The Project Gutenberg eBook of Der Snob This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Der Snob Author: Carl Sternheim Release date: August 11, 2019 [eBook #60089] Language: German Credits: Produced by Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This transcription was produced from images generously made available by Bayerische Staatsbibliothek / Bavarian State Library.) *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER SNOB *** Produced by Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This transcription was produced from images generously made available by Bayerische Staatsbibliothek / Bavarian State Library.) +------------------------------------------------------------------+ | Anmerkungen zur Transkription | | | | Gesperrter Text ist als _gesperrt_ dargestellt, Kursivschrift | | als ~kursiv~. | | Eine Liste der Änderungen befindet sich am Ende des Buchs. | +------------------------------------------------------------------+ [Illustration] DER SNOB Komödie in drei Aufzügen von Carl Sternheim Leipzig im Insel-Verlag 1914 PERSONEN: THEOBALD MASKE LUISE MASKE, seine Frau CHRISTIAN MASKE, sein Sohn Graf ALOYSIUS PALEN MARIANNE PALEN, seine Tochter SYBIL HULL Eine Jungfer Ein Diener DER ERSTE AUFZUG ~Möbliertes Zimmer Christian Maskes.~ ERSTER AUFTRITT Christian ~erbricht einen Brief~: Das ist grotesk! ~An einer Tür~: Komm heraus, Sybil. SYBIL ~tritt auf~: Was gibt's Wichtiges? CHRISTIAN: Mein Vater im sechzigsten Jahr hat sich einen Bastard geleistet. In der Klemme verlangt er "Verauslagung der durch geburtshilfliche Praktiken ihm erstandenen Verpflichtungen" von mir. Was sagst du? SYBIL: Nichts, als daß ich durch dich in gleicher Lage sein möchte wie jene Frau durch deinen Erzeuger. CHRISTIAN: Laß die Albernheiten. Es ist himmelschreiend und wird von mir aus ein unerwartetes Gegenspiel haben. Ferner -- ich habe auch mit dir ernst zu reden. SYBIL: Ich muß heim. CHRISTIAN: Der gestrige Tag war in meinem Leben ein Abschnitt. Vier Jahre, die du mit mir lebst, sahst du mich von Tag zu Tag meinem Ziel näher kommen. SYBIL: Du hast wie ein Neger gearbeitet. CHRISTIAN: Die unter meiner Mitwirkung gegründeten afrikanischen Minen prosperieren, es ist kein Zweifel, der gestern in der Sitzung des Aufsichtsrats gemachte Vorschlag, mich zum Generaldirektor der Gesellschaft zu ernennen, wird von den Aktionären akzeptiert. SYBIL: Welcher Erfolg! CHRISTIAN: Ich besitze heimlich ein Fünftel der Aktien, die ich kaufte, als sie niemand mochte. Was ich, nunmehr im Sattel, an Möglichkeiten des Vermögens und sozialer Stellung für mich voraussehe, ist glänzend. SYBIL: Wer wies zuerst auf deine kaufmännischen Talente und machte dem traurigen Studium der Philologie ein Ende? CHRISTIAN: Du hobst mich aus dem tiefsten Elend, lehrtest mich Kleider anständig tragen, gabst mir, soweit es in deiner Macht stand, Umgangsformen. SYBIL: Was warst du für eine Erscheinung in zu kurzen Hosen und ausgefransten Ärmeln! CHRISTIAN: Gabst dich selbst dazu und Geld bisweilen. SYBIL: Das Entscheidende zuletzt -- mich selbst. Lebenssache. CHRISTIAN: Ganz klar möchte ich einmal vor uns beide hinstellen, wie tief ich dir verpflichtet bin; an so entscheidendem Tag zurückblicken ... SYBIL: Laß das. CHRISTIAN: Voll Dankbarkeit, um mich alsdann zu vergleichen und es für immer zu vergessen. SYBIL: Das wäre bequem. CHRISTIAN: Ich trete in kein neues Viertel meines Lebens, ohne daß aus dem vergangenen die Schuld bezahlt ist. In dieses Buch habe ich nach bestem Wissen und Gewissen aufgezeichnet, was du an Aufwendungen für mich geleistet. Dazu wurde die Summe fünfprozentig von mir verzinst. SYBIL: Christian! CHRISTIAN: Möglichkeiten, die du durch den Umgang mit mir versäumtest, sind ins Auge gefaßt, und ich kam auf eine Summe von vierundzwanzigtausend Mark, die ich dir schulde, und die du heute überwiesen erhältst. SYBIL ~nach einer Pause~: Mit Empfindlichkeiten zu kommen ... CHRISTIAN: Die du selbst in entscheidenden Dingen mir aberzogen, mit eisernem Besen aus mir herausgekehrt hast. Heute ist Abrechnung. Kein Fehler in der Addition und im Kalkul! Unsere Beziehungen im Vergangenen sind durch meine wirtschaftliche Gebundenheit in ihrem langen Charakter erklärt. Für die Zukunft hätte ich solche Begründung vor mir selbst nicht mehr. Um den nötigen Glauben an die Wirklichkeit meiner neuen Stellung zu haben, muß sich mit ihr alles um mich entsprechend ändern. Entweder du ziehst diesen Schluß der Vernunft ... SYBIL: Er heißt? CHRISTIAN: Wie sage ich es? Einfach mehr Distanz in Zukunft. Die genannte Summe und eine monatliche Apanage zwischen uns gesetzt, sorgt schon dafür. SYBIL: Ich bin in Empfindungen zerrissen. CHRISTIAN: Du weißt, ich habe nach deinen Lehrsätzen recht. Nur schmerzt es, sie auf dich angewendet zu sehen. Ich trete in das öffentliche Leben. Nirgends ein Fehler im Kalkul. SYBIL: Die Welt gestattet dir zwar eine bezahlte ... CHRISTIAN ~hält ihr den Mund zu~: Und so weiter. SYBIL: Bin ich denn in deinem Leben der einzige Punkt, der für die Zukunft bedenklich war? Gibt es nichts, das dich entscheidender in deinem Trieb, bürgerliches Ansehen zu gewinnen, stören könnte als ich in meiner bisherigen Stellung zu dir? CHRISTIAN: Du weißt es. SYBIL: Willst du folgerichtig handeln ... CHRISTIAN: Ich mache kein Hehl daraus. Was ich selbst bin, Erscheinung und Gedankenwelt, dafür bürge ich der Welt. Aber meine Eltern, dir ist es bekannt, sind Leute aus dem Volk. SYBIL: Tauchst du also jetzt in die Welt auf ... CHRISTIAN: Laß mich meine Gedanken selbständig denken. Du weißt, ich kann's. Leute aus dem Volk. Meine gute Mutter besonders. SYBIL: Sie konnten dir das gesellschaftlich Primitivste nicht beibringen. CHRISTIAN: Der Weg, den ich mache, ist durch meine Geburt ein besonders ungewöhnlicher. Daß es falsch wäre, durch Hervorzerren der Erzeuger den Abgrund zwischen Herkommen und errungener Stellung offenbar zu erhalten, liegt auf der Hand. Es wäre mehr als töricht-geschmacklos. SYBIL: Und da du heute nur den guten Geschmack anbetest ... CHRISTIAN: Ironien auf dem schlechten Gewissen deiner eigenen Vergangenheit wirken nicht. Was weiß irgend jemand von _deinen_ Eltern? Du hast sie einfach unterschlagen, still gemordet. Vielleicht saß dein Vater im Zuchthaus? Hieß er wirklich Hull? ~Er lacht~: Du hättest doch den Reiz, von dem du lebst. Er hatte in jedem Falle Eigenschaften, da der Glanz solcher Tochter von ihm ausging. Du unterbrachst mich mit deiner Zwischenrede. Die Differenz zwischen Herkunft und Heute ist erläutert. Doch kommt noch hinzu: das Bewußtsein, überhaupt zu verdanken, sei es das Leben, ist in meiner Rüstung ein schwacher Punkt. Wie alles in meiner Welt aus mir entstand, wie ich nur auf mich beziehe, für mich hoffe und fürchte, muß ich frei sein von Rücksicht auf jedermann, um zu marschieren. Und so fürchte ich Vater und Mutter. SYBIL: Was willst du tun? Ihnen eine Summe bieten, daß sie fortbleiben? CHRISTIAN: Mein Vater ist nicht schüchtern; hier verlangt er sie selbst. SYBIL: Du hast gelernt mit Geld umgehen. CHRISTIAN: Ich habe allerhand gelernt. SYBIL: Und da du konsequent bist, muß, wer dich liebt, zwar schweren Herzens zustimmen. CHRISTIAN: Die gleiche Einsicht hoffe ich von den Eltern. Wir sind einig? SYBIL: Ich erlebe die Änderung gerade: dich aus einer gewissen Entfernung mit einer Spur von Unterwürfigkeit ansehen. CHRISTIAN: Dinge gewinnen nicht an Wahrheit, wenn man sie ausspricht; wenn man sie tut. SYBIL: Doch an Klarheit. CHRISTIAN: Kluger Kopf. SYBIL: Ich liebe dich, Christian. Du bist der Fehler in der Rechnung meines Lebens. Ich gäbe die vierundzwanzigtausend für deinen Besitz jetzt. CHRISTIAN: So verdienst du in Not und Elend zu sterben. Da nimm einen Kuß umsonst. -- Du hast mir die Krawatte verschoben. SYBIL: Sie saß schon vorher infam. CHRISTIAN: So viel ich von dir lernte, das allein faßte ich nicht: den tadellosen Sitz einer Krawatte. Zeig ihn mir zum hundertsten Male. SYBIL ~bindet die Krawatte um den Hals einer großen Vase~: Zuerst einfaches Schlingen des Knotens. Zweitens Unterlegen des einen Endes als Masche. Durchziehen des anderen drittens. CHRISTIAN: Steht rechts ein Stück vor. SYBIL: Man schneidet's mit der Schere fort. CHRISTIAN: Kostet jedes Binden eine Krawatte. SYBIL: Und bringt ein: die Anerkennung der Verstehenden. CHRISTIAN: Worauf es bei allen Dingen ankommt. SYBIL, ~tiefer Knicks~: Ergebene Dienerin, Herr Generaldirektor. CHRISTIAN: Keinen Scherz. SYBIL: Ich habe vollkommen begriffen. ~Sybil exit.~ ZWEITER AUFTRITT CHRISTIAN: Angenehme Person alles in allem. ~Am Schreibtisch~: Aber nun den Verstand zusammengenommen. ~Er schreibt~: »Verehrter Graf Palen, die Einladung zum 26. d. Monats nehme ich mit ergebenem Danke an.« Ergebener Dank? Wollen sehen. »Empfehlungen an die Komtesse.« Zu familiär. Teils zu ergeben, teils zu vertraut. Vor allem darf er nicht merken, wie gern ich komme. Das Papier ist falsch. Besser Bogen mit Firmenkopf: Sekretariat der Monambominen. »Sehr verehrter Graf von Palen«. Wie das eingeschobene »_von_« distanziert! Die Sache muß als erste schriftliche Äußerung meinerseits in diesen Kreis hinein tadellos korrekt und doch irgendwie bedeutend sein. Wie schreibt er selbst? »Lieber Herr Maske, wollen Sie am 26. mit uns zu Abend essen, tout en petit comité? Der Ihre.« Auf schlichtem billigen Papier. Das hat den Ton freundschaftlich oberflächlicher Vertrautheit. »_Abendessen_« ist himmlisch! Bleiben wir um einen Grad förmlicher, aber so, daß immerhin -- ich möchte eine lateinische Vokabel einstreuen, die den Tenor männlich macht. Wie wird man mit vier fünf Silben solchen Gehirnen einen Augenblick wichtig? Das ist eine Preisfrage, aber sie muß gelöst werden. Einen Fünfsilber mit viel Vokalen und rollendem Takt für den Anfang. ~Er geht durch das Zimmer~: Dúm da da dúm da. Únaufgefórdert. Die zweite Silbe ist für mein Ohr länger als die erste. Falscher Takt. -- Pränumerándo -- das ist's im Ton, gibt aber natürlich keinen Sinn. Dúm da da dúm da. Ich muß es finden. DRITTER AUFTRITT THEOBALD MASKE ~tritt auf~: Da bin ich selbst. Mutter wartet unten. CHRISTIAN: Vater! THEOBALD: Das Malheur geschah gegen meinen Willen. Mir sind Knalleffekte zuwider. Aber bei Frauenzimmern stets das gleiche Unmaß. Jetzt soll man der Sache ins Auge sehen. CHRISTIAN: Seit deiner Pensionierung gibst du jedes Jahr eine Überraschung. THEOBALD: Ich hätte aus meinem Geleise nicht heraus sollen. Du hast mich zu früh zum Nichtstun gebracht. Die Kräfte sind nicht lahm und gehen nach allen Seiten in die Mannigfaltigkeit auseinander. Ich muß mit ihr erst einen Modus finden. CHRISTIAN: Ich rufe vor allem Mutter herauf. THEOBALD: Wir haben erst unsere Angelegenheit. CHRISTIAN: Die ordnen wir mit allem andern, ohne daß sonst jemand versteht. THEOBALD: Wie? CHRISTIAN: In unseren Gesprächen wird eine Summe genannt werden. THEOBALD: Inwiefern? Was gibt's? CHRISTIAN: Eine Summe sage ich, ein vielfacher Tausender. Du darfst, werden wir beide während der Auseinandersetzung sonst einig, stillschweigend tausend Mark für deine Verlegenheit hinzurechnen. THEOBALD: Du hast Bedingungen? CHRISTIAN: Ich stelle Bedingungen. THEOBALD: Da bin ich neugierig. CHRISTIAN ~am Fenster~: Dort steht sie. ~Er winkt~: Sie hat gesehen, kommt. -- Aber das unmögliche Kostüm! Du sagtest vorhin zu Anfang ein Wort, das mir auffiel. THEOBALD: In welchem Zusammenhang? CHRISTIAN: Es hatte einen anderen Rhythmus; aber es schallte doch. Erinnere mich später, gleich ... THEOBALD: Tausend Mark? CHRISTIAN: Wenn wir sonst ins reine kommen. ~Exit.~ THEOBALD: Da bleibe ich gespannt. VIERTER AUFTRITT ~Christian und Luise Maske treten auf.~ THEOBALD: Setz deinen Hut gerade, Luise. Der steht dir in die Stirn wie ein Studentenstürmer. Wir wollen hierher in die Großstadt ziehen, ich werde mich mit ihr in irgendeiner Beziehung einlassen und mich inwendig lebendig erhalten. LUISE: Es ist so eine Idee von Vater. CHRISTIAN: Zu einer Zeit, da meine angestrengte Aufmerksamkeit dem Ziel gilt, das ich vorhabe, könnte ich für euch keinen freien Augenblick aufbringen. LUISE: Dann freilich -- ich dachte es schon. THEOBALD: Wir sind letzthin gewöhnt, du kümmerst dich wenig um uns. Was ist das für ein Ziel? CHRISTIAN: Ich habe Aussicht, Generaldirektor der Gesellschaft zu werden, für die ich arbeite. LUISE: General! THEOBALD ~herrscht sie an~: Direktor! CHRISTIAN: Soll ich es zu Außergewöhnlichem bringen, müßt ihr Rücksicht nehmen, und diese Rücksicht fordert vor allem ... THEOBALD: Erlaube ... Wir haben uns zwanzig Jahre lang krumm gelegt, gaben dir eine Bildung, die sich sehen lassen kann. Oft unterblieb ein Sonntagsbraten. Denn wir liebten dich affenartig. LUISE ~leise zu sich~: Generaldirektor. CHRISTIAN: Dúm da da ... THEOBALD: Wir duckten uns, damit du in bessere Welt kommen konntest. Darüber sind wir zu Jahren gekommen, und heute steht es so: wollen wir noch etwas von dir haben, müssen wir uns beeilen. CHRISTIAN: Ich will sofort einen groben Irrtum beseitigen: seit meinem sechzehnten Jahr ist mir kein einziges Opfer deinerseits für mich bekannt. THEOBALD: Das ist stark! LUISE: Vater! CHRISTIAN: Ich habe dich von jeher in der Erinnerung, wie du im Haus vierfünftel des Platzes einnahmst, jeder Gedanke um dich kreiste. Schon auf dem Gymnasium erhielt ich mich durch Stundengeben, mein Studium und ferneres Leben bezahlte ich selbst. Wer einen siebzehnjährigen Sohn zwang, das Mittagsmahl in Gegenwart des Vaters stehend einzunehmen ... THEOBALD: Affenartig liebte ich dich. Du warst ein leckerer kleiner Kerl. Ist's wahr, Mutter? LUISE ~zeigt~: So klein. CHRISTIAN: Du hast, stets mit dir selbst beschäftigt, mein Leben bis zum heutigen Tag nicht angeschaut. In letzter Zeit mag dir eine sehr deutlich ins Auge springende Veränderung, meine breitere Lebensführung aufgefallen sein. THEOBALD: Das ist langweilig. Kurz -- was soll sein? CHRISTIAN: Ihr trefft mich an einem Tag, an dem ich vergangenes Leben bilanziere. Da nehme ich keinen falschen Posten auf. LUISE: Was meint er? THEOBALD: Wirst du schon hören. CHRISTIAN: Was an Aufwendungen wirklich für mich geleistet ist, habe ich nach bestem Erinnern in dieses Buch aufgezeichnet. Dazu wurde die Summe mit fünf vom Hundert verzinst. THEOBALD: Du willst eine Abrechnung? CHRISTIAN: Ja. THEOBALD ~setzt sich~: Laß sehen. ~Er setzt eine Brille auf.~ LUISE: Was meinst du? CHRISTIAN: Es kommt schon, Mutter. THEOBALD ~liest~: Unterhalt vom ersten bis zum sechzehnten Jahr -- pro Anno sechshundert Mark. Sechshundert Mark einschließlich Doktor und Apotheker ist etwas mager. CHRISTIAN: Ich war nicht krank. THEOBALD: Masern und Stockschnupfen fallen mir aus dem Kopf ein. Ich sehe deine ewige Rotznase vor mir. Wir wandten Kamillenspülungen an. LUISE: Eines Morgens hattest du vierzig Grad Fieber, ich fühlte mein Herz nicht mehr. CHRISTIAN: Die eingesetzte Summe reicht aus. LUISE: Kreisrunde rote Flecken auf dem ganzen Leibchen. THEOBALD: Sechzehnmal sechshundert ist neuntausendsechshundert Mark. Sieh mal an. »An einmaligen Zuwendungen.« Wie willst du dich sämtlicher Zuwendungen durch sechzehn Jahre erinnern? Die sind Legion. Der Posten ist von vornherein dubios. CHRISTIAN: Du findest von meiner Seite euch besonders in der letzten Zeit Gegebenes nicht gegenvermerkt. THEOBALD: Das wäre noch schöner. CHRISTIAN ~zu sich~: Ich gäbe etwas für das Wort. ~Er starrt in den Brief auf dem Schreibtisch.~ LUISE ~schüchtern zu ihm~: Und einmal das Geschwür am Hals. CHRISTIAN: Richtig, Mütterchen. THEOBALD: Ein halbes Dutzend Hemden von Hemdentuch nebst Kragen, zwei Paar Stiefel, als ich zur Universität ging -- fünfzig Mark. Ein goldener Ring -- da hört sich alles auf! Hat die Frau dem Burschen doch den Ring gesteckt. Und ich kehrte damals das Unterste zu oberst, ihn wiederzufinden. CHRISTIAN: Er war Mutters Eigentum und ihr Geleit ins Leben. THEOBALD: Mit hundert Mark ist er bezahlt. LUISE: Trägst du ihn noch? CHRISTIAN ~zeigt ihn am Finger~: Obwohl er mir täglich enger wird. THEOBALD: Immerhin eine tolle Angelegenheit und echt Luise. Endsumme rund elftausend. Samt Zinsen elftausendachthundert Mark. CHRISTIAN ~mit Betonung~: Elftausendachthundert. ~Räuspert sich.~ THEOBALD: Verstehe; die du mir zahlen willst? CHRISTIAN: Die ich dir schulde. THEOBALD: Du willst dich dieser Schuld entledigen? CHRISTIAN: Ich werde bezahlen. LUISE ~seine Hand in Händen~: Man kann ihn weiter machen. THEOBALD: Sieh einmal an! Das nenne ich nobel, mein lieber guter Junge. Apart, wie du die Geschichte behandelst. ~Er umarmt ihn~: Es liegt etwas Forsches darin, und wir wissen das durchaus zu würdigen. Man wäre also auf die vollkommenste Weise einig. CHRISTIAN: Du sprachst die Absicht aus, deinen Wohnsitz hierher zu verlegen. Das will ich nicht. THEOBALD: Machst du mir Vorschriften? CHRISTIAN: Ich erweise dir mit der Auszahlung des Geldes eine Gefälligkeit und erwarte eine andere von dir. THEOBALD: Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt. LUISE: Der Junge muß doch Gründe haben. THEOBALD: Das Weib bringt mich um den Verstand! Es ist in ihrer Gegenwart kein vernünftiges Wort möglich. CHRISTIAN ~geleitet Luise zur Tür~: Willst du dir ansehen, wie ich sonst wohne und schlafe, Mutter? LUISE ~leise~: Bleib nur ruhig. Es geschieht alles, wie du willst. ~Exit.~ CHRISTIAN: Euer Hiersein würde, wie gesagt, Kräfte brechen, die ich insgesamt brauche. THEOBALD: Ist es die Bedingung für die elftausendachthundert und so weiter? CHRISTIAN: Voraussetzung. THEOBALD: Da heißt es einfach überlegen: wo liegt schließlich unser Vorteil? Denn Affenliebe einmal beiseite, man muß in gesicherten Bezirken leben. Was wirft die Summe für eine Rente? CHRISTIAN: Sechshundert Mark in Industriepapieren. THEOBALD: Bist du von Gott verlassen! Mein Geld bekommt die Sparkasse. CHRISTIAN: Rund fünfhundert. THEOBALD: Das ist nicht üppig. Elftausend läßt sich an. Fünfhundert ist für die Katze, und dafür soll ich meine Freizügigkeit hergeben, das einzige Gut des bescheidenen Mannes? Darüber mußt du mal ruhig nachdenken, Gründe und Gegengründe erwägen. Nein -- verspräche ich dir wirklich auf Manneswort, wir bleiben, wo wir sind ... CHRISTIAN: Das will ich nicht. THEOBALD: Das willst du nicht; dies nicht und jenes nicht? Um alles in der Welt, was soll denn hier vor sich gehen? CHRISTIAN: Dein heutiger Überfall beweist, ich wäre auch in Zukunft vor euren Besuchen nicht sicher. THEOBALD: Überfall -- das ist ja! CHRISTIAN: In dem erörterten Sinne gemeint. Mein Leben steht vor einer vollkommenen Wendung. Ich muß, für die nächste Zeit vor allem, von verwandtschaftlichen Rücksichten frei sein. THEOBALD: Das ist in der Weltgeschichte beispiellos! Und wir, die sich deinetwegen die Butter vom Brot sparten, Opfer auf Opfer häuften trotz deiner Einrede? Sind denn Eltern ohne Opfer denkbar? Bedeutet nicht jeder Atemzug einer so kleinen Range Schmälerung irgendeines Genusses der Alten? Stört sie nicht im Schlaf, am Mittagstisch, in jeder Bequemlichkeit? Hat sie doch immer einen Defekt, den man mit Ärger und Kosten ausbessern muß. Bald bläst sie vorn, bald hinten nicht. Dazu eine Reihe alberner Feste, um die man sich inkommodiert. ~Zu Christian, der schweigend in einem Lehnstuhl sitzt, laut~: Schöne Kindesliebe das! ~Schlägt mit geballter Faust auf einen Tisch~: Schöne Kindesliebe! LUISE ~steckt den Kopf durch die Tür und macht, von Theobald ungesehen, Christian beruhigende Zeichen~: Ich sorge schon. THEOBALD: Wie? ~Da Christian still bleibt, wirft er sich entfernt von ihm in einen Stuhl und sagt ruhig~: Hätte ich das gewußt, im ersten Bade wärest du ersäuft. ~Pause.~ THEOBALD: Und sind doch mehr als hundert Kilometer von dir entfernt. Das ist die vielgerühmte Kindesliebe. Ja, ja. ~Er lacht auf~: Ha! Und praktisch? Wie denkst du dir denn praktisch die Angelegenheit? Kommen wir auch in den gewohnten Verhältnissen mit meiner Pension und den fünfhundert zur Not aus, kein Mensch wird uns zumuten, die Unbequemlichkeiten der Übersiedlung, Schwierigkeiten neuer Wohnsitzgründung ohne ein Äquivalent auf uns zu nehmen. CHRISTIAN: Das wird kein Mensch euch zumuten. THEOBALD: Ohne ein bedeutendes Äquivalent. Wer will es leisten? CHRISTIAN: Unter Umständen ich. THEOBALD: Sieh mal an. CHRISTIAN: Wir haben eine ganze Reihe durch landschaftliche Reize und ökonomische Vorteile ausgezeichneter Städte auch in Europa, ziehst du nicht von vornherein Amerika vor. THEOBALD: Was?! CHRISTIAN: Gut, gut. ~Er hat einen großen Atlas und einen Baedeker zur Hand genommen~: Es käme zum Beispiel Brüssel in Frage. ~Liest aus dem Buche~: Brüssel, des Königreichs Belgien Hauptstadt, mit achthunderttausend Einwohnern. Die Stadt liegt in fruchtbarer Gegend an den Ufern der Senne, eines Nebenflusses der Schelde. Die Oberstadt mit den Staatsgebäuden ist Sitz der Aristokratie und der vornehmen Gesellschaft. THEOBALD, ~der bequem sitzt und andächtig zuhört~: Nicht übel, zeig das Buch. ~Er liest vor~: »Und der vornehmen Gesellschaft. Sprache und Sitte französisch.« Und du glaubst, ein Deutscher von Schrot und Korn läßt sich dazu herbei, welsche Sitten anzunehmen? Basta! CHRISTIAN: Wohin ich in allererster Linie dachte, ist Zürich. Ein völlig idealer Aufenthalt, ein kleines Paradies in jeder Hinsicht. Und die Sprache ist Deutsch. THEOBALD: Laß etwas davon hören. CHRISTIAN ~liest aus einem anderen Bande vor~: Mit annähernd zweihunderttausend Einwohnern ist Zürich die bedeutendste Stadt der Schweiz am Züricher See und der immergrünen Limmat. THEOBALD: Immergrün sagt man sonst vom Tannenbaum. CHRISTIAN: An der Westseite fließet die im Frühjahr reißende Sihl. THEOBALD: Die ist schon überflüssig, Wasser wär's genug. Bedauerlich, daß ich nicht schwimmen kann. Christian ~liest~: Die Lage der Stadt ist herrlich an dem kristallklaren See, dessen sanft ansteigende Ufer mit hohen Häusern, Obst- und Weingärten besät sind. THEOBALD: Niedlich. CHRISTIAN ~liest~: Im Hintergrund die schneebedeckten Alpen, ganz links grüßt der gewaltige Rücken des Glärnisch. ~Er zeigt im Atlas~: Hier das Weiße! THEOBALD: Teufel! CHRISTIAN ~liest~: Die Küche ist gut. Die Bevölkerung derb und bieder. THEOBALD: Sozusagen. CHRISTIAN: Dazu Ausflüge in die hinreißende Umgebung. THEOBALD: Das reine Kanaan. CHRISTIAN: Luzern und Interlaken, ja das gesamte Alpenland wird dir unmittelbar erreichbar, gewissermaßen Eigentum. Ahnst du, was ein Alpenglühen bedeutet? THEOBALD: Was denn weiter? CHRISTIAN: Ein Naturschauspiel von fulminanter Großartigkeit, ein Nonpareille. In Zürich könnte ich mit der Bedingung, ihr überlaßt mich die nächsten Jahre durchaus mir selbst, deine Bezüge zu einer ausreichenden Rente aufrunden. THEOBALD ~nach einer Pause~: Ich habe rein menschliche Bedenken. CHRISTIAN: Unterlaß alle Anmerkungen. THEOBALD: Man soll sich aussprechen. CHRISTIAN: Das Leben eines Menschen meiner Art setzt sich aus Fakten zusammen. Mit Gesprächen hältst du mich auf. Hinter diesem wartet ein anderes Wichtiges. THEOBALD: Sechzig Jahre bin ich heute, deine Mutter fast ebenso alt. Wir haben im Leben nicht viel Gutes gehabt, bleiben auch nicht mehr lange in dieser Welt mit dir beisammen. CHRISTIAN: Spürst du nicht, dieser Ton ist machtvolleren Dingen gegenüber eindruckslos? Kommt schon die Stunde, wo wir, einzelnes erläuternd, bequem davon reden können. Jetzt gehts Schlag um Schlag. Zweitausendvierhundert Franken kommen von mir aus jährlich zu deinen Einkünften. In drei Wochen seid ihr übersiedelt. Hurtig, Vater, mir brennt's in den Eingeweiden. Der Kampf um die sichtbare Stelle im Leben ist gewaltig, der Menschen unzählige. Wo ich einen Fußbreit auslasse, drängt eine Legion den Schritt ein. THEOBALD: Ich bin ganz paff. Habe nie so eine Kreatur gesehen. Wie soll ich über all diese Novitäten ins reine kommen, wann einsehen, wo für mich der höhere Sinn darin sich zeigt? CHRISTIAN: Hier, jetzt. Fünf Minuten gebe ich dir. THEOBALD: So folge ich dir unentschieden und werde wie ein Begossener und Halbertrunkener sein. CHRISTIAN: Vertraue! THEOBALD: Wo soll für mich der höhere Sinn stecken? CHRISTIAN: Später. Abgemacht, Vater? THEOBALD: Donner und Doria! Meine ganze Welt ist durcheinander. CHRISTIAN: Zweitausendvierhundert, das ist neunzehnhundert Mark. THEOBALD: Und fünfhundert -- macht mit dem Meinen annähernd fünftausendsechshundert. CHRISTIAN: Siebentausend Franken. ~An der Tür~: Mutter! THEOBALD: An der Limmat? Ich bin starr. CHRISTIAN ~reicht ihm Atlas und Reisebücher~: Informiere dich. LUISE ~tritt auf, leise zu Christian~: Ich sorge schon, daß alles geschieht. Dies Tuch auf deinem Nachttisch, solche Wäsche, Spitze und Batist -- ach Christel, sei vorsichtig mit den Frauen. Verführung zum Genuß, ich weiß, jedem kommt es einmal. Aber hat man dann Kinder, und wird Generaldirektor und kann stolz vor Gott sagen: meine Mutter war makellos! THEOBALD ~fassungslos~: Unter Tirolern! LUISE: Das ist auch etwas. Ein herrlicher Lohn. CHRISTIAN: Gewiß, Mutter. ~Umarmt sie.~ LUISE ~im Hinausgehen~: Mein Christel. ~Luise, Theobald, Christian exeunt.~ FÜNFTER AUFTRITT CHRISTIAN ~kommt schnell zurück~: Einmal hatte ich das Wort beinahe. ~Er sieht in den Brief~: Er sagte es im Zusammenhang mit seiner zu frühen Pensionierung, und daß jetzt seine Kräfte schweiften -- wohin -- wohin? In -- Mannigfaltigkeit! Das ist es! ~Er schreibt~: »Mannigfaltigkeit der Geschäfte, verehrter Graf Palen, verhindert mich leider, Ihre liebenswürdige Einladung anzunehmen.« So ist es eine Absage geworden, doch wer weiß, wozu sie gut ist. ~Es hat geläutet. Exit.~ SECHSTER AUFTRITT ~Christian und Graf Palen treten gleich darauf auf.~ GRAF: Ich komme, die angeschnittene Frage Ihrer Ernennung persönlich noch einmal mit Ihnen durchzusprechen. Der Aufsichtsrat muß, ehe er sie den Aktionären gültig anbietet, bis ins letzte wissen, wessen sich die Gesellschaft von Ihnen zu versehen hat. Als Feind geschäftlicher Auseinandersetzungen bat ich Baron Rohrschach, den Besuch zu übernehmen, doch fand man es schicklicher, ich ordne die Sache, da meine Beziehungen zu Ihnen vertrautere sind. CHRISTIAN: Danke, Graf. GRAF: Die Monambominen sind die Unternehmung einer kleinen Gruppe von Menschen, die denselben Überzeugungen leben. Haben nun auch Geschäfte und gesellschaftliche Anschauung nicht ohne weiteres einen Zusammenhang, ist doch einzusehen, man will einen Mann an der Spitze seiner Geschäfte, der der ganzen Lebensauffassung nach zu uns gehört. ~Christian verbeugt sich.~ GRAF: Wir glauben nun, in Ihnen den gefunden zu haben, der mit Tüchtigkeit die noch seltenere Gabe vereinigt, ein Empfinden für die durch Kult errungenen Werte des feineren Geschmacks zu besitzen, das insbesondere da am Platz ist, wo die brutale Wahrheit der Zahlen ein bedeutendes Gegengewicht fordert. ~Christian verbeugt sich.~ GRAF: Sie haben sich mir gegenüber des öfteren in Fragen des Lebens in einem Sinne geäußert, der durchaus mit der Meinung unserer Kreise übereinstimmt, an Schärfe dieselbe fast übertrifft. Ich würde mit dem Wortschatz der liberalen Partei ihn als aristokratisch reaktionär bezeichnen, ~er lacht.~ und zwar, was mich am stärksten berührte, die Eindringlichkeit Ihres Vortrages schien auf Herzenssache zu deuten. Bitte? CHRISTIAN: Es ist so. GRAF: Merkwürdig. Gibt zu Überlegungen Anlaß. Ich bin durchdrungen. Sie stammen aus einem ausgezeichneten Haus. Ihre Erziehung ist vollendet sogar in dem Sinne, daß Sie erkannten, auf der Basis gewisser selbstverständlicher Besonderheiten, die wir errangen, ist das unauffällig Uniforme das Korrekte. Man sieht's an Gesten, aber auch am Sitz einer Krawatte. Kurz und gut, was uns noch fehlt, ist irgendeine von Ihnen gegebene Versicherung, die Niederlegung in einen verpflichtenden Satz, den wir den Beteiligten als Ihr Bekenntnis vorstellen können. CHRISTIAN: Ich verstehe. GRAF: Bei einem Rohrschach bedeutet das Prädikat »Baron« gar nichts anderes als diesen Satz, vorausgesetzt, der Mann ist kein Deklassierter. Gewisse Garantien nach gewissen Richtungen. Bei Bürgerlichen können markante Taten von Vorfahren bedingungsweise Gewähr leisten. CHRISTIAN: Wovon in meinem Fall keine Rede ist. GRAF: Welches Urteil durchaus keinen Tadel einschließt. Auch in zu hohem bürgerlichen Ansehen gelangten Familien begnügt man sich mit diesem alle Mitglieder einschließenden Gut. Es reicht hin, Sie finden aus der in Ihnen von Voreltern aufgespeicherten gesellschaftlichen Überlegenheit das packende Wort. Ich habe nicht das Vergnügen, Ihren Herrn Vater, Ihre Eltern, kurz ... CHRISTIAN: Tot. Alles tot. GRAF: Und mit Genugtuung darf ich sagen, Sie genügen mir als Repräsentant. Ich sehe Sie ergriffen? CHRISTIAN: Ich bin's, Graf, in dem Augenblick, da ich aussprechen darf, was mein Herz seit der Jugend bewegt, da ich es sagen soll: nie habe ich eine andere Sehnsucht gehabt, als zu sein wie jene, die auch äußerlich sichtbar in einem Adelsdiplom den Adel der Taten ihrer Ahnen tragen, an ihrer Seite, von ihnen als Helfer angenommen, die Grundsätze zur Geltung bringen zu dürfen, deren geschichtliche Vertreter sie sind. Es steht mir nicht zu, aufzuzählen, welche Opfer ich diesem Ziele schon gebracht, doch bin ich bereit, Ihnen in die Hand zu schwören, mein irdisches Leben ist ihm einzig geweiht. GRAF: Sie sind ein prächtiger Kerl, aus einem Guß. In diesem Augenblick haben Sie mich überzeugt. Ich danke. Glaube für Ihre Ernennung bürgen zu können. Darf ich rauchen? Meiner Einladung zum Freitag werden Sie folgen? CHRISTIAN: Das heißt ... GRAF: Wie denn? CHRISTIAN: Also dann -- trotz der _Mannigfaltigkeit_ meiner Geschäfte. GRAF: Glaub's, daß Sie arbeiten. In meiner Tochter Marianne finden Sie einen Menschen, der an einem Charakter wie dem Ihren Gefallen hat. CHRISTIAN: Von den bedeutenden Gaben der Komtesse hörte ich mehrfach sprechen. GRAF: Enchanté, lieber Maske. CHRISTIAN: Nehmen Sie meinen Dank, Herr Graf. GRAF: Herr Graf? Also auch Sinn für die Nuance. CHRISTIAN: Auf dem Boden der Voraussetzung sonstiger Uniformität. GRAF: Geistreich und sehr charmant, lieber Freund. ~Exit.~ CHRISTIAN, ~der ihn bis zur Tür begleitet, kehrt zurück, sieht flüchtig in den Spiegel und beginnt dann, an einer Vase eine Krawatte zu binden~: Erstens einfacher Knoten. Unterlegen des einen Endes als Masche. Durchziehn des anderen. Und nun die Schere. ~Er schneidet~: Was dich ärgert -- dein linkes Auge, wirf es von dir. Diese Krawatte sitzt tadellos. Das ist erreicht! DER ZWEITE AUFZUG ~Salon bei Christian Maske.~ ERSTER AUFTRITT GRAF: Er muß nach Worten des Dieners sofort zurück sein. MARIANNE: Wir kamen zehn Minuten vor der festgesetzten Zeit. -- Da ist der Corot. GRAF: Der den Vorwand für unseren Besuch gibt. MARIANNE: Ein schönes Bild. Glück, mit solchen Dingen leben zu dürfen. GRAF: Es kann dir werden. MARIANNE: Als seine Frau? Ist es dein Ernst, Vater? GRAF: Ernst, Marianne. Beschäftigt uns beide nicht seit Wochen der Gedanke, ohne daß wir ihn erörtern? Des Mannes Auftreten ward letzthin so dringend ... MARIANNE: Liebt er mich? GRAF: Wollen wir nicht anders fragen? Nähmst du ihn auch, besäße er seine Reichtümer nicht, die uns aus einer Reihe schwieriger Umstände retten? MARIANNE: Auf diese Frage kann ich nicht antworten. Als du ihn die ersten Male brachtest, wußte ich kaum, wer er war; nichts von seiner Situation. Mein Gefühl entschied frei. Ich empfinde, wie jedes Ding, auf das er seinen Willen wirft, sich mit dem Glück, aus dem heraus man sich einer Naturkraft beugt, schließlich hingeben muß. GRAF: Tiens! MARIANNE: Ja, Väterchen, hier liegt Entscheidung für Marianne. GRAF: Ich hatte vorausgesetzt, du würdest Widerstände in dir zu besiegen haben. MARIANNE: Sie sind noch sämtlich unbesiegt. Wir kamen uns nicht nahe, unser Gespräch verließ die Konvention niemals, doch fühlte ich, trat er zu mir, und meine Person richtete sich angegriffen hoch, wie er, just er, mich völlig niederwerfen konnte. GRAF: Mich juckt's mit ihm. MARIANNE: Warum? Ist dir ein Zug von ihm bekannt, der nicht korrekt war? GRAF: Nein. MARIANNE: Lebt er nach unseren Gesetzen? GRAF: Durchaus. Doch gerade dagegen sträubt sich letzten Endes mein Sinn. Ich beobachte ihn seit zwei Jahren, und was mich anfangs rührte, entsetzt mich jetzt beinahe. Folgt wirklich dieser Bürgerliche seiner Natur, lebt er unser Leben, wodurch unterscheiden wir uns von ihm? Du weißt, ich halte Adel für ein Produkt der Züchtung im Hinblick auf Werte, die ihr Wesen in der Zeit haben, also nicht in einer Generation zu erringen sind. Wie der Herzog von Devonshire, von einem Heraufkömmling um die Pracht der Rasenflächen in seinen Gärten beneidet, und wegen der Pflege um Rat gefragt, zur Antwort gab, man müsse, um solche zu erhalten, nichts tun, als den Rasen früh morgens ein paar Jahrhunderte lang tüchtig bürsten. Voilà. Ich habe in meinem Leben Sonderliches zustande zu bringen nie versucht, war nur ein Adliger mit dem Bewußtsein angeborener Besonderheiten. Offenbart dieser Mann, es bedarf keiner Vorfahren, um gewisse unschätzbare Güter zu besitzen, bin ich in meiner Bedeutung vor mir selbst geleugnet. MARIANNE: Kann von einem außerordentlichen Verstand die Summe des uns Eigentümlichen nicht erfaßt, mit Eindringlichkeit der Arbeit an sich selbst langsame Veredelung durch Generationen nicht eingeholt werden? GRAF: Besitz, welcher Art er auch sei, wird ersessen. Fehlt ihm dieses Merkmal, ist er erborgt, und es kommt der Augenblick, wo ungünstige Beleuchtung, irgendein Mißgeschick, die Vorspiegelung aufdeckt. Den Moment erwarte ich bei diesem Manne. MARIANNE: Mithin stehst auch du in sein Leben verstrickt. GRAF: Doch nicht, um mich von ihm besiegen zu lassen, sondern um an ihm die klaffende Wunde zu entdecken, die ihn hinwirft. Ja, selbst um sie ihm bei Gelegenheit beizubringen. MARIANNE: So könnte es das Schicksal fügen, ich stünde gegen dich. GRAF: Das verhüte Gott! MARIANNE: Verhüte du's. Von diesem Manne empfange ich die erste volle Empfindung meines Lebens. Noch schwärmt sie ungeklärt, und mit Glück ist Abwehr gemischt. Ein seliges Geheimnis, das sich natürlich entdecken, doch nicht führen lassen will. GRAF: Entlarvt er sich aber vor unseren Augen selbst? MARIANNE: Er wird uns im Gegenteil immer undurchdringlicher und überraschender kommen. Die wenigen Zeichen, die ich von seiner Person habe, geben mir Gewißheit, er ist außerordentlich und steht über unserer Voraussicht. GRAF: Marianne! MARIANNE: So glaube, so fühle ich, Vater. Aber was auch kommen mag, du hast mich eine herrliche Jugend leben lassen. Fünfundzwanzig glückliche Jahre habe ich durch deine Güte gehabt. GRAF: Ich war zu nachgiebig. MARIANNE: Und wirst es ferner sein. GRAF: Nur bis an die Grenze des Möglichen. MARIANNE ~eindringlich~: Liebe steckt die Grenzen weit. ZWEITER AUFTRITT CHRISTIAN ~im Reitanzug tritt schnell auf~: Gnädigste Komtesse. Graf. Wenigstens kann ich zu meiner Entschuldigung sagen, der Kolonialminister hielt mich auf, wollte meinen Rat. GRAF: Er ist des Lobes voll von Ihnen, will Sie nächstens unserer allergnädigsten Majestät präsentieren. CHRISTIAN: Zur Entscheidung seiner Frage hätte es Genies bedurft, das ich nicht besitze. Die ungeheuere Verantwortung bricht in Dingen, die das Wohl des Staates angehen, die Kraft jeder Meinung, die ihr Bewußtsein nicht in Gott hat. GRAF: Magnifique! Was ritten Sie heute? CHRISTIAN: Einen Chamantsproß aus der Miß Gorse. -- Gefällt Ihnen das Bild, Komtesse? MARIANNE: Ich habe in solchen Dingen nicht Urteil genug. Doch ergreift es mich. CHRISTIAN: Es ist kein Meisterwerk Corots; Valeurs und Tonalität aber eigenartig. GRAF: Können Sie so etwas bestimmen? CHRISTIAN: In meinem Leben sah ich zwei- bis dreihundert Bilder des Malers. GRAF: Wo nehmen Sie die Zeit her? CHRISTIAN: Ich nehme sie kaum. Nicht viel mehr als ein Blitz kam von der ersten Leinwand zu mir. Doch zündete sie, und ich war für den Rest lebendig. ~Zu Marianne~: So geht es mit allen Dingen. GRAF: Wir müssen fort. ~Zu Marianne~: Für ein halb zwölf hast du dich zu Friesens angesagt. CHRISTIAN ~zum Grafen~: Begleiten Sie die Komtesse oder darf ich Sie um ein paar Minuten bitten? GRAF ~zu Marianne~: Brauchst du mich? MARIANNE: Bleib. CHRISTIAN ~zu Marianne~: Ich bringe Sie zum Wagen. ~Marianne und Christian exeunt.~ DRITTER AUFTRITT ~Graf nimmt von einem Tisch ein Buch~: Gothaer Almanach. Gräfliches Taschenbuch. Er hat sich unterrichtet. ~Er blättert und liest~: Palen. Westfälischer Uradel, der mit Rütger Palen 1220 urkundlich zuerst erscheint. Augustus Aloysius mit Elisabeth Gräfin von Fürstenbusch, gestorben auf Ernegg sechzehnten Juli 1901. Meine gute Lisbeth. Kinder: Friedrich Mathias, unseres Geschlechtes letzter Sproß, und Marianne Josefa, die nun einen Herrn Maske heiratet. VIERTER AUFTRITT CHRISTIAN ~tritt auf~: Die Komtesse hofft vorbeifahrend Sie gegen zwölf Uhr hier abholen zu können. Graf Augustus von Palen, ich bitte Sie um die Hand Ihrer Tochter Marianne. GRAF: Da Sie den Antrag so bündig stellen, haben Sie ihn nach jeder Richtung hin reiflich erwogen. CHRISTIAN: So reiflich, Graf, wie Sie mit Ihrer Tochter die Antwort. GRAF: Nicht doch. Ich kenne die Entscheidung der Komtesse nicht unbedingt. CHRISTIAN: Wie lautet sie bedingt? Verzeihung, erst Ihre eigene Meinung. GRAF: Ich selbst bin gegen die Verbindung. Doch wird meine Ansicht nur gehört und bleibt ohne entscheidenden Einfluß. Haben Sie mit meiner Zustimmung gerechnet? CHRISTIAN: Ich fühlte Ihre starken Widerstände. GRAF: Sie bewundernd, mußte ich mich doch fortgesetzt stärker zu Ihnen distanzieren. Die Komtesse dagegen scheint, der Wahrheit die Ehre, einigermaßen von Ihnen emballiert. CHRISTIAN: Soll ich meine äußeren Umstände näher auseinandersetzen? GRAF: Ich kenne Ihre Laufbahn aus eigener Anschauung, alle überraschenden Erfolge finanzieller und gesellschaftlicher Art. Von Ihrer großen Zukunft bin ich felsenfest überzeugt. CHRISTIAN: Gab mein Charakter Grund zu Bedenken? GRAF: Er gab keine Angriffsfläche. CHRISTIAN: Darf ich fragen? GRAF: Ganz offen: Standesvorurteile. CHRISTIAN: Danke. Das muß sein. Eben diese innerliche Abgeschlossenheit ist eine Eigenschaft Ihrer Kreise, die ich verehre. Nur gegen meine Person gerichtet, hätte es mich stärker berührt. GRAF: Aber Sie können nicht Verehrer eines Prinzips und zugleich Angreifer desselben sein. CHRISTIAN: Ich liebe Ihre Tochter. GRAF: Sie heirateten sie auch, wäre sie nicht Gräfin Palen? CHRISTIAN: Das weiß ich nicht; sie ist als Reiz unteilbar. GRAF: Mit der Voraussetzung, die Komtesse nähme Ihren Antrag an. CHRISTIAN ~macht eine unwillkürliche Bewegung, die seine Erschütterung verrät~. GRAF: Bis eben meinte ich, Sie zu kennen. Jetzt, da die Möglichkeit auftaucht, Sie uns näher attachiert zu finden, sehe ich, wie fremd Sie noch blieben. CHRISTIAN: Man hat unsereinem gegenüber nicht die Mittel, sich aus einem Buch über den Stall, aus dem er kommt, zu belehren. Tappt gegen eine dunkle Sache. GRAF: Wirklich läßt, mit geringen Ausnahmen, der bürgerliche Name seinen Träger anonym. Unaufgezeichnet ist er ungemerkt und in seinen Handlungen unbeaufsichtigt. Wir, die in dieses Buch verzeichnet sind, handeln unter den Augen unserer Sippen das Leben ab, und der Verzicht auf die Wollüste eines freien Lebens in namenloser Masse gibt uns ein Recht, unsere Verdienste bemerkt und belohnt zu sehen. CHRISTIAN: Ohne Frage. Doch müßte dem Mann, der den nicht zu beugenden Willen hat, die Konsequenzen solcher Anschauungen zu tragen, der Eintritt in die Gemeinschaft frei sein. GRAF: Unbeugsamkeit beweist erst die Zeit an Geschlechtern. CHRISTIAN: Die Disposition ist auch aus bürgerlichen Vorfahren zu erkennen. GRAF: Ihre Eltern, Voreltern? CHRISTIAN: Beamte. Durch das Bewußtsein, dem Staat zu dienen, vorbereitet. Kleine Beamte nur -- mein Vater ... GRAF: Die schlichte Abstammung offenbart persönliches Verdienst um so bedeutender, wie uns der allerhöchste Herr erst kürzlich wieder belehrte. Der Fall unseres Postministers, der aus ähnlichem Milieu wie Sie stammt, ist der einleuchtendste. CHRISTIAN ~laut lachend~: Überhaupt beginnt das ärmlich, aber reinlich gekleidete Elternpaar allenthalben aufzukommen. GRAF: In der Tat. Wir kennen nun uns're Ansichten. Die Entscheidung hängt von uns nicht ab -- warten wir. Ich muß aber noch hinzufügen: meine Tochter bringt keine Mitgift in die Ehe. Sie wurden reich, wir verloren bis auf Reste unser Vermögen und schränken uns ein, meinem Sohn den Zuschuß zu gewähren, den das Regiment verlangt. CHRISTIAN ~verneigt sich~: Darüber ist kein Wort zu verlieren. DER DIENER ~tritt auf~: Der Wagen der Komtesse. GRAF ~exit~: Ich übermittele Ihnen die Entscheidung. FÜNFTER AUFTRITT CHRISTIAN: Jetzt hätte ich es sagen können: Sie leben in Zürich. Vorbereitet und durch das Geständnis seiner Mittellosigkeit in Verlegenheit, hätte er es geschluckt, und sie waren offiziell präsentiert. Nun heißt es, die neue Gelegenheit abpassen; aber ich fühle, sie ist völlig in meiner Gewalt. Warum dann warten? Hierher müssen sie. Sofort! Und ist der Augenblick gekommen -- persönlich sie vorstellen. Mediam in figuram jedermann. Wollen doch sehen! Wie die Alten sich freuen werden! ~Er schreibt und liest~: Kommt mit dem nächsten Zug. Erwartet euch hier freudigste Überraschung. ~Er läutet~: Von dem Wagen, mit dem ich sie am Bahnhof hole, bis zum eigenen Bad an ihren Zimmern muß ihnen alles ein großes Staunen sein. DIENER ~tritt auf~. CHRISTIAN: Das Telegramm sofort abtragen. DIENER ~exit~. CHRISTIAN: Mutter soll auch ihre Schlummerrolle ins Bett haben. Wenn sie vorm Einschlafen überdenkt, was sie und ich von meiner Zukunft geträumt, und wie es noch viel besser gekommen ist, muß sie ein erfülltes Leben spüren. Sie werden sich schnell anpassen. Die schlimmsten Unarten sind bald abgewöhnt, und Schneider und Putzmacherin tun das letzte. SECHSTER AUFTRITT ~Sybil tritt auf.~ CHRISTIAN: Kind, ich bin froh. Weißt du, wer kommt? SYBIL: Die Eltern. CHRISTIAN: Wer sagt dir das? SYBIL: Notwendigkeit. Zwei Jahre, seit ihrem Abschied, zappelst du an dem Haken deiner Sehnsucht. Ich wußte, an wen du beim Einschlafen dachtest. Warum, wenn du von großen Gewinsten sprachst, dein Auge hochzuckte. Durch die räumliche Trennung hast du dich auf deine Art völlig in die beiden alten Menschen verrannt. Schließlich brachtest du nichts mehr vor, ohne gleichnishaft einen von ihnen zu erwähnen. CHRISTIAN: Ich entbehrte sie schwer. SYBIL: Am Ende hattest du dir die Überzeugung beigebracht. CHRISTIAN: Mutter und ich waren stets eine Seele. Sie kannte sich gar nicht außer mir. Wie ein kleiner König stand ich zu ihr. Meine große Zukunft bejahte sie im voraus. Wir brauchten uns in dem Gedanken nur anzusehen und lachten. Vater war wie die Begleitung im Kontrabaß dazu. SYBIL: Hast du nicht dasselbe Vertrauen unbedingt bei mir gefunden? CHRISTIAN: Doch wolltest du Dank. Hier aber war ein Mensch stets unbedankt, stets durch mich glücklich. SYBIL: Dafür hat sich dein Vater während dieser Zeit schamlos gegen dich betragen. In der Überzeugung, dich durch sein Erscheinen schrecken zu können, hat er ein über das andere Mal von dir die Summen erpreßt, die er brauchte. CHRISTIAN: Insgesamt nicht viel mehr als ein paar Tausender. SYBIL: Hätte er eine Vorstellung von deiner geänderten Lebensführung, er wäre anders ins Zeug gegangen. Er würde sich, sähe er die Wirklichkeit, gütlich tun. CHRISTIAN: Er soll's. Nichts anderes wünsche ich. Das ist das Dämonische an diesen Geschlechtern, deren Wurzeln noch auf dem Erdboden laufen, die Gesamtheit fühlt nicht einheitlich, atmet und bewegt sich nicht mit einem Ruck von einem Zentrum aus. Es praßt der eine, wo der andre darbt. Ist aber der Gedanke lebendig, von einem Stamm entsprossen, mit ihm durch feinste Adern noch verbunden, ist unser Wohl von seiner Gesundheit abhängig, so freut uns jedes Glück, das ihn in irgendeinem Ast trifft. SYBIL: Der Gedanke ist schrecklich altertümlich, nicht aus unserer Zeit heraus. CHRISTIAN: Darfst du das behaupten, Mädchen? Weißt du mehr von den Erschütterungen der Epoche als ich? Weil du dich an Phrasen der Sozialdemokratie berauschst, die dir mit dem Recht, das noch der Jämmerlichste hat, die Ohren vollbläst. SYBIL: Ich sehe Wirklichkeit. Millionen, die den Hunger zu stillen über den, der den Weg zum Brot sperrt, müssen. CHRISTIAN: Kämpfe ums Dasein. Die habe ich auch durchgemacht und dabei ganz anders als Myriaden den Boden in mir aufgerissen; von Trieben geschnellt, flog ich durch den Brei der Bequemen, weil ich wußte, jenseits fängt erst das Leben an. Du sahst ja, wie ich ankam, die Fetzen mir vom Leibe riß und das flatternde Band am Halse zu einer festen Krawatte knüpfte. Mich allmählich zur Form erzog, der der höhere Mensch im Zusammenleben bedarf. SYBIL: Nie ruht der Kampf. Auf jeder nächsten Stufe, auf der höchsten, steht der Stärkere, der Todfeind, den du besiegst, oder er vernichtet dich. CHRISTIAN: Das ist proletarisch gedacht. Generationen hast du noch zu laufen, bis dir die Wahrheit schwant. SYBIL: Und dabei war ich es, die ihn lehrte ... CHRISTIAN: Den Fisch nicht mit dem Messer zu fressen, daß ich nicht in den Zähnen stocherte! Über all den äußeren Kram bist du nicht hinweggekommen. Dein Anzug ist der Anzug der Frau von Welt. Aber in welcher inneren Notwendigkeit bist du ihr inzwischen angenähert? SYBIL: Das war nicht mein Ziel. CHRISTIAN: Ressentiment. SYBIL: Und du, weil du dich zu dem Entschluß verstiegst, deine Eltern zurückzuholen ... CHRISTIAN: Die ich liebe. SYBIL: Da es in der Welt plötzlich Beispiele schlichter Erzeuger gibt. CHRISTIAN: Vergöttere! SYBIL ~lacht~: Weil es schick wird. Nie würde ein liebender Sohn dulden ... CHRISTIAN: Kein Wort mehr! SYBIL: Daß deine neuen Kreise sich an der famosen Strohkapotte deiner Mutter, an deines Vaters Schmierstiefeln berauschen. Deine erste Tat, die sie vor Entwürdigung und dich vor Demütigung schützte, war zarteste Rücksicht für sie und klug dazu, wie dein Erfolg lehrt. CHRISTIAN: Ich erwarb Geld und muß nicht mehr vor den Nöten des Lebens flüchten. Endlich darf ich verweilen und die irdischen Güter betrachten. Der erste Luxus, den der reiche Mann treibt, ist seine Familie. SYBIL: Dein Vater, deine Mutter sind nicht Luxusgegenstände. Liebst du sie wirklich, treibe den Kult im Kämmerlein. Doch opfere sie nicht der Eitelkeit, daß bei dir alles sein muß, wie der gute Ton es vorschreibt. Du willst die Gräfin heiraten. Tu's. Aber gib ihr mit deinen Eltern kein Gleichnis, aus dem sie dich beurteilen kann. Bleib ihr fremd und geheimnisvoll. Du hast so viel, was keiner außer dir besitzt, du mußt nicht auch noch Eltern haben. CHRISTIAN: Närrisch bin ich mit dem Gedanken. Meine gesamte Ziffernmacht, allen Einfluß strenge ich bis zum äußersten an, meinem Vater Geltung zu verschaffen. Keine Widerworte! Ich will! Das sind Dinge, für die in dir jede Voraussetzung fehlt, da von deiner Geburt an alles Zufall in dir war. SYBIL: Du möchtest eine Kluft zwischen uns aufreißen. CHRISTIAN: Sie ist seit langem da. Im Handeln und Denken. Wir sind Fremde. Geh! SYBIL: Wirklich so fremd, Junge? Du warst doch der, der Zwanzigmarkstücke von mir nahm? CHRISTIAN: Du träumst. Ich bin der, der dich bezahlte, und der dich in diesem Augenblick ablohnt. Spare alle Worte. SYBIL: Ein einziges -- mein Leben dafür --, das dich kennzeichnete und ausdrückte, wie niedrig ich dich empfinde. CHRISTIAN: Finde es zu Haus. Entstellst du mich mit Verdächtigungen wie den eben geäußerten vor dir selbst, zerstörst du dir das Andenken deiner großen Leidenschaft. Doch bleibt das deine Sache. Wagst du sie vor anderen, drohen dir unnachsichtlich die Gerichte. ~Sybil steht ihm gegenüber, starrt ihn an und stürzt hinaus.~ SIEBENTER AUFTRITT CHRISTIAN: Endlich. Diese Brücke abgebrochen zu Ufern, die man nicht mehr sah. Versuche eines Embryos des Menschtums, dich mit Redensarten deiner Natur und notwendigen Schlüssen abspenstig zu machen. ~Er hat ein Florett zur Hand genommen und macht Fechtübungen~: Aber da dir die Kulöre deines Temperaments genau bekannt sind, werde nicht blaß vor dir selbst, mach ein Bild, eine saftige Figur aus dir und denk nicht an die Unterschrift, die die Zuschauer geben. ~Da es wiederholt geläutet, geht er öffnen~: Wer ist das? ~Nach einem Augenblick hört man draußen seinen Aufschrei~: Mutter! ACHTER AUFTRITT ~Treten auf Theobald Maske in Trauer und Christian.~ THEOBALD ~nach einer Pause, während der Christian, gegen die Tür gelehnt, schluchzend steht~: Am Schicksal ist nicht zu deuten. Jetzt soll man der Sache ins Auge sehn. Wäre es nicht wie der Blitz gekommen, hätte ich dich vorbereitet. Aber sie war immer für das Überraschende und hat es noch mit dem Tode so gehalten. CHRISTIAN: Wir müssen sie überführen und hier mit gebührendem Pomp ... THEOBALD: Auch das ist seit gestern vorbei. CHRISTIAN: Nicht einmal dazu riefest du mich! THEOBALD: Warum sollte ich dir Umstände machen? Und noch dazu wußte ich nicht, ob's dir hier in den Kram paßte. Beerdigung ist immerhin eine offizielle Angelegenheit. Die Sekunde, in der ihr während der ganzen windschnellen Katastrophe schwante, um was es sich für sie handele, hauchte sie auch: Daß nur Christian nichts davon erfährt. Also ganz in ihrem Sinn. Friert dich? ~Christian exit.~ THEOBALD: Es hat doch starken Eindruck auf ihn gemacht. Sieh mal an. CHRISTIAN ~kommt zurück, einen schwarzen Anzug über dem Arm. Er kleidet sich während des folgenden, teilweise hinter einem Wandschirm, um~: Du darfst jetzt ruhig berichten. THEOBALD: Das ist gleich getan. Sie saß auf ihrer Bank, trank Kaffee, wie sie das so machte, immer das Stück Zucker auf der Zunge. Sie hätte Hitze, sagt sie, und sank hin. CHRISTIAN ~schluchzt beherrscht~: Keine Krankheit vorher, kein Leid? THEOBALD: Nichts. CHRISTIAN: Wie lebte sie letzter Tage? War sie froh? THEOBALD: Man hatte immer den gleichen Eindruck: es ist eben Luise. CHRISTIAN: Wie standest du zu ihr nach jenem Malheur? THEOBALD: Ich habe das nie übertrieben; ihr blieb alles, mit Seltenheit und Regelmäßigkeit geführt, verborgen. CHRISTIAN: Du hast damals nicht mit jenem Weibe gebrochen? THEOBALD: Sie war mir zu phantastisch dazu. Ich schob es besser auf die lange Bank. So blieb es, nicht aufgebauscht, ganz unwichtig und lief ins Gleichmaß der Dinge. Durch mich hatte deine Mutter letzthin angenehme ruhige Tage. CHRISTIAN: Ich werde mit dem Architekten, einem Bildhauer wegen des würdigen Grabmals gleich mich ins Vernehmen setzen. Niemandem kann ich anvertrauen, wie ich an ihr gehangen. Vielleicht findet der Künstler den Ausdruck dafür. THEOBALD: Vielleicht. ~Pause, während der Christian noch Zeichen seines Schmerzes gibt und sein Trauerkleid vollendet.~ CHRISTIAN: Welch trostlose Verkettung der Umstände. Heute hättest du bei dir zu Haus das Telegramm gefunden, das euch zu den glücklichsten Eröffnungen herrief. THEOBALD: Du hast uns telegraphiert? CHRISTIAN: Ich erwartete euch mit Ungeduld. THEOBALD: Was ist hier Wichtiges vorgefallen? CHRISTIAN: Kamst du einige Stunden später, du hättest deinen Sohn verlobt gefunden. THEOBALD: Schau! Ist das Mädchen hübsch? CHRISTIAN: Es ist -- Gräfin. THEOBALD: Christian! Wo hast du den Mut her? CHRISTIAN: Gehört Mut dazu? THEOBALD: Jeder aus seiner Haut; denke ich aber, du steckst ein wenig in meiner -- da hast du ja einen tollen Satz gemacht. CHRISTIAN: Über uns fort, Vater. THEOBALD: Es ist unheimlich. Und jene? CHRISTIAN: Das ist alles, was du mir dazu sagst? THEOBALD: Aus meiner Natur ist es wie ein Knalleffekt! CHRISTIAN: In einer ganz natürlichen Entwicklung eine logische Folge. THEOBALD: Ein subalterner Beamter ich, deine Mutter Schneiderstochter -- es hat etwas von einer Gewalttat an sich. Und der Vater Graf, die ganze Verwandtschaft -- Junge, du bist verrückt! CHRISTIAN: Was heißt der Unsinn? THEOBALD: Das ist doch toller als alle Komödien der Welt. Da machst du einen ja lächerlich. Kennst du denn gar keine Rücksichten mehr? Einen Grafen habe ich überhaupt noch nicht bei Leibe gesehen. Kann man denn nicht zu dir kommen, ohne daß du das Unterste zu oberst kehrst? Ich sage doch! Ein Subalterner in Pension. CHRISTIAN: Das ist Larifari. THEOBALD: Ein Unglück ist es! Wie wagst du eigentlich, mir das anzutun? Mit Fingern müssen die Leute auf mich zeigen. CHRISTIAN ~betreten~: Aber ... THEOBALD: Die Seyfferts! Schon deine Mutter war eine überspannte Person. Ich werde närrisch. Habe ich mich doch nicht so, als du damals die Sperenzien mit uns machtest, über den Tod meiner Frau habe ich mich nicht so aufgeregt. CHRISTIAN: Aber Vater ... THEOBALD ~immer erregter~: Die Maus mit der Giraffe willst du verkuppeln, Seiltänzerstücke machen, ins Anomalische steigst du ja! Deine Mutter stirbt mir mit sechzig Jahren, ich bin sie gewöhnt, mir war's ein Schlag, aber schließlich flüchtet man in die Natur der Sache. Maskes aber, hier dieser gewisse, allenthalben genau bekannte Theobald und eine ganze Grafenfamilie! Es ist um den Verstand zu verlieren. ~Christian hat in Resignation das Florett genommen.~ THEOBALD ~ganz außer sich~: Willst du mich morden? Besser bleibe ich ein normaler Beamter hier auf dem Platz, als daß ich der allgemeinen Belustigung zum Opfer falle. Hast du denn aus der Jugend keine Erinnerung mehr? An unsere Stübchen und den Kanarienvogel; nicht wie wir über den Graben schlurften, und du an unserer Seite den Herrn Kanzleirat ehrfürchtig grüßen mußtest? Was aber kann ein Kanzleirat gegen einen Grafen. CHRISTIAN ~ängstlich~: Hör mir doch zu ... THEOBALD: Und wer sind wir erst auf der Stufenleiter? Daß ich nicht närrisch werde! CHRISTIAN: Mir ist deine furchtbare Aufregung unverständlich. THEOBALD: Und die Folgen? Ist dir von unmittelbaren, verhängnisvollen Folgen nichts eingefallen, die jedes Kind sieht? Als du uns beide alte Leute in die Fremde schicktest, schäumte ich vor Wut; allmählich aber sah ich mit Luisens Hilfe eine zwar grausame Vernunft darin, den höheren Sinn des Handels für dich, wenn auch nicht für mich. Und da du es sonst an nichts fehlen, den anderen Teil leben ließest, kam ich zur Ruhe. ~Er springt auf~: Und jetzt wagst du solchen ... CHRISTIAN: Ich unterbreche dich. Sogar ehe an diese Heirat zu denken war, überwältigte mich ein Begehren, das vom Augenblick unserer Trennung an in mir immer stärker geworden ist. Von nun an dachte ich mit euch, da es anders beschlossen ist, mit dir sehr innig gemeinschaftlich zu leben. Ich wollte dich bitten, deinen Wohnsitz überhaupt hierher zu verlegen. THEOBALD ~fällt in einen Stuhl~: Das ist klassisch! CHRISTIAN: Du ... THEOBALD: Nicht dein Ernst? CHRISTIAN: Völlig. Ich konnte diesen Grad der Abneigung deinerseits nicht voraussehen. THEOBALD: Dein Ernst?! CHRISTIAN: Ich begreife nicht. THEOBALD ~auf ihn zu~: Wie? CHRISTIAN ~weicht unwillkürlich zurück~: Begreife nicht ... THEOBALD: Immer noch nicht? CHRISTIAN: Das heißt, verstehe wohl, was du meinst. Halte aber dein Bedenken für übertrieben ... teilweise. THEOBALD: Übertrieben? CHRISTIAN: Andererseits ... THEOBALD: Übertrieben?! CHRISTIAN ~eingeschüchtert~: Natürlich andererseits -- wenn wirklich -- natürlich. Mein Gott, müßte man eben auf seinen Lieblingswunsch verzichten -- schweren Herzens. Auf deiner Teilnahme an der Hochzeit bestehe ich aber unter allen Umständen. THEOBALD: Darauf noch die Antwort: Entweder du machst diesen Vorschlag unbefangen nur so hin, dann bemerke ich: deinen Vater als Clown bei diesem Witz mitwirken sehn zu wollen, ist Unsittlichkeit. Mit einer Gräfin am Arm in meiner Aufmachung durch die Kirche Spießruten zu laufen, später als Mann aus dem Volk lächerlich bei Tisch zu sitzen ... CHRISTIAN: Vater! THEOBALD: Danke. Oder du willst an mir niedrige Rache dafür nehmen, daß ich dich in deiner Jugend meine väterliche Gewalt fühlen ließ, indem du jetzt vor aller Welt mein Selbstgefühl demütigst; vielleicht aber soll diese Einladung gar ein Pflaster für Mutters Tod sein. Nein, Christian, um Gottes willen nicht! Tu für mich, was du bisher getan, und ich bin zufrieden, und willst du mehr, so überlege noch einmal gründlich, was du vorhast. In jedem Falle aber mußt du mich als eine bestimmte Größe in deinem Lebensplan einstellen: einer, der mit solchen Sachen nichts zu tun hat, dich aber unter keinen Umständen, nicht im geringsten molestiert. Darum bin ich vorhin die Hintertreppe heraufgekommen. Und nun will ich mir nur noch etwas Garderobe kaufen. CHRISTIAN: Mein Schneider, meine Lieferanten selbstverständlich ... THEOBALD: Die sind auf unsereinen nicht eingerichtet. Ich habe andere Quellen. Und abends reise ich heim. ~Er nimmt Hut und Stock.~ CHRISTIAN ~ängstlich~: Ein paar Tage solltest du wenigstens bleiben. THEOBALD: Ich sollte nicht! Laß doch den Firlefanz. Warum sprichst du überhaupt nicht in dem alten vernünftigen Ton mit mir? Ungesehen verschwinde ich auf dem Wege, auf dem ich kam, brauchst mich nicht zu bringen. In der nächsten besten Kneipe esse ich etwas. Und kommst du mal vorbei, ihr Grab zu sehen, soll's mich freuen. Bist, von diesem Unsinn abgesehen, sonst ein guter Kerl; läßt einen leben. NEUNTER AUFTRITT DIENER ~tritt auf~: Graf Palen! GRAF ~folgt sofort~: Marianne wollte zuerst, einem schönen Drange folgend, es Ihnen selbst sagen -- sie war sehr glücklich -- innig beglückt -- ~Theobald hat den Versuch gemacht, zu verschwinden.~ GRAF: Bitte mich vorzustellen. CHRISTIAN ~in höchster Verwirrung~: Mein Vater ... bitte. GRAF: Tiens. Ah das --! Nein das -- aber sehr angenehm. Graf Palen. Sehr erfreut! ~Reicht Theobald beide Hände~: Und dachte ich immer -- wie kam ich nur darauf? Sah unseren Freund als Waise -- ~Er lacht~: Wahrhaftig! Doch um so angenehmer. Charmant. CHRISTIAN: Mein Vater, von Zürich kommend, wo er lebt, kündigt mir den Tod meiner Mutter an. So gewinne ich Marianne im rechten Augenblick. ~Er sinkt dem Grafen an die Brust.~ GRAF: Meine aufrichtige Teilnahme. ~Zu Theobald~: Auch Ihnen, verehrter Herr. THEOBALD ~verbeugt sich~: Danke, Herr Graf. GRAF: Ich kann nichts Besseres raten: eilen Sie zu Ihrer Braut. Inzwischen bleiben die alten Herren beisammen. ~Zu Theobald~: Haben Sie gefrühstückt? Nein? Also auf! Die Frau, eine Braut ersetze ich nicht, doch was ein anständiges Essen vermag ... CHRISTIAN: Mein Vater wollte gleich zurück. GRAF: Aber das muten wir ihm nicht zu. THEOBALD: Frühstücken sollte man in jedem Fall. GRAF: Das ist jetzt mein Ehrenamt. Mit Kondolieren und Glückwünschen verbringen wir die kürzeste Zeit. Ihr Sohn hat Sie lange genug unter Verschluß gehalten; bei einer Flasche Rotspon beschnuppert man sich. THEOBALD: Beschnuppert -- ist gut. GRAF: Sagt man nicht so? THEOBALD ~lacht~: Ich würde beschnuppert sagen, Herr Graf. CHRISTIAN ~bei Theobald, zischt~: Graf! ~Zum Grafen~: Mein Vater will unbedingt mit dem Mittagszug heim. GRAF ~energisch~: Aber lassen Sie doch endlich! Der alte Herr muß vor allem ausgiebig frühstücken. Und alles andere findet sich später. Kommen Sie! ~Graf und Theobald exeunt.~ ZEHNTER AUFTRITT CHRISTIAN: Was war das plötzlich für ein Ton von ihm? Habe ich einen Fehler gemacht? ~Am Fenster~: Er läßt ihn vor sich in den Wagen steigen? Welch umständliche Höflichkeit. -- Ich habe einen Fehler gemacht! Meine Hilflosigkeit, meine Verlegenheit um ihn hat er bemerkt. Bin ich rot, blaß? ~Er läuft zum Spiegel~: Ich zittre ja wie Espenlaub! ~Er springt auf einen Stuhl am Fenster~: Er offeriert ihm eine Zigarre. Beide lachen über's ganze Gesicht. Worüber? Über mich? Herrgott, einen furchtbaren Fehler habe ich gemacht! Wollte ich nicht auftrumpfen, habe ich vor fünf Minuten hier nicht geschworen, mich mit ihm brüsten, rühmen zu wollen? Hatte ich doch den einzig richtigen Instinkt. Und nun wird er es Marianne, wird es der ganzen Familie klatschen, ich wollte meinen Vater verleugnen. Kann er nicht behaupten, ich hätte ihn ehemals totgesagt? Das leugne ich ihm aber brüsk ins Gesicht ab. Gegenmaßregeln! Schnell! Was? ~Er läutet. Diener tritt auf.~ Setzen Sie die Fremdenzimmer in Bereitschaft. Mein Vater kam an. Dem alten Herrn soignierteste Bedienung. ~Diener exit.~ CHRISTIAN ~ihm bis zur Tür nach~: Halt! Wartet man nicht besser ab, was kommt? Vielleicht bekäme man ihn doch noch ohne allzu großes Aufsehen fort. Nein, nein und endlich nein! Wie ich es heute morgen in mir wußte, wie es sich schon bewiesen hat: mit größter Geste muß ich ihn als etwas Außergewöhnliches darbieten. Sofort in Szene setzen! Von weither vorbereiten! Und es soll die ganze Familie umfassen. Wenn es nicht schon eine Katastrophe ist. ~Er läuft im Zimmer umher~: Was werden sie am Weintisch tun? Was wird er aus dem Alten herausholen? Wenn er, wenn der andere besoffen ist? Warum bin ich denn nicht mit von der Partie?! ~Außer sich~: Um Gottes willen! Ja um Gottes willen! ~Er heult auf~: Statt meinem schlichten Kindesinstinkt zu folgen. Ich könnte mich ohrfeigen!! DER DRITTE AUFZUG ~Salon eines Hotels, reich mit Blumen geschmückt. Im Hintergrund ein breiter Vorhang.~ ERSTER AUFTRITT ~Christian im Frack und Orden unter dem Mantel, Marianne Brautkleid unter dem Überwurf treten auf.~ CHRISTIAN: Endlich Luft, Ruhe. MARIANNE: Diese Blumen. ~Bei einem Strauß~: Vaters. ~Sie nimmt eine Karte und liest~: Für meinen verlorenen Engel Marianne. Und hier hier -- welch himmlische Orchideen! ~Liest~: Von einer Unbekannten. CHRISTIAN: So? Sentiment. -- Was sprach er am Tisch fortwährend mit meinem alten Herrn. Hörtest du die beiden? MARIANNE: Wer soll das sein? CHRISTIAN: Fiel's dir nicht auf? Keiner war für seine Tischdame zu haben. Die dicke Gräfin ... MARIANNE: Tante Ursula ist fast taub und hatte schließlich das halbe Essen auf der Serviette. CHRISTIAN: Wer war der Johanniter zwei Plätze rechts von ihr? MARIANNE: Mutters Vetter Albert Thüngen. CHRISTIAN: Der Bengel starrte mich unaufhörlich wie eine Erscheinung an und aß darüber nicht. MARIANNE: Er hat eine richtige Froschschnute; heißt Frosch darum. CHRISTIAN: Seltene Dekorationen waren am Tisch. Bist du mit der Prinzessin so intim, wie sie dich behandelte? MARIANNE: Wir wurden sieben Jahre gemeinsam erzogen. CHRISTIAN: Sieben Jahre. Ihr duzt euch? MARIANNE: Sind doch durch unsere Urgroßmutter miteinander verwandt. CHRISTIAN: Die Erzherzogin? JUNGFER ~tritt auf~: Wollen gnädigste Komtesse sich nicht umkleiden? MARIANNE: Ich bin nun gnädige Frau geworden, Anna. JUNGFER: Gut, gnädige Komtesse. MARIANNE: Aus mit der Komtesse und Albernheiten. Ich verlange Respekt! JUNGFER ~schluchzt~: Ja, gnädige Frau. MARIANNE: Was gibt's? JUNGFER ~auf Mariannes Hand gebeugt~: Es ist alles so rührend; gnädige Frau gehören uns nicht mehr. MARIANNE: Mir selbst nicht mehr. Mädchenlos. Auch deins. ~Beide durch den Vorhang ab.~ ZWEITER AUFTRITT CHRISTIAN ~springt an den Vorhang und lauscht nach hinten~: Diese Anna, das richtige Galgengesicht. Was solche Domestikenbagage hinter Schlüssellöchern auffängt und weitergibt ... DER JUNGFER STIMME: ... Sahen überirdisch aus. Der Herr Pastor weinte ... MARIANNES STIMME: ... alte Jansen ... Unsinn! DER JUNGFER STIMME: ... echte Brüsseler Spitze ... nein, Brüsseler in breiten Volants ... Rosenknospe ... MARIANNES STIMME: ... Ilse Zeitlow hellblau Atlas zum blonden Haar ... DER JUNGFER STIMME: ... Sah man doch ~leiser~: ihren Busen mit Absicht. MARIANNES STIMME: Um Gottes willen! ~Gekicher, dann Geflüster.~ CHRISTIAN ~sich näher hinbeugend~: Ah! Das Gewisper wie stets und überall. Wo ich hinkomme, erschlägt's das Wort. Flüstern und zu Boden sehen. ~Gelächter in Absätzen.~ DER JUNGFER STIMME: ... Schnurrbartspitzen. CHRISTIAN: Das bin ich! Jener Tag war mein Waterloo. DER JUNGFER STIMME: ... ein bißchen lächerlich. MARIANNES STIMME: Still! CHRISTIAN: Canaille! Hab's schon gehört, Marianne. Doch diesen Abend noch dringe ich in den Tempel deines Herzens und stelle fest, was du weißt. ~Neues Gelächter.~ CHRISTIAN: Nur gelacht. Schadenfreude heraus! Öffne, Viper, alle Ventile in ihre Blutbahnen. Denn nachher spüle ich mein Weib bis zum letzten Molekül rein von deinem Gift. DER JUNGFER STIMME: Es war zu komisch. CHRISTIAN: Nicht so, Äffin, wie du meinst, und noch ist nicht aller Tage Abend. Meine Konterminen sind geladen. Losgeschossen, überdonnern sie alles, was vorher laut wurde. ~Es ist hinten ganz still geworden.~ Still? Was haben sie jetzt? ~Er kniet zur Erde und versucht, unter dem Vorhang hindurchzusehen~: Wäsche, Fleisch und Gesten. Aber ein Wort ist hier not, das Geständnis, wieviel die Welt dir geklatscht, vom Vater angefangen bis zu dieser Laus. Ich habe einen so bedeutenden Plan angelegt, es aus dir herauszulocken, daß es dir schwer werden soll, ein Tittel für dich zu behalten. Du trittst nicht über die Schwelle meines Namens, Weib, es sei denn, derselbe ist ehrfürchtig und gerührt von dir empfunden. DIE JUNGFER ~tritt auf~: Darf ich an den Koffer der gnädigen Frau? ~Sie entnimmt demselben einen Gegenstand und verschwindet durch den Vorhang.~ CHRISTIAN: Man ließ mich nicht früher an dich heran, wie man sich selbst verhüllte. Doch heute bist du mir zum Examen ausgeliefert. Mit Finessen will ich rekognoszieren, wo in deiner Familie mein grimmigster Feind sitzt. Er muß mit all seinen Schikanen ans Licht, und sollte ich dein Gewissen bis zum Zerreißen spreizen. ~Er stiert in den Koffer~: Was stopfte man dir in die Tasche? Was gibt's in dem Koffer an Büchern? Schmähschriften? ~Er zieht ein Buch aus dem Koffer~: Das Neue Testament. Was mag tiefer in den Eingeweiden gegen mich aufgehäuft sein? Das wollen wir bei Gelegenheit bis in die Nieren bloßlegen. DRITTER AUFTRITT ~Theobald im Frack steckt den Kopf durch die Tür~: CHRISTIAN: Das ist unerhört! THEOBALD: Nur einen Augenblick. CHRISTIAN: Was gibt's noch? THEOBALD: Zärtlichkeit. CHRISTIAN: Du bist betrunken. THEOBALD: Teilweise. Aber ich bin auch zärtlich. Wollte den ganzen Abend dir einen Kuß hinhauchen, doch erwischte ich dich nicht. Räsoniere nicht, Bengel. Du bist ein Tausendsasa und ich durch und durch stolz auf dich. Du hast mir alle Vorbehalte von der Seele gerissen wie Papierhemden. Als Sieger bist du über meine Meinungen und Prinzipien hinweggegangen. Ich lebte allzeit von Sprichwörtern: Schuster, bleib bei deinen Leisten und so weiter. Du aber ganz einfach aus dir selbst. Wie du heute mit diesen Leuten umgingst, nicht wie mit deinesgleichen, sondern fast von oben herab; wie sie dich voll bodenlosen Respekts anstaunten, und wie du dir so ein adeliges Hühnchen ins Bett holst, das brachte mein Bürgerblut zum Sausen. Da hast du mich weich gemacht; ich sinke hin an deine Brust. ~Umarmt ihn.~ CHRISTIAN: Leise, sie ist dort. Bist du nicht betrunken? THEOBALD: Teilweise. Aber was ich sage, gilt für voll. Bei Tisch, als alles in Orden prangte, war es dein stolzes Köpfchen ... CHRISTIAN: Vater! THEOBALD: Stolzes Köpfchen, mein geliebter Junge, wie ich sage. Unsere Mutter hätte dabei sein sollen. Morgenröte, Morgenröte war mein Gefühl, soll man's für möglich halten! CHRISTIAN: Ist es denn wahr? THEOBALD: In dir ist alles Maskesche um ein paar Löcher weiter geschnallt. Ich seh doch, wie's in den Scharnieren hinaufgleitet. Du hast mich völlig in dir; schweig. Jetzt kommt das Geständnis, eine ehrwürdige Sache. Das sagt sonst ein Vater zum Sohn nicht: Ich bin überflüssig, verschwinde in die Versenkung. Meine Beziehung zur Welt, der höhere Sinn von mir -- bist du. Wegjagen wolltest du mich. Hattest es schon eher im Bewußtsein, doch mir schien es Gewaltsache mit Feindlichkeiten. Heute ist es ein angenehm glattes Ding: beiderseitige grenzenlose Zufriedenheit. Johanna geht, und nimmer kehrt sie wieder. Glücklich nach Zürich, große Hauptgasse No. 16. Da lebt Maske als Kanzleirat a. D. und stiert begeistert seinen Sohn an. CHRISTIAN: Man kommt! THEOBALD: Laß sie. Wir sind jetzt ein und dieselbe Sache. Mach weiter so und keinen Fehler ... Sie haben Mißtrauen, Abscheu, Haß und so weiter; aber sie haben bodenlose Achtung aus Verständnislosigkeit. CHRISTIAN: Das sagst du? THEOBALD: Auf der Basis einer allgemeinen großen Trunkenheit habe ich mich in ihr Vertrauen geschlichen. Da man das Band des Adlers von Hohenzollern für das Eiserne Kreuz hielt, öffneten sie sich bis in die Eingeweide. CHRISTIAN: Und der Alte? Der Lapsus jenes fatalen Tages? THEOBALD: Da hatte er wohl Verdacht, und er mag in ihm weitergelebt haben. Da aber heute die Tafelrunde: als schließlich ich mich lichterloh an dir entzündete, ergriff ihn die Flamme gleichfalls. Zudem hatte die rührende Taube da drin das Vaterherz schon vorher mürbe gemacht. Es kapitulierte vollständig. CHRISTIAN: Fertig also mit ihnen? THEOBALD: Sie sind hin. Und nun greif fester zu. Nicht nachlassen. Auf meine Art hatte ich stets die Überzeugung von der Bedeutung unseres Stammes. Konnte sie aber nur den Allernächsten mitteilen. CHRISTIAN: Mir! THEOBALD: Und du schnellst uns weiter. CHRISTIAN: Ich spannte den Bogen. In meinen Fäusten klirrt die Sehne. THEOBALD: Ihr den ersten Pfeil. Triff tief. CHRISTIAN: Wir kletten uns fest. THEOBALD: Ins Gewebe. CHRISTIAN: Ich setze den Trumpf auf. Den Trumpf! THEOBALD ~späht durch den Vorhang~: Respekt! CHRISTIAN: He? THEOBALD: Hehe! ~Beide kichern und fallen sich in die Arme.~ CHRISTIAN: Maske for ever! THEOBALD: Verstehe, oder so ähnlich. Blutsache! ~Er hüpft zur Ausgangstür, wirft Kußhände. Exit.~ CHRISTIAN: Hier stand Leben auf der Höhe eines Schauspiels. Ein Ziel ward gekrönt. Zerknirschung des Feindes, Verbeugung vor dem Sieger. Abgang durch die Mitte. Aber es kommt noch bedeutender: Probe auf das Exempel, wie weit wirklich die nähere Umgebung hinsank; und dann soll die Frau, auf die es vor allem ankommt, an diesem feierlichen Abend grenzenlose Ehrfurcht zelebrieren. Das muß vor mir ein glattes Hinschlagen sein. VIERTER AUFTRITT MARIANNE ~in einem Negligé tritt auf~: Gefall ich dir? CHRISTIAN ~zu sich~: Darauf kommt jetzt nichts an. MARIANNE: Die Spitzen haben eine zärtliche Geschichte. Mutter trug sie an dem betreffenden Abend ihres Lebens. CHRISTIAN: Nichts entspricht. MARIANNE: Ich -- keiner aus deiner Vergangenheit? Sag mir alles. Du sollst kein Geheimnis vor mir haben. Die wievielte bin ich, und welche war besonders? Ist ein Gedanke, ein Hauch von einer anderen noch bei dir? CHRISTIAN: Welche Sprache! Wie komme ich da zur Vernunft? MARIANNE ~die Arme um seinen Hals~: Einmal mochte ich einen Fähnrich; ich erst sechzehn. Er weiß und rosa mit blonden Haaren auf der Lippe; weiter wußte ich nichts von ihm. CHRISTIAN: Was weißt du von mir? MARIANNE: Schließe ich die Augen: Du bist groß und dunkel, hast breite Glieder und wippst beim Gehen. CHRISTIAN: Ist das wahr? ~Er geht vor den Spiegel und macht ein paar Schritte.~ Allenfalls könnte man von einem wiegenden Gang sprechen. Rhythmus ist in der Bewegung. MARIANNE ~lacht hell~: Und wie marschiere ich? ~Hebt den Rock und trippelt.~ CHRISTIAN: Was sonst noch? Was ich treibe? MARIANNE: Geschäfte. CHRISTIAN: Welcher Art? MARIANNE: Bank. Kommt es darauf an? CHRISTIAN: Mit sechsunddreißig Jahren bin ich Generaldirektor unseres größten wirtschaftlichen Konzerns. Kontrolliere einen fünften Teil des Nationalvermögens. MARIANNE: Tiens! CHRISTIAN: Das Wort gehört deinem Vater. Sprach er von meinen Angelegenheiten mit dir? MARIANNE: So hin. CHRISTIAN: So hin. Darin liegt alles. MARIANNE: Ich bin müde. CHRISTIAN ~für sich~: Aufforderung zum Tanz. ~Laut~: Zu früh. Bin ich dir nicht ein völlig Fremder, da dein Vater nicht ernsthaft über mich sprach -- wirklich nie, denke nach! Kam er nicht eines Tages fieberhaft erregt nach Haus? Besinne dich! MARIANNE: Fieberhaft erregt sah ich ihn nie. CHRISTIAN: Also wirklich nicht! Kurz, es ist Verdienst, steht ein Mann so jung auf solchem Posten. Wie wenn einer mit sechsunddreißig Jahren General wäre. MARIANNE: Das kann höchstens ein Prinz. ~Sie sitzt auf seinem Schoß.~ CHRISTIAN: Oder? MARIANNE: Wer? CHRISTIAN: Denk nach. MARIANNE: Ich weiß nicht. CHRISTIAN: Der geniale Mensch. Man wollte im Verlauf dieses Jahres bei einundvierzig Gesellschaften die Emission neuer Aktien im Gesamtbetrage von etwa dreiviertel Milliarde Mark beantragen. Da sagte ich, aus folgenden Gründen sei ich dagegen: Für diese siebenhundertfünfzig Millionen werden dem Publikum in der Hauptsache nicht gefundene Schätze, sondern das Produkt der Anstrengungen rund einer halben Million Menschen mehr geboten, die das Land ermutigt wird, hervorzubringen. Das Aktienkapital der Industriegesellschaften besteht in Hauptsache und Zinsen überhaupt nur aus Menschenmasse und deren Arbeitsresultat. Verstehst du? MARIANNE ~immer auf seinem Schoß~: Ich versuche. CHRISTIAN: Gib acht! Ist keine Arbeit da, stopft die Masse den Zeugungsapparat. Wachsen neue Kamine hoch, öffnet man hastig das Ventil. So stehen wir Kapitäne, sagte ich, am Haupthahn der Bevölkerungsdichte und müssen sorgen, daß die geschafften Kapitale dem natürlichen Zuwachsbedürfnis nicht vorgreifen, sondern es äquilibrieren. Verstehst du? MARIANNE: Ich glaube. CHRISTIAN: Eher müssen wir durch Verlangsamung des Menschenproduktionstempos für bessere Qualität sorgen. Da hast du einen kleinen Eindruck, wie ich Nationalökonomie praktisch treibe. ~Er hat sie vom Schoß gestoßen und geht aufgerichtet durchs Zimmer~: He? Das ist Klasse, hätte Helmholtz gesagt. ~Er faßt Marianne bei einem Knopf ihres Kleides und schüttelt sie sanft hin und her, während er ihr starr ins Auge sieht~: Ich könnte dir noch einen ähnlich fabelhaften Bescheid meinerseits in Fragen der Herabsetzung der Zwischendecksrate bei unseren Schiffsgesellschaften anführen. Die Menschen sind kurzsichtig, und in den Händen weniger ruht das wirtschaftliche Schicksal von Millionen. MARIANNE: Bist du so reich? CHRISTIAN: Ein Krämerwort. Ich habe Macht zu dem Erdenkbaren aus der Kraft meines Blutes. Du sahst nun meinen Vater einige Male. Persönlichkeit! Wie? Schon prägten sich auch in ihm markant die besonderen Eigenschaften der Rasse aus. Nichts überflüssig, höchst zweckvoll alles. Merktest du, wie er heute bei Tisch am aller bedeutendsten zum Glase griff? Schade, daß du meinen Großvater nicht kanntest. Ein tolles Huhn -- aber --! Das wächst mir also alles aus Ahnen zu, fand aber doch erst in meiner Person den konsequentesten Ausdruck. DIE JUNGFER ~tritt auf~: Wollen gnädige Frau die Brillanten nicht in Verwahrung nehmen? Hier im Hotel -- der gnädige Herr vielleicht? ~Christian nimmt ein Diadem in Form einer Krone.~ JUNGFER: Gute Nacht. ~Exit.~ CHRISTIAN: Welch merkwürdige Form eigentlich. MARIANNE ~setzt es auf~: Eine Marquiskrone. Aus deren Vermächtnis sie stammt, für die Frauen unseres Geschlechts am Hochzeitstage zu tragen, war eine Marquise d'Urfés, Großtante meiner Mutter. CHRISTIAN: Bon. -- Was sagte ich noch? -- Aber ich habe eine Überraschung für dich. MARIANNE ~klatscht in die Hände~: Zeig! CHRISTIAN: Dreh dich um einen Augenblick, bis ich ausgepackt und bereitgestellt. MARIANNE ~abgewandt~: Eins zwei drei -- CHRISTIAN ~hat ein Bild, das in ein Tuch gehüllt an der Wand lehnte, freigemacht und gegen seine Beine gelehnt vor sich gestellt~: Jetzt sieh her. ~Marianne sieht auf ein weibliches Porträt.~ CHRISTIAN: Meine Mutter, Marianne, die dich an diesem Tag auch von Angesicht zu Angesicht sehen will. Meine Mutter, die ihren Jungen heiß geliebt. MARIANNE: Welch bedeutendes Antlitz! CHRISTIAN: Nicht wahr. Von Renoir gemalt. MARIANNE ~fliegt Christian an den Hals~: Ich will ihn liebhaben über mich selbst hinaus, deinen Sohn, meinen Christian. CHRISTIAN: Sachte; daß du ein solches Kunstwerk nicht beschädigst. ~Er hat das Bild gegen einen Tisch gelehnt.~ MARIANNE: Das dichte braune Haar. Deine Farbe. Und solch ein Teint! CHRISTIAN: Sie kam aus einem Jahrhunderte alten Bauerngeschlecht. Wikingersachen werden gefaselt. Sieh den tüchtigen Familienschmuck, die rote Koralle im Ohr. Einer ihrer Altvordern war Amtmann auf Dalarö in den schwedischen Schären. Von seiner Begegnung mit Karl XII. existiert eine Anekdote. MARIANNE: Das wundervolle Haar! CHRISTIAN: Es reichte aufgelöst bis in die Kniekehlen. Renoir sah sie eines Tages im Bois de Boulogne. Der Entschluß, sie zu malen, soll augenblicklich festgestanden haben. MARIANNE: Das läßt sich denken. CHRISTIAN: Aber der Anlaß! Das war ja das Allerbeste. Nun knöpf mal deine Öhrchen auf, es kommt das Niedlichste von der Welt. Vater und Mutter also im Bois, nach einem solennen Frühstück in den Kaskaden, spazierend. Eine Flasche Burgunder hatte nicht gefehlt. Plötzlich -- die Frau steht wie angewurzelt, weicht nicht von der Stelle. Vater, den grauen Zylinder keck auf dem Kopf -- er hat mir die Situation oft geschildert -- ruft, lockt -- sie weicht nicht. MARIANNE: Was hatte sie? ~Christian flüstert ihr ins Ohr.~ MARIANNE ~hell auflachend~: Die Hose! Aber das ist ja entzückend! Himmlisch! CHRISTIAN ~aus vollem Halse lachend~: Und nun Renoir! Kannst du dir vorstellen; er hat mir das oft erzählt. Aus dem Häuschen, aber aus dem Häuschen. Es soll ein Anblick für Götter gewesen sein. MARIANNE: Die entzückende Frau so in der Sonne stehend. CHRISTIAN: Kurz. Er verschafft sich Zutritt in die junge Menage und mit ihm ein französischer Vicomte, der die Szene gleichfalls sah. MARIANNE: Wie lange ist das her? CHRISTIAN: Es mag ein Jahr vor meiner Geburt gewesen sein. MARIANNE: Wie das persönliche Erlebnis einem die Menschen näher bringt. Ich kenne sie jetzt viel besser. Für deinen Vater war die Lage nicht angenehm. CHRISTIAN: Der war immer und ist der bon garçon mit Sinn für das appetitlich Komische. Er adorierte sein junges Gespons und war gleichfalls ganz gefangen von dem Charme der Erscheinung. MARIANNE: Viel Geschmack im Anzug. CHRISTIAN: Darin war sie Meister. MARIANNE: Eine reizende Mode! Wie kleidsam die Kapotte. Und all die himmlischen Frauen, die sich so trugen, sind tot. CHRISTIAN: Ich lasse ihr in Buchow ein Monument errichten. ~Er hängt das Bild an die Wand.~ MARIANNE: Hast du das Gut gekauft? CHRISTIAN: Ich kaufe es. Zu diesem Zweck in erster Linie. Die Frau war alles in allem etwas so Überlebensgroßes, daß sie ein Recht auf solche Ehrung hat. MARIANNE: Wie falsch ich die Deinen bis hierher sah. Jetzt erst habe ich den rechten Begriff von ihnen. Du hast die Gabe, Menschen plastisch zu machen. CHRISTIAN: Besser gesprochen nennt man's die Fähigkeit der Begriffsbildung. Was aus der Menschen Mund gewöhnlich kommt, sind Worte, nur Worte. MARIANNE: Ich brauche Anna noch einmal. CHRISTIAN: Doch nicht wieder das Mädchen! MARIANNE: Ich kann das Kleid auf dem Rücken nicht öffnen. CHRISTIAN: Gib her. ~Er fängt an, die Ösen zu suchen.~ Worte, unter denen nicht zwei Gehirne das gleiche verstehen, durch die man sich also auch nicht von Mensch zu Mensch restlos verständigen kann. ~Marianne gähnt.~ CHRISTIAN: Die reine Vernunft reißt Gruppen gleichartiger Gebilde der Erscheinungs- oder Willenswelt in einen Ausdruck hinein, der den Komplex in seinem Wesentlichen festlegt, und der _Begriff_ heißt. ~MARIANNE gähnt~: Aha! CHRISTIAN ~knöpft~: Überwindung von Mannigfaltigkeit ist das. Das Unterhemdchen auch? MARIANNE: Bitte. CHRISTIAN: Überhaupt, Marianne, und jetzt höre ernsthaft zu: Alle Tat, die Menschengeist verrichtet, will schließlich nur das eine: sie orientiert über das ungeheure Gebiet umgebender Welt, indem sie Mannigfaltigkeit überwindet. So: Buche, Eiche, in deren Namen schon vorher die eigene Mannigfaltigkeit bezwungen ist, sind schließlich Wald. ~Er ist mit Knöpfen fertig.~ MARIANNE: Danke. ~Sie setzt den Fuß auf einen Stuhl und knöpft die Stiefel auf.~ CHRISTIAN: Ein Dummkopf würde den Witz machen: man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. ~Marianne geht durch den Vorhang ins Schlafzimmer.~ CHRISTIAN: Wo willst du hin? Während es heißen muß: man sieht keinen Baum mehr vor lauter Wald. ~Er ist ihr gefolgt und bleibt im Vorhang stehen~: Wenn du das begriffst, hast du eigentlich die ganze Erkenntnistheorie in der Tasche. ~Er kommt nach vorn zurück, sagt laut nach hinten~: Jedenfalls einen Begriff von der Arbeit eines Gehirns wie das meine. He? ~Reibt sich die Hände, zu sich~: ça marche ce soir. ~Bleibt vor dem Bilde stehen, und sagt tief ergriffen~: Meine gute Mutter! ~laut~: Als junges Mädchen machte sie mit Freunden eine Reise in die Vereinigten Staaten und kam von dort über die Südseeinseln, Asien zurück. In Honolulu verliebte sich der König Kalakaua sterblich in sie. ~Man hört, wie hinter dem Vorhang jemand zu Bett geht~: Das war achtzehnhundertachtzig oder einundachtzig. ~Er hat sich die Stiefel ausgezogen und dann erst den Mantel abgelegt, so daß er plötzlich im Glanze seiner Orden dasteht.~ ~Er hebt die Arme und sieht sich wie wartend um.~ ~Pause.~ MARIANNES STIMME: Was wurde denn aus dem Vicomte? CHRISTIAN: Welcher Vicomte? MARIANNES STIMME: Der die Geschichte im Bois de Boulogne sah und deine Eltern kennen lernte. CHRISTIAN: Ach, der Vicomte! Tja -- -- der -- ~Er steht vor dem Bild der Mutter starr. Pause.~ MARIANNES STIMME: Was wurde denn mit ihm? CHRISTIAN ~zu sich~: Donnerwetter! ~Er geht durchs Zimmer am Spiegel vorbei.~ Hm. MARIANNE: Ist denn da ein Geheimnis? CHRISTIAN ~zu sich~: Wüßte ich jetzt -- aber natürlich -- o großer Gott! Da packe ich dich, da schmeiße ich dich ganz, Komteßchen. ~Er geht zum Vorhang und flüstert hinein~: Marianne! MARIANNE ~mit erregter Stimme~: Ich komme! ~Sie erscheint in einem übergeworfenen Schlafrock.~ CHRISTIAN: Ich sehe Schicksal in deiner plötzlichen Frage. MARIANNE: Was sagte ich denn? CHRISTIAN: Mit dem Vicomte; was wurde? MARIANNE: Ja? CHRISTIAN: Nie hätte ich die Zähne geöffnet. MARIANNE: Christian! Was denn? CHRISTIAN: Unmöglich! Nie! MARIANNE: Christian! Ich bin dein Weib -- habe ein Recht ...! CHRISTIAN: Ich bin auch ein Sohn. MARIANNE: Du hast Pflichten vor mir. CHRISTIAN: Aber auch Scham und Ehrfurcht vor der Mutter. MARIANNE: Jener ...? CHRISTIAN: Du bekommst kein Wort aus mir heraus. MARIANNE: Der also -- der Vicomte ...?! CHRISTIAN ~stark~: Und ich verbiete dir, für unser ganzes Leben, jemals daran zu rühren; jemals jemanden, auch mich selbst, ahnen zu lassen, was du vermutest, was du meinst. Ich heiße Maske und basta! MARIANNE ~erschüttert~: Heiland im Himmel! Gewiß ich schweige. Wie ich dich aber von jetztab sehe, das ist meine Sache. ~Leise~: Und mir ist, als ob doch eine letzte Wand zwischen uns niederfällt, als ob erst jetzt ich ungehemmt in dich versänke. ~Mit ausgebreiteten Armen vor dem Bild~: Süße Mutter Ehebrecherin! ~An Christian niedergleitend~: Mein lieber Mann und Herr! ~Christians Lächeln und erlöste große Gebärde.~ FINIS. Bühnen und Vereinen gegenüber Manuskript. Druck der Offizin W. Drugulin in Leipzig. INSEL-VERLAG ZU LEIPZIG ~CARL STERNHEIM~: _DON JUAN._ Eine Tragödie. Geheftet M. 5.--, in Halbleder M. 8.--, in Ganzleder M. 15.-- _ULRICH UND BRIGITTE._ Ein dramatisches Gedicht. _Zweite Auflage._ Geheftet M. 3.--, in Leinen M. 4.-- ~AUS DEM BÜRGERLICHEN HELDENLEBEN~: I. _Die Hose._ Lustspiel. Geheftet M. 3.--, in Halbpergament M. 4.-- II. _Die Kassette._ Komödie in fünf Aufzügen. Geh. M. 3.--, in Leinen M. 4.-- III. _Bürger Schippel._ Komödie in fünf Aufzügen. Geh. M. 3.--, in Leinen M. 4.-- IV. _Busekow._ Eine Novelle. (Kurt Wolff Verlag, Leipzig.) V. _Der Snob._ Komödie in drei Aufzügen. Geheftet M. 3.--, in Leinen M. 4.-- VI. _Der Kandidat._ Politische Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert. Geheftet M. 3.--, in Leinen M. 4.--. +----------------------------------------------------------------+ | Anmerkungen zur Transkription | | | | Inkonsistenzen wurden beibehalten, wenn beide Schreibweisen | | gebräuchlich waren, wie: | | | | deines -- deins | | Durchziehen -- Durchziehn | | Geschlechtes -- Geschlechts | | sehen -- sehn | | ungeheuere -- ungeheure | | | | Interpunktion wurde ohne Erwähnung korrigiert. | | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: | | | | S. 9 »gibts« in »gibt's« geändert. | | S. 12 »largen Charakter« in »langen Charakter« geändert. | | S. 12 »Ansehn« in »Ansehen« geändert. | | S. 13 »kanns« in »kann's« geändert. | | S. 16 »schneidets« in »schneidet's« geändert. | | S. 17 »ists« in »ist's« geändert. | | S. 18 »gibts« in »gibt's« geändert. | | S. 22 »Ists« in »Ist's« geändert. | | S. 23 »Sechszehnmal« in »Sechzehnmal« geändert. | | S. 29 »Bädeker« in »Baedeker« geändert. | | S. 31 »wärs« in »wär's« geändert. | | S. 32 »THEOBAD« in »THEOBALD« geändert. | | S. 33 »brennts« in »brennt's« geändert. | | S. 37 »siehts« in »sieht's« geändert. | | S. 38 »bins« in »bin's« geändert. | | S. 38 »Glaubs« in »Glaub's« geändert. | | S. 44 »juckts« in »juckt's« geändert. | | S. 45 »sich selbt« in »sich selbst« geändert. | | S. 53 »unsre« in »uns're« geändert. | | S. 56 »solls« in »soll's« geändert. | | S. 61 »obs« in »ob's« geändert. | | S. 65 »Anormalische« in »Anomalische« geändert. | | S. 65 »wars« in »war's« geändert. | | S. 69 »solls« in »soll's« geändert. | | S. 72 »übers« in »über's« geändert. | | S. 77 »Christian Frack« in »Christian im Frack« geändert. | | S. 77 »Fiels« in »Fiel's« geändert. | | S. 79 »gibts« in »gibt's« geändert. | | S. 80 »erschlägts« in »erschlägt's« geändert. | | S. 80 »Habs« in »Hab's« geändert. | | S. 81 »gibts« in »gibt's« geändert. | | S. 82 »gibts« in »gibt's« geändert. | | S. 83 »mans« in »man's« geändert. | | S. 84 »eiserne Kreuz« in »Eiserne Kreuz« geändert. | | S. 95 »mans« in »man's« geändert. | | S. 96 »vor lauterem Wald« in »vor lauter Wald« geändert. | | | +----------------------------------------------------------------+ *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER SNOB *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. 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