The Project Gutenberg eBook of Henriette, oder die schöne Sängerin: Eine Geschichte unserer Tage This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Henriette, oder die schöne Sängerin: Eine Geschichte unserer Tage Author: Ludwig Rellstab Release date: April 8, 2019 [eBook #59229] Language: German Credits: Produced by the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from images made available by the HathiTrust Digital Library.) *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK HENRIETTE, ODER DIE SCHÖNE SÄNGERIN: EINE GESCHICHTE UNSERER TAGE *** Produced by the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from images made available by the HathiTrust Digital Library.) #################################################################### Anmerkungen zur Transkription Der vorliegende Text wurde anhand der 1826 erschienenen Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche, altertümliche sowie inkonsistente Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert. Passagen in französischer Sprache wurden dem Original entsprechend übernommen. Umlaute in Großbuchstaben (Ä, Ö, Ü) werden in deren Umschreibung dargestellt (Ae, Oe, Ue). Die Verwendung des ‚scharfen s‘ (ß) weicht vom heutigen Gebrauch teilweise deutlich ab; dennoch wurde die Schreibweise des Originals beibehalten, sofern der Sinn des Textes dadurch nicht verloren geht. Die im Abschnitt ‚Verbesserungen‘ am Ende des Buches angeführten Korrekturen wurden bereits in den Text eingearbeitet. Das Inhaltsverzeichnis wurde vom Bearbeiter erstellt. Besondere Schriftschnitte wurden in der vorliegenden Fassung mit den folgenden Sonderzeichen gekennzeichnet: gesperrt: ~Tilden~ Antiqua: _Unterstriche_ #################################################################### Henriette, oder die schöne Sängerin. Eine Geschichte unserer Tage von Freimund Zuschauer. Leipzig, bei F. L. Herbig, 1826. Inhalt. 1. Die Abendgesellschaft. 1 2. Die Urtheile. 9 3. Kabale und Liebe. 20 4. Henriette. 33 5. Der Hanswurst. Der Recensent. 39 6. Lord Monday. Die Arche Noah. Der Regenbogen. Das Duell. Die Ohnmacht. 50 7. Die ausgewetzte Scharte. Das Krankenzimmer. 63 8. Bekenntnisse. 69 9. Pläne für die Zukunft. Die Rechtfertigung. 81 10. Die Epigrammatisten. Die Ausforderung. 87 11. Lord Mondays Vorschlag. Das Duell. 96 12. Die Landparthie. 109 13. Die Wette. Die Ankommenden. Das Mittagsessen. 123 14. Spiele auf der Wiese. Die Wasserfahrt. 132 15. Die Entdeckungen. Die Maskerade. 143 16. Trübe Wolken. Die verschmähten Liebhaber. 150 17. Das Concert. Graf Klammheim. Absagebriefe. 161 1. Die Abendgesellschaft. Die Oper war zu Ende. Doch der rauschende Beifall, der die Talente der jungen Sängerin Henriette, die als neu engagirtes Mitglied zum erstenmal aufgetreten war, anerkennend ehren sollte, schien kein Ende nehmen zu wollen. Immer neu wiederholte sich das schallende Getöse tausend bewegter Hände, und dazwischen tönte der unablässige Ruf des Namens der Schönen. Endlich rollte der Vorhang wieder auf; die Holdselige erschien in aller der Anmuth, durch die sie den ganzen Abend über entzückt hatte. Gegen den Lärmen, der sich jetzt erhob, war das vorige Getöse eine Todtenstille zu nennen. Jeder überließ sich dem lautesten Ausbruch seines Entzückens. Die junge Sängerin allein kam nicht zu Worte, und mußte mit stummen Verbeugungen zurücktreten; doch ihre vor Freude glänzenden Blicke sagten deutlich, was sie empfand. Allein fast noch deutlicher sprachen die Blicke sämmtlicher jungen und alten Herren im Schauspiel; keiner, dem nicht der Liebesgott spöttisch aus den Augen gesehen hätte. Sogar der alte Feldmarschall von Rauwitsch, auf dessen unter Feldzügen ergrautem Haupt kaum noch einiges Haar zu zählen war, sogar der schien noch im späten Alter von einem Pfeil getroffen worden zu seyn, gegen den er sich vielleicht zu sicher gepanzert glaubte. Denn nicht nur die Brust hatte er mit hartem Erz gegen Amors Schüsse zu waffnen gesucht, nein, seine Vorsicht ging weiter, sogar das Gesicht, die Nase nicht ausgeschlossen, hatte er mit Bachus Hülfe, der in Kupfer besser zu arbeiten versteht, als Vulkan, mit einem purpurartigen Ueberzug jenes röthlichen Metalles gedeckt. Die Augen, um auch dort sicher zu seyn, hatte ihm derselbe gütige Gott Bachus verglasen helfen. Doch Amor, der Alliance spottend, war dennoch durchgedrungen; wie, das wissen die Götter; allein unbezweifelt war es, denn der Adjutant hörte den Marschal im Heraustreten aus der Loge sagen: „Drei Tage wollte ich keinen Pontac riechen, wenn ich einen Kuß von dem kleinen Teufelskind dafür einhandeln könnte.“ Und einen höhern Schwur that er nie. Aehnlich war es dem Major Kegelino ergangen, der, auf dem Casino fast eingerostet, sich diesmal doch hatte überreden lassen, die Parthie zu versäumen und die Oper zu verträumen. Denn gehört hatte er wahrscheinlich nichts, so hatte die junge reizende Sängerin ihn verblendet, ja betäubt. Als er in den Wagen stieg, rief er dem Kutscher zu: „Nach dem K-- Theater“ aus dem er nämlich eben kam; so beschäftigte ihn der Gedanke, die auf den folgenden Tag angesetzte Wiederholung des Stücks ja nicht zu versäumen. Doch der Kutscher, der wohl merkte, wie es mit dem Herrn stand, fuhr ihn in die L-- Straße vor sein Haus, und hatte die Absicht des Majors richtig errathen. Noch mehr als diese aber waren zwei Königliche Räthe, Hemmstoff und Wicke, innige Freunde durch kunstverwandte Gesinnung und theaternachbarliche Gewohnheit des Daseyns und des Klatschens, noch mehr, sag ich, waren diese von der Wundererscheinung entzückt. Wicke ließ sein schwärmerisches Auge noch einmal auf dem gefallenen Vorhang weilen; dann sprach er: „Freund, was ist das Leben ohne Liebesglanz! O wie versteh ich jetzt den zarten sinnigen Dichter!“ „Wahr, sehr wahr!“ entgegnete Hemmstoff, und suchte vergeblich mit der Hand durch das Scheitelhaar zu fahren; (denn die Sense der Zeit hatte ihm diese stattliche Zierde abgemäht, und nur aus alter Gewohnheit machte er noch diese Bewegung nachlässiger Eleganz) „wahr, sehr wahr spricht der Dichter. O ich fühle einen verdammten Hunger. Essen wir unten in der Restauration, oder wo anders?“ „Unten lieber,“ entgegnete Wicke mit schmelzender Stimme, „denn es sind, wie ich höre, frische Austern angekommen. Ach was ist die Liebe für ein süßes Ding!“ So schritten die Freunde hinab in die Restauration. Nicht sie allein, sondern auch viele andere junge Bewohner der Residenz fühlten sich durch die Oper so angegriffen, daß sie der Hülfe des Restaurateurs bedurften. Alle Tische besetzten sich schnell, und auch der, an welchem Hemmstoff und Wicke Platz nahmen, füllte sich bald mit Bekannten verschiedenen Alters und Standes. Neben unsren Freunden rechts saß ein schon ältlicher französischer Abbe, der, ein wahrer Trost für Hemmstoff, noch stärkeren Mondschein von seinem Scheitel herableuchten ließ, als dieser. Der Abbe, nach Art der französischen Geistlichen, ein jovialer freidenkender Mann, war durch die klösterliche Erziehung den Freuden des Lebens keinesweges abgestorben, sondern liebte Wein, Gesang und Austern über alles. Auch der dritte Artikel des Lutherischen Katechismus schien ihm nicht unbekannt, viel weniger unangenehm zu seyn. Das zeigte die Begeisterung, in die ihn die junge Sängerin versetzt hatte. „_Ah mon Dieu qu’elle est belle_,“ rief er aus und wandte sich zu Hemmstoff, „_conseiller, l’avez vous vu_?“ „_Quoi donc, Monsieur L’abbé_,“ entgegnete der Rath. „_Quoi?_“ fuhr der Abbe zurück, „_son porte bras delicieux, et quand elle se tourne--vous m’entendez!--Garcon, une bouteille de Champagne_!“ „Mir auch,“ rief der Rath. „Auf das Wohl der Sängerin!“ -- Indessen haben wir Muße, den übrigen Theil der Gesellschaft zu betrachten. Der Nachbar des Abbe war ein großer magerer Mann im blauen Frack mit einem Ordenkreuz im Knopfloch. Sein graues, jedoch zierlich frisiertes Haar stach wunderlich gegen das rothe, runzlige, in tausend Falten gekniffte Gesicht ab, welches deutlich zeigte, daß der Inhaber schon über die sechzig hinaus seyn müsse; allein er suchte sich noch immer wie ein Elegant von fünfundzwanzigen zu betragen. Eine Doppel-Lorgnette hatte er beständig um seinen Hals, ein Perspectiv in der Hand, und die Crawatte saß ihm, wie einem Engländer, der aufs Continent reist, und im Ausland für einen Gentlemann erster Classe gelten will. Man titulirte ihn Obrist-Lieutenant. Er schien sich das Ansehen eines sehr bedeutenden Mannes geben zu wollen, denn er sprach kurz und undeutlich, als wenn er es eben nicht der Mühe werth halte, den Fragenden verständlich zu antworten. Ein Glück war es daher, daß der Regisseur des Theaters, ein junger liebenswürdiger Mann von gefälligem Wesen, neben ihm saß. Denn natürlich ergingen alle Fragen in Betreff der Sängerin an diesen, und der lange Ritter im blauen Frack konnte schweigen so viel er wollte. Noch mehr aber schwieg ein junger Mann von interessantem Aeussern, der am Ende des Tisches saß, seinen Wein für sich trank, die übrigen Gäste nach der Reihe betrachtete, und nicht unaufmerksam auf ihr Gespräch zu seyn schien, wiewohl er sich nicht darein mischte. Er mußte nicht aus der Residenz gebürtig, und wahrscheinlich auch erst seit kurzem anwesend seyn, denn kein einziger der genannten Tischgäste, die sonst jedermann kannten, wußte, wer er war. Und doch schien sein Aeußeres so viel zu versprechen, daß man es der Mühe werth halten durfte, näher mit ihm bekannt zu werden. Das Gespräch richtete sich natürlich auf den Gegenstand, der das Entzücken des heutigen Abends gewesen war. Alle waren einstimmig darin, daß die Sängerin unübertrefflich sey, doch ein jeder wich darin von dem andern ab, daß man sich nicht einigen konnte, worin eigentlich ihre höchste Vollkommenheit bestände. So waren diese im Grunde gleichgesinnten Bewunderer fast in Streit gerathen, denn alle zugleich suchten ihre Meinung durch die triftigsten Gründe, vorzüglich aber durch möglichstes Schreien zu beweisen. Doch das Getümmel unterbrach sich plötzlich, denn der junge Mensch am Ende des Tisches, der der Thür gegenüber saß, und von seinem Platz auf den Corridor hinaus sehen konnte, stand unvermuthet auf, und verbeugte sich gegen die Thür. Die Gesellschaft wurde aufmerksam und sah nach der Gegend, wohin der junge Mensch gegrüßt hatte. Und siehe da, die schöne Sängerin ging eben vorüber, und schien den jungen Mann recht freundlich wieder zu grüßen. Die Gesellschaft erstaunte. Einige machten Miene, schnell hinauszugehen, um den Anblick der reizenden Gestalt noch einige Augenblicke länger zu genießen; das hatten auch schon viele junge Stutzer gethan, und drängten sich ziemlich unartig um das lieblich erröthende Mädchen. Verlegen sah sie sich nach dem Direktor ~Brückbauer~, der ihr folgte, um; dieser sprang dienstbeflissen vor, bot ihr seinen Arm, und sprach mit seiner etwas schnarrenden Stimme: „Erlauben Sie, meine Allertheuerste, daß ich Sie an den Wagen führe.“ Sie reichte ihm graciös die Hand und verschwand den Blicken unsrer Gesellschaft. 2. Die Urtheile. Diese durch den unvermutheten reizenden Anblick aufs neue lebhaft aufgeregt, schrie jetzt noch toller durch einander als vorher. Da pochte der Regisseur auf den Tisch und rief: „Meine Herrn, erlauben Sie, daß ich meine Amtsrolle heut auch noch nach der Vorstellung fortsetze. Wir machen uns heiser und hören einander doch nicht. Ich kann betheuern, ich weiß eben so gut, was der große Mogul von unserer Sängerin denkt, als was einer der Herrn gesagt hat. Vielleicht sind wir alle aufs Haar derselben Meinung, und haben uns ganz umsonst erhitzt. Wenn Sie erlauben, mache ich den Anfang, und gebe meine Ansicht; dann folgt der Herr Obrist-Lieutenant und so fort der Reihe nach.“ Alle waren es zufrieden, und der Regisseur begann: „Ich muß etwas weit ausholen, um zum Resultat meiner Gedanken über unsere himmlische Sängerin zu gelangen. Sie erinnern sich noch alle, meine Herren, jener unruhigen, heftig bewegten Zeit, wo die Erwartung in unserer Brust aufs höchste gespannt war, ob das theure Kleinod, welches wir jetzt besitzen, das unsre werden würde, oder nicht. Ich war, wie Sie wissen, endlich der Glückliche, dem es gelang, dieses Palladium in die Mauern unsrer Stadt zu führen. Doch nicht ohne Mühe. Denn erstlich fand ich schon bei meiner Abreise Hindernisse von Wichtigkeit. Als ich einen Paß nach Sachsen forderte, wurde er mir verweigert, denn es waren in diesen Tagen so viele unserer bedeutendsten Banquiers und Geschäftsmänner nach L. gereist, daß die Regierung, aufmerksam dadurch gemacht, eine staatsgefährliche Verbindung fürchtete, und bis auf weiteres das Ertheilen der Päße nach L. untersagt hatte. Nur mit Mühe gelang es mir endlich, die Nützlichkeit meines Reisezwecks für den Staat zu erweisen. Ich reiste. Doch ein neues Hinderniß find ich am Thor von L***. Dort nämlich erblickte ich einen der thätigsten Beschützer unsers Theaters in gefänglicher Haft; er schrie aus dem Fenster der Thorwache kläglich zu mir um Hülfe. Was konnte die Ursache dieser Einkerkerung seyn? Ich halte, bestürme den Stadtsoldaten, der vor Schrecken sein Strickzeug fallen läßt und nach dem Gewehr greift, dringe in den Kerker, und hasche nach der Ursach dieser empörenden Mißhandlung eines solchen Kunstgönners. ‚O Freund,‘ sprach dieser, ‚ich würde mein Geschick für unerträglich, ja hoffnungslos halten, wenn ich es nicht mit Vetter Kukuk, jenem redlichen Brautwerber theilte. Denken Sie sich meinen Unfall. Sie wissen, daß viele unserer Kaufgenossen hochtönende Namen, entlehnt von den Thieren des Waldes, führen. Diese alle sind als Bewerber um die göttliche Sängerin vor mir einpaßirt. Der Thorwächter notirte zu erst lächelnd den Namen Gans, logirt im Hotel de Baviere; dann folgte Hirsch mit gleicher Wohnung, worauf der Pförtner abermals lächelte und sprach: „Die Tafel im Hotel de Baviere wird gut besetzt!“ Darauf kam unser edler Wolf an, und der Wächter zog ein bedenkliches Gesicht, ließ ihn jedoch frei gleichfalls ins Hotel de Baviere laufen. Jetzt fuhr unser großer ~Bär~ vor. Den schnaubte aber der Thorwart grimmig an und rief: „Was? Wieviel Thiere wollen denn die holde Sängerin zerreißen? Fort in den Käfig mit dir!“ Doch der Bär, vermöge seiner Stärke, riß sich los. Als nun aber ich, der ~Eber~, herannahe, faßt mich der Wächter roh und kalt, und bändigt mich durch Kerkergewalt!‘“ Da, rief ich, wie Sie sich vorstellen können, meine Herren, begeistert aus: „Aus diesen Fesseln macht dich Gold frei, So wahr ich heiße Carl von ***,“ gab dem Stadtsoldaten einen Species und befreite den gefangenen Mäcen. Wenn man sich solcher Abentheuer und Gefahren erinnern kann, meine Herren, so wird uns der dadurch erworbene Preis doppelt theuer. Deshalb mußte ich, um zu meiner Schlußmeinung zu kommen, diesen Eingang machen. Von Herzen stimme ich daher in das Wort unsers großen Director Brückbauer mit ein, der die himmlische Sängerin soeben seine Allertheuerste nannte. Ja, sie kostet Opfer jeglicher Art, und doch macht ihr Anblick, ein Ton ihrer süßen Stimme, uns alles dies vergessen. Darum rühme ich das als ihre höchste Eigenschaft, daß sie, selbst in den Augen derer, die hier für nichts anders, als für das schnöde Metall Sinn haben, das blanke Gold so verdunkelt hat, daß sie es förmlich ausgestreuet haben, um in Besitz dieses Kleinods zu kommen. Und so rufe ich: Es lebe die Sängerin, sollten auch unsere Aktien auf 50 pro Cent fallen! -- „Bravo, Bravo!“ erscholl der laute Beifall der Andern, und alle leerten die Gläser. Doch des Regisseurs Nachbar, der Obrist-Lieutenant, schlug auf den Tisch und begann: „Das heiß’ ich sprechen, wie ein Regisseur. Aber in der That, es ist wahr, ihre Schönheit ist strahlender als Gold, und ihre Stimme tönt heller als Silber. Wenn ich indeß meine Meinung sagen soll, so muß ich erklären, daß mir das das reizendste an ihr scheint, daß sie sowohl als ihre Stimme sich von allen Standpunkten des Hauses unvergleichlich ausnehmen.“ „Waren Sie im Sperrsitz?“ fragte Wicke. „Allerdings,“ entgegnete der Gefragte. „Mir deucht, ich hätte Sie im ersten Rang gesehen?“ bemerkte der Abbe, während er eine Auster präparirte. „Sie haben sich nicht getäuscht,“ antwortete der Obrist-Lieutenant. „So habe ich mich geirrt,“ sprach Hemmstoff, „denn mir schien’s, als hätte ich Sie in einer Parkettloge entdeckt!“ „Mit nichten, Freund, ich bin sowohl rechts als links in einer Parkettloge gewesen,“ berichtigte der magere Ritter. „Aber ich habe Sie ja beständig auf dem Theater bemerkt,“ sagte der Regisseur erstaunt, „Brückbauer hatte noch seinen eifersüchtigen Aerger darüber.“ „Ich werde es doch nicht versäumen,“ erwiederte der Blaufrack piquirt, „auch von dieser Seite meine Ansicht zu berichtigen?“ Jetzt fing auch der junge Mensch am Ende des Tisches zu reden an, und sprach: „Nun kann ich mir einen seltsamen Irrthum, in dem ich geschwebt habe, erklären. Ich hatte die Ehre, mein Herr, Ihr Nachbar im Parterre zu seyn; da mir aber mein Platz unvortheilhaft schien, ging ich in den zweiten Rang hinauf, und zu meiner Verwunderung fand ich meinen Nachbar dort von so sprechender Aehnlichkeit mit Ihnen, daß ich sogleich vermuthete, er müsse Ihr Zwillingsbruder seyn. Noch höher aber stieg meine Verwunderung, als ich, da ich auch dort nicht gut placirt war, mich in den dritten Rang begab, und im Oeffnen der Loge einem dritten Exemplare von Ihnen begegne, das eben heraustrat, und Ihnen so ähnlich sah, wie ein Ey dem andern. Wie herrlich, dachte ich bei mir, könnte man hier die Drillinge aufführen! Auch fiel mir die Erzählung von den drei bucklichten Schelmen ein; und als ich nun vollends hier in die Restauration kam, und Sie am Tisch erblickte, dachte ich schon, Sie möchten vielleicht den vierten abgeben. Jetzt sehe ich aber, daß Sie gar die Kunst besitzen, sich beliebig zu multipliciren, und bitte daher um Vergebung, daß ich so lange im Irrthum gewesen bin.“ Die etwas sarkastische Miene, mit welcher der junge Mann diese Abentheuer erzählte, hatte die Gesellschaft halb belustigt halb in Verwunderung gesetzt. Der Abbe verbarg sein Lächeln hinter einem Zuge aus dem Champagnerglase; der Blaurock sagte etwas verdrießlich: „Mir scheint, mein Herr, Sie lieben die etwas grelle Mahlerei _al Fresco_,“ und Wicke raunte seinem Freund Hemmstoff ins Ohr: „der junge Mensch scheint nicht zu uns zu gehören; auf was für unschicklichen Plätzen hat er sich umhergetrieben!“ -- Der Regisseur faßte sich am besten, denn er klopfte auf den Tisch und rief wie der Präsident in der Deputirtenkammer: „Zur Ordnung! Sie sind in ihrer Rede unterbrochen worden, Herr Oberst-Lieutenant. Geben Sie uns gefälligst den Schluß.“ „Bin schon fertig,“ sprach der alte Jüngling kurz, und nahm eine Prise. „_Monsieur L’abbé_,“ erinnerte darauf der Regisseur, „ist Ihnen gefällig, das Scepter des Redners zu ergreifen?“ „_Mon cher_,“ entgegnete der Abbe, „mich hindern die Austern am Reden; übrigens habe ich mein Votum gegen den Rath Hemmstoff schon abgegeben. _N’est ce pas mon cher? Et qu’en dites vous?_“ „Ich bin ganz Ihrer Meinung, und eben so durch die Austern gehindert,“ sprach Hemmstoff, und lächelte innerlichst vergnügt; „mein Freund Wicke mag denn fortfahren.“ Dieser räusperte sich, zupfte sein Jabot zurecht, und begann dann mit einer feierlich weichen Stimme: „O die süße, unaussprechlich süße, holde, liebreizender Eigenschaften reichest begabteste Sängerin! In welcher Sprache soll ich ihr Lob verkünden! Sie sieht uns lächelnd an und lächelt wieder, und wir weinen, halb vor Entzücken, halb vor Schmerz!“ Dabei zog er sein gesticktes Schnupftuch, welches in _Eau de Cologne_ gekocht zu seyn schien, aus der Tasche, und wischte sich -- die Nase. „Freunde! Sympathisirend, mitfühlend übereinstimmende Theilnehmer, seyd Ihr denn nicht im Innersten bewegt? O, Ihr seyd von den Steinen die nicht fühlen, die nicht weinen! Tönt der Jungfrau zarte Kehle Euch nicht rührend in die Seele? Mir scheint, Ihr lächelt mit höhnender Geberde?“ -- „Das ist das Loos des Schönen auf der Erde;“ fiel der Abbe ernsthaft ein, und verschluckte eine Auster. -- „Geberde“ wiederholt der etwas empfindliche Wicke. „Versteht ihr denn so gar nicht was ich meine?“ -- „Einsam bin ich nicht alleine,“ sang plötzlich eine Stimme am andern Tische. Wicke stampfte verdrießlich mit dem Fuße und sprach: „Es ist nicht auszuhalten! Entweder wird man absichtlich oder zufällig unterbrochen. Ich hoffe, die Herren werden meine Ansicht jetzt gefaßt haben!“ „Wollten Sie sich denn nicht noch etwas näher auslassen?“ fragte bescheiden der Regisseur, „gewiß wird man Ihnen mit Vergnügen zuhören.“ „Ich bin vielleicht schon zu deutlich gewesen,“ entgegnete Wicke, und verbeugte sich verbindlich. „So stände denn die Reihe an Ihnen, mein Herr, wenn Sie uns mit Ihrer Ansicht bekannt machen wollten,“ wandte sich der Regisseur höflich zu dem Fremden. „Sehr gern,“ sagt dieser; „allein ich fürchte, sie wird sich gegen die Aussprüche so erleuchteter Kenner sehr schülerhaft ausnehmen. Meiner Meinung nach hat die schöne Sängerin eine unwiderstehliche Anmuth, eine reine seelenvolle Stimme, und eine sehr gute Natur des Vortrags. Doch sie ehrt ihr Talent wenig, indem sie die schlechtesten Opern zu ihrem Auftreten wählt, und sich an ein Theater versagt hat, das nur eine sehr niedrige Tendenz vor Augen, und eigentlich keinen andern Zweck, als Geld zu verdienen hat, und deshalb der gemeinen Ansicht der Menge auf eine unwürdige Art huldigt.“ Hier schwieg der junge Mann und sah die Gesellschaft der Reihe nach fest an. Der Obrist-Lieutenant stocherte sich die Zähne und murmelte einige unverständliche Worte; der Regisseur sah bedenklich aus, und schien zu fühlen, daß der Fremde Recht habe. Der Abbe trank sein Glas aus und sprach: „Ein schöner Enthusiasmus. Ich liebe die Passion für edlere Vergnügungen auch. Noch funfzig Austern, Kellner!“ Wicke sah glühend roth aus, strich sich verstört das dunkle Haar und raunte endlich furchtsam Hemmstoff die Worte ins Ohr: „Der Mensch ist ein roher Barbar!“ Jedem pfiff der Nachtwächter die eilfte Stunde. Die Gesellschaft brach auf trotz der Vorstellungen des Abbe, der seine Austern nicht in Stich lassen wollte. Wicke und Hemmstoff gingen Arm in Arm. Der Regisseur sprach noch mit einigen Bekannten an andern Tischen, und der Obrist-Lieutenant bewegte sich mit steifen stolzen Schritten durch den Saal nach der Thür. Auch der junge Mensch ließ den Abbe endlich allein. Jedoch als der Kellner ihm die Austern brachte, trällerte er: „Einsam bin ich nicht alleine!“ und beging die Inconsequenz, seine guten Gesellschafter sämmtlich durch Verzehrung wieder zu entfernen. Wir lassen ihn in seinem gemächlichen Vergnügen, und sehen uns um, ob die Residenz überall auf dieselbe Art von der neuen Sängerin dachte und sprach, als es in unserer Gesellschaft geschehen war. 3. Kabale und Liebe. Wir machen einen Morgenbesuch bei der schönen Caroline, die als erste Sängerin bisher der Liebling der Residenz gewesen war. Mein Gott, in welchem Zustande treffen wir die Unglückliche an! In Thränen aufgelöst, das schöne Gesicht in ihr Tuch verbergend liegt sie matt auf der Chaiselongue und scheint mehr von ihrem Kummer zu träumen als darüber zu denken. Ein reizender Anblick, wenn er nur nicht so schmerzlich wäre. Wer pocht? Es ist Auguste, Carolinens Freundin, die erste Liebhaberin des Theaters. „Guten Morgen, geliebteste Freundin,“ ruft sie mit ihrer bezaubernden Stimme -- „aber ums Himmels willen, was ist Dir? Was hast Du? Du bist ja ganz entstellt?“ ~Caroline.~ Wie Auguste, du fragst noch? Du heuchelst selbst eine ruhige heitere Miene? Geh, Geh! Was sollen wir uns gegen einander verstellen. Glaubst Du, ich halte Deine Heiterkeit für natürlich? ~Auguste.~ Aber meine liebe Caroline, was sollte mir denn fehlen, ich bin so vergnügt. -- ~Caroline.~ „Ich bin ja so selig, so glücklich, so fröhlich!“ O Du falsche Freundin! Man sieht, daß Du eine Schauspielerin bist. Ach ich bin freilich nur eine Sängerin, die bringen es nicht so weit in der Verstellungskunst. ~Auguste.~ Liebe, ich begreife Dich nicht. ~Caroline.~ Das ist mir zu arg. Nein für so falsch, so ohne Zutrauen gegen deine beste Freundin, hatte ich Dich nicht gehalten. -- Riegle die Thür zu, daß uns niemand stören kann. -- Auguste, willst Du mich wircklich glauben machen, der gestrige Abend brächte Dich nicht aus Deinem Gleichmuth? ~Auguste.~ Ach Du meinst den Triumph der kleinen Sängerin, die, wie heißt sie doch gleich, Henriette, glaub’ ich. Was thut das mir? Wir haben so verschiedene Fächer -- ~Caroline.~ Aber ihr habt nicht so verschiedene Liebhaber. Glaubst Du, daß Dir die Deinigen treu sind? -- Ha, hab ich den reizbaren Fleck getroffen? Sieh wie Du roth und blaß wirst. Auguste, komm an meine Brust, sey offen gegen mich; wir wollen unsern Herzenskummer gegen einander ausschütten. Ich bin in Verzweiflung! (Sie weint.) ~Auguste.~ Ja Caroline, ich muß gestehen, auch ich habe Erfahrungen gemacht. O wir unglücklichen Frauen! O die falschen leichtsinnigen Männer! ~Caroline.~ So gefällst Du mir, so bist Du meine Leidensgefährtin. Laß uns gegenseitig alles erzählen, und dann überlegen, was zu thun ist. Schon vorgestern, stell Dir vor, kam kein einziger meiner täglichen Verehrer zu mir. Alle waren sie in die Probe gegangen, wo die Henriette zum erstenmal sang. ~Auguste.~ Ach, mein Leiden fing schon einen Tag früher an. Denke Dir, ich spiele die Julie. In den Sperrsitzen sehe ich meine alten treuen Verehrer, die Räthe Wicke und Hemmstoff und den Abbe. Sie wenden kein Auge von mir. Jede meiner Bewegungen, ich machte den stummen Knaben, wurde beklatscht. Aber im zweiten Akt, was geschieht? Das Gerücht verbreitet sich, die neue Sängerin sey angekommen, sie sitze oben im ersten Rang. Von dem Augenblick an sind alle Perspective, die bis dahin auf mich gezielt hatten, nach der Loge gerichtet. Kein Mensch achtet mehr auf mich, und die größten Effecte meiner Rolle gingen unbeachtet vorüber. Ich war außer mir! ~Caroline.~ Nun höre mein Schicksal. Vorgestern, wie gesagt, kam niemand. Aber gestern! Schon um Eilf ließ sich der Major Longtrain bei mir melden. Ich empfing ihn mit den Worten: Schon so früh Herr Major? Ein recht willkommenes unverhofftes Ereigniß. Ich vermuthete Sie erst um Zwölf! O meine schöne Caroline, erwiederte er, wer kann die Zeit erwarten, zu Ihnen zu kommen. Apropos, werden Sie heut im Theater seyn? Die neue Sängerin ist ganz bezaubernd. ~Auguste.~ Wie, das sprach er so rasch hinter einander fort? ~Caroline.~ Das war eben mein Aerger! Ich merkte ihm auch an, daß er zerstreut war, und endlich bricht er gar schon nach einer Viertelstunde auf, er den ich sonst nie los werden konnte! ~Auguste.~ Unerhört! ~Caroline.~ Sein Wagen hielt vor der Thür. Unter einem Vorwand schicke ich meine Jungfer herunter, schärfe ihr aber ein, abzulauschen, wohin der Major fahren will. Und denke Dir, er bestellt den Kutscher nach der A.... Straße No. 70., wo sie wohnt. ~Auguste.~ Richtig! Als ich vorbeiging, sah ich den Wagen dort halten. ~Caroline.~ Um welche Zeit war das? ~Auguste.~ Gegen zwei Uhr. ~Caroline.~ O ich Unglückliche, so ist er dritthalb Stunden bei ihr gewesen, und bei mir eine Viertelstunde! Das überlebe ich nicht. Und wenn er der einzige gewesen wäre! Aber gleich nach ihm fuhr der Lord Monday vorbei, grüßte herauf, und fuhr weiter. Abends in der Loge sagte er mir, er habe einen delicieusen Vormittag bei der allerliebsten Henriette verlebt. Der Baurath Rahmer, der sonst gar kein Visitenmacher ist, macht sich ebenfalls das abscheuliche Vergnügen, mir zu erzählen, daß er anderthalb Stunden bei ihr zugebracht habe. Der trippelfüßige Graf Sellin, der Justiz-Rath Udorf, der Banquier Rehlinger, sein langer Sohn mit der Brille und dem Carbonari Mantel, alle diese sind auch dort gewesen, denn mein Bedienter hat den ganzen Morgen vor ihrem Hause stehen und mir rapportiren müssen, wer aus und ein ginge. Ach! Ich könnte noch ein Dutzend nennen, wenn michs nicht so angriffe! ~Auguste.~ Glaubst Du denn, daß es mir um ein Haar besser gegangen ist? Meinst Du, ein einziger meiner Anbeter habe sich bei mir sehen lassen? Selbst Brückbauer, der sonst so ungemein zuvorkommend gegen mich war, scheint mich beinahe nicht zu kennen. Aber was das Schlimmste ist, heut Abend, wo ich im Opernhause auftrete, wird es leer seyn; denn jetzt um 1 Uhr, als ich mich im Büreau erkundigte, war noch kein Drittel der Sperrsitze verkauft. O wir Unglücklichen! Alles läuft nach ihr. ~Caroline.~ Aber was zu thun? Was kann uns retten? Wie könnten wir die Feindin bekämpfen? ~Auguste.~ Höre, mir fällt etwas ein. Mag sie uns auch hier in der Stadt eine Zeitlang verdunkeln, denn ewig wird es hoffentlich nicht dauern, so wollen wir ihr doch auswärts den Triumph schmälern, so viel wir können. Es müssen Kritiken gegen sie erscheinen. ~Caroline~. Richtig, herrlich Auguste! Und Gedichte auf uns. ~Auguste~. Vortrefflich! Ich will meinen ganzen Einfluß dazu in Bewegung setzen. ~Caroline.~ Laß uns einmal unsere Bekanntschaft mustern. An wen können wir uns wohl wenden? ~Auguste.~ Da ist z. B. der Recensent Schillibold Avecça; der muß mir eine Kritik gegen die Henriette schreiben. Er könnte z. B. sagen: „Er würde sehr gern etwas an ihr loben, wenn er nur nicht bei ihrem Spiel und Gesang eingeschlafen wäre.“ ~Caroline.~ Recht so! Aber wir müssen sie recht gründlich und musikalisch durchhecheln lassen; dazu paßt niemand besser als der Redacteur Quark. Kennst Du ihn? ~Auguste.~ Nein, wer ist er? ~Caroline.~ Er giebt hier eine Zeitung heraus, und hat eine verrückte Oper geschrieben, eigentlich ein Capriccio fürs Orchester. ~Auguste.~ Ach jetzt besinne ich mich. Geht er nicht immer in Schuhen und weißen Strümpfen so hübsch einwärts vor sich hin? ~Caroline.~ Richtig, derselbe: in einem Coffesurrogatfarbenen Ueberrock. Man muß ihm einige Artigkeiten sagen, so ist er in unserm Dienst. ~Auguste.~ Das sind aber noch nicht genug Leute. Du mußt noch mehrere vorschlagen, besonders auch Dichter, um Verse auf uns machen zu lassen. ~Caroline.~ Da fällt mir eben einer ein; der ist wahrlich zu brauchen, ein intimer Freund vom Redakteur Quark, der Critikus und Poet Rennstein. ~Auguste.~ Den kenn ich ja gar nicht. ~Caroline.~ O besinne Dich nur, ein dicker Jüngling mit einem Schnurrbart und einer großen Brille. ~Auguste.~ Ach ja, ich entsinne mich jetzt. Er thut etwas weise, und rümpft über alles die Nase. ~Caroline.~ Derselbe; doch läßt sich mit der Nase eben nicht viel rümpfen, da sie etwas breit gerathen ist. Das ist ein Mann, wie wir ihn brauchen. Er und Quark sind vertraute Freunde; sie könnten in der musikalischen Zeitung etwa eine Reihe von Critiken und Gegenkritiken drucken lassen, in welcher einer zwar dem andern im Ganzen immer Recht giebt, jedoch stets etwas hinzufügt, was der andere zu tadeln vergessen hat. ~Auguste.~ Herrlich! Und solch ein Streit macht Aufsehen. Könnte man nun noch außerdem die Person dieser Henriette, und einige unserer ungetreuen Anbeter lächerlich machen, so nähme das Publikum den lebhaftesten Antheil. Denn nichts hört man so gern mit an, als wenn über andere gespöttelt wird, oder zwei sich heftig zanken. ~Caroline.~ Du bringst mich auf den rechten Gedanken. Rennstein muß eine kritische Fehde mit irgend einem Lobhudler anfangen. ~Auguste.~ Wahrhaftig, ich weiß auch schon ein Blatt dazu, es kommt jetzt eine neue Zeitschrift von Saffian heraus. ~Caroline.~ Wie? eine Zeitschrift von Saffian? Wie ist das zu verstehen? ~Auguste.~ Je nun, der Redacteur heißt Saffian, ein äußerst witziger, scharfsinniger Kopf. Das Blatt heißt, die Höllenpost. Diese Post soll der übermüthigen Henriette schlechte Neuigkeiten bringen! ~Caroline.~ Mädchen, Du entzückst mich. O sie soll auch empfinden, was es heißt, gekränkt werden. Doch liebe Auguste, trotz aller dieser Anstalten geschieht noch nicht genug. Erstlich müssen noch mehrere Schriftsteller von Gewicht für uns arbeiten, und zweitens muß man der Uebermüthigen noch ernsthafte Händel erregen. ~Auguste.~ Freilich! Laß uns nur überlegen. Schriftsteller von Gewicht! Hm, was meinst Du zu dem finstern Raupenbach? Wenn ich dem verspreche, in einem seiner Werke aufzutreten, so thut er alles was ich haben will. ~Caroline.~ Gut! Raupenbach soll einen ernsten Aufsatz verfassen, in dem er die Geringfügigkeit ihrer Talente recht scharf und beißend darstellen mag. Wen hätten wir denn sonst noch? Ja, nicht zu vergessen, Puckbulz, Dein bester Freund, ist gewiß auf unsrer Seite; und seine Critiken werden von den größten Männern, wenn auch nicht gelesen, doch gelobt. Die werden gewiß Aufsehen erregen. ~Auguste.~ Ruhwitz muß in seinem Blatte der Menschenscheue ein Sonnett auf uns drucken lassen. ~Caroline.~ Arion Sirius, dieser einzige wandelnde Fixstern, muß ein Spottgedicht auf die Henriette in irgend einer Gesellschaft improvisiren. ~Auguste.~ Und Quintus Curtius Rufus könnte eine neue parodirte Lebensgeschichte des Alexander auf diesen Phönix des A. -- Platzes schreiben. ~Caroline.~ Nun wüßte ich keinen bedeutenden Genius mehr in diesen Mauern, den wir nicht zur Hülfe aufgeboten hätten. Das wären die Geschäfte der Feder. Wenn man nun noch einen rüstigen Kämpfer mit dem Degen auftreiben könnte, um die Anbeter dieser neuen Heiligen etwas in Schrecken zu setzen! Aber ach, hier fühle ich wieder die ganze Tiefe meines Unglücks; ich weiß keinen, der sich jetzt noch für mich schlagen würde, und vor acht Tagen hätte ich eine Armee ins Feld stellen können. ~Auguste.~ Halt! mir fällt etwas ein. Sollte Dir auch Dein zärtlichster Verehrer untreu geworden seyn? Wie? wäre auch jener bleiche Jüngling, dessen schmachtendes, halb erloschenes Auge so unverwandt, wenn gleich hoffnungslos, nach Deinen Fenstern blickt, wäre auch er verschwunden, seit Henriettens Reiz alle Männer bezaubert? ~Caroline.~ Nein der ist treu! das ist wahr, den hatte ich vergessen. O er wird nicht weit seyn. Laß uns einmal geschwind ans Fenster. Siehst Du, dort geht er im blauen Ueberrock, gleich wird er umdrehen, denn über 50 Schritte entfernt er sich nicht vom Hause. Jetzt wendet er sich. Sieh nur, wie verstohlen sehnsüchtig er zu mir aufblickt. Das ist ein Freund in der Noth, der soll für uns fechten. ~Auguste.~ Werden seine bleichen Wangen aber nicht ein Hinderniß seyn, die Feinde in Schrecken zu setzen? ~Caroline.~ Gewiß nicht. Heut Abend, wenn ich nach Hause komme, steht er gewiß im Dunkel unter der Laterne und sieht mich aus dem Wagen steigen, dann will ich ihm einen so freundlichen Blick zuwerfen, daß das glühendste Roth seine Wangen überdecken soll. Und wenn ich oben bin, werde ich mit dem Licht noch einigemal ans Fenster kommen, als sucht ich etwas, und so nach den Bäumen, unter denen er zuverlässig steht, hinabwinken, daß ihm das Herz vor Freude schlagen soll. O lehre mich nicht, wie ich diesen Jüngling in ein Bild der Gesundheit und Kraft verwandle. In drei Tagen soll Mars selbst vor ihm davon laufen. ~Auguste.~ Herrlich! Wahrhaftig! Jetzt aber rasch ans Werk. Ich will sogleich einen Schritt thun. Schillibold Avecça hat mit der Direction zu sprechen, und dabei kann ich ihm gleich mein Anliegen eröffnen. ~Caroline.~ Und ich will meinen blaßen Anbeter ein paarmal freundlich anlächeln. ~Auguste.~ Leb also herzlich wohl, und sey treu und verschwiegen. ~Caroline.~ Bis in den Tod. Auguste ging, Caroline setzte sich ans Fenster und sah mit ihren schönen Augen die Promenade hinunter, um dem auserkornen Ritter einige stärkende Blicke zu den bevorstehenden Kämpfen zuzuwerfen. 4. Henriette. So zerfiel die Bewegung, welche unsere Sängerin in der Residenz hervorgebracht, in zwei Hauptempfindungen: Bewunderung und Neid. Mit Vergnügen verlassen wir diese, theils seicht lobpreisende, theils kleinlich, neidisch herabsetzende Klasse, und wenden uns zu einem interessanteren Gegenstande. Wer könnte dieß anders seyn, als unsere reizende Henriette selbst? Ihrem jungen, rein und schuldlos fühlenden Herzen war eigentlich das Aufsehen, welches sie erregte, zuwider. Sie empfand, daß etwas Unschickliches, jede zartere Weiblichkeit Verletzendes darin liege, so der Oeffentlichkeit sich Preis zu geben. Doch die Verhältnisse, eine längere Gewohnheit, und ein gewisser unschuldiger Glaube, daß es nicht anders seyn könne, halfen ihr diese Empfindung überwinden. Manches indeß, was ihr dennoch und immer lästig fiel, stand in so naher Beziehung zu ihren Verhältnissen, daß es sie täglich auf’s Neue höchst unangenehm daran erinnerte, daß ihr Loos mehr den Schein eines neidenswerthen habe, als es in der That sey. Dahin gehörten vorzüglich zweierlei Dinge. Erstlich die lästigen, oft unverschämt lobpreisenden Kritiken, die nie bei der Sache stehen blieben, sondern (weil die Recensenten davon am wenigsten zu verstehen pflegen) sich meist an zufällige Nebendinge hielten, und oft in einem unschicklichen Grade ihre eigene Persönlichkeit berührten. Denn nicht allein, daß ihr Haar, ihre Augen, Wangen, Zähne, Hände gelobt oder bekrittelt wurden; nein, man ging noch weiter und stellte förmliche Untersuchungen über ihre Schönheit an, die eine so specielle Richtung nahmen, daß das reine und sittlich fühlende Mädchen darüber erröthen mußte. Das Zweite waren die zahllosen überlästigen Besuche, die sie täglich erhielt und leider empfangen mußte. Alle Zeit wurde ihr dadurch gewaltsam geraubt. Denn die jungen, reichen, schamlosen Roue’s der Residenz hielten es nicht für nöthig, sich bei einer Sängerin an eine bestimmte schickliche Stunde zu binden, sondern kamen ohne Unterschied zu jeder Tageszeit, wo sie sich eben gestimmt fühlten, albern zu schwatzen. Ein Mann kann sich leichter mit Stolz gegen beleidigende Unverschämtheit mancher Personen aufrichten; einer Frau ist es fast nur dann möglich, wo es ihr Pflicht wird, nämlich im Fall man ihrer Ehre zu nahe tritt. So weit wagten jedoch selbst die Dreistesten dieses Gelichters nicht zu gehen, denn die Gewalt der Unschuld hält selbst die zügellosesten Wüstlinge eine Zeit lang im Zaum. So empfand also die liebenswürdige Henriette mehr eine Unbequemlichkeit von diesen Herren, als sie wirklich darunter gelitten hätte. Uebrigens empfing sie alle freundlich und gütig, weil es ihr Herz so mit sich brachte, offen und wohlwollend gegen Jeden zu seyn, der sich dessen nicht bestimmt unwürdig gemacht hatte. Allein sie war es früher gewohnt gewesen, einen großen Theil der Zeit, den die eifrige Uebung der Kunst ihr ließ, zur Beschäftigung mit sich selbst zu verwenden, und einsam im Genuß eines guten Buchs, oder in der stillen Behaglichkeit einer angenehmen häuslichen Thätigkeit sich glücklich zu fühlen. Dieß war aber jetzt fast ganz vorüber, denn die Theaterproben, die Aufführungen, die sich drängenden Einladungen, welche sie erhielt, verbunden mit den unaufhörlichen Besuchen, die sie täglich belagerten, ließen ihr kaum einige wenige Morgenstunden, die sie dem Einüben ihrer Rolle widmen mußte. Anfangs hoffte sie, aus der Mannigfaltigkeit der Bekanntschaften, die sie machte, einigen Nutzen zu ziehen, indem sie durch die Verschiedenheit und Uebereinstimmung, die sich in den Urtheilen zeigte, auf das Richtige gewiesen zu werden hoffte. Allein es zeigte sich bald, wie sehr sie sich darin geirrt hatte. Ein Theil wollte in ihr gar nicht die Künstlerin, sondern nur das schöne Mädchen bewundern. Die Mitglieder dieser Klasse wetteiferten mit einander in jeden Artigkeiten und oft unschicklichen Bemerkungen, durch die sie ihrer Bewunderung Luft zu machen suchten. Ja selbst die mancherlei Geschenke, die diese Leute ihr zu überreichen sich glücklich schätzten, waren ihr zuwider. Denn ihr feiner Blick entdeckte gar leicht die eigentlichen Quellen einer solchen scheinbaren Freigebigkeit und Güte. Ein Theil gab, um reicher wieder zu empfangen; gewissermaßen war dieß der verächtlichste, denn er muthete ihr, streng genommen, ein gemeines Verkaufen ihrer Gunst und Zuneigung zu. Ein anderer Theil schenkte ihr aus Eitelkeit, theils um sich als reich oder freigebig zu zeigen, theils um mit beiläufig scheinender Gleichgültigkeit am dritten Orte zu äußern: heute habe ich der kleinen Sängerin ein Cadeau gemacht, worüber das Kind entzückt war. Ich kann von dieser Gewohnheit gar nicht lassen. Haben Sie schon die Zeitung gelesen? Ein dritter Theil glaubte, durch Geschenke die Erlaubniß des Zutritts zu ihr bezahlen zu müssen. Ein vierter gar meinte, die Künstlerin damit belohnen zu dürfen, wenn sie aus gütiger Gefälligkeit vielleicht in seinem Hause gesungen hatte. Aber nicht ein einziger fand sich, der aus wirklichem Wohlwollen gegen das Bessere in Henrietten ihr seine Zuneigung zu erkennen gegeben hätte. Dieß zeigte sich auch an der gedankenlosen Wahl der Geschenke. Alle beschränkten sie sich darauf, den Putztisch der schönen Sängerin durch tausend einfältige, gänzlich unnöthige Kleinigkeiten zu meubliren, die leider heut zu Tage so in der Mode sind, daß die ganze Raffinerie eines Mannes von Ton sich darauf beschränkt, etwas neues Unsinniges in diesem Gebiete zu entdecken. Hielte uns nicht der Verfolg der Geschichte unserer Sängerin ab, wir hätten hier schöne Gelegenheit, ein Kapitel besonders darüber zu schreiben, wie diese Thorheit auch ihre ernsthaft schlechte Seite habe, und wie selbst die Entschuldigung vieler Frauen, die einen Tisch mit diesen glänzenden Narrheiten überfüllen und behaupten, diese Sammlung entstände ohne ihr Zuthun, ja gegen ihren Wunsch zufällig, ganz eitel und nichtig ist. Hättet Ihr nicht Eure Freude darüber, so würde Euch niemand damit belästigen; und warum stellt Ihr denn das lächerliche Spielwerk so sorgfältig auf, und weidet Euch an den staunenden Blicken weniger begünstigten Frauen, ja Freundinnen, wenn sie Euch besuchen, oder Ihr sie gar zu einer eitlen Gesellschaft eingeladen habt? Warum findet sich bei häuslichen, das Bessere in Herz und Geist pflegenden Frauen nie ein solcher Markt von Thorheit zusammen? Was sollte man von einem Weisen sagen, der täglich von Narren umlagert wäre? Er heuchle Weisheit. So die Frauen, die solche Thorheiten um sich sammeln, sie aufstellen und sie zu verachten scheinen wollen. Es sind Thörinnen, die sich bestreben, Vernunft zu heucheln; sie werden aber nur ähnliche Thoren täuschen. 5. Der Hanswurst. Der Recensent. Ein Kreis von Anbetern versammelte sich täglich bei unserer schönen Sängerin. Einzelne derselben haben wir schon früher kennen gelernt. Ein Blick in das Besuchzimmer kann unsere Kenntniß darin noch bedeutend erweitern. Ich hoffe, wir thun ihn nicht unbelohnt. Denn welchen Naturforscher sollte es nicht erfreuen, wenn man dabei Gelegenheit fände, das Verzeichniß der ~Schaal~thiere auf eine leichte Art um ein Bedeutendes vollständiger zu machen? So mischen wir uns denn als schweigende Beobachter unter die Versammlung der Bewunderer Henriettens. Daß unsere Bekannte, die Räthe Wicke und Hemmstoff, der Abbe, der graue Jüngling von Obristlieutenant, der Regisseur des Theaters, und viele Andere, die wir im Laufe der Geschichte schon genannt haben, nicht fehlten, läßt sich denken. Weniger war es zu vermuthen, daß auch jener junge Mann, den alle Obigen so wenig kannten, als wir, sich zuweilen daselbst einstellte, und, obwohl er wenig sprach, nie ein Geschenk machte, sondern nur häufig sarkastisch lächelte, beständig von Henrietten gut, doch mit Verdruß von den Andern aufgenommen wurde, die nur eine Art von Scheu vor seinen festen Wesen hinderte, ihn grob zu behandeln, wozu sie nicht übel Lust hatten, da man es nicht anders wußte, als daß er ein junger Musikus, Namens Werner, sey, und sein Aeußeres, obwohl er sich anständig hielt, doch keinen reichen Mann zu verrathen schien. Außerdem lernen wir aber auch einen jungen Mann kennen, den wir nicht anders, als mit dem Namen des muthwilligen Hanswurst bezeichnen können, denn in der That gab er Narrenstreiche aller Art an, und schien ein Vorrecht dazu zu haben, Jedermann zu necken, ohne daß es ihm übel genommen wurde. Selbst Werner mußte manches von seiner geläufigen Zunge leiden, was er indeß lächelnd hinnahm, obwohl er sonst entschlossen genug zu antworten pflegte. Man unterhielt sich eben über die neuen Tagesblätter und die Kritiken, die sie enthielten. Zu vermuthen ist es, daß die Anstalten der beiden gekränkten Gegnerinnen Henriettens schon wirksam wurden, denn es schien mancher Tadel, ja mancher Spott mit eingeflossen zu seyn. Jeder Eintretende brachte ein Blatt mit, zog es hervor, und las und äußerte seinen Unwillen oder seine Zufriedenheit mit den Recensenten. Der Hanswurst hüpfte dabei im Zimmer umher, äußerte seine Empfindungen in grotesker Manier und machte allerlei unsinnige Bemerkungen dazwischen. Jetzt hatte auch Wicke ein sauber geheftetes Journal aus dem Busen gezogen, und begann folgendermaßen: „O schönste Henriette, Sie sanfter Strahl, der in die Nacht unserer Kunst gefallen ist, wie entzückt es diese weiche, leicht gerührte Brust, daß die öffentliche Stimme auch meine eigene ist!“ „Oder umgekehrt,“ schrie der Hanswurst dazwischen, „Ihre eigene Stimme ist auch die öffentliche, denn ich wollte wetten, Sie sind der Verfasser des Aufsatzes, den Sie lesen wollen. Gestehen Sie nur, Rath! Sie sind es! Umarmen Sie mich, Edler! O welch köstlichen Mann halte ich an meiner Brust!“ Wicke machte sich mühsam los, und sprach etwas mit bedrängtem Athem, denn der Hanswurst hatte ihn fest umschlossen: „Gütigster, Sie beschämen mich und zerdrücken mir die Halskrause; aber ich bin nicht der Verfasser!“ „O leugnen Sie doch nicht. Jedermann weiß ja, daß Sie an der Aurora arbeiten, daß die rührenden, empfindungsvollen Sonette im Hesperus stets von Ihnen sind, warum wollen Sie länger leugnen? Ja, meine Freunde, ich darf es behaupten, denn ich weiß es aus sicherer Quelle, der Rath ist gewiß der Verfasser! Er ist eben so großer Dichter, als Rath, und seine Talente halten seinem Enthusiasmus die Waage. Lesen Sie also, ruhmwürdigster Schriftsteller!“ Der Rath war nicht der Verfasser des Artikels; doch da er ihn überlesen hatte, schien er ihm so schön geschrieben und so schmeichelhaft für Henrietten, daß er es jetzt für eine gute Kriegslist hielt, um in die Festung ihrer Gunst einzudringen, wenn er sich dem Einfall des Hanswurst bequemte und sich für den Verfasser ausgab. Er sprach also mit einem verblümten Lächeln: da unser scherzhafter Freund mich denn verrathen hat, so wage ich es mit der schüchternen Empfindung eines jungfräulichen Herzens, das die erste Liebe gesteht, zu bekennen, -- „daß Sie selbst stets Ihre erste Liebe waren, sind und seyn werden!“ fiel der Hanswurst ein. -- „Spottvogel!“ fuhr der Rath fort, „wage, sag’ ich, zu bekennen, daß ich freilich im Drang meines überfüllten Herzens mich nicht enthalten konnte, meine Empfindungen öffentlich auszusprechen!“ „Lesen Sie, lesen Sie,“ unterbrach ihn die Gesellschaft. Wicke zupfte sich den Hemdkragen zurecht, räusperte sich und schob die Brille gerade. Dann begann er mit seiner sanften schmachtenden Stimme: „Meiner Pflicht als Correspondent zufolge berichte ich Ihnen, theurer Freund, Folgendes über die neu erworbene Sängerin Henriette. Wir haben das Palladium erobert. Das kostbarste Juwel schmückt jetzt die Krone der Kunst in unserer Stadt; das theuerste Kleinod, es ist gewonnen, es ist unser.“ „O lassen Sie es gut seyn, lieber Rath,“ unterbrach ihn Henriette. „Ich ehre ihre dichterische Begeisterung, doch ich wünsche ihr einen bessern Gegenstand!“ „Wie!“, schrie der Hanswurst, „Sie wollten, Theuerste, uns des Entzückens berauben, Sie von dem begeisterten Wicke dithyrambisch, hymnisch, feurig, sprudelnd besingen zu hören? Hier zu ihren Füßen (dabei warf er sich auf’s Knie) schwöre ich, nicht eher Mittagbrod zu essen, bis ich Wickes begeisterte Ode in Ihrer Gegenwart vernommen habe. Wollen Sie mich Hungers sterben sehen? Ich schwöre Ihnen, gegen die Festigkeit meines beharrlichen Willens ist der standhafte Prinz ein gaukelnder Schmetterling.“ Henriette wollte lächelnd abwehren, doch die Gesellschaft drang in sie, bestürmte den Rath, kurz ließ ihr nicht eher Ruhe, bis Wicke also fortfuhr: „Das innerste Geheimniß der Kunst ist nun entdeckt, die goldene Zeit, die lang erwartete, ist da, und alle schwelgen wir in dem seligen Gefühl des höchsten Kunstgenusses, ja des höchsten Glücks. Was ist unsere Bühne, was unsere Oper seit wenigen Tagen geworden! O wir Armen! Wußten wir denn, was Gesang, was Spiel, was Anmuth, Reiz, Lieblichkeit, Seele war?“ „Nein, Rath, ich bitte Sie, hören Sie auf,“ sagte Henriette, sichtlich verdrießlich; „ich muß das für Spott halten!“ „Göttlichste, es ist die Stimme meines Herzens, die unbedingteste Wahrheit!“ „Wahrheit! Wahrheit!“ schrie die Versammlung. „Bravo, Rath, wahrhaftig!“ „O ungeheurer Frevel des Selbstmordes, den Sie an Ihren Verdiensten begehen,“ schrie der Hanswurst, „wenn Sie das für Spott halten wollen. Nein, der Rath ist das Organ der Welt. Weiter, Organ!“ „Weiter, wir bitten,“ sagte der junge Unbekannte, und lächelte sarkastisch. „Verschwören auch Sie sich gegen mich?“ sprach Henriette, „das hätte ich nicht geglaubt!“ „Verzeihen Sie,“ entgegnete der junge Mann, „jedes Wort eines solchen Kunstrichters ist wichtig. Man lernt daraus, und deßhalb bitte ich nochmals dringend, daß der Herr Rath fortfahren möge.“ Henriette schwieg, wie es schien, verlegen. Der Rath, der sich bisher lächelnd und wohlgefällig umgesehen hatte, und den glücklichen Zufall im Stillen nicht genug preisen konnte, der ihn bewegte, sich für den Kritiker auszugeben, nahm jetzt das Blatt wieder vor und begann von neuem: „Dieß ist die Stimme des ganzen Publikums, vom Ersten bis zum Letzten, vom Minister und Gesandten bis zu der Kammerjungfer hinunter, wenn nicht der Neid einen bittern Tropfen in das Urtheil mischt. Sie können sich leicht vorstellen, daß Ihr Correspondent von der tollen Menge“ -- Hier stotterte der Rath und wurde blutroth. „Tolle Menge,“ half der Unbekannte sarkastisch ein, und warf einen Blick auf Henrietten, die in der That etwas verlegen schien. „Rath! Sind Sie wahnsinnig? Flimmerts Ihnen vor den Augen?“ schrie der Hanswurst. „Tolle Menge! Unmöglich steht das da!“ „In der That,“ stotterte Wicke, „es ist ein höchst unangenehmer Druckfehler. Meine Handschrift ist etwas flüchtig.“ -- „Wie soll es denn heißen?“ fragte der Abbe. „Erlauben Sie, -- ja, ich glaube -- richtig -- es soll heißen, ~volle~ Menge!“ erwiederte Wicke. „_Aha c’est une autre chose, bitte, continuez!_“ Der Rath las sichtlich zitternd: „Sie können sich leicht vorstellen, daß Ihr Correspondent von der vollen Menge nicht mit fortgerissen worden ist, sondern sich einige Ruhe bewahrt hat.“ „Volle Menge!“ rief der Unbekannte, „das Beiwort ist in der That recht passend. Aber weiter.“ Wicke, der indeß das Blatt durchlaufen hatte, erwiederte: „das Wesentliche ist ja nun gesagt, ich fürchte, daß -- Sie möchten -- der Aufsatz ist etwas lang --“ „Nein, guter Freund,“ rief der Hanswurst, „so kommen Sie nicht los, jetzt müssen wir ihn ganz hören, lesen ~Sie~ weiter, oder ~ich~ fahre fort.“ „Ich bitte selbst darum,“ sprach Henriette, „ich versöhne mich jetzt mit Ihnen, denn ich sehe, daß der Eingang freilich nur eine kleine Persifflage auf eine gewisse Art von Kunstrichtern enthält, die ich selbst nicht schätze. Aber jetzt, da ihr Aufsatz wirklich die Wahrheit sagen will, wird er mir höchst interessant.“ Wicke zitterte wie ein Espenlaub, das Blut stieg ihm bis in die Stirn, er konnte kaum das Blatt halten. Zitternd fuhr er fort: „Man würde sehr thöricht handeln, wenn man --“ Verzeihen Sie, ich habe mich versprochen, „man würde sehr weise handeln, wenn man in die Urtheile eines unverständigen, kenntnißlosen --“ „ich bekomme Nasenbluten, entschuldigen Sie“ -- damit hielt er sich das Tuch vor’s Gesicht und stürzte hinaus. „Das Blatt,“ rief ihm der Unbekannte nach, „wir bitten um das Blatt.“ Doch Wicke war zur Thür hinaus, ehe Jemand sich entschließen konnte, ihm zu folgen. Die Herren rieben sich verlegen die Hände; auch Henriette wußte nicht, was sie thun sollte. Da brach der Unbekannte das Schweigen, und fragte: „Aus welchem Blatt war der Aufsatz?“ „Aus dem ~Menschenscheuen~,“ erwiederte der Hanswurst, „und es scheint, der Rath ist auch menschenscheu geworden. Sehen Sie nur, wie er sich verlegen an den Häusern hindrückt.“ „O, das Blatt hab’ ich zufällig bei mir, hatte es indeß noch nicht gelesen,“ sprach der Unbekannte. „Erlauben Sie, so vollende ich die Lektüre.“ Die Gesellschaft schwieg; doch Henriette versicherte, sie werde es recht gern hören, und jener las darauf folgendermaßen: „Man würde sehr thöricht handeln, wenn man in die Urtheile eines unverständigen, kenntnißlosen Publikums so unbedingt einstimmen wollte, und zum Glücke sagt das Sprichwort auch nur _vox populi, vox dei_, aber nicht _vox plebis, vox dei_. Demnach erlaubt sich Ihr Correspondent, wie schon erinnert, bei der allgemeinen Trunkenheit ein wenig nüchtern zu bleiben, und urtheilt so: Fräulein Henriette ist allerdings eine sehr angenehme und liebenswürdige Erscheinung auf der Bühne, doch scheint sie mir noch nicht den Rang unter den Künstlerinnen einzunehmen, den ein solcher Beifall, eine solche Lobpreisung voraussetzen müßte. Ihr Gesang hat manchen Fehler, zum Beispiel den, daß sie zu viel Passagen mit unterdrückter Stimme macht. Dies heißt die Menschenstimme, die eines höheren Ausdruckes fähig ist, zu einem Instrument herabsetzen, das seine Effekte allerdings nur in einem dürftigen Piano und Forte suchen kann. Warum läßt Fräulein Henriette ihre bessern Gaben so unbenutzt? Wir sind überzeugt, sie könnte, da sie ein liebenswürdiges Gemüth besitzen soll, mit einem tief ins Innere dringenden Ausdruck singen. Warum hören wir das so selten? Weshalb wählt sie so leer glänzende Flitterrollen, da sie lauteres Gold haben könnte?“ „Ich begreife nicht,“ unterbrach Henriette, „warum der Rath sich so gescheuet hat, seine Meinung zu sagen; ich theile sie wahrhaftig mit ihm; er hat ganz Recht!“ „_Ah! vous êtez un nage de bonté_,“ exclamirte der Abbe. „~Edle Seele~“ rief Hemmstoff, „hätte mein Freund das ahnen können!“ „Nein,“ schrie der Hanswurst, „der Recensent ist ein Barbar, ein Seythe, ein Kannibale, ich traue das unserm Freund Wicke gar nicht zu! Wer weiß wer ihm einen Streich gespielt hat.“ Der Obrist-Lieutenant hatte indeß durch die Doppel-Lorgnette nach dem Fenster gesehen, und rief: „Meine Herrschaften, der Lord Monday.“ 6. Lord Monday. Die Arche Noah. Der Regenbogen. Das Duell. Die Ohnmacht. Diese Unterbrechung machte der Lektüre ein Ende. Lord Monday kam lärmend die Treppe herauf. Man hörte ein Goddam nach dem andern, ohne die Ursache zu errathen. Ungemeldet brach er ziemlich stürmisch durch die Thür, und trat mit dem Staubmantel auf den Schultern ins Zimmer. „Guten Morgen, Vortrefflichste, wie geschlafen?“ „Recht gut, Ew. Herrlichkeit,“ entgegnete die etwas verlegene Henriette, „ich danke Ihrer theilnehmenden Nachfrage. Einen Stuhl, Luise, sey so gütig.“ Die Kammerjungfer, die am andern Fenster mit Nähen beschäftigt war, sprang auf. Doch Lord Monday rief: „Schon gut mein Kind, ich setze mich aufs Kanapee,“ und wollte sich, indem er den Mantel noch immer auf der Schulter hatte, eben darauf hinstrecken. Werner bemerkte ziemlich accentuirt: „der Mantel wird Er. Herrlichkeit hinderlich seyn.“ „Goddam,“ erwiederte der Lord, „das ist wahr,“ und warf den Mantel unvorsichtig auf einen Stuhl, neben welchem eine Servante mit Tassen stand. Durch den Schwung des Mantels wurde ein Theil derselben herabgeschleudert, und zerbrach klirrend. „Goddam! der verteufelte Mantel,“ rief der Lord, und stampfte mit dem Fuß. „Mein Gott,“ rief die erschrockene Henriette, und eilte hinzu. Alles sprang auf, um die Trümmer zu sammeln. Der Lord stampfte und fluchte. Werner schien höchst aufgebracht, doch sagte er nichts. Henriette, die die zerbrochenen Tassen mit aufnehmen half, ließ plötzlich ein halb verhaltenes: „o weh!“ hören, und man sah, daß sie eine Thräne, die ihr ins Auge trat, zu verbergen suchte. „Was ist Ihnen?“ fragte Werner. „O nichts,“ erwiederte sie, „die Tasse mit dem Bilde meiner jüngern verstorbenen Schwester ist auch zerbrochen, und das thut mir nur leid,“ fügte sie leiser hinzu. Der Lord, der es gehört haben mochte, rief: „Trösten Sie sich, schöne Henriette, ich bezahle die Tassen dreifach, Sie sollen ein Dutzend schönere dafür haben.“ Werner fuhr auf; doch Henriette, die es sogleich bemerkte, wandte sich zu ihm, und sprach: „Herr Werner! ein Wort! Ich bitte.“ Er folgte ihr einige Schritte bei Seite. „Thun Sie mirs zu Gefallen,“ sprach sie dringend, „seyn Sie ruhig, es könnte Ihnen übel zu stehen kommen, und das würde mir höchst traurig seyn; ich bitte Sie, sagen Sie dem Lord nichts. Das Geschehene ist ja nun doch geschehen.“ „Ich gehorche,“ entgegnete Werner, „allein seyn Sie überzeugt, daß nur Rücksichten für Sie, keine für mich, mich abhalten, diesem rohen Gesellen das zu sagen, wovor er sich durch seinen Stand bei Ihnen geschützt glaubt.“ Die Scherben waren weggeräumt, man wollte sich so eben setzen, als der Hanswurst überlaut rief: „die Arche Noah! die Arche Noah! Hahaha. Wie die Thiere aus dem Kasten steigen!“ „Was giebts denn?“ fragte der Obrist-Lieutenant, und sah, so wie die übrige Gesellschaft, ihn mit fragenden Blicken an. „Kommen Sie nur her, und sehen Sie, so bedarf es keiner Antwort mehr,“ rief der Hanswurst. Alle folgten ihm ans Fenster bis auf den Lord, welcher auf dem Kanapee in der bequemsten Stellung, die er finden konnte, zurück blieb, und _God save the King_, trällerte. Die Ursache des Geschreies, welches der Hanswurst gemacht hatte, waren einige Wagen, aus denen mehrere, uns dem Namen nach schon bekannte Personen stiegen. Es waren jene Mäcene der Bühne, Wolf, Hirsch, Bär, Gans, Eber, nebst den dazu gehörenden _femininis_, Wölfin u. s. w. „Mein Gott, schrie der Hanswurst, von jeder Gattung ein Paar, ein Männlein und ein Weiblein!“ „Nur die Taube fehlt,“ bemerkt der Obrist-Lieutenant. „Nein, wahrhaftig nicht,“ betheuerte Johannes Wurst, „sie ist auch dabei. Die Tochter der Madam Gans heißt Täubchen! Sehn Sie, eben hüpft das Täubchen aus dem Schlage. Tuck, tuck, tuck, tuck! Komm’, mein Täubchen, komm, komm! So wahr ich lebe, da ist auch der Regenbogen!“ rief er aus. „Ja, ja, dort unten! Schauen Sie nur gefälligst hin.“ Eben wölbt er sich über den Rinnstein. Er kann gar nicht gelegener kommen! „Ach der Kammerherr Graf von Regenbogen,“ sagte der Obrist-Lieutenant, nachdem er das Perspectiv auf ihn gerichtet hatte. „Es konnte sich gar nicht besser treffen! Goldnen Dank bin ich ihm schuldig,“ jubelte der Hanswurst und sprang im Zimmer umher. -- Indeß waren die noachischen Herrn heraufgekommen und wurden gemeldet. Henriette ging ihnen entgegen, und empfing sie mit Freundlichkeit. Doch jetzt erhob sich im Zimmer ein Geschnatter und Geschnarre, daß man hätte verzweifeln mögen. Das Männer Quintett aus Jerusalem erschöpfte ein ganzes Lexicon von lobpreisenden Beiwörtern über Henrietten, welche das weibliche Echopersonale sogleich duplicirte, bis sie sich in ein brausendes Verhallen auflösten, wie dies ja bei einem guten Echo immer der Fall ist. Ein neues Intermezzo fuhr indeß rasch dazwischen. Graf Regenbogen trat ein. Er galt für den feinsten Cavallier am Hofe. Niemand in der Residenz hatte sauberer gekräuseltes Haar als er; seine Parfüms waren immer direct aus Paris verschrieben; seine Schuhe ließ er in Wien, seine Fracks in Paris, die Unterkleider und Ueberröcke in London machen. Schon an frühesten Morgen, das heißt gegen zwölf Uhr, wenn er sich eben aus dem Bette erhoben hatte, war er elegant. Ja es ging das nicht unwahrscheinliche Gerücht, daß er stets in zwei Gilets und mit der feinsten Cravatte _à l’ineroyable_ schlafe, und sich Nachts, da das Liegen die Coeffure derangirte, selbst eigenhändig frisiere, wozu er der Bequemlichkeit halber, einen großen Spiegel an der Decke seines Himmelbetts hatte anbringen lassen. Auch wußte man von seinem Justiz-Commissarius, daß er in seinem Testament eine Verordnung gemacht hatte, nach der er _en habit habillé_ begraben seyn wollte, weil er es mit Recht für unschicklich hielt, am Tage des jüngsten Gerichts unordentlich angezogen zu seyn. Dieser geistvolle Mann war, wie gesagt, eingetreten. Durch ~eine~ kunstreiche Verbeugung, die gleich der Sonne in Osten begann, sich langsam westwärts bewegte, vor der schönen Henriette durch den Meridian gieng, und sich denn endlich beim Lord Monday völlig in Adent niedersenkte, begrüßte er mit erstaunenswerther Kunst die ganze Gesellschaft zugleich, und hatte dabei noch die Feinheit gehabt, jeden nach der Würde seines Standes zu behandeln. Denn bei Werner, dem unbedeutenden Musikus, begann er und beugte den Kopf anderthalb Pariser Zoll vorwärts (er rechnete immer nach französischem Maß, weil dieses als ausländisches Fabrikat viel feiner und eleganter seyn mußte als das deutsche), darauf senkte er sich in schräg absteigender Linie durch die fünf Zeichen des Thierkreises, die zwischen Werner und der schönen Henriette standen. Diese halbirte die Kurve seines Bücklings. Dann gelangte er, immer tiefer sich verneigend über den Hanswurst, den Abbe, den Rath Hemmstoff und den Obrist-Lieutenant, endlich beim Lord als dem Vornehmsten an, und befand sich dort genau in der (nach den ersten Ceremonienmeistern) schönsten Stellung der Ehrfurcht, in welcher sich das Haupt und ein anderer Theil des Körpers im Niveau befinden, oder gleichsam als die beiden Schaalen der Waage an dem krummen Waagebalken des Rückens schweben. An diesem bildete beim Grafen Regenbogen der Kammerherrn-Schlüssel, der sich durch die veränderte Lage nach Newtons Gesetz der Schwere ganz richtig vertikal mit dem Bart nach dem Himmel deutend, gestellt hatte, nicht ungeschickt des Zünglein. In dieser Stellung also befand sich der Graf; doch zu seinem Mißgeschick eine Sekunde zu lange. Denn urplötzlich öffnete sich unvermuthet die Thür, und Brückbauer trat rasch ein. Das Unglück wollte, daß die der Hirnschaale entgegengesetzte Schaale der Waage, in welcher Graf Regenbogen stand, sich um einen Pariser Zoll zu nah an der Thür befand, und so durch einen Stoß lädirt werden konnte, den man mit vollem Rechte im eigentlichsten Sinne hinterrücks nennen mußte, denn er traf wirklich eine Gegend, die sich in dem angenommenen _statu quo_ noch hinter dem Rücken befand. Ein geschickter Mechaniker wird die Folgen dieses Ereignisses leicht berechnen können; doch da so gründliche Gelehrsamkeit nicht von allen Lesern zu fordern ist, so muß ich es hier berichten. Der Graf wurde durch den Choc beträchtlich aus dem schwebenden Gleichgewicht gebracht. Die vordere Schaale senkte sich, die correspondirende stieg, das Zünglein schlug über, und das Toupet, dieses achte Wunderwerk der Haarbaukunst, wurde zwischen den Fußteppich des Zimmers und der Hirnschale des Kammerherrn entsetzlich zermalmt. „Goddam,“ schrie Monday: „o weh,“ Henriette, „äh wai“ der zehnstimmige Chor, (der, nach diesem Beispiele zu urtheilen, gleich wie bei den Alten, sich anderer Dialektformen zu bedienen schien,) „_ah mon dieu_“ der Abbe, „alle Teufel,“ der Obrist-Lieutenant. -- Hemmstoff und Werner sprangen den Unglücklichen zu Hülfe. Am erstauntesten schien Brückbauer; er stand mit offnem Munde in der Thür, und konnte sich nicht entscheiden, ob er vorwärts schreiten, um Verzeihung bitten, oder zurückspringen und verschwinden sollte. Endlich vermochte ihn die zurufende Henriette, das erstere zu wählen. Allein so wie man ihn ansichtig wurde, ertönte ein plötzlicher Schrei des Entsetzens, und der eben aufgerichtete Graf prallte drei Schritte zurück und rief: „blutbefleckter Mörder, hebe dich weg von mir!“ In der That sah Brückbauer auch etwas blaß aus, und seine Kleider waren mit Blut besprützt. „Um Gottes willen, was ist geschehen?“ fragte Henriette, „woher dieses verstörte Ansehen?“ „Goddam! ein Duell!“ rief der Engländer. „Lassen Sie mich nur zu Athem kommen, meine Allertheuerste,“ sprach Brückbauer mit sichtbarer Anstrengung; „Sie sollen gleich erfahren, welches entsetzlichen Auftritts Zeuge ich gewesen bin.“ Während dieser Unterredung war der gestürzte Graf vor den Spiegel getreten, und erblickte die völlige Vernichtung seines Toupets. Leichenblaß sank er zurück, und fiel dem Hanswurst in die Arme. Dieser rief erschüttert: „Regenbogen, Sie verlieren die Farbe. Fassen Sie sich! Theurer Regenbogen, soll ich Sie mit Wasser besprengen? O, richten Sie sich auf, Vortrefflicher!“ Matt sagte endlich der Graf: „Es ist nun vorüber! Fahren Sie fort Director Brückbauer, ich bin sehr gespannt auf Ihre Neuigkeit, denn ich muß sogleich zu Sr. Durchlaucht, der ich alle Mittag bei Tafel einiges Neue mitzutheilen suche.“ Regenbogen sprach den Wunsch der ganzen Versammlung aus, und Brückbauer begann nun folgendermaßen. „Nie ist ein Director zugleich freudiger und erschreckter gewesen als ich. Stellen Sie sich vor! So eben war ich im Büreau bei meinem Kassirer, und befragte ihn, wie es mit dem Verkauf der Billets zu der morgenden Vorstellung, in der Sie, theure Henriette, zum ersten Male in der Rolle der Amande auftreten werden, beschaffen sey. Ich erhalte die freudige Antwort, daß nur noch ein einziges Billet zu haben ist. In diesem Augenblick treten zwei Offiziere, der Lieutenant Spitzdegen, ein gewandter Tänzer und Fechter, und der Lieutenant Maulbeer, sein Busenfreund, zugleich ein. Beide fragen wie aus einem Munde, ob sie noch Billets zu der Amande haben können. Der Kassirer zeigt achselzuckend das letzte vorhandene. Wie Harpyen auf das Königsmahl stürzen beide darauf los. Streit erhebt sich; wir wollen vermitteln; vergeblich! die Degen blinken schon in der Hand beider gewandten Fechter; umsonst springen wir dazwischen. Schnell wie der Blitz fallen die Hiebe, wie Hagel so dicht; -- und ehe eine Minute verflossen war, lag Maulbeer von einem furchtbaren Hiebe getroffen, blutend am Boden, und Spitzdegen, der auch nicht ohne Wunde davon gekommen war, spießte triumphirend das Billet auf den Degen, und schritt mit der theuren Beute hinaus.“ Und der Verwundete? fragte Henriette zitternd und fast in Thränen. „Wird sogleich nach seiner Kaserne gebracht werden,“ antwortete der Director. „Goddam!“ rief der Lord, „die Geschichte verdiente in London passirt zu seyn!“ „Ja, in Bedlam!“ sprach Werner stark betonend. „Eine delicieuse Neuigkeit!“ rief der Graf Regenbogen entzückt, und schien über den Verlust seines Toupets ganz getröstet. Der Lord war im sichtlichen Aerger, daß er keine Antwort für Werner bereit hatte; doch sicher wäre er wenigstens mit einer Grobheit bei der Hand gewesen, wenn nicht eine andere Begebenheit plötzlich alles aus der Fassung gebracht hätte. Die schöne Sängerin, die, um ihre Unruhe zu verbergen, sich gegen das Fenster gewandt hatte, sank nämlich mit dem Rufe: „Ums Himmelswillen!“ ohnmächtig nieder. Alles sprang ihr zu Hülfe; auch der Lord wollte sich auf eine dreiste Art thätig zeigen und rief: „Man muß ihr das Corset öffnen!“ Doch Werner stieß ihn ziemlich unsanft bei Seite, und brachte mit Luisens, des Kammermädchens, Hülfe, die Ohnmächtige, in das Nebenzimmer. Nach einer Minute kam er zurück und sprach zur Gesellschaft: Die Kranke ist der Obhut ihres Mädchens und ihrer alten Pflegerin, einer erfahrnen Frau anvertraut. Auch ist nach einem Arzt gesandt. Ihre Güte, meine Herrn, ist daher unnütz. Für den guten Willen ist Fräulein Henriette gewiß dankbar. Da aber Ruhe jetzt das erste ist, dessen sie bedarf, so hoffe ich, Sie werden meinem Beispiele folgen und das Haus verlassen! Bei diesen Worten griff er nach seinem Hut und ging. Der Lord fragte Regenbogen: „Sagen Sie mir, wer ist der unverschämte Mensch, der hier thut, als sei er Herr des Hauses?“ Wer kann alle _mauvais sujets_ kennen, antwortete Regenbogen. Aber kommen Sie, mein Bester. Wir speisen wahrscheinlich zusammen bei der Durchlaucht? -- „Versteht sich,“ erwiederte Monday. Sie gingen, die übrige Gesellschaft folgte. Vor der Thür sahn sie die Ursach von Henriettens Ohnmacht. Der verwundete, ganz mit Blut bedeckte Offizier wurde die Straße hinab getragen. Man sah, daß Werner die Bahre begleitete. 7. Die ausgewetzte Scharte. Das Krankenzimmer. Die Gesellschaft nahm ihren Weg nach verschiedenen Richtungen. Hemmstoff und der Hanswurst fuhren zusammen zum Hof-Traiteur um dort zu Mittag zu essen. Als sie ins Zimmer traten, erblickten sie in einer Ecke desselben Wicken, der schwermüthig und düster vor sich hin starrte, und das Beefsteck, welches vor ihm stand, kaum zu beachten schien. „Nun Rath, wie gehts?“ fragte der Hanswurst. „Denken Sie über eine neue Kritik nach?“ „Ha Sie Abscheulicher!“ fuhr Wicke auf. „Sie sind die Ursach meines Unglücks; denn Sie haben zuerst behauptet, ich sey der Verfasser dieses Pamphlets.“ „Nun sind Sie’s denn nicht?“ entgegnete der erstaunte Hanswurst. „Ei mag der Teufel! Heut früh erhielt ich das Blatt und stieß auf den verwünschten Artikel, dessen Anfang so höchst schmeichelhaft und geistreich verfaßt zu seyn schien. Natürlich glaubt ich, das Ding geht auch so zu Ende, denn wer Henker mag vermuthen, daß sich der Wind so dreht. Ich war froh über den Fund, steckte das Blatt ein, und freute mich, es der Henriette vorzulesen. Und nun stachelt Sie der lebendige Teufel, mich mit Gewalt zum Verfasser des Aufsatzes zu machen, welches ich nur zugab, um nicht mit Ihnen zu streiten. Jetzt steckt der Karren im Koth, wer zieht ihn nun heraus?“ „Ha, ha, ha, ha! Göttlich, delicieus, unnachahmlich!“ rief der Hanswurst. „Nicht mit Gold zu bezahlen! Also hat meine Tollheit Ihre Eitelkeit verführt, und Sie sind in Teufels Küche gerathen? Das ist auf Ehre eine sublime Geschichte!“ Und Sie wollen noch lachen? fragte Wicke halb weinend. „Bis ich platze, ha, ha, ha, ha!“ „Das ist zu viel!“ rief Wicke entrüstet, „wäre ich nicht von der Justiz, ich würde Sie fordern. So erlauben es mir die Gesetze nicht!“ „Aber beruhige Dich doch Freund,“ sprach Hemmstoff, „dein Beefsteck wird kalt, und der Aerger verdirbt Dir überdies den Appetit!“ „Was soll ich aber machen? Ich bin lächerlich vor der halben Stadt,“ rief Wicke, „und er ist Schuld!“ „Ich mag den Teufel Schuld seyn, ich glaubte wirklich, Sie wären der Verfasser. Leugnen können Sie’s ja doch nicht, daß Sie oft schriftstellern. Aber Sie nehmen die Sache auch zu schlimm. Nichts ist leichter, als das Ding zu redressiren. Sie schreiben der schönen Henriette ein zartes Billet, worin Sie erklären, daß ein boshafter Feind die zweite Hälfte Ihres Aufsatzes zugesetzt habe, und schicken ihr das Manuscript des Dinges, wozu Sie den Anfang so weit abschreiben, als Sie ihn brauchen können. Das verbreiten wir weiter, und in 3 Tagen hält man Sie sogar für einen Märtyrer! So gewinnen Sie noch bei der Sache.“ „Das ist wahr,“ sprach Wicke und trocknete sich seine Thränen ab; „Ihr Rath ist gut.“ „Bezahlen Sie ihn mit hundert Austern?“ „Mit Vergnügen,“ rief Wicke, und bestellte sie. Hemmstoff lobte jetzt diese Art, die Sache in’s Gleiche zu bringen, auch, und man setzte sich beruhigt und guter Dinge zu Tische. Indeß müssen wir auch Henrietten in ihrem bedenklichen Zustande wieder besuchen. Der heftige Schreck, den sie über den Lieutenant Maulbeere gehabt hatte, den man ganz unvermuthet aus dem gegenüberstehenden Hause, in welchem die Billets verkauft wurden, heraustrug, hatte sie in Ohnmacht geworfen. Zum Glück dauerte indeß dieser Zustand nicht lange, sondern sie erholte sich sehr bald, und ihre erste Frage war nach dem Verwundeten. Man sagte ihr, Werner habe es schon übernommen, dafür zu sorgen, daß der Kranke vorsichtig nach Hause gebracht und verpflegt werde. Demnach erwartete sie mit ängstlicher Ungeduld die Rückkehr des thätigen Freundes, weil der blutige Anblick sie zu heftig erschüttert hatte, und sie sich den Verwundeten nicht anders, als in den heftigsten Leiden und Schmerzen denken konnte. Maulbeere, dieß müssen wir berichten, gehörte zu ihren großen Verehrern, und war ihretwegen fast zum Theaterpfeiler geworden. Seine Leidenschaft äußerte sich darin vorzüglich, daß er seine Göttin jedes Mal, wenn sie öffentlich auftrat, sah, und ihr unablässig bravo und da capo zurief. So war er der ganzen Stadt bekannt, und jeder Theatergänger wußte schon, wo er ihn zu suchen habe, nämlich auf der linken Seite der Sperrsitze. Die gütige Henriette litt seinetwegen eine Stunde der Angst; doch nach Verlauf dieser kam Werner zurück, bestellte dem Kammermädchen, daß es mit Maulbeeres Wunde nichts auf sich habe, und fragte nach dem Gesundheitszustande Henriettens. Als er erfuhr, daß sie ziemlich wohl, nur etwas matt und vorzüglich nur noch durch die Besorgniß um den Verwundeten angegriffen sey, ließ er durch das Kammermädchen anfragen, ob er gegen Abend wieder zu ihr kommen dürfte, er habe ihr etwas, was ihr selbst nicht unwichtig seyn werde, zu entdecken. Sie gewährte es ihm, und er ging sichtlich froh hinunter. Um die Dämmerungsstunde stand er wieder vor ihrer Thür. Luise, die auf sein Schellen öffnete, fragte halb heraussehend: „Sind Sie es, Herr Werner?“ „Ja, Luise, ich bin’s.“ „Ach, lieber Herr Werner, mein Fräulein ist nicht allein; der Lord ist bei ihr, und will nicht wanken noch weichen. Schon zehnmal hat Fräulein Henriette ihm zu verstehen gegeben, daß sie gern allein seyn möchte, doch Sie kennen ihn ja selbst und werden sich’s denken, daß er nicht versteht, was er nicht verstehen will.“ „Der Unverschämte!“ rief Werner, „aber dießmal soll er fort, und wäre er angeschmiedet.“ „Um Gotteswillen, begehen Sie keine Unbesonnenheit, lieber Herr Werner,“ bat das Mädchen, „mein Fräulein würde sich auf den Tod ängstigen.“ „Sey ruhig, Luise, ich will ihn nur durch List fortbringen. In einer halben Stunde bin ich wieder hier, und werde zweimal schellen; öffne Du mir alsdann selbst, so wollen wir ihn schon hinausschaffen.“ Damit ging er die Treppe wieder hinab. Zur bezeichneten Zeit kam er zurück, und that, wie er gesagt hatte. Luise öffnete ihm mit freudigem Gesicht, und erzählte, vor zwei Minuten sey ein Diener in feiner Livree dort gewesen, habe nach dem Lord gefragt und ihm ein Billet überbracht, worauf dieser schleunigst hinweggegangen sey. „So ist meine Maaßregel zum Glück nicht nöthig,“ erwiederte Werner, und steckte etwas in seine Tasche, was Luise nicht erkennen konnte. Darauf trat er ein. 8. Bekenntnisse. Er fand Henrietten in ihrem Kabinet auf dem Sopha sitzend, mit einem Buche in der Hand. Neben ihr stand ein Tisch, den eine Astrallampe freundlich, doch nicht zu hell erleuchtete. Die dunkelgrünen Vorhänge der Fenster hatte sie dicht zugezogen. Das Zimmer war so still und heimlich, die schöne Bewohnerin sah so gütig und vertraulich aus, die ganze Umgebung machte einen so wohlthuenden Eindruck, daß Werner sich einen Augenblick so befangen darin fühlte, daß er, der seines Thuns sonst so gewiß war, fast die Fassung verloren hätte. „Zürnen Sie mir nicht,“ begann er endlich, „daß ich störend in diese holde Stille, in diese heimliche Umgebung trete?“ „Ich freue mich darauf, sie mit Ihnen zu genießen,“ erwiederte sie, „denn ich hoffe, Sie bleiben den Abend bei mir. Es ist der erste, seit ich in dieser Stadt bin, den ich mein nennen kann.“ „Eben darum,“ entgegnete Werner, „fühle ich das Unrecht, welches ich begehe, indem ich ihn Ihnen raube. Die Einsamkeit ist ein schönes Gut!“ „Sie haben Recht, aber nur für Hoffnungslose und Glückliche. Ich bin keines von beiden;“ antwortete sie ernst. „Nicht glücklich, Henriette? Ist das Ihr Ernst?“ „Gewiß! Sie zweifeln auch nicht daran, wenn Sie sich z. B. des heutigen Vormittags erinnern wollen. Aus einer langen Reihe solcher Tage besteht mein Jahr, mein Leben. Man sättigt mich ewig mit Schaugerichten und betäubendem Weihrauch, der mich ermüdet und ermattet. Ach, und wie oft sehne ich mich nach einem Tropfen reinen, klaren Bergwassers, aus dem Kelch der reinen unverdorbenen Natur! Doch lassen wir das! -- Sie sprachen von der Einsamkeit. Sie ist doch nur ein sehr bedingtes Glück. Mir scheint es, sie wird nur dann unsere Freundin, wenn uns Freunde fehlen, oder wenn wir von den Menschen so verwundet sind, das wir sie alle unterschiedslos verbannen.“ „Doch Sie meinten,“ erwiederte Werner, „daß auch der Glückliche die Einsamkeit liebe? Warum denn er?“ „Aus demselben Grunde, wie mir scheint. Wer ein überseliges Herz hat, dem müssen selbst liebe Freunde bisweilen zu wenig seyn, und daher zieht man sich in die einsam vertraute Stille zurück, um in seinen Gedanken zu schwelgen, die immer ein höher Glück gewähren, als die Wirklichkeit giebt. Und dann noch eins; ich glaube, ein wahrhaft Glücklicher fühlt bisweilen das Bedürfniß, dem Urheber alles Glücks so recht herzinnig zu danken -- und dazu muß man einsam seyn. So auch jedes Herz, das sich in der Angst seiner Schmerzen zum Himmel wendet.“ Werner schwieg einen Augenblick. Dann fragte er: „Hat Sie Ihre Lektüre auf so ernste Gedanken gebracht?“ „Kennen Sie das Buch nicht mehr?“ entgegnete sie, „und doch waren Sie der Erste, durch den ich damit bekannt wurde, und ich selbst durch das Buch Ihnen.“ „Also Jean Pauls Titan?“ fragte Werner. „Ganz recht, und ich las mit tiefer Wehmuth darin. Das große Herz, dem dies ewige Buch entquoll, schlägt nun auch nicht mehr! Mir war bei der Nachricht, als habe ich einen meiner liebsten Freunde verloren!“ Bei diesen Worten drang eine Thräne in Henriettens schönes Auge, sie wollte indeß ihre Bewegung verbergen, und stand auf, um zu schellen. „Den Thee, liebe Luise!“ sprach sie zu dem eintretenden Mädchen. „Ich will heut einmal Ihre Wirthin seyn, und Ihnen den Beweis geben, daß ich gern Ihren großen Dienst erwiedern möchte.“ „Die Kleinigkeit,“ entgegnete Werner, „wie mögen Sie doch nur so lange daran denken.“ „Ich werde es gewiß nie vergessen,“ erwiederte Henriette. „Es ist mir eine sehr liebe Erinnerung. Noch sehe ich mich hinter dem Wagen hergehen, der den steilen Berg leer hinabfahren mußte, weil ich mich fürchtete. Die ganze reizende Gegend steht vor mir. Das grüne Thal zu meinen Füßen, in welchem sich das freundliche Dorf ausbreitete, die zackigen Felsen zur Linken, der reissende Bergstrom, der an ihrem dunkel bewaldeten Fuß dahin brauste, und rechts der schöne dunkle Buchenwald! -- Ja, ich könnte den Stein malen, auf dem Ihr Buch lag. Ich sehe es noch, wie der Fuhrmann sich umwendete, mit der Peitsche auf das Buch deutete, und mir zurief: „Fräulein, dort liegt Etwas für Sie!“ Neugierig trat ich hinzu, sah das aufgeschlagene Buch, und vermuthete sogleich, irgend ein Reisender werde es vergessen haben. Lianens Tod war die erste kostbare Perle (denn Perlen deuten ja auf Thränen), welche ich aus diesem reichen Schatz kennen lernte. Der Himmel lag eben im Rauch der Abendröthe, wie er im Buch geschildert wird. Die Natur war so überaus schön, und das Herz doch so schmerzlich bewegt. Ich vertiefte mich im Lesen. Der Wagen kam mir bei der Wendung des Weges aus dem Gesicht, und wie ich aufblickte, standen Sie vor mir. Was müssen Sie doch gedacht haben?“ „Ich war innigst erfreut,“ entgegnete Werner, „daß mein Lieblingsschriftsteller Ihnen gleich bei der ersten Bekanntschaft auch so theuer wurde. -- Auch ich bewahre das Andenken jenes Tages als eines meiner glücklichsten. Wir gingen nur den kurzen Weg bis ins Dorf hinunter zusammen; doch da ein seltsames Begegnen auf einer bedeutenden Stelle näher rückt, als ein jahrlanges Nebeneinanderstehen in gewöhnlichen Kreisen des Lebens, so waren auch wir schnell vertrauter mit einander geworden. Ehe wir das Dorf erreicht hatten, wußte ich, was Sie in der Welt, was Sie in ihrem Herzen waren; und daß ich, ein armer Musiker, mit leidlichem Eifer für seinen Beruf sey, war Ihnen auch nicht verborgen geblieben.“ „Doch noch schneller, als wir bekannt wurden, waren Sie ~gütig~ gegen mich,“ entgegnete Henriette. „Es ist wirklich kein geringes Opfer, wenn man, wie Sie, einen Tag lang zu Fuß gewandert und ganz durchnäßt worden war, sein behagliches Nachtlager einer Fremden abzutreten. Nun, Sie sollen dafür gewiß immer freundlich aufgenommen seyn, so oft Sie sich bei mir zeigen.“ Dabei bot sie ihm mit unschuldiger Freundlichkeit die Hand, welche Werner lebhaft ergriff und mehr als artig küßte. Indem trat Luise mit dem Thee ein. Jetzt wurde Henriette die sorgsame Wirthin. Mit angeborner Zierlichkeit verwaltete sie alle jene kleinen Pflichten, die einer Frau so gut stehen. Sie wußte in das Unbedeutendste den Ausdruck der Freundlichkeit zu legen, die sich bei einer wohlwollenden Seele selbst in den geringfügigsten Kleinigkeiten zeigt. Die Art, wie sie eine Tasse füllte, halb seitwärts sehend, um dem Auge ihres Gastes abzumerken, wenn er befriedigt seyn würde; die freundliche Miene, mit der sie ihm den Zucker und das Gebackene reichte; ihr gutmüthiges Zureden, wenn er dankte; der Ausdruck ihres Gesichts, der so bestimmt sagte, daß es sie freue, wenn ihr Gast sich behaglich finde, alles zusammen bildete eine höchst anmuthige Erscheinung. Es war zu sehen, wie Werner dies alles empfand, denn ohne zu sprechen, begleitete er jede Bewegung der freundlichen Gestalt mit seinen Blicken. Endlich brach er das Schweigen. „Ich fühle mich innerlich beschämt,“ sagte er, „so viel Güte von Ihnen zu genießen und dabei das Bewußtseyn zu haben, daß ich sie so wenig, ja sogar nicht verdiene. Wenn Sie wüßten, wie sehr ich heute zum Verräther an Ihnen geworden bin!“ „Wie so?“ fragte Henriette. „Sie sollen es hören, denn ich kam in der Absicht, es selbst zu gestehen. Die strenge Beurtheilung, welche heute Morgen der unglückliche Rath, wahrscheinlich durch den parodirenden Eingang getäuscht, für die seinige ausgab, war von mir.“ „Und das,“ unterbrach Henriette lebhaft, „nennen Sie Verrath? Ich versichere Ihnen, ich bin ganz Ihrer Meinung. Sie thun mir nur darin Unrecht, daß Sie meiner Neigung und Wahl das beimessen, was eigentlich nur die Schuld der Umstände ist. Denn leider habe ich bei diesem unglücklichen Theater gar keine Wahl. Doch, mein aufrichtiger Freund, haben Sie vollkommen richtig geurtheilt, und dürfen diese Wahrheitsliebe nicht mit dem Namen Verrath entehren.“ „Das thue ich auch nicht,“ entgegnete Werner; „ich nenne nicht mein Urtheil einen Verrath. Allein ich habe Sie auf andere Weise schwer gekränkt. So mühsam ich’s überwinde, muß ich es doch aussprechen. Ich glaubte in der That, denn es schien mir unmöglich, daß es nicht seyn sollte, die lobpreisende Stimme der Menge, und die zum Theil völlig gerechten Huldigungen, die man Ihnen von allen Seiten dargebracht hat, möchten Ihren richtigen Blick über sich selbst geblendet, ja, Sie vielleicht als eine Art von geistigem Capua gegen die rauhe Luft selbst gerechten Tadels so empfindlich gemacht haben, daß Sie den Verfasser eines Aufsatzes, wie der meinige, für Ihren Feind halten würden. Ich konnte an Ihnen eine solche Verirrung nicht ohne Schmerz ertragen, deßhalb beschloß ich, auf die ausgeführte Art Sie auf die Probe zu stellen. Hätte der Rath nicht vorwitzig selbst gelesen, so würde ich einen Vorwand gefunden haben, mitten unter Ihren Bewunderern diesen Aufsatz vorzutragen. Wie beschämt stand ich aber, als Sie so ganz rein aus der dunklen Wolke des Verdachts traten, wie fühlte ich mich gedrungen, Ihnen zu gestehen, wie klein ich von Ihnen gedacht! Können Sie das Ihrem Freunde vergeben?“ Dabei faßte er ihre Hand und sah ihr ins Auge. „Ich will ihn nur bitten,“ entgegnete sie mit sanfter Freundlichkeit, „sich recht nahe mit mir bekannt zu machen, ja, mich nie aus dem Auge zu lassen, damit er mich nicht wieder der Schwäche fähig halte, wo ich ihr nicht unterworfen bin, und da recht aufrichtig tadle und mir beistehe, wo er mich fehlen und irren sieht. Wollen Sie das?“ „O, wie verdiene ich solche Güte!“ rief Werner. „Ich kann meinen Fehler nur dadurch verbessern, daß ich mich dieses Vertrauens ganz würdig mache. Und das will ich, so wahr ich lebe! So lassen Sie mich gleich anfangen. Warum geben Sie dieß Leben nicht auf? Weßhalb bleiben Sie in dieser lästigen Sklaverei des Theaters, die sogar Ihrer zarten Weiblichkeit unwürdige Opfer auferlegt?“ Henriette seufzte. „Genügt Ihnen,“ fuhr Werner fort, „nicht ein stilles, freilich aber beschränkteres Loos? Würden Sie verzweifeln, das zu finden?“ „Mein aufrichtiger junger Freund,“ sprach Henriette bewegt, „wären Sie doch eben so besonnen, eben so unterrichtet! Betrachten Sie mein Leben von Jugend auf. Am Theater wuchs ich auf. Ich mußte mich gewöhnen, trotz allen Glanzes, der uns oft umgiebt, auch manche harte Demüthigung zu dulden, der der Stand, den mir das Schicksal zuwies, unterworfen ist. Ich weiß wohl, daß, wie gern man uns in Gesellschaften, selbst in der vornehmsten, sieht, wie sehr man sich freut, wenn wir zuvorkommend gegen die Verehrer sind, die uns umgeben, man uns dennoch nicht in die ärmsten Familien gern als Mitglieder aufnehmen und es doch für eine Mißheirath halten würde, wenn sich der seichteste Stutzer mit uns verbinden wollte. Keinen Künstlerstand trifft dieses Loos so, als uns; das weiß ich wohl, auch die Gründe sind mir bekannt, und ich kann sie nicht ganz verwerfen. Und dennoch, was bleibt mir? Für diesen Stand bestimmt, fehlt mir die Ausbildung, die ich als Erzieherin nöthig hätte, und die Stelle einer bloßen Gesellschafterin scheint mir doch zu geringfügig, da ich einer Kunst leben kann, die doch etwas Wesentliches bedeutet, wenn gleich sie fast unter der Last des Unwesentlichen, womit die Thorheit der Menge sie behängt, erdrückt wird. Welch’ andere Zuflucht hätte ich nun noch? Die Arbeit meiner Hände! Aber die ist nicht im Stande, meine jüngeren, unmündigen Geschwister zu ernähren, für die ich mich opfere, um sie einem Stande zu entziehen, der freilich einem Herzen, das am Edlen hängt, wenig Erfreuliches bietet. Ich muß mich also damit begnügen, das Bewußtseyn in mir zu tragen: ich bin besser, als mein Stand, selbst wenn meine besten Freunde daran zweifeln.“ Hier brach ihr die Stimme, weil die lange zurückgehaltenen Thränen jetzt mit Gewalt hervordrangen. Sie lehnte erschöpft das Haupt auf die Kissen des Sophas und ließ Werner die Hand, der sie heftig ergriffen hatte und mit Freundeswärme drückte. Einige Augenblicke herrschte ein leises Schweigen. Werner stand auf und ging im Zimmer auf und nieder, wie wenn er mit einem großen Entschluß kämpfte. Endlich trat er wieder zu Henrietten. Sie trocknete mit ihrem Tuch die Thränen, und sah ihn, so freundlich sie vermochte, an. „Nun wissen Sie Alles; lassen wir das nun ruhen. Ist es nicht thöricht, daß wir einen so seltenen, vertraulichen Abend so trüben Betrachtungen widmen wollen? Sie hätten mir etwas vorlesen, oder mit mir Musik machen sollen. Ich habe manches, was ich sehr liebe, vielleicht seit Jahren nicht gesungen. Doch Sie sehen ja gar so ernst aus? Was ist Ihnen?“ „Henriette,“ sprach Werner mit tief bewegter Stimme, „ich könnte Ihnen noch einen Ausweg zeigen, der Sie einem Stande entnähme, den Sie, wie ich überzeugt bin, nicht um seinetwillen erwählt haben. Ich weiß Jemand, der für Ihre Geschwister sorgen könnte, und Ihnen, wenn auch nur einen eingeschränkten, doch sicheren, ruhigen, der Weiblichkeit ganz angemessenen Wirkungskreis zu bieten vermöchte.“ Henriette sah ihn ahnend an; sein Händedruck wurde stärker; sie neigte sich ihm sanft entgegen; er rief heftig: „Wollen Sie die Meine seyn?“ und sie sank an sein Herz. 9. Pläne für die Zukunft. Die Rechtfertigung. Sie hielten sich lange stumm umfaßt. Die große heilige Wallung ihrer Herzen vermochte nicht Worte zu finden. Nach einigen Minuten standen sie auf, und gingen Arm in Arm, wobei sich Henriette dicht, fast schüchtern sich verbergend, an den Freund schmiegte, im Zimmer auf und nieder ohne zu sprechen. Werner hatte seinen Arm um ihren Nacken gelegt, und hielt mit der Linken ihre zitternde Hand, die er von Zeit zu Zeit an die heißen Lippen drückte. Endlich stand er still, stellte sich vor sie und rief: „Ist es aber wahr, ist es möglich, bin ich denn wirklich so überaus glücklich?“ Und sie sank ihm von neuem an das Herz und lispelte schüchtern: „bist Du denn wohl so glücklich als ich?“ -- -- Erst jetzt gewann nach und nach ihr Zustand die Sprache wieder. Sie nahmen den vertraulichen Platz auf dem Sopha wieder ein, und Werner, der ihr zuvor nur gegen über geseßen hatte, wurde jetzt ihr Nachbar. Die glückliche Gegenwart genießt sich ohne eine Kunst von selbst. Das Glück der Erinnerung wie der Zukunft wird erst durch eine besondere Thätigkeit wieder vor die Seele der Menschen gebracht. So gefielen sich denn unsere Liebenden auch darin, die holde Gestalt der Gegenwart noch mit Blumen der Erinnerung und Zukunft zu schmücken. Jeder Moment, den sie seit jenem ersten Begegnen auf der Reise mit einander zugebracht hatten, die Zeit, wo sie getrennt gewesen waren, bis zu der Wiedervereinigung in der Residenz, alles wurde auf das genaueste besprochen. Endlich fragte Werner, als der besonnenere Mann und der, dem hierbei die nächste Pflicht oblag, zuerst: „Wie aber soll nun unsere Zukunft seyn? Wie wollen wir uns durch die äußern Lebensverhältnisse mit Ehre, Glück und Zufriedenheit hindurch kämpfen? Denn dem Theater kann ich dich, theure Henriette, nicht lassen.“ „Nein, um des Himmels Willen nicht,“ sprach diese. „Laß uns weit von dem Geräusch der Welt in heimlicher, lieber Stille leben, wo ich nur dir gehöre.“ „Das möchte schwer, wo nicht unmöglich auszuführen seyn,“ antwortete er. „Nur in einer größern Stadt kann ich mein Talent und meine Kenntnisse so geltend machen, daß sie die Früchte tragen deren es bedarf, um Dich und die Deinen in einer sorgenlosen Unabhängigkeit zu erhalten. Für den Anfang besitze ich zum Glück einiges Vermögen; wenn es auch gleich nur gering ist, so reicht es doch hin, die Bedürfnisse der nächsten Jahre zu decken. Und dann hoffe ich mit Gott so weit zu seyn, daß ich diesen Stab wegwerfen kann.“ „Und glaubst Du denn,“ erwiederte Henriette erfreut, „ich sey so ganz hilflos? Nein, ich kann Dich auch gewiß mit so manchem erfreuen, was ich bereits erworben habe; denn ich dachte immer an einen Wechsel des Glücks, und an die lieben Geschwister. Die werden doch alsdann mit uns seyn und leben?“ „Gewiß meine Liebe,“ sprach Werner, und küßte ihr die hold zur Frage geöffneten Lippen, „wir werden ~eine~ glückliche Familie seyn! Ich freue mich recht auf die Zeit, wo man im Erreichen vieler kleinen Ziele ein Glück finden, und in dem geringsten Erwerb eine Freude sehen wird, da er sich gleich zu Nutzen und Frommen lieber Angehörigen verwenden läßt. Wer ohne alle Mühe vorfindet, was er braucht, genießt nicht halb so, als der da mühsam arbeitend erwirbt. O, wie fühle ich mich stark, für Dich, liebes Wesen, alles zu unternehmen, um Dich nur aus dieser das Bessere erdrückenden Lage zu befreien.“ -- In dieser Art spann sich das Gespräch fort. Pläne wurden entworfen und verworfen; andere mit neuer Lust und neuem Muth angefangen und ebenso gemißbilligt, wo sie sich unhaltbar zeigten. Wir wollen die nur den Liebenden wichtigen Angelegenheiten übergehn und uns mit dem Hauptplan begnügen, der darin bestand, daß Henriette, sobald ihre Verpflichtungen aufhörten, das Theater verlassen solle. Zum Beschluß ihrer öffentlichen künstlerischen Laufbahn, und um das Nöthige zu einer Einrichtung ihres Hauswesens, das, auf die Geschwister berechnet, weiter ausgedehnt werden mußte, zu erwerben, wollte sie ein Concert veranstalten, zu dem sie schon lang aufgefordert worden war. Werner sollte indeß mit seinem Vater, dessen Einwilligung er bedurfte, sich brieflich einigen, und verschiedene Schritte thun, um eine Stelle als öffentlicher Lehrer der Tonkunst an der Universität zu erhalten, die eben offen stand. -- Unter diesen Gesprächen und Luftschlössern war der Abend fast verstrichen. Da schallte es unvermuthet noch an Henriettens Thür. Louise trat mit einem Briefe herein, den der Rath Wicke gesendet hatte. „Wir wollen ihn nicht öffnen,“ sprach Henriette, „wer weiß, was er Unangenehmes enthält!“ Doch Werner war anderer Meinung, indem er sagte, es sey doch möglich, daß der Brief etwas enthalte, welchem man vielleicht umso besser ausweichen könne, falls man zeitig unterrichtet wäre. Er wurde daher erbrochen, Henriette las ihn vor: Hochverehrteste, holdeste, liebreizendste Henriette! „Das grausame Geschick, im Bunde mit schwarzen Verräthern, hatte sich diesen Morgen gegen mich verschworen. Ich war allerdings der Verfasser jenes Aufsatzes, aber nur seiner ersten Hälfte. Irgend ein hämischer, boshafter Feind, dem ich auf die Spur zu kommen denke, hatte meinen Schluß gestrichen und sein Pamphlet angefügt. Das unterzeichnete W., der Anfangsbuchstabe meines Namens, sollte den Verdacht auf mich wälzen, als sey ich der freche Beleidiger Ihrer holden Anmuth und bezaubernden Kunst. Die Bereitwilligkeit, die ich hatte, den Aufsatz vorzulesen, und mein Entsetzen, das mich aller Faßung beraubte, als ich ihn so abscheulich verstümmelt sah, mögen zuerst für die Wahrheit meiner Behauptung, für die Treue meiner Gesinnung zeugen. Alsdann aber würdigen Sie auch das beiliegende Blatt eines Blickes, und überzeugen Sie sich durch die Mittheilung meiner Urschrift, wie ich von Ihnen denke. In der Hoffnung, daß Sie jetzt mich wieder Ihrer würdig achten, und mich nicht grausam verdammen werden, Ihr ewig getreuer Verehrer Wicke.“ Die Beilage enthielt eine Fortsetzung des Aufsatzes in den übertriebensten und tollsten Ausdrücken, die wir dem Leser nicht aufdringen wollen. Zu einer andern Zeit möchte diese vorgebliche Rechtfertigung des Rathes höchst komisch erschienen seyn. Jetzt waren die Liebenden zu glücklich, um die Sache einer längern Aufmerksamkeit zu würdigen. Henriette warf das Blatt bei Seite, und der Inhalt, wie der Schreiber desselben waren vergessen. -- Die Liebenden wurden jetzt einig, daß ihr Plan noch geheim bleiben müsse, und ihr Verhältniß ebenfalls der treuen Verschwiegenheit Luisens allein anvertraut werden dürfe. So schieden sie spät in der Nacht mit vollem seligen Herzen, denn kein anderer Wunsch blieb, als der eines recht baldigen Wiedersehens. 10. Die Epigrammatisten. Die Ausforderung. Wir hatten unsere Bekannten, die Räthe Wicke und Hemmstoff, so wie den Hanswurst bei einer wohlbesetzten Tafel im eleganten Lokal des Hoftraiteurs verlassen. Dort hatten sich noch mehrere Freunde zusammen gefunden. Ihr Gespräch war, wie natürlich, Henriette. Wicke, der den Namen nicht nennen hören konnte, ohne sich seines verdießlichen Unfalls zu erinnern, schlich abseits, ließ sich von einem der Kellner Feder, Tinte und Papier geben, und schrieb den Brief und Aufsatz, den wir im vorigen Kapitel gelesen haben. Allein ehe er ihn absendete, las er ihn noch in der Gesellschaft vor, indem er vorgab, er habe ihn so eben aus seiner Wohnung geholt. Natürlich fand er allgemeinen Beifall, so daß Wicke fast seinen Stern prieß, dessen Einfluß ihn auf diese Art zum Schriftsteller gemacht hatte. Er wurde darauf dem Kellner übergeben, der die Besorgung übernahm. Durch Wickes Vorlesung hatte sich das Gespräch auf die Kritiken des Tages gewendet, und jedermann, der die letzten Flugblätter verschiedener Art gelesen hatte, fand, daß sie sich offenbar in zwei Partheien theilten, deren eine absichtlich hämische Angriffe auf Henrietten that, die andere dagegen sie kräftig beschirmte und vertheidigte. Der Redakteur des Menschenscheuen, der Professor Ruhwitz, mußte nach der Meinung der Gesellschaft offenbar bestochen worden seyn, um Wickes Kritik so schändlich zu Henriettens Nachtheil zu verdrehen. „Doch wer könnte,“ fragte der Rath Hemmstoff, „wohl dazu Anlaß gegeben haben?“ „Wie?“ fiel Wicke ein, „können Sie noch zweifeln? Ich wette, es ist die neidische Caroline gewesen!“ „Sie haben Recht,“ rief der wohlbekannte Obrist-Lieutenant, der auch dabei war, „ich bin diesen Morgen, ehe ich zu Henrietten ging, einen Augenblick bei ihr gewesen, da konnte sie ihre Wuth kaum unterdrücken. Ich neckte sie absichtlich ein wenig, indem ich Henrietten in den Himmel erhob, und jedes Mal, daß sie selbst von sich und einer ihrer Rollen anfing, sprang ich ab, und kam wieder auf Henriettens Vorzüge. Sehn Sie, die kleine neidische hübsche Person hätte beinah geweint vor Aerger.“ „Deliciös,“ rief ein uns noch nicht bekannter Mann, Namens ~von Hayfisch~, (ebenfalls ein Mäcen des Theaters und Jerusalemitischer Abkunft,) „auf Ehre, lieber Obrist-Lieutenant, deliciös. Ich hätte mögen dabei seyn. Aber morgen will ich hin und es eben so machen. Man muß den übermüthigen Sängerinnen zeigen, daß man sie nach Gefallen absetzen kann. Sie ist lang genug meine Göttin gewesen; morgen soll sie einmal statt des Weihrauchs bittre Pillen schlucken!“ Ein junger blaßer Mann, der bisher einsam und ohne zu sprechen an einem Tische gesessen hatte, stand jetzt auf und näherte sich den etwas laut Sprechenden. Der Hanswurst erkannte ihn und flüsterte: „Seht da die Leiche, die Carolinens Schatten bildet; es ist ihr blaßer Verehrer. Nun, wenn er Eure Rede gehört hat, und er wird nicht roth wie ein gesottener Krebs, so erlebe ich, daß ein Mohr blaß wird, wie der steinerne Gast.“ Wirklich überzog eine leise Röthe des Verdrußes die Wangen des bleichen hagern Jünglings. Er schien zweifelhaft, ob er der Gesellschaft näher treten solle, oder nicht, doch endlich machte er, wie einer der einen plötzlichen Entschluß gefaßt hat, eine Wendung, schritt gerade auf den Tisch zu, und redete folgender maßen: „Meine Herrn! Ich höre hier so eben einige ganz unschickliche und ungeziemende Reden, die eine Dame, welche sie alle kennen, beleidigen. Ich weiß nicht, wer von Ihnen sie ausgesprochen hat, doch ich erkläre Ihnen hierdurch, daß ich die Redner, falls sie das nicht unleugbar beweisen können, was sie gesagt haben, für Männer ohne Ehre halte. Könnten sie es aber auch beweisen, so muß ich dennoch die Art, wie sie über eine Dame hinter dem Rücken derselben sprechen, für niedrig und unter der Würde eines Mannes von Stande erklären. Darnach haben Sie sich zu richten. Ich bin ein Römer, heiße ~Agrippinus Coloniensis~, meine Wohnung ist in der Roßmariengaße.“ Mit diesen Worten schritt er stolz zur Thür hinaus. Die Gesellschaft saß mit offenem Munde, und wußte nicht was sie sagen sollte. Endlich fing Hayfisch an furchtsam zu fragen: „Hat denn jemand von uns etwas gesagt, was den Herrn beleidigen könnte?“ „Daß ich nicht wüßte,“ erwiederte der Rath Wicke. Der Obrist-Lieutenant sah höchst verdrießlich aus und sprach kein Wort. Während dieser Pause traten mehrere Herren ein, die jedermann auf den ersten Blick an ihren Gesichtern für Kritiker erkannte. Es waren unter andern ~Raupenbach~, der Redacteur ~Quark~, der Poet und Kritikaster ~Schillibold Avecça~, desgleichen ~Rennstein~, ~Ruhwitz~, ~Puckbulz~, ~Huhn~ und andere; sie schienen im lebhaftesten Gespräch mit einander, setzten sich an einen etwas entlegenen Tisch und forderten Wein. Man hätte gewiß wenig von ihrem Wechselgespräch verstehen können, wenn nicht in der ersten Gesellschaft gerade eine so tiefe Stille eingetreten wäre. So hörte man ab und zu folgendes: ~Quark.~ Das wird Aufsehn machen, lieber Rennstein, glauben Sie mir; besonders, wenn Sie, lieber Schillibold, und Sie, theurer Huhn, uns Ihren Beistand nicht entziehen. ~Schillibold Avecça.~ Freilich! Wir halten uns zu keiner Parthei, aber unserm Humor wollen wir Luft machen. ~Huhn.~ Mir braust es im Gehirn wie Champagner! Wenn ich nur Luft für alle Gedanken hätte! ~Quark.~ Mir geht es eben so! Ha, wie wird das die Zeitung heben! Ich widerlege mich zehn Mal selbst, und immer gröber. Ja ich wäre im Stande und sagte mir selbst Injurien, und verklagte mich auch selbst beim Kammergericht. ~Rennstein.~ Quark! der Gedanke ist kostbar. Wie, wenn ich dagegen das Blatt umdrehte, mich selbst in einem halben Dutzend Antikritiken immer mehr und unbegränzter lobte, nur stets meine Bescheidenheit tadelte? ~Raupenbach.~ Auch gut! Nur nicht so vortheilhaft für den Absatz; bittre Kritik lockt die Menge an. Nichts konnte mir daher lieber seyn, als der Auftrag, den mir Caroline gegeben. ~Ruhwitz.~ Gut, wir dienen ihr, aber lassen uns doch das Recht nicht nehmen, auch den andern dienstbar zu seyn. Hören Sie, mir fällt etwas ein! Ich habe ein kleines Epigramm auf beide. Sie müssen ein jeder eine Preisfrage thun, der sie ihren Namen unterzeichnen, und der unterzeichnete Name könnte immer gleich eine scharf satyrische Antwort enthalten, z. B. so: Henriette fragt und unterzeichnet sich. ~Preisfrage.~ Wer sänge eitel gern mit jedem in die Wette? ~Henriette.~ Darauf antwortet Caroline. ~Preisfrage.~ Wer zieht zu bösem Spiele gute Miene? ~Caroline.~ ~Puckbulz.~ Schön; mir fällt auch eins ein. ~Preisfrage.~ Wer zahlet gut für lobende Sonette? ~Henriette.~ ~Preisfrage.~ Wer wäre gerne die erste auf der Bühne? ~Caroline.~ ~Preisfrage.~ ~Huhn.~ Wer ist, frag ich, die listigste Kokette? ~Henriette.~ ~Preisfrage.~ Kennt ihr die böse reizende Cocquine? ~Caroline.~ ~Quark.~ Ha! Ha! Ha! Lassen sie uns nur nachsinnen, so bringen wir ein Dutzend heraus! -- Aber still, ich glaube wir werden behorcht. Sie sprachen jetzt leiser, denn der andere Tisch war wirklich aufmerksam geworden. Rennstein strich sich den Schnurrbart und schob die Brille zurecht, Raupenbach nahm eine Prise, Quark lächelte und verdrehte die Augen, halb nach dem Himmel, Puckbulz hustete, Schillibold stand auf und ging überzwerg auf dem Teppich umher. Damit wollten sie den Schein geben, als hätten sie gar kein eifriges Gespräch geführt. Die tiefe Stille, die seit der Ausforderung an dem andern Tisch herrschte, wurde jetzt zuerst wieder einigermaßen unterbrochen. Der Obrist-Lieutenant nämlich äußerte: „Meine Herrn, ich habe mir die Sache überlegt. Wir können die Rede des blassen Mannes nicht unbeachtet lassen. Offenbar war er über das ergrimmt, was wir, nämlich ich, Herr Rath Wicke und unser Freund Hayfisch über Carolinen gesagt haben. Wir müssen also alle drei zu ihm und uns näher mit ihm besprechen.“ „Freilich,“ rief der Hanswurst! „Wicke, ich bin Ihr Sekundant. Wir wollen den Blassen erblassen machen!“ Doch Wicke saß stumm und ängstlich, und Hayfisch zitterte an allen Gliedern. Als der Hanswurst dies bemerkte fuhr er fort: „Seht, das ist männlich, Kinder, daß Euch der Grimm so blaß macht, und ihr vor Zorn kein Wort hervor bringen könnt. Ja wir wollen sehen, was der Blasse sagen wird, wenn ihn der Hayfisch angähnt! aber hört, schont des armen Menschen. Die Liebe treibt ihn zu dem Wahnsinn. Bedenkt seine Angehörigen und Verwandte, die sich schon über die Verirrung des Jünglings so betrüben; wie würden sie nicht erst trauern, wenn er verstümmelt würde, oder gar todt auf dem Platz bliebe.“ „Nun meine Herrn,“ unterbrach der Obrist-Lieutenant, „wann gehen wir zu dem Ausforderer? Ich bin der Meinung, daß es morgen in aller Frühe geschehen müsse, und zwar gemeinschaftlich. Ich werde Sie um sieben Uhr abholen, da ich bei ihnen vorbei muß, um nach der Roßmaringaße zu kommen. Sind sie dies zufrieden?“ „Ja Bester,“ stammelten beide und sahen betrübt gen Himmel. 11. Lord Mondays Vorschlag. Das Duell. Der Hanswurst wollte eben seiner spottenden Laune Luft machen, als Lord Monday mit Geräusch eintrat, und sich im ganzen Zimmer suchend umsah, darauf ging er ins anstoßende Gemach und so weiter bis an das äußerste Kabinet. Von dort kehrte er zurück in das Zimmer, wo unsere Freunde saßen, und fragte: „Meine Herrn, hat Einer von Ihnen vielleicht den Grafen Klammheim aus W. gesehn?“ „Ei, lieber Lord,“ antwortete der Obrist-Lieutenant, „der wird ja, wie ich höre, erst in sechs Wochen erwartet. Sie meinen doch den, der als Geschäftsträger aus W.... herkommen soll?“ „Freilich,“ rief der Lord. „Aber Goddam weiß, wie es zugeht, vor einer halben Stunde erhalte ich bei unserer kleinen Henriette, wo ich den Abend zubringen wollte, einen Brief, den mir ein Bedienter des Grafen brachte, der auch die Livree trug, die ich von W. aus genau kenne. Er war mit des Grafen Wappen gesiegelt, und er schreibt mir darin, er sey so eben angekommen und habe sogleich Affairen von der äußersten Wichtigkeit mit mir zu besprechen. Ich solle ihn beim Hoftraiteur treffen, von dort wollten wir zusammen zum Fürsten fahren. Natürlich mache ich mich spornstreichs auf, -- allein, wen ich nicht treffe, ist mein Graf Klammheim, und von wem Niemand etwas wissen will, ist, Goddam, wieder der Graf! So weiß ich zum Teufel nicht, was ich machen soll.“ „Je nun, wenn er Ew. Herrlichkeit herbeschieden hat,“ entgegnete der Hanswurst, „so dächte ich, Sie erwarteten ihn hier, und verschmähten es nicht, solange an unserem Tische Platz zu nehmen.“ Der Lord nahm die Einladung an setzte sich und begann: „Goddam, ich bin höchst verdrießlich. Ich war so im Zuge bei der Kleinen! Ich wollte wetten, daß ich heut zum Ziel gekommen wäre. So allein mit ihr im Kabinet, bei Abend, die Lampe brannte nicht zu hell, ich der Lord, sie die Sängerin, ich versichere Ihnen, meine Herren, daß ich schon im Begriff war, Sturm zu laufen, als der Teufel den verwünschten Bedienten des Grafen Klammheim herbeiführte. Indeß habe ich jetzt einen andern Plan. Mit den Visiten kommt man zu nichts. Ich bin der Meinung, man müsse Landparthien, Bälle und dergleichen arrangiren, da macht die Gelegenheit sich immer besser.“ „Freilich, freilich,“ fiel der Hanswurst ein, „es ist immer besser, daß Sie die Gelegenheit abwarten, als Gewalt brauchen.“ Der Lord merkte, als Ausländer, die Anspielung durch die sprichwörtliche Redensart nicht, doch die Andern lachten. Er zog es auf das Verhältniß überhaupt und verzog seine Miene gleichfalls zum Lachen, wobei er einem Satyr nicht unähnlich sah. „Doch wieder auf die Landparthie zu kommen,“ lenkte er ein: „wie wäre es, wenn die Herren auf Morgen meinen Vorschlag annähmen? Wir laden die schöne Henriette ein, nach Strahlheim zu fahren. Dort machen wir eine Wasserfahrt, vielleicht einen _bal champêtre_, dann natürlich müssen noch mehrere Damen dazu eingeladen werden, wir spielen kleine Spiele im Freien, z. B. Haschens, Versteckens, Anschlag, Reifen u. s. w., und es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn man auf einer solchen Parthie sich nicht eine ländliche Freiheit erlauben dürfte! Was meinen Sie, meine Herren?“ Alle fanden den Vorschlag vortrefflich; nur der Obristlieutenant äußerte, daß er vielleicht Geschäfte habe, die ihn, den Rath Wicke und Herrn von Hayfisch abhalten könnten. Die letztern Beiden schnitten dazu so sauere Gesichter, als hätten sie auf Holzäpfel gebissen. Doch der Obristlieutenant schien die Ausforderung des Römers so verdammt ernsthaft zu nehmen, daß sie nicht sahen, wie sie geschickt davon kommen konnten. Es knüpften sich nun noch manche Gespräche über die Art und Weise an, wie man das bevorstehende Vergnügen recht aus dem Grunde genießen könne; man verabredete Dies und Jenes, wie man fahren, reiten, zu Abend essen wollte, wer alles Theil nehmen solle und dergl. mehr, so daß es zuletzt ziemlich spät darüber wurde. Der Graf Klammheim war indeß nicht gekommen, und der Lord hielt es endlich für das Gerathenste, nach Haus zu fahren, worin die andern Herren seinem Beispiele folgten. Wicke hatte eine schlaflose Nacht und der Hayfisch wäre gern in die nächste See untergetaucht, wenn nur das verdammte Duell aus dem Lauf der Dinge hätte gestrichen werden können. Doch die Sachen waren einmal nicht zu ändern, und so mußte er in den sauern Apfel beißen. Mit dem Schlage sieben Uhr pochte der Obristlieutenant an seine Thür. Er hatte sich schon angekleidet, um es zu verbergen, daß er, trotz der warmen Sommerzeit, drei Paar Unterbeinkleider, davon eins von dickem Rehleder, und eine gleiche Anzahl wollener Nachtkamisole angezogen hatte. Mit gleicher Vorsicht hatte er ein dichtes seidenes Tuch um den Hals gewickelt und darüber eine Kravatte gebunden, die stärker war, als ein homerischer Schild von neun Stierhäuten. Gern würde er auch eine wattirte Perrücke aufgesetzt haben, wenn er eine gehabt hätte. In diesem magen-wärmenden Anzuge folgte er dem Obristlieutenant, der heute in Uniform erschien, wiewohl er sonst nie anders, als im blauen Frack zu gehen pflegte. Sie riefen Wicke ab. Dieser trat ihnen blaß entgegen, anscheinend ebenfalls mit Vorsicht gekleidet. „Liebe Freunde,“ sprach er, „ich weiß wahrhaftig nicht, ob es recht gehandelt ist, daß wir, Staatsdiener von Ansehen, unser Leben gegen einen so jungen Menschen auf ein gewagtes Spiel setzen wollen, der in der Verzweiflung unglücklicher Liebe der Teufel selbst im Fechten seyn kann. Das Landrecht spricht sich deutlich gegen die Duellanten aus. Ich bin wahrhaftig in einer ordentlichen Gewissensangst!“ „Sehr wahr!“ bekräftigte Hayfisch, „auch ich bin mit meinem Gewissen nicht einig, denn ich habe Religion, und diese verbietet mir, meinem Nächsten feindselig gegenüber zu treten.“ „Donnerwetter,“ fuhr der Obristlieutenant heraus, „ich schlage mich auch nicht zum Spas, denn ich bin ein alter Kerl, aber Ausflüchte, meine Herren, gestatte ich nicht. Entweder Siemmen mit, oder ich erkläre Sie öffentlich --“ „Ja, mein Bester,“ fiel Wicke unterbrechend ein, „wir äußerten ja nur eine Ansicht. Wir sind ja ganz bereit! Es denkt ja Niemand an Ausflüchte. Ich analysirte nur die traurige Nothwendigkeit.“ -- „Hier wohnt er,“ rief der Obristlieutenant, „lassen Sie uns hinauf.“ Sie stiegen die Treppe hinauf und traten ein. Agrippinus saß auf dem Sopha und hatte ein Miniaturgemälde in der Hand, das er seufzend betrachtete. Vor ihm stand der Kaffee noch unberührt, links auf dem Tisch waren Schreibmaterialien zu sehen, rechts lag ein Damenhandschuh. Einige Aktenstücke auf einem Stuhl waren dicht bestäubt, ein Zeichen, daß sie lange nicht berührt worden. Angefangene Sonette sah man wie Streusand auf der Diele verbreitet. Alles verrieth den Liebenden und Dichter. Als er die Fremden eintreten sah, erhob er sich langsam feierlich von seinem Sitz und fragte nach ihrem Begehr. Der Obristlieutenant that ihm Bescheid, er entgegnete, daß er erwartet habe, man würde ihm Sekundanten schicken; er sey indeß zu jeder Zeit bereit. Darauf erklärte der Obristlieutenant, daß er es keineswegs den Gesetzen der Ehre gemäß finde, wenn drei gegen Einen aufträten, und schlug ihm vor, durch das Loos zu wählen, wer sich mit ihm schlagen, schießen oder stechen sollte. Dies geschah, das Loos fiel auf Hayfisch. Wicke that einen Luftsprung und schwur, es thue ihm leid, daß er nicht der Kämpfer seyn dürfe. Hayfisch glaubte davon so viel er wollte, fand aber das Lotto fürchterlich. Man kam überein, daß es ein Duell auf den Hieb geben solle. Es wurde nach einem Arzt, nach Wagen und nach einem Sekundanten für Agrippinus geschickt. Die beiden Ersten kamen in einer Viertelstunde, der Letztere bald darauf auch. Der Arzt war ein großer Mann mit schwarzem Haar, dunkeln Augen, hoher Stirn und von lebhafter, fast dunkelrother Gesichtsfarbe; er sprach langsam aber entschlossen, und hatte in seinem dunkeloliven farbenen Ueberrock etwas Imponirendes. Hayfisch freuete sich innigst, daß er es nicht mit ihm zu thun habe. Der Sekundant unsers Agrippinus dagegen war fast eben so blaß, als er, noch viel schmäler von Gesicht und länger von Gestalt. Doch gab ihm etwas gekräuseltes braunes Haar und ein munterer Blick ein zierliches Ansehen. Er schien sein Amt gern zu verwalten und benahm sich genau und pünktlich. Beide waren Landsleute des Blassen. In zwei Wagen fuhren die beiden Partheien nach Strahlheim, wo der Zweikampf sogleich vor sich gehen sollte. Der Obristlieutenant und Wicke waren Sekundanten des kleinmüthigen Gegners, der indeß alle mögliche Fassung zu zeigen suchte. Strahlheim lag eine Stunde von der Residenz an dem Ufer des dort breiteren schönen Stromes. Gegenüber dem Dorfe befand sich ein anderer anmuthiger Flecken, hinter dem sich ein dunkles Erlengebüsch ausbreitete. Dieses hatte man zum Kampfplatz ausersehen, und setzte, nachdem man in Strahlheim abgestiegen war, mit einem kleinen Nachen dahin über. Auf einem mit Rasen bedeckten Fleck, der einen festen ebenen Boden für die Fechter bot, wurde die Mensur genommen und Alles zum Kampf bereitet. Der Obristlieutenant hatte, das muß ich noch bemerken, diesen Ort vorgeschlagen, weil er dadurch der auf heute verabredeten Landparthie noch theilhaft zu werden hoffte; sonst war es eben nicht der gebräuchlichste Platz zu Unternehmungen dieser Art. Die Kämpfer legten nun die Röcke ab und traten auf die Mensur. Hayfisch zupfte seine Halsbinde bis an die Unterlippe hinauf und suchte seine Ohren in derselben zu verbergen. In den Hut, der aufgesetzt wurde, legte er zur Vorsicht noch sein großes Taschentuch und drückte sich dann den filzenen Helm tief ins Gesicht. Agrippinus, der der Sache gewohnter seyn mochte, als der Mäcen aus dem Morgenlande, stand kalt auf der Mensur, ohne weder Furcht noch Zorn zu vermuthen. Die Sekundanten lächelten indeß, als sie den hohen Wall sahen, den Hayfisch um seinen Hals gethürmt hatte, und der Arzt bemerkte: der Herr scheine die Rose oder den Ziegenpeter zu haben, weil er sich so warm halte. Jetzt legte man sich aus; der Mäcen zitterte wie die Blätter der Erlen hinter ihm, mit denen der Wind spielte. Die Klingen wurden gebunden, der erste Hieb geschah. Hayfisch, der sonst nicht übel focht, suchte sich nur zu decken, und duckte mit dem Kopfe unter, wie eine Ente beim Wetterleuchten. „Teufel, Herr! So hauen Sie doch!“ schrie sein Sekundant, der Obristlieutenant, „Sie lassen sich ja den Filz Centner weise vom Deckel hauen, und Ihr Stulp wird auch nächstens ein Hachee abgeben.“ Auf diese Rede wollte Hayfisch ausfallen, wie Falstaff, und führte seine Klinge mit halb zugedrücktem Auge zu einem mächtigen Streich, indem er mit dem rechten Fuß einen guten Schritt vorwärts that. Doch diese blinde Begeisterung hatte die Folge, daß der Mäcen etwas zu schräg zu stehen kam, und auf dem Rasen, der von einem Morgenregen etwas schlüpfrig war, ausglitt und vorwärts auf seinen Gegner stürzte. Dieser hatte a Tempo zum Hieb ausgeholt, und traf nun den Hebräer gerade über den Rücken bis an den Ort, wo dieser seinen ehrlichen Namen verliert, so, daß die Weste und das schenkelverhüllende Gewand von einander platzten, und die Unterhaut, bestehend aus einem wollenen Kamisol und gelben rehledernen Beinschalen, in einem länglichen Ritz sichtbar wurde. Doch der Römer kam schlimmer dabei weg, denn der ungeschickt Fallende streifte ihm beim Sturz den Oberarm mit dem Schläger, und, halb Stich, halb Stoß, traf die Klinge die Hüfte, und drang ziemlich tief ins Fleisch. Die Sekundanten schrien Halt! Hayfisch brüllte Hülfe, Agrippinus fluchte: Verdammtes Pech. Der Arzt sprang ein und untersuchte die Wunde des Römers; sie war nicht gefährlich, hinderte ihn aber doch am Fechten, und daher mußte der Kampf aufgehoben werden, wiewohl die Kampfrichter ihn nicht für beendet erklären konnten. Nachdem Agrippinus verbunden war, trat der aufgeschlitzte Mäcen zu ihm heran und sprach: „Herr Doktor, haben Sie doch die Güte und sehen Sie zu, ob ich bin verwundet; es könnte doch seyn, ich hätte eine Wunde und möchte mich verbluten.“ Alle lachten, und der Mediziner erklärte: „Nein Herr, ~Ihre~ Wunden übersteigen meine Kunst; die muß ein Schneider verbinden. Wir Chirurgen nähen zwar auch, aber ein so langer Schlitz, wie der Ihrige, braucht eine geschicktere Hand.“ Damit hatte das Duell ein Ende. Man setzte sich wieder auf den Nachen und fuhr nach Strahlheim über. Hayfisch, der die Wiederholung des Schauspiels eben nicht wünschte, ließ den Römer durch Wicke fragen, ob er nicht Satisfaktion annehmen wolle. Dieser erklärte sich bereit, falls Hayfisch schriftlich erklären wolle, daß er ihn erstlich nicht verwundet habe, zweitens Alles zurücknehme, was er gegen Carolinen gesagt hatte, und drittens gelobte, nie wieder einen Fuß über Carolinens Schwelle zu setzen. Der Mäcen erklärte sich zu Allem bereit, schrieb die Akte nieder, ließ sich die Wunde zunähen, und die Sache war somit abgethan. Man versöhnte sich demnach, und ein Frühstück in Strahlheim sollte das Siegel des neuen Bundes werden. 12. Die Landparthie. Lord Monday war am andern Morgen zur schönen Henriette gefahren und hatte sie zu der von ihm projektirten Fahrt auf’s Land eingeladen. Sie nahm es unter der Bedingung an, daß sie als ihre eigene Wirthin dabei erscheinen wolle, und behielt sich das Recht vor, selbst einige Gäste mitzubringen. Monday hatte sich zwar andre Pläne gemacht, doch er mußte nachgeben. Brückbauer, mehrere Schauspielerinnen, unter denen auch Auguste und noch einige andere Familien, nahmen Theil. Daß Hemmstoff, der Abbe, auch Regenbogen und der Hanswurst nicht fehlten, läßt sich denken. Henriette theilte, so wie Monday fort war, Wernern, der im andern Zimmer gesessen hatte, sogleich mit, was der Lord gewollt habe. Sie bat ihn, ihr Begleiter zu seyn, um sie gegen Zudringlichkeiten, die sie fürchtete, zu schützen, auch lud sie, um nicht ohne weibliche Begleitung zu seyn, die Tochter ihrer Wirthin, Wilhelmine, ein stilles, bescheidenes Mädchen, zur Theilnahme ein, und redete ihrer alten Pflegerin zu, mitzufahren, um die schöne Sommerluft zu genießen. Um drei Uhr sollte in Strahlheim zu Mittag gegessen werden. In der Hoffnung, dort einige angenehme Morgenstunden zuzubringen, ehe die lärmende Gesellschaft nachkäme, schlug Henriette vor, sogleich zu fahren. Werner besorgte den Wagen; in einer Viertelstunde war man auf dem Wege. Unsere Duellanten saßen gerade beim Versöhnungsfrühstück, als der Wagen vor das Wirthshaus rollte, und Henriette in einem leichten weißen Sommeranzug, anmuthig wie eine Grazie, aus dem Gebüsch des Einganges trat, und an Werners Arm den Gartenpfad hinaufwandelte. Man war höchst überrascht, doch es war keine Zeit die Trinkanstalten aus dem Wege zu räumen, denn noch ehe man sich besonnen hatte, öffnete sich schon die Saalthüre und Henriette trat ein. Man sprang auf, um sie zu begrüßen; sie erstaunte sehr, die Herren schon hier zu finden. Noch höher aber stieg ihre Verwunderung, als sie die Waffen und anderes Duellgeräth auf einem Tische liegen sah. „Mein Gott, meine Herren!“ rief sie, „ich trete hier wol ganz unvermuthet und störend ein? Was ist hier vorgegangen, oder was soll geschehen? Ich bin zu einer Landparthie geladen, von der ich mir, den schönen Vormittag zu genießen, einige Stunden vorausgenommen habe.“ „Eben das,“ entgegnete der Obristlieutenant, „haben auch wir gethan; es erfreut mich ungemein, daß wir uns auf gleichen Gedanken begegnen. Darf man Sie, meine Schönste, zum Frühstück einladen?“ „Ich danke Ihnen sehr,“ entgegnete Henriette, „ich ziehe es vor, noch einen Morgenspatziergang mit meiner Begleitung zu machen. In kurzer Zeit komme ich zurück; lassen Sie sich indeß durchaus nicht stören.“ Mit diesen Worten verließ sie den Saal. Draußen wandte sie sich an Werner: „Um Gottes Willen, lieber Werner, ich habe Waffen gesehen; erzeigen Sie mir die Freundschaft und suchen Sie zu erfahren, was hier vorgeht oder vorgehen soll.“ „Nach meiner Kenntniß der Dinge -- vorgegangen ist,“ erwiederte Werner, „und wahrscheinlich ganz glücklich abgelaufen; doch will ich das Nähere zu erfahren suchen.“ „Wenn nur ich nicht wieder die unschuldige Ursache gewesen bin; das beunruhigt mich so sehr,“ entgegnete Henriette. Werner tröstete sie darüber, und versprach ihr, noch Vormittag Nachricht deßhalb zu schaffen. Man schlug jetzt einen schattigen Weg nach einer mit hohem Gras bewachsenen Wiese ein, die rings von dem Strom umschlossen wurde. Auf ihrer Mitte stand, von alten ehrwürdigen Bäumen umgeben, die Dorfkirche, welche dem Ort eine fromme heimliche Stille verlieh. Hier setzten sich unsre Wandernden auf den Rasen und erfreueten sich an dem lieblichen Gemälde, das durch die heiterste Beleuchtung und den reinen Hintergrund des blauen wolkenlosen Himmels noch an Reiz gewann. Werner und Henriette sahen sich stumm an, doch ihre Blicke sprachen die ganze Seligkeit der innigst Vereinigten aus. Indem hörte man das Gras rauschen, und siehe da, die Herren von der Gesellschaft im Wirthshause hatten sich aufgemacht, um den Spatzierenden zu folgen. Jetzt entspann sich unter ihnen ein Gespräch, das wir mittheilen wollen, wenn wir zuvor die lagernde Gruppe gezeichnet haben. Die Hauptfigur, um die sich die andern gruppirten, war natürlich Henriette. Sie saß auf einem dicht mit Moos bedeckten Steine, am Fuße einer alten breitästigen Linde; neben ihr zur Linken die stille schüchterne Wilhelmine etwas niedriger; rechts, halb zu ihren Füßen, hatte Werner seinen Platz genommen, nämlich so, daß er ihr, ohne sich merklich zu wenden, in das liebe Angesicht schauen konnte. Bescheiden zurückgezogen, hinter Henrietten, hatte sich die alte Wärterin mit einem Strickstrumpf niedergelassen, und lehnte sich seitwärts an den Stamm der Linde. Wicke, Hayfisch, der Obristlieutenant und die feindliche Parthei, aus dem Sekundanten, dem Arzt und dem Verwundeten bestehend, waren jetzt nachgekommen und suchten sich, nach guter Malerordnung, der Hauptfigur so nahe als möglich anzuschmiegen. Wicke traf es gut, indem er zunächst neben Wilhelminen Platz nahm; Hayfisch und der Obristlieutenant reiheten sich hinter ihm an. Denn Keiner mochte hinüber zu Werner, der ihnen mehr als ein Dorn im Auge war. Doch Agrippinus, der ihn nicht kannte, ihm zunächst der Sekundant, und als starker Beschützer des Flügels, der große schwarzaugige und schwarzlockige Arzt, schlossen sich an die gegenüberstehende Seite an. So lagerten die Duellanten also fast wie zwei feindliche Armeen einander gegenüber. Doch in der Mitte thronte die anmuthige Göttin der Schönheit und hielt die wilden Horden im Zaum. Wicke nahm nach der ersten Begrüßung so das Wort: „Ein glücklicher Gedanke von Ihnen, schönste Henriette, daß Sie so früh hinaus in die Arme der reizenden Natur geeilt sind. Doch Ihre Erscheinung im Saale war so flüchtig, so überraschend, daß wir kaum Fassung gewinnen konnten, Sie zu begrüßen, viel weniger ich dazu kam, Ihnen noch meine mündliche Entschuldigung über das Mißverständniß“ -- ~Henriette.~ Lassen wir das, Herr Rath. Die Gegend ist hier zu ländlich, das Wetter zu schön, um die Welt mit Allem, was sie Lästiges und Drückendes hat, nicht von Herzen gern zu vergessen. Erzählen Sie uns lieber, was Sie und die Herren so früh herausgeführt hat. ~Wicke.~ Die Sehnsucht nach dem Genuß der Natur. ~Der Arzt.~ Der Wunsch, uns eine kleine Bewegung zu machen. Auch der Körper will ein Recht. ~Werner.~ Es wird ihm hoffentlich bekommen? ~Arzt.~ O, vortrefflich. Bewegung und Aderlaß sind das Gesundeste für den Städter. ~Werner.~ Auch Aderlaß? So! Der Römer erröthete; Hayfisch sah stolz aus. ~Der Obristlieutenant.~ Wer wird noch Alles von der Parthie seyn? Wir sind so früh gefahren, daß wir nicht einmal wissen, wie das Fest arangirt ist. Ich war auch heute nach P--m und Ch--burg geladen. Aber wer kann überall seyn! ~Werner.~ Ja, das ist eine Kunst, die man üben muß. Nicht wahr, Herr Obristlieutenant? ~Obristlieut.~ Freilich, _ars longa, vita brevum est_. ~Arzt.~ Freilich! Und Sie führen gleich den Beweis. ~Obristlieut.~ Beweis! Wie so? ~Arzt.~ Fragen Sie nur den Römer. Agrippinus, nicht so? ~Agrippinus~ (aus einer Abwesenheit zurückkommend) O, ganz natürlich. Es ist außerordentlich! ~Sekundant.~ Wo warst Du? ~Arzt.~ Vermuthlich am jenseitigen Ufer. ~Werner.~ Oder in der Stadt. ~Agrippinus.~ Verzeihen Sie. Ein Vorfall, der mir gestern Abend begegnete, hat mich beschäftigt. ~Arzt.~ O ja, ich glaube, schon den ganzen Vormittag. ~Henriette.~ Ei meine Herren, lassen Sie doch dem Herrn seine Weise. Ich finde den Tag und die Gegend ganz geeignet, sich seinen Gedanken zu überlassen. Ich selbst habe eine Neigung dazu. ~Wicke.~ Sie haben ~sie~ auch mit Recht; allein wer bei Ihnen abwesend ist, wo sollte der anwesend seyn? ~Hayfisch.~ Gewiß, der Rath sagt wahr. Ganz meine Meinung. ~Henriette.~ Meine Herren, die Artigkeiten, die man auf Kosten Anderer hört, sind verdächtig; es deucht mir, man hört sie nur, weil man eben da ist, die andern abwesend. ~Sekundant.~ Das wäre nicht unbillig. Der Lebende hat Recht, sagt Schiller. ~Wicke.~ O erhabener Dichter! Wie wahr! ~Arzt.~ Es hat seine Seiten. Die meisten Lebenden glauben zwar, Recht zu haben, beschweren sich aber immer, daß sie’s nicht bekommen. ~Henriette.~ Ist die Aussicht hier nicht recht schön? Man spricht so viel von der dürftigen Landschaft hier rings umher; ein genügsamer Sinn findet doch manche liebe Stelle. ~Arzt.~ Ja, ein Genügsamer. ~Hayfisch.~ Dort das Erlengebüsch am jenseitigen Ufer macht sich reizend. ~Sekundant.~ Vielleicht knüpft sich manche interessante Erinnerung für Sie daran. ~Arzt.~ Sie haben vielleicht dort oft auf dem schwellenden Rasen gelegen. ~Obristlieut.~ Wohl dem, der vergißt, Was nicht zu ändern ist. ~Hayfisch.~ Sie sind reich an Stellen aus Dichtern. Erlauben sie mir auch eine: Die That, nicht sein Geschick, bewährt den Mann. ~Arzt.~ Das schlimmste Geschick ist das Ungeschick! ~Henriette.~ Die Herren sprechen ja so räthselhaft! ~Arzt.~ Der Mensch versuche die Götter nicht, Und begehre nimmer und nimmer zu schauen, Was sie gnädig verhüllen mit Nacht und mit Grauen. ~Sekundant~ (halb laut). Mit Nadel und grauem Zwirn. ~Henriette.~ O, ich will nicht in Ihre Geheimnisse dringen. Aber sehen Sie Herrn Agrippinus; er ist wirklich schon wieder tausend Meilen von uns. ~Arzt.~ Nicht ganz so weit, glaub ich. Doch ich kenne einen Zauber, mit dem ich ihn zu uns banne. (Er singt): _Un troubador_ -- ~Agrippinus~ (fährt auf). ~Arzt.~ Sehen Sie! Das wirkt so rasch, wie Blausäure. ~Agrippinus.~ Ich habe wirklich um Verzeihung zu bitten, es ist so manches -- ich dachte -- ~Henriette.~ Mein Gott, warum denn Entschuldigungen? Sie sollten aber ihre Freunde anklagen, die nicht ganz ohne Schelmerei gegen Sie zu verfahren scheinen. Wir sind ja hier auf dem Lande; der ängstliche Zwang der Gesellschaften muß hier wegfallen. Wie wäre es, wenn wir ein wenig auf der Wiese umhergingen! Das zerstreut vielleicht die trüben Wolken von der Stirn unsers nachdenkenden Gesellschafters. Man nahm den Vorschlag mit Vergnügen auf. Die Ruhenden erhoben sich und begleiteten die reizende Henriette, die muntern Schrittes voran über die Wiese hüpfte. Sie sah heiter aus, wie der Frühling. Das leichte Gewand flatterte im frischen Zuge der Luft, die braunen Locken fielen reizend über ihren Nacken, und sie nahm den schirmenden Sommerhut ab, um die Lüfte frei um die lieblich blühenden Wangen spielen zu lassen. „Sie ist ein Engel!“ flüsterte Wicke dem Obristlieutenant in’s Ohr. „Ja, für sie,“ fiel Hayfisch ein, „wäre es noch der Mühe werth gewesen, das Leben zu wagen.“ Dabei brüstete er sich und sah stolz umher. -- Es wurde indeß nach und nach wärmer, ja sogar ziemlich heiß. Alles war in leichten Sommerkleidern und empfand daher die Wärme nicht so sehr. Doch Wicke und Hayfisch, deren Vorsicht sie zu dreihäutigen Schlangen gemacht hatte, bewegten sich keuchend in ihren winterlichen Gewändern. Sie waren daher froh, als Henriette ihren raschen Schritt einigermaßen anhielt und langsamer den Weg zurück nach dem Dörfchen einschlug. Werner hatte sich ihr genähert, sie nahm seinen Arm und lehnte sich recht vertraulich auf ihn, indem sie ihn mit einem unbeschreiblich holden Blick ansah. Wicke, Hayfisch und der Obristlieutenant gingen hinterher. „Der verdammte Musikant,“ fing der Letztere an, „ich wollte, der Teufel holte den Geigenkratzer, oder was er sonst seyn mag. Ist er denn nicht immer der Nächste an ihr? Und unser einer muß demüthig nachziehen!“ „Ja, es ist zum Verzweifeln!“ rief Wicke. „Sehen Sie, die Kleine ist heut so allerliebst, daß ich im Stande wäre, mich ernsthaft in sie zu verlieben! Ja wahrhaftig, ich glaube, ich könnte ihr meine Hand antragen, wenn ich nicht fürstlicher Rath wäre!“ „Wahrhaftig, Rath,“ sprach Hayfisch, „ich hab’s auch still bei mir gedacht; sie ist so verführerisch, die kleine Kokette, daß, wenn ich eine Messaliance thun könnte, sie die einzige wäre, die mich dazu zu verleiten im Stande wäre.“ „Sacht, sacht, meine Herrn,“ erwiederte der Obrist-Lieutenant, „wenn es der Musikant hört, so ist der Teufel los, und man könnte sich doch mit dem nicht schlagen.“ Unter diesen Gesprächen waren sie ins Dorf gekommen und langten bald vor dem Wirthshause an. Da noch niemand von den erwarteten Herrschaften angelangt war, gingen die Herrn ein wenig auf den großen Weg hinaus, um den Ankommenden zu begegnen, während Henriette, Wilhelmine und die Pflegerin sich hinauf begaben, um ein wenig zu ruhen. Als die Herrn vors Dorf kamen, bemerkten sie einen Zug Artillerie, der aus mehreren Wagen und Geschützen bestand, und die Chaussee hinab nach der Stadt fuhr. Sie freuten sich der schönen Ordnung der Bespannung und der wohlgebauten Fahrzeuge. Der Offizier, ein schöner stattlicher Mann, der den Zug zu Pferde begleitete, kannte den Obrist-Lieutenant, sie begrüßten sich, und der Hauptmann hielt sein Pferd an, um mit den Herrn einige Worte zu sprechen. Indessen marschirte der Zug weiter. Die Herrn verwickelten sich in ein Gespräch, das wohl zehn Minuten gedauert haben mochte, so daß die Kanonen ihnen schon fast aus dem Gesichte gekommen waren. Jetzt sah sich der Hauptmann um, und fand für gut, seiner Mannschaft eiligst nachzusprengen, nachdem er zuvor versprochen hatte, noch nach Strahlheim heraus zu kommen, um an der Landparthie Theil zu nehmen. Im vollen Gallopp ritt er davon, daß der Staub hinter ihm hoch aufstieg. Unsere Freunde wandelten indeß die Chaussee noch etwa hundert Schritte weiter hinauf bis an eine Stelle, wo sie sich theilte und in zwei Armen nach zwei verschiedenen Stadtthoren führte. Hier setzten sie sich auf eine am Wege stehende Bank, um abzuwarten, wenn die ersten Wagen der Gesellschaft ankommen würden. 13. Die Wette. Die Ankommenden. Das Mittagsessen. Nach einigen Minuten hörten sie das Gerassel eines Pferdes, und sahen Staub auf der Straße aufsteigen, die die Artillerie nicht gefahren war. Bald erkannte man einen Reuter, der in vollem Carriere daher sprengte. Als er näher kam, sah man, daß es der Rittmeister Holm von der fürstlichen Leibgarde war, der ebenfalls zu den Verehrern der schönen Henriette gehörte. Er parirte auf dem Punkt, wo die Straßen zusammen kamen, und sein erstes Wort war: „Ist der Lord Monday schon hier?“ „Nein,“ war die Antwort. „So habe ich hundert Flaschen Champagner gewonnen, und die hat mein Schimmel verdient, dafür soll er auf Ehre das ganze Jahr reinen Hafer fressen! Aber zum Teufel, der Lord kommt ja noch nicht? Zu sehn müßte er doch wenigstens seyn.“ „Was hats denn gegeben, lieber Rittmeister?“ fragte der Obrist-Lieutenant. „Wir haben gewettet, wer der Erste hier seyn würde. Vom A. Platz sind wir zugleich ausgeritten. Ich durchs F-- Thor, er durch St-- Thor. Sein Weg ist etwa hundert Schritt länger als der meinige, aber die hat er auf seine braune Stute gerechnet. Hier war das Ziel der Wette. Wer zuerst ankäme, sollte den andern hier erwarten. Ich kann mir nicht anders denken, als daß er gestürzt seyn muß, denn ich hoffte auf meine Ehre nicht die Wette zu gewinnen, weil die Stute ein kapitales Pferd ist. Mein Schimmel ist auch keine Kuh, im Gegentheil ein äußerst braves Pferd, aber die Stute!“ Hier unterbrach ihn Werner: „Da es wahrscheinlich ist, daß der Lord gestürzt sey, so dächt ich, machten wir uns auf den Weg ihm entgegen!“ „Ja, auf Ehre, Sie haben Recht, mein Liebster,“ sprach der Rittmeister, „der arme Kerl hat vielleicht ein Unglück gehabt. Ich werde sacht voraus traben, mein Pferd darf sich so nicht rasch abkühlen. Sie sind doch meine Zeugen, daß ich zuerst hier gewesen bin?“ Damit trabte er die Chaussee hinunter. Doch ehe er noch hundert Schritte geritten war, sah man schon den Lord um die Ecke des Weges reiten. Sein Pferd jagte ebenfalls _ventre à terre_. Als er den Rittmeister ansichtig wurde, parirte er und ritt ihm im Schritt entgegen. Beide kehrten zusammen um, und der Rittmeister schien vor Lachen bersten zu wollen. Denn er saß auf dem Pferde und hielt sich beide Seiten, indem er den Oberleib immer auf und nieder beugte. Endlich vereinigten sich die Reuter mit der Gesellschaft, und nun erzählte der Lord sein Unglück. „Goddam,“ rief er, „die verteufelte Artillerie. Ich kam wie ein Wetter die Chaussee herunter geritten, da versperrte mir die Kolonne den Weg. Ich schrie. Platz! Platz! Aber alle Kanonier sind taub wie Holz. Ich wollt’ es wagen und an der Seite vorbei reiten, obwohl ich einen Fuß dabei lassen konnte, allein meine verwünschte Stute scheute sich vor den Kanonen, denn ich habe sie einmal beim Maneuvre zu nah in den Schuß geritten, sie prallte zurück, bäumte sich, überschlug sich, und da lag ich im Staube. Die Leute halfen mir dann wieder auf und klopften mir den Staub ab. Aber die Wette ist verloren.“ Der Obrist-Lieutenant äußerte sein Bedauren über dieses Mißgeschick, und fragte, woher denn der Lord die rothen und blauen Streifen im Gesichte habe, die sogar an einigen Stellen ein wenig mit Blut unterlaufen zu seyn schienen? „Ich muß mit dem Gesicht durch die Pappelzweige gestreift seyn,“ erwiederte der Lord und wurde etwas roth; Werner maß die Höhe, in der die Zweige anfingen und schüttelte den Kopf. Der Rittmeister konnte nicht aufhören zu lachen, und rief, einmal über das andere: „Die Artillerie soll leben!“ Ein Reitknecht des Lords, der mittlerweile nachgekommen war, nahm ihm und dem Rittmeister die Pferde ab. Darauf setzte die ganze Gesellschaft sich wiederum auf die Bank an der Ecke, um die Theilnehmer der Landparthie ankommen zu sehn. Zuerst rollte ein Whisky herbei, auf welchem Regenbogen in der zierlichsten Sommerkleidung saß. Die untere Hälfte seines eleganten Ichs war weiß, die obere hellgrün; ein silbergrauer Pariser Strohhut schützte ihn vor der Sonne; eine Badine spielte nachläßig in seiner Hand. Man konnte die Toilette nicht geschmackvoller wählen. Dies Zeugniß hatte er sich, als er vor dem Einsteigen noch einmal in den Spiegel schaute, selbst gegeben, indem er ausrief: „Regenbogen, du siehst aus wie die Grazie der ländlichen Gefilde!“ Hinter diesem rollten der Hanswurst und Hemmstoff, auf deren neugierigen Gesichtern man die Frage nach dem Duell las. Die stolze Miene des Siegers Hayfisch, denn dafür hielt er sich, bezeugte ihnen, daß ihm kein Haar gekrümmt sey. Jetzt fuhr der Director Brückbauer mit seiner Gemahlin und Augusten an den Herrn vorüber und ins Dorf hinein. Wicke und Hemmstoff grüßten höflichst beflissen, doch Auguste erwiederte das Kompliment sehr kalt. Nach einigen Minuten rollte auch der Regisseur mit zwei Damen vom Theater herbei, und rasselte vor das Wirthshaus. Mehrere uns unbekannte Familien mögen unbekannt bleiben. Ganz zuletzt kam unser Freund, der Abbe, der ein Frühstück, zu dem er bei einer alten Freundin, der Frau von W. geladen war, nicht hatte im Stich lassen wollen. Als man ihn deshalb neckte, sprach er: _que voulez vous? Est ce que le prêtre doit être le premier dans l’eglise?_ -- Wir lassen nun die vereinigte Gesellschaft gemächlich ins Wirthshaus gehn und sich an die Tafel setzen. Der Lord wollte Henrietten zu Tisch führen, allein sie erwiederte ihm ausweichend: „Ihro Herrlichkeit, ich darf nicht vergessen, daß ich Gäste habe,“ nahm Werners Arm, der auch Wilhelminen führen mußte, und ließ zur Linken ihre alte Pflegerin sitzen. Wicke hatte Augusten den Arm geboten, doch sie entschuldigte sich damit, daß sie zu Brückbauer gehöre, und ließ ihn stehn. Hemmstoff wußte, daß es ihm nicht besser gehen würde, daher fürchtete er sich einen Versuch zu machen. Er hielt sich also zum Abbe, der sich wieder an das Essen und die Flasche zu halten dachte. Sie paßten überhaupt beide vortrefflich zusammen. Nicht allein wegen ihrer ähnlichen Neigungen und gastronomischen Bestrebungen, sondern auch weil von beider Haupt ein lichter Mondschein (der Heiligenschein der Lebemänner) herabdämmerte. Da der Lord mit dem Gestirne seiner Liebe nicht in Conjunktion kommen konnte, so hatte er die Stellung im Gegenschein für die vortheilhafteste gehalten, und sich gerade gegenüber gesetzt. Von diesem Platze bestrahlte er sie mit feurigem Blicke und strömte eine Lavafluth von begeisterten Reden aus, die das Herz seiner Göttin bei ihm erwärmen sollte. Doch Werner wußte geschickt mitunter einen Eiszapfen in des Lords glühenden Busen zu stecken, der ihn sichtlich fast erstarren machte. So fragte er ihn z. B. einmal mitten in der Rede, ob nicht der Graf Klammheim aus W. angekommen sey; er habe gestern eine Equipage mit der Livree desselben fahren sehn. Der Lord, mochte er nun glauben, daß er angeführt worden sey, oder daß ein Mißverständniß obgewaltet habe, mußte diese Erinnerung höchst verdrießlich empfinden. Denn er hatte eine halbe Ahnung, daß er doch vielleicht ein wichtiges Gespräch versäumt haben möge, und fühlte sich nicht vorwurfsfrei, indem er weder, wohin er geritten war, in seinem Hotel hinterlassen, noch sich näher erkundigt hatte, ob der Graf wirklich angekommen sey. Deshalb stockte plötzlich der Strom seiner Rede, und er antwortete nur kurz: „Ich habe auch davon gehört, es mag aber ein Mißverständniß seyn; bei mir ist er noch nicht gewesen.“ Nach einigen Minuten richtete er wieder eine starke Apostrophe an Henrietten. Plötzlich fuhr Werner dazwischen. „Ach, Sie wissen noch gar nichts von dem Unglück Ihrer Herrlichkeit! Sehen Sie, Sie haben eine Wette verloren und sind noch dazu vom Pferde geworfen worden, und was das schlimmste ist, in die Zweige der Pappeln hinein. Sehn Sie nur die rothen Striche auf Ihrer Herrlichkeit Antlitz; das sind die Spuren davon!“ „Das thut mir leid,“ sagte Henriette aufrichtig, „nur begreife ich nicht,“ fügte sie unschuldig hinzu, „wie sie in die Pappelzweige gerathen sind. Die scheinen mir doch viel höher zu seyn als ein Reuter.“ „Ei,“ rief Werner, „das Pferd hat ihre Herrlichkeit vermuthlich erst hoch in die Luft geworfen!“ „Das muß ein schrecklicher Fall gewesen seyn,“ bedauerte Henriette. „Eine Kleinigkeit, _passons la dessus_,“ erwiederte der Lord, „Sie sehn, ich bin ganz wohl.“ Doch dies schien nicht wahr zu seyn, denn plötzlich wurde er blaß und roth, und kam fast außer Faßung. Unmöglich konnte die Ursach davon die seyn, daß der Artillerie-Hauptmann, der noch nach Strahlheim zu kommen versprochen hatte, eben unvermuthet in den Saal trat. Doch ließ sich nichts anders ersinnen, was Sr. Herrlichkeit so in Unruhe hätte setzen können; es mußte daher wohl die Erinnerung an den Fall, und den damit verknüpften Verlust und Aerger seyn, die durch die Erscheinung des Artillerie-Offiziers aufs neue höchst lebhaft erweckt wurde. Auch der Hauptmann war erstaunt, erwähnte indeß nichts von dem Vorfall (vermuthlich aus Delikatesse) und nahm neben dem Obrist-Lieutenant Platz. Die letzt erzählte Agitation hatte den Lord ganz einsilbig gemacht, und es ist eben weiter nicht viel von ihm zu erzählen. Die ganze Tafelzeit verstrich überdies unter unbedeutenden Gesprächen, so daß wir sie kurz überspringen können. Den Kaffee nahm die Gesellschaft auf dem Balkon ein. 14. Spiele auf der Wiese. Die Wasserfahrt. Die Sonne war jetzt allmählig tiefer gesunken, und man fand die Zeit sehr passend, um auf der Wiese einige Spiele zu veranstalten. Wicke und Hayfisch schlugen dagegen eine Wasserfahrt vor, allein der Obrist-Lieutenant widersprach ihnen, und meinte die Wasserfahrt müsse gemacht werden, wenn sich die Sonne fast zum Untergang neigte, weil dann erstlich die Landschaft am schönsten beleuchtet sey, und zweitens das Blenden und Stechen der Sonne, was auf dem Wasser unerträglich sey, aufhöre. „Zudem,“ fügte er in einer bei ihm seltenen Begeisterung hinzu, „was läßt sich reizenderes denken, als in der lieblichen Abendkühle auf den purpurn sich brechenden Wellen zu treiben und den Mond abzuwarten, der heut voll wird, und herrlich aufgehn muß? Entscheiden Sie, schöne Henriette, habe ich nicht Recht?“ Henriette erwiederte: „Ich habe hier nur ~eine~ Stimme zu geben, und die ist mit Vergnügen die Ihrige, doch behaupte ich, daß die Damen einzeln befragt werden müssen, ob sie die Kühle des Abends nicht fürchten. Wenn das wäre, so müßten wir lieber jetzt fahren und die Spiele aufgeben.“ Dies geschah, doch alle entschieden sich für den Obrist-Lieutenant. Man konnte eigentlich nicht recht begreifen, was Wicke und Hayfisch gegen die Gesellschaftsspiele hatten, doch der Obrist-Lieutenant schien es geahnt zu haben, und wußte sie nachher in die Enge zu treiben. Es war nämlich nichts anders, als ihre vorsichtige Kleidung, in der sie schon Hitze genug ausstanden, die sie nicht durch Springen und Laufen vermehren mochten. Als man daher auf die Wiese gegangen war und berathschlagte, was man spielen könnte, schlug er zuerst das Spiel: ~Katze~ und ~Maus~ vor, welches mit Beifall angenommen wurde. Unter den Damen wurde durchs Loos die Maus, unter den Herrn die Katze bestimmt. Der Obrist-Lieutenant, der alles anordnete, wußte es so einzurichten, daß Wicke die Katze spielen mußte. Er machte tausend Entschuldigungen, allein es half ihm nichts. Der Zufall wollte, daß Henrietten das Loos der Maus zugefallen war. Es war jetzt Wickes Aufgabe, die niedliche Maus zu haschen, und unter andern Umständen hätte ihm nichts willkommener seyn können, auch ward der Lord förmlich eifersüchtig auf ihn: doch jetzt, wo er vor Hitze schon fast umkommen wollte, schien es ihm eine förmliche Pein. Er hätte sich gerne langsam und träge benommen, allein das würde ihm solche Neckereien gebracht haben, daß er dachte, „thue dein Möglichstes, sie rasch zu greifen, so ist der Scherz bald vorbei.“ Der Kreis wurde jetzt geschlossen, und der Katze ein Durchgang angewiesen, während die Maus überall den Freipaß des Aus- und Einganges erhielt. Wicke stand außerhalb des Kreises, Henriette inwendig. Das Signal wurde gegeben, und der Rath sprang, wie ein Löwe auf die Beute, mit einem ungeheuren Satz auf Henrietten zu. Doch sie bückte sich leicht und war außerhalb des Kreises. Jetzt versuchte Wicke die Mauer zu durchbrechen. Er rannte sich dreimal als Mauerbrecher gegen den Lord und den Obrist-Lieutenant, doch vergeblich. Jetzt wandte er sich zur List. Durch verstellten Angriff suchte er Henrietten in die Nähe der Stelle zu treiben, wo ihm der Ausgang offenstand. Dies gelang ihm, doch floß der Schweiß schon in großen Tropfen von seiner Stirn. Jetzt plötzlich wandte er sich und schoß hinaus. Die überraschte Henriette, der nicht mehr Zeit genug blieb, sich in den Kreis zu begeben, floh wie eine Taube rings um denselben herum, und Wicke hinterdrein, wie Achill hinter Hektor. Da er aber schon fast athemlos war, konnte er die leichtfüßige Grazie nicht einholen, und als sie dies bemerkte, hüpfte sie ohne Anstrengung vor ihm her, dreimal um den Kreis herum, während der Rath schwer keuchend nachsetzte. Ein helles Gelächter brachte den armen Teufel noch mehr in Wuth, und er beschloß nun alles daran zu setzen, um sich den Fang nicht entgehen zu lassen. Allein die Jugend war auch eben nicht sein Fehler, und er fing jetzt erst an, das erste Mal zu bemerken, daß er eigentlich schon das sey, was der französische Lustspieldichter einen alten Jüngling nennt, denn die Glieder wollten dem Willen nicht mehr gehorchen, und fast brachen schon die Kniee unter ihm zusammen. Henriette schlüpfte jetzt in den Kreis und verschaffte ihm dadurch Luft, indem er nun nicht mehr nöthig hatte, sie zu verfolgen, sondern sie sich (man verzeihe den Jagdausdruck) stellen konnte. Mit einem Male ging es ihm wie ein Blitz auf. Daß Agrippinus seiner Wunde wegen nicht eben fest halten konnte, war natürlich, zugleich stand neben diesem die schüchterne Wilhelmine. Napoleon hat nie einen so glücklichen Operationsplan entworfen als Wicke in dem Augenblick machte. Dort, nirgend anders, war der Schlüssel zur Position. Durch Scheinangriffe trieb er Henrietten auf die morsche Stelle in der Mauer. Kaum hatte er sie daselbst, so rannte er an wie eine Schneelavine, brach glücklich durch, und -- plumpte lang auf den Rasen nieder, während Henriette durch eine behende Bewegung entrann. Durch den Chok waren ihm sämmtliche Westenbänder geplatzt, auch hatten die Tragbänder einen starken Riß bekommen; daher mußte er nun die Sache aufgeben, und bekannte mit verzweifelter Miene, er könne nicht mehr. Der Oberst-Lieutenant, der Sekundant und der Arzt, die die Sache ahnen mochten, lachten innerlichst vergnügt über das unwillkührliche russische Bad, welches Wicke nehmen mußte. -- Man schlug jetzt ein anderes Spiel vor, nämlich: den dritten abzujagen. Ich beschreibe das Spiel nicht weil es jedermann kennt. Werner war zuerst der Führer des Plumpsacks; er schien durch eine glückliche Divinationsgabe zu ahnen, daß Hayfisch eben so wenig zum Laufen angekleidet seyn möchte als Wicke, daher lauerte er ihm auf und traf ihn glücklich. Er hatte sich nicht geirrt, denn Hayfisch schien in einer Art von Verzweiflung, daß das Unglück ihn so verfolgte. Kleinmüthig nahm er das linnene Zepter seiner Würde, und setzte sich in Lauf. Er kalkulirte richtig, daß Wicke der Erschöpfteste seyn müßte, und glaubte ihn daher am leichtesten zu haschen; deshalb richtete er sein Auge auf ihn. Dieser, der sich kaum erholt hatte, sah sein Geschick nahen; die Furcht gab ihm Flügel zum Entweichen. Er hüpfte wie ein Gemsbock und Hayfisch schoß hinterdrein. Wie Tantalus nach der Frucht, strebte der Mäcen nach dem Rath. Die Hoffnung, sein entsetzliches Amt los zu werden, gab ihm nach jedem mißlungenen Versuch neue Kräfte, und Wicke strengte die seinigen bis aufs äußerste an, um nur dem schrecklichen Verderben zu entrinnen. Wie zwei glühende Bolzen sahen die beiden Duellanten aus. Doch ihre gegenseitige Hoffnung und Furcht hielt sich so die Wage, daß sie sich gegen eine Viertelstunde jagten, ohne dem Ziele näher zu kommen. Endlich keuchte Hayfisch: Ich kann nicht mehr, ich muß bitten mich abzulösen, oder ein andres Spiel anzufangen. Das letzte wurde angenommen, und der Obrist-Lieutenant schlug das Wittwerspiel vor, wo hintereinander stehende Paare sich trennen, eine Strecke laufen, und sich wieder vereinigen müssen, ohne von einem heirathssüchtigen Wittwer, der sich eine Frau greifen will, geschieden zu werden. Bei diesem Spiel, wo freilich nicht jede Bewegung streng abgemessen werden kann, hoffte der Lord das gegen Henrietten auszuüben, was er ländliche Freiheiten nannte. Er ließ es sich daher gerne gefallen der erste Wittwer zu seyn. Henriette stand mit Werner gepaart; ein Grund mehr für den Lord, dem verhaßten Musikus die schöne Spiel-Verlobte abzunehmen. Er ließ daher alle Paare ziemlich ruhig vorbeilaufen, ohne sich sehr anzustrengen, und merkte sich nur, wenn Werner und Henriette kommen würden. Doch Werner brauchte die erlaubte List, zu der der Hanswurst ihm behülflich war, seinen Platz zu tauschen, und ließ diesen, der mit dem langen hagern Sekundanten gepaart stand (denn es fehlte an Damen, um die bunte Reihe vollständig zu machen) an seiner Stelle laufen. Der Lord, der sich nicht umsehen durfte, glaubte gewiß Henrietten zu greifen, sprang daher wie ein Pfeil nach der Seite herum, wo die Dame ankommen mußte, und hielt -- den Hanswurst in seinen Armen, der ihn sogleich Mylady anredete und sich seiner glücklichen Verbindung freuete, die zum Verdruß des Lords auch glücklich bis ans Ende des Spiels fortdauerte. -- Jetzt war der Abend so weit vorgerückt, daß man die Wasserfahrt beginnen wollte. Ein geschmückter Nachen, der die ganze Gesellschaft aufnehmen konnte, lag bereit; in einem zweiten folgten mehrere Spielleute mit Blasinstrumenten, die Werner bestellt hatte. Der Strom lag licht und eben wie ein Spiegel; die Sonnenstrahlen fielen schon röthlich in die Wellen und umzogen die Stadt, deren Thürme sich in der Fluth spiegelten, mit einem goldnen wunderbaren Duft. Denn grade hinter der Residenz ging die Sonne unter. Hatte man in dieses Prachtgemälde eine Zeitlang hineingeschaut, so erquickte sich dagegen der Blick nach der andern Seite durch die ruhige, tiefe dämmernde Bläue in der der Horizont lag, und durch die frischgrünen Ufer und Inseln, die der dunkelblaue Strom zierlich umschloß. Der Nachen wiegte sich sanft auf den leise bewegten Wellen, die die angenehmste Kühlung aushauchten; der Himmel spannte sich klar und blau über die Erde; die ganze wehmüthig feierliche Stille des Abends herrschte auf der Flur und dem Gewässer. Durchdrungen von der Schönheit des Anblicks, von dem wonnigen Hauch der lauen Abendlüfte selig erquickt, überdrängt von den Gefühlen der eigenen Brust traten die Thränen in Henriettens Auge, und wie von einer höhern Macht begeistert, ergriff sie eine Guitarre und sang dazu mit ihrer seelenvollen Stimme ein Lied, das in Aller Brust die wunderbarsten Gefühle weckte. Werner saß neben ihr, und drückte ihr, als sie geendigt hatte, in tiefster Bewegung die Hand. Wie entzückt würde er ihr ans Herz gesunken seyn, wenn er jetzt gedurft hätte! So trug er seine Wonne in sich, und nur durch den leisen Druck der Hand und durch begegnende Blicke verständigten sich die Liebenden. Der Lord hatte dies so halb und halb gesehn, und ergrimmte innerlichst darüber. „Ich glaube wahrhaftig,“ sagte er leise zum Obrist-Lieutenant, „der unverschämte Musikant wird dreist gegen den kleinen Engel. Wenn ich das wüßte, sollte ihn der Teufel holen. Ich wäre im Stande und peitschte ihn aus.“ Diese Worte hörte der Artillerie-Hauptmann, und fragte ziemlich laut: „Ew. Herrlichkeit sprechen vom Auspeitschen? Wie kommen Sie darauf?“ Der Lord schwieg, der Hauptmann lächelte ziemlich unverholen; dies fiel allgemein auf. -- Man ruderte indeß den Strom hinauf, um sich bei Mondenschein sanft von der Welle zurück treiben zu lassen. Es war nicht zu verhindern, daß die rudernden Schiffsleute die Lustfahrenden bisweilen etwas besprützten. Auch den Lord traf dies einige Mal. Roh, wie er war, äußerte er sich laut darüber gegen die Ruderer. Diese, die sich wenig um den Engländer kümmerten, trieben es jetzt absichtlich und bespritzten ihn so, daß ihm der ganze Nacken naß wurde. Er suchte sein Tuch, um sich abzuwischen, fand es aber nicht, weil er es vermuthlich bei den Spielen verloren hatte. Ohne sich zu bedenken, griff er nach dem Hut des Obrist-Lieutenants, der neben ihm lag, zog dessen Federbusch heraus, und kehrte damit sowohl den Sitz als den Nacken ab. Das durfte man dem Obrist-Lieutenant nicht bieten. Entrüstet stand er auf und sprach: „Ew. Herrlichkeit, was thun Sie dort, das ist ja mein Federbusch?“ „Bagatelle,“ erwiederte der Lord, „ich kaufe Ihnen morgen einen bessern.“ „Höll und Teufel,“ fuhr der Obrist-Lieutenant auf, „Herr, was erdreisten Sie sich? Glauben Sie, Ihre Lordschaft gebe Ihnen das Recht, einen Offizier so zu beleidigen? Das soll Ihnen theuer zu stehn kommen!“ Zugleich fuhr auch der Artillerie-Hauptmann auf. „Herr,“ rief dieser, „Sie wagen es einen Offizier auf diese Art zu beleidigen? Sie, der Sie ihm gar keine Genugthuung geben können?“ Mit diesen Worten sprang er auf den Lord zu; mehrere Herrn thaten ein gleiches, dadurch kam der Nachen auf die Seite zu liegen, die Damen schrieen laut auf, mußten aber doch unwillkührlich auf die tiefere Seite hinüber, das Uebergewicht wurde zu groß, der Kahn schlug um, und die ganze Gesellschaft lag im Wasser. 15. Die Entdeckungen. Die Maskerade. Angstgeschrei und Hülferuf tönte von allen Seiten. Werner hatte Henrietten gefaßt, und ein rüstiger Schwimmer, wie er war, erreichte er bald mit ihr das Ufer, wo er sie sogleich in ein Zimmer des Wirthshauses bringen ließ und eiligst zurück kehrte, um zur Rettung der Uebrigen behülflich zu seyn. Zum Glück war der Nachen mit den Spielleuten gleich zur Hand gewesen, und auch ein andrer Kahn auf das Geschrei um Hülfe schnell herbei gekommen. So fand Werner die meisten Personen schon in Sicherheit; nach den andern wurde sogleich gesucht. Henriettens alte Pflegerin und Wilhelmine hatten sich an dem umgestürzten Fahrzeug fest gehalten, und wurden jetzt von Werner in den Fischerkahn, auf dem er gekommen war, aufgenommen. Auch Wicke und Hayfisch waren noch im Wasser und schrien jämmerlich um Hilfe. Werner versuchte sie in den Kahn zu ziehen, allein es war unmöglich, weil ihre siebenfache Garderobe so viel Wasser eingesogen hatte, daß sie zu schwer wogen. Er bedeutete sie daher sich noch einige Minuten zu gedulden, bis er mit Hilfe zurück gekehrt sey, und fuhr ab. Obgleich sie sich in gar keiner Gefahr mehr befanden, und das laue Bad nicht anders als angenehm seyn konnte, so schrien sie doch entsetzlich nach Hilfe und Rettung. Werner beeilte sich daher aufs möglichste, Wilhelminen und die Alte zu Henrietten zu bringen, um rasch zurück zu kehren. Dies geschah auch sogleich, indem er noch zwei Schiffleute annahm, die ihm halfen die Verunglückten in den Nachen zu heben. Als sie endlich herein waren, betheuerte der Schiffer, zwei so schwere Menschen seyen ihm noch niemals vorgekommen. Am Ufer traf man jetzt die ganze Gesellschaft beisammen; ertrunken war zwar niemand, doch einige Damen und der Lord lagen in Ohnmacht. Die erste Sorge bestand jetzt darin, trockne Kleider anzuschaffen. Der Wirth brachte herbei, was möglich war, und führte die Herrn in einen großen Saal, wo sie sämmtlich Toilette machten und sich in Bauer- und Schifferkleidung stecken mußten. Alle waren fertig bis auf Wicke, Hayfisch und den Lord, der jetzt erst seine Besinnung erhalten hatte. Diesen stand aber eine bittere Lektion bevor. Denn als man sie entkleidete, fand sich zuerst, wie vielerlei Hülsen die beiden Duellanten übereinander gezogen hatten. Wie Zwiebeln wurden sie abgehäutet, und unter jeder Haut steckte eine neue. Der Hanswurst rief endlich: „Hört auf, Kinder, ich bitte Euch, denn am Ende bleibt nichts von den beiden Leuten übrig. Vier Paar wollene Beinkleider habe ich dem Rath allein abgestreift!“ Vor allem aber lachten der Sekundant, Agrippinus und der Arzt; Wicke und Hayfisch hätten vor Aerger bersten mögen, doch sie mußten ihr Geschick nun einmal ertragen, und entschuldigten sich durch Kränklichkeit. Bei der Enthäutung des Lords that sich aber noch ein ganz anderes Schauspiel dar. Er würde sich gewiß in einem besondern Zimmer umgekleidet haben, wenn er nicht besinnungslos gewesen wäre. Doch jetzt war das zu spät, und so wurde, was er verbergen wollte, Allen offenbar. Vergeblich suchte er einen Vorwand, das Hemd anzubehalten, der Arzt drang darauf, daß er trockene Wäsche anziehen müsse. Geschah es nun aus Bosheit oder Zufall, aber der Wirth brachte ihm ein Hemd, welches durchaus nicht auf seinen Körper passen wollte, und so mußte der Lord es endlich, nachdem er sich lange damit herumgequält und es halb zerrissen hatte, zurückgeben, und war nun, bis ein neues angeschafft wurde, aller Augen im adamitischen Paradieskleide preisgegeben. Da entdeckten sich auf seinem Rücken noch viel bedeutendere und zahlreichere Streifen, als auf seinem Gesichte. „Sind das auch Pappelzweige?“ fragte Werner. „Was Teufel, Lord,“ schrie der Hanswurst, „Sie sehen ja aus wie ein Zebra! Oder sind Sie ein Obelisk, oder eine Pyramide? Denn Hieroglyphen ohne Zahl sind hier auf Ihrem Rücken geschrieben.“ „Es muß von dem Fall seyn,“ stotterte der Lord. Doch der Hauptmann von der Artillerie trat hinzu und sprach: „Ich bin zwar kein Champollion, aber diese Hieroglyphen vermag ich zu lesen. Ich würde geschwiegen haben, wenn Se. Herrlichkeit sich nicht mit ihrer englischen Anmaßung so unverschämt gegen den Herrn Obristlieutenant benommen hätten. So aber muß ich Ihnen sagen, daß die Streifen von den Kantschuhhieben meiner Kanoniere herrühren, die der edle Lord überreiten wollte, weil sie ihm nicht so schleunig Platz machen konnten, als er befahl.“ Auf diese Nachricht zogen sich die Herren von dem Lord zurück. Der Rittmeister sagte: „Zum Donnerwetter, so ist meine Wette hin, denn von dem kann ich sie nicht mehr annehmen,“ und der Obristlieutenant äußerte, er müsse jetzt einen andern Ausweg für seine Ehrensache suchen. Man ließ nun den Lord allein, und bekümmerte sich auch nicht sonderlich um Hayfisch und Wicke, die sich indeß bald möglichst der andern Gesellschaft anzuschließen suchten. Der Lord verschwand, und man sah ihn nicht wieder. Da auch die Damen nunmehr ihre Toilette vollendet hatten, kam die Gesellschaft in dem Saal, wo man zu Mittag gegessen hatte, wieder zusammen. Von dem Schreck hatte man sich erholt, Niemand hatte Schaden gelitten, und so freute man sich doppelt, sich nach dem Unfall wiederzusehen. Ueberdies waren die drolligsten Figuren entstanden, da der Zufall die Garderobe auf das Wunderlichste vertheilt hatte. Henriette sah in dem Sonntagskleide eines Bauermädchens allerliebst aus, auch Auguste schien die Tracht einer Gärtnerin, die ihr zugefallen, gar nicht übel zu finden. Der Hanswurst war in des Küsters schwarze Sonntagslivree gefahren, und ruhte nicht, bis er auch die Perücke dazu hatte. Nur Regenbogen fühlte sich höchst unglücklich, da er in einem grauen leinenen Kittel und weiten manschesternen Beinkleidern allerdings kein eben elegantes Ansehen hatte, besonders da sein sonst so sauber gekräuseltes Haar ihm in langen nassen Faden herabhing. Man kam überein, nun noch eine Zeit lang fröhlich zusammen zu bleiben, und dann gemeinschaftlich den Rückweg anzutreten. Nach dem Lord fragte Niemand, denn im Grunde war Jeder froh, daß er fehlte. Ein ländliches Abendmahl, wobei sich’s vorzüglich der Abbe und Hemmstoff wohlschmecken ließen, beschloß diese an Begebenheiten reiche Landparthie. Niemand war dabei lustiger, als Brückbauer, der da schwur, er wolle in einer Nußschale über das Weltmeer schiffen, denn ihm sei es nicht verhängt, zu ertrinken. Schon einmal sey er auf dem nämlichen Flecke mit dem Kahne umgeschlagen, ohne zu verunglücken, und auch heute habe der Himmel sich besonders gnädig gegen ihn gezeigt, da er nicht einmal den Kopf unter Wasser gehabt habe, sondern nur etwas eingetaucht worden sey. Der Hanswurst bemerkte, daß er demnach von Glück sagen könne, daß er kein Zwieback sey, weil sonst seine untere Hälfte abgeweicht seyn würde, und rieth ihm, eine Rede über das Thema auszuarbeiten: „Was hängen soll, ersäuft nicht.“ In dieser lustigen Stimmung brach die Gesellschaft endlich auf und fuhr nach Hause. 16. Trübe Wolken. Die verschmähten Liebhaber. Indeß waren mehrere Wochen verstrichen, während unsere Bekannte ihr altes Treiben fortsetzten. Sie flogen bei Henrietten aus und ein, nur der Lord erschien nicht; man erzählte, er sey ins Bad gereist. Werner und Henriette blieben im stets vertrauten Einverständniß und bereiteten im Stillen alles zu ihrer häuslichen Einrichtung vor; denn nur noch wenige Wochen, und Henriettens Verpflichtungen waren abgelaufen. Bisweilen schien Werner unruhig; doch wich er Henriettens Nachforschungen aus. Eines Morgens kam er indeß ganz früh zu ihr, und zeigte ihr an, daß er ihr etwas Wichtiges zu entdecken habe. Sie war gespannt zu hören, und er erzählte ihr Folgendes: „Ich hegte bisher die Hoffnung, theuere Henriette, Dir in Beziehung auf Deine äußere Lage mehr erfüllen zu können, als ich Dir versprochen, denn mein Vater ist ein sehr reicher Mann. Ich wollte Dir das nicht entdecken, weil ich Dir nicht eitle Hoffnungen rege machen wollte, denn diese wären es, wie die Erfahrung mir bestätigt hat, gewesen. Mein Vater hat eine entschiedene Abneigung gegen den Stand, den Du selbst nicht liebst, und glaubt an keine völlige Reinheit der Gesinnung unter den Mitgliedern desselben. Daher hat er sich entschieden gegen unsere Verbindung erklärt. Seine Worte lauten fest und unwiderruflich, denn ich kenne ihn, so:“ (Hier nahm er einen Brief aus dem Busen und las Henriette folgende Stelle vor.) „Was Deine Verbindung anbetrifft, so bist Du mündig, und kannst thun, was Du willst. Daß ich entschieden dagegen bin, konntest Du wissen; ebenso aber weißt Du auch, daß nicht die gewöhnlichen Vorurtheile vom Unterschied der Stände und des Vermögens mich bestimmen. Meine Entscheidung gründet sich auf eine reife Ansicht und auf feste Grundsätze der Sittlichkeit, besonders in Beziehung auf den weiblichen Charakter. Willst Du, trotz meines väterlichen Rathes, den Träumereien der unbesonnenen Jugend folgen, so thust Du es auf eigene Gefahr; die Familie soll dadurch aber, dies ist mein unabänderlicher Wille, nicht im mindesten gekränkt oder beeinträchtigt werden. Ich ersuche Dich also, Dich mit Deiner künftigen Frau fern von uns zu halten, auch keine Ansprüche an mein Vermögen machen zu wollen, was ich Deinen Geschwistern, denen der Wunsch und der Wille ihres Vaters theurer war, als Dir, zuwenden will. Uebrigens zürne ich Dir nicht, sondern will nur, daß Du auch alle Folgen Deines Schrittes zugleich mit tragen sollest. Liebst Du wirklich, und ist Deine Erwählte das, wofür Du sie hältst, so wirst Du reichlich entschädigt seyn. Sollte uns das Geschick zusammenführen, so werde ich ~Dich allein~ nicht mit Widerwillen sehen, denn ich schätze Vieles an Dir, selbst die eigensinnige Festigkeit, die mirs gewiß macht, daß meine Antwort Deinen Entschluß nicht ändern wird. Anbei erfolgen die Papiere, die Dich in den unbeschränkten Besitz Deines mütterlichen Vermögens setzen.“ -- „Dies schreibt mir mein Vater,“ fuhr Werner nach einem langen Stillschweigen fort. Henriette sank ihm an das Herz und lispelte: „Theurer, Du bringst mir ein großes Opfer, das Dich gereuen wird; laß ab von mir, ich fühle mich nicht würdig genug, Dir das zu ersetzen, was Du verläßt.“ „Meine Liebe,“ sprach Werner freundlich, „traust Du selbst Dir nicht einmal das zu, was doch mein Vater Dir zutraut? Er sagt, Du werdest mir eine reiche Entschädigung seyn, wenn Du so bist, als ich Dich halte, unschuldig und liebevoll. Und das bist Du! -- Ich war auf diesen Brief gefaßt; meine Hoffnung, daß er anders seyn würde, war so schwach, daß ich ihre Zerstörung für nichts rechnen kann. Ich bin so glücklich, wie zuvor, und hege allen Muth und alle Zuversicht, die ich je gehabt habe, noch frisch und freudig im Herzen. Ja selbst mein Vater, so hoffe ich, wird seinen starren Sinn beugen, wenn die Folge ihn lehren wird, daß seine Grundsätze über Frauentugend und die nothwendigen Eigenschaften einer Gattin durch Dich nicht leiden, sondern strenger befolgt werden, als er in der Wirklichkeit jemals gesehen hat.“ „Ich will Alles thun, was ich vermag, um mir seine Achtung und Liebe zu gewinnen,“ erwiederte Henriette, und legte ihre Hand versprechend in Werners. „Die Gelegenheit dazu, meine Liebe, wird Dir früher werden, als Du denkst, denn wahrscheinlich trifft mein Vater in einigen Wochen hier ein,“ erwiederte dieser, indem er sie zärtlich umarmte. „Ich weiß, daß Geschäfte ihn hieher führen. Vielleicht, daß seine Gegenwart Alles zum Besten wendet. Doch hoffe ich wenig davon, weil ich ihn darin genau kenne, daß kein äußerer Reiz und kein fremdes Urtheil ihn bestechen. Ob er aber selbst Gelegenheit haben wird, redlich zu prüfen, ob es ihm darauf ankommen wird, sie zu suchen, das will ich nicht entscheiden. Laß uns nun für jetzt annehmen, daß nichts in unserer Lage sich ändern werde und darnach unsere Maßregeln treffen.“ Sie besprachen sich jetzt näher über das, was zu thun sey, um die Pläne, die wir im Allgemeinen kennen gelernt haben, auszuführen, und setzten vieles Einzelne, was für uns von geringerem Interesse ist, fest. Das Wesentlichste war, daß der Tag zu Henriettens Concert, in dem sie Abschied vom Publikum nehmen wollte, in drei Wochen festgesetzt wurde. Erst nach diesem wollte sie ihre Verbindung mit Werner öffentlich bekannt machen; bis dahin gab sie nur an, daß dringende Beweggründe sie nöthigten, das Theater zu verlassen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Nachricht durch die Stadt und erregte die verschiedenartigsten Empfindungen. Der größte Theil des Publikums bedauerte es, die treffliche anmuthreiche Künstlerin zu verlieren; doch da auch ihre Persönlichkeit große Theilnahme erregt hatte, so wünschte man von vielen Seiten, daß eine erfreuliche Ursache sie bewegen möchte, der öffentlichen Ausübung der Kunst zu entsagen. Daß es eine Verbindung sey, vermuthete man natürlich. Den angenehmsten Eindruck machte die Nachricht aber auf Carolinen und Augusten, die die verhaßte Nebenbuhlerin verloren. So ließen sie es auch gern geschehen, daß Rennstein, der poetische Kritiker, ein Abschiedssonett an Henrietten dichtete, welches Quark in Musik setzte und es ihr dedicirte. Am seltsamsten wirkte die Nachricht auf zwei unserer Bekannten, Hayfisch und Wicke. Beide hatten schon seit langer Zeit den halben Entschluß mit sich getragen, um Henriettens Hand zu werben. Daß sie vom Theater abging, traf sie wie ein Blitz, denn nun ließ sich vermuthen, daß sie sich irgend einem Glücklichen verlobt habe. Sie riethen hin und her, und kamen endlich auf die seltsame Idee, einander in Verdacht zu haben. Hayfisch hielt Wicken für den Begünstigten, und dieser ihn. Ein Jeder von ihnen glaubte aber, daß er dem Andern den Rang streitig machen dürfe, deshalb kamen Beide auf den Entschluß, den Versuch zu machen, ob sie vielleicht einander ausstechen könnten. Eines Morgens erhielt Henriette daher folgende zwei Briefe, die sie, obwohl sie ihr nicht angenehm seyn konnten, doch nicht ohne Lächeln las. Der erste lautete so: Angebetete Henriette! Tausend Qualen hat dies Herz um Sie gelitten, doch die Angst, in der es jetzt schlägt, übersteigt alles Vorige um so viel, als ihre Schönheit alles überstrahlt, was man bisher schön genannt hat. Sie wollen Abschied von uns nehmen? Sie wollen fliehen? Wohin? Wohin? Glauben Sie mir, es giebt keinen sicherern Zufluchtsort für Sie, als meine Brust. Für Sie habe ich das Herz dem mörderischen Stahl Preis gegeben, an jenem Tage, wo das Geschick uns allen mit Vernichtung drohte. So litt ich damals in Strahlheim zwei Mal für Sie den Tod, und jetzt leide ich ihn zum dritten Male, wenn Sie mich verstoßen und vielleicht ein Nebenbuhler mich durch ein vorschnelles Wort überlistet hat. Schwieg ich bisher, so war es meine Bescheidenheit. Daher verwerfen Sie jetzt mein Herz nicht, da es noch nicht zu spät ist, und haben Sie gleich einem Andern früher zugesagt, so ist meine Liebe doch älter, und ich hoffe auf ihr beseligendes Jawort. Lassen Sie sich, dies füge ich noch hinzu, nicht durch den Stand verführen. Was ist ein Rath! Oft weiß er sich selbst nicht zu rathen. Ich aber bin reich und kann Sie glücklich machen. Ihr getreuester von Hayfisch. Der zweite kürzere war von Wicke: Himmlisch süße Henriette! Ich lese Tod in Ihren Blicken. Sollte es wahr seyn, sollten Sie Ihre Huld an ihn verschenkt haben, der nur Gold für Liebe bieten kann? Ich biete Ihnen Blut und Leben. Fordern Sie, was Sie wollen, nur seyn Sie die Meine. Ich bin Rath, doch ich weiß mir selbst nicht zu rathen! Mein Kopf fiebert, mein Herz bebt, meine Augen weinen, -- -- kurz, ich liebe Sie bis zur Verzweiflung. Retten Sie mich, oder ich sterbe. Was wäre ein übereiltes Wort für eine Fessel, wenn die Rücknahme desselben Sie in das wahre Paradies der Liebe führen könnte? Geben Sie mir ihre Hand und Sie sollen in dies Paradies kommen, denn nur dort blüht Wicke, Ihr ewiger Anbeter. Auf beide Briefe antwortete Henriette, daß sie den Freiern nicht angehören könne, und aus Gründen das Theater verlasse, die sie erst in künftiger Zeit enthüllen dürfe. -- Zufällig speisten den Mittag, als sie die Antwort ertheilte, beide zusammen beim Hoftraiteur. Das Unglück macht zu Vertrauten, sie gestanden einander ihr Schicksal, und schwuren, die Sirene zu meiden und zu Carolinen und Augusten zurückzukehren. Auf der Stelle wollten sie ihren Plan ausführen, und fuhren bei Carolinen vor. Doch diese ließ ihnen, da sie sich melden ließen, hinaussagen, sie nähme keinen Besuch an. Höchst betroffen stiegen sie wieder in den Wagen und fuhren zu Augusten, die am Fenster stand, als der Wagen vor der Thür hielt. Als sie die Treppe hinaufkamen, hörten sie die erbitterte Schöne zu ihrem Mädchen sagen: „Wenn der Rath Wicke und Herr von Hayfisch kommen, so bin ich nicht zu Haus.“ Das war genug. Zum Schein gingen Beide eine Treppe höher, fragten nach Jemand, der gar nicht im Hause wohnte, und setzten sich dann wieder in den Wagen. Doch an Augustens satyrischem Lächeln, die, während sie einstiegen, sich dreist wieder an’s Fenster gestellt hatte, merkten sie wol, daß sie durchschaut waren. Voll Verdruß fuhren sie nach Wickes Hause. Hier trat der Bediente dem Rath mit einem Billet, das so eben angekommen seyn sollte, entgegen. Es war von Carolinen und enthielt die lakonischen Zeilen: „Ich habe gehört, Herr Rath, wie Sie und einige andere Herren sich öffentlich über mich geäußert. Meine Würde verbietet mir, Besuche von Herren anzunehmen, die solche Urtheile über mich ins Publikum bringen. Daher werden Sie mich nie mehr zu Haus treffen!“ Wicke las voller Zorn und gab dann den Zettel seinem Freunde, indem er sagte: „Es wird Ihnen die Mühe sparen, den Liebesbrief zu Haus zu öffnen.“ Und er hatte Recht, denn eine wörtliche Kopie war bei Hayfisch und beim Obristlieutenant abgegeben worden. Daß der Vorfall beim Hoftraiteur Carolinen bekannt geworden seyn mußte, ging deutlich daraus hervor. Noch mehr Folgen, deren wir später gedenken werden, hatten sich zum Erstaunen der Residenz daran geknüpft, wurden jedoch erst nach einiger Zeit bekannt. 17. Das Concert. Graf Klammheim. Absagebriefe. Der Tag, an dem Henriettens Concert gegeben werden sollte, nahte heran. Noch nie war in der Residenz ein ähnlicher Andrang nach Einlaßkarten erhört worden. Die reichsten und vornehmsten Bewohner der Stadt beeiferten sich, der jungen Künstlerin noch einmal ihre Theilnahme zu beweisen, indem sie für die Einlaßkarten die ansehnlichsten Geschenke sandten. In dem Bewußtseyn, zu welchem theuern Zwecke Henriette den Gewinn dieses ihres letzten öffentlichen Auftretens benutzen wollte, erfreute sie sich der über alle Erwartung reichen Einnahme ungemein. Schon drei Tage vor dem Concert war kein Billet mehr zu haben, und sie mußte bekannt machen, daß keine Tageskasse Statt finden werde. Am Concerttage ließ sich unvermuthet der Graf Klammheim aus W. bei ihr melden. Er stellte sich ihr als ein außerordentlicher Bevollmächtigter des W. Hofes vor, erzählte, er sey gestern Abend spät angekommen, und vernehme mit Schrecken, daß ein Genuß, auf den er sich so sehr gefreut habe, ihm nicht mehr werden solle, nämlich Henriettens Gesang. Er fügte hinzu, daß er auch den vergeblichen Versuch gemacht habe, ein Billet zu ihrem Concert zu erhalten, und bat sie frei um die Erlaubniß, demselben beiwohnen zu dürfen. Henriette versicherte, daß es ihr eine große Ehre seyn würde, daß sie aber nicht ein einziges Billet mehr besitze. „Soll sich also das Vergnügen ganz entbehren, Sie jemals zu hören?“ fragte der Graf. „Ich weiß nur einen Ausweg, Ew. Excellenz,“ erwiederte Henriette. „Und der wäre?“ „Sie müßten mir erlauben, Ihnen gleich etwas vorzusingen.“ Dies sagte sie so anmuthig, daß der Graf eine sichtliche Freude darüber empfand, und ihr, wiewohl er ein Mann nahe an sechszig Jahre zu seyn schien, mit jugendlicher Lebhaftigkeit die Hand küßte. Sie setzte sich darauf an das Fortepiano und sang ihm mehrere Canzonetten mit der ihr eigenen Anmuth vor. Der Graf war entzückt, bat sie aber noch um ein deutsches Lied. Sie wählte ihr Lieblingsgedicht von Schiller: „Der Eichwald brauset, die Wolken ziehn.“ Dies schien den Grafen innigst zu bewegen, er dankte ihr unverkennbar gerührt, und sprach: „Sie haben mir durch Ihre Güte eine sehr große Freude gemacht. Darf ich nun auch wohl mit den Worten eben jenes Dichters sagen: ‚Empfangen Sie ein Angedenken dieser Stunde?‘“ und dabei überreichte er ihr eine Brillanten-Nadel. Henriette wollte ablehnen, doch er bat so dringend, daß sie endlich nachgab. Jetzt empfahl sich der Graf. Doch in der Thür kehrte er um und sprach: „Noch eins, meine gütige Freundin, Sie erlauben mir wohl, trotz der kurzen Bekanntschaft, dies Wort, ich habe dringende Gründe, meine Anwesenheit noch nicht offiziell bekannt werden zu lassen; versprechen Sie daher, Niemandem, aber auch Niemandem zu sagen, daß ich bei Ihnen gewesen sey.“ Henriette versprach es. Der Graf ging. -- Der Abend kam heran, das Concert war beispiellos voll und glänzend. Ein berühmter Künstler, der so eben angekommen war, begrüßte Henrietten auf dem Orchester, und äußerte mit wahrer Bewegung seine Theilnahme, daß diese Zierde der Musen und der Kunst von nun an nur einem engern Kreise blühen wolle. Ein unaufhörlicher, endloser Beifall folgte jedem Stücke, das sie sang, und als sie zuletzt Abschied nahm, warf man aus allen Logen des Saals Rosen und Myrthen auf sie herab, ein Zeichen, daß man die Ursache, die sie der Bühne entnahm, wohl ahnte. Für ihr empfindendes Gemüth hatte dieses letzte Auftreten etwas erhaben Rührendes; mit Thränen im Auge dankt sie für die Aufnahme, indem ihr der Gedanke eine schmerzliche Empfindung erregte, daß sie nun gewissermaßen den Tempel der Kunst, deren würdige Priesterin sie gewesen war, für immer verließ. Mochte auch das stille Heiligthum der Häuslichkeit ihr einen beglückenden Ersatz bieten, er mußte doch mit einem Opfer erkauft werden. -- Werner führte sie an den Wagen und fuhr mit ihr nach Hause. Als sie ankamen, sanken sie einander in die Arme, und Henriette rief: „Nun bin ich ganz die Deine!“ Nach einer langen seligen Umarmung sprach Werner tief bewegt: „Henriette, weißt Du, wen ich im Concerte gesehen habe?“ und als sie ihn fragend ansah, fuhr er fort: „Meinen Vater! Ich werde ihn Morgen mit dem Frühesten aufsuchen, und Dir dann sagen, wie meine Unterredung, wie Dein Anblick auf ihn gewirkt hat.“ Die Liebenden trennten sich voller Hoffnung des Besten; denn daß der Vater im Concert gewesen war, konnte man für kein böses Zeichen halten. -- Ganz früh am andern Morgen ließ sich ein Pfarrer, Namens Walter, bei Henrietten melden. Ein ehrwürdiger Greis mit silbernem Haar trat ein. Er redete Henrietten mit einer vertrauensvollen Miene an: „Mein Begehr an Sie ist schnell ausgesprochen, und eben so schnell gewährt oder abgeschlagen. Sie haben gestern einen reichen Tag gehabt; Sie sehen wohlwollend und gütig aus. Vielleicht hat Sie die Freude auch mild gestimmt. Ich komme, Sie für eine sehr unglückliche Familie anzuflehen. Eine Mutter, die früher im Wohlstande gelebt hat und eine höhere Bildung genossen, schmachtet mit drei Kindern im Elende. Ihr Mann ist vorgestern in den Schuldthurm, wohin ihn nur Unglücksfälle führten, gesetzt worden. Wenige hundert Thaler könnten ihn retten, der unglücklichen Familie den Vater und Erhalter wiedergeben, allein sie sind schwer zusammenzubringen, und indeß zehren Mangel und Kummer am Leben und Glück des Vaters, der Gattin und der Kinder. Wollen Sie durch einen gütigen Beitrag das Ziel des Unglücks kürzer stecken helfen? Darum bitte ich Sie und habe Vertrauen zu Ihnen.“ Henriette war durch die einfache Erzählung und die Würde des alten Mannes tief gerührt. Sie fragte schüchtern: „Wie groß ist die Schuldsumme?“ „Zweihundert Thaler; und etwa hundert möchten nothwendig seyn, um den dringendsten Bedürfnissen der Familie bis so weit abzuhelfen, daß der Mann von Neuem im Stande wäre, sie durch Thätigkeit, an der es ihm nicht mangelt, zu erhalten.“ „Mein Gott!“ rief Henriette, „war denn der Unglückliche so arm an Freunden, daß er um dieser geringen Summe willen so viel Jammer ausstehen mußte!“ Mit diesen Worten eilte sie an ihren Sekretair und holte dreihundert Thaler, die sie dem Pfarrer mit den Worten gab: „Nehmen Sie, würdiger Mann. Der Himmel hat mich so reich beschenkt in diesen Tagen, daß ich auch nach Abzug dieser Kleinigkeit noch viel reicher bin, als ich hoffte. Ich bitte, nehmen Sie und helfen Sie bald!“ Der alte Mann faßte Henriettens Hand und drückte sie heftig an seine Lippen. „Das wird Ihnen Gott lohnen,“ rief er mit leuchtendem Auge, „gewiß, meine Tochter, vertrauen Sie darauf!“ Es lag etwas prophetisches in seinen Worten, das Henrietten seltsam traf. Sie geleitete ihn an die Thür, und ging mit frohem Herzen zurück in ihr Gemach. -- Eine elegante Equipage fuhr vor. Es war der Graf Klammhaim. „Was kann er so früh wollen,“ dachte Henriette, nahm ihn jedoch an. Er trat mit den Worten ein: „Sie sind betrogen, beste Freundin, ich bin doch in ihrem Konzert gewesen, ein erkrankter Freund hat mir seine Karte gegeben.“ „Das freut mich ungemein,“ erwiederte sie; „ich wünschte, alle Zuhörer wären so gütig und empfänglich als Sie, Herr Graf.“ -- Der Graf schwieg und schien etwas verlegen. Endlich begann er: „Schöne Henriette, viele Worte sind nicht meine Sache; ich kann nicht läugnen, daß ich Ihretwegen nicht allein bei Ihnen, sondern sogar in dieser Stadt bin. Unser Fürst, ein Mann in den besten Jahren, hat es bisher gescheut, sich zu vermählen, weil er die Ehen der Etikette haßt. Doch die Nothwendigkeit heischt endlich dieses Opfer von ihm. Er muß dem Lande eine Fürstin geben. Allein auch sein Herz hat Bedürfnisse. Er kennt Sie,“ -- „Halten Sie ein, Herr Graf, ich bitte Sie,“ erwiederte Henriette, „ich glaube zu ahnen, was Sie sagen wollen, aber ich bitte Sie dringend, es zu verschweigen. Ich dürfte Ihnen dann nicht wieder freundlich begegnen.“ „Sie betrachten das Verhältniß,“ fuhr der Graf zur Erde sehend fort, „vielleicht falsch. Der Fürst wird öffentlich zeigen, daß er Sie nicht nur liebt, sondern auch ehrt. Dürfen Sie ihn tadeln, wenn er über der Staatspflicht nicht verlernen kann, daß er auch ein menschliches Herz hat? Die Gemahlin ist nur die Fürstin, die Mutter des Thronerben, aber nicht seine Gattin. Fürchten Sie die Mißdeutung der Welt? Er wird durch sein Benehmen zeigen, daß er Sie hochachtet. Sie sind, wenn Sie einwilligen, von dieser Minute an, Herrin einer Grafschaft, und im Besitz dieses Titels auch für Ihre Nachkommen. Glauben Sie nicht, daß der Fürst Sie erkaufen will, er will Sie lieben, und seine Liebe giebt Ihnen, was er hofft, daß Ihnen Ehre und Freude gewähren wird. -- Reden Sie!“ „Herr Graf. Ich tadle den Fürsten nicht, und überlasse es ihm zu entscheiden, was er darf; überlassen Sie das aber auch mir. Ich fühle, daß ich Ihren Antrag verwerfen muß, daß er mich kränkt. O hätten Sie geschwiegen, ich hätte besser von Ihnen denken dürfen. Nehmen Sie diese Nadel zurück, ich weiß jetzt, daß Sie“ -- hier hinderten sie die Thränen weiter zu sprechen. Der Graf, sichtlich bewegt, schwieg ebenfalls lange Zeit, endlich aber sprach er: „Nun wohl, so will ich Ihnen denn meinen Auftrag ganz enthüllen.“ „Ich bitte Sie, nein,“ rief Henriette, „ich darf, ich will nicht hören.“ „Sie dürfen, auf mein Wort,“ sprach der Graf fest. „Der Fürst sah Ihre Antwort zuvor und war darauf vorbereitet. Doch er liebt Sie wirklich. Der Staat verbietet ihm Ihre Hand, so lange er herrscht. Er tritt die Regierung seinem Bruder und dessen Nachkommen ab, und begiebt sich in den Privatstand, um durch Ihre Hand, die er als Ihr rechtmäßiger Gemahl empfangen will, ein Glück zu erhalten, was ihm der Thron nicht bietet. Sprechen Sie ein Wort, und ich begrüße Sie als meine Fürstin.“ Henriette schwieg einen Augenblick, dann trat sie mit edler Bescheidenheit auf den Grafen zu: „Herr Graf, ich fühle mich hoch geehrt durch Ihren Antrag; ich glaube, daß Ihr Fürst mich liebt, daß er ein edler Mann ist. Um so mehr würde ich mir vorwerfen, wenn ich solch einen Mann seinem Lande rauben wollte. Ja selbst, wenn er mich zur herrschenden Fürstin machen wollte, -- ich kann nicht, ich darf nicht und -- nur Ihnen sey’s gesagt, ich will und wünsche nicht. Forschen Sie nach keiner Ursach -- genug, daß ich Ihnen versichere, daß mein Weigern mich nicht um mein Glück bringt!“ Der Graf hatte sie lange mit freudig leuchtenden Augen angesehn. Jetzt hielt er sich nicht mehr; er breitete seine Arme aus und rief: „Edles, treffliches Mädchen, komm an mein Herz. Du sollst meine Tochter seyn.“ In seiner Miene lag der Ton väterlicher Liebe. Henriette fühlte sich von einem unbegreiflichen Gefühl hingerissen und sank an seine Brust. In diesem Augenblick öffnete sich die Thür mit Heftigkeit. Werner stürzte hinein, und mit dem Ruf: „Mein Vater!“ fiel er dem Grafen um den Hals. Die Lösung ist leicht. Werner war schon seit Jahren unter dem angenommenen Namen und Stand gereist, weil er den Zwang der Etikette, der ihn sein Stand unterwarf, zu vermeiden wünschte. Er hatte dem Vater von seiner Verbindung mit Henrietten geschrieben, die dieser in dem Briefe, den wir kennen, durchaus verwarf. Doch der Ruf ihrer Liebenswürdigkeit hatte ihn schon halb für sie eingenommen, nichts war ihm daher willkommener, als daß ihn Geschäfte an den Hof zu B. riefen, wo er die Braut seines Sohnes prüfen wollte. Daß er dies auf mehr als eine Art gethan, zeigte auch der Eintritt Walters, den wir als Pfarrer kennen gelernt haben, der aber nur der alte Lehrer Werners war und mit der innigsten Zärtlichkeit an dem Schüler hing. Daß Werner Henrietten seinen Stand verschwiegen, geschah anfangs ohne Absicht, später, weil er nicht Hoffnungen bei ihr erregen wollte, die er ihr bei widerstrebender Gesinnung seines Vaters nicht erfüllen konnte, und zuletzt, weil er entschlossen war, für sie dem Stande zu entsagen, in welchem er sich als enterbter Sohn seines Vaters nicht behaupten konnte. -- Jetzt erklärt sichs auch, wie der Lord durch einen Brief des Grafen getäuscht werden konnte. Henriettens Verlobung mit dem jungen Grafen von Klammheim wurde jetzt öffentlich bekannt gemacht. Der Graf wollte sie feierlich begangen wissen, und lud zu dem Ende alle Bekannte Henriettens, die wir im Lauf dieser Erzählung kennen gelernt haben, ein. Doch nicht alle erschienen, sondern mehrere ließen sich entschuldigen. Noch bei Tafel erhielt Henriette folgende Absagebillets: Nr. 1. Sie entschuldigen, schöne Henriette, daß ich bei Ihrem Feste nicht zugegen seyn kann; denn eine ganz vertrauliche, freundschaftliche Einladung der schönen Caroline beraubt mich dieses Glücks. ~Wicke.~ Nr. 2. Grausame! Sie wollen meiner noch spotten, und mich zum Zeugen bei Ihrer Verlobung machen? Gehn Sie hin; in mir ist ein anderer größrer Geist erwacht. Ich fühle mich stolz auf mein Volk und Vaterland. Aus Westen, prophezeite der große Johannes Müller, werde eine neue Sonne der Kultur für Europa aufgehn. Uns ist sie aufgegangen. Major Noah in Amerika ist der große Held der Geschichte, der das älteste Volk der Welt wieder zu seinem alten Glanz erheben wird. Unter seinen Fahnen denke ich zu fechten. Leben Sie wohl! Seyn Sie immerhin Gräfin! Sie verscherzten Ihr Glück, denn Sie konnten dereinst vielleicht Oberrichterin in Israel seyn! ~von Hayfisch.~ Nr. 3. Die inliegende Karte sagt Ihnen, geehrte Henriette, warum ich die freundliche Einladung zu Ihrem Feste nicht annehmen kann; ich feire ein Gleiches. Mögen Sie so vielen Glücks theilhaft werden, als ich selbst hoffe und genieße. ~Agrippinus.~ Die Karte lautete: Bei ihrer Verlobung empfehlen sich: ~Agrippinus~ und ~Caroline~. Der Leser wird errathen, daß Agrippinus kühnes Benehmen für Carolinens Sache, welches ihr bekannt geworden war, ihm ihre Gunst zugewendet hatte. Und da sie gesehen, daß er der einzige Treue ihrer Verehrer war, zögerte sie nicht länger, ihm ihre schöne Hand, um die er so redlich geworben, zu reichen. Die Verlobung wurde mit großer Pracht gefeiert, der Abbe, und viele andere, ja auch Auguste erschienen dabei. Hemmstoff, der ihr eigentlich immer treu geblieben war, wußte die günstige Stimmung, in die sie das Fest setzte, zu nutzen, und erhielt Vergebung und -- ihre Hand, so daß auch gleich bei Tafel das Wohl des neuen Paares getrunken wurde. Der Hanswurst hielt eine Verlobungsrede, und schloß mit den Worten: „In meiner muntern Laune habe ich manchen zum Besten gehabt, oder vielmehr nur über seine Thorheiten gespottet. Wer sich dazu bekennt, wird auch nicht klagen dürfen, daß man darüber lacht. Wer sich der Thorheit nicht bewußt ist, ist auch nicht gemeint gewesen. Und so hoffe ich, wird mir niemand grollen, denn wie der Dichter sagt: Keinen hab’ ich kränken wollen. Allen hat es gelten sollen.“ Verbesserungen. Seite 6 Zeile 1 v. o. statt gekriffte l. gekniffte. -- -- -- 8 -- -- -- Englänger l. Engländer. -- 11 -- 6 v. u. -- dieser edle l. unser edler. -- 12 -- 12 v. o. -- Müden l. Mäcen. -- 25 -- 4 -- -- -- ergriffe l. angriffe. -- 26 -- 9 -- -- -- Arecca l. Avecça. -- 32 -- 6 -- -- -- Arecca l. Avecça. -- 52 -- 3 v. u. -- Rücksicht l. Rücksichten. -- -- -- -- -- -- -- abhalte l. abhalten. -- 53 -- 9 v. u. -- Mäceer l. Mäcene. -- 54 -- 3 v. o. -- Alles l. er aus. -- 69 -- 11 -- -- -- selbst l. sonst. -- 76 -- 7 v. u. -- werden l. würden. -- 86 -- 7 -- -- -- enthält l. enthielt. -- 91 -- 7 -- -- -- Arecca l. Avecça. -- 92 -- 7 v. o. -- Arecca l. Avecça. -- 94 -- 9 -- -- -- Locquine l. Cocquine. -- 99 -- 6 -- -- -- Reiten l. Reifen. -- 100 -- 5 v. u. -- neuen l. neun. -- 101 -- 9 v. o. -- da l. der. -- 116 -- 9 v. u. -- haben auch l. haben ~sie~ auch. -- 118 -- 6 -- -- -- lacht auf l. fährt auf. -- 128 -- 2 v. o. -- Ihre l. Ihro. -- 128 -- 4 -- -- -- Liebe l. Linken. -- 131 -- 3 -- -- -- erfreut l. erstaunt. -- 133 -- 4 v. u. -- verordnete l. anordnete. -- 135 -- 10 v. o. -- leichtfertige l. leichtfüßige. -- 141 -- 13 -- -- -- fürs allgemeine l. fiel allgemein. -- 154 -- 4 -- -- -- tritt l. trifft. -- 169 -- 1 -- -- -- gewähren l. gewähren wird. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK HENRIETTE, ODER DIE SCHÖNE SÄNGERIN: EINE GESCHICHTE UNSERER TAGE *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. 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