The Project Gutenberg eBook of Karlsschüler und Dichter: Geschichtliche Erzählung für die deutsche Jugend This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Karlsschüler und Dichter: Geschichtliche Erzählung für die deutsche Jugend Author: Anton Ohorn Release date: February 24, 2019 [eBook #58957] Language: German Credits: Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KARLSSCHÜLER UND DICHTER: GESCHICHTLICHE ERZÄHLUNG FÜR DIE DEUTSCHE JUGEND *** Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net Anmerkungen zur Transkription Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist _so ausgezeichnet_. Im Original in Antiqua gesetzter Text ist ~so markiert~. Weitere Anmerkungen zur Transkription befinden sich am Ende des Buches. Karlsschüler und Dichter Geschichtliche Erzählung für die deutsche Jugend von Anton Ohorn [Illustration] Verlag Jugendhort (Walther Bloch Nachf.) Berlin ~W.~ 35 Mit vier Bildern. Neue Rechtschreibung. Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig.-R. Alle Rechte vorbehalten [Illustration] Inhaltsübersicht Seite 1. Kapitel. In der Karlsschule 1 2. Kapitel. Wachsender Unmut 31 3. Kapitel. Der Regimentsmedikus 50 4. Kapitel. »Die Räuber« in Mannheim 69 5. Kapitel. Auf der Flucht 92 6. Kapitel. Durch Not und Drang zum Asyl 116 [Illustration] [Illustration] [Illustration: Erstes Kapitel] In der Karlsschule Im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts lag außerhalb Stuttgart hinter dem Residenzschlosse des Herzogs Karl Eugen von Württemberg ein großes, kasernenähnliches Gebäude mit drei Flügeln, aus dessen Mitte eine Kirche herausragte mit einem niedrigen, bleigedeckten Turme. Ein ansehnlicher Garten gab dem etwas schwerfälligen Ganzen ein freundlicheres Gepräge, während die vorhandenen Reitschulen, Schwimmbassins und Ähnliches auf seinen Zweck einigermaßen hindeuteten. Das war die hohe Karlsschule, eine von dem Herzog zunächst auf dem Lustschlosse Solitüde bei Ludwigsburg gestiftete Erziehungsanstalt, die seit 1775 sich in Stuttgart befand und ihren Zöglingen die Ausbildung für verschiedene gelehrte Berufe gab. Sie hatte in der Hauptsache einen militärischen Charakter, und wie ihre Schüler in eine bestimmte Uniform gesteckt waren, so war auch die ganze innere Einrichtung und Verfassung nach soldatischem Zuschnitt gemacht. Dem Herzog Karl Eugen aber war die Anstalt und ihre Zöglinge ganz besonders ans Herz gewachsen, so daß er sich um die kleinsten Interessen derselben bekümmerte. Es war ein freundlicher Sommertag. Die Mittagsmahlzeit, welche gemeinsam eingenommen wurde, war vorüber; die Schüler eilten nach dem Schlafsaal, um dort die blaue Uniform mit den Kragen und Ärmelaufschlägen von schwarzem Plüsch und die weißen Beinkleider mit einem einfacheren Hausanzuge zu vertauschen und sich dann in den Garten zu begeben. Hier entwickelte sich ein buntes Leben und Treiben. Einzelne von den Jüngeren zumal beschäftigten sich mit Ballspiel oder übten ihre Kraft im Ringen, andere arbeiteten an dem Stückchen Gartenland, das einem jeden von ihnen zur Bestellung zugewiesen war, wieder andere spazierten unter den schattigen Bäumen im Gespräche hin, oder hatten sich an einem versteckteren Plätzchen zusammengefunden. In einer lauschigen Ecke auf einer Steinbank saßen drei beisammen, prächtige Burschen mit frischen Gesichtern und blitzenden Augen, die sich ziemlich lebhaft unterhielten. Der eine sprach zu dem zweiten gewendet: »Und ich sage dir, _Hoven_, der _Haug_ wäre ein prächtiger Kerl für uns und paßt wie nur irgendeiner in die Bande. Er hat eine scharfe Zunge und guten Witz, Ingenium und Phantasie --« »Ich danke, lieber _Scharffenstein_,« sagte der dritte; »aber zum Henker, dann tut doch nicht so geheim und sagt mir, was es ist mit der Bande! Es handelt sich doch um keine Räuber.« Die zwei anderen wechselten einen raschen Blick des Einverständnisses, dann sagte Hoven: »Wie man's nimmt, und Courage gehört zur Sache.« »Soviel ihr habt, habe ich auch, Kinder,« sprach Haug; -- »also frisch heraus! Daß ich ehrlich bin und mich nicht an euch dränge, um zu spionieren, sondern weil ich euch für Kerls halte, die ihre Freude haben an allem Schönen und Guten, auch wenn's nicht im Treibhause der Karlsschule gewachsen ist, wißt ihr! Daß ihr Verse macht, ist mir kein Geheimnis, ich selber mache solche auch mitunter, und wenn das eure ganze Sünde ist -- so hol' mich der heilige Nieß, wenn ich nicht zu euch passe!« »Ehe wir mit Schiller gesprochen haben, geht's nicht,« sagte wieder Scharffenstein. »Der ist wohl der Hauptmann?« fragte Haug, und die beiden anderen schwiegen wieder einige Augenblicke, ehe Hoven erwiderte: »Wenn man's so auffassen will. Jedenfalls ist er größer als wir alle, und wenn er erst die Flügel frei bewegen könnte, er stiege auf wie ein junger Adler.« »Hm -- ich weiß, habe ich doch sein Gedicht ›Der Eroberer‹ im ›Schwäbischen Magazin‹ gelesen, und es hat mich in der Seele gepackt und zusammengeschüttelt, und dann hab' ich ihn hier gesucht; aber er ist zugeknöpft wie ein alter Wachtkorporal!« »Wie, zum Henker, weißt du denn, daß das Gedicht von ihm ist? Sein Name war doch nicht genannt?« »Hm, von meinem Vater, der das genau weiß, weil er das Poem selber rezensiert und von dem ihm bekannten Verfasser gesagt hat, daß er mit der Zeit seinen Platz neben den Größten einnehmen und seinem Vaterlande Ehre machen dürfte.« »Hast also ein Herz für Friedrich Schiller?« fragte Hoven erregt. »Und ob ich das habe! -- Darum möchte ich brühwarm seine Geistesschöpfungen genießen, ehe sie abgestanden sind in einem Journal, und möcht' es von ihm selber hören, wie er seine Feuerseele ergießt in dithyrambischem Schwunge. Und sagt, ist's wahr, was man munkelt, daß er jetzt ein großes Spektakelstück schreibe, wozu ihm der arme Schubart, der auf dem Asperg gefangen sitzt, den Stoff gegeben haben soll?« Wiederum sahen sich die beiden anderen seltsam an, dann sprach Scharffenstein zu Hoven gewendet: »Ich meine, wir können's mit ihm wagen!« Und als dieser nickte, fuhr er fort: »Das mit dem Spektakelstück hat seine Richtigkeit, und ob er's von Schubart hat, muß dein Vater am besten wissen; denn er schreibt ja das ›Schwäbische Magazin‹. Darin war im Jahre 1775 eine Geschichte, die ihm zuerst den Stoff gegeben hat, und die von Schubart stammen soll.« »Was ist's für eine Geschichte?« Hoven erzählte: »Eine Begebenheit von einem Edelmann, der zwei Söhne hat; der eine, Wilhelm, tat sehr fromm und gut und gehorsam und still, der andere, Karl, war feurig, lustig, unternehmend und zu tollen Streichen geneigt; aber er war ehrlich, während sein Bruder falsch war. So waren sie auch beide noch auf der Universität, und Karl, der etwas leichtsinnig Schulden machte und außerdem eines Duells wegen fliehen mußte, verlor die Gunst seines Vaters, floh in die Welt hinaus, wurde Soldat und wendete sich endlich reuig wieder an seinen Vater und flehte ihn um seine Verzeihung an. Den Brief aber unterschlug die Kanaille von einem Bruder, der Karl um sein Erbe bringen wollte, und dieser sah sich gezwungen, um sein Leben zu fristen, Knecht bei einem Bauern zu werden, nicht weit von seinem Vaterhause. Wilhelm aber strebt nach seines Vaters Besitz, und da ihm dieser zu lange lebt, dingt er Meuchelmörder, die ihn im Walde überfallen und töten sollen. Aber Karl, der herbeieilt, rettet ihn, und einer der Schandgesellen gesteht nun den ganzen scheußlichen Anschlag. Der Vater ist entsetzt über den verruchten heuchlerischen Sohn und klagt, daß er nun keinen Sohn mehr habe. Da stürzt sich Karl ihm zu Füßen und gibt sich ihm zu erkennen, und der glückliche Alte umarmt ihn unter Thränen, indes er seinen anderen Sohn der Strafe überliefern will; aber Karl bittet für diesen und sorgt für seinen weiteren Unterhalt. -- Das ist die Geschichte.« »Ja, aber was macht Schiller daraus!« rief enthusiastisch Scharffenstein, doch Hoven winkte bedeutsam und rief zugleich: »Da kommt er selbst!« Unter den rauschenden Bäumen kam ein Karlsschüler her, eine hochgewachsene Gestalt, die zweifellos über alle Genossen hinausragte; auf dem schlanken, langen Halse saß ein von dunkelrötlichem Haar umwallter Kopf und zeigte ein Gesicht von auffallend zarter Hautfarbe. Unter einer breiten, schönen Stirn sahen ein Paar helle Augen, die zwischen braun und blau schimmerten, klar und kühn in die Welt, und die scharf gebogene, spitze Nase, das etwas trotzig vorspringende Kinn gaben den Zügen etwas Energisches und Kühnes. Er kam ziemlich rasch auf die drei zu und rief mit merkwürdig hochklingender Stimme: »Wieder um eine halbe Stunde der freien Zeit gebracht!« »Was hat's gegeben?« fragte Hoven. »Ach, unser lieber Intendant, Herr von Seeger, teilt mir mit, daß heute abend Serenissimus mit der Gräfin Franziska im Institut speisen werden und dann ein kleines Divertissement erwarten, etwas Singsang und Deklamieren -- und ich muß mit heran -- du auch, Wilhelm!« »Und was wird aus unserem Abend?« fragte Scharffenstein. »Pst! Du hast ein lockeres Gehege der Zähne und wirst mit deinem vorlauten Munde uns allen schaden. Man wittert ohnehin schon in der Luft, und Nieß trägt seine Stumpfnase verdächtig hoch.« »Ach, meinst du wegen Haug? -- Der paßt für uns, sag' ich dir, Schiller, als wenn ihn unser Herrgott expreß für die Bande geschaffen hätte.« Ein blitzender Blick aus Schillers Augen flog über denjenigen, von welchem eben die Rede war. »Macht Er auch Verse, Haug?« fragte er. »Und was für Verse -- er ist der gebotene Satiriker, und _das_ Element fehlt uns so, wie meiner Kehle jetzt ein guter Tropfen; der Hammel heute mittags war scharf gesalzen.« »Deine schwache Seite, Scharffenstein!« »Hat jeder die seine,« replizierte der Getadelte; Schiller aber wandte sich zu Haug: »Sag' Er, Haug, kann Er ein Epigramm auf den Säufer aus dem Ärmel schütteln?« Haug, der bisher schweigend sitzen geblieben war, stand auf, trat einen Schritt vor und deklamierte mit leichtem Pathos: »Er hat zu seinem Symbolum Das Wort sich aus der Passion ›Mich dürstet!‹ ausersehen, Und hält nach eig'nen Proben Den Vers für unterschoben: ›Laß diesen Kelch vorübergeh'n!‹« »Bravo!« sagte Schiller und reichte dem jungen Poeten die Hand; die beiden andern aber lachten laut und herzlich. In diesem Augenblick kam eine etwas wunderliche Figur heran. Ein kurzer, schwerer Körper in dem blauen Futteral der Uniform, auf dem dicken Haupte, von welchem ein Zöpfchen auf den Rücken niederbaumelte, den üblichen dreispitzigen Hut, ein rotes Gesicht, das mit seinen kleinen scharfen Augen, die wie zwei Rosinen aus einem Butterteig hervorschauten, unwillkürlich den Humor weckte, -- das war der Oberinspektor _Nieß_, gefürchtet um seiner Strenge und doch die Zielscheibe heimlicher Witzeleien und Neckereien. Mit kurzen, raschen Schritten kam er angestapft und pflanzte sich vor den Vieren auf, die in militärischer Haltung sich erhoben und stillstanden. Mit ungewöhnlich lauter Stimme, die fast im Widerspruch zu dem kleinen Körper stand, sagte er: »Sticht euch der Hafer? War das Mittagsbrot zu üppig, oder was ist's sonst, daß solch lauter Ausbruch der Heiterkeit die Würde dieser Räume stört? Ja, wo der Schiller ist, geht auch was Besonderes vor; aber ich will ein Aug' auf euch haben, daß ihr mir die Stränge nicht durchreißt. Tätet auch besser, mit Spaten und Hacke euch auszuarbeiten, als mit dem Mundwerk zu dreschen -- kommt nicht viel Gutes heraus dabei!« Man wußte nicht recht, ob er im Scherz oder im Ernst rede; denn in seinem Gesichte und zumal um seine Mundwinkel zuckte es seltsam, und langsam stapfte er weiter. Die vier Eleven blieben noch eine Weile stehen und sahen dem Fortschreitenden nach, dann sprach Schiller mit komischem Pathos: »Ich will nächstens unter euch treten und fürchterlich Musterung halten!« »Spiegelberg, ich kenne dich!« fügte Scharffenstein halblaut lachend bei; doch Haug sagte: »Da muß ich euch doch erzählen, was ich dieser Tage für einen närrischen Traum hatte. Mir träumte, es wäre der jüngste Tag. Die Engel fingen an mit aller Macht zu posaunen, und die Toten standen allmählich auf. Aber es wollte damit nicht recht vorwärts gehen, und die Engel posaunten immer stärker. ›Hier müssen noch weit mehr Tote begraben liegen; aber wie sollen wir sie wecken, wenn unser ganzes Posaunen nicht hilft?‹ Da kam eben ein Karlsschüler zum Vorschein und sagte, er wüßte wohl Rat, wenn unter den Auferstandenen der Oberaufseher Nieß wäre; denn dieser dürfte nur mit der Stimme, mit welcher er einst in der Akademie zu kommandieren pflegte, jetzt ›zum Gericht!‹ kommandieren. Nieß wurde auch wirklich gefunden, und wie er kommandierte, da wimmelte es von Auferstandenen, und die Engel flogen ganz erfreut zum Himmel, um zu melden, daß jetzt alles zum Gericht bereit sei.« »Prächtig, Haug! Ihr seid unser Mann! Den Ton können wir brauchen -- von heut' an duzen wir uns!« rief Schiller, und begeistert schlug der andere in die dargebotene Hand ein. Schiller aber wendete sich zu Hoven: »Dir binde ich den Jungen auf die Seele, Wilhelm; weihe ihn ein, soweit dir's gut deucht, und bringe ihn übermorgen mit in die Höhle!« »Wie du gebeutst, Hauptmann!« sagte der Angeredete mit einem beinahe feierlichen Ernst; Scharffenstein aber sprach: »Jetzt laßt uns auseinandergeh'n! Nieß wendet kein Auge von uns, er wittert die Verschwörung, und euer Händedruck ist eine absonderlich verfängliche Sache!« Und in der Tat kam der kurzbeinige, dicke Herr wieder angestapft; aber ehe er herangekommen, hatten sich die vier nach verschiedenen Richtungen verloren, und bald darauf rief auch das Glockenzeichen die Eleven nach den Lehrsälen. Ruhe herrschte in dem ganzen weitläufigen Gebäude, nur ab und zu trug der Schall aus einem geöffneten Fenster die Worte eines besonders warm gewordenen Lehrers, den seine Beredsamkeit hinriß. Gegen sieben Uhr ward es lebendiger. Die Eleven zogen wieder die steife Uniform an, was in den Schlafsälen geschah, wo die einzelnen Abteilungen sich formierten und dann von ihren Aufsehern in den Rangiersaal geführt wurden, wo die Musterungen stattzufinden pflegten und wo alle so geordnet wurden, wie sie an der Tafel zu sitzen hatten. Dann marschierten sie in den eine Treppe höher gelegenen Speisesaal. Es war ein schöner, weiter Raum. Zweiundachtzig jonische Säulen, die aus der Wand hervortraten, trugen eine ringsum laufende Galerie, und zwischen den Säulen waren die Büsten hervorragender Männer aufgestellt. Den Plafond zierten schöne Gemälde, und auch das Porträt des Herzogs Karl Eugen fehlte hier so wenig wie in den anderen Sälen. Die breiten Flügeltüren waren geöffnet, und die Eleven marschierten paarweise ein, und jeder blieb bei seinem Stuhle stehen. Nieß kommandierte dem einen Flügel »Rechtsum!« dem anderen »Linksum!« und mit rascher und genauer Wendung standen alle hinter ihren Sitzen, die Gesichter der Tafel zugekehrt. Aufs neue erscholl die Stentorstimme des Oberaufsehers: »Zum Gebet!« und alle falteten die Hände, indes ein Zögling die kleine Kanzel bestieg, welche sich zwischen den Flügeltüren befand, und mit monotoner Stimme ein Tischgebet sprach. Dann pflegte für gewöhnlich das Kommando zum Rücken der Stühle und zum Niedersetzen zu erfolgen. Es blieb diesmal aus, und der Blick des Oberinspektors, der seine kurze Gestalt straff aufgerichtet hatte, fiel nach der Tür, welche aus dem Speisesaal in den sogenannten »Tempel« führte, ein prächtig ausgestattetes, kuppelgekröntes Gemach, in welchem der Herzog mit seiner Gemahlin, Gräfin Franziska von Hohenheim, vielfach die Abendtafel abhielt. Die Augen der Eleven wandten sich gleichfalls dorthin, und in der Tat stand der Herzog dort, die Gräfin am Arme. Es war ein schönes Menschenpaar. Der Fürst war eine stattliche Erscheinung mit einem vornehmen, geistvollen Gesicht, aus welchem die Augen groß und klar schauten; die Gräfin aber schlank und zierlich, voll lieblicher Anmut und mit einem freundlichen Lächeln um den schönen Mund. Langsam kam der Herzog mit seiner Begleiterin am Arme heran, indes die Eleven auf ein erneutes Kommando gegen ihn Front machten. Er schritt, gefolgt von dem Intendanten, Herrn von Seeger, an derselben entlang, und sah besonders scharf nach den weißen Zetteln, die einer und der andere der Karlsschüler im Knopfloche trug. Das waren die »Billetts«, auf welchen die Nachlässigkeiten verzeichnet standen, die sich die Träger derselben im Laufe des Tages hatten zuschulden kommen lassen. Karl Eugen las sie aufmerksam, ließ dann seine Augen blitzend über die Inhaber derselben gleiten, die nicht zu zucken wagten unter seinen scharfen Blicken, aber er zeigte sich heute bei guter Laune und strafte meist nur mit Entziehung eines Gerichtes, während er sonst strenges Fasten anordnete oder bei besonderem Vergehen wohl auch bewies, daß er eine recht lockere und doch kräftige Hand besaß. Die Gräfin lachte ihn freilich heute auch so freundlich und herzlich an, daß es den Eleven warm ums Herz wurde, und daß sie es deutlich empfanden, daß hier nicht bloß der gute Engel des Württemberger Landes, wie Gräfin Franziska hieß, sondern auch _ihr_ guter Engel im besonderen ihnen nahe sei. Vor Schiller blieb der Herzog stehen und legte ihm die Hand auf die Schulter: »Er macht recht hübsche Poemata. Was Er da auf die Gräfin Franziska gedichtet hat, hat uns recht gefallen -- brave Gesinnung und schwungvolle Sprache. Aber vergesse Er nicht die Medizin über der Dichtung, daß Er mir ein tüchtiger Arzt werde; das nützt der Menschheit mehr als seine Reimschreibereien.« Schiller hatte seine schlanke Gestalt hoch aufgerichtet, und aus seinen Augen leuchtete ein begeistertes Feuer, so daß die schöne Frau ihn lächelnd ansah und freundlich ihm zunickte, als sie am Arme des fürstlichen Gatten weiter schritt. Da hielt dieser mit einem Rucke plötzlich an; er stand vor einem Eleven, dem fast aus allen Knopflöchern die verhängnisvollen »Billetts« hervorguckten. Der Herzog ließ den Arm seiner Gefährtin los, und mit beiden Händen zog er ziemlich hastig die weißen Blätter heraus und las. Der junge Sünder war ein Graf von Nassau, der manchen lustigen Streich verübte, welcher freilich gegen die Ordnung, aber im Grunde nicht böswillig war. Karl Eugen schüttelte beim Lesen unmutig den Kopf, indes der Eleve schüchtern den Blick nach der Gräfin wendete und aus ihrem freundlichen, lieben Gesichte einigen Trost suchte. Jetzt wendete sich der Herzog zu ihm mit gerunzelter Stirn und sprach: »Sage Er, Nassau, was würde Er wohl machen, wenn er jetzt an meiner Stelle wäre?« Der junge Graf stutzte einen Augenblick, schaute dann Gräfin Franziska wie fragend und prüfend an, und einem plötzlichen Entschlusse folgend reichte er ihr galant den Arm, gab der Überraschten einen herzhaften Kuß und sagte: »Komm, Fränzel, und laß den dummen Jungen steh'n!« Die ganze kurze Szene hatte eine verblüffende Wirkung. Während Nieß in seiner peinlichen Überraschung ganz gegen alle Subordination einen Luftsprung machte, als gedächte er aus diesem Dasein zu verschwinden, ehe die Folgen dieser frevelhaften Tat eintreten mußten, stand Herr von Seeger wie ein Steinbild, und in den Gesichtern der Karlsschüler spiegelten sich Neugier und Erregung, teilweise auch ein schlechtverhehltes Behagen. Gräfin Franziska hatte ihren Arm rasch frei gemacht und sah mit dem erröteten, aber nicht unfreundlichen Gesicht nach dem Gatten, in welchem das Gefühl des Unmuts mit dem des Wohlgefallens an dem frischen, kecken Jungen stritt; endlich schien das letztere zu siegen. Er sah den jungen Grafen mit einem seltsamen Lächeln an, reichte seiner Gattin wieder den Arm und sagte: »Ja, Fränzel, lassen wir den dummen Jungen stehen! -- ~Dinez, messieurs!~« Er schritt mit der Gräfin weiter, ohne sich noch bei einem der Zöglinge aufzuhalten, und als er in dem »Tempel« verschwunden war, wo das fürstliche Paar mit Herrn von Seeger das Abendbrot einnahm, erscholl das Kommando Nieß'; gleichmäßig, mit einem Ruck, bewegten sich die Stühle, mit einem zweiten Ruck saßen alle, und nun begann das Essen. Es gab Suppe, Kalbsbraten mit Salat und eine Mehlspeise, und schweigend wurden die Gerichte eingenommen. Das Mahl war rasch beendet, und nachdem wieder jede Bewegung auf Kommando sich vollzogen hatte, marschierten alle nach dem Rangiersaal, um dort das fürstliche Paar zu dem angesagten Divertissement zu erwarten. Der Herzog ließ auch nicht lange auf sich warten. Er ließ sich mit der Gräfin auf bereitstehenden Polstersitzen nieder, und gleich darauf begann eine musikalische Aufführung seitens der Zöglinge, welche Zeugnis dafür ablegte, daß sich unter ihnen nicht bloß gute musikalische Talente befanden, sondern daß dieser Kunst in den Mauern der Karlsschule auch ein gewisses Recht eingeräumt war. Karl Eugen war trotz des Zwischenfalls -- oder vielleicht infolge desselben -- in besonders guter Laune und sparte nicht mit seinem Lobe. Nun aber wünschte er, daß einer der Eleven etwas von seinen eigenen Geistesschöpfungen vortrage, und er nannte dabei ausdrücklich Schiller. Dieser trat vor, verneigte sich einigermaßen steif vor dem Herzog und seiner Gemahlin und begann darauf mit etwas singendem Pathos: Der Flüchtling. Frisch atmet des Morgens lebendiger Hauch, Pupurisch zuckt durch düst'rer Tannen Ritzen Das junge Licht und äugelt aus dem Strauch; In gold'nen Flammen blitzen Der Berge Wolkenspitzen. Mit freudig melodisch gewirbeltem Lied Begrüßen erwachende Lerchen die Sonne, Die schon in lachender Wonne Jugendlich schön in Auroras Umarmungen glüht. Sei, Licht, mir gesegnet! Dein Strahlenguß regnet Erwärmend hernieder auf Anger und Au. Wie silberfalb flittern Die Wiesen, wie zittern Tausend Sonnen in perlendem Tau! In säuselnder Kühle Beginnen die Spiele Der jungen Natur. Die Zephyre kosen Und schmeicheln um Rosen, Und Düfte beströmen die lachende Flur. Wie hoch aus den Städten die Rauchwolken dampfen! Laut wiehern und schnauben und knirschen und stampfen Die Rosse, die Farren; Die Wagen erknarren Ins ächzende Tal. Die Waldungen leben, Und Adler und Falken und Habichte schweben Und wiegen die Flügel im blendenden Strahl. Den Frieden zu finden, Wohin soll ich wenden Um elenden Stab? Die lachende Erde Mit Jünglingsgebärde Für mich nur ein Grab! Steig' empor, o Morgenrot, und röte Mit purpurnem Kusse Hain und Feld! Säus'le nieder, Abendrot, und flöte Sanft in Schlummer die erstorb'ne Welt! Morgen -- ach! du rötest Eine Totenflur; Ach, und du, o Abendrot, umflötest Meinen langen Schlummer nur. Als Schiller geendet hatte, winkte ihn der Herzog zu sich heran. »Er hat eine lebhafte Phantasie und versteht die Natur schön zu malen. Wie kommt Er aber dazu, das gerade einem Flüchtling in den Mund zu legen?« »Ich habe mich selbst in die Lage hineingedacht, Durchlaucht!« »Das ist eine wunderliche Idee; hat Er Neigung, ein Durchbrenner zu werden?« »Halten zu Gnaden, Durchlaucht -- nein, weil es undankbar wäre gegen Höchstdero väterliche Huld.« »Recht, wenn Er das einsieht, Schiller; ja, ich mein' es gut mit meinen Söhnen von der Karlsschule, wenn ich sie auch manchmal scharf anfasse.« Er nickte gnädig; auch die Gräfin sprach ein freundliches Wort der Anerkennung, das eine warme Röte über Schillers bleiches Gesicht huschen ließ; dann trat dieser mit ehrerbietiger Neigung zurück, und die Aufführung nahm ihren Fortgang. Beim Schlag der zehnten Stunde erhob sich der Herzog, langsam ging er durch die in einer Doppelreihe aufgestellten Eleven, und wie er bei dem jungen Grafen von Nassau vorüberkam, drohte er diesem mit dem Finger. »Ein zweites Mal kommt Er so nicht davon!« sagte er mit einem Anflug von Gutmütigkeit. Eine halbe Stunde später war es still in dem ganzen weitläufigen Gebäude, und nur aus den Schlafsälen flimmerte der müde Schein der Nachtlampen durch die Fenster. Drei Tage später ging Hoven mit Haug wieder unter den Bäumen des Gartens hin und sagte: »Also heute abend um die zehnte Stunde im Krankensaale.« »Hm, also deshalb ist Schiller unwohl gemeldet -- ich merke! -- Gut, ich komme!« »Aber mit aller Heimlichkeit und Vorsicht. Und dort hast du erst ein Versprechen noch auf Ehrenwort zu geben, ehe du in die ›Bande‹ eintreten kannst.« »Aber, sage doch ums Himmels willen -- was heißt das: die ›Bande‹?« »Ich darf dir wohl soviel verraten, nachdem Schiller einverstanden ist: Er schreibt ein Spektakelstück ›Die Räuber‹, ich sage dir, Haug, daß es einem die Seele aufwühlt in den tiefsten Tiefen. So etwas von Kraft und Schwung und Handlung ist noch nicht dagewesen, und wenn's erst einmal ans Licht kommt, dann sollst du sehen, wie das ganze deutsche Publikum Mund und Ohren drüber aufsperren wird. Hei, wie der von Freiheit zu reden weiß -- man sieht förmlich das Feuer aufleuchten, das in seiner Seele lodert -- und wir, seine Freunde, sehen es werden, Stück um Stück, und heute wird er wieder einige Szenen uns bieten. Es ist ein Hochgenuß, Haug!« »Und das ist die Geschichte aus dem ›Schwäbischen Magazin‹ von den beiden Brüdern?« »Ja, aber es ist etwas ganz anderes draus geworden. Karl ist dir ein Bursche, der Welt und Himmel zusammenschmeißen kann. Schiller hat ihn, da sein Vater ihn um seines Bruders willen verstoßen hat, Räuber und Anführer einer Bande werden lassen; aber ich sage dir, kein Räuber wie die landläufigen Banditen, sondern einer, der sich die Aufgabe gestellt hat, die Mängel der Gerechtigkeit auszugleichen, den Reichen und Schlechten zu nehmen und den Armen und Guten zu geben, ein Kerl, aus dem besten Holze geschnitzt, dem man gut sein muß, wie jeder aus seiner Bande. Sein Bruder aber -- Franz heißt die Kanaille -- ist ein Bösewicht bis ins Mark der Knochen, läßt seinen eigenen alten Vater in einen Hungerturm sperren und gefangen halten, um sein Erbteil früher zu bekommen. Da sitzt nun der Alte -- und so weit sind wir -- und heute gibt's mehr. -- Wir leben in dem Stücke, und darum nennen wir uns selbst die Bande, und Schiller ist unser Hauptmann.« »Mich habt ihr, wenn ihr mich brauchen könnt -- ich schwöre zu euch!« »Gut dann, also heute abend um zehn Uhr.« Die beiden trennten sich, und jeder gesellte sich zu einer anderen Gruppe. Der Abend hatte sich niedergesenkt über die Residenz und die hohe Karlsschule. Um neun Uhr war, wie es gewöhnlich Brauch war, das Zeichen gegeben worden, sich zu Bett zu legen. Die Lichter erloschen bis auf die matten Lämpchen in den Schlafsälen, nur im Krankensaale brannte helleres Licht. Hier saß Schiller an dem großen Tische und schrieb. Er hatte sich für unwohl ausgegeben und hatte als Kranker manche Vorrechte, welche die Gesunden entbehren mußten. Einige medizinische Bücher waren aufgeschlagen zur Seite; aber er kümmerte sich darum nicht, und seine Feder flog rastlos über das Papier; seine Augen glänzten und seine Wangen brannten, denn er war mit ganzer Seele bei der Arbeit. Jetzt schlug es draußen zehn Uhr, und gleich darauf huschten Gestalten leise über die Korridore heran und traten ein. Schiller begrüßte sie mit einem Händedruck, jeden einzelnen, dann schrieb er noch weiter, und schweigend saßen die andern an dem Tische. Da kam _Scharffenstein_ und mit ihm _Petersen_, der auch schon Proben seiner dichterischen Begabung im engern Kreise abgelegt hatte, und mancher andere, alle in bequemen, leichten Hauskleidern, und endlich erschien auch Hoven mit Haug. Jetzt legte Schiller die Feder weg, lehnte sich aufatmend in seinen Sitz zurück und begrüßte die beiden. Dann sprach er: »Brüder, ich stelle euch ein neues Mitglied unserer ›Bande‹ vor: Christoph Friedrich Haug, voll guten Ingeniums für die Poesie, zumal begabt mit witziger Satire und in seiner Gesinnung verbürgt von Hoven und Scharffenstein. Wollt ihr ihn aufnehmen?« Ein allgemeines, halblautes »Ja« erfolgte -- denn das laute Sprechen war verpönt --, und Schiller trat an Haug heran: »Wohl denn, so gelobe mir in die Hand bei deiner Ehre, daß du schweigen willst von dem, was hier vorgeht, gegen jedermann, wohingegen ich dir in unserm Namen gelobe, daß es nichts ist gegen Ehre und Recht!« Haug schlug in die dargebotene Hand ein und sprach: »Ich gelobe.« Dann reichte ihm ein jeder die Rechte, und Schiller fragte wieder: »Wer hat heute die Wache?« »Petersen!« »So walte deines Amtes, Petersen!« Der Genannte trat an die Tür des Saales und lehnte sein rechtes Ohr daran; er mußte darauf achten, daß kein Störer nahe. Die andern aber hatten sich an dem Tische niedergelassen. Schiller fragte: »Hat einer Geschäftliches zu berichten? Etwa von ›Sünden‹ zu bekennen?« Unter »Sünden« aber verstand man Dinge, die verstohlenerweise in die Akademie eingeschmuggelt wurden, wie Würste, Brezeln, Tabak und auch verpönte Bücher. Einer erhob sich: »Es sind sechs Pfund Tobak eingebracht und von der bekannten Quelle zu beziehen.« Ein Zweiter sprach: »Ich habe Wielands Roman ›Agathon‹ durch einen Vetter erhalten und lege ihn hier nieder, damit er gemeinsam gelesen werde.« »Brav!« sagte Schiller. »Unser letztes Exemplar hat Nieß aufgestöbert und weggenommen. -- Wollen wir gleich heute lesen?« »Nein,« sagte Petersen, »wir brennen alle auf die ›Räuber‹; Schiller soll uns das Neueste bieten, was er geschrieben hat!« »Ja, Schiller soll lesen!« riefen alle. [Illustration: Schiller liest seinen Freunden die »Räuber« vor.] »Gut denn, wenn ihr's wollt!« sagte dieser nicht ohne ein zufriedenes Behagen und nahm das Papier zur Hand, auf welchem er geschrieben hatte. Die andern lehnten sich mit dem Gefühl der Spannung in ihren Sitzen zurück und sahen dem jungen Dichter in das erregte Gesicht. Dieser aber begann zu lesen, mit etwas verhaltener Stimme, und man merkte es ihm an, wie schwer es ihm bei einzelnen Wendungen wurde, sich zu beherrschen. Er verstand eben nicht recht, »sanft zu brüllen«, wie Scharffenstein mit einem klassischen Worte sich ausdrückte; aber verständlich war es, wie er las, und dem an der Tür postierten Petersen entging kein Wort. Gegend an der Donau. (Die Räuber gelagert auf einer Anhöhe unter Bäumen, die Pferde weiden am Hügel hinunter.) _Karl Moor_: Hier muß ich liegen bleiben. (Wirft sich auf die Erde.) Meine Glieder wie abgeschlagen. Meine Zunge trocken wie eine Scherbe. (Schweizer verliert sich unbemerkt.) Ich wollt' euch bitten, mir eine Handvoll Wassers aus diesem Strome zu holen; aber ihr seid alle matt bis in den Tod. _Schwarz_: Auch ist der Wein all' in unsern Schläuchen. _Moor_: Seht doch, wie schön das Getreide steht! -- Die Bäume brechen fast unter ihrem Segen. -- Der Weinstock voller Hoffnung. _Grimm_: Es gibt ein fruchtbares Jahr. _Moor_: Meinst du? Und so würde doch _ein_ Schweiß in der Welt bezahlt. _Einer?_ -- -- Aber es kann ja über Nacht ein Hagel fallen und alles zugrunde schlagen. _Schwarz_: Das ist leicht möglich. Es kann alles zugrunde gehen, wenige Stunden vorm Schneiden. _Moor_: Das sag' ich ja. Es wird alles zugrunde geh'n. Warum soll dem Menschen das gelingen, was er von der Ameise hat, wenn ihm das fehlschlägt, was ihn den Göttern gleichmacht? -- Oder ist hier die Mark seiner Bestimmung? _Schwarz_: Ich kenne sie nicht. _Moor_: Du hast gut gesagt und noch besser getan, wenn du sie nie zu kennen verlangtest! -- Bruder -- ich habe die Menschen geseh'n, ihre Bienensorgen und ihre Riesenprojekte -- ihre Götterpläne und ihre Mäusegeschäfte, das wunderseltsame Wettrennen nach Glückseligkeit; -- dieser dem Schwung seines Rosses anvertraut -- ein anderer der Nase seines Esels -- ein dritter seinen eigenen Beinen; dieses bunte Lotto des Lebens, worein so mancher seine Unschuld und -- seinen Himmel setzt, einen Treffer zu erhaschen, und -- Nullen sind der Auszug --, am Ende war kein Treffer darin. Es ist ein Schauspiel, Bruder, das Tränen in deine Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zum Gelächter kitzelt. _Schwarz_: Wie herrlich die Sonne dort untergeht! _Moor_ (in den Anblick versenkt): So stirbt ein Held! -- Anbetungswürdig! _Grimm_: Du scheinst tief gerührt. _Moor_: Da ich noch ein Bube war, war's mein Lieblingsgedanke, wie sie zu leben, zu sterben wie sie. -- (Mit verbissenem Schmerze) Es war ein Bubengedanke! _Grimm_: Das will ich hoffen. _Moor_ (drückt den Hut übers Gesicht): Es war eine Zeit -- laßt mich allein, Kameraden! _Schwarz_: Moor! Moor! Was zum Henker! -- Wie er seine Farbe verändert! _Grimm_: Alle Teufel! Was hat er? Wird ihm übel? Moor: Es war eine Zeit, wo ich nicht schlafen konnte, wenn ich mein Nachtgebet vergessen hatte. -- _Grimm_: Bist du wahnsinnig? -- Willst du von deinen Bubenjahren dich hofmeistern lassen? _Moor_ (legt sein Haupt an Grimms Brust): Bruder, Bruder! _Grimm_: Wie? -- sei doch kein Kind -- ich bitte dich. -- _Moor_: Wär' ich's -- wär' ich's wieder! _Grimm_: Pfui, pfui! _Schwarz_: Heit're dich auf. Sieh' diese malerische Landschaft -- den lieblichen Abend. _Moor_: Ja, Freunde! Diese Welt ist so schön. _Schwarz_: Nun, das war wohlgesprochen. _Moor_: Diese Erde so herrlich. _Grimm_: Recht, recht -- so hör' ich's gern. _Moor_ (zurückgesunken): Und ich so häßlich auf dieser schönen Welt --, und ich ein Ungeheuer auf dieser herrlichen Erde. _Grimm_: O weh, o weh! _Moor_: Meine Unschuld, meine Unschuld! -- Seht, es ist alles hinausgegangen, sich im friedlichen Strahle des Frühlings zu sonnen, -- warum ich allein die Hölle saugen aus den Freuden des Himmels? -- Daß alles so glücklich ist, durch den Geist des Friedens alles so verschwistert! -- Die ganze Welt _eine_ Familie und ein Vater dort oben. -- _Mein_ Vater nicht; -- ich allein der Verstoßene, ich allein ausgemustert aus den Reihen der Reinen, -- mir nicht der süße Name Kind, -- nimmer mir der Geliebten schmachtender Blick, -- nimmer, nimmer des Busenfreunds Umarmung. (Wild zurückfahrend) Umlagert von Mördern, -- von Nattern umzischt, -- angeschmiedet an das Laster mit eisernen Banden, -- hinausschwindelnd ins Grab des Verderbens auf des Lasters schwankendem Rohr, -- mitten in den Blumen der glücklichen Welt ein heulender Abaddona. -- -- In diesem Augenblicke, da alle mit größter Spannung und angehaltenem Atem lauschend nach Schiller hinsahen, erscholl vom Eingange ein warnendes »Pst!« und gleich darauf sprang Petersen von der Tür heran. In wenigen Sekunden war das ganze Bild verändert. Die Stühle, bis auf jenen, auf welchem Schiller saß, waren plötzlich leer und die »Bande« wie mit einem Zauberschlage verschwunden, als ob sie in den Boden versunken wäre. Schiller selbst saß über ein medizinisches Werk gebückt, seine Dichtung aber hatte wohl einer der Genossen an sich genommen. Jetzt öffnete sich die Tür, und in ihrem Rahmen erschien Herzog Karl Eugen, begleitet von Herrn von Seeger und einem Diener, der einen Armleuchter mit brennenden Kerzen trug. Der hohe Herr kam nicht zum erstenmal zu dieser Zeit in den Krankensaal; denn er liebte es, seine »Söhne« zu jeder Tag- und Nachtstunde zu »visitieren« und sich von ihrem Tun und Treiben zu überzeugen. Schiller hatte sich ehrerbietig grüßend erhoben. Der Herzog aber trat ganz nahe an ihn heran, sah in das Buch, das vor ihm auf dem Tische lag, und da er merkte, daß es ein medizinisches Werk war, sprach er sich anerkennend über den Fleiß und den Eifer, den Schiller für sein Fachstudium bekundete, aus. Dann winkte er diesem, sich niederzusetzen, und setzte sich selbst beinahe vertraulich an seine Seite: »Ein Kranker soll nicht stehen. -- Wo fehlt's Ihm denn eigentlich? -- Es kommt mir vor, als wenn Er schon öfter im Krankensaale gewesen wäre -- hm?« »Ich leide viel an katarrhalischen Affektionen, Durchlaucht,« erwiderte Schiller einigermaßen befangen -- »die zwar nicht bedenklich sind, aber Schonung der Atmungsorgane verlangen.« »Das mag sein! Hoffentlich schont Er aber auch seine Organe und hält sich vor allem fern von dem verderblichen Rauchkraut, so für die Jugend Gift ist. Ich möchte nicht gern hören, daß meine Karlsschüler dem Rauchlaster verfielen. Ich habe meinen Verdacht auf den Nassau -- wie ist's, Seeger!« »Ich habe nichts Gravierendes erfahren, Durchlaucht!« »Hm, Nieß hat mir so Andeutungen gemacht! -- Na Gott befohlen, Schiller, -- sehe Er zu, daß es bald wieder gut geht mit ihm, -- ich freue mich an seinem Fleiße!« Der Herzog erhob sich, klopfte seinem Günstling wohlwollend auf die Schulter und ging mit dem Intendanten. Schiller aber atmete auf; er hatte in den letzten Minuten wirkliche Brustbeklemmungen gespürt bei dem Gedanken, daß auch unter dem Tische, nur durch die Decke verborgen, einer oder zwei seiner Freunde steckten, und daß es leicht möglich war, daß der Herzog mit seinem Fuße an dieselben stieß; dann konnte alles entdeckt und verraten sein. Einen Augenblick blieb alles still; keiner der Karlsschüler wagte noch sein Versteck zu verlassen, solange nicht der gefürchtete Herr sich wieder völlig zurückgezogen hatte. Aber dessen Schritt wollte draußen nicht verklingen, ja bald hörte man seine, wie es schien, zornige Stimme. In der Tat hatte Karl Eugen vor der Tür einen Augenblick still gestanden und mit emporgehobener Nase die Luft eingezogen, dann hatte er sich zu dem Intendanten gewendet: »Seeger, riecht Er nichts?« Der Gefragte gab sich Mühe, etwas Besonderes zu riechen; aber es wollte sich nichts finden, und beinahe verlegen erklärte er, er finde nichts Außergewöhnliches. »So will ich's ihm sagen: Es riecht nach Tabaksrauch -- ganz genau. Wo kann das herkommen?« Er sah sich um und erblickte eine kleine, dichtanliegende Tür, welche in einen niedrigen, vorspringenden Raum führte. »Was ist das hier?« fragte der Herzog. »Der Vorkamin des Schlafsaals, Durchlaucht!« war die Antwort, und Serenissimus trat näher und befahl zu öffnen. Der Intendant versuchte es, aber vergebens, -- die Tür gab nicht nach. »Das ist ja recht seltsam -- findet Er nicht auch? -- Das kann doch von außen nicht verschlossen werden, das Hindernis kommt von innen. Wenk!« rief er dem Diener, »versuche Er es einmal, und wenn es nicht geht, so hole Er Sprengwerkzeuge, -- das Hindernis muß ich kennen lernen!« Der Intendant nahm den Leuchter aus der Hand des Lakaien, und dieser begann nun, an dem eisernen Ringe, der außen an dem Türchen war, zu ziehen. Er öffnete es ein wenig, aber gleich darauf schnappte es wieder zu; doch noch kräftiger faßte der Mann an und zog mit der ganzen Wucht seines Körpers, so daß die Tür plötzlich nachgab und er selbst zurückgeschleudert wurde, daß er seinem Herrn zu Füßen fiel. Aus dem geöffneten Eingange quoll ein bläulicher Dampf, und der Herzog rief, indem er dem Intendanten den Armleuchter entriß und in den engen, dunkeln Raum hineinleuchtete: »Nun, Seeger, riecht Er noch nichts? -- Und sieht Er auch nichts? -- Heraus, Unglücksmensch, wenn es nicht ein Malheur geben soll!« Auf diesen Befehl ward es in dem Vorkamin lebendig, und gleich darauf kroch eine Gestalt heraus im bequemen Hausrocke und richtete sich, die verhängnisvolle Pfeife noch in der Hand, stramm vor dem Fürsten auf: es war der junge Graf von Nassau. Beinahe verblüfft schaute ihm der Herzog in das halb verlegene, halb schelmische Gesicht und schien nicht gleich ein Wort zu finden; er leuchtete ihm nur ganz nahe unter die Augen, dann gab er den Armleuchter dem Diener und erfaßte mit der Rechten das linke Ohr des Schuldigen und zog ihn hinter sich her wieder hinein in den Schlafsaal, wo Schiller noch immer vor dem Tische saß, während die andern Mitglieder der »Bande« regungslos in ihren nichts weniger als bequemen Lagen verharrten. Dabei räsonierte er unaufhörlich: »Und das ist einer von den Kavaliers, die mit gutem Beispiel vorangehen sollten; statt dessen treibt er allen Unfug und alle gotteslästerlichen, schädlichen Allotria. Hier, nehme Er sich ein Exempel an Friedrich Schiller, der nur eine bürgerliche Qualifikation hat, und der alles tut zu seiner Erudition, so daß aus ihm etwas werden wird; -- aber Er, Nassau, trotz seiner vornehmen Abkunft ist ein Haselant, ein Hansnarr, ein Filou!« Der Herzog hielt noch immer das Ohr des Schuldigen fest, der alle Bewegungen mitmachte, die sein Peiniger in der Erregung seiner Rede ausführte; jetzt ließ die kräftige Hand los, und wiederum stand der junge Graf in aufrecht straffer, militärischer Haltung da. Er war ein hübscher Bursche mit einem frischen, gutmütigen Gesicht, das auch jetzt im Grunde nicht gerade ängstlich dreinschaute, so daß der Herzog, da er ihn anblickte, eine Regung des Wohlgefallens nicht unterdrücken konnte. »'s ist schade um Ihn, Nassau, wenn Er so weiter macht! Fühlt Er denn nicht, daß ich's gut mit Ihm meine, hm?« »Ich anerkenne dankbar Eurer Durchlaucht gnädige Huld, so Höchstdieselben erst heute wieder mir so sichtbarlich erzeigt ...« »Er täte besser, mich nicht daran zu erinnern -- Er Filou! -- Aber zum zweitenmal geht's nicht mit Keckheit und Frechheit, daß Er's weiß. Wie kommt Er denn zu dem infamen Rauchzeug?« »Ein Vetter hat mir's beim Besuch mitgebracht!« »Seine Vettern werden nicht mehr vorgelassen, oder am Eingang genauestens visitiert, nehme Er das zur Kenntnis, Seeger!« Der Herzog nahm dem Schuldigen die Pfeife aus der Hand und besah sie halb widerwillig, halb neugierig. »Und wie das übel riecht! ~Fi donc!~« Er schlug mit dem Pfeifenkopf an die Tischkante, daß er in kleine Scherben zersplitterte, und auch Schiller, der sich erhoben hatte und als stummer Zuschauer dastand, erschrocken zurückfuhr. »Und jetzt hätt' ich Lust, das Rohr an Ihm selber zu probieren!« sagte Karl Eugen, indem er das bedrohliche Instrument schwang und einigemal durch die Luft sausen ließ; der junge Graf, in dessen Antlitz nichts zuckte, ward bleich, seine Lippen bissen sich aufeinander, und seine Augen funkelten seltsam, so daß der Herzog unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. »Sehe Er mich nicht an, wie ein gereizter Löwe -- das lieb' ich nicht bei meinen Karlsschülern. Und sei Er ruhig, -- ich will Ihm nicht an die Reputation gehen; aber Strafe muß sein! Drei Tage Karzer, verschärft durch entsprechendes Fasten!« Der Intendant verneigte sich zustimmend; Karl Eugen aber kommandierte: »Rechts um -- marsch!« und der junge Graf, der ihm zuvor noch die Hand geküßt hatte, bewegte sich genau nach dem Kommando und verschwand im Paradeschritt durch die Tür. Der Herzog aber wendete sich zu Schiller: »Es tut mir leid, daß ich Ihn noch einmal gestört habe; -- aber ich meine, Er geht jetzt auch zur Ruhe, -- für einen Kranken ist's besonders an der Zeit!« »Zu Befehl, Durchlaucht!« war Schillers Antwort, und mit einem gnädigen Nicken entfernte sich der Herzog mit seinen Begleitern. Als die Schritte auf dem Korridor draußen verhallt waren, begann es sich unter dem Tische und unter den Betten zu regen, und die jungen Verschwörer krochen hervor und reckten und dehnten die Glieder. »Er geht jetzt auch zur Ruhe!« sagte Scharffenstein zu Schiller, indem er den Herzog parodierte; Hoven aber sprach: »Lange hätt' ich's nicht ausgehalten; denn ich glaube, ich habe in Wirklichkeit den Katarrh, um dessentwillen Schiller hier sitzt. Na, gute Nacht, Hauptmann!« »Na, dein erstes Auftreten in der Bande war doch nicht übel?« sprach Petersen zu Haug; dieser aber erwiderte: »Es hat sich wenigstens recht dramatisch gemacht, obgleich ich eine etwas bequemere Rolle vorgezogen hätte.« »Dafür aber hast du den besten Platz gehabt, um die komische Szene ›Der arme Sünder‹ oder ›Der Filou im Vorkamin‹ anzusehen.« Die andern lachten halblaut, dann huschten sie davon, unhörbar, leise, und als eine halbe Stunde später Nieß noch einmal den Schlafsaal inspizierte, fand er auch Schiller bereits in ruhigem Schlummer. Am vierten Tage nach diesen Vorgängen traf Nassau, der seine Strafe hinter sich hatte, mit Schiller zusammen. »Höre Er, Hauptmann -- ich hatte da vor vier Tagen seine ganze ›Bande‹ in der Hand --; doch, bei Gott, ich hätt' mir die Zunge ausschneiden lassen, eh' ich's verraten hätte. Aber andermal seht doch erst in den Vorkamin -- es könnt' auch einmal ein anderer drin sitzen -- vielleicht sogar der dicke Nieß. -- Aber alle Achtung, Schiller, über den Rücken ist mir's ganz wohlig und gruselig hinunter gelaufen, wie Er deklamierte: Umlagert von Mördern -- angeschmiedet an das Laster ... Er hat wirklich das Zeug zu einem großen Dichter, und wenn sein Stück fertig ist, vergesse Er nicht, mich's ganz genießen zu lassen, -- ich hab's um die ›Bande‹ verdient.« Schiller schüttelte dem lustigen Burschen freundlich dankend die Hand, dann gingen sie auseinander. [Illustration] [Illustration: Zweites Kapitel] Wachsender Unmut Es war im Dezember 1779. Die Schneeflocken tanzten um die Karlsschule, der Garten lag unter einer weißen Decke, und Schiller stand an einem Fenster seines Schlafsaals und blickte zerstreut hinaus. Wunderliche Gedanken gingen ihm durch die Seele und freundliche Hoffnungen. Er hatte seine Studien eigentlich absolviert, hatte die vorschriftsmäßige schriftliche Arbeit abgegeben und harrte nun mit Spannung auf das Ergebnis. Die Entscheidung lag in der Hand des Herzogs; er hoffte aber auf dessen Gewogenheit und sah sich darum im Geiste schon außerhalb dieser Mauern, die ihn jahrelang umschlossen und ihm die freie Bewegung der Seele eingeengt hatten. Da draußen lag eine Welt, die er so gut wie gar nicht kannte, und die er, weil sie ihm fremd war, sich mit den leuchtendsten Farben ausmalte. Wie wollte er das Dasein genießen, wie wollte er leben, schaffen, nach Berühmtheit streben und der Welt zum Dank für ihre Gaben auch sein Bestes, das herrlichste Teil seines Geistes geben. Ein Diener trat ein und rief ihn zu dem Intendanten. Mit hochklopfendem Herzen folgte Schiller, und mit gerötetem Angesicht trat er bei Herrn von Seeger ein. Der empfing ihn ungewöhnlich freundlich und sprach: »Mein lieber Freund, ich möchte Ihnen gern eine angenehme Mitteilung machen. Sie wissen, daß wir alle Sie schätzen Ihres Ingeniums wegen, und daß auch Serenissimus es wohlmeint mit Ihnen. Wir haben allzusammen Ihre Abhandlung mit großem Interesse gelesen und uns über den Geist derselben und den Schwung des Ausdrucks gefreut. Seine Durchlaucht aber kann sich doch nicht entschließen, dieselbe in Druck legen zu lassen, soviel Anerkennung auch Höchstderselbe dafür hat. Hören Sie, was er schreibt: Die Disputation von dem Eleven Schiller soll nicht gedruckt werden, obschon ich gestehen muß, daß der junge Mensch viel Schönes darin gesagt -- und besonders viel Feuer gezeigt hat. Eben deswegen aber und weilen solches wirklich noch zu stark ist, denke ich, kann sie noch nicht öffentlich an die Welt ausgegeben werden. Dahero glaube ich, wird es auch noch recht gut vor ihm sein, wenn er noch ein Jahr in der Akademie bleibt, wo inmittelst sein Feuer noch ein wenig gedämpft werden kann, so daß er alsdann einmal, wenn er fleißig zu sein fortfährt, gewiß ein recht großes Subjektum werden kann.« Der Intendant ließ das Schreiben, das er in der Hand hielt, sinken und sah Schiller wohlwollend an; dieser aber stand bleich da, und seine Lippen stießen das Wort hervor: »So ist es ein Vergehen, eine eigene Meinung haben, und einen eigenen Geistesweg gehen zu wollen? Dann ist diese ganze Anstalt -- --« »Halt -- nicht weiter! Ich darf solches nicht hören. Werden Sie ruhig, und Sie werden auch darin das väterliche Wohlwollen Serenissimi erkennen!« »Väterliches Wohlwollen, wenn ich gezüchtigt werde ohne Schuld -- --« »Keine Insubordination!« sagte der Intendant jetzt strenge, und Schiller biß sich auf die Lippen, indes jener fortfuhr: »Ein Jahr ist keine lange Frist! Lassen Sie Ihren Geist ruhiger werden und reifen, -- Sie beweisen durch diese Hitze, daß Ihnen vor allem Selbstbeherrschung fehlt. Gehen Sie mit Gott und halten Sie brav aus!« Schiller ging; aber in seiner Seele lebte eine Welt von Unmut, er hätte in diesem Augenblick die Erde aus ihren Angeln heben und zertrümmern mögen, und lebhafter dachte er in dieser Stunde seines Helden Karl Moor, dem er die Entrüstung seiner Seele über das nach seiner Meinung ihm zugefügte Unrecht in den Mund legen wollte. Die Welt sollte es dereinst hören, und dem Herzog sollten darüber die Ohren klingen. Er ging nach dem Garten, wo er Hoven sein Leid klagte und die Freunde aufforderte, sich am Abend wieder im Krankensaale einzufinden, wo er indes eine neue Szene fertigzuschreiben gedachte. Er meldete sich sofort unwohl und motivierte das auch unverhohlen mit der Kränkung, die ihm widerfahren war, und in der Einsamkeit des Schlafsaals ließ er die ganze heiße Erregung ausstürmen in sein Werk, und dabei ward ihm wohler. Als am Abend verstohlen sich die »Bande« zusammenfand, ging ein Schauer durch aller Seelen, als Schiller das Selbstgespräch Karl Moors verlas, das er in der Nacht nahe bei dem alten Turm, in welchem, ihm noch unbewußt, sein Vater schmachtete, hielt, und der junge Dichter hatte wohl niemals mit solcher Erregung gelesen: »Wer mir Bürge wäre? -- -- es ist alles so finster -- verworrene Labyrinthe -- kein Ausweg -- kein leitendes Gestirn -- wenn's _aus_ wäre mit diesem letzten Odemzug -- _aus_, wie ein schales Marionettenspiel -- aber wofür der heiße Hunger nach Glückseligkeit? -- wofür das Ideal einer unerreichten Vollkommenheit -- das Hinausschieben unvollendeter Pläne? -- Wenn der armselige Druck dieses armseligen Dinges (die Pistole vors Gesicht haltend) den Weisen dem Toren -- den Feigen dem Tapferen -- den Edeln dem Schelmen gleich macht? -- Es ist eine so göttliche Harmonie in der seelenlosen Natur, warum sollte dieser Mißklang in der vernünftigen sein? -- Nein, nein! es ist etwas mehr; denn ich bin noch nicht glücklich gewesen. -- -- (Er setzt die Pistole an) _Zeit und Ewigkeit_ -- gekettet aneinander durch ein einzig Moment! -- Grauser Schlüssel, der das Gefängnis des Lebens hinter mir schließt und vor mir aufriegelt die Behausung der ewigen Nacht -- sage mir -- o sage mir -- wohin -- wohin wirst du mich führen? Fremdes, nie umsegeltes Land! -- Siehe, die Menschheit erschlafft unter _diesem_ Bilde, die Spannkraft des Endlichen läßt nach, und die Phantasie, der mutwillige Affe der Sinne, gaukelt unserer Leichtgläubigkeit seltsame Schatten vor. -- Nein, nein! Ein Mann muß nicht straucheln ...« Und weiter, immer weiter ging es im prächtigen dithyrambischen Flusse, bis der Vorleser sprach: »Soll ich dem Elend den Sieg über mich einräumen? -- Nein, ich will's dulden. (Er wirft die Pistole weg.) Die Qual erlahme an meinem Stolz! Ich will's vollenden. (Es wird immer finsterer.)« Heftiger sang der Sturmwind draußen um die Fenster, und sein Heulen vermehrte die Schauer der Empfindung. Plötzlich flog ein Fensterflügel auf, die Lampe verlöschte nach einem hastigen Aufflackern, erschrocken sprangen alle auf, doch Schiller sagte ruhig: »Es ist nichts -- geht jetzt -- ich muß allein sein!« Keiner erwiderte ein Wort, schweigend schlichen sich alle davon; Schiller aber trat an das Fenster und ließ einen Augenblick den kalten Wind über seine Stirn streichen, dann schloß er den Flügel, und ohne noch einmal das Licht zu entzünden, verbarg er sein Manuskript und legte sich zu Bette, indes er noch einigemal halblaut sagte: »Die Qual erlahme an meinem Stolz! Ich will's vollenden!« Einige Tage später fand das Stiftungsfest der Akademie statt, welches alljährlich in besonders feierlicher Weise begangen wurde, und mit welchem auch eine Preisverteilung an die Schüler verbunden war. Am Morgen war in der Akademiekirche Festgottesdienst, welchem die Eleven in Paradeuniform beiwohnten, und nachmittags fanden sie sich in dem großen Rangiersaal ein, wohl geordnet, und mancher mit erwartungsvoll klopfendem Herzen. Durch die großen Fenster fiel freundlicher Sonnenschein und blitzte auf dem blanken Metall der Uniformen und auf den Orden, welche auf einer langen Tafel lagen. Das waren zumeist silberne Medaillen mit dem Bilde des Herzogs, welche als Preise verteilt wurden. Wer acht solcher Preise in einem Jahre erhalten hatte, bekam ein goldenes, braun emailliertes Kreuz, das als besondere Auszeichnung auch am Halse hängend getragen werden durfte. Trotzdem der Saal beinahe gefüllt war, herrschte ein tiefes Schweigen, und auch das auf den Galerien anwesende Publikum verhielt sich still. Von dort herab sah manches Vaterauge besorgt und doch mit Wohlgefallen nieder auf einen oder den anderen der schmucken Burschen. Dort befand sich auch der Vater Schillers, der damals Inspektor der Gärten auf dem herzoglichen Lustschlosse Solitüde war, in seiner Uniform als württembergischer Hauptmann und schaute mit gutmütigem Ernste in dem würdigen Gesicht herunter in den Saal, in welchen eben jetzt der Herzog mit zahlreichem und glänzendem Gefolge eintrat. Karl Eugen trug die Uniform der akademischen Offiziere und ging hochaufgerichtet einher. Zu seinen beiden Seiten schritten zwei Fremde; aber den Zöglingen war es wohl bekannt, wer sie waren: Der zur Rechten mit dem etwas vollen Gesicht, der kräftig vorspringenden Nase und den großen lebhaften Augen war der Herzog _Karl August_ von Weimar, der andere aber war dessen Freund _Wolfgang Goethe_, der schon in seinen jungen Jahren mit seinen ersten Werken, dem »Götz von Berlichingen« und den »Leiden des jungen Werther«, hohen Ruhm sich erworben hatte. Sie kamen von einer Schweizerreise, die sie mitten im Winter in etwas abenteuerlicher Weise gemacht hatten. Goethe war eine prächtige Erscheinung, das Musterbild eines schönen Mannes mit wunderbar klaren, geistvollen Augen, und wie er die allgemeine Aufmerksamkeit erregte, so vermochte besonders Schiller seine Blicke nicht von ihm zu wenden. Freilich flüsterte keine Ahnungsstimme ihm zu, daß dieser herrliche Mann berufen war, dereinst sein bester Freund und er selbst der Genosse seines Ruhmes zu werden. In dieser Stunde überkam ihn beinahe ein Gefühl des Neides. Dieser nur zehn Jahre ältere Mann war vom Schicksal wie auf Rosenwegen geführt worden, hatte eine glückliche, heitere Jugend hinter sich, hatte in jungen Jahren den Ruhm und das Glück an seine Spuren geheftet, hatte eine angesehene Stellung, war der Freund eines trefflichen Fürsten, indes er selbst sogar in seinem bescheidenen Hoffen, die Karlsschule verlassen zu können, sich schmerzlich getäuscht sah. Eine Bitterkeit zog durch seine Seele; aber er konnte doch die Augen nicht abwenden von dem herrlichen Manne, der dort neben dem Herzog stand und so frei und sicher und selbstbewußt in die Welt schaute. Er hörte nicht die Worte des Professors Consbruch, welcher, wie es Brauch war, die Festrede zu Ehren des Stifters der Schule hielt; sie rauschten wie ein leerer Schall an seinem Ohre vorüber; aber seine Wangen brannten, und seine Augen glühten. Nun trat der Sekretär vor und verlas die Namen der Zöglinge, welche Preise erhalten sollten, und viermal klang der Name Schiller durch den Saal, so daß auch Goethe aufmerksam wurde auf den schmächtig emporgeschossenen Eleven mit dem rötlichen Haar, der scharfgeschwungenen Nase und den Adlerblicken, der, wie es üblich war, die ihm zugeteilten Preise aus der Hand des Herzogs empfing und nach dem gewohnten Brauche dafür dankbar dessen Rock küßte. Die Augen des wackern Hauptmanns auf der Galerie glänzten in freudigem Stolze; aber noch ein anderes Augenpaar folgte wiederholt der Gestalt Schillers. Das gehörte einem jungen Manne mit frischem Gesicht und krausen Haaren um die hohe weiße Stirn. Derselbe schien hauptsächlich hierher gekommen zu sein, um der musikalischen Aufführung zu folgen, welche sich an die Preisverteilung anschloß, denn sobald diese begann, stand er meist unbeweglich wie ein Steinbild, oder er wiegte bei Stellen, die ihm besonders gefielen, wohl auch den Kopf wie in leisem Takte oder bewegte die Finger, als habe er selbst bei der Sache mitzuwirken. Als die Festlichkeit zu Ende war, eilte der Vater Schillers hinab, um seinen Sohn zu beglückwünschen; aber er fand ihn nicht freundlich, sondern eigentümlich erregt und trübe. Der Hauptmann suchte ihn zu beruhigen; aber es wollte wenig helfen, und der brave Mann begleitete ihn nach dem Speisesaale, wo das Festmahl stattfand, an dem auch die Väter der Eleven teilnahmen. Der Herzog mit seinen Gästen speiste in dem »Tempel«, denn er mochte an diesem Tage nicht von seinen »Söhnen« sich trennen. Auch während des Mahles blieben Zuschauer auf den Galerien, und unter ihnen war auch hier wieder der junge, musikfreundliche Mann. Er hatte sich so gestellt, daß er gerade in das Gesicht Schillers sehen konnte, der sich jetzt ziemlich lebhaft mit seinem Tischnachbar Wilhelm von Hoven unterhielt. Hätte der Beobachter auch noch hören können, so hätte er sich überzeugt, daß Schillers Seele erfüllt war von Goethe, dessen Bild sich ihr tief eingeprägt hatte. Seine Blicke leuchteten, indes er sprach, in kühnerem Feuer, und um die Lippen flog ab und zu ein Lächeln, das dem Gesicht einen eigentümlichen Reiz gab. »Wilhelm,« sprach er zu dem Freunde, »zu des Herzogs Geburtstage spielen wir Goethes ›Clavigo‹. Zum Henker mit Herrn Uriots[1] französischen Komödien und Operetten! Als ob wir hier nicht in Deutschland lebten und deutsche Dichter hätten! Und Durchlaucht wird sich freuen über ein Werk, dessen Verfasser er nun kennen gelernt und ausgezeichnet hat.« »Und wer soll den Clavigo spielen?« fragte Hoven. »Ich selbst, Wilhelm; mich lüstet's einmal, Goethesche Worte vor den erlauchten Ohren zu reden, -- es ist mir so, als müßte ich selber das geschrieben haben.« »Aber die Rolle ist schwer, Schiller!« »Wir tun, was wir können. Sind wir Meister? -- Schon die Absicht und der gute Wille, Gutes zu bieten, ist anzuerkennen. Mit der Seele will ich dabei sein, Wilhelm. Fehlt mir das Organ und die gefällige Bewegung, so mag's der Dichter und der Herzog verzeihen!« »Du bist auch hier unser Hauptmann!« sagte lächelnd Hoven; Schiller aber drohte ihm abwehrend mit dem Finger. Jetzt betrat der Herzog den Saal und ging an den Sitzen der Eleven entlang; er winkte ihnen, sich nicht stören zu lassen, und nickte einem und dem andern der Ausgezeichneten auch besonders wohlwollend zu. Bei Schiller blieb er stehen, und als sich dieser erheben wollte, drückte er ihn gutmütig auf seinen Sitz zurück. Dann legte er seinen Arm fast vertraulich auf die Lehne des Stuhles, und während Schiller ihm das Gesicht zuwendete, unterhielt er sich mit ihm. Der Eleve zeigte dabei nicht die mindeste Befangenheit. »Es freut mich, daß Er wieder seine Sache brav gemacht und wie in der praktischen Medizin und Chirurgie und ~materia medica~ so auch in der deutschen Sprache und Schreibart einen Preis erworben hat. Er hat Phantasie und groß Geschick in der Redeweise -- das kann Ihm einmal nutzen; aber die Hauptsache ist doch sein Fachstudium. Ja -- ich habe Ihm die Preise mit viel Vergnügen gegeben.« »Durchlaucht sind sehr gnädig zu mir!« »Ich glaube, daß Er in diesen Tagen das Gegenteil davon gedacht hat. Sei Er ehrlich!« »Ich will's nicht leugnen, Durchlaucht, daß ich gehofft hatte, mit meiner Arbeit, an die ich meine ganze Kraft und meinen Fleiß gesetzt hatte, Eurer Durchlaucht huldvolle Entlassung aus der Akademie zu erreichen.« »Ja, sieht Er, auch darin meine ich's gut mit Ihm. Respekt vor Autoritäten muß sein, und den hat Er nicht bewiesen in seiner Dissertation!« »Auch Autoritäten sind Menschen und können irren, Durchlaucht!« »Da hat Er recht; -- aber es sind ältere und in ihrem Fach erfahrene Männer, die Er mit seiner Meinung tuschieren wollte, -- das darf nicht sein; das ist eine geistige Insubordination, und kann ich solche ebensowenig wie eine dienstliche hingehen lassen. Ich bin verantwortlich dafür vor Gott. Also glaub' Er, daß ich's gut meine.« »Ich bin davon überzeugt, Serenissime.« »So ist's recht, -- und arbeite Er brav weiter, -- ein Jahr ist in seinem Alter rasch verflogen.« Der Herzog legte Schiller die Hand auf die Schulter, nickte ihm besonders freundlich zu und schritt weiter. Dieser aber fühlte sich wieder hingezogen zu dem seltsamen Manne, den er manchmal vermeinte hassen zu müssen, und dem er doch wieder mit einer Art kindlicher Pietät ergeben war. Der junge Mann auf der Galerie aber hatte kein Auge abgewendet bei diesem Vorgang, und das Interesse für den Karlsschüler da unten mehrte sich. Er fragte einen älteren Herrn, der neben ihm stand: »Verzeihen Sie, mein Herr, kennen Sie vielleicht einzelne von den Eleven?« »Gewiß, ich habe selber einen Neffen dabei, Heideloff, der auch in der Kunst der Malerei sich versucht; sehen Sie, es ist der dritte von Schiller rechts aufwärts.« »Ja, welcher ist Schiller, werter Herr?« »Ach, Sie kennen auch Schiller nicht, den alle jetzt schon für einen guten Dichter halten; auch mein Freund, Professor Haug, hat ihn recht gelobt im ›Schwäbischen Magazin‹. Das ist der mit der Adlernase und dem rötlichen Haar, mit dem Serenissimus soeben gesprochen haben.« Der junge Mann fuhr lebhaft auf: »Also Schiller heißt dieser?« »Ja, sein Vater war Feldscher; aber Durchlaucht haben an dem anstelligen Manne Wohlgefallen gefunden, ihn zum Offizier gemacht und zum Garteninspektor in der Solitüde; seine Frau ist eine geborene Kodweiß, eine Wirtstochter aus dem kleinen Orte Marbach. Der Junge sollte einmal Pastor werden; aber als Serenissimus die Karlsschule stiftete und Schüler suchte zumeist in Offizierskreisen, da wurde auch Schiller aufgefordert, seinen Sohn in die Schule zu geben. Er mußte es als besonderen Huldbeweis ansehen, wenn es ihm vielleicht auch nicht angenehm war, und da es im Lehrplan der Karlsschule keine Gottesgelahrtheit gibt, hat der junge Schiller anfangs Rechtsgelehrsamkeit und später das Studium der Medizin ergriffen; aber die Hauptsache scheint ihm die Verskunst zu sein, wenn ich meinem Neffen glauben darf, der mir oft wunderliche Andeutungen macht. -- Haben Sie auch jemanden in der Karlsschule?« »Nein; aber ich interessiere mich besonders für die musikalischen Bestrebungen in derselben. Mein Name ist _Andreas Streicher_, und ich bin selber Musiker und Tonsetzer.« -- -- Im Saale unten ward die Tafel aufgehoben. Man sah Schiller zu seinem Vater treten und lebhaft mit ihm sprechen, dann blickte er herauf nach der Galerie und nickte dem Vetter Heideloffs zu. Nicht lange darauf erschien er selber, um ihn zu begrüßen und dessen Glückwünsche entgegenzunehmen. Streicher stand in der Nähe, und der alte Herr nahm die Gelegenheit wahr, ihn vorzustellen. Schiller sah mit hellen, großen Augen dem andern ins Gesicht, dann reichte er ihm die Hand: »Sie haben einen ehrlichen Blick -- das liebe ich!« sagte er. Streicher aber erwiderte: »Mein Blick hat sich an dem Ihren entzündet, und wenn es wahr ist, daß oft ein Augenblick über ein lebenslanges Empfinden entscheidet, so sage ich Ihnen nur das: Wenn Sie einmal einer rechten Freundestat bedürfen, so lassen Sie mir den Vorzug, dieselbe zu tun!« Verwundert sah Schiller den jungen Mann an, dessen Wange erglühte, und er erwiderte: »Gute Freunde sind selten, und ich will Ihr Wort merken. Auch ich hoffe, wir haben uns heute nicht zum letztenmal gesehen und gesprochen. Ich behalte Sie im Andenken.« Noch einmal gab er Streicher die Hand, dann ging er weiter zu einem anderen Bekannten; der junge Musiker aber stand und sah ihm noch lange mit leuchtenden Augen nach. Die Idee der Ausführung des Goetheschen Trauerspiels »Clavigo« verließ Schiller nicht, und schon am nächsten Tage ging er als anerkannter Theaterdirektor im Kreise der Karlsschüler an seine Tätigkeit. Die Rollen wurden verteilt, und es begann ein eifriges Lernen. Der Herzog selbst, der von der Sache unterrichtet war, sah der Aufführung mit Spannung entgegen, und an seinem Geburtstage -- es war der 11. Februar -- fand sich denn auch ein auserlesenes Publikum in der Karlsschule zusammen. Im Rangiersaale war die Bühne aufgeschlagen. Vor derselben standen die Polstersitze für den Herzog und seine Gemahlin, und Staatsmänner und hohe Offiziere nahmen die anderen Plätze ein. Auch der Kommandant des Hohenasperg, des württembergschen Staatsgefängnisses, Oberst _Rieger_, war zugegen. Das Spiel begann, und Schiller agierte mit Feuer und Leidenschaft, deklamierte mit seiner in der Erregung hohen und beinahe kreischenden Stimme, aber die Bewegungen seiner hohen Gestalt waren schlenkerig und wenig anmutig, und der Herzog begann immer bedenklicher den Kopf zu schütteln. Endlich rief er lustig lachend mitten ins Spiel hinein: »Das ist ein Hampelmann, aber kein Clavigo!« Und nachdem Serenissimus erst gleichsam das Zeichen und die Erlaubnis gegeben, brach das verhaltene Lachen auch bei den andern hervor. Schiller ward es unbehaglich; aber er hielt tapfer aus, nur als zuletzt der Vorhang gefallen war, stand er einige Augenblicke finster, starr, fast trotzig, so daß seine Genossen ihm auswichen. Dann schüttelte er sich wie einer, der etwas Unbehagliches abwirft, und sagte zu Hoven, der in seiner Nähe war: »Und wir haben doch den ›Clavigo‹ gespielt und keine französische Komödie.« Jetzt erschien der Herzog selbst auf der Bühne hinter dem niedergelassenen Vorhang und trat auf Schiller zu: »Sage Er mir in Kuckucks Namen, wie Er dazu kommt, Komödie zu spielen? Er wirft ja seine Gliedmaßen, als ob Er sie aus den Gelenken werfen wollte. Wo zum Geier hat Er einen solchen Spanier gesehen wie seinen ›Clavigo‹? Und dann schreit und kreischt Er zu sehr und kommt aus dem Affekt gar nicht heraus.« »Halten zu Gnaden, Durchlaucht, -- man darf sich doch ein hohes Ziel auch dann stecken, wenn man mit seinen Kräften dahinter zurückbleibt.« »Das ist's -- da hat Er seine Selbstüberhebung; vor nichts Respekt! Sieht Er, wie notwendig es ist, daß Er noch ein Jahr unter der Zucht der Akademie bleibt? -- Selbsterkenntnis und Selbstbeherrschung -- das ist das Wahre; die tollen Feuerköpfe, die alles besser wissen und alles selber machen wollen, zerschellen an den Mauern, die -- dem Himmel sei Dank -- von der Autorität gezogen sind! -- Na, nehm' Er sich's nicht zu Herzen, Er ist sonst ein braver, brauchbarer Mensch, aus dem dermaleinst noch etwas Rechtes werden wird.« Der Herzog ging weiter, in Schillers Seele aber überwog wieder die alte Bitterkeit, die ihn manchmal schon während seines Aufenthalts in der Karlsschule erfaßt hatte; er hatte die Empfindung, als ob sein Geist sich erheben und fliegen wolle, und als ob er von den kalten, strengen Satzungen der Schule und von den Verfügungen des Herzogs immer wieder heruntergezogen würde. Da tat es ihm not, daß er das, was in seiner Seele brannte, aussprechen konnte, und er flüchtete sich in sein innerstes Heiligtum, zur Poesie, und ließ seine »Räuber« reden, was er selbst nicht sagen durfte. In jenen Tagen schrieb er eifriger als vorher an seinem Werke, das fertiggestellt werden mußte, ehe er die Karlsschule verließ. Und er vollendete es; auf einem Spaziergang, in einem versteckten Waldwinkel, fand er Gelegenheit, den Freunden den Abschluß vorzutragen, und alle waren durchdrungen von Begeisterung für den Genius, welchen das Geschick unter sie gestellt hatte, und auf dessen Freundschaft sie stolz waren. »Daß doch bald die ganze Welt widerhallte von dem Donnerton solcher Worte!« rief Petersen begeistert, und Heideloff fügte bei: »Wenn sie nur erst den Leitern der Karlsschule in die Ohren klängen und ihnen die Herzen erzittern machten vor dem Geisteshauch einer kommenden bessern, freien Zeit!« Schiller fühlte sich gehoben. »Seid ruhig, ich werde ihnen meine Worte in die Ohren schreien, noch ehe ich die Akademie verlasse, und ich versichere euch, Kerls, sie werden dazu schweigen, selbst Serenissimus wird sie anhören.« »Das bringst du nicht fertig, Schiller!« rief ein anderer. »Ob ich's fertig bringe? -- Wer will mit mir wetten, daß ich öffentlich im Rangiersaal bei der Entlassung die Kraftstellen meiner ›Räuber‹ ihnen allen ins Gesicht werfe?« »Ich, -- und wäre es auch nur des köstlichen Spaßes halber,« sagte Heideloff; »um was soll's gelten?« »Ein Dutzend Flaschen Roten für die ›Bande‹,« rief Schiller, »die getrunken werden auf meiner Wohnung, wenn ich erst heraus bin aus der Akademie.« »Abgemacht, gilt -- ihr alle seid Zeugen!« rief Heideloff, und mit vergnügtem Lachen bestätigten das die andern. -- Langsam gingen die Tage. Die ›Bande‹ kam seltener zusammen; denn die Zeit der Prüfungen war erschienen, und es gab, besonders für die Abgehenden, viel Arbeit. Schiller hatte für seine schriftliche Dissertation das Thema »Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit der geistigen« gewählt, und behandelte es in einer vorsichtigen aber genial übermütigen Weise, so daß, zumal wegen »sehr erbaulichen Bemerkungen« über den berühmten Albrecht von Haller die Arbeit Anerkennung fand und für den Druck bestimmt wurde. So war es wiederum Winter geworden, und die Zeit der Entlassung der Eleven erschien. Die alljährlichen Zurüstungen wurden getroffen in der üblichen Weise, bis der 14. Dezember gekommen war. Im Rangiersaal entwickelte sich das gewohnte Leben; die Galerien waren gefüllt von Neugierigen, und die Sonne blinkte auch diesmal auf den silbernen Medaillen, die auf dem langen Tische lagen. Auch diesmal sah von oben das geistvolle Gesicht Andreas Streichers herab, und seine Augen suchten den Freund. Dieser sah heute in die Welt wie ein ganz anderer. Nur noch wenige Stunden, und er atmete die Luft der Freiheit. Als hätte er bereits eine Vorahnung davon, so gehoben trug er sein Haupt, und die Augen schienen in eine schöne Zukunft zu schauen. Der Herzog kam mit seinem glänzenden Gefolge; die übliche Rede auf denselben wurde gesprochen, die Preise wurden verteilt, und auch diesmal ging Schiller nicht leer aus; dann aber trat derselbe vor, um seine Abgangsworte zu sprechen. Er begann mit einem Lobe und Danke für seinen fürstlichen Gönner, und seine Stimme klang ruhig und maßvoll; allmählich aber schwoll sie an zu jenem hohen, fast kreischenden Tone, der nicht gerade angenehm wirkte; aber die Hörer vergaßen das bei der Wucht der Gedanken, die an ihnen vorüberging, und bei dem gewaltigen, packenden Pathos des Ausdrucks. Von der Menschenwürde und der wahren sittlichen Freiheit sprach er, und man meinte weniger den angehenden Arzt als den Philosophen zu hören, und wie glänzende Brillanten fügten sich seiner Rede Stellen aus seinen Lieblingsdichtern Shakespeare, Klopstock, Gerstenberg u. a. ein. Da nannte er mit einem Male einen bis dahin unbekannten Namen, einen englischen Schriftsteller, Krake, und angeblich aus einer Tragödie desselben: »~Life of Moor~« (»Moors Leben«) begann er zu zitieren. Die Unfreiheit, der geistige Zwang erzieht Heuchler, das war es, was er eben noch behauptet, und nun brach mit einem seltsamen Pathos das Zitat von seinen Lippen: »O über euch Pharisäer, euch Falschmünzer der Wahrheit, euch Affen der Gottheit! Ihr scheut euch nicht, vor Kreuz und Altären zu knieen, zerfleischt eure Rücken mit Riemen und foltert euer Fleisch mit Fasten; ihr wähnt mit diesen erbärmlichen Gaukeleien demjenigen einen blauen Dunst vorzumachen, den ihr Toren doch den Allwissenden nennt, nicht anders, als wie man der Großen am bittersten spottet, wenn man ihnen schmeichelt, daß sie Schmeichler hassen; ihr pocht auf Ehrlichkeit und exemplarischen Wandel, und der Gott, der euer Herz durchschaut, würde wider den Schöpfer ergrimmen, wenn er nicht eben der wäre, der das Ungeheuer am Nilus (das Krokodil als Sinnbild der Heuchelei) erschaffen hat.« Das brauste einher mit einem wilden, zornigen Ungestüm, daß mancher Hörer den Atem anhielt. Die Mitglieder der »Bande« aber warfen sich verstohlene Blicke zu, denn sie wußten, woher dies Zitat stammte, und Hoven drückte heimlich dem neben ihm stehenden Petersen warm die Hand. Auch der Herzog hatte sich straffer zurückgelehnt in seinen Sitz und sah mit großen, fragenden Augen nach dem kühnen Sprecher. Dieser aber fuhr in seiner Rede fort, und abermals klangen die Worte Krakes erregt, leidenschaftlich warm dazwischen: »Da verrammeln sie sich die gesunde Natur mit abgeschmackten Konventionen, haben das Herz nicht, ein Glas zu leeren, weil sie Gesundheit dazu trinken müssen, -- belecken den Schuhputzer, daß er sie vertrete bei Ihro Gnaden, und hudeln den armen Schelm, den sie nicht fürchten. Vergöttern sich um ein Mittagessen und möchten einander vergiften um ein Unterbett, das ihnen beim Aufstreich überboten wird. -- Verdammen den Sadduzäer, der nicht fleißig genug in die Kirche kommt und berechnen ihren Judenzins am Altare, -- fallen auf die Knie, damit sie ja ihren Schlamp ausbreiten können, -- wenden kein Auge von dem Pfarrer, damit sie sehen, wie seine Perücke frisiert ist. -- Fallen in Ohnmacht, wenn sie eine Gans bluten sehen, und klatschen in die Hände, wenn ihr Nebenbuhler bankerott von der Börse geht ...« Und wieder suchten sich die Blicke der Eingeweihten, und des Herzogs Augen hingen unverwandt am Munde Schillers, der nun zum Schlusse seiner Rede kam und endlich wieder mit den Worten Krakes schloß: »Mein Geist dürstet nach Taten, -- mein Atem nach Freiheit!« Als er verstummte, ging eine unverkennbare Erregung durch alle Zuhörer, Karl Eugen erhob sich mit einer gewissen Hast, winkte den Redner heran und sagte, während Schiller die Blicke nicht senkte: »Höre Er, dieser Krake ist ein Revolutionär, und seine Gesinnungen gefallen mir nicht in allen Punkten; in manchen mag er recht haben, lieb wär' mir's aber, wenn Er ihn nicht zu seinem Propheten machte. Im übrigen hatte seine Rede Inhalt und Feuer, und ich habe lange hier nichts Ähnliches gehört.« Schiller neigte sich mit errötetem Gesicht und trat zurück; die Feier war zu Ende. An ihn drängten sich jetzt die Freunde heran, und jeder wollte ihm die Hand drücken. Heideloff aber sagte: »Den Roten hast du glänzend gewonnen, du brauchst nur zu sagen, wann er getrunken werden soll!« Petersen jedoch rieb sich die Hände und sagte zu Hoven: »So ist die hohe Karlsschule noch niemals geleimt worden! Hätt's nicht gedacht, daß Schillers Tragödie hier noch so laut an die Wände und selbst an die Ohren Serenissimi schreien sollte. Er ist doch ein großer Mensch!« Auch Streicher arbeitete sich durch die umdrängenden Freunde Schillers. Er umarmte ihn, und auch dieser, bewegt durch die Teilnahme des jungen Musikers, drückte ihn wärmer an sich. »Sagen Sie, Schiller, wer ist dieser Krake? Wo kann man seine Tragödie lesen? -- Das ist groß, das ist einzig, und wie Sie das gesprochen haben ... ach, was bin ich, daß Sie mich Ihren Freund nennen?« »Wer dieser Krake ist?« -- Schiller neigte seinen Mund an das Ohr des andern und flüsterte: »Krake bin ich --, und die Tragödie habe ich selbst geschrieben!« Streicher fuhr zurück und sah den Freund mit großen Augen an, dann streckte er ihm beide Hände entgegen. »Ich hab's geahnt! Das mußte Geist von Ihrem Geiste sein! Schiller, ich bewundere Sie! Und wann erfährt die Welt, was ich jetzt erfahren habe?« »Bald, lieber Freund! -- Und Sie sollen zuerst mehr hören! -- Nun ade, ich bin zum Intendanten gerufen.« Mit herzlichem Händedruck schieden die beiden; Schiller aber begab sich zu Herrn von Seeger. Dieser empfing ihn mit besonderer Freundlichkeit, beglückwünschte ihn zu seinem Abgange, und indem er ihm seine Zeugnisse überreichte, übergab er ihm gleichzeitig im Namen des Herzogs ein verschlossenes Kuvert. Schiller öffnete und las: »Der bisherige Eleve der hohen Karlsschule Friedrich Schiller wird hierdurch als Medikus ohne Portepee beim Grenadierregiment General Augé eingestellt mit einem Monatsgehalte von achtzehn Gulden Reichswährung.« Er ließ das Blatt sinken und erblaßte, -- er hatte von des Herzogs Gunst Besseres erhofft. [Illustration] [Illustration: Drittes Kapitel] Der Regimentsmedikus Zwei Stunden von Stuttgart entfernt liegt das Lustschloß Solitüde, ein Prachtbau, den ein französischer Baumeister in dem damals beliebten Rokokostil aufgeführt hatte. Es bildet ein Oval mit zwei zu beiden Seiten sich anschließenden Pavillons und ist umfriedet von einem Arkadenbau, auf dem eine breite Galerie ruht, zu welcher zwei geschweifte Freitreppen führen. Hier war Schillers Vater unter dem Titel eines Intendanten Inspektor der groß angelegten Gärten und wohnte in einem der Gebäude, die hinter dem Schlosse gelegen waren (dem heutigen Revieramte). Hier saß am Weihnachtstage des Jahres 1780 der junge Regimentsmedikus, der in seiner neuen Uniform sich seinen Eltern und Geschwistern vorstellte. Diese war nichts weniger als kleidsam, sondern geradezu steif und abgeschmackt. Sie war ungemein eng, so daß sie die Figur überall zusammenpreßte, nur die Beine schienen unnatürlich geschwollen und waren durch den Filz, welcher den weißen Gamaschen untergelegt war, anzusehen wie zwei Zylinder, die einen größeren Durchmesser hatten als die Schenkel. Dazu kam der in eine Roßhaarbinde eingezwängte lange Hals und endlich die widerwärtige Frisur mit dem dicken, langen falschen Zopfe, der auf dem Rücken baumelte, und mit den drei starren vergipsten Rollen, die auf jeder Seite des Gesichts hingen. Seine beiden älteren Schwestern, Christophine und Luise, sahen ihn fast verwundert und verdutzt an, bis die letztere geradezu in helles Lachen ausbrach, und die jüngste, die dreijährige Nanette, kam herbei und hing sich an die Schöße seines Fracks und lachte, weil Luise lachte. Auch die Mutter betrachtete den Sohn von allen Seiten, ernst und mit leisem Kopfschütteln, nur der Vater fand sich mit militärischer Bestimmtheit in die Sachlage. »Uniform ist Uniform, und die Hauptsache bleibt, daß man seines Fürsten Rock mit Ehren trägt, mag er aussehen, wie er will. Und damit basta! -- Nun mach' dir's bequem in deinem Elternhause, Fritz; ich habe mich gefreut an deinen Zeugnissen und verhoffe, daß Serenissimus bald einen besseren Posten für dich finden werde. Ich aber will Höchstdemselben meinen submissesten Dank schriftlich abstatten. Auf Wiedersehen!« Damit war der brave Mann in das Nebengemach gegangen an seinen Schreibtisch, und Schiller war mit den weiblichen Gliedern seiner Familie zurückgeblieben. Die Mutter drückte ihn jetzt mit sanfter Gewalt in den Lehnstuhl am Fenster, und während Nanette mit ihrer Puppe zu seinen Füßen spielte, saßen die beiden Schwestern neben ihm. Ihn erfüllte ein Gefühl des Behagens, wie er es lange nicht empfunden: Er war daheim! Im Ofen prasselte vergnüglich das Feuer, und draußen lag der Sonnenglanz auf der beschneiten Erde. Die Kuppel des Schlosses, das sich etwa sechshundert Schritt entfernt erhob, glänzte mit der Figur, die darauf sich zeigte. Der Garten in seinem winterlichen Schmucke hatte auch seine eigenartige Schönheit, und die Kolossalstatuen unter den entlaubten Bäumen sahen wunderlich genug drein. Von fern her zeigten sich verdämmernd einige Höhenketten, die zum Elsaß bereits gehörten. So saß er, und dabei hielt die Mutter seine Hände und schaute ihm in die Augen, und der liebevolle Mund redete freundliche Worte: »Du mußt eben haushalten lernen, Fritz; der Mensch braucht nicht viel, wenn er genügsam ist, das haben dein Vater und ich am besten erfahren, und du bist noch jung und hast eine Zukunft vor dir. Vater hat auch schon daran gedacht, Durchlaucht zu bitten, daß er dir erlaube, eine Privatpraxis als Arzt auszuüben und Zivilkleider zu tragen, -- ja, er hat dir heimlich schon einen Anzug in Stuttgart bestellt!« »Das wäre freilich etwas wert; denn diese steife Uniform drückt mich nicht bloß auf dem Leibe, sie spannt mir auch die Seele ein. Und daß ich, nachdem ich die Akademie mit so gutem Erfolg verlassen und immer meine Pflicht getan habe, nicht einmal den Offiziersrang besitze, ist eigentlich eine Kränkung.« Die Schwestern stimmten dem zu; aber die Mutter beruhigte: »Vater ist auch Feldscher gewesen und hat's zum Offizier gebracht.« »Na, mag's sein, -- ich hab' auch noch etwas, worauf ich vertraue!« sagte Schiller beinahe geheimnisvoll, und die drei andern rückten näher herbei und sahen ihn fragend an. »Ich hab' eine Komödie geschrieben --« »Eine Komödie?« klang es wie aus einem Munde, und besonders Christophine erkundigte sich lebhaft nach Titel und Inhalt. »Ein Spektakelstück sage ich euch, wie die deutsche Schaubühne kaum eins gesehen hat. Das muß einschlagen wie ein Wetter Gottes und muß die Geister des ganzen Jahrhunderts aufrütteln. Himmel noch einmal, ich hab's geschrieben mit meiner Seele und mit meinem Herzblut -- es heißt ›Die Räuber‹.« Der Titel entsetzte die Frauen; aber mit beinahe atemloser Spannung hörten sie zu, als er ihnen den Inhalt erzählte, und noch mehr, als er das Heft, welches er bei sich trug, hervorzog und zu lesen begann, freilich erst, nachdem er sich überzeugt hatte, daß der Vater die Wohnung verlassen hatte. Nachdem er zwei Akte vorgetragen, saßen alle mit glühenden Wangen da, und Christophine fiel dem Bruder um den Hals, indem sie sagte: »Ja, das ist groß -- das wird seinen Weg machen! Aber fünf Akte auf einmal hören -- das ist zuviel! Laßt uns jetzt eine kleine Pause machen und einmal durch den Garten gehen!« Schiller war einverstanden und erhob sich; die Mutter aber sagte: »Wenn aber Serenissimus davon erfährt? -- Das ist der Ton, den er nicht verträgt!« »Er wird ihn vertragen müssen, Mutter!« »Denk' an den unglücklichen Schubart und an den Hohenasperg!« »Aber Mutter,« fiel Luise ein, »wer wird gleich an so schlimme Sachen denken! Das nächste ist, daß seine Komödie gedruckt wird, und zuerst ohne seinen Namen, damit erst der Erfolg sich findet. Und wenn dieser da ist, so ist Durchlaucht zuletzt noch stolz auf seinen Karlsschüler!« »Das Kind hat recht!« sagte Schiller lächelnd und streichelte der Schwester die blühende Wange, -- »aber da Druckenlassen, da sitzt der Haken. Wo finde ich einen Verleger, der ein Werk von einem unbekannten Dichter druckt --« »Und ein Werk, das in solcher Tonart geschrieben ist? Dazu gehört Mut!« sagte die Mutter. »Das alles können wir im Garten erwägen, -- ich muß hinaus, mir brennt die Seele und die Wange!« rief Christophine und hatte bereits ein Tuch um die Schultern gelegt. Nicht lange darauf ging der junge Dichter zwischen den zwei Schwestern, die traulich ihre Arme in die seinen schlangen, unter den kahlen Bäumen hin auf dem knirschenden verschneiten Wege, und sie plauderten weiter. Da wo drei riesenhafte Eichen aus einer Wurzel aufragen, deren jede etwa fünf Fuß im Durchmesser hatte -- ein majestätisches Bild der in der Natur waltenden Kraft --, kam ihnen der Herzog, begleitet von dem Obersten Rieger, entgegen. Schiller ließ seine Schwestern los, welche ehrfurchtsvoll zurücktraten, und stellte sich in militärische Positur. Karl Eugen hatte ihn erkannt und schien guter Laune. Er schritt rasch gegen ihn heran: »Ah, mein junger Regimentsmedikus! Nun, wie gefällt es Ihm in der neuen Uniform?« »Sie ist nicht bequem; aber es ist ein Kleid, das Eure Durchlaucht mir gegeben.« Im Auge des Herzogs zeigte sich ein wohlwollender Schein. »So hör' ich's gern. -- Hat Er etwa einen Wunsch, den ich Ihm erfüllen könnte?« Schiller glaubte den günstigen Zeitpunkt benützen zu sollen, und so bat er submissest, daß Durchlaucht ihm gestatten möge, Privatpraxis auszuüben. Das hatte Karl Eugen nicht erwartet. Eine Falte trat auf seine Stirn. »Da hat Er keine glückliche Bitte getan. Was soll's damit! Kuriere Er mir erst die Invaliden im Regiment Augé, da hat Er gerade genug zu tun, und wenn Er gezeigt hat, daß Er seine Sache versteht, dann wollen wir überlegen, ob wir auch andere Menschen Ihm anvertrauen können.« Der Herzog nickte ziemlich förmlich -- er war offenbar ungnädig geworden -- und ging weiter. Erst nach einiger Zeit gab Schiller seine noch immer militärische Haltung auf und wendete sich wieder zu seinen Schwestern. Auf seiner Stirn war eine finstere Falte, in seinen Augen wetterleuchtete es. »Er ist doch ein Tyrann, und mein Werk geht in ~tyrannos~ -- gegen die Tyrannen! Jetzt _müssen_ die Räuber heraus, und wenn ich sie im Selbstverlag auf eigene Kosten müßte drucken lassen!« »Um des Himmels willen keine Unvorsichtigkeit -- schon um des Vaters willen nicht!« rief Christophine; aber er erwiderte: »Wenn ich meinen Namen nicht nenne, kann's ihm nicht schaden; ein anderes ist es aber, woher ich die Mittel nehme und wer für mich Bürgschaft tut!« »Das laß uns gemeinsam und mit der Mutter überlegen!« rief Luise, und bald schritten die drei wieder durch den verschneiten Garten der Wohnung zu. Was nützte alles Abmahnen der Mutter, das Rad war im Rollen -- die »Räuber« mußten heraus. Der Frühling kam. In den ersten Maitagen 1781 war es, als in Schillers Zimmer, das im Erdgeschoß eines Hauses auf dem Langen Graben lag, sich eine fröhliche Gesellschaft zusammengefunden hatte. Der Raum war weder besonders freundlich noch das, was man behaglich nennt; es war eine etwas verlotterte Junggesellenwirtschaft. An der Wand hing neben einigen alten Bildern ein Teil der Garderobe des Regimentsmedikus, frisch angestrichene Beinkleider und schäbige Röcke; die Einrichtung bestand in der Hauptsache aus einem großen, roh angestrichenen Tische und zwei Bänken. In einer Ecke lag ein Haufe Kartoffeln und verbreitete einen etwas muffigen Geruch, der sich unangenehm mit versessenem Tabaksqualm mischte; in einer anderen Ecke standen Weinflaschen, Gläser, Teller mit Speiseresten, ein seltsames, aber keineswegs anmutiges Stillleben, und in einer dritten lagen heute große Ballen aufgestapelt, deren einer geöffnet war und zeigte, daß der Inhalt aus Büchern bestand. Die Gesellschaft aber, welche um den langen Tisch saß, war außerordentlich vergnügt. Man trank »den Roten«, welchen Heideloff bei seiner Wette verloren hatte. Da saßen die alten Freunde, die »Bande« aus der Karlsschule beisammen: da war Scharffenstein, welcher Offizier beim Gablenzschen Regiment war, Petersen, der als Bibliothekar in Stuttgart lebte, Hoven, der als Arzt sich in Ludwigsburg niedergelassen hatte, Haug, Heideloff, Wilhelm von Wolzogen und der Stubengenosse Schillers, der Leutnant Kapf, ein leichtlebiger, genußsüchtiger Mensch, der vielleicht nicht der beste Kamerad für Schiller war. Die Gläser klangen, und lustige Reden gingen hin und her. »'s ist doch hübscher als in der Karlsschule; aber nichtsdestoweniger soll sie leben und ihr durchlauchtiger Stifter auch,« rief Scharffenstein. »Vivat!« »Kronenbitter, lange Er einmal die Sünden herum!« rief Schiller jetzt seinem Faktotum zu, das in einer Ecke des Zimmers stand und mit einem stumpfen Lächeln dem Treiben zuschaute. Es war ein langer, schlottriger Kerl mit einem gutmütigen Gesicht, aus dem eine große rote Nase mit verräterischem Schimmer herausleuchtete; er steckte in einer verschlissenen und geflickten Uniform, und wie er jetzt mit seinen langen Beinen in den Winkel stelzte, wo das erwähnte »Stillleben« zu sehen war, schauten ihm alle nach, und Hoven sagte lachend: »Ein Musterexemplar von Augés Grenadieren!« »Das muß wahr sein,« fügte der satirische Haug bei, »zum schönsten Regiment hat dich unser lieber Vater nicht gesteckt, Schiller. Die Kerle haben mehr Flicken auf der Montur als heile Stellen, und wenn mich auf der Straße einer anbettelt, an dessen Kamisol man nicht mehr die Farbe erkennt, und dessen Beinkleider durchgeschabt sind, daß die nackten Waden herausschauen, dann meine ich immer, das müßte ein Deserteur von Augé sein.« Kronenbitter lächelte süßsauer, indem er den linken breiten Mundwinkel in die Höhe zog, und stellte nun die »Sünden« auf den Tisch in Gestalt von Knackwürsten, die man noch nach der Gewohnheit der Schule so bezeichnete. »So, nun langt zu, Kerls,« sagte Schiller, »ist's nicht eine üppige Schlamperei? Donner noch einmal, arme Schlucker sind wir allesamt geblieben, und Schande ist's nicht, jeden Tag Kartoffelsalat zu essen. -- Und jetzt noch die Pfeifen! Kronenbitter!« »Lauter Sünden!« knurrte das Faktotum mit dem grinsenden Munde, und aus einem anderen Winkel holte er die langrohrigen Pfeifen und setzte ein Kästchen mit Tabak auf den Tisch. Bald darauf begann ein lustiges Qualmen, und die kleine Gesellschaft hüllte sich in dichte blaugraue Wolken, bis einer anstimmte: Ein freies Leben führen wir, Ein Leben voller Wonne, Der Wald ist unser Nachtquartier, Bei Sturm und Wind hantieren wir, Der Mond ist uns're Sonne. Es war das Lied der »Räuber« aus Schillers Theaterstück, und die ehemaligen Mitglieder der »Bande« kannten es alle und sangen es im Chor. Als sie zu Ende waren, rief Petersen: »Die ›Räuber‹ sollen leben und ihr Dichter dazu!« »Hurra, die Räuber!« schrien alle, und Kronenbitter stand wie in blassem Entsetzen da und faltete die Hände, indes ihm die Knie schlotterten. Schiller aber erhob sich: »Freunde, ich danke euch und freue mich zugleich, in dieser Stunde euch ein Zeichen der Erinnerung an unsere Heimlichkeit auf der Akademie überreichen zu können. Nehmt's freundlich auf!« Er schritt nach dem Winkel, wo die Ballen lagen, und kehrte mit einem halben Dutzend kleiner Bücher in den Händen zurück; er warf sie auf die Tischplatte unter die Genossen: »Langt zu -- es sind Gastgeschenke, Kinder!« Alle Hände griffen nach den Spenden, und aus mehr als einem Munde scholl es verwundert: »Die ›Räuber‹! Und ohne Namen des Verfassers, gedruckt in Tobolsk!« »So, da ist also der Kram in Gottes Namen und ohne alle Kundschaft veranstaltet,« rief Scharffenstein, »und wir alle wollen Buchhändler sein und das Zeug unter die Leute zu bringen suchen, denn der Druck sieht mir nicht aus, wie wenn er bezahlt wäre!« »Er hat eine feine Nase, der Scharffenstein, -- als ob ich bei achtzehn Gulden Monatsgage auch noch Bücher für mein Geld könnte drucken lassen! Aber wenn's glückt, Kerls, so sag' ich euch, ich zahl' euch ein lukullisches Festmahl, und die ganze Manille[2] soll im Burgunder toll und voll werden!« »Soll gelten!« rief Scharffenstein, und als ob man schon so weit wäre, klangen lustiger die Becher, und die Rauchwolken wurden dichter. -- -- Ja, die »Räuber« waren erschienen, und jeden Morgen sah der Regimentsmedikus sich die bedeutsamen Ballen an, welche gar nicht abnehmen wollten, und der Gedanke, daß er mit dem Selbstverlage ein schlechtes Geschäft gemacht haben werde, drängte sich ihm immer mehr auf. Und doch hatte er auch manche Freude. Die Mutter seines Freundes Wilhelm von Wolzogen faßte für ihn ein lebhaftes Interesse und lud ihn zum Besuche in ihr Haus, und hier verlebte der junge Dichter im Verkehr mit der liebenswürdigen, herzensguten Dame, der Witwe eines Geheimen Legationsrats, und mit deren Tochter Charlotte manche angenehme Stunde; ja, er hatte die Freude, die Damen auch mit seiner Mutter und seinen Schwestern bekannt machen zu können, und so entspann sich zwischen Stuttgart und der Solitüde ein freundlicher Verkehr. Die Wohnung des Intendanten Schiller sah in jenen Tagen überhaupt häufig lustige Gäste, und die Mutter des Dichters war glücklich, wenn sie ihren Sohn und einige seiner Freunde bei sich sehen und mit dem bewirten konnte, was das Haus zu liefern imstande war. Da flogen die Stunden nur zu rasch dahin, und nur mit Unbehagen ging der Regimentsmedikus aus dem heitern, freundlichen Kreise in seine Junggesellenwohnung nach Stuttgart zurück. Eines Tages war auch Hoven in der Solitüde erschienen. Wie er mit dem Freunde in der prächtigen Allee lustwandelte, welche die Orangerie durchschnitt, sagte er: »Höre, Fritz, ich habe dir eine Einladung zu überbringen von dem Obersten Rieger auf dem Asperg, der ganz begeistert ist von deinen ›Räubern‹ und außerdem noch ganz stolz hervorhebt, daß du sein Patenkind seiest. Ich weiß nicht, ob das wahr ist; aber das hab' ich ihm versprechen müssen, daß ich dich hinausbringe.« »Wie, geschehen denn Wunder und Zeichen? Oder soll das eine Falle sein?« »Sei unbesorgt, der alte Kerkermeister Schubarts meint es diesmal ehrlich; ja er hat sogar diesem armen Teufel die ›Räuber‹ zu lesen gegeben und ihn veranlaßt, eine Rezension darüber zu schreiben. Er hat sich nun eine ganz besondere Komödie ausgedacht und will dich unter einem falschen Namen bei Schubart einführen und diesen so zu einer offenen Aussprache über dein Werk veranlassen.« »Wenn's so liegt, Wilhelm, komme ich; ich komme Schubarts wegen, den ich kennen lernen muß, denn ich spüre in meiner Seele etwas von der seinen ... Aber Riegers Verhalten begreife ich nicht! Er, der als der Peiniger seines armen Gefangenen verschrien ist, wäre einer besseren Regung fähig?« »Tu' ihm nicht ganz unrecht, Fritz! Vergiß nicht, daß er selber in den Kerkern des Asperg gesteckt hat und ein wenig weiß, wie es Gefangenen zumute ist. So kommt's, daß er Anwandlungen hat von Weichmütigkeit; dann behandelt er besonders Schubart beinahe rücksichtsvoll. Und dieser ist klug genug geworden, sich die Schwäche seines Kerkermeisters nutzbar zu machen; er preist manchmal in einem Gedichte dessen gute Seiten, und dafür ist Rieger außerordentlich empfänglich, wie er überhaupt für einen Freund der Poesie gelten will.« »Und ihm hast du die ›Räuber‹ gegeben und mich als den Verfasser genannt?« »Ja doch. Ich hatte Gelegenheit, einer Theatervorstellung auf dem Asperg beizuwohnen, welche er veranstaltet hatte. Das Stück wimmelte von Schmeicheleien auf ihn, und da alle bei solchen Stellen Beifall klatschten, tat auch ich es, und zwar mit ironischer Heftigkeit. Aber er nahm's als pure Münze und lud mich in schmeichelhafter Weise schon für den nächsten Tag in sein Haus, und dabei brachte ich ihm dein Werk. Schon einige Tage später äußerte er sich entzückt darüber und bat, ihm den Verfasser zu nennen, und als ich's tat, beschwor er mich, dich persönlich bei ihm einzuführen. Und soweit sind wir.« »Gut, ich komme -- Schubarts wegen.« Damit war die Sache abgemacht, und bereits in der nächsten Zeit finden wir Schiller mit Hoven auf dem Asperg, wo Rieger diesen Besuch geradezu zu einem kleinen Feste gestaltete. Dazu wurde Schubart herbeigeholt. Dieser saß damals das dritte Jahr auf der Festung, auf welcher er noch sieben Jahre verweilen sollte. Er war dahin gekommen, weil er sich den Zorn des Herzogs durch einige beißende Artikel und Epigramme zugezogen hatte, und man hatte seinerzeit den Unglücklichen, der in der freien Reichsstadt Ulm wohnte und dort durchaus sicher war, in hinterlistiger Weise auf das benachbarte württembergische Gebiet gelockt und ihn dort verhaftet. In der ersten Zeit seiner Haft war er geradezu unmenschlich behandelt worden, so daß der kräftige, geistig außerordentlich rege Mann ein gebrochener Mensch geworden war. Aber der heilige Funke des Genius war noch in seiner Seele vorhanden, und ab und zu zuckte die Flamme heller wieder empor, und in machtvollen und wehmütigen Klängen strömte sein Empfinden aus. Er kannte Schiller nicht, und dieser hatte ihn nicht gesehen. Nun sah er ihn, bleich, aufgedunsen, mit matten Augen und schlottrigem Gange, und dem Regimentsmedikus tat das Herz weh, -- er wußte, welch ein Feuergeist hier in langsamer Pein gemordet wurde. Rieger stellte Schiller als ~Dr.~ Fischer aus Stuttgart vor, und es war diesem eine schmerzliche Wonne, sich mit dem armen Gefangenen über literarische Dinge zu unterhalten. Da brachen die leuchtenden Funken mitunter hervor aus den müden Augen, und die fahlen Lippen fingen an, beredt zu werden. Er selber brachte das Gespräch auf die ›Räuber‹, und nun war es, als sei Schubart ein völlig anderer geworden. Seine Gestalt hob sich, in das Gesicht kam Wärme und in die Augen Leben. »Das ist ein Werk, von dem die Zukunft noch reden wird; es ist mit einer flammenden Feder geschrieben und wird einen Feuerbrand in die Welt werfen.« »Sie haben ja eine Rezension der ›Räuber‹ geschrieben; wollen Sie dieselbe nicht dem Herrn Doktor vorlesen?« fragte jetzt Rieger, und Schubart erhob sich rasch, um die Handschrift zu holen. Er begann zu lesen, und dabei vergaß er alles, was ihm widerfahren war; man merkte, sein Lob kam aus dem Herzen. Seine Stimme hatte den alten, vollen Klang, den man vordem an ihr bewundert hatte, und der ganze Aufsatz zeigte die Spannkraft und Geistesschärfe, die dem Verfasser vordem eigen gewesen war. Schiller fühlte sich tief bewegt und atmete schwer, als der Vorleser zu Ende war. Es trat eine Pause ein, die niemand unterbrach, denn alle Anwesenden waren seltsam ergriffen. Schubart hatte das Haupt gesenkt; jetzt hob er es wieder. »Nur einen Wunsch hätte ich, -- dem Dichter, der das geschrieben hat, einmal ins Auge sehen zu können.« Da legte Rieger ihm die Hand auf die Schulter: »Ihr Wunsch ist erfüllt -- er steht vor Ihnen.« Da sprang Schubart auf, tat einen tiefen Atemzug, und mit leuchtenden Augen und einem Aufjauchzen in der Stimme sagte er: »Sie sind's -- der Dichter der ›Räuber‹?« Dann umarmte er ihn, küßte ihn heftig auf die Wangen, und Schiller fühlte, wie auf sein Gesicht Tränen niedertropften, Tränen der Freude. Er hat diese Stunde niemals vergessen können. Als er nach einiger Zeit sich entfernte, trat ihm im Korridor Schubart noch einmal entgegen und gab ihm eine Papierrolle. »Nehmen Sie das als Erinnerung an diese Stunden und an einen Unglücklichen, dem Sie ein Glück gebracht, dessen er stets eingedenk bleiben wird.« Schiller schlug das Papier auseinander; es enthielt ein Gedicht, betitelt: »Die Fürstengruft«. Mit einem innigen Händedruck dankte er und schied, und dieser Tag war kein verlorener in seinem Leben. Sein Abglanz leuchtete ihm noch nach in die elende Junggesellenstube in Stuttgart, wohin er zurückkehrte. Am Abend war er heimgekommen und hatte die Tür verschlossen gefunden. Nun hätte er beim Hauswirt den Schlüssel holen oder auf seinen Stubengenossen Kapf warten, oder auch in den »Ochsen« gehen können, wo er gewiß Bekannte traf, -- nichts von alledem; er nahm nach seiner Gewohnheit eine Prise Tabak, und dann trat er mit kräftigem Fuße die Tür ein; er hatte das zwingende Bedürfnis, die Kraft, die er heute in sich fühlte, in irgendeiner Weise äußern zu können. Er trat ein und zündete seine Kerze an, dann las er zum andernmal Schubarts »Fürstengruft«, und noch lange schritt er erregt in dem kleinen Raume auf und nieder. Endlich trat er wieder an den Tisch, und jetzt fiel ihm hier erst ein Brief auf, der mit einem großen Siegel verschlossen war. Verwundert nahm er ihn in die Hand und las die Adresse -- es war die seine --, dann betrachtete er das Siegel und las die Umschrift: »Intendanz des Hoftheaters in Mannheim«. Mit einem kräftigen Ruck hatte er den Brief geöffnet, war an das Licht herangetreten und las nun beinahe atemlos, während seine Augen sich zu vergrößern schienen. Jetzt warf er das Schriftstück auf den Tisch und begann lustig um denselben zu tanzen und laut zu singen. Da öffnete sich die Tür; in ihrem Rahmen stand eine junge, nicht unschöne Frau mit blondem Haar und blauen Augen, und sah ihm verwundert zu, indes sie die Hände ineinander faltete. Es war Schillers Hauswirtin, eine verwitwete Hauptmann Vischer, die ihm freundlich zugetan war. Endlich findet sie Worte: »Aber, um des Himmels willen, sind Sie toll geworden, oder was ist's?« Nun erst sah sie der Regimentsmedikus; mit einem Sprunge war er bei ihr, umfaßte sie, gab ihr einen regelrechten und herzhaften Kuß und wirbelte sie mit sich im Tanze um den großen Eichentisch, dann rief er: »Laura, ich bin glücklich -- ich bin unendlich glücklich -- da lesen Sie, lesen Sie!« Er führte die rascher Atmende, die sich seinen Armen entwand, zum Tische und reichte ihr das Schreiben, das auch sie mit einer unverkennbaren Hast durchflog, dann gab sie, indem sie es fallen ließ, ihm beide Hände und rief: »Herzlichen Glückwunsch! Das ist der wahre Anfang zum Ruhme -- nun kann es nicht mehr fehlen! Vorwärts, mein Adler, vorwärts, empor zur Sonnenhöhe!« »Ja, zur Sonnenhöhe, Laura!« sagte Schiller und hob die Augen voll Begeisterung empor, dann erfaßte er wieder den Brief. »Und nun muß ich in den ›Ochsen‹ und muß auch der ganzen Manille noch die Sensationsnachricht bringen -- die Kerls werden Gesichter machen. Gute Nacht!« [Illustration: Schiller liest den Brief des Intendanten Dalberg] Und hinaus war er, während Frau Vischer lächelnd und mit leisem Kopfschütteln ihm nachsah; ein wunderlicher Mensch war er, aber auch ein außergewöhnlicher, und manches mußte ihm verziehen werden, auch die in einer Kraftanwandlung eingebrochene Tür. Schiller aber eilte nach der Hauptstetterstraße in den »Ochsen«, wo er gewöhnlich mit seinen Freunden zusammenkam bei einem Schoppen Wein oder Bier. Die Wirtsstube war leer, nur in einer Ecke fand er Petersen, Reichenbach und Streicher und grüßte sie mit erregtem Gruße, dann warf er seinen Brief auf den Tisch. Petersen ergriff ihn und las: »_Dem Herrn Regimentsmedikus usw._ Durch den Buchhändler und Hofkammerrat Schwan habe ich Kenntnis von Ihrer Tragödie ›Die Räuber‹. Das Werk ist von packender Kraft nach Inhalt und Sprache, wie unsere Zeit kaum ein zweites hervorgebracht hat, und wird bei einigen Änderungen auf der Bühne von großer Wirkung sein. Es wird mir eine Freude sein, unter der Voraussetzung einer bühnengerechten Fassung einzelner Szenen, dasselbe auf der Mannheimer Bühne dem deutschen Publikum zuerst vorzuführen und eventuell die neue Bearbeitung in den Verlag der Hofbühne zu nehmen. Ich sehe Ihrer Gegenäußerung gern entgegen und bin mit Vergnügen geneigt, mit Ihnen in nähere Verhandlung über diese Sache zu treten. Ihr wohlgeneigter _Heribert von Dalberg_.« Sechs Hände streckten sich dem Dichter entgegen zu herzlichem Drucke; Streicher konnte sich's nicht versagen, ihn zu umarmen. »Nun ist die Sache im rechten Fahrwasser!« rief Petersen. »Glück zu! Aber der Festtag muß gebührend gefeiert werden.« »Wie sich's geziemt!« sagte Schiller. -- »Heda, holla, bringt vier Maß Burgunder auf meine Rechnung!« Der Wein kam, kräftig klangen die Becher, und bis in die Nacht hinein feierten die Freunde das frohe Ereignis. [Illustration] [Illustration: Viertes Kapitel] »Die Räuber« in Mannheim An einem Sonntagmorgen -- es war der 13. Januar 1782 -- standen die Bewohner Mannheims an den Straßenecken und bei den Brunnenröhren und lasen mit einer gewissen Erregung den Zettel, der dort angeschlagen war und der es verkündete, daß an diesem Tage »auf der hiesigen Nationalbühne« aufgeführt werden sollte: _Die Räuber._ Ein Trauerspiel in sieben Handlungen; für die Mannheimer Nationalbühne vom Verfasser, Herrn Schiller, neu bearbeitet. Dem Personenverzeichnis war ein »Avertissement« beigefügt, welches lautete: »_Der Verfasser an das Publikum._ Die Räuber -- das Gemälde einer verirrten großen Seele -- ausgerüstet mit allen Gaben zum Fürtrefflichen, und mit allen Gaben -- verloren -- zügelloses Feuer und schlechte Kameradschaft verdarben sein Herz, rissen ihn von Laster zu Laster, bis er zuletzt an der Spitze einer Mordbrennerbande stand, Greuel auf Greuel häufte, von Abgrund zu Abgrund stürzte in alle Tiefen der Verzweiflung -- doch erhaben und ehrwürdig, groß und majestätisch im Unglück, und durch Unglück gebessert, rückgeführt zum Fürtrefflichen. -- Einen solchen Mann wird man im Räuber Moor beweinen und hassen, verabscheuen und lieben ... Man wird auch nicht ohne Entsetzen in die innere Wirtschaft des Lasters Blicke werfen und wahrnehmen, wie alle Vergoldungen des Glücks den inneren Gewissenswurm nicht töten -- und Schrecken, Angst, Reue, Verzweiflung hart hinter seinen Fersen sind. -- Der Jüngling sehe mit Schrecken dem Ende der zügellosen Ausschweifungen nach, und der Mann gehe nicht ohne den Unterricht von dem Schauspiel, daß die unsichtbare Hand der Vorsehung auch den Bösewicht zu Werkzeugen ihrer Absicht und Gerichte brauchen und den verworrensten Knoten des Geschicks zum Erstaunen auflösen könne.« Der Anfang der Vorstellung war auf »präzise fünf Uhr« angesetzt. Ganz Mannheim geriet in Bewegung; die Jungen erzählten sich auf den Gassen, die Erwachsenen am Mittagstische nur von dem neuen Stücke, und die allgemeine Erwartung und Erregung steigerte sich noch, als bereits im Laufe des Vormittags zahlreiche Wagen aus Darmstadt, Mainz, Frankfurt, Worms und anderen Städten kamen, welche zahlreiche fremde Neugierige brachten. Alles suchte sich Theaterkarten zu verschaffen, und da die Logenplätze schnell genug vergriffen waren, und jeder noch einen möglichst guten Sitz zu erlangen suchte, begann bereits um ein Uhr mittags der Zudrang zum Theater, das lange vor der fünften Stunde völlig gefüllt war. Der Dichter des Stückes aber war mit den zahlreichen Fremden ebenfalls eingetroffen, begleitet von seinem Freunde Petersen. Viele sahen den schmächtigen jungen Mann mit dem blassen Gesicht; aber wohl keiner beachtete ihn, und ihm selbst lag nicht daran, erkannt zu werden; denn heimlich und ohne einen Urlaub einzuholen, der ihm doch wohl verweigert worden wäre, war er aus Stuttgart abgereist. Um fünf Uhr saß er mit klopfendem Herzen in der kleinen Loge, welche der Intendant ihm aufbehalten hatte. Seine Stimmung war eine gehobene und vertrauensvolle, so daß er zu seinem Freunde äußerte: »Ich freue mich wie ein Kind; ich glaube, meine ganze dramatische Welt wird dabei aufwachen und mir im ganzen einen größeren Schwung geben; denn es ist das erstemal in meinem Leben, daß ich etwas mehr als Mittelmäßiges hören werde.« Das letzte, einigermaßen selbstbewußte Wort mochte wohl auch mit Bezug auf die tüchtigen schauspielerischen Kräfte gesprochen sein, über welche die Mannheimer Bühne verfügte, wie Boek, welcher den Karl, und vor allem Iffland, welcher den Franz Moor spielen sollte. Draußen vor dem Theater standen viele, welche keinen Einlaß mehr hatten finden können, voll Unmut und Neugier, während drinnen jetzt ein tiefes Schweigen sich über die dichtgedrängte Menge lagerte und der Vorhang emporrauschte. Aber das Publikum schien sich erst an all das, was es sah und hörte, gewöhnen zu müssen. Der Intendant hatte neue malerische Kostüme anfertigen lassen, die szenische Ausstattung stand auf der Höhe der Zeit, und der häufige Wechsel des Schauplatzes gab Veranlassung, auch in dieser Hinsicht die Schaulust zu befriedigen, und dazu dröhnte und klang die Sprache des Dichters mit einem neuen, fremden Schwunge und griff an die Phantasie und das Herz der Hörer. Trotzdem gingen die ersten drei Akte ohne besondere Beifallskundgebungen hin. Nun kam der vierte Akt Und brachte eine fortwährende Steigerung der Erregung: Der Räuber Moor unerkannt im Schlosse seiner Väter, wo er erfährt, wie er schmachvoll betrogen worden um sein Erbteil, um das Herz seines Vaters und um seine Braut ... dann die Szene der lagernden Räuber im nächtlichen Walde bei dem einsamen Turme, dem Gefängnis des alten Moor, der, abgemagert zum Skelett, hervorgeholt und von seinem verstoßenen Sohne erkannt wird -- -- wie das die Seelen durchrüttelte, und als Karl seinen getreuen Schweizer abgeschickt, um den unnatürlichen Sohn und Bruder »ganz und lebendig« herbeizubringen ... »Du sollst eine Million zur Belohnung haben, ich will sie einem König mit Gefahr meines Lebens stehlen, und du sollst frei ausgehen wie die weite Luft« -- da brach mit dem Fallen des Vorhangs der stürmische, immer wiederkehrende Beifall los. Und doch war der Höhepunkt noch nicht erreicht. Das geschah erst, als die Zuhörer die Schauer des Gerichtes hereinbrechen sahen über den verzweifelnden Verbrecher. Dunkel liegt die Nacht in den Gemächern seines Schlosses; aus der Dämmerung hebt sich das bleiche Gesicht Iffland-Moors ab, das so scharf und zutreffend alle Regungen der Seele wiedergibt. Es ist so grauenhaft und doch so erschütternd und packend, wie er mit seiner angstgequälten Seele, mit den verzerrten Zügen dasteht und die bleichen Lippen dem alten Diener Daniel den Traum erzählen, der ihn aufgescheucht hat -- den Traum von dem jüngsten Gericht: »Plötzlich traf ein ungeheurer Donner mein schlummerndes Ohr; ich taumelte behende auf, und siehe, mir war's, als sähe ich aufflammen den ganzen Horizont in feuriger Lohe, und Berge und Städte und Wälder wie Wachs im Ofen zerschmelzen, und eine heilende Windsbraut fegte von hinnen Meer, Himmel und Erde -- da erscholl's wie aus ehernen Posaunen: Erde, gib deine Toten! Gib deine Toten, Meer! Und das nackte Gefild begann zu kreißen und aufzuwerfen Schädel und Rippen und Kinnbacken und Beine, die sich zusammenzogen in menschliche Leiber und daherströmten unübersehlich, ein lebendiger Sturm. Damals sah ich aufwärts, und siehe, ich stand am Fuß des donnernden Sinai, und über mir Gewimmel und unter mir, und oben auf der Höhe des Berges auf drei rauchenden Stühlen drei Männer, vor deren Blicke floh die Kreatur ...« So ging es weiter, und atemlos, regungslos, bleich saßen die Zuschauer. Von der Bühne her aber klang es mit einer Stimme, in der das ganze Grauen wirklichen Empfindens nachzitterte: »Schneebleich standen alle, ängstlich klopfte die Erwartung in jeder Brust. Da war mir's, als hörte ich meinen Namen zuerst genannt aus den Wettern des Berges, und mein innerstes Mark gefror in mir, und meine Zähne klapperten laut. Schnell begann die Wage zu klingen in der Hand eines, der sie hielt zwischen Aufgang und Niedergang, zu donnern begann der Fels, und die Stunden zogen vorüber, eine nach der andern an der links hängenden Schale, und eine nach der andern warf eine Todsünde hinein ... die Schale wuchs zu einem Gebirge; aber die andere, voll vom Blute der Versöhnung, hielt sie noch immer hoch in den Lüften, -- zuletzt kam ein alter Mann, schwer gebeugt von Gram, angebissen den Arm von wütendem Hunger, aller Augen wandten sich scheu von dem Mann; ich kannte den Mann, er schnitt eine Locke von seinem silbernen Haupthaar, warf sie hinein in die Schale der Sünden, und siehe, sie sank, sank plötzlich zum Abgrund, und die Schale der Versöhnung flatterte hoch auf! -- Da hört' ich eine Stimme schallen aus dem Bauche des Felsen: Gnade, Gnade jedem Sünder der Erde und des Abgrunds! Du allein bist verworfen! ...« Und nun bricht der Räubertumult heran, von draußen schallt das wütende: Stürmt! Schlagt tot! Brecht ein! und der zitternde Schurke sinkt in die Knie und will beten: »Höre mich beten, Gott im Himmel! -- Es ist das erstemal -- soll auch gewiß nimmer geschehen -- erhöre mich, Gott im Himmel!« ... und während den zitternden Zuschauern das Blut erstarrt und die Haare sich sträuben, hören sie statt des Gebetes die Gotteslästerung: »Ich bin kein gemeiner Mörder gewesen, mein Herrgott -- hab' mich nie mit Kleinigkeiten abgegeben, mein Herrgott -- --« und nun lodert der Feuerschein des brennenden Schlosses auf, und wie Schweizer mit den Seinen eindringt, findet er Franz, der mit seiner goldenen Hutschnur sich erdrosselt hat. Nun brach der entfesselte Sturm des Beifalls los, der alle Schranken überschritt. -- Schiller aber lehnte sich zurück in seinem Sitz und hielt beide Hände vor das Gesicht, als habe ihn ein Schwindel erfaßt, während seine Seele vermeinte, Flügel zu haben, und sich hinausgetragen wähnte über die Welt der Wirklichkeit. Dann fühlte er, wie die Rechte des Freundes die seine erfaßte und mit innigem Drucke festhielt. Als der Vorhang zum letztenmal fiel, tobte der Beifall aufs neue, und während das Haus anfing leerer zu werden und die hundertköpfige Menge sich draußen zerschlug, um den Ruhm des Stückes und seines Dichters weiterzutragen, nahm dieser den Glückwunsch Dalbergs entgegen, der in seine Loge eingetreten war, sowie jenen des Kammerrates Schwan, der ihn endlich mit sich fortzog. Die Nacht lag in den Gassen Mannheims, als die Männer durch dieselben schritten; begeistert redeten Schwan und Petersen, Schiller aber schwieg, -- was er heute erlebt hatte, übertraf seine kühnsten Erwartungen, und in seiner Seele lebte das Bewußtsein seines eigentlichen Berufes. Schwan führte ihn nach einem Gasthause, wo die Schauspieler sich eingefunden hatten, um den Dichter zu feiern. In einem hellerleuchteten, behaglich warmen Zimmer saßen sie beisammen, und da Schiller eintrat, klangen ihm begeisterte Hochrufe entgegen, Hände streckten sich aus, um die seine zu drücken, und die Schauspielerin Toscani, welche die Amalia gespielt hatte, setzte einen Kranz auf das Haupt des Dichters. Dann setzten sich alle und aßen und tranken gemeinsam, und bis tief in den Morgen hinein floß der Strom geistvoller und heiterer Gespräche. Endlich erhob sich Schiller, dem Schwan vier Goldstücke als Reisevergütung überreichte, um nach dem ereignisreichen Tage noch einige Stunden zu ruhen. Mit Unbehagen kehrte er nach Stuttgart in seine steife Uniform zurück; aber der Schimmer, welcher seine Seele durchleuchtet hatte, konnte nicht verlöscht werden im Alltagstreiben, um so mehr, als teilnehmende Freunde immer wieder von seinem Erfolge zu hören wünschten und er nur zu gern erzählte. So hatte er im »Ochsen« einen begeisterten und aufrichtigen Kreis gefunden -- zumal die Genossen von der Karlsschule, die alte »Bande«, freute sich seines Erfolges --, hatte die aufrichtige Umarmung Streichers sich gefallen lassen, hatte in der Solitüde draußen die Glückwünsche von Mutter und Schwestern entgegengenommen und freundlichste Teilnahme im Hause der Frau von Wolzogen gefunden. Auch der Schaffensdrang war im Wachsen, und er begann mit einem neuen großen Stücke: »Die Verschwörung des Fiesko«, um so mehr, da er hörte, daß »Die Räuber« auch an anderen Orten mit vielem Beifall aufgenommen wurden, wie in Hamburg und in Leipzig; hier war zuletzt die Aufführung des Stückes untersagt worden, weil man meinte, daß die ungewöhnlich zahlreichen Diebstähle während der Meßzeit vielleicht durch dasselbe veranlaßt sein könnten. Der Winter war indes vergangen; langsam, mit Regenschauern und Sturmessausen nahte der Frühling. Die Knospen trieben an Strauch und Baum, und in den Gärten schimmerte es grün; aber man suchte am Morgen und Abend zumal den wärmenden Ofen. Um diesen hatten sich an einem Märzabend auch die Mitglieder der Tafelrunde im »Ochsen« eingefunden: Scharffenstein, Petersen, Reichenbach, Schiller, und der letztere lehnte behaglich in seinem Sitze und ließ vergnügt die blaugrauen Wolken aus seiner Pfeife steigen. »Nun, wie steht's mit deiner Promotion zum Doktor der Medizin?« fragte Reichenbach, »man munkelt, daß du scharf an deiner Dissertation dazu arbeitest.« Schillers behaglich-vergnügtes Gesicht verfinsterte sich. »Wer zum Henker heißt dich heute daran rütteln? -- Warum willst du mir die gute Stunde verderben? Zum Kuckuck mit allen Dissertationen der Welt!« »Ja, willst du denn nicht promovieren, nachdem es so bequem gemacht ist, seit Kaiser Joseph die Karlsschule zum Range einer Universität erhoben hat und du hier den Doktorgrad zu erlangen vermagst? -- Hoven ist schon tüchtig an der Arbeit!« »Ich gönn' ihm sein Vergnügen und seine Ehre. -- Was tu' ich mit dem Doktor der Medizin? -- Ich praktiziere auch ohne den Titel recht und schlecht weiter, und wenn ich's rundum besehe, bin ich zum Arzte verdorben. Dafür dürft' ich meine Patienten fragen, für die's ein Segen wäre, wenn ich's Kurieren aufgeben könnte. Meine Mittel sind alle zu kräftig -- biegen oder brechen. Das ist so mein System, und das paßt nicht in die alte Theorie, weshalb mein teurer Vorgesetzter, der Leibmedikus Elwert, auch jedes meiner Rezepte erst gründlich darauf prüft, ob der Patient meine Mixtur auch vertragen kann. Hab' da just ein Wischlein zur Hand, eine Selbstrezension über die ›Räuber‹, und damit die ganze Welt weiß, woran sie ist, habe ich es eigenhändig hier niedergeschrieben, was ich von meiner Medizin halte. Da!« Er warf ein Heft auf den Tisch, das Petersen ergriff und aus welchem er vorlas: »Der Verfasser der ›Räuber‹ -- er soll ein Arzt bei einem württembergischen Grenadierbataillon sein, und wenn das ist, macht es dem Scharfsinn seines Landesherrn Ehre. So gewiß ich sein Werk verstehe, so muß er starke Dosen in ~Emeticis~ ebenso lieben, als in ~Aestheticis~, und ich möchte ihm lieber zehn Pferde, als meine Frau zur Kur geben.« »Ja, Kinder, und wenn ich euch sage, daß der ›Almanach für Apotheker auf das Jahr 1781‹ das einzige medizinische Buch ist, das ich bisher gekauft habe, könnt ihr ungefähr erkennen, wie weit ich mit meiner Dissertation sein muß. -- Pah, von etwas anderem!« Er brannte sich von neuem seine Pfeife an. »Wo bleibt heute Streicher? Der Junge hat mir mit seiner Musik jüngst eine trübe Stunde aus der Seele getrieben; er hat Herz in den Fingern, sag' ich euch -- --« »Und Durst in der Kehle!« rief eine lustige Stimme, und der junge Musiker trat an den Tisch, warf seinen feuchten Mantel ab und setzte sich mit heiterem Gruße zu den anderen. »Einen Schoppen Roten und eine Pfeife!« herrschte er dem Schenkburschen zu, sah dann mit vergnügten Augen im Kreise herum, als ob er sehen wollte, was es Neues gebe, und nachdem er seinen Tabak in Brand gebracht, sprach er: »Was gebt ihr, wenn ich euch etwas Lustiges berichte? -- 's ist zwar an sich nichts Neues; aber ihr wißt es doch noch nicht!« »Ohne Präambula!« rief Scharffenstein -- »los mit dem vollen Orchester!« »Schiller, die Sache trifft dich oder vielmehr ›Die Räuber‹, -- ja, wer Komödien schreibt, muß fürsichtig sein.« »Na, wem zum Henker hab' ich denn wieder unrecht getan? Wenn's nur ein Kritiker ist, so laß ihn stecken, Andreas, über die Sorte bin ich hinaus.« »Die Sache hat aber den Reiz der Neuheit; denn diesmal ist Spiegelberg in den ›Räubern‹ der schuldige Teil. Wie sagt der Kerl doch? -- ›Zu einem Spitzbuben will's Grütz -- auch gehört dazu ein eigenes Nationalgenie, ein gewisses, daß ich so sage, Spitzbubenklima, und da rat' ich dir: Reis' ins Graubündner Land, das ist das Athen der heutigen Gauner.‹ Das ist die Stelle, hinter der ein gewisser Wredow eine Ehrenbeleidigung Graubündens wittert, der in den ›Hamburger Adreßcomptoir-Nachrichten‹ einen geharnischten Aufsatz losläßt, um die fürchterliche Anklage zu entkräften. Hier ist das Schriftstück!« Streicher legte ein Heft auf den Tisch. »Vorlesen!« erscholl es im Kreise, und während die Pfeifen dichter qualmten, las der junge Musiker mit gemachtem Pathos den hochtönenden Artikel, nach dessen Beendigung der ganze Kreis in ein fröhliches Lachen ausbrach. Schiller saugte behaglich an seinem Rohre und sprach gutgelaunt: »Daß auch noch der Spitzbube Spiegelberg sich an mir rächen und in edelmütiger Weise für meine Berühmtheit sorgen würde, hätt' ich nicht vermeint. Na, legen wir's ~ad acta~!« Man redete aber trotzdem noch weiter über die Sache und war eben im besten Zuge, als Leutnant Kapf, Schillers Stubengenosse, kam. Er rief sogleich: »Der Herr Regimentsmedikus ist ja niemals zu Hause, wenn die Post kommt. Hier ein Brief und ein Päckchen, -- dran gerochen hab' ich bereits, hab' aber nichts herausschnüffeln können, als daß beides aus Chur kommt.« Schiller nahm das Schreiben und las es, während die andern schweigend und neugierig ihn betrachteten. Um seine Lippen zuckte es mehrmals wie ein Lächeln, bis er das Papier weglegte und sagte: »Kinder, die Zeit treibt wunderliche Blasen in Menschenköpfen. Da leistet sich einer die Fortsetzung der famosen Spiegelberggeschichte. Ein ~Dr.~ Amstein in Chur teilt mir mit, daß er in dem ›Sammler‹ eine Anklageschrift veröffentlicht habe unter dem schönen Titel ›Apologie für Bünden gegen die Beschuldigung eines auswärtigen Komödienschreibers‹, und daß er mir anbei das Schriftstück, das mich als einen böswilligen Verleumder eines Staates hinstellt, übersende; gleichzeitig aber verlangt er von mir eine öffentliche Ehrenerklärung für Graubünden. Wer noch etwas Dümmeres vorbringen kann, erhält von mir einen Taler.« »Laß doch den kostbaren ›Sammler‹ sehen!« rief Petersen, und gleichgültig warf Schiller ihm das Päckchen hin. Der andere öffnete und hatte bald genug den Artikel gefunden. »Soll ich's zum Vortrag bringen oder wollen wir zuerst Schillern den Genuß allein lassen?« »Mir schmeckt alles besser in Gesellschaft -- also vorwärts mit der Sudelei. Zuvor noch einen Schoppen Roten!« rief dieser. Der »Rote« kam und die Vorlesung begann, nicht ohne durch witzige und manchmal auch derbe Zwischenrufe unterbrochen zu werden, bis Schiller endlich auf den Tisch klopfte: »Ich dächte, wir hätten genug von dem Gewäsche; 's ist, als ob jemand einem Wasser in den Wein gösse -- brr! Was einem so hingeworfenen Worte für eine Wichtigkeit gegeben werden kann! Strebertum und kein Ende! Der Kerl will eine Fehde mit mir, um auch sein Stückchen Berühmtheit zu haben!« »Und was denkst du zu tun?« fragte Reichenbach. Anstatt der Antwort nahm Schiller den empfangenen Brief, drehte ihn langsam zusammen, näherte ihn dem Lichte, und wie er aufflammte, zündete er daran seine ausgegangene Pfeife an, warf das Papier dann zu Boden und trat die Flamme mit dem Fuße aus. »So, -- dem Dinge wär' sein Recht geschehen -- und nun ein anderes Kapitel!« sagte er ruhig, und bald war das Gespräch zu andern Dingen gelangt. -- -- Wenige Tage später war es, daß Herzog Karl Eugen im Schloßgarten zu Ludwigsburg lustwandelte. Es war ein schöner Aprilmorgen, die Sonne leuchtete auf dem grünen Rasen, und die Amseln sangen. Der Fürst war begleitet von dem Garteninspektor _Walter_, einem Manne, dessen ganzer Erscheinung man Eitelkeit und Selbstgefälligkeit, gemischt mit kriecherischem Wesen, anmerkte. Karl Eugen war wohlgelaunt und hatte manch freundliches Wort der Anerkennung über die Gartenanlagen gesprochen, das Walter mit strahlendem Gesichte und gebeugtem Rücken entgegennahm. Nun fragte der Fürst leutselig: »Weiß Er sonst etwas Neues zu berichten?« »Etwas Neues wohl, aber nichts Angenehmes.« »Hm -- will Er mir den schönen Morgen verderben? -- Was ist's?« »Es betrifft das Theaterstück ›Die Räuber‹ von dem Regimentsmedikus Schiller.« Das Gesicht des Herzogs verfinsterte sich, während ein lauernder Blick Walters dasselbe streifte. Der Garteninspektor, der in Schillers Vater einen schlimmen Konkurrenten in der Gunst seines Herrn sah, war kein Freund der Schillerschen Familie und benutzte die Gelegenheit, seiner kleinlichen Gesinnung eine Genugtuung zu bieten, als Karl Eugen frug: »Was ist's wieder damit? -- Diese Komödie spukt ja, wie es scheint, jetzt überall, und Schiller hätte Besseres tun können, als sie zu schreiben. Hat jemand Ärgernis daran genommen?« »Durchlaucht, ich möchte nicht als Angeber erscheinen.« »Ach, halt Er's Maul! -- Nachdem er einmal soviel gesagt hat, muß das andere auch heraus. Was weiß Er?« »Durchlaucht geruhen vielleicht zu wissen, daß ich die Ehre habe, korrespondierendes Mitglied der Bündner ökonomischen Gesellschaft zu sein, und darum pflege ich das Hauptblatt von Graubünden, den ›Sammler‹, zu lesen. Darin steht ein Artikel eines ~Dr.~ Amstein, der Schiller der Ehrenbeleidigung und Verleumdung Graubündens bezichtet, begangen durch einen Ausdruck in den ›Räubern‹, daß Graubünden das Athen der heutigen Gauner sei. Amstein verlangt von Schiller eine öffentliche Ehrenerklärung!« Das Gesicht des Herzogs färbte sich von zorniger Röte. »Hat Er den ~articulum~ zur Hand? -- Das möcht' ich wohl lesen.« »Ich habe zufällig die betreffende Nummer bei mir.« »Wirklich -- zufällig?« fragte Karl Eugen boshaft, indem ein durchdringender Blick den zusammenknickenden Mann streifte und er aus dessen Hand das Papier in Empfang nahm. Er entfernte sich mit demselben raschen Schrittes, während Walter erst nach einiger Zeit sich aus seiner gebückten Stellung erhob und mit hämischem Lächeln ihm nachblickte. Nicht lange darauf hörte man das Rasseln eines Wagens -- der Herzog fuhr gegen Stuttgart. Um Nachmittag des nächsten Tages wurde Schiller nach dem Schlosse Hohenheim zu seinem Landesherrn befohlen. Kronenbitter hatte ihm seine Uniform ganz besonders gesäubert und den Zopf, sowie die Ohrenröllchen mit größter Genauigkeit gedreht, und so stelzte der Regimentsmedikus zur bestimmten Stunde nach dem Schlosse, ungewiß, was der Herzog von ihm verlangen würde, aber mit der Seelenruhe eines Philosophen; denn im Grunde war ihm Karl Eugen immer ein gnädiger Herr gewesen, und er versah sich deshalb keiner Unannehmlichkeit. Dieser aber empfing ihn mit finsterem Gesicht. »Da hat Er sich und mir wieder eine saubere Suppe eingerührt mit seiner verfl... Komödie! -- Kennt Er den Artikel?« Der Herzog reichte ihm die Nummer des »Sammler« mit Amsteins Aufsatz. »Zu Befehl, Durchlaucht!« »Und was gedenkt Er zu tun?« »Nichts, Durchlaucht; denn der Wisch ist keine Antwort wert, und die Ehre einer literarischen Fehde tue ich seinem Verfasser nicht an.« Karl Eugen schaute den Sprecher groß an: »Auf Reputation hält Er, das gefällt mir; aber das schafft die Geschichte nicht aus der Welt. Wie, zum Donnerwetter, kommt Er denn zu seiner Äußerung über Graubünden?« »Halten zu Gnaden, Durchlaucht, die Äußerung ist ja nicht meine persönliche Meinung, also gar keine Behauptung, die erst eine Widerlegung braucht, sondern sie wird von einem Räuber so hingeworfen und noch dazu von dem schlechtesten Burschen der ganzen Bande, und nur ein Dummkopf kann sich darüber mokieren. Auch ist's wohl eine Volkssage, was mir dabei vorgeschwebt hat.« »Aber bedenkt Er denn nicht, wie unangenehm mir die ganze Sache ist? In der Graubündner Republik ist man uns in Württemberg ohnehin nicht gewogen und erzählt von uns die schlechtesten Dinge. Und nun kommt da ein Württembergischer Regimentsmedikus und bohrt in das Wespennest. Vergißt Er denn, daß er Eleve der Karlsschule war, und daß man mit Fingern auf die Akademie zeigen und mich selber verlästern wird, daß ich nicht besser Zucht zu halten verstehe in derselben. Wer zum Teufel heißt Ihn denn überhaupt Komödien schreiben?« »Der innere Drang, Serenissime --!« »Ach was -- schwätze Er nicht! Er hat keinen anderen Drang aufkommen zu lassen als den für seine medizinische Wissenschaft. Ich will nicht, daß das Ausland eine wenn auch nur scheinbare Berechtigung findet zu öffentlichen Anklagen. Die ganze Poeterei ist zwecklos, und Er kann keinen Hund damit vom Ofen locken. Es gefällt mir auch nicht, daß Er seine Komödie im Ausland hat aufführen lassen; Er hat wohl viel Beifall, wie ich höre, aber auch anständigen und braven Leuten viel Ärgernis gegeben.« »Das mögen beschränkte Naturen sein, die nicht den hohen Flug des Dichters und seine tiefere Absicht begreifen -- --« »Maul gehalten!« donnerte der Herzog, der sich immer mehr in Erregung und Zorn hineinredete. »Ich will mich nicht weiter mit Ihm darüber auseinandersetzen, -- ich sage Ihm nur das, daß es Ihm von Stund' ab verboten ist, etwas anderes als medizinische Schriften drucken zu lassen, und daß Er sich nicht unterstehe, irgendeine weitere Verbindung mit dem Auslande zu unterhalten.« Schiller fühlte, wie ein heißer Schmerz ihm die Seele zusammenzog; dies Verbot hieß seinen Geist in Fesseln legen und ihn zum Sklaven machen; es brach seine schönsten Hoffnungen, und mit bebenden Lippen wagte er zu sagen: »Halten zu Gnaden, Durchlaucht, -- das ist so viel, als dem Vogel das Fliegen und Singen, dem Fische das Schwimmen zu verbieten. Die Poesie ist meine Lebensluft, und wenn ich ihr entsagen muß, geht es mir ans Leben!« »Das ist Firlefanz -- weibische Einbildung! Selbstzucht muß Er üben, das hab' ich Ihm schon vordem gesagt, und darum wiederhole ich Ihm: Bei Strafe der Kassation schreibt Er mir keine Komödien mehr!« Der Herzog wandte sich ab, Schiller war entlassen, und langsam ging er die Treppe hinab. Aber da er vor dem Schloßtor stand, streckte er seine hohe Gestalt und atmete tief, als wolle er die Luft der Freiheit einsaugen, und seine Lippen murmelten: »~Frangor, non flector~ -- lieber gebrochen, als gebogen werden!« Dann ging er mit weitausgreifenden Schritten durch die Gassen der Hauptstadt und wandte sich nach dem »Ochsen«. Dort traf er die Freunde beim Kegeln, und sie sahen einigermaßen verwundert auf, als sie ihn in der steifen Paradeuniform kommen sahen. »Was feierst du denn heute für einen Festtag?« fragte der eine. »Ich komme von Serenissimus.« »Nun, wozu kann man dir gratulieren?« »Wenn du's tun willst, Petersen, Durchlaucht geruhten, mir den Kopf zu waschen.« Das Kegelspiel kam ins Stocken, alle drängten sich an Schiller. »Ja, nun seid ihr neugierig wie die Elstern, und ich hätte beinahe Lust, euch in eurer Neugier schmoren zu lassen; aber ich bin nicht grausam: Serenissimus hat mir Kassation in Aussicht gestellt, wenn ich noch eine Komödie schreibe.« Auf allen Gesichtern stand lebhafte Teilnahme, und im ersten Augenblick fand keiner ein geeignetes Wort. Endlich trat Streicher heran, reichte dem Freunde die Hand und fragte: »Und wie willst du's damit halten?« »Sei ruhig, Andreas, ich werde Komödien schreiben, und wenn mir's gehen sollte wie dem armen Schubart; mich schreckt nicht der Hohenasperg. Aber nun, Freunde, laßt euch die Gemütlichkeit nicht stören, -- wir sind noch nicht so weit, trotz dem Herzog von Württemberg. -- -- Kann ich hier mit von der Partie sein?« Bald rollten die Kugeln aufs neue, und Schiller beteiligte sich ohne Erregung, ja beinahe mit Heiterkeit an dem Spiele, bis die vorgeschrittene Zeit zur Heimkehr mahnte. Mit Streicher ging er durch die stillen, von spärlichem Lampenschimmer nur matt erhellten Gassen. Anfangs waren beide schweigend, endlich sprach der junge Musiker, indem er den Gedankenfaden, der ihn still bewegte, anscheinend laut weiterspann: »Da gibt's nur eins, Freund, du mußt fliehen.« Schiller blieb stehen. »Ist das nicht wundersam, wie unsere Gedanken in diesem Augenblick sich begegnen? Eben habe auch ich an die Flucht gedacht. Mannheim ist meine Zuflucht, der Intendant von Dalberg will mir wohl, -- im schlimmsten Falle glaub' ich's wagen zu können.« »Warum willst du erst warten, bis der schlimmste Fall eintritt? Und was nennst du den schlimmsten Fall? Des Herzogs Hand ist manchmal rasch und kräftig, und hat dich erst der Hohenasperg, so ist's mit dem Entrinnen vorbei.« »So schlimm ist's noch nicht, -- -- auch würden mir die Mittel fehlen zur Flucht.« »Was mein ist, ist auch dein. Hast du vergessen, daß ich dich einst bat, mir den Vorzug zu lassen, wenn du einen Freundesdienst brauchst? -- Mein kleiner Besitz, meine ganze Person, sie stehen dir zur Verfügung, -- nur versäume die rechte Stunde nicht.« »Ich danke dir, Andreas, und will dir's nicht vergessen. Wir wollen den Gedanken im Auge behalten, und ist's soweit, dann komm' ich zu dir.« Sie standen vor der Wohnung Schillers, drückten sich noch einmal warm die Hände, und dann schieden sie. Der Schritt Streichers verhallte in der stillen Gasse; der Dichter selbst aber ging noch eine Weile unruhig in dem engen, dumpfigen Gemache auf und nieder. Kapf, sein Stubengenosse, war nicht daheim, nichts störte ihn in seinen Gedanken, und die waren nicht bei Herzog Karl Eugen, auch nicht mehr bei seiner Flucht, sondern bei dem neuen Werke, dem »Fiesko«. Die ganze Welt versank dem schaffenden Geiste, den keine Drohung, kein Zwang hindern konnte, die Schwingen auszubreiten und sich zu erheben über die engen Schranken der Alltagswelt. -- -- Der Mai war ins Land gekommen und hatte seinen Blütenschimmer weithin ausgestreut. Im herzoglichen Lustgarten unter den leuchtenden Bäumen spazierte Schiller mit Frau von Wolzogen und Frau Laura Vischer. Die beiden waren erfüllt von wärmster Teilnahme für ihn und für sein Schicksal, und beide hatten den Glauben, daß er zu Großem bestimmt sei. Frau von Wolzogen hatte durch Bekannte in Mannheim den Erfolg der »Räuber« schildern hören, und es erfaßte sie geradezu eine Sehnsucht, das Stück selbst zu sehen. Das war es, was sie nun aussprach, und Frau Vischer stimmte ihr lebhaft bei. »Was den Genuß freilich noch mehr erhöhen würde, wäre, es mit Schiller zusammen zu sehen,« sagte die Hauptmannswitwe, und das Wort fiel wie ein zündender Funke in die Seele des Dichters. Nur zu gern hätte er selbst sein Werk noch einmal auf den Brettern geschaut, aber er hatte den Gedanken daran niedergekämpft; jetzt aber, in den Maitagen, in welchen das Herz zu kühnerem Wagen geneigt und von sonnigen Hoffnungen mehr erfüllt ist, kam er wieder. »Ja, wenn ich es wagen dürfte! -- Wie gerne ginge ich mit Ihnen, meine Freundinnen, nach meinem Eldorado, wie wollte ich doppelt genießen in Ihrem Genusse, und den Eindruck meines Werkes sich widerspiegeln sehen in zwei so lieben Seelen --; aber Sie wissen, über mir hängt ein Damoklesschwert ...« »Wissen Sie auch, daß Durchlaucht demnächst auf einige Zeit verreist?« fragte Frau von Wolzogen, und Schiller horchte hoch auf. »Wenn das ist, wäre viel gewonnen ... Und die Fahrt nach Mannheim hätte für mich vielleicht den Vorteil, mir meinen ferneren Weg zu ebnen, ich könnte mit Herrn von Dalberg persönlich verhandeln ... Wohl, ich will's zum guten Zeichen nehmen, daß Sie mich begleiten wollen! Seien Sie mir die schützenden Genien, meine Freundinnen! Ich will es wagen!« Er reichte den beiden die Hände, die sie herzlich erfaßten, und langsam schritten alle drei weiter. In den nächsten Tagen verreiste der Herzog wirklich. Sogleich schrieb Schiller einen Brief an Dalberg, in welchem er ihm sein Verlangen vortrug, sein Stück noch einmal zu sehen, und er wolle die Abwesenheit seines Landesherrn benutzen, um mit einigen Damen, welche begierig seien, die »Räuber« auf der Mannheimer Bühne an sich vorübergehen zu lassen, dahin zu kommen. Der Intendant kam bereitwillig seinem Wunsche wegen der Aufführung entgegen, und nachdem Schiller sich bei seinem Vorgesetzten, dem Leibmedikus Elwert, hatte krank melden lassen, sich außerdem aber bei dem Obersten von Rau, der ihm wohlwollend war, einen Urlaub erwirkt hatte gegen das Versprechen, ihn bei einer etwaigen Entdeckung aus dem Spiele zu lassen, fuhr an einem schönen Maiennachmittag ein viersitziger Wagen, in welchem der Dichter mit seinen beiden Freundinnen saß, zum Tor von Stuttgart hinaus. Es war eine herrliche Fahrt durch das frühlingsschöne Württemberger Land; freundliche, kleine Städte, friedliche Dörfer waren hineingebettet zwischen Wald und Anger, und fernher blaute die Kette der Vogesen. Die Seele des Dichters nahm einen freieren Flug; der Mund strömte ihm über, und die Teilnehmer der Fahrt freuten sich seiner lebhaften, warmen Beredsamkeit und wurden selbst angenehm erregt. Es waren schöne Stunden! Schönere noch waren es, als sie nebeneinander in der Loge des Theaters saßen und nun am Auge vorüberziehen, am Ohre vorüberrauschen ließen, was Schiller geschaffen. Der Eindruck des Werkes war bei den Frauen ein tiefer, und in aufwallendem Enthusiasmus wollte Frau Vischer die Hand des Dichters küssen, die so Herrliches geschrieben hatte, während auch Frau von Wolzogen, der älteren Dame, die Wangen brannten und die Augen leuchteten. Sie sprach tiefbewegt: »Schiller, ich danke Ihnen für diese erhebenden Stunden und will sie nie vergessen. Was müßten Sie erst schaffen mit dem vollen Fluge des Geistes, wenn dies Werk in den Fesseln entstand! Schiller, wenn Sie einmal eine Zufluchtstätte brauchen, erinnern Sie sich, daß ich im Meiningschen ein kleines, stilles Asyl habe im Dorfe Bauerbach; das biete ich Ihnen an als Zufluchtsort, wenn Sie nicht wissen, wohin Sie sich wenden sollen, und es soll mir zur Freude gereichen, wenn dies schlichte Fleckchen Erde die Weihe Ihres Genius erhält.« »Ich danke Ihnen, verehrte Frau, und vielleicht früher, als Sie meinen, kann die Stunde kommen, da ich Gebrauch machen muß von Ihrer Güte.« »Sie sind zu jeder Zeit willkommen!« Dies Gespräch erfüllte den Dichter mit Ruhe und Zuversicht, und in solcher Stimmung erbat er sich eine Besprechung mit dem Freiherrn von Dalberg, um diesem seine Not in der Heimat zu klagen und ihm sein Schicksal ans Herz zu legen. Der Intendant empfing ihn freundlich und zuvorkommend und hörte ihn scheinbar mit ruhiger Teilnahme an, da er von der Verfügung des Herzogs Karl Eugen berichtete und von dem Drange seines Herzens. Schiller sprach warm und herzlich, wie zu einem Freunde, denn ihn ermunterte der wohlwollende Blick des andern. Er schloß: »Ich lege mein Geschick vertrauensvoll in Ihre Hände, und ich weiß nicht, an wen ich mich besser wenden könnte. Sie haben mir den Weg des Ruhms geöffnet und mir ein großes Ziel gezeigt; ziehen Sie Ihre Hände nicht von mir ab, damit meine heiße Seele nicht erstarren muß unter einem kalten und verhaßten Zwange. Ihre Großmut und Ihr Scharfblick werden die Stelle finden, die ich auszufüllen vermag im Dienste der Kunst, der -- das fühle ich -- mein Leben gehört.« Dalberg war bewegt. Er reichte Schiller die Hand und erwiderte: »Was ich tun kann für Sie, will ich gern tun. Die Art, Sie hier in Mannheim zu employieren, dürfte keine Schwierigkeiten bieten, wenn wir Sie nur erst einmal aus dem Württembergischen herüber hätten. So glatt wird das mit Ihrer Durchlaucht nicht gehen, der uns einen seiner Karlsschüler und wohlbestallten Regimentsmedikus nicht ohne weiteres überlassen wird. Hier heißt es in Geduld abwarten und nicht den Mut verlieren. Ich behalte Ihre Sache im Auge.« Schiller ging, aber er war nicht befriedigt. Das waren halbe Zusicherungen, und er brauchte -- das fühlte er -- eine rasche, rettende Tat. Mit einiger Verstimmung bestieg er wieder den Wagen, um gegen Stuttgart zurückzufahren. Er war einsilbig, so sehr auch die Freunde sich bemühten, ihn aufzuheitern, und da er an das Tor der Residenz herankam, sagte er niedergeschlagen: »Da geht's wieder zurück in den Käfig. Es ist, als ob mir der Gedanke auf alle Glieder geschlagen wäre, und mein Körper ist wie Blei, meine Pulse brennen -- ich glaube, ich habe Fieber.« Besorgt sahen die Freunde ihn an und sahen in ein unnatürlich gerötetes Gesicht und flimmernde Augen. Am andern Morgen mußte er zu Bette bleiben, und der treue Streicher, welcher gekommen war, um sich von dem Mannheimer Aufenthalte berichten zu lassen, war erschrocken und entsetzt, als er ihn umarmte. Er fühlte selbst ein Frösteln und ein Unbehagen, doch setzte er sich an das Lager des kranken Freundes, der nun mit etwas matter Stimme, aber doch lebhaft erzählte, daß er im Grunde so gut wie nichts erreicht habe, und daß die auf Dalberg gesetzten Hoffnungen wohl trügerische seien. Streicher tröstete und beruhigte: »Wenn er nur eine Stellung hat für dich, -- aus Württemberg wollen wir schon fortkommen, dafür laß mich mit sorgen. Die Flucht bleibt dir noch immer, und bist du erst über die Grenze, so wird das weitere sich wohl finden. Den Kopf hoch, Freund!« »Das kann ich heute nicht, Andreas!« sagte Schiller mit einem Anfluge von Scherz und lächelnd, »der Kopf ist mir zu schwer.« Die beiden Freunde trennten sich; Streicher aber fühlte, da er auf die Straße kam, einen dumpfen Schmerz im Kopfe, ein Brennen in den Augen, und es war ihm kein Zweifel, daß er den Keim einer Erkrankung von dem Freunde mit fortgenommen hatte. Daheim mußte er auch sich zu Bette legen, und die Mutter geriet in nicht geringe Besorgnis um den einzigen Sohn. Dieser selbst aber lebte in seinen Gedanken bei Schiller und tat sich selbst immer wieder das Gelöbnis, ihn nicht zu verlassen und in der Stunde der Not ihm getreulich zur Seite zu stehen. Nach etwa vierzehn Tagen hatten beide Freunde sich wieder erholt, und da sie zum erstenmal sich begegneten und umarmten, wiederholte Streicher sein Gelöbnis. Solche Treue aber tat Schiller ungemein wohl, und bald genug sollte er sie auch brauchen. [Illustration: Fünftes Kapitel] Auf der Flucht Frau von Wolzogen wie Frau Vischer standen noch lange unter der Nachwirkung des Eindrucks der »Räuber«. Das Herz war ihnen voll davon, daß sie Zeugen des Triumphes des geliebten Dichters sein und in seiner Gegenwart sein Werk genießen konnten, und es ist begreiflich, daß ihnen auch der Mund davon überging. Zunächst erzählten sie von der Aufführung im engsten Bekanntenkreise, und erst als ihnen die Mitteilung entschlüpft war, daß sie mit Schiller zusammen in Mannheim gewesen, wurden sie der Gefahr sich bewußt, in welche sie mit ihrer Redseligkeit den Dichter bringen konnten, und versuchten, ihren Freunden Schweigen darüber aufzuerlegen. Aber unter dem Siegel der Verschwiegenheit ging die Kunde doch still immer weiter, und so kam es, daß auch der General Auge davon erfuhr. Der alte Soldat aber hielt es für seine Pflicht, auch den Herzog davon zu verständigen, und berichtete peinlich genau mit allen Einzelheiten, die ihm selber zu Ohren gekommen waren. Karl Eugen geriet in Zorn; So hatte dieser Regimentsmedikus gewagt, seinem strengen Befehle zum Trotz ins Ausland zu gehen -- das durfte nicht ungestraft bleiben! [Illustration: Schiller vor dem Herzog Karl Eugen von Württemberg] Schiller erhielt sofort Ordre, vor ihm zu erscheinen. Er ahnte nichts Gutes bei der Kunde, um so mehr, als ihm zugleich die höchste Eile anbefohlen war, so daß er sich kaum Zeit nehmen konnte, sich in seine Paradeuniform zu werfen. So rasch als möglich begab er sich nach dem Schlosse Hohenheim und wurde sogleich nach dem Garten gewiesen, wo der Herzog ihn erwartet zu haben schien. Dieser schien zunächst freundlich und huldvoll, daß Schiller fast irre an ihm wurde; er schritt mit ihm in den schattigen Alleen hin, machte ihn auf besondere Schönheiten der Anlagen aufmerksam und redete von ganz gleichgültigen Dingen. Plötzlich blieb er stehen, richtete sich hoch auf und indem er seinen Begleiter durchdringend anschaute, sagte er: »Er ist in Mannheim gewesen! Ich weiß alles! Ich sage, Sein Oberster weiß darum.« Schiller stand im ersten Augenblick verblüfft und fühlte, wie ihm das Blut aus den Wangen wich; dann nahm er eine stramme militärische Stellung ein und erwiderte: »Durchlaucht, ich bitte untertänigst um Verzeihung -- ja, ich war in Mannheim, aber Oberst von Rau hat keine Schuld dabei; ich bin ohne Urlaub gegangen und hatte mich krank gemeldet.« »Ihn soll doch gleich ein Blitz in den Boden wettern! Er ist ja ein ganz verlogenes Subjekt, ein ungehorsamer Windhund, mit dem ich Ernst machen muß. -- Wie kommt Er denn dazu, meinem bestimmten Befehle sich zu widersetzen? -- Meint Er, mein Wohlwollen für Ihn habe keine Grenzen?« »Darauf habe ich allerdings gesündigt -- halten zu Gnaden, Durchlaucht! Es war zu verlockend, in guter Gesellschaft noch einmal mein Stück sehen zu können, und da Serenissimus abwesend waren und ich nicht persönlich um die Gnade eines Urlaubs bitten konnte -- --« »So ist Er einfach mit einem Paar Weibsleuten durchgebrannt. Ist das Subordination? Ist das Achtung vor seinem Landesherrn? Und den Rau werde ich mir auch zur Rechenschaft ziehen -- --« »Ich bitte untertänigst, Durchlaucht -- Oberst von Rau hat von einem Urlaub nichts wissen wollen -- ich wäre ein Schurke, wenn ich anderes behauptete --« »Mag sein, ich will's vom Rau glauben; -- aber das vergrößert nur seine eigene Schuld. Himmelelement, wohin soll's denn kommen, wenn schon ein simpler Medikus glaubt, unsere Befehle mit Füßen treten zu dürfen -- --« »Halten zu Gnaden -- --« »Still! Kein Wort! Er hat meine Befehle mit Füßen getreten und verdiente eigentlich die Kassation und den Hohenasperg dazu, ich will's aber noch einmal glimpflich mit Ihm machen, obwohl Er ein Deserteur, ein Filou ist. Gehe Er auf die Hauptwache und melde Er sich zu einem vierzehntägigen Arrest -- damit mag's vorläufig abgetan sein; aber das sage ich Ihm, so wie ich der Herzog von Württemberg bin, wenn Er seinen Verkehr mit dem Auslande fortsetzt, oder wenn Er etwas anderes als Medizinisches schreibt, so setze ich Ihn hinter Schloß und Riegel in ein Loch, wo weder Sonne noch Mond Ihm hineinscheinen soll.« Schiller überlief ein Schauer, er dachte an den armen Schubart; ein bittend Wort wollte sich über seine Lippen drängen, aber er preßte es hinab und dankte für die gnädige Strafe. Nun ging er nach der Hauptwache und gab seinen Degen ab, und gleich darauf befand er sich in einer engen, unfreundlichen Zelle, durch deren Gitterfenster nur ein schmaler Streifen des Sonnenlichts hereingrüßte. Seine Seele war voll unsäglicher Bitterkeit. Was sollte nun werden? -- Er fühlte nur das eine, daß er niemals dem Befehl des Herzogs sich unterwerfen könne, daß er darüber zugrunde gehen müßte. In dem schmalen Raume schritt er auf und nieder, und wiederum mußte er an den Gefangenen von Hohenasperg denken, dessen ganzes Verbrechen ja auch nur in dem freien Aufflug seines Geistes bestand, und wieder kam ihm der Gedanke an Flucht. Aber mitten in alle Trübsal und Verstimmung hinein traten ihm die Gestalten seines »Fiesko«; dieses Werk mußte fertiggestellt sein, wenn er nach Mannheim wollte, es mußte ihm die Brücke schlagen helfen zur Freiheit, und während alles still um ihn war -- nur der Schritt der Wache klang an sein Ohr --, schuf sein Geist unermüdlich, und außer dem »Fiesko« erwachten noch neue Pläne, und so waren auch diese vierzehn Tage der Haft für ihn keine verlorenen. Sobald er seinen Degen wieder erhalten hatte, begab er sich zu Streicher. Der empfing ihn herzlich und mit Tränen in den Augen, wie einen Märtyrer. Schiller aber lächelte und war vergnügt. Die Freunde, denen die Mutter Streichers sich gesellte, die, was das Haus zu bieten vermochte, herbeigeschafft hatte, saßen lange beisammen und besprachen, was nun werden sollte. Endlich waren sie darin einig, daß Schiller einerseits einen dringenden Brief an Dalberg schreiben sollte, um diesen zu rascherem Eingreifen in den Gang seines Schicksals zu veranlassen, andererseits aber versuchen sollte, durch eine Eingabe an den Herzog diesen zur Zurücknahme seiner Verfügungen zu veranlassen. Der Brief an Dalberg ward geschrieben. In herzbeweglicher Weise schilderte der Dichter die Verhältnisse, erzählte von seinem Arrest, sowie von den Befehlen des Herzogs und flehte den Intendanten unter Hinweis darauf, daß er seinen »Fiesko« bald beendet haben werde und bereits mit einer neuen Arbeit, dem »Don Carlos«, umgehe, dringend um sein hilfreiches Eingreifen an. Mit Spannung erwartete er eine Antwort, als aber zwei Wochen verstrichen waren, wurde er mutlos und verzagt; er hatte die Empfindung, daß Dalberg ihn im Stiche lasse, vielleicht aus Furcht, unangenehme Verwickelungen mit dem Herzog herbeizuführen. Von einer Eingabe an den letzteren versprach er sich nicht viel, darum verzögerte er dieselbe von Tag zu Tag. Längst war der Sommer gekommen, dem Dichter aber wollte seine Sonne nicht das bange Herz erwärmen; er schlich umher wie ein Träumer, mied die Gesellschaft der Freunde, war einsilbig, ja wohl auch verbittert, und sein Aussehen war so, daß man ihn wohl für leidend halten mochte. So war er eines Tages wieder hinausgekommen nach der Solitüde, um seine Familie zu besuchen; er traf bei derselben Frau von Wolzogen, und voll inniger Teilnahme fragte ihn dieselbe, ob er sich nicht wohlfühle. Auch die Mutter und seine Schwester Christophine, welche zugegen waren, während der Vater im Garten draußen seinen Geschäften nachging, taten voll Besorgnis die gleiche Frage, und nun ging ihm das Herz auf. »Ja, es frißt mir etwas an der Seele, und ich kann's nicht verwinden. Das Verbot des Herzogs, nichts mehr zu dichten, und nicht mehr mit dem Auslande zu verkehren, ist mein Tod. Ich ertrag's nicht mehr.« Er sank auf seinem Sitze zurück, Christophine aber eilte zu ihm und schlang ihm die Arme um den Hals. »Sei ruhig und mutig, Fritz, ich kann es dir nachfühlen und könnte Durchlaucht hassen um seiner Härte willen! Als ob der Genius sich in seine steife Uniform pressen ließe, gleichwie der Leib -- --« »Um Gottes willen, Kind!« mahnte besorgt die Mutter; aber Frau von Wolzogen unterbrach sie: »Christophine hat recht, -- es ist eine Sünde, die an seinem Genius begangen wird, und wer's gut mit ihm meint, kann's nicht ruhig mit ansehen. -- Schiller, erinnern Sie sich dessen, was ich Ihnen von Bauerbach gesagt hatte, -- dort sind Sie willkommen und geborgen.« Schiller hob den Kopf und sah die Freundin mit dankbaren Blicken an: »Sie meinen es gut, verehrte Frau, und ich will's nicht vergessen. Fürs erste aber steht mein Sinn nach Mannheim, denn ein zweites Werk, ›Die Verschwörung des Fiesko‹, geht seiner Vollendung entgegen. Auf Mannheim und seine Bühne steht mein Hoffen.« »Aber wie soll es möglich sein, bei dem Verbote des Herzogs --« sagte wieder die besorgte Mutter. »Er muß fliehen!« sprach die entschlossene Christophine mit leuchtenden Augen, und verwundert sahen die andern das Mädchen an, das mit glühenden Wangen und glänzenden Augen dastand; Schiller aber reichte ihr beide Hände hin, als wäre damit für ihn die Erlösung gekommen. Daß auch aus diesem Kreise dies Wort an ihn herantrat, war ihm ein Trost und eine Freude. Die Mutter aber war geradezu entsetzt bei dem Gedanken an Flucht. »Unseliges Kind, bedenkst du auch die Folgen?« fragte sie. »Die Folgen? Für wen? -- Für Fritz ist die Folge die Freiheit, die sein Genius braucht, um seine Flügel entfalten zu können, -- was soll es für andere Folgen haben?« »Für uns, -- für den Vater, -- er kann seine Stellung verlieren.« »Dem Vater muß es verborgen bleiben; er muß, wenn die Flucht geglückt ist, dem Herzog sein Ehrenwort geben können, daß er nicht darum gewußt hat!« Schiller zog die Schwester an sich und küßte sie auf die Wange. Auch die Mutter begann bei dem Zureden der Freundin und der Tochter sich zu beruhigen; auch sie hatte ja ein Verständnis für das Wesen ihres Sohnes und konnte sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß unter den vorliegenden Umständen in der Flucht die einzige Befreiung lag. Sie selbst war es, welche jetzt auf einen geeigneten Zeitpunkt aufmerksam machte, wenn es schon sein müßte. Der Hof erwartete hohe Gäste aus Rußland, den Großfürsten Paul und seine Gemahlin, eine Nichte des Herzogs Karl Eugen. Schon jetzt -- es war zu Anfang August -- war auf den Schlössern und in den Gärten von Stuttgart, Ludwigsburg, Hohenheim eine regere Tätigkeit, und überall wurden umfassende Vorbereitungen zu einem glänzenden Empfange getroffen, um so mehr, als auch eine große Anzahl benachbarter Fürsten gleichzeitig zum Besuche einzutreffen gedachte. In die erste Hälfte des September sollten die großen Hoffeste fallen, welche die allgemeine Aufmerksamkeit so vollständig in Anspruch nehmen würden, daß sich dabei am leichtesten die Gelegenheit zur Flucht finden würde. Das leuchtete auch Schiller, ebenso wie den Frauen ein, und mit freierer Seele verließ er die Solitüde in dem Bewußtsein, daß, was auch kommen möge, er nie ganz allein und verlassen sein, daß er mitfühlende Seelen und helfende Hände finden würde. Mit erneuter Schaffenslust ging er an den »Fiesko«; oft brannte seine Lampe bis tief in die Nacht hinein, und mit brennenden Augenlidern schrieb er, und wie er einst in der Karlsschule dem Kreise der Genossen vorgelesen hatte, was er geschaffen, so war es jetzt der treue Streicher, der mit innigster Teilnahme das Werden und Wachsen des neuen Werkes verfolgte und mit seinem aufrichtigen Beifall nicht kargte. In den ersten Septembertagen ward es in Stuttgart belebter als sonst. Man sah glänzende Hofequipagen mit reichgalonnierten Dienern durch die Straßen fahren, fremde Fürstlichkeiten hielten mit pomphaftem Empfang ihren Einzug, zahlreiche Fremde strömten von nah und fern herbei, um den vielen Schauspielen, die geplant waren, beizuwohnen, nur Schiller saß zurückgezogen in seiner stillen Klause. Er hatte sich noch einmal, ehe er den äußersten Schritt wagen wollte, an den Herzog gewendet mit der inständigen Bitte um Aufhebung der harten Verbote. Bald darauf hatte der General Augé ihn zu sich rufen lassen und ihm ziemlich strenge mitgeteilt, daß Durchlaucht verfügt hätten, der Regimentsmedikus Schiller habe sich aller Eingaben an ihn zu enthalten bei Strafe strengen Arrests. So war der Würfel gefallen; was blieb nun noch anderes übrig als die Flucht? -- Die Stirne in beide Hände gestützt, saß er an dem Tische und sann; draußen fuhren durch den hellen Sonnenschein goldflimmernde Karossen, -- was kümmerte es ihn? -- Da kam Streicher, und der Dichter reichte dem treuen Freunde in tiefer Bewegung beide Hände. »Es muß sein, Andreas, -- ich habe keinen Ausweg mehr«, sagte er trübe. »Wie? Hat der Herzog dein Schreiben -- --« »Nicht einmal gelesen und streng verboten, ihm nochmals zu schreiben.« Streicher setzte sich neben Schiller und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Nun gut, dann kann dein Herz dich freisprechen von jedem Vorwurf. Du gehst nach Mannheim, und ich gehe mit dir.« »Wie, Andreas, das wolltest du wirklich?« »Hast du je daran zweifeln können? -- Meinst du, ich verließe dich, den unpraktischen Idealisten, der zwar in der Welt der Geister heimisch ist, aber fremd in der Welt der Wirklichkeit? Ich habe meiner Mutter Erlaubnis bereits ausgewirkt dazu. Ich wollte doch im nächsten Frühjahr nach Hamburg reisen zu Emanuel Bach, dem großen Musiker, statt dessen gehe ich schon jetzt mit dir mit Sack und Pack, und hab' ich dich glücklich in Mannheim untergebracht, so setze ich meinen Stab weiter.« »Du Guter, Trefflicher, -- wie danke ich dir!« »Deine Freundschaft ist mein Lohn; sieh', dein Name ist an die Sterne geknüpft, das glaube ich bestimmt, und Höheres kann es nicht geben als die Freundschaft eines Unsterblichen.« »Du bist ein Schwärmer.« »Nicht so ganz; ich habe den Blick auch auf das Praktische gerichtet und sehe manches, was du nicht siehst. Was gilt's, du hast es nicht gesehen und weißt es nicht, daß unter den Fremden auch Herr von Dalberg nach Stuttgart gekommen ist.« Schiller fuhr empor von seinem Sitze: »Wie, Dalberg hier? -- Sollte er darum mir nicht geantwortet haben, weil er gedachte, mich persönlich hier zu treffen, mir mündlich Bescheid zu sagen? -- Andreas, das Wort läßt neue Hoffnungen in mir erwachen. Vielleicht will er selbst beim Herzog eine Fürsprache für mich einlegen?« »Hoffe nicht zuviel, Friedrich! Dalberg ist ein vorsichtiger Hofmann, der sich nicht leicht die Finger verbrennt um einen, der in Mißgunst gefallen ist; auch glaube ich nicht, daß seine Fürsprache viel nützen werde, du kennst ja unsere Durchlaucht!« »Aber sprechen muß ich ihn, sobald als möglich!« -- Schon am andern Tage suchte er Dalberg auf. Dieser empfing ihn ohne Überraschung, freundlich und höflich wie immer; scheinbar teilnehmend hörte er Schiller an, der seine bedrängte Lage schilderte, ohne die Absicht seiner Flucht zu verraten, und ihn endlich dringend bat, eine Wendung in seinem Schicksal herbeiführen zu helfen. Der Intendant versicherte ihn aufs neue seines Wohlwollens, seiner Bereitwilligkeit, ihm beizustehen, hatte auch wieder warme Worte des Lobes für seinen Genius; aber glatt und gewandt wußte er den eigentlichen Kernpunkt der Sache zu umgehen und hielt seine Bedenken aufrecht, wie man Schiller aus württembergischen Diensten losmachen könnte. Er verabschiedete seinen Besucher mit Freundlichkeit; Schiller aber kehrte ziemlich verstimmt zu dem daheim seiner harrenden Streicher zurück. »Ich habe eigentlich nichts anderes erwartet,« sagte dieser; »denn sieh, selbst wenn er noch so wohl es mit dir meint, er kann dir nichts bieten, solange du württembergischer Regimentsmedikus und nicht in Mannheim bist; zur Flucht kann er von seinem Standpunkte aus ebenfalls nicht raten. Aber bist du einmal in Mannheim, dann wird er wohl mit der Tatsache rechnen --« »Und der ›Fiesko‹ fällt wohl auch ins Gewicht,« sprach Schiller mit auflebender Hoffnung; »ich meine, Gutes geschaffen zu haben, ja Besseres als in den ›Räubern‹; denn meine Anschauungen von Freiheit haben sich geläutert, und der wilde Sturm und Drang meiner Seele hat ausgetobt. Meine ›Räuber‹ mögen untergehen, mein ›Fiesko‹ soll bleiben. Ja, Freund, nun erst ist die Flucht mir beschlossene Sache.« »Und die Vorbereitungen dazu überlasse mir; möge ein guter Stern mit uns sein!« »Er wird es, -- es ist der Stern der Freundschaft!« sagte mit einer gewissen Feierlichkeit Schiller, und dann hielt er Streicher einige Augenblicke innig und fest umschlungen. Einige Tage später gingen die Freunde, begleitet von einer Dame, hinaus nach der Solitüde. Es war die Frau des Regisseurs Meyer vom Mannheimer Theater, die ebenso wie ihr Mann dem Dichter freundlich und wohlwollend gesinnt war. Sie war aus Stuttgart und hatte jetzt ihre Familie aufgesucht, um gleichfalls den geplanten großen Festlichkeiten beizuwohnen, und da sie Schillers Mutter kannte, ging sie mit nach der Solitüde. Der Nachmittag war schön; ein blauer Himmel spannte sich weit über das Land, das im vollen Reize des Sommers vor den Blicken lag. Die Felder waren bereits kahl, aber die Wiesen grünten, die Bäume in den Gärten bogen sich unter der Last ihrer fruchtschweren Äste, und um die fernen Höhen lag ein goldiger Schimmer. Das Herz des Dichters war von einer stillen Wehmut erfüllt bei dem Gedanken, daß er alles das heute vielleicht zum letztenmal sehe; aber er bezwang sich und begann mit Frau Meyer ein Gespräch über die Theaterverhältnisse in Mannheim, und aus ihren Worten suchte er freundliche Hoffnungen für sich abzuleiten, ohne daß er seinen Plan preisgab. Endlich sah man den stattlichen Schloßbau aus seinen herrlichen grünen Gartenanlagen herauswinken, und nicht lange danach war auch die Wohnung von Schillers Eltern erreicht. Auch diesmal war nur die Mutter und die älteste Tochter anwesend, und sie begrüßten die Besucher mit Herzlichkeit. In den Augen der Mutter aber lag ein feuchter Schimmer, so oft sie ihren Sohn anblickte; denn auch sie wußte ja, weshalb er gekommen war, und so sehr sie sich auch Mühe gab, sich zu beherrschen, das Gespräch kam doch manchmal beinahe peinlich ins Stocken. Streicher begrüßte es darum wie eine Erlösung, als Schillers Vater eintrat. In seiner behäbigen und dabei doch lebhaften Art begrüßte er die Besucher und begann dann von den Vorbereitungen zu erzählen, die man auch hier für die fürstlichen Gäste traf. »Solche Feste hat die Solitüde noch niemals gesehen und wird sie vielleicht nie wieder erleben«, sagte er. »Am 17. September werden die höchsten Herrschaften hierher kommen zur Hirschjagd. Eine Hirschjagd, wie es noch keine gegeben hat. In unserem Walde werden bei sechstausend Hirsche zusammengetrieben, die von einer dichten Treiberkette zusammengehalten werden, damit keiner durchbrechen kann. Dann werden sie die Anhöhe über dem See hinaufgejagt und gezwungen, sich von derselben in das Gewässer hinabzustürzen. Im Lusthause aber, das jenseit des Sees jetzt errichtet worden, werden die fürstlichen Jäger Platz nehmen und aus den Fenstern die Tiere niederschießen.« Schiller hatte nur mit halbem Ohr hingehört; jetzt hob er aber doch den bisher gesenkten Kopf mit dem unmutig geröteten Gesicht und sagte halblaut: »Ein Vergnügen für Henker, -- und Edleres weiß man den Gästen nicht zu bieten?« Fast erschrocken sah ihn der Vater an: »Uns steht kein Urteil zu, wie wir auch keine Verantwortung dafür haben!« »Gottlob, daß ich menschlich fühlen darf auch mit dem gehetzten Tier!« war die bittere Antwort, dann senkte sich wieder der schöne Kopf mit den rötlichen Haaren, der Vater aber fuhr fort: »Auch ein Schauspiel ist für den Abend in Aussicht genommen und eine großartige Illumination des Schlosses; das wird gewiß das prächtigste. Taghell soll die Nacht erleuchtet werden von tausend Lichtern und Feuerzeichen.« -- -- Aber während sich der Vater in lebhaften Schilderungen erging, ruhte der Blick der Mutter unausgesetzt auf dem Sohne, und es wollte ihr beinahe das Herz abdrücken, daß sie nicht reden durfte von dem, was ihre Seele erfüllte. Leise erhob sie sich endlich und schlich hinaus; Schiller aber verstand sie und folgte ihr nach. In einem abgelegenen Nebengemache fanden sie sich zusammen, und schweigend hielt die Frau ihren einzigen Sohn an ihrem Herzen, während ihr die Tränen über die Wangen strömten und seine Hand liebkosend über ihren Scheitel strich. »Muß es denn wirklich sein, Fritz? -- Ist das der letzte Abschied?« »Es _muß_ sein! Sei ruhig und stark, Mutter, ich fühle in mir eine wunderbare Kraft und das Bewußtsein, daß es der richtige Weg ist, den ich gehe.« »Ach, ich fürchte, daß deine Hoffnungen sich nicht erfüllen, und dann hast du die Gunst unseres Herzogs verscherzt und dort nichts gewonnen, -- was dann?« »Dann kann ich immer noch eine Tätigkeit als Arzt beginnen. Wenn ich nur über die ersten Anfänge hinauskomme.« »Ach, und ich vermag dir so gut wie gar nichts mitzugeben, du weißt ja, von des Vaters Gehalt ist nur knapp auszukommen --, ich hab' ja nicht einmal das Reisegeld völlig für dich beisammen, obwohl auch Christophine mit daran gespart hat; wir haben nicht vermeint, daß es so schnell kommen würde.« »Wenn irgendeine Gelegenheit günstig ist, so ist es diese bei den Festlichkeiten. In der Nacht, in welcher die Solitüde im Feierglanze strahlen wird, soll's geschehen. Denk' an mich, Mutter!« »O immer, immer! Gott segne dich, mein Sohn, und gebe deinem Hoffen das Gelingen!« Noch einige Zeit sprachen die beiden von der Zukunft, die Mutter trübe und mit Bangen, der Sohn mit freundlicher Tröstung, dann hielten sie noch einmal sich umschlungen, küßten sich heiß und innig und kehrten zu den anderen zurück. Die Mutter hielt die Hand des Sohnes fest, bis sie in das Gesellschaftszimmer eintraten. Christophine sowie Streicher sahen sie beide an; sie verstanden, was die feuchten, geröteten Augen beider, was das bleiche Gesicht der Frau und die zuckenden Lippen des Sohnes erzählten. Streicher drängte zur Heimkehr; er wußte, daß er damit dem Freunde einen Gefallen tue. Schiller küßte noch einmal Mutter und Schwester, dann drückte er warm und innig die Hand des Vaters und sah ihm lange tief in die Augen, als ob er die teueren Züge sich recht fest einprägen wolle. Der alte Mann merkte es mit einiger Verwunderung; aber er war so erfüllt von seinem Festberichte, daß er nichts Besonderes im Wesen seines Sohnes suchte. Durch den sinkenden Abend und die hereinbrechende Dämmerung schritten die Freunde gegen Stuttgart zurück und besprachen dabei noch manche Einzelheiten der Flucht. Es mußte ein Tag gewählt werden, an dem Schillers Regiment nicht die Wache an den Toren besetzte, und Streicher hatte zufällig erfahren, daß in der Festeswoche das Regiment, welchem Scharffenstein angehörte, den Dienst haben würde. Schiller nahm das zum guten Zeichen. So wurde denn der 17. September als der Tag der Flucht festgehalten. Streicher entfaltete in den nächsten Tagen eine unermüdliche Tätigkeit. Er versorgte den Reisewagen, er brachte die bürgerliche Kleidung, in welcher Schiller reisen sollte, nach seiner Wohnung, er holte allmählich auch dessen Wäsche, sowie dessen Lieblingsbücher, die Werke von Shakespeare, Haller und anderen dahin, so daß am 16. September alles bereit war. Am nächsten Vormittage um 10 Uhr wollte er noch einmal sich bei Schiller einfinden, und dieser sollte, was er sonst noch mitzunehmen beabsichtigte, bereitlegen. Am Vorabend der Flucht ging der Dichter noch einmal durch Stuttgarts Gassen. Ihm war zumute, als sollte er von jedem Hause, von jedem Menschen Abschied nehmen. Der Himmel war trübe, und er vermochte sich einer Wehmut nicht zu erwehren. Als er an der Wache vorüberkam, sah er seinen Freund, den Leutnant Scharffenstein zum Fenster der Wachtstube herauslehnen, offenbar gelangweilt; er hatte wohl den Dienst hier für die Nacht. Einer augenblicklichen Regung folgend, wendete Schiller sich ihm zu und trat ein in den unfreundlichen Raum, um dem Freunde Gesellschaft zu leisten, worüber dieser augenscheinlich sehr erfreut war. Er wischte mit der Hand über den rohen Tisch hin und fegte rücksichtslos von der Tischplatte hinweg, was darauf lag, dann befahl er einem Soldaten, einen Krug Wein zu holen, brachte Pfeifen und Tabak herbei, zündete die trübe und qualmende Lampe an, und bald saßen die beiden im traulichen Gespräche. Nachdem Scharffenstein zunächst weidlich auf den langweiligen Dienst gescholten, suchte er einen heiteren Ton anzuschlagen; aber Schiller war nicht in der Stimmung, darauf einzugehen, und jener sah ihm endlich tiefer in die Augen, und sprach fast verwundert: »Du bist mir heute so elegisch -- was ist's mit dir?« »Ich hab' ein Recht dazu, Scharffenstein, ich stehe an einem Wendepunkt meines Schicksals.« Befremdet starrte ihn der Leutnant an. »Was hast du vor?« fragte er endlich teilnehmend, und Schiller erwiderte: »Georg -- du wirst es für dich behalten, wenigstens bis übermorgen -- ich will aus Stuttgart fliehen und mir eine freie Bahn suchen für meinen Geist.« Scharffenstein reichte ihm in stummer Bewegung beide Hände hin, Schiller aber fuhr fort: »Ich kann's nicht mehr ertragen, wenn ich nicht zugrunde gehen soll. Sieh, ich freue mich, daß ich gerade heute noch einmal mit dir zusammen sein kann. Es weckt mir Erinnerungen an die Tage, da meine ›Räuber‹ entstanden und heimlich im Kreise der ›Bande‹ bruchstückweise verlesen wurden. Mein ganzes Leben in der Karlsschule taucht vor mir empor, mit den wenigen stillen Freuden und mit dem bitteren Druck, der uns manchmal die Herzen zerpressen wollte, und alles ist wie ein Traum. Du kennst mich, Georg, du weißt, daß ich nicht bin wie hundert andere, daß ich ein anderes Leben lebe, und weißt auch, daß der Herzog dafür niemals ein Verständnis gewinnen wird, -- darum aber weißt du auch, daß ich nicht anders kann.« »Ich weiß, Freund, -- und meine besten Wünsche begleiten dich. Kann ich dir in etwas behiflich sein, so tu' ich's gern. Ich habe morgen abend die Wache am Eßlinger Tor, -- ich will wenigstens sorgen, daß du glücklich hinauskommst. Du gehst allein?« »Streicher geht mit.« »Der brave Streicher! -- Wohl dir, Friedrich! Du gehst deinem Ruhm entgegen, der aufsteigenden Sonne; wir bleiben hier in der Niederung des Lebens und warten, bis wir wieder ein Stückchen vorwärts geschoben werden. Wenn es einem von uns beiden wehmütig zumute werden kann, bin ich es. Von dir werden wir hören -- denn dein Name kann nicht verloren gehen -- ob du noch einmal von uns hier hörst, wer weiß es!« »Aber vergessen werde ich euch nicht -- keinen, der mir einmal Liebe und Treue bewiesen hat. Du aber, ich bitte, nimm zum Andenken an mich die Bücher, die ich in meiner Wohnung zurücklasse; sie sind dein.« »Sie sollen mir von größtem Werte bleiben!« Die Freunde aber besprachen noch vieles in dieser Nacht. Das müde Licht warf einen dämmerigen Schein durch den Raum, nebenan hörte man das laute Reden der Soldaten; die beiden jedoch saßen verloren in Erinnerungen, und Glück und Leid der gemeinsam verlebten Vergangenheit zog an ihren Seelen vorüber. Es begann bereits der Morgen zu grauen, als Schiller sich erhob. »Den letzten Tropfen auf dein gutes Glück!« sagte der Leutnant und hob seinen Becher; sie stießen an, der Dichter aber goß den Rest aus seinem Trinkgefäß auf den Boden der Wachtstube -- »eine Libation für die Götter der Unterwelt, daß sie nicht unheimliche Mächte entfesseln.« Dann schritt er durch die stillen Gassen. Da und dort begegnete er einem verschlafenen Wächter, sonst war alles in Ruhe. Die Luft ging kühl, daß ihn fröstelte, aber sie versprach einen schönen Morgen, und er wünschte, daß ihm die Sonne glückverheißend aufgehe. Schiller schlief wenig in dieser letzten Nacht, die er in Stuttgart verlebte. Schon um sechs Uhr weckte Kronenbitter ihn auf, und er machte sich fertig, um seiner Pflicht gemäß, nachdem er sein einfaches Frühmahl genossen, nach dem Lazarett zu gehen. Sorglicher als sonst verkehrte er mit seinen Kranken, als müßte er jedem derselben noch etwas Liebes tun, und um die achte Stunde kehrte er in seine Wohnung zurück. Hier begann er noch zusammenzutragen, was er als Letztes mitzunehmen gedachte, und besonders Bücher waren es, die er nur ungern zurückließ. Wie er noch unter diesen herumsuchte, fiel ihm ein Bändchen Oden von Klopstock in die Hand. Er schlug es auf, und der Zufall wollte, daß er auf eine Ode stieß, die ihn allezeit ganz besonders gefesselt hatte. Er vergaß die Zeit und seine eigene Absicht; in einen Stuhl gelehnt, stützte er das Haupt in die Hand, und seine Seele trank voll Begeisterung die Worte des Dichters des »Messias«, die ihn mächtig erregten. Er zog ein Blatt Papier heran, ergriff die Feder und begann nun selbst, gleichwie eine Antwort auf Klopstocks Poesie, eine Gegenode zu dichten. Mit den Fingern skandierte er den Rhythmus auf der Tischplatte, murmelte die Verse vor sich hin, und dann flog die Feder. Was kümmerte ihn der fortschreitende Zeiger der Uhr! Da schlug draußen dröhnend die zehnte Stunde, und mit dem ersten Schlage trat der pünktliche Streicher ein. Er schaute verwundert den Freund an, der auch jetzt sich noch nicht zu besinnen schien, was er heute vorhatte, und sagte: »Friedrich -- es ist zehn Uhr --, die letzten Vorbereitungen müssen getroffen werden; wir müssen eilen, wenn wir nichts versäumen und vergessen wollen.« »Ach was, Andreas -- ~omnia mea mecum porto~ (ich trage alles meinige bei mir) -- ich bin erst noch bei dem göttlichen Klopstock zu Gast gewesen und habe ihm auch ein Gegengeschenk geboten -- das mußt du anhören.« Er begann die Ode Klopstocks vorzutragen und im Anschluß daran seine eigene. Streicher, der voll Ungeduld sich in einen Sitz geworfen hatte und unruhig darauf hin und her gerückt war, wurde unwillkürlich ruhiger, ihn fesselte auch in dieser Stunde die Macht der Gedanken, die Kraft der Worte, die einherrauschten wie ein entfesselter Strom, und er konnte seine Bewunderung dem Genius nicht versagen, der selbst in solchen Stunden sich zu erheben vermochte. Nun aber begann er doch aufs neue zu drängen; er fragte nach hundert Kleinigkeiten und erinnerte noch an das und jenes, was Schiller wohl vergessen hätte, und endlich schärfte er dem Freunde dringend ein, sich um neun Uhr abends pünktlich in seiner Wohnung einzufinden. Er selbst nahm dann noch manches sogleich mit sich, um es in dem Koffer unterzubringen, der für Schiller bei ihm bereit stand; aber er kam nachmittags noch einmal, um sich zu überzeugen, daß auch nichts vergessen worden sei. Langsam gingen die Stunden; endlich sank die Dämmerung nieder in die Gassen der Residenz, die heute stiller war als gewöhnlich, da alle Welt hinausgeströmt war nach der Solitüde, um die großartige Beleuchtung derselben zu sehen. Da kam Schiller bei Streicher an -- es hatte eben neun Uhr geschlagen von den Türmen. Unter seinem Rocke trug er zwei Pistolen. Beide waren nicht viel wert, die eine hatte zwar einen ganzen Hahn, aber keinen Feuerstein, an der anderen war das Schloß zerbrochen, und Streicher mußte unwillkürlich lächeln, als er diese Waffen sah, deren erste in den Koffer gelegt wurde, während man die zweite mit in den Wagen nahm. Dieser, ein großes, schwerfälliges Fuhrwerk, stand vor der Tür bereit, und man verlud darauf die beiden Koffer, sowie Streichers kleines Klavier. Schiller legte nun seine bürgerliche Kleidung an, für die er noch zuletzt ein artiges Sümmchen ausgelegt hatte, so daß ihm an Barschaft nur dreiundzwanzig Gulden blieben, während sein Freund über achtundzwanzig Gulden verfügte. Nun kam der Abschied von Streichers Mutter. Der Dichter kostete noch einmal die Wehmut desselben durch und dachte an seine Lieben auf der Solitüde, dann bestiegen beide das ungefüge Gefährt, die Pferde zogen an, und fort ging es im langsamen Trott durch die stillen, menschenleeren, dunkeln Gassen. Es war zehn Uhr abends geworden. Als sie zum Eßlinger Tore kamen, pochten ihnen die Herzen. Der Wachtposten rief sie an: »Werda? Halt! -- Unteroffizier heraus!« Der Gerufene kam, und Schiller lehnte sich tiefer in den Wagen zurück, während Streicher die geforderten Auskünfte erteilte. Auf die Fragen nach den Namen nannte er den seines Freundes als ~Dr.~ Ritter, seinen eigenen als ~Dr.~ Wolf; als Reiseziel gab er Eßlingen an. Der Unteroffizier notierte alles gewissenhaft, rief dann sein »Passiert!« und nun öffnete sich das Tor. Jetzt erst lehnte sich auch Schiller einen Augenblick aus dem Wagen und sah hinüber nach den offenen Fenstern der Wachtstube. Es brannte kein Licht in derselben; aber er glaubte doch die Umrisse des kommandierenden Wachtoffiziers zu erkennen und sandte im stillen dem braven Scharffenstein seinen Dank und Gruß zu. Durch den Torbogen polterte der Wagen hinaus in die Nacht; aber die beiden Reisenden waren noch so ergriffen, daß sie beinahe kein Wort wechselten, während sie um die schweigende Residenz herumfuhren, um die gegen Ludwigsburg führende Straße zu erreichen. Nun stieg dieselbe bergan, und auf der Höhe sahen beide noch einmal zurück; dann versank die Stadt hinter ihnen, wie der Weg sich senkte, und jetzt erst, einer instinktmäßigen Bewegung folgend, reichten sie sich die Hände und sprachen ihre Freude aus, daß alles soweit geglückt war. Nach etwa zweistündiger Fahrt sahen sie zur Linken den Himmel gerötet wie von Feuerschein. Sie erschraken anfangs; aber da sie weiterfuhren, erblickten sie mit einem Male das Lustschloß Solitüde, das in einer wundersamen Beleuchtung von seiner Höhe niederstrahlte. Die Luft war so rein, daß sie das herrliche Schauspiel völlig genießen konnten. Alle Linien der Gebäude traten deutlich und scharf hervor aus dem Dunkel der Nacht, und Schiller erkannte die Wohnung seiner Eltern. Er wußte, daß dort mitten in dem Festgewühl zwei Herzen um ihn bangten und seiner dachten, und während sein Gefährte stumm das prächtige Schauspiel genoß, sagte er wehmütig vor sich hin: »O, meine Mutter!« Streicher hatte Mühe, die trübe Stimmung zu bannen; aber das Gefühl der erlangten Freiheit tat mehr, als Worte vermocht hätten. In dem Orte Enzweihingen stiegen die Reisenden aus, um ein wenig zu rasten. Sie bestellten sich einen Kaffee, und während sie so in der matt erhellten, dumpfigen Wirtsstube saßen, in nächtlicher Einsamkeit, zog Schiller ein Papier hervor. »Sieh, was mich hier auf meiner Fahrt begleitet«, sagte er, -- »das Vermächtnis Schubarts, das Gedicht, das er mir in die Hand drückte, als ich ihn auf dem Asperg sah. Ich hab's bewahrt wie ein Heiligtum, nun aber sollst du es mitgenießen, Genosse meiner Leiden und meiner Erhebung.« Und nun las er mit seinem schwäbischen Pathos die gewaltige Dichtung »Die Fürstengruft«, und verwundert blickte Streicher zu dem Freunde auf, den die Poesie alles vergessen ließ, was ihn bedrängte, und der in der Enge einer elenden Wirtsstube sich in diesen Augenblicken hinausgehoben fühlte in eine andere Welt. Am anderen Tage morgens acht Uhr passierten die Reisenden die blauweißen Grenzpfähle von Kurpfalz, und nun erst war ihnen, als sei alles gewonnen. An diesem Tage wurde in Schwetzingen übernachtet, und endlich am Morgen des 19. September rollte der Wagen ohne jeden Anstand durch das Tor von Mannheim. [Illustration] [Illustration: Sechstes Kapitel] Durch Not und Drang zum Asyl Es war einige Tage später. Im Hause des Regisseurs Meyer hatte sich eine Unzahl Schauspieler zusammengefunden, und Schiller wollte ihnen seinen »Fiesko« vorlesen. Bis jetzt war der Dichter noch voll Mut und Vertrauen. Meyer hatte ihn freundlich aufgenommen, ihm und Streicher eine bescheidene, aber saubere Wohnung besorgt, und wenn auch Frau Meyer bei ihrer Rückkehr aus Stuttgart mancherlei zu berichten wußte von den Gerüchten, die dort wegen Schillers Flucht und einer Verfolgung seitens des Herzogs umgingen, der Dichter glaubte Karl Eugen besser zu kennen und hatte sogar den Mut gehabt, an denselben zu schreiben, um unter günstigen Bedingungen von ihm die Erlaubnis zur Heimkehr zu erbitten. Es war etwa vier Uhr nachmittags. Um den runden, freundlich gedeckten Tisch, der mit einigen Erfrischungen besetzt war, saßen neben Schiller und Streicher Meyer und seine Frau, Boek, Iffland, Beil, Frank und einige andere der bekanntesten Mannheimer Künstler und sahen mit großen Erwartungen dem neuen Werke des Dichters der »Räuber« entgegen. Schiller begann mit seinem wenig angenehmen Organ die Vorlesung, und da er den ersten Akt zu Ende gelesen, legte er das Manuskript einen Augenblick beiseite und sah im Kreise umher. Aber umsonst erwartete er ein Zeichen des Beifalls. Man sprach über das Gehörte, aber auch über ganz andere Dinge, gewöhnlichen Tagesklatsch, und mit einem Gefühl der Verstimmung, das auch in den Zügen des treuen Streicher sich wiederspiegelte, begann er mit dem zweiten Akt. Auch nach diesem aber kam kein Wort des Lobes oder der Anerkennung aus dem Munde der Zuhörer. Frau Meyer reichte Erfrischungen herum, das Gespräch wurde lebhafter, man ging hin und her, und zuletzt machte Frank den Vorschlag, man wolle in den Garten gehen und Bolzen schießen. Beil hatte sich bereits entfernt, andere gingen jetzt ebenfalls, und nach einer Viertelstunde saßen außer den beiden Freunden nur der Hausherr und die Hausfrau sowie Iffland an dem Tische. Der Dichter fühlte eine Kälte in seinem Herzen und ein großes Unbehagen; aber er konnte sich nicht überzeugt halten, daß sein neuestes Werk schuld sei. Frau Meyer zog ihn in ein Gespräch ziemlich gleichgültiger Art, und man merkte es der braven Frau an, wie unbehaglich ihr selbst in dieser Stunde zumute war. Streicher war erbittert auf die Schauspieler, die nach seiner Meinung wahrhaft Großes nicht zu schätzen wußten, die von kleinlichem Neide gegen Schiller erfüllt sein müßten, und er beschloß, das nicht ruhig hinzunehmen. Als Meyer sich erhob, folgte er ihm ins Vorgemach, dort aber nahm ihn der Regisseur selbst unter den Arm und zog ihn in ein Nebenzimmer. Dort fragte er: »Sagen Sie mir ganz aufrichtig: Wissen Sie gewiß, daß es Schiller ist, der die ›Räuber‹ geschrieben hat?« Streicher stand starr und verdutzt bei dieser Frage. »Zuverlässig; wie vermögen Sie daran zu zweifeln?« »Wissen Sie gewiß, daß nicht ein anderer das Stück geschrieben und es nur unter seinem Namen herausgegeben hat? Oder hat ihm jemand anderes daran geholfen?« »Ich kenne Schiller schon lange und will mit meinem Leben dafür bürgen, daß er die ›Räuber‹ ganz allein geschrieben hat. Aber warum fragen Sie mich das alles?« »Weil der ›Fiesko‹ das Allerschlechteste ist, was ich je in meinem Leben gehört, und weil es unmöglich ist, daß derselbe Schiller, der die ›Räuber‹ geschrieben, etwas so Gemeines, Elendes sollte gemacht haben.« Streicher war entsetzt, er suchte des Freundes Werk nach Kräften zu verteidigen und wies vor allem darauf hin, daß Meyer dasselbe erst vollständig kennen müsse. Dieser aber erwiderte: »Als alter und erfahrener Schauspieler darf ich mir doch wohl erlauben, schon aus einzelnen Szenen einen Schluß auf das Ganze zu machen, und darum kann ich nur sagen: Wenn Schiller wirklich die ›Räuber‹ und den ›Fiesko‹ geschrieben hat, so hat er seine ganze Kraft an dem ersten Stücke erschöpft und kann nun nichts mehr, als erbärmliches, schwulstiges und unsinniges Zeug hervorbringen.« Streicher schwieg, und tief niedergedrückt kehrte er mit Meyer zu den anderen zurück. Es war ein trübes Beisammensein; von dem ›Fiesko‹ sprach niemand, und mit Mühe ward eine Unterhaltung geführt, bis Schiller mit seinem Freunde aufbrach. Da tat es Meyer leid um den Dichter, und mit einer Regung der Höflichkeit bat er ihn, ihm sein Manuskript über Nacht zu lassen, damit er den Ausgang des Stückes kennen lerne. Trübe Wolken zogen am herbstlichen Himmel hin, und trübe waren auch die beiden, die jetzt schweigsam durch die Gassen von Mannheim hinschritten. In ihrer Wohnung angelangt, warf Schiller seine Kopfbedeckung beiseite, trat an das Fenster und preßte die heiße Stirn an die Scheiben. Streicher, von Mitleid erfaßt, stellte sich zu ihm und legte die Hand auf seine Schulter. Da wendete sich der Dichter um und sah ihm voll ins Auge: »Ja, du bist gut und treu, Andreas! -- die andern alle sind falsch und gehässig und neidisch --, oder sie sind zu dumm, um wirklich Großes zu begreifen. Ich seh's kommen, -- der ›Fiesko‹ wird verworfen wie ein wertloser Lappen, und was wird dann mit mir? -- Bin ich denn wirklich ein Dichter, oder darf ich's nicht mehr glauben? -- Nun, dann will ich Komödiant werden, das Deklamieren versteh' ich wohl wie irgendeiner.« Streicher dachte an die verunglückte Aufführung des »Clavigo« in der Karlsschule; aber er widersprach nicht. »Werde ruhig, Freund, und sieh die Dinge nicht zu schlimm an; noch hat Dalberg nicht gesprochen, und er hat Verständnis für echtes Gold der Dichtung. -- Zum Schauspieler werden bleibt noch immer Zeit; aber deiner Familie wegen wirst du auch das noch einmal überlegen. Heute nichts mehr, -- du bist zu aufgeregt.« Er führte langsam Schiller zu einem Sitze und setzte sich selbst an sein Klavier. Er begann leise, weich und innig zu spielen, wie man wohl ein krankes Kind in Schlummer singt, und die milden Töne, die ruhigen Weisen begannen den Dichter zu besänftigen. Als Streicher schloß, drückte er mit stummem Danke ihm die Hand und begab sich zur Ruhe. Der junge Musiker stand zeitig auf; er kleidete sich geräuschlos an, und mit einem wehmütigen Blick auf den schlafenden Freund, verließ er das Gemach. Er hatte keine Ruhe, ihn drohten die engen Mauern zu ersticken. In tiefen Zügen atmete er draußen die frische Morgenluft, und sobald es ihm nur irgend erlaubt schien, begab er sich in die Wohnung Meyers. Dieser kam ihm in sichtlicher Aufregung entgegen und rief: »Sie haben recht, ›Fiesko‹ ist ein Meisterstück und weit besser bearbeitet als die ›Räuber‹. Aber wissen Sie auch, was schuld daran ist, daß ich und alle Zuhörer es für das elendeste Machwerk hielten? Schillers schwäbische Aussprache und die verwünschte Art, wie er alles deklamiert. Er sagt alles in dem nämlichen hochtrabenden Ton her, ob es heißt: ›Er macht die Tür zu‹, oder ob es eine Hauptstelle des Helden ist. Aber jetzt muß das Stück in den Ausschuß kommen, da wollen wir es vorlesen und alles in Bewegung setzen, um es bald auf das Theater zu bringen.« Streicher war es, als ob eine Bergeslast von ihm genommen sei, und ohne Aufenthalt eilte er zu dem Freunde. Dieser hatte sich eben erst erhoben, seine Stimmung aber war trübe. »Meyer ist entzückt vom ›Fiesko‹,« rief der Musikus, »es muß auf die Bühne kommen, und dann ist ja die Wendung da, auf die wir hoffen; denn von der Bühne muß das Werk seine Schuldigkeit tun.« Schiller umarmte den Freund, und während er bereits wieder heitere Luftschlösser baute, machte er sich rasch fertig, um selbst zu Meyer zu gehen und aus dessen Munde die Bestätigung der frohen Kunde zu vernehmen. Da ward ihm, eben da er die Wohnung verlassen wollte, ein Schreiben gebracht aus Stuttgart. Es war von dem Intendanten von Seeger und enthielt die Antwort auf Schillers Brief an den Herzog. Sie lautete wohlwollend und gnädig und enthielt die Aufforderung zur Rückkehr und Zusicherung der Verzeihung. Aber, was Schiller zumeist erhofft und erbeten hatte, die Zurücknahme der harten Verbote, suchte er vergebens in den Zeilen, und sein Entschluß war gefaßt: die Brücke mit Stuttgart mußte für immer abgebrochen werden, von dort war nichts zu hoffen, -- seine Hoffnung blieb Mannheim und der »Fiesko«. Meyer floß über von Anerkennung seines Werkes, und er wie seine Frau bemühten sich, dem Dichter den vorhergegangenen Abend vergessen zu machen. Frau Meyer aber kam dabei wieder auf ihre Wahrnehmungen und Beobachtungen in Stuttgart zurück, und mit der Ängstlichkeit der besorgten Frau riet sie Schiller, für einige Zeit, wenigstens bis zur Wiederkehr Dalbergs und dessen Entscheidung über den »Fiesko« Mannheim zu verlassen und sich in etwas mehr gesicherter Ferne von Herzog Karl Eugen zu halten, dem es doch einfallen könnte, von der befreundeten kurpfälzischen Regierung die Auslieferung seines desertierten Regimentsmedikus zu verlangen. Diese Befürchtung hegte auch Meyer, und da außerdem der Aufenthalt für die beschränkten Mittel der beiden Freunde in Mannheim zu kostspielig war, beschlossen sie, sich gegen Frankfurt am Main zu wenden und in einem Vorort der alten freien Reichsstadt sich bis auf weiteres vor dem Württemberger Herzog zu verbergen. Die Freunde -- denn der treue Streicher wollte seinen Genossen nicht verlassen -- hielten Übersicht über ihre sehr zusammengeschrumpften Geldbestände und fanden, daß sie bei aller Sparsamkeit höchstens noch zehn bis zwölf Tage aushalten konnten. Sie wollten darum zu Fuß ihre Reise antreten, und Streicher wollte sich überdies von seiner Mutter ein Sümmchen von dreißig Gulden erbitten. Nachdem sie von Herrn und Frau Meyer warmen Abschied genommen, wanderten sie selbander über Darmstadt, wo sie Nachtrast gehalten hatten, ihrem neuen Ziele entgegen. Aber die Aufregung der letzten Zeit, wohl auch die Entbehrungen, die man notgedrungen sich auferlegte, machten, daß Schiller auf dem Wege bedenklich ermüdete, und der Kirschengeist, den er zur Erregung seiner Nerven nahm, war wenig geeignet, ihn zu kräftigen. So konnte die herrliche Gegend, die an Naturschönheiten so reiche Bergstraße, fast gar nicht genossen werden. Nicht allzu fern mehr von Frankfurt, in einem Wäldchen, brach der Dichter endlich zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf. Auf einem Baumstumpf in seiner Nähe saß Streicher und sah mit wehmutsvoller Teilnahme nach dem bleichen Gesicht, den verhärmten Zügen. So vergingen zwei Stunden. Da ward ein Schritt vernehmbar auf dem nahen Fußpfade, und aus dem Gebüsch trat ein Offizier in hellblauer Uniform mit gelben Aufschlägen. Er stutzte, als er die beiden jungen Männer sah, und auch Streicher ward es einigermaßen unbehaglich, dann kam er näher, indem er die Freunde anhaltend fixierte: »Oh, hier ruht man sich aus!« rief er ziemlich laut. »Wer sind die Herren?« »Reisende«, erwiderte kurz und wenig höflich der junge Musikus, und in diesem Augenblicke erwachte auch Schiller. Einen Moment sah er verwirrt umher, dann aber schaute er fest und durchdringend den Offizier an, der wohl daran gedacht haben mochte, die beiden anwerben zu können, nun aber zur Erkenntnis kam, daß er sich geirrt hatte. Er entfernte sich ohne Gruß; Schiller aber erhob sich und erklärte dem angenehm überraschten Freunde, daß er sich kräftig genug fühle, um den Weg fortsetzen zu können. Sie beschleunigten nun einigermaßen die Schritte, und wie sie aus dem Wäldchen heraustraten, sahen sie die alte freie Reichsstadt im Abendschimmer vor sich liegen mit ihren Mauern und Türmen. Als die Dämmerung einsank, hatten sie dieselbe erreicht, und in der Vorstadt Sachsenhausen, der Mainbrücke gegenüber, nahmen sie bei einem Wirte Wohnung. [Illustration: Schiller und Streicher auf der Mainbrücke bei Frankfurt] Um anderen Tage schon schrieb Schiller an Dalberg, legte ihm seine Lage vor und bat, ihm auf den »Fiesko« einen Vorschuß zu gewähren. Jetzt erst wurde dem Dichter wieder freier und wohler um das Herz, und in Begleitung des treuen Freundes streifte er über die Mainbrücke hinüber und wanderte durch die alte, merkwürdige Stadt mit ihren reichen geschichtlichen Erinnerungen, mit ihren interessanten Bauwerken, mit ihrem regen Verkehr. Das war doch noch anders als Stuttgart und Mannheim, und das Neue drängte sich immer wieder in reicher Fülle vor das Auge. Die Läden der Buchhändler lockten ihn besonders, und er konnte nicht der Versuchung widerstehen, in einen derselben einzutreten und sich zu erkundigen, ob das berüchtigte Schauspiel »Die Räuber« guten Absatz finde. Der Buchhändler bestätigte dies nicht nur, sondern stimmte auch aus freien Stücken eine so warme Lobeshymne auf das Werk und seinen Verfasser an, daß das Gesicht Schillers freudig aufleuchtete und er zuletzt dem überraschten Manne sagte: »Nun, es freut mich, Ihnen sagen zu können, daß der Dichter vor Ihnen steht.« Verwundert und verdutzt starrte ihn der Buchhändler an; aber wenn er vielleicht auch einen gelinden Zweifel in die Wahrheit dieser Angabe setzte, er überbot sich doch jetzt erst recht im Lobe des Werkes, und als Schiller mit Streicher den Laden verlassen hatte, drückte er innig die Hand des Freundes und sagte: »Andreas, das entschädigt mich für vieles. Mein Name geht nicht mehr verloren, und ich nehme den ersten Erfolg zum guten Zeichen für die weiteren.« »Das darfst du, und wie die Sonne durch trübe Wolken, so wird auch dein Stern durch die jetzige Bedrängnis siegreich sich hindurchdrängen.« Als ein glücklicher Mensch wanderte der Dichter weiter, und die ganze Welt schien ihn wieder mit anderen Augen anzusehen. Als sie am Abend nach Sachsenhausen zurückgingen, blieb er auf der Mainbrücke stehen und sah hinein in den vom Abendlicht beschienenen Strom, der die Bläue des Himmels wiederspiegelte, und auf die bewegten, fleißigen Menschen und die dahingleitenden Fahrzeuge. »Die Erde ist doch schön, und Mensch zu sein eine Freude«, sprach er im Weitergehen. In seiner Wohnung aber begann er hin und her zu wandern, sinnend und schaffend; nur ab und zu setzte er sich an den Tisch und schrieb. Streicher hatte in einem stillen Winkel Platz genommen und beobachtete ihn, ohne ihn zu fragen oder zu stören. Endlich nahm Schiller selbst das Wort: »Mich faßt ein wunderlicher Drang zu schaffen, Andreas. Der Gedanke an ein bürgerliches Trauerspiel schwebt mir schon seit einigen Tagen vor, heute fängt es an Gestalt zu gewinnen. Ich sehe alles werden vor meinem Geiste, das Haus eines armen Stadtmusikus mit seinem schönen, schlichten Kinde, den Sohn des vornehmen Präsidenten, der es liebt, den Gegensatz der bürgerlichen und der adligen Sphäre ... oh, welche Fülle lebensvoller Züge läßt sich hier anbringen. ›Luise Millerin‹ soll die Heldin heißen und das Stück selber ...« Er erzählte dem Freunde von den Einzelheiten des Planes, und es war tief in der Nacht, als sie beide einschliefen. Auf diesen angenehmen Tag folgte ein trüber, als sie von der Post die Briefe holten, die für ~Dr.~ Ritter angekommen waren. Sie waren zum Teil von Stuttgarter Freunden, voll von Besorgnissen und Warnungen, zum Teil von Mannheimer Bekannten; aber am meisten Interesse hatte ein Schreiben Dalbergs. Schiller öffnete es erst, als sie daheim in ihrer Wohnung waren. Er stand am Fenster und las, und gespannt beobachtete ihn Streicher. Da sah dieser, wie des Freundes Züge sich verfärbten, wie die Hand mit dem Briefe niedersank und der Blick des Dichters durch das Fenster hinausstarrte wie in eine öde, trostlose Weite. Er eilte zu ihm und faßte seine Hand. Schiller wendete sich und reichte ihm stumm den Brief, und der junge Musikus las, daß Dalberg keinen Vorschuß geben wolle, weil der »Fiesko« in der vorliegenden Form für die Bühne unbrauchbar sei. Streicher versuchte wie immer zu trösten; aber Schiller blieb gedrückt, und da am nächsten Tage die dreißig Gulden von Streichers Mutter eintrafen, machte dieser selbst den Vorschlag, einen stillen Ort nahe bei Mannheim aufzusuchen, wo man billig lebe, den Mannheimer Freunden nahe sei und wo Schiller in Ruhe den »Fiesko« umarbeiten könne. Der Dichter war mit allem einverstanden, und schon am anderen Morgen fuhren die Freunde mit dem Marktschiffe den Main entlang nach Mainz, wo sie beim nächsten Morgensonnenschein den Main in den Rhein münden sahen und weiter wanderten gegen Worms. In Nierstein stärkten sie sich an einem Glase alten Weins, und am Abend um neun Uhr zogen sie in der alten Lutherstadt Worms ein. Hier fanden sie einen Brief von Meyer, der ihnen das kleine Städtchen Oggersheim zum Aufenthalt empfahl, und so ließen sich denn auch die Freunde in dem Gasthause zum »Viehhof« nieder, doch hatte Schiller seinen Namen ~Dr.~ Ritter in ~Dr.~ Schmidt vertauscht, um etwaige Nachspürungen zu täuschen. Mannheimer Freunde hatten sie dort empfangen, und Meyer suchte Dalbergs Ablehnung in einem freundlicheren Lichte erscheinen zu lassen. Trotzdem war die Freude am »Fiesko« dem Dichter verdorben, und er mußte sich beinahe zwingen, an die verlangte Umarbeitung zu gehen; viel lieber saß er über dem neu geplanten Werke, der »Luise Millerin« oder wie es später nach Ifflands Vorschlage hieß: »Kabale und Liebe«. Was war in jenen Tagen der brave Streicher wert! An den langen trüben Herbstabenden wußte er durch sein Klavierspiel oft die Stimmung des Freundes zu erheitern und, wie David bei Saul, die schlimmen Geister zu bannen; er ermunterte ihn zum Schaffen mit seiner Kunst. Oft wenn der Mondenschimmer den kleinen Raum mild erhellte, saß er an seinem Instrument und ließ seine ganze warme, herrliche Seele ausströmen in milden, erhebenden Klängen, so daß Schiller oft sich erhob, hin und her wanderte, das entzückte Antlitz dem freundlichen Himmelsgestirn zugewendet, und dann wieder selbst schaffensfreudiger an seine Arbeit ging. Solche Stunden taten ihm freilich auch not; denn im allgemeinen war der Aufenthalt in Oggersheim nicht angenehm, zumal in den unfreundlichen Herbsttagen und in einem Hause, dessen Friede oft genug gestört wurde durch die polternde Stimme des Wirtes, der seiner Familie gegenüber oft genug den Tyrannen hervorkehrte. Da war es für den Dichter geradezu Bedürfnis, sich ab und zu nach Mannheim zu schleichen und dort im Hause Meyers oder Schwans, wo immer einige verschwiegene Freunde sich zusammenfanden, einige Stunden zu verleben. Freilich wagte er mit Streicher nur bei eingebrochener Dämmerung sich in die Stadt zu begeben, in welcher sie, da man die Festungstore zeitig schloß, genötigt waren zu übernachten. Indes war der »Fiesko« doch in der neuen Fassung fertiggestellt und an Dalberg übersendet worden, der keine Ahnung hatte, daß ihm der Dichter so nahe sei, weil Schillers Korrespondenz durch Meyer vermittelt wurde. Mit leicht begreiflicher Spannung sah der Dichter der Entscheidung des Intendanten entgegen, und da diese länger, als er gehofft hatte, auf sich warten ließ, wollte er Herrn von Dalberg wenigstens um sein Urteil als Dramaturg über das Werk bitten. Er schrieb deshalb einen Brief, und am Abend des 16. November wanderten die beiden Freunde, in ihre Mäntel gehüllt, wieder nach Mannheim, um das Schreiben bei Meyer abzuliefern. Sie wurden bei diesem in unverkennbarer Aufregung und Angst empfangen und erfuhren, daß ein württembergischer Offizier hier gewesen sei und sich nach Schiller erkundigt habe. Wohl hatte man erklärt, daß man nicht imstande sei, über diesen Auskunft zu geben; aber unbehaglich blieb die Sache doch, und auch die Freunde wurden besorgt. Als man noch über den Vorfall redete, klang die Haustürglocke, und Frau Meyer, welche in der ersten Bestürzung fürchtete, der unangenehme Besuch könnte zurückkehren, ja Schiller vielleicht beim Eintritt in das Haus bemerkt haben, drängte die beiden Freunde in ein etwas abgelegenes Kabinett, das sie sorgfältig hinter ihnen abschloß. Aber die Furcht war unnötig gewesen; es war ein guter Bekannter des Hauses, der freilich auch seinerseits berichtete, daß der württembergische Offizier in der Stadt genaue Erkundigungen wegen Schiller eingezogen hatte. Es war ein recht unbehaglicher Abend. Bei dem traulichen Lampenschimmer saßen sie beisammen, und da noch einige befreundete Herren und Damen kamen, brachten auch sie die Kunde von dem Offizier, und nun schien es hier allen ebenso bedenklich, wenn die Freunde in Mannheim übernachteten, wie wenn sie nach Oggersheim zurückkehrten. In dieser Not und Verlegenheit schaffte eine der Damen, Madame Curioni, Rat. Sie hatte die Aufsicht über das jetzt unbewohnte Palais des Prinzen von Baden und erklärte, die Freunde daselbst unterbringen und unter Umständen auch so lange verbergen zu wollen, als es nötig erscheinen könnte, und mit Dank nahmen diese das Anerbieten an. Im Dunkel der Nacht gingen sie mit Madame Curioni durch die Gassen nach dem stillen Palaste, und bald sahen sie sich in geradezu fürstlichen Gemächern untergebracht mit dem beruhigenden Bewußtsein, daß sie an diesem Orte niemand suchen und noch weniger verfolgen würde. Als die Sonne durch die hohen Fenster hereinlachte, erhob sich Schiller mit einem Gefühle des Behagens. Im Morgenschimmer sieht er erst die ganze Pracht des Raumes, in dem er sich befindet, und nachdem er sich angekleidet, und der treue Streicher ausgegangen war, um Erkundigungen einzuziehen, schritt er langsam an den Wänden hin und besah die trefflichen Gemälde und die Kunstgegenstände und vergaß darüber die trübe und sorgenvolle Gegenwart. Nach einiger Zeit kam der treue, unermüdliche Streicher zurück mit guter Kunde. Der württembergische Offizier war bereits am vorigen Abend abgereist, ohne mit dem Kommandanten von Mannheim gesprochen zu haben. Die Sorgen waren unnötig gewesen; ja später erfuhr Schiller sogar, daß es einer seiner Stuttgarter Freunde gewesen war, der ihn hatte aufsuchen wollen. Nun begaben sich die beiden Freunde wieder zu Meyer, der sich, ebenso wie seine Frau, herzlich freute, daß diese trübe Wolke vorübergegangen war, der aber auch nicht verhehlen mochte, daß möglicherweise die Nachforschung nach dem Dichter fortgesetzt und derselbe zuletzt doch gefährdet werden könnte. Das wackere, wohlwollende Ehepaar glaubte deshalb dem Dichter raten zu sollen, daß dieser sich ein mehr verstecktes und gesichertes Asyl suche, und in diesem Augenblicke schwebte Schiller die Einladung der Frau von Wolzogen vor, und deren kleines Besitztum Bauerbach erschien ihm wie der rettende Hafen. Er beschloß, sogleich an sie zu schreiben. Mit Streicher ging er nun nach Oggersheim zurück. Im »Viehhof« kam ihnen der unhöfliche Wirt entgegen, der sie kaum grüßte und sie darauf aufmerksam machte, daß er seit vierzehn Tagen für sie angekreidet habe und daß auf seiner Tafel schier kein weiterer Platz sei; auch würde nach seiner Meinung das Anwachsen der Rechnung nicht dazu beitragen, die Zahlung leichter zu leisten. Schiller wurde unmutig und suchte den Mann zu beruhigen mit dem Hinweis, daß er bei Heller und Pfennig bezahlt werden würde. Schweigend stieg er mit dem Freunde die Treppe hinan nach ihrem unfreundlichen, kalten Zimmer, und dort sank er verstimmt und kleinmütig auf einem Stuhle nieder. »Andreas, wie ist's? Kannst du noch aushelfen?« fragte er Streicher. Der aber sah ihn traurig an und erwiderte: »Ich habe nichts mehr und kann auch nicht daran denken, jetzt von meiner Mutter etwas zu erbitten; denn sie könnte mir nichts geben, und das Herz mag ich ihr nicht schwer machen.« »Oh, du guter, lieber Freund! Und alles hast du mir und meinetwillen geopfert! Wie kann ich dir jemals genug danken? -- Und was soll ich tun, um unserer Not abzuhelfen?« Plötzlich, während Streicher den Aufgeregten zu beruhigen bemüht war, zog er seine silberne Uhr aus der Tasche: »Hier! -- Was brauche ich sie! -- Mich drängen ja nicht die Stunden, und was brauche ich zu sehen, wie träge oder wie schnell die Zeit geht? Das fühle ich ohnedies -- hier, Andreas, tu' mir die Liebe und verkaufe das Ding!« »Für dich will ich's tun, für mich nicht --; aber ein anderes will ich dir vorschlagen: Laß uns auseinandergehen! Ich kann dir jetzt nichts mehr sein, dir nicht helfen und zehre nur deine kargen Mittel mit dir auf. Bleibe du in Oggersheim, bis Frau von Wolzogen dir geantwortet hat; ich aber will nach Mannheim ziehen und hoffe, durch Musikunterricht meinen Lebensunterhalt zu gewinnen.« Schiller fühlte, wie ihm die Tränen in die Augen traten. »Andreas, wenn ich das jemals vergesse! -- Du hast mir deine Zukunft geopfert; statt nach Hamburg zu Bach bist du mit mir in die Verbannung gezogen, -- statt dem Ruhme nachzustreben, hast du Entbehrungen auf dich genommen.« »Aber für dich und mit dir! Das wiegt alles auf. Sprich nicht weiter davon; mir war es ein Glück, dich begleiten zu dürfen, und es wäre mir noch ein größeres Glück gewesen, dich hier schon dein hohes Ziel erreichen zu sehen. Aber du wirst es erreichen, und dann wird auch mein bescheidener Name nicht ganz vergessen sein.« Innig drückte Schiller des Freundes Hand, und am nächsten Tage zog dieser hinein nach der Stadt. Dem einsamen Dichter aber gingen die Tage noch langsamer und träger, und beinahe jeden Abend zog es ihn hinein nach Mannheim, um Streicher wenigstens zu sehen. Als er -- es war gegen Ende November und die Flocken wirbelten um ihn -- den Regisseur Meyer wieder aufsuchte, empfing ihn dieser mit seltsamem, trübem Ernste. »Schiller, lieber Freund, ich habe keine gute Nachricht für Sie!« »Was ist's? -- Von Herrn von Dalberg?« »Ja«, erwiderte kurz der Regisseur und überreichte dem Dichter ein Päckchen. Schiller öffnete, er hielt die Handschrift seines »Fiesko« in der Rechten und hätte nicht erst nötig gehabt, den beigefügten Brief zu lesen, in welchem der Intendant bedauerte, das Stück auch in seiner neuen Fassung nicht zur Aufführung annehmen zu können. Ein unsägliches Gefühl der Bitterkeit erfaßte den Dichter: Zwei Monate hatte er gearbeitet, seine kargen Mittel hatte er aufgebraucht, und nun erfuhr er nicht einmal, weshalb sein Werk abgelehnt wurde; er mochte es wohl ahnen, daß es nicht so sehr dieses selbst war, als der Umstand, daß der Intendant es nicht mit dem württembergischen Hofe verderben mochte, was dies Ergebnis herbeigeführt hatte. Einige Augenblicke stand er bleich und fassungslos; als aber Meyer ihm tröstlich und freundlich zuzusprechen begann -- denn ihn jammerte des trefflichen und begabten Mannes --, da richtete er sich auf und sagte mit ruhigem, würdevollem Ernst: »Nun, dann beklage ich nur das eine, daß ich nicht schon von Frankfurt aus nach Meiningen gereist bin.« Seines Bleibens konnte nun nicht länger sein; nur eines quälte ihn: Er wußte nicht, woher er die Mittel zur Weiterreise, ja zur völligen Bezahlung seines Wirtes und zur Beschaffung von dringend nötigen Winterkleidern nehmen sollte. Von Meyer oder anderen Stuttgarter Freunden zu borgen, dazu war er zu stolz. Da dachte er an den Buchhändler Schwan und beschloß, diesem den »Fiesko« zum Verlage anzubieten. Der Hofkammerrat empfing ihn in seinem schön ausgestatteten und behaglich durchwärmten Arbeitsgemach mit einer gewissen herablassenden Freundlichkeit. Er hörte den Antrag des Dichters ruhig an, dann kniff er, wie klug und überlegend, die Augen zusammen, strich einigemal nachsinnend über die Stirn und sprach: »Ihre Dichtung ist jedenfalls vortrefflich, lieber Freund; wenigstens hat Iffland das versichert, und Iffland hat ein Urteil trotz dem Herrn von Dalberg. Ich nehme Ihr Anerbieten gern an, aber muß bemerken, daß ich nicht mehr als einen Louisdor für den Druckbogen zahlen kann.« Als Schiller unmutig die Brauen zusammenzog, fuhr er fort: »Ja, ich tue damit noch ein Übriges; denn sehen Sie, sobald Ihr Werk heraus ist, kommt der Nachdruck; ein Dutzend Buchhändler zieht seine Vorteile aus Ihrem Werke, und mir bleibt nichts, als was ich etwa aus dem ersten Verkauf ziehe. Sie sehen, ich kann nicht anders.« Schiller willigte ein; er erhielt von Schwan einen entsprechenden Vorschuß, zahlte damit seinem unangenehmen Wirt, beschaffte sich, was er für den Winter nötig hatte, und nun war er so weit, daß er den Staub von Mannheim von den Füßen schütteln konnte. Frau von Wolzogen hatte ihre Einladung in der freundlichsten Weise wiederholt, und so gedachte er am letzten November sich auf den Weg nach Meiningen, beziehentlich nach Bauerbach, zu machen. Da er sich nicht in Mannheim zeigen konnte und mochte, wollte er in Worms den Postwagen besteigen. Eben als er in seinem unfreundlichen Gemache in Oggersheim damit beschäftigt war, sein geringes Hab und Gut in einen Mantelsack zu packen, kamen Meyer, Streicher und einige Mannheimer Freunde, um ihm das Geleite zu geben. Schiller ließ eine Flasche Wein bringen, und noch einmal saßen sie zusammen um den Tisch und suchten Schiller Mut einzusprechen für die Zukunft. Er sah ernst und ruhig drein und sprach: »Seid unbesorgt! Eine vernichtete Hoffnung ist noch kein vernichtetes Leben, und in meiner Seele lebt die feste Zuversicht auf meine Kraft und damit auch auf eine bessere Zukunft. Was kann mir mehr geschehen? Ich habe keine Heimat, ich habe keinen Besitz, mein »Fiesko« ist als unbrauchbar erklärt, und doch, ihr Freunde, ich spreche mit Karl Moor: Die Qual erlahme an meinem Stolz. Als ~Dr.~ Ritter gehe ich von euch -- und unter diesem Namen denke ich in Bauerbach mich zu verbergen und zu vergraben, um als Friedrich Schiller wieder aufzuerstehen!« »Auf deine Zukunft!« rief begeistert Streicher, und die Gläser klangen zusammen; Schiller aber warf nach dem letzten Trunk das seine gegen die Wand, daß es in kleine Splitter zerschellte, und sagte: »Scherben bedeuten Glück! Wohlan, -- mit diesem Glase zerbreche ich meine Vergangenheit, nun hebt ein neues Leben an. -- Auf, nach Bauerbach!« Er ergriff seinen Mantelsack, schweigend folgten ihm die Freunde, und bald rollte der Wagen durch den kalten Wintertag mit knirschenden Rädern hin gegen Worms. Im Posthause ward abgestiegen. Es war Abend geworden, und da sie eben sich zum Imbiß setzten, erzählte ihnen der geschwätzige Posthalter, daß in seinem Saale heute von einer umherziehenden Gesellschaft das Stück »Ariadne auf Naxos« aufgeführt würde. Das konnte über die Wehmut der Abschiedsstunden einigermaßen hinweghelfen, und die Freunde gingen denn gemeinsam, um dem Schauspiel beizuwohnen. Bei demselben war alles erbärmlich, und das Schicksal der verlassenen Ariadne reizte zur Heiterkeit, um so mehr, als Theseus auf einem Schiffe davongefahren war, an dessen Bord zwei Kanonen gemalt waren, und als man gar nicht im Zweifel sein konnte, daß der grollende Donner des Gewitters, das Ariadne von dem Felsen schleudert, hervorgebracht war durch einen Sack mit Kartoffeln, welche in ein Blechgefäß geschüttet wurden. Lustige Bemerkungen gingen hin und her, nur Schiller saß still, in sich versunken. Er hörte wohl ebensowenig die Worte des Melodramas, als die Witze seiner Gefährten; seine Blicke waren in die Vergangenheit gerichtet und in die Zukunft, der er entgegenging. Er dachte wohl auch daran, wie man seine »Räuber« in ähnlicher Weise da und dort aufführen mochte, und wie man sich vielleicht bei dem gewaltigen Pathos Karl Moors, das mit der Szenerie nicht im Einklang stand, belustigen mochte, und eine trübe Bitterkeit wollte ihn erfassen. Aber mannhaft zwang er dies Gefühl nieder, doch war er froh, als die Aufführung zu Ende war. Noch ein Stündchen saßen die Freunde beisammen und tranken den Abschied in einem Glase Liebfrauenmilch, -- dann hieß es auseinandergehen. Die Mannheimer wollten noch in der Nacht nach der Heimat zurück, und nun ging es an ein Umarmen und Küssen. Meyer und andere sprachen viel und gezwungen heiter, nur Streicher war ernst und stumm. Er hatte dem Freunde am meisten an Liebe getan und fühlte am herbsten seinen Verlust. Schiller mochte von einem gleichen Empfinden beseelt sein, und so standen die beiden Menschen, sahen sich lange und tief in die Augen, drückten sich die Hände, aber über die Lippen kam kein Wort, -- jeder wußte, daß er das Bild des andern im Herzen mit sich fortnehme. Durch die Winternacht fuhren die einen nach Mannheim zurück, der andere, Einsame, hinein in die fremde Welt. Er hatte eine Reise von etwa sechzig Stunden vor sich, in bitterer Kälte, ohne besonders warme Kleidung, und verfügte nur über geringe Mittel; aber der starke Geist war ungebeugt und ließ sich nicht niederdrücken durch leibliche Mühsale. Glücklich, wenn auch tüchtig durchfroren, langte er in Meiningen an und suchte zunächst den herzoglichen Bibliothekar Reinwald auf, an welchen Frau von Wolzogen ihn empfohlen hatte. Er fand einen trefflichen, herzlichen Menschen, der ihn aufnahm wie einen lieben, alten Bekannten, und Schiller ward es wohl zumute bei dem Gedanken, daß ihm hier ein gütiges Geschick vielleicht einen Ersatz für seinen Streicher geschickt habe. In gehobener Stimmung, mit freudiger Zuversicht brach er am Spätnachmittage aus Meiningen auf, um seine Reise nach Bauerbach fortzusetzen. Die Dunkelheit war hereingebrochen, als er daselbst ankam und aus den zerstreuten Hütten die Lichter schimmern sah, die ihre Grüße ihm entgegenwinkten, und nicht lange währte es, so hielt er vor dem schlichten Hause, das Frau von Wolzogen gehörte. Der Gutsverwalter Vogt empfing ihn freundlich; in der wohldurchgewärmten Stube erwartete ihn ein ländlich kräftiges Mahl, und mit unendlichem Behagen sah er sich in dem Raume um, der jetzt seine Wohnung sein sollte. Der Tisch mit seinem gedrehten Fuß, der alte Lehnstuhl am Fenster, die Bilder von Fürstlichkeiten in geschwärzten Rahmen an der Wand, die kleinen Fenster, die niedrige Decke, der mächtige Kachelofen -- alles heimelte ihn an, und er schlief den Schlaf des Gerechten in der ersten Nacht. Beim Morgensonnenschimmer aber trat er an sein Fenster und sah hinaus. Er sah in den tiefverschneiten Obstgarten, auf die schneebedeckten Hütten des Dorfes, auf die ferner sich hinziehenden weißblinkenden Höhen, von denen dunkel sich die Ruinen eines verfallenen Bergschlosses abhoben, und es war ihm, als sei er in einer fremden, verzauberten Welt. Alles war tiefstille, nur Krähen kreischten um den baufälligen Kirchturm; jetzt aber begann ein Glöcklein durch die Morgenfrühe zu läuten. Das ging mit reinen, klaren Schlägen durch das Tal, über dem sich ein tiefblauer Himmel wölbte, und den einsamen Dichter überkam eine wundersame Rührung. Fern der Welt, herausgehoben über die Welt stand er da, frei von allen Fesseln, erfüllt von der Kraft des Genius, und er segnete das Asyl, das er gefunden, und segnete die edle Frau, die es ihm geboten, und seine Seele hob sich mit den schwingenden Tönen des Dorfglöckleins empor und fühlte aufs neue den Hauch kommender Unsterblichkeit. [Illustration] Fußnoten [1] Der Lehrer des Französischen [2] Manille ist ein Kartenspiel, das Schiller gern mit seinen Freunden spielte; er nannte wohl auch den Kreis derselben gelegentlich mit dieser Bezeichnung. Weitere Anmerkungen zur Transkription Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Korrekturen: S. 56: Scharfenstein → Scharffenstein rief {Scharffenstein}. »Vivat!« *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KARLSSCHÜLER UND DICHTER: GESCHICHTLICHE ERZÄHLUNG FÜR DIE DEUTSCHE JUGEND *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. 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