The Project Gutenberg eBook of Nachbarsleute

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Title: Nachbarsleute

Author: Ludwig Thoma

Release date: July 20, 2017 [eBook #55159]

Language: German

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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK NACHBARSLEUTE ***

Ein Verzeichnis von Ludwig Thomas Büchern befindet sich am Schluß dieses Bandes

Nachbarsleute

von

Ludwig Thoma

13. bis 15. Tausend

Albert Langen, München

Übersetzungsrecht vorbehalten
Albert Langen Ludwig Thoma
Copyright 1916 by Albert Langen, Munich

Inhalt

Seite
Junker Hans7
Das Volkslied59
Auf dem Bahnsteig73
Tja — —!81
Der Biedermann91
Unser guater, alter Herzog Karl99
Liebe um Liebe107
Auf der Elektrischen117
O Natur!129
Das alte Recht135
Anfänge157

Junker Hans

Eine Kleinstadtgeschichte

Wie es gekommen war, ob Herr Pfaffinger höflich oder in barschem Tone das Schließen der Türe verlangt, ob Herr Tresser nach dieser Aufforderung erst recht die Türe aufgerissen, ob Herr Pfaffinger in rüder Weise sie dann ins Schloß geworfen hatte und hierauf von Herrn Tresser als ungebildeter Lümmel bezeichnet wurde, während Herr Pfaffinger diesen, Herrn Tresser nämlich, mit dem Worte Lauskerl schon vorher betitelt hatte, läßt sich aus den erregten Schilderungen der angesehenen Bürger Dornsteins nicht unwiderleglich feststellen, — Tatsache ist, daß Herr Tresser Herrn Pfaffinger einerseits an der Gurgel packte, während Herr Pfaffinger andererseits diesem, dem Herrn Tresser nämlich, eine derart schallende Ohrfeige versetzte, daß der Schlag sogar in den hintersten Sitzreihen des Höllbräusaales vernommen wurde.

Von vielen Zeugen des Vorfalles wird erzählt, daß die Tochter des Herrn Magistratsrates Trinkl, Fräulein Fanny Trinkl, über Zugluft geklagt habe, was den neben ihr sitzenden Brauereivolontär Pfaffinger veranlaßte, aufzuspringen und die Saaltüre zu schließen, worauf Herr Rechtspraktikant Tresser dieselbe sogleich wieder öffnete, sei es nun, weil er und einige mitanwesende Beamte es zu heiß fanden, sei es, weil er über die eigenmächtige Handlung des Herrn Pfaffinger entrüstet war, was aber wiederum diesem, Herrn Pfaffinger, als eine Beleidigung seiner Dame erscheinen mußte, so daß er sich zu einem Schimpfworte hinreißen ließ, wobei freilich nicht bestimmt behauptet werden kann, daß nicht etwa Herr Tresser schon vorher den Ausdruck ungebildeter Lümmel gebraucht hatte, kurz und gut, was hier auch übereinstimmend oder verschieden berichtet wird, — Tatsache ist, daß Herr Pfaffinger von Herrn Tresser an der Gurgel gefaßt wurde, und daß dann Herr Tresser eine dermaßen starke Ohrfeige erhielt, daß seine linke Wange anschwoll.

Mir war und ist es nur darum zu tun, eine vollkommen wahrheitsgetreue Schilderung des Herganges zu geben, wobei ich keineswegs, wie Herr Magistratsrat Trinkl, das Verhalten des Herrn Pfaffinger oder, wie Herr Sekretär Hundertkäs, das Benehmen des Herrn Tresser als absolut berechtigt hinstelle, sondern ich möchte ausschließlich die Tatsache klarstellen, daß Herr Tresser einerseits Herrn Pfaffinger körperlich anfiel, während Herr Pfaffinger andererseits diesem eine wuchtige Maulschelle applizierte.

Das Geschehnis läßt sich weder leugnen noch beschönigen, noch auf irgendeine Weise aus der Welt schaffen, und es ist weiter nichts zu erörtern als die Frage, welche Folgen die Mißhandlung eines den besseren Kreisen angehörigen Mannes haben konnte.

**
*

In der Tat wurde der Vorfall auch von den bürgerlichen Elementen nach Verlassen des Höllbräusaales lebhaft erörtert, und Bäckermeister Schwarz bewies vielleicht die größte Heftigkeit der Gesinnung.

„Also mir ... net ... also mir bal oana so was saget ... net ... also ung’hobelter Lackel oder so was ... net ... also i ... mei Liaba ... i den bei de Ohrwaschel nehma und beuteln ... hast d’ g’hört ... und nacha oani links und oani rechts abahau’n ... vastehst ... und nacha no a paar ... also mir bal oana kam! Was? sag i ... an ung’hobelter Lackel bin i ... moanst du vielleicht, weil di dei Vata studiern hat lass’n ... derfst du an Bürgersmann, der wo seine Steuern zahlt ... net ... und wo seine Familli rechtschaff’n ernährt ... schimpf’n ... sag i ... Wer is ung’hobelt? sag i ... vielleicht net a Beamta, der si a so aufführt? Was bin i? A Lackel bin i? Hab Eahna i scho amal an Lackel abgeb’n? Han? Du Herrgottsakrament! sag i. Da hast a paar! sag i ...“

„Plärr do net a so!“ rief Magistratsrat Trinkl ... „Bleib’n ja d’ Leut steh’ und schaug’n ...“

„Ja no ... muß ma si so was hoaß’n lass’n?“

„Zu dir hat er nix g’sagt!“

„Dös is sei Glück, mei Liaba ... mir bal er so was saget! Also den schlaget i sei Batterie scho a so her, daß er alle Engel pfeif’n hörat ... Ung’hobelter Lackel möcht er an Bürgersmann hoaß’n ... so a Schreibersg’sell, so a notiger, der wo si net amal was G’scheit’s z’ fress’n kaff’n ko.... Dir gib i scho an Lackel ... also bloß sag’n braucht er’s zu mir ... nix als wia sag’n ... sag’ i ...“

„Mir g’fallt de G’schicht gar net ... dös ... dös ... i woaß net ... da derleb’n mir no was!“ sagte der Gold- und Silberarbeiter Elfinger und machte ein bekümmertes Gesicht ... „De G’schicht is no net firti ...“

„Was is net firti?“ fragte Trinkl.

„Ja ... dös mit dera Schell’n ...“

„Dös is allerdings firti. Der hat sei Fotz’n, und gar is ...“

„Wer’n ma’s sehen, ob die Sache so einfach verläuft, also gewissermaßen im Sande,“ erwiderte Elfinger, der nicht ungerne hochdeutsch sprach.

„Was will er denn mit a Klag?“ höhnte Magistratsrat Trinkl.

„Bal er z’erscht ’s Maul aufreißt, net, und ganz ordinär werd’ ... und nacha aufs G’richt laff’n! Na, mei Liaba!“

„G’richt laufen!“

„Ja ... da werd halt ’s G’richt sag’n, Herr Rechtspraktikant, werd’s sag’n, bald Sie eine würkliche Bildung besitzen, dürfen Sie nicht anfangen und die Leute aufreizen, und bald Sie aber die Leute aufreizen, müssen Sie Ihnen halt diese Behandlung gefallen lassen. A so red’t ’s G’richt! Vastand’n?“

„Ich rede ja überhaupts nicht vom Gericht,“ sagte Elfinger etwas ungeduldig.

„Net?“

„Nein ... durchaus nicht. Das weiß man doch, daß diese Herren ... also ... die wo auf der Universität studiert haben ... eine Ohrfeige durchaus nicht hinnehmen dürfen wie unsereiner ...“

„Geh! Hör’ auf!“

„Nein! Das lest man doch in der Zeitung, daß für solchene Herren eine Ohrfeige sozusagen eine tödliche Beleidigung ist, und auch bald sie nicht wollen, müssen sie doch, indem es ein Ehrenstandpunkt ist ...“

„Geh! Hör’ auf!“

„Na, frag’ halt Leut’, die ’s wissen! Ob eine Ohrfeige nicht mit Blut abgewaschen werden muß, und bald der Betreffende auch vielleicht nicht will ...“

„Jetzt muaß i scho sag’n ... Elfinger ... red’ net gar so saudumm daher!“

„Ich rede durchaus nicht saudumm daher ... und überhaupts möchte ich mir das verbitten ... net wahr ...“

„Kam er da mit’n Bluat o’wasch’n ... und solche Sprüch!“

„Weil es wahr ist! Jawohl! Wenn einer natürlich seiner Lebtag in Dornstein hockt als Lebzelter, weiß er nicht, wie solche Vorkommnisse sich auswachsen ...“

„O mei! Da balst net gehst!...“

„Ich war dritthalb Jahr in Erlangen, mein Lieber, wo sich eine Universität befindlich ist, und bald du das nicht woißt, kannst es ja nachles’n im Sulzbacher Kalender ...“

„I huast dir auf dei Universatät!“

„Das ist die Sprache der Ungebildeten ... das kann ich dir sagen ...“

„Han?“

„Jawohl! Da muß man einmal in der Welt herumgekommen sein, dann schaut man die Sache etwas anders an. Ich hab viel erlebt in dieser Beziehung, und bald ein Student dem anderen eine Ohrfeigen gibt, diese Fälle kenn’ ich, und da entscheidet dann das Ehrengericht, ob dieser Betreffende nicht mit der Pistole in der Hand Rechenschaft verlangen muß ...“

„Herrgottsakrament, jetzt sag’ i ’s nomal, a so a spinnata Tropf is ma do aa no net fürkemma ...“

„Da spinnt niemand!“

„Net z’ weni, sag’ i ...“

„Nein! Durchaus nicht! Das ist der Standpunkt der Satisfaktion, wennst d’ scho amal was g’hört hast von dem!...“

„Da müaßt da Schorschl ...?“

„Jawohl!!“

„Da müaßt da Pfaffinger Schorschl si vo an so an notinga Hanswurscht’n nauf schiaßn lass’n?“

„Jawohl!! Das heißt, in dieser Beziehung weiß ja der Betreffende nicht, ob ihn das Schicksal trifft, und äh ...“

„Da Pfaffinger Schorschl, der in a paar Jahr de Brauerei von sein Vata kriagt mit achtavierz’g Wirt ... und ...“

„Was hat denn das damit zu tun ...?“

„Und dös schöne Sach in Matzing drauß’n ... langa koane vierhundert Tagwerk ...“

„... Also ...“

„Und a Stuck an achtz’g Küah im Stall ... der soll si ...? Geh! Wia no a Mensch so daher red’n ko!“

„Wenn du oan net red’n laßt und all’s besser woaßt, na brauch ja i net red’n,“ schrie Elfinger, den der Zorn wieder ins Altbayerische brachte.

„Für dös red’n kriagst d’ nix,“ erwiderte der Herr Magistratsrat Trinkl mit gleichfalls erhobener Stimme. „Kam er do mit sein Student’nschmarr’n daher! A Duwäl! Ah! Ah! da kunnt’st scho Grean Baamwirt wer’n!“

„Wenn er an Ehr im Leib hat ... vastehst!“

„An Ehr! Woaßt, was da Pfaffinger Schorschl hat? An Diridari hat a! Maxi hat a! Und auf dei Ehr is ...“

„Mit dir ko ma net streit’n; dös woaß ma scho! Weil du a Hammi bist!“

„I?“

„Ja du! Für dös bist du bekannt in ganz Dornstoa!“

„Ah! Der is guat! Was bist na du?“

„Is scho recht!“

„Was bist na du? A spinnata Deifi bist d’. Mit’n Bluat o’wasch’n kam er daher! Wasch da du ’s Hirn mit Salmiak, dös werd g’scheiter sei!“

„Sie sind ein ordinärer Mensch, Herr Trinkl! Ich verkehre nicht mehr mit Ihnen ...“

„Bleib’ halt weg, spinnata Deifi! Spinnata!“

Herr Elfinger hatte sich mit raschen Schritten entfernt und war schon in der Dunkelheit entschwunden, da schrie ihm Herr Trinkl noch durch die hohlen Hände nach: „Druck di, du Hanswurscht, mit dein Duwäl!“

Und zum Bäckermeister Schwarz sich noch immer erregt wendend, fragte er: „Hast d’ scho amal so was Dumm’s g’hört? Der bracht’s außa, als wenn da Pfaffinger Schorschl so a Karmenadlstudent waar!“

„I hab’n net recht vastand’n,“ sagte Herr Schwarz. „Moant er, daß de mit’n Sabl da so aufanand trischak’n müaßt’n?“

„Oder schiaß’n, vastehst? Mit da Pistol’n! Der Pfaffinger Schorschl werd si von so an Hungerleider aufi schiaß’n lass’n. Dös kost da denk’n!“

„Als der oanzige Sohn vom Danglbräu in Matzing!“ rief Bäckermeister Schwarz voll Hohn aus, denn auch er hatte sogleich die ganze Lächerlichkeit dieses Gedankens erfaßt.

„Also mir sollt oana mit so a’ra Duwälforderung kemma!“ setzte er hinzu. „Grad kemma sollt oana! Was? sag i ... fordern möcht’n Sie mi? Auf was denn, sag i ... und an Schiaßa fürag’langa hintern Bachofa und den am Kopf aufi hau’n mit da Pretsch’n ... vastehst ... daß er drei Tag lang auf alli vieri umanandkriachat ... fordern möcht er mi ... so waar’s recht! Fordern! An Bürger aa no koan Ruah lass’n mit dena Duwälg’schicht’n! I an Nudelwalgla nehma und den aba scho so umanandlass’n ... da hast dei Duwäl! sag i ... und hau eahm oani über sein Gipskopf umi, daß er grad staubet ... da ... sag i ... und da ... hast d’ no oani ...“

„Herrgott! Gib do acht! Haut er mir an Huat aba!“ schrie Trinkl.

„Muaßt scho entschuldinga ... aba da kunnt’st scho belzi wer’n ... net ... bal oan so was unterkimmt ... Fordern möcht oan der Schreiberg’sell ...“

Und man hörte noch lange ihre erregten Stimmen, da sie den Stadtplatz mehrmals hinauf und wieder herunter gingen.

**
*

„Sie san aber einer!“ lispelte Fräulein Fanny Trinkl, als sie in Gesellschaft des Herrn Pfaffinger den Höllbräusaal verließ.

Der stattliche Brauereivolontär warf sich in die Brust und sagte mit geheucheltem Gleichmute: „Da gibt’s bei mir nix!“

„Ich bin so derschrocken, wie Sie auf einmal aufg’sprungen sind. Jessas Maria! hab ich mir denkt, es werd doch kein Unglück geb’n, daß er Ihnen was tut ...“

„Der — mir?“

„Man weiß halt oft nicht ...“

Herr Pfaffinger schob den Hut verwegen aus der Stirne.

„Solchene derfen drei daherkemma, nacha fürcht’ i s’ aa no net.“

Das üppige Mädchen sah bewundernd zu dem Ritter auf, der sich kraftvoll in den Hüften wiegte und mit den Fingern schnalzte, gleichsam um zu beweisen, wieviel ihm an einer ganzen Schar von Gegnern läge.

Fannys rehbraune Augen trafen sich mit seinen etwas hervorquellenden wasserblauen und senkten sich sofort, indessen sie wiederum rief:

„Nein, Sie sind aber einer!“

Offenbar hegte Herr Pfaffinger die gleiche günstige Meinung von sich; denn sein ganzes Gebaren verriet, daß er mit der Bewunderung seiner Persönlichkeit beschäftigt war.

„Ich hätt’ mir gar nicht denkt, daß Sie so heftig sein können ...“ sagte Fräulein Fanny.

„Ja, da kenn i nix.“

„Wie Sie den Stuhl z’ruckg’stössen haben, und auf und hin ...“

„Da gibt’s koana Würschtel!...“

„Und wie Sie ihm eine hing’haut haben, daß ’s ihn gleich draht hat!“

Wieder gingen sie eine Weile schweigend nebeneinander, und indessen Herr Pfaffinger beim Schein einer Straßenlaterne respektvoll seine große Hand betrachtete, huschten Fannys Blicke wieder beifällig über ihn hin.

Schön war er nicht —

Ein gewissermaßen viereckiger Kopf auf einem kurzen Halse; eine stumpfe Nase, dicke Lippen, die sich nicht ganz schlossen, so daß man die unregelmäßigen Zähne sah, der Teint von jener biersäuerlichen Blässe, wie sie Schenkkellnern und Bräuburschen eigen ist ... All das ließ den Pfaffinger Schorschl nicht gerade als verführerisch erscheinen, und doch besaß er Reize, die ein altbayerisches Mädchen, wenn auch noch so flüchtig, wohl bemerken konnte.

Derbe Rundungen und Breiten und Grobschlächtigkeiten, die vielverheißend waren.

„Eigentlich san S’ wegen meiner in die G’schicht nein kommen, weil ich mich beschwert hab’, daß die Tür offen war, und mich hat’s nachher schon g’reut ...“

„Da braucht Ihnen nix reu’n, Fräulein Fannerl ...“

„Aber do, wenn S’ jetzt solchene Unannehmlichkeiten hamm ...“

„Dös is mir ganz egal ...“ Schorschl sagte wirklich egal ... „Bald ich amal bei einer Dame sitz ... nacha muß ich auch für die Dame eintreten ...“ Ein zärtlicher Blick traf ihn, und seine wasserblauen Augen streiften wohlgefällig über den sehr stattlichen Busen des Mädchens und blieben daran haften.

Vielleicht war es der Wunsch, diesen straffen Formen näher zu rücken, vielleicht war es eine aufquellende Zärtlichkeit ... Schorschl streckte seinen Ellbogen hin und fragte: „Darf ich Ihnen nicht meinen Arm anbieten, Fräulein?“

Fanny hing sich ein, und beide fühlten wohlig eines die Wärme des anderen.

„Da gibt’s nix,“ sagte Schorschl, „bal ich amal mit einer Dame beisammen bin ...“

„Sie sind einer!“

„In Freising, wia ’r i studiert hab’, da hat amal oana auf an Ball meiner Dame auf ’n Fuaß tret’n. Dem hab i a paar abazog’n und hab’n über d’ Stiag’n abi g’schmiss’n, daß er dös halbe G’lander mitg’numma hat ...“

„Jessas Maria!...“

„Und amal hat inser Verbindung a Gartenfest g’habt ...“

„Waren’s bei an Studentenkorps?“

„Bei der Cerevisia in Weihenstephan in der Brauschul’ ... und da hamm mir a Gart’nfest g’habt, und da hat oana mit meiner Dame ’s Speanzeln o’g’fangt ... dem hab i aa zoagt, wo der Bartl an Most holt ...“

„Sie sind g’wiß ein rechter Don Schuang g’wesen?“

„Han?“

„Daß Sie recht poussiert hamm?“

„Gar so arg is ’s net g’wes’n ...“

Schorschl lächelte aber doch vielsagend, und Fanny wollte hastig ihren Arm zurückziehen und wurde festgehalten.

„Mit Ihnen sollt’ man sich gar net geh’n trauen ... Sie sind vielleicht ein ganz gefährlicher ...“

„Eahna waar i net Feind, Fräulein Fannerl!“

„Sie Schlimmer!“

„G’wiß is wahr, i hab’s Eahna scho lang sag’n woll’n ...“

„Was?“

„Daß S’ mir gar so guat g’fall’n ...“

Ein zärtlicher Blick streifte ihn.

„Sie möcht’n mich g’wiß derbleck’n!“

„G’wiß net ... überhaupts gibt’s dös bei mir durchaus net ... Freil’n Fannerl ... dös dürfens net glaub’n ... Fannerl ...“

Sie drückte sich näher an ihn, und er wurde eifriger.

„Moana S’ denn, i hätt’ mi so gift’ über den Tresser, wenn i Eahna net gern hätt ...“

„Das sagen S’ halt so ...“

„Na! Wenn i no red’n kunnt ... aba da auf da Straß ko ma ja net red’n ... wenn S’ mi bloß a bisserl ins Haus nei lasset’n, Fannerl!“

„Aba Herr Pfaffinger!“

„Bloß in Hausgang! Daß ma dischkrier’n kunnt’n ...“

„Aba dös geht doch net!“

„Warum denn net? Bloß red’n, Fannerl, weil i Eahna gar so gern hab’.“

„Dös merkt doch der Vata!“

„Der merkt nix!“

„Hören S’ auf! Was Sie red’n!“

Und wenn Herr Pfaffinger auch nicht gewandt genug war, um eine Situation blitzschnell zu überschauen, bemerkte er doch den sachlichen Ernst, der in der Abwehr des Mädchens lag.

„Geht’s gar net ... Fannerl?“

„Genga’s Sie!“

„I waar mäuserlstaad ...“

„Aba Herr Pfaffinger!“

„Geh! Wenn i d’ Stiefeln ausziahg ...“

„Jessas na!“

„Höret mi koa Mensch ...“

„Ja, wia red’n denn Sie?“

„Fannerl!“

Er zog das Mädchen an sich. Seine linke große Hand verirrte sich auf den prallen Busen, indes er mit der rechten die schwach sich Sträubende rückwärts faßte und auch hier Anlaß zur stürmischen Werbung fand.

„Du Trutscherl, du liab’s!“

„Herr Pfa ...“

Seine breiten Lippen erstickten ihre Stimme, und sie legten sich breit und feucht auf ihren Mund. Ehrlich erwiderte sie den Kuß.

„Du Gschmacherl du!“

„Schorschl!“


„Also paß auf, Fannerl, i ziahg d’ Stiefeln aus ... werst sehg’n, es hört mi neamd ...“

„Aba da Vata schlaft do no net ...“

„Der schlaft scho!“

„Geh! Wenn er do jetzt erst hoam geht ...“

„Nacha wart i halt a halbe Stund, bis er eing’schlaf’n is ... und du machst mir d’ Haustür auf!“

„Na ... Schorschl ... dös geht net ...“

„Leicht geht’s.“

„Was denkst da denn du von mir? So schnell! Na ... dös geht amal net ...“

„Geh weiter ... Trutscherl! Jetzt dös derfst mir net o’toa!“

„Was?“

„Jetzt hab’ i mi a so g’freut ... und nacha waar’s nix!“

„Aba wenn’s net geht!“

„Und i hab’ mi so für di ins Zeug g’legt!“

„Aba Schorschl!“

„Ja ... Und du tatst mir gar koan G’fall’n!“

„Wenn aba da Vata net so g’schwind ei’schlaft!“

„Na ... wart i a Stund ...“

Fannerl schien zu überlegen, und da die Ergebnisse solcher Überlegungen immer die gleichen sind, sah Schorschl beseligt in die Zukunft ...

„Aba daß d’ ja net früher kummst ...“

„Na ...“

„Und net an d’ Stiag’n hi stößst ...“

„I sag da ja ... daß i d’ Stiefeln ausziahg ...“

„Jessas! Jessas! Was muaßt dir du von mir denk’n!“

„Daß du a G’schmacherl bist!“

„Dös hast g’wiß scho zu viele g’sagt!“

„Dös? Na ... dös hab i no zu gar koane g’sagt! Derfst d’as g’wiß glaab’n ...“

Er war doch ein Don Schuang und kannte das weibliche Herz.

Ein neuer Kuß befestigte das Versprechen, und innig aneinandergeschmiegt schritten die beiden dem Hause zu, in das Schorschl so bald einzuschleichen gedachte.

Auf dem Stadtplatze hörten sie die rauhen Worte des Herrn Schwarz durch die stille Nacht schallen und stießen auch bald auf den ahnungslosen Vater, der sie freudig begrüßte.

„Ah! Der Herr Pfaffinger! Hamm S’ mei Fannerl begleit’?“

„Ich hab mir erlaubt, weil mir Ihnen nicht mehr g’sehen haben ...“

„Ja ... i hab da a kloane Aussprach’ g’habt ... über Eahna, Herr Pfaffinger ...“

„Ah so! Weg’n der Gaudi?...“

„Ja ... und die Folgen, wo mir der Elfinger, der Hansdampf, der spinnate, hätt erzähl’n mög’n. Daß Sie a Duwäl kriag’n ...“

„I?“

„Ja ...“ sagt der Elfinger ...

„Um Gott’swill’n ... Herr Pfaffinger ... weg’n mir ...“

„Da brauchen Sie keine Angst nicht zu haben, Fräulein!“

„Dös hab i aa g’sagt ... so a Schmarrn, sag i ... auf d’ Kirta laden S’ den Kerl ei, wenn er Eahna was will ...“

„Geh, Vata!“

„Is ja wahr aa ... dös is de richtige Antwort ... Also guat Nacht, Herr Pfaffinger, und b’suachen S’ mi amal ... werd mir an Ehr sei!“

„Guat Nacht, Fräulein!“

„Gut Nacht!“

Noch ein Blick, der alles auf ein neues bestätigte, dann huschte das Mädchen ins Haus, die Türe klappte ins Schloß, Herr Pfaffinger entfernte sich mit absichtlich lauten Schritten.


Ob es nun gerade eine Ehre für den Stadtvater Trinkl war, als Schorschl eine schwache Stunde später und sehr viel leiser wieder zu dem Hause kam, die Türe frohlockend geöffnet fand und auf den Fußspitzen gehend sich einschlich? Für ihn war es jedenfalls ein Glück.

Da stand er im Dunkeln und fühlte die Nähe des Mädchens. Ein leises Rascheln. „Pst!“

Eine Hand ergriff die seine ... eine Stimme flüsterte dicht an seinem Ohr: „Ziahg’ d’ Stiefeln aus!“

Und er zog sie aus.

**
*

Es ist Zeit, von Anton Gumposch zu reden. Denn über allem darf nicht vergessen werden, daß in der tätlichen Mißhandlung eines akademisch gebildeten Mannes der Anlaß zu einem Ehrenhandel vorlag, jedenfalls vorliegen konnte, wenn anders die uralten Gebote der Ehre auch in diesem südlichen Winkel unseres deutschen Vaterlandes noch nicht alle Geltung verloren hatten.

Daß sie es nicht hatten, daß sie zum mindesten nicht stillschweigend übergangen werden konnten, dafür bürgte die Existenz des Herrn Anton Gumposch.

Er war wohlhabender Rentner, Sohn und Enkel reicher Gutsbesitzer, der seine Stellung in der Gesellschaft wie seinen Bildungsfonds als Hospitant einer Universität erhöht hatte, oder, genauer gesagt, als Mitglied eines Korps. Er liebte den Schein der Arbeit und war immer bemüht, ihn sich zu geben, und wenn ihm auch jeder Trieb zu ernsthafter Beschäftigung fehlte, war er doch Tag für Tag lebhaft und regsam und beobachtete nicht ohne Strenge die Arbeit seiner Nebenmenschen.

Wer sich rechtschaffen plagte, durfte sicher sein, daß ihm Gumposch wohlwollend auf die Achsel klopfte, und wer es im Kampfe ums Dasein vorwärts brachte, konnte in dem anerkennenden Lächeln des Herrn Gumposch den Ansporn zu neuen Anstrengungen erblicken.

Naturgemäß und ganz von selbst mußte sich ein so liebevolles Interesse für die Umwelt auch auf das Gemeinwohl erstrecken, und Gumposch war denn auch rastlos bemüht, alle Maßnahmen, Fürsorgen, Veranstaltungen und Anordnungen der städtischen Behörden Dornsteins einer sachlichen Prüfung wie einer ständigen Besprechung zu unterziehen. Sein nie ruhender Geist ersann täglich Pläne zur Hebung des Wohlstandes und Ansehens der Gemeinde; Hebung, Entwicklung, Fortschritt waren die Leitmotive seiner unzähligen Probleme, und so sehr stand er unter ihrem Banne, daß er nicht einmal die Möglichkeit eines Vorschlages prüfte, wenn er unter dem Zeichen von Hebung und Fortschritt zu stehen schien.

Gumposch versah im Geiste alle Berge der Umgebung mit Drahtseilbahnen, wollte auf den Höhen Riesenhotels anlegen, Bäche anstauen, um Seen für den Wintersport zu erhalten, rundum im Lande alle Wasserkräfte erwerben zu großen städtischen Fabrikanlagen, er projektierte elektrische Bahnen nach allen Ausflugsorten, Konzertsäle und Kaffeehäuser in der Stadt, und war immer mit einem neuen Plane zur Hand, wenn die Dornsteiner Rückständigkeit den alten kopfschüttelnd abgelehnt hatte, und war immer begeistert und ließ über den Häuptern einer grämlichen Philisterschar die Fahne des Fortschrittes flattern, des Fortschrittes, der Hebung und der Entwicklung.

Gumposch war als Politiker jenem früher allgemein üblichen Liberalismus zugetan, der ohne eigentliches Programm nur ab und zu bemerkbar wurde, wenn er sich gegen ultramontane Bedrückung aufbäumte oder sich bei Festen in Liedern erging. In gewöhnlichen Zeitläuften machte er nicht viel Aufhebens von seinen politischen Meinungen und vermochte sie auch wohl zu ändern und anzupassen, aber wenn Wahlen im Reiche waren, erhob Herr Gumposch einen starken Lärm, ließ sich auf den Schild heben und vermaß sich, der liberalen Idee neues Terrain zu erobern. Im „Dornsteiner Boten“ tauchten Nachrichten auf von Reden, die unser Herr Gumposch hier und dort gehalten hatte, und von sichtbaren Eindrücken, die seine vaterländisch tiefempfundenen Worte auf die Bevölkerung gemacht hatten.

Das „Dornsteiner Wochenblatt“ hingegen strotzte von hämischen Invektiven gegen den verdienten Bürger der Stadt und mußte in jeder Nummer Gumposchische Erwiderungen auf Grund des bekannten Paragraphen bringen, mit Repliken und Dupliken, in denen ein überlegener Hohn bald auf dieser, bald auf jener Seite zu finden war.

In solchen Zeiten, da deutsche Männer ihre ganze Vaterlandsliebe aufbieten müssen, um nicht vom Ekel übermannt zu werden, und ihre ganze Kraft, um nicht erschöpft zusammenzubrechen, und ihren nimmer versiegenden Glauben an Deutschlands Zukunft, um nicht daran zu verzweifeln, in solchen Zeiten fühlte sich Gumposch am wohlsten.

Das Zielscheibesein für gewissenlose Angriffe oder für Pfeile aus dem Hinterhalte war seiner Natur so recht entsprechend und stillte sein Bedürfnis, ein Mittelpunkt zu sein.

In solchen Zeiten konnte er es freudig erleben, daß auch stumpfe Naturen bei seinem Anblick in Bewegung gerieten, daß sonst gleichgültige Bürger vielsagend mit den Augen zwinkerten, wenn sie ihm begegneten, daß im Gasthause bei seinem Eintritte die Leute die Köpfe zusammensteckten und es kam auch vor, daß der eine und andere ihm lautes Lob erteilte.

Und wenn dann am Wahltage, wohlgemerkt auf Kosten des Herrn Gumposch, im Redaktionsfenster des „Dornsteiner Boten“ nach ganz neuzeitlichen Prinzipien die Wahlresultate hinter beleuchtetem Glase auftauchten und in diesem magischen Licht auch der Name Gumposch erstrahlte, und war es mit noch so wenig Stimmen des Durchfalles, dann bildete dieser Moment einen schönen Abschluß beseligender Wochen. Man sieht, daß dieser Mann ein Pol im Kreise der öffentlichen Interessen war, und darum noch einmal: es ist Zeit, bei diesem Ehrenhandel von ihm zu reden.

Er stand vor der Tatsache, daß Herr Rechtspraktikant Tresser nach einem heftigen Wortwechsel im überfüllten Höllbräusaale von Herrn Pfaffinger geohrfeigt worden war, und er war keineswegs geneigt, diesen Vorfall leicht zu nehmen oder ihn mit sattsam bekannten Vernunftgründen aus der Welt schaffen oder mit Worten einer billigen Entrüstung abtun zu lassen.

Nein! Hier war endlich ein wirklicher Skandal gegeben, an dem Leute beteiligt waren, von denen der eine gewiß, der andere vielleicht zum Verständnisse des tiefen Ernstes der Sache gebracht werden konnte.

Und Gumposch fühlte sogleich, daß er der Mann dazu war, diese Angelegenheit in die Hand zu nehmen, ihr Einschlafen zu verhindern, ihr einen honetten Ausgang zu verschaffen.

War es ohne Bedeutung für den gebildeten Teil der Dornsteiner Gesellschaft, wenn die bürgerliche Welt sah, daß dieses Renkontre nicht anders und nicht ernsthafter behandelt wurde wie etwa eine Schlägerei in den niederen Schichten? War es ohne erzieherischen Wert, wenn das Bürgertum einsehen lernte, daß zwischen seiner Auffassung von Händeln und ihren Folgen und der Auffassung von satisfaktionsfähigen Männern denn doch ein unüberbrückbarer Abgrund klaffte? War es zuletzt für die Reputation der Stadt so gleichgültig, wenn hier Prügeleien nicht anders bemessen wurden als in dem nächsten Bauerndorfe?

Noch einmal nein!

Hier war Gelegenheit geboten, mit höheren Ansichten durchzudringen, dem Ehrenstandpunkte Geltung zu verschaffen gegenüber einer Bevölkerung, die nur zu leicht geneigt war, die Schranken nicht zu sehen, welche sie von der gebildeten Klasse trennten.

Wenn diese Bevölkerung mit aus Grauen und Bewunderung gemischten Empfindungen sehen mußte, daß in gewissen Sphären ein Mann eben doch anders für seine Handlungen einzustehen habe als Krethi und Plethi — jawohl Krethi und Plethi — dann fiel von der abgerungenen Hochachtung auch für den Mann ein gut Teil ab, der dem Ehrenstandpunkte zum Siege verhalf und seine Zugehörigkeit zur besten Klasse klar und deutlich und weithin sichtbar bewies.

Alle diese Gründe, in einem Selbstgespräche und vor dem Spiegel mit Kraft vorgetragen, brachten Herrn Anton Gumposch schnell zu dem Entschlusse, seine Person in den Vordergrund zu schieben und das pöbelhafte Ereignis auf ein höheres Niveau zu bringen.

Der Weg zu diesem Unternehmen war vorgezeichnet. Daß Herr Tresser nicht erst einer Überredung bedurfte, um in der Sache klar zu sehen, war wohl anzunehmen.

Hingegen erschien es mehr als zweifelhaft, ob Herr Georg Pfaffinger nach Erziehung und Charakter in der Lage war, seine Pflicht zur Genugtuung voll zu begreifen.

Hier also mußte der Leiter der Angelegenheit einsetzen.

Zum ersten war die Frage zu prüfen, ob der Brauereivolontär satisfaktionsfähig war.

Vor nicht langer Zeit hatte die Regierung der Brauereiakademie den Charakter einer Hochschule verliehen, und damit war offenbar nicht nur dem Biersieder die Würde einer gelehrten Beschäftigung zugesprochen worden, sondern auch den Kandidaten die Eigenschaft des akademischen Bürgers.

Es bestand sohin gegründete Hoffnung, daß Herr Georg Pfaffinger auch von strengen Beurteilern für satisfaktionsfähig betrachtet werden konnte — — aber!

Ob sich der Mann diese Eigenschaft selbst zuerkannte, in einem Zeitpunkte, da sie für ihn brenzlich war, das mußte bezweifelt werden.

Gumposch, der sich zuweilen auch jovial zu geben wußte, kannte Schorschl von einigen gemeinsamen Früh- und Abendschoppen her und hatte einen Einblick getan in dessen robustes und bildungsfremdes Wesen.

Der ungeschlachte Jüngling hatte von Welt und Menschen eine durchaus bräuburschige Ansicht, und seiner Art lag es bestimmt näher, Streitigkeiten mit Watschen als mit Pistolenschüssen auszutragen.

Vielleicht wäre jeder andere zurückgeschreckt vor der Aufgabe, einen Pfaffinger über ritterliche Pflichten aufzuklären, vielleicht hätte jeder andere dieses hoffnungslose und übel angebrachte Beginnen von sich gewiesen, aber Gumposch hatte das stärkste Vertrauen auf die Macht seiner Persönlichkeit, und er ging sogleich daran, sein Vorhaben auszuführen.

Er zog seinen Gehrock an und bedeckte das Haupt mit einem Zylinderhute, und wenn dieser feierliche Aufzug an einem Werktage in Dornstein Aufsehen erregen mußte, so war das ganz und gar nicht den Absichten des Herrn Gumposch zuwider, denn er war nicht der Mann, eine so wichtige Sendung in Heimlichkeit und Stille zu vollziehen.

Im Gegenteil, als er an diesem hellen Vormittag über den Stadtplatz wandelte, verstärkte er so viel er nur konnte durch seine düstere Miene die Seltsamkeit seiner Erscheinung, und er bemerkte es gerne, daß man die Hälse reckte und aus Fenstern nach ihm sah.

Der Metzgermeister Eder pfiff und schrie hinter ihm her, was denn los wäre, und der Uhrmacher Haas nahm hastig das Vergrößerungsglas von seinem Auge und humpelte ins Freie.

„Herr Gumposch! Pst! Sie Herr Gumposch, is a Leich oder was?“

„Heut is keine Leich oder was,“ sagte Gumposch ungnädig und wie ein Mann, der nicht aufgehalten zu werden wünscht.

„Ja no! Weil S’ an Bratlrock o’hamm. Machen S’ an B’suach?“

„Besuch?“

Gumposch blickte dem neugierigen Uhrmacher ins Auge und sagte, jede Silbe betonend: „Jawohl, Herr Haas, ich mache einen Besuch!“

Haas verstand, daß hier irgend etwas im Hintergrunde lauere, und erschrak beinahe darüber.

„S ... soo? Und bei wem, wenn i frag’n derf?“

„Sie dürfen eben nicht fragen.“

„Net?“

„Respektive,“ sagte Herr Gumposch, „respektive ich darf Ihnen keine Antwort nicht geben ...“

„Ja, aber ...“

„Was?“

„I moan, warum nacha net?“

„Weil es Dinge gibt, Herr Haas, über die man nicht spricht.“

Bei diesen Worten machte Gumposch eine scharfe Wendung nach links in die Hafnergasse und ließ den verblüfften Uhrmacher in tiefem Sinnen stehen.

„.... Wei ... weil ...?“

Weil es Dinge gibt, von denen sich eure Schulweisheit nichts träumen läßt, schlichter Bürger ...

Schauen Sie ihm nach, wie er dahin geht mit dem in die Stirne gedrückten Zylinder, winken Sie Ihrem Nachbar, dem Lohgerber, zu, der mit noch aufgekrempelten Ärmeln unter der Türe steht, wispert miteinander, lacht oder klopft vielsagend an die Stirne, ihr ahnt es nie, daß dieser Mann einen Gang geht, von dem Leben oder Tod abhängen kann!

Obwohl dem bedeutsam Ausschreitenden auch von hinten etwas anzusehen wäre, was man Schicksalsschwere nennen könnte.

**
*

„Herein!“

Mit stark verschleimter Stimme: „Herein!“

Herr Pfaffinger drehte sein Haupt, auf dem alle Haare wirr durcheinander geraten waren, mühsam gegen die Türe hin und versuchte es, die verklebten Augen zu öffnen.

Sein unsagbar leerer Blick fiel auf seine Hausfrau Margarete Holdenried, die ihn eifrig und mehrmals anrief.

„Herr Pfaffinger! Herr Pfaffinger!“

„Wos denn?“

„Da Herr Gumposch is da!“

„Da ... da ...?“

„Da Herr Gumposch!“

Das Erinnerungsvermögen Schorschels erstreckte sich offenbar nicht auf diese bedeutende Persönlichkeit.

Er sagte „von mir aus!“, gähnte und drehte sich um.

„Ja, aba Herr Pfaffinger, da Herr Gumposch möcht Ihnen doch sprechen!“

„Han?“

„Er muß Ihnen auf der Stell sprechen, hat er g’sagt ...“

„Mi?“

„Freilich, es muaß was Dringends sei ...“

„Er soll ma mei Ruah lass’n ...“

„Ja, aba, wenn er do sagt ...!“

„I steh net auf.“

Frau Holdenried stand ratlos unter der Tür und sah auf ihren Zimmerherrn, der die Decke über die Schultern zog und zu schnarchen anfing.

„Aba ...“

„Lassen S’ mich nur herein,“ sagte Herr Gumposch, schob sie höflich ein wenig beiseite und betrat das Zimmer.

„Jessas, wia’s aba da ausschaugt!“ seufzte Frau Holdenried, „... und ... und ...“ setzte sie bei und öffnete ein Fenster.

„Ich muß eine Viertelstund’ allein sein mit ’n Herrn Pfaffinger,“ mahnte der Besucher.

„Aba wia’s da ausschaugt!“

„Das ist jetzt Nebensache ... auf das geb’ ich gar nicht acht ...“ sagte Herr Gumposch.

„Ja no, wenn S’ meinen, aba ...“

Frau Holdenried schüttelte mißbilligend das Haupt und übersah noch einmal mit einem Blick die wüste Unordnung im Zimmer, hob die Weste vom Boden auf, erhaschte die beiden Stiefel, schüttelte wieder das Haupt und ging.

Es war still in dem Zimmer; vom Bett her tönte es leise und gleichmäßig wie der Klang einer langsam gezogenen Säge.

„Herr Pfaffinger!“

Es kam keine Antwort, und die Haarwildnis, welche in den Kissen lag, geriet nicht in die geringste Bewegung.

Gumposch klopfte mit dem Stock auf das Bett, einmal, zweimal, öfter. „Herr Pfaffinger!“

Die Haarwildnis drehte sich um, langsam schob sich die Decke ein wenig herunter, und langsam schob sich der Deckel des einen Auges so weit hinauf, daß dieses verständnislos auf Herrn Gumposch starren konnte.

Dieser nahm einen Stuhl und setzte sich mitten in das Zimmer. Sein Kinn stützte er fest auf die Hände, die er über der Krücke seines Spazierstockes gefaltet hatte, und richtete seine Augen ernst und unverwandt auf den jungen Menschen, dem er eine Pause gönnte, um die Wichtigkeit des Augenblickes wie jene des Besuchers allmählich zu begreifen.

Schorschl schloß vor den strengen Blicken des Herrn Gumposch die Augen und öffnete sie nur zögernd wieder, und immer auf ein neues zeigte sich darin Erstaunen über die Erscheinung des Sendboten der Ehre.

Dieser räusperte sich etliche Male und sagte mit tiefer Stimme:

„Ja, ja ... das ist eine böse Sache, Herr Pfaffinger!“

Schorschels Gedanken reihten sich noch keineswegs geordnet aneinander.

„Wia?“ fragte er.

„Sie haben sich was Böses eingerührt, gestern nachts ...“

Die Erinnerung an eine leise knarrende Stiege, an eine Türe, die beim Schließen ein wenig geächzt, an eine Hand, die ihn geführt hatte, die Erinnerung an volle Arme, die sich um seinen Hals geschlungen hatten, tauchte in Herrn Pfaffinger auf und vermochte ihn, seine Augen weiter zu öffnen.

Da saß vor ihm ein Mann, der ihn bitter ernst anblickte und beinahe traurig mit dem Kopfe nickte ... irgendein Grund mußte ihn doch hergeführt haben ... sollte wirklich der Vater was gemerkt ... die Tochter was gestanden haben?

Sein Herz fing an, schneller zu schlagen.

„Wia?“ fragte er unsicher, beinahe ängstlich.

Gumposch, als ein gewiegter Menschenkenner, sah wohl, daß seine Anwesenheit Gemütsbewegungen verursachte, und das freute ihn und erregte in ihm sogar ein gewisses Wohlwollen mit seinem Opfer.

„Tja!“ sagte er, „lieber Pfaffinger, wie stellen Sie sich das vor, daß die Sach ’nausgeht?“

Wie stellte man sich das vor?

Die Gedanken Schorschels richteten sich langsam auf ein paar Möglichkeiten, Unannehmlichkeiten, auf Verdruß daheim, Verlust an Geld, auf lange Weibsbilderreden.

Er sah zerknirscht aus, was Gumposch sich hoch anrechnete, und da er nun den Augenblick gekommen sah, wo er mit einer wohlgesetzten Rede einfallen mußte, erhob er sich und wandelte im Zimmer hin und wieder und war darauf bedacht, seine Perioden abzurunden.

„Da haben wir die alte Geschichte,“ sagte er, „die Jugend, die einfach ... brrr ... drauf los stürmt, nichts überlegt, an keine Folgen nicht denkt, hitzig, nichts wie hitzig! Wacht man hernach am andern Tag auf, dann kommt die Überlegung. Jetzt sieht der Mensch, was er für eine Dummheit gemacht hat. Wie? Was sagen S’?“

Schorschl sagte eigentlich nichts. Er brummte wohl etwas in die Bettdecke hinein, aber es gehörte nicht unbedingt zur Sache und paßte keineswegs zu dem würdigen Ton, den Herr Gumposch angeschlagen hatte und festhielt. Bemerkenswert war nur, daß der junge Mensch in diesem Augenblicke beschloß, faustdick zu lügen und nichts zu gestehen, nicht das geringste zu gestehen und faustdick zu lügen. „Ja, da brummen Sie!“ konnte nun der Redner fortfahren, „das verdrießt Sie womöglich noch, daß man Ihnen die Wahrheit sagt, aber die müssen Sie schon annehmen von einem Manne, der das Leben kennt und der in solchen Dingen seine Erfahrung hat. Seine reichliche Erfahrung, mein lieber Pfaffinger, und Sie müssen ja nicht glauben, daß ich über die Sache urteile, wie ... wie ... sagen wir ... ein Prolet oder ein Bürger ... Ich sage auch nicht, daß so was absolut nicht vorkommen kann ... du lieber Gott! Ich war auch kein Guter, wie ich so alt war wie Sie, ich war ein verdammt scharfer Kerl, das kann ich Ihnen sagen, und deswegen verstehe ich das Vorkommnis, verstehe es vollkommen. Sie müssen nicht glauben, daß ich Ihnen Vorwürfe machen will, ich betrachte es nur als meine Aufgabe, Ihnen mit Rat und Tat beizustehen ...“

Schorschl fand, daß dieser Mann sehr lange brauchte, bis er die Katze aus dem Sack ließ, und er betrachtete ihn blinzelnd und voll Unbehagen, wie er da auf und ab schritt und redete wie ein Buch.

Er sollte endlich einmal herausrücken mit der Farbe, damit man frischweg lügen konnte ...

„Pfaffinger,“ sagte Herr Gumposch nun väterlich und zutunlich und sah den jungen Menschen wohlwollend an, „Pfaffinger, Sie betrachten sich doch selber als satisfaktionsfähig?“

„... Wia?“

„Nachdem Weihenstephan jetzt eine Hochschule ist, nicht wahr, haben doch die Angehörigen dieser Hochschule, nicht wahr, auch ihrerseits das Bestreben, als satisfaktionsfähig zu erscheinen ...?“

„Wia?“

Gumposch wurde ärgerlich.

„Also, das ist doch klar, daß Sie dem Herrn Rechtspraktikant Tresser nicht bloß eine herunterhauen können und damit fertig! Wir leben doch nicht unter den Aschantis, nicht wahr, oder unter den Bauern ...“

„Ja so!“ Schorschl sagte es nicht eigentlich und deutlich. Seine ganze ängstliche Spannung löste sich auf in einem „Ja so!“ Er rutschte mit einem kaum zu beschreibenden wohligen Gefühle tiefer unter die Decke, er streckte froh und erleichtert die Beine aus und spielte behaglich mit den Zehen und drehte sich gegen die Wand, und sein ganzes Wesen war nur ein „Ja so!“ „Wir leben doch nicht unter den Aschantis!“ wiederholte Gumposch, der diesen seelischen Vorgang nicht bemerkte, weil er eben seinen Marsch durch das Zimmer wieder aufnahm. „Wenn ihr Weihenstephaner das Bestreben habt, unter die Gebildeten aufgenommen zu werden, so müßt ihr auch klar sein, daß es hier, daß es in solchen Dingen nur ein Entweder — Oder gibt. Entweder man ist Knote, oder man gehört zu den Leuten, welche die Verantwortung für ihre Handlungen auf sich nehmen. Ist man Knote, will man Knote sein, — gut! Dann war es nicht notwendig, daß ich mich hierher bemüht habe, dann war es sehr überflüssig, sich den Rat eines Mannes zu erbitten, der von Jugend auf gewohnt ist, Differenzen in ehrenhafter Weise auszutragen. Dann war es ganz und gar nicht angebracht, sage ich, einem solchen Manne die Entscheidung zu überlassen, die Entscheidung darüber, ob hier anständig oder proletenhaft, jawohl, ich sage proletenhaft, verfahren werden soll; denn darüber konnte kein Zweifel sein, wie meine Ansichten sind, und jedenfalls würde ich es mir ganz energisch verbitten, in diesem Punkte Zweifel zu haben. Wie gesagt, die Frage lautet ganz einfach: „Wollen Sie ein Knote sein und als Knote gelten, Herr Pfaffinger? Ja oder nein?“

Es ertönte weder das eine noch das andere. Sondern, erst leise einsetzend, dann zäh und wuchtig, als gelte es, Verlorenes nachzuholen, schnarchte der junge Mensch, dem hier so eindringlich wie uneigennützig ins Gewissen geredet worden war. Schnarchte dergestalt, daß jede Aussicht auch auf zeitweilige Unterbrechung ausgeschlossen erschien. Gumposch war mehr als indigniert, er war angefüllt mit Verachtung. Er nahm Stock und Hut, stellte sich vor das Bett und warf einen stechenden Blick auf diese jedes Pflichtgefühles bare und trotzdem in tiefstes Behagen versunkene Masse.

„Also Knote!“ sagte er und ging.

**
*

Aber, wie gesagt, über all dem darf man nicht vergessen, daß ein Mitglied der besseren Stände, und einer, dem die Laufbahn im Staatsdienste eröffnet war, vor einem zusehenden Publikum das erhalten hatte, was auch eifrigste Beschönigung eine Maulschelle heißen mußte. Daß sie nicht einfach hingenommen werden konnte, war die Meinung aller Beamten, deren Leidenschaftlichkeit nicht gänzlich unter Aktenstaub erloschen war, und so konnte denn ein aufmerksamer Beobachter wohl bemerken, daß zwei Tage nach dem Vorfalle ein lebhafter Frühschoppen im Gasthofe zur Post herrschte. Der gebildete Teil der Bevölkerung trank hier ein Glas Wein und trank es mit tiefstem Unwillen, mit einem Gefühle, das man seiner weisen Mäßigung halber Indignation nennen könnte.

Er hatte sich immer mehr erhitzt, als Gumposch erklärte, daß der ungehobelte Flegel, nämlich Herr Georg Pfaffinger, nicht das geringste Verständnis für das Wesen der Satisfaktion besitze.

Solange darüber nicht Klarheit herrschte, hatten die alten Studenten und freien Burschen das unangenehme Nebengefühl gehabt, daß ein Waffengang in Dornstein auch für entfernt Beteiligte große Unannehmlichkeiten nach sich ziehen könne. Jetzt, da für ängstliche Bedenken kein Platz mehr war, traute sich bei Oberamtsrichter Herzensfroh wie bei jedem der tiefe Ingrimm über den Lümmel hervor. Man war sich sogleich darüber einig, daß unter diesen Umständen dem ganzen klobigen Spießbürgertum ein heilsamer Schrecken eingejagt werden müsse durch eine scharfe Forderung auf Pistolen.

Natürlich würde sie Pfaffinger nicht annehmen, wie Herr Gumposch immer wieder versicherte, aber die bange Erkenntnis würde in ihm aufdämmern, daß er mit seiner Roheit an Kreise geraten war, deren scharfkantige Ehrbegriffe ihm furchtbar erscheinen mußten. Ihm und den anderen, die gegenüber von der Post beim Lammwirt saßen und, wie man recht gut wußte, ein unflätiges Vergnügen an dem bisherigen Gang der Ereignisse bezeigten.

Also über diese Notwendigkeit war man sogleich einig, und nun warf Oberamtsrichter Herzensfroh die wichtige Frage auf, wer das Amt des Kartellträgers, des, wie Gumposch versicherte, vergeblichen Kartellträgers übernehmen sollte.

In die engere Wahl kamen nur zwei Herren: Anton Gumposch und der pensionierte Leutnant Hans Mühlritter, denn es stand fest, daß kein Beamter sich der Aufgabe widmen durfte, weil die Expedition nicht geheimbleiben konnte und sollte.

Gumposch, ein mit dem Kodex der ritterlichen Pflichten vertrauter Mann, mußte die Wahl ablehnen, da er schon in anderer Eigenschaft, als Ratgeber und eventueller Sekundant, dem Menschen, nämlich Herrn Georg Pfaffinger, nähergetreten war, und so blieb nur Mühlritter übrig, der, ohne einen Augenblick zu zögern, seine Zusage gab.

„Für einen alten Soldaten,“ sagte er, „gibt es da kein langes hin und her. Man stellt sich auf den Posten. Bong!“ Alle dankten ihm herzlich, fast lärmend, und Gumposch, der, wie immer, den günstigen Augenblick ersah und das Richtige traf, bestellte eine Flasche guten Rheinweines.

Unter ihrem Einflusse wurde Mühlritter sehr gesprächig, und da er in seinem Leben wohl nie derartig in den Mittelpunkt des Interesses gestellt gewesen war, nützte er diese einzige und späte Gelegenheit nach Kräften aus.

Er war durch den magersten Ruhegehalt gezwungen, als Inspektor einer Lebensversicherung Nebenverdienst zu suchen, und in dieser Eigenschaft hatte er sich eine hinströmende und bilderreiche Redeweise angeeignet.

So verbreitete er also eine Atmosphäre von Ritterlichkeit und rauher Soldateska um sich und gab zu verstehen, daß solche Gänge, wie der vorhabende, zu seinen Gewohnheiten gehört hätten in jenen Tagen, die er mit Zungenschnalzen und Verdrehen der Augen seine tolle Leutnantszeit hieß.

Da Gumposch fleißig einschenkte und die Tafelrunde ihn mit Wohlwollen anhörte, geriet er immer tiefer in seine waffenklirrende Vergangenheit und berichtete Abenteuer, als wäre er bei Pappenheims Kürassieren gestanden und nicht im glorreichen Jahr 1866 zum Leutnant auf Kriegsdauer ernannt worden, und er überschüttete die Krämer, Brezelbäcker und Kälberstecher Dornsteins mit unsäglicher Verachtung, ganz vergessend, daß sie seine Mitbürger und Gläubiger waren.

Als die Mittagsglocke läutete, erwachten alle Familienväter aus ihren Heldenträumen und erhoben sich.

Junker Hans Mühlritter sah jedem vielversprechend ins Auge und teilte derbe Händedrücke aus und vermaß sich noch einmal und immer wieder, er wolle noch desselbigen Tages ein Feuerlein anschüren, an dem die Frechheit Pfaffingers wie Butterschmalz zergehen werde.

Dann blieben sie zu dritt am Tische sitzen, der Leutnant-Inspektor, Anton Gumposch und Tresser.

Die Gläser klangen hell und häufig aneinander, und Mühlritter trank, wie es recht war, Bruderschaft mit dem Jüngling, dessen Fehdebrief er dem Gegner überbringen sollte, und der Korpsphilister Gumposch hielt nicht an sich, sondern bot dem alten Kriegsknecht das traute „Du“ an und küßte ihn auf das weinsäuerlich duftende Maul.

Und ein rauhes Wort gab das andere, und jugendliche Abenteuer tauchten auf und verschwanden wieder im Nebel des Zigarrenrauches, und Tresser versank in tiefe Traurigkeit darüber, daß sein Feind nicht auf dem Plan erscheinen werde.

„Und nacha,“ so erzählt die Kellnerin Zenzi, „und nacha hat der Herr Gumposch an Schampaniger zahlt, und da san ’s allaweil b’suffener worn, und der notige Leitnant is auf an Sessel durchs Zimmer g’ritt’n und hat kummadiert, und de andern san hinter eahm drei’ g’ritt’n, und wenn er Galopp g’schriean hat, sans mit die Stühl so umanandbockelt, daß zwoa brocha san, und g’sunga ham ’s, und da Herr Gumposch hat mit sein Steck’n umanandg’fuchtelt, als wenn er an Sabl in da Hand hätt’, und nacha hat er a Lamp’n aba g’haut, und nacha san ’s hoam.“

**
*

Nicht alle gingen heim, wie Zenzi glaubte, sondern Junker Hans marschierte über den Stadtplatz, und obwohl er krampfhaft sein Ziel, den Eingang der Hafnergasse, ins Auge faßte, landete er dennoch in schräger Linie seitab davon auf dem jenseitigen Bürgersteig und gelangte erst nach mehreren Schwierigkeiten vor die Wohnung der Frau Holdenried, welche erschrocken über den heftigen Klang der Glocke herausstürzte.

Der ihr nicht unbekannte Inspektor der Assekuranzgesellschaft Bolivia gab sich die größte Mühe, finster und ahnungsschwer auszusehen und das selige Lächeln aus seinem Antlitze weichen zu lassen.

Er fragte mit hohler Stimme, ob ein gewisser Georg Pfaffinger anwesend und gegenwärtig sei.

„Nein, der komme erst in einer guten Stunde heim, und Jessas — Jessas na! was es denn schon wieder gebe?“

„Nichts für Weiber!“ war die Antwort, und da schaute nun die gute Witwe Holdenried dem über die Treppe hinab Polternden in banger, aber ungestillter Neugierde nach und faltete die Hände ineinander, wie es die Frauenzimmer in solchen Lagen tun.

„Jessas na! Also seit zwei Täg’ is keine Ruh und kein Fried mehr im Haus ...“

Und eine Treppe tiefer kam die Frau Sattlermeister Widmann, welche durch den lauten Abstieg Mühlritters in Argwohn versetzt worden war, aus ihrer Wohnung.

„Was gibt’s denn, Frau Holdenried?“

„Denken S’ Ihnen nur, g’rad jetz is der Inspektor dag’wes’n und hat nach ’n Herrn Pfaffinger g’fragt ...“

„Der Mühlritter?“

„Ja, und wie der ausg’schaut hat, sag’ ich Ihnen, und wie der g’fragt hat ... na ... das is grad, als wenn mein Zimmerherr kein Ruh’ mehr krieg’n derf ...“

Frau Widmann kam nach oben und stand lange bei ihrer Hausgenossin und tauschte mit ihr die schlimmsten Befürchtungen aus.

Aber das war an diesem Tage das Los aller Dornsteiner, dieses Leben in Angstzuständen.

Als Anton Gumposch, den Hut tief in die Stirne gedrückt, nach Hause ging, befiel ihn ein Gedanke, der seiner Gewissenhaftigkeit und allgemeinen Fürsorge angemessen war.

Wie? Wenn er sich getäuscht hatte? Wenn der junge Mensch die Last der Verachtung als zu groß befand und im letzten Augenblicke den Forderungen der Ehre Gehör schenkte?

Mußte nicht zum wenigsten die Möglichkeit ins Auge gefaßt werden?

Und wer sollte sie ins Auge fassen, wenn nicht er?

Die Verantwortung, die so mit einem Male vor ihm stand, hob beinahe alle Nachwirkungen des Frühschoppens in ihm auf, und er vermochte sich Rechenschaft zu geben über die Reihenfolge der Pflichten, die ihm bevorstehen konnten.

Einen Platz auswählen, Fuhrwerke besorgen, einen Arzt ins Vertrauen ziehen, nun natürlich ... einen Arzt um Beistand ersuchen, drei Kutschen bestellen, einen Platz aussuchen ... einen Arzt ... Da lag nun wieder einmal, wie so oft schon, alles auf seinen Schultern, die anderen redeten und ließen sich’s weiter nicht kümmern, bloß er natürlich hatte die Arbeit, die Lauferei, die Sorge.

Er war zu Hause angelangt und stellte sich vor den Spiegel und sah kummervoll in das blaurote Antlitz, welches ihm mit verschwommenen Augen entgegenblickte.

„Wer dankt dir’s eigentlich, Toni?“ fragte er wehmütig. „Und was hast du davon? Scherereien und Ärgernis, jawohl, und zuletzt Undank ...“

Als er so fast in Schmerz versinken wollte, fiel sein Blick auf die Pistolen, die an der Wand hingen, und sogleich fand er seine Tatkraft wieder. Freilich! Pistolen brauchte man ja auch, und in ganz Dornstein war vielleicht kein gleiches Paar außer den seinen zu finden.

Er nahm sie herunter, und da sie Rost angesetzt hatten, wollte er sie sogleich zum Büchsenmacher bringen.

Vergessen war jedes lähmende Gefühl.

Er umwickelte die Waffen sorgfältig mit einer alten Zeitung und stand schon eine Viertelstunde später mit seinem Paket unterm Arm in der Werkstatt des Xaver Reindl, der einen Gewehrlauf putzte und dabei Unterhaltung pflog mit Herrn Magistratsrat Trinkl.

Gumposch setzte seine geheimnisvollste Miene auf und erregte die Neugierde des Büchsenmachers durch Nicken und Blinzeln.

Er räusperte sich, gab ausweichende Antworten, trat von einem Fuß auf den andern und zeigte so viel Ungeduld und Heimlichkeit, daß es sogar Herr Trinkl merkte und ging.

„Reindl,“ sagte nun Gumposch, indes er dicht vor den Meister hintrat und ihn durchbohrend anblickte, „Reindl, können Sie schweigen?“

„Ja, was glauben S’ denn, Herr Gumposch ...“

„Kein Mensch darf nichts erfahren ...“

„Aba Herr Gumposch, i bin do a Mann, der ...“

„Gut, ich verlaß mich auf Sie.“

Bei diesen Worten öffnete Gumposch sein Paket.

„A paar alte Vorderladerpistol’n?“

„Reindl, die Pistolen müssen heut noch herg’richt werden, Lauf, Piston, alles sauber geputzt.“

„Heut no?“

„Es muß unbedingt sein.“

Wieder traf ein durchbohrender Blick den Büchsenmacher.

Der musterte eine Pistole und probierte die Feder.

„Rostig san ’s ... no, wenn’s sei muaß ...“

„Unbedingt.“

„Aber net, daß i ...“

„Was?“

„Aber net, daß i da in a Schlamassel nei kimm.“

„Wieso denn? Ich brauch die Pistolen zum Übungsschießen. Sie haben sich um gar nichts zu kümmern.“

Der Meister drückte sein linkes Auge zu und schaute Herrn Gumposch vielsagend an.

Der nickte und wiederholte: „Zum Übungsschießen. Hab’ ich was andres g’sagt?“

Seine Blicke verrieten freilich, daß hinter seinen Worten ein blutiges Geheimnis lauerte, aber es kam nichts über seine Lippen, und darum konnte Reindl sein Gewissen beschwichtigen.

„Von mir aus,“ sagte er, „Sie schaffen’s o — net? Und i mach’s — net? Und es g’hört zu mein G’schäft — net?“

„Ganz richtig,“ entgegnete Gumposch, „und dann bleibt’s dabei, ich hol’ abends die Pistolen und komm’ hinten herein. Adieu!“

„Adjes! Sie ... Herr Gumposch ...“

„Was?“

„Aba net, daß i in a Schlamassel einikimm?“

„Nein, sag’ ich. Reden nur Sie nix drüber.“

Er ging.

Der Meister kratzte sich hinter den Ohren und schaute bedenklich vor sich hin. „Sakera! Sakera!“

„Pst! Xaverl! Is der spinnata Deifi weg?“

Reindl wandte sich hastig um. Der Herr Magistratsrat Trinkl war durch die hintere Tür eingetreten. „I bin zu deiner Alt’n eini und hab’ g’wart’, bis der furt is. Was hat er denn woll’n, daß er’s gar so gnädi g’habt hat?“

„Ah ... nix b’sunders!“

„So?“ machte Trinkl mißtrauisch und warf flinke Blicke herum.

„Zu was g’hör’n denn de Pistol’n?“

„De? Ah ... de hab i scho lang do.“

„Lüag no net a so, Mannderl! De hat der bracht. Ah, da schau her! Jetzt kam’s do no so weit!“

„Was denn?“ fragte der Büchsenmacher neugierig.

„De möcht’n den junga Mensch’n frei zwinga zu dera Dummheit! De Spitzbuab’nbande überananda!“

„Red do!“ drängte Reindl.

„Ja ... red! Und du muaßt aa no dazua helf’n!“

„I? Zu was?“

„De Pistol’n herricht’n, gel, daß de eahna Duwäldummheit ausführ’n kinna!“

„Was denn für a Duwäl?“

„Du woaßt nix, du Schlaucherl!“

„I woaß aa nix. Mach’ halt amal ’s Maul auf!“

„So, woaßt d’ net, daß de an Pfaffinger Schorschl o’stift’n möcht’n, er müaßt si duwelieren, weil er an Tresser a richtige Pretsch’n geb’n hot, wia ’s a si g’hört. Vo dem host du no gar nix läut’n hör’n?“

Reindl pfiff durch die Zähne.

„So? Dös waar’s?“

„Ja, dös waar’s, und du bist der Dumm’ und laßt di in de G’schicht einiziahg’n ...“

„Herrgott, wenn i nix woaß ...“

„Jetzt woaßt d’ as, weil i dir’s g’sagt hab. Aba wart no, da wer i glei g’holf’n hamm,“ sagte Trinkl und nahm mit einem raschen Griff die Pistolen und steckte eine in die linke und eine in die rechte Tasche.

„Wart! De ko si der Hansdampf jetzt bei mir hol’n.“

„Aba Michl!“

„Wos aba? Nix aba! I bin an Amtsperson, verstand’n? Und bal i a Werkzeug siech, wo ein Verbrech’n damit beganga wer’n soll, dös konfiszier i ganz oafach ...“

„Ja, mir is gleich ...“

„Derf da scho gleich sei ... Derfst d’ sogar froh sei, daß i di von dera Dummheit z’ruckg’halt’n hab. Dös waar dös wahre, wenn a Bürger aa no zu so was helfat!“

„Wenn i dir sag, daß i nix g’wißt hab!“

„Aber unwissend was hättst du eahm de Waff’n g’liefert. Wurdst scho g’schaugt hamm, Manndei, wia s’ di füra zog’n hätt’n!“

„Ja no, du host jetzt de Pistol’n, und mi geht’s nix mehr o, bal du sagst, daß du’s von Amts weg’n gnumma host ...“

„Hab’ i aa.“

„Aba, was soll i denn zu eahm sag’n, bal er kimmt?“

„Zu eahm? Zu dem Gschaftlhuaba? Sagst d’ eahm, die Waffe hat der Magistrat an sich gezogen, sagst d’; und bal er a Duwäl hamm will, soll er si a Wurschtspritz’n z’ leicha nehma, sagst d’ eahm! Pfüat di Good!“

Und in aufrechter Haltung schritt Herr Trinkl hinaus und schritt durch die Gassen Dornsteins, anzusehen wie ein Räuberhauptmann, denn aus jeder Tasche sah drohend ein Pistolenkolben hervor.

**
*

Gärung in der Stadt. Die Bürgerschaft, durch einen ihrer Besten in Kenntnis gesetzt und durch Vorzeigung zweier Pistolen zur zweifelsfreien Überzeugung gebracht, daß in den Mauern Dornsteins ein hoffnungsvoller, auch wohlhabender junger Mensch zu einem lebensgefährlichen Abenteuer, ja zu einem Verbrechen gezwungen werden solle, fühlte sich bedroht und vergewaltigt und in ihrem Glauben an die Gesetzlichkeit der Zustände schwankend.

Jeder wußte über Beobachtungen zu berichten, die er in den letzten Tagen gemacht hatte. Der eine war dem Rädelsführer Gumposch, der andere dem notigen Leutnant in der Pfaffengasse begegnet, dieser hatte den Oberamtsrichter, jener den Assessor in die „Post“ wandern sehen, ein dritter wußte schon, welche drohenden Reden beim Frühschoppen gehalten worden waren, und die ganze Kette der Verdachtsgründe war geschlossen durch die Entdeckungen, welche Trinkl beim Büchsenmacher zu machen so glücklich war.

Es bestand also eine Verschwörung in dieser friedlichen Stadt, angezettelt von Dienern des Staates und darauf gerichtet, das Blut eines jungen, auch wohlhabenden Menschen zu vergießen und dem Moloch der Ehre ein Opfer zu bringen.

Der Abendschoppen beim Lammwirt glich einer Volksversammlung, und Bäckermeister Schwarz konnte die ganze Zügellosigkeit seines Wesens offenbaren, ohne den geringsten Widerspruch zu finden.

Von Lohgerber Holzböck aber ging eine Anregung aus, die Besseres bezweckte als diese wütende Despektierlichkeit: die Anregung, eine Deputation nach München zu schicken, dem Abgeordneten Hiempsel den Sachverhalt vorzulegen und durch ihn den Landtag zum schleunigsten Einschreiten zu veranlassen.

Dieser Antrag fand außerordentlichen Beifall, und man ging sogleich daran, die geeigneten Männer auszusuchen.

Bäckermeister Schwarz erbot sich freiwillig, als Sprecher dieser Deputation das seinige zu tun, wurde aber von dem Vater der Idee, Herrn Bartholomäus Holzböck, darüber belehrt, daß Männer, die gewissermaßen als Gesandte der hier versammelten Bürgerschaft auftreten müßten, nur nach geheimer Abstimmung aus einer Wahlurne hervorgehen könnten, und man war eben dabei, die dazu nötigen Zettel zu verteilen, als die Tür aufging und — Georg Pfaffinger an der Seite Hans Mühlritters eintrat. Die überraschende, sonderbare und alle bisherigen Vermutungen zerstörende Erscheinung der beiden wirkte so stark, daß sogleich betretenes Schweigen herrschte.

Man konnte in Gegenwart Mühlritters, der doch aus dem feindlichen Lager kam, nicht in der Wahl fortfahren, man konnte auch angesichts der Gelassenheit Pfaffingers nicht mehr so fest an einen Mordplan glauben, man fühlte sich behindert und unsicher und fühlte auch mit Bedauern, daß eine schönste Gelegenheit zum Spektakelmachen zu entschlüpfen schien.

Die Gegenstände der Aufmerksamkeit setzten sich in offenbarer Harmonie an einen Nebentisch, bestellten Bier und stießen wahrhaftig miteinander an. Da hielt es Trinkl nicht mehr aus!

Er bat den Jüngling, für dessen Menschenrechte er so lebhaft eingetreten war, um eine Unterredung und ging mit ihm an jenen Ort, wo solche geheimen Angelegenheiten mit Vorliebe behandelt werden, und erfuhr nun, daß nichts los sei.

Daß rein gar nichts los sei.

Keine Rede von einer Forderung, einem Duell, einem Mord.

Aber der Gumposch? Der Frühschoppen in der Post? Aber die Pistolen?

Was wußte Schorschl davon? Nichts. Was gingen ihn der damische Gumposch und seine Geschichten an? Gar nichts.

„Aba der Mühlritter? Sie wer’n do mir d’ Wahrheit sag’n, Herr Pfaffinger, indem daß mir für Eahna so auftret’n!“

„Natürli sag’ i Eahna d’ Wahrheit, Herr Trinkl. Überhaupts.“

„Indem daß mir a Deputation auf Minka hamm schick’n woll’n!“

„I tat do Eahna nix verheimlinga, Herr Trinkl!“

„Aba was hat na da Mühlritter von Eahna woll’n?“

„Nix. Oder daß i’s richtig sag’, er hat mi in sei Lebensvasicherung aufgnumma ...“

„In ...?“

„In sei Boliefia ...“

„Ja ... Herrgott ... und mir strapaziern ins da oba ...“

Gewiß war es merkwürdig. Noch viel merkwürdiger, als ein Bürger wissen konnte, der den Schwur des Junker Hans nicht mit angehört hatte. Aber trotzdem — es war so.

Sei es nun, daß Mühlritter unter der Einwirkung der starken Weine den Zweck seines Besuches vergessen, sei es, daß er sich bei allmählicher Ernüchterung auf seine eigentlichen Berufspflichten besonnen hatte, Tatsache ist, daß er Herrn Georg Pfaffinger in gewählten Worten die Vorzüge der Assekuranzgesellschaft Bolivia vor jeder anderen gleichen oder ähnlichen Unternehmung vor Augen stellte und ihn, Herrn Pfaffinger nämlich, auch bewog und überredete, seine Unterschrift zu geben, Tatsache ist ferner, daß von einer Forderung oder irgend etwas dem ähnlichen nicht die leiseste Erwähnung geschah. Mit diesen Tatsachen hatte sich, da in Dornstein nichts verborgen bleiben konnte, die gesamte Einwohnerschaft abzufinden, und sie erregten, was hier konstatiert werden soll, allgemeine Zufriedenheit.

Die größere bei dem Beamtenkörper, dessen Mitglieder jene beim Frühschoppen gefaßten Beschlüsse noch am selben Nachmittag heftig bereut hatten, die kleinere Zufriedenheit bei den Bürgern, die schon begonnen hatten, sich in aufgeregten Zuständen behaglich zu fühlen.

Ein einziger Mensch war empört über das unglaublich niedrige Niveau, auf dem sich die Gesellschaft Dornsteins nun ein für allemal zu bewegen schien: Herr Anton Gumposch.

Das Volkslied

Es erwachte damals die Freude am Volkstum, und man konnte überall recht wohl den Drang bemerken, sich von echten, kleinsten Zügen der Volksseele zu überzeugen und sie in gehaltvollen und gewundenen Sätzen wiederum zu schildern.

Neben Wortprägungen, die mit Heimat, Scholle, Erde, Erdgeruch wackere Zusammenhänge fanden, begegnete man herzig schlichten Romanen, die, als Aufgüsse über den würzigen Bodensatz Gottfried Kellerscher Getränke, Farbe und Geschmack annahmen, und begegnete auch heimatliebenden, von jeder peinlichen Tendenz abgekehrten Schulaufsätzen, welche man ehedem Feuilletons genannt hatte. In dieser wonnigen, schollenseligen Zeit bemühten sich auch Berufsmenschen, Perlen im Aktenschutte zu finden, und so nahm sich ein Rechtsanwalt namens Doctor juris Anton Habergais vor, seine mitten in Land und Leute verschlagene Existenz folkloristisch zu verwerten und seltene Lieder zu sammeln. Er glaubte, daß sich ungehobene Schätze genug unter niederen Dächern befinden konnten, und er wollte sie ans Licht ziehen und mit ihrer Naivität ein heimatfrohes Publikum entzücken. Der Gedanke war kaum gefaßt und im vorhinein lieblich verbrämt, als Herr Habergais auch an seine Verwirklichung schritt und sich ein in Leder gebundenes Heft von schönem Büttenpapier kaufte.

Er stellte sich freudig vor, wie er wohl an stillen Winterabenden hier hinein Lied für Lied mit Beibehaltung der ursprünglichen Schreibweise eintragen wollte benebst Anmerkungen unter einem mit roter Tinte zu ziehenden Striche.

Nach etlichen fleißigen Monaten ließ sich dann wohl ein Büchlein daraus formen, welches den Forschern zur Erquickung, anderen aber zur Belehrung dienen mußte. Wie war nun aber das Material herbeizuschaffen?

Der ehedem solchen Zwecken gerne dienstbare Volksschullehrer hatte sich leider im Laufe der Zeiten daran gewöhnt, seine Entdeckungen selbst zu Aufsätzen, zu Heften und Büchlein zu verwerten, und war als selbstloser, höchstens im Vorworte erwähnter Mitarbeiter kaum mehr zu haben. Darum blieb nichts übrig, als unter Umgehung dieses Sammelbeckens sich geradeswegs an die Quellen zu begeben, was ja einem Rechtsanwalt immerhin möglich war.

So kam also Herr Doktor Habergais mit sich überein, von rechtsuchenden Bauern selbst Beiträge zu erbitten.

Ein in seiner Gemeinde Weidach wohlangesehener Ökonom, Jakob Hirtner, genannt Matheiser, kam in seiner Angelegenheit zu Habergais, als dessen Entschluß gerade gereift war.

Nach dem Geschäftlichen ging der Rechtsanwalt zu einem jovialen Ton über, klopfte dem Matheiser auf die Schulter und begann zu fragen.

„Hirtner, nicht wahr, bei Ihnen in Weidach wird doch häufig gesungen?“

„G’sunga?“

„Ich meine die jungen Mädchen, die zum Brunnen gehen, die Burschen auf der Landstraße — —“

„Brunna?“

„Ja, die Mädchen, die vom Dorfbrunnen Wasser holen — —“

„Mir hamm ja gar koan Dorfbrunna net — —“

„Nu also, bei einer anderen Gelegenheit, nach der Arbeit, wenn der Abend sinkt — —“

„Bei ins hat a jeda selm sein Brunna — —“

„Ich sage Ihnen ja, die Gelegenheit, bei der es geschieht, ist ganz Nebensache. Ich denke überhaupt an den Feierabend, wenn alt und jung vor den Türen steht — —“

„Beim Schuastahansl waar scho a Brunna bei da Straß hiebei, aba dersell hat koa Wassa it — —“

„Ja ... ja ... lassen wir diese Brunnenfrage endgültig fallen. Ich möchte nur in Erfahrung bringen, was diese jungen Mädchen, verstehen Sie, Matheiser, welche Lieder sie singen.“

„Han?“

„Und Sie sollen mir dabei helfen, Matheiser. Sie sollen mir die Texte verschaffen.“

„Han?“

„Sie müssen mir aufschreiben oder aufschreiben lassen, Wort für Wort, was eure jungen Mädchen singen.“

„I?“

„Jawohl, und ich will Ihnen genau sagen, wie Sie das machen müssen ...“

„Ja, was woaß denn i?“

„Also, passen Sie auf! Nicht wahr, zum Beispiel, Sie hören die Anna oder die Liesel singen ...“

„Was für a Liesel?“

„Irgendeine; ich meine irgendein Mädchen, das nächstbeste Mädchen hören Sie singen ...“

„Bal i aba koane hör’?“

Herr Doktor Habergais sah mit einem gramvollen Zug im Gesichte sein Gegenüber an, und er fühlte, wie eine nervöse Abspannung, ein prickelndes Gefühl den Rücken entlang seinen Eifer vermindern wollte; aber er gab sich einen Ruck, er lächelte, er klopfte Herrn Hirtner mit der flachen Hand auf die Schulter, obwohl sich ihm die Finger krümmten, obwohl sich ihm die Hand ballen wollte. „Verstehen Sie mich wohl, Matheiser, Sie hören schon eine, oder Ihr Nachbar hört eine, oder Ihre Frau hört eine ...“

Habergais sprach jedes Wort scharf und gereizt aus. „Gut also, irgend jemand hört irgendeine“ — es klang wie ein Befehl —, „verstanden, dann gehen Sie zu ihr hin und sagen: Meine liebe Liesel ...“

Hier wollte nun Hirtner doch nicht länger schweigen.

„Was für a Liesel?“

„Herrgott, Mensch! Matheiser, will ich sagen, Liesel, Anna, Marie, ganz wurscht, wie sie heißt; Sie sagen zu ihr: Mein liebes Mädchen“ — Habergais machte hinter jedem Wort eine Pause und schrie das nachfolgende um so lauter —, „mein liebes Mädchen, du hast soeben ein Lied gesungen. Welches ist der Inhalt desselben? Sprich mir die Worte vor, oder, noch besser, schreibe sie mir auf! Das sagen Sie zu ihr! Haben Sie mich jetzt verstanden, Matheiser?“

„Na!“

Der Rechtsanwalt setzte sich und blickte zu Boden, während eine fliegende Hitzwelle von seinem Nacken über die Ohrlappen hinzog, während seine Stirnhaut pelzig wurde, bis dann ein erlösender Schweiß ausbrach.

„Sie haben mich nicht verstanden?“

Die Frage klang heiser.

„Weil Sie sag’n von an Brunna, und weil mi do koan Brunna durchaus gar it hamm ...“

„Ja, wer redet denn noch von einem Brunnen? Ja, wer redet denn noch von einem blöden Himmelherrgottsakramentsbrunnen?“

„Net?“

„Nein! Aber ich will von vorne anfangen. Setzen Sie sich einmal, Matheiser! Da, mir gegenüber — so! Also lassen wir in drei Teufels ... also lassen wir die Mädchen ... nicht wahr, Ihre Burschen singen doch auch?“

„Bal’s b’suffa san, scho ...“

„Nüchtern oder betrunken ... das ist mir jetzt ganz egal ... Matheiser ... jetzt schweifen Sie nicht mehr ab!... Belauschen Sie Ihre Burschen ...“

„Wia?“

„Hö—ren Sie ihnen zu! Hö—ren Sie den jung—en Bur—schen zu!“

„Bal’s b’suffa san?“

„Wenn sie sing—en! Nicht wahr?“

„De plärr’n scho a so, daß ma’s hört ...“

„Ja — also, dann können Sie um so leichter tun, was ich meine. Hören Sie ihnen zu und schreiben Sie auf, was die Burschen singen ...“

„Schreib’n? Allssammete?“

„Jawohl! Ich will die Lieder sammeln. Ich will genau wissen, was für Lieder sie singen ...“

„Ja ... aba ...“

„Nichts aber. Sie können doch schreiben, nicht wahr ...? Es braucht nicht schön zu sein ... Sie schreiben einfach Wort für Wort auf, und damit Sie es lieber tun, will ich Ihnen für jedes Lied was bezahlen. Verstehen Sie mich jetzt?“

„Ja, guat! I vasteh Eahna ganz guat ...“

„Na, endlich? Und dann sind wir einig?“

„Was kriag i nacha, bal i schreib?“

„Hm ... sagen wir ... für jedes Lied ... hm ... sagen wir fünfzig Pfennige ...“

„A Fufzgerl?“

„Für jedes Lied; wenn Sie mir zum Beispiel sechs bringen, bekommen Sie drei Mark, einen Taler, Matheiser.“

„Aha, an Taler! Na bring i halt sechsi ...“

„Soviel Sie eben hören, nicht wahr? Es können mehr sein, es können weniger sein ...“

„Ja ... ja ... sechsi wern’s leicht ...“

„Gut, und damit adieu, Matheiser!“

„S’ Good, Herr Dokta!“

Habergais blickte dem Ökonomen nach, lange und sinnend.

Denn hier drängte sich nun auch ein Allgemeines und ein Besonderes der Betrachtung auf. Die schlichte, geradeaus zielende Art, zu denken, welche dem Volke eignet, dieses Festhalten an einer Vorstellung und diese gewisse Unbiegsamkeit der Folgerungen, welche in einer Linie auf einen Punkt hinstreben und nie nach den Seiten hin ausladen. Dieses schien ein Problem zu sein, und zwar ein beachtenswertes.

**
*

Tja — ja.

Übrigens waren seitdem etwa drei Wochen ins Land gegangen, und Doktor Habergais gedachte wohl öfter seines Vorhabens und malte sich nicht ohne Behaglichkeit die literarischen Aufgaben aus, welche ihm die Wintermonate verkürzen konnten.

Er blätterte in dem Hefte aus schönem Büttenpapier und sah im Geiste die Seiten mit reinlicher Schrift gefüllt, die Titel der Lieder in zierlicher Rundschrift in die Mitte gesetzt, dann den roten Strich, und kluge landeskundige Anmerkungen und Erläuterungen darunter geschrieben.

Es konnten sehr lange, begleitende Kommentare werden, wenn man etwas Dialektforschung trieb, über Wortwerte, Wertunterschiede einzelner Dialektformen sich verbreitete, Belegstellen anführte und überhaupt wissenschaftlich verfuhr.

Ob sich der Matheiser noch an sein Versprechen erinnerte?

Es däuchte Herrn Doktor Habergais manches Mal zweifelhaft, aber dann glaubte er doch wieder, daß die Freude am leichten Verdienst den Mann anspornen könnte.

Und wirklich kam eines Vormittags Jakob Hirtner zur Türe herein und holte ein in Zeitungen gewickeltes verknittertes Schulheft aus der Tasche.

„Ha! da ist ja mein Mitarbeiter ... da ist ja der Matheiser! Na, also haben Sie Lieder gefunden?“

„Herr Dokta, i sag’s glei, wia’s is, schö hab i net g’schrieb’n ...“

„Macht doch nichts!“

„Und ... an Arbeit is dös! Des sell tat i fei nimma! A Markl derfat’n S’ no extra zahl’n, a so hab i mi scho plagt ...“

„Darüber läßt sich reden ...“

„D’ Bäurin hat aa g’sagt, daß dös koa Macha net is, sagt’s, und wei ma mit da Tint’n a so umanandschmiert, sagt’s ...“

„Wie viele Lieder haben Sie denn, Matheiser?“

„Sechsi, wia ma’s ausg’macht ham.“

„Sechs? Bravo! Das ist schon ein Anfang!“

„Ja, san drei Markl, und oane derfat’n S’ no spitz’n, weil d’ Bäurin aa sagt, dössell derfat ihr nimma fürkemma ...“

„Na — gut, Matheiser! Ich gebe Ihnen vier Mark, aber Sie versprechen mir, daß Sie auch weiter für mich sammeln, das heißt gelegentlich ein Lied aufschreiben ...“

„Na ... na! Herr Dokta, dössell konn i durchaus gar it vasprecha, und mit’n Schreib’n hon i’s überhaupts it. I tua ma scho so bluati hart, daß ’s höcha nimma geht ...“

„No ... no ... Matheiser, so schlimm ist das nicht. Später haben Sie vielleicht selber Freude daran ...“

„Dös glaab i gar it.“

„Da haben Sie vier Mark, und nun geben Sie mir Ihre Aufschreibungen!“

Hirtner nahm das Geld und wickelte das fettige Zeitungspapier auseinander.

„I ho’s in a Heft von mein Deandl einig’schrieb’n,“ bemerkte er, „müassen’s scho entschuldinga, bal’s it schö g’schrieb’n is ...“

„Das ist ganz nebensächlich ... nur her damit!“

Doktor Habergais nahm nicht ohne Hast das verschmierte, öl-, tinten- und fettfleckige Heft an sich und öffnete es.

Es war wirklich auf den ersten Blick zu erkennen, daß hier eine ungeübte, schwere Hand gewaltet hatte, aber das gerade verlieh dem Ganzen einen gewissen Reiz.

Wie die Buchstaben bald schief, bald gerade standen, wie die Zeilen bergauf und talab liefen, wie hier die Feder sich gesträubt und dort festgehakt hatte, wie sie hier ausgeglitten war und dort sich mühsam in das Papier eingebohrt hatte, wie unter verwischten, aufgeschleckten länglichen und runden Klecksen Buchstaben, halbe Worte, ganze Worte versteckt lagen, alles das war unvergleichlich anziehender als etwa eine glatte, charakterlose Schrift.

Eben weil es echt war, von unleugbar schwielenbedeckter Hand oder — nein! — Faust mühsam hingesetzt.

Habergais lächelte befriedigt und begann zu lesen.

Äs ... p ... brr ... prraußt ... ein ... r ... rh ... ruhf ... wie t ... tohner ... hal ... wie s ... ß ... schwärth ... ke ... geklirr un ... wa ... wah ... gen ... bral ...“

..................................??

„Was ist das? Was soll das sein, Matheiser?“

„Han?“

„Was das sein soll, frage ich.“

„A Liad ...“

„Das ist doch ‚Die Wacht am Rhein‘!“

„Ko scho sei, daß ’s a so hoaßt ...“

„Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen mir Lieder aufschreiben, die Ihre Burschen singen —“

„Ja, dös singan s’.“

„Das??“

„Dös singan s’ fei gern!“

„Also ... Matheiser ...!“

Habergais überflog die anderen Seiten, die aus Bruchstücken erkenntlichen Lieder.

Ein sehr langes. „Heul unsern Känig ... heul!“ ein kurzes „... im gruhnen walth is holzauxion ...“ und wieder „O du liber augastien“, „Ich hath einen Kahmeraten“ und das letzte noch „Das schöne land, wo meine wihge stand.“ Der Rechtsgelehrte blickte den Ökonomen durchdringend an.

„Also das sind ...??“

„Dös singan s’ allssammete,“ sagte Hirtner treuherzig und ohne Arg ... „und derfan S’ g’wiß glaab’n, Herr Dokta, daß i mi schö plagt hab’, und d’ Bäurin sagt aa, mit dem Glump derfst ma nimma komma, sagt s’ ...“

„Es ist recht, Matheiser, Sie haben Ihre vier Mark, gehen Sie!“

„Und, sagt d’ Bäurin, a so a spinnate Arbet, sagt s’, muaß ’s net glei wieda geb’n ...“

„Gehen Sie, sage ich!“

„Und ... Herr Dokta ... bal ’s grad gang, soll i Eahna nomal a sechsi aufschreib’n ...?“

Habergais wollte heftig werden, besann sich eines Besseren und sagte mild:

„Nein, Matheiser, es genügt ...“

„Aba wenn S’ moanen?“

„Es genügt. Adieu!“

„S’ Good, Herr Dokta!“

Auf dem Bahnsteig

Es wird Herbst!“ sagte Major Burkhardt und blickte den Studienlehrer fest an mit seinen furchtlosen Soldatenaugen.

Er sagte es mit Betonung, als suchte er in seinem Begleiter bestimmte Vorstellungen zu erwecken.

„Ja — — ja,“ seufzte Professor Hasleitner, „es wird allmählich kalt.“

„Und ungemütlich. Kalt und ungemütlich.“

Der Major wies auf die Kastanien vor dem Dornsteiner Bahnhofe, deren gelbe Blätter sich fröstelnd zusammenkrümmten.

„Um fünf Uhr wird es Nacht. Ein schlecht geheiztes Zimmer. Eine qualmende Lampe. Die Zugeherin bringt lauwarmes Essen aus dem Gasthof. Stellt es unfreundlich auf den Tisch. Das ist Ihr Leben.“

Hasleitner hatte ins Weite geblickt, zu dem Walde hinüber, an dessen Fichten der Nebel lange Fetzen zurückließ.

Der soldatisch bestimmte Ton des pensionierten Majors weckte ihn auf.

„Wie?“ fragte er.

„Ich sage, Sie müssen heiraten.“

Der alte Soldat deutete auf die tiefer gelegene Stadt, deren Häuser behaglich aneinandergerückt waren.

„Das ist das Glück!“ sagte er. „Eine Frau am Herde, fleißig, um unser Wohl besorgt und stattlich.“

Er beschrieb mit der Rechten eine nach rückwärts ausbauchende runde Linie.

„Und stattlich!“ wiederholte er.

Hasleitner sah, wie es weiß und grau und dick und dünn aus vielen Kaminen rauchte, und er schien die Gemütlichkeit des Anblickes zu verstehen.

In seine Augen trat ein freundlicher Schimmer, und man konnte glauben, daß er an Herdfeuer dachte, oder an die runde, sich nach rückwärts ausbauchende Linie.

Überhaupt, er war ein träumerischer Mensch.

Sorglos im Äußeren, den Hemdkragen nicht immer blendend weiß, die Krawatte verschoben, den Bart naß von der letzten Suppe, aber in den Augen Herzensgüte, im ganzen Wesen eine Verträumtheit, die immer wieder zum Nasenbohren führte.

Kein Mann, der Backfische begeistern konnte, aber einer, der älteren Töchtern hundert Dinge zeigte, die man in lieber Häuslichkeit flicken, stopfen und bürsten mochte.

Und doch — dieser Mann, geschaffen, von den Ärmeln einer bürgerlichen Schlafjacke umfangen zu werden, war durch eine seltsame Laune des Schicksals mit einer verdorbenen Phantasie belastet, also daß seine Gedanken an das weibliche Geschlecht sich stets mit Vorstellungen von Eisbärenfellen verbanden, von Eisbärenfellen, auf denen dünne, lasterhafte Beine in schwarzen Seidenstrümpfen ruhten. Noch dazu lehrte er die Wissenschaft der Geographie und stieß auf der Landkarte immer wieder auf Orte, wo seine Sinne knisternde Seide und herrlich verstöpselte Parfüms vermuten durften.

Paris — Wien — Budapest —

Ein Gefühl, das mit seiner heimlichen Sehnsucht zusammenhing, trieb ihn täglich zum Bahnhofe, wo Punkt fünf Uhr der große Schnellzug hielt, der glücklichere Menschen von einer Großstadt in die andere führte.

Hier hatte nun der quieszierte Major den Träumer angesprochen, und ein freundlicher Zufall fügte es, daß beide, als sie auf dem Bahnsteige kehrtmachten, der Gattin des Offiziers gegenüberstanden, wie auch der Tochter Elise.

In merkwürdig schnellem Gedankengange brachte der Professor das vorausgegangene Gespräch von Stattlichkeit in Zusammenhang mit der Erscheinung Elisens, und vielleicht ohne daß er es wollte, drang seine unlautere Phantasie dem älteren Mädchen durch Mantel und Rock und begann, sich Dinge auszumalen.

Freilich nicht langgestreckte, seidenumhüllte Beine, aber Rundlichkeiten, mit denen sich die Vorstellung von Wärme und Innigkeit verbindet.

Die Tochter des Majors fühlte den sengenden Blick des Philologen, und als eine reife Blume, die sie war, öffnete sie willig ihre Blätter den wärmenden Strahlen. Dieses heimliche, unbewußte Suchen und dieses bewußte Entgegenkommen spann Fäden zwischen den beiden, welche das erfahrene Mädchen bald genug aufzuspulen beschloß, und es schickte sich alsbald mit einem lieblichen Lächeln dazu an.

Freilich war dieser Professor kein Gegenstand für brennende Wünsche und verzehrende Glut, indessen wohl ein Objekt, das sich mit baumwollenen Ärmeln sanft umfangen ließ, nachdem es vorher sorgfältig gereinigt war.

Keine berauschend süße Frucht, sondern ein säuerlicher deutscher Hausapfel, der aber, im Kachelofen gebraten, einigen Wohlgeschmack bieten konnte.

Und das Mädchen schickte sich alsbald an, den heimlichen Faden zu ergreifen, als mit dumpfem Brausen der Schnellzug in die Station einfuhr.

Die riesige Lokomotive schnaufte, als wäre sie in der langen, stürmischen Fahrt außer Atem gekommen, und die langen, schönen Wagen standen da, als ruhten sie kurze Augenblicke, um weiterzujagen in die weite Welt.

Mit einem Male hatte Hasleitner alle Gedanken an runde Mädchenreize vergessen; sie versanken vor ihm, er sah sie nicht mehr.

Dort im ersten Coupé schob eine schmale Hand den Vorhang zurück, und ein Paar müde Augen blickten entsetzt auf die Philister, hier prallte ein entzückender Kopf entrüstet zurück.

Es war die große Welt, die eine Minute lang Dornsteiner Luft einzog und Pariser Odeurs zurückgab.

Und da stand es auf weißen Tafeln und war darum kein phantastisches Märchen: Paris — Avricourt — Wien —

Ja ... ja ... diese nämlichen Wagen waren gestern noch in Paris gewesen!

Jene fabelhaften Damen, von denen man sich erzählt, daß sie gierig und unerbittlich Jagd machen auf gut gebaute Männer, waren an ihnen vorbeigewandelt, hatten süße Blicke in sie hineingeworfen, und von ihrem Dufte hing etwas an Türen und Fenstern und verwirrte den Sinn eines deutschen Jugendbildners.

Wußte man, ob nicht eine solche Tigerin da drinnen auf schwellenden Polstern saß und einen breitbrüstigen Germanen mit ihren Blicken verschlang?

Odette, Suzette — Germaine — ah!

Hier steht ein Gymnasiallehrer von gänzlich unverdorbener Jugend, und der für schlanke Waden und schwarze Strümpfe die heftigsten Empfindungen angestaut hat.

Warum seufzt ihr erleichtert auf, da sich nun der Zug in Bewegung setzt?

Ihr saht erstaunt auf die Kostüme, die im Dornsteiner Atelier für modes und confection kreiert waren, ihr saht Spitzbäuche und gepreßte Busen, faltenreiche Hosen und geschmierte Stiefel, aber ihr saht nicht in das Herz des blonden Professors und wißt nicht, wie er so ganz der Eure ist!

Fort!

Die Lokomotive pfeift jubelnd aus der Station hinaus, als freute auch sie sich, diesem Neste entronnen zu sein ...

Diesem Himmelherrgott ...

„Warum so träumerisch?“ lispelte Elise und blickte schelmisch auf den Professor, der dem Zuge nachstarrte und in der Nase bohrte.

Da traf sie ein Blick, so leer, so fremd und so feindselig ..., daß sie unter dem flanellenen Höschen eine Gänsehaut überlief.

— — Der Faden war zerrissen — —

Tja — —!

Eine bunte Gesellschaft, wie sie die Sommerfrische zusammenführt, saß im Postgarten zu Binswang und freute sich des schönen Abends und führte kluge Gespräche über dies und das. Alle Anwesenden vorzustellen, wäre ermüdend, denn es waren zwei lange Tische, an denen in dichter Folge Männer und Frauen saßen, und es genüge hier zu sagen, daß ein Kommerzienrat Diestelkamp aus Barmen, wie auch ein Landgerichtsdirektor Höfler aus Fürth und ein pensionierter Hauptmann darunter waren und dem Kreise das Gepräge der besseren Gesellschaft verliehen.

Auch das bedeutende oder interessante Element fehlte nicht, da am Vormittage der bekannte Schriftsteller Harry Mertens eingetroffen war, dessen lyrische Gedichte und Versdramen nicht erst hervorgehoben werden müssen.

Er saß neben seiner Frau, die ihn an Stattlichkeit bei weitem übertraf, denn er war eine kleine semmelblonde Erscheinung mit kreisrunden blauen Augen und einem merkwürdig entsagungsvollen Lächeln um den süßen Dichtermund, während sie einen heftig arbeitenden Busen und pralle Arme und ein Doppelkinn hatte.

Die Gesellschaft würdigte vollkommen die Ehre, mit einem gedruckten, besprochenen und aufgeführten Genius unseres Volkes an einem Tische zu sitzen, und nicht nur waren es die Damen, welche mit leuchtenden Augen an ihm hingen, sondern auch die Herren Diestelkamp und Höfler legten eine mit Neugierde vermischte Ehrerbietung an den Tag.

Man hatte unmittelbar nach Mertens Ankunft nicht geahnt, mit wem man es zu tun hatte, und Frau Mertens hatte nicht früher als beim ersten Mittagmahle Gelegenheit gefunden, solche Bemerkungen hinzustreuen, welche allgemeine Aufklärung verschafften, indem sie laut nach einer Zeitung rief und den Semmelblonden fragte, ob nichts von ihm oder über ihn darin stünde. Sie wiederholte die Frage, schlug die stark rauschenden Blätter hastig um, überflog das Gedruckte und sagte, daß zu ihrer Verwunderung keine Notiz zu finden sei.

Sie beruhigte sich erst, als die Pfeile saßen und von den Nebentischen forschende Blicke ihren Mann streiften, der seine Suppe aß und sich apathisch wie ein dem Publikum vorgezeigter Menagerielöwe verhielt.

Frau Mertens warf zwischen Rindfleisch und Mehlspeise und zwischen Mehlspeise und Kaffee noch mehrmals die Angel aus, und als man sich erhob, biß Frau Direktor Höfler an und erhielt auf schüchterne Fragen eine erschöpfende Belehrung über das Stück Literaturgeschichte, welches der Zufall in ihren Kreis geworfen hatte.

Am Abend war dann alle Welt so unterrichtet, daß sie dem Dichter Bewunderung zeigen und Kenntnis seiner Werke heucheln konnte.

„Woher nehmen Sie Ihre Stoffe?“ fragte Landgerichtsdirektor Höfler, der hier zum ersten Male eines Genius inquirieren konnte und entschlossen war, das Wesen der Schriftstellerei zu zerlegen. „Bietet sich Ihnen der Stoff, wenn ich so sagen darf, zufällig dar, oder erfassen Sie durch einen Willensakt die Materie, der Sie dann poetische Form verleihen?“

„Tja ...“ sagte der Dichter.

„Ich meine, gehen Sie mit Überlegung und Absicht an das Objekt heran, oder drängt es sich unabhängig und gewissermaßen fertig Ihrem subjektiven Empfinden auf, oder ...“

„Tja ...“ sagte der Dichter.

Oder,“ wiederholte Höfler mit erhobener Stimme, denn er liebte es nicht, unterbrochen zu werden, „oder ist die Produktion in ihrem ersten Stadium ein von den den Willen bildenden Momenten unabhängiger Vorgang Ihrer Phantasie, welcher dann erst in seinem späteren Verlaufe in den Bereich Ihrer geistigen Machtsphäre gelangt und so Ihrem formenden Verstande unterworfen wird?“

„Er macht alles mit der Phantasie,“ warf Frau Mertens ein, „er sitzt oft den ganzen Tag da und hat bloß Phantasie im Kopf; und dann kann man mit ihm reden, was man will, — er hört einen nicht.“

„Das wäre also ein passiv empfangender Vorgang, der zeitlich dem aktiv gestaltenden vorausgeht,“ bestätigte Direktor Höfler und sammelte zustimmendes Kopfnicken ein, indem er die Tafel entlang blickte.

„Ich denke es mir furchtbar interessant,“ sagte Frau Kommerzienrat Diestelkamp, „wie so eine Dichtung entsteht; das muß zu spannend sein! Was hat man da nun eigentlich für ein Gefühl dabei?“

„Tja ...“ sagte der Dichter.

„Das kann ich Ihnen ganz genau sagen, was wir da für ein Gefühl haben,“ warf wiederum Frau Mertens ein. „Zuerst, wenn wir anfangen, ist es sehr nett, weil man sich darauf freut, und dann in der Mitte wird es traurig, weil es oft nicht geht, aber dann, wenn es heraußen ist, sind wir wieder froh.“

„Ich kann mir das sehr gut vorstellen,“ meinte Frau Diestelkamp, „zuerst und dann ...“

„So daß wir gewissermaßen drei Momente der aktiven Gestaltung unterscheiden,“ warf der Direktor in erklärender Weise ein, „der von Hoffnungen getragene Beginn, das behinderte Werden und die Erleichterung der Vollendung.“

„Ja, ich bin immer erleichtert, wenn er es heraußen hat, denn Sie glauben nicht, was man als Frau dabei aussteht. Beim zweiten Akt ist es am ärgsten, weil man da immer stecken bleibt. Beim ersten hat er noch Appetit und schläft gut und hat auch seinen regelmäßigen Stuhlgang. Sie entschuldigen, wenn ich das erzähle ...“

„Aber ich bitte Sie, es ist ja so interessant,“ unterbrach hier Frau Diestelkamp die lebhafte Dichtersgattin, welche sogleich fortfuhr: „Ja, beim ersten Akt ist alles in Ordnung, aber sowie der zweite angeht, ißt er weniger und wacht mitten in der Nacht auf und verliert seine Regelmäßigkeit und verändert sich überhaupt. Ich kenne es sofort, wenn der zweite Akt angeht, und ich sage dann zu meiner Köchin, daß sie leicht verdauliche Speisen kocht, und daß mir immer Kompott auf den Tisch kommt, und ich lasse ihn dann auch fleißig Hunyadywasser trinken, bis wir den zweiten Akt heraußen haben, denn der dritte geht schon wieder viel leichter. Er kriegt dann eine bessere Gesichtsfarbe und schwitzt auch nicht mehr so stark in der Nacht.“

„Also die Lösung des Knotens gestaltet sich weniger schwierig, Herr Mertens?“ wandte sich der Direktor an den Mann, der sich teilnahmslos erklären ließ.

„Tja ...“ antwortete dieser und schnitt an seinem Rettig weiter.

Seine Frau aber ließ den Faden nicht aus der Hand gleiten.

„Der dritte Akt geht auch viel schneller. Wir haben höchstens vierzehn Tage Arbeit damit. Heuer, beim ‚Barbarossa‘ haben wir drei Wochen gebraucht, weil eine Szene vorkam, wo sich alles reimen mußte. Ich habe es ihm gleich gesagt, daß wir stecken bleiben; aber es war eine Liebeserklärung, und da hat er es so im Kopf gehabt. Ein paar Tage hat es gefährlich ausgesehen, und meiner Köchin ist es auch aufgefallen. Sie hat mich gleich gefragt: ‚Was hat denn der gnä’ Herr? Es wird doch um Gottes willen nicht schon wieder einen zweiten Akt geben?‘ ‚Nein,‘ sagte ich, ‚Lina, den haben wir dieses Jahr glücklich hinter uns, aber es muß sich vier oder fünf Seiten voll reimen, und Sie können ja für morgen eine Eierspeise mit Pflaumenmus richten, und wenn es dann noch nicht besser wird, wollen wir schon sehen.‘ Aber zum Glück waren dann am andern Tag die Verse heraußen, und es ging wieder von selbst.“

Die Frauen der Tafelrunde hatten mit großem Ernste zugehört und nickten nun verständnisvoll mit den Köpfen.

„So lebt man doch eigentlich als Frau die Werke seines Mannes mit!“ unterbrach Frau Direktor Höfler das kurze Schweigen.

„Ich kann es mir so gut vorstellen!“ sagte Frau Kommerzienrat Diestelkamp.

„Sie dürfen mir glauben, daß ich als Frau meinen Kopf beisammen haben muß, wenn er dichtet.“

Frau Mertens zeigte bei diesen Worten auf ihren Gatten, der kindlich lächelnd seinen Rettig einsalzte. „Ich muß an alles denken, und mich trifft es viel härter wie ihn. Er sitzt einfach in seinem Zimmer und schreibt, aber ich habe die Haushaltung und muß genau achtgeben, daß wir noch waschen und reinemachen, vor der zweite Akt angeht, denn dann ist keine Zeit mehr zu so was, und es muß gut eingeteilt werden. Wie wir den ‚Perikles‘ gedichtet haben, sind wir mit dem Stöbern gerade noch drei Tage in den zweiten Akt hineingekommen, und ich kann Ihnen bloß sagen, ich möchte das nicht wieder erleben, und ich habe auch beim ‚Theodorich‘ eine zweite Zugeherin genommen, daß wir nur ja schnell fertig geworden sind.“

„Wie interessant!“ rief Frau Diestelkamp aus, „es wird einem alles so näher gebracht. Ich habe bis jetzt gar keine rechte Vorstellung gehabt, wie es wohl in Dichterfamilien ist, und nun verstehe ich manches.“

„Sie müssen aber trotzdem sehr glücklich sein,“ fügte Frau Höfler hinzu. „Als Gattin eines Dichters! Ich stelle mir das entzückend vor.“

„Ich möchte mit niemand tauschen,“ erwiderte Frau Mertens, „obschon manches vorkommt, was einem Sorgen macht. Denken Sie sich, wir haben fünfzehn Jahre lang romantisch gedichtet, und jetzt geht das nicht mehr, und wir müssen modern schreiben, oder realistisch, wie man auch sagt. Das ist ein Schlag, kann ich Sie versichern! Mein Mann wollte noch immer nicht, aber was kann man gegen die Kritiker machen?“

„Erlauben Sie mir die Bemerkung, gnädige Frau, daß ich da ganz auf Seite Ihres verehrten Gemahls stehe,“ rief Herr Diestelkamp, „wir wollen gerade in unserer nüchternen Zeit die Romantik nicht missen, und wir suchen bei unsern Dichtern die herrliche Quelle der ... den ... den Ritt in ... ich wollte sagen, wir wollen immer noch einen Trunk aus der romantischen Quelle schlürfen.“

„Es geht nicht,“ sagte Frau Mertens mit einer Schärfe, die erraten ließ, daß man hier auf ein eheliches Streitthema gekommen war; „es geht durchaus nicht. Das nächste Stück muß er modern schreiben. Ich will nicht, daß die Zeitungen noch einmal von veralteter Manier schreiben, oder daß die Frau Nathusius die Nase rümpft, wenn sie mir begegnet, weil ihr Mann schon dreimal hochmodern gedichtet hat.“

„Aber die romantische Muse Ihres Mannes wird sich dagegen sträuben,“ sagte Direktor Höfler.

„Sie hat sich gesträubt,“ rief die streitbare Frau und blickte dabei mit einiger Strenge auf ihren Mann, der den endlich weinenden Rettig aß; „sie hat sich allerdings gesträubt, aber das ist jetzt vorbei. Ich muß es auch aushalten, und wenn es noch schlimmer wird bei den zweiten Akten.“

„So geben also auch Sie den Ritt ins alte romantische Land auf?“ fragte Diestelkamp, der sich nun auf das Zitat besonnen hatte, mit starkem Pathos.

„Tja ...“ antwortete der Dichter.

Der Biedermann

Der alte Buchberger Hans saß auf der Hausbank und ließ sich so behaglich wie die Katze neben ihm die warme Märzensonne auf den Pelz brennen. Auf dem Dache zerging der letzte Schnee, und eintönig plätscherte es von der Rinne auf die Kieselsteine. Drüben am Waldrande lag schon ein grüner Schimmer über den Sträuchern, und dem Hans kamen fröhliche Gedanken von schönen Tagen und Wiederaufwachen aus langem Schlafe.

Zufrieden patschte er sich auf das linke Knie und rieb ein wenig daran.

Das war auch wieder gut geworden; viel besser, als er geglaubt hatte nach dem bösen Fall im vorigen Jahre.

Hätte leicht steif bleiben können, und das wäre ihm hart gefallen in seinen alten Tagen, und weil er ja auch noch arbeiten wollte neben den Jungen in dem kleinen Haushalte, der jede Beihilfe brauchen konnte.

Aber so war es nun wieder recht geworden. Der Unfall zahlte ihm fünfzehn Mark alle Monate, und weiß Gott, wie wohl ihnen das Bargeld tat, wenn es noch so wenig war, und faulenzen brauchte er deswegen doch nicht.

Er schlenkerte mit dem Fuß und streckte ihn wieder geradeaus.

Es ging schon, jawohl, und vor ein paar Tagen war er mit dem Jungen auch auf der Bergwiese droben gewesen und war rechtschaffen müd geworden.

Aber es ging und wurde alleweil besser.

Alleweil besser.

Da schau her! Den sonnigen Hang herauf kam ein Spaziergänger, ein städtischer Herr, der oft stehenblieb und ausschnaufte.

Tat halt einem jeden wohl, Wärme und Sonnenschein.

Jetzt nahm der Herr den Hut ab und trocknete sich die Stirne.

Der sah beinahe aus wie der Bezirksarzt mit seinem langen Vollbart, und so groß und breitschultrig war er auch.

Richtig, da fiel dem Buchberger ein, daß die Leitnerbäuerin krank war, und vielleicht ging jetzt der Doktor zu ihr ...

Und war schon so.

Von weitem schon lachte der Bezirksarzt freundlich, wie er den Alten erkannte, und der Hans stand auf und grüßte höflich.

„Das is ja der Buchberger? Grüß Gott! Darf ich mich a bissel hersetzen?“

„Ja freili, Herr Bezirksarzt! Oder soll i an Sessel außa hol’n?“

„Na! I sitz gut g’nug.“

„Gengan’s g’wiß zum Leitner aufi?“

„Ja ... mhm ... no, wie geht’s Ihnen?“

„Guat ... Herr Bezirksarzt ... Bin woh z’fried’n ...“

„Das hört man gern ... ja! so ein alter Veteran laßt nicht aus!“

Der leutselige Bezirksarzt klopfte dem Hans auf die Schulter und schaute ihm mit herzlichem Wohlwollen in die Augen.

„Sie sind ja noch einer von Anno siebzig?“ fragte er.

„Siebazgi und sechsasechzgi.“

„Und sechsundsechzig! Allen Respekt! Da haben Sie was durchg’macht im Leben!“

„Ja ... dös ko ma wohl sag’n.“

„Fürs deutsche Vaterland!“

Und der freundliche Mann tätschelte wieder den braven alten Soldaten auf die Achsel.

„No, von sechsasechzgi kann i net viel prahl’n,“ sagte der Hans. „Da san ma de mehra Zeit retariert, weil si koa Mensch net auskennt hot und überhaupts ...“

„Ja ... ja ... der Bruderkrieg!“ sagte der Arzt lächelnd.

„Aba ... siebazgi! Sakera Hosenzwickl! Da hamm’s as ins dafür ei’kocht! I bin bei Wörth dabeig’wen und bei Sedan ... und nacha bei Orleanß hinten! Bei Kulmirs hamm s’ an Major Gruaba neben meiner aufi g’schoss’n, und i und da Hage Pauli, mir hamm an im größt’n Feuer z’ruckbracht ... und hab aa ’s Eiserne Kreuz kriagt für dös und bin belobigt wor’n vorn ganz’n Regament ...“

„Ja, was Sie sagen!“

Der Bezirksarzt streckte dem eifrigen Alten seine Hand hin. „Respekt — Buchberger! Ein deutscher Ritter des Eisernen Kreuzes! Da müssen wir Jüngeren den Hut ziehen!“

„No ja! Es hätten’s eigentli alle vadeant, denn was mir selbigsmal durchg’macht hamm, dös war a wengl hart ... und i sag’s oft, de junga Leut achten’s nimmer a so, aba es hat scho was braucht!“

„Ja, die jungen Leute! Die werden von den sozialdemokratischen Zeitungen vergiftet. Das findet man nicht mehr, wie früher ... diese ... diese Einfachheit und ... ah ... diese ... diese Vaterlandsliebe ...“

„Gel? I sag’s aa’r allaweil! De Patriot’n san nimmer gar so viel! Und wenn ma was sagt, wurd ma glei ausg’lacht von de Grasteufl!...“

„Es ist schlimm, Buchberger! Schlimm! Aber ein alter Soldat, wie Sie, der laßt sich nicht irrmachen ...“

„Ja, was waar denn net dös? I laß net aus.“

„Einer von der alten Garde! Han?“

„Und de Erinnerung gab i net her ... dös derfen S’ g’wiß glaab’n, Herr Dokta ... Sakera Hosenzwickl ... wia mir einmarschiert san ...“

„In Paris? Was?“

„In Paris net; da bin i net dabeig’wen, weil inser Regament heraußd bleib’n hat müass’n ... aba in Münk’n ... do bin i nobl mit ...“

„Vor dem Kronprinz’n?“

„Und an Kini; vor der Feldherrnhalle san ma an eahm vorbei ...“

„Parademarsch?...“

„Dös glaab i! Neig’haut, daß d’ Stoa g’wackelt hamm!“

„Eins ... zwei! Eins ... zwei ...! Ob’s heut noch ging, Buchberger?“

„Probier ma’s!“ lachte der Alte und sprang von der Bank auf und nahm die Hände an die Hosennaht. Augen links! nach dem Bezirksarzt, und eins und zwei ... eins und zwei ... und es ging noch.

Freilich nicht mehr so stramm, daß die Steine wackelten, aber ganz passabel, daß der joviale Arzt in die Hände patschte und herzhaft lachte.

„Bravo, Buchberger!“ rief er, als sich der Hans wieder setzte und patschte ihm urkräftig auf das Knie ... „ja, ihr alten Veteranen, ihr seid aus einem andern Stahl als wir!“

„Woaß net,“ sagte der Hans, „i g’spüret’s glei im Hax’n ...“

„I wo! Sie sind ja marschiert wie ein Gardeleutnant ... also, jetzt muß ich aber gehen ... es hat mich recht g’freut ...“

„Mi scho aa, Herr Bezirksarzt, und kehren S’ wieder amal zua! Adjes!“

„Dös is a liaba Mo!“ sagte er noch vor sich hin, als sich der Doktor langsam entfernte — „a ganz a g’führiger Mo!“

**
*

Eine Woche später, und es war schlechtes Wetter, regnete und schneite durcheinander, brachte der Postbote dem Buchberger ein Schreiben, das sich der Länge und Breite nach amtlich ausnahm und auch einen Stempel trug.

„Geh, Alte, hol mir mei Brill’n!“ Als er sie bedächtig aufgesetzt und das Schreiben geöffnet hatte, las er langsam die Mitteilung, daß ihm die monatliche Unterstützung von fünfzehn Mark entzogen werde ... entzogen werde ... indem daß der Königliche Bezirksarzt Dr. Stierlinger sich persönlich davon überzeugt habe ... daß genannter Buchberger von den Folgen des Unfalls gänzlich geheilt sei und nicht die geringsten Beschwerden ... Beschwerden am Fuße mehr verspüre ...

Ah!

Ja ... Himmel ... Herrgott ...

Unser guater, alter Herzog Karl

Das neue Jahr soll uns eine andere Behandlung der Majestätsbeleidigung bringen. Ich will es nicht entscheiden, ob die Neuerung viel verbessern wird in der deutschen Welt.

Aber eines weiß ich, und eines bedauere ich.

Mein alter Freund Simon Lackner wird sich nicht mehr so leicht ein billiges Winterquartier verschaffen können.

Und das ist hart.

Denn Simon Lackner ist neunundsechzig Jahre alt; ein herzensguter Kerl.

Jetzt soll er als Greis eine neue Methode ersinnen, nachdem er sechzehn lange Jahre hindurch mit der alten so schöne Erfolge erzielt hat.

Ihr lieben Mitmenschen, denkt euch in seine Lage!

Von Jugend auf war er ein stellenloser Schreinergehilfe; ein fahrender Handwerksbursche. Das ist wohl ein schönes Metier, wenn der Apfelbaum am Straßenrand blüht, und wenn ein Mensch, der auf dem Rücken im Grünen liegt, mit blinzelnden Augen der Lerche hoch hinauf in die blaue Luft nachschaut. Das ist wohl ein schönes Metier, wenn die Kornähren sich über dem müden Haupte wiegen und am heißesten Sommertag einen erquickenden Schatten spenden. Auch ist es fröhlich und freudenvoll, wenn noch eine mildtätige Herbstsonne auf den Buckel brennt, und wenn die zerrissenen Schuhe durchs gelbe Buchenlaub rascheln.

Aber wenn die kalten Novemberwinde pfeifen und alte Felber in die Gräben rollen? Wenn die Landstraßen aus dem Leim gehen und pfundschwerer Brei an den Sohlen hängen bleibt?

Wenn der kalte Regen mit tausend Nadeln sticht oder die Schneeflocken wirbeln? Wenn alle warmen Ofenbänke von hartherzigen Bauern besetzt sind, die für einen armen Handwerksburschen nicht zusammenrücken?

Da wird’s dem abgehärteten Landstreicher wehmütig ums Herz, und er sehnt sich nach einem trockenen Platz, nach einem Dach, unter dem es nicht tropft.

Simon Lackner widerstand lange, aber endlich kriegte er das Reißen in seinen Gliedern, und er fand ein Mittel, sich zu helfen. —

Im Herzogtum Neuburg regierte Karl III., ein gemütlicher, braver Landesfürst.

Natürlich, Simon Lackner kannte ihn nicht, aber er stand doch in gewissen Beziehungen zu ihm.

Denn wo er in einem Bauernwirtshaus um Gotteslohn eine Halbe Bier trank, sah er von der Wand das dicke Gesicht Karls III. herunterlächeln.

Und er begriff die Gutherzigkeit, welche sich in dem breiten Mund, in den hängenden Backen des Landesherrn ausdrückte.

Er sah mit Liebe in die kleinen, hinter Fettpolstern verschwimmenden Schweinsäuglein und dachte sich, wie bürgerlich und selchermäßig doch oft der liebe Gott die von seinen Gnaden regierenden Häupter ausgestaltet. Kein kleinstes Restchen Feindseligkeit haftete im Herzen des Simon Lackner.

Er liebte den Fürsten auf seine bescheidene Weise und nahm es ihm nicht übel, wenn seine Gensdarmen grob und rauhändig waren.

Denn nicht einmal der allmächtige Gott hat alle seine Geschöpfe liebenswürdig geschaffen.

Warum sollte man’s von einem irdischen Fürsten verlangen?

Trotz seiner Hinneigung war aber Simon Lackner gezwungen, alle Jahre einmal dem Herzog Karl III. eine Despektierlichkeit zu zeigen, die ihm nicht innewohnte.

Aber es war eben seine Methode, und es war notwendig, um unter ein schützendes Dach zu kommen.

Wenn zu Ende Oktober die kalten Winde anhuben, ging Simon Lackner zum herzoglich neuburgischen Gefängnisse, welches auf freiem Felde lag, hinaus.

Dort versteckte er sich in einem Holzschupfen, welcher gegenüber dem Eingange der Anstalt lag, und wartete.

Wenn dann einige Gendarmen kamen, trat er allsogleich hervor und schrie mit lauter Stimme:

„Unser guater, alter Herzog Karl is a Rindviech!“

Das erstemal und das zweitemal stürzten die Gendarmen gierig auf den frevelhaften Menschen und glaubten, daß sie einen wichtigen Fang gemacht hätten. Aber schon im dritten Jahre erlahmte ihr Eifer, denn sie wußten jetzt, daß Simon Lackner sich nur auf diese harmlose Weise ein Winterquartier verschaffen wollte.

Simon Lackner mußte oft und oft schreien, bis sie ihn gefangen nahmen.

Und das wiederholte sich sechzehn Jahre lang mit schöner Regelmäßigkeit.

Man wußte es nicht mehr anders.

Wenn gegen Ende Oktober schwere Wolken am Himmel aufzogen, schaute der Gefängnisinspektor in die herbstliche Natur hinaus und sagte: „Jetzt wird der Lackner bald wieder schreien.“ Und richtig: den andern Tag zogen sich nasse Bindfaden vom Himmel zur Erde herunter, und vom Holzschupfen herüber brüllte es: „Unser guater, alter Herzog Karl is a Rindviech.“

Die Gendarmen lächelten; Simon Lackner lächelte und betrat freudig die Halle des Gefängnisses, wo ihm der Inspektor wohlwollend entgegentrat.

Lackner wiederholte zur Sicherheit: „Unser guater, alter Herzog Karl is a ..“ „Weiß schon, weiß schon,“ sagte der Inspektor, „Sie kriegen schon Ihre fünf Monat.“

Wenn die Amseln pfiffen, kam Simon wieder heraus und walzte fröhlich durch das Herzogtum Neuburg.

Und wo er in einem Wirtshaus das Konterfei seines lieben Karls III. sah, lächelte er ihm verständnisinnig zu. Er hatte ja nie vergessen, ihn den guten, alten Herzog zu nennen, und das mit dem Rindvieh war nicht ernst gemeint.

Jetzt wollen sie den schönen Paragraphen ändern, mit dem mein Freund Simon Lackner seit sechzehn Jahren sich recht und schlecht über die Wintersnot hinweggeholfen hat.

Ist das nicht hart?

Liebe um Liebe

Eine patriotische Stimmung

Durch Stoppelfelder und frisch gemähte Wiesen rollte ein Eisenbahnzug, und die buttergelbe Herbstsonne glänzte in die Fenster eines lackierten Salonwagens, der sich überhaupt in dieser Umgebung recht sonderbar ausnahm.

Darin saß Prinz Xaver, ein Seitensprosse des königlichen Hauses, und fuhr mit seinem Adjutanten, Rittmeister Baron Schröfel, nach Weißkirchen zur landwirtschaftlichen Ausstellung, die unter sein Protektorat gestellt worden war.

Weil aber hier Herablassung und dort Untertanenliebe gezeigt werden sollte, hielt man überall; und wo größere Menschenmengen sich dem Auge darboten, fragte Prinz Xaver seinen Begleiter: „Muaß i?“

„Einen Augenblick, Königliche Hoheit!“ antwortete alsdann der Baron und sah in seinem Notizbuche nach. „Faistenhamm ... Kirchdorf ... 163 Seelen ... katholisch ... 37 Pferde ... 281 Stück Rindvieh ... ja ... Königliche Hoheit ... da ist’s vorgemerkt.“

Und Prinz Xaver hielt das edle große Haupt zum Fenster hinaus und blickte durch seinen Kneifer, den er nur bei solchen Anlässen trug, auf einige fette Herren, die das besitzende und bessere Publikum vorstellten.

„Diese Gegend,“ sprach der Prinz, „ist sehr lieblich.“

„Han?“ fragte ein Posthalter oder Tafernwirt, der mehr Treue als Schliff besaß.

„Diese Gegend, sie ist sehr reizvoll,“ wiederholte der Prinz.

„Jawoi, Königliche Hoheit!“

„Sie ist von sanften Höhen durchzogen und mit Wäldern bedeckt ...“

„Jawol, Königliche Hoheit!“

„Aber das Auge erblickt auch fruchtbare Felder, welche den Fleiß des Landmannes belohnen und ... und ...“

„Jawoi, Königliche Hoheit!“

„Und ...“

„Saftige Matten ...“ soufflierte der Adjutant.

„... und saftige Matten, welche dem kernigen Vieh dieses Volkes ... welche dem Vieh dieses kernigen Volkes Nahrung bieten.“

Prinz Xaver rückte den Zwicker, der ihm von der schwitzenden Nase heruntergeglitten war, zurecht, und der Posthalter oder Tafernwirt schaute mit geistlosen Augen in die ebenso blauen des Königssprossen, und er fühlte, daß nunmehr die Aufgabe an ihn herangetreten war.

„Königliche Hoheit ... diese Gefiehle, wo ins heute besäligen ... durch dieses, daß Sie hier durchfahren und für Kinder und Kindeskinder ...“

Die Lokomotive pfiff, und da legte der Tafernwirt die ganze ungeheure Treuherzigkeit seines Landes in den Satz: „Pfüad Good, Königliche Hoheit, aufs Wiederschaugen, und kemman S’ halt wieda zu ins außa ...“ Er entschwand den gütigen Blicken des Fürsten, der sich in die Kissen zurückwarf, und sagte: „Dös hätt’ ma wieda! Wo muaß i denn ’s nächstmal?“

„Einen Augenblick, Königliche Hoheit!“ antwortete Baron Schröfel. „... Sünzing ... nein ... Matzling ... 214 Seelen ... katholisch ... 311 Stück Rindvieh ... in Matzling werden Königliche Hoheit wieder sprechen.“

„O jegerl!“ seufzte der Prinz und wiederholte gewissermaßen im Geiste jene Rede des Wohlwollens und lebendigen Interesses.

Nach zwei langen Stunden fuhr der Zug in Weißkirchen ein, wo ein Beamtenkörper, eine ergeben lächelnde Geistlichkeit, wo Veteranenvereine, Feuerwehren und Schützen, wo alles, was repräsentieren durfte, den kleinen Bahnhof füllte, nach vorwärts gedrängt von einer wimmelnden Menge, die in dem aussteigenden Prinzen, der sein quellendes Fleisch in eine blitzblaue Uniform gepreßt hatte, alles Anverwandte und Angestammte erblickte und darüber in ein gellendes Hoch ausbrach.

Ein kleiner, stülpsnäsiger, aufgeregter Herr gab sich dem Prinzen durch viele und schnell wiederholte Bücklinge als den zu erkennen, der hier als Erster zu beachten war, und als einen Titularregierungsrat und vorstehenden Chef des Bezirks.

Dicke Herren mit mehr landwirtschaftlicher Färbung der feisten Gesichter und Hälse wurden in zweiter Reihe als Tierärzte und Ökonomieräte und verdiente Braun- oder Fleckviehzüchter erkannt, und in veralteten, seit Jahren die Bäuche nicht mehr bedeckenden Gehröcken schoben sie sich vor, und ehe es sich der Prinz versah, war er von Leuten umringt, die als starke Esser viel animalische Wärme und als treue Untertanen eine ungemeine Ergebenheit ausstrahlten.

Und da ihre patriotischen Gefühle nirgends hinauskonnten, nicht durch die verknüllten Hosen, nicht durch die krampfhaft geschlossenen Westen, so drängten sie sich schweißtreibend nach oben und saßen hinter schwimmenden Augen, die sich auf ihr prinzliches Ebenbild richteten.

Der stülpsnäsige Herr hielt eine Rede, in der alle Gefühle, die weder er noch sonst wer hegte, in Superlativen ausgedrückt waren, und niemand lehnte sich innerlich dagegen auf.

Im Gegenteile hörte Prinz Xaver mit tiefem Ernste die erhabenen Tugenden aufzählen, die ihn und sein Haus schmücken sollten, obgleich er es doch besser wissen mußte, und gleichermaßen hörten alle Festgäste, die von Weißwürsten kamen oder zu Weißwürsten gingen, daß sie in diesem Augenblicke den Schwur der Treue erneuert hätten und Gut und Blut opfern wollten.

Ja, und darauf mußte etwas gesagt werden.

Der hohe Protektor umfaßte mit einem wohlwollenden Blicke diesen Patriotismus, der um ihn herum schwitzte und schnaubte, und sagte es.

„Diese Gegend,“ hub er an, „sie ist sehr lieblich. Sie ist von sanften Höhen durchzogen und mit Wäldern bedeckt. Aber das Auge erblickt auch fruchtbare Felder, welche den Fleiß des Landmannes belohnen und ... und ...“

„Seine Königliche Hoheit lebe hoch!“ schrie jetzt verfrüht, unzeitig und taktlos der Zimmermeister Schlegel, der immer etwas voraushaben mußte.

„Und saftige Matten ...“ fuhr Prinz Xaver fort, aber das Hoch hatte im Pulverfasse der angestammten Liebe gezündet, und die brausenden — oder auch donnernden — Rufe übertönten die letzten Worte vom Vieh des kernigen Volkes.

Der Protektor lächelte gerührt und wurde zum Wagen verbracht, rechter Hand die Stülpnase, linker Hand den dicksten Fleckviehzüchter.

Er fuhr durch beflaggte Gassen an schreienden Menschen vorbei, grüßte allerleutseligst, sah die Herzen, die ihm entgegenschlugen, Triumphbögen, die sich wölbten, und langte auf dem Festplatze an, wo es nicht minder laut blökte, quiekte und brüllte von treuen Haustieren, die ihren Lärm nur so und unwissend warum vollführten. Da sah Prinz Xaver alles, was unter sein Protektorat gestellt worden war. Breitnackige Stiere, die ihn böse anblickten, wollige Schafe, die ihm mild ins Auge schauten; braune, gelbe, weiße Kühe, die ihre Rücken hoch zogen, wenn sie behaglichst ihre Wasser rinnen ließen, Kälber und Schweine.

Die Stülpsnase erklärte eifrig, aber ein besserer Menschenkenner, als Prinzen sind, hätte wohl merken können, daß der bewegliche Beamte auch nicht mehr verstand als der Protektor, welcher nur lebendige Eßwaren in dem Getier sah.

Auch in der viktualischen Abteilung überkamen Prinz Xaver mehr reflektierende als züchterische Vorstellungen. Bei den Krautköpfen dachte er an rosiges Surfleisch, beim Sellerie an gebratene Gänse, bei Kartoffeln an den Fürst und Volk einigenden Nierenbraten, und Rettiche sah er gebeizt, und Zwiebeln geschmort.

Als man zuletzt noch die Hühner, denen man harte und weiche Eier, Ochsenaugen und Rühreier verdankt, besichtigt, gut befunden und gelobt hatte, war so eigentlich die Aufgabe der Königlichen Hoheit erledigt.

Aber eine neuzeitliche Sitte ließ den Prinzen nicht sogleich zur Ruhe kommen.

Es geht ein demokratischer Zug durch unser Volk.

Die Tage, da es in alle Schulbücher kam, wenn der Fürst einen kleinen Mann aus dem Volke leutselig ansprach, sind vorüber, und heute spricht der kleine Mann leutselig den Fürsten an.

Ein Spenglermeister aus Sünzing fand hier den Mut, indem er vortrat, nach Bier roch und treuherzig sagte:

„Geh, Königliche Hoheit, unterschreiben S’ de Kart’n an meine Spezeln, daß de aa ’r a Freud hamm!“

Die Stülpsnase winkte ihm strenge ab, jedoch der Prinz lächelte und setzte seinen Namen auf die fettige Postkarte.

Ein schöner Moment trat ein. Fürst und Untertan Auge in Auge, und der wackere Spengler traf den Ton des echten Volksstückes, als er sagte:

„Königliche Hoheit ... dös ... dös ... kimmt unter Glas und Rahmen, und in hundert Jahr no müass’n d’ Leut’ sehg’n ...“

„Ist schon gut,“ sagte die Stülpsnase und schob den Redner ungnädig weg, denn er roch wirklich sehr stark nach Bier, und auch wollten nun viele die gleiche Gnade erlangen.

„Königliche Hoheit ... an insern G’sellenverein ... dös war an Ehr’ für Kinda und Kindeskinda ...“

„Königliche Hoheit ... an insern Stammtisch ‚De Grüabig’n‘ ...“

Den Prinzen überkamen väterliche Empfindungen, er hielt diese Leute für anhängliche Kinder, ihre Wünsche für naiv, und er hatte keine Ahnung davon, daß hier gar nichts ehrlich oder tiefwurzelnd war, außer seiner eigenen Beschränktheit.

Er schüttelte gütig alle Hände, die sich in seine Rechte schoben, kalte und warme, trockene und feuchte, er unterschrieb wohlwollend alles und setzte seinen Namen neben Ober- und Niedermayer unter ihre Fröhlichkeit.

„Menschen ... Menschen san mir alle ... Jakob Schanderl, Xaver, königlicher Prinz ... Eins ... zwei ... drei ... g’suffa!... Es lebe die Viecherei! Hans Breitsameter, Jakob Leistl, Xaver, königlicher Prinz ...“

Die Karten wanderten hinaus in die Kneipen des Landes, und wenn sie gleich nicht Ehrfurcht in Kindern und Kindeskindern erregen konnten, spannen sie doch Fäden vom zünftigen Prinzen zu zünftigen Stammtischen. Neue Fäden zum alten Bande, das Volk und Herrscherhaus verknüpft.

Auf der Elektrischen

In München. Der schwere Wagen poltert auf den Schienen; beim Anhalten gibt es einen Ruck, daß die stehenden Passagiere durcheinander gerüttelt werden.

Ein Schaffner ruft die Station aus.

„Müliansplatz!“

Heißt eigentlich Maximiliansplatz.

Aber der Schaffner hat Schmalzler geschnupft und kann die langen Namen nicht leiden.

Ein Student steigt auf. Er trägt eine farbige Mütze, und der Schaffner salutiert militärisch.

Er weiß: das zieht bei den Grünschnäbeln. Sie bilden sich darauf was ein.

Und wenn sich Grünschnäbel geschmeichelt fühlen, geben sie Trinkgelder.

Er ist Menschenkenner und hat sich nicht getäuscht.

Der junge Herr mit der großen Lausallee gibt fünf Pfennige.

Er sieht dabei den Schaffner nicht an; er sieht gleichgültig ins Leere; er zeigt, daß er dem Geschenke keine Bedeutung beimißt. Der Schaffner salutiert wieder.

Wumm! Prr!

Der Wagen hält.

„Deonsplatz!“ schreit der Schaffner.

Heißt eigentlich Odeonsplatz.

Eine Frau, die ein großes Federbett trägt, schiebt sich in den Wagen. Ein Sitzplatz ist noch frei.

Die Frau zwängt sich zwischen zwei Herren. Sie stößt dem einen den Zylinder vom Kopfe.

Das ärgert den Herrn. Er klemmt den Zwicker fester auf die Nase und blickt strafend auf das Weib.

„Aber erlauben Sie!“ sagt er.

— ?! —

„Aber erlauben Sie, mit einem solchen Bett!“

Die Leute im Wagen werden aufmerksam.

Der Mann scheint ein Norddeutscher zu sein; der Sprache nach zu schließen. Ein besserer Herr, der Kleidung nach zu schließen.

Was fällt ihm ein, die arme Frau aus dem Volke zu beleidigen?

Ein dicker Mann, dessen grünen Hut ein Gemsbart ziert, verleiht der allgemeinen Stimmung Ausdruck.

„Warum soll denn dös arme Weiberl net da herin sitzen? Soll’s vielleicht draußen bleib’n und frier’n? Bloß weil’s dem nobligen Herrn net recht is? Wenn ma so noblig is, fahrt ma halt mit da Droschken!“

Der dicke Mann ist erregt. Der Gemsbart auf seinem Hute zittert.

Einige Passagiere nicken ihm beifällig zu; andere murmeln ihre Zustimmung. Ein Arbeiter sagt: „Überhaupt is de Tramway für an jed’n da. Net wahr? Und dera Frau ihr Zehnerl is vielleicht g’rad so guat, net wahr, als wia dem Herrn sei Zehnerl.“

Die Frau mit dem Bett sieht recht gekränkt aus. Sie schweigt; sie will nicht reden; sie weiß schon, daß arme Leute immer unterdrückt werden.

Sie schnupft ein paarmal auf und setzt sich zurecht. Dabei fährt sie mit dem Bette ihrem anderen Nachbarn ins Gesicht.

Der stößt das Bett unsanft weg und redet in soliden Baßtönen: „Sie, mit Eahnan dreckigen Bett brauchen S’ mir fei’s Maul net abwisch’n! Glauben S’ vielleicht, Sie müassen’s mir unta d’ Nasen halt’n, weil S’ as jetzt aus ’m Versatzamt g’holt hamm?“

Die Passagiere horchen auf.

Da ist noch einer, der die Frau aus dem Volke beleidigt; aber, wie es scheint, ein süddeutscher Landsmann.

Die Stimmung richtet sich nicht gegen ihn. Übrigens sieht er so aus, als wenn ihm das gleichgültig sein könnte.

Er hat etwas Gesundes an sich, etwas Robustes, Hinausschmeißerisches.

Er imponiert sogar dem Herrn mit dem grünen Hute.

Und dann, alle haben es gesehen:

Die Frau ist ihm wirklich mit dem Federbette über das Gesicht gefahren. So etwas tut man nicht. Der Mann selbst ist noch nicht fertig mit seiner Entrüstung. Er wirft einen sehr unfreundlichen Blick auf die Frau aus dem Volke und einen sehr verächtlichen Blick auf das Bett.

Er sagt: „Überhaupt is dös a Frechheit gegen die Leut’, mit so an Bett do rei’geh’. Wer woaß denn, wer in dem Bett g’leg’n is? Vielleicht a Kranker; und mir fahren S’ ins G’sicht damit! Sie ausg’schamte Person!“ Einige murmeln beifällig.

Der Mann mit dem grünen Hute gerät wieder in Zorn.

Er sagt: „Der Herr hat ganz recht. Mit so an Bett geht ma net in a Tramway. Da kunnten ja mir alle o’g’steckt wer’n. Heuntzutag, wo’s so viel Bazüllen gibt!“

Der Gemsbart auf seinem Hute zittert.

Alle Passagiere sind jetzt wütend über die Unverschämtheit der Frau.

Man ruft den Schaffner.

„De muaß außi!“ sagt der Mann mit dem Gemsbart, „und überhaupts, wia könna denn Sie de Frau da einaschiab’n? Muaß ma sie vielleicht dös g’fallen lassen bei der Tramway? Daß de Bazüllen im Wag’n umanandfliag’n?“

Der Schaffner trifft die Entscheidung, daß die Frau sich auf die vordere Plattform stellen muß. Sie verläßt ihren Platz und geht hinaus.

„Dös war amal a freche Person!“ sagt der Mann mit dem Gemsbart.

Der Herr mit dem Zwicker meint: „Eigentlich war sie ganz anständig. Nur mit dem Bette ...“

„Was?!“ schreit sein robuster Nachbar. „Sie woll’n vielleicht dös Weibsbild in Schutz nehma? Gengan S’ außi dazua, wann’s Eahna so guat g’fallt!“

Alle murmeln beifällig.

Und der Arbeiter sagt: „Da siecht ma halt wieda de Preißen!“

**
*

Ein kalter Wintertag.

Die Passagiere des Straßenbahnwagens hauchen große Nebelwolken vor sich hin. Die Fenster sind mit Eisblumen geziert, und wenn der Schaffner die Türe öffnet, zieht jeder die Füße an; am Boden macht sich der kalte Luftstrom zuerst bemerklich. Die Passagiere frieren, nur wenige sind durch warme Kleidungen geschützt, denn der Wagen fährt durch eine ärmliche Vorstadt.

Da kommt ein Herr in den Wagen; er trägt einen pelzgefütterten Überrock, eine Pelzmütze, dicke Handschuhe.

Er setzt sich, ohne seiner Umgebung einen Blick zu schenken, zieht eine Zeitung aus der Tasche und liest.

Die anderen Passagiere mustern ihn; das heißt seine untere Partie. Die obere ist hinter der Zeitung versteckt.

Die größte Aufmerksamkeit schenkt ihm ein behäbiger Mann, der ihm gerade gegenübersitzt.

Er biegt sich nach links und rechts, um hinter die Zeitung zu schauen. Es geht nicht.

Er schiebt mit der Krücke seines Stockes das hemmende Papier weg und fragt in gemütlichem Tone:

„Sie, Herr Nachbar, wissen Sie, aus welchan Pelz Eahna Hauben is?“

Der Herr zieht die Zeitung unwillig an sich.

„Lassen Sie mich doch in Ruhe!“

„Nix für ungut!“ sagt der Behäbige.

Nach einer Weile klopft er mit seinem Stocke an die Zeitung, die der Herr noch immer vor sich hinhält.

„Sie, Herr Nachbar!“

„Waßß denn?!“

„Sie, dös is fei a Biberpelz, Eahna Haub’n da.“

„So lassen Sie mich doch endlich meine Zeitung lesen!“

„Nix für ungut!“ sagt der Mann und wendet sich an die anderen Passagiere.

„Ja, dös is a Biberpelz, de Haub’n. Dös is a schön’s Trag’n und kost’ a schön’s Geld, aba ma hat was, und es is an oanmalige Anschaffung. De Haub’n, sag’ i Eahna, de trag’n no amal de Kinder von dem Herrn. De is net zum Umbringa. Freili, billig is er net, so a Biberpelz!“

Die Passagiere beugen sich vor. Sie wollen auch die Pelzmütze sehen.

Aber man sieht nichts von ihr; der Herr hat sich voll Unwillen in seine Zeitung eingewickelt.

Da wird sie ihm wieder weggezogen. Von dem behäbigen Manne, mit der Stockkrücke.

„Sie, Herr Nachbar ...“

„Ja, was erlauben Sie sich denn ...?!“

„Herr Nachbar, was hat jetzt de Haub’n eigentlich gekostet?“

Der Herr gibt keine Antwort.

Wütend steht er auf, geht hinaus und schlägt die Türe mit Geräusch zu.

Der Behäbige deutet mit dem Stock auf den leeren Platz und sagt: „Der Biberpelz, den wo dieser Herr hat, der wo jetzt hinaus is, der hat ganz g’wiß seine zwanz’g Markln kost’; wenn er net teurer war!“

**
*

Der alte Professor Spengler fährt jeden Morgen gegen acht Uhr vom großen Wirt in Schwabing bis zur Universität.

Er fällt auf durch seine ehrwürdige Erscheinung; lange, weiße Locken hängen ihm auf die Schultern, und er geht gebückt unter der Last der Jahre.

Ein Herr, der auf der Plattform steht, beobachtet ihn längere Zeit durch das Fenster.

Er wendet sich an den Schaffner.

„Wer ist denn eigentlich der alte Herr? Den habe ich schon öfter gesehen.“

„Der? Den kenna Sie nöt?“

„Nein.“

„Dös is do unsa Professa Spengler.“

„So? so? Spengler. M—hm.“

„Professa der Weltgeschüchte,“ ergänzt der Schaffner und schüttet eine Prise Schnupftabak auf den Daumen.

„Mhm!“ macht der Herr. „So, so.“

Der Schaffner hat den Tabak aufgeschnupft und schaut den Herrn vorwurfsvoll an.

„Den sollten S’ aba scho kenna!“ sagt er. „Der hat vier solchene Büacha g’schrieb’n.“

Er zeigt mit den Händen, wie dick die Bücher sind.

„So ... so?“

„Lauter Weltgeschüchte!“

„Ich bin nicht von hier,“ sagt der Herr und sieht jetzt mit sichtlichem Respekte auf den Professor.

„Ah so! Nacha is ’s was anders, wenn Sie net von hier san,“ erwidert der Schaffner.

Er öffnet die Türe.

„Universität!“

Professor Spengler steigt ab. Der Schaffner ist ihm behilflich; er gibt acht, daß der alte Herr auf dem glatten Asphalt gut zu stehen kommt. Dann klopft er ihm wohlwollend auf die Schulter.

„Soo, Herr Professa! Nur net gar z’ fleißig!“

Er pfeift, und es geht weiter.

Der Schaffner wendet sich nochmal an den Herrn:

„Alle Tag, punkt acht Uhr, fahrt dös alte Mannderl auf d’ Universität. Nix wia lauta Weltgeschüchte!“

**
*

In Berlin. Der Straßenwagen fährt durch den Tiergarten. Seitab werden Bäume gefällt, und es ist ein sonderbarer Anblick, mitten in der Großstadt Waldarbeit zu sehen.

Der Schaffner wendet sich an einen Herrn, der Ähnlichkeit mit dem Kaiser hat. Die man in Norddeutschland so häufig trifft. Starkes Kinn. Habyschnurrbart.

Der Schaffner sagt: „Das geht nun schon so vier Wochen.“

Er deutet auf die Holzarbeiter.

Der Doppelgänger Kaiser Wilhelms schweigt.

„Wenn sie nur nich den ganzen Tiergarten umschlagen!“ sagt der Schaffner.

Keine Antwort.

Der Schaffner versucht es noch einmal.

„Den ganzen Tiergarten! Es wär doch jammerschade!“

Jetzt blickt ihn der Doppelgänger Kaiser Wilhelms an; strenge und abweisend.

Und er sagt:

„Ich habe nicht die Absicht, mich mit Ihnen in eine Konversation einzulassen.“

O Natur!

Personen: Er — Sie — Ein Holzknecht.

Ort: Im Gebirge.

Er: Wie das hier schon ganz anders riecht, Lizzi! A—ah! Endlich aus der Stadt in die Natur geflohen!

Sie: Himmlisch!

Er: Stelle dir vor! Der Schnee in unseren Straßen, schwarz, schmutzig, naß. Und hier blinkt und glitzert er.

Sie: Er ist direkt keusch, finde ich.

Er: Man denkt an Weihnachten, Christabend, an irgend was Poetisches.

Sie: Karl, du Guter! Nein, wie bin ich dir dankbar, daß du mich aus dem schrecklichen Trubel in diesen Frieden gebracht hast!

Er: Nicht wahr?

Sie: Weißt du, als ganz kleines Mädchen bin ich auch einmal im Winter auf dem Lande gewesen. Bei Großmama. Da weiß ich noch, wie da auch die Bäume verschneit waren und so merkwürdig aussahen.

Er: Du bekommst förmlich große Augen, wie du das sagst, Lizzi!

Sie: Es muß die heimliche Sehnsucht nach der Natur sein, die in einem lebt. Trotz allem, weißt du, Karl?

Er: Ja, ja. Trotz allem.

Sie: Nein! Sieh mal dort die große Tanne! Wie ein Ungeheuer sieht so ein Zweig aus. Wie was Lebendiges.

Er: Wie ein Märchen.

Sie: Die Natur ist doch das einzig Wahre!

Er: Man sollte hier immer leben!

Sie: Das wäre herrlich! Ich ließe mir einen großen Pelz dazu machen; weißt du, grünen Samt, mit Zobel besetzt, und innen auch Zobel, oder Seal.

Er: Das sollte man tun, hier leben.

Sie: Oder Skunks, Karl, obwohl ich eigentlich Skunks nicht sehr liebe.

Er: Das würde sich schon finden.

Sie: Und weißt du, eine Pelzmütze sollte ich haben. Ich habe vorgestern bei Bachmann eine entzückende Mütze gesehen.

Er: Dieser Friede ringsum!

Sie: Ich glaube, sie war aus Otterfellen und hatte vorne eine Agraffe, in der eine Reiherfeder steckte.

Er: Sieh dort, Lizzi, wie die Bergspitze noch von der Abendsonne beschienen ist.

Sie: Wun—der—voll! Weißt du, man könnte statt Reiher auch eine andere Feder nehmen. Meinst du nicht?

Er: Ja — ja. Ich könnte hier stundenlang in den Anblick versunken stehen.

Sie: Und ich möchte am liebsten durch den Schnee waten. Wie ein Schulmädchen, und ganze rote Backen davon kriegen.

Er: Und nasse Füße, Liebling!

Sie (enttäuscht): Das ist wahr!

Er: Man müßte eben andere Schuhe tragen. Und sich überhaupt daran gewöhnen. Oh! Hier muß ein Mensch gesund werden!

Sie: Ich fühle mich jetzt schon ganz anders.

Er: Ich meine körperlich und geistig gesund werden. A—ah! Diese Luft! Diese Luft!

Sie: Wie die Sonne verglüht! Das sollte man jeden Abend haben.

Er: Und sich von dem Zauber der Natur umfangen lassen.

Sie: Ich möchte am liebsten gar nicht mehr weg.

Er: Weißt du was? Wir bleiben einfach morgen noch hier.

Sie: Ach ja — das wäre himmlisch! Aber es geht nicht, Schatz. Ich muß morgen zur Schneiderin, und dann sollen wir bei Hofrats Besuch machen, und abends ist der „Rosenkavalier“, und ...

Er: Richtig ja! Na, denn nich! Eigentlich ist es schade!

Sie: Mir blutet ja das Herz, daß man sich von hier losreißen soll.

Er: Mir auch. Diese Farben! Nein, diese Farben!

Sie: Du, dort kommt ein Mann.

Er: Er hat so was wie ’ne Säge umhängen. Das ist sicher ’n Holzfäller.

Sie: Wie stilvoll er aussieht!

Er (seufzend): Ach, wer auch so einer wäre! He, guter Mann!

Holzer: Han?

Er: Sie leben wohl immer hier heraußen?

Sie: In der Natur?

Er: Und wissen vielleicht gar nicht, wie beneidenswert Sie sind!

Holzer: Am — — — — —! (Entfernt sich.)

Sie: Wie? Was hat er gesagt?

Er: Ach, so was ... so was Bäuerliches, was die Leute hier oft sagen. Nun wollen wir aber umkehren. (Bleibt stehen und atmet tief auf.) Nein! Diese Natur!

Das alte Recht

Es scheint mir, daß jene uns Deutschen oft nachgerühmte Scheu vor gewissen Vorrechten der Geburt, des Ranges, des Besitzes in Wahrheit besteht und unser öffentliches Leben vergiftet, indem sie das Fundament der Gesellschaft, die Gleichheit vor dem Gesetze aufhebt, während sie hinwiederum unserem privaten Leben durch Anreiz zur Eitelkeit, zur Selbsterniedrigung, zu allen Gegenteilen von Stolz und Selbstgefühl einen bedenklichen Einschlag gibt — — ja, das alles scheint mir so, und ich finde diese Meinung durch alle möglichen Vorkommnisse immer wieder auf ein neues bestätigt. Auch in unseren kleinen Provinzstädten, wo doch wahrhaftig der Anblick des Hofes, der Umgang mit glänzenden Militärs, die Bewunderung genialer Staatsmänner, wo all dies nicht die klaren Begriffe von Recht verwirren könnte, selbst da finde ich immer wieder, natürlich ins kleine übertragen, aber nicht minder verderblich — was wollte ich sagen? — Ja, also in Dornstein — aber das muß ordentlich und der Reihe nach erzählt werden, und weil das Thema an sich etwas unappetitlich ist oder sein könnte, muß es auch mit Zartheit vorgetragen werden. Nur eine Frage vorher!

Wenn nach allgemein gültigen Begriffen von Moral, Anstand und Hygiene die Verunreinigung von öffentlichen Plätzen und Straßen — ich möchte absichtlich keinen starken Ausdruck gebrauchen — als ordinär, jedenfalls aber als verboten gilt, wenn dieses Verbot in deutlichen Verfügungen der Ortspolizeibehörde niedergelegt ist, mit Ausdrücken, die keinerlei Deutung zulassen, so meine ich doch, dieses Verbot müßte für alle Bewohner des Ortes gelten? Aber wir werden ja sehen!

Ich meine sogar, gerade Leute von Bildung müßten im Falle einer Zuwiderhandlung stärkere Mißbilligung und strengere Strafe finden, denn wenn Bildung wirklich Bildung ist — aber wir werden ja sehen!

Jedenfalls hier will ich nur die Tatsachen in ihrer zeitlichen Folge berichten und feststellen, und jeden Schein einer irgendwie gearteten Färbung vermeiden.

Alles, was sich in der Zeit vom 17. März bis mit 11. April 1913 in Dornstein ereignete, das heißt: in dieser betreffenden Sache sich ereignete, werde ich chronologisch erzählen.

Eigentlich müßte man das Datum weiter zurücklegen, denn schon am 21. Februar, 2. März und wieder am 11. März erschienen im Dornsteiner Volksboten „Stimmen aus dem Publikum“, welche auf die Vorkommnisse Bezug nahmen.

„Gibt es keine Polizei, welche in der Luitpoldstraße gewisse Schweinereien gewisser Herren betrachtet, und dürfen selbe tun, was sie wollen?!? (Volksbote vom 21. 2. 1913, Seite 3.)

„Es scheint, daß die Nemesis sich vor gewissen Leuten verkriecht, welche die Luitpoldstraße zum Schauplatze ihrer Gemeinheit machen, und daß sie in diesem Falle nicht so pünktlich bei der Hand ist, wie vielleicht gegen die minder bemittelte Klasse!!!“ (Volksbote vom 2. 3. 1913, Seite 3.)

„Auch unsere gute Stadt Dornstein soll, wie es scheint, ihren Panamaskandal!! haben, ohne den es überhaupt in Deutschland nicht mehr abzugehen scheint!! Trägt der Kadi eine stärkere Binde vor den Augen, wenn es sogenannte Gebildete betrifft?!? Wir fragen zum letzen Male!!“ (Volksbote vom 11. 3. 1913, Seite 2.)

Die letzte Anfrage des Blattes war denn doch in einem Tone gestellt, der hätte gehört werden müssen, wenn die maßgebenden Behörden dazu eine Lust verspürt hätten, ich möchte sagen, wenn sie eine durchaus strenge Auffassung von ihrer Pflicht besessen hätten.

Sie hatten diese Auffassung nicht. Und nun traten in diesem Drama die Personen aus den Kulissen heraus vor die Rampe der Öffentlichkeit.

— Ich glaube, man kann dieses Bild füglich gebrauchen? —

Am 17. März gelangte folgendes hier wörtlich wiedergegebenes Schreiben der Realitätenbesitzerswitwe Ursula Hirgstettner in den Einlauf des Stadtmagistrats Dornstein:

An den Maschißtrath, hochwolgebohren dahir und zu Händen des Herrn Bürchermeisters.

Eigene Angelegenheit des Emfängers!

Beträf: Notdurfth und unberächtigte Ausübung dersälben in der Luitpoldstraße. Auch beträf gegen die Sitlichkeith.

Es ist gewieß ales recht und man schweicht oft und denkt sich blos etwas, denn man wiel nichd fier eine frau gelthen, die wo zimbferlich ist und die wo gleich iber ales sich empörth ist und obwoll man doch auch seine Steuern und Abgahben zahlt und Gemeindeumlahgen.

Aber was zu arch ist ist zu arch und mahn braucht sich nicht ales zu gefallen zu lassen, indem man doch auch zum weiblichen Geschlächte gehörth und vielleicht mehr bieldung besiezt als die wo immer davon sprechen. Oder muß sich vieleicht eine schuzlose Wittwe ales gefallen lasen? Oder denkt man vieleicht, ja hier braucht es keine Rücksicht durchaus nicht mehr, weil diese Beträfende keinen Man nicht besiezt, der wo solchene Angriefe auf das Schahmgefühl nicht erlaubt?? Alerdings wenn mein unvergeslicher Leonhard nicht dahin geraft wäre durch ein unerbitliches Geschiek, hernach würden sich vieleicht gewise Herren der Schöpfung besinnen, ob sie sich so etwas trauen oder vieleicht lieber ihre nothurft anderswo verriechten.

Aber freilich ich bin ja blos eine schuzlose Wittwe und da braucht man keine Rücksicht nicht zu nehmen!! Aber ich zeige es hiemit dem hochwolgebornen Maschißtrate an und gebe keine Ruhe nicht mehr sondern apeliere.

Im Gasthaus zum Schiemel sitzen die „besseren“!! Herren beinahe ale tage bis in die späthe Nacht obwol es mich nichts angeht und verlasen selbes meistens um Mitternacht und sage ich auch nichts obwol oft ein groser Spetakel ist, aber man denkt sich, es gibt auch feinere Herren, wo so viel trinken wie ein Fuhrmann.

Aber leider dises ist nicht ales, sondern sie bleiben auf der Strase stehen und verichten selbes, wo man vieleicht als feinere Herren anderswo veriechten soll und unterhalten sich dabei mit lauther Stimme. Dises sind meistens der Herr Majohr Röklmeier und der penzionirte Oberambsriechter Pollner und verschiedene Bürger und Maschißtratsräthe, wo ich auch den Herrn Haslinger und Mühlberger deuthlich unterscheiden konnte. Dieses geschieth vor meinem Hause, indem ich davon oft erwache und mit Schmertzen frage, ob mahn dieses einer schuzlosen Wittwe ales biethen darf. Ich habe es schohn dem Polizeiwachtmeister genau beschriehben, aber leider es hilft nichts, sondern die feineren Herren betreiben erst recht ihr schweinisches Geschäft und man hört auch daß sie sich dabei zu Anspillungen auf meine Persönlichkeit erfrächen. Der betrefende ist besonders erkannt und wenn es auch ein Beahmter ist, besiezt er doch keine Bieldung und soll vieleicht denken, das er nicht so unferschämbt zu sein braucht gegen leuthe, wo seine Penziohn auch mitzahlen.

Hochwollgeborner Maschißtrat ich zeige es hiedurch an, daß ich mir durchaus nichts mehr gefahlen lasse und mich nicht mit Injuhrien auch noch behaften lasse, sondern meine Geduld ist erschöpft, wodurch ich auf einen standpunkt bin, das mahn sich sagt, bis hieher und nicht weither!

Wenn der Maschißtrat vieleicht sein Auge zudrüken will weil es feinere Herren sind und die besiezende Klasse, dann weiß ich schon was ich thue.

Ich verlange die strengste Bestraffung dieser Obigen und eine Tafel gegen nächtliche Verunreinigung und ich glaube das auch eine schuzlose Wittwe disses erreichen kann gegen die wo sich nicht schähmen, sondern ihre sogenannte Bieldung in disser weise bezeichen. Ich verlange die strengste Bestraffung!! Disses möchte ich noch bemerken.

Laut Unterschrift: Ursula Hirgstettner,
hochachtungsvoll dahir.

Am 26. März kam dieser Brief in geheimer Magistratssitzung zur Sprache.

Herr Bürgermeister Dr. Pilzweyer hatte ursprünglich die Absicht gehegt, und diese Absicht auch gegenüber dem Magistratssekretär Weigel kundgetan, die Eingabe der Hirgstettner zu perhorreszieren, aber eine Notiz im Volksboten brachte denn doch die Sache in Gang, da man nun befürchten mußte, daß weitere sehr unangenehme Preßerörterungen das stille Begräbnis der Anklage verhindern würden.

Also ging man daran, die Angelegenheit amtlich, wenn auch nicht ernstlich, zu behandeln.

Denn schon die Miene des vorstehenden Sekretärs verriet die merkwürdige Neigung, diese Herzensnöte einer Frau als Spaß zu betrachten, und ein den Vortrag begleitendes Lächeln des Bürgermeisters schien die Anwesenden aufzufordern, auch ihrerseits den Humor des Schriftstückes zu erkennen.

Allein Magistratsrat Mühlberger, ein angesehener Bäckermeister, konnte trotzdem seinen aufsteigenden Zorn nicht meistern und sprang sogleich auf, indem er rief:

„Dös san ja Insinationa! Hat ma scho so was g’hört von so an alt’n miserablinga Trankhafa? Dös san ja Insinationa!“

„Herr Magistratsrat,“ sagte der Bürgermeister in verbindlichem Tone, „wir können und wollen uns über dieses Schriftstück doch wahrhaftig nicht aufregen — —“

„Sie Eahna net! Aber i!“ schrie Mühlberger. „Dös san ganz oafach Insinationa! Und dös sag’ i!“

„Wir werden später darauf zurückkommen,“ sagte immer lächelnd Herr Dr. Pilzweyer. „Aber,“ fuhr er fort, indes er seinen Kneifer abnahm und ihn spielend an der Schnur pendeln ließ, „ich muß nun wohl das tatsächliche Material den Herrn unterbreiten.“

„Es handelt sich hier,“ sagte er und lehnte sich zurück, indes er jedes Wort mit verstandesmäßiger Betonung aussprach und im Wohlklange seiner Rede schwelgte, „es handelt sich hier zweifellos um das Haus Nummer 104a, als welches zu Eigentum der Witwe des verstorbenen Realitätenbesitzers Leonhard Hirgstettner im Grundbuche vorgetragen ist, — und welches sich auf der nördlichen Seite der ehemaligen Bachleitergasse, jetzt Prinzregent Luitpoldstraße befindet. Gegenüber von diesem Hause ist die Gast- und Tafernwirtschaft zum Schimmel, welche von den Eheleuten Johann und Maria Leutgschwendtner betrieben wird.

Dieses Gasthaus erfreut sich des Besuches gerade der Honoratioren.“

„I g’hör aa dazua,“ fiel hier die Baßstimme des Magistratsrates Haslinger ein.

„Gerade der Honoratioren,“ fuhr der Bürgermeister fort, indes ein Lächeln über seine Züge flog, „und man begegnet dort außer angesehenen Bürgern“ — er machte eine leichte Verbeugung nach der Richtung, wo Haslinger und Mühlberger saßen — „man begegnet dort Offizieren, Angehörigen des Beamtenkörpers, also Herren, denen eine Störung der Ordnung, ein Zuwiderhandeln gegen Sitte und Anstand niemals, ich betone das, niemals zuzutrauen wäre!“

„Dös moan i halt aa,“ rief Mühlberger ...

„... Zuzutrauen wäre. Die streng vertraulich gepflogenen Recherchen haben ergeben, daß vielleicht hier und da einer der Herren, dem Zwange und Drange der Natur folgend, ganz gewiß in unauffälligster Weise ...“

„Bitt ums Wort!“ schrie Herr Haslinger.

„Sogleich! Sie werden das Wort sogleich erhalten, Herr Magistratsrat ... also in diskretester Weise jenem Drange vielleicht Folge leistete. Aber eine Beschuldigung wie diese hier“ — Herr Dr. Pilzweyer klopfte, nun ernster werdend, auf das Schriftstück — „eine solche Beschuldigung ist frivol. Ich stehe nicht an zu sagen, es ist ein starkes Stück von Frivolität.“

„An Insination is!“ rief Mühlberger ...

„Eine haltlose Verdächtigung, und ich erteile nun, bevor ich einen Antrag stelle, das Wort dem Herrn Magistratsrat Haslinger.“

Dieser, von Beruf Brauereibesitzer, ein beleibter Mann von stattlicher Größe, erhob sich, und da er gerade geschnupft hatte, zog er ein blaues, geblümtes Taschentuch von der Größe einer Serviette aus der Tasche und entfernte von Bart, Weste und Rock die Tabakreste. Dann begann er in jovialem Tone zu reden. „Also, meine Herrn, de Sach’ is eigentli ganz oafach; und i muaß scho sagn, daß ma über so was überhaupts red’n muaß, dös g’hört aa zu de Erscheinunga der Neuzeit. Also i sag ganz oafach, de Beschwerde von dera ... Beißzanga da ... is eigentli a Frechheit ersten Grades. Indem daß also Familienväta und verheirate Männa, und daß ma ’s scho glei sag’n, lauta Leut, de wo eppas san und de wo eppas hamm und de wo eppas vorstell’n — net — lauta richtige Leut — net —- indem daß diese Leute a so hingestellt wern als wia Sittlichkeitsverbrecher — net — und von an solchen alt’n Trankhafa, bei der ma sie do überhaupts nix mehr denkt ...“

Der Bürgermeister rührte an der Glocke. „Ich möchte den Herrn Magistratsrat bitten, im Interesse einer sachlichen Behandlung ...“

„Net unterbrecha!“ sagte Haslinger grob. „Sie hamm dös überhaupts a bissel gern, Herr Bürgermoasta, und i sag ’s Eahna, daß über dös bereits Stimmen laut geworden sind.

„Über diese Unterbrecherei von Eahna. Da kimmt ma ja aus ’n Thema außi! Also, meine Herrn, daß i ’s kurz sag, seit i ins Wirtshaus geh, und aa früherszeit, wia no mei Vata ganga is, und natürlicherweis mei Großvata grad so, also da woaß ma’s nia anderst, als daß ma vom Wirtshaus außa ... no ja ... in Gott’s Nam ... Sie verstengan mi scho. I möcht überhaupts sag’n, dös is an alts Recht! Wenn ma so seine vier, fünf oda sechs Maß Bier trunka hat — no ja — in Gott’s Nam! De Damenwelt is do um de Zeit nimma auf da Straß, und so lang unser Dornstoa steht, hat ma dös net anderst g’wißt. Jetzt auf oamal kam de Mistamsel, de abscheilige daher ... Theans mi net unterbrecha, sag i, Herr Bürgermoasta, — jetzt kam de daher und möcht ins des alte, guate Herkomma für an Unsittlichkeit histell’n. Aba i sag bloß dös, solchena Beleidigunga, solchena neumodische Unverschämtheiten, von dera grauslinga Beißzanga, diese prallen an unserer Brust ab!“

„Brafo! Brafo!“ riefen die Magistratsräte und patschten auch lebhaft in die Hände, so daß Herr Haslinger sich dankend noch einmal halb vom Stuhle erhob und wiederholte. „Sie prallen ab, sag i, und mehra sag i net ...“

„Dös Luada mit ihre Insinationa!“ rief Mühlberger, worauf sich der Herr Bürgermeister räusperte und also begann:

„Meine Herren! Nach den bemerkens- und auch dankenswerten Ausführungen des Herrn Vorredners, nach diesen von den Tönen eines beleidigten Ehrgefühles durchzitterten Worten erübrigt mir jetzt nur ... wie?“

„Ich bitte ums Wort!“ sagte zum zweiten Male der Buchbindermeister Kallinger ...

„Ach so! Pardon! Der Herr Magistratsrat Kallinger hat das Wort.“

„Meine Herren!“ sagte dieser, ein Freund feinerer Bildung, der einige Jahre in Norddeutschland befindlich gewesen war, ... „meine Herren! Ich glaube fürwahr mit Recht behaupten zu dürfen, daß ich einige Erfahrungen besitze in betreff nämlich der Sitten und Gebräuche fremder Städte ...“

„Geh, hör auf!“

„Ich höre nicht auf, Herr Haslinger, und ich möchte nur bemerken, bald Sie sich beschweren in betreff von Unterbrechungen, dann dürfen auch Sie nicht einen Redner unterbrechen ... ich möchte also nur dieses sagen, daß ich in fremden Städten einige Erfahrungen gesammelt habe auch in betreff dieses Themas, über das ich mich nicht näher ausdrücken kann und ich behaupte, daß auch in anderen Städten dieses häufig vorkommt. Dann möchte ich sagen, daß zum Beispiel während einer Regenperiode sicherlich kein Grund zur Beschwerde vorhanden ist, während im Schnee fürwahr zu viele Spuren zurückbleiben. Ich möchte hierdurch nur eine bescheidene Anregung geben, ob die betreffenden Herren nicht doch eine gewisse Rücksicht auf die Witterungsverhältnisse walten lassen könnten ...“

Damit setzte sich Herr Kallinger, und Herr Haslinger stieß Herrn Mühlberger mit dem Ellenbogen an, und Herr Mühlberger stieß Herrn Arzböck an, und es herrschte die allgemeine Ansicht, daß der Kallinger natürlich wieder seinen Senf habe dazu geben müssen.

Aber der Bürgermeister hustete leicht und fuhr an der alten Stelle fort.

„Es erübrigt mir jetzt nur die Frage, ob der Magistrat sich irgendwie offiziell, also beschlußfassend, mit der Sache beschäftigen soll ...“

„Nix da! Da werd überhaupts nix mehr g’redt! Freili! Daß der alte Trankhafa sei Freud hätt!...“

„Ja, also, ich entnehme den allgemeinen Zurufen, daß man über die Beschwerde zur Tagesordnung übergeht ... Herr Kallinger?“

„Ich möchte nur einen Beschluß darüber vorschlagen, daß während einer Schnee- oder Kälteperiode auch nachts keine solche Verrichtung stattfinden dürfe ...“

„Wer für den Antrag des Herrn Magistratsrates Kallinger ist, möge sich erheben!... Niemand? Also, der Antrag ist mit allen gegen eine Stimme abgelehnt ... und damit gehen wir zur Tagesordnung über. Es liegt vor ein Antrag des Kaufmanns Oberloher ...“

**
*

Das war am 26. März.

Am 29. des gleichen Monats brachte der „Volksbote“ einen geharnischten Artikel über „Korruption“:

„Es ist einem Häuflein Bevorzugter gelungen, dem Gesetz ein Schnippchen zu schlagen ... usw. ... bis ... wir erinnern aber an das so wahre Sprüchwort justitia fundamentum regnorum, welches denn doch auch in Dornstein einige Geltung haben dürfte ...“

(Siehe Beilage 5 im Akt: Beschwerde der Ursula Hirgstettner usw.)

Am Abend des 1. April brannte im Hause der Frau Hirgstettner das Gaslicht nicht mehr. Tagsüber hatten zwei städtische Arbeiter sich an der Leitung in der Luitpoldstraße zu schaffen gemacht und jede Auskunft verweigert. Als nun Frau Offiziant Koppenwallner, welche in dem Hirgstettnerschen Hause wohnte, im Gange Licht machen wollte und immer wieder den Gashahn aufdrehte, blieb es dessenungeachtet dunkel.

Obwohl sofort eine Magd zum Leiter der Gasanstalt geschickt wurde, kam niemand zur Abhilfe. Auch den 2. und 3. April ließ sich der städtische Installateur nicht blicken.

Am 4. April ging Frau Ursula Hirgstettner selbst im Zustande der höchsten Aufregung, da die Familie Koppenwallner sofort kündigen wollte, zu Herrn Gasanstaltsdirektor Pfrombeck und stellte ihn entrüstet zur Rede.

„Nur net so hitzig!“ sagte Herr Pfrombeck gelassen. „Am Gas fehlt’s net, aba wahrscheinli fehlt’s an der Leitung. Vielleicht hamm S’ dös letzte Quartal net zahlt?“

„Dös tat i mir scho verbitt’n! I bin meiner Lebtag nix schuldi blieb’n ...“

„Ja no! Na werd’s wo anders fehl’n. Mi geht dös nix o. De Gasleitung hat da Herr Magistratsrat Mühlberger unter sich. Da müassen S’ zu dem geh’ und frag’n.“

Nun ging der Frau Ursula Hirgstettner allerdings ein Licht auf, aber als resolute Witwe ging sie unverzagt in den Kampf um ihr gutes Recht und in den Laden des Bäckermeisters und Magistratsrates Mühlberger.

Sie mußte warten, bis alle Kunden bedient waren, und stand endlich in dem Hinterzimmer vor dem finster blickenden Stadtvater.

„Was woll’n denn Sie?“

„I? Da tat i no lang frag’n, wenn seit vier Tag ’s Gas nimmer brennt!“

„So?“

„Ja! Zahlt ma desweg’n seine Umlag’n und Gebühr’n, daß nacha a solchena Schlamperei vorkimmt ...“

„Sie, thean S’ Eahna a bissel z’ruckhalt’n!“

„Gar net halt i mi z’ruck, und auf der Stell muaß i wiss’n, warum daß de Arbeita mei Leitung abdraht hamm ...“

„Welchane Arbeita?“

„Ja, ma hat’s scho g’sehg’n! Für gar so dumm müaßt’s oan aa net halt’n!“

„Wenn de Arbeita Eahna Leitung unterbrocha hamm, nacha hat am Rohr was g’feit. Vastand’n?“

„So, warum fehlt denn grad bei mir was? Und bein Schimmiwirt net? Und bei koan Nachbarn net?“

„Dös is de Rohr eahna Sach.“

„I wer scho sehg’n, ob i mir dös g’fall’n lass’n muaß. I woaß scho, was da für a Spitzbuamg’schicht dahinta steckt.“

„Halten S’ Eahna z’ruck, sag i!“

„Und a Spitzbuamg’schicht is, sag i!“

„Sie, passen S’ auf, Eahna kennt ma!“

„Sie kenna mi no lang net, und wenn i net auf da Stell mei Gas kriag, nacha zoag i Eahna, mit wem Sie’s z’thoa hamm!“

„Dös braucht’s net. Eahna kennt ma, sag i. Sie san eine Frau, de wo Insinationa macht. Verstengan Sie? Insinationa!“

„I mach Eahna no ganz was anders, Sie Loawibacha, Sie ausgschamta!“

„Jetzt hab i Eahna! Dös is an Amtsbeleidigung!“

„Mei Gas möcht i!“

„An Amtsbeleidigung is dös! Verstengan Sie? Jetzt san Sie g’richtsmaßig!“

„Gengan S’ aufs G’richt! Auf da Stell geh i mit und bring mei Sach vor! I will amal sehgn, ob Sie mir’s Gas abdrahn derfa, weil i Eahna Sauerei anzoagt hab’ — Sie!“

„Und jetzt macha S’, daß S’ naus kemma, sunst gibt’s an Hausfriedensbruch aa no, Sie Trebernfaß, Sie ordanärs! Sie Mistamsel, Sie gräusliche!“

„So? So red’n Sie? Aba ...“

„Außi!“

Der Befehl war so kategorisch und mit Schub und Druck begleitet, daß die fassungslose Witwe, ohne zu wissen wie, vor der Türe und auf der Straße stand.

Ihr eiligster Lauf ging in die Redaktion des Volksboten.


Aber der Kämpfer für ihre Rechte, Herr Martin Irzinger, war nicht wie sonst.

Er hörte sie nicht an, er unterbrach sie lange, bevor ihre Klagen zu Ende waren.

„Dös is alles ganz recht, Frau Hiergstettner, und i kenn ja de ... i will sag’n, i waaß ja alles, aba, es thuat mir leid, i ko in dera Sach’ nix mehr thoa.“

„Sie san guat. Zerscht hamm’s mi allaweil aufghetzt, daß i de Eingab’ mach, und Sie hamm in Eahnern Blattl de G’schicht aufgrührt ...“

„Ja ... ja ... Dös hoaßt, i hab mi für Eahna a bissel einseitig ins Zeug g’legt. Einseitig, verstengan Sie?“

„Aba Sie hamm do g’sagt ...“

„I hab g’sagt, aba jetzt sag i Eahna was anders, Frau Hiergstettner. Schauen’s, i muaß von de Leut’ leb’n, und Sie müass’n mit de Leut leb’n. Wir kinnan den Kriag net weiter führ’n.“

„Mir geht da Proviant aus. Verstengan S’, der diri dari — und Eahna geht ’s Liacht aus.“

„Ja, was soll i denn thoa?“

„An Fried’n schliaß’n. Es bleibt ins nix anders net übrig ...“

Da verließ die Witwe aller Kampfes- und Lebensmut, und sie fing gottesjämmerlich zu weinen an.

Es müssen hier einige Tatsachen nachgeholt werden.

Am 1. April wurde dem „Volksboten“ amtlich mitgeteilt: 1. daß der Magistrat das bisherige Abonnement von zwei Exemplaren nicht erneuere, 2. daß der „Volksbote“ künftighin keine amtlichen Inserate mehr zu gewärtigen habe.

Noch den gleichen Tag suchte Irzinger den Bürgermeister auf und bat um Aufklärung.

„Wundern Sie sich darüber?“ fragte Herr Dr. Pilzweyer mit Nachdruck. „Konnten Sie etwas anderes erwarten, nachdem Sie in jeder Nummer Ihres Blattes ...?“

„Entschuldinga, Herr Bürgermoasta ...“

„Oder, ich will sagen, wenn Sie beinahe in jeder Nummer die angesehensten Männer der Stadt, ja die Stadtverwaltung selbst, in maßloser Weise angreifen?“

„Entschuldinga, Herr Bürgermoasta ...“

„Jawohl, maßlos, Herr Irzinger! Das Wort ist keineswegs stark gewählt ...“ Herr Dr. Pilzweyer spielte hier wieder mit dem Zwicker und lauschte auf seinen Tonfall. „Sie zweifeln unsere Intaktheit an, unsere Gerechtigkeitsliebe, Sie sprechen von einem Panama ...“

„Entschuldinga, Herr Bürgermoasta ...“

„Wortwörtlich Panama! Das ist ein schlimmer Vorwurf, Herr Irzinger! Und ich kann Ihnen nur sagen, er hat mich persönlich geschmerzt, denn ich verkenne keineswegs die Bedeutung der Presse ...“

„Entschuldinga, Herr Bürgermoasta ...“

„Ich kann aber, und das werden Sie mir zugeben, ein Blatt nicht unterstützen, welches in unser Gemeinwesen den Unfrieden trägt, welches das Ansehen der besten Bürger zu untergraben sucht, welches die Leitung der Gemeinde verdächtigt, welches ...“

„Entschuldinga, Herr Bürgermoasta, und bald diese Angriffe unterbleiben?“

„Wenn Sie mir das Versprechen geben ...“

„Und bald ich den Herren vom Magistrat gewissermaßen im Volksboten eine Genugtuung gebe?“

„Dann abonniere ich wieder.“

„Und de Inserat’?“

„Bekommen Sie wieder.“

„Gilt scho!“

„Ihr Ehrenwort, Herr Irzinger?“

„Auf Ehr und Seligkeit, sag i. Und bal i amal was sag’, da gibt’s nix; dös is wia Stahl und Eis’n ...“

„Also gut! Sie unterlassen die Angriffe — auch in dieser etwas komischen Sache ...“

„A glänzende Ehrerklärung gib i, wenn i ’s amal sag, Herr Bürgermoasta! A glänzende Genugtuung.“

„Schön, dann sind wir wieder einig.“

„Dös glaab i.“

Die glänzende Ehrenerklärung kam am 5. April, denn einiger Zeit bedurfte Herr Irzinger denn doch, um seinen Gesinnungswechsel zu stilisieren. Er packte die Sache beim richtigen Ende an, indem er zuerst etwas humoristisch wurde, dann aber doch die echt altbayrische Standhaftigkeit der Männer hervorhob, welche auch in einer kleinen Sache, deren allzu deutliche Beschreibung sich von selbst verbot, am alten Herkommen festhielten und durch diese Hartnäckigkeit alle Widerstände besiegten.

Auch wie Herr Irzinger freimütig bekennen zu müssen erklärte, den Widerstand der Presse.

Der im vollsten Sinne des Wortes verlassenen Witwe blieb nichts anderes übrig, als die Verzeihung der standhaften Verunreiniger zu erflehen.

Sie tat es.

Nicht ganz so leichten Gemütes und nicht ganz so rasch wie der Redakteur des Volksboten; aber die Notwendigkeit, Gas zu erhalten, erlaubte auch kein allzulanges Zögern.

Mühlberger sträubte sich und verzieh nur unter bissigen Bemerkungen die Insinuationen der schmähsüchtigen Frau.

Aber am 11. April brannten die Gasflammen wieder.

Lange nachdem sie in dieser Nacht erloschen waren, um die Geisterstunde vernahm die Lauschende wiederum die Ausübung jenes alten Rechtes oder Herkommens.

Und sie konnte feststellen, daß die vier Hauptkämpfer für den alten Brauch samt und sonders sich betätigten.

Der Herr Major Stöckelmeier, der Oberamtsrichter Pollner und die zwei kriegerischen Magistratsräte.

Anfänge

Da war ich also Rechtsanwalt in dem kleinen Orte D., und weil ich der erste war, der sich hierorts auf diese Weise sein Brot verdienen wollte, konnte ich nicht verlangen, daß alle Welt von meiner Bedeutung oder meinen Aussichten überzeugt war.

Der Schneidermeister, in dessem Hause ich eine Wohnung gemietet hatte, brachte mir ein stilles, aber inniges Mißtrauen entgegen, das wiederum nicht frei war von einem wohlwollenden Mitleid. Der Vorstand des Amtsgerichtes, dem ich mich sogleich vorstellte, strich einen langen, grauen Schnurrbart und heftete seine scharfen Augen auf mich.

Dann sagte er nur: „So, Sie san der?“

Es war manches aus den Worten herauszulesen, nur keine freudige Zustimmung zu meinem Unternehmen.

Wenn ich über die Straße ging, merkte ich wohl, daß sich Leute nach mir umdrehten, und wenn ich auch nicht feinnervig war, merkte ich doch, daß sie sich frei von allem Respekt über meine mutmaßliche Zukunft unterhielten.

Am reichbesetzten Stammtische legten mir alle diese fest angestellten, besoldeten und pensionsberechtigten Männer Fragen vor, die ihre Überlegenheit ebenso wie ihre Zweifel dartaten.

Das alles entmutigte mich nicht, aber wenn ich heim kam und durch meine drei kärglich möblierten Zimmer ging, in denen die Schritte so stark widerhallten, dann packte mich doch ein Gefühl der Unsicherheit und der Vereinsamung.

Ich half mir auf meine Weise. Mit dem alten Zimmerstutzen meines Vaters schoß ich nach der Scheibe und vertrieb mir die langweiligsten Stunden.

Denn wenn ich mich an den Tisch setzte und etwa zu lesen versuchte, hörte ich mit einem Male diese Stille um mich, ich horchte auf sie, und sie klang mir brausend in die Ohren.

Da fiel mir alles schwer aufs Herz, was einmal war und nie mehr sein würde, und ein Heimweh kam über mich nach lieben Menschen, nach Dingen und Zuständen, von denen ich für immer hatte Abschied nehmen müssen.

Das waren Trübseligkeiten, über die mir keine Arbeit weghalf, weil ich keine hatte.

Wenn ich die Treppe herunterstieg und in die Werkstatt meines Schneidermeisters einen Blick werfen konnte, beneidete ich die blassen, jungen Leute, die darauflos nähten von Montag bis Samstag und jeden Feierabend und jeden Feiertag sich redlich verdienten.

Das sah anders aus als in meiner leeren Stube, an deren Wand zwecklos ein kleiner Tisch stand, auf dem ein Paket frischer Papierbogen lag neben dem nagelneuen Tintenfasse, den ungebrauchten Federhaltern und scharfgespitzten Bleistiften. Drei, vier lange Tage schlichen vorbei, ohne daß jemand zu mir gekommen wäre.

Der fragende Blick des Hausherrn wurde eindringlicher, die Bemerkungen am Stammtische wurden berechtigter, die Mienen aller mir begegnenden Spießbürger wurden höhnischer. Wie lange ich nachts mit offenen Augen im Bette lag und nun erst recht die brausende, tosende Stille um mich herum hörte!

Leute standen vor mir, die mich mit ernsten Augen anblickten und mir die Aussichtslosigkeit meines Versuches darlegten, Menschen, die ich liebte und denen ich auch etwas galt, — gegolten hatte.

Denn was war dann, wenn ich hier scheiterte und allen recht gab, die mir abgeraten hatten?

Es waren lange Nächte.

Gegenüber lag eine Schmiede, und vor Tagesanbruch klangen schon die Hammerschläge.

Da mußte ich aufstehen, zuschauen und mir immer wieder sagen, das sei Arbeit, Freude und Leben.

Am fünften Tage kroch mir schon die häßlichste Mutlosigkeit ans Herz.

Aufstehen und warten, in der Stube herumgehen und warten.

Den Zimmerstutzen hatte ich in eine Ecke gestellt.

Mir war gottsjämmerlich zumut. Mein ganzes Vermögen von achtzig Mark ging auf die Neige, und hier mit Schulden beginnen wollte mir doch als Anfang vom Ende vorkommen.

Da!

Nein, es war keine Täuschung, hell und durchdringend läutet die Glocke an meiner Wohnungstüre.

Ich eilte hinaus und öffnete.

Ein hochgewachsener, wohlbeleibter Mann mit einem mächtigen altbayrischen Knebelbart stand vor mir, und sein städtischer Anzug war für mich eine Enttäuschung, weil er so gar nicht wie ein prozessierender Ökonom aussah.

Aber vielleicht ein Gutsbesitzer, Pächter oder Verwalter?

Das schien mir zweifelhaft. Eher konnte er ein behäbiger Bürger des Marktes sein, und ja, das würde wohl stimmen.

„Hab’ ich die Ehr’, den Herrn Rechtsanwalt ...?“

„Bitte, kommen Sie nur herein ...“

Ich mußte so etwas von der einladenden Höflichkeit eines Friseurs, eines Zahnarztes, des Besitzers einer schlechtbesuchten Schaubude an mir haben.

Der Gast stand hoch und breit in meinem Zimmer und war sich, wie ich merken konnte, sogleich über die Situation klar.

„Aha!“ sagte er, „— m—hm — da is aber a bissel — —“

„Wie meinen Sie?“

„A bissel laar is.“

„Ich lasse mir meine Möbel erst nachkommen,“ sagte ich. „In den ersten Tagen mochte ich natürlich nicht — —“

„Freili, natürli. Aba wo san denn de Büacha?“

„Die kommen auch nach.“

„M—hm — ja — ja — I will Eahna was sag’n, Herr Dokta. Dös erste, was Sie hamm müass’n, san Büacha. Es is ja scho weg’n de Klient’n. Da wenn oana rei kimmt zum Beispiel, nacha muaß ’s ausschaug’n da herin, als wia ’r in a alt’n Kanzlei. An dera Wand da drüb’n, da müass’n lauta Büacha steh’, und da herent, da müassen S’ a so a Stellaschi mit Papier und Aktendeckel hamm. Derfen S’ ma ’s glaab’n, i hab scho mehra junge Herrn o’fanga sehg’n ...“

„Das kommt alles, aber mit was kann ich Ihnen dienen?“

„Mir? Dös wer i Eahna glei sag’n. I bin nämli der Vertreter von der Buchhandlung Maier — J. A. Maier & Sohn — Sie kennan ja die Firma?...“

Es war wieder eine Enttäuschung, und diesmal eine ziemlich starke.

„N ... nein ...“ sagte ich.

„Dös wundert mi, aba mir lerna uns scho no bessa kenna,“ antwortete er, und es strömte ein wirkliches und wohlwollendes Behagen von ihm aus. „Mir lerna uns no guat kenna. Nämli, unser Spezialität is ja, daß mir junge Herrn Rechtsanwält ausstaffiern, und i kann Eahna sag’n, i hab scho ziemli viel Herrn ausstaffiert. Lesen S’ no ...“

Er gab mir eine Karte.

J. A. Maier — Buchhandlung — Spezialität — Anlage von Bibliotheken für Herren Notare und Rechtsanwälte — An- und Verkauf von juristischen Bibliotheken — Kulante Gewährung von Teilzahlungen — usw.

„Sehg’n S’, Herr Dokta, dös is dös, was Sie brauchan. De Wand da drüben, de muaß ganz zuadeckt sei mit lauta Büacha. Erschtens — er streckte den Daumen aus — brauchan Sie wirkliche juristische Büacha — dös kriag’n ma nacha — zwoatens — er gab den Zeigefinger dazu — brauchan Sie Entscheidunga — mir hamm antiquarisch a paar Sammlunga — drittens — und jetzt kam der Mittelfinger — drittens, da gibt’s so Amtsblätter und alte Verordnungsblätter, de ja koan Wert nimmer hamm, aba de san hübsch groß, in blaue Pappadeckel ei’bund’n, und macha an recht’n Krawall, de nehman si großartig aus in da Kanzlei. De kriag’ns von uns drein, an achtz’g Bänd für zwölf Markl ...“

„Das ist alles recht schön, aber ...“

„Nix aba!“ Er sagte es energisch und jede Widerrede abschneidend. „Dös is dös, was Sie brauchan, Herr Dokta. Und jetzt schreib’n mir amal auf, was Sie für wirkliche Büacha hamm müass’n. Mit ’n Strafrecht fanga ma ’r o ...“

Und er fing mit dem Strafrecht an und nannte im befehlenden Ton alle anderen im besten Ansehen stehenden Kommentare, schrieb sie mit der Füllfeder auf, fand immer noch ein Buch und gab es dazu, und erklärte endlich, daß mir nunmehr einigermaßen und fürs erste geholfen sei.

Alle Zahlungsbedenken schnitt er kurz ab, und erst, als er sein dickes Notizbuch in die Brusttasche und seine Füllfeder in die Westentasche gesteckt hatte, gab er den befehlshaberischen Ton auf und wurde wieder umgänglich.

„Soo,“ sagte er gemütlich, „jetza hamm ma ’s, und Notabeni, i mach no mei Gratulation, daß Sie Eahna hier niederlassen hamm. De Gegend is guat, de Bauern streit’n gern, g’rafft werd aa no Gott sei Dank, da hat a junger Rechtsanwalt a ganz a schön’s Feld der Betätigung, und jetzt bhüat Eahna Good!“

Er schied mit einem freundlichen Lächeln von mir, und seine Worte taten mir wohl. Nur allmählich wurde mir klar, daß diese Anschaffung auf Kredit meine Stellung nicht gerade gebessert und befestigt hatte.

Ein ereignisloser Tag, der nun folgte, und die Gewißheit, der ich entschlossen ins Gesicht sehen mußte, die Gewißheit, daß ich das nächste Mittagessen würde schuldig bleiben müssen, ließen mir die Bestellung einer Bibliothek als verbrecherische Torheit erscheinen.

Die Schneider nähten, die Schmiede hämmerten, der Rechtsanwalt schaute zum Fenster hinaus auf den Marktplatz.

Vor seinem Bäckerladen stand der dicke Herr Holdenried und stocherte in den Zähnen herum und gähnte und spuckte aus, und tat das alles mit Ruhe, wie sie eine gefestigte Sicherheit gibt.

Zwei Häuser weiter stand der Seiler Weiß auf dem Bürgersteig und zeigte ebenso aller Welt, die es wissen wollte, daß er sich satt gegessen hatte.

Sie riefen sich etwas zu und lachten, und Herr Holdenried ging ein paar Schritte hinauf, und Herr Weiß ging ein paar Schritte herunter, bis sie beisammen standen und offenbar von den gleichgültigsten Dingen miteinander redeten. Jeder stand würdig und breitbeinig und zahlungsfähig auf dem Pflaster und jeder wußte, daß aus irgendeinem Fenster, oder aus mehreren Fenstern, neidische Blicke auf sie geworfen wurden. Und jeder wußte, daß er wie Vater und Vatersvater den Neid verdiente.

Ob je einer von diesen niederträchtigen Spießbürgern Sorgen getragen hatte, oder auch nur wußte, wie der Gedanke an morgen bleischwer auf dem Magen liegen konnte?

Sie bliesen die Luft von sich und waren zufrieden mit sich und einer mit dem andern, und dann ging Herr Holdenried ein paar Schritte hinunter und Herr Weiß ein paar Schritte hinauf, und sie schloffen durch ihre Haustüren ins Behagen zurück.


Und es war doch wieder die Glocke! Es war gewiß und wahrhaftig wieder die Glocke! Ein kleiner, schmächtiger Mann stand vor der Türe. An seinen Stiefeln hing zäher Lehm, und ich sah wohl, daß er auf Feldwegen gegangen war, und in seinen Blicken lag etwas Unsicheres, Fragendes ...

„Sind Sie der neue Herr ...“

„Ja, jawohl, kommen Sie nur herein, bitte!“

Es klang immer noch wie die Einladung einer Schießbudenmadam, nur zögernder.

Und das war also ein Lehrer aus Irzenham, einem weit entlegenen Orte, der zu einem anderen Gerichte gehörte, aber der Herr Lehrer war etliche Stationen weit mit der Bahn gefahren, hier ausgestiegen, und nun eben, nun war er da.

Es handelte sich um eine Beleidigung. Eigentlich um eine ununterbrochene Reihe von Kränkungen, Beleidigungen und Ehrabschneidungen.

Man mußte weit zurückgreifen. Es handelte sich, wenn man es recht sagen wollte, um einen förmlichen Krieg zwischen Pfarrer und Lehrer, Sie wissen ja, wie das leider so häufig vorkommt ... Ob ich es wußte! Und ob ich nicht, was ich wußte, mit starken Worten sagte, mit Entrüstung, allgemeiner und gerade auf diesen Fall angewandter besonderer Entrüstung!

Wie konnte man einen Mann, der ... und wie konnte man einen Lehrer, dessen dornenvoller, verantwortungsreicher Beruf — — und so weiter — Wie konnte man das?

Der Pfarrer hatte es gekonnt. Er hatte schon bald, nachdem der Herr Lehrer nach Irzenham versetzt worden war, begonnen, die Stellung des Mannes zu untergraben, ihn zu reizen, ihn zu verdächtigen, ihn herunterzusetzen —. Man mußte da weit zurückgreifen und die Irzenhamer Geschichte der letzten drei, vier Jahre kennen lernen, um dann wieder hier vorgreifend, dort Rückschlüsse ziehend, um, auch den schlechten Charakter des neu gewählten Bürgermeisters so ganz begreifend, zu verstehen, warum und wieso die letzten Angriffe auf den Herrn Lehrer, dessen Ehefrau Amalie und wiederum deren Schwester Karoline von langer Hand vorbereitet und besonders giftig waren.

Man mußte weit zurückgreifen, und ob ich es gern tat!

Ob ich nicht politische Bemerkungen einfließen ließ und mich voll und ganz auf die Seite der Lehrer stellte, ganz allgemein aus Gesichtspunkten, die für jeden anständigen Menschen gelten mußten, die in jedem vernünftig geleiteten Staat, die in jeder ordentlich verwalteten Gemeinde überhaupt nicht in Frage kommen konnten!

Ob ich sie nicht mit juristischen Bemerkungen spickte!

Ob ich nicht selber von einer sittlichen Entrüstung durchbebt war!

Und ob ich nicht immer wieder betonte und feierlich versicherte, daß diese seit Jahren auf Irzenham drückende, schwüle Temperatur bloß durch das Gewitter einer Gerichtsverhandlung gereinigt werden könne und müsse!

Ja, ich hatte wirklich das Gefühl der Erleichterung, der Befriedigung, als es nun endlich feststand, daß ich als Kläger gegen den Pfarrer auftreten würde!

Es sollte dabei nichts verschwiegen werden?

Aber gewiß nichts!

Die Irzenhamer Geschichte der letzten vier Jahre sollte vor dem Forum der Öffentlichkeit aufgerollt und unter eine alle Winkel erhellende Beleuchtung gesetzt werden. Darauf konnte sich der Herr Lehrer verlassen.

Darauf konnten sich der Herr Lehrer, seine Ehefrau und deren Schwester Karoline unbedingt verlassen.

Die Vollmacht war unterschrieben. „Und ja, womit kann ich noch dienen?“

„Ich möchte,“ sagte der ehrenwerte und in allen seinen Gefühlen heftig verletzte Mann, „ich möchte natürlich einen Vorschuß erlegen, aber ich habe leider nicht mehr als fünfzig Mark bei mir ...“

Er zog einen reizenden, von der liebenden Hand der Ehefrau gestickten Geldbeutel hervor und nahm wundervoll klingende Goldstücke daraus ...

Ich schwieg und sah ihm zu.

Ich dachte durchaus ernsthaft darüber nach, wie unsagbar roh man veranlagt sein mußte, wenn man diese Frau, welche die hübsche Geldbörse vermutlich zu Weihnachten gestickt hatte, kränken oder ihrer Schwester Karoline zu nahe treten konnte! Der Lehrer faßte mein tiefsinniges Schweigen irrtümlich auf.

„Ich kann Ihnen ja noch einiges schicken, wenn das nicht genügt ...“

„Es genügt,“ sagte ich und ließ meine Gedanken nicht weiter abschweifen.

Er zählte das Geld auf den Tisch, ich schrieb mit scheinbarem Gleichmut eine Quittung, alles sah geschäftsmäßig und richtig aus, und er wollte nach höflichem Abschiede gehen.

Da drängte sich mir eine Frage auf die Lippen.

„Herr Lehrer, wie kommt das nun eigentlich? Ich meine, wie kommen Sie von Irzenham hierher und zu mir?“

„Hierher? Hm—m ...“

„Sie haben wahrscheinlich meine Anzeige im Wochenblatt gelesen?“

„Nein ... eigentlich nicht ...“

„Und wieso ...?“

„Ich wollte nämlich nach München fahren und dort zu einem Anwalt gehen, aber in der Bahn ... wissen Sie ... da war ein Herr ... ein gebildeter Mann, so militärisch hat er ausgesehen ...“

Der Lehrer zwirbelte mit der Hand einen imaginären Schnurr- und Knebelbart ...

„... wie ein alter Soldat und auch in der Sprechweise ... nicht wahr ... Und ja, wir sind ins Gespräch gekommen, wie man eben eine Unterhaltung beginnt, und da erzählte ich dem Herrn von meinem Prozeß ...“

„Richtig, dem Herrn erzählten Sie ...“

„Daß ich nach München fahre, um einen Anwalt aufzusuchen, und da sagt er zu mir: Was wollen Sie denn in München? Wissen Sie denn nicht, daß ein ausgezeichneter Anwalt hier ist? Er meinte nämlich, hier ...“ Der Lehrer machte eine Verbeugung.

„Bitte!“ sagte ich ruhig.

„Ja, und der Herr erzählte von Ihnen in sehr schmeichelhafter Weise und er sagte, es sei ein Glück, wenn sich in der Provinz so gute Anwälte niederlassen, Sie entschuldigen Herr Doktor, wenn ich das so wiedererzähle, aber ...“

„Bitte!“ sagte ich ruhig.

„Sie müssen schon öfter für den Herrn Prozesse gewonnen haben?“

„Möglich“, log ich. „Momentan natürlich kann ich mich nicht erinnern ...“

„Ein auffallend großer Mann mit einem militärischen Bart,“ wiederholte der Lehrer und zwirbelte einen unsichtbaren, martialischen Bart ...

„Hm! Ich kann mir ungefähr denken ...“

„Er war, wenn ich so sagen darf, sehr energisch. Wie der Zug hier anhielt, und ich ... Sie entschuldigen, Herr Doktor, weil ich Sie doch nicht kannte ... und ich wußte noch nicht, ob ich aussteigen sollte, da hat er mich gewissermaßen hinausgeschoben und hat mir meinen Mantel und meinen Regenschirm hinausgereicht, und er sagte immer: Sie müssen zu dem Anwalt hier gehen. Das ist der rechte Mann für Sie, und er sagte: Sie werden mir ewig dankbar sein, denn sehen Sie, sagte er, in der Großstadt, da hat man nicht das Interesse und die Zeit, da werden Sie kurz abgefertigt, sagte er, — und da ist der Zug schon weggefahren, und ich bin da gestanden. Ja, und der Herr hat noch zum Fenster herausgesehen und hat mir gewunken ... hm ... ja ... und da bin ich eben zu Ihnen gegangen ... und wenn ich so sagen darf, ich bin eigentlich froh ...“

„Seien Sie unbesorgt, Herr Lehrer, ich werde energisch für Ihr Recht eintreten ...“

„Ja, und wissen Sie, diese Äußerung gegen meine Schwägerin Karoline, die muß besonders hervorgehoben werden ...“

„Sie wird hervorgehoben,“ sagte ich mit starker Stimme, „wir wollen einmal sehen, ob der politische Fanatismus alles und jedes beschmutzen darf, wir wollen sehen, ob ... kurz und gut, Sie können beruhigt heimfahren.“

Die Augen des Lehrers leuchteten auf. Er bot mir die Hand und schüttelte sie und ging ...

Ich nahm zu allererst die Goldstücke und ließ sie klirrend auf den Tisch fallen und wieder in den hohlen Händen aneinander klingen.

Ha!

Ob ich mich an den Mann erinnerte, der einen so befehlenden Ton hatte, wenn er die Bestellung einer Bibliothek erzwang oder zaghafte Klienten zum richtigen Anwalt schickte?

Es sollte mehr solche Männer geben!

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Druck von Hesse & Becker in Leipzig
Einbände von E. A. Enders, Großbuchbinderei, Leipzig

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