The Project Gutenberg eBook of Die Frauenfrage im Mittelalter

This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.

Title: Die Frauenfrage im Mittelalter

Author: Karl Bücher

Release date: August 5, 2019 [eBook #60062]

Language: German

Credits: Produced by Peter Becker, Reiner Ruf, and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This
file was produced from images generously made available
by The Internet Archive)

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE FRAUENFRAGE IM MITTELALTER ***

Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der 1910 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr gebräuchliche Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Begriffe wurden nicht korrigiert.

Umlaute in Großbuchstaben (Ä, Ö, Ü) werden, abgesehen von der Titelseite, als deren Umschreibungen (Ae, Oe, Ue) wiedergegeben. Die Verwendung des ‚scharfen S‘ (ß) entspricht nicht in allen Fällen den heutigen Rechtschreibgewohnheiten.

Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original gesperrt gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt erscheinen.

DIE FRAUENFRAGE
IM
MITTELALTER

VON

KARL BÜCHER.

ZWEITE VERBESSERTE AUFLAGE.

TÜBINGEN
VERLAG DER H. LAUPP’SCHEN BUCHHANDLUNG
1910.

Alle Rechte vorbehalten.

Druck von H. Laupp jr in Tübingen.

FRAU
LINA LUDWIG

GEWIDMET.

[S. v]

Das Beste, was Frauen uns geben, können wir niemals wiedergeben, und wenn ich dieses Büchlein Dir, der lieben guten Mama, zueigne, so weiss ich, dass damit die Dankesschuld nicht abgetragen werden kann, zu der ich mich bekennen muss. Aber vielleicht ist es Dir doch eine Freude, dadurch an die Zeit erinnert zu werden, wo sich auf dem Frankfurter Stadtarchiv mir die Gedanken, die es enthält, zusammenfügten und ich an so manchem schönen Sonntag bei Euch in Heppenheim ausspannen durfte.

Ausgesprochen wurden diese Gedanken zuerst in einem Vortrage, den ich am 28. März 1882 im Liebigschen Hörsaale zu München vor gebildeten Frauen und Männern gehalten habe. Aus dem Kreise der Zuhörer sahen damals zwei freundliche Augen zu mir empor, die seitdem meinen Lebensweg erhellten und die jetzt erloschen sind. Du wirst es vor allen verstehen, dass ich mich lange nicht entschliessen konnte, das Büchlein, das damals gedruckt wurde, zu erneuern, als es vergriffen war. Wenn ich es jetzt dennoch tue, so bin ich nicht der Versuchung erlegen, was ich einst in keckem Jugendmute hingestellt hatte, mit altem, bedächtigem Kopfe umzumodeln. Die Schrift scheint doch manchem so, wie sie ist, lieb geworden zu sein, und wenn ich heute vielleicht auch vieles anders sagen[S. vi] würde, in ihren tatsächlichen Feststellungen hat sie vor der Kritik bestehen können. Die Verbesserungen der neuen Auflage beschränken sich deshalb auf kleinere Berichtigungen und Zusätze und auf eine grössere Aenderung am Schlusse, zu der die Ergebnisse der Berufszählung von 1907 Anlass gaben. Ausserdem sind in den Anmerkungen einige genauere Belege gegeben, ohne dass Vollständigkeit der Literaturangaben erstrebt wurde. Eine gelehrte Abhandlung sollte mein Vortrag nicht werden.

Eine neue Zugabe ist das Bildchen auf Umschlag und Einband. Es stellt eine der Hilfsarbeiterinnen des Frankfurter Wollenhandwerks, wenn nicht alles trügt, in Bekinentracht dar, entworfen von einem Frankfurter Schreiber, der das Bedebuch von 1405 mit lustigen Federzeichnungen versehen hat. Das Bildchen steht bei der Lindheimer Gasse, die im damaligen Weberviertel der Altstadt liegt. Bei der Härte der mittelalterlichen Bede ist eine amtlich illustrierte Steuerliste eine so seltsame Erscheinung, dass ihr Urheber wenigstens in einer kleinen Probe seiner Kunst dem steuergeplagten XX. Jahrhundert bekannt zu werden verdiente, stünde diese Probe auch nicht in so enger Beziehung zum Inhalt dieses Büchleins, als es tatsächlich der Fall ist. Vielleicht kann sie seinen Ernst um ein Weniges mildern und durch ihr Wirklichkeitsgepräge den Irrtümern, deren es immer noch genug enthalten wird, die freundliche Nachsicht erwirken, deren wir alle bedürfen.

Leipzig, den 25. Oktober 1909.

Karl Bücher.

[S. vii]

Inhalt.

Die Frage 1. — Ihr zwiespältiges Wesen 2. — Ihre statistische Wurzel 3. — Das Zahlenverhältnis der Geschlechter im Mittelalter 5. — Ursachen des grossen Frauenüberschusses 7. Verschärfung durch Ehebeschränkungen 9. — Wirtschaftliche Stellung der Frau im deutschen Altertum 10. — Berufsbildung und Entlastung der Frauen 12. — Angeblicher Ausschluss von zünftiger Erwerbstätigkeit 13. — Tatsächliches Verhältnis 15, — in der Textilindustrie 16, in der Schneiderei 18, — in anderen zünftigen Gewerben 19, — in nicht zünftigen Berufen 20.Versorgungsanstalten: a) Klöster 24; — b) Leibrentenkauf 26; — c) Samenungen 27; — d) Gotteshäuser 32. Statistisches 34. Statuten 35. Tätigkeit der Bekinen 36. Aufnahmebedingungen 38. Lebensweise 38. Religiöse Stellung 40. Entartung 41. — Soziale Stellung der Frauen im Mittelalter 43. — Gegensätze 45. — Fahrende Frauen 48. — Die gemeinen Frauen in den Städten 55. Frauenhäuser 56. Sittenpolizei 60. Eingreifen der Kirche 61. Reuerinnen 62. Rettungshäuser 63. — Rückblick 66. Wandlung seit der Reformation 67. — Die heutige Frauenfrage 71. — Anmerkungen 76.

[S. 1]
[S. 2]

Die »Frauenfrage« bildet nach allgemeiner Annahme eine Zeitfrage von so eigenartig modernem Charakter, dass es von vornherein fraglich erscheinen könnte, ob man berechtigt sei, diesen Ausdruck auch auf Erscheinungen der Vergangenheit anzuwenden. Wenn wir aber überall da von »Fragen« reden, wo wir die vorhandenen Zustände in einem auffälligen Widerspruche sehen zu dem, was Vernunft und Gerechtigkeit fordern, so wird es wohl kaum noch einem Zweifel unterliegen, dass wir auch von Fragen der Vergangenheit sprechen dürfen, wo wir immer derartige Widersprüche zwischen dem, was war, und dem, was hätte sein sollen, entdecken. Es ist dabei ziemlich gleichgültig, ob die tatsächlich vorhandenen Widersprüche als »Fragen« in das Bewusstsein der Zeitgenossen getreten sind; es genügt vollständig, wenn ein derartiger Widerspruch nachgewiesen werden kann, oder wenn sich Versuche und Anstalten zu seiner Beseitigung erkennen lassen. Oder wollte etwa jemand leugnen, dass die moderne Frauenfrage lange vor der Zeit schon existiert hat, wo sie anfing, in populären Vorträgen, auf »Frauentagen« oder bei ästhetischen Teegesellschaften verhandelt zu werden?

Wenn ich in diesem Sinne von einer Frauenfrage im Mittelalter sprechen will, so bin ich weit davon entfernt, mich auf den Standpunkt derjenigen zu stellen, welche die gesamte rechtliche, politische und soziale Stellung der Frau im Widerspruch finden mit den Forderungen der Vernunft und Gerechtigkeit. Von diesem Standpunkte aus gab es sicherlich im Mittelalter weit, weit mehr zu »fragen« und zu wünschen als heutzutage. Ich denke mich vielmehr auf jenen engeren Teil der Frauenfrage zu beschränken, den man vielleicht richtiger als »Frauenerwerbsfrage« bezeichnen würde. Freilich hat auch noch in diesem engeren Sinne heute die Frauenfrage eine doppelte Seite. Sie stellt sich dar einerseits als Frauenschutzfrage mit Bezug auf die zahlreichen weiblichen Arbeiter der Industrie, anderseits als Frage der Erweiterung des Erwerbsgebiets der Frauen für diejenigen weiblichen Glieder der gebildeten Klasse, welche aus irgend einem Grunde ausserhalb der natürlichen Tätigkeitssphäre ihres Geschlechtes in der Wirtschaft Verwendung suchen.

Welche von diesen beiden Seiten der Frauenerwerbsfrage man nun auch ins Auge fassen mag, immer wird man darauf zurückgeführt, die Wurzel derselben zu suchen in der Tatsache, dass gegenwärtig ein ansehnlicher Teil der Frauen innerhalb der Familie nicht diejenige Versorgungsgelegenheit findet, die wir ihm aus[S. 3] allgemeinen Gründen wünschen müssen. Diese Tatsache beruht in erster Linie auf einem statistischen Missverhältnis, welches obwaltet zwischen der Zahl der heiratsfähigen Frauen und Männer, sodann aber auf einer entweder notwendigen oder freiwilligen Enthaltung von der Ehe auf Seiten eines Teils der heiratsfähigen Männer.

Was zunächst jenes statistische Missverhältnis betrifft, so ist es eine bekannte Tatsache, dass fast in allen europäischen Staaten unter den Neugeborenen die Zahl der Knaben überwiegt, dass aber durch rasches Absterben der männlichen Kinder das Zahlenverhältnis zwischen beiden Geschlechtern bis etwa zum 17. oder 18. Jahre sich ausgleicht. Wo nun eine Bevölkerung weiterhin nur natürlichen Einflüssen ausgesetzt ist, d. h. wo die Verminderung der Geschlechter nur durch Absterben erfolgt, da kann sich das Zahlenverhältnis derselben etwa vom 18. bis zum 30. Jahre, also dem eigentlichen Heiratsalter, im Gleichgewicht erhalten. Es würde bei rechtzeitiger Verheiratung jede Frau einen Mann bekommen können. Vom 30. Jahre ab gewinnt überall das weibliche Geschlecht ein Uebergewicht und steigert dasselbe von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, so dass in den höchsten Altersstufen auf 10 Männer durchschnittlich 14–20 Frauen zu kommen pflegen.

So gestaltet sich das Verhältnis der Geschlechter unter rein natürlichen Einflüssen. Allein diese natürlichen Einflüsse gelangen in vielen Staaten[S. 4] nicht zu ungestörter Wirksamkeit. Kriege und Auswanderung, sowie die nachteiligen Folgen mancher Berufstätigkeiten verringern die Zahl der Männer schon zwischen dem 18. und 30. Jahre so stark, dass fast plötzlich um das 20. Jahr das anfängliche Uebergewicht des männlichen Geschlechts in ein Uebergewicht des weiblichen Geschlechtes umschlägt. Insbesondere ungünstig prägen sich die Ergebnisse der angedeuteten nachteiligen Einwirkungen in der Geschlechtsgliederung der deutschen Bevölkerung aus. Von den Altersstufen zwischen 20 und 25 Jahren kommen im Deutschen Reiche nach der Zählung von 1900 auf 1000 Männer schon 1012 Frauen; im Alter von über 20 Jahren überhaupt auf 1000 Männer 1064 Frauen. Noch ungünstiger gestaltet sich diese Betrachtung, wenn wir berücksichtigen, dass normaler Weise das Heiratsalter des Mannes um etwa fünf Jahre höher ist, als das der Frau. Stellen wir demgemäß die Männer im Alter von 25–30 Jahren den Frauen im Alter von 20–25 Jahren gegenüber, so erhalten wir für die deutsche Bevölkerung auf je 1000 Männer 1105 Frauen.

Es kann demnach ein beträchtlicher Teil der heiratsfähigen Frauen unter keinen Umständen heute zur Verehelichung gelangen, selbst den Fall vorausgesetzt, dass alle Männer heiraten wollten und könnten. Dieser Fall trifft nun aber bekanntlich nicht zu. Ein ansehnlicher Teil der Männer (in ganz Deutschland gegen 10%) bleibt unvermählt. Es ist klar, dass beide[S. 5] Umstände, der statistische Frauenüberschuss und das soziale Uebel der männlichen Ehelosigkeit, in ihrem Zusammenwirken einen beträchtlichen Teil der unverheiratet bleibenden Frauen auf eine Existenz durch eigene Erwerbsarbeit hinweisen. Zu einem eigentlichen Erwerbs-Notstande führen dieselben indes nur in den sogen. höheren Klassen der Gesellschaft, für die es an passenden Frauenerwerbsgebieten fehlt.

Aus ganz derselben Ursache, wie die moderne Frauenerwerbsfrage, entspringt die mittelalterliche Frauenfrage, von der im Folgenden die Rede sein soll. Wenn ich im allgemeinen von einer mittelalterlichen Frage spreche, so soll damit nicht gesagt sein, dass das ganze Mittelalter und alle Klassen der Bevölkerung in die Erörterung hereingezogen werden sollen. Ich muss mich vielmehr beschränken auf die Zeit und die Teile der Bevölkerung, für welche uns allein Quellen über diese Dinge fliessen, auf die deutschen Städte von der Mitte des XIII. bis zum Ausgange des XV. Jahrhunderts.

Statistische Ermittelungen, welche über drei der bedeutendsten mittelalterlichen Städte Deutschlands angestellt werden konnten[1], haben übereinstimmend einen so bedeutenden Ueberschuss der erwachsenen weiblichen über die gleichalterige männliche Bevölkerung ergeben, dass man mit Notwendigkeit auf die Vermutung geführt wird, es müsse die Frauenfrage im städtischen Leben der beiden letzten Jahrhunderte des Mittelalters weit schärfer und brennender aufgetreten[S. 6] sein als heutzutage. Eine zuverlässige Zählung der Nürnberger Bevölkerung, welche am Ende des Jahres 1449 vorgenommen wurde, ergab unter der bürgerlichen Bevölkerung auf 1000 erwachsene Personen männlichen Geschlechts 1168 Personen weiblichen Geschlechts. Aber nicht bloss in den bürgerlichen Familien, sondern auch unter der dienenden Klasse (den Knechten, Handwerksgesellen und Mägden) überwog das weibliche Geschlecht. Rechnen wir diese mit der bürgerlichen Bevölkerung zusammen, so kamen gar auf 1000 männliche Personen 1207 weibliche. In Basel scheint um 1454 das Verhältnis ähnlich gewesen zu sein. In den beiden Kirchspielen St. Alban und St. Leonhard trafen damals auf 1000 männliche Personen über 14 Jahren 1246 weibliche Personen der gleichen Altersstufen. Eine Zählung endlich, welche die grössere Hälfte der erwachsenen Bevölkerung von Frankfurt a. M. im Jahre 1385 umfasst, ergab 1536 männliche und 1689 weibliche Personen oder auf 1000 Männer rund 1100 Frauen. Diese letzte Ziffer ist eine Minimalziffer; es lässt sich mit guten Gründen wahrscheinlich machen, dass der Frauenüberschuss in Frankfurt a. M. im Jahre 1385 noch weit beträchtlicher gewesen ist.

Diese Zahlen reden jedenfalls eine sehr deutliche Sprache; ihr Gewicht wird indess noch verstärkt durch eine Reihe von Beobachtungen, von denen ich hier nur eine kurz mitteilen will. Das Frankfurter Stadtarchiv besitzt noch heute einen grossen Teil der Listen, welche[S. 7] über die Erhebung der Vermögenssteuer (Bede) im XIV. und XV. Jahrhundert geführt wurden. Diese Erhebung erfolgte ebenso wie die Einschätzung durch den Rundgang einer Kommission von Haus zu Haus. Das Vermögen wurde nach eidlicher Versicherung der Steuerpflichtigen zur Steuer veranlagt und die Hausbesitzer waren bei schwerer Strafe gehalten, alle in ihren Häusern wohnenden Personen mit eigenem Vermögen anzugeben. Dieses Verfahren bietet ohne Zweifel die Gewähr grosser Genauigkeit mit Bezug auf die Ermittlung der Steuerpflichtigen. Da ist es nun überaus auffallend, wie häufig unter den Steuerzahlern alleinstehende Frauen auftreten. Nach zahlreichen statistischen Ermittlungen[2], welche die Jahre 1354–1510 umfassen, machten in diesem Zeitraum die Frauen den sechsten bis den vierten Teil aller Steuerpflichtigen aus. Bedenkt man, dass es sich bei diesem Verhältnis grösstenteils um alleinstehende, selbständige Frauen handelt, dass die zahlreichen Nonnen, Pfründnerinnen und Bekinen meist nicht mitgerechnet sind und dass Frauen auch im Mittelalter viel schwerer zur Selbständigkeit gelangten als die Männer, so erhält man eine Ahnung davon, wie schneidend das Missverhältnis in der Zahl beider Geschlechter im bürgerlichen Leben der Städte hervorgetreten sein muss.

Hier wirft sich zunächst die Frage auf: woher kommt dieser bedeutende Ueberschuss der erwachsenen weiblichen über die männliche Bevölkerung? Ich will ver[S. 8]suchen, dieselbe mit ein paar kurzen Andeutungen zu beantworten. Drei Ursachen scheinen mir besonders in Betracht zu kommen:

1. die zahlreichen Bedrohungen, welchen das männliche Leben in den mittelalterlichen Städten infolge der fortwährenden Fehden, der blutigen Bürgerzwiste und der gefahrvollen Handelsreisen ausgesetzt war;

2. die grössere Sterblichkeit der Männer bei den oft sich wiederholenden pestartigen Krankheiten. Mindestens weisen auf eine derartige Vermutung hin die stärkeren Ziffern für die Frauen, welche regelmässig nach Pestjahren in den Frankfurter Steuerlisten auftreten[3];

3. die Unmässigkeit der Männer in jeder Art von Genuss.

Ausserdem ist wohl die Vermutung nicht abzuweisen, dass die städtische Berufsarbeit in engen, ungesunden Räumen, zwischen hohen, dicht zusammengerückten Häusermauern bei der Unvollkommenheit der technischen Hilfsmittel viel mehr aufreibende Muskelarbeit von den Männern erfordert habe, dass der Daseinskampf bei dem raschen Wechsel von guten und schlechten Jahren, von hohen und niederen Lebensmittelpreisen, von Ueberfluss und Mangel für sie, wenn auch vielleicht im ganzen nicht schwieriger, so doch unregelmässiger und wechselvoller sich gestaltet haben müsse als in Zeiten besserer Gesundheitspflege und ausgebildeten nationalen und internationalen Verkehrs.

[S. 9]

Welcher von diesen Entstehungsursachen nun auch der mittelalterliche Frauenüberschuss vorwiegend zuzuschreiben sein mag — sicher ist, dass er vorhanden war und dass er in mancherlei Verhältnissen des sozialen Lebens seinen Ausdruck fand. Sicher ist auch, dass die dadurch für zahlreiche Frauen gegebene Unmöglichkeit einer Versorgung in der Ehe zu Uebelständen führte, die das Mittelalter klar erkannte und auf seine eigene Art zu heilen suchte.

Ehe wir zur Betrachtung dieser Verhältnisse übergehen, müssen wir kurz die Frage berühren, wie weit Beschränkungen des Rechts zur Verehelichung das Uebel noch vermehrten.

Hier tritt zunächst das Cölibat der Geistlichkeit uns entgegen. Ihre Zahl war allerwärts in den Städten unverhältnismässig gross. Sie lässt sich in Frankfurt a. M. für das XIV. und XV. Jahrhundert bei einer Einwohnerzahl von 8000–10000 auf 200–250 Personen berechnen[4]. Für Lübeck darf man in derselben Zeit 250–300 Weltgeistliche und gegen 100 Klosterbrüder annehmen[5]. In Wismar belief sich um 1485 die Zahl der Weltgeistlichen auf 150; in Nürnberg wird 1449 der geistliche Stand auf 446 (einschliesslich der Dienerschaft) angegeben. Wie ungünstig ihre Ehelosigkeit die Heiratsziffern des weiblichen Geschlechts in diesen kleinen Gemeinwesen beeinflussen musste, liegt auf der Hand.

Sodann wirkte die zünftige Ordnung des Gewerbebetriebes nachteilig auf das Heiratsalter eines grossen[S. 10] Teiles der männlichen Bevölkerung ein. Die Verehelichung des Handwerkers hing von seiner Zulassung zur Meisterschaft ab, und diese wieder von Bedingungen, welche die Angehörigen der Zunftmitglieder begünstigten[6]. Der Geselle durfte als solcher im allgemeinen nicht heiraten[7]. Infolge der Schliessung vieler Zünfte, der Beschränkung der Betriebsstätten und Verkaufsbänke bildete sich deshalb im XIV. und XV. Jahrhundert ein eigener Gesellenstand, der keine Aussicht auf Selbständigmachung und Familiengründung hatte. Indessen zeugen doch die vielfachen Verbote der Zunftstatuten, verheiratete Gesellen anzunehmen, sowie viele Beispiele der Frankfurter Steuerlisten dafür, dass Gesellenheiraten nicht eben selten waren. Auf keinen Fall aber waren sie so leicht und häufig, wie heute die Ehen der Fabrikarbeiter.

Wenn wir uns nun anschicken, die Frage zu beantworten: was wurde im Mittelalter aus den zahlreichen Frauen, die ihren »natürlichen Beruf« zu erfüllen verhindert waren? so müssen wir uns vor allen Dingen von der Anschauung los machen, welche den meisten von uns aus unseren frühesten Schuljahren anklebt. Wir hören da nach den Schilderungen in Tacitus’ »Germania« von der hohen Achtung, der fast göttergleichen Verehrung, welche dem Weibe bei den alten Germanen gezollt wurde; aber wir übersehen nur zu leicht, dass derselbe Tacitus die Stellung der Frau in der Wirtschaft so beschreibt,[S. 11] dass wir mit Notwendigkeit auf eine grosse Ueberlastung des weiblichen Geschlechts schliessen müssen. Der Mann achtet keine Tätigkeit ausser derjenigen mit dem Schwerte. Träge liegt er im Frieden auf der Bärenhaut; Schlaf, Trunk und Würfelspiel füllen seine Zeit. Die Sorge für Feld, Haus und Herd bleibt den Frauen, die mit den Kindern, den Schwachen und Unfreien die Wirtschaft führen. Neben der erhaltenden und verwaltenden Tätigkeit des Hauses, die heutzutage den Frauen hauptsächlich zufällt, hatten sie also auch die gesamte Gütererzeugung zu bewerkstelligen; oder, um einen geläufigen Ausdruck zu gebrauchen: die Frau ernährte die ganze Familie. Sie war Arbeiterin, Wirtschaftsführerin, Haushälterin und Erzieherin der Kinder zugleich. Die Germanen machten also in ihrer primitiven Periode keine Ausnahme von der Erwerbsordnung, die wir noch heute bei Naturvölkern finden.

Dieser Zustand änderte sich nach den grossen Wanderungen, als in währenden Friedenszeiten und bei wachsender Bevölkerung die deutschen Männer sich herabliessen, auch den Acker zu bebauen. Immer aber blieb noch ein grosser Teil der Landwirtschaft, namentlich die Be- und Verarbeitung vegetabilischer Stoffe, den Frauen überlassen. Auch als mehr und mehr aus der alten geschlossenen Hauswirtschaft einzelne Tätigkeiten als Gewerbe sich absonderten, blieb das Arbeitsgebiet der Frau immer noch sehr gross, wie wir deutlich aus der Verteilung der Arbeiten in den grundherrlichen[S. 12] Grosswirtschaften erkennen. Da finden wir unter den männlichen Leibeigenen freilich schon Müller und Bäcker, Schneider und Schuster, Grobschmiede und Waffenschmiede; den Frauen lag aber nicht bloss die Arbeit in Küche und Keller, in Garten und Stall ob, sondern auch die Besorgung der Gewandung von der Schafschur und der Flachsbereitung bis zum Weben, Färben, Zuschneiden, Nähen und Sticken, ferner das Bierbrauen, Seifensieden, Lichterziehen und eine Menge von anderen Verrichtungen, die später nach und nach von besonderen Gewerbetreibenden übernommen wurden[8].

So sehen wir bis in das XIII. Jahrhundert hinein in dem Masse, als die gewerbliche Berufsbildung fortschritt, eine immer weiter greifende Entlastung der Frau von schweren körperlichen Arbeiten eintreten; ihre Tätigkeit beginnt sich auf dasjenige Gebiet zu beschränken, welches wir als die Haushaltung zu bezeichnen pflegen. Aber immer war dieses Gebiet noch bedeutend umfangreicher als heutzutage. Das Spinnen und Bleichen, das Backen und Bierbrauen wurde auch in den Städten noch vielfach von den Frauen besorgt; der Schuster und Schneider, der Sattler und der Bauhandwerker arbeiteten im Hause auf der »Stör«; eine grosse Anzahl von Produkten, die wir heute fertig zum Verbrauche kaufen, bedurfte noch der Zurichtung durch die Frauen.

Dies alles weist darauf hin, dass eine grössere Zahl[S. 13] von Frauen in den mittelalterlichen Haushaltungen verwendet werden konnte, als dies heute möglich wäre. So mögen vielfach elternlose Mädchen und verwitwete Frauen in den Familien ihrer näheren oder entfernteren Verwandten Unterkunft und Beschäftigung gefunden haben; der Familienzusammenhang war ohnehin damals noch viel stärker als gegenwärtig. Diejenigen alleinstehenden Frauen dagegen, welche keinen derartigen Rückhalt besassen, waren allem Anscheine nach in den Städten sehr übel gebettet. Auf dem Lande mochten Frauenhände immer in der Wirtschaft erwünscht sein; in den Städten war die Frau (abgesehen von der Eingehung eines Dienstbotenverhältnisses) nach der gewöhnlichen Annahme von der Erwerbsarbeit in den zünftigen Gewerben fast vollständig ausgeschlossen.

In der Tat wird sich nicht leugnen lassen, dass die gesamte Stellung der Gewerbe im Mittelalter ein selbständiges Eingreifen der Frauen in dieses Gebiet grundsätzlich auszuschliessen scheint. Das Zunftwesen, welchem alle einigermassen entwickelten Gewerbe unterworfen waren, war seinem innersten Wesen nach auf die Familie gegründet. Die Zünfte waren nicht bloss gewerbliche Vereine, sondern Unterabteilungen der Gemeinde mit rechtlichen, politischen, militärischen und administrativen Aufgaben. Das Recht zum Gewerbebetrieb schloss die Verpflichtung zum Waffendienst und zu anderen Leistungen in sich, zu welchen Frauen nicht wohl herangezogen werden konnten. Bei der Teil[S. 14]nahme an den politischen Rechten, von der ja die Frauen ausgeschlossen waren, spielten die Zünfte wieder eine Rolle, welche die Zulassung weiblicher Mitglieder untunlich zu machen schien.

Adrian Beier[9], der Verfasser des ältesten Kompendiums des Handwerksrechts, stellt denn auch den Satz auf: das männliche Geschlecht sei eine der unerlässlichen Grundbedingungen für die Aufnahme in eine Zunft gewesen. Die ganze gesellschaftliche Ordnung, meint er, beruhe darauf, dass jedes Geschlecht diejenigen Geschäfte übernehme, welche seiner Natur am angemessensten seien, der Mann die Erwerbsarbeit, die Frau die Küche, den Spinnrocken, die Nadel, die Wäsche; auch das Weben, Lichtergiessen und Seifensieden solle ihr noch gestattet sein. Das Mädchen sei zur Ehe bestimmt; man könne nicht wissen, wen es einmal heiraten werde; eine gelernte Schusterin sei aber dem Schmiede nichts nütze. Ausserdem könne man nicht allein in der Lehre lernen; von ungewanderten Junggesellen und gewanderten Jungfern werde aber beiderseits wenig gehalten. Der Umgang mit Männern in der Werkstätte sei in sittlicher Hinsicht nicht ungefährlich. Endlich sei die Zunft eine öffentliche Einrichtung; das Meisterrecht sei mit staatlichen Leistungen, als Wachen und Gaffen, verbunden, wozu Weiber nicht taugten.

Trotz dieser anscheinend in der Natur der Sache liegenden grundsätzlichen Ausschliessung der Frauen wenigstens vom zünftigen Gewerbebetrieb sehen wir[S. 15] das ganze Mittelalter hindurch die Frauen vielfach im Gewerbe tätig — ein Beweis, dass eine derartige Beschäftigung derselben durch die tatsächlichen Verhältnisse sich als notwendig aufdrängte. Ja wir finden sogar Frauenarbeit in einer Reihe von Berufsarten, von denen sie gegenwärtig tatsächlich ausgeschlossen ist.

Ich will hier die Tatsache nicht weiter betonen, dass die Witwe eines Meisters das Geschäft ihres Mannes forttreiben durfte; das ist bekannt genug. Ueberdies ist dieses Vorrecht in manchen Gewerben und Städten zeitlich begrenzt oder an die Bedingung der Wiederverheiratung mit einem Gesellen des gleichen Handwerks geknüpft. Ich will auch kein grosses Gewicht darauf legen, dass Frauen und Töchter, oft auch die Magd eines Handwerkers demselben im Geschäfte helfen konnten; das liess sich bei aller Bevormundung, die dem Mittelalter eigen war, so leicht nicht verbieten. Viel wichtiger erscheint mir, dass Frauen und Mädchen innerhalb eigener oder fremder Gewerbebetriebe zahlreiche Verwendung fanden, bald als abhängige Lohnarbeiterinnen, bald sogar als selbständige Meisterinnen. War das betreffende Gewerbe zünftig, so konnten hier und da die Frauen in eigenem Namen den Zünften mit gleichem Rechte wie die Männer angehören; war es unzünftig, so waren sie selbstverständlich keinerlei Beschränkungen unterworfen. Endlich finden wir sogar Gewerbe mit zünftiger Ordnung, die ausschliesslich aus Frauen bestanden.

[S. 16]

Natürlich handelt es sich hier zunächst um Gebiete, in welchen die Frauen von Alters her tätig gewesen waren[10]. Dahin gehört das ganze Gebiet der Textilindustrie. Die Weberei war zwar seit dem XII. Jahrhundert ein eigenes Gewerbe in Männerhand; indessen blieben die Vorrichtungsarbeiten, das Wollkämmen, Spinnen, Garnziehen, Spulen, fast überall noch lange Zeit in den Händen der Frauen. Wir finden deshalb an vielen Orten ein zahlreiches weibliches Arbeiterpersonal in der Wollweberei: Kämmerinnen, Spinnerinnen, Spulerinnen, Garnzieherinnen, Nopperinnen — meist abhängige Lohnarbeiterinnen nach Art unserer Heim- oder Fabrikarbeiterinnen. In Frankfurt a. M. standen sie unter der Aufsicht von zwei Mitgliedern des Rats. Ihre Tätigkeit war an sehr eingehende Vorschriften gebunden, und wir haben in der Frankfurter Weberordnung von 1377 wohl das älteste Beispiel einer Regulierung der Frauenarbeit durch die öffentliche Gewalt[11]. Auch als Weberinnen finden wir die Frauen nicht selten tätig, und hier nicht bloss im Lohndienst, sondern auch als selbständige Mitglieder der Zunft. So in Bremen, in Köln, in Dortmund, in Danzig, in den schlesischen Städten, in Speier, Strassburg, Ulm, München. »Wer Webermeister oder Meisterin ist«, heisst es in einer Münchener Ratsverordnung aus dem XIV. Jahrhundert, »der soll haben, ob er will, einen Lernknecht und eine Lerndirne und nicht mehr«.

[S. 17]

Was die Leinenweberei betrifft, so ist hier eine vielseitige selbständige Beteiligung der Frauen am Handwerk um so weniger zu bezweifeln, als in einem grossen Teile von Deutschland auf dem Lande die Frauen bis ins XIX. Jahrhundert hinein Leinwand gewebt haben. In Hamburg konnten Frauen in der Leinenweberei beim sogen. »schmalen Werke« selbständig werden (1375); in Strassburg wurden die Schleier- und Leinenweberinnen (1430) zu den Zunftlasten herangezogen; in Frankfurt a. M. finden wir ebenfalls selbständig steuernde »Lineberssen« (1428), ohne dass es freilich ersichtlich wäre, ob dieselben als Meisterinnen oder als Lohnarbeiterinnen betrachtet werden müssen. Die Schleierweberei und Schleierwäscherei ist dort ganz in den Händen der Frauen; ebenso scheinen sie die Schnur- und Bortenwirkerei im XIV. und XV. Jahrhundert allein betrieben zu haben. In den schlesischen Städten bildete das Garnziehen ein eigenes Gewerbe, an dem Männer und Frauen beteiligt waren. In Köln bestand eine eigene Zunft von Garnmacherinnen; sie mussten sechs Jahre lernen und keine Meisterin durfte mehr als drei Mägde oder Lohnwerkerinnen halten. In der zu Anfang des XV. Jahrhunderts aufgekommenen Barchentweberei haben dagegen weibliche Arbeitskräfte bis jetzt nicht nachgewiesen werden können.

Etwas anders lagen die Verhältnisse im Schneidergewerbe. Hier konnten freilich die Frauen[S. 18] auch das Recht hergebrachten Besitzes für sich geltend machen, da sie in älterer Zeit nicht bloss die eigenen Kleider, sondern auch diejenigen der Männer gefertigt hatten. Lesen wir doch noch im Nibelungenliede, dass Chriemhilde mit ihren Mägden den ausziehenden Recken das Gewand bereitet. Aber beim ersten Auftreten der Schneiderzünfte arbeiteten die Schneider nicht bloss alle Arten von Männerkleidern, sondern auch die Frauengewänder, ja sie hatten selbst die ganze Weisszeugnäherei[12]. Indessen bemerken wir doch auch hier eine rege Frauentätigkeit. Nicht nur dass im Schneidergewerbe Frauen und Töchter der Zunftmeister in weiterem Masse als in anderen Handwerken mitarbeiteten; an nicht wenigen Orten konnten auch Frauen als selbständige Meisterinnen in die Zunft treten, ja sie durften selbst Arbeiterinnen haben und Lehrmädchen annehmen. In Frankfurt und Mainz, wie wohl in allen mittelrheinischen Städten, suchte man ihre Aufnahme in die Zunft durch Festsetzung geringerer Aufnahmegebühren für Frauen zu erleichtern[13]. Erst im XV. Jahrhundert entstanden in den rheinischen Städten sehr langwierige Streitigkeiten zwischen den Schneidern und den Näherinnen, die schliesslich damit endeten, dass das Gebiet der letzteren auf diejenigen Arten des Nadelwerks beschränkt wurde, welche noch heute den Frauen eigen sind.

Noch eine Reihe von anderen Handwerken lässt sich nachweisen, die im Mittelalter Frauen im Amte hatten.[S. 19] Es würde indes zu weit führen, hier auf die Einzelheiten einzugehen. Ich begnüge mich deshalb damit, hier kurz die zünftigen Gewerbe zu nennen, bei welchen weibliche Arbeitskräfte Verwendung fanden. Es sind: die Kürschner (in Frankfurt und in den schlesischen Städten), die Bäcker (in den mittelrheinischen Städten), Wappensticker, Gürtler (Köln, Strassburg), die Riemenschneider (Bremen), die Paternostermacher (Lübeck), die Tuchscherer (Frankfurt), die Lohgerber (Nürnberg), die Goldspinner und Goldschläger (in Köln). In den Statuten der letzteren hiess es: »Kein Goldschläger, dessen Frau Goldspinnerin ist, darf mehr als drei Töchter zum Goldspinnen haben; die Goldspinnerin dagegen, deren Mann nicht Goldschläger ist, darf vier Töchter haben und nicht mehr, dass sie ihr Gold spinnen.« An der Spitze beider Gewerbe stand je ein Meister und eine Meisterin, welche das Werk des Amtes zu besehen und zu prüfen hatten. Natürlich konnte es sich hier überall nur um Gewerbe handeln, welche der Natur ihres Betriebes nach für das zarte Geschlecht geeignet waren; denn es war stehender Grundsatz des alten Handwerksrechtes, dass niemand in der Zunft sein solle, der das Gewerbe nicht mit eigener Hand treiben könne.

Im ganzen können wir sonach behaupten, dass im Mittelalter die Frauen von keinem Gewerbe ausgeschlossen waren, für das ihre Kräfte ausreichten. Sie waren berechtigt, Handwerke ordnungsmässig zu lernen, sie als Gehilfinnen, ja selbst als Meisterinnen zu treiben[14].[S. 20] Indessen bemerken wir schon frühe die Tendenz, die Frauenarbeit mehr und mehr zurückzudrängen. Dieselbe wendet sich zunächst gegen die Meisterswitwen, deren Recht auf eine gewisse Zeit (Jahr und Tag) beschränkt oder an bestimmte Bedingungen geknüpft wird. Sodann gegen das Mitarbeiten der Mägde und der weiblichen Familienglieder, endlich auch gegen die selbständige Tätigkeit der Frauen in den Zünften. Die Gesellenverbände fangen an, sich zu weigern, neben den weiblichen Arbeitern zu dienen; die Meister klagen über Beeinträchtigung ihres Nahrungsstandes. Im XVI. Jahrhundert leistet noch die öffentliche Gewalt diesen engherzigen Bestrebungen Widerstand, im XVII. Jahrhundert erlahmt sie darin völlig, und so kommt es, dass nur in vereinzelten Fällen bis ins XVIII. Jahrhundert die Frauenarbeit im Handwerk sich erhalten hat[15].

Was die nichtzünftigen Gewerbe betrifft, so unterlag in diesen die Frauenarbeit wohl nie irgend welchen Beschränkungen. Nur beim stehenden Kleinhandel, der jetzt so vielen Frauen Selbständigkeit und Unterhalt gewährt, scheint die Marktpolizei vielfach zu Ungunsten der Frauen eingegriffen zu haben, während sie beim Hausierhandel anscheinend stärker vertreten waren. So wird bei den Gewandschneidern und Fischhocken in Frankfurt der Verkauf durch die Frauen verboten, mit Ausnahme des Falles, wo der Mann abwesend ist; in München sollte keines Fleischhackers oder Metzgers Weib in der Bank stehen und Fleisch verkaufen[16]; in[S. 21] Passau durfte die Frau eines Salzhändlers nur wenn der Mann krank war dessen Geschäft versehen. Die Hocken und Viktualienhändler sind fast allerwärts Männer; nur in Ulm bilden die Käuflerinnen ein eigenes weibliches Gewerbe[17].

Es wird vielleicht zur Veranschaulichung des Gesagten beitragen, wenn hier noch kurz die Berufsarten namhaft gemacht werden, bei welchen ich in Frankfurter Urkunden aus der Zeit zwischen 1320 und 1500 Frauen beschäftigt gefunden habe. Sie lassen sich in vier Gruppen zerlegen. In der ersten, welche die Berufe umfasst, für die nur weibliche Namen vorkommen, ergaben sich 65 Beschäftigungsarten. Die zweite enthält die Berufe, in welchen die Frauen überwiegen; ihrer sind freilich nur 17. Aber ihnen stehen 38 Berufe gegenüber, in denen Männer und Frauen etwa gleich stark sich vertreten fanden und 81, in denen der Umfang ihrer Tätigkeit hinter derjenigen der Männer zurückblieb[18]. Das ergibt rund 200 Berufsarten mit Frauenarbeit. Unter ihnen treten allerdings die schon erwähnten Hilfsgewerbe der Textilindustrie am stärksten hervor. Die Verfertigung von Schnüren und Bändeln, Hüllen und Schleiern, Knöpfen und Quasten ist ganz in ihren Händen. Wie an der Schneiderei beteiligen sie sich an der Kürschnerei, Handschuh- und Hutmacherei, verfertigen Beutel und Taschen, lederne Brustflecke und Sporleder. Selbst bis in die kleine Holz- und Metallindustrie reicht ihre Tätigkeit: Nadeln und Schnallen, Ringe und Golddraht,[S. 22] Besen und Bürsten, Matten und Körbe, Rosenkränze und Holzschüsseln gehen aus ihren Händen hervor. Die Feinbäckerei scheint vorzugsweise ihnen obzuliegen; fast ausschliesslich beherrschen sie die Bierbrauerei und die Herstellung von Kerzen und Seife. In dem außerordentlich spezialisierten Kleinhandel überwiegen sie: Obst, Butter, Hühner, Eier, Häringe, Milch, Käse, Mehl, Salz, Oel, Senf, Essig, Federn, Garn, Sämereien werden fast nur von ihnen vertrieben. Das Hockenwerk und das Trödelgeschäft, ja selbst der sehr entwickelte Handel mit Hafer und Heu sind vielfach in den Händen von Frauen. Sie treiben sich unter den Abenteurern und Gauklern hausierend umher. In den Badstuben Frankfurts bedienten 30 bis 40 Bademägde; ja man konnte sich zuweilen selbst von zarten Händen rasieren und immer in den Weinschenken sich von weiblichen Musikanten, wie Lauten- und Zimbelschlägerinnen, Pfeiferinnen, Fiedlerinnen und Schellenträgerinnen, etwas vorspielen lassen. Abschreiberinnen und Briefdruckerinnen kommen wenigstens vereinzelt vor; schon 1346 wird eine Malerin und von 1484 ab häufig Juttchen die Puppenmalerin genannt. Ja selbst im städtischen Dienst werden Frauen verwendet, nicht bloss als Hebammen und Krankenpflegerinnen, sondern selbst als Schlaghüterinnen, Pförtnerinnen, Turmwächterinnen[19], Zöllnerinnen und beim Hüten des Viehs. Unter den 11 Personen, welchen 1368 der Rat das Geldwechselgeschäft übertragen hatte, werden nicht weniger als[S. 23] 6 Frauen genannt; wir begegnen einer Frau als Pächterin des Leinwandzolles und einer anderen als Aufseherin und Einnehmerin in der Stadtwage[20]. Im XIV. Jahrhundert findet sich häufig eine weltliche Schulmeisterin, Lyse, die die Kinde leret, auch kurz lerern oder kindelern — vielleicht eine mittelalterliche Kindergärtnerin. Aber 1361 wird zugleich mit ihr Katherine schulmeistern genannt — ein Beweis, dass keine vereinzelte Erscheinung vorliegt. In Lübeck war es von alters üblich, dass ehrbare Frauen kleine Mädchen schreiben und lesen lehren durften. Ferner hat es während des ganzen XIV. und XV. Jahrhunderts in den meisten Städten weibliche Aerzte gegeben. Zwischen 1389 und 1497 konnten in Frankfurt nicht weniger als 15 Aerztinnen mit Namen nachgewiesen werden, unter diesen 4 Judenärztinnen und 3 Augenärztinnen[21]. Verschiedenen von ihnen werden sogar wegen Heilung städtischer Bediensteten Ehrungen und Steuererleichterungen vom Rate bewilligt. Endlich war es nichts seltenes, dass in unsicheren Zeiten, wenn raubende und plündernde Haufen in der Umgegend sich sammelten, Frauen im Kundschafterdienst verwendet wurden[22]. Einer der höchsten Träume unserer modernen Emanzipationsfreunde war somit im Mittelalter schon einmal volle Wirklichkeit.

Wie ausgedehnt man sich auch das Gebiet selbständiger Erwerbstätigkeit vorstellen mag, welches den[S. 24] Frauen im Mittelalter zugänglich war — auf keinen Fall reichte es hin, sämtliche des männlichen Schutzes entbehrenden Frauen zu beschäftigen. Für die jüngeren bot hier wohl der Gesindedienst, der im Mittelalter verhältnismässig mehr Kräfte erforderte als heute, Arbeit und Brot; auch gab es ausser der Weberei und der Bekleidungsindustrie noch andere Handwerke, die weibliche Arbeitskräfte beschäftigten. So in Lübeck die Nadler, Maler, Bernsteindreher und Bader. Aber die Weiberlöhne[23] waren auch im Mittelalter überaus niedrig, wohl wegen des grossen Zudrangs von Arbeiterinnen zu den erwähnten industriellen Beschäftigungen. Viele waren deshalb gezwungen, in anderer Weise ein Unterkommen zu suchen.

Hier bot sich als nächste Zuflucht das Kloster, und es ist in der Tat auffallend, wie sehr in der zweiten Hälfte des XIII. und im XIV. Jahrhundert allerwärts in den deutschen Städten die Frauenklöster zunahmen. In diese Zeit fällt der kräftige Impuls, der von den Bettelorden ausging, in deren Klientel sich fast alle neu gegründeten Nonnenklöster begaben. Wenn die älteren Frauenklöster und Stifter Versorgungsanstalten für die Töchter des ärmeren Adels bildeten, so boten diese neueren eine Unterkunft für die überschüssige Frauenwelt des höheren Bürgerstandes und der Geschlechter, von denen manche Novizen auch an die Klöster einer näheren oder entfernteren Umgebung lieferten. Wen getäuschte Hoffnungen, überstandene Angst und Küm[S. 25]mernis, der Verlust von Gatten, Eltern, Geschwistern, die Furcht vor einer rohen, gewalttätigen Welt oder tiefinnerstes religiöses Bedürfnis trieben, den Schleier zu nehmen, der fand, wenn das nötige Einkaufsgeld vorhanden war, hier ein beschauliches Dasein, Gelegenheit zu geistiger Ausbildung und zu stiller Tätigkeit im Dienste der Erziehung und in weiblichen Handarbeiten, äussersten Falles wenigstens Unterhaltung und mancherlei Kurzweil. Sehr anschaulich schildert ein mittelalterliches Gedicht[24] die Tätigkeit in den Nonnenklöstern:

»Da waren vrouwen inne, die dienten Got mit sinne:
Die alten und die jungen lasen unde sungen
Ze ieslicher im tage zit, si dienten Gote ze wider strit,
So si aller beste kunden, und muosen under stunden,
So si niht solden singen, naen oder borten dringen
Oder würken an der ram; ieglichiu wold’ des haben scham,
Die da muezik waere beliben; sie entwurfen oder schriben.
Es lert die schuolemeisterin
Die jungen singen und lesen, wie sie mit zühten solden wesen,
Beide sprechen unde gen, ze kore nigen unde sten

Also Singen, Lesen, Schreiben, Sprachlehre, Anstandsunterricht — das waren die Elemente der weiblichen Klostererziehung; der Gottesdienst, das Nähen, Weben, Bortenwirken füllte die übrige Zeit der Nonnen aus. Hier und da beschäftigten sie sich auch mit dem Abschreiben von Büchern[25]. Namentlich aber waren die Stickschulen[25] der Klosterfrauen berühmt, und die kunstfertigen Gebilde ihrer Hände auf Messgewändern, auf Decken und Wandbehängen erregen noch heute unsere Bewunderung. Für den Absatz ihrer Gewerbe[S. 26]produkte hatten die Klöster hin und wieder in den Städten eigene Verkaufsstellen. Sie gerieten aber dabei mit dem freien Gewerbebetrieb der städtischen Handwerksmeister und Kaufleute in Konkurrenzstreitigkeiten, die meist damit endeten, dass den Klöstern die einzelnen Sorten von Webwaren genau vorgeschrieben wurden, die sie in den Handel bringen durften.

Es leuchtet von selbst ein, dass immer nur ein kleiner Teil des vorhandenen Frauenüberschusses in den Klöstern unterkommen konnte. Für die vielen, welche aus inneren oder äusseren Gründen gehindert waren, die Klostergelübde auf sich zu nehmen, musste in anderer Weise gesorgt werden, und es gereicht unseren Vorfahren zu nicht geringer Ehre, dass sie für diesen Zweck in Anbetracht der Zeitverhältnisse vorzügliche Mittel zu finden und durchzuführen wussten. Diese Mittel waren verschieden, je nachdem die vom Familienverband ausgeschlossenen Frauen begütert oder arm waren.

Besassen die alleinstehenden Jungfrauen und Witwen Vermögen, so kauften sie mit demselben im XIV. und XV. Jahrhundert wohl eine Leibrente, von der sie bis ans Ende ihrer Tage leben konnten, ähnlich wie man früher oft einem Kloster sein Gut übertrug, um sich einen sorgenfreien Lebensabend zu erkaufen. Manche Städte, die häufig in Geldverlegenheit waren, besserten damit ihre Finanzen auf, dass sie an Auswärtige unter gleichzeitiger Verleihung des Bürgerrechts Leibrenten verkauften. Sie erfüllten damit[S. 27] die Aufgabe einer modernen Lebensversicherungsgesellschaft, und nicht wenige Frauen vom Lande haben sich auf diesem Wege zugleich den städtischen Schutz und einen sorgenfreien Lebensabend gesichert[26].

Auch ergab es sich leicht, dass vermögende Frauen, insbesondere solche, die miteinander verwandt waren, sich zu drei oder vier zusammentaten, um eine gemeinsame Haushaltung zu führen. Solcher kleinen, freiwillig zusammenlebenden Frauengruppen begegnen uns viele in den Frankfurter Bedebüchern. Jede der Beteiligten behielt ihr abgesondertes Vermögen und versteuerte dasselbe. Zur Wirtschaft mag dann jede ihren Beitrag geleistet haben.

Zu einer festen Organisation führten solche freiwillige Verbindungen in Strassburg. Hier bildeten sich eigene Vereine, sogen. Samenungen (Sammlungen) vermögender Frauen und Jungfrauen zu dem Zwecke eines gemeinsamen Lebens in stiller Zurückgezogenheit[27]. Solcher Samenungen gab es drei; alle waren in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts gegründet worden. Die ihnen angehörigen Frauen hiessen Pfründenschwestern, Pfründnerinnen, auch wohl Mantelfräulein, weil sie eine eigene Tracht von geistlichem Zuschnitte trugen.

Wie alle Vereinigungen des Mittelalters, mochten sie sonst zu gewerblichen, geselligen oder Unterstützungszwecken errichtet sein, standen auch die Samenungen von Anfang an in näherer Beziehung zur Kirche. Ein[S. 28] Dominikaner, Friedrich von Erstein, hatte ihre ersten Satzungen (von 1267) verfasst; sein Orden nahm auch fernerhin die Schwestern in seine sorgsame Obhut. Nach jenen Satzungen lebten im ersten Jahrhundert ihres Bestehens die Samenungen in voller Gütergemeinschaft. Zur Aufnahme war erforderlich, dass die Eintretende so viel eigenes Vermögen besass, um davon leben zu können. Schied sie aus, ehe sie das 14. Lebensjahr zurückgelegt hatte, so musste sie für jeden im Hause zugebrachten Monat 40 Pfennige Kostgeld bezahlen und zurückerstatten, was sie von den Schwestern an Kleidungsstücken u. dgl. erhalten hatte. Trat sie erst nach dem vierzehnten Jahre aus (etwa zum Zwecke der Verheiratung), so durfte sie nur Kleider und Bettwerk mitnehmen, musste aber ihr eingebrachtes Vermögen zurücklassen; wollte sie in ein Kloster gehen, so gab man ihr fünf Pfund von ihrem Vermögen wieder. Ungebührliche Reden, Streitsucht, das Anknüpfen von Beziehungen zu Männern zogen die Ausschliessung nach sich. Man darf daraufhin nicht etwa meinen, dass die Mantelfräulein das klösterliche Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt hätten; es ist ja klar genug, dass auch heute noch die Mitgliedschaft einer derartigen Vereinigung mit der Anknüpfung eines Verhältnisses zu Männern oder der Brautschaft einer Beteiligten aufhören müsste. Bei einer etwaigen Auflösung der Samenung sollte das Vereinsvermögen unter die Schwestern gleichmässig verteilt werden.

[S. 29]

Bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts herrschte in diesen Frauenvereinen unter der Seelsorge der Dominikaner ein zwar stilles, beschauliches, aber auch geistig angeregtes Leben. Alles, was die Zeit auf religiösem Gebiete bewegte, fand hier eifrige Anteilnahme. Namentlich waren die strengen Mystiker Meister Eckart und Johann Tauler in ihnen gern gesehene Gäste. Die Schwestern lauschten ihren gefühlswarmen, tiefsinnigen Predigten und schrieben ihre Traktate ab. Kurz nachher (1355) schrieb Rulman Merswin von ihnen: »Sie waren also gar schweigsame, einfältige, gutherzige Frauen und hatten also gar grossen einfältigen inwendigen Ernst, dass ihnen Gott gar heimlich war mit seiner Gnade.«[28]

Später änderte sich das. Der Geist der Eintracht und Schwesterliebe schwand mehr und mehr aus den Samenungen. Es wurden sehr eingehende Satzungen notwendig, welche die Vermögensgemeinschaft teilweise aufhoben und die Hausordnung bis in die kleinsten Einzelheiten vorschrieben. Die Schwestern behielten ihr Sondereigentum und konnten jederzeit aus der Vereinigung treten, wenn sich ihnen Gelegenheit zur Verehelichung bot. Während das Vermögen der Einzelnen vielleicht nicht zur Fortführung eines selbständigen standesgemässen Haushalts ausgereicht hätte, zeigte die gemeinsame Wirtschaft einen gewissen Luxus. Es fehlte nicht an einer ganz annehmbaren Speisekarte, an Silbergeschirr und Kleinodien; Dienerinnen wurden[S. 30] gehalten, Gäste zu Tische geladen; man wohnte den Turnieren und den Tanzfesten auf den Trinkstuben der adeligen Gesellschaften bei; ja man konnte sich den Besuch der damaligen Luxusbäder im Schwarzwald und in der Schweiz gestatten. Im Jahre 1414 wurde angeordnet, dass jede neu aufzunehmende Pfründnerin dem Hause 60 Pfund geben und dass die, welche in die Welt zurückkehrte, die Hälfte ihres Hausrats zurücklassen sollte.

Durch solche Einrichtungen, sowie durch die ihnen zufallenden Schenkungen und Vermächtnisse bereicherten sich die Samenungen immer mehr; aber sie verfielen dadurch auch um so rascher. Ihr inwendiger Ernst sei erloschen, berichtet Rulman Merswin; statt zu beten und fromme Büchlein zu lesen, unterhielten sie sich mit allerlei weltlichem Klatsch; Missgunst, Eifersucht, gegenseitiges Misstrauen beherrschten das häusliche Leben. Die alte Tracht, ein wollenes Gewand und langer Schleier, die sie noch immer trugen, bewahrte sie nicht vor Weltlust und Hoffart; selbst vor dem Weihkessel, meint Geiler von Keisersberg, könnten sie nicht vorübergehen, ohne sich darin zu beschauen. In ihren Häusern lebten sie herrlich und in Freuden; in der Stadt wurden sie zu Gaste geladen; sie fehlten bei keiner Belustigung[29]. Kein Wunder, dass sie die Reformation, wie manche ähnliche Vereine, rasch vom Erdboden wegfegte.

Viel härter war das Los der armen Frauen, die[S. 31] ihres Ernährers beraubt waren und weder in der Erwerbswirtschaft noch in den Klöstern eine Stelle finden konnten. Zur Verheiratung bot sich ihnen meist nur dann sichere Gelegenheit, wenn sie dem Manne als Tochter oder Witwe eines Meisters das Zunftrecht in die Ehe brachten. Freilich gab es zahlreiche Stiftungen und Vermächtnisse, die auch ihnen zu Gute kamen — Verteilungen von Geld und Brot, von Suppe und Fleisch, von Holz und Kleidern. Das Betteln war im Mittelalter keine Schande, das Almosengeben wurde als religiöse Pflicht angesehen; man brauchte sich um so weniger zu scheuen, Spenden und Geschenke zu heischen, als von den Almosenempfängern eine Gegenleistung, bestehend in Kirchenbesuch und Gebet für das Seelenheil des Spenders, gefordert wurde. Alte und gebrechliche Leute fanden wohl auch als Pfründnerinnen in Spitälern eine Aufnahme.

Aber diese Mittel boten keine dauernde und ausgiebige Hilfe; sie versagten am meisten, wenn sie am nötigsten gewesen wären, in Zeiten allgemeiner Teuerung und Bedrängnis.

Da ist es denn im höchsten Grade bemerkenswert und als Beweis für die Tatsache eines weitverbreiteten Frauennotstandes geradezu ausschlaggebend, dass seit der Mitte des XIII. Jahrhunderts überall in Deutschland sehr zahlreiche Anstalten gegründet wurden, welche ausschliesslich zur Versorgung ärmerer alleinstehender Frauen bestimmt waren. Es sind dies die[S. 32] sogen. Gotteshäuser oder Bekinenanstalten[30].

Man pflegt die Institution der Bekinen und Bekarden gewöhnlich nur von ihrer religiösen Seite zu betrachten und sie da mit den Tertiariern zusammenzustellen, jenem ausgedehnten Anhang der Bettelorden aus dem Laienstande. Es ist ja bekannt, dass dieser von den Dominikanern und Franziskanern gestiftete »dritte Orden der Reue« aus Weltleuten beiderlei Geschlechts bestand, welche, ohne der Ehe und ihrem bürgerlichen Berufe zu entsagen, sich der Aufsicht der Orden unterworfen hatten, an ihren Uebungen und Gebeten teilnahmen, der Weltlust entsagten, ernste, einfache Kleidung trugen und sich verpflichteten, Barmherzigkeit zu üben, die Gebote Gottes und die Vorschriften der Kirche zu halten. In ähnlichen Beziehungen, wie diese Minoriten, standen allerdings auch die Bekinen und Bekarden zu den Bettelorden. Sie trugen ein dem geistlichen ähnliches schlichtes Gewand und nahmen gewisse religiöse Verpflichtungen auf sich. Allein sie hatten darum nicht mehr Verwandtschaft mit dem Nonnen- und Mönchswesen als etwa die Brüderschaften der Handwerksgesellen, der Aussätzigen, der Blinden und Lahmen. Ja wir können sogar beobachten, wie die städtischen Räte mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln dahin strebten, den weltlichen Charakter der Bekinen (die Bekarden waren wenig zahlreich und stehen uns hier fern) aufrecht zu erhalten.

[S. 33]

Das Aufkommen der Bekinen knüpft sich — wenigstens in den deutschen Städten — überall an die Stiftung der Gotteshäuser. Unter letzteren versteht man Häuser, welche von reicheren Laien, Männern und Frauen, dem Zwecke gewidmet wurden, eine bestimmte Anzahl armer, verlassener Frauen und Mädchen aufzunehmen. Sie hiessen auch wohl Einungen (Frankfurt a. M.) oder Sammlungen (Ulm), Seelhäuser (Ulm, München), Regelhäuser (München), Maidehäuser (Mainz), Konvente (Wesel), unter Umständen auch Klausen — das letztere namentlich auf Dörfern und in einsamen Gegenden. Oft begnügten sich die Stifter nicht mit der Gewährung der Wohnung; sie sorgten auch durch Verschreibung von Renten und sonstigen Gefällen für die Unterhaltung der Gebäude, für Holz und Licht, manchmal auch für einen Teil der Nahrung. Die Bewohnerinnen solcher Häuser nannte man allgemein Schwestern, in Strassburg auch gewillige oder arme Schwestern, in Frankfurt a. M. geistliche Schwestern, Kinder oder arme Kinder, in München Seelnonnen, in Konstanz Mäntlerinnen; später wurde der Name Bekinen, Beguinen, hier und da auch Begutten, durchweg gebräuchlich.

Die Zahl der Frauen, welche in ein solches Gotteshaus Aufnahme finden konnten, war meist nicht sehr gross und wurde insgemein schon von dem Stifter festgesetzt. Sie schwankte in Worms zwischen 2 und 6,[S. 34] in Frankfurt zwischen 2 und 15, in Strassburg war die am häufigsten vorkommende Anzahl 20; aber es gab auch Häuser mit 3, 4, 6, 8, 10, 12, ja selbst mit 22 und 26 Schwestern. Sogenannte Bekinenhöfe, d. h. mit Mauern umgebene Hofstätten, welche mehrere Wohn- und Wirtschaftsgebäude für eine grössere Zahl von Schwestern enthielten, finden wir vorzugsweise in den niederrheinischen Städten und in Belgien. In den Klausen lebte meist nur je eine Bekine oder Klausnerin.

Die meisten dieser Gotteshäuser wurden zwischen 1250 und 1350 gestiftet. Es ist bezeichnend für ihren weltlichen Charakter, dass sie durchweg nach dem Namen ihres Gründers benannt werden. Ihre Zahl war in den einzelnen Städten und deren Umgebung sehr gross. In Frankfurt sind ihrer 57 (etwa 3 Prozent sämtlicher Wohnhäuser der Stadt) dem Namen nach bekannt, in Strassburg 60, in Basel über 30, in Speier 6; für München sind ihrer nur 7 nachgewiesen.

Was die Gesamtzahl der Bekinen betrifft, so lassen sich über diese für die einzelnen Städte keine sicheren Nachweise erbringen. Nach einer auf ziemlich zuverlässigen Anhaltspunkten beruhenden Schätzung waren zu Frankfurt a. M. am Ende des XIV. Jahrhunderts über 200 Bekinen vorhanden. Ueber 6 Prozent der erwachsenen weiblichen Bevölkerung (die Stadt hatte damals etwa 9000 Einwohner) befanden sich darnach in den Gotteshäusern. Hartwig hat berechnet,[S. 35] dass in den Lübecker Anstalten für alleinstehende Frauen, die freilich nicht ausschliesslich Gotteshäuser (Konvente) waren, 600 Personen versorgt werden konnten. Von den bis 1330 gestifteten Strassburger Gotteshäusern konnten 12 allein 195 Schwestern aufnehmen; alle zusammen boten für mehr als 600 Personen Raum. Noch weit zahlreicher scheinen die Bekinen am Niederrhein gewesen zu sein. Köln soll ihrer 2000 gehabt haben, Nivelle und Cantibri bei Cambrai 1300, und ein Bekinenhof bei Mecheln »bis in die 1400 oder mehr«[31]. Indessen wird man diesen letzteren Ziffern mit einigem Misstrauen begegnen müssen.

Wie schon der Name Gotteshäuser andeutet, waren dieselben Stiftungen christlicher Barmherzigkeit, hervorgegangen aus dem religiösen Bedürfnisse derjenigen, welche ihr irdisch Hab und Gut — gewiss mit Recht — dem Dienste Gottes zu weihen meinten, indem sie für Unterkunft der von aller Welt verlassenen, jeder Gefahr ausgesetzten Frauen Sorge trugen. Vorzugsweise waren es verwaiste oder ledig gebliebene arme Mädchen, kinderlose Witwen, Töchter kinderreicher Handwerker, alte treue Dienstboten, welche hier Aufnahme fanden. Im XIII. Jahrhundert traten auch nicht selten alleinstehende Frauen aus dem wohlhabenden Bürgerstande, ja selbst solche aus den städtischen Geschlechtern und dem Adel bei den armen Schwestern ein, denen sie dann ihr Vermögen zubrachten.

Die Statuten der Gotteshäuser, welche ge[S. 36]wöhnlich schon in dem Stiftungsbriefe gegeben wurden, waren in der ersten Zeit überaus einfach. Erst später, als sich Uebelstände herausstellten, wurden sehr eingehende Satzungen und Hausordnungen für die Schwestern aufgestellt. Diese sind natürlich je den besonderen Verhältnissen angepasst. Ich darf mich hier damit begnügen, die wichtigsten gemeinsamen Züge aus ihnen auszuheben.

Die Grundlage der Existenz der in einem Gotteshause vereinigten Schwestern bildete die Rente des Stiftungsvermögens. Wenn diese zum Leben nicht ausreichte, mussten sich die Frauen durch Arbeit ernähren, durch Stricken und Nähen, durch Spinnen und Weben. Die niederrheinischen Bekinenhöfe waren regelmässig mit Bleichplätzen verbunden. Die Konkurrenz mit dem freien Gewerbebetrieb, welche sie hier zu bestehen hatten, wurde ihnen nicht selten durch Privilegien der Stadtobrigkeiten und der Fürsten erleichtert. So erhielten 1293 die Bekinen zu Würzburg das Recht, ihre selbstverfertigten Tücher ellenweise zu verkaufen[32]. Im Jahre 1310 gestatteten die Herzöge Boleslaw, Heinrich und Wendislaw den Bekinen zu Breslau, durch die Tuchmacher der Stadt weisses und graues Tuch weben zu lassen und in ganzen Stücken zu verkaufen[33]. In Konstanz hatten sich etliche Wollenweber geweigert, den »armen Schwestern in der Mäntlerinnen Haus« das Wollengarn zu weben, das sie spannen. Auf die Klage der Schwestern bestimmten die Zunftmeister, dass ihnen[S. 37] die Weber was sie spannen, um es an ihren Leib zu wenden, weben sollten; doch sollten die Schwestern dasselbe Tuch niemanden anders verschneiden oder zu kaufen geben, weder in noch vor ihrem Hause[34]. Weniger engherzig ist die II. württembergische Landesordnung von 1515[35]. In ihr wird »zugelassen, dass man in jedem Amt den Schwestern und Begynen in iren heusern ain genante zal der schwestern bestimmen mög, wie vil sie deren haben sollen und nit darüber, ..... das man auch denselben schwestern ain zal webstül bestimme zu haben vnd nit darüber, nemlich je vff vier swestern ain webstul vnd nit mehr, damit die innwoner daneben nit überladen werden vnd sich auch irnthalb one verhindert erneren mögen.«

Ausserdem sollten die Bekinen Liebeswerke verrichten, Arme speisen, Kranke besuchen, Tote zur letzten Ruhestätte geleiten. In München war das Warten der Kranken und die Besorgung der Toten ihre ausschliessliche Aufgabe; in Augsburg hatten sie die Krankenpflege in den Spitälern; in anderen Städten pflegten sie, wie heute die barmherzigen Schwestern und Diakonissinnen, vorzugsweise in den Häusern. In Frankfurt wurden ihnen wohl Findlinge, in Wesel auch andere arme Kinder zur Erziehung und Unterweisung im Lesen, Schreiben und in Handarbeiten übergeben. Ausserdem hatten sie den Todestag des Stifters und der Wohltäter ihres Hauses durch Gebet für deren Seelenheil in der Kirche zu begehen.

[S. 38]

Die Aufnahme der Schwestern erfolgte bei der Gründung eines Gotteshauses durch den Stifter oder die Stifterin, später meist durch Abstimmung aller vorhandenen Schwestern. Brachte die Aufgenommene eigenes Vermögen mit, so behielt sie die Verfügung über dasselbe und wurde dafür auch zur Steuer herangezogen, wenn es einen bestimmten Betrag überstieg[36]; nach ihrem Tode wurde es in Strassburg den Erben übergeben; in Frankfurt fiel es an das Gotteshaus. In vielen niederländischen Beguinereien wurde ein Einkaufsfeld und der Bau des zu bewohnenden Häuschens gefordert; der Nachlass verstorbener Mitglieder fiel dem Gesellschaftsvermögen zu. Hier und da war ein Probejahr vor der endgültigen Aufnahme Vorschrift. Der Austritt zum Zwecke der Verehelichung oder aus anderen Gründen war jederzeit gestattet. Ausschliessung erfolgte wegen schlechter Aufführung, wegen Ungehorsams, wegen Störung der Eintracht, wegen Umhertreibens und wegen verbotenen Umgangs mit Männern. Meist musste dabei der weltliche Pfleger des Gotteshauses oder der Beichtvater der Schwestern zu Rate gezogen werden.

Die Leitung des gemeinsamen Haushalts der Bekinen war einer Meisterin, mitunter auch mehreren anvertraut. Im ersteren Falle erfolgte die Ernennung durch allgemeine Wahl, im letzteren durch Zuwahl. In Strassburg wechselten die Vorsteherinnen alle Jahre, in Frankfurt waren sie meist auf Lebenszeit eingesetzt.[S. 39] Die Schwestern waren zum Gehorsam gegen die Meisterin verpflichtet. Unbotmässige Elemente scheinen indessen nicht selten vorgekommen zu sein. Wenigstens sind zwei Fälle bekannt (aus Frankfurt a. M. und Ulm), wo in grösseren Bekinenhäusern Gefängnisse eingerichtet wurden, um die Widerspenstigen zu strafen.

Die Tracht der Bekinen schloss sich im Schnitt der Gewandung einfacher Bürgersfrauen an. Sie bestand aus einem Gewand von grauem, schwarzem oder blauem Wollenstoff mit einer weissleinenen Kaputze und weissem Schleier, über die sie beim Ausgehen noch ein schwarzes Wollentuch schlugen. Daher auch die Benennungen graue oder schwarze oder blaue Schwestern. Die Kost war gewöhnlich sehr einfach. Reichere Gotteshäuser konnten auch in dieser Hinsicht einigen Aufwand gestatten. In manchen Strassburger Anstalten dieser Art erhielten die Schwestern täglich ihren Wein, und dies in gar nicht kleinen Quantitäten. An den Jahrestagen des Stifters und anderer Wohltäter pflegte der Tisch etwas reicher besetzt zu sein. Der Hausrat nahm sich meist ärmlich genug aus; insgemein brachten die Schwestern nichts mit als ihr Bett und ihre Kleidung.

Tagüber hielten sich die Schwestern in einer gemeinsamen Wohnstube auf, der einzigen, die im Winter geheizt wurde. In Strassburg war ihnen nicht erlaubt, in diesem Zimmer am Rade zu spinnen, damit diejenigen, welche gerade in frommer Betrachtung begriffen waren, nicht durch das Schnurren des Rades gestört würden[37].[S. 40] In dem Konvent auf dem Sande zu Wesel war auch ein gemeinsames Schlafzimmer vorgeschrieben. Nur die »Kranken und die alten Glatzköpfe« konnten gesondert untergebracht werden[38]. In der Verfügung über ihre Zeit zum Arbeiten und Schlafen scheinen sie an keine besonderen Vorschriften gebunden gewesen zu sein. Aber keine Schwester sollte ohne Erlaubnis der Vorsteherin ausgehen, und nie allein, sondern stets zu zweien, auch nicht vor Sonnenaufgang und nicht nach Sonnenuntergang, es sei denn, dass um einer redlichen Ursache willen die Vorsteherin es gestattet habe[39].

In religiöser Beziehung hatten die Bekinen keine andern Verpflichtungen als alle ehrbaren Frauen; wohl aber wurden sie bezüglich der Einhaltung derselben durch den Stadtpfarrer oder die Ordensgeistlichkeit überwacht. Die Kirche musste natürlich darnach streben, so weit verbreitete Anstalten ganz unter ihre Aufsicht und Leitung zu bringen. Namentlich im XIII. Jahrhundert suchte sie die Bekinen wie einen geistlichen Orden zu behandeln, und eine Synode zu Fritzlar fasste 1244 den Beschluss, dass keine Schwester aufgenommen werden dürfe, die jünger als 40 Jahre sei. Allein soweit wir sehen, ist dieser Beschluss nirgends zur Durchführung gelangt. Die städtischen Räte boten vielmehr alles auf, um die Gotteshäuser nicht zu kirchlichen Anstalten werden zu lassen; sie setzten ihnen weltliche Pfleger und Provisoren zur Wahrnehmung der Vermögensverwaltung und zur Aufrechterhaltung der[S. 41] Ordnung; sie unterstellten sie in allen bürgerlichen Beziehungen dem gemeinen Recht. Vielleicht gab das mehr Grund für die Verfolgungen, welche im Anfang des XIV. Jahrhunderts von Seiten der Kirche über die armen Schwestern verhängt wurden, als die Ketzereien, deren man sie beschuldigte. Einzelne Gotteshäuser haben allerdings die Regeln des dritten Ordens angenommen[40], aber nur wo es die weltliche Gewalt gestattete; andere waren schon von ihren Stiftern unter die Aufsicht irgend einer geistlichen Behörde gestellt worden. Der Einfluss der Geistlichkeit erstreckte sich aber auch in diesen Fällen nur auf die religiös-sittliche Seite.

Im XV. Jahrhundert ist an verschiedenen Orten das Bekinenwesen arg entartet. Viele Gotteshäuser waren durch die zahlreichen kleinen Schenkungen und Vermächtnisse, welche ihnen im Laufe der Zeit zuteil geworden waren, reich geworden, und ihr Renteneinkommen gestattete den Schwestern ein müssiges Leben. Die Arbeit an der Kunkel und am Webstuhl wurde eingestellt; mehr und mehr beschränkten sich die Schwestern auf das leichte und gewinnbringende Gewerbe der Leichenbitterinnen und Klageweiber. Der religiöse Sinn, welcher früher unter ihnen geherrscht hatte, erstarb zusehends. Man kann sich denken, welche Folgen das Zusammenleben solcher meist ungebildeten, jedes höhern Lebenszweckes entbehrenden, aber in ihrer Existenz gesicherten Frauenzimmer, die teilweise noch in jugend[S. 42]lichem Alter standen, nach sich zog. Männer durften zwar nicht in die Gotteshäuser kommen; aber man traf sich mit ihnen ausserhalb derselben. Dazu kam der verderbliche Einfluss der Bettelorden, die vielfach die Seelsorge der Schwestern übten und in ihre Anstalten freien Zutritt hatten. Schon 1372 klagten die Strassburger Nonnen von St. Marx, St. Katharinen und St. Nicolai in undis beim Papste Gregor XI. über die Dominikaner: »sie wollen uns ihren geistlichen Beistand nur gewähren, wenn wir ihnen Geld, Geschmeide und andere Dinge geben; sie kommen in unsere Klöster in kurzen Röcken, bebänderten Mützen, Stiefeln, wie weltliche Leute; sie haben vor uns getanzt und uns zu eitler Lust aufgefordert, ja einige von uns haben sie zur Sünde verführt«. Wenn das in den Klöstern geschehen konnte, was mochte erst in den weit zugänglicheren Gotteshäusern vorkommen! Sebastian Brant schildert die Strassburger Bekinen als ein nichtsnutziges Schmarotzervolk; sie taugten kaum mehr zu etwas anderem, als bei Prozessionen und Leichenbegängnissen bezahlte Gebete zu murmeln. In Frankfurt a. M. werden sie in öffentlichen Aktenstücken mit Dirnen der verworfensten Art in eine Linie gestellt. Kein Wunder, dass die Zeitgenossen sich keinen klaren Begriff mehr über den wahren Charakter der ganzen Einrichtung machen konnten und dass der Verfasser der Dunkelmännerbriefe die Frage aufwirft, ob die Lolharden und Begutten zu Köln geistliche oder weltliche Leute seien. Brant[S. 43] schliesst seine Schilderung der Bekinen mit dem ohne Zweifel ehrlich gemeinten Stossseufzer:

»Ach werent sy zu Portugall,
Ach werents an derselben statt,
Do der pfeffer gewachsen hatt,
Und nymmer möchten her gedenken!
Ich wollt in gern das weggeld schenken.«

Die Reformation hat denn auch sehr rasch mit der überlebten Einrichtung aufgeräumt; sie hat die Gotteshäuser gewöhnlichen Zwecken zurückgegeben oder sie in Krankenanstalten, Schulen u. dgl. verwandelt; nur in den Niederlanden haben sich die Bekinenhöfe bis auf die neueste Zeit erhalten.

Es konnte nicht fehlen, dass die grosse Zahl der alleinstehenden Frauen im Mittelalter auch zu weit bedenklicheren Erscheinungen führte, dass namentlich das Verhältnis der beiden Geschlechter zu einander davon ungünstig beeinflusst wurde. Ganz allgemein dürfte hier die Bemerkung am Platze sein, dass man zu einer durchaus schiefen Beurteilung der mittelalterlichen Gesellschaft gelangt, wenn man jenes Verhältnis immer nur in dem rosig schimmernden Lichte betrachtet, mit dem es der ritterliche Minnesang und Frauendienst verklärt hat. Dieser Idealzustand verfeinerter Sinnenlust beschränkte sich selbst im XII. Jahrhundert nur auf einen verhältnismässig sehr kleinen Kreis, und auch hier mag noch zwischen der Theorie und Praxis der Liebe ein sehr bedeutender Unterschied gewesen sein. Im XIV. und XV. Jahr[S. 44]hundert ist von der vielgepriesenen frommen Zucht und Sitte eben so wenig im städtischen Leben, das wir nach dieser Hinsicht genauer kennen, als bei dem in raschem Verfalle begriffenen Rittertum zu verspüren. Eheliche Treue ist in den höheren Ständen während des ganzen Mittelalters nicht sehr häufig; die Bastardkinder werden in der Vaterfamilie mit den ehelichen Söhnen und Töchtern zusammen erzogen; eine derbe, fast rohe Sinnlichkeit beherrscht die Beziehungen der Geschlechter in allen Klassen der Bevölkerung. Die Begriffe von Sitte und Anstand sind von den unseren weit verschieden, und die naive Offenheit, mit der wir überall auch die anstössigsten Dinge behandelt sehen, liegt weit ab von den Manieren der heutigen Zeit. Die Kirche hat nach dieser Richtung wenig Einfluss zu üben verstanden; sie war zufrieden, wenn ihre Regeln sonst streng beobachtet wurden. Trug sie doch selbst die Züge jenes übersinnlich-sinnlichen Doppelwesens, das der Zeit eigen war.

Auf jenen derben Holzschnitten, welche uns aus dem Ende des XV. und dem Anfang des XVI. Jahrhunderts erhalten sind, erblicken wir nicht selten Frauen in Gesellschaft von Männern bei Wein und Würfelspiel, bei Schmausgelagen und ausgelassenen Tänzen. Sie sind neben andern ein Beweis dafür, dass die Frauen in Deutschland damals weit entfernt waren von jener strengen Abgeschlossenheit, die wir in südlichen Ländern treffen. Sie beteiligten sich in gleicher Weise an den[S. 45] gewöhnlich recht materiellen Vergnügungen wie die Männer. Im württembergischen Zabergau feierten sie allerorts jährlich auf Fastnacht ihre Weiberzechen — Schmausereien, bei denen kein Mann zugegen sein durfte, ausser dem Schultheiss und dem Bürgermeister, welche die Dienste der Kellner und Aufwärter zu versehen hatten und bei welchen es sehr lustig herging[41]. Bei den Festen der Geschlechter, auf den Trinkstuben der Zünfte und Brüderschaften, bei Volksbelustigungen auf Märkten und Messen, auf freien Plätzen und in den Vorhallen der Kirchen — überall wo es etwas zu gaffen und zu geniessen, zu tanzen, zu springen und zu singen gab, erblicken wir die Frauen, und meist nicht eben als Wächterinnen des guten Tons und der strengen Sitte, sondern als Ausgelassene unter den Ausgelassenen, oft als Anführerinnen der Fröhlichen. Das schliesst nicht aus, dass sie anderwärts wieder als Trägerinnen des religiösen Lebens erscheinen, dass sie als Beterinnen und Büsserinnen zu Füssen des Gekreuzigten liegen und der gebenedeiten Gottesmutter Maria, dass sie als Nonnen die Klöster füllen und als Pilgerinnen die Lande durchziehen.

Das Mittelalter, das schon den Wechsel der Jahreszeiten sehr viel lebhafter empfand als wir, war auch sonst reich an derartigen Gegensätzen. Wie hätte es auch anders sein können in einer Gesellschaft, die fortwährend den jähesten Wechselfällen ausgesetzt war? Fast nirgends erblicken wir das ruhige Behagen einer[S. 46] in festen Linien sich bewegenden stetigen Entwicklung, nirgends den heitern Lebensmut, der die Menschen einer rechts- und existenzsicheren Zeit beseelt. Selbst die Bevölkerung der Städte hielt sich im XIV. und XV. Jahrhundert meist nur mit Mühe auf ihrem frühern Bestand, und dies auch nur mittels einer massenhaften Einwanderung aus der nahen ländlichen Umgebung. Kriege, Missernten, Hungersnöte, der jähe Tod rafften alle paar Jahre ein Viertel, ein Drittel, manchmal gar die Hälfte der vorhandenen Menschen dahin. Von 1326 bis 1400 zählte man 32 Pestjahre, von 1400–1500 41, von 1500–1600 30. Wie ist es unter der Angst solch steter Lebensbedrohung auch nur denkbar, dass die Menschen ein heiteres Gleichgewicht ihres geistigen und sinnlichen Daseins hätten bewahren können!

Hart neben einander lagen darum im täglichen Leben der mittelalterlichen Gesellschaft toller Lebensgenuss und büssende Entsagung; heute schlürfte man den Becher der Lust bis zur Neige, um morgen in bitterer Reue sich der Welt abzukehren, das Fleisch zu ertöten, mit Fasten und Beten, mit Geissel und Bussgürtel sich zu kasteien. Von der Kirche zum Tanzhaus, von der Kutte zur Fastnachtsmummerei, von der Büssergeissel zur Schellenkappe war oft nur ein kleiner Schritt.

Himmelhoch jauchzend,
Zu Tode betrübt —

das ist die Stimmung des ausgehenden Mittelalters, welche mit ergreifender Naturwahrheit die Kunst in[S. 47] den Totentänzen mit ihrem schneidenden Sarkasmus und ihren packenden Kontrasten wiedergespiegelt hat.

Es kann uns darum auch kaum Wunder nehmen, wenn wir in den Chroniken der Zeit unmittelbar neben der Schilderung des schwarzen Todes und der Geisslerfahrten, neben der Erzählung von grausigen Judenschlächtereien, blutigen Fehden und Hinrichtungen die Darstellung der Tanzwut lesen, welche im XIV. Jahrhundert die ganze Bevölkerung der rheinischen Städte ergriff[42], wenn wir sehen, dass während heute nicht Hände genug vorhanden sind, um die Toten zu begraben, morgen schon die Kirchen kaum die Zahl der Brautpaare zu fassen vermögen, welche sich zum Traualtar drängen[43], wenn wir in den städtischen Gesetzbüchern auf derselben Seite einen Ratsbeschluss gegen die allzuzahlreichen Widmungen an die Kirche finden, auf welcher auch ein Verbot des übermässigen Luxus bei Hochzeiten und Kindtaufen Platz gefunden hat, wenn wir in einer Epoche, die viele sich als das Urbild des Beharrens denken, die Moden fast über Nacht wechseln sehen. »In der zeit (um 1380) war der sitt von der kleidung verwandelt, also, wer heur ein meister war von den schneidern, der war über ein jahr ein knecht«[44]. Es gibt vielleicht keine Erscheinung dieser Zeit, die all diese scharfen Gegensätze so verkörpert, wie jener aussätzige Barfüssermönch, von welchem die Limburger Chronik erzählt, dass er bei all dem unsäglichen Elend seiner Krankheit »die besten lieder vnd reihen machte[S. 48] .... und was er sung, das sungen die leut alle gern, vnd alle meister pfiffen und andere spilleut furten den gesang und das Gedicht...., und war das alles lustiglich zu hören«[45].

Erwägen wir dies alles, so wird uns auch das zahlreiche Auftreten und das wunderliche Gebaren der fahrenden Leute[46] verständlicher, unter denen wieder die Frauen massenweise vertreten waren. Diese fahrenden Frauen finden wir zunächst in der Gesellschaft jener Gaukler- und Possenreisserbanden, jener Spielleute und Bettler, die wir das ganze Mittelalter hindurch überall da erscheinen sehen, wo ein grosser Zusammenstrom von Menschen stattfand. Sie traten hier auf als Spielweiber und herumziehende Künstlerinnen, als Gauklerinnen und Tänzerinnen, als Leier- und Harfenmädchen. In mancher Hinsicht berühren sie sich mit dem leichten Volk der fahrenden Schüler und wandernden Kleriker, gegen welche die Konzilien vergeblich eiferten. Sie erscheinen in grossen Scharen am fürstlichen Hoflager, bei den Kaiserkrönungen, auf Reichstagen, Turnieren, Kirchenversammlungen, auf Messen und Märkten. »Man kann sich nichts Widerlicheres denken«, sagt Weinhold, »als diese entsittlichten hungernden und lungernden Banden, welche zu Hunderten durch das Land streiften, wo sich nur ein Fest zeigte, den Raben gleich sich sammelten und ihre durchlöcherte Hand frech fordernd hinhielten.«

Scharen dieser fahrenden Weiber begleiteten schon[S. 49] die Kreuzfahrer nach Asien. Dem französischen Heere sollen ihrer i. J. 1180 nicht weniger als 1500 gefolgt sein, und noch Ludwig der Heilige vermochte den dadurch in seinem Heere entstandenen Unfug kaum zu dämpfen. Von Friedrich II., der 1229 im Gelobten Lande sich aufhielt, erzählt Matheus Parisiensis, der Mönch von St. Alban, dass er Sarazenen, die er zur Tafel gezogen hatte, durch die Künste christlicher Spielweiber unterhielt. Am französischen und englischen Hofe gab es im XIII. und XIV. Jahrhundert einen eigenen Marschall zur Beaufsichtigung dieser Personen. In Deutschland finden wir sie 1394 bei dem Reichstage zu Frankfurt a. M. in der ansehnlichen Zahl von 800, und die Menge der fahrenden Frauen, welche sich zu den Konzilien von Basel und Konstanz eingefunden hatten, soll 1500 betragen haben. In Basel hatte während des Konzils der Herzog von Sachsen in seiner Eigenschaft als Reichsmarschall die Aufsicht über die fahrenden Dirnen. Er war es auch, der eine Zählung derselben veranstaltete, die aber nur zur Hälfte durchgeführt wurde, weil der damit Beauftragte das widerwärtige Geschäft für zu gefährlich hielt[47].

Wie im Gefolge des Adels und der Geistlichkeit, so erscheinen sie nicht minder zahlreich im Tross der in den französisch-englischen Kriegen aufgekommenen Söldnerheere. Schon aus dem XIV. Jahrhundert erzählt Königshofens Chronik, dass ihrer 800 mit den Landsknechten zu Felde gezogen seien und dass sie zu[S. 50] ihrer Beschirmung einen eigenen Amtmann gehabt, dem sie wöchentlich eine Abgabe entrichten mussten. Dieser Amtmann oder Weibel bildet eine stehende Charge in den Heeren bis zum dreissigjährigen Kriege. Dass aber jene Massen fahrender Weiber, welche gewöhnlich mit den Trossbuben zusammengenannt werden, den Zeitgenossen als integrierendes Glied der Heeresorganisation erschienen und dass sie auf Kriegszügen wichtige Dienste leisteten, lernen wir aus Leonhard Fronspergers Kriegsbuch[48], das sich über die Aufgaben besagten Weibels weitläufig vernehmen lässt. Aus seiner Darstellung erkennt man, wie leicht sich die zahlreiche weibliche Gefolgschaft der Landsknechte der damaligen Heeresordnung als nützliches und selbst notwendiges Glied einfügen liess, und wir werden uns deshalb nicht mehr wundern, wenn wir lesen, dass Herzog Albas Heer auf seinem Zuge nach den Niederlanden von 400 Dirnen zu Pferd und 800 zu Fuss, »in Kompagnien geteilt und hinter ihren besonderen Fahnen in Reih und Glied geordnet«, begleitet war. »Jeder war nach Verhältnis ihrer Schönheit und ihres Anstandes der Rang ihrer Liebhaber bestimmt und keine durfte bei Strafe diese Schranken überschreiten«[49].

So befremdlich und widerwärtig uns diese Erscheinung auch anmuten mag, so kann doch der Versuch nicht allzu schwer fallen, sie zu erklären und uns menschlich näher zu rücken.

Eine sichere, sesshafte Existenz war im Mittelalter[S. 51] weit seltener möglich und wurde selbst weniger als Bedürfnis empfunden als heutzutage. Wie noch in unserer Zeit die Tataren der russischen Steppe leichten Muts ihre Zeltdörfer abbrechen, nachdem sie in einjähriger Brennwirtschaft dem Boden flüchtig eine Ernte abgewonnen, so haben im XIII. und XIV. Jahrhundert nicht selten ganze Dorfschaften in Deutschland ihre Sitze gewechselt. Hunger und Kriegsnot, Hagelschlag und Viehsterben, vielleicht auch bloss der lebendige Wandertrieb und das Bewusstsein, wenig zu verlieren zu haben — wer weiss, welche Momente noch sonst hier jedesmal wirksam wurden! Ein grosser Teil der Bevölkerung lag beständig auf der Landstrasse, und die Weistümer der Dörfer wie die Ratsbeschlüsse der Städte gedenken dieser wandernden Leute gleichmässig mit Nachsicht, ja mit mildtätiger Fürsorge. Bei den oft wiederkehrenden allgemeinen Notständen bildeten sich ganze Bettlerheere von Männern und Weibern, überfielen wie Heuschreckenschwärme die Städte und erforderten nicht selten ernstliche Vorkehrungen[50]. Viele von ihnen mögen dann nie wieder zur dauernden Ansässigkeit gelangt sein. Die alleinstehenden Frauen namentlich, schutz- und hilflos in einer gewalttätigen Gesellschaft, mochten sich leicht entschliessen, ihren Wohnort zu verlassen und einem lockenden Rufe in die Ferne zu folgen. Die Frankfurter Steuerlisten des XIV. und XV. Jahrhunderts geben uns eine Vorstellung davon, wie entsetzlich verbreitet die Armut unter ihnen[S. 52] war. Im Jahre 1410 führt das Bedebuch 2461 Steuerpflichtige auf, von denen 336 oder 13,7 Prozent ausdrücklich als arm bezeichnet werden. Von der Gesamtzahl waren 1888 Männer und 568 Frauen; unter den Männern gab es 148 oder 7,8 Prozent Arme, unter den Frauen 188 oder 33,6 Prozent! Das Mittelalter kannte freilich keine Armenpolizei, die dem Bettel mit Gefängnisstrafen beikommen zu können meinte. Noch im Jahre 1489 beschloss der Frankfurter Rat — wer weiss, zum wie vielten Male? — keynen frembden betteler nit vffnemen zu burger. Auf freien Plätzen und an Strassenecken, vor den Kirchtüren und auf den Brücken lagen die Blinden, die Lahmen, die Aussätzigen, und nicht selten schlugen Bettler und Vagantenscharen hart unter den Stadtmauern ihre Barackenlager auf, wenn man ihnen die Tore verschloss. Bei Messen und Kaiserkrönungen sowie an den offiziellen Betteltagen ergossen sie sich dann unaufhaltsam in die Stadt.

Was sollte diese Leute an der Scholle halten, wenn ihr Erwerb spärlicher floss und der Wettbewerb um die private Mildtätigkeit zu gross wurde? Auch hier geben die Frankfurter Steuerlisten erwünschten Aufschluss. Oft genug fanden die Bedemeister die Quartiere der steuerpflichtigen Frauen leer. »Recessit«, »Ist enweg«, »Ist davon gelauffen«, »Ist gangen bedeln«, wird dann wohl lakonisch hinter dem Namen bemerkt: niemand weiss, wohin sie gekommen. Dass sich aus derartigen Elementen die Schwärme der Fahrenden vielfach rekru[S. 53]tierten, unterliegt kaum einem Zweifel. Oft mag freilich auch die Scheu vor der Arbeit an der Spindel oder auf dem Felde, die Lust an einem ungebundenen Leben ausschlaggebend gewesen sein. In einem Volksliede[51] dieser Zeit fragt eine Mutter ihre Tochter:

»Och metgen, wat hait dir der rocken gedain,
dat du niet me machs spinnen?
du suist in over die aesselen an
recht wolstu mit eime kinge.«

Und die Tochter antwortet:

»Och moder, ich haven ein eit gesworn,
dat ich niet me mach spinnen,
ich haven ein lantsknecht lef und wert,
licht mir in minen sinnen.
Hi drinkt so gerne den kölen win,
hi sluit mich in sin blanke armelin
den awent zu dem morgen.«

In einem andern[52] stellt die Mutter dem Mädchen die Wahl frei zwischen einem Ritter, einem Bauern und einem Landsknecht, und die Tochter antwortet:

»Boeren, dat sijn boeren,
si drinken so selden den wijn,
so en doet die vrome lantsknecht niet,
hi schencter so dapperlic in.«

Manchmal mag auch die Verführung das ihrige getan haben, wie in dem bekannten Liede[53]:

»Nun schürz dich, Gredlein, schürz dich!
wolauf, mit mir darvon!
das korn ist abgeschnitten,
der wein ist eingeton« ...
Do nam ers bei der hende,
bei ir schneweissen hant,
er fürets an ein ende,
do er ein wirtshaus fand.
[S. 54]
»Nun wirtin, liebe wirtin,
schaut uns umb külen wein!
die kleider dises Gredlein
müssen verschlemmet sein.«

War einmal der verhängnisvolle Schritt getan, so gab es so leicht keine Rückkehr. Die Frauen fast aller Stände folgten nur zu leicht der eiteln Weltlust. Ueber die hohen Klostermauern, durch die Schlüssellöcher der eisenbeschlagenen Pforten hielt sie ihren Einzug:

»Gott geb dem ein verdorben jar,
der mich macht zu einer nunnen
und mir den schwarzen mantel gab,
den weissen rock darunden!«

So sang und pfiff man um 1359 auf allen Strassen[54].

Die fahrenden Leute waren im Mittelalter ehr- und rechtlos; um so lieber mochten sich die Frauen den Kriegsheeren anschliessen, wo sie mindestens geduldet und geschützt waren und wo sie in den wilden Ehen, die sie mit den Landsknechten und ihren Offizieren eingingen, einigen Rückhalt fanden. Endlich bleibt zu erwägen, dass die Art der damaligen Kriegsführung die Mitnahme zahlreicher Frauenzimmer, wenn auch vielleicht nicht unbedingt nötig machte, so doch sehr erleichterte. Durch viele Stellen der Landsknechtslieder wird bezeugt, dass nicht leicht einer ohne sein »Fräulein« auszog:

»Der in den krieg wil ziehen
der sol gerüstet sein;
was sol er mit im füren?
ein schönes frewelein,
ein langen spiess, ein kurzen tegen;
[S. 55]
ein herren wöln wir suchen,
der uns gelt und bscheid sol geben.«[55]

Freilich wurden diese Ehen oft ebenso rasch gelöst als geschlossen. In einem andern Volkslied wird das Betragen der Frauen nach einer Schlacht geschildert:

»Erst hebt sich an die klag der trewen frawen,
ein iede tut nach irem man umb schawen;
welcher der ir ist bliben tot,
darf nit vor schanden lachen —
biss sie ein andern hat.«

Mag dieser Uebergang zu »einem Andern« die Regel gebildet haben, immerhin finden wir auch Beispiele unwandelbarer Treue, wie in dem schönen Liede[56] von den neun Landsknechten und einer jülich’schen Maid, die ihren in Gefangenschaft geratenen Geliebten zu retten sucht. So fällt auch auf dieses unserem Empfinden so wenig zusagende Verhältnis ein versöhnender Strahl der alles wagenden und alles duldenden Liebe.

Unstreitig die bedenklichste Erscheinung des Mittelalters bilden diejenigen fahrenden Frauen, welche in den Städten sich dauernd niederliessen und hier nicht wenig zur Lockerung der Sitten beitrugen[57]. Dieselben kommen zwar auch noch unter mancherlei anderen Namen vor[58]; dass sie jedoch vorwiegend Fremde waren, zeigen zahlreiche Bestimmungen der über sie erlassenen Ratsordnungen. Das Mittelalter war in Beziehung auf die[S. 56] öffentlichen Dirnen weit entfernt von jener übelangebrachten Prüderie, die heute noch so vielfach eine unbefangene Erörterung dieses ja immerhin sehr heikeln Gegenstandes verhindert. Es nahm ihr Bestehen als ein »zur Verhütung grösseren Unheils« notwendiges Uebel hin, dessen Beseitigung kaum je ernstlich in Erwägung gezogen wurde. In Frankfurt konnten sie das Bürgerrecht erlangen und wurden wie andere Neubürger in das Bürgerbuch eingetragen[59]. Die Frauen, welche sich dem elendesten aller Gewerbe hingaben, betrachtete man mehr als Unglückliche, Verirrte und Leichtsinnige[60] denn als Lasterhafte. Den Männern, welche ihren Umgang suchten, haftete ebensowenig ein Makel an als denjenigen, welche in »Unehe« (dem Konkubinat) lebten. Bildete doch selbst in den Zeiten des ritterlichen Frauendienstes der eheliche Stand eines von beiden Teilen oder beider für die »Minne« kein Hindernis.

Oeffentliches Aergernis suchte freilich auch das Mittelalter in diesen Dingen zu vermeiden; aber es fasste diesen Begriff doch noch sehr eng. Die gemeinen Frauen wurden fast überall gezwungen, in bestimmten entlegenen Strassen oder in den Vorstädten zu wohnen; am häufigsten suchte man sie in Frauenhäusern zu vereinigen. Die letzteren waren meist von den Stadträten selbst oder den Landesherren errichtet und bildeten dann oft eine vom Standpunkt der städtischen Finanzen nicht zu unterschätzende Einnahmequelle, welche selbst hohe kirchliche Würdenträger ohne Skrupel[S. 57] auspumpten und der Adel gern zu Lehen nahm. Sie wurden von den Städten entweder in eigenem Betrieb durch Beamte verwaltet oder an Privatunternehmer verpachtet. Die letzteren hiessen Frauenwirte und Wirtinnen oder Frauenmeister, bez. Meisterinnen, und waren durchweg an genaue Vorschriften gebunden. Sie unterlagen hierbei der Beaufsichtigung durch die städtischen Behörden. Meist war den Ratsknechten, oft auch dem Henker oder Stöcker die unmittelbare Ueberwachung der Dirnen anvertraut; die letzteren hatten diesen Bediensteten dafür gewisse wöchentliche Gebühren zu entrichten. Die Oberaufsicht lag gewöhnlich in den Händen des Bürgermeisters oder einer Ratsdeputation, deren Befugnisse fast unbeschränkt waren.

Die Frauenhäuser standen als befriedete Orte unter einem ganz besonderen Schutz; Unfug, der dort verübt war, wurde doppelt hart bestraft. Die Insassen derselben genossen eines ausschliessenden Gewerberechts; wie die Zunftmeister gegen Störer und Bönhasen, so gingen sie gegen den unlauteren Wettbewerb der »heimlichen« Frauen vor, welche in Bürgerhäusern ihre Schlupfwinkel hatten, und mehr als einmal übten sie gegen diese gewalttätige Selbsthilfe. Eigentliche Korporationen, wie in Genf und Paris, scheinen sie in Deutschland nur vereinzelt gebildet zu haben; so hatten die öffentlichen Frauen in Leipzig eine Verbindung mit eigenen Satzungen, die ihre Vorsteherin selbst wählte und jährlich auf Mitfasten eine Prozession hielt. Ueberall[S. 58] aber waren sie bei öffentlichen Festlichkeiten, namentlich bei Fürstenempfängen, neben der körperschaftlich geordneten übrigen Bevölkerung als besondere Standesgruppe vertreten. Selbst bei den Schmäusen und Tänzen, mit welchen sich die ehrsame Bürgerschaft und der Rat vergnügten, war ihnen zu erscheinen erlaubt. Sie pflegten bei solchen Gelegenheiten wohl ihre Glückwünsche darzubringen und Blumensträusse zu überreichen, wogegen sie eine Ehrung, bestehend in Speise und Trank oder einem Geldgeschenke, empfingen. Bei der Durchreise hoher Herrschaften wurden ihre Häuser zu deren Empfang besonders geschmückt und beleuchtet; ja sie wurden bisweilen bei solchen Gelegenheiten auch auf städtische Kosten gekleidet. In Zürich herrschte noch 1516 der Brauch, dass der Bürgermeister, die Gerichtsdiener und die gemeinen Frauen mit den fremden Gesandten, welche in die Stadt kamen, zusammen speisten.

Das Tun und Treiben in den Frauenhäusern war durch besondere Ordnungen geregelt, welche einen schlagenden Beweis für die eingehende Sorgfalt und die menschenfreundliche Gesinnung abgeben, mit denen das Mittelalter auch jene elendesten aller menschlichen Wesen behandelte. Jedenfalls stechen sie vorteilhaft ab gegen die Massregeln der modernen Sittenpolizei, welche in diesen Dingen noch immer zwischen weitherziger Duldung und radikaler Unterdrückung einen nicht sehr würdigen Eiertanz aufführt. Sie suchen die[S. 59] öffentlichen Frauen vor Uebervorteilung und roher Behandlung durch Wirte oder Wirtinnen zu schützen, ihnen die Freiheit der Bewegung, das Recht des Kirchenbesuchs und die Heilighaltung der Festtage zu gewährleisten und ihnen die Rückkehr zu einem geordneten Lebenswandel zu erleichtern. Früh finden wir eine gesundheitliche Ueberwachung derselben, und in Ulm gab es sogar eine besondere Badstube für ihren Gebrauch. In dem dortigen Frauenhause wurden die Weiber zur Arbeit angehalten; jede Insassin musste dem Wirte täglich zwei »Andrehen« Garn spinnen oder, wenn sie das nicht wollte, ihm für jede Andrehe 3 Heller zahlen. Dafür war der Wirt auch verpflichtet, in die Hilfskasse der Frauen, zu der jede wöchentlich einen Heller zahlte, jedesmal das Doppelte dieses Betrags zu legen. Das gesammelte Geld diente dazu, krank oder brotlos gewordene Frauenhauserinnen zu unterstützen. Es bestand also Kranken- und Arbeitslosen-Versicherung, zu der Unternehmer und Arbeiterinnen beitrugen. Ueber Kost und Lohn enthält die Frauenhausordnung von 1416 die genauesten Vorschriften; überall leuchtet das Bestreben durch, die Gewalt des Wirtes in möglichst enge und fest bestimmte Grenzen einzuschliessen.

Wie gross die Anzahl der feilen Frauen in den einzelnen Städten gewesen sei, lässt sich fast nirgends mehr bestimmen. In den meisten Städten finden wir mehrere (meist zwei oder drei) Frauenhäuser; die grösste Zahl von Frauen, welche wir in einem solchen Hause antreffen,[S. 60] beträgt fünfzehn. Indessen ist nicht zu übersehen, dass auch ausserhalb der Frauenhäuser die Lüderlichkeit eine Stätte fand. Nach allen Schilderungen muss im XV. Jahrhundert die Prostitution in den deutschen Städten eine furchtbare Ausdehnung gewonnen haben. Der zu gewissen Zeiten sehr starke Fremdenverkehr und die ständige Anwesenheit einer beträchtlichen Zahl von ehelosen Geistlichen, Handwerksgesellen und Kaufmannsdienern auf der einen Seite, die öffentliche Duldung des Unwesens in den Frauenhäusern auf der andern Seite wirkten mit der durch den wachsenden Reichtum geförderten Zuchtlosigkeit in den höheren Klassen zusammen, um eine geradezu schaudererregende Verwilderung und Verrohung hervorzubringen. In diesen Sumpf der Sittenlosigkeit wurde bald alles hineingerissen, die niederen wie die höheren Stände, die bürgerlichen Haushaltungen wie die Frauenklöster und Bekinenanstalten.

Eine Reaktion gegen dieses Treiben konnte nicht ausbleiben. Sie ging von den Zünften und Gesellenverbänden aus, welche ihren Mitgliedern den Verkehr mit lüderlichen Dirnen seit dem Beginn des XV. Jahrhunderts untersagten. Weit später folgten Massregeln der öffentlichen Gewalt. Immer allgemeiner wurde den Dirnen, wie anderen Kategorien der »unehrlichen Leute«, eine besondere Tracht oder ein Abzeichen vorgeschrieben, damit sie von den ehrbaren Frauen geschieden und »nach ihrem wahren Werte angesehen« werden könnten.[S. 61] Man untersagte ihnen das Erscheinen bei Tänzen und Hochzeitsfesten; man wies ihnen in den Kirchen einen gesonderten Platz an; ja man schloss sie selbst nach ihrem Tode von dem allgemeinen Friedhof aus und liess ihre Leichen auf dem Schindanger verscharren. Dem XVI. Jahrhundert blieb es vorbehalten, zu diesen Unmenschlichkeiten noch die Strafen des Ausstellens am Pranger, des »Schnellens« und der öffentlichen Auspeitschung hinzuzufügen. Die Reformation bewirkte allerwärts, auch an katholisch gebliebenen Orten, die Aufhebung der Frauenhäuser, freilich nicht ohne gerade in diesem Punkte auf heftigen Widerstand zu stossen.

Indessen würde man irren, wenn man wähnte, in jenen barbarischen Aechtungsmitteln des XV. Jahrhunderts habe die Weisheit des Mittelalters gegenüber den gefallenen Frauen ihr Ende gefunden. Die Kirche hatte es immer als eine wichtige Aufgabe christlicher Liebe bezeichnet, diese Tiefgesunkenen zu retten; das kanonische Recht empfahl die Ehelichung einer Gefallenen als ein Verdienst. Aber nur zu oft entsprachen dieser Theorie nicht die Taten des Klerus, der an vielen Orten den Gläubigen mit bösem Beispiele voranging. Der Ausdruck »Pfaffenmagd« wird im ganzen späteren Mittelalter den ärgsten Schimpfwörtern gleich geachtet. Ueber die sittliche Verwahrlosung, der manche Klöster zu Zeiten anheimgefallen waren, besitzen wir erschreckende Schilderungen[61].

Aber die Kirche hat doch früh auf diesem Gebiete[S. 62] auch positive Reformarbeit geleistet. Schon im Anfang des XIII. Jahrhunderts hatte ein Priester Rudolf in den rheinischen Städten den verlorenen Frauen seinen Bekehrungseifer zugewendet[62]. »Herr, wir sind arm und schwach«, war ihm einmal von solchen geantwortet worden; »wir können uns auf keine andere Weise ernähren; gebt uns Wasser und Brot, und wir werden euch gerne gehorchen.« In Worms und der Umgegend hatte er einige dieser Frauen bekehrt und in ein Haus aufgenommen; in Strassburg hatte er 1225 eine Klause für die Bussfertigen errichtet. Zwei Jahre später erhielt er ein päpstliches Breve, durch welches sämtliche von ihm bekehrten Frauen unter dem Namen der Reuerinnen dem Orden der heiligen Magdalena angeschlossen wurden. Aus diesem kleinen Anfang ging in Strassburg das grosse Reuerinnenkloster hervor, nachdem durch eine Bulle Gregors IX. von 1246 die Büsserinnen der heiligen Magdalena in Deutschland ermächtigt worden waren, Klöster zu bauen. Solche Klöster der Büsserinnen, Reuerinnen oder weissen Frauen entstanden bald auch in andern Städten. Ihr nächster Zweck[63] war die Besserung der Verirrten und die Zurückführung derselben in die ehrbare weltliche Gesellschaft. Dies geschah durch ein unter strenger Klausur stehendes, sonst aber nicht allzuharten Regeln unterworfenes Leben in Gebet und Arbeit. Nur diejenigen, welche durch ihre Haltung bewiesen hatten, dass sie entschlossen seien, dauernd ein Dasein strengster[S. 63] Büssung und Kasteiung zu führen, wurden als eigentliche Klosterfrauen zur Ablegung des Gelübdes zugelassen und in die »Samenung zur heiligen Magdalena« aufgenommen.

Dieses Vorgehen der Kirche fand unter den Bürgern lebhafte Nacheiferung. Hier und da wurden Vermächtnisse gestiftet, um denen, welche ein gefallenes Mädchen heirateten, eine Summe Geldes zu gewähren. Ausserdem wurden aus Privatmitteln zahlreiche Rettungshäuser gegründet, die nach dem Muster der Bekinenhäuser eingerichtet waren und von diesen oft schwer zu unterscheiden sind. Schon im Jahre 1302 errichtete ein Speierer Bürger eine solche Anstalt, in welcher öffentliche Frauen aufgenommen, genährt und gekleidet wurden. Noch weiter ging 1303 Heinrich von Hohenberg, ein Scholar zu Colmar, der in verschiedenen Städten Rettungshäuser begründete, in welchen je 10 bis 25 Frauen Aufnahme, Ernährung und Bekleidung erhielten. Die Mittel brachte er durch Sammlung milder Beiträge auf. Auch in Strassburg stiftete er einen Bussschwesternverein, welchen der Bischof Johann von Dirpheim am 8. Oktober 1309 bestätigte. »Sklaven«, sagte er, »erlangen, wenn sie der Freiheit wiedergegeben werden, alle Rechte freier Männer; es wäre daher unbillig, wenn Frauen, die Sklavinnen der Sünde gewesen, nicht ähnlich behandelt würden, sobald sie sich zu einem besseren Lebenswandel bekehren.« Der Bischof nahm sie deshalb in seinen besonderen Schutz und erklärte sie von allem[S. 64] Makel frei; ihres früheren Standes sollte nie mehr gedacht werden. Die Bussschwestern oder bekehrten Frauen, wie Heinrich von Hohenberg sie selbst nannte, trugen Röcke und Mäntel von Sackleinwand, daher sie auch den Namen Sack-Bekinen erhielten. Die Gunst der Bürger wandte sich ihrer wohltätigen Anstalt in reichem Masse zu; indessen wurde sie schon 1315 infolge einer Pest zu einem Spital umgewandelt, in das die Schwestern als Pflegerinnen und Pfründnerinnen aufgenommen wurden.

Eine ähnliche Anstalt schufen 1384 drei Bürger von Wien. Ratsherren waren die Vorsteher ihres Hauses und eine der Schwestern die Meisterin der übrigen. Der damalige Landesherzog gewährte nicht allein dem Hause Steuerfreiheit, sondern er verordnete auch, dass jeder, welcher eine der Insassinnen zum Weibe nehme, an seiner Ehre und seinen Zunftrechten keinen Eintrag erleiden dürfe. Schmähungen oder Kränkungen jener bussfertigen Frauen sollten strenge bestraft, aber auch diejenigen von ihnen, welche in ihr früheres Leben zurückfielen, ertränkt werden. Die Anstalt wurde sowohl aus der Stadtkasse als auch durch Vermächtnisse von Bürgern und Bürgerinnen bedeutend vergrössert und bestand in segensreichem Wirken bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts.

Ueber Italien und Frankreich hatten sich diese Anstalten teilweise schon früher ausgebreitet. Nicht überall bewährten sie sich. Nicht wenige erlagen der allge[S. 65]meinen Sittenverderbnis des XV. Jahrhunderts, ja manche boten gerade dem Uebel einen Schlupfwinkel, das sie bekämpfen wollten.

Eine eigentümliche Beleuchtung des mittelalterlichen Frauenelends bieten die Statuten des 1497 gestifteten Hauses der Pariser Büsserinnen (filles pénitentes), welche der Bischof Simon von Champigny selbst aufgesetzt hatte. Nach diesen sollten nur solche Mädchen aufgenommen werden, die unter 30 Jahren alt wären und nachweisbar eine Zeit lang ein lüderliches Leben geführt hätten. »Um zu verhüten, dass junge Personen deswegen lüderlich werden, damit sie hernach hier eine Stelle bekommen, so sollen die, welche schon einmal abgewiesen sind, davon auf immer ausgeschlossen sein. Ueberdies sollen diejenigen, welche um die Aufnahme angehalten haben, in die Hände ihres Beichtvaters einen Eid ablegen, dass sie nicht selig werden wollen, wenn sie aus der Absicht lüderlich geworden wären, um mit der Zeit in diese Gesellschaft aufgenommen zu werden, und man soll ihnen sagen, dass, wenn man erfahren würde, sie hätten sich aus diesem Grunde verführen lassen, sie von dem Augenblicke an dieses Kloster meiden müssten, wären sie gleich schon eingekleidet und hätten ihre Gelübde getan.« Der Missbrauch, welchem durch diese Bestimmungen vorgebeugt werden sollte, muss nicht selten gewesen sein. In Deutschland liess man nach dieser Richtung Milde walten; ja viele Reuerinnenklöster gingen bald dazu über, auch unbe[S. 66]scholtene Mädchen aufzunehmen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass sie auf diesem Wege manche von dem Beginn eines schlechten Lebenswandels abhielten, dessen Entstehungsursache ja hauptsächlich die Verlassenheit und das Elend war.

Nach diesen Darlegungen wird es keinem Zweifel mehr unterliegen können: auch das Mittelalter hat seine Frauenfrage gehabt; es hat sie auch zu lösen versucht. Und diese mittelalterliche Frauenfrage war weit schwieriger; sie umfasste viel breitere Schichten der Bevölkerung als das, was heute unter jenem Schlagworte meist verstanden wird. Wie unbedeutend, wie winzig müssen uns neben dem Massenelend unter den Frauen des Mittelalters die Schmerzen erscheinen, denen die moderne Frauenbewegung Heilung bringen will!

Und doch, wenn wir unsere Verhältnisse mit denen des Mittelalters vergleichen, unsere Hilfsmittel mit denen jener rauhen, an Behagen so armen Zeit — haben wir dann gegründete Ursache, uns zu überheben? Ist das Dasein unserer Fabrikarbeiterinnen und Handlungsgehilfinnen etwa freundlicher gestaltet als das Los der Meistersfrauen und Töchter, die ihren Gatten und Vätern im Gewerbe halfen, ja selbst als das der Spinnmägde und Kämmerinnen, deren Arbeitsverhältnis durch Sitte und Gesetz geregelt wurde? Haben wir Anstalten, welche an Reinheit und Klarheit der Ziele sich mit den Bekinenstiftungen, den Samenun[S. 67]gen, den Häusern der Bussschwestern und Reuerinnen vergleichen liessen? Ist die Stellung der Gesellschaft zu den »fahrenden Frauen« eine würdigere geworden?

Gewiss hat das Mittelalter seine Frauenfrage nicht endgültig gelöst. Es hat sie nicht endgültig lösen können, weil es die Quellen nicht zu verstopfen vermochte, aus denen das Uebel sich in fortwährender Wiederkehr erneuerte. Aber die Anstalten, welche es geschaffen hat, genügten doch Jahrhunderte lang dem Bedürfnisse der Zeit, von der man mit Unrecht mehr verlangen würde, als ihre Mittel erlaubten[64]. Absolute Lösungen für soziale Fragen sucht man nur im Lande Utopia. Wir Menschen der wirklichen Welt müssen zufrieden sein, wenn das, was wir schaffen, auch nur einer oder wenigen Generationen genügt. Mögen die Nachkommenden es mitleidlos einreissen, sobald sie Besseres an die Stelle setzen können!

Die Reformation des XVI. Jahrhunderts hat die entarteten Frauenversorgungsanstalten des Mittelalters gewiss mit demselben Rechte beseitigt wie die Stätten der sündigen Lust. Aber sie ist hier revolutionär, nicht reformierend zu Werke gegangen; sie hat zunächst nichts Positives an die Stelle des Eingerissenen zu setzen vermocht, ausser einer Theorie, wenn man will, einem Ideal, dessen Verwirklichung erst im Laufe der Jahrhunderte erfolgen konnte. Um dies zu verstehen, muss man nicht vergessen, dass die Reformation das Weib in einer sittlichen Erniedrigung und Entwürdigung vorfand, wie sie brutaler kaum gedacht werden[S. 68] kann. Ihre erste Aufgabe musste darin bestehen, die Ehe wieder zu heiligen. Damit veränderte sich auf einen Schlag die ganze Stellung der Frau in der Gesellschaft. An die Stelle des Frauenideals der Ritterromantik, welches die Körperschönheit der Geliebten in den Vordergrund stellte, trat ein neues Frauenideal, welches auf die Seelenreinheit und die sittlichen Eigenschaften der deutschen Hausfrau und Hausmutter das Schwergewicht legte.

Gewiss waren es altjüdische Gedanken[65], denen Luther in seinem »Lob eines frommen Weibes« in freier Uebertragung Ausdruck verliehen hat: »Ein fromm gottesfürchtig Weib ist ein seltsam Gut, viel edler und köstlicher denn eine Perle. Der Mann verlässt sich auf sie und vertraut ihr alles. Sie erfreuet den Mann und machet ihn fröhlich, betrübet ihn nicht, tut ihm Liebes und kein Leides sein Lebenlang. Geht mit Flachs und Wolle um, schafft gern mit ihren Händen, zeuget ins Haus und ist wie eines Kaufmanns Schiff, das aus fernen Ländern viel Ware und Gut bringt. Frühe stehet sie auf, speiset ihr Gesinde und gibt den Mägden, was ihnen gebühret. Wartet und versorget mit Freuden, was ihr zusteht. Was sie nicht angeht, lässt sie unterwegen. Sie gürtet ihre Lenden fest und streckt ihre Arme, ist rüstig im Hause. Sie merkt, was frommt und verhütet Schaden. Ihre Leuchte verlischt nicht des Nachts. Sie streckt ihre Hand nach dem Rocken und ihre Finger fassen die Spindel; sie arbeitet gerne und fleissig. Sie[S. 69] breitet ihre Hände aus über die Armen und Dürftigen, gibt und hilfet gern. Ihr Schmuck ist Reinlichkeit und Fleiss. Sie tut ihren Mund auf mit Weisheit, auf ihrer Zunge ist holdselige Lehre; sie zieht ihre Kinder fein zu Gottes Wort. Ihr Mann lobet sie, ihre Söhne kommen auf und preisen sie selig.«

Aber diese Gedanken sind seit der Reformation in das deutsche Volksbewusstsein übergegangen, und sie beherrschen noch heute die Auffassung von der Ehe und der sozialen Stellung des Weibes in breiten Schichten der Bevölkerung. Nicht von oben herab, bei den Spitzen der Gesellschaft hat sich die Umwandlung zuerst vollzogen, sondern von unten herauf, aus dem deutschen Bürgerstande heraus, ist die Festigung und Kräftigung der Stellung der Frau in der Familie erfolgt. Während die vornehme Gemeinheit der französischen Galanterie das Hofleben und die adeligen Kreise des XVII. und XVIII. Jahrhunderts beherrschte, streifte die bürgerliche Familie allmählich die aus dem Mittelalter überkommenen Anschauungen ab und wies der Frau jene hohe sittigende Stellung an, welche die Dichter unserer klassischen Periode verherrlicht haben. Die anscheinend so engherzige Ausschliessung des weiblichen Geschlechtes vom Erwerbsleben, welche sich in dieser Zeit vollzog, musste mit zu diesem Ziele helfen. Dass sie sich aber ohne stärkeres Widerstreben der Gesellschaft und der öffentlichen Gewalt vollziehen konnte, scheint als Beweis dafür angesehen werden zu müssen, dass die[S. 70] eingetretenen friedlichern Zeiten eine Ausgleichung des im Mittelalter so bedeutenden Zahlenunterschiedes der Geschlechter mehr und mehr herbeigeführt hatten. Die für so hart und engherzig geltenden Zunftartikel, welche den in Unehe Erzeugten den Zutritt zum Handwerk versagten, und die Beschäftigung weiblicher Personen ausschlossen, wären dann, nach dieser Richtung wenigstens, nur Ausdruck der allgemeinen Entwicklung der Gesellschaft.

Denn das muss vor allem festgehalten werden: durch die ganze Geschichte, und namentlich durch die Geschichte unseres Volkes geht ein mächtiger Zug, der darauf hinführte, die Frau mehr und mehr von der schweren, aufreibenden Mühsal des Erwerbs zu entlasten und diese auf die stärkeren Schultern des Mannes zu laden, dem Manne die schaffende, die werbende Arbeit der Gütererzeugung, der Frau die verwaltende und erhaltende Tätigkeit in der Hauswirtschaft, dem Manne den waglichen Kampf ums Dasein, der Frau die behagliche Gestaltung desselben zuzuweisen. Diesen Zug der Entwicklung nach Möglichkeit zu fördern, erschien den letztvergangenen Jahrhunderten als die Aufgabe einer gesunden, historisch aufbauenden Sozialpolitik. Als Gehilfin des Mannes im Rahmen der Familie mochte die Frau zum eigenen und allgemeinen Besten auch in der eigentlichen Erwerbswirtschaft tätig sein, nimmermehr jedoch als Konkurrentin des Mannes ausserhalb dieses Rahmens[66].

[S. 71]

Diese Entwicklung, die von der Urperiode unseres Volkes bis auf die neueste Zeit herab sich mächtig wirksam erwiesen hat und der wir unsere heutige Familienverfassung und unser in der Sitte begründetes Ideal der Ehe verdanken, hat im letzten Jahrhundert einen Rückschlag erlitten durch den gewerblichen Grossbetrieb mit seiner massenhaften Frauenarbeit. Von den Fabriken hat letztere immer mehr auf den Handel sich ausgedehnt und greift schon mächtig auf andere Berufsgebiete über. Sie macht die Frau vom Erwerbe des Mannes mehr oder minder unabhängig; aber sie macht sie nicht ökonomisch selbständig wie einst im Mittelalter. Vielmehr bedingt sie in der Regel Abhängigkeit von einem Unternehmer. Darin besteht ihre Gefahr. Ihre Folgen liegen klar zutage: Entwürdigung des weiblichen Geschlechts, Erschwerung der Familiengründung für die mit billiger Frauenarbeit konkurrierenden Männer, Auflösung der häuslichen Bande, Verkümmerung und Verwilderung der heranwachsenden Jugend. In vielen Arbeiterhaushalten ist die auf der Ehe und väterlichen Gewalt beruhende Familie verlassen und an ihre Stelle ein auf allerlei Vertragsverhältnissen beruhendes Gebilde getreten[67].

Sollen wir — das ist das verzweifelte Doppelproblem, welches uns die moderne Frauenerwerbsfrage stellt — im Widerspruche mit der gesamten Kulturentwicklung das System der »billigen Hände« auf immer weitere Berufsarten ausdehnen, sollen wir damit auch in diesen[S. 72] Kreisen die Erschwerung der Familiengründung, die Auflösung der Gesellschaft in ihre Atome immer allgemeiner machen? Soll die Ehe als dauernde Lebensgemeinschaft temporären, jeder Willkür preisgegebenen Verbindungen weichen? Und soll das Vertragsprinzip, auf dem die Unternehmung beruht, allgemein auch für die Familie massgebend werden? Oder sollen wir nicht vielmehr mit allen Kräften darnach streben, dass allen Klassen der Bevölkerung der Friede und das Behagen des häuslichen Herdes gesichert, dass der Familiensinn gestärkt und dass der Frau dasjenige Gebiet erhalten werde, auf dem sie sich am glücklichsten fühlt und auf welchem sie Werte schafft, die für die Nation kostbarer sind als eine noch so grosse Steigerung der Produktion durch »billige Hände«? Sollten nicht die Frauen selbst dieses ihr eigenstes Gebiet mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln festhalten und mit den Männern dahin arbeiten, dass die gewiss nicht unvermeidbaren Ursachen beseitigt werden, welche in der modernen Gesellschaft so viele Männer an der Eheschliessung und so viele Frauen an der Erfüllung ihres natürlichen Berufes hindern?

Es ist bekannt, für welchen Teil dieser Alternative sich die moderne Frauenbewegung und ihre Freunde entschieden haben. Sie wollen völlige soziale und rechtliche Gleichstellung und auf der Grundlage selbsteigenen Erwerbes von Mann und Weib eine Neuordnung der geschlechtlichen Beziehungen. Ihnen sei[S. 73] zum Schluss noch Folgendes zu bedenken gegeben.

Am 12. Juni 1907 wurden im Deutschen Reiche 9½ Millionen erwerbstätige Frauen gezählt[68]. Dies bedeutet ziemlich genau ein Drittel aller erwerbstätigen Personen oder die Hälfte der Frauen im Alter zwischen dem 15. und dem 70. Lebensjahre. Von 1895 bis 1907 hat sich die Zahl der erwerbstätigen männlichen Personen um 20%, die der weiblichen aber um 44% vermehrt. Die Zunahme erstreckt sich auf alle Berufsgruppen, trifft aber die selbständig und die unselbständig Erwerbstätigen in sehr verschiedenem Masse. Die letzteren haben in allen Berufsgruppen am stärksten sich vermehrt, während die selbständig tätigen Frauen in der Urproduktion und in der Industrie eine Abnahme und nur im Handel ebenfalls eine Zunahme aufweisen. Zu gleicher Zeit hat die Zahl der weiblichen Dienstboten bei einer Volksvermehrung von 19% trotz wachsenden Wohlstandes sich um reichlich 5% vermindert, und die Zahl der berufslosen Angehörigen ist in ihrer Vermehrung hinter der Zunahme der Gesamtbevölkerung zurückgeblieben.

Diese Zahlenverschiebungen werfen ein scharfes Schlaglicht auf die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen die Frauenfrage der Gegenwart steht. Nicht dass 1907 fast drei Millionen Frauen mehr im Erwerb tätig waren als 1895 ist das bedeutsame, sondern dass die Verkümmerung der Familienhaushaltung immer weniger Raum für Frauenarbeit lässt und dass von den 9½[S. 74] Millionen einen Beruf ausübender weiblicher Personen mehr als 8 Millionen in abhängiger Erwerbsstellung sich befanden. Nicht bloss in der Produktion sondern auch im Handel, den persönlichen Diensten und selbst den liberalen Berufen vollzieht sich das Eindringen der Frauen in dieser Weise.

Darin liegt die ungeheure Schwierigkeit, darin der grosse Unterschied zwischen der modernen Frauenfrage und derjenigen des Mittelalters. Damals war sie eine Versorgungsfrage, heute ist sie Emanzipationsfrage. Die ökonomische Entwicklung drängt von selbst auf eine rechtliche Neuordnung, und auch die »Emanzipation vom Manne« mag sich in ihrem Gefolge vielleicht durchsetzen lassen, soweit die Natur sie erlaubt. Hinter ihr lauert aber ein neues, weit schwierigeres Problem: die Emanzipation von der ökonomischen und sozialen Abhängigkeit, der das Weib im Erwerbsleben immer mehr anheimfällt und mit jedem neuen Erwerbsgebiete, das es erobert, mehr anheimfallen muss. Nach einem Zeitalter des individuellen »Auslebens« von Weib und Mann sieht die Zukunft wahrlich nicht aus. Die Fortsetzung der jüngsten Entwicklung bedroht uns im Gegenteil mit einem Zustand, bei dem beide Geschlechter gleichmässig in das Joch der Unternehmung eingespannt sind. In dem Masse aber, als in dieser Arbeitsteilung uns technische Fortschritte weiteren Raum für Frauenarbeit schaffen, wird zwischen dieser und der Männerarbeit der Kampf heftiger werden, und schliesslich[S. 75] wird die billigere Frauenhand den Sieg davon tragen. Die Folge kann nur eine Umkehr des seitherigen Verhältnisses der Geschlechter in der Wirtschaft sein: erwerbende Frauen — haushaltende Männer, wenn man sich nicht lieber vorstellen will, dass auch der Haushalt in seinen wichtigsten Bestandteilen zum Gegenstande kapitalistischer Unternehmung geworden sein wird[69].

Sollte das wirklich das Endziel der Entwicklung unserer Kulturvölker sein, dass der Frau die Last der Produktion wieder aufgeladen würde, die ihr eine Entwicklung von zwei Jahrtausenden Stück für Stück abgenommen hat? Rückkehr zur Barbarei, Auflösung der Familienordnung, wie sie seit der Reformation sich gestaltet hat, Zersetzung des Haushalts, in welchem die Frau herrscht und Eingliederung derselben in eine Erwerbsordnung, in der sie nur als dienendes Glied Raum finden kann[70]: es wird schwer, an die Möglichkeit solchen Widersinns zu glauben, schwer, eine Kultur als solche zu verstehen, die eines ihrer kostbarsten Kleinode der Vernichtung preisgibt.

[S. 76]

Anmerkungen.

[1] Vgl. meine »Bevölkerung von Frankfurt a. M. im XIV. und XV. Jahrhundert« I, S. 40 ff. 61 ff. »Die Entstehung der Volkswirtschaft« (7. Aufl.), S. 392 f. — Möglicherweise lassen sich auf Grund der Dresdener Steuerlisten aus dem XV. Jahrhundert für diese Stadt ähnliche Ermittelungen anstellen. Vgl. O. Richter im N. Archiv für sächs. Gesch. u. Altertumsk. II., S. 274 ff., insbes. S. 279, Anm. 10.

[2] Nach diesen Ermittlungen, welche auf Grund der im Original erhaltenen Erhebungslisten ausgeführt sind, kommen

im Jahre
auf Steuer-
pflichtige
insgesamt
Frauen
überhaupt
Frauen in Pro-
zent der Steuer-
pflichtigen
1354
2669
481
18,0
1359
3164
589
18,6
1365
3021
615
20,3
1370
2697
484
18,0
1375
3004
616
20,5
1380
3055
509
16,6
1385
3391
824
24,3
1389
3165
742
23,4
1394
2600
539
20,7
1399
2652
614
23,1
1406
2383
500
20,9
1410
2456
568
23,1
1420
2345
551
23,5
1428
2411
466
19,3
1463
2560
638
24,9
1475
2782
733
26,3
1484
2483
705
28,4
1495
2579
715
27,7
1510
2328
640
27,5

[S. 77]

[3] Solche Pestjahre waren in dem oben angegebenen Zeitraum 1356/7, 1364/5, 1395/6, 1402, 1412, 1418–1420, 1461 und 1463; in das Jahr 1387 fällt die Cronberger Schlacht. Man vergleiche damit die entsprechenden Ziffern in obiger Tabelle.

[4] Vgl. meine Bevölkerung von Frkf. I, S. 507 ff.

[5] J. Hartwig, Die Frauenfrage im mittelalterlichen Lübeck: Hansische Geschichtsblätter XXXV, S. 39 ff.

[6] Hartwig a. a. O. S. 57 ff.

[7] Schanz, Zur Gesch. der deutschen Gesellenverbände, S. 5. Stahl, das deutsche Handwerk, S. 274.

[8] Vgl. Maurer, Gesch. der Fronhöfe, I. 115. 135. 241 ff. II. 387 ff. III. 325.

[9] Tyro. Prudentiae juris opificiariae praecursorum emissarius. Der Lehrjunge. Jena 1717, S. 35 ff. — Ueber das Folgende vgl. Stahl, das deutsche Handwerk, S. 42 ff. Neuburg, Zunftgerichtsbarkeit und Zunftverfassung, S. 49 ff.

[10] Vgl. Weinhold a. a. O., I. S. 191. Schmoller, Die Strassburger Tucher- und Weberzunft, S. 359 ff., 521. — Mone, Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins, IX. S. 133 ff., 173 ff.; XV., S. 165.

[11] Abgedruckt im Archiv f. Frankf. Gesch. III F. VI, S. 94 ff. — Aehnliche Vorschriften in Goch: Annalen des histor. Ver. für den Niederrhein, Heft VI., S. 45. 78. — Noch 1620 gibt der Amtmann in Leerort den Weberknechten und Webermägden, »deren ein ziemlicher Anteil dort vorhanden« (auch Lehrknechte und Lehrmägde werden erwähnt), ein Kranken- und Sterbekassenstatut: Zeitschr. f. d. Kulturgeschichte, N. F., III. (1874), S. 128. — Ueber München vgl. Sutner in den Histor. Abh. der k. bayer. Akademie d. W. II., S. 493.

[12] Vgl. Stahl a. a. O., S. 80.

[13] In Frankfurt zahlte eine Frau, die das Handwerk treiben wollte, 30 Schilling und ein halb Viertel Wein und hatte dann Zunftrecht, ein Mann 3 Pfund und ein Viertel Wein. Schneiderordnung im II. Handwerkerbuch. Stahl a. a. O. hat Unrecht, wenn er meint, an die Frau seien dieselben Anforderungen gestellt worden wie an einen Mann. Ueber Mainz: Stahl, S. 83.

[14] Im Augsburger Stadtrecht von 1276 heisst es Art. 129 (S. 215 bei Meyer): Swaer siniu chint ze antuaerken lat dur lerunge, ez si sun oder tohter, swaz lons man davon geheizzet, kumt daz ze clage, daz sol ein burggrafe rihten darnach als die schulde geschaffen ist. Dieselbe Formel noch in der Nürnberger Reformation von 1564 und im Stadtrecht von Mühlhausen i. Th.: Stahl, S. 47. Aehnlich in England: Stahl, S. 49. Ueber das ausgedehnte Arbeitsrecht der Frauen in den Pariser Gewerben vgl. Boileau, Livre des métiers und Stahl, S. 53–71.

[S. 78]

[15] Stahl a. a. O., S. 90 ff.

[16] Westenrieder, Beiträge zur vaterl. Gesch. etc. VI, S. 153. Vgl. indessen das Stadtrecht von München, herausg. v. Auer, Art. 45: Ain frau, deu ze marcht stat und deu chauft und verchauft etc.

[17] Vgl. Jäger, Ulms Verfassung, bürgerliches und kommerzielles Leben, S. 685. Dagegen sind die Viktualienhändler (Merzler) in Ulm, die Hucker in Augsburg (Stadtr. S. 201), die Käufler in München (Stadtrecht, Art. 440 f.) durchweg Männer. In Augsburg werden neben den keufel auch verkauferinne erwähnt (Stadtr. S. 271 ff.), in Danzig neben den hoker auch hokinnen (Hirsch, Danzigs Handels- und Gewerbegesch., S. 316). Nach zahlreichen Beobachtungen, die ich in dieser Hinsicht angestellt habe, ist überall im Mittelalter die Höckerei ein vorwiegend männliches Gewerbe.

[18] Im Folgenden gebe ich das Verzeichnis sämtlicher in Frankfurter Akten und Urkunden bis zum Jahre 1500 vorkommenden weiblichen Berufsnamen. Dieselben sind einer seit vielen Jahren von mir angelegten Sammlung der Berufsbezeichnungen entnommen, die hauptsächlich auf fortlaufend über die Bevölkerung geführte Akten (Steuerlisten, Bürgerverzeichnisse, Bürgerbücher u. dergl.) zurückgeht und nicht bloss das Vorkommen eines Berufs, sondern auch die Zahl der Berufsangehörigen festzustellen versucht. Sie wird demnächst in den Abhandlungen der Kgl. sächs. Gesellschaft der Wissenschaften veröffentlicht werden. Bei den nachstehenden Listen sind vier leicht verständliche Kategorien weiblicher Berufsarbeiter unterschieden; zwischen den drei letztgenannten sind natürlich die Unterschiede fliessend. Denn obwohl wenig Berufstätige des XIV. und XV. Jahrhunderts mir bei meinen Sammlungen entgangen sein werden, so liegt es doch schon in der Natur des Quellenmaterials, dass die Männer vollständiger erfasst werden mussten. Weibliche Berufsnamen, die sich auf Ehefrauen und Witwen männlicher berufstätiger Personen beziehen (z. B. beckern, bendern, smiden) mussten natürlich ausgeschlossen bleiben, da das Verzeichnis nur Fälle selbständiger oder abhängiger weiblicher Berufstätigkeit enthalten sollte, nicht aber den Fortbetrieb eines Handwerks durch sie oder blosse Hilfeleistung beim[S. 79] Gewerbe des Mannes durch dessen weibliche Familienglieder. Natürlich ist bei einer solchen Aussonderungsarbeit manches dem Gefühl des Bearbeiters anheimgegeben; aber ich glaube keinen Beruf in die Listen aufgenommen zu haben, der nicht im Mittelalter nachweisbar von Frauen betrieben worden ist. Mehrfach kommen verschiedene Namen für dasselbe Gewerbe vor. Dass die weibliche Namensform auch bei solchen Gewerben angegeben ist, die vorzugsweise von Männern betrieben wurden, wird keiner Rechtfertigung bedürfen.

I. Berufe, für die nur weibliche Namen vorkommen.

Altartuchmacherin
amme
bortenmechern
bendelern
besenmechern
besendregern
bettebereidern
bettemachern
bettfegern
brustleddern
drollern
federmechern
filzern
fronegertern
garnfrauwe
gilerhaltern
goltspinnern
harmedern
hebeamme
hemdenmechern
hosenstrickern
hudeferbern
hudelferbern
hudelstrickern
hullenmechern
hullenweschern
hulleryhern
huwenweschern
kindeschuwern
kleiderhocke
kleidermeit (in einer Badstube)
klunkenersen
knaufelern, knaufelmechern
lerfrouwe
lichthocke
lichtmechern
linennewersen
lutterdrengkern
magit, meit, dinstmeit
melmengern, melefeilern
messemeit
nedersen
noppersen
pelzmechern
radspinnersen
reubelern
rinkengießern
rufelern
salzmengern
samenfrau
schonebeckern
sleierweschern
spinnersen
sterkern
strelemagit
wachern
[S. 80]
wirkersen
wollenbeslagern
wollenbesnidern
wollenlesersen
wurzfrauwe
ziedelmachern
zimpelern
zirkelern
zwirnmechern

II. Berufe die vorzugsweise von Frauen ausgeübt wurden.

appelmengern
boppenmalern
bierbruwern
daubeckern
eiermengern
essigmengern
ganshirten
gufenern
gulichtern
hafermengern
heringmengern
hullenkouffern
hullenwobern
kemmersen
krudern
mattenmechern
snormechern

III. Berufe, in denen Männer und Frauen gleich häufig vorkommen.

altgewendern
boternhocke
bademeit
fiedelern
vigenhocke
fladenbeckern
hocke, hockin
horneffen
hunermengern
hunerkeufern
kelnern
kerzenmechern
kesemengern
kindelerern
klingenern
lenegadern
lerern
lutenslehern
mentelern
milchern
notschern
obessern, obsern
obismengern, obshockern
oleiern
oleihocke
rubingrebern
salzfrauwe
schappelmechern
scheppelern
selzern
senfmengern, senffrauwe
sleiermengern, sleierfrauwe
smersnidern
spitzenmecherin
spulersen
stobenheissern
strickern
wennern

[S. 81]

IV. Berufe, in denen Frauen seltener vorkommen als Männer.

abenturern
augenerzten
briefdragern
briefdruckern
budelern
burstenmechern
deckelechern
deschenmechern
torwechtern
duchscherern
duchspulern
erzten
essigfrauwe
federmengern
fehehirten
flechtenmechern
vorkeuffern
fuderern
gadenfrouwe
gengelern
geukelern
gewendern
haumengern
hentschumechern
hirten
hudekouffern
hudemechern
huderuppern
klaibersen
kochin
kolschebeckern
copeyern
korbern
kremern, kremersen
kursenern
lantfarern
lebekuchersen
ledersmerern
leistmechern
leufern
linwedern
malern
menkelern
melbern, milwern
mottersen
naldenern, nadlern
paternosterern
piffern
portenern
pulern
rosindragern
rußen, leppern
schekelern
schellendregern
scherensliffern
scherern, bartscherern
schiffrauwe
schornsteinfegern
schulmeistern
schusselern
seifenmechern
senfmechern
sidenstickern
simelern
slaghudern
snidern
snitzern
sporleddern
stazionerern
suhirten, suern
ulnern
underkeufern
wechtern
welkern
[S. 82]
weschersen
wesselern
wollenslegern
wurzelern
wurzemengern
ziechenern
zehenern
zolnerin

Dass das vorstehende Verzeichnis vollständig sei, ist kaum anzunehmen. Nicht immer findet sich für eine Beschäftigung auch eine Berufsbezeichnung. Es treten dann wohl Umschreibungen auf. So findet sich in den Bedebüchern der Niederstadt von 1405 und 1406 Bl. 17 a, bez. 31 b: Else mit den hunden; sie wohnt in der Dieterichsgasse, wo allerlei armes Volk hauste, gab also wohl mit abgerichteten Hunden Vorstellungen. — 1372 Bdb. der Oberstadt 12 a: Else Leuben in dem kellerchen, die da kolen veyle hat, also eine Kohlenhändlerin. — 1359 Bdb. Oberst. 20 b: Katherine, dye daz crute hudet; Bedeutung unklar. — 1399 Bdb. Niederst. 14 a: Kedder, die die swebelkirzen dreit, also einer Verfertigerin oder Verkäuferin einer bestimmten Art von Kerzen. — 1424 Bdb. Oberst. 19 b: ein arm frauwe, dye der gefangen torin wartit umb gottis willen, also eine Wärterin bei einer Geisteskranken. — 1397 Heiligenbuch 32 a: eyne kolsche frauwe, die scheren feile hat vor dem Schrothuse; 1472 im Marktrechtbuch 5 b: die frauwe mit dem Colneschen zynwerg (beide als Verkäuferinnen auf der Messe). Dazu kommt eine Reihe unerklärbarer, aber auf Berufstätigkeit hinweisender Benennungen weiblicher Personen (z. B. weibelern, ulselmechern, setzependin, muselern).

[19] Vgl. auch Gengler, Stadtrechts-Altertümer, S. 36.

[20] Kriegk, Frankfurter Bürgerzwiste und Zustände im Mittelalter, S. 334 f. Eine Wechslerin und eine Pächterin der Stadtwage auch in Lübeck: Hartwig a. a. O. S. 51 f.

[21] Vgl. das Verzeichnis der Frankfurter Aerzte bei Kriegk, Deutsches Bürgert., S. 34 ff. Eine Münchener Augenärztin aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts: Monum. Boic. XXXV., 2, 94. Weinhold, Deutsche Frauen, I., S. 170 ff. Aehnliches in Lübeck: Hartwig a. a. O. S. 52 f.

[22] Aus den Ausgaberegistern der Bürgermeister (»Botenbüchern«) habe ich mir folgende Fälle notiert: 1391 Bl. 2a: 5 grosse zweien frauwen, dem folke nachzulauffen, daz vor der stad was, biz gein Rockingen. — 1392 Bl. 7a: 6 ß junger h. einer frauwen zu lauffen gein Dippurg, gein Omstat und ubiral in dem Odenwalde, zu irfarn heymelich umb samenunge. — 1414 Bl. 4b: 4 ß alder vier frauwen in den walt und darumbe zu virslahen, als man sunderlich gewarnt waz.

[S. 83]

[23] Vgl. das Gedicht Iwein, V. 6186 ff. Jäger, Ulm, S. 634. Mone, Zeitschr. IX., S. 138. XIII., S. 141 ff. Ueber Lübeck: Hartwig a. a. O. S. 63 f.

[24] Gesamtabenteuer II., 23 ff. Vgl. auch Hartwig, S. 64 ff.

[25] Vgl. Weinhold, a. a. O., S. 132. Norrenberg, Frauenarbeit und Arbeiterinnen-Erziehung in deutscher Vorzeit, Köln 1880, besonders S. 59 ff.

[26] Vgl. meine Bevölkerung von Frankfurt I, S. 343 f., 389.

[27] C. Schmidt in der Alsatia, Jahrg. 1860, S. 187 ff.

[28] Norrenberg a. a. O., S. 63 ff.

[29] Schmidt a. a. O., S. 224.

[30] Ueber die Bekinen (so wird das Wort durchweg in Frankfurter Urkunden geschrieben, nicht Beginen, Beghinen oder Beguinen) vgl. Ersch und Gruber, Realenzykl. u. d. W. — Realenzyklopädie für die protest. Theologie (3. Aufl.), II, S. 516 ff. — C. Schmidt, Alsatia (1858–1861), S. 149 ff. — Kriegk, Deutsches Bürgertum i. Ma., S. 100 ff. — Arnold, Verfassungsgesch. der deutschen Freistädte, II, S. 173 ff. — Heidemann, Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins, IV., S. 85 ff. — Jäger, Ulm, S. 407 ff. — Lipowski, Urgeschichte von München, II., S. 247, 274. Hartwig a. a. O. S. 80 ff. — Mosheim, De Beghardis et Beguinabus commentatio und Hallmann, Die Geschichte des Ursprungs der belgischen Beghinen, Berlin 1843, waren mir nicht zugänglich. — Sehr gut ist in dem Aufsatze der Real-Enzyklopädie bemerkt: »In den Wirkungen der Kreuzzüge, die einen grossen Theil der männlichen Bevölkerung von Europa wegrafften und daher der Witwen und Waisen viel, die Ehen aber selten machten, und in dem Bedürfniss einer Freistätte für Jungfrauen gegen die damals fast trostlosen Gewaltthätigkeiten ritterlicher Wüstlinge entdeckt man die Ursachen dieses ausserordentlichen Anwachsens der Beguinengesellschaften durch eine Menge verlassener Frauenspersonen, die schon wegen Mangel an Aussteuer in den Nonnenklöstern nicht Aufnahme finden konnten.« — Die Schilderung im Text basiert vorwiegend auf der Berücksichtigung der Frankfurter und Strassburger Verhältnisse, die von den niederländischen nicht unwesentlich abweichen. — Wer an der Richtigkeit der im Texte vertretenen populationistischen Auffassung des Bekinenwesens zweifelt, der möge uns nur die Frage beantworten, woher es kommt, dass in Städten mit Hunderten von Bekinen die Bekarden immer nur in einzelnen Personen (selten mehr als 2 bis 4) vertreten erscheinen.

[S. 84]

[31] Nach Hartwig, Hans. Geschichtsblätter, XXXV, S. 94, Biedenfeld, Ursprung sämtlicher Mönchs- und Klosterfrauenorden, II., S. 354, und Spangenbergs Adelsspiegel, S. 380 b f.

[32] Lang, reg. b. IV., 537 (bei Mone, Zeitschr., XIII., S. 140).

[33] Cod. dipl. Siles. VIII., p. 7.

[34] Urk. in der Zeitschr. f. Gesch. des Oberrh., IX., S. 173 f.

[35] Reyscher, Sammlung der württemb. Gesetze, XII., S. 25.

[36] Item von allen gotteshusen sal man bede geben und die darinne syn, sollen auch bede geben von iren gulten und guttern dartzu, obe sie uber zehen phunt heller hetten. Frankf. Bedeordnung von 1475 § 56, abgedruckt in »Kleinere Beiträge zur Geschichte«. Festschrift zum deutschen Historikertage. Leipzig 1894, S. 155. — Aehnlich in Lübeck: Hartwig, Schossbuch, S. 53.

[37] Schmidt a. a. O., S. 154.

[38] Heidemann a. a. O., S. 94.

[39] Um eine Vorstellung von dem Tenor derartiger Hausordnungen zu geben, teile ich hier einen gedrängten Auszug aus den Statuten des 1394 für 6 Bekinen gestifteten Frankfurter Gotteshauses zur Seligenstadt in möglichstem Anschluss an den Wortlaut des Originals mit: Holz, Kohlen und Licht sollen die Schwestern aus den Erträgnissen des Stiftungsvermögens kaufen, und soll das Licht nicht länger brennen als bis Mitternacht. Wenn aber Eine länger aufsitzt, soll sie ihr eignes Licht brennen. Aber Holz und Kohlen sollen die Kinder nutzen, welche Zeit sie wollen. — Auch sollen die Kinder Ausbesserungen ihres Hauses, die über 5 Pfund Heller betragen (soviel hatte der Stifter jährlich dafür ausgeworfen), aus Eigenem vornehmen und den Bau in gutem Stand halten. Wäre es aber, dass das Haus in Jahresfrist einer Ausbesserung nicht bedürfte, so sollen die Kinder was übrig wäre über die 5 Pfund Heller Gülte unter sich teilen und für sich verwenden. — Auch sollen die Kinder unter einander lieblich, gütig und einträchtig leben zu aller Zeit mit Worten und Werken und sollen die fünf (übrigen) der ältesten und ehrbarsten unter ihnen gehorsam sein in allen guten zeitlichen Dingen. — Auch soll ihrer durchaus keine des Nachts ausser dem Hause sein ohne Erlaubnis der andern oder der Aeltesten, und diese sollen auch wissen, wo sie des Nachts sein wolle. — Lebte nun Eine unfriedlich und wollte nicht davon ablassen, so sollen sie die Andern, wer sie auch wäre, mit Rat und Hilfe eines Kämmerers des Bartholomäusstiftes aus dem Gotteshause treiben, ohne Widerrede ihrer und eines Jeglichen. Auch wenn Eine täte, was ihr und den Kindern im Gotteshause nicht zur Ehre gereichte, so mans mit Wahrheit vorbringen möchte, die sollte zustund des Hauses verwiesen sein und nimmermehr darin wohnen. — Auch sollen die 6 Kinder allewege aus ihnen Eine nehmen, die des Hauses gewaltig sei und der Kinder. Wenn auch die Kinder wollten und es ihnen fügte, so möchten sie sie absetzen, doch in redlicher Weise, und eine andere an ihre Stelle setzen binnen einem Monate, so oft eine abgeht. Entzweiten sie sich aber unter einander, auf welche Seite dann drei (Stimmen) fielen, das sollte gelten. — Geschähe es auch, dass jemand Hausrat in das Haus gäbe oder setzte oder dass solcher gegenwärtig darinnen wäre, der sollte darin bleiben, für den Fall, dass ein armes Kind darein käme und solchen nicht hätte, den sollte man ihr dann leihen zu ihrer Notdurft. — Wäre es aber, dass jemand hernach dem Hause eine Gülte setzte, die sollen die Kinder unter sich teilen in gleicher Weise wie die andern über die fünf Pfund Geld. — Wenn aber unter den Kindern Eine abginge von Tods wegen oder wie das sonst käme, so sollen die übrigen eine andere an deren Statt nehmen in Monatsfrist; würden sie aber unter sich uneins, wen dann drei unter ihnen nähmen, die sollte es sein. — Statuten anderer Bekinenhäuser bei Heidemann a. a. O., S. 91. 94. 104 ff. — Alsatia, S. 229 ff. — Böhmer, Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt, S. 593 ff. — Lübecker Urk. B. VII, S. 760 ff. und Hartwig a. a. O. S. 82 ff.

[S. 85]

[40] Die »Tertiarierinnen« in der Schweiz, über welche Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. XV., S. 164 ff. berichtet, sind lediglich Bekinen.

[41] Zeitschr. für deutsche Kulturgeschichte, I (1856), S. 481 f.

[42] Limburger Chronik, herausg. von Rossel, S. 56. 16 ff. 20.

[43] Vgl. Scheible, Das Kloster, S. 916. 929 Anm. 11.

[44] Limburger Chronik, S. 71.

[45] Limburger Chronik, S. 65 f.

[46] Vgl. im allgemeinen Weinhold, Die deutschen Frauen im Mittelalter II, S. 135–151. — Kriegk, Deutsches Bürgertum, n. F., S. 260 f. Scheible a. a. O., S. 459 ff.

[47] Siebenkees, Materialien, IV., S. 583.

[S. 86]

[48] I., 87 b III, 65. 66 bei Scheible a. a. O., S. 459 ff. Ich hebe folgende Stellen hervor: »Derowegen ein solcher Weybel wissens soll haben, solche Hauffen zu regieren und zu führen, gleich wie man andre rechte Hauffen ordnen und führen soll. Item begiebt sich, dass ein Schlacht mit den Feinden geschehe, soll er seinen Tross also führen, dass keine Verhinderung dadurch entstehe. Auch soll er mit dem Tross auf einer Seiten nicht gar zu weit davon gehen oder stehen, dass der Feind ein Nachdenken davon habe und vermeyne, es seye wehrhaftigs Volk. Der Tross wird immer dem Heer nachgeführt, dass sie nicht voraus in das Läger kommen und alles das aufraumen, wie dann ir Gebrauch ist, wenn der Hauffen käme, dass keiner nichts fände, es sey Häuw, Stroh, Holz oder anders, was denn ein Lager erfordert«.... Weiter »streckt sich solch ihr Ampt dahin, dass sie getreuwlich auf ihre Herren warten, sie nach Notturft versehen, die gemeinen Weiber mit kochen, fegen, waschen, sonderlich der Kranken damit zu warten, sich dess nit wegern, sonst wo man zu Feldt liegt, mit Behendigkeit lauffen, rennen, einschenken, Fütterung, essende und trinkende Speiss zu holen, neben anderer Notturft, sich bescheidenlich wissen zu halten, auf der Reyen oder sonst nach Ordnung wissen zu stehen, gelegener Märkt sich gebrauchen und halten. Wo etwan der viel in einer Herberg oder Losement beyeinander liegen, bleiben sie selten eins; da wirt ihnen des Orts etwan ein verständiger Kriegsman zu einem Rumormeister gesetzt, oder zum Obersten zugeordnet, welcher sich denn bescheidenlich unter ihnen soll wissen zu halten. Wo es aber nit stat haben wöllte, so hat er ein Vergleicher, ist ungeferlich eines Arms lang, damit hat er Gewalt von ihren Herrn, so ihm zuvor übergeben, sie zu straffen. Solche Huren und Buben werden alsdann sonst auch ohne das darneben für wol essen und trinken mechtig übel geschlagen, ehe sie solches ihres Ampts recht gewonnen; der Guthaten sie wenig geniessen, welche ihnen dann zuvor versprochen; man muss aber dem Thuch also thun, es verleuret sonst die Farb, würden der faulen Schwengel und Huren gar zu viel.«

»Solcher Huren und Buben Ampt ist weiter, wo man im Läger eine Zeit lang verharret, dass sie mit Gunst zu melden die Mumplätz (Kloaken) sampt anderm wo es not ist, säubern und fegen; solches wird niemandts unter ihnen gefreyet, weder gross noch klein.... Dazu wo es von nöten Graben, Teich oder Gruben auszufüllen, darüber man etwan auch stürmet oder Weg auszubessern, oder wo Geschütz versinke und stecken bliebe; da werden die Huren und Buben neben verordneten Personen Reiss, Wellen, Büschel Holz zu machen, binden und tragen genötigt und ziehen helfen, wo es not thut, und was dem Haufen von nüzten durch sie geschaft mag werden, das keinswegs zu wiedern, bey ernstlicher straff so ihnen aufferlegt wirdt«.

[S. 87]

[49] Hoyer, Gesch. der Kriegskunst, I, S. 318. Scheible a. a. O., S. 463 f.

[50] Vgl. Mone in der Zeitschr. f. Gesch. des Oberrh., I, S. 151. IV, S. 246 f., Kriegk, Deutsches Bürgertum, S. 140 ff. und im Allgemeinen meine Entstehung der Volkswirtschaft, S. 420 ff.

[51] Uhland, Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder Nr. 194.

[52] A. a. O. Nr. 193.

[53] Uhland a. a. O. Nr. 256.

[54] Limburger Chronik, S. 35 (Rossel).

[55] Uhland, Nr. 189, vgl. 188 »Landsknechtorden«:

»Erstlich muss er ein weib und flaschen haben,
darbei ein hund und einen knaben:
das weib und wein erfrewt den man,
der knab und hund sol spüren,
was in dem haus tut stan.«

[56] Uhland Nr. 199.

[57] Ueber die Prostitution im Mittelalter liegt eine Reihe sehr eingehender Arbeiten vor, auf die ich hier wegen der tatsächlichen Einzelheiten und der bezüglichen Quellenliteratur verweisen muss. Das wichtigste bieten: Siebenkees, Material. IV. Scheible a. a. O., S. 454–527 u. 952–981. Schlager, Wiener Skizzen, N. F., III., 345–470. Kriegk, Deutsches Bürgertum, N. F., 259 ff., 339 ff. Maurer, Gesch. der Städteverfassung in Deutschland, III., S. 103 ff. Hüllmann, Städtewesen im Ma., IV., S. 270 ff.

[58] Vgl. Maurer a. a. O., S. 103 f. und Weinhold a. a. O., II., S. 21, Anm. 1.

[59] Vgl. meine Bevölkerung von Frankf. I, S. 390. Noch im Jahre 1451, zu einer Zeit, in welcher der Rat mit äußerster Strenge gegen Personen vorging, die im Konkubinat lebten und die Prostituierten außerhalb des Frauenhauses verfolgte, finden wir folgenden Eintrag im Bürgermeisterbuch Bl. 37a: Welche hore mit dem stucker gedingt hat, gibt sie yme nichts, so mag er sie phenden, und obe sost ein gude dirne mit eym guden gesellen zuhielde, die sal er nit dringen mit yme zu dingen, sie ginge dan braden reyen, er mag iz dem obersten richter sagen.

[S. 88]

[60] Daher die Namen: arme, irre, leichte, schwache, wandelbare, wilde, freie Weiber, Fräulein, liebe Tochter, gute Tochter u. s. w. Vgl. Weinhold a. a. O.

[61] Die unerschöpfliche Skandalchronik der Klöster hier aufzurollen ist wohl nicht nötig. Der Kürze halber sei auf die Zimmersche Chronik verwiesen, aus der allein sich ein erschütterndes Bild der geschlechtlichen Verwilderung des ausgehenden Mittelalters zusammenstellen liesse.

[62] Vgl. C. Schmidt in der Alsatia 1858–1861, S. 202 ff., und über das Folgende Kriegk a. a. O., S. 331 ff. Maurer a. a. O., S. 114.

[63] Vgl. Biedenfeld, Ursprung sämtlicher Mönchs- und Klosterfrauen-Orden, I., S. 140 ff.

[64] Wie noch heute die Nonnenklöster in Italien und Spanien die Frauenerwerbsfrage viel weniger hervortreten lassen als in England und Deutschland, zeigt treffend v. Holtzendorff, Die Verbesserungen in der gesellsch. und wirtsch. Stellung der Frauen (Virchow-Holtzendorffsche Sammlung II., Heft 40), S. 25.

[65] Sprüche Salomons Kap. 31.

[66] Vgl. die schönen Ausführungen von Schäffle, Bau und Leben des sozialen Körpers, I, S. 192 und Gesellsch. System, § 46.

[67] Vgl. meine »Wohnungs-Enquête in der Stadt Basel«, S. 179 f.

[68] Die Zahl ergibt sich, wenn man die Berufsgruppen A–E zusammenfasst und dazu die Dienstboten addiert. Es waren dann 1907 vorhanden.

 
erwerbstätige
Zunahme seit 1895
männliche Personen
18599236
19.8
weibliche Personen
 9492881
44.1
zusammen
28092117
27.0

Fasst man dagegen die Hauptergebnisse nach der Statistik des Deutschen Reichs Bd. 202, I, S. 4 f. für die gesamte Berufsbevölkerung einschliesslich der Berufslosen für 1907 zusammen, und stellt ihnen die entsprechenden Zahlen der beiden früheren Berufszählungen gegenüber, so erhält man folgendes Bild.

[S. 89]

Die Bevölkerung nach dem Hauptberuf der Erwerbstätigen.

Berufs-
und
Betriebs-
zählung
Erwerbstätige
Personen
Dienst-
boten für
häusliche
Dienste
Angehörige
ohne
Haupt-
beruf
Erwerbs-
tätige, Dienst-
boten und
Angehörige
zus.
überhaupt
darunter
weibliche
1882
18986494
 4961228
1324924
24910695
45222113
1895
22913683
 6379942
1339316
27517285
51770284
1907
30232345
10035705
1264755
30223429
61720529
Zunahme
%
%
%
%
%
1882–1895
20.7
 28.6 
 1.1
10.5
14.5
1895–1907
31.9
 57.3 
–5.6
 9.8
19.2
1882–1907
59.2
102.03
–4.8
21.3
36.5

Natürlich verteilt sich die enorme Zunahme der Erwerbstätigen weiblichen Geschlechts nicht gleichmässig auf alle Berufsgruppen und Berufsstellungen. Es ist darum nötig, hier auf die Gliederung der Berufsstatistik etwas näher einzugehen, wobei der Vergleich der Einfachheit wegen auf die beiden letzten Berufszählungen beschränkt bleiben muss.

Die Zunahme, bez. Abnahme (–) der Erwerbstätigen zwischen 1895 und 1907 betrug:

Berufsgruppen und Berufsstellungen
männliche
weibliche
Erwerbs-
tätige
überhaupt
Erwerbstätige
A.  Land- u. Forstwirtschaft,
Gärtnerei, Tierzucht,
Fischerei
  16.4
  67.1
  19.2
a) Selbständige und Betriebsleiter
 – 2.2
 – 5.4
 – 2.6
b) Verwaltungs- u. Aufsichtspersonal
   5.7
 –10.2
   2.7
c) Gehilfen, Lehrlinge (Arbeiter)
 – 6.5
  78.1
  11.7
B.  Industrie einschliessl. des
Bergbaus
  35.4
  38.3
  35.9
a) Selbständige und Betriebsleiter
   0.1
 –11.9
 – 2.5
afr) Hausindustrielle
 –39.9
 –12.9
 –27.7
b) Verwaltungs- u. Aufsichtspersonal
 144.5
 585.7
 160.1
c) Gehilfen, Lehrlinge (Arbeiter)
  42.6
  61.4
  45.9
[S. 90] C.  Handel, Verkehr,
Gastwirtschaft
  44.8
  60.7
  48.7
a) Selbständige und Betriebsleiter
  19.4
  21.2
  20.0
b) Verwaltungs- u. Aufsichtspersonal
  70.5
 564.8
  93.2
c) Gehilfen, Lehrlinge
  56.0
  65.8
  58.9
D.  Häusliche Dienste und
wechselnde Lohnarbeit
 –24.1
  37.2
   9.1
E.  Oeffentlicher Dienst und
freie Berufsarten
  16.1
  63.2
  21.9
Zusammen A–E 
  19.8
  56.6
  29.2

Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Frauen gehört der Berufsgruppe A an (1907: 4598986), in der die in der Landwirtschaft helfenden Familienangehörigen des Betriebsleiters sehr stark ins Gewicht fallen; auf die Berufsgruppe B kommen 2103924, C: 931373, D: 320904 und E: 288311.

[69] Das Einküchenhaus scheint schon bei dem ersten Versuche Fiasko erlitten zu haben. Dennoch hat ihm die »Neudeutsche Bauzeitung« vor kurzem eine Spezialnummer gewidmet, in welcher namhafte Architekten und Kunstschriftsteller sich über die »wirtschaftlichen und künstlerischen Möglichkeiten des Einküchenhauses« aussprechen. Von dem, was van der Velde darüber schreibt, sei folgendes wiedergegeben: »Man muss sich für die soziale und kulturelle Seite des Problems begeistern, und für diejenigen, die sich aufregen und leiden, wenn sie sehen, wieviele Frauen unter der Last tausend kleiner Haushaltungssorgen ihre besten Eigenschaften einbüssen, ist die Idee direkt erlösend. Ausserdem trägt sie den Keim zu einer noch vollständigeren Gemeinschaft zwischen in demselben Hause lebenden Menschen in sich. Denn wir werden uns nicht lange mit dem Haus begnügen, in dem nur die Küche gemeinschaftlich ist, wir werden auch bald den gemeinsamen Raum verlangen, wo für alle die Stiefel geputzt und die Kleider gebürstet werden, wo das Geschirr abgewaschen und alle grobe Hausarbeit von Angestellten einer Zentralorganisation[S. 91] verrichtet wird, die wir weder sehen noch hören werden und die wir nur für ihre Dienste entlohnen müssen. Alles drängt uns zu dieser Entwicklung, der Mangel an Dienstboten und der Wunsch, sie so wenig wie möglich um uns zu sehen.« Die Frauen haben, wie man sieht, alle Ursache zu dem Wunsche: Gott schütze uns vor unsern Freunden! Grenzt es nicht fast an Wahnwitz, wenn die Zeitungen im Anschluss an obige Ausführungen folgende Expektoration einer Amerikanerin beifällig wiederholen: »Fünfzig Feuer da, wo ein einziges genügen würde. Sie können ja an ihrem Tisch im Familienkreis mit ihren Kindern essen, wenn sie wollen, aber warum sollen fünfzig Frauen ihre Morgenstunde verlieren, um ein paar Tassen Kaffee zu machen und das so einfache Frühstück zu bereiten? Warum fünfzig Feuer, wenn zwei Personen und ein einziges Feuer genügen würden, um all das Fleisch und Gemüse zu kochen? Warum ist der Wert der Frauenarbeit niemals anerkannt worden? Warum sind die Frauen in jeder Familie, wo oft drei bis vier Dienstboten gehalten werden, gezwungen, ihre ganze Zeit (!) den Küchenangelegenheiten zu widmen? Weil selbst diejenigen, die die Befreiung der Menschheit wollen, nicht die Frau in ihrem Befreiungstraum verstanden haben — und weil sie es von ihrer hohen männlichen Würde herab für unwürdig halten, an diese »Küchenangelegenheiten« zu denken, die sie von sich abgewältzt haben auf die Schultern der grossen Dulderin Frau!«

[70] Die im Oktober 1909 in Berlin abgehaltene Generalversammlung des Verbands fortschrittlicher Frauenvereine meinte den Schrecken über die Ergebnisse der Berufszählung von 1907 dadurch überwinden zu können, dass sie einem »Verband für handwerksmässige und fachgewerbliche Ausbildung der Frau« das Wort redete. Sie ging dabei von der durch nichts beweisbaren Annahme aus, dass der Zuwachs erwerbstätiger Frauen seit 1895 durchweg aus »ungelernter Arbeit« bestehe. Die Frauen leisteten in der neuen deutschen Volkswirtschaft in überwiegendem Masse nichts anderes als »Kuli-Arbeit«. Dem soll nun abgeholfen werden durch fachgewerbliche Ausbildung. (Vgl. »Soziale Praxis« XIX, S. 55 f.) Ganz abgesehen von der Frage, ob hier von einer richtigen Annahme ausgegangen ist, wird man ernste Zweifel hegen dürfen, ob damit an der Tatsache etwas geändert werden kann, dass auch bei gleicher Leistung die Frauenlöhne niedriger sind als die Männerlöhne und dass die Erwerbsarbeit der Frauen — einerlei, ob sie[S. 92] »gelernte« oder »ungelernte« Arbeit ist — unter der heutigen Wirtschaftsorganisation in der Hauptsache nur abhängige Arbeit sein kann. — Uebrigens scheinen die Fälle, in denen eine ordnungsmässige Ausbildung weiblicher Handwerkslehrlinge Platz greift, schon jetzt ziemlich häufig zu sein, wie die Ergebnisse einer von dem erwähnten Verbande veranstalteten Erhebung vermuten lassen. Vgl. darüber Volkswirtsch. Blätter VIII (1909) S. 397.