum wäre, zu meinen, dieses Geschlecht habe nun sofort sich bemüht, auf dem geradesten Wege nachzuholen, was es bis dahin verabsäumt, so sehr würde man fehlgehen, wollte man vermuten, dieses so lange Jahre ohnmächtig der äußeren Gewalt fügsam gewordene Volk sei auf lange hinaus zu einer Wiedererhebung nicht mehr fähig gewesen. Das letztere würde womöglich noch irriger sein als das erste. Dies zeigt vor allem die Literatur dieser Jahre nach dem Krieg. Insbesondere ist es _eine_ Eigenschaft, die die Menschen dieser Restaurationszeit auszeichnet: das ist das rastlose Streben, die alten glücklichen Zustände wiederherzustellen, die den religiösen und politischen Wirren, auf die man diesen unseligen Krieg zurückführte, vorangegangen waren. So war denn dieses Geschlecht vor allem praktischen Interessen zugewandt. Es ist erstaunlich zu sehen, wie sehr in der Literatur dieser Zeit die politischen Fragen und die Verhandlungen über die religiösen Streitpunkte und ihre mögliche Ausgleichung vorherrschen. Der Krieg war ja zu einem guten Teil ein Religionskrieg gewesen. Konnte man nicht hoffen, daß fernerhin für alle Zeit Friede bleiben werde, wenn nur erst der Glaubenszwiespalt beseitigt sei? In den weitesten Volkskreisen gingen Gerüchte um, die von einem nahe bevorstehenden ewigen Religionsfrieden zu erzählen wußten. Der Erzkanzler Johann Philipp von Schönborn zu Mainz, ein den Protestanten geneigter Fürst, und sein Minister Boineburg, der selbst von der protestantischen zur katholischen Kirche übergetreten war, sollten sich, nach der Volkssage, mit dem Papste bereits über die wechselseitigen Konzessionen verständigt haben, unter denen die große Vereinigung der Religionen ins Werk zu setzen sei. Nicht weniger wie die Kirchenspaltung empfand man aber die politische Zerklüftung Deutschlands als eine Hauptursache des hereingebrochenen Unheils. In der Wiederaufrichtung des deutschen Reichs in alter Herrlichkeit, gefestigt durch ein unauflösliches, jede fremde Einmischung von den deutschen Grenzen künftighin fernhaltendes Bündnis der Fürsten, sah man die sichere Bürgschaft eines dauernden Friedens. Das lebendige Nationalgefühl und sein Widerspiel, der Kampf gegen welsche Mode und fremden Übermut, die uns bei den Dichtern des dreißigjährigen Krieges in so erfreuendem Kontrast zur Not dieser Zeit anmuten, sie setzen sich jetzt, wo der ersehnte Friede wirklich erreicht ist, in hoffnungsreiche Pläne einer politischen und nationalen Wiedergeburt um, die sich freilich allzu leicht über die äußeren Schwierigkeiten und die inneren Hemmungen hinwegtäuschen, denen diese patriotischen Wünsche begegnen. Um die Stellung, die Leibniz in seiner Zeit einnimmt, richtig zu würdigen, muß man diesen Charakter der Zeit selbst in Betracht ziehen. Je weniger wir uns aber heute mehr in jene hochgehenden und schließlich getäuschten Erwartungen zurückdenken können, um so mehr sind wir geneigt, einen Mann wie diesen, der mit dem, was er Bleibendes geschaffen, weit über sie hinausreicht, nach seinem Verhältnis zu uns, nicht nach dem zu seiner eigenen Umgebung und nach denjenigen Seiten seines Wirkens zu beurteilen, in denen er selbst die Hauptaufgabe seines Lebens gesehen hat. Wer Leibniz heute liest, der liest seine philosophischen, zum Teil wohl auch seine mathematischen Schriften, falls er sich hier nicht mit dem mehr oder weniger oberflächlichen Bericht in einer Geschichte der Mathematik begnügt. Selten wirft wohl einmal ein Jurist seinen Blick in die juristischen oder ein Historiker in die politischen Schriften. So bleibt denn nur der allgemeine Eindruck, daß wir hier einem Wissen und Können gegenüberstehen, das überhaupt, um möglich zu sein, nicht bloß einer erstaunlichen persönlichen Begabung, sondern vielleicht auch einer außerordentlichen Zeit bedurfte, in der die Kräfte der Nation nach langem Siechtum wieder zu neuem Leben erwacht waren. Fast ein Jahrhundert lang war ja die deutsche Wissenschaft nahezu stehen geblieben. Die Traditionen der älteren Zeit waren verloren gegangen, die deutschen Vorläufer der neuen Weltanschauung, ein Nikolaus von Kues, ein Paracelsus sind viel später erst, als das Interesse an ihnen ein rein historisches geworden war, in ihrer philosophischen Bedeutung wieder entdeckt worden. So hatte an der Begründung der neuen Philosophie die deutsche Wissenschaft bis dahin keinen Anteil genommen. Da ist es denn in der Tat, als habe der Geist der Nation in dieser einen Persönlichkeit nachholen wollen, was er bis dahin verabsäumt hatte. Der Reihe der hervorragenden Denker, die in England und Frankreich von verschiedenen Seiten, die einen von der empirischen Naturforschung, die anderen von der abstrakten Mathematik, noch andere von der Theologie oder der Staatswissenschaft ausgehend, das Gebäude der neuen Philosophie errichten halfen, tritt dieser deutsche Philosoph als ein einziger, ganz auf sich selbst gestellt, gegenüber. Er ist ihnen allen überlegen. Ihm scheinen die Hilfsmittel sämtlich zu Gebote zu stehen, über die jene nur teilweise verfügen. Er ist Jurist, Historiker und Philologe, Mathematiker, Physiker, Geologe, wohl bewandert in den verschiedenen Gebieten der Biologie, daneben unermüdlich bemüht um die theologischen Streitfragen der Zeit, endlich ein politischer Schriftsteller von unerreichter Virtuosität juristischer Beweisführung und von einer Kenntnis konkreter staatsrechtlicher Fragen, in der ihn keiner seiner Zeitgenossen erreicht. Und seine Philosophie besteht nicht etwa in beiläufigen Gedanken, die ebensogut unabhängig von diesen mannigfachen anderen Arbeiten entstanden sein könnten. Einer solchen Meinung hat Leibniz selbst mehrfach auf das Nachdrücklichste widersprochen. Ihr widerstreitet zudem seine Überzeugung von dem allgemeinen Zusammenhang der Wissenschaften, wie er denn auch verhältnismäßig erst spät zu seinen endgültigen philosophischen Anschauungen gelangt ist. Die Jurisprudenz und die Mathematik erklärt er für einander nahe verwandte Gebiete. Jene ist ihm geradezu eine Art Kalkül mit Begriffen, von dem mathematischen nur dadurch verschieden, daß es bei ihm mehr auf die Qualität als auf die quantitativen Verhältnisse ankommt. Auch meint er von der Jurisprudenz, von der seine eigenen Studien ausgingen und mit der er zeitlebens in enger Fühlung geblieben ist, sie führe zugleich bei allen ihren Aufgaben von dem abstrakten Begriff zu dem konkreten Inhalt der Wirklichkeit, so daß der wahre Jurist eigentlich ebensogut in der Naturwissenschaft wie in der Geschichte und Politik zu Hause sein müßte. Wie die Idee der Harmonie alles Seins und Geschehens schließlich das leitende Motiv seiner Philosophie geworden ist, so gehörte daher der Gedanke einer Harmonie der Wissenschaften, in der jede berufen sei, die andere zu ergänzen und, wo es nötig sei, zu erleuchten, zu seinen bleibendsten Überzeugungen. Darum hat es schwerlich einen Gelehrten gegeben, der mehr gewußt, sicherlich aber auch keinen, der auf bloße Vielwisserei einen geringeren Wert gelegt hätte wie Leibniz. Schon seine erste Schrift, die »~Dissertatio de arte combinatoria~«, mit der er als Zwanzigjähriger seine philosophische Magisterwürde erwarb, ist dafür bezeichnend. Sie behandelt, nach der Sitte der deutschen Hochschulen jener Zeit mit allerlei scholastischen Exkursen belastet, im wesentlichen die Aufgaben der heute noch sogenannten Kombinationsrechnung, allerdings, wie ihr Autor selbst später bemerkt hat, lückenhaft und unzulänglich. Aber wenn sie ihrem Inhalt nach eine bloß mathematische zu sein scheint, so ist sie dies doch ihrem Zweck nach durchaus nicht. Vielmehr möchte der jugendliche Autor die Grundlagen einer systematischen Methode der Ordnung und Gliederung der Begriffe überhaupt gewinnen. So ist die Arbeit ein erster Anlauf zur Verwirklichung jenes Planes einer allgemeinen Begriffsrechnung, der ihn unter dem Namen einer »~Charakteristica universalis~« sein Leben lang beschäftigt hat. Mit diesem Plan einer über die Gesamtheit der Wissenschaften sich ausbreitenden Methode der Forschung stehen dann noch zwei andere, von ihm von frühe an verfolgte, auf die äußere Systematisierung der Wissenschaft gerichtete Pläne in engem Zusammenhang. Der eine, die Gründung gelehrter Gesellschaften, der an die in Paris und London bereits bestehenden Vorbilder anknüpfte, ist bekannt. Er ist in der Gründung der Berliner Akademie noch zu seinen Lebzeiten, in den Akademien zu Wien und Petersburg bald nach seinem Tode zur Verwirklichung gelangt. Weniger pflegt bekannt zu sein, daß diese Gründungen von ihm von Anfang an als internationale, planmäßig zusammenarbeitende Assoziationen gedacht waren und namentlich auch praktische, volks- und staatswirtschaftliche Zwecke verfolgen sollten. Hier stehen sie daher zugleich mit seinen politischen und religiösen Friedensbestrebungen in nahem Zusammenhang. Der zweite, ebenfalls schon in seine Jugendzeit zurückreichende Plan ist vollends ganz in Vergessenheit geraten. Es war der Plan einer enzyklopädischen Vereinheitlichung der Literatur, den man wohl als eine Art Vorausnahme des Gedankens der neuerlichen Gründung der »Deutschen Bücherei« bezeichnen kann. An Stelle der vorhandenen Zersplitterung der Literatur sollte nach seinem Vorschlag der gesamte deutsche Büchermarkt in _einer_ Stadt, in Mainz, konzentriert, außerdem aber halbjährig ein vollständiger Katalog aller erschienenen Schriften herausgegeben werden, zu dessen Herstellung sich Leibniz selbst erbot. Überschritten schon diese wissenschaftlichen Pläne weit den gewöhnlichen Umfang der Wirksamkeit eines Gelehrten, so kamen nun aber dazu andere, für ihn noch zwingendere Motive, die es erklärlich machen, daß er nicht erst durch zufällige Begegnungen in die, wie man denken könnte, seiner Erziehung und Jugendbildung fernliegende Laufbahn des Staatsmannes und Diplomaten gedrängt wurde, sondern daß eben dies in der Tat sein früh erstrebter und frei gewählter Beruf war. Schwerlich würde er auch sonst den ehrenvollen Antrag einer Professur, den die damals eine angesehene Stellung unter den deutschen Hochschulen einnehmende Universität Altdorf ihrem zwanzigjährigen Doktoranden machte, abgelehnt und sich statt dessen vorläufig mit dem etwas fragwürdigen Amt des Sekretärs eines Nürnberger Rosenkreuzervereins begnügt haben. Wer die nach den verschiedenen Richtungen seiner Tätigkeit noch immer vollständigste Ausgabe Leibnizscher Schriften von Dutens durchblättert, nicht etwa bloß seine philosophischen oder mathematischen zu Rate zieht, dem muß sofort in die Augen springen: dieser Autor ist aus eigenstem Antrieb Jurist und Politiker gewesen, und er hat diesen Beruf mit jener Hingabe auf sich genommen, die nur da möglich ist, wo freie Wahl und Beruf zusammentreffen. Wer auch nur probeweise irgendeine seiner Staatsschriften liest, wie die unter dem Pseudonym »~Caesarinus Fürstenerius~« erschienene über die Souveränität der deutschen Fürsten und ihr Verhältnis zur Oberhoheit des Kaisers oder, um ein noch gleichgültigeres, wenn auch heute vielleicht wieder aktuell gewordenes Beispiel zu nehmen, seine Denkschrift über die Wahl eines Königs von Polen, dem tritt hier eine so erstaunliche Virtuosität juristischer und praktisch-politischer Dialektik entgegen, wie einer solchen niemand fähig ist, der nicht neben einer eminenten Sachkenntnis und einer unerreichten logischen Begabung zugleich das scharfe Schwert dieser Logik mit Begeisterung handhabt. Doch selbst die Frage, die Leibniz als »~Caesarinus Fürstenerius~« behandelt, hat heute auch für den Historiker nur noch ein mäßiges Interesse; sie gehört einer uns gleichgültig gewordenen Vergangenheit an. Das bedeutendste dieser Aktenstücke, die Denkschrift, die er, diesmal sogar ausnahmsweise unter Nennung seines Namens, im Auftrage des Kurfürsten von Mainz für Ludwig XIV. ausarbeitete und im Jahre 1672 selbst nach Paris brachte, ist nicht nur ungedruckt, sondern bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts, wo sie als Manuskript im Archiv zu Hannover entdeckt wurde, unbekannt geblieben: es ist die merkwürdige Denkschrift, in der dem französischen König eine Expedition nach Ägypten zur Bekämpfung der Türkenmacht vorgeschlagen wird. Der Plan ist wahrscheinlich in Leibniz' eigenem Kopf entstanden, doch hatte er dem Kurfürsten eingeleuchtet und dieser ihn daher mit den notwendigen Reisegeldern für einen mehrjährigen Aufenthalt in der französischen Hauptstadt ausgerüstet. Aber in so verlockenden Farben der Verfasser den Erfolg eines solchen Feldzugs schildert, den Frankreich im Namen der gesamten Christenheit führen und durch den sich der französische König zum unbestrittenen Oberhaupt der christlichen Fürsten Europas erheben würde, der Vorschlag blieb nicht weniger erfolglos wie der zur polnischen Königswahl. Ludwig XIV. empfing den Abgesandten nicht einmal, sondern ließ ihm durch seinen Minister sagen, seit Ludwig dem Heiligen seien die heiligen Kriege aus der Mode gekommen. Kurze Zeit nachher aber nahm er Lothringen weg, und einige Jahre später überfiel er Straßburg. Die Beraubung des durch den vorangegangenen Krieg erschöpften Deutschen Reichs galt ihm also zwar nicht, wie den heutigen Franzosen die nochmalige Eroberung der von ihnen geraubten Provinzen, als ein heiliger Krieg, jedenfalls hielt er sie aber für gewinnbringender als die ihn vielleicht etwas phantastisch anmutende Expedition nach Ägypten. Auch mag es sein, daß den französischen Staatsmännern die geheime Absicht des Autors, die Eroberungsgelüste ihres Königs von Deutschland abzulenken, nicht ganz verborgen blieb. Konnten diese zum Teil umfangreichen politischen Schriften im Hinblick auf ihre Erfolglosigkeit leicht in Vergessenheit geraten, um wie viel mehr gilt das nun aber von der Jahrzehnte sich hinziehenden Korrespondenz, in der Leibniz über die Frage verhandelte, die ihm mehr als jede andere, ja anscheinend mehr als seine wissenschaftlichen Interessen am Herzen lag, die der Wiedervereinigung der beiden christlichen Kirchen, an deren Stelle dann, als er schließlich auch hier notgedrungen auf einen Erfolg verzichten mußte, gegen Ende seines Lebens die andre einer Vereinigung der protestantischen Bekenntnisse trat. In diesen Unionsbestrebungen ist er eben der hervorragendste Repräsentant einer der mächtigsten geistigen Strömungen seiner Zeit. Zugleich galt ihm aber, wie manchen namentlich der weitersehenden seiner Zeitgenossen, die religiöse als ein wichtiges Mittel zur politischen Einigung der deutschen Stämme, und in diesem patriotischen Interesse war er daher, da nun einmal eine Verständigung nur auf dem Wege des Kompromisses geschehen konnte, überall bemüht, eine solche durch wechselseitige Zugeständnisse zu erzielen. Das war es aber schließlich, woran auch hier seine Bemühungen scheiterten und notwendig scheitern mußten. Wenn ihm der angesehenste Vertreter des französischen Katholizismus, Bossuet, am Ende eines mit ihm geführten Briefwechsels bemerkte, Glaubensdifferenzen seien nicht auf diplomatischem Wege zu beseitigen, so war diese Antwort in der Tat so treffend wie möglich. So ist es denn auch beinahe tragisch zu nennen, daß gerade die wirksamste seiner politischen Schriften keine diplomatische, sondern eher das Gegenteil einer solchen gewesen ist: es ist die kurz nach der mitten im Frieden erfolgten räuberischen Wegnahme Straßburgs durch die Franzosen unter dem Titel »~Mars christianissimus~« erschienene Streitschrift gegen Ludwig XIV. Mit beißendem Spott kennzeichnet ihr Verfasser den Charakter der Franzosen nicht weniger wie den ihres, wie er sich selbst nennt, »allerchristlichsten Königs«. Nach jedem der Raubzüge, die dieser König durch seine Generäle ausführen läßt, errichten ihm die Pariser Triumphbogen mit der Inschrift »Dem großen Ludwig«, obgleich sie wohl wissen, daß das einzige, was dieser Große während der Feldzüge getan hat, darin bestand, daß er sich in Paris amüsierte. Seine Qualität als allerchristlichster König bekundet er aber dadurch, daß er seine Feldherren in den eroberten Ländern wie die Mordbrenner hausen läßt. Leibniz hat damit der aus Empörung und Verachtung gemischten Volksstimmung Ausdruck gegeben, die noch bis vor wenig Jahrzehnten, ja vielleicht bis zum heutigen Tage in den süddeutschen Grenzlanden nachgewirkt hat. Aber auch dieser wirkungsvollsten seiner politischen Schriften ist nur eine kurze Lebensdauer beschieden gewesen, da sie durch ihr gelehrtes lateinisches Gewand von vornherein auf engere Kreise beschränkt blieb. Vergeblich getane Arbeit ist aber gerade darum, weil sie vergeblich ist, nicht selten mühseliger und zeitraubender als fruchtbringende. Das berühmte Problem der Brachystochrone, der Linie des kürzesten Falls, um das sich sein Freund Johann Bernoulli vergeblich bemüht hatte, löste Leibniz auf einer Spazierfahrt von Hannover nach Wolfenbüttel, und das Resultat dieser Leistung ist noch heute im Gedächtnis der Mathematiker erhalten geblieben. Die persönlichen Unterredungen, die Reisen und die Briefe, die er der Frage der Vereinigung der Kirchen gewidmet, haben Jahrzehnte lang einen großen Teil seiner Zeit in Anspruch genommen; doch sie sind so gut wie die ergebnislos gebliebenen politischen Schriften aus dem Gedächtnis der Nachwelt fast ganz verschwunden. Schon die nächste Generation hat in Leibniz fast nur noch den großen Philosophen und Mathematiker erblickt. Man hat dabei meist nicht beachtet, daß dadurch immerhin das Bild, das wir uns auch von dem Philosophen und Mathematiker machen, der Wirklichkeit nicht entspricht. Sein Leben ist nicht in erster Linie diesen abstrakten Wissenschaften gewidmet gewesen, während er nebenbei den Fürsten, an deren Hof er tätig war, mit seinem Rat an die Hand ging, sondern das Umgekehrte ist zutreffend: er ist, dem Drang der Zeit und eigenstem Bedürfnis folgend, Politiker gewesen, er hat sich aus diesem Bedürfnis heraus vor allem die juristische und staatswissenschaftliche Bildung der Zeit angeeignet und die äußere Stellung gesucht und gefunden, die ihm die Ausübung dieses politischen Berufs ermöglichte, ihn aber auch mit einer Last von Arbeit überhäufte, die für sich allein schon eine ungewöhnliche geistige Kraft in Anspruch nahm. Die Meisterschaft in der Behandlung der Fragen des Staats- und besonders des Fürstenrechts, über die er verfügte, hatte ihn frühe schon zur obersten Autorität nicht nur im Gebiet des letzteren, sondern in den die Zeit bewegenden politischen Fragen überhaupt gemacht. Die Verhandlungen über die geplante Kirchenvereinigung, die teils unter seiner persönlichen Assistenz zu Hannover, teils durch den von ihm geführten Briefwechsel stattfanden, haben ihn in den wechselnden Formen zuerst der Reunion der Katholiken und Protestanten, dann der Union der protestantischen Konfessionen sein Leben lang beschäftigt. Und daneben fehlte es nicht an fürstlichen Sukzessions- oder Erbfolgefragen sowie an den damals bei den deutschen Fürsten leider nicht selten vorkommenden Eheirrungen, bei deren Ausgleich Leibniz nicht selten als Rechtskonsulent tätig war. Daneben beschäftigten ihn von früh an allgemeinere Aufgaben des öffentlichen und privaten Rechts: so schon in Mainz ein nicht zur Vollendung gelangter »~Codex diplomaticus~«, der die wichtigsten Staatsverträge zusammenfassen sollte, ein systematisches Kompendium des ~Corpus juris~, der Entwurf einer Reform des juristischen Studiums und vieles andere. Wenn Leibniz seine wissenschaftlichen Ergebnisse, insbesondere die mathematischen und philosophischen, nicht in größeren Werken, sondern durchgängig in kurzen Mitteilungen und Briefen niederlegte, so hat man das zuweilen als ein Zeugnis dafür angesehen, daß es ihm nur um die Sache, wenig um die Geltendmachung seiner Autorschaft zu tun gewesen sei. Näher liegt es aber doch, daß sein politischer und diplomatischer Beruf neben den mit diesem zusammenhängenden praktischen Bestrebungen und privaten Konsultationen seine Zeit allzu sehr in Anspruch nahm. In Briefen an Freunde klagt er wiederholt, er müsse eine Menge mathematischer Probleme unerledigt lassen. »Ich wünschte mir,« sagt er gelegentlich, »um die Aufgaben zu lösen, die mir durch den Kopf gehen, zehn weitere Köpfe oder mindestens zwölf hilfreiche Freunde«, ein Ausspruch, der nebenbei zeigt, daß er sich seiner überragenden Fähigkeiten wohl bewußt war. Sein eigentlicher, den Hauptinhalt seines Lebens bildender Beruf ist eben der des praktischen Politikers gewesen. Und darin ist er ein Kind seiner Zeit. Der Gedanke der Wiederherstellung des Friedens in Staat und Kirche, fand in ihm ihren genialsten Vertreter. Die sonstigen Arbeiten, besonders die philosophischen und mathematischen, waren mehr Produkte seiner Mußestunden, die sich seinem eigentlichen Lebensberuf unterordneten. Nur zweimal, beidemal bezeichnenderweise auf der Reise, hat er sich mathematischen und physikalischen Studien in größerer Konzentration der Arbeit gewidmet. Seine Pariser Mission war nach zwei Jahren bereits endgültig gescheitert. Er konnte nach Hause zurückkehren; aber er blieb noch weitere zwei Jahre. In der höheren Mathematik war ihm eine neue Welt aufgegangen. In ihr völlig heimisch zu werden, empfand er als ein dringendes Bedürfnis, und er mochte überzeugt sein, daß ihm das nur hier, an der damals ersten Stätte mathematischer Forschung, möglich sei. Die Frucht dieser Jahre außerhalb des diplomatischen Dienstes ist die Erfindung der Differentialrechnung. Zehn Jahre später unternahm er im Auftrage des Kurfürsten von Hannover eine zweite mehrjährige Reise. Sie führte ihn nach Wien und Italien, wo er die Archive nach den Urkunden der Geschichte des Welfischen Hauses durchforschte. Hier begann er ein großes systematisches Werk über Dynamik, dem er einen kürzeren Essai bereits vorausgeschickt hatte. Dieses systematische Werk sollte seine jahrelangen Studien über dieses Gebiet zusammenfassen. Aber auch dieses Werk ist Fragment geblieben. Die archivalischen Arbeiten, um derentwillen er die Reise angetreten, mögen doch allzu sehr seine Zeit in Anspruch genommen haben. So hat über seinen wissenschaftlichen Werken das Verhängnis gewaltet, daß, abgesehen von kleineren Aufsätzen und Briefen, gerade von den philosophischen nur zwei von ihm vollendet worden sind. Von ihnen ist noch dazu das eine, die »Theodizee«, die er für die Königin Sophie Charlotte von Preußen schrieb, vielleicht zu gleichen Teilen seinen konziliatorischen religiösen Bestrebungen wie seinen philosophischen Arbeiten zuzurechnen. Wie er in der jahrelangen Korrespondenz mit dem Jesuitenpater Des Bosses in Hildesheim diesem einleuchtend zu machen sucht, daß, nötigenfalls mit einigen ergänzenden Hypothesen, die den Grundgedanken unberührt lassen sollten, das monadologische System mit dem katholischen Dogma in Einklang zu bringen sei, so will die Theodizee der für die kirchlichen Unionsbestrebungen lebhaft interessierten Königin die vollkommene Übereinstimmung seiner Philosophie mit dem Christentum überhaupt, besonders mit den der katholischen und protestantischen Kirche gemeinsamen Glaubensüberzeugungen dartun. Das zweite größere Werk, die »~Nouveaux Essais sur l'entendement humain~«, eine in Dialogform niedergeschriebene fortlaufende Kritik der Sätze des in jenen Tagen einen großen Einfluß ausübenden Werkes von Locke, trägt durchaus den Charakter von Notizen, die sich der Autor zu persönlichem Gebrauch gemacht hat. Leibniz soll die Veröffentlichung unterlassen haben, weil Locke während der Abfassung dieser Notizen starb. Aber die Anhänger Lockes lebten so gut wie die Schüler Descartes', den Leibniz, obgleich er längst gestorben war, zeitlebens bekämpfte. Es ist daher viel wahrscheinlicher, daß er die zu eigener Belehrung geschriebene Arbeit nicht geeignet zur Veröffentlichung fand. Daß ein halbes Jahrhundert nach seinem Tode das Manuskript dennoch gedruckt wurde, war sicherlich ein großer Gewinn für das Verständnis seiner Philosophie. Dennoch blieb es ein Verhängnis für diese, daß bis über die Hälfte des 18. Jahrhunderts hinaus die Theodizee sozusagen für die offizielle Darstellung seiner Philosophie galt. Dies bewirkte nicht nur, daß die Philosophie des 18. Jahrhunderts unter dem Schein des Anschlusses an Leibniz in Wahrheit weit hinter diesen zurückging, sondern daß selbst noch Kant nur ein mangelhaftes Verständnis seiner Philosophie besaß. Wenn Leibniz, wie nicht zu leugnen ist, durch die auch in seinen religiösen Unionsbestrebungen hervortretende allzu große Geneigtheit zu Kompromissen daran zum Teil selber die Schuld trägt, so hängt das mit zwei Eigenschaften zusammen, die, sonst in der Regel einander widerstrebend, bei ihm in seltener Weise vereinigt sind: er ist im höchsten Grade rezeptiv und produktiv zugleich. Er ist stets geneigt, einen ihm entgegentretenden neuen Gedanken sich anzueignen. Sagt er doch selbst von sich, in der Diskussion sei er mehr bereit, anderen zuzustimmen, als ihnen zu widersprechen. Aber seine Zustimmung ist gewissermaßen immer zugleich ein Widerspruch: er dreht und wendet den fremden Gedanken so lange, bis er sein eigener, damit aber auch ein anderer geworden ist. Eigentlich ist das ja nur eine besondere Anwendung der in den juristischen und politischen so gut wie in den philosophischen und theologischen Arbeiten zutage tretenden Virtuosität seiner Dialektik. Aber ohne Gefahr ist natürlich diese dialektische Gewandtheit nicht. Sie hat ihn gelegentlich zu Konzessionen getrieben, die er im letzten Augenblick wieder zurücknehmen mußte. So machten ihn seine katholischen Freunde darauf aufmerksam, nach allem, was er zugunsten der Wiedervereinigung der Kirchen sage, bleibe ihm eigentlich nichts übrig als selbst katholisch zu werden. Trotzdem hat er dreimal der in verlockender Form an ihn herantretenden Versuchung widerstanden. In Paris konnte er um den Preis des Konfessionswechsels Mitglied der Akademie, in Rom Bibliothekar beim Vatikan werden, in Wien eine einflußreiche Stellung am kaiserlichen Hof gewinnen: er widerstand der Versuchung in allen drei Fällen. »Ich würde,« das war die charakteristische Antwort, »ich würde, wenn ich katholisch wäre, nicht Protestant werden, eben darum werde ich aber auch, da ich Protestant bin, nicht katholisch.« Darum war er nicht bloß genial auf allen den mannigfaltigen Gebieten der Wissenschaft, denen er sich zuwandte, sondern er war auch ein genialer Diplomat; aber er war kein Mann aus dem Holze, aus dem Reformatoren geschnitzt werden. Auch seiner Philosophie ist diese Eigenschaft verhängnisvoll geworden. Sie hat nicht nur über seine wirklichen Überzeugungen, über das, was man seine »esoterische« Philosophie nennen kann, Mißverständnisse erweckt, die bis zum heutigen Tage nachwirken, sondern sie mag ihn auch bisweilen veranlaßt haben, Begriffe, die verschiedenen Entwicklungsstufen seines Denkens angehörten, zu verbinden oder je nach Umständen abwechselnd zu gebrauchen. So konnte der Schein der Mehrdeutigkeit um so leichter entstehen, als er vor andern zu den Philosophen gehört, die nur allmählich zu ihren endgültigen Überzeugungen gelangt sind. So vieles man nun aber von allem dem der persönlichen Eigenart zuschreiben mag, die ja besonders bei einer so hervorragenden Persönlichkeit stets zugleich einzig in ihrer Art ist, so ist es doch wiederum der Charakter der Zeit, der in diesem ihrem größten Sohne zum Ausdruck kommt. Das gilt schließlich auch von derjenigen Eigenschaft, die dem oberflächlichen Betrachter zunächst auffällt, bei der aber auch derjenige, der sich die geistige Physiognomie dieses Mannes näher zu vergegenwärtigen sucht, immer wieder als der bewundernswertesten und unbegreiflichsten stehen bleibt: von der Universalität seines Wissens und Könnens. So sehr in der Tat das deutsche Volk zu Leibniz' Zeit unter der Nachwirkung des furchtbaren Krieges hinter den Fortschritten, die indessen anderwärts die Wissenschaften gemacht hatten, zurückgeblieben war, die Spuren der tiefen geistigen Erregung, die die Reformation ausgeübt, waren ebensowenig erloschen, wie die Eigenart des deutschen Geistes verloren gegangen war, in der sich schon innerhalb der scholastischen Theologie und Philosophie die Reformation vorbereitet hatte, und die zum Teil abseits von der sonstigen scholastischen Tradition lag. Leibniz war in dieser deutschen Scholastik aufgewachsen. Als die neue Wissenschaft, vor allem die neue Naturwissenschaft, auf ihn einzuwirken begann, war er schon ausgestattet mit einem umfassenden Wissen; doch dieses Wissen war nach Umfang und Methode das der Scholastik. Und universell nach ihrem Umfang, einheitlich nach ihrer Methode war die Scholastik von Anfang an. Wenn Leibniz mit einer gründlichen scholastischen Jugendbildung der neuen Wissenschaft gegenübertrat, so kam er daher nicht mit leeren Händen. Was die Scholastik errungen, für die neue Wissenschaft fruchtbar zu machen, das war sein erstes, die Scholastik durch die neue Wissenschaft endgültig zu überwinden, das wurde sein letztes Ziel. II. Leibniz und die Scholastik. In einem seiner späteren Briefe klagt Leibniz, in seiner Jugendzeit habe in Deutschland noch die Scholastik geherrscht, während anderwärts bereits überall die neue Wissenschaft sich verbreitet hatte. Gleichwohl würde es irrig sein, wollte man daraus schließen, Leibniz stimme dem absprechenden Urteil zu, das zuerst die Humanisten und dann die Vertreter der neuen Naturwissenschaft gefällt hatten. Dem würde schon die unbegrenzte Hochachtung widersprechen, mit der er überall des Aristoteles gedenkt, der doch allezeit der Vater der Scholastik gewesen ist. Aber auch gegen die eigentliche Scholastik verhält er sich durchaus nicht ablehnend. Vielmehr kommt jene Neigung, die er selbst sich zuschreibt, lieber zuzustimmen als zu widersprechen, auch ihr gegenüber zur Geltung, und den Spuren seiner scholastischen Jugendbildung begegnet man überall in seinen späteren Schriften. Von Kindheit auf waren ihm Aristoteles und die Scholastik vertraut, bereits zu einer Zeit, als ihm nach seinem eigenen Bekenntnis die neuere Naturwissenschaft und Philosophie noch fremd geblieben. Mochte er auch, wie er später erzählt, als er auf der Universität mit der damals auf der Höhe ihres Ansehens stehenden Cartesianischen Philosophie bekannt wurde, eine Zeitlang schwanken, ob er den »substantiellen Formen« der Scholastiker oder den mechanischen Prinzipien Descartes' den Vorzug geben solle, bereits seine akademische Erstlingsschrift bewegt sich ganz in den Gedankenkreisen der Scholastik. Behandelt sie doch die damals hauptsächlich den Zankapfel zwischen den sogenannten Realisten und Nominalisten bildende echt scholastische Streitfrage, ob die individuellen Unterschiede der Dinge von der Form oder von der Materie herrührten. Diese scholastische Jugendbildung hat sein Leben lang in ihm nachgewirkt. Doch die Scholastik ist keine einheitliche Philosophie. Wir sind heute allzu sehr geneigt, den Eindruck, den besonders in den späteren Jahrhunderten der formalistische Betrieb der scholastischen Logik, die Herrschaft eines blinden Autoritätsglaubens und die Neigung zu leeren Begriffs- und Wortstreitigkeiten erwecken, auf die Wissenschaft dieses ganzen Zeitalters zu übertragen. Vor allem aber steht unser heutiges Urteil unter dem Einfluß der vernichtenden, natürlich einseitig orientierten Polemik der Humanisten und der bahnbrechenden Philosophen der Neuzeit, die, ähnlich wie dies dereinst Plato mit der Sophistik getan hatte, nach den abschreckenden Beispielen scholastischer Wort- und Begriffsklauberei eigentlich erst jenes typische Bild der Scholastik geschaffen haben, das heute noch das geläufige ist. Doch so treffend die Satire sein mag, in der schon die Erfurter Humanisten in den »Briefen der Dunkelmänner« gegen die Kölner und Leipziger Magister zu Felde zogen, diese Satire trifft eigentlich nur den vulgären Schulbetrieb einiger Hochschulen, während die Verfasser jener satirischen Briefe selbst und ihre Gesinnungsgenossen in wissenschaftlicher Beziehung noch ebenso wie die Reformatoren dem Gedankenkreis der Scholastik angehören. So hat denn noch über ein Jahrhundert später Leibniz Jena, Marburg und Helmstädt als die drei fortgeschrittensten Universitäten gerühmt, und er bekennt dankbar, daß ihm erst während des kurzen Semesters seiner Studienzeit in Jena durch Erhard Weigel ein neues Licht aufgegangen sei. Das will aber nicht bedeuten, daß auf jenen drei Universitäten die Scholastik nicht geherrscht hätte, oder daß Erhard Weigel ein Vertreter der modernen Philosophie gewesen wäre. Vielmehr ging das Bestreben gerade dieses Mannes vornehmlich dahin, die Scholastik mit der neuen Wissenschaft zu versöhnen, und wenn in irgend einer Richtung er auf Leibniz gewirkt hat, so ist es in der Tendenz gewesen, die durch die Scholastik geschaffenen Denkmittel, so weit er ihnen einen bleibenden Wert zuerkannte, für diese neue Wissenschaft fruchtbar zu machen. Außerdem aber gab es in der Scholastik selbst eine Richtung, die der herrschenden, streng an Aristoteles sich anschließenden fremd gegenüberstand, und in der ältere gnostische und neuplatonische Strömungen nachwirkten. Gerade ihr stand auch jener Erhard Weigel, der sich sein Leben lang mancherlei pythagoreisierenden Spekulationen und andern phantastischen Plänen hingab, nicht allzu fern. Weit mehr als in den Gegensätzen der Realisten und Nominalisten, die sich in ihrem wissenschaftlichen Lehrbetrieb meist wenig unterschieden, sind es diese mehr von einzelnen Persönlichkeiten ausgehenden mystischen Richtungen, die der Scholastik niemals fehlten und die besonders auch in den gelehrten Mönchsorden des 13. Jahrhunderts bedeutende Vertreter fanden, die sichtlich auf Leibniz in seiner Jugendzeit gewirkt haben. Zu ihnen gehören Meister Eckhard, der deutsche Dominikaner, zu ihnen Roger Bacon, der irische Franziskaner. Beide sind die hervorragendsten Repräsentanten zweier im ganzen heterogener Strömungen, die in dem Zeitalter der klassischen Scholastik nebeneinander hergehen. In der Predigt des Meister Eckhard überwiegt die von dem Gedanken der unmittelbaren Selbstoffenbarung der Gottheit getragene rein religiöse Mystik; in Roger Bacon verbindet sich dieser mystische Zug mit dem in dem intellektuellen Universalismus der klassischen Scholastik wurzelnden Streben nach einer vornehmlich von der wunderbaren Macht der Mathematik erhofften Welterkenntnis. In der zweiten dieser Richtungen beginnt sich daher zugleich der Geist der künftigen neuen Naturwissenschaft und ihres mächtigen Werkzeuges, einer über die Grenzen der bisherigen Rechenkunst hinausführenden höheren Mathematik, zu regen. Es ist eine eigenartige, seitdem nie wieder ganz erloschene Abzweigung der Mystik, die uns hier begegnet. Ein Hauptvertreter dieser teils mit dem Aberglauben der Zeit, teils mit dem allmählich sich regenden Gedanken einer neuen Naturerkenntnis sich berührenden Richtung ist ein zweiter Zeitgenosse des Meister Eckhard, der Spanier Raimundus Lullus, der vielleicht gerade deshalb, weil in ihm phantastische Mystik und mathematische Spekulation besonders innig verwebt sind, am längsten nachgewirkt hat. Noch Jahrhunderte nach ihm galt die »Lullische Kunst« -- so nach dem Titel »~Ars magna~« seines Werkes genannt -- ähnlich der Alchemie als eine Art wissenschaftlicher Zauberei. Wie die Alchemie zum Experiment, so verhielt sich diese mystische Zahlenkunst zur wissenschaftlichen Mathematik. Der überraschende Eindruck, den das unerwartete Ergebnis einer Rechenoperation auf den Rechnenden selbst hervorbringen kann, macht es wohl begreiflich, daß dem mathematischen Denken dieser Zug zur Mystik eigen geblieben ist, und daß sich vollends in jenen Tagen, in denen der uralte Zahlzauber im Volksglauben noch eine größere Rolle spielte als heute, die Wissenschaft gelegentlich auch auf diesem Gebiet sich zur Magie steigerte. Schon der Astrologie hatte ja die mathematische Beihilfe, deren sie bedurfte, zum Teil ihr Übergewicht über die anderen sogenannten Geheimwissenschaften verschafft. So lag die Übertragung dieser Mystik der Zahlen auf die mathematischen Operationen selbst, wie sie den spezifischen Charakter der Lullischen Kunst und verwandter Bestrebungen ausmachte, nahe genug, während zudem der in der Scholastik herrschende logische Formalismus dieser Tendenz zu Hilfe kam. ~a.~ Leibniz als Mathematiker. In der Tat ist es durchaus diese Richtung der mathematischen Mystik, die uns in der Schrift entgegentritt, mit der Leibniz die Reihe seiner mathematischen Arbeiten eröffnete, in der »~Dissertatio de arte combinatoria~«. Nach dem Titel ist man geneigt, in ihr eine Kombinationslehre im heutigen Sinne zu vermuten, und teilweise ist dies auch zutreffend. Aber ihr eigentlicher Zweck ist ein höherer. Er ist im wesentlichen der gleiche, den dereinst Raimund Lull mit seiner »~Ars magna~« verfolgt hatte; und nicht nur der Zweck, sondern auch die Mittel, ihn zu erreichen, sind im ganzen die nämlichen. Auch Raimund Lulls Werk war eine Art Kombinatorik gewesen. In der Verbindung einfacher zu komplexen Begriffen sah er eine »~Ars inveniendi~«, eine Erfindungskunst, die der theoretischen Erkenntnis wie ihrer praktischen Anwendung dienen und alle Wissenschaften zu einer großen Einheit verbinden sollte. Genau so schildert Leibniz später im Rückblick auf seine eigene Entwicklung die Gedanken, die ihm bei jener mathematischen Erstlingsschrift vorschwebten. Sein Plan sei gewesen, die »zusammengesetzten Begriffe der ganzen Welt in wenige einfache, gleichsam als deren Alphabet, zu zerlegen« und dann durch deren systematische Kombinationen zu verbinden. Dazu sollte außerdem ein zweckmäßiges Zeichensystem für die Charakteristik der Begriffe dienen. Danach ist die »~Ars combinatoria~« ein erster Versuch zur Ausführung jener »~Charakteristica universalis~«, deren Plan Leibniz sein Leben lang beschäftigt hat. Sie ist aber zugleich eine Erneuerung des Unternehmens von Raimund Lull. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings zwischen beiden. Mag auch in den Hoffnungen, die Leibniz an seine ~Charakteristica universalis~ geknüpft hat, noch ein leiser Hauch mathematischer Mystik zu verspüren sein, von der phantastischen Mystik eines Raimund Lull, der unter anderem in der Kombinatorik ein Mittel sah, die Ungläubigen zum Christentum zu bekehren, ist er vollkommen frei. Er erkennt ihr nur insoweit den Charakter einer »Erfindungskunst« zu, als die Zerlegung und Verbindung der Begriffe der systematischen Ordnung derselben dienen kann. Darum bleibt nun aber auch das Resultat seiner »~Ars combinatoria~« im wesentlichen ein rein formales; und sie ist später ihrem Urheber selbst höchstens als eine Art Einleitung zu jener von ihm gesuchten »~Ars inventiva~« erschienen. Um so mehr ist gerade die Kombinatorik ein echtes Erzeugnis des scholastischen Formalismus, wie denn auch ihr Verfasser die Variationen der Urteilsformen in den syllogistischen Figuren als ein Hauptbeispiel gewählt hat. Gleichwohl spiegeln sich in dieser mathematischen Erstlingsschrift des Philosophen bereits die in ihm zur höchsten Ausbildung gelangten Seiten der Scholastik: ihre Universalität und das mit dieser zusammenhängende Streben nach einer streng logischen und zugleich einheitlichen Methode. Auf der einen Seite erblickt er in der Anwendbarkeit der Kombinatorik auf alle möglichen Begriffe eine Eigenschaft, die sie zu einer universellen Methode geeignet macht; auf der andern ist ihm ihr mathematischer Charakter eine Bürgschaft ihrer logischen Exaktheit. Doch als die Hoffnungen scheiterten, die Leibniz auf die Kombinatorik gesetzt hatte, verzichtete er darum noch keineswegs auf den Plan, zu dessen Verwirklichung sie ihm um ihrer universellen Anwendbarkeit willen zunächst dienen sollte. Aber man gewinnt den Eindruck, daß nun dieser Plan eine andere Gestalt annahm. Hatte die »~Ars combinatoria~« das ungeheure Problem einer universellen Methode mit einem Mal zu lösen versucht, so sollte nun eine stückweise Bewältigung der einzelnen mathematischen Aufgaben im Sinne einer die verschiedenen Gebiete in engere Beziehung zu einander bringenden Behandlung treten. Sehr bezeichnend tritt uns dieser mutmaßliche Wandel des Planes der »~Charakteristica universalis~« in einigen die mathematische Behandlung der Logik betreffenden Blättern entgegen, die J. E. Erdmann in der Bibliothek zu Hannover aufgefunden und in seiner Ausgabe der philosophischen Werke veröffentlicht hat. Sie enthalten einen Entwurf, in dem zum ersten Male der Versuch einer Darstellung der Logik in der Form eines dem arithmetischen nachgebildeten Algorithmus gemacht wird. Die Stellung dieser Aufgabe ist sichtlich aus der von Leibniz des öfteren ausgesprochenen Überzeugung entsprungen, die gesamte Mathematik sei eigentlich nichts anderes als eine erweiterte Logik. Er sucht demnach vornehmlich die veränderte Bedeutung festzustellen, welche den arithmetischen Fundamentaloperationen angewiesen werden muß, wenn man sie, statt speziell auf Größenbegriffe, auf irgendwelche logische Begriffe überhaupt anwendet. Ohne von diesem Leibnizschen Unternehmen etwas zu wissen, haben in neuester Zeit namentlich englische und amerikanische Mathematiker dasselbe Problem einer »symbolischen Logik« auf verschiedenen Wegen in Angriff genommen. Aber der Standpunkt der Behandlung ist dabei durchgängig ein diametral entgegengesetzter gewesen. Während Leibniz unmittelbar aus den logischen Denkformen selbst den ihnen eigentümlichen Algorithmus entwickelt, gehen jene neueren Forscher umgekehrt von der Mathematik aus, indem sie unter der Voraussetzung der Allgemeingültigkeit der arithmetischen Operationen einen zur Lösung spezifisch logischer Aufgaben geeigneten mathematischen Kalkül zu entwickeln suchen. Der Unterschied zwischen Leibniz und ihnen besteht also darin, daß diese lediglich den praktischen Zweck einer Gewinnung von mathematischen Methoden zur Lösung mehr oder weniger verwickelter syllogistischer Aufgaben verfolgen, ohne sich um die Frage nach dem Verhältnis der allgemein logischen zu den spezifisch mathematischen Denkoperationen zu kümmern, wogegen Leibniz ausschließlich diese theoretische Frage behandelt, ohne sich auf praktische Anwendungen einzulassen. Gerade dies rein theoretische Interesse an der Frage ist offenbar von der auf die Anregungen seiner scholastischen Jugendbildung zurückgehenden Hochschätzung der formalen Logik getragen, die bei den modernen Bearbeitern des gleichen Themas vielmehr dem Bestreben Platz gemacht hat, die unvollkommenen logischen Hilfsmittel durch vollkommenere mathematische zu ersetzen. Diese Wendung des Problems würde Leibniz wahrscheinlich als einen Versuch betrachtet haben, die allgemeinen Gesetze des logischen Denkens nicht zu erleuchten, sondern zu verdunkeln. Dagegen entspricht seine Behandlung durchaus dem aus der Beziehung zwischen Logik und Mathematik sich ergebenden theoretischen Problem, und sie liegt außerdem in der Richtung der von der Scholastik gepflegten Verwendung der aristotelischen Syllogistik in Geometrie und Arithmetik. Diese Verbindung hatte die Scholastik aus dem Altertum übernommen; die Elemente des Euklid blieben aber nicht zum wenigsten deshalb das führende und fast das einzige Lehrgebäude der Mathematik, weil bei ihnen bereits die aristotelische Syllogistik Pate gestanden und wesentlich mitgewirkt hatte, in der Wissenschaft des Abendlandes den Aristoteles jahrhundertelang zur unbestritten obersten Autorität zu erheben. Wie jedoch die »~Charakteristica universalis~« bei Leibniz von Anfang an ein Ideal ist, das in der Logik ihr zugleich die Sicherheit der Mathematik verbürgendes Vorbild hat, so legt dies den weiteren Gedanken nahe, den Maßstab der mathematischen Evidenz wiederum an die allgemeinen Operationen des logischen Denkens anzulegen und damit, wie bisher durch die Syllogistik eine Stütze für den mathematischen Beweis, so nun umgekehrt aus den auf eine exakte mathematische Form gebrachten Grundsätzen der logischen Denkoperationen ein Mittel für die Nachweisung wissenschaftlicher Wahrheiten überhaupt zu gewinnen. Der Versuch einer solchen in das Gewand einer mathematischen Symbolik gekleideten Logik erscheint so als eine Verallgemeinerung jener oben erwähnten Behauptung, Jurisprudenz und Mathematik seien einander verwandte Wissenschaften. Noch bewegten sich jedoch diese Pläne einer die Logik mit der Mathematik zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfassenden Universalwissenschaft im wesentlichen auf dem Boden der Elementarmathematik und der überlieferten Logik. Neue und zugleich fruchtbarere Ausblicke in dieser Richtung eröffneten sich, als Leibniz, wie er selbst bekennt, zum erstenmal in Paris in den Geist der höheren Mathematik eindrang. Wenn er Descartes' Geometrie und Pascals Briefe über die Zykloide als die beiden Werke bezeichnet, deren Studium er die ersten Anregungen verdankt habe, so geschah dies hier freilich fast mehr in negativem als in positivem Sinne. Die Lektüre jener Werke regte ihn an, die Lösung der in ihnen behandelten Probleme auf einer neuen Grundlage zu versuchen. Dabei zeigt sich aber auch gerade in diesem Fall, daß er selbst jenen Problemen keineswegs mit leeren Händen entgegenkommt, sondern daß diejenigen Ideen, die deren ganze Behandlung auf eine neue Basis stellen sollten, tief in seiner scholastischen Jugendbildung wurzeln. Doch während seine bisherigen Bemühungen auf die Herstellung einer engeren Beziehung zwischen Mathematik und Logik gerichtet sind, veranlassen ihn die schwierigeren Probleme der höheren Mathematik, tiefer in den Vorrat überlieferter philosophischer Begriffe zurückzugreifen. Die Logik genügt dazu nicht mehr, die Mathematik muß zu Hilfe gerufen werden. Da sind es zwei Lücken, die ihm bei dem Studium der neueren mathematischen Arbeiten begegnen: die eine läßt ihn Descartes' analytische Geometrie als unzulänglich erkennen; die andere zeigt sich bei dem in jenen Tagen viel verhandelten Problem der Quadratur des Kreises, bei dem man immer noch im wesentlichen auf die alte Archimedische Exhaustionsmethode zurückging. Um diesen Mängeln abzuhelfen, dazu genügten die Hilfsmittel der in fest begrenzte Begriffsverhältnisse eingeschlossenen Logik nicht mehr. Wohl aber fand sich in dem Arsenal der aristotelisch-scholastischen Metaphysik ein bedeutsamer Begriff, den zwar die Mathematik gelegentlich gestreift, von dem sie aber nirgends eine folgerichtige Anwendung gemacht hatte. Das war der Begriff des _Unendlichen_. Fast könnte man sagen: es war eine Art ~Horror vacui~, der bis dahin die Mathematik wie die Logik von der Verwendung des Unendlichkeitsbegriffs ferngehalten hatte. Eine um so wichtigere Rolle hatte er in der Metaphysik gespielt. Ausgehend von der Voraussetzung einer Unendlichkeit der Zeit, die Aristoteles für das »Automaton«, jenen ersten Beweger, der für ihn einerseits mit der Gottesidee, anderseits mit dem Begriff einer unaufhörlich wirksamen Ursache des kosmischen Geschehens zusammenfiel, angenommen hatte, war die scholastische Theologie in ihrem Streben, die Gottesidee über alle denkbaren Grenzen zu erhöhen, zu dem Begriff einer absoluten Unendlichkeit fortgeschritten, der eben darum nicht mehr positiv bestimmt, sondern nur durch die Negation aller endlichen Eigenschaften definiert werden konnte. So entstand aus der ursprünglich der empirischen Wirklichkeit angehörenden aristotelischen Substanz (~ousia~), die in dem Einzelding ihre unmittelbare Grundlage hatte, der Begriff einer _absoluten_ unendlichen Substanz, der bis tief in die neuere Philosophie hinein fortgewirkt hat. Da dieser Begriff des Unendlichen von uns zwar als ein notwendiger erkannt wird, an sich aber die Fähigkeiten unserer begrenzten Erkenntnis überschreitet, so nennt ihn die Scholastik einen _transzendenten_. Dieses von ihr geschaffene Wort hat zuerst Leibniz von der Metaphysik in die Mathematik hinübergetragen, und die Anregung dazu gab ihm das Studium von Descartes' Geometrie. Descartes hatte in seinem Werk nur diejenigen geometrischen Gebilde analytisch behandelt, deren Gleichungen bloß einer begrenzten Zahl arithmetischer Operationen zu ihrer Lösung bedürfen. Kurven, bei denen diese algebraischen Hilfsmittel nicht zureichen, nannte er »mechanische Kurven«, insofern man sie sich gleichwohl durch eine nach irgendeinem Gesetz erfolgende Bewegung erzeugt denken kann. Sein Werk war also nicht eine analytische Geometrie im heutigen Sinne des Wortes, obgleich man es meist so zu bezeichnen pflegt, sondern eine algebraische Geometrie oder, wie man es vielleicht treffender nennen könnte, eine Theorie der algebraischen Funktionen und ihrer geometrischen Anwendungen. Dazu muß freilich bemerkt werden, daß der mathematische Begriff der Funktion, der unter diesem Namen erst später durch Johann Bernoulli eingeführt wurde, zu Descartes' Zeit noch nicht oder doch nur latent existierte. Hier erkannte nun Leibniz sofort in dieser Beschränkung einen Mangel, dem er durch die Forderung einer analytischen Behandlung auch dieser, die Hilfsmittel der gewöhnlichen mathematischen Elementaroperationen überschreitenden Funktionen zu begegnen suchte. Um diese neue, eine einheitliche Betrachtung aller analytischen Funktionen vermittelnde Aufgabe auch äußerlich zu kennzeichnen, greift er aber in den Begriffsschatz der scholastischen Metaphysik, indem er die »mechanischen Kurven« Descartes', eben weil sie die Grenzen der bisherigen Arithmetik überschreiten, als transzendente bezeichnet. Dabei ist freilich ein wichtiger Bedeutungswandel dieses Begriffes eingetreten. Transzendent in dem metaphysischen Sinne der Scholastik ist das unendliche, darum dem endlichen Erkennen unzugängliche Sein; transzendent im mathematischen Sinne ist seit Leibniz eine Aufgabe, deren Lösung neue, über die Hilfsmittel der gewöhnlichen Arithmetik hinausreichende mathematische Operationen fordert. Dort entzieht sich das transzendente Objekt endgültig unserer Erkenntnis, hier weist der Ausdruck umgekehrt auf neue Hilfsmittel hin, die das bisher Unerkennbare erkennbar machen. Im Hintergrund steht in beiden Fällen der Begriff des Unendlichen. Damit ist die Einführung des neuen Begriffs der transzendenten Funktion zugleich gebunden an die neue Rechnungsmethode, die man wohl auch eine ins Unendliche fortgeführte Arithmetik nennen kann, an die Differentialrechnung, oder, wie Leibniz selbst sie im Hinblick auf die Hilfe, die ihm dabei der Unendlichkeitsbegriff geleistet, genannt hat, an die _Infinitesimalrechnung_. Hier greift aber in diese von der Beschäftigung mit der Geometrie ausgehende Erweiterung des Funktionsbegriffs außerdem jenes andere Problem ein, um das sich zu dieser Zeit wiederholt die Mathematiker bemühten: die Quadratur des Kreises. Bis dahin ging man von dem uralten Prinzip der praktischen Feldmessung aus, eine krummlinig begrenzte ebene Fläche durch parallele Ordinaten in kleine Quadrate zerlegt zu denken, deren Summe dann das der betreffenden Fläche entsprechende Quadrat ergab. Je kleiner man sich diese Quadrate denkt, um so näher kommt natürlich das Resultat der Wirklichkeit. Doch eine bestimmte Grenze gibt dieses metrische Prinzip nicht an die Hand, und die Methode bleibt daher unbefriedigend. Leibniz suchte nun nach einem andern Verfahren, das ein solches absolutes Minimum ergebe. Er hoffte es zu finden, indem er, statt von dem relativen Unterschied des Großen und Kleinen, von dem absoluten Gegensatz des unendlich Großen und des unendlich Kleinen ausging. Dazu mußte vor allem als Maßelement ein solches gewählt werden, das seinem allgemeinen Begriff nach der Forderung der Einfachheit entsprach. Die in diesem Sinne einfachste Figur in der Ebene ist aber das Dreieck als die von der kleinsten Zahl von Geraden umschlossene Ebene. Leibniz, ohnehin überall geneigt, bei der Behandlung bestimmter Aufgaben neue Wege einzuschlagen, versuchte daher, durch die Zerlegung in Dreiecke statt in Quadrate dieses Ziel zu erreichen. So gelangte er zu der berühmten unendlichen Reihe 1 – 1/3 + 1/5 – 1/7 ... für den Flächeninhalt des Kreises vom Durchmesser 1. Indem zur Konstruktion der Dreiecke, die bei dieser »Arithmetisierung des Kreises«, wie er sein Verfahren nannte, die auf die Punkte des Kreisumfangs gelegten Tangenten und Sekanten benutzt wurden, führte aber diese Methode, auf Kurven von beliebiger Gestalt übertragen, unmittelbar zu dem Gedanken, das Dreieck zur Lösung der allgemeineren Aufgabe einer solchen Arithmetisierung des Verlaufs einer Kurve zu verwenden. Er dachte sich also ein zu diesem Zweck rechtwinkliges Dreieck aus den zu den zwei einander nächsten Punkten der Kurve gehörigen Koordinaten als Katheten und der für diesen Fall mit der Kurve selbst zusammenfallenden Tangente als Hypothenuse gebildet. Dieses Dreieck nannte er das »~Triangulum charakteristicum~«. Gewiß ist es kein Zufall, daß der Name an die ~Charakteristica universalis~ erinnert. Eine universelle, den Umkreis der überlieferten arithmetischen Operationen überschreitende Arithmetik hat Leibniz zu jeder Zeit unter ihr verstanden. Die Differentialrechnung ist aber tatsächlich eine solche: sie ist es mehr als alle vorangegangenen Bemühungen in ähnlicher Richtung, die zumeist erst durch sie ihre Erledigung fanden. Von der Differentialrechnung kann man darum wohl sagen: mit ihrer Erfindung hat er im wesentlichen erreicht, was er in seiner ~Charakteristica universalis~ erstrebt hatte. Wenn er das selbst nicht direkt anerkannt hat, so mag dies wohl darin seinen Grund haben, daß er nirgends eingestehen wollte, ein Problem könne jemals abgeschlossen sein, besonders aber darin, daß zur Anerkennung der Universalität der Methode ein notwendiges Desiderat fehlte: die Anwendung auf andere Wissenschaften, die er im Hinblick auf den von ihm behaupteten Zusammenhang alles Wissens forderte. Die Umwandlung, die der Unendlichkeitsbegriff auf seinem Wege von der aristotelischen Scholastik zu Leibniz und von diesem zur neueren Mathematik erfahren hat, ist übrigens zugleich eines der bedeutsamsten Stücke moderner Begriffsgeschichte. Der Scholastik galt, wie noch jetzt dem populären Bewußtsein, in welchem die scholastische Theologie heute noch nachwirkt, das Unendliche als oberster Grenzbegriff alles Denkbaren. Aber latent war darin vermöge des die Wissenschaft seit Aristoteles beherrschenden Prinzips der Antithetik, nach welchem jeder selbständige Begriff seinen Gegensatzbegriff fordert, auch der unterste Grenzbegriff des unendlich Kleinen bereits vorausgesetzt. Wir werden auf dieses Prinzip unten bei dem direkt auf ihm aufgebauten Begriffssystem der scholastischen wie der Leibnizschen Naturlehre zurückkommen. Dabei besteht nun die Selbständigkeit der Begriffe wesentlich darin, daß jeder unvermischt mit andern gedacht werde, weil er dann erst in seinem reinen Gegensatz zu dem ihn antithetisch ergänzenden erscheint. Darum sind solche Begriffe _absolute_ Gegensätze, nicht bloß relative, und jedes Glied des Gegensatzes ist selbst ein absoluter Begriff. Dies gilt für das Unendliche in seinen beiden Formen, für das unendlich Große wie für das unendlich Kleine. So ist denn auch das »~Triangulum charakteristicum~« in den ersten Begründungen, die Leibniz der Differentialrechnung gab, das absolut, nicht das relativ kleinste Dreieck, das man zur Ausmessung einer Kurve verwendet. Daß es außerhalb dem absolut Kleinsten noch ein kleineres gebe, ist ihm hier eine widersprechende Annahme. Das charakteristische Dreieck ist also nicht eines neben andern, sondern ein einziges. Es ist, wie das Unendliche überhaupt, niemals in der Anschauung gegeben, wohl aber begrifflich das denkbar kleinste Dreieck an dem betreffenden Punkt der Kurve. Hier ist die Fluxionsmethode Newtons der Leibnizschen Infinitesimalmethode von vornherein überlegen. Indem jene nicht an das geometrische Bild der Funktion, sondern an das andere einer im gleichförmigen Flusse der Zeit veränderlichen Geschwindigkeit anknüpft, liegt ihr zwar in der gleichförmig fließenden Zeit eine metaphysische Voraussetzung zugrunde, die nämliche, deren sich Newton auch in seiner Naturphilosophie bedient hat; aber das Bild der Bewegung eines räumlichen Punktes führt doch ohne weiteres zu dem der Geschwindigkeitsänderung hinüber. Dagegen bietet der Leibnizsche geometrisch fundierte Differentialbegriff in dem aus dem Verhältnis der Koordinatenabschnitte des charakteristischen Dreiecks gebildeten Differentialquotienten von vornherein einen für die Gewinnung eines konsequent durchgeführten Algorithmus weit geeigneteren Ausgangspunkt. Dabei erwies sich gerade dieser Begriff eines absoluten, unveränderlich gedachten Minimums deshalb hilfreich, weil sich von ihm aus um so zwingender mittels der so eingeführten Symbolik ein Fortschritt zu weiteren, entsprechend gebildeten Differentialfunktionen ergab. Hierzu mußte dann freilich die absolute Bedeutung des unendlich Kleinen beseitigt, und durch die Feststellung einer allzeit nur _relativen_ ersetzt werden. Das ergab sich aber mit Notwendigkeit aus der weiteren Aufgabe, einen entsprechenden Ausdruck für die _Richtungsänderung_ einer Kurve zu finden. Und da konnte es nicht zweifelhaft sein, daß ein solcher Ausdruck aus einer Wiederholung desselben Verfahrens bestehen mußte, das zu dem ersten Differentialquotienten als dem arithmetischen Ausdruck der _Richtung_ geführt hatte. Sobald Leibniz die Richtungsänderung der Funktion als die reale Bedeutung des zweiten Differentialquotienten erkannte, konnte er sich aber auch der Möglichkeit einer unbegrenzten weiteren Fortsetzung der gleichen Operation nicht mehr entziehen. So verwandelte sich der Begriff des absoluten in den des _relativen Minimums_, das übrigens immerhin seinen Zusammenhang mit jenem absoluten Grenzbegriff darin bewahrte, daß die Grenze, bis zu welcher in der Bildung der Differentialfunktion zu gehen ist, durch die Natur des Problems jedesmal fest bestimmt wird, was im Erfolg der Feststellung eines absoluten Minimums gleichkommt. Damit hat Leibniz selbst schon den Übergang zur sogenannten Grenzmethode vollzogen, der später Maclaurin und d'Alembert nur eine anschaulichere Form gaben, und die noch heute, soweit man sich überhaupt auf eine Begründung der Differentialrechnung einläßt, als die bevorzugte gelten kann. Für Leibniz aber wurde die Erkenntnis der realen Bedeutung des zweiten Differentialquotienten ein epochemachendes Ereignis, ja sie ist in ihren Folgen vielleicht das epochemachendste gewesen, das er überhaupt in seinem Denken erlebt hat. Der Übergang vom absoluten zum relativen Unendlichkeitsbegriff bezeichnet für ihn eine Katastrophe, die durchaus nicht auf die Mathematik beschränkt bleibt, sondern sich von hier aus auf alle Gebiete der Wissenschaft und nicht zum wenigsten auf seine philosophische Weltanschauung erstreckt. Als das oberste Prinzip alles Wirklichen gilt ihm von da an die »~Lex continuitatis~«, das Gesetz der Stetigkeit, das, folgerichtig zu Ende gedacht, alle absoluten Gegensätze in relative umwandelt, indem es die Starrheit der alten Substanzbegriffe durch den Fluß aller tätigen Kräfte der Welt ersetzt. Dies ist der Punkt, bei dem zugleich die Entwicklung der Naturphilosophie an diesen Wandel der mathematischen Begriffe sich anschließt. ~b.~ Die dynamische Naturphilosophie. Es ist eine oft gemachte Bemerkung, daß die späteren epochemachenden Leistungen bedeutender Männer ihrer allgemeinen Richtung nach nicht selten in ihren, oft an sich höchst unvollkommenen Erstlingsarbeiten bereits angedeutet sind. Von wenigen gilt das vielleicht mehr als von Leibniz und seiner »~Ars combinatoria~«. Wie in ihr zum erstenmal die »~Charakteristica universalis~« mit der hinter ihr stehenden Entwicklung seines mathematischen Denkens leise anklingt, so verrät sie, wenn auch mehr in einzelnen Abschweifungen als in wirklichen Ausführungen, den Einfluß der Scholastik auf seine Naturphilosophie. Während aber die Anfänge seines mathematischen Denkens an die Bestrebungen jener mathematischen Mystik anknüpfen, die namentlich seit dem 13. Jahrhundert eine Nebenströmung der klassischen Scholastik gebildet haben, ist es eine andere Seite der in der gleichen Zeit verbreiteten Bestrebungen, die in jenem Jugendwerk zur Geltung kommt: es ist der vielfach im Gegensatz zu der vorangegangenen Philosophie sich regende Versuch, die herrschende Scholastik durch den Rückgang auf ihre Quelle, die Aristotelische Philosophie, zu reformieren. In zwei merkwürdigen Beilagen zu jener Schrift tritt dies deutlich zutage: in einem vorausgeschickten Exkurs über den Beweis des Daseins Gottes, und in einem als Titelbild beigegebenen Schema der bekannten vier aristotelischen Elemente, Feuer, Wasser, Luft und Erde. Der Gottesbeweis sucht an Stelle der in der Scholastik aufgekommenen ontologischen und kosmologischen Beweise wieder den aristotelischen aus dem »Automaton« zu erneuern. Leibniz erklärt ihn für den einzigen, dem mathematische Evidenz innewohne, weil die Reihe der Bewegungen in der Natur notwendig einen ersten Beweger voraussetze, der selbst unbewegt sei. Dieser Versuch, in der Ableitung des Gottesbegriffs auf Aristoteles zurückzugehen, knüpft zwar an die bereits in der gleichzeitigen Scholastik herrschende Bevorzugung des sogenannten kosmologischen Beweises an, aber er entfernt aus ihm die Beziehungen zur Theologie, um ihn als eine rein naturphilosophische Voraussetzung bestehen zu lassen. Noch bedeutsamer ist die zweite Beigabe: das Schema der vier Elemente. Es ist weniger der Begriff der Elemente selbst als die Methode, durch die Aristoteles die Notwendigkeit ihrer Unterscheidung zu begründen gesucht hatte, worauf es dem Verfasser offenbar bei diesem Titelbild ankommt. Um die Bedeutung desselben zu würdigen, muß man sich vor allem die Stellung vergegenwärtigen, die die Aristotelische Deduktion der vier Elemente in der Geschichte der Naturphilosophie einnimmt. Nicht die Unterscheidung der Elemente selbst ist ja die entscheidende Tat, durch die er ihnen bis tief in die neuere Zeit zuerst eine fast ausschließliche Herrschaft und dann, nachdem die chemische Atomistik entstanden war, wenigstens eine Art Nebenherrschaft gesichert hat, sondern ihre logische Ableitung. In der älteren jonischen Naturphilosophie waren sie als makrokosmische Bestandteile der Welt schon vorgebildet. Der äußersten, den Gestirnen entsprechenden Feuersphäre folgt die Luft, dann das Wasser und endlich die feste Erde. Empedokles hatte sie in mikrokosmische Elemente verwandelt, aus denen sich die Einzeldinge zusammensetzen sollten. Was Aristoteles hinzubrachte, das war die logische Deduktion, nach der diese Elemente selbst wieder aus der Mischung von Urqualitäten hervorgehen sollten, die aus den allgemeinsten Eigenschaften der Dinge abstrahiert und nach Gegensätzen geordnet waren: fest und flüssig, kalt und warm. So ergab sich das Schema: Trocken Flüssig Kalt _Erde_ _Wasser_ Warm _Feuer_ _Luft_ Dieses Schema ist wohl das glänzendste Beispiel für die Aristotelische Behandlung der Erfahrungsbegriffe. Das empirisch Gegebene bildet die Grundlage einer Begriffsscheidung, die nach gegensätzlichen Merkmalen ausgeführt und, wenn nötig, durch Synthese der zu einander passenden Teilbegriffe zu einem logisch geschlossenen System geordnet wird. Die Erfahrung bildet das Material, die dialektische Begriffsgliederung das Mittel, um die empirischen Begriffe zugleich als logisch notwendige erscheinen zu lassen. Diese Methode der dualistischen Begriffsgliederung, welcher jedesmal von dem Philosophen gleichzeitig logische Notwendigkeit und metaphysische Gültigkeit zugesprochen wird, wiederholt sich in den mannigfaltigsten Gestaltungen in der Philosophie des Aristoteles. Sie bildet ein Seitenstück und eine Ergänzung zu der Methode der Begriffssubsumtion, die das ganze System des Philosophen beherrscht, und die überall darauf ausgeht, das Erfahrungsmäßige zugleich als ein begrifflich Notwendiges zu erweisen. Logisch notwendig ist aber derjenige Begriff, der durch einen anderen als sein Gegensatz gefordert wird. Hieraus entspringt jenes Prinzip dualer Begriffsgliederung, das auch anderwärts bei Aristoteles in der besonders wirkungsvollen Form der Viergliederung vorkommt: so in der Einteilung der Urteilsformen in bejahende und verneinende, allgemeine und besondere, oder in der Psychologie in der Einteilung der Erinnerungsformen in solche nach Ähnlichkeit und Gegensatz, Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge des Erinnerten. Ihren Vorzug für das systematische Denken gewinnen diese aus zwei logischen Zweigliederungen synthetisch gewonnenen Vierteilungen sichtlich eben dadurch, daß durch die Verflechtung der beiden Komponenten zu einem Ganzen nochmals das Prinzip der Dualität wiederkehrt. Wo eine solche Kombination zweier logischer Zweiteilungen zur Vierzahl nicht möglich ist, da kann dann auch eine unmittelbar einsetzende Verbindung der Gegensätze dem Bedürfnis nach logischer Einheit entgegenkommen: so bei der Aristotelischen Ableitung der Tugendbegriffe aus dem Prinzip der richtigen Mitte aus entgegengesetzten Fehlern, wie der Freigebigkeit aus Geiz und Verschwendung usw., oder bei den grundlegenden metaphysischen Begriffen Stoff und Form, die ebensowohl als Gegensätze wie als sich ergänzende Begriffe gedacht werden. Dieses Prinzip der dualen Gliederung beherrscht nun die Leibnizsche Naturphilosophie in ihrer ganzen Entwicklung. Den Ausgangspunkt bildet hier der bei ihm früh sich regende Zweifel an der Haltbarkeit des Cartesianischen Begriffs der Materie, mit dem seine Opposition gegen die Cartesianische Naturphilosophie begonnen hat. In einer bis zu einem gewissen Grade bereits ausgereifteren Gestalt begegnet uns jenes Schema zuerst in seiner für die ganze Entwicklung seiner Philosophie überaus bedeutsamen Schrift vom Jahre 1671 »~Hypothesis physica nova~«. Sie zeigt uns ihren Verfasser mitten auf dem Wege zwischen der unumschränkten Annahme der Cartesianischen Prinzipien, denen er sich in einem früheren Stadium zugeneigt hatte, und der vollen Abwendung von diesen in seinen späteren Arbeiten über Dynamik. In jener Schrift schließt er sich in der Erklärung der Himmelsbewegungen noch im wesentlichen an Descartes an, aber dessen Auffassung der Materie als des durch die einzige Eigenschaft der Ausdehnung im Raume gekennzeichneten Substrates der Naturerscheinungen bekämpft er als eine unmögliche. Die Ausdehnung kann, wie er erklärt, nur aus einer ausdehnenden Kraft begriffen werden, und nur sie macht jene passiven Eigenschaften der Materie verständlich, die zu Raum und Bewegung hinzukommen müssen, um den Widerstand eines Körpers gegenüber einem andern und das Beharren einer ihm mitgeteilten Bewegung zu erklären. So gelangt er hier bereits zu jener Aufstellung des Kraftbegriffs als des Grundbegriffs für die Interpretation der gesamten Naturerscheinungen und zugleich zu einer doppelten Gliederung dieses Begriffs: zunächst scheidet sich die Kraft in die passive, die den Körpern fortwährend innewohnt, und in die aktive, die in der Bewegung sich äußert; die passive Kraft aber scheidet sich wieder in die Festigkeit (Undurchdringlichkeit) und in die Trägheit, die Galileische ~Vis inertiae~. Von diesem ersten Entwurf an schreitet dann in den nach dem Jahr 1680 ausgeführten Arbeiten zur Dynamik diese Einteilung in folgerichtiger Weiterführung der begonnenen Subsumtion der Begriffspaare zu dem folgenden endgültigen Schema fort: { ~vis primitiva~ = ∞ ~Vis = vera~ { ~Substantia~ { { { ~antitypia~ { ~vis~ { ~vis passiva~ { { ~derivativa~ { { ~inertia~ { { ~vis activa~ { ~vis mortua~ { ~= const.~ { { { ~vis viva~ Die Analogie dieses Schemas mit den Aristotelischen Begriffsgliederungen springt in die Augen. Dennoch ist die Beziehung der Begriffsglieder zu einander offenbar eine wesentlich andere geworden, und hinter diesem Wandel verbirgt sich der mächtige Einfluß, den die seit dem Galileischen Zeitalter eingetretene Umwälzung der Naturanschauungen selbst da hervorgebracht hat, wo man die neue Anschauung in die alten scholastischen Formen umzuprägen sucht. In der Tat ist das Schema, in welchem Leibniz seine gesamte Naturphilosophie zum Ausdruck bringt, ein deutliches Zeugnis dafür, daß diese Philosophie selbst gewissermaßen eine Resultante aus den zwei Weltanschauungen ist, die sich hier zu einem Ganzen vereinigen. In der Form ist dieses System noch in der scholastischen Denkweise befangen, in seinem Inhalt ist es ganz von den Anschauungen der neuen mechanischen Naturwissenschaft erfüllt, und es ist zugleich ein bedeutsamer, zweifellos der Cartesianischen Naturwissenschaft überlegener Versuch, diese Anschauung in ein einheitliches, von einem einzigen Grundbegriff, dem der Kraft, getragenes System zu bringen. Der wesentliche Unterschied in der Anwendung des Prinzips der dualen Gliederung bei Leibniz gegenüber der aristotelisch-scholastischen, wie ihn am ausgeprägtesten das von Leibniz selbst dereinst an die Spitze seiner ~Ars combinatoria~ gestellte Beispiel der vier Elemente zeigt, besteht darin, daß die Begriffsgliederung der Scholastik auf dem Prinzip der Subsumtion unter einen Oberbegriff beruht, während sie bei Leibniz stets zugleich eine kausale Beziehung der einander gegenübergestellten Begriffe in sich schließt. So sind trocken und flüssig unter dem allgemeinen Begriff des Aggregatzustandes enthalten, ohne über die Bedingungen, unter denen etwa die eine in die andere dieser Eigenschaften übergeht, etwas auszusagen. Die ~Vis primitiva~ und ~derivativa~, die ~Vis viva~ und ~mortua~ sind dagegen derart in Beziehung zueinander gesetzt, daß die wegen der im Fortschritt der Zeit ins Unendliche sich erstreckende Summe aller vorangegangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Kraftwirkungen als die an sich unendlich zu denkende Quelle der jeweils in der Natur vorhandenen Kräfte betrachtet wird; ebenso sind die ~Vis viva~ und ~mortua~ durch die Voraussetzung der Konstanz ihrer Summe nicht bloß Teilbegriffe der ~Vis activa~, sondern sie stehen derart in kausaler Beziehung, daß sie stets nur in äquivalenten Werten ineinander übergehen können. Aber dieses Schema des Kraftbegriffs enthält nicht bloß, wenngleich in äußerlich rein subsumierender Form, ~in nuce~ die reichen Wechselbeziehungen der Naturerscheinungen, die Leibniz durch die Modifikation seines Kraftbegriffs auszudrücken sucht, sondern es weist zugleich über das naturwissenschaftliche Gebiet hinaus auf die universelle philosophische Bedeutung hin, die bei ihm der Kraftbegriff gewinnt. Dies tritt vor allem in der dem Ganzen vorangestellten Begriffsbestimmung der Kraft als der »wahren Substanz« hervor. Eine eigentliche Definition enthält freilich dieses Attribut nicht, oder es weist doch höchstens indirekt auf eine solche hin, indem es die Kraft als den Grundbegriff bezeichnet, der künftighin an die Stelle der bisherigen Substanz zu treten habe. Nun reicht aber der Substanzbegriff über das Gebiet der Naturphilosophie hinaus. Er hatte sich in der bisherigen Philosophie zu dem Begriff eines beharrenden Seins entwickelt, das bald als allgemeines Substrat der Erscheinungswelt, bald als unendliches göttliches Sein oder auch als beides zugleich, wie in der Cartesianischen Dreiteilung der Substanzen in Seele, Körperwelt und Gott, gedacht wurde. Indem Leibniz die Kraft die wahre Substanz nennt, gibt er also seinem Kraftbegriff von vornherein ebenfalls eine universelle metaphysische Bedeutung. Da er anderwärts das Wesen der Kraft, im Gegensatz zu jenem Begriff der beharrenden Substanz, in die Tätigkeit und, wo diese nicht zur Wirkung gelangt, in das Streben nach Tätigkeit verlegt, so ist dieser Ersatz der beharrenden Substanz durch die tätige Kraft wiederum ein wesentlicher Punkt in seiner fortschreitenden Abkehr von Descartes. So überaus weittragend dieser neue Substanzbegriff ist, -- er kommt, wie wir sehen werden, der Aufhebung des Substanzbegriffs überhaupt gleich --, so hat er jedoch für die Prinzipien der Naturphilosophie auf den ersten Anschein keine allzu schwer wiegenden Folgen. Da Leibniz immerhin an der räumlichen Ausdehnung als der unmittelbar in der Anschauung gegebenen Eigenschaft der Körper festhält, so gilt auch für ihn der Satz, daß alles Geschehen in der Natur auf Bewegungen der Materie zurückzuführen ist, und es scheint zunächst wenig zu bedeuten, ob diese Bewegungen selbst als das Ursprüngliche angesehen werden oder ob man sie auf eine hinter ihnen stehende tätige Kraft zurückführt. Hat doch das erstere den Vorteil den, wie sich später d'Alembert ausdrückte, »mystischen« Kraftbegriff zu vermeiden, indem man sich nur an die Erscheinungen selbst hält. Auch muß man zugestehen, daß Descartes schwerlich ohne seine Voraussetzung der Identität von Raum und Materie auf den Gedanken gekommen wäre, die Eigenschaft der Unveränderlichkeit des Raumes auf die Bewegungen im Raum anzuwenden und so zur Aufstellung seines Prinzips der Erhaltung der Quantität der Bewegung zu gelangen, eines Prinzips, das zwar falsch war, aber immerhin das Verdienst hatte, den Gedanken der Konstanz von der Materie als dem Substrat der Naturvorgänge auf diese selbst zu übertragen. Dennoch offenbarte sich in dem über diese Frage entstandenen Streit zwischen Leibniz und den Cartesianern bald der gewaltige Unterschied, der zwischen beiden Formen der mechanischen Naturanschauung, jener eigentlich rein phoronomischen Betrachtung Descartes' und seiner Schüler und dieser dynamischen bestand, und der eben darin seinen tieferen Grund hatte, daß das System der Kraftbegriffe, wie es das obige Schema darstellt, in allen seinen Gliedern auf kausalen Beziehungen beruht. Die bedeutsamsten dieser Beziehungen sind nun die zwischen passiver und aktiver Kraft und vor allem die zwischen toter und lebendiger Kraft. Beide Unterscheidungen hängen aber auf das engste zusammen. Denn die passiven Kräfte, die der Materie außer ihrem Dasein im Raume zukommen, bewirken, daß die Bewegung Widerstände findet, die die aktuelle in eine potentielle, in ein bloßes Streben nach Bewegung umwandeln können, daher denn auch nicht, wie das Cartesianische Konstanzprinzip voraussetzt, die gesamte Quantität der Bewegung, sondern nur die _ganze_ ~Vis activa~, also die Summe der toten und der lebendigen Kräfte, konstant bleibt. Das ist das berühmte Prinzip der »Erhaltung der Kraft« beinah in demselben Sinne, in dem es fast zwei Jahrhunderte später von Robert Mayer formuliert wurde. Es ist durch eine merkwürdige Konfusion der ~Vis viva~ mit der ~Vis activa~ in dem System der Leibnizschen Kraftbegriffe als eine Vorausnahme und zugleich unberechtigte Verallgemeinerung des unter gewissen Voraussetzungen geltenden mechanischen Prinzips der »Erhaltung der lebendigen Kräfte« gedeutet worden. Das ist falsch, wie ein Blick auf das obige Schema ohne weiteres zeigt. Leibniz ist bereits im vollen Besitz des Erhaltungsprinzips, wie es die heutige Physik voraussetzt, wenn er auch selbstverständlich nach dem damaligen Zustand der Wissenschaft von den sogenannten Transformationen der Naturkräfte nichts wissen konnte, die erst durch die Nachweisung der Äquivalenz der Naturkräfte seine umfassendere empirische Bestätigung und Anwendung möglich gemacht haben. Jenes Mißverständnis ist aber hauptsächlich dadurch entstanden, daß der Folgezeit bis zu seiner Wiederentdeckung an der Hand des Äquivalenzgesetzes der Sinn des Streites, den Leibniz mit den Cartesianern kämpfte, verlorengegangen war. Man stritt im ganzen 18. Jahrhundert nicht mehr um die Frage der Konstanz der Naturkräfte, sondern um die andere, ob diese nach Cartesius durch die Quantität der Bewegung ~m . v~ oder nach Leibniz durch die lebendige Kraft ~m . v²~ zu messen seien. So kam es, daß im allgemeinen die Mathematiker es schließlich, der Autorität d'Alemberts folgend, für gleichgültig erklärten, welchen der beiden Ausdrücke man wähle, da diese Wahl nur davon abhänge, ob man unter den Gleichungen für die Bewegung schwerer Körper diejenige bevorzuge, die die Zeit der Bewegung, oder diejenige, die den zurückgelegten Weg enthalte. Auf die Physiker dagegen machte im allgemeinen der von Leibniz erbrachte Nachweis der Übereinstimmung seines Prinzips mit den Galileischen Fallgesetzen den größeren Eindruck. Da in diesem Beispiel das allgemeine Prinzip der Erhaltung der Kraft mit dem beschränkteren der »Erhaltung der lebendigen Kräfte« zusammenfiel, so befestigte sich aber dadurch um so mehr die Meinung, ~Vis viva~ und ~Vis activa~ bedeuteten eins und dasselbe. So ereignete es sich, daß die »lebendige Kraft« ein dauernder Besitz der Physik blieb, die »tote Kraft« dagegen geriet in Vergessenheit, bis sie unter verschiedenen andern Namen, wie »potentielle Energie«, »Spannkraft«, »Energie der Lage« durch die neuere Energetik wieder erweckt wurde. Unter diesen neuen Ausdrücken ist besonders die »potentielle Energie« bemerkenswert. Das Wort hängt mit dem Bestreben zusammen, das gute deutsche Wort Kraft wegen der mancherlei außerhalb der exakten Mechanik und Physik liegenden Bedeutungen, in denen es gelegentlich gebraucht wird, wie Lebenskraft, Denkkraft, ganz aus der Wissenschaft auszumerzen und durch ein anderes, in dieser Beziehung unverfänglicheres zu ersetzen. Damit hat die Geschichte dieses Begriffs einen merkwürdigen Kreislauf zurückgelegt. Leibniz hatte den alten Kraftbegriff nach dem Vorbild der Aristotelischen »Energeia« umgeformt, indem er als sein wesentliches Merkmal die Tätigkeit, oder, wie wir es modern ausdrücken können, die Leistung, für die mechanischen Kräfte also, da auch nach Leibniz alle Naturkräfte mechanische Kräfte sind, die _Arbeitsleistung_, betrachtete. Demgegenüber war natürlich die Aristotelische Energeia weit vieldeutiger gewesen, wie es denn noch heute das Wort Energie in der Mannigfaltigkeit seiner Bedeutungen mindestens mit der Kraft aufnehmen kann. Es dürfte also fraglich sein, ob der Begriff bei diesem Rückgang von Leibniz zu Aristoteles etwas gewonnen hat, vollends wenn man ihn außerdem in der Gegenüberstellung der potentiellen und aktuellen Energie den Umweg über die aristotelische Scholastik nehmen läßt, in der er mehr als bei Aristoteles selbst zur formelhaften Begriffsschablone geworden war. Demgegenüber sind die Ausdrücke tote und lebendige Kraft freilich nur veranschaulichende Metaphern, nicht abstrakte Begriffe wie ~Potentia~ und ~Actus~, aber sie besitzen eben deshalb den Vorzug, nur eine Veranschaulichung der Begriffe, nicht, wie die Ausdrücke Spannkraft, Lageenergie, Veranschaulichungen und Beispiele zugleich zu sein. Immerhin ist der Rückgang der modernen Physik auf die alte Aristotelische Begriffsgliederung in doppelter Beziehung bedeutsam. Auf der einen Seite zeigt er, daß jene Neigung zu dualer Gliederung, mögen die Begriffe nun aus der Erfahrung abstrahiert oder logisch postuliert oder, wie gewöhnlich, aus einem Zusammenwirken apriorischer und empirischer Motive hervorgegangen sein, keineswegs mit der Scholastik verschwunden ist, auch in solchen Fällen, wo man nicht, wie bei Leibniz, an eine direkte Nachwirkung denken wird. Mag es auch sein, daß das scholastische Begriffspaar ~Potentia~ und ~Actus~ durch schwache Fäden unbestimmter Erinnerung noch in die heutige Naturwissenschaft herabreicht; ein starker Antrieb, der in den Dingen selbst liegt, mußte doch hinzukommen, wenn solche längst für begraben gehaltene logischen Produkte wieder lebendig werden sollten. Denn logische Produkte, wenn nicht Artefakte, sind ja alle derartige nach dem Prinzip des dualen Gegensatzes ausgeführte Begriffsgliederungen. Daß sie in der Natur selbst existieren, ist jedenfalls im höchsten Grad unwahrscheinlich, denn, wo immer die Analyse der Erscheinungen in die Tiefe zu dringen vermag, da pflegen zahlreiche Vermittlungen von dem einen Glied des Gegensatzes zum andern zu führen, wie dies für die ethischen Gegensätze Aristoteles selbst bereits bemerkt hat. Aber als ein treffliches Hilfsmittel vorläufiger Ordnung der Erscheinungen bewährt sich tatsächlich jene Scheidung überall. Es ist eben der erste Schritt zur Ausführung einer begrifflichen Ordnung, wie er freilich auch niemals der letzte bleiben darf. Indem die aristotelische Scholastik dieses Prinzip zwar in einseitiger und schließlich zu einem äußeren Schematismus erstarrender Weise durchgeführt hat, bezeichnet sie daher nicht, wie noch jetzt, im Zeitalter historischer Würdigung der Zeiten und Zustände, von manchen geglaubt wird, eine Verirrung der Wissenschaft, die höchstens durch ihre Dauer bemerkenswert sei, sondern, geschichtlich betrachtet, ganz wie unsere eigene Zeit, eine in der vorangegangenen Entwicklung begründete und auf die folgende zum Teil bis zum heutigen Tage nachwirkende Stufe der Geistesgeschichte. Für Leibniz aber, der selbst noch aus der Schule der Scholastik hervorging, war sie mehr: sie bedeutete ihm eine der in seiner eigenen Zeit einander gegenüberstehenden Richtungen, aus der, wie aus allen andern, das Gute und Brauchbare zu übernehmen und das Irrige auszuscheiden sei. Wie die von der Scholastik in übertriebenem Maße geübte Distinktion der Begriffe unter geeigneten Umständen die empirische Analyse der Erscheinungen fördern kann, dafür bietet nun gerade die Geschichte des Erhaltungsprinzips einen sprechenden Beleg. Wenn Leibniz wiederholt hervorhebt, daß seine Formulierung desselben durch die Galileischen Fallgesetze bestätigt werde, während die Cartesianische diesen widerstreite, so würde es zunächst irrig sein, wollte man daraus entnehmen, sein Prinzip sei aus diesen Gesetzen selbst abstrahiert worden. Sie waren ihm vielmehr nur eine willkommene Bestätigung eines auf weit zurückgehende Überlegungen gegründeten Schlusses. In der Tat war Descartes selbst nicht einmal der erste, der die Idee der Konstanz der bewegenden Kräfte in die Naturbetrachtung einführte, sondern auch sie hatte sich bereits in der Scholastik und noch weiter zurück in dem Aristotelischen »Automaton« vorbereitet. Und anknüpfend an diesen Begriff eines ersten Bewegers und an den der Unveränderlichkeit der Himmelsbewegungen war schon in der scholastischen Theologie der Gedanke aufgetaucht, die Schöpfung sei nicht bloß einmal entstanden, sondern sie wiederhole sich fortwährend in der Unveränderlichkeit des Wirkens der Gottheit in der Natur. Hier trat nun Descartes in dem Bestreben, alle Erscheinungen aus mechanischen Ursachen abzuleiten, dieser Anschauung entgegen, um sich auf die Seite derer zu stellen, die die Schöpfung als einen _einmaligen_ Akt betrachteten. Gott hat nach ihm im Anfang der Dinge allen Teilen der Materie die Bewegung mitgeteilt, die sich nun unverändert in ihr erhält. So war, indem er die Immanenz Gottes in der Natur wieder in seine Transzendenz umwandelte, und den Gedanken der Unveränderlichkeit nun von Gott auf die Natur selbst übertrug, sein Prinzip der Konstanz der Quantität der Bewegung entstanden. Den allgemeinen Gedanken nahm Leibniz auf, aber er erkannte, daß er in der ihm von Descartes gegebenen Form unhaltbar sei, weil dieser die Hemmungen übersehen hatte, die die materiellen Teile durch ihre Wechselwirkung erfahren müßten. So half er sich denn mit einer jener scholastischen Unterscheidungen, die sich ihm sonst schon fruchtbar erwiesen hatten: er stellte den aktuellen die potentiellen Wirkungen gegenüber. Diese Auskunft nötigte ihn aber zu einem weiteren Schritt: auch der Anfang der Bewegung mußte in die Natur selbst verlegt werden, wenn jenes Streben nach Bewegung, das in den im Gleichgewicht miteinander stehenden materiellen Teilen erhalten blieb, möglich sein sollte. Dazu half ihm sein universeller Kraftbegriff mit seiner Scheidung in tote und lebendige Kräfte, wodurch sich von selbst das Cartesianische Prinzip der Erhaltung der Quantität der Bewegung in das neue der Erhaltung der Summe der toten und der lebendigen Kräfte verwandelte. Damit schloß aber dieses zugleich ein Prinzip der _Selbsterhaltung der Natur_ in sich, machte also jene erste Mitteilung aller Bewegung durch die Gottheit überflüssig. Hat auch Leibniz selbst diese Folgerung nicht ausdrücklich gezogen, so hat er doch in ihrem Sinne prinzipiell die Aufgabe der mechanischen Naturphilosophie folgerichtig zum erstenmal gelöst. So ist, wie man wohl sagen darf, das Prinzip der Erhaltung der Kraft an sich rein aus logischen Überlegungen hervorgegangen, ganz so wie Galilei sein Trägheitsprinzip ursprünglich lediglich auf solche gegründet hatte, um es dann erst durch seine Fallversuche zu bestätigen. Und ähnlich hat nun Leibniz sein Erhaltungsprinzip, nachdem er es durch Spekulation gefunden, durch den Nachweis der Übereinstimmung mit den Galileischen Gesetzen empirisch bestätigt. Noch blieb aber in der Ableitung des Prinzips eine Lücke, die die Einheit der Weltbetrachtung beeinträchtigte, und die bemerkenswerterweise zum Teil noch jetzt besteht, so daß die duale Begriffsgliederung nach dem Vorbild der Scholastik in der Wissenschaft noch heute fortlebt. Gleichwohl erkannte schon Leibniz in der späteren Periode seines Lebens, daß jene Unterscheidung toter und lebendiger Kräfte eigentlich nur einen provisorischen Wert besitze, da sie auf die Frage, wie tote in lebendige Kraft übergehen könne, natürlich keine Antwort gibt. Doch auch darüber, in welcher Richtung die künftige Lösung dieses Problems liegen müsse, hat er keinen Zweifel gelassen. Sie erscheint ihm vorgezeichnet durch das Prinzip der Kontinuität, dessen strenge Anwendung auf alle Gebiete der Erkenntnis ihm im Gefolge seiner mathematischen Studien als ein unerläßliches Postulat erschien. In diesem Sinne ist die Ruhe nicht ein Gegensatz zur Bewegung, sondern eine unendlich kleine Bewegung. Nicht um einen Wechsel absolut verschiedener Zustände kann es sich also handeln, sondern immer nur um Transformationen der Bewegung, wobei er sich die toten Kräfte als Formen einander wechselseitig aufhebender Molekularbewegungen zu denken scheint, wenn er sie gelegentlich »unsichtbare Bewegungen« nennt. Indem aber außerdem der Kraftbegriff selbst jene universelle Bedeutung gewinnt, vermöge deren die Materie überhaupt nur eine Erscheinungsweise der Kraft ist, greift derselbe Gesichtspunkt auf die sogenannten passiven Kräfte des obigen Schemas über. Auch die Undurchdringlichkeit und die Trägheit sind nicht ruhende Eigenschaften der Körper, sondern Resultanten innerer Bewegungen, wie der Widerstand beweist, den sie äußeren bewegenden Kräften entgegensetzen. Dies sind Gedanken, die in der Tat neuere physikalische Spekulationen in gewissem Sinne vorausnehmen, in denen versucht wird, diese von Leibniz sogenannten passiven Kräfte nicht als ursprüngliche und darum nicht weiter zu erklärende Eigenschaften der Materie aufzufassen, sondern sie aus den allgemeinen Bewegungsgleichungen materieller Systeme abzuleiten. In der späteren Entwicklung der Leibnizschen Naturphilosophie ist zu diesen Studien über die Grundbegriffe der Dynamik noch ein anderes, davon scheinbar weit abliegendes Problem hinzugetreten, das in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts mehr und mehr die allgemeine Aufmerksamkeit gefesselt hatte, das aber den Hilfsmitteln der mechanischen Naturerklärung völlig unzulänglich zu sein schien: das _biologische_ der Entwicklung lebender Wesen. Wenn sich hier noch auf lange hinaus die Physiologie mit der Annahme einer zu den mechanischen Naturkräften hinzukommenden spezifischen Lebenskraft begnügte, als deren Teilkräfte nach dem Vorbild der Aristotelischen Vermögensbegriffe die einzelnen Lebensäußerungen betrachtet wurden, so ließ Leibniz zwar diese Lebenskräfte als höhere Formen der allgemeinen Naturkräfte gelten; dennoch hielt er die verbreitete Auffassung, die sie in einen Gegensatz zu den mechanischen Kräften brachte, für ausgeschlossen. Widersprach sie doch von vornherein dem Gesetz der Kontinuität. Hatte Aristoteles schon in der Reihe Pflanze, Tier, Mensch eine aufsteigende Entwicklung erblickt, so ergänzte daher Leibniz diese nach unten, indem er als deren letzte Glieder die in den leblosen Körpern wirkenden mechanischen Kräfte voraussetzte, in denen jene höheren potentiell bereits vorgebildet seien: und auch hier bot ihm Aristoteles in seiner Gliederung des Formbegriffs um so mehr einen Anhalt, als der Kraftbegriff ja selbst eigentlich eine Fortbildung dieses Aristotelischen Formbegriffs war. Gerade in diesem Punkt hatte die Scholastik die Grundbegriffe der Aristotelischen Metaphysik mehr verdunkelt als weitergebildet, indem sie beide zu der »~Forma substantialis~« vereinigte, aus der sich dann der Substanzbegriff der modernen Metaphysik entwickelt hat. Demgegenüber ging Leibniz auch hier auf Aristoteles selbst zurück, der in den beiden Begriffen der Energeia und der Entelecheia, von denen der erste ihm zugleich als der allgemeinere, den zweiten einschließende, dieser aber als die höhere Form galt, dem Gedanken der Einheit der Naturkräfte und ihrer Wertabstufung vorgearbeitet hatte. Auch für Leibniz sind danach die allgemeinen Naturkräfte Energien, diejenigen Kräfte dagegen, die ihren Ausdruck in den Lebenserscheinungen finden, Entelechien. Zugleich aber sieht er sich durch eben jenes Prinzip der Kontinuität, nach welchem er die Lebenskräfte der Reihe der allgemeinen Naturkräfte einordnet, genötigt, den in dem Begriff der Entelechie liegenden Zweckgedanken wieder nach rückwärts auf das Gebiet der allgemeinen Energien auszudehnen. So sind ihm die Naturkräfte auf ihren höheren Stufen in der organischen Welt aktuell zwecktätige, in den allgemeinen Naturerscheinungen latent zwecktätige. Hieraus entspringt für ihn aber das Motiv, den so geforderten Charakter der Zweckmäßigkeit, der sich bei den Lebenskräften den Wirkungen entnehmen läßt, hier, in der toten Natur, in die Ursachen, d. h. in die _Gesetze_ zu verlegen, durch die die Erscheinungen bestimmt sind. Dazu bietet dann wieder die scholastische Gliederung des Begriffs der Ursache in die ~Causa efficiens~ und in die ~Causa finalis~ einen willkommenen Anhalt. Die Naturkräfte sind allgemein ~Causae efficientes~, diese aber gewinnen auf ihren höchsten Stufen zugleich den Charakter von ~Causae finales~. Leibniz mag sich diese letzteren als komplexe Resultanten gedacht haben, -- ausgesprochen hat er sich hierüber nicht. Um so mehr betont er, daß allen Naturerscheinungen der Zweck insofern immanent sei, als die Prinzipien der Naturerklärung sämtlich den Zweckbegriff in sich schließen. Er beschränkt diese Prinzipien auf _drei_ von universeller und von axiomatischer Bedeutung, weil sie aus andern nicht abgeleitet werden können: das der Kontinuität, der Erhaltung der Kraft, der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung. Es ist die Dreizahl der »~Leges naturae~«, die in verschiedener Form bei den Naturphilosophen des 17. Jahrhunderts, bei Descartes, Leibniz, Newton, wiederkehrt. Bei Leibniz sind die beiden ersten Gesetze von überwiegender Bedeutung: das Kontinuitätsprinzip ist eines der fruchtbarsten Denkmittel seiner gesamten Philosophie, das Erhaltungsprinzip beherrscht seine Naturphilosophie. Den Zweckgedanken tragen aber diese Prinzipien in sich selbst: das gilt in der Tat für das Leibnizsche Kraftprinzip so gut wie noch für das wesentlich mit ihm identische moderne Energieprinzip. Rein empirisch betrachtet ist es eine Hypothese, deren Geltung darauf beruht, daß, soweit unsere Erfahrung reicht, diese mit ihm übereinstimmt. Logisch betrachtet, ist es aber ein teleologisches Prinzip, da der Begriff des Beharrens eine Regel angibt, nach der künftige Zustände mit den gegenwärtigen und vorangegangenen verbunden sind. Für Leibniz liefert diese doppelte Erscheinungsform der Teleologie den Beweis für die Oberherrschaft, die dem Begriff des Zwecks überhaupt in den allgemeinsten Naturgesetzen und in den höchsten Erzeugnissen der Naturkausalität zukommt. Denn in dieser Übereinstimmung des ersten und des letzten Gliedes der Reihe der Entwicklungen liegt nach ihm ein Zwang, der uns nötigt, auch alle zwischenliegenden Glieder dem Zweckgedanken unterzuordnen. Darum, wenn er seine Übereinstimmung mit Aristoteles betont, so ist es vorzugsweise der Begriff der Entelechie, auf den er hinweist. Hierin liegt aber eine doppelte Übereinstimmung: die eine besteht in der Auffassung der Natur als einer _aufsteigenden Stufenfolge_, die andere in der _Einheit der physischen und der geistigen Welt_, wobei auf den niederen Stufen dieser Einheit vornehmlich die physische, auf den höheren Stufen die geistige Seite in die Erscheinung tritt. In beiden Momenten offenbart sich zugleich der tiefe Gegensatz gegen Descartes, der sich schon in den dynamischen Arbeiten vorbereitet hatte. Die Cartesianische Philosophie ist entwicklungslos, eine tiefe Kluft trennt den Menschen von der nur dem allgemeinen Mechanismus der Natur unterworfenen Tierwelt; sie ist dualistisch, die menschliche Seele ist nur äußerlich und vorübergehend mit dem Körper verbunden. Für Leibniz sind körperliches und geistiges Sein im letzten Grund eins und dasselbe, sie sind Äußerungen einer allbeherrschenden Kraft, die von Anfang an zwecktätige Kraft ist und als solche sich ebenso in den Gesetzen der Natur wie in denen des menschlichen Denkens offenbart. Damit erneuert er den Aristotelischen Begriff der Seele als der Lebenskraft, zu dem schon, freilich in mannigfach unter dem Einfluß des religiösen Dogmas veränderter Form, die Scholastik zurückgekehrt war. Wenn nun aber Leibniz überall bemüht war, die rein philosophische Begründung seiner Anschauungen mit einer religiösen Betrachtung der Dinge in Einklang zu bringen, so konnte er sich kaum verhehlen, daß in diesem Punkte der moderne Seelenbegriff Descartes' anscheinend dem religiösen Bedürfnisse besser gerecht werde als das Aristotelische Lebensprinzip. Da geschah eine Entdeckung, die die damalige wissenschaftliche Welt in die größte Aufregung versetzte, weil sie hier plötzlich eine neue Situation zu schaffen schien: es war die Entdeckung der sogenannten Spermatozoen durch den Holländer Leuwenhoek. Sie überraschte um so mehr, als kurz zuvor William Harvey durch seine sorgfältigen Beobachtungen über die Entwicklung des Hühnchens im Ei die ohnehin nächstliegende Annahme, daß das Ei der Träger der Entwicklungsvorgänge sei, vollauf zu bestätigen schien und daher zu dieser als selbstverständlich bereits geltenden Ansicht bloß die allerdings wichtige Ergänzung hinzufügte, daß organische Wesen überhaupt nur aus einem vorhandenen Ei hervorgehen könnten, nach dem Satze: »~Omne vivum ex ovo!~« Dem stellte nun Leuwenhoek auf Grund seiner Entdeckung der Spermatozoen, in denen er, wie die meisten seiner Zeitgenossen, wegen ihrer Bewegung kleinste lebende Tiere sah, den andern Satz gegenüber: »~Omne vivum ex animalculo!~« So entstand der berühmte Streit der Ovulisten und der Animalkulisten. Für Leibniz war aber dieser Streit mehr als eine bloß biologische Frage. Die Entdeckung der Spermatozoen bedeutete für ihn die Errettung aus einer schweren philosophischen Verlegenheit. In jenen schien ihm die Einheit von Seele und Körper augenfällig erwiesen zu sein. Aber es schien ihm auch, wie manchen andern, im höchsten Grade wahrscheinlich, daß damit das Problem der organischen Entwicklung überhaupt gelöst sei. Lag es doch nahe, anzunehmen, in dem Animalkulum sei das künftige Tier oder der künftige Mensch nicht bloß präformiert wie im Ei das individuelle künftige Hühnchen, sondern jenes sei das Tier selbst in einem noch unausgewachsenen Zustande. Damit konnte die Frage nach dem Ursprung des Lebens für gelöst gelten: das Leben, so lautete die Antwort, ist überhaupt nicht entstanden, sondern es bewegt sich für jedes Individuum nur zwischen den Stadien der Involution und Evolution, und die Entwicklungsgeschichte des individuellen Wesens ist nicht ein einmaliger, sondern ein periodischer, ins Unendliche sich wiederholender Vorgang. Wichtiger aber noch war eine weitere Folgerung, die dieser Anschauung ihre Anhänger schaffte. Der Cartesianischen Lehre von der bloß äußeren Verbindung von Seele und Körper, die der ersteren ihre Fortdauer nach dem Tode des Körpers sichere, hatte ihre Übereinstimmung mit dem religiösen Unsterblichkeitsglauben nicht zum wenigsten ihren Erfolg verschafft. Begreiflich daher, daß Leibniz die Hilfe willkommen war, die sich ihm in der Theorie der Animalkulisten bot, um so willkommener, als ihr die empirische Beobachtung zur Seite stand. Die Cartesianische Seele konnte niemand sehen, sie war eine bloß metaphysische Annahme. Die Spermatozoen konnte man jedermann unter dem Mikroskop demonstrieren. So war es Leibniz, der schließlich dieser Lehre ihren entscheidenden philosophischen Ausdruck gab: »~Non solum animae sed animalia sunt immortalia!~« Der Unsterblichkeit war anscheinend ein empirisches Argument zur Seite getreten, das den religiösen Glauben selbst zu einer Quelle wissenschaftlicher Erkenntnis erhob. Für uns, die wir wissen, daß die Spermatozoen keine Tiere, sondern bewegliche Formelemente sind, wie deren noch unzählig viele andere im Organismus vorkommen, ist natürlich die animalkulistische Evolutionshypothese und mit ihr womöglich noch mehr der Leibnizsche Satz von der Unsterblichkeit der Tiere längst hinfällig geworden. Dennoch wäre es verfehlt, anzunehmen, Leibniz würde, wenn er seinen Irrtum erkannt hätte, deshalb seinen Cartesianischen Gegnern das Feld geräumt haben. Seine Weltanschauung -- und das Verhältnis von Geist und Körper gehörte zu den wesentlichsten Bestandteilen derselben -- stand nicht auf den gebrechlichen Füßen der damaligen mikroskopischen Beobachtung. Es waren ganz andere Stützen, auf die er seine neue Auffassung vom Wesen der Materie gegründet hatte, dieselben, die ihm seine dynamischen Untersuchungen an die Hand gaben. Sie sind es zugleich, die mit seinem neuen Aufbau der Psychologie auf das engste zusammenhängen. ~c.~ Die Aktualität der Seele. An zwei Stellen pflegt man sich über Leibniz' psychologische Anschauungen Rat zu holen: in seiner Monadologie und in seiner Erkenntnistheorie. In so nahen Beziehungen beide aber auch zu jenen stehen mögen, so wenig geben sie Aufschluß über den Ursprung seines psychologischen Denkens. Will man die Ausgangspunkte seiner mehr und mehr über alle Gebiete sich erstreckenden psychologischen Überzeugungen erkennen, so muß man vielmehr auf seine physikalischen Studien zurückgehen, aus denen sich ihm zuerst der Begriff der Kraft als ein an sich gleichzeitig die physische und die geistige Welt umfassender Grundbegriff ergab. Da hierauf schließlich vor allem sein für die ganze neuere Philosophie entscheidend gewordener Gegensatz zu Descartes beruht, so ist es erforderlich, sich die auf die antike Philosophie zurückreichenden Quellen dieses Zwiespalts zu vergegenwärtigen. Dies ist um so nötiger, als durch einen merkwürdigen Wandel der Begriffe der Gegensatz selbst eine völlig veränderte Bedeutung gewonnen hat. Der Cartesianische Seelenbegriff hat seinen Ausgangspunkt in der Platonischen Ideenlehre, mit der ja auch die Lehre von den »angeborenen Ideen« zusammenhängt. Bei Plato war die Seele ein zwischen der übersinnlichen Welt der Ideen als der Urbilder der Begriffe und der Sinnenwelt vermittelndes Wesen, das als solches zugleich an der Unvergänglichkeit der Ideen teilnahm. Unter dem Einfluß der christlichen Gottesidee verwandelten sich bei dem großen Platoniker unter den Kirchenlehrern, dem heil. Augustinus, die Ideen in Schöpfungsgedanken Gottes, zu denen nun auch die menschliche Seele selbst gehörte. Alle Dinge hat Gott, ehe er sie schuf, vorausgedacht, unter ihnen ist aber die Seele dasjenige Wesen, das allein befähigt ist, sie nachzudenken: »Gott denkt die Dinge, ehe sie sind, unsere Seele denkt sie, nachdem sie sind.« Demnach ist die Seele ein denkendes Wesen und als solches befähigt, auch die Gottheit und die Dinge der Außenwelt zu erkennen. Das ist die Quelle der drei Substanzen der Cartesianischen Philosophie: Seele, Welt, Gott. Mit ihnen hat sich der Platonische Idealismus in einen dualistischen Realismus umgewandelt, zu dem als transzendente Ergänzung der Gottesbegriff hinzutritt. Für Leibniz ist auch hier Aristoteles der führende Philosoph. Dem neuen von Descartes unter der Leitung der neuen kirchlichen Philosophie aufgestellten Begriff der Seele als der denkenden Substanz gegenüber geht er auf den aristotelisch-scholastischen Begriff der Seele zurück: sie ist ihm das Prinzip des Lebens überhaupt und die Anlage zu ihren Fähigkeiten ruhen daher bereits in der allgemeinen Materie. Darum sagt er schon in seiner ~Hypothesis physica nova~: »Die Körper sind momentane Geister.« So haben sich anscheinend die Begriffe völlig umgekehrt: Descartes ist, vom Platonischen Idealismus ausgehend, zum Realisten, Leibniz, vom Aristotelischen Realismus ausgehend, zum Idealisten geworden. Freilich hat sich damit zugleich der Charakter des Idealismus selbst gewandelt: der moderne Idealismus ist nicht mehr der antike. Den ersten Versuch, diesen modernen Idealismus wissenschaftlich zu begründen, hat aber ohne Frage Leibniz gemacht. Doch es ist nicht die Monadologie, diese abschließende Darstellung seiner Metaphysik, und nicht die Erkenntnislehre der Essays über den Verstand, in denen wir Aufschluß über die Leibnizsche Psychologie suchen müssen, sondern seine Naturphilosophie. Denn, wie bei Aristoteles die Untersuchung über die Seele als »Entelechie des lebenden Körpers« der Physik als ihr letzter Teil sich anschließt, so führt bei Leibniz die Untersuchung über die Grundlagen der Physik unmittelbar zu dem Postulat einer idealistischen Naturauffassung und damit zu einer neuen Grundlegung der Psychologie. Das für diese Psychologie und den auf sie gegründeten Idealismus vor allen andern bedeutsame Werk ist nun jene »~Hypothesis physica nova~« mit einigen sie vorbereitenden kleineren Aufsätzen. Sie ist sein abschließendes Jugendwerk. In wesentlichen Punkten steht es noch auf dem Standpunkt der Cartesianischen Naturphilosophie, aber in dem, worin es von ihr abweicht, in dem Begriff der Materie, enthält es vieles, was bereits Gedanken der späteren dynamischen Schriften vorausnimmt, und in der Rolle, die in diesen Ausführungen der Begriff des unendlich Kleinen spielt, klingt leise schon die Infinitesimalrechnung an, obgleich die Probleme, die ihm in den folgenden Jahren seines Pariser Aufenthalts zu dieser geführt haben, ihm damals noch fern lagen. Die Unmöglichkeit, die Materie als Ausdehnung im Raum zu definieren, sucht er hier daraus zu beweisen, daß jedes noch so kleine Teilchen derselben in andere noch kleinere teilbar gedacht werden könne, so daß schließlich nichts übrig bleibe. Die Ausdehnung selbst setze daher eine Bewegung voraus, die sich in einer unendlich kleinen Zeit bereits über mehrere Teilchen erstrecke, so daß diese Bewegung nicht als ein räumlicher Vorgang, sondern nur als ein Streben nach Bewegung, als »~Conatus~«, gedeutet werden könne. Aus diesem Streben erkläre sich einerseits die Widerstandskraft, anderseits die Kohäsion der Teilchen der Materie. So entwickelt hier schon Leibniz eine Hypothese, die die geläufigen korpuskularen und atomistischen Vorstellungen zurückweist, um an ihre Stelle ein Kontinuum bewegender Kräfte zu setzen, das die selbständige Existenz einer diese Kräfte tragenden ausgedehnten Substanz ausschließt. Es erinnert, von der physikalischen Seite betrachtet, einigermaßen an die Faradayschen »Kraftfelder«. Wichtiger aber ist die weitere Folgerung, daß die Ausdehnung eine _Erscheinung_ der Materie, nicht die Materie selbst sei, die vielmehr als ein bloßes Streben nach Bewegung, demnach eigentlich als ein immaterielles Sein gedacht werden müsse. Das eben drückt jener Satz aus: »Die Körper sind momentane Geister!« Sie würden -- so können wir wohl diesen Satz interpretieren -- Geister im vollen Sinne des Wortes sein, wenn die strebenden Kräfte, aus denen sie bestehen, ein Gedächtnis in sich trügen, das Vorangehendes und Folgendes verbände. Diese Eigenschaft unseres eigenen Geistes fehlt den leblosen Körpern. Aber da das Gedächtnis eine besondere, weitere Bedingungen voraussetzende Eigenschaft ist, so sind wir berechtigt, die Körper überhaupt als geistige Wesen, freilich, sofern ihnen die Eigenschaft abgeht, Vorangegangenes mit Zukünftigem zu verknüpfen, nur als momentane Geister aufzufassen, womit zugleich die Möglichkeit gegeben ist, die höheren geistigen Vorgänge aus ihnen entstanden zu denken. Diese Auffassung, die bereits deutlich auf das universelle Prinzip der Kontinuität alles Geschehens hinweist, schließt jedoch noch eine andere Folgerung ein. Descartes' Psychologie leitet aus dem Denken die Gesamtheit der geistigen Vorgänge ab. Sie ist nach dem vorangestellten Begriff der Seele durch und durch intellektualistisch. Auch die Leidenschaften der Seele beruhen, ebenso wie die Hilfsmittel zu ihrer Überwindung, im letzten Grunde halb auf logischen halb auf physischen Vorgängen. Leibniz überträgt hier, treu den Aristotelischen Begriffen von der Energie und Entelechie in ihrer physisches und geistiges Leben umfassenden Bedeutung, unmittelbar die leitenden naturphilosophischen Gesichtspunkte auch auf das Seelenleben. Alles geistige Geschehen ist ihm immerwährende Tätigkeit, diese wird aber in der Wechselwirkung ihrer Faktoren zugleich zu einem Streben, das neben jener Tätigkeit den Gesamtverlauf der psychischen Vorgänge bestimmt. So ist es die _Aktualität_ des Seelenbegriffs, die sich bei ihm gegenüber der Cartesianischen Seelensubstanz durchsetzt. Damit tritt dem Doppelbegriff Tätigkeit und Leiden bei Descartes ein neuer, Tätigkeit und Streben, gegenüber, -- ein Unterschied, der, so gering er auf den ersten Blick erscheinen mag, in Wahrheit einen völligen Wandel der Lebensanschauung in sich schließt. Tätigkeit und Leiden sind Wechselbegriffe, die beide auf die an sich der Außenwelt gegenüberstehende, von ihr spezifisch verschiedene, aber fortwährend ihren Einwirkungen unterworfene Seelensubstanz zurückführen. Tätigkeit und Streben sind psychische Begriffe, die den allgemeinen Naturbegriffen durchaus entsprechen, nur daß sie sich im Menschen zu klarem Bewußtsein erheben, während sie in der allgemeinen Natur noch latent bleiben und nur aus dem Zusammenhang der Naturvorgänge zu erschließen sind. In diesem Sinne finden sie in dem späteren, strenger durchgeführten Dualismus der naturphilosophischen Begriffe in der Unterscheidung der toten und der lebendigen Kräfte ihren Ausdruck. Sind doch die toten Kräfte nichts anderes als ein Streben nach Bewegung, das aber nun unter Zuhilfenahme des Prinzips der Konstanz der Naturkräfte mit der Tätigkeit selbst oder den lebendigen Kräften in einem gesetzmäßigen Zusammenhang steht. Von diesem Prinzip der Konstanz ist nun in der Leibnizschen Psychologie nicht die Rede: da widerstrebt ihm offenbar das Prinzip der Entelechie als der höheren bewußten Form der Naturkräfte, welches zugleich das Prinzip der Entwicklung der niederen zu den höheren, zwecktätigen Kräften in sich schließt. Hier durchkreuzt sich also sichtlich jenes allgemeine Naturgesetz, welches für die gesamte physische Welt und damit auch für die allgemeinen Naturgrundlagen des geistigen Lebens gilt, mit dem Prinzip der dieses Leben selbst beherrschenden schöpferischen Kausalität des geistigen Geschehens. Leibniz hat sich freilich über diesen scheinbaren Widerspruch seines psychologischen Entwicklungsgedankens mit seinen allgemeinen Naturgesetzen, ebenso wie über den Weg, der über diesen scheinbaren Widerspruch hinausführt, keine Rechenschaft gegeben. Dagegen ist es ein anderer Punkt, der ihn den Cartesianischen Intellektualismus vermeiden läßt, und in dem seine Auffassung des geistigen Lebens schließlich bestimmend geworden ist für die ganze moderne Psychologie. Es ist nicht das Denken, das ihm als ausschließliche Tätigkeit der Seele gilt, sondern, wie für ihn zwischen dem Seelenbegriff und dem Naturbegriff überhaupt keine strenge Grenze zu ziehen ist, so sind es, nur auf einer höheren Stufe, dieselben Grundkräfte, die die geistigen Vorgänge beherrschen, wie sie in den materiellen Erscheinungen vorgebildet sind. Unter jenen ist aber das Denken zwar eine eminent wichtige Äußerung, aber sie ist nicht mehr die einzige und sie ist vor allem nicht die grundlegende, sondern, wie ihr als ihre Vorstufen die lebendigen und toten Naturkräfte vorausgehen, so schließt sie jene einfacheren psychischen Vorgänge ein, die wir als bewußte Tätigkeit und als Streben unmittelbar in uns wahrnehmen. Das Bewußtsein, das uns zu dieser Selbstauffassung verhilft, ist aber hier wieder jene bewußte Kontinuität des psychischen Geschehens, die wir unter dem Begriff des Gedächtnisses zusammenfassen, während die leblosen Körper demgegenüber eben als »momentane Geister« betrachtet werden können. Indem Leibniz die Vorstellung als die Tätigkeit der Seele, das Begehren als ein Streben nach dieser Tätigkeit auffaßt, gilt ihm nicht, wie manchen Abirrungen der späteren Psychologie, die Vorstellung als eine Art subjektiven Spiegelbildes der wirklichen Dinge, sondern sie ist ihm, wie er wiederholt versichert, selbst immerwährende Tätigkeit, ebenso wie das Streben und Begehren, das von den gegebenen Vorstellungen fortwährend zu neuen hindrängt. Diese völlig veränderte Auffassung des geistigen Lebens ist aber in doppelter Weise epochemachend geworden für die kommende Psychologie. Auf der einen Seite ist aus ihr jener Gedanke eines Mechanismus des Vorstellungsverlaufs entstanden, der an sich gänzlich außerhalb des durch bestimmte logische Motive geleiteten Denkens liegt, und der von der Assoziationspsychologie an bis auf Herbart und seine Schule die Psychologie in weitem Umfang beherrscht hat. Auf der andern Seite enthält sie die Anfänge jenes »Voluntarismus«, der zu einer bald bewußt ausgebildeten, bald latent bleibenden Signatur der modernen Psychologie geworden ist. Denn indem alles Vorstellen mit bestimmten Gefühlen und in ihnen mit einem Streben nach einem Ziel der seelischen Tätigkeit verbunden ist, tritt uns bei Leibniz nunmehr bereits der Wille als der alle andern Seelentätigkeiten zusammenfassende Vorgang entgegen. Freilich hat er diesen sein psychologisches Denken überall beherrschenden voluntaristischen Gedanken nicht zu einem klaren Ausdruck gebracht, sondern, wie sein Aktualitätsprinzip von dem überlieferten Begriff der Substanz durchkreuzt wird, so hat er seinen Voluntarismus von der intellektualistischen Gedankenströmung der Zeit nicht völlig zu befreien vermocht. Wirkten doch hier der scholastische und der Cartesianische Intellektualismus zusammen, um ihn zum Teil in widersprechenden Gedanken festzuhalten, die in diesen neuen Zug seines Denkens als eiserner Bestand der Tradition mit eingehen. Bedenkt man diese entgegenwirkenden Motive, so ist es in der Tat erstaunlich genug, daß er, geleitet durch seine scharfe Beobachtungsgabe für die Zustände des Seelenlebens, trotzdem durch die bis zum heutigen Tage noch nicht überwundenen Irrungen einer Logik und Psychologie vermengenden Reflexion so wenig sich irre machen ließ. Im Verein mit dieser Abkehr von einem in die Wirklichkeit hinübergetragenen künstlichen Begriffssystem ist es ein anderer, noch bedeutsamerer Gegensatz, der hier Leibniz ebenso von den Cartesianern wie von Aristoteles und der Scholastik trennt. Descartes hatte das menschliche Seelenleben ganz, Aristoteles hatte es wenigstens in seinen höchsten Äußerungen dem der übrigen lebenden Wesen gegenübergestellt. Descartes hatte zwar eine Erklärung der physiologischen Funktionen aus den mechanischen Gesetzen gefordert, hinter den letzteren aber stand doch gerade in diesem Fall die schöpferische Macht Gottes, die jedem Naturwesen seine, eben in dem Mechanismus der Lebensvorgänge gesicherten Zwecke gesetzt habe. Für Aristoteles dagegen bestand zwischen der leblosen und der lebenden Natur eine Kluft, die das Prinzip der Entwicklung nur auf die letztere anwendbar machte, während sich ihm die übrigen Naturerscheinungen einer Anzahl verschiedener allgemeiner Ursachen unterordneten, die ein buntes Gemisch aus der oberflächlichen Erfahrung geschöpfter Begriffe gewesen waren, wie die des natürlichen Orts der Körper für die Fallerscheinungen, der gewaltsamen Bewegungen für den Wurf, endlich der zufälligen Bewegungen. Hier suchte nun Leibniz wiederum nach einer Vermittlung zwischen Descartes und der Scholastik. Mit dieser ist ihm die gesamte Natur bis herauf zum Menschen eine kontinuierliche Zweckreihe, die sich einem einzigen Prinzip unterordnet, das schließlich im menschlichen zwecktätigen Handeln seinen bewußten Ausdruck findet. In dieser universellen Kausalität der Erscheinungen wiederholt sich die allumfassende mechanische Gesetzmäßigkeit Descartes'. Nur fordert diese eine ihr entsprechende geistige Gesetzmäßigkeit, die sich über alle Naturreiche von ihren niederen bis zu ihren höchsten Formen erstreckt. Hier mag dann zugleich jener oft wiedergekehrte mystische Gedanke hereinspielen, der Leibniz in seiner scholastischen Jugendzeit nahegetreten war, und nach dem in seiner naturphilosophischen Umdeutung ein Jahrhundert vorher Giordano Bruno die Materie die »schwangere Mutter« der Formen genannt hatte, aus der die ganze Welt als eine einzige Stufenfolge von Wesen entsprungen sei. Es ist derselbe universelle Entwicklungsgedanke, von dem auch Leibniz erfüllt ist, aber er sucht ihn auf der Grundlage der neuen Dynamik und Biologie als das innere Wesen der Naturvorgänge überhaupt nachzuweisen. So entnimmt er das Prinzip der Universalität der Naturgesetze Descartes, aber es umfaßt ihm Natur und Geist zugleich; in dem Prinzip der »Entelechie« schließt er sich an Aristoteles an, aber er überträgt es von der lebenden Natur auf die gesamte geistige und physische Welt. Doch hieraus entspringt ihm eine neue Auffassung des geistigen Lebens und mit ihm der Natur. Beide, Natur und Geist, sind in Wahrheit eins und dasselbe: sie sind weder verschiedene Substanzen noch verschiedene Attribute einer Substanz, sondern sie sind einander ergänzende Standpunkte in der Auffassung der Welt. Unter ihnen ist an sich der nach innen gerichtete, der psychologische, der entscheidende. Denn er umfaßt den Inhalt der uns unmittelbar gegebenen Wirklichkeit, der damit ebenso für das geistige Leben, das außerhalb des Fokus unserer eigenen seelischen Erlebnisse liegt, wie für die äußere Natur, die sich in unserem Bewußtsein spiegelt, die Formen und Gesetze des Geschehens bestimmt. So führt ihn folgerichtig die psychologische Betrachtung vom Aristotelischen Realismus zu einem Idealismus, der dem objektiven Idealismus Platos eine neue Gestalt gibt. Den Cartesianischen Dualismus aber wandelt er in einen Monismus um, welchem die Natur selbst nichts anderes als der Geist in seiner Entwicklung ist. ~d.~ Die Einheit der Wissenschaften. Das Wort »Geisteswissenschaften« ist bekanntlich eine neue, nicht über das 19. Jahrhundert hinaufreichende Schöpfung der Gelehrtensprache. Leibniz kennt also das Wort nicht. Aber er verfügt über einen Begriff, der noch darüber hinausreicht: das ist die _Einheit der Wissenschaften_. Er umfaßt nicht bloß die zu jener Zeit bereits konsolidierten Naturwissenschaften, sondern auch jene Gebiete, die wir heute Geisteswissenschaften nennen, und zu denen noch die abstrakten Disziplinen hinzukommen, die als allgemeine Grundlagen des Denkens dort wie hier die methodischen Hilfsmittel der Forschung darbieten: die Logik und die Mathematik. Beide gehören zusammen; denn die Mathematik ist nur eine erweiterte Logik, und insofern beide in übereinstimmender Weise in allen Wissenschaften vorkommen, vermitteln sie zugleich, abgesehen von den realen Beziehungen, in denen die Bestandteile unserer Erkenntnis durchgängig zueinander stehen, die Einheit der Wissenschaften. Leibniz hat diesen Gedanken, wie bereits oben bemerkt, vornehmlich für die Rechtswissenschaft in doppelter Beziehung durchgeführt: erstens ist sie nach ihm in hohem Grade logisch ausgebildet, darum der Mathematik nahe verwandt; und zweitens fordert er von dem Juristen eine gründliche Kenntnis der empirischen Wirklichkeit, wozu ihn das Studium der Naturwissenschaften vornehmlich anleiten soll. Denn gerade die Rechtswissenschaft und besonders ihre praktische Anwendung läßt nach ihm eine fremde Beihilfe in der Regel nicht zu. Hier muß schon in den Fällen des Zivil- und Kriminalrechts nicht selten der Einzelrichter auf Grund seiner Kenntnis der Gesetze nicht nur, sondern der sorgfältigen Erwägung der Tatsachen eine Entscheidung treffen. »~De casibus perplexis~« lautet schon das Thema der Abhandlung, über die er zur Erlangung der Doktorwürde in Altdorf disputierte, und es mag daher sein, daß ihm die Schwierigkeit der Beantwortung komplizierter juristischer Streitfragen die Vergleichung mit der Lösung mathematischer Probleme nicht minder wie den andern scheinbar paradoxen Ausspruch nahelegte: »Je spekulativer eine Wissenschaft ist, desto praktischer ist sie!« Ist doch die Wirklichkeit der Dinge durchweg verwickelter als unsere willkürliche Konstruktion, mögen die Dinge nun Rechtsfälle sein, wie die des Juristen, oder Naturerscheinungen, wie die des mathematischen Physikers. Was Leibniz juristischen Schriften noch ein besonderes Interesse verleiht, ist aber dies, daß sie augenfälliger als andere seiner Arbeiten von der Scholastik ausgehen, um dann später mehr und mehr aus ihrem Bannkreis herauszutreten. So ist bei der genannten Schrift über die perplexen Fälle schon die Wahl des Themas bezeichnend. Die Lust zu zwecklosem Disputieren, wie sie in der alten Hochschule heimisch war, die Neigung, dem Gegner Fallen zu stellen oder ihn ~ad absurdum~ zu führen, sie klingen deutlich in dieser Schrift an, deren Glanzleistung darin besteht, daß sie in dem berühmten Prozeß zwischen Protagoras und seinem Schüler Euathlos über das von dem letzteren zu zahlende Honorar eine neue Entscheidung zu geben sucht. Es ist derselbe Formalismus, der im wesentlichen in den andern juristischen Jugendschriften nach dem Vorbild der Literatur der Zeit wiederkehrt. Wo er sich gegen die seitherige Wissenschaft wendet, da ist es weniger die Scholastik als die Schule der »Ramisten«, die er wegen ihrer Häufung leerer Begriffsunterscheidungen und scholastischer Dichotomien bekämpft. Aber auch die Leibnizsche Schrift über die perplexen Fälle ist ein wahres Musterstück scholastischer Gelehrsamkeit. Schon das Thema ist kennzeichnend. Es sind nicht sowohl wirkliche Rechtsfälle als Beispiele jener Dilemmen, die bereits in der antiken Dialektik halb als scherzhafte logische Aufgaben, halb als ernste Probleme eine Rolle gespielt haben. Die Form des Rechtsstreites ist auch sonst für sie als eine besonders geeignete gewählt worden. Schon die Einleitung ist echt scholastisch. Zuerst wird der Begriff des Kasus definiert und in seiner Anwendung durch die verschiedenen Wissenschaften verfolgt, dann der Begriff der ~Perplexitas~, um endlich festzustellen, was ein ~Casus perplexus~ sei. So ist das Ganze mehr eine dialektische Verstandesübung als eine juristische Untersuchung. Nicht viel anders verhält es sich mit den »~Quaestiones philosophicae amoeniores ex jure~« und andern Arbeiten. Da glaubt man denn mit der dem Kurfürsten von Mainz zum Willkomm überreichten Schrift über die notwendige Reform des juristischen Studiums (~Methodus nova discendae docendaeque jurisprudentiae~, 1668) in eine andere Welt zu treten. Man fühlt sich in akademische Reformversuche neuester Zeit versetzt, wenn Leibniz hier den Vorschlag macht, den juristischen Lehrvortrag dadurch anregender zu gestalten, daß der Rechtslehrer, indem er die Rollen des Klägers, des Angeklagten, des Sachwalters und des Richters unter seine Schüler verteilt, eine Art dramatischer Nachbildung des öffentlichen Gerichtsverfahrens veranstaltet. Freilich wird man sich bei diesem originellen Vorschlag erinnern dürfen, daß auch der scholastische Lehrbetrieb beide Seiten vereinigte, ein ödes Diktieren und Auswendiglernen neben Kolloquien und Disputationen, die zugleich eine Art Rollenverteilung mit sich führten. Und es war neben der theologischen vorzugsweise die Artistenfakultät, in der diese Disputationen geübt wurden, während bei den Juristen wohl der dogmatische Lehrvortrag ausschließlich herrschend war, wie denn gerade in der Zeit nach dem großen Krieg die Umständlichkeit des schriftlichen Rechtsverfahrens ihren äußersten Grad erreicht zu haben scheint. So mochte Leibniz diesen von ihm selbst vielfach beklagten Mängeln am wirksamsten zu steuern meinen, wenn er das Übel bei der Wurzel, bei dem Studium der Rechtswissenschaft, anfaßte. Damit bezeichnet aber diese Schrift allerdings einen wichtigen Wendepunkt auch auf diesem Gebiete einer eigentlichen Fachwissenschaft, nicht unähnlich demjenigen, den er ungefähr um die gleiche Zeit in seinem naturwissenschaftlichen Denken erlebte. Es ist der Eintritt in das öffentliche Leben, die in den folgenden Jahren beginnende politische Tätigkeit, die diese Wendung von den einzelnen, ihn zum Teil mehr um ihres logischen Interesses als um ihrer nützlichen Zwecke willen fesselnden Problemen zu den allgemeinen Fragen des öffentlichen Rechts und der Gesetzgebung hinüberführt. So beschäftigt ihn vor allem die Reform des römischen Rechts, dessen logische Ordnung und als letztes Ziel die Schaffung eines neuen Gesetzbuchs, das die deutschen Rechtsquellen mit dem römischen Recht in ein der Zeit angemessenes Werk vereinige. Auch bei der ausführlichsten seiner politischen Schriften, dem »~Caesarinus Fuerstenerius~«, steht trotz des einzelnen Anlasses im Hintergrund das große Problem der Verfassung des deutschen oder, wie Leibniz, der Anhänger des alten Reichsgedankens mit Vorliebe es nennt, des Römischen Reichs, die Frage der Vereinbarkeit der vollen Autarkie der Einzelstaaten mit der Unterordnung unter das Reichsoberhaupt, dieser »~Casus perplexus~« des Staatsrechts damaliger Zeit. Zwei Gedanken sind es, die bei allen diesen späteren Arbeiten mehr und mehr in den Vordergrund treten. Der eine ist die Erkenntnis der geschichtlichen Bedingtheit des Rechts, den er gegen die unter dem Einfluß des angesehensten deutschen Juristen der Zeit zur Herrschaft gelangende Naturrechtstheorie in die Schranken führt. Wohl gibt es auch für ihn ein natürliches Recht, das in der sittlichen Natur des Menschen seine Quellen hat. Wirklichkeit hat aber zunächst das überlieferte Recht, das seinerseits geschichtlich bedingt ist, also nicht für alle Zeiten und Völker dasselbe sein kann. Der zweite leitende Gedanke ist der Zusammenhang des Rechts mit der Gesamtheit der Lebensinteressen, vor allem mit Moral und Religion. Daß sie Recht und Staat loszulösen gesucht von diesen höchsten menschlichen Gütern, daß sie die Selbstsucht zu ihrer Ursache und den äußeren Nutzen zu ihrem Zweck erhoben, das ist es, worin er vor allem seine Zeitgenossen Thomas Hobbes und Samuel Pufendorf bekämpft. Auch hier geht er auf Aristoteles zurück, mit dessen Ethik er die berühmten Rechtsideen der großen römischen Juristen schon in seiner Jugendschrift über die Methode des juristischen Studiums zu einer Dreiheit von Normen verbindet, die er dann noch einmal beinahe dreißig Jahre später in seinem Kodex des Völkerrechts in ihrer Vereinigung als die Grundlagen alles Rechts bezeichnet. »~Nemimem laedere, suum cuique tribuere, honeste vivere~«: der ersten und zweiten dieser Regeln entspricht die Aristotelische Dichotomie des Begriffs der Gerechtigkeit in die »ausgleichende« (~commutativa~) und in die »verteilende« (~distributiva~); die dritte aber verwandelt Leibniz aus dem ~honeste~ in ein »~pie vivere~«. So ergeben sich ihm _drei_ Grade des natürlichen Rechts, die er in jenen drei Rechtsregeln angedeutet sieht: das strenge Recht (~Jus strictum~), die Billigkeit (~Aequitas~) und die Frömmigkeit (~Pietas~). Führt man sie auf die ihnen entsprechenden Tugendbegriffe zurück, so entspricht aber dem ~Jus strictum~ die Gerechtigkeit im engeren Sinne des Wortes, der Billigkeit die Liebe. Die Frömmigkeit endlich ist die Liebe zu Gott, die als solche auch die andern Tugenden in sich schließt und auf diese Weise die vorangehenden Stufen zur Einheit verbindet. Gewiß entbehrt diese Zurückführung der Rechtsregeln auf die Tugendbegriffe nicht eines gewissen Zwangs, und vollends ist die Umwandlung des »~honeste vivere~« in das »~pie vivere~« eine geflissentliche Steigerung. Doch so kennzeichnend diese Anlehnung an das Überlieferte für die Leibnizsche Denkweise überhaupt ist, so wenig kommt sie hier für die Sache selbst in Betracht; ja vielleicht würde diese eindringlicher zur Geltung gelangen, wenn er sie als sein eigenes Werk hinstellte, was sie im Grunde ist, statt sich an Aristoteles und die alten Juristen anzulehnen. Worauf es ankommt, das ist doch nur, daß für ihn Recht und Moral eine untrennbare Einheit sind, und daß sie mit der Religion zusammen eine einzige sittliche Weltordnung bilden. Eben darum ist ihm aber auch der Staat, wie er in dem »~Monitum~« zu seinem ~Codex diplomaticus~ ausführt, kein bloßer Schutzvertrag zur Sicherung von Leben und Eigentum der einzelnen, sondern eine sittliche Lebensgemeinschaft zur Förderung der Glückseligkeit aller. Deshalb beziehen sich denn auch die allgemeinen Begriffe der Rechtsordnung ebenso auf die Staaten selbst wie auf die einzelnen Staatsbürger. Das Gebot, niemanden zu verletzen wird dort zur Pflicht, den Frieden zu bewahren, das Gebot, jedem das Seine zu gewähren zur Pflicht der Berücksichtigung der Interessen anderer Staaten im Verkehr mit ihnen. Dazu kommt endlich als die Grundlage aller dieser internationalen Regeln die Frömmigkeit, die in dem christlichen Gebot der allgemeinen Menschenliebe die Quelle findet, aus der die Pflichten der Staaten in ihrem wechselseitigen Verkehr entspringen. So verbinden sich in diesen Gedanken über Völkerrecht die Hauptmotive, die der Leibnizschen Weltanschauung ihr Gepräge geben. Den Eudämonismus der Zeit verleugnet auch sie nicht, aber sie vertieft ihn, indem sie das Glück des einzelnen an die sittliche Gemeinschaft der Menschen und diese wieder an die religiöse Bestimmung des Menschen bindet. Aus der sittlich-religiösen Richtung dieses Eudämonismus entspringt der durch keinerlei Mängel und Schmerzen des Daseins zu trübende Optimismus, und zu beiden gesellt sich das aus der mathematischen Betrachtung der Dinge entspringende Vertrauen auf eine gesetzmäßige Weltordnung. III. Leibniz und die neue Wissenschaft. »~Scienza nuova~«, neue Wissenschaft, hatte Galilei seine Mechanik und seine Lehre von den Fallgesetzen genannt. ~Scienza nuova~ nannte noch ein Jahrhundert später Giambattista Vico, Leibnizens jüngerer Zeitgenosse, seine Philosophie der Geschichte. »~Instauratio magna scientiarum~« hatte Francis Baron die Sammlung der Werke überschrieben, in denen er seine neue Philosophie darstellen wollte. ~Instauratio~ -- nicht ~Restauratio~! Nicht um eine Verbesserung und Fortbildung des Überlieferten, um eine völlige Neuschöpfung handelte es sich dieser Zeit. Darin schied sich die Wissenschaft von der vorangegangenen Erneuerung der Kunst, die sich mit dem bescheideneren Titel einer »Wiedergeburt« begnügte. War es doch die Kunst des Altertums gewesen, die der neuen zuerst ihren Weg zurück zur Natur gewiesen hatte. Die neue Wissenschaft glaubte der überlieferten Weisheit völlig entraten zu sollen. Die Scholastik samt ihrem Meister Aristoteles erschien den Jüngern dieser Zeit als ein Hindernis, nicht als eine Förderung auf dem Wege zur Wahrheit. Eher mochten noch, so meinte Bacon, ein Plato und der schmählich vergessene Demokrit bisweilen das Richtige erkannt haben. Die Logik des Aristoteles, der diese seine Vorgänger in den Hintergrund gedrängt, und vollends die Scholastik war eine leere Wortkunst ohne theoretischen Wert und ohne praktischen Nutzen gewesen. So hat das Wort »Neue Wissenschaft« eine weit über jene einzelnen Werke hinausreichende Bedeutung. Es ist der Jubelruf der neuen Zeit, eine Absage an die Vergangenheit, die Verkündigung einer mit den großen Entdeckungen der Naturforschung endlich herangekommenen wahren Wissenschaft. So selbstbewußt aber die Naturforscher des Zeitalters diese durch ihre eigene Arbeit herbeigeführte Wendung der Dinge verkünden, so sind es doch vornehmlich die Philosophen, bei denen sich der Ruhm der neuen Zeit von jenem abfälligen Urteil über die Vergangenheit wirksam abhebt. Wie höflich behandelt Galilei in seinen ~Discorsi~ den Aristoteliker Simplicio, wenn man seine rein sachlichen Richtigstellungen mit den Schmähungen vergleicht, mit denen Bacon den Aristoteles überhäuft, oder mit den gemäßigteren, aber, soweit es sich um die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der bisherigen Philosophie handelt, nicht minder geringschätzigen Bemerkungen Descartes'. Und soweit auch diese Männer in ihren eigenen Anschauungen auseinandergehen, in dem Preis der neuen Wissenschaft stimmen sie derart überein, daß man sich des Gedankens einer Beeinflussung des jüngeren durch den älteren der beiden Schriftsteller kaum erwehren kann. »~Antiquitas saeculi juventus mundi~,« sagt Bacon. Das Altertum ist das Jugendalter der Menschheit. In Wahrheit ist die neuere Zeit die ältere, die reifere an Wissen und Einsicht. »Die Schriften der Alten«, sagt Descartes, »erschienen mir zuerst wie prächtige Paläste, aber ich fand sie auf Sand gebaut.« Darum, nicht einen Fortschritt auf dem bisherigen Wege, sondern eine völlige Umkehr, einen neuen Anfang fordern beide, an der Stelle der bisherigen leeren Begriffsgliederungen neue fruchtbare Methoden. »Der Krüppel auf dem rechten Wege wird es dem Wettläufer auf dem falschen zuvortun,« oder, wie Descartes dieses Baconische Bild wiedergibt: »wer auf der richtigen Straße langsam geht, kommt weiter, als wer auf einem Irrpfade sich beeilt.« Nun würde es freilich ein Irrtum sein, wollte man hieraus schließen, diese Philosophen seien wirklich von der Vergangenheit unabhängig gewesen. Das trifft für Bacon, der es, trotz der tiefen Blicke, die er in das Wesen der experimentellen Methode getan hat, an scholastischen Begriffsspaltungen nicht fehlen läßt, so wenig zu wie für Descartes, der die Grundlagen seiner Metaphysik ebenso wie sein berühmtes »~cogito ergo sum~« dem Augustin, seinen Gottesbeweis dem Anselm von Canterbury verdankt. Niemand kann sich eben von der Vergangenheit lösen. Aber die Berufung auf Autoritäten lag nicht im Sinn einer Generation, die sich selbst als die Trägerin einer völligen Erneuerung der Wissenschaften fühlte. Wie anders steht hier Leibniz der vorangegangenen Zeit gegenüber! Wohl hat auch er nicht versäumt den Nutzen zu rühmen, den der Fortschritt der Wissenschaften der Menschheit gebracht habe. Aber wann wäre es ihm beigefallen, die neue Wissenschaft als die einzige zu preisen, die diesen Namen wahrhaft verdiene? Freilich war das vor allem eine Folge seiner in der Scholastik wurzelnden Jugendbildung. Konnte er sich auch, als er später mit der neuen Naturwissenschaft näher bekannt wurde, dem imponierenden Eindruck dieser nicht entziehen, so stellte sich doch, vornehmlich infolge der Bedenken, die sich gegen die Cartesianische Naturphilosophie in ihm regten, allmählich ein gewisses Gleichgewicht ein, das ihn mehr und mehr an dem ohnehin seiner Denkweise entsprechenden Grundsatze festhalten ließ, aus allem, was Vergangenheit oder Gegenwart Wertvolles bieten mochten, das Beste zu behalten. So wurde er in einer Zeit, die im ganzen an einem merkwürdigen Mangel an historischem Sinn litt, unterstützt durch seine ausgebreitete Literaturkenntnis, bei aller Selbständigkeit des Denkens ein Eklektiker im höchsten Sinne des Wortes. Rühmt er sich doch selbst dieser Eigenschaft, wenn er sagt, es sei sein Bestreben gewesen, die Atomistik mit den vernünftigen Samen der Stoiker und mit den Entelechien des Aristoteles zu verbinden. Fast steht er darum auch in der historischen Würdigung des jeweiligen Zustandes der Wissenschaft einsam da, nicht nur in seiner eigenen, sondern auch in der folgenden Zeit. Staunen wir doch noch bei der Lektüre Kants nicht selten über die merkwürdig oberflächliche Kenntnis, die dieser große Denker von den bedeutendsten Werken der vorangegangenen Philosophie besitzt. Wenn der Eifer, mit dem Leibniz eine Zeitlang gerade den Hauptvertretern der neuen Wissenschaft unter den Philosophen, einem Bacon, Descartes und Gassendi sich zuwandte, später einer ablehnenden Kritik Platz machte, um in Naturphilosophie und Psychologie dem Aristoteles, in der Theologie der Scholastik einen überwiegenden Einfluß zu gestatten, so war aber sichtlich nicht zum wenigsten die Tatsache schuld, daß jene begeisterten Verkünder der neuen Naturwissenschaft selbst nicht zu den führenden Naturforschern gehört und zum Teil sogar mit den neuen Ergebnissen nur mangelhaft vertraut waren. Dies gilt selbst von Descartes, der, ein so hervorragender Mathematiker er war, doch dem gewaltigen Umschwung, den Galileis epochemachende Arbeit in der Physik hervorbrachte, fremd gegenüberstand. Seine Naturphilosophie trägt daher ganz das Gepräge eines über die Naturerscheinungen spekulierenden Geometers. Es konnte nicht ausbleiben, daß dieser Mangel einem Manne, der, wie Leibniz, die Entwicklung der neueren Dynamik mit dem größten Interesse verfolgte, auf die Dauer nicht verborgen blieb und daß er in dem allgemeinen Begriffsschematismus der Aristotelischen Physik bald ein passenderes Mittel fand, die neuen Resultate ihm einzuordnen, als in den Hypothesen Descartes'. So traten denn in seiner Würdigung der Zeitgenossen mehr und mehr an die Stelle jener Naturphilosophen die Naturforscher, die durch ihre Entdeckungen die neue Wissenschaft begründet hatten. In Galilei verehrte er vor andern den Entdecker des Prinzips der Trägheit und der Fallgesetze, der damit zugleich den empirischen Beweis für die Richtigkeit des wahren Gesetzes der Erhaltung der Kraft bereits vor der Aufstellung desselben geliefert hatte; in Kepler den Entdecker der Gesetze der Planetenbewegungen. Meinte er doch, in diesem Fall wohl nicht ganz gerecht, das eigentliche Verdienst der Gravitationstheorie gebühre Kepler, nicht Newton, der sie durch den unmöglichen Gedanken der Wirkung in die Ferne gefälscht habe, während Kepler, indem er sie aus der Fortpflanzung durch ein kontinuierliches Medium abzuleiten suchte, auf dem richtigen Wege gewesen sei. So bewegt sich seine Schätzung der Vertreter der neuen Wissenschaft einigermaßen parallel der Stellung, die er gleichzeitig der Scholastik gegenüber einnimmt. Hier war er von dem an seiner heimischen Universität vorherrschenden, auch von seinem Lehrer Jacob Thomasius vertretenen Nominalismus ausgegangen. Dann trat in seinen naturphilosophischen Arbeiten Aristoteles selbst an die Stelle der Scholastik, um, wo es sich um ethische und theologische Fragen handelte, durch die ältere klassische Scholastik ergänzt zu werden. Unter den Vertretern der neuen Wissenschaft sind es zuerst die mehr als Herolde denn als Forscher wirkenden Philosophen, die sein Interesse fesseln, dann wendet er sich dem Zweigestirn der beiden großen Forscher zu, die uns noch heute als die Hauptbegründer der neuen Naturwissenschaft gelten. Ihr Einfluß kreuzt sich aber mit dem ihm zeitlebens eigen gebliebenen Aristotelischen Begriffssystem. So ereignet sich das Merkwürdige, daß, nachdem Galilei die Aristotelische Physik aus der Naturwissenschaft verwiesen hatte, die Leibnizsche Dynamik beide verbindet, um das allgemeinste Prinzip der modernen Naturwissenschaft, das der Erhaltung der Kraft, zu gewinnen. Die Methode der aristotelischen Begriffsgliederung ergibt ihm die brauchbare Form dieses Prinzips, aus den Galileischen Fallgesetzen beweist er seine Übereinstimmung mit der Erfahrung. Je mehr ihn aber die rechtsphilosophischen und theologischen Probleme zu einem Abschluß drängen, um so mehr wendet sich sein Blick zur klassischen Scholastik zurück, die hier vornehmlich in den Werken ihres größten Vertreters, des heil. Thomas, das Aristotelische System in einer dem christlichen Glauben entsprechenden Weise zu ergänzen versucht hatte. So mischen sich in der Leibnizschen Philosophie Gedankenströmungen der Vergangenheit und Gegenwart, wie sich dies weder früher noch später jemals wiederholt hat. Eben dadurch spiegelt dieser Philosoph den Charakter dieser ganzen von so mannigfaltigen geistigen Strömungen bewegten Zeit in einer Weise, die einzigartig mindestens in der Geschichte der neueren Wissenschaft dasteht. In nichts aber spricht sich dies deutlicher aus als in der besonderen Ausprägung, die er den die Entwicklung der Philosophie beherrschenden Grundbegriffen gegeben hat. In dieser, der eigentlich philosophischen Seite seiner Lebensarbeit, die erst in dem letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts eine festere Gestalt gewinnt, tritt dann zugleich immer offener die kritische Wendung zutage, die sein Auftreten in der Entwicklung des neueren Denkens bezeichnet. Wie diese im engeren Sinne philosophische Periode seines Lebens spät erst begonnen hat, so ist sie freilich niemals ganz zu Ende gelangt. Der Widerstreit der Motive, die sein Denken bewegen, ist zu gewaltig, als daß ein abschließendes Ergebnis möglich wäre. Dem widerstrebt überdies allzusehr sein konziliatorischer Charakter. So bleiben denn nur zu oft Begriffe nebeneinander stehen, die sich nicht miteinander vertragen. Neue Gedanken werden in ein Gewand gekleidet, das eigentlich einer überwundenen Periode seines eigenen Denkens angehört. Religiöse Einflüsse durchkreuzen wissenschaftliche Überzeugungen auch da, wo wir heute einen zureichenden Grund zum Konflikt durchaus nicht mehr sehen können. So wird es, wollen wir uns der vollen Bedeutung der Wendung, die sich hier vollzogen hat, bewußt werden, unerläßlich sein, auch den Schwankungen und Widersprüchen der Begriffe nachzugehen, wenn wir ein Bild der letzten entscheidenden Grundanschauungen dieses, die Wissenschaft seiner Zeit wie kein anderer beherrschenden Denkers gewinnen wollen. ~a.~ Der Wandel der Substanzbegriffe. Das Zeitalter Leibnizens könnte, wenn man die Perioden der Philosophie nach einzelnen Begriffen, nicht nach Systemen oder ihren Urhebern benennen wollte, wohl auch das kritische Zeitalter des Substanzbegriffs genannt werden. Kant hat von diesem Begriff gesagt, er sei zu jeder Zeit schon von dem gemeinen Verstand als der eines beharrlichen, sogar in seiner Quantität unverändert bleibenden Trägers der Erscheinungen gedacht worden. Diese Äußerung ist gewiß eines der merkwürdigsten Zeugnisse für die Macht, welche Denkgewohnheiten auf uns ausüben; gleichwohl ist es nicht minder gewiß, daß den Tatsachen gegenüber diese Behauptung nicht bestehen kann, so oft man auch noch immer, wenn auch vielleicht nicht dem gemeinen Menschenverstand, so doch mindestens den alten jonischen Physikern den Besitz des Satzes von der Konstanz der Materie zuschreibt. Was diese Denker die »Archē«, den Anfang, nannten, das war sichtlich durchaus nicht das, woraus alles dauernd besteht, sondern das, woraus alles _ent_steht und in was es wieder _ver_geht. Wenn z. B. Thales behauptete, das Wasser sei die Archē der Dinge, so spricht nichts dafür, daß er gemeint habe, die Erde, das Feuer usw. bestünden aus Wasser. Die Verwandlung eines Dings in ein anderes ist für ein naiveres Bewußtsein durchaus nichts Wunderbares, wohl aber würde es einem solchen wahrscheinlich wunderbar vorkommen, wenn man ihm zumuten wollte, zu glauben, ein Gegenstand sei ein anderer geworden und doch eigentlich derselbe geblieben. Die ersten Spuren jenes Gedankens der Konstanz finden sich wohl in der Empedokleischen Lehre von den vier Elementen und namentlich in der Atomistik. Wenn aber Kant in der Anschauungsform der Zeit die Quelle jenes Prinzips sah, da, wie er meinte, der unablässige Fluß der Zeit ein unveränderliches Beharren fordere, an dem dieses Fließen gemessen werde, so zeigt gerade die Atomistik, daß das beharrende Substratum zu dieser fließenden Zeit nicht nochmals die Zeit, sondern der Raum ist, ohne den es in der Anschauung auch keine Zeit gibt. Darum behält der Satz Kants, daß der Begriff an die Anschauung gebunden ist, seine Geltung. Nur ist die Form dieser Anschauung nirgends die Zeit allein und nirgends der Raum allein, sondern sie besteht aus der Vereinigung beider, und diese räumlich-zeitliche Anschauung ist nur deshalb die Form, in die wir alle Inhalte unserer Erfahrung kleiden, weil sie die Form ist, die bei aller Abstraktion von dem wechselnden Inhalt unserer Erfahrung immer wieder zurückbleibt. In ihren sich ergänzenden Eigenschaften trägt aber schließlich diese räumlich-zeitliche Anschauung das Motiv zur Bildung zweier Gegensatzbegriffe in sich, die sich ebenso begrifflich ergänzen wie Zeit und Raum anschaulich: Veränderung und Beharren. Nun gibt es in der empirischen Wirklichkeit nur ein relatives Beharren und nur eine relative Veränderung, ein Bleibendes im Wechsel und ein Wechselndes gegenüber dem Bleibenden. Indem jedoch die aristotelisch-scholastische Naturphilosophie in einer rein begrifflichen Ordnung der Naturerscheinungen besteht, verzichtet sie auf die Bedingungen der Anschaulichkeit und setzt demnach die Begriffe als selbständige und doch überall verbundene Bestandteile der Dinge einander gegenüber: jeder Gegenstand ist nach ihr beharrend und veränderlich zugleich. Darum bezeichnet schon Aristoteles das einzelne Ding als die Substanz in der eigentlichen Bedeutung des Worts, und die Scholastik vereinigt in dem Begriff der »substantiellen Form« eben diese Dualität von Beharren und Veränderung, die jedem Wirklichen zukommt. In diesem Sinne definiert sie die Substanz auch als das »~Ens perdurabile atque modificabile~«. Nirgends ist hier von einem absoluten Beharren die Rede, darauf kommt es aber dieser rein logischen Naturbetrachtung überhaupt nicht an: sie konstatiert nur, daß beiden Begriffen gleichzeitig jedes wirkliche Ding subsumiert werden kann. Bei Kant hat sich infolge der Erkenntnis, daß alle Begriffe an Anschauungen gebunden seien, dieses Verhältnis derart verschoben, daß er die Veränderlichkeit der Dinge für die Anschauung zurückbehält und das Beharren in einen apriorischen Begriff umwandelt, dem er mit Hilfe seines Schemas einer beharrenden Zeit Anschaulichkeit zuschreibt. Die wirkliche Entstehung des Begriffs der beharrenden Substanz ist aber nicht auf dem Wege dieser von ihm schon dem natürlichen Bewußtsein zugeschriebenen künstlichen Konstruktion erfolgt, sondern sie ist, wie die Geschichte lehrt, im Altertum zunächst in jenen naturphilosophischen Theorien vorausgenommen worden, die, wie besonders die Atomistik, von den qualitativen Eigenschaften der Dinge abstrahierend, die Naturerscheinungen auf ein rein räumlich-zeitliches Geschehen zurückführten. Dabei ist es offenbar keinerlei apriorische Notwendigkeit, sondern lediglich der Vorzug der Einfachheit der Betrachtung gewesen, der die Atomistiker zu dieser der Verbindung der Begriffe Beharren und Veränderung ein anschauliches Substrat bietenden Hypothese geführt hat. Dagegen ist die ganze folgende Entwicklung der Wissenschaft bei der Aristotelischen Definition der Substanz stehen geblieben, die in dem scholastischen gleichzeitig beharrenden und veränderlichen Sein ihren treffendsten Ausdruck findet. Auch haben die mittelalterlichen Alchimisten bei ihren Bemühungen, wertlose Metalle in Gold zu verwandeln, offenbar in der Materie vor allem ein »~Ens modificabile~« gesehen. Erst die Renaissance hat der Substanz als einem nach Begriff und Anschauung beharrenden Substrat der Naturerscheinungen zum Siege verholfen. Dies ist aber zunächst durch die Rückkehr zu atomistischen oder in dieser Beziehung ihnen gleichwertigen korpuskularen Anschauungen geschehen, und hier ist es vor andern Descartes, der in doppelter Weise die Entwicklung dieses modernen Substanzbegriffs zu Ende geführt hat. Erstens bringt er in seinem Satz von der Ausdehnung als der einzigen Eigenschaft der Materie jene Übertragung der Konstanz des Raumes auf die der Gegenstände im Raum zu klarem Ausdruck. Zweitens stattet er nun nach dem Vorbild dieses materiellen Substanzbegriffs auch die zwei andern Substanzen, die er mit jenem in seinem System vereinigt, die Seele und Gott, mit dem gleichen Attribut des absoluten Beharrens aus, womit dann freilich diesen die Anschaulichkeit verloren geht. Dadurch entsteht aber bei ihnen das Bedürfnis nach einem Ersatz, der wiederum nur in Eigenschaften gesucht werden kann, mit denen der gleiche Begriff des Beharrens verbunden gedacht wird, wie bei der materiellen Substanz mit dem Raum. Das ist bei der Seelensubstanz das Denken, bei Gott die Unendlichkeit mit allem, was sie in sich schließt. Darum bleibt dieser vom Raum ausgegangene Substanzbegriff schließlich bei Spinoza, der diese Übertragung von den, wie Descartes sie schon nannte, endlichen oder »geschaffenen« Substanzen zu Ende führt, schließlich bei der _einen_ absoluten Substanz stehen, die Gott, Denken und Ausdehnung zugleich ist. So endet der in seinem Anfang in der sinnlichen Anschauung wurzelnde Begriff schließlich im völlig Transzendenten, das nur im Begriff, niemals in der Anschauung erfaßt werden kann. Das ist der Punkt gewesen, bei dem zuerst David Hume und dann Kant, indem sie sich auf die Forderung der Veranschaulichung besannen, vom Ende dieser Entwicklung wieder zu ihren beiden Ausgangspunkten zurückkehren mußten: Hume zu dem des Dings, Kant zu dem eines beharrenden Substrats der Naturerscheinungen, während für die Seele und Gott beide den Substanzbegriff ablehnten. Wie verhält sich nun Leibniz, der der Zeit nach zwischen Descartes und Hume, jenem näher als diesem steht, zu diesem im Wandel seiner Gestaltungen die gesamte Entwicklung der neueren Philosophie bestimmenden zentralen Begriff? Die gewöhnliche Antwort lautet: den Substanzbegriffen Descartes' und Spinozas hat er einen dritten gegenübergestellt, der in andere Attribute als beide das Wesen der Substanz verlegt, nämlich, statt in Ausdehnung und Denken, in _Selbständigkeit_ und _Einfachheit_. Die Monaden sind einfache Wesen, also Substanzen, und sie sind überdies selbständige Wesen. Zunächst springt in die Augen, daß die hier neu eingeführten Attribute reine Begriffe sind, nicht, wie bei den dogmatischen Begründern der neueren Philosophie, Tatsachen der äußeren und inneren Erfahrung, die, über jede Anschauung gesteigert, mit den transzendenten unendlichen Attributen der Substanz ausgestattet werden. Demgegenüber ist die Dreiheit der Leibnizschen Attribute, Einfachheit, Selbständigkeit und Beharrlichkeit, eine rein begriffliche. Wie man sie anschaulich zu denken habe, bleibt vorläufig ganz dahingestellt. Aber es kommt ein psychologischer Gesichtspunkt hinzu, der diese Lücke ausfüllt. Er beruht auf der unmittelbaren Gewißheit unserer inneren Erfahrung. Doch auch diese wird nicht ohne weiteres in der Form des Denkens vorausgesetzt, sondern in den allgemeinsten Formen des Verlaufs seelischer Vorgänge: im Vorstellen und Streben. Damit ist die gesamte lebende Welt gleichzeitig mit dem Menschen dem Seelenbegriff untergeordnet, und ihr fügt sich von selbst jener Satz an, den Leibniz schon in seiner »~Hypothesis physica nova~« ausgesprochen: die Körper sind momentane Geister. Mit diesem Satz hatte er bereits den Weg zum Idealismus beschritten, der sich in der Übertragung des seelischen Lebens auf die Substanz überhaupt vollendete. Darin liegt sein wesentlicher Gegensatz gegen die von der Naturanschauung ausgehende Substanzlehre der Cartesianer und Spinozas. Richtet sich doch auch bei diesem in dem berühmten Satz »die Ordnung und Verbindung der Ideen ist dasselbe wie die Ordnung und Verbindung der Dinge« die Idee nach dem Ding, nicht das Ding nach der Idee. Hier hätte Leibniz den Satz umgekehrt fassen können: die Dinge richten sich nach den Ideen. Damit verwandeln sich ihm die Dinge in eine Erscheinungswelt, die, wenn sie als objektive Wirklichkeit bestehen soll, einer philosophischen Prüfung bedarf: dann erst ist sie nach Leibniz' Ausspruch ein »~Phänomenon bene fundatum~«. Aber ist nicht der Leibnizsche Substanzbegriff willkürlich und widerspruchsvoll? Wenn seine Monaden einfache Wesen sind, so ist es undenkbar, daß sie zugleich Spiegel der Welt sind, daß sich in jeder, auch in der niedersten Monade, nur mit abgestufter Klarheit, das Universum spiegelt. Der Vorwurf ist so augenfällig, daß man ihn einem Leibniz eigentlich nicht machen sollte. Auch ist ja »einfach« kein eindeutiger Begriff, sondern er richtet sich nach dem Gegensatz, dem er gegenübergestellt ist. Dieser Gegensatz ist aber hier nicht sowohl das Zusammengesetzte als das Ganze. Nun ist die Monade an sich unteilbar: sie ist also jedenfalls das Einfachste, was dem Makrokosmos gegenübersteht. Auch die alten Atomistiker hatten die Atome wegen ihrer Einfachheit unteilbar genannt, obgleich, da sie räumliche Gestalten besaßen, an sich eine Teilung denkbar war. Die Monaden, die ideale Einheiten sind, besitzen überhaupt keine Ausdehnung: der Raum ist für Leibniz eine Erscheinung geworden, die zu den von ihm bildlich so genannten Spiegelungen der Welt in der Monade gehört. Es würde ihm vielleicht absurd erschienen sein, hätte man in die Seele außer ihrem eigenen Vorstellen und Streben auch noch die Eigenschaften der Welt außer ihr verlegen wollen. In diesem Sinne konnte er wohl mit größerem Recht, als die Atomistiker ihre Atome einfach nannten, so seine Monaden als die letzten unteilbaren Einheiten der Bewußtseinswelt bezeichnen. Und wenn außerdem noch der Satz »die Monaden haben keine Fenster« so oft bei ihm wiederkehrt, so hat dies wohl seinen guten Grund darin, daß er mit diesem Bild jede Annahme eines sogenannten ~Influxus physicus~ so energisch wie möglich zurückweisen will. Die Monaden würden eben nicht geistige, an sich selbst unräumliche, aber das räumliche Vorstellungsbild der Welt erzeugende Wesen, sondern sie würden Atome sein, wenn sie solchen äußeren Einflüssen ausgesetzt wären. Darum eben bleibt nichts anderes übrig, als daß die Stufenordnung der Wesen, die nach dem Kontinuitätsprinzip in stetigen Übergängen vor sich geht, die ursprünglichste Weltordnung selbst ist. Die empirische Stütze hierfür findet er aber, wie für die Einfachheit der Wesen in der Unteilbarkeit, so für die Stufenordnung der Welt in der Stufenordnung der organischen Natur. Hier liegt dann der große Fortschritt des deutschen Philosophen gegenüber seinen Vorgängern: es ist der Übergang zum Entwicklungsgedanken, freilich noch nicht in der Form des Werdens, sondern, ähnlich wie ein Jahrhundert später in der deutschen Naturphilosophie, in der Form des _Gewordenseins_. Nach ihm gibt es nicht _eine_ Substanz und nicht neben der einen ungeschaffenen, der Gottheit, eine Vielheit von geschaffenen Substanzen, Seelen und Körpern, sondern alle Substanzen sind einander gleichartige geistige Wesen, und sie bilden eine stetige Aufeinanderfolge von den niedersten mit unendlich kleinen bis zu den höchsten mit unendlich großen seelischen Eigenschaften. Diese Philosophie ist echte transzendente Metaphysik. Aber den Vorwurf, einfach und zusammengesetzt zu verwechseln, kann man ihr nicht machen. Herbartsche »Reale« können und wollen diese Monaden nicht sein, ebensowenig wie Monaden im Sinne Giordano Brunos oder beseelte Atome. Vielmehr sind sie durchaus einheitlich als geistige Wesen gedacht, deren Vorstellung die Außenwelt ist, und die eine kontinuierliche Entwicklungsfolge bilden, in denen jedes von dem andern verschieden und doch jedes dem andern ähnlich ist. Wie verhält es sich nun mit der zweiten Eigenschaft der Leibnizschen Substanz, mit der _Selbständigkeit_? Gewiß kann hier von keiner absoluten Selbständigkeit die Rede sein, sondern eben nur von jener relativen, die beim Menschen an das Selbstbewußtsein gebunden, und vermöge deren eine Teilung dieses Selbstbewußtseins in einem und demselben Augenblick undenkbar ist. Es ist der lichte Punkt in unserer Seele, der diese selbst beleuchtet, jenes später von Fichte sogenannte »Ich bin Ich«. Für Leibniz ist das Selbstbewußtsein das Merkmal des Geistes. Er ist der erste, der den Satz der Identität als das oberste Axiom des Denkens hinstellt. Aber indem sich dasselbe im Fluß der Entwicklung befindet, setzt es niedrigere Stufen des Bewußtseins voraus, aus denen es sich entwickelt, und läßt auf höhere schließen, denen es zustrebt. Metaphysisch bilden daher das unendlich dunkle und das unendlich klare Bewußtsein die beiden Grenzpunkte der Weltharmonie. Indem jedes Einzelwesen in dieser unendlichen Reihe ein Glied bildet, nimmt es seine selbständige Stellung ein. Jenes »~Principium indiscernibilium~«, welches dereinst schon Nicolaus von Cues als Grundgesetz der Weltordnung hingestellt hatte, weil nicht zu unterscheidende Dinge dasselbe Ding sein würden, kommt hier dem Selbständigkeitsprinzip der Monade zu Hilfe. Es gehört zu den Bestandteilen mystischer Logik, deren so manche in das Leibnizsche System aus älterer Überlieferung übergegangen sind. Demnach ist das metaphysische Selbständigkeitsaxiom ein zunächst auf das Selbstbewußtsein gegründetes und von ihm aus auf die Gesamtheit der unter oder über der selbstbewußten Seele vorauszusetzenden Wesen übertragenes Postulat. Dieses Postulat führt aber seinerseits wieder auf dasjenige Prinzip zurück, das Leibniz am frühesten und am dauerndsten unter allen Bestandteilen seines Systems festgehalten hat: auf das Prinzip der Harmonie und mit diesem auf das große Gesetz der Kontinuität, das er als das Grundgesetz alles Seins und Geschehens betrachtet. Darum ist das Prinzip der Selbständigkeit eine in der gesamten Weltanschauung des Philosophen verankerte Überzeugung. Das menschliche Selbstbewußtsein liefert den empirischen Ausgangspunkt, der Entwicklungsgedanke den nach unten wie oben ins Unbegrenzte führenden Aufbau, endlich die Idee der Harmonie die letzte Grundlage. So trägt das Ganze auch hier durchaus den Charakter der metaphysischen Hypothese. Aber vor den Systemen der Zeitgenossen besitzt es zweifellos den Vorzug der Folgerichtigkeit. Ihn verdankt sie den zwei Gedanken, die es zum erstenmal in die neuere Philosophie einführt: der strengen Durchführung der ~Lex continuitatis~ und dem neuen Idealismus. Fremdartiger erscheint die dritte Eigenschaft der Substanz, diejenige, in deren Forderung Leibniz allem Anscheine nach mehr der Tradition, wie sie sich in seinem Zeitalter entwickelt hatte, als der Konsequenz seines Systems folgt: die _Beharrlichkeit_. Es ist bemerkenswert, daß gerade die zu dieser Zeit vorherrschende Philosophie, die Cartesianische, sich am widerspruchslosesten mit dieser Eigenschaft abfinden konnte. Die Materie, das Ausgedehnte, ist vermöge der Eigenschaften des Raumes absolut beharrlich; die Seele kann, da sie nur in ihren Erscheinungen erkennbar ist, trotz des Wechsels der letzteren an sich als beharrend vorausgesetzt werden, indem hierbei die Analogie mit dem Menschen und seinen Handlungen zu Hilfe kommt. Denn da wir nach dieser Philosophie die Seele selbst nicht kennen, sondern nur ihre Lebensäußerungen, so steht es natürlich frei, ob man sie beharrend denken will oder nicht. Anders die Leibnizsche Monade. Sie ist uns unmittelbar in unserem eigenen Bewußtsein gegeben. Mögen auch in diesem unendlich viele Strebungen und Vorstellungen, wenngleich zumeist nur unendlich dunkel, vorhanden sein, unser Selbstbewußtsein bietet uns klar das eigenste Wesen der Seele. Dieses Wesen ist fortwährende Tätigkeit, ein unaufhörliches Fließen der geistigen Vorgänge, niemals und nirgends ein Beharren. Mit dem Satze »~Vis est Substantia~« ist streng genommen der überlieferten Substanzlehre der Krieg erklärt. Denn der idealistische Grundgedanke bringt es mit sich, daß nicht etwa die Kraft an einem spezifischen Träger haftet, sondern, mag dies auch für die äußere Erscheinungswelt zutreffen, das seelische Geschehen hat nach Leibniz den Vorzug, daß es das wirkliche Geschehen selbst ist, so daß hier die Kraft und ihre Wirkung in eins zusammenfallen. Die Naturerscheinungen dagegen sind nach ihm nicht wirkliche Vorgänge im Sinne unserer Wahrnehmungen, sondern Erscheinungen. Zwar läßt er im allgemeinen dahingestellt, wie diese Erscheinungen auf ein hinter ihnen stehendes wirkliches Geschehen zurückzuführen seien; aber es steht nichts im Wege, anzunehmen, daß er die Hypothesen der Naturforschung, sofern sie zureichend durch Beobachtungen und Experimente begründet sind, als erste Annäherungen an die Lösung dieser Aufgabe betrachtet habe. Doch, wie er auch sein »~bene fundatum~« gemeint haben mag, fest steht jedenfalls, daß er das Dogma von der transzendenten beharrenden Substanz, das in dieser Zeit den Höhepunkt seiner Herrschaft erreicht hatte, wieder aufhob. Diese scheinbare Umkehr bedeutete freilich in Wahrheit keine Umkehr. Statt des widerspruchsvollen Mischbegriffs eines »~Ens perdurabile atque modificabile~«, eines Dings, das gleichzeitig beharrt und sich verändert, beschreitet er zum erstenmal den Weg, der auf den einzig unangreifbaren Standpunkt führt: dem eigenen geistigen Geschehen sind die Urbilder des Wirklichen zu entnehmen, unmittelbar, nicht auf Grund einer Phantasmagorie transzendenter Substanzen, sondern in der unaufhörlichen, in keinem Augenblick unseres wachen Bewußtseins stillehaltenden Tätigkeit, in der die Kraft selbst und ihre Wirkung in einem einzigen Geschehen zusammenfallen. Indem Leibniz den Übergang in einen neuen Idealismus vollbringt, wandelt er die Dinge der Erscheinungswelt wieder in das zurück, was sie vor der Umwandlung aus relativ in absolut beharrende Substanzen gewesen waren. Er entdeckt in der geistigen Welt die wirkliche Welt. Für sie gilt ihm aber in Wahrheit das Prinzip der _Aktualität_, nicht der Substantialität. Doch Leibniz konnte sich der Herrschaft, die sich der Substanzbegriff errungen, nicht entziehen. War diese Herrschaft dadurch entstanden, daß zuerst von dem körperlichen Ding der Begriff des Beharrens auf die hypothetischen Elemente der Körper und damit aus einem relativen in einen absoluten Begriff übertragen wurde, so wäre es wohl an der Zeit gewesen, diesen aus jener über alles, Geistiges und Körperliches und selbst über die Gottesidee sich ausbreitenden und so schließlich ins Unbestimmte zerfließenden Stellung zu beseitigen. Aber Leibniz hielt trotz seinem Idealismus an ihm fest. Nachdem nun einmal die Substanz die allgemeinere Bedeutung eines letzten Grundes der Dinge angenommen hatte, ohne daß man den Eigenschaften näher nachfragte, denen sie diese Bedeutung verdankte, glaubte er auch den Wert der Monaden nicht eindringlicher hervorheben zu können, als wenn er sie die »wahren Substanzen« nannte. Doch mag es wohl sein, wie gerade das Wort »wahr« andeutet, daß sie ihm eben doch nicht eigentliche Substanzen, sondern vielmehr, wie er sie häufiger nennt, Kräfte, Entelechien, Seelen sind. Das Wort Substanz hatte, das kam schon bei der Cartesianischen Seele zum Ausdruck, mit der Übertragung von der Körperwelt auf das geistige Leben einen Bedeutungswandel erlebt, der an der Stelle der ehemaligen Attribute nur noch den unbestimmten Begriff einer letzten, nicht weiter zurückzuverfolgenden Grundlage angenommen hatte. Darum hat sich erst in dem späteren Idealismus der Gedanke durchgesetzt, daß Substanzbegriff und geistiges Wirken inadäquate Begriffe seien. So zunächst bei Kant, der in seiner Erkenntnistheorie die Substanz sogar für die Naturwissenschaft als einen apriorischen Begriff beansprucht, für die Psychologie aber ihn gänzlich negiert, um ihn schließlich doch als religiöses Postulat abermals zuzulassen. Erst Fichte hat die Substanz als einen dogmatischen Begriff vergangener Zeiten erkannt, der sich vom Standpunkt des kritischen Idealismus aus in einen hypothetischen Hilfsbegriff der Naturwissenschaft umwandle. ~b.~ Die ~Lex continuitatis~. Unter den drei »~Leges naturae~«, die Leibniz nach der Sitte der Zeit an die Spitze seiner Naturphilosophie stellt, ist das Gesetz der Stetigkeit das erste und wichtigste. Kein anderer der Zeitgenossen hat ihm diese beherrschende Stellung gegeben. Bei Leibniz schließt es die andern Prinzipien in gewissem Sinne als seine notwendigen Ergänzungen ein. An den stetigen Zusammenhang aller Kräftewirkungen schließt sich als seine quantitative Anwendung das Prinzip der Erhaltung der Kraft, an dieses der Satz von der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung als seine nächste Folgerung. Nicht minder greift die ~Lex continuitatis~ auf die geistige Welt über, die sich schließlich zusammen mit dem auch dieses Gesetz erfüllenden Zweckgedanken als seine eigentliche Heimat erweist. Von den beiden Quellen, aus denen Leibniz die frühesten Anregungen seines selbständigen Denkens schöpfte, ist es aber nicht die Neue Philosophie, aus der ihm dieser Gedanke zufloß. Wohl waren es hier alte Emanationsideen gewesen, die in der Mystik nachklangen und durch den Entwicklungsgedanken ihre Verwandtschaft mit dem Kontinuitätsprinzip bekundeten. Dagegen fehlte einem Descartes und Spinoza so gut wie einem Bacon und Newton jede ausgebildete Kosmogonie, und es fehlte ihnen noch mehr eine Vorstellung von der Entwicklung der lebenden Welt. Hier war es gerade Aristoteles gewesen, der in seiner die Biologie mit der Psychologie verbindenden Auffassung des Lebens das Schema einer aufsteigenden Entwicklung bot. Der Scholastik ist dieser Zug nicht verloren gegangen, sie hat ihn aber nicht bloß naturphilosophisch nach dem Vorbild des Aristoteles, sondern vorwiegend im theologischen Interesse verwertet. Die Stufenfolge der Wesen setzt sich ihr über den Menschen hinaus auf die himmlischen Wesen fort, oder die Naturkräfte steigern sich nach der Lehre des heil. Thomas zu übernatürlichen Kräften. Doch diese Ideen bleiben bei einer willkürlichen Stufenordnung stehen, die von einer Kontinuität der Entwicklung weit entfernt ist. Dies ist nun der große Schritt, den Leibniz getan hat, daß er, wenn auch vielleicht angeregt durch jene Gedanken, das Kontinuitätsprinzip folgerichtig auszubauen und exakt durchzuführen versuchte. Das Hilfsmittel dazu ist ihm aber die Mathematik in ihrer Ausbildung zur Infinitesimalmethode gewesen. Von ihr aus hat er jenen scholastischen Begriffsdualismus, der anfänglich sein Denken beherrschte, Schritt für Schritt überwunden. Die Ruhe wird ihm zur unendlich kleinen Bewegung, das Gleichgewicht zur Oszillation um eine Gleichgewichtslage, die bewußtlose Vorstellung zu einer dunkel bewußten, der Körper zum momentanen Geist. Aber gehören denn nicht -- so könnte man fragen -- diese Begriffe in verschiedene Kontinua, die nicht miteinander vergleichbar und auf keine Weise aufeinander zurückzuführen sind? Mag es mit Hilfe der Auffassung der Ruhe oder des Gleichgewichts als unendlich kleiner Bewegung möglich sein, die dynamischen Begriffe in ein einziges Kontinuum zu ordnen, die psychologischen Begriffe stehen jenen anscheinend völlig fremd gegenüber. Heißt das also nicht, den Cartesianischen Dualismus auf einem Umweg wieder einführen? Doch Leibniz hat die ~Lex continuitatis~ so oft und so nachdrücklich nicht bloß als ein allgemeines Naturgesetz, sondern als ein universelles Weltgesetz in Anspruch genommen, daß es unmöglich ist, ihm einen so groben Widerspruch aufzubürden. Es scheint unabweisbar, er denkt sich alles Wirkliche als ein einziges großes Kontinuum, in dem man von jedem Punkt aus zu jedem beliebigen andern in stetigem Übergang gelangen kann. Doch für ihn hat, wie wir uns erinnern, der Unterschied zwischen Sein und Erscheinung ebensogut seine Geltung wie für Kant. Nur in _einem_, allerdings wesentlichen Punkt trennen sich beide: Leibniz verlegt das Sein, in der Sprache Kants das »Ding an sich«, in das geistige Leben, Kant erklärt das Sein überhaupt für unerkennbar. Und daran ist ein folgenreicher Unterschied geknüpft: auch das uns unmittelbar gegebene geistige Sein zählt Kant unter die »Erscheinungen«. So sehen wir uns rettungslos einer reinen Erscheinungswelt gegenüber, aus der nirgends ein Weg zum Sein führt. Die Idee dieses Seins ist in uns gelegt, niemand weiß, woher sie gekommen. Nur in dem Sittengesetz, das sich hier auf den Widerstreit gegen die sinnliche Natur des Menschen berufen kann, ist das Licht zu erblicken, das in die übersinnliche ideale Welt des Seins einen Ausblick eröffnet. Für Kant ist die sinnliche Welt ein gesetzmäßig geordneter Schein, für Leibniz ist sie ein »~Phaenomenon bene fundatum~«. Die zwei kleinen bedeutungsschweren Worte »~bene fundatum~« bezeichnen hier deutlich die Kluft zwischen Leibniz und Kant. Die Außenwelt ist auch nach Leibniz eine gesetzmäßig verbundene Kette von Erscheinungen, die unter unserer Mitwirkung entstehen, darum nicht die Dinge selbst sind, jedoch schon um des Gesetzes der Kontinuität willen als ihr wahres Wesen ein geistiges Sein annehmen lassen, ähnlich dem, das wir in uns selber finden. Gleichwohl kann uns in seinem wirklichen Sein nur der Inhalt unserer eigenen Seele gegeben sein, nicht irgendein fremdes Sein, das uns mit allem, was aus dem Makrokosmos in den Mikrokosmos der Seele eingeht, als eine Welt bloßer Erscheinungen gegenübersteht. Als eine solche weist sie hin auf ein Sein, aber sie ist nicht selbst dieses Sein. Bis dahin begegnen sich Leibniz und Kant. Beide unterscheiden Schein und Erscheinung. Alle Erkenntnis bleibt ein System unter Gesetze geordneter Erscheinungen. Diese Gesetze samt den Begriffen und Anschauungsformen, die sie voraussetzen, liegen ~a priori~ in uns, wenn auch erst der uns in der Empfindung gegebene Inhalt der Erfahrung die Wirksamkeit dieser Formen auslöst. So ist die Erscheinung für Kant das Mischergebnis eines gegebenen Stoffs und der diesen Stoff gestaltenden Formen. Es ist der alte Aristotelische Begriffsschematismus, der sich hier in strengerer logischer Umarbeitung wieder erneuert. Die Wissenschaften, die sich seitdem um die Probleme der Erscheinungswelt bemüht haben, bleiben beiseite. In die rein begriffliche Analyse der Erfahrung haben sie nicht dreinzureden. Ganz anders Leibniz. Ihm ist das seelische Erleben das wirkliche Sein. Vorstellende und strebende Kräfte sind die allgemeinen Formen dieses Erlebens, und die Vorstellungen von einer Außenwelt sind unlöslich an dieses unser eigenes Sein gebunden. Damit wird jedoch das Sein, das hinter den zu Inhalten unseres Vorstellens gewordenen Objekten steht, weder zu einem Schein noch auch zu einem unerkennbaren Ding an sich, sondern der erscheinende Gegenstand ist, wie Leibniz wiederholt versichert, ein »wohlbegründetes Phänomen«! Was will dieser Ausdruck sagen? Sollte auch er nur eine transzendente Idee bedeuten? Diese Vermutung ist schlechthin ausgeschlossen. Begleitet er doch so regelmäßig den Begriff des Phänomens, daß Leibniz ohne Frage einen bestimmten Sinn damit verbunden haben muß. Und kann es zweifelhaft sein, welches dieser Sinn gewesen ist? Es war _nicht_, wie man wohl gewöhnlich annimmt, das System der Monaden, an das er dabei dachte. Daß die Naturerscheinungen direkt aus der monadologischen Hypothese abgeleitet werden sollten, das wäre in der Tat ein so phantastischer Plan gewesen, daß man einen Leibniz, der inmitten der physikalisch-mathematischen Forschung seiner Zeit stand, dessen nicht für fähig halten sollte. Auch ist zu bedenken, daß die Monadologie in ihrer ausgebildeten Form den dynamischen Arbeiten, in denen er die festen Grundlagen für den Aufbau der Naturerkenntnis gewonnen zu haben glaubte, nachgefolgt, nicht vorangegangen ist. Es war aber schlechterdings unmöglich, daß er sein sorgfältig ausgearbeitetes System der Dynamik samt dem an seine Spitze gestellten universellen Prinzip der Kontinuität aus den Voraussetzungen der Monadenlehre ableitete. Vielmehr bestand der wirkliche Unterschied zwischen ihm und der späteren Lehre Kants eben darin, daß dieser unbewußt Aristoteliker blieb, indem er in der Spaltung der Begriffe nach dem Schema der Anschauungsformen und der Kategorien die spezifische Aufgabe der Erkenntnistheorie sah, während für Leibniz diese hier direkt _in die positive wissenschaftliche Aufgabe einmündete_. Für einen Mann, der insbesondere die von ihm selbst begründete Dynamik als die Vorschule der Erkenntnislehre schätzen gelernt hatte, konnte das Wort, die Welt außer uns sei nicht die Welt des Seins selbst, sondern nur eine Welt »wohlbegründeter Erscheinungen« keinen andern Sinn haben, als eben den, jede dieser Erscheinungen sei, ehe sie als wirklich angenommen werde, in ihrer objektiven Wirklichkeit wissenschaftlich sicherzustellen. Hier eröffnete ihm aber der _Kraftbegriff_ die Pforte, die ihn von der Physik zur Metaphysik führte. Suchte er doch schon in seiner »~Hypothesis physica nova~« zu erweisen, daß die Kraft jenes tote Substrat nach dem Bild der Cartesianischen Materie hinfällig mache, und daß der Zweckcharakter der Naturgesetze auf den geistigen, den Naturerscheinungen selbst immanenten Ursprung dieser Gesetze hinweise. Wenn er aber in der Erscheinungswelt die bewegenden, in der geistigen Welt die vorstellenden Kräfte als die Grundlagen der Weltordnung betrachtet, so muß man sich erinnern, daß er auch in Raum, Zeit und Bewegung Phänomene sieht, hinter denen als das Wirkliche die Kraft steht. Nicht die Erscheinung gewordene Kraft ist darum das Wirkliche, sondern das, was in gleicher Weise in der phänomenalen wie in der geistigen oder wirklichen Welt das Wesen der Kraft ausmacht: die Gesetze, die für beide Welten zugleich gelten. Denn es sind dieselben _Gesetze unseres Denkens_, nach denen in der äußeren Anschauung die bewegenden Kräfte wirken, und die die in uns liegenden geistigen Kräfte regieren. Hier ist daher der Punkt, wo die Erscheinungswelt und die Seinswelt, die körperliche und die geistige Welt zu einer Einheit zusammenfließen. Hier wie dort gelten die Prinzipien der Identität und des Widerspruchs und für einen großen Teil der Erscheinungswelt wegen der notwendigen Schranken unserer Erkenntnis das Prinzip des zureichenden Grundes. Auch dieses ist ein apriorisches Gesetz, aber infolge der Zuhilfenahme empirischer Erwägungen, deren es zu seinen Anwendungen bedarf, ist es das empirische Grundgesetz der Erfahrung, also der Erscheinungswelt. Auch kann es nicht, wie die beiden ersten jener logischen Gesetze, selbst wieder zu apriorischen, sondern nur zu empirischen Gesetzen von mehr oder minder großer Allgemeinheit verhelfen. Daraus, daß es die gleichen Denkgesetze sind, nach denen wir unsere eigene geistige Tätigkeit, und diejenigen, nach denen wir die Naturerscheinungen ordnen, wird es nun aber auch verständlich, daß alle Naturgesetze Zweckgesetze sind, das allgemeine Gesetz der Erhaltung der Kraft ebenso wie die Gesetze der Lebenserscheinungen. Hier, wo physische und geistige Welt einander berühren, trägt eben das Naturgesetz am deutlichsten das Gepräge eines geistigen Gesetzes an sich, das die von ihm beherrschte Erscheinung durch eine weite Kluft scheidet von dem Scheine. Wurde darum Leibniz zunächst durch die Dynamik und dann durch die Biologie in seiner Überzeugung befestigt, daß die geistige Welt die wirkliche Welt sei, so betrachtet er schließlich doch als den endgültigen Beweis für diese Auffassung die, wie er meinte, unmittelbar einleuchtende Tatsache, daß die Gesetze des logischen Denkens überhaupt die allgemeinsten Gesetze seien, die das Universum beherrschen. In dieser Überzeugung kommt bei ihm der gleiche Rationalismus zum Durchbruch, dessen rücksichtslosester Vertreter im gleichen Zeitalter Spinoza ist. Aber wie wenig im ganzen mit solchen Schlagwörtern gesagt wird, das zeigt sein Gegensatz zu diesem. Wie weit ab liegt hier insbesondere der Begriff des wohlbegründeten Phänomens von Spinozas »inadäquater Erkenntnis«! Diese ist nichts als Schein, schlimmer als der Irrtum, weil sie der wahren Erkenntnis im Wege steht. Bei Leibniz ist die Erscheinung auf die gleiche Denknotwendigkeit gegründet wie das Sein, ja sie gehört im Grunde als ein wesentlicher Bestandteil zu diesem. Denn in ihr kommt nur die niemals aufzuhebende Tatsache zum Ausdruck, daß das denkende Subjekt sich verschieden weiß von der es umgebenden Welt, daß aber diese Welt ebenso notwendig zu ihm wie es zu ihr gehört. Darum hat nun aber auch die rohe sinnliche Wahrnehmung, die das Läuterungsfeuer der wissenschaftlichen Prüfung noch nicht bestanden hat, keinen Anspruch auf den Begriff der Erscheinung im Leibnizschen Sinne. Sie ist nur Schein. Zur Erscheinung wird sie erst, wenn sie in dem kausalen Zusammenhang des Einzelnen und in der logischen Ordnung des Ganzen erkannt ist. Da übrigens diese gleichzeitig empirische und logische Ordnung der empirischen Wirklichkeit selbstverständlich eine niemals vollendbare Aufgabe ist, so liegt die Erscheinung in fortwährendem Kampf mit dem Schein. Sicheres scheidet sich innerhalb der Erscheinungswelt von dem Zweifelhaften, und der Fortschritt des Wissens bringt es mit sich, daß es auch an Zurücknahme von Irrtümern niemals fehlt. Leibniz hat dieses Prinzip der Relativität des Erkennens die »_Schranke_« genannt, die dem Einzelnen vermöge der allgemeinen Weltordnung zukommt. In dieser unabänderlich an das Wesen des Menschen gebundenen Schranke liegt ihm ebensosehr das unbegrenzte Streben nach ihrer Überwindung begründet, wie die Unmöglichkeit, dieses Ziel je ganz zu erreichen. Gäbe es überall nur ein beschränktes Erkennen, also nur Erscheinungen, so würde uns auch der Begriff eines Seins versagt sein. Aber in dem vollkommen klar Erkannten, in den Wahrheiten, die an und für sich einleuchten, wie in dem Satze ~A = A~ und in andern logischen und mathematischen Axiomen, sind uns unbedingte, also schrankenlose Wahrheiten zugänglich. Doch sie sind uns nicht als äußere Erfahrungen, sondern rein auf Grund unserer unmittelbaren inneren Erfahrung als an sich evidente Wahrheiten gegeben. Indem aus ihnen durch Verbindung und Schlußfolgerung andere abgeleitet werden, erweitert sich dann das Gebiet dieser notwendigen Wahrheiten und damit das des unbedingten Seins. Immerhin bleibt es ein beschränktes gegenüber der unerschöpflichen Erscheinungswelt, die mit jenen apriorischen Wahrheiten in mannigfaltiger Weise in Wechselwirkung tritt. Die beiden Sätze der Identität und des Widerspruchs betrachtet Leibniz als die letzten Grundsätze, auf denen die apriorischen Wissenschaften, in erster Linie die Logik und Mathematik in ihrer reinen, von empirischen Anwendungen unabhängigen Form beruhen. Doch er geht weit darüber hinaus, indem er selbst die Moral und die Metaphysik apriorische Wissenschaften nennt. Natürlich will er damit nicht sagen, diese gehörten in den Anwendungen auf das praktische Leben oder in ihren mit den empirischen Lebensverhältnissen zusammenhängenden Problemen zur Welt des reinen Seins. Das hat er ebensowenig geglaubt, wie er daran denken konnte, die konkreten mathematischen Aufgaben, mit denen er sich beschäftigte, in eine überempirische Welt zu verweisen. Nur die letzten Grundsätze des sittlichen Handelns sind nach ihm nicht aus der Erfahrung abzuleiten. Sie liegen in uns, wenn sie auch immer erst im Zusammenwirken mit den Eindrücken der Außenwelt in Aktion treten können. Hier sind es dann jene eine innere Einheit bildenden Tugenden der Gerechtigkeit, der Liebe und der Frömmigkeit, die er als absolute Sittengebote betrachtet. Sie sind ganz in dem Sinne, in dem später Kant das allgemeine Sittengesetz auffaßte, Normen, die ein Sollen, nicht Gesetze, die ein Sein oder Geschehen bedeuten, anders ausgedrückt: sie sind _Willensgesetze_, die die Möglichkeit der Unterlassung in sich schließen, nicht Seinsgesetze. Es ist Kants Verdienst, diese doppelte Form der Apriorität klar geschieden zu haben. Aber schon bei Leibniz ist sie stillschweigend vorausgesetzt. Nur daß er das Sittengesetz zugleich im Anschluß an die überlieferte Sittenlehre auf ein System von Tugendbegriffen zurückführt. Kant löst es erst aus dieser eine empirische Verursachung vortäuschenden Verbindung, um es in das innere Pflichtgebot, in die reine Form des »Du sollst« zu verlegen. Es ist ein bedeutsamer Wandel, den dieser im Laufe des 18. Jahrhunderts erfolgte Übergang von einer eudämonistischen und optimistischen Tugendlehre zu einer rigorosen und pessimistischen Pflichtenlehre bezeichnet. Er ist charakteristisch für die Zeit selbst, in der er sich in seinem Fortschritt von Leibniz über Wolff und seine Schule bis zu Kant verfolgen läßt. Aber nicht der ethische Gehalt ist es, der sich dabei geändert hat: auf das strenge Pflichtgebot ist diese ganze Ethik gegründet; es bildet das auszeichnende Merkmal der deutschen Moralphilosophie gegenüber dem in dieser Zeit bei den andern europäischen Nationen zur Herrschaft gelangten englischen Individualismus und Utilitarismus. Jene Ethik der Pflicht ist es, die sich bei Leibniz noch in die Form einer weltliche und religiöse Motive verbindenden Tugendlehre gekleidet hat. Die Lösung aus dieser Verbindung hat ihr dann bei Kant jene Macht eines sittlichen Pathos verliehen, das diesen zu ihrem eindrucksvollsten Verkünder erhob. Dazu war aber auch außerdem die ganze Folgerichtigkeit einer strengen, jeder Paktierung mit Selbstsucht und Neigungsmotiven abholden sittlichen Lebensauffassung erforderlich, wie sie Kant vertrat. Hier war daher die Größe Kants gebunden an seine einseitig moralische Wertung der Dinge. Befremdlicher mag es scheinen, daß Leibniz nicht bloß die Moral, sondern schließlich auch die _Metaphysik_ zu den apriorischen Wissenschaften zählt. Dennoch wird man zugestehen müssen, daß ihm kaum eine andere Wahl blieb. War es doch noch weniger zulässig, sie auf die Seite der von ihm sogenannten »tatsächlichen Wahrheiten« zu stellen. Hier zeigt es sich eben, daß es zwischen dem »Notwendigen« und dem »Tatsächlichen« noch eine Region gibt, die keines von beiden ist und gleichwohl an der Apriorität der sogenannten notwendigen Wahrheiten teilnimmt. Das ist die Region des ~a priori~ _Möglichen_. In der Tat ist eben dies überall der Charakter metaphysischer Hypothesen, sofern sie überhaupt ein Recht für sich in Anspruch nehmen können. Sie stützen sich auf apriorische Gründe, aber diese Gründe sind nicht objektiv zwingend, sondern hypothetischer Art. Auch findet man, so überzeugt sich Leibniz selbst an vielen Stellen zu seiner Monadologie bekennt, in dem Briefwechsel, den er über sie geführt, Belege genug dafür, daß er ihr eine andere als eine solche hypothetische Apriorität eigentlich nicht beigelegt hat. Bezeichnend ist in dieser Beziehung seine Hilfshypothese eines »~Vinculum substantiale~«, die er in der Korrespondenz mit den ihm befreundeten katholischen Theologen entwickelt, um diesen die Vereinbarkeit des Systems der Monaden mit dem Dogma der Transsubstantiation plausibel zu machen, und besonders bezeichnend ist seine beiläufige Äußerung, man könnte sich vielleicht auch die Monaden selbst durch ein substantielles Band ersetzt denken, das alle Teile der Welt potentiell miteinander verbinde. An Stelle der Monaden, die »keine Fenster haben«, würde dann ein einziges geistiges Kontinuum treten, ein Universum, das eigentlich _nur_ Fenster wäre, weil es in allen seinen Teilen zusammenhinge. So labil denkt sich Leibniz metaphysische Hypothesen, trotz ihrer Apriorität. Das Rätsel löst sich dadurch, daß für ihn die monadologische, wie jede andere Hypothese, nicht an sich, sondern nur insofern Bedeutung besitzt, als sie ein geeigneter Ausdruck für das universelle Weltgesetz selbst ist. Dieses Weltgesetz ist aber die _~Lex continuitatis~_. Auf sie kommt es an, nicht darauf, ob die Monaden das einzige denkbare Substrat für die Verwirklichung dieses Gesetzes sind oder nicht. Leibniz hält sie allerdings im Hinblick auf die seelische Natur der Monade für das am besten begründete. Ihren Hauptwert hat aber doch die monadologische Hypothese darin, daß sie ein anschauliches Bild des Gesetzes der Kontinuität selbst ist, sobald man das geistige Geschehen als den letzten Inhalt dieses Gesetzes ansieht. Unter diesem Gesichtspunkt tritt dann aber auch das Bild von der fensterlosen Monade in die richtige Beleuchtung. Gerade die Kontinuität des Systems bringt es mit sich, daß jedes einzelne Glied seine fest bestimmte Stelle in diesem Kontinuum einnimmt: nicht als stabiles Gebilde, sondern als immerwährende Kraftäußerung, als solche aber verschieden von jeder anderen und doch in gesetzmäßigem Zusammenhang mit jeder andern. Die Monaden oder Seelen haben keine Fenster, das bedeutet also: jede ist mit allen gesetzmäßig verbunden und außerhalb dieses Zusammenhangs der allgemeinen Weltordnung gibt es keinen ~Influxus physicus~, der von irgendeinem einzelnen Teil dieser Ordnung auf einen anderen übergehen könnte. Bewegt sich auf diese Weise das Gebiet der apriorischen Erkenntnis, mit den apodiktischen Sätzen der Logik und Mathematik beginnend, über die normativen der Moral schließlich bis zu den hypothetischen der Metaphysik, so umfaßt nun demgegenüber die empirische Erkenntnis die _Erscheinungswelt_. Leibniz nennt sie geradezu auch das Gebiet des »Zufälligen«. Damit ist natürlich nicht ein Zufall im objektiven Sinne des Wortes gemeint, sondern in jenem subjektiven Sinne, in welchem uns eine Erscheinung tatsächlich gegeben sein muß, wenn sie als wahr anerkannt werden soll. Darin ist schon ausgesprochen, daß hier jene apriorischen Axiome versagen, die nur aus uns selbst stammen, darum aber auch ursprünglich nur auf die in uns selbst liegenden Inhalte des Denkens angewiesen sind. Nichtsdestoweniger erstreckt sich der in unserem logischen Denken wurzelnde Erkenntnistrieb auf _alle_ Inhalte des Bewußtseins, also auch auf jene rein tatsächlichen. So entspringt hier eine Aufgabe, die in einem _dritten_ Prinzip ihren Ausdruck findet, das den beiden ersten der Identität und des Widerspruchs als das empirische oder phänomenologische an die Seite tritt: das Prinzip des _zureichenden Grundes_. Das Wort »zureichend« ist mit Vorbedacht gewählt. Es soll aussprechen, daß es sich hier um eine Maxime der Verknüpfung der Tatsachen handelt, der keine Notwendigkeit innewohnt, und die daher jederzeit einer Berichtigung zugänglich ist. Es ist, abweichend von dem in den rein spekulativen Systemen der Philosophie angewandten Begriff des Grundes, etwa von der »~ratio sive causa~« des Spinoza, ein empirisches Kausalprinzip, das Leibniz hier den Gesetzen des apriorischen Denkens gegenüberstellt. Zugleich ist aber ersichtlich, daß diese Scheidung der Prinzipien auf das engste mit der Scheidung von Sein und Erscheinung, von Seinswissenschaften und empirischen Wissenschaften zusammenhängt, die dieser neue Idealismus entwickelt. Insofern hat Leibniz hier einen Gedanken vorausgenommen, den später Schopenhauer gegen das Kantische Kategoriensystem einwandte: die einzige unter den zwölf Kategorien, die ihre Stellung behaupte, sei die Kausalität. ~c.~ Der neue Idealismus. Zweimal hat die Geschichte der Philosophie die Begründung eines eigenartigen, auf lange hinaus die Wissenschaft beherrschenden Idealismus erlebt: in der Platonischen Ideenlehre und in dem Leibnizschen System. Für Plato bilden die Ideen eine rein geistige übersinnliche Welt, bei Leibniz ist diese geistige Welt der sinnlichen immanent. Dem antiken Idealismus ist die Sinnlichkeit eine Trübung der Ideen durch die Materie; dem neuen ist die Sinnlichkeit die Erscheinung des Geistes selbst. Der Platonische Idealismus ist dualistisch, der moderne ist monistisch. An diesen Gegensatz ist ein anderer folgenreicher geknüpft: die Platonische Seele ist ein Mittelwesen zwischen Ideen- und Sinnenwelt, das, in die Sinnlichkeit verstrickt, der Erhebung zu den Ideen und damit der Rückkehr zu diesen, von denen sie ausging, fähig ist. Die Leibnizsche Seele oder Monade gehört selbst zur Ideenwelt. Die Seelen oder Monaden umfassen die geistige Welt in ihrer ganzen unendlichen Totalität, aber beschränkt, weil sie als endliche vorstellende und strebende Kräfte nur einzelne unter den zahllosen Lichtpunkten sind, die das Universum in der unendlichen Stufenfolge jener Kräfte bilden. So wird der moderne Idealismus zum Pluralismus und an die Stelle der Zweiheit von Idee und Materie tritt die andere von Sein und Erscheinung. In dieser Einsetzung der Erscheinungswelt in ihre Rechte besteht der große Schritt, den dieser neue Idealismus getan hat, und der in doppelter Beziehung als die bedeutsamste philosophische Errungenschaft des Zeitalters der Erneuerung der Wissenschaften gelten kann. Auf der einen Seite ist es die volle Anerkennung der Erscheinungswelt als der Stätte des menschlichen Erkennens und Handelns, die sich hier durchgesetzt hat. Auf der andern Seite ist es die Erkenntnis, daß das geistige Leben selbst, nicht eine ihm äußerlich gegenüberstehende Welt transzendenter Ideen, Sein und Erscheinung aneinander bindet. Darum sind beide, Sein und Erscheinung, gleich wirklich. Wie das Sein die Wirklichkeit unseres eigenen Geistes, so ist die Erscheinung diejenige Wirklichkeit, die das Universum für uns besitzt. Damit wird aber auch erst die wissenschaftliche Erkenntnis, nicht die unmittelbare Wahrnehmung zum Maß der erscheinenden Wirklichkeit. Die neuere Philosophie hat nach Leibniz noch manche Versuche unternommen, auf der Basis jener Selbstgewißheit des Denkens, die zu jeder Zeit dem Idealismus seine Stütze gegeben hat, diesen in einer der modernen Wissenschaft entsprechenden Weise auszubilden. Sie alle berühren sich irgendwie mit dem Leibnizschen Idealismus. Er aber hat vor allen andern das Schicksal gehabt, in seiner wahren Bedeutung verkannt zu werden. Der Zeit nach am nächsten steht ihm Berkeley. Er stellt nur das eine der beiden idealistischen Argumente in den Vordergrund: das psychologische, und damit allerdings dasjenige, das am unmittelbarsten und einleuchtendsten wirkt. Wir können nicht aus unserer Seele hinaus, es sind immer nur unsere eigenen Vorstellungen, nicht die Dinge außer uns, die wir wahrnehmen. Ein Ding außer uns zu sein, ist selbst nur eine Vorstellung in uns. Das ist das unwiderlegbare Berkeleysche Argument. Aber es liefert die Welt restlos dem Schein aus. Es verwandelt nicht die Dinge in subjektive Täuschungen -- dagegen konnte Berkeley mit Recht Verwahrung einlegen --, aber es macht die Erkenntnis einer von uns unabhängigen Außenwelt illusorisch und stellt den Wert unseres praktischen Handelns und Strebens in Frage. Auf Berkeley folgte Kant. Er hat das Verhältnis von Schein und Erscheinung scharf herausgearbeitet, und sein Nachweis der Verbindung von Anschauung und Begriff in den Grundgesetzen der Erfahrungserkenntnis gehört zu den wenigen epochemachenden Entdeckungen der spekulativen Erkenntnistheorie. Im übrigen liegt jedoch der Schwerpunkt seiner Leistung in seinem ethischen Idealismus, in welchem er dem dualistischen Idealismus Platos verwandter ist als dem theoretisch folgerichtigeren, den Leibniz begründet hat. Eben deshalb hat aber Kant hier eine Bahn beschritten, die einen zunehmenden Zwiespalt zwischen Philosophie und positiver Wissenschaft herbeiführen mußte. Denn statt von der von der positiven Wissenschaft geleisteten Analyse der Erfahrung auszugehen, legte er die Synthese der sinnlichen Wahrnehmung mit allen Widersprüchen und subjektiven Täuschungen zugrunde, die dieser Analyse vorausgehen. So wurde ihm die Außenwelt nicht zu einer berechtigten und bis zu der jeweils erreichbaren Grenze auf ihr reales Substrat zurückführbaren Erscheinungswelt, sondern sie blieb ihm derselbe Schein, der sie gewesen, bevor sich die Wissenschaft um sie bemüht hatte. Daher denn auch die Grundgesetze, von denen nach Kant die Sinnenwelt beherrscht wird, mittels der Anschauungs- und logischen Denkformen ~a priori~ gegeben sind: sie werden von jeder Wissenschaft auf den Inhalt jeder beliebigen Erfahrung angewandt, auf den Sinnenschein ebensogut wie auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Analyse. Dies ist zugleich der Punkt, wo Kants Vorbild auf die folgende Entwicklung des deutschen Idealismus trübend eingewirkt hat. Hatte sich Kant selbst noch vorwiegend in der Schule Newtons eine tiefe, nur etwas einseitig der mechanischen Naturlehre zugewandte Achtung vor der positiven Wissenschaft bewahrt, so rückte unter dem Einfluß der großen politischen Umwälzungen um die Wende der Jahrhunderte der Schwerpunkt der philosophischen Interessen auf die Seite der geschichtlichen Wissenschaften. Die nun kommende Generation betrachtete daher fortan, hierin weit über Kant hinausgehend, einen der Gesamtheit der Wissenschaften gegenübertretenden spekulativen Aufbau der Philosophie als ihre eigenste Domäne. Dieser Zwiespalt offenbarte sich zunächst in der Naturphilosophie, dehnte sich aber allmählich auch auf die historischen Wissenschaften aus. Die Scheidung hat sich nicht ausnahmslos durchgesetzt. An Anleihen der einen bei der andern Seite hat es wohl niemals gefehlt. Nachdem um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Entfremdung ihr Maximum erreicht haben dürfte, mag aber die Zeit nicht mehr allzu fern sein, in der der deutsche Idealismus wieder in die Bahnen ihres Begründers einmündet. Zu Leibniz' Zeit war in der Tat im Gegensatz zu dieser späteren Wendung der Dinge das Einheitsbewußtsein der exakten Wissenschaft und der Philosophie auf seinem Höhepunkt angelangt. Für Leibniz selbst standen Mathematik und Naturphilosophie im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses, und auf beiden Gebieten waren für ihn die allgemeineren Probleme zugleich philosophische Probleme. Galt das für dieses ganze Zeitalter, so trennte sich aber Leibniz in einem sehr wesentlichen Punkte von der vorangegangenen und gleichzeitigen Philosophie der andern Länder Europas. Die Cartesianische Philosophie war von der Geometrie, die Newtonsche Naturphilosophie von der Mechanik ausgegangen: das verlieh beiden einen stark realistischen Zug. Bei Leibniz verbanden sich vornehmlich die Analysis des Unendlichen und die Dynamik, um die einzigartige Schöpfung einer idealistischen Philosophie hervorzubringen, _die selbst von der Naturwissenschaft ausging_. Im Lichte der Infinitesimalmethode wandelte sich ihm die ausgedehnte Welt in die Erscheinungsform einer unendlichen Vielheit tätiger Kräfte um. Die Grundbegriffe der Dynamik gaben diesen Kräften ihren zwecktätigen Charakter und ließen in ihnen geistige Kräfte erkennen; und im Hinblick auf die unmittelbare Gewißheit unseres denkenden Selbstbewußtseins konnten diese geistigen Kräfte nicht wohl anders denn nach Analogie unseres eigenen Seelenlebens als strebende und vorstellende Tätigkeiten gedacht werden. Wie dieser Idealismus in seiner Eigenart von den früheren wie den späteren Formen dieser Denkweise abweicht, so auch in seiner Begründung. Die Natur ist für Leibniz nicht, wie für Plato, eine Trübung der rein geistigen, in einem übersinnlichen Jenseits liegenden Ideenwelt, und sie ist für ihn nicht, wie für Kant, eine gesetzmäßig geordnete, aber niemals innerhalb des sinnlichen Daseins zu überschreitende Erscheinungswelt, sondern beides zugleich: sie ist eine gesetzmäßig geordnete Welt, aber ihre Gesetze sind geistige Gesetze, und sie ist daher mit Notwendigkeit an unser eigenes geistiges Sein gebunden. Als Erscheinung ist sie aber auf ein System von Bewegungsgesetzen zurückzuführen, die den Prinzipien der Kontinuität und der Erhaltung untergeordnet sind. Auch die Begriffe des Raumes und der Zeit, nicht weniger wie die der Zahl sind daher nicht unabhängig von uns vorhandene Formen, sondern, wie Leibniz mehrfach hervorhebt, _ideale_ Formen, in die wir die Dinge ordnen. Demnach ist ein nach Denkgesetzen und Zweckprinzipien geordnetes System von Bewegungen offenbar im Sinne von Leibniz das notwendige Substrat der Erscheinungswelt: es ist nicht das Sein selbst, aber das »~Phänomenon bene fundatum~«. Dabei nimmt die Bewegung in ihrer räumlich-zeitlichen Gesetzmäßigkeit schon bei Leibniz eine von den ordnenden Begriffen und Gesetzen wesentlich verschiedene Stellung ein. Wenn er Raum und Zeit die Formen nennt, nach denen wir die Dinge im Raum ordnen und in der Zeit zählen, so ist damit dasselbe ausgedrückt, wofür Kant das treffende Wort »Anschauungsformen« gebraucht hat. Mit jenem Ordnen im Raum und jenem Zählen in der Zeit kennzeichnet er eine Tätigkeit des anschauenden Denkens im Gegensatz zu dem unanschaulichen abstrakten Begriff. Auch steht er schon auf der Schwelle der Erkenntnis der Zusammengehörigkeit beider Funktionen, der begrifflichen und der anschaulichen. In einem aber geht er über Kant hinaus: ihm ist die objektive Welt ein System nach Zweckgesetzen geordneter Bewegungen ohne ein anderes Substrat als das der tätigen Kräfte selbst. Das ist der Unterschied seines »wohlbegründeten Phänomens« von den nach Anleitung der Urteilsfunktionen geordneten Kategorien Kants. Daß Leibniz den neuen Idealismus nicht auf die Psychologie, wie nach ihm Berkeley, und nicht auf ein logisches Begriffssystem, wie der spätere spekulative Idealismus, noch endlich auf den Widerstreit zwischen Naturgesetz und sittlicher Norm gegründet hat, wie Kant, sondern auf diejenige Wissenschaft, die nach der bisherigen Meinung vom Idealismus am weitesten entfernt war, auf die Naturwissenschaft, dies bildet die große, allen andern Richtungen der gleichen Denkweise überlegene Macht dieses Idealismus. Auch ist sie es, die ihn eigentlich zum einzigen folgerichtig durchgeführten macht und ihm zu dem unschätzbaren Vorzug verhilft, daß er nicht außerhalb der positiven Wissenschaft steht, sondern sich auf diese selbst stützt. Wenn dieser Sachverhalt zumeist verkannt wird, so liegt das offenbar daran, daß man sich von der engen Zugehörigkeit der mathematischen und dynamischen Arbeiten zu seiner Philosophie keine zureichende Rechenschaft zu geben pflegt. Man orientiert seine Philosophie ganz nach der Monadologie und nebenbei nach den Essays über den Verstand. Doch die Monadologie gibt eigentlich nur ein ansprechendes Bild für das Prinzip der Kontinuität. An die Bedeutung dieses Prinzips selbst reicht sie nicht heran. Kann ihm, der von der engen Beziehung seiner mathematisch-physischen zu seinen philosophischen Arbeiten durchdrungen war, an diesem Mißverständnis kaum die Schuld aufgebürdet werden, so verhält es sich aber zum Teil anders mit dem Gebiet der _Moral_. Hier bildete später die Rückkehr zu Plato für Kant einen Vorzug, der ihm Vorgängern wie Nachfolgern gegenüber eine überragende Stellung gibt. Hier trat aber auch zutage, daß der gewaltige Umschwung, den als der erste Begründer des neuen Idealismus Leibniz gegenüber der transzendenten Ideenlehre bewirkt hatte, unvermeidlich zugleich mit einer Abschwächung des sittlichen Idealismus verbunden war, der dem Platonischen Gedanken seine dauernde Macht gegeben hatte. Der neue Idealismus, der das Geistige und Übersinnliche in ein dem Sinnlichen immanentes Sein verwandelte, mußte darauf verzichten, zwischen dem Sittlichen und Sinnlichen jene Kluft bestehen zu lassen, die dem Sittengesetz seinen höchsten, durch nichts mehr zu steigernden Wert verlieh. Diesen höchsten Wert brachte Kant zum Ausdruck, indem er das Sittengesetz selbst zur Gottesidee erhob. Wohl hatte schon Plato die Gottheit der Idee des Guten gleichgesetzt. Aber Kant erst verband beide zur vollen Einheit, als er seinen moralischen Gottesbeweis, im Gegensatz zu den von ihm als unhaltbar erkannten ontologischen und kosmologischen Beweisen, für den einzigen erklärte, so daß, wie dies später Fichte offen aussprach, an Stelle der bei Plato der übersinnlichen Welt angehörigen Idee des Guten das der Welt immanente Sittengesetz trat, eine Folgerung, die freilich Kant selbst nicht Wort haben wollte. Doch, wie dem auch sein mochte, dieses auf das Höchste gesteigerte sittliche Selbstbewußtsein war um so mehr bereit, auf die Erkennbarkeit der Sinnenwelt zu verzichten, je mehr es mit Plato wiederum darin einig war, daß die unbedingte Herrschaft des Sittengesetzes nur in einer idealen übersinnlichen Welt möglich sei. Hier war der Standpunkt Leibnizens in doppelter Beziehung ein anderer gewesen. Einerseits war ihm die Begründung der Gottesidee eine metaphysische Aufgabe. Er glaubte sie in einer Weise gelöst zu haben, die zugleich die Erkenntnis Gottes als des höchsten moralischen Gesetzgebers in sich schloß. Anderseits ist nach ihm das Sittengesetz dem Menschen selbst zugleich mit seinen sinnlichen und intellektuellen Trieben eingepflanzt. Darin lag für ihn auch das Motiv, dieses Gesetz mit den überkommenen Tugendbegriffen in Verbindung zu bringen. Darum formuliert er die Gerechtigkeit, Liebe und Frömmigkeit gleichzeitig als Tugenden und als Normen, letzteres in Anlehnung an die drei Rechtsnormen der römischen Jurisprudenz, denen er mit Hilfe jener Tugendbegriffe einen tieferen ethischen Wert gibt. Entfernt er sich schon darin von dem Eudämonismus der alten Tugendlehre, so geschieht dies noch weiter durch die die Strenge des ~Jus strictum~ nicht bloß mildernde ~Aequitas~, sondern durch die den Menschen an den Menschen bindende Liebe, deren letzte Wurzel die auf dem Gefühl der Einheit des Menschen mit Gott beruhende Frömmigkeit ist. Man hat es als einen Vorzug der Kantischen Ethik gerühmt, daß sie das Sittengesetz auf sich selbst stellt. Hat man dabei die vom scholastischen Nominalismus ausgegangene und bis in die neuere Orthodoxie sich forterstreckende heteronome Moral im Auge, so kann dem sicherlich nicht widersprochen werden. Aber die Gerechtigkeit fordert es doch hervorzuheben, daß die Leibnizsche ~Pietas~ mit diesem »statutarischen Kirchenglauben«, wie ihn Kant später nannte, nichts zu tun hat. Gerade diese Veräußerlichung des Sittlichen, wie sie die unmittelbar vorangegangene theologische Ethik vertreten hatte, wird bei ihm durch die Verbindung der drei Tugendnormen in ihr Gegenteil verkehrt, indem diese Einheit von ihm als eine ebenso an das eigene Wesen des Menschen wie an die göttliche Weltordnung gebundene gedacht wird. Außerdem muß man sich aber, um die Stellung dieser Ethik in ihrer Zeit richtig zu würdigen, ihr Verhältnis zu den im allgemeinen außerhalb dieser kirchlichen Strömungen sich bewegenden politischen und rechtsphilosophischen Gegensätze des Zeitalters vergegenwärtigen. Hier hatte zuerst in England der moderne Staatsgedanke Wurzel geschlagen. Seine Vertreter, mochten sie sonst den verschiedensten politischen Richtungen zugetan sein, waren in dem Widerstreben gegen die Gebundenheit des alten Autoritätsglaubens, außerdem aber auch in der Begründung von Sitte und Recht auf Maximen des äußeren Nutzens, also im letzten Grunde des Egoismus einig. Leibnizens angesehenster juristischer Zeitgenosse, Samuel Pufendorf, hatte auch in Deutschland diesen auf das Prinzip des egoistischen Interesses aufgebauten Standpunkt zur Geltung gebracht, und in dem überwuchernden Formalismus der deutschen Jurisprudenz nach dem großen Krieg hatte diese äußerliche Auffassung des Rechtsstaats eine fruchtbare Stätte gefunden. Da ist es Leibniz, der dieser Veräußerlichung von Recht und Moral energisch entgegentritt. Er geht zurück auf die in ihrer sittlichen Bedeutung verkannte römische Jurisprudenz, vornehmlich aber stützt er sich auf die in der klassischen Scholastik des 13. Jahrhunderts bereits zur Herrschaft gelangte Lehre von der Einheit von Recht und Sittlichkeit, um darauf eine normative Ethik zu gründen, die, mag sie auch von jenen vorangegangenen Gedankenrichtungen ihre Anregungen empfangen haben, im wesentlichen doch das eigenste Erzeugnis dieses neuen Idealismus ist. Eben darum, weil der Mensch ein geistiges und als solches allein ein sittliches Wesen ist, widerspricht es der eigensten Natur des Menschen, aus seinen sinnlichen Eigenschaften die sittlichen Motive und die Grundlagen der Rechtsordnung ableiten zu wollen. Indem sich so bei ihm der das römische Recht erfüllende Gedanke der Autonomie des Rechtsstaats mit der religiösen Gesinnung der klassischen Scholastik verbindet, erhebt sich seine Ethik zugleich über diese, da sie von der kirchlichen Gebundenheit der Scholastik frei ist. Ihm beruht das sittliche Wesen der Rechtsordnung nicht wie dieser darauf, daß die Kirche zu ihrer Aufrechterhaltung dem Staat das weltliche Schwert übergeben hat, sondern auf dem sittlichen Geist der Rechtsordnung und demnach auch des Staates selbst, dessen Auffassung als einer dem Einzelnen übergeordneten sittlichen Gesamtpersönlichkeit in dieser Leibnizschen Ethik zum erstenmal wieder zum vollen Ausdruck kommt. So beginnt mit Leibniz in doppelter Beziehung eine Reform der Ethik. Aus dem neuen Idealismus entspringt eine neue normative Ethik, und diese wird durch den Normgedanken zur Grundlage einer von sittlichem Geiste erfüllten Rechtswissenschaft. Leibniz hat kein System der Ethik geschrieben. Er hat nur an spärlichen Stellen seine ethischen Gedanken ausgesprochen, aber seine reiferen juristischen Werke sind überall von diesem Geiste beseelt. Im Hinblick hierauf kann von ihm gesagt werden, daß er nicht tiefer, aber umfassender das Problem einer reinen Ethik der Pflicht aufgenommen, als es später Kant zu Ende geführt hat. Während dieser sein Sittengesetz als eine durchaus individuell beschränkte Norm hinstellt, fließen in der Dreieinigkeit der Normen bei Leibniz individuelle Pflicht und sittliche Gebundenheit an die Gemeinschaft zusammen, und jedes von beiden Pflichtgebieten ordnet sich dem andern nach dem Wert seiner Bedeutung unter. Mag daher immerhin Kants »Metaphysische Rechtslehre« als ein Altersprodukt betrachtet werden, das der Vergangenheit des großen Ethikers kaum würdig ist, bezeichnend bleibt es doch, daß Kant hier durchaus den Spuren des alten individualistischen Naturrechts gefolgt ist, während Leibniz gerade in seinen Äußerungen über das Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft bereits kommende Zeiten vorausverkündet. Dieser Rückgang der auf Leibniz zunächst folgenden Zeit wird aber daraus verständlich, daß nicht bloß Kant, sondern dem ganzen Zeitalter, dem er angehörte, die Ethik und Rechtstheorie Leibnizens beinahe ein verschlossenes Buch war. Die mangelhafte Kenntnis, die das 18. Jahrhundert von Leibniz besaß, wie die allgemeine Geistesrichtung dieser Verstandesaufklärung brachte es mit sich, daß die Idee der Pflicht nur in ihrer individuell gerichteten Form auf Christian Wolff und seine Schule überging und in dieser Beschränkung wieder in die Bahnen der alten eudämonistischen Tugend- und Wohlfahrtsmoral einmündete. Hier hing dann dieser Wandel des Normbegriffs mit dem andern, folgeschweren des Zweckbegriffs auf das engste zusammen. Die Leibnizsche Teleologie war eine _immanente_ gewesen. Jeder Teil des Universums, jedes lebende Wesen hat seinen Zweck in sich selbst. Liegt doch dieser Zweck unmittelbar ausgedrückt in den Gesetzen aller Erscheinungen von dem Mechanismus der leblosen Natur bis herauf zu dem Sittengesetz. Bei Wolff und seinen Schülern hat sich der Zweck in eine den Bedürfnissen des Menschen angepaßte Weltordnung umgewandelt. Eine solche anthropozentrische Teleologie war natürlich nur mit einer ebenso ausschließlich individualistischen Ethik vereinbar, und es bildet gegenüber dieser Veräußerlichung der deutschen Aufklärungsmoral immerhin ein Verdienst, daß sie sich auch in ihrer Beschränkung so ernst um das Problem der Pflicht bemüht, das in ihr mehr und mehr als die Zentralfrage der Philosophie hervortritt. Wenn Wolff auf das eindringlichste die »Selbstvervollkommnung« als die höchste aller Pflichten hinstellt, so liegt darin ebenso das Verdienst wie die Schranke dieser individualistischen Pflichtmoral ausgesprochen. Auch brachte es die Orientierung des Zwecks nach den Bedürfnissen des Menschen mit sich, daß diese Teleologie wieder in die Bahnen der theologischen Moral der Scholastik einlenkte, die Leibniz im Prinzip überwunden hatte. Hier setzt dann Kant ein. Er kehrt zur Idee des immanenten Zwecks zurück und gründet damit nicht mehr die Moral auf die Pflicht gegen Gott, sondern den Glauben an Gott auf das Sittengesetz. Doch rein individualistisch bleibt die Ethik Kants wie die des ganzen Zeitalters, in welchem die deutsche Pflichtmoral nur eine ihn vorbereitende Nebenströmung der über ganz Europa verbreiteten eudämonistischen Nützlichkeitsmoral gewesen war. Den zweiten großen Schritt, in welchem sich die mit Leibniz beginnende Entwicklung fortsetzt, den der Gemeinschaftsmoral, hat erst der mit Fichte beginnende neueste deutsche Idealismus getan. ~d.~ Philosophie und Theologie. In keinem Jahrhundert ist wohl das Verhältnis der Philosophie zur Theologie ein vielgestaltigeres gewesen als in dem des großen Religionskrieges. Mit dem Opfertod Giordano Brunos auf dem Scheiterhaufen der Inquisition beginnt es, mit dem Auftreten des englischen Freidenkertums schließt es. Zwiespältig zwischen beiden stehen die im Lauf des Jahrhunderts auftretenden führenden Philosophen. Die Schriftsteller, denen Leibniz seine erste Kenntnis der neuen Philosophie verdankte, Descartes und Gassendi, legten sich in der Darstellung ihrer materialistischen Naturphilosophie keinen Zwang auf, aber sie versäumten selten zu versichern, daß sie jederzeit bereit seien zurückzunehmen, was in ihren Lehren etwa der Kirche mißfallen sollte. Wohl waren im ganzen die Zeiten vorüber, in denen das Verhältnis zur Kirche das Schicksal der Philosophen bestimmte, aber die Macht der Theologie war der Philosophie gegenüber immer noch die größere. Darum, wer seinen inneren und äußeren Frieden bewahren wollte, der folgte der Losung Pierre Bayles, des berühmten Skeptikers, in dem Zwiespalt zwischen Glauben und Wissen dem Glauben zu folgen und auf das Wissen zu verzichten, da es eine volle Gewißheit ohnehin nicht gebe. Freilich, was einmal vorüber ist, das läßt sich nicht unverändert erneuern, im Glauben so wenig wie im Wissen. Die Wahl, die Bayle stellt, ist selbst schon auf dem Boden der neuen Wissenschaft entstanden. Hinter ihr liegt bereits weit jener andere Standpunkt, auf dem es überhaupt keine Wahl gibt: das ist der der klassischen Scholastik, für den Theologie und Philosophie eins sind, weil die Philosophie, soweit man sie als ein gesondertes Gebiet anerkennen will, nur den Beruf hat, die Glaubenswahrheiten für die Vernunft einleuchtend zu machen und sie durch die bereits dem natürlichen Verstande zugänglichen Erkenntnisse zu ergänzen. Für Pierre Bayle gibt es, nachdem sich nun einmal die neue Wissenschaft gebildet hat, nur _eine_ Gewißheit: die wissenschaftliche; der Glaube ist ein Werk der Offenbarung. So ist der Standpunkt Bayles der auf dem Boden der neuen Wissenschaft folgerichtig zu Ende geführte Nominalismus der Scholastik. Auch Leibniz war von diesem Nominalismus ausgegangen. Hatte er doch in seiner Jugendschrift über die Kombinatorik den Aufbau der alten scholastischen Theologie zur Seite gelassen, um zum rein kosmologischen Gottesbegriff des Aristoteles zurückzukehren. Ganz anders, nachdem er auf dem Höhepunkt seiner durch Mathematik und Naturwissenschaft vermittelten idealistischen Denkweise angelangt ist. Jetzt wird ihm gerade in der Theologie die klassische Scholastik des 13. Jahrhunderts zur Führerin, und keine Autorität nennt er häufiger und mit größerer Anerkennung als die des heil. Thomas. Ja fast geht er in der strengen Durchführung des Systems der Gottesbeweise weiter als dieser. Es ist die ganze Skala der scholastischen Kausalbegriffe, die er durchmißt, um aus jedem eine besondere Grundlage für den Gottesbegriff zu gewinnen. Vor allem hilft ihm die »~Causa formalis~« zu derjenigen Gestalt des ontologischen Beweises, in deren rein logischer Fassung er sowohl den alten Anselmus wie Descartes hinter sich läßt. Jener hatte immerhin nebenbei, dieser sogar ausschließlich dem psychologischen Motiv der in uns lebenden Gottesidee seine Bedeutung gewahrt. Leibniz operiert im Sinne seiner Metaphysik als einer ~a priori~ möglichen Auffassung des Universums ganz mit den Begriffen des Möglichen und Wirklichen. Er definiert Gott als den Inbegriff aller Möglichkeiten, dem eben damit auch Wirklichkeit zukommen müsse. Das ist die berühmte Form des ontologischen Gottesbeweises, die später Kant benutzt, und von der man mit Recht gesagt hat, sie sei gar nicht die wirkliche. Kant hat sie in der Tat weder dem Anselm noch Descartes, sondern Leibniz entnommen, der sie erst durch ihre völlige Loslösung von dem denkenden Subjekt zu ihrer abstrakten Höhe erhoben hatte. Neben die »~Causa formalis~« stellt sich sodann die »~Causa efficiens~«, nach der Gott als die wirkende Ursache aller Dinge gedacht werden müsse. Es ist der kosmologische Beweis, den auch noch die Scholastik, selbst der Nominalismus, fast bis zuletzt neben dem Glaubensprinzip festgehalten hatte. Der dritte, für Leibniz wichtigste Beweis entspringt aber aus der »~Causa finalis~«: die Welt ist nach Zwecken geordnet, und nur ein höchstes geistiges Wesen kann als eine letzte Zweckursache angenommen werden. »Gott regiert«, so faßt er diesen teleologischen Beweis zusammen, »die Körper wie ein Techniker seine Maschine nach den Gesetzen der Mechanik, die Menschen aber wie ein Fürst seine Bürger nach den Gesetzen der Moral.« Er weist damit auf die beiden großen Zweckgebiete hin, die er in seiner Philosophie einander gegenüberstellt: die Naturgesetze und die sittlichen Normen. Er sucht den kennzeichnenden Unterschied beider durch diese Bilder zu beleuchten und dabei doch als eine unter dem religiösen Gesichtspunkt einheitliche Gesetzgebung aufzufassen. Diesen drei Argumenten stellt er endlich, als eine Art Abwandlung des dritten, das auf die Beziehung zu seiner Metaphysik hinweist, das der »Harmonie der Welt« zur Seite. Die Welt ist nicht nur zweckmäßig, sondern sie ist harmonisch, weil jedes Einzelne nicht bloß seiner eigenen Bestimmung, sondern auch der aller andern angepaßt ist. Hier liegt die hauptsächlichste Bereicherung, die Leibniz dem teleologischen Gottesbeweis gegeben, und um derentwillen noch Kant diesen den ehrwürdigsten genannt hat. Er ist in dieser Form im 18. Jahrhundert besonders verbreitet gewesen, hat aber auch die Wurzel jener Abirrung in eine äußerliche anthropozentrische Teleologie gebildet, die später in der Wolffschen Schule um sich griff, bis sie durch Kant wieder beseitigt wurde. Könnte Leibniz angesichts dieses Systems der Gottesbeweise als der bloße Wiedererneuerer der gesamten vorangegangenen scholastischen Theologie, insbesondere der klassischen Scholastik angesehen werden, so gewinnt nun aber diese Behandlung des Gottesproblems eine wesentlich tiefere Bedeutung im Hinblick auf seine Philosophie. Hier kommt bei ihm in bevorzugter Weise ein Prinzip zur Geltung, wenn auch freilich nicht zur folgerichtigen Durchführung, das auch sonst in seinem Denken eine bedeutende Rolle spielt: wir können es wohl das Prinzip der _Gleichberechtigung einander ergänzender Standpunkte_ nennen. Es sind vor allem der philosophische und der theologische Standpunkt, die bei der Betrachtung der Natur wie des sittlichen Lebens in diesem Sinne einander ergänzen, zugleich aber auch als Gegensätze erscheinen können, die erst bei einer tieferen Betrachtung der Dinge sich aufheben. Nirgends offenbart sich dieses Prinzip deutlicher als in der Monadologie. Denn aus diesem Ergänzungsprinzip ist das letzte, vielleicht das entscheidende Motiv des monadologischen Denkens hervorgegangen. Wohl haben der Infinitesimalbegriff, das Prinzip der tätigen Kraft, das Selbstbewußtsein als seelische Einheit ebenfalls wirksame philosophische Motive gebildet, aber entscheidend für Leibniz war doch, daß kein System so wie das monadologische die Zusammengehörigkeit des Ganzen zu einer höchsten, die Gottesidee befriedigenden Einheit in sich schloß. Darum gibt es für den Grundgedanken, die Harmonie des Universums, zwei Ausdrücke, die einander gegenüberstehen und doch dasselbe bedeuten: universelle Harmonie heißt das System philosophisch betrachtet, prästabilierte heißt es theologisch betrachtet. In streng philosophischen Erörterungen zieht Leibniz den ersten, in theologischen und in populär religiösen Schriften den zweiten Ausdruck vor. Dort entschlüpft ihm wohl gelegentlich das Wort »~Harmonia universalis id est Deus~«, hier gewinnt durch die Beziehung alles Geschehens auf eine göttliche Fügung das Universum die Bedeutung eines Schauplatzes unablässiger Tätigkeit Gottes. In dieser Doppelheit des Ausdrucks lag dann freilich auch der Anlaß zu einer Abweichung von jenem Prinzip der Gleichwertigkeit, da unter dem Begriff der prästabilierten Harmonie leicht den Ansprüchen der Theologie Zugeständnisse gemacht werden konnten, die über das vom philosophischen Gesichtspunkt der universellen Harmonie aus Erlaubte weit hinausgingen. Dafür bieten sowohl die Theodizee wie der theologische Briefwechsel zahlreiche Beweise. Die Neigung, andern Zugeständnisse zu machen, namentlich in religiösen Dingen, wie nicht minder die Virtuosität, fremde Gedanken den eigenen anzupassen, spielen hier nicht selten eine bedenkliche Rolle. Dazu leistet die Methode der scholastischen Begriffsspaltung eine weitere Hilfe. Sehen wir aber ab von den Dogmen der Trinität, der Ewigkeit der Höllenstrafen, der Gegenwart des Leibes Christi im Abendmahl u. a., die zum Teil bis auf Lessing und Kant herab nach dem Vorbild von Leibniz Gegenstände philosophischer Erörterungen gebildet haben, so sind es hier besonders zwei Gesichtspunkte, die unter diesen Zugeständnissen an die dogmatische Theologie eine gewisse Wirkung auf die Folgezeit geübt haben: der eine besteht in der aus der Scholastik überkommenen Unterscheidung des »Widervernünftigen« und des »Übervernünftigen« zur Erklärung des Wunders, der andere in der wohl von Leibniz selbst herrührenden Unterscheidung der »metaphysischen« und der »moralischen« Notwendigkeit zur Erklärung des Übels. Was den ersteren betrifft, so hat Leibniz höchstens das Verdienst, diese scholastische Distinktion durch seine Analogie mit einer mathematischen Funktion, die innerhalb bestimmter Grenzen einen gewissen Verlauf nimmt, darüber hinaus aber davon abweicht, verdeutlicht, damit aber freilich den Begriff des Wunders eigentlich überhaupt beseitigt zu haben. Der zweite Gedanke stammt aus der scholastischen Mystik. Doch durch die Verbindung mit der ebenfalls echt scholastischen Unterscheidung der metaphysischen und der moralischen Notwendigkeit hat auch er mehr verloren als gewonnen. Die Mystiker hatten das Übel als einen zum Heil des Menschen notwendigen Bestandteil der göttlichen Weltordnung angesehen, da der Weg zum Heil nur durch Leiden und Prüfungen führen könne. Sie hatten sich damit vollkommen naiv auf den Boden der Wirklichkeit gestellt, auf dem auch der Mensch mit den Vorzügen und Mängeln vorausgesetzt werden muß, die er tatsächlich besitzt. Die Theodizee, die den Schöpfer deshalb glaubt rechtfertigen zu sollen, weil er den Menschen nicht von vornherein ohne Fehl geschaffen hat, gehört bereits einer Zeit reflektierender Skepsis an, die besser täte daran zu zweifeln, ob eine nach menschlichem Ermessen absolut vollkommene Welt überhaupt einen ethischen Wert haben würde. Gleichwohl blieb bei Leibniz jenes Prinzip der Harmonie zwischen Theologie und Philosophie, nach welchem zwar der Gesichtspunkt der Betrachtung für jede von beiden ein anderer sei, darum aber doch keiner dem des anderen widersprechen dürfe, der herrschende Gedanke, und nach Analogie der Übereinstimmung der universellen und der prästabilierten Harmonie dachte er sich das Verhältnis von Religion und Wissenschaft überhaupt. Er ist diesem Programm keineswegs selbst nachgekommen, und noch mehr ist der Scheinrationalismus der folgenden Zeit infolge der überhandnehmenden theologisierenden Teleologie ihm untreu geworden. Doch verlorengegangen ist auch hier der Leibnizsche Gedanke nicht. In wesentlich anderer Form, aber vielleicht am ehesten in gleichem Geiste hat Hegel das gleiche Prinzip zu einer leitenden Idee seines Systems gemacht, wenn er die Religion im Reich der Vorstellungen dasselbe nannte, was die Philosophie im Reich der Begriffe sei. IV. Leibniz und die Zukunft der deutschen Philosophie. Die deutsche Philosophie ist von Leibniz ausgegangen. Was vor ihm lag, war nahezu der Vergessenheit anheimgefallen. Wenn er selbst es dereinst beklagte, in seiner Jugend sei die deutsche Wissenschaft noch in der Scholastik befangen gewesen, so ist dieses Schicksal vielleicht an ihm selbst zum Segen geworden. Er ist tiefer als irgend einer seiner Zeitgenossen wie Nachfolger in die Vergangenheit eingedrungen und hat aus ihr der neuen Wissenschaft verlorene Schätze wieder zuzuführen gewußt. So ist seine Philosophie eklektisch und schöpferisch im höchsten Sinne des Wortes. Niemand wird heute mehr daran denken, seine Weltanschauung unverändert erneuern zu wollen. Dazu trägt sie allzu sehr die Spuren seines Zeitalters an sich. Um so mehr lohnt es sich vielleicht, von diesem kurzen Überblick seiner reichen Gedankenarbeit ausgehend, noch einmal sich die Hauptmotive zu vergegenwärtigen, die in ihr zutage treten, und zu deren Fortbildung teils die folgende Zeit beigetragen, teils aber auch noch Wege offengelassen hat, die weiter zu verfolgen eine Aufgabe der Zukunft deutscher Philosophie sein wird. Hier steht in erster Linie seine Neubegründung des Idealismus. Sie ist in ihrem Aufbau auf der Naturphilosophie und auf der exakten mathematischen Naturwissenschaft einzig in ihrer Art, und, wenn nicht alle Anzeichen trügen, so wird ihr noch eine reiche Zukunft bevorstehen. Ein zweiter für die Zeit epochemachende Gedanke ist die Idee der Einheit und Harmonie des Universums. Er ist nicht vollkommen neu wie der vorige, aber Leibniz hat ihn tiefer erfaßt als irgend einer seiner Vorgänger, und er hat ihm in seinem Gesetz der Kontinuität eine festere Basis zu geben und ihn dadurch mit dem Grundgedanken seines Idealismus in Verbindung zu bringen gesucht. Eine Frucht dieser Verbindung war der Entwicklungsgedanke in seiner Anwendung auf die organische Natur, die er auf die im letzten Grunde überall gleichzeitig als mechanische Gesetze und als Zweckgesetze aufzufassenden allgemeinen Naturgesetze zurückzuführen sucht. Er hat diese Idee in einer Form theoretisch gestaltet, die an den mangelhaften biologischen Erkenntnissen des Jahrhunderts scheiterte, aber den Weg zu einer natürlichen Entwicklungstheorie hat er dem Prinzip nach eingeschlagen. Über diese Grenze hinaus hat er dann das geistige Leben als ein eng an das körperliche, das selbst eine Manifestation des geistigen Seins sei, gebundenes gedacht, um so die Prinzipien zu finden, die, beiden gemeinsam, notwendig zugleich übereinstimmende sein müßten. Er hat dem unvermeidlichen Intellektualismus der Zeit seinen Tribut gezollt, indem er als diese Prinzipien zunächst die logischen Denkgesetze betrachtete, deren universelle Gültigkeit von niemandem bestritten werde, sodann aber auf jene großen Zweckgesetze der unorganischen wie der organischen Welt hinwies, in denen sich die Harmonie des Universums bewähre. Die zweite, oft übersehene und an sich doch vielleicht noch bedeutsamere Leistung ist seine Begründung der Moral- und Rechtsphilosophie. Hier ist er der Schöpfer der kommenden deutschen Ethik der Pflicht nicht nur, sondern einer auf diese Ethik gegründeten Auffassung von Recht und Staat. Nicht als ob auch diese Ideen völlig neue gewesen wären, aber Leibniz hat als der erste die Fundamente einer weltlichen, auf die eigenste sittliche Natur des Menschen gegründeten Moral- und Rechtsphilosophie gelegt. Wenn dies übersehen worden ist, so beruht es zumeist wohl darauf, daß er die damit verbundene religiöse Betrachtungsweise durchaus in ihrer Berechtigung anerkennt, daß er sie aber nicht, wie der vorangegangene scholastische Nominalismus, für die einzige hält, sondern in der Natur des Menschen selbst ihre unmittelbaren Quellen zu finden sucht. Wenn darum irgendein Denker den theoretischen Egoismus und seine Nebenform, den Utilitarismus der Aufklärungszeit, im Prinzip überwunden hat, so ist es Leibniz gewesen. Der folgenden deutschen Philosophie sind zunächst unter dem überwiegenden Einfluß, den die englisch-französische Aufklärung auf das 18. Jahrhundert und seine populäre Philosophie ausübte, diese von Leibniz gestreuten fruchtbaren Keime zum großen Teil verlorengegangen. Nur die Pflichtmoral ist so weit erhalten geblieben, daß in Kant ihr ein Erneuerer erstehen konnte, der, indem er das Sittengesetz selbst zum höchsten Gesetz einer übersinnlichen Welt erhob, nach dieser ethischen Seite den Leibnizschen Gedanken in strengerer, aber auch beschränkterer Form wieder aufnahm. Schritt für Schritt sind sodann in der Folgezeit zu einem großen Teil die weiteren Motive des Leibnizschen Denkens hervorgetreten. Der deutsche Idealismus des 19. Jahrhunderts hat so, ohne freilich selbst davon zu wissen, und zumeist in veränderter Gestalt die Ideen erneuert, die Leibniz in seinem Prinzip der universellen Harmonie vereinigt hatte. So ist vor allem der Gedanke, daß die logischen Gesetze die Welt regieren, in der späteren Geschichtsphilosophie dieses Idealismus wieder zur Herrschaft gelangt. Damit ist aber auch die Ethik und Rechtsphilosophie der Romantik abermals in die Bahnen eingelenkt, die Leibniz beschritten. Daneben sind schließlich in den positiven Wissenschaften in vielen Fällen Gedanken wieder lebendig geworden, die in ihm zuerst als allgemeine Konzeptionen in ihren Anfängen entstanden waren. Das Prinzip der Erhaltung der Kraft ist das glänzendste, die Einlenkung naturwissenschaftlicher Hypothesen in eine idealistische Weltanschauung das interessanteste dieser Beispiele. Daß ein Gedankensystem, das nach so vielen Seiten mannigfache, weit über sein eigenes Zeitalter hinausreichende fruchtbare Ideen hervorbrachte, ein in sich folgerichtiges und widerspruchsloses sei, wäre auch dann unmöglich, wenn es nicht, wie das Leibnizsche, zumeist in zerstreuten und zu verschiedenen Zeiten entstandenen Bruchstücken überliefert, und wenn nicht sein Urheber allzu oft geneigt gewesen wäre, dem Standpunkt seiner Leser sich anzupassen. Aber auch davon abgesehen war es unvermeidlich, daß der allgemeine Charakter der Zeit in den Schriften ihres größten Sohnes seinen Ausdruck fand. So folgenreich, weit dieser Zeit vorausgreifend der Gedanke war, den neuen Idealismus auf den Grundlagen der mathematisch-physikalischen Forschung, dieser seiner früher wie später zumeist hartnäckigsten Gegnerin, zu errichten, so sah sich doch in den Gesetzen des geistigen Geschehens, die er als die universellen Weltgesetze nachzuweisen bemüht war, Leibniz auf die sein Zeitalter beherrschenden Gedanken angewiesen, und dies waren und blieben schließlich die logischen Denkgesetze. So wurden ihm einerseits die allgemeinen logischen Axiome, nach denen wir unsere Begriffe ordnen, anderseits die Zweckprinzipien, unter denen wir die Erscheinungen der Wirklichkeit zusammenfassen, zu objektiven Weltgesetzen. Aber woher nahm er, so kann man fragen, die Gewißheit, daß die Regeln unseres Denkens die Gesetze der Gegenstände selbst sind, und woraus schöpfte er die Überzeugung, daß diese allgemeinen Denk- und Zweckprinzipien die unendliche Mannigfaltigkeit des Wirklichen erschöpfen? Mag man zugeben, jenes Postulat der Übereinstimmung der Normen des Denkens mit den allgemeinen Bedingungen der Wirklichkeit sei ein notwendiges, weil auf ihm ebenso die subjektive Entstehung der Denkgesetze wie die Möglichkeit ihrer objektiven Geltung beruhen muß, so gehört doch die ganze Einseitigkeit des Intellektualismus dieser Zeit dazu, um auf die abstrakten Sätze der Identität und des Widerspruchs und auf ihre Ergänzung durch den »zureichenden Grund« die ungeheure Mannigfaltigkeit alles Seins und aller Erscheinung begründen zu wollen. Auch bilden hier die weiter hinzutretenden Zweckbegriffe um so weniger eine volle Ergänzung, als wiederum dahingestellt bleibt, ob solche Sätze wie der der Kontinuität oder der Erhaltung der Kraft wirklich ~a priori~ notwendig sind oder nicht doch erst der Bestätigung durch die Erfahrung bedürfen. So fruchtbar ferner jene zum erstenmal von Leibniz einleuchtend dargestellte, der späteren Kantischen Auffassung ohne Frage überlegene Scheidung der Begriffe Sein und Erscheinung auch sein mag, so hat ihn doch offenbar wieder diese Scheidung dazu verführt, auch die allgemeinen Prinzipien des Denkens und die auf sie gegründeten Wissenschaften in einen Gegensatz zu bringen, den die wissenschaftliche Logik nicht aufrechterhalten kann. Es ist der Gegensatz der im engeren Sinne logischen Prinzipien der Identität und des Widerspruchs und des nach Leibniz die Erscheinungswelt beherrschenden Satzes vom Grunde. Daß die ersteren auch für die Erscheinungen gelten, erkennt er selbst an. Dagegen sollen die apriorischen Gebiete von der Logik und Mathematik an bis herauf zur Moral und Metaphysik nur von den logischen Axiomen, nicht vom Prinzip des Grundes beherrscht werden. Und doch kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Verknüpfung nach Grund und Folge nicht minder eine unerläßliche Aufgabe der sogenannten apriorischen Gebiete ist, daher er denn auch des begrenzenden Beisatzes »zureichend« bedarf, um das Prinzip unzweideutig auf seine empirische Verwendung einzuschränken. So verdienstlich es daher war, daß er der sonst in dem Rationalismus der Zeit verbreiteten völligen Vermengung von Erkenntnisgrund und Ursache zu steuern suchte, so hat ihn doch gerade seine epochemachende Festlegung des Begriffs der »wohlbegründeten Erscheinung« dazu verführt, hier noch einmal eine jener scholastischen Gliederungen einzuführen, die er im Prinzip selbst schon überwunden hatte. Aber noch in einer andern Beziehung treten die verschiedenen grundlegenden Voraussetzungen seines Idealismus miteinander in Widerstreit. Die logischen, kausalen und finalen Grundsätze bilden nicht die einzige Basis seines Gedankensystems, sondern neben diesen alten, wenn auch in neuer Form zu einem Ganzen gefügten Grundlagen des Rationalismus tritt ein neues Motiv hervor, das eigentlich ganz jenseits der Sphäre der intellektualistischen Denkweise der Zeit liegt. Auch ist es direkt von ihm gar nicht mit ihnen in Beziehung gebracht worden, und es gehört deshalb um so mehr einer neuen Gedankenwelt an. Es ist merkwürdigerweise gerade die Monadologie, die diese fremdartigen, an sich der Starrheit der rationalistischen Prinzipien widerstreitenden Elemente enthält. In ihr wird unaufhörlich betont, daß Streben und Vorstellen in ihrer fortwährenden Tätigkeit das wahre Wesen der Dinge selbst seien. Hier tritt dem scharfsinnigen Logiker der tiefblickende Psychologe zur Seite. Aber diese Bestandteile seines Denkens sind nicht gegeneinander ausgeglichen, Rationalismus und Psychologismus durchkreuzen sich, und man kann zweifeln, welche dieser Seiten, die intellektuale oder die im tiefsten Grunde emotionale, die überwiegende gewesen sei. Jedenfalls ist die letztere später hervorgetreten, und es duldet keinen Zweifel, daß neben der unmittelbaren psychologischen Beobachtung die Dynamik, also wiederum die naturwissenschaftliche Betrachtung, ihn nach dieser Seite gedrängt hat. Gerade dadurch aber ist seine abschließende philosophische Schöpfung, die Monadologie, am allermeisten ein aus heterogenen und widerspruchsvollen Bestandteilen gemischtes System geworden. Die Monadologie unternimmt es, den Begriff der Substanz in seiner abstraktesten Form zu entwickeln, aber in Wirklichkeit führt sie ihn in das Prinzip einer reinen Aktualität über, das den vollen Gegensatz zur beharrenden Substanz bildet. Sie will eine apriorische, also auf die allgemeinen logischen Axiome gegründete metaphysische Wissenschaft sein, und in Wirklichkeit ist sie doch unter allen spekulativen Systemen dieses Zeitalters dasjenige, das die rationalistischen Motive am meisten zurückdrängt, um an ihrer Stelle das unmittelbare seelische Erleben zum Urbild alles geistigen wie kosmischen Geschehens zu erheben. Dieser Wendung entspricht es, wenn schließlich nicht die Weltvernunft, sondern die Weltharmonie, also im Grunde eine ethisch-ästhetische Idee als der letzte Inhalt des Gottesbegriffs erscheint. In diesem Lichte gesehen gewinnt nun auch die von Leibniz unternommene Erneuerung der scholastischen Gottesbeweise eine wesentlich veränderte Bedeutung. Wir alle stehen heute noch unter dem Eindruck der Kritik, die Kant an diesen Beweisen geübt hat. Wenn dieser zeigte, daß die Möglichkeit eines Wesens noch nicht seine Wirklichkeit beweist, so wird dem niemand mehr widersprechen wollen, und wenn er weiterhin ausführte, daß der kosmologische und der teleologische Gottesbeweis nur besondere Anwendungen dieses ontologischen seien, so ist auch dieser Bemerkung unbedingt zuzustimmen. Denn auch bei ihnen handelt es sich um die Umwandlung einer möglichen in eine wirkliche Weltursache und eines möglichen in einen wirklichen Weltordner. In Wahrheit gewinnen aber die drei Beweise durch die Hinzunahme des Leibnizschen Prinzips der Anwendung verschiedener Standpunkte der Betrachtung auf den gleichen Gedankeninhalt einen andern Sinn. Es handelt sich bei ihnen überhaupt nicht um Beweise, sondern um die Betrachtung philosophischer Begriffe unter religiösen Gesichtspunkten. Wenn Leibniz sein Weltprinzip »~Harmonia universalis id est Deus~« nennt, so soll die Harmonie kein Beweis für das Dasein Gottes sein, sondern Harmonie und Gott sind nur verschiedene Ausdrücke für ein und dieselbe Sache. Harmonie ist der philosophische Begriff, Gott die ihm entsprechende religiöse Vorstellung. In dieser Bedeutung bleibt aber die Gottesidee bestehen, trotz der Kantischen Widerlegung des ontologischen Beweises. Nicht anders verhält es sich mit dem kosmologischen Beweis. Die Harmonie als Einheit aller Weltursachen gedacht ist das philosophische Prinzip, der Weltschöpfer die dem religiösen Gemüt sich aufdrängende persönliche Vorstellung dieser Ursache. Endlich die Harmonie als zweckvolle Ordnung des Universums ist der teleologische Begriff, unter dem die Philosophie auf Grund des inneren Zusammenhangs der Naturgesetze und der Geistesgesetze die Welt denken muß, ein weltordnender Gott ist die Vorstellung, in die die Religion diesen Begriff kleidet. Im Hinblick hierauf darf man wohl zweifeln, ob die Beibehaltung der drei Gestaltungen der Gottesidee in dieser dem Prinzip der Einheit von philosophischer und religiöser Weltbetrachtung entsprechenden Form die tiefere und befriedigendere sei, oder die Kantische Beschränkung auf den sogenannten moralischen Gottesbeweis, die sich auf einen Teil der Weltordnung beschränkt, für diesen aber an dem scholastischen Prinzip des logischen Beweises festhält. Wenn übrigens Kant nebenbei den sittlichen Imperativ eine »Erkenntnis aller unserer Pflichten als göttlicher Gebote« nennt, so ist es augenfällig, daß er damit für dieses besondere Gebiet zu dem gleichen Prinzip der doppelten Betrachtung zurückkehrt, dessen sich Leibniz zuerst bedient hatte. In Wahrheit ist es die einzige Form, in der Wissenschaft und Religion nebeneinander bestehen können, weil es die einzige ist, in der weder die Religion in die Geschäfte der Wissenschaft noch diese in die Bedürfnisse jener sich einmischt. Hier besteht aber der Wert der drei alten in die sogenannten Gottesbeweise gekleideten Formen der Gottesidee darin, daß sie sich auf die letzten Grundlagen des religiösen Glaubens beziehen, in denen sie nichts anderes als Grundlagen der Wissenschaft selbst in ihrer dem religiösen Bewußtsein adäquaten Form sind. Auch Leibniz hat allerdings ebenso wie später Kant dem Zeitalter seinen Tribut gezollt, indem er weit über die durch seine Deutung der Gottesbeweise gezogenen Grenzen hinaus die dogmatischen Inhalte der verschiedenen christlichen Religionen zu rechtfertigen unternahm. Hätte er sich dieser Ausschreitungen enthalten, so würde freilich seine Theodizee ungeschrieben geblieben sein. Anmerkungen. I. S. 4. Vgl. hierzu den Kritischen Exkurs G. E. Guhrauers in der Beilage zu Bd. 1 seiner Ausgabe von Leibniz' Deutschen Schriften. 1839. S. 5. Am ehesten darf wohl unter den Vertretern der Einzelgebiete, neben einigen Mathematikern, den Juristen nachgerühmt werden, daß einzelne Gelehrte begonnen haben, sich eindringender mit Leibniz zu beschäftigen. Vgl. besonders Gustav Hartmann, Leibniz als Jurist und Rechtsphilosoph. 1892. S. 8. Die Schriften zur Vereinheitlichung des Bücherwesens (1668) bei K. Prantl. Art. Leibniz in der Allg. deutschen Biographie. Daß der Plan der Konzentration des gesamten deutschen Buchhandels in einer einzigen Stadt und der andere der Herausgabe eines Halbjahrskatalogs sämtlicher erschienener Schriften zusammen dasselbe bezweckten, was durch die vor kurzem begründete »Deutsche Bücherei« in Leipzig erstrebt wird, ist einleuchtend. Wenn L. Mainz als Ort dieser enzyklopädischen Vereinigung vorschlug, so meinte er vielleicht, für den Ursprungsort der Buchdruckerkunst am ehesten die maßgebenden Persönlichkeiten gewinnen zu können. Außerdem hatte er in der gleichen Zeit bereits Beziehungen zu Mainz angeknüpft, die ihm die Aussicht eröffneten, hier selbst seinen dauernden Wohnsitz zu nehmen. S. 9. Die politischen Schriften finden sich am vollständigsten in der Ausgabe von Onno Klopp. 1864--66, die wichtigeren nebst den juristischen bei Dutens, ~Opera omnia, Tom. IV.~ 1768. Ausführlich behandelt die politische und sonstige öffentliche Tätigkeit L.' Edmund Pfleiderer in seinem Werk: Leibniz als Patriot, Staatsmann und Bildungsträger. 1870. Ich wundere mich, daß noch niemand auf den Gedanken gekommen ist, den »~Mars christianissimus~«, mit den nötigen historischen Bemerkungen versehen, ins Deutsche zu übertragen. S. 11. Der theologische Briefwechsel, der für die Unionsbestrebungen von besonderem Interesse ist, findet sich in ~Tom. I~ der Werke von Dutens. II. S. 22. Über Leibniz' Beziehungen zu Erhard Weigel vgl. Brucker ~Vita Leibnitii, p. LXI~, Dutens, ~Tom. 1~. Einen kurzen Auszug aus Weigels Hauptschriften gibt F. Bartholomäi, Zeitschr. f. exakte Philos. Bd. 9, 250. Über Raimund Lull vgl. K. Prantl, Geschichte der Logik, III, 145. S. 26. J. E. Erdmann, ~Leibnitii opera philos.~, Nr. XVIII (~Fundamenta Calculi ratiocinatoris~). Als modernes Gegenbeispiel vgl. das Werk von G. Boole, ~The Laws of thought~, 1854. S. 27. ~Dissertatio de Arte combinatoria~, Leibnizens Mathem. Schriften von Gerhardt, Bd. 1. Weitere Fragmente zur ~Characteristica universalis~ Gerhardt, L.' Philos. Schriften, Bd. 7, 215. S. 28. ~De Quadratura arithmetica Circuli etc.~, Math. Schriften, Bd. 1, 80. Hauptschriften zur ~Analysis Infinitesimorum~ ebenda, 229. Dazu der Briefwechsel mit Joh. und Jac. Bernoulli, ebenda, Bd. 3, Abt. 1 und 2. Äußerungen L.' aus späterer Zeit (1712) zum Begriff des unendlich Kleinen im Sinne der Relativitätstheorie, ebenda 387. Vgl. dazu meine Logik II^3 241 ff. Eine Anzahl der wichtigeren mathematischen Schriften sowie der Briefe haben mit Recht Buchenau und Cassirer auch in ihre Sammlung von L.' ausgewählten Schriften in deutscher Übersetzung (Bd. 1 und 2) in der Kirchmannschen Bibliothek aufgenommen. S. 39 ff. ~Hypothesis physica nova.~ 1671. Gerhardt, Math. Schriften, Bd. 2. Philos. Schriften, Bd. 4. (~Theoria Motus abstracti~, 61). ~De Causis gravitatis~, Math. Schriften, Bd. 2, 193. ~De Legibus Naturae~, 204. Als abschließende Schriften zur Dynamik: ~Essay de Dynamique~, 215. ~Specimen dynamicum pars I et II~, 234. ~Dynamica~, 284. Zur Geschichte der L.'schen Dynamik vgl. meine Schrift über die »Physikalischen Axiome« (1866), 2. Aufl. u. d. T.: »Die Prinzipien der mechanischen Naturlehre«, 1910. S. 53. Zur Entwicklungstheorie: ~Principes de la Nature et de la Grace~, 14. Briefe bei Dutens, ~Tom. II~, 32, 84, 330. Buchenau-Cassirer, L.' Hauptschr. II, 63, 74. S. 57. L.' Psychologie: ~Hypothesis physica nova~, Math. Werke, Bd. 2. S. 67. Über die Ramisten in Deutschland: Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1, 145. S. 70. Über Pufendorf und sein Verhältnis zu Leibniz, Landsberg (Stintzing), ebenda, Abt. III, 1. Der ~Caesarinus Fuerstenerius~ vereinigt wohl mit seinen andern Tendenzen auch die einer Gegenschrift gegen die vernichtende Kritik, die Pufendorf in einer pseudonymen Schrift an der Verfassung des deutschen Reichs geübt hatte. Vor allem hat aber die Gegnerschaft gegen P.s einseitige Betonung der Rechtsidee für Leibniz die Anregung zu seiner für die folgende Ethik epochemachenden Pflichtmoral gegeben. Wenn die abfällige Beurteilung des individualistischen Naturrechts eines Hobbes und Pufendorf den springenden Punkt in den rechtsphilosophischen Schriften bildet, so ist es übrigens nicht das Naturrecht überhaupt, gegen das er sich wendet, sondern auch ihm steht über allem positiven und historischen ein natürliches Recht, als notwendige Voraussetzung und Ergänzung des ersteren im Sinne seiner Definition der Gerechtigkeit als der durch die Pietas vermittelten »Einheit von Güte und Weisheit«. Bezeichnend für diese neue, erst in weit späterer Zeit ihre Früchte tragende Richtung des Naturrechts ist es, daß er die noch lange bei seinen Nachfolgern herrschende Vertragstheorie bereits gänzlich aus dem Naturrecht beseitigen will. So bilden überhaupt das Streben nach exakter Behandlung der Probleme und nach ethischer Begründung der allgemeinen Rechtsbegriffe, daneben die Verbindung geschichtlicher und logischer Betrachtung die hervorstechenden Züge der juristischen Arbeiten. Ein interessantes Beispiel dafür, wie er sich die mathematische Behandlung juristischer Probleme dachte, bietet eine unter den Manuskripten gefundene »~Meditatio juridico-mathematica~« über Zinseszinsrechnung und Rabatt (Mathem. Werke, Bd. 3, 125). Die für die ethische Begründung des Rechts bedeutsamsten Arbeiten sind die beiden Dissertationen zum Völkerrecht, Dutens ~Tom. IV, Pars III~, 287. Dazu die ~Observationes de Principiis Juris~, ebenda, 270. Diese Schriften sollten in keiner Ausgabe der philosophischen Werke fehlen, sie fehlen aber durchgehends. Gerhardt hat dagegen in Bd. 7 seiner Ausgabe, 73, eine Sammlung von Definitionen moralischer Begriffe veröffentlicht, mit ihnen zum Teil übereinstimmende Guhrauer in Leibniz' deutschen Schriften. Sie sind ausgeprägt eudämonistisch und rationalistisch gehalten und könnten ebensogut von Christian Wolff oder einem andern der späteren Aufklärer geschrieben sein. Leibniz' wirkliche Ethik ist eben nicht diesen schulmäßigen Definitionen im Stil der Zeit zu entnehmen, sondern den rechtsphilosophischen Ausführungen zum Kodex des Völkerrechts. III. S. 75. J. Jasper hat in seiner Dissert. Leibniz und die Scholastik (Münster i. W. 1898/99) eine Zusammenstellung zahlreicher Urteile L.' über die Scholastik gesammelt. Sie bilden äußerlich betrachtet ein ziemlich buntes Gemisch ablehnender und anerkennender Aussprüche. Wenn man die Zeiten, denen sie angehören, und die Fragen, auf die sie sich beziehen, beachtet, so entsprechen sie aber wohl ziemlich treu dem im Text angegebenen Verhältnis. S. 79. Zur Orientierung über die Entwicklung des Leibnizschen Idealismus mag folgende chronologische Aufzählung der wichtigeren hierher gehörigen Schriften dienen: ~Hypothesis physica nova.~ 1671. ~Specimen dynamicum.~ ~Essay de dynamique.~ ~Dynamica.~ 1685--89. ~De motuum coelestium causis.~ 1689. ~De primae philosophiae emendatione et notione substantiae.~ 1694. ~Nouveaux Essais sur l'entendement humain.~ (Um 1704.) ~Essai de Théodicée.~ 1710. Monadologie. 1714. ~Principes de la nature et de la grâce.~ 1714. Aus dieser Chronologie erkennt man unmittelbar eine Entwicklung, die im wesentlichen in drei Perioden verläuft: einer naturphilosophischen, einer erkenntnistheoretisch-psychologischen, einer metaphysisch-ethischen. Unter den Briefen sind nach der Seite der Naturphilosophie vornehmlich der Briefwechsel mit den Cartesianern (Gerhardt, Phil. Schriften. Bd. 4) beachtenswert, für die Metaphysik und Theologie der mit Bayle und dem Pater Des Bosses (ebenda, Bd. 2). Zu S. 112. ~Observationes de principio juris.~ Dutens ~Op. Tom. IV, P. III~, 270. ~De Actorum publicorum Usu etc.~ 287. S. 114. An die theologischen Schriften schließt sich der umfangreiche Briefwechsel in Sachen der Reunion der beiden Kirchen und der Union der protestantischen Konfessionen bei Dutens, ~Tom. I.~ Mit welcher Vorsicht übrigens der theologische Briefwechsel benutzt werden muß, dafür legt, wie ich glaube, das Buch von Ed. Dillmann, Eine neue Darstellung der Monadenlehre, 1891, ein beredtes Zeugnis ab. Der Verf. hat unleugbar mit großem Scharfsinn aus der in den Briefen an katholische Theologen, besonders an Des Bosses, entwickelten Hilfshypothese über das »~Vinculum substantiale~« zur Erklärung des Wunders der Transsubstantiation eine Auffassung der Monadologie entwickelt, die jenen Begriff eigentlich zur Grundlage des ganzen Systems macht. Immerhin kann die Möglichkeit einer solchen Umdeutung zugleich als eine Art Bestätigung der oben gemachten Bemerkung dienen, daß die Monadologie für Leibniz selbst keineswegs das dogmatische System gewesen ist, für das man sie zu nehmen pflegt. Das ausführliche Werk von A. Pichler, Die Theologie des Leibniz, 2 Bde. 1869--70, ist für das Thema selbst wenig ergiebig, da die Zeiten und Anlässe, denen L.' Äußerungen angehören, wohl allzuwenig beachtet sind, wie denn auch der Verf. durch die Rücksicht auf die kirchlichen Parteiungen seiner eigenen Zeit vielleicht allzu sehr beeinflußt ist. Alfred Kröner Verlag in Leipzig Schriften von Wilhelm Wundt =Über die Aufgabe der Philosophie in der Gegenwart.= Rede, gehalten zum Antritt des öffentl. Lehramtes der Philosophie an der Hochschule in Zürich, am 31. Okt. 1874. gr. 8. ℳ --.60. =Über den Einfluß der Philosophie= auf die Erfahrungswissenschaften. Akademische Antrittsrede, gehalten zu Leipzig, am 20. November 1875. gr. 8. ℳ --.60. =Der Spiritismus=, eine sogenannte wissenschaftliche Frage. Offener Brief an Herrn Prof. Hermann Ulrici in Halle. gr. 8. ℳ --.50. =Essays.= Zweite Auflage. Mit Zusätzen u. Anmerk. gr. 8. ℳ 9.--; in Leinen geb. ℳ 10.50; in Halbfranz geb. ℳ 12.--. =Zur Moral der literarischen Kritik.= Eine moralphilosophische Streitschrift. gr. 8. ℳ 1.20. =System der Philosophie.= Dritte, umgearbeitete Auflage. 2 Bde. gr. 8. ℳ 14.--; in 2 Leinenbänden ℳ 16.--; in 1 Halbfranzband ℳ 17.--. =Hypnotismus und Suggestion.= Zweite, durchgesehene Auflage. 8. ℳ 1.40; in Leinen geb. ℳ 2.15. =Gustav Theodor Fechner.= Rede zur Feier seines hundertjährigen Geburtstages. Mit Beilagen und einer Abbildung des Fechner-Denkmals. 8. ℳ 2.--. =Sprachgeschichte und Sprachpsychologie.= Mit Rücksicht auf B. Delbrücks Grundfragen der Sprachforschung. gr. 8. ℳ 2.--. =Grundzüge der physiologischen Psychologie.= _Erster Band_: Sechste, umgearbeitete Auflage. Mit 161 Figuren sowie Sach- und Namenregister. gr. 8. ℳ 13.--; in Halbfranz geb. ℳ 16.--. -- -- _Zweiter Band_: Sechste, umgearbeitete Auflage. Mit 167 Figuren sowie Sach- und Namenregister. gr. 8. ℳ 15.--; in Halbfranz geb. ℳ 18.--. -- -- _Dritter Band_: Sechste, umgearbeitete Auflage. Mit 71 Figuren sowie Sach- und Namenregister. gr. 8. ℳ 16.--; in Halbfranz geb. ℳ 19.--. =Naturwissenschaft und Psychologie.= Zweite Auflage. Sonderausgabe des Schlußabschnitts zur sechsten Auflage der physiologischen Psychologie. gr. 8. ℳ 2.40; in Leinen geb. ℳ 2.90. =Festrede zur fünfhundertjährigen Jubelfeier der Universität Leipzig.= Mit einem Anhang: Die Leipziger Immatrikulationen und die Organisation der alten Hochschule. 8. ℳ 1.50. =Grundriß der Psychologie.= Zwölfte Auflage. Mit 23 Figuren. gr. 8. ℳ 7.--; in Leinen geb. ℳ 8.--. =Völkerpsychologie.= Eine Untersuchung der Entwicklungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte. _Erster Band: Die Sprache. Erster Teil._ Dritte, neubearbeitete Auflage. Mit 40 Abbildungen. gr. 8. ℳ 14.--; in Halbfranz geb. ℳ 17.--. -- _Zweiter Band: Die Sprache. Zweiter Teil._ Dritte, neubearbeitete Auflage. Mit 6 Abbildungen. gr. 8. ℳ 13.--; in Halbfranz geb. ℳ 16.--. -- _Dritter Band: Die Kunst._ Zweite, neubearbeitete Auflage. Mit 59 Abbildungen. gr. 8. ℳ 12.--; in Halbfranz geb. ℳ 15.--. -- _Vierter Band: Mythus und Religion. Erster Teil._ Zweite, neubearbeitete Auflage. Mit 8 Abbildungen. gr. 8. ℳ 13.--; in Halbfranz geb. ℳ 16.--. -- _Fünfter Band: Mythus und Religion. Zweiter Teil._ Zweite, neubearbeitete Auflage. gr. 8. ℳ 11.--; in Halbfranz geb. ℳ 14.--. -- _Sechster Band: Mythus und Religion. Dritter Teil._ Zweite, neubearbeitete Auflage. gr. 8. ℳ 12.--; in Halbfranz geb. ℳ 15.--. -- _Siebenter Band: Die Gesellschaft. Erster Teil._ gr. 8. ℳ 11.--; in Halbfranz geb. ℳ 14.--. -- _Achter Band: Die Gesellschaft. Zweiter Teil._ gr. 8. ℳ 9.--; in Halbfranz geb. ℳ 12.--. =Kleine Schriften.= 2 Bände. 8. ℳ 26.--; in Leinen geb. ℳ 28.40. =Einleitung in die Philosophie.= Sechste Auflage. 8. ℳ 8.--; in Leinen geb. ℳ 9.--. =Elemente der Völkerpsychologie.= _Grundlinien einer psychologischen Entwicklungsgeschichte der Menschheit._ Zweite Auflage. gr. 8. ℳ 12.--; in Leinen geb. ℳ 14.--. =Reden und Aufsätze.= Zweite Auflage. 8. ℳ 7.--; in Leinen geb. ℳ 8.--. =Die Psychologie im Kampf ums Dasein.= Zweite Auflage. 8. ℳ 1.--. =Sinnliche und übersinnliche Welt.= 8. ℳ 8.--; in Leinen geb. ℳ 9.--. =Über den wahrhaften Krieg.= Rede, gehalten in der Alberthalle zu Leipzig am 10. September 1914. kl. 8. ℳ --.50. =Die Nationen und ihre Philosophie.= Ein Kapitel zum Weltkrieg. Zweite Auflage. 8. ℳ 3.--; in Leinen geb. ℳ 4.--. -- " -- Taschenausgabe in Leinen geb. ℳ 1.20. =Leibniz.= Zu seinem zweihundertjährigen Todestag. 8. ℳ 3.--; in Leinen geb. ℳ 4.--. Friedrich Nietzsches Werke Taschen-Ausgabe =11 Bände.= In Leinwand gebunden 55 Mark. Band I. Homer-Rede. =Die Geburt der Tragödie.= Der griechische Staat. Das griechische Weib. Musik und Wort. Homers Wettkampf. Zukunft unserer Bildungsanstalten. Das Verhältnis der Schopenhauerschen Philosophie zu einer deutschen Kultur. Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen. Über Wahrheit und Lüge. Band II. =Unzeitgemäße Betrachtungen.= Aus dem Nachlaß (1874/75). Band III. =Menschliches, Allzumenschliches I.= Aus dem Nachlaß (1874/77). Band IV. =Menschliches, Allzumenschliches II.= Vermischte Meinungen und Sprüche. Der Wanderer und sein Schatten. Aus dem Nachlaß (1877/79). Band V. =Morgenröthe.= Aus dem Nachlaß (1880/86). Band VI. Die ewige Wiederkunft. =Die fröhliche Wissenschaft.= Lieder des Prinzen Vogelfrei. Aus dem Nachlaß. Dichtungen (1871/88). Band VII. =Also sprach Zarathustra.= Aus dem Nachlaß (1882/85). Band VIII. =Jenseits von Gut und Böse.= =Genealogie der Moral.= Aus dem Nachlaß (1885/86). Band IX. =Der Wille zur Macht.= Versuch einer Umwerthung aller Werthe (1884/88). Band X. =Der Wille zur Macht= (Fortsetzung). =Götzen-Dämmerung.= =Der Antichrist.= =Dionysos-Dithyramben= (1884/88). Band XI. Aus dem Nachlaß (1883/88). =Der Fall Wagner.= =Nietzsche contra Wagner.= =~Ecce homo.~= Friedrich Nietzsche Neue, billigere Miniatur-Ausgaben Also sprach Zarathustra Geheftet ℳ 5.--. In Leinen gebunden ℳ 6.--. Gedichte und Sprüche Geheftet ℳ 3.--. In Leinen gebunden ℳ 4.--. Schriften von Ernst Haeckel =Die Welträtsel.= Gemeinverständliche Studien über monistische Philosophie. 10. Auflage ℳ 8.--; gebunden ℳ 9.--. =Die Welträtsel.= Volksausgabe kartoniert ℳ 1.20. =Die Welträtsel.= Taschenausgabe gebunden ℳ 1.20. =Die Lebenswunder.= Gemeinverständliche Studien über biologische Philosophie. Ergänzungsband zu dem Buche über die Welträtsel. 4. Auflage ℳ 8.--; gebunden ℳ 9.--. =Die Lebenswunder.= Volksausgabe kartoniert ℳ 1.20. =Gott-Natur= (Theophysis) Studien über monistische Religion. 2. Auflage ℳ 1.--. =Gemeinverständliche Vorträge und Abhandlungen aus dem Gebiete der Entwicklungslehre.= 2 Auflage. 2 Bände mit 81 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck ℳ 12.--; gebunden ℳ 13.50. =Aus Insulinde.= Malayische Reisebriefe. 2. Auflage. Mit 72 Abbildungen, 4 Karten und 8 Einschaltbildern gebunden ℳ 6.--. =Arbeitsteilung in Natur und Menschenleben= ℳ 1.--. =Der Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft.= Glaubensbekenntnis eines Naturforschers. Altenburger Vortrag. 15. Auflage ℳ 1.--. =Freie Wissenschaft und freie Lehre.= Eine Entgegnung auf Rudolf Virchows Münchener Rede über »Die Freiheit der Wissenschaft im modernen Staat«. 2. Auflage ℳ 1.60. =Das Protistenreich.= Eine populäre Übersicht über das Formengebiet der niedersten Lebewesen. Mit 58 Abbildungen ℳ 2.--. =Über den Ursprung des Menschen.= Cambridge Vortrag. 12. Aufl. ℳ 1.--. =Das Weltbild von Darwin und Lamarck.= 2. Auflage ℳ 1.--. =Zellseelen und Seelenzellen.= (Concordia) ℳ 1.--. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen [Illustration: =KVA=] [Illustration: =KVA=] Kröners Volksausgabe Jeder Band kartoniert 1 Mark 20 Pf. Die Entstehung der Arten Von =Charles Darwin= Abstammung des Menschen Von =Charles Darwin= Geschlechtliche Zuchtwahl Von =Charles Darwin= Reise um die Welt Von =Charles Darwin= Wesen des Christentums Von =Ludwig Feuerbach= Das Wesen der Religion Von =Ludwig Feuerbach= Die Welträtsel Von =Ernst Haeckel= Die Lebenswunder Von =Ernst Haeckel= Philosophie des Unbewußten Von =Eduard von Hartmann= Über den Verstand Von =David Hume= Kritik der reinen Vernunft Von =Immanuel Kant= Zoologische Philosophie Von =Jean Lamarck= Die Arbeiterfrage Von =F. A. Lange= Geschichte des Materialismus Von =F. A. Lange= Emil oder Über die Erziehung Von =J. J. Rousseau= Aphorismen z. Lebensweisheit Von =Arthur Schopenhauer= Welt als Wille u. Vorstellung Von =Arthur Schopenhauer= Der Reichtum der Nationen Von =Adam Smith= Die Ethik Von =Baruch Spinoza= Voltaire Von =David Friedrich Strauß= Das Leben Jesu Von =David Friedrich Strauß= Der alte und der neue Glaube Von =David Friedrich Strauß= Alfred Kröner Verlag in Leipzig [Illustration: =KTA=] [Illustration: =KTA=] Kröners Taschenausgabe Jedes Bändchen gebunden 1 Mark 20 Pf. Der moderne Mensch Von =B. Carneri= Handbüchlein der Moral Von =Epiktet= Epikurs Philosophie der Lebensfreude Die vier Evangelien Deutsch von =Heinrich Schmidt= Goethes Faust Erster und zweiter Teil Gracians Handorakel und Kunst der Weltklugheit Die Welträtsel Von =Ernst Haeckel= Die italienische Renaissance Von =K. P. Hasse= Die deutsche Dichtung Von =Karl Heinemann= Dichtung der Griechen Von =Karl Heinemann= Dichtung der Römer Von =Karl Heinemann= Selbstbetrachtungen Von =Mark Aurel= Philosophisches Wörterbuch Von =Heinrich Schmidt= Vom glückseligen Leben Von =Seneca= Der Charakter Von =Samuel Smiles= Die Erziehung Von =Herbert Spencer= Die Nationen und ihre Philosophie Von =Wilhelm Wundt= Alfred Kröner Verlag in Leipzig Alfred Kröner Verlag in Leipzig Elemente der Völkerpsychologie Grundlinien einer psychologischen Entwicklungsgeschichte der Menschheit Von Wilhelm Wundt Zweite Auflage. Geheftet 12 Mark. Gebunden 14 Mark Inhalt: =Einleitung.= Geschichte und Aufgabe der Völkerpsychologie. Ihr Verhältnis zur Völkerkunde. Analytische und synthetische Darstellung. Die Völkerpsychologie als psychologische Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Einteilung in vier Hauptperioden. Erstes Kapitel. Der primitive Mensch. 1. Die Entdeckung des primitiven Menschen. 2. Die äußere Kultur des primitiven Menschen. 3. Der Ursprung der Ehe und der Familie. 4. Die primitive Gesellschaft. 5. Die Anfänge der Sprache. 6. Das Denken des primitiven Menschen. 7. Die Urformen des Zauber- und Dämonenglaubens. 8. Die Anfänge der Kunst. 9. Die intellektuellen und moralischen Eigenschaften des Primitiven. Zweites Kapitel. Das totemistische Zeitalter. 1. Allgemeiner Charakter des Totemismus. 2. Die Kulturkreise des totemistischen Zeitalters. 3. Die totemistische Stammesgliederung. 4. Die Entstehung der Exogamie. 5. Die Formen der Eheschließung. 6. Die Ursachen der totemistischen Exogamie. 7. Die Formen der Polygamie. 8. Die Entwicklungsformen des Totemglaubens. 9. Der Ursprung der Totemvorstellungen. 10. Die Tabugesetze. 11. Der Seelenglaube im totemistischen Zeitalter. 12. Der Ursprung des Fetisch. 13. Tierahne und menschlicher Ahne. 14. Die totemistischen Kulte. 15. Die Kunst des totemistischen Zeitalters. Drittes Kapitel. Das Zeitalter der Helden und Götter. 1. Allgemeiner Charakter des Heldenzeitalters. 2. Die äußere Kultur des Heldenzeitalters. 3. Die Entwicklung der politischen Gesellschaft 4. Die Familie innerhalb der politischen Gesellschaft. 5. Die Ständescheidung. 6. Die Berufsscheidung. 7. Der Ursprung der Städte. 8. Die Anfänge der Rechtsordnung. 9. Die Entwicklung des Strafrechts. 10. Die Sonderung der Rechtsgebiete. 11. Die Entstehung der Götter. 12. Die Heldensage. 13. Die kosmogonischen und theogonischen Mythen. 14. Der Seelenglaube und die jenseitige Welt. 15. Der Ursprung der Götterkulte. 16. Die Formen der Kulthandlungen. 17. Die Kunst des Heldenzeitalters. Viertes Kapitel. Die Entwicklung zur Humanität. 1. Der Begriff der Humanität 2. Die Weltreiche. 3. Die Weltkultur. 4. Die Weltreligionen. 5. Die Weltgeschichte. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen Metzger & Wittig, Leipzig. Weitere Anmerkungen zur Transkription Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Unterschiedliche Schreibweisen, insbesondere der lateinischen Werkbezeichnungen, wurden beibehalten. Die vorderen Werbeseiten wurden ans Buchende verschoben. Korrekturen: S. 27: überkommen → übernommen hatte die Scholastik aus dem Altertum {übernommen} S. 40: Diagramm wurde gedreht *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK LEIBNIZ: ZU SEINEM ZWEIHUNDERJÄHRIGEN TODESTAG 14. NOVEMBER 1916 *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. 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START: FULL LICENSE THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase “Project Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg™ License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™ electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™ electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your possession. 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