The Project Gutenberg eBook of Das Tal der Lieder und andere Schilderungen This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Das Tal der Lieder und andere Schilderungen Author: Hermann Löns Illustrator: W. Kirsch Release date: June 16, 2016 [eBook #52352] Language: German Credits: Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS TAL DER LIEDER UND ANDERE SCHILDERUNGEN *** Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net Anmerkungen zur Transkription Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original gesperrter Text ist +so ausgezeichnet+. Weitere Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches. Das Tal der Lieder und andere Schilderungen von Hermann Löns Mit Buchschmuck von W. Kirsch 27.--28. Tausend. Friedrich Gersbach, Verlag, Hannover Copyright by Friedrich Gersbach Hannover 1916 Inhalt Seite Das Tal der Lieder 1 Die bunte Stadt am Harz 8 Im Tiergarten bei Kirchrode 19 Die Hubertusjagd 29 Die Stadt am hohen Ufer 36 Der Waldgraben 45 Am Steinhuder Meer 54 Im deutschen Erdölgebiete 62 Einsame Heidfahrt 69 Im Torfschiff 78 [Illustration] [Illustration] Das Tal der Lieder. Über den Wolfskuhlen ging die Sonne zur Rüste und lachte zum Abschiede den hannoverschen Berg so herzlich an, daß selbst die ernsten Tannen freundlicher aussahen. Die grünen Buchen aber strahlten nur so. Auf dem Wege, der sich als feuerrotes Band durch die Wiese zog, stiegen Frauen herab, tief gebückt unter den Traglasten von Leseholz auf ihren Rücken. Kinder, die Hände voller Blumen, sprangen ihnen singend und lachend entgegen. Noch schlugen die Finken und pfiffen die Meisen; doch immer mehr kamen die Drosseln zu Wort hüben und drüben am hellen hannoverschen und dunklen braunschweiger Berge, und die Rotkehlchen mengten ihre süßen Lieder zwischen die lauten Klänge, zu denen der Teufelsbornbach im Grunde vergnügt die Begleitung brummte. Da schallten klare Stimmen aus dem Walde heraus. Unter den Hängebirken her, die die rote Fahrstraße begleiteten, tauchte ein Trupp junger Kulturarbeiterinnen auf. Leichtfüßig trotz der derben Schuhe und der Rucksäcke und der anstrengenden Arbeit, die hinter ihnen lag, kamen sie daher und sangen, daß es nur so schmetterte: »Hab' ich kein Geld auf dieser Welt, Hab' ich einen Schatz, der mir gefällt. Er ist so weit über Berg und Tal, Daß ich ihn gar nicht sehen kann.« Ich nickte ihnen zu. Lustig erwiderten sie den Gruß, ohne sich stören zu lassen; ja, mir wollte es scheinen, als hätten sie nur um so frischer weitergesungen, um mir zu zeigen, daß die Mädchen von Hellental die schönsten Stimmen haben weit und breit. Zehn verschiedene Stimmen waren es, und doch nur ein einziger Klang. Ich sah ihnen nach, bis sie hinter der Wegkrümmung verschwanden, und als sie schon weit weg waren, hörte ich es noch schallen: »Und als ich kam in die Großstadt hinein, Da stand mein Schatz am Fensterlein. Mir tat mein Herz in der Brust so weh, Dieweil mein Schatz muß Schildwach stehn.« Langsam ging ich den Weg entlang, zwischen den Wiesen hin, wo die stolzen Kuckucksblumen bei den bescheidenen Grasnelken standen, hörte den Ringeltäuber drüben am Berge rucksen und den Hohltäuber hüben heulen, sah die goldenen Lichter auf dem Bache verlöschen und den grünen Hang seinen Schein verlieren, und ging weiter, immer weiter unter dem Gatter her, über dem oben auf dem Lichtschlage Rotwild entlang zog, bis es aufwarf und in die Dickung polterte; dann wieder kam Gesang mir entgegen. Waldarbeiter waren es. Hart klangen ihre Nagelschuhe auf dem Steinschotter, aber weich klang es durch den dämmernden Wald: »Morgens früh an schönen Tagen, Wenn das Gras am grünsten steht, Muß ein jeder Jäger wissen, Wo das schönste Wildbret geht. Hirsch und Hasen muß man schießen, Eh' sie laufen in den Wald; Schöne junge Mädchen muß man lieben, Eh' und eh' sie werden alt.« Der Waldkauz in den Buchen fing vor Neid an zu wimmern, so sangen die Männer, und die Ohreule in den Fichten seufzte hinter ihnen her. Ich aber stieg den Berg empor, bis die letzte Drossel ausgesungen hatte, und dann in das Dorf hinab, dessen steile Straße voll von lautem Leben war. Und als ich dann später unter der Hängelampe saß, kamen sie an, die Gehrmanns, Eikenbergs, Roloffs und wie sie alle hießen, lauter Waldarbeiter mit harten Händen und freundlichen Augen, und ein Wort gab das andere, bis erst der eine und dann der andere eine der Wilddiebsgeschichten zum besten gab, die er von seinem Vater gehört hatte, der die Zeiten miterlebt hatte, als das Wild noch nicht hinter den Gattern stand, sondern Nacht für Nacht auf den Feldern zu schaden ging und jeder dritte Mann in der Gegend ein Freischütz war. Lustig und traurig waren die Geschichten, die ich hörte, und wild und wehmütig die Lieder, die wir sangen, und schließlich ließ sich Vater Timmermann, unser Wirt, bewegen, und holte die Forke hervor, den alten einläufigen Vorderlader, mit dem so mancher Hirsch heimlicherweise gefällt war, und der nun schon über ein Menschenalter hahnlos und rostverbrannt im Schranke staubte als Angedenken an die alten schlimmen Tage. Es war schon spät, als ich in das Bett kam; aber trotzdem war ich früh auf. Die Frühsonne kam blank hinter dem Heukenberge her und schien in mein Fenster, und helle Stimmen klangen hinein; das junge Volk machte seinen Sonntagsfrühgang in den Berg. Lustig klang es von dem einen Berg herüber: »Es wollte ein Jäger wohl jagen, Dreiviertel Stunde vorm Tagen, Ein Hirschlein oder ein Reh, Ein Hirschlein oder ein Reh,« und von dem andern her: »Und jetzt nehm' ich meine Büchse Und geh' in den Wald Und schieße mir ein Hirschlein, Sei es jung oder alt.« Die Spatzen lärmten, und die Schwalben zwitscherten, die Finken schlugen, die Drosseln pfiffen, und wieder war das ganze Hellental voll von Gesang und frohen Stimmen. Ich zog dann auch bald hinaus bis dahin, wo das Tal endigte und der Bach in ihm in den Grund fällt, sah die Blumen winken und die Falter fliegen, hörte dem Rauschen der Buchen zu und den Vögeln, die in ihren Zweigen sangen. Aber ab und zu, bald hier, bald da, klangen frohe Menschenstimmen dazwischen; von hüben, von drüben kamen lustige und wehmütige Lieder herab in den Wiesengrund, und als ich zum Dorfe ging, schallten vor mir und hinter mir alte, schöne, liebe Weisen, die sich hier in diesem weltfernen Waldwinkel gehalten haben, aber anderswo meist schon längst vergessen sind. Als ich in das Dorf hinein kam, kam mir voller Chorgesang aus der Kapelle entgegen, so schön und rein, wie ich ihn kaum je aus einer Dorfkirche hatte herausklingen hören. Und nachmittags kam das Paar, das nach der Kirche zusammengegeben war, daher. Der Bräutigam im hohen Hute und Kirchenrock, den Myrtenstrauß an der Brust, führte die Braut an der Hand, der der Kranz gut zu dem schwarzseidenen Kleide stand. Hinterher gingen die Brautführer, die weißgekleideten Brautjungfern im Arme, und die Verwandtschaft machte den Beschluß. Und alle sangen: »Mir gefällt das Eh'standsleben Besser als das Klosterzieh'n. In das Kloster mag ich nicht, Bin ja schon zur Eh' verpflicht', Ja, Eh' verpflicht'.« So zogen sie dahin in den grünen Berg nach alter Sitte, und alle Vögel sangen dem jungen Paar zu Ehren mit, so laut sie konnten. Wie dieser helle Sonntag im Hellental anfing, so wurde er auch beschlossen. Wohin ich kam im grünen Walde, hallte und schallte es von Liedern. Abends aber versammelte sich das ganze junge Volk im Kruge; rund herum saß die Jungmannschaft und in der Mitte zwei Reihen blühender Mädchen, und Stunde auf Stunde klang die Stube von frischem Liederschall. Das ganz junge Völkchen aber, das just die Schule verlassen hatte und noch nicht in den Krug hinein durfte, stand draußen unter den Fenstern und sang die Lieder ebenso mit, wie im vorderen Zimmer die Ehemänner, nachdem ihnen die Karten langweilig geworden waren. Am andern Tag hieß es Abschied nehmen. Aber die Räder des Wagens, der mich nach Dassel führte, und die der Eisenbahn, die mich heim brachte, sangen immer noch die Lieder aus dem Hellental mit, und heute noch ist es mir, als sähe ich die Kulturarbeiterinnen hinter den Birken auf dem roten Wege verschwinden, und ihre Stimmen, die singen in einem fort in mir: »Im Sachsenlande, da bleib' ich nicht. Die langen Kleider, die trag' ich nicht. Die langen Kleider und die spitzen Schuh', Die kommen keiner Dienstmagd zu.« [Illustration] [Illustration] Die bunte Stadt am Harz. Alle Städte den Harz hinauf, den Harz hinab haben ihre Schätze und Kostbarkeiten; keine aber ist so reich und so bunt wie Wernigerode. Alles ist da, was das Herz begehrt: lustiges Leben und träumerische Stille, städtische Eleganz und dörfliche Einfachheit, flutender Fremdenverkehr und feststehende Eigenart, neue Bauart und alte Architektur; sie ist die Stadt der bunten Gegensätze, die zu einer stimmungsvollen Einheitlichkeit verschmolzen sind. Schon die Lage des Dreistädtegebildes Hasserode-Wernigerode-Nöschenrode ist eigener Art. Zwischen dem fröhlichen Vorharz und dem ernsten Oberharz schmiegt sich die Stadt an der Stelle hin, wo die wildverwegene Holtemme und der stillsinnige Zillierbach ineinanderrinnen, und in beider Flüsse so verschiedenartig gestaltete Täler dringt die Stadt mit ihren stattlichen Töchterstädten hoch in die Berge und tief in die Täler vor und drängt immer mehr nach der bunten Ebene hin. So liegt sie da, dem Brocken nahe, dem Hügellande und der Getreideebene, auf der Grenze zwischen Nadelwald und Laubholz, Granit, Schiefer, Kalk, Sandstein und Lehm, zwischen drei verschiedenartigen Floren- und Faunengebieten, auf der Scheide dreier Volksstämme, dreier Sprachgebiete, dreier Temperamente, dreier Baustilarten, und darum ist sie so reich an Reizen, ist sie so bunt und so schön. Sie ist eine echte Harzstadt und voll von internationalem Leben; sie ist eine Acker- und Kleinbürgerstadt, aber mit reichem Gewerbe, kräftigem Handwerk und blühendem Handel. Kein Stand, kein Beruf drückt den andern in den Hintergrund, und die große Fremdenkolonie, in der es von alten Namen und Titeln nur so wimmelt, ist durch unzählige Übergänge mit dem alten Bürgertum und der Arbeiterschaft zu einer rißlosen Lebensgemeinschaft verschmolzen. Dürftigkeit ist keine Schande, und der Luxus gilt als Verdienst. Es ist gleich, zu welcher Jahreszeit man dort ist; immer ist es dort schön. Klirren die Flüsse durch Ufereis, hüllt der Schnee Berg und Tal, hier drückt der Winter nicht; denn die Luft ist rein, und der Schnee ist trocken. Jedes Wochenende bringt die Schneeschuhläufer und Rodeler von weit und breit her; denn zu bequem ist die Stadt zu erreichen von Halle und Magdeburg, Hannover und Braunschweig, Bremen und Hamburg und Berlin. Wunderbar schön ist es wintertags dort, wenn die Fichten Schneemützen tragen und sich demütig vor Sr. Majestät dem Winter beugen, und da die Berge die bösen Winde abhalten, empfindet man die Kälte nicht gar sehr. Wenn die Tauwinde blasen, Holtemme und Zillierbach ihr Randeis zerbrechen und in tollen Sprüngen zu Tale tanzen, wenn die Zeisige und Kreuzschnäbel auf die Höhen fliehen und auf den Brücken und Stegen die Bergbachstelze wieder umhertrippelt, dann kommt die hohe Zeit für die bunte Stadt am Harz. Zwei Jahreszeiten sind dann dort dicht beieinander. Die Gärten protzen mit ihrem Vorfrühlingsflor, die Bäume blitzen von vielfarbigen Knospen, Amselsang und Finkengeschmetter erfüllt das Gezweige; aber ein Stündchen bergan, und der Nachwinter herrscht dort noch. Ernst liegt der Schnee im Schatten, keine Knospe lüftet die Hüllen, und nur der reisenden Meisen Stimmen bringen Leben in den verschlafenen Wald, bis auch ihn die Sonne weckt, bis auch dort der Boden sich mit Blumen schmückt und aus allen Wipfeln lustige Lieder erschallen. Blumen und Vogellieder, das ist es, was dem Fremden, und sei er noch so sehr Asphaltmensch, zu allererst in Wernigerode auffällt. Die Ebene, das Hügelland und die Berge, sie alle schicken ihre Blumen bis mitten in die drei Orte hinein, und die drei Städte schieben ihre Anlagen und Gärten hoch in die Berge, überall zwischen die Hügel und tief in die Ebene hinab. Wo hört die Stadt auf, wo endet der Garten, und wo fängt das Gebirge an und beginnt die wilde Flora? Darauf gibt es keine Antwort. An den Schieferböschungen mitten in der Stadt wuchert ungestört, entzückende Stilleben bildend, allerlei buntes, wildes Gekräut, und wohin man sieht, über und unter der Stadt, vertragen sich die feierlichen Gartensträucher auf das beste mit den wilden Gebüschen, und mit feinem Takte läßt die Stadtverwaltung dem wilden Geblüm an den Böschungen nicht nur seinen Platz, sondern pflanzt besonders schöne Wildblumen an jenen Stellen der Anlagen an, die weniger streng gehalten sind. Auch die Gartenbesitzer freuen sich, wenn Wildrose, Weißdorn und Brombeere und allerlei wilde Blumen auf ihrem Rechte bestehen, und wer Augen hat, zu sehen, der hat seine helle Freude bei jedem Schritt und Tritt. Und nun erst die Vogelwelt. Auch bei ihr gibt es keine Grenzen zwischen Stadt und Umgebung. Hier schilpt der Hausspatz, und drüben läutet der Kuckuck, dort zwitschern die Schwalben, und hier schnurrt der Grünspecht hin, wiehernd lachend; auf jedem dritten Baume plaudert ein Girlitz oder Stieglitz oder Grünfink, in allen Büschen schwatzen Zaunkönig und Braunelle und Grasmücke, und Fink, Meise, Gartenrötel, Trauerfliegenschnäpper, Amsel und Singdrossel sind überall zu finden. Im Mühlentale schluchzt abends die Nachtigall, mitten im belebten Konzertgarten schlüpft der Häher durch die Zweige, über den Dächern kreist der Bussard, und wenn der Abend hereinbricht, lassen die Vögel der Nacht ihre Stimme erschallen; der Waldkauz lacht im Baß, das Käuzchen kichert im Diskant, und unheimlich schnarcht die Turmeule. Wer die Tierwelt liebt, braucht nicht weit zu gehen hier. In den Gartenstraßen watscheln die schwarzgelben Salamander bedachtsam dahin, in den klaren Flußläufen stehn die Forellen, jagen die Jungen auf Schmerlen und Groppen, und ein bunteres Schmetterlingsgeflatter, wie hier, hat keine Stadt, und keine so viel lustiges Gesumme und Gebrumme über den Blumen. Außerdem, da ist kaum ein Haus, wo nicht unter dem Fenster ein Käfig hängt, und wo man geht und steht, zwitschert und pfeift und schlägt es, gleich als ob das Volk von lustigem Gesange noch nicht genug hätte. Das aber ist es, was den Fremden am meisten freut, der heitere Zug, der hier alles beherrscht, der sich in dem bunten Wechsel des Bodens, in dem fesselnden Zusammenfluß von Natur und Stadtleben, in der Blumen Farbenpracht, in dem frohen Tierleben ausspricht und in den Gesichtern der Menschen. Sie haben eine bekömmliche Philosophie, die Leute hier, und die ist: nicht zu philosophieren. Es ist zuviel Schönes und Liebes und Lustiges zu sehen, daß sie gar nicht daran denken, zu denken; denn wer denkt, der lebt nur halb. Hier aber lebt man ganz. Bestelle dir zum Sonntag früh den Wagen, Fremdling, denn sonst bekommst du keinen; denn der Wernigeröder und der Hasseröder und der Nöschenröder läßt dir keinen übrig. In aller Frühe donnern sie aus allen Toren, die Wagen, bunt von frohen Gesichtern, hellen Blusen und farbigen Hüten, und mit Klingklang und Singsang, mit grünen Zweigen besteckt, donnern sie abends wieder zurück. Und hast du keinen Wagen bekommen, es schadet nichts. Drehe dich dreimal um deine Achse und gehe dahin, wo deine Nase dich hinweist; es ist völlig gleich, ob du diesen oder jenen Weg einschlägst, ob du zum Christianental oder nach der Steinernen Renne, zur Himmelspforte oder zur Sennhütte hingelangst: überall ist es schön, überall sind Blumen, ist Wald, sind blühende Abhänge, heimliche Schluchten, lachende Matten, und überall lustiges Volk, die Hände voll von Primeln, Wiesenröschen und Teufelskrallen. Aber suchst du Einsamkeit, nach hundert Schritten hast du sie. Willst du im lichten Laubwalde wandeln, gehe in den Schloßberg; liebst du das dämmrige Tannicht, es ist überall; ziehst du den sonnendurchglühten Kiefernwald vor, er ist nicht weit, und Aussicht kannst du haben, soviel du willst, und hungern und dürsten brauchst du nirgendwo, denn überall zeigen dir die Handweiser, wo eine gastliche Stätte Speise und Trank bietet. Nimm dir nur nicht vor, planmäßig Wernigerode und seine Umgebung kennen zu lernen; es hat gar keinen Zweck, denn dafür reichen deine vier Wochen Ferien nicht. Bist du schon auf dem Hartenberge gewesen und in dem märchenhaften alten Marmorsteinbruche? Warst du an den Teichen, wo der Drosselrohrsänger singt? Hast du die Sauen bei der Körnung gesehen? Sahst du abends das Rotwild an den steilen Hängen umherziehen? Erspare es dir vorläufig, nach Ilsenburg oder dem Fallstein, nach Elbingerode oder Rübeland zu pilgern oder zu fahren, laß den Huy und den Elm winken und den Brocken brummen, und sieh dich erst in der Nähe um, aber ganz in der Nähe, in der nächsten Nähe. Setz dich vor das Hotel da unter das Sonnensegel und sperre deine Augen auf, dann hast du vorläufig genug und übergenug. Da ist das Rathaus mit seinem Fachwerk und seinen stolzen Spitztürmen, die rechts und links neben der Treppe stehen wie Wacholder neben einem Heideweg, der bergan läuft. Ist es nicht fein, wie Thomas Hildeborg es verstanden hat, Holz- und Steinarchitektur zu wirkungsvollster Einheit zu verschmelzen? Das muß ein ganzer Kerl gewesen sein, sonst hätte er nicht über die Tür geschrieben: »Einer acht's, der andere verlacht's, der dritte betracht's; was macht's?« Und war es nicht ein reizender Zug vom Grafen Heinrich, dieses Haus, das ihm als Spielhaus gehörte, samt dem Weinkeller und allen Gerechtsamen der Stadt zu schenken? Überhaupt die Fürsten von Stolberg-Wernigerode, das ist wieder ein Vorzug der Stadt. Es sind keine regierenden Fürsten mehr, aber den großen Zug behielten sie von der Zeit bei. Mit Ausnahme des bißchen Park um das Schloß kannst du in allen ihren Anlagen und Wäldern, von hier bis zur Brockenkuppe, frei schweifen; kaum, daß dir ein Förster oder Wärter eine Warnung gibt, wenn du quer über den Rasen läufst oder gar zu große Sträuße von den blühenden Büschen schneidest. Sieh, du hast Glück, das Fürstenpaar fährt vorbei im funkelnden, flimmernden Viererzuge. Achte darauf, wie die Leute grüßen! So gar nicht unterwürfig, trotzdem der Hof ein guter Abnehmer für so viele Leute ist. Zuneigung liegt in den Augen, aber nicht Knechttum. Nun aber wird es dir zu laut und zu voll hier. Brockenfahrer kommen in hellen Haufen an und von allen Sorten, in Rindsleder und Chevreaux, in Loden und Tennisflanell, ganze Bündel Brockenblumen in den Händen. Es ist verboten, sie abzureißen, und doch pflückt jeder Brockenfahrer sie; denn die Beamten sagen nicht gern etwas. Man ist fast zu liebenswürdig auf stolberg-wernigerödischem Gebiet; etwas mehr Strenge könnte nicht schaden, denn allzu viel Pöbel fährt Sonntags durch den Harz und verschandelt das Land mit Papier und Flaschenscherben. Aber du willst weiter. Geh, wo es dir paßt. Sieh dir das gotische Haus an und freue dich über das reiche Schnitzwerk und die hübschen jungen Mädchen in Weiß, Rosa und Vergißmeinnichtblau, die an den Tischen zwischen den Lorbeerbäumen sitzen, oder geh durch die Anlagen am Bahnhofe und lache den bunten Blumen zu, und vergiß das Schlachthaus nicht, dieses wunderschöne Schlachthaus, das ganz gut ein Ferienheim oder so etwas ähnliches sein könnte, und sieh zu, daß du die alten Türme findest, den stolzen, patrizierhaften am Westentore und den andern, der da irgendwo herumsteht und mit der Luke in seinem Bauche so unglaublich lustig aussieht, als müsse er darüber lachen, daß in seinem Erdgeschosse jetzt Borstentiere schlachtreif gemacht werden. Mensch, du glaubst gar nicht, was es hier alles zu sehen gibt! Das Wasser zum Beispiel! Überall ist Wasser, breit und schmal und noch schmäler, fadendünn aus einer Röhre über die Böschung in die Gosse rieselnd, aber alles so blank, daß man es trinken kann. Und das viele Wasser, das gibt Brücken und Stege und Geländer und Böschungen und Winkel aller Art, ein Stück Klein-Venedig neben dem andern. Hier besonders, wo die Jungen barbeinig herumwaten, ist es besonders nett; darum heißt die Straße auch die schöne Ecke. Aber sieh dich hier vor, Verehrtester, hier wohnen scheußlich viel hübsche Mädchen, und leicht holst du dir einen hoffnungslosen Knacks unter der Weste; denn sie sind alle schon versagt, längst versagt. In einer so hübschen Stadt mit so viel Blumen und Vogelsang warten die Mädchen nicht lange auf den einen. Dieses Völkchen hier geht schnell und arbeitet schnell, und es lacht und liebt auch schnell, und küssen tut es schrecklich gern. Heute abend, wenn es schummert, geh einmal über die Straße: überall steht eine mit einem, vor jeder Haustür. Doch du bist ein ernster Mann mit einer Glatze und mangelhaften Aussichten in Punkto Liebe; also mache lieber ernsthafte Studien. Die Straßennamen sind zu diesem Behufe sehr zu empfehlen: da ist eine Pinte und eine Freiheit; und auch die Flur- und Forstnamen, die haben Saft und Kraft: Pulvergarten, Galgenberg, Flutrenne, Armeleuteberg, Kalte Tal, Fenstermacherberg, Verbranntes Eichental, Zwölfmorgental, Auerhahn- und Hasenwinkel und Papenanneken. Da aber mußt du nicht hingehen, sonst wird dir betrübt um die Rippen. Da sitzen sie, jung und alt, und haben Körbe voll Kuchen und Kannen und Tassen, und da wird Kaffee gekocht und gelacht und gesungen, und Pfänderspiele werden gemacht, mit Küssen natürlich. Doch sind hierzu Pfänderspiele nicht immer nötig; es geht auch so. Da platzt du auch schon auf so ein Pärchen und ziehst dich wehmutsvoll zurück. Aber du siehst ja noch nicht ganz baufällig aus, alter Freund, und so wundere dich nicht, wenn dich alle Naselang ein paar hübsche Fräulein nach der Uhr oder nach dem Wege fragen: das sind Ferienkolonistinnen aus irgendwelchen Großstädten, denen das einschichtige Leben hier langweilig ist und die so'n bißchen Sonntagnachmittagsanschluß suchen; denn was der Mensch gewohnt ist, das entbehrt er ungern. Wenn du klug bist, so sträube dich nicht; man kann hier nicht gut allein sein. Die Bäume blühen, die Vögel singen, blauweiß grüßt der Brocken über den Wald, von unten her lacht das bunte Land herauf, Automobile sausen, braune Kühe kommen mit Klingklang und frohem Gebrumm heim, jedes Kind hat die Faust voll Blumen; es ist wahrhaftig ein Tag, um eine kleine Dummheit zu wagen. Sei kein Frosch, alter Junge, steige mit den Mädeln zur Harburg hinauf, lasse dir eine dicke Flasche kalt stellen und ein niedliches Abendessen nebst Sonnenuntergang servieren, und freue dich, daß du noch drei Wochen weilen darfst in der bunten Stadt am Harz. [Illustration] [Illustration] Im Tiergarten bei Kirchrode. Grau ist der Morgen; Nebel verhüllen die Landschaft; ein frostiger Wind pfeift uns entgegen auf der Plattform der elektrischen Bahn, die uns in sausender Fahrt an der Kante des herbstlich bunten Stadtforstes Hannovers, der großen, schönen Eilenriede, vorbeiführt, den Berg hinauf, vorüber an den schmucken Villen von Kühlshausen, durch Kirchrode hindurch. Hier hat die Fahrt ein Ende. Zur Linken, hinter Obstbäumen, von gelbblättrigem Wein überrankt, winkt uns schon das Försterhaus; sein grünes Tor, das braune Fachwerk, der lichtblaue Maueranstrich sehen so einladend gemütlich aus. Und da ist ja auch Herr Hofjäger Delion, der uns schon erwartet. Wir sollen heute seinen Tiergarten gründlich kennen lernen, gründlicher als die Leute, die hier Sonntags auf den weiten Rasenflächen unter den mächtigen Eichen und Kastanien bei Kaffee und Bier sitzen. Die Warnungstafeln, die große Teile des Waldes für die Besucher verbieten, für uns sind sie heute nicht da. Ein Pfiff, und da kommen Gretchen und Flick angerast, die feingebaute Teckelhündin und der scharfe Rüde. Die müssen mit; wer weiß, ob nicht irgendwo ein Ilk sitzt oder ein Wiesel über den Weg läuft. Aber erst noch ein bißchen gefrühstückt in dem hellen Saal, dessen Wände Damhirschschaufeln und Hirschgeweihe schmücken und in dem schon einige bettflüchtige Radler lustig beim Kaffee sitzen und Ansichtspostkarten in die Welt schicken. Herrlich ist der Blick von hier aus über die Hauptallee und den grünen, mit gelben Blättern bestreuten Rasen. Wie Schildwachen stehen die beiden Pyramideneichen da; die hohen Kastanien zaust der Wind und pflückt ihnen die letzten bunten Blätter ab; in den knorrigen Eichen rätscht der bunte Markwart; sechs dicke Amseln fahren hastig auf dem Rasen hin und her und stieben davon, wie beim Eichelsuchen der älteste Hirsch, ein weißer Schaufler, an ihnen vorübertrollt. Und hier zwischen den Stühlen und Tischen steht ein schwarzer Schaufler und lauert, daß der Nordostwind ihm Kastanien abschüttelt, und vertraut nimmt er das Stückchen Zucker, das wir ihm zuwerfen. Ein Flug Meisen krimmelt und wimmelt im Geäst, ein Kleiber lockt mit lauten Flötentönen, zwei Eichkätzchen jagen sich in der breitästigen Eiche, gellend lacht der Grünspecht, und gewaltige Krähenflüge erfüllen die Luft mit Lärm. Wir gehen am Gatter entlang. Um unsere Stiefel rauscht das welke Laub seine alte, schöne, beruhigende Melodie, beruhigend, wie das Rauschen des Wassers am Mühlenwehr. Zur Linken zieht helles und dunkles Damwild langsam hin, die Geäse am Boden, Eicheln suchend. In diesem Jahre geht es ihnen besonders gut, in diesem Mastjahre. Der Hirsch, der da steht, äugt uns mißtrauisch an; seitdem es neulich einmal hier geknallt hat, ist es aus mit seiner Vertrautheit, und durch das hohe gelbe Gras der Blöße zieht er dem Ellernbruche zu. Ein Trupp Schwanzmeischen überfliegt uns und hängt sich in die Apfelbäume; ein köstliches Bild, diese mausegroßen langschwänzigen, feingefärbten Vögelchen, beweglich wie Quecksilber. Aus dem alten Schuppen schlüpft der Zaunkönig, macht uns einen hübschen Diener und schnurrt fort. Über uns schlüpfen im Gezweige die Goldhähnchen, mit dünnen Stimmchen piepend, und an dem Schuppen rutscht der Baumläufer entlang. Die Kleinsten unserer Vogelwelt haben wir auf einmal im Augenbereich. Wohin wir blicken, Damwild. Hier sitzt ein Alttier im Bett, dort steht ein anderes mit zwei Kälbern. Die Kleinen trauen dem Frieden nicht; in hellen Fluchten geht es der Dickung zu; hinterher trollt die Mama. Achtung! Herausfordernd schreit in dem Fichtenstangenort ein Hirsch. Ein anderer antwortet. Und da klappert es auch schon; wir hören die Schaufeln aufeinander prasseln. Langsam pirschen wir uns heran. Da, hinter dem Graben, dicht an dem großen Innenzaun, wie der Forstort heißt, sind sie. Nur schwach erkennen wir die schwarzen Kämpen in dem Zwielicht des Fichtenorts, sehen sie wie Schatten gegeneinander fahren, hören das Geprassel der Schaufeln, das Schnauben der Tapferen. Und jetzt geht die wilde Jagd weiter in das Dickicht des Waldes; ein Siegesschrei ertönt; in vollen Fluchten setzt der Abgeschlagene über die Waldwiese, und der Sieger gesellt sich zu seinem Rudel, das langsam sich am Grabenborde weiteräst. Hier, auf der Bank vor der Waldwiese, wollen wir rasten. Vor uns dehnt sich die weite Wiese mit ihren gelben Mehlhalmen und braunen Disteln und ihren wunderbar getönten Baumgruppen. Hier ist ein herrliches Plätzchen. Über uns fächeln die Fichten mit grünen Ästen, in denen die Goldhähnchen piepen; vor uns zieht ein kapitaler Schaufler außer Schußweite an dem düsteren Fichtenmantel hin, der im weiten Bogen, dem Gatter folgend, die Wildwiese einrahmt. Gegenüber in den Fichten ertönt der Schrei des schwarzen Schauflers, der dort verschwand, und bald klappert und prasselt es auch dort wieder; und auch hinter uns, zur Rechten in dem jüngeren Eichenort, ist ein Duell. Da unten fliegt ein Sperber, dort, hinter dem Zaun, über der Breiten Wiese. Wer kann quäken? Schnell die Faust geballt, den Mund darauf; jammervoll ertönt Lampes Schwanengesang. »Geh weg, geh weg!« Über uns schnurrt es. Stillgesessen! Ach, nichts; ein Dutzend Häher haben Lust auf Hasenbraten. Wie sie neugierig die Hollen sträuben, die bunten Gesellen! Sie trauen so recht dem Frieden nicht; die drei regungslosen Gestalten auf der grauen Lattenbank kommen ihnen verdächtig vor. Pulver seid ihr nicht wert, ihr Spitzbuben! Fort mit euch! Ein Wink mit der Hand, -- rätsch, ätsch! -- mit Schreckensgeschrei stiebt die Rotte von dannen. Der Sperber aber hat das Quäken nicht vernommen; er war zu weit und über dem Winde. Hier muß man im Vorfrühling sitzen, abends um die Uhlenflucht, wenn in den Dickungen die Rotkehlchen ticken, im Sool vor uns die Frösche plärren, auf der Breiten Wiese die Bekassinen meckern, von allen Wipfeln die Drosseln flöten, in den Birken die Finken schlagen. Wenn dann über Hannover die Sonne rotglühend untertaucht, der Schnepfen-Stern über die kahlen Bäume blinzelt und der Kauz im raumen Stangenholze heult, dann geht es hier »wiwiwi« und »moark, moark«; dann kommt er gestrichen, der Vogel mit dem langen Gesicht, die Waldschnepfe, und dann knallt es dort unten im Wietzenholze, im Misburger Wald, bei Ahlten und Müllingen, im Gaim, im Erben- und Bokmerholz und an der Seelhorst. Und dann -- aber Flinte an die Backe! Domms! Wir sitzen hier und schwelgen in seligen Murkeerinnerungen, und Flick macht unterdes die Feistschnepfe hoch. Na, die ist doch noch besser als der Strauchdieb von Sperber. Wo eine ist, sind auch mehrere. Darum fort, am Gatter entlang, dort liegt die Schnepfe gern. Wieder rauscht das braune Laub unter den Pirschschuhen. Ein Spießer und einige Alttiere schrecken aus ihren Betten auf und trollen der Dickung zu, uns lange nachäugend aus sicherer Entfernung. Dichte Schwärme einer frostharten Mückenart tanzen am Zaune über dem Grenzgraben, ab und zu zickzackt eine Wintermotte vor uns her. Klack! sagt es alle Augenblicke, wenn eine Eichel fällt. Klatschend stiebt ein Flug Ringeltauben aus der Blitzeiche, und breitklafternd schwebt ein Bussard über die Wiese. Hier, in dem Stammloch der dicken Eiche mit den trockenen Ästen, von denen die Kugel schon manche Krähe, manchen Raubvogel herabwarf, nistet alljährlich die Hohltaube. Ein lärmender Schwarm Saatkrähen und Dohlen wimmelt über uns. Noch schauen wir ihnen nach, da geht es »klack! klack!« vor uns. Mit reißendem Zickzackflug stiebt wieder eine Feiste dahin. Schade, daß sie der ersten nicht Gesellschaft leistet! Ein alter Spruch sagt: »Wenn der Hund die Mäuse steht und der Jäger beert -- ist die Jagd keinen Dreier wert.« Aber viel Wert hat es auch nicht, den Krähen nachzuäugen, wenn man die Feistschnepfe sucht. Na, dümmer werden wir davon auch nicht. Wieder stößt Gretchen etwas hoch. Mit lautem Gegocker steigt ein Fasan hoch, wunderschön schußgerecht. Aber da kennen sie den Hofjäger schlecht! Die Fasanen schießen, die vom Andertschen Interessentenholze hierhin verstrichen sind, weil die Fabrikanlagen dort den Waldfrieden störten! Im Leben nicht! Die werden gehegt und gepflegt, damit sie im Tiergarten Standwild werden. Erst Heger, dann Jäger! Jetzt sind wir auf dem Horne, wie dieser Forstort heißt. Hierdurch führt von der Haltestelle die Hauptallee über die Breite Wiese, hier strömt es im Sommer bunt heran von fröhlichen Menschen. Aber heute ist es still. Die Sonne brennt durch die Wolken und läßt die bunten Blätter rechts und links vom Wege leuchten und erwärmt Tausende von Blattwespen, die verfroren im Laube saßen. Überall blitzen die blanken Flügel der Spätlinge in der Luft; unsere Hüte, unsere Joppen, unsere Gesichter, alles wimmelt von ihnen, und erbost schnappen Flick und Gretchen nach dem lästigen Geschmeiß. Dort liegt der Fang. Dorthin, in dieses System grauer Lattenzäune, wird das Wild getrieben, wenn ein Stück lebend abgegeben werden soll, erst in den großen Vorraum in dem Fichtenstangenort, dann in die Blendung dahinter, von dort in die beiden durch Fall- und Schiebetüren geschiedenen Kammern, und aus dem letzten Gelaß, dem Ausfang, führt eine Zaungasse, der Lauf, in den Kasten. Hier liegt auch die Wildscheune, hier stehen die Raufen für die Fütterung und eine Salzlecke; und dort steht ein Denkstein an der Stelle, wo der Herzog von Cumberland seinen ersten Schaufler streckte, und die vielästige runde Eiche da mit den vier Pfählen bezeichnet den Platz, wo König Ernst August bei einer Lappjagd zwölf Schaufler erlegte. Manch frohes waidmännisches Bild hat seit 1679, wo Herzog Johann Friedrich den Tiergarten anlegte, der schöne Wald gesehen. Glänzende Jagdfeste werden heute hier nicht mehr abgehalten, und niemand bedauert das weniger, als der Hüter dieses Waldes, dem sein Wild an das Herz gewachsen ist, wie den Hannoveranern ihr schöner Tiergarten, der ihnen an schönen Sommersonntagen Erquickung bietet nach der Last arbeitsvoller Wochen. Wenn dann an hellen, klaren Tagen die Sonne auf der Breiten Wiese brütet, dann lebt und webt es im Tiergarten von fröhlichem Volk. Von zwei Richtungen flutet es heran: von der Haltestelle her in breiten Massen, ein Gewimmel duftiger Waschkleider, bunter Hüte und strahlender Sonnenschirme, und vom Torwege, wo das Rad und der Weg vom Kirchröder Turm her für Zuzug sorgt. Aber dann bin ich nicht gern dort. Lieber sind mir die taufrischen Morgen im Frühling, wenn aus dem braunen nassen Laube die weißen Windröschen, die blauen Leberblümchen und die bunten Lungenblumen hervorbrechen, die Finken wie toll schlagen und der Specht an den spitzen Zacken der wipfeldürren Samenbuche trommelt, und die warmen Maimorgen, wenn die Pfauenaugen über die Wege flattern, wenn unter dem lichten Buchgrün, in dem der Wildtäuber so zärtlich ruckt, die gelbe Waldnessel goldne Flecke bildet und die weiße Waldmiere den Boden mit hellen Beeten schmückt, dann bin ich liebend gern im schönen Tiergarten. Und dann kommen die Tage, wo der Wald mit dunkelgrünem Schatten die Frühlingsblumen unter sich tot macht und es auf den Wiesen und auf den Rainen an zu blühen und zu prangen fängt, wenn auf dem breiten Wiesengelände purpurne Knabenkräuter mit dunklen Blumentrauben im hellgrünen Grase prunken und goldgelb der Trollblume gelbe Kugel leuchtet; dann fliehe ich zu gern in aller Herrgottsfrüh auf dem Rade hinaus und verbummle in des Tiergartens Waldheimlichkeit ein paar köstlichreiche Stunden. Und ist der Winter im Lande, bedeckt er mit weißem Leilicht das Moos und das Fallaub und das Dürrholz, dann patsche ich gern durch den Schnee. Der weiße Leithund weist mir dann die Fährten und Spuren von Damwild und Hase, Fuchs und Marder, Wiesel und Eichkater; Häher und Krähe, Meise und Zaunkönig erzählen mir alte Geschichten und plaudern von deutscher Waldschönheit. Ob der Frühling mait, ob der Sommer lacht, ob der Spätherbst nebelt oder der Winter starrt, immer ist er mir lieb, immer hab' ich ihn gern, den schönen alten Tiergarten oben am Berg. [Illustration] [Illustration] Die Hubertusjagd. Auf die Dächer Hannovers fällt aus blauem Himmel der Sonnenschein, macht aus den schwarzen Telephondrähten goldene und läßt blankes Silber aus allen Fenstern strahlen. Novembersonne machte die Augen froh. Sie ist so selten. Der düsterste Monat ist es, der trübste, an dem man am allermeisten das Licht nötig hat. Heute aber ist die Sonne mehr als je am Platze. Wäre heute der Himmel grau, fiele es naß von oben, pfiffe Nordostwind, dann würden viele Gesichter nicht so froh sein und viele Augen nicht so blank; denn heute ist der große Tag von Isernhagen. Das wäre noch schöner, wenn es heute geregnet hätte! Das denken die Gastgeber, die Herren von der Reitschule, die eingeladen haben zur Parforcejagd auf den Schwarzkittel, und ihre Gäste denken ebenso. Ohne Sonne keine richtige Hubertusjagd. Aber so ist es recht. Das richtige, leichtsinnige Wetter, wie geschaffen für einen flotten Ritt durch dick und dünn, über Feld und Falge, über Wiesen und Weiden. Bei solchem Wetter nehmen sich Gräben und Hecken leichter, da ist man verwegener und denkt nicht so viel an seine lieben Knochen. Wohin man sieht in der Stadt, Jagdwagen, die nach der Nordstadt zu fahren, Reiter und Reiterinnen, die dahin ihre Rosse lenken, alles nach dem Heidrande zu, an dem das große, viergemeindige Dorf liegt. Alle Straßenbahnwagen sind überfüllt, und ein Strom von Radlern füllt die Landstraßen, die dahin führen. Dort aber ist schon lange alles bunt von Menschen. Das historische Gasthaus von Heimberg in der Hohenhorster Bauernschaft ist das Stelldichein. Ein Fichtenbruchgewinde schmückt die Einfahrt, darin hängt ein buntes Schild, und daraus ruft es: »Vivat St. Hubertus!« Wie das durcheinander wimmelt! Landleute, Stadtvolk, Dorfkinder, hier und da eine bunte Reiteruniform, dort die grünen Röcke der Schüler der Forstschule, das Blau und Weiß der Königsulanenkapelle und überall dazwischen wie roter Mohn in einem Felde, bunt von Blumen, die roten Röcke. Alles, was Pferdeverstand hat, ist heute hier. Und auch, was keinen hat; alles das, was man auf der Bult sieht an ihren großen Tagen, Tribüne, Sattelplatz und Stehplatz. Nur das Volk der Buchmacher fehlt. Denn es ist nichts zu verdienen heut'. Es ist der allerehrlichste Sport heute; nichts ist zu gewinnen hier als ein Bruch vom Fichtenzweig. Diesen Sport wenigstens hat das Geld noch nicht verdorben. Hufegetrappel und Rädergerassel in einem fort, Wagen an Wagen, gefüllt mit lachenden Leuten. Sie freuen sich alle über das Wetter, das schöne Wetter, das alles lustig macht, die Dorfhunde, die auf allen Höfen kläffen, die Hähne, die auf jedem Hofe krähen, die Tauben, die flügelklatschend über die Dächer taumeln, die Krähen, die sich quarrend in der Luft stechen. Und wieder Wagengedonner und immer wieder, und immer noch flutet es heran von Hannover, zu Wagen, zu Rad, zu Roß, zu Fuß, ohne Ende. Die Musik spielt: »Ich schieß' den Hirsch im wilden Forst.« Die lachenden Augen werden noch heller. Dann ein donnerndes Hoch aus der Wirtschaft. Das sind die Gemeindevorsteher und die Jagdvorstände der Dörfer rund um Isernhagen, denen der Grund und Boden gehört, über die die Reitschule ihre Jagden reitet. Nach altem Brauch hat der Kommandeur der Reitschule den Vertretern der Bauernschaften gedankt für ihr Entgegenkommen; in ihrem Namen dankt Hofbesitzer Gosewisch aus Kaltenweide. Vom Nachbarhof klingt der Hals der Meute. Neunzehn Koppeln der Schwarzweißgelben vergehen da fast vor Ungeduld. Nicht lange mehr, dann haben sie Arbeit. Die Glocke schlägt eins. Ein Horn ertönt; »Gute Fahrt!« ruft es. Wimmelnde Bewegung kommt in die Menge. Alles stürzt in die Wagen, und eine lange, bunte Wagenkette zieht sich vorwärts; daneben schiebt sich der bunte Troß der Radler und Fußgänger. Da sind die Wietzewiesen. Fahl liegen sie da, umrahmt von schwarzen Fuhrenmauern, zerschnitten von weißblitzenden Gräben, gefleckt von dunklen Weidenbüschen und weißdurchwirkten Birkenhorsten; Krähen spektakeln über ihnen, und ein Bussard schraubt sich höher, geärgert durch das Leben hier unten. Jetzt wird die Sache mulmig, jetzt geht das Hüppen los. Hei, Röckchen zusammen und hoppla he! Das allein lohnt sich schon. Denn so viele nette Füßchen sieht man da und so viele hübschbestrumpfte Mädchen, und ab und zu ein weißes Hosenspitzchen. Und nicht nur solche gefährliche Dinge sieht man, auch lustige. Da sitzt ein dicker Herr bis an die Kniescheiben in der Mudde, dort lotsen der Papa und zwei Söhne die umfangreiche Mama über einen sehr wackligen Steg, hier kugelt ein Radler vom Sattel in den Pump, da wird ein Wagen halali. Er verlor ein Rad. Doch das sieht man nur so beiwege. Weiter, weiter, bis dahin, wo die bunte, glitzernde, flimmernde, glimmernde, schimmernde Wagenburg sich staut vor dem dunklen Holz, da stockt der Menschenstrom. Ein Schrei aus tausend Kehlen hallt über die Wiesen: »Der Kujel!« Alle Hälse drehen sich, alle Gläser fahren herum. Da trollt der Basse aus dem Busch, wird flüchtiger, verschwindet, taucht wieder auf, jetzt schon hochflüchtig, taucht wieder in den Büschen unter. Drei rote Punkte tauchen auf, tanzen über die gelben, glitzernden Wiesen, als triebe der Wind Mohnblumenblätter dahin. Ein Ruf, ein tausendstimmiger: »Die Sau,« und ein tausendstimmiges Lachen; es war ein Krummer, der in rasender Flucht vor den Lanceuren dahinfährt. Aber das ist er! Auch nicht! Ein schwarzes Reh. Dann ein graues, vier, fünf, ein ganzer Sprung. Und jetzt flirren schwarzweiße Punkte vor den drei rotröckigen Reitern auf, zehn, zwölf, fünfzehn Birkhühner streichen auf die Wagenburg zu, drehen ab und sausen nach Kaltenweide hin. Weiße Flecke vor den drei Reitern, kaum sichtbar: die Hunde. Dann ist alles verschwunden, da, wo der Basse das Holz annahm. Jetzt heißt's warten. Die Luft über dem Bruch flirrt und flimmert, die Sonne sticht, unter allen Hüten rieselt es naß herab. Tausend Gesichter machen eine Wendung nach rechts. Da kommt es den Damm entlang, eine lange, bunte, flimmernde Masse, Blau, Braun, Rot, Weiß, Schwarz, Grün, Feuerrot. Aber Feuerrot am meisten: das Feld! Und darauf wimmelt eine schwarzweißgelbe Masse, wedelnd, hechelnd, zerrend: die Meute. Immer näher kommt der bunte Troß. Bunte Uniformen, schwarze Samtkappen, braune Gesichter, glatte Pferdehälse, leuchtende Lackstiefel, schimmernde Reithosen und große blaue, grüne, rote, schwarze, feuerrote Flecken. Aber letztere am meisten. Hunderte von Hufen lassen den anmoorigen Boden dröhnen, hunderte von Sätteln knirren und knarren, hunderte von Nüstern schnaufen und schnauben. Wie ein langer, bunter, vielhundertgliedriger Tausendfuß kommt es heran und donnert vorbei. Und jetzt löst sich von ihm eine krimmelnde, wimmelnde, weiße Masse ab; die Meute wird zur Fährte gelegt. Wie ein einziges Ding hält sie die Fährte, taucht hier auf, verschwindet da, kommt wieder zu Blick und ist wieder weg. Hinter ihr her stiebt das bunte Feld in einem schimmernden Regen, den die Hufe emporwerfen. In die Wagenburg kommt Leben. Es geht dem Felde nach. Radler und Fußgänger hinterdrein über Gräben und Pfützen, mitten durch das halbgefrorene Bruch, mit hochgenommenen Röckchen, gierigen Augen, roten Gesichtern. Von Westen kommt die Jagd heran. Voran der Schwarzkittel, von den Lanceuren gedrückt in das freie Galoppterrain. Noch ist sie hochflüchtig, die Sau; aber jetzt wird sie kürzer, immer kürzer, und jetzt ist ein Hund an ihr, jetzt noch einer. Ein gellendes Gejaule; sie wehrt die Hunde ab und wird wieder flüchtig. Aber nur für eine kurze Frist. Drei, vier, fünf, sechs Hunde sind ihr am Pürzel, jetzt einer am Gehör, und fort ist sie, gedeckt von der Meute, verschwunden in dem schwarzweißgelben Gewimmel. Und da jagt es heran, ein Haufen bunter Flecken, und mit ihm verschwindet die Meute wieder, in diesem vielfarbigen Gewirr von bunten Röcken, wehenden Pferdeschwänzen, nickenden Pferdehälsen, weißen Hosen, blitzenden Stiefeln. Einer steigt ab, hastig, daß ihm keiner zuvorkommt; er hebt den Bassen aus mit geübter Faust und hält ihn, bis der Chef kommt und dem Schwarzkittel den Fang gibt mit sicherer Hand. Ein Horn erklingt; von jeder rechten Hand schlüpft der weiße Handschuh: »Ha-la-li« ruft das Horn des Oberpikörs über das Bruch. Dann rollt sich der bunte Klumpen auf und zieht als bunte Schlange nach Isernhagen. Hinter ihm her donnern die Wagen, strömen die Zuschauer, und zu allerletzt, hinkend, halb getragen, die beim faulen Sprung den Boden küßten. Hinter den Fuhren stirbt die Sonne den Flammentod. Der große Tag von Isernhagen ist vorbei. [Illustration] Die Stadt am hohen Ufer. Der Ursprung der Stadt Hannover verliert sich in der Vorzeit der Geschichte. Wir wissen es nicht, welcher Art die Menschen waren, die sich da ansiedelten, wo die Marktkirche ihre grüne Turmspitze emporreckt, und die uns nichts hinterließen, als Aschenurnen und Gabenkrüge, die der Spaten dort zutage förderte. Mehr als eine Siedelung lag in jenen grauen Tagen in dieser Gegend. Bei Limmer wurde ein großer Urnenfriedhof aufgedeckt, bei Ricklingen förderte der Bagger allerlei Geräte aus Stein, Knochen und Ton aus dem Leinebette, die zur Jagd und zum Fischfange dienten. Fischer und Jäger werden zu beiden Seiten der Leine gesessen haben, bis der Ansturm der blonden Weidebauern, die vom Norden kamen, sie vertrieb. Sie fanden den Platz gut und hielten ihn fest. Weideland gab es hier für Pferde und Rinder und Wald mit Mast für die Schweine. Eine Handelsstraße führte von der See an der Siedlung vorüber zum Süden. Sie brachte den Bauern an Geräten und Werkzeugen zu, was ihnen fehlte. In bösen Zeiten, wenn feindliche Horden in das Tal hineinbrachen, boten hier die dichten Bergwälder, dort die unzugänglichen Brüche und Moore sichere Verstecke. Sicherlich herrschte hier, lange bevor die Römer im Lande heerten und die Franken mordbrannten, eine höhere Kultur, ein geregelter Verkehr, ein stärkerer Handel und Wandel, als wir es ahnen. Die großen Ringwälle bei Gehrden und Barsinghausen reden davon. Aber erst sehr spät taucht der Name der Siedlung Honovere in der Geschichte auf. Heinrich der Leu, der Wendenbezwinger, hatte schon eine feste Burg hier am Leineufer, Leuenrode genannt; 1163 hielt er hier vor einer glänzenden Versammlung geistlicher und weltlicher Herren Hof, und 1169 gab er dem Dorfe Honnovere Stadtrechte und gestattete es den Bürgern, den Platz zu befestigen. 1181 aber, als der Löwe und der Rotbart einander befehdeten, stürmte der Kaiser die Stadt, und der rote Hahn krähte auf ihren Strohdächern. Schwer war es für die Stadt, weiter zu kommen. Kaum erhob sie sich aus der Asche, da kam abermals ein Kaiser, der sechste Heinrich, und brannte sie nieder. Böse ging es damals im Lande zu. Wo jetzt Kaufladen an Kaufladen sich in der Großen Packhofstraße drängt, die damals Wulfeshorn hieß, da stand ein hoher Turm. Von ihm aus spähte der Wächter in das Land und warnte mit dumpf hallendem Hornrufe die Bürger, wenn Feinde sich nahten oder die Wölfe aus der Ellernriede brachen und die Herden, die vor dem Tore weideten, gefährdeten. Damals ging der Bauer mit dem Spieß in der Faust zum Markte, der Bürger trug Dolch und Schwert am Leibgurte, und Meister Hans, der Nachrichter, hatte Arbeit genug auf dem Blutanger vor dem Steintore, wo Rad und Galgen standen. Aber trotz Brand und Not kam die Stadt voran und hatte damals schon allerlei Gewerbe und Handel in ihren Straßen, die nicht viel mehr denn ein Dutzend umfaßten, und auch ein Gildehaus, von dem aus sie ihre Geschäfte leitete, soweit der Herzog ihr darin Freiheit gab. Allerlei Kampf und Streit mit Worten und Waffen hat es gegeben, ehe Stadt und Herzog in Frieden zusammenkamen. Je wohlhabender die Bürger wurden, um so höher hielten sie die Köpfe. Aber Otto der Strenge verstand keinen Spaß. An einem Tage ließ er im Baumgarten zwei Rittern, elf Bürgern und fünfundzwanzig andern Männern die Köpfe abschlagen, weil die Stadt ihm aufgesagt hatte. Damals hielt jeder Bürger Hannovers den Kopf auf der Brust und wagte kaum zu flüstern. Aber an dem Tage, als der Herzog der Stadt für tapfere Hilfe die Zwingburg schenkte, hielten die Hannoveraner ihre Häupter hoch, zogen mit Gesang und Hörnerklang über die Leine und machten die Feste dem Erdboden gleich. Es kamen aber noch genug der düsteren Tage. In der Mitte des 14. Jahrhunderts hauste der schwarze Tod drei Jahre lang in der Stadt. Mehr als dreitausend Menschen brachte er in einem halben Jahre um. Da stockte Handel und Wandel, und die Bürger, die vordem in Samt und Brokat gegangen waren, verarmten und verlumpten. Doch es war ein zäher Schlag, der am hohen Ufer der Leine hinter den dicken Mauern saß; er ließ sich nicht niederzwingen und vergaß in frischem Schaffen bald wieder Hunger und Not, Brand und Pest. Handel und Gewerbe hoben sich wieder, blühten und wuchsen so kräftig, daß die Stadt 1451 von den Hansen aufgenommen wurde und nun so stolz und keck wurde, daß sie sich selbst vor den Kanonen nicht fürchtete, mit denen 1486 Herzog Heinrich ihr zu Leibe ging. Schnappte Bremen ihr nach und nach auch ein gut Stück ihres Handels fort, den Broyhan konnte es ihr doch nicht nehmen, und der brachte viel Geld und Leben in die Stadt, so daß die Knochenhauer, Seilwinder, Schmiede, Töpfer und Gerber und die andern Gewerbe tüchtig verdienten und die Krämer nicht minder. Davon bekamen die Bürger so steife Nacken, daß sie ihren Magistrat, als der es mit der Vetternwirtschaft gar zu arg machte, auch beim alten Glauben bleiben wollte und dem neuen abhold war, so lange ärgerten, bis er der Stadt den Rücken kehrte. Immer wieder aber kamen Zeiten der Not. Nahm auch in dem großen Greuelskriege keine der feindlichen Parteien die Stadt ein, so litt sie doch bitter unter der Entvölkerung des platten Landes, unter dem allgemeinen Stillstand von Handel und Wandel, unter Kriegssteuern und der Pest. Sie blühte aber wieder auf, als Herzog Georg sie 1636 zu seiner Residenz erhob. Den Bürgern paßte das freilich durchaus nicht, und der Rat bat den Herrscher inständig, von diesem Plane abzustehen. Seine Bitte war vergebens, und obwohl die Hannoveraner anfangs viel darüber murrten und knurrten, daß es mit ihrer bürgerlichen Selbstherrlichkeit so gut wie zu Ende wäre trotz aller verbrieften und besiegelten Rechte, sahen sie bald ein, daß sie sich in vieler Hinsicht besser standen als vordem: Der Hof brachte mehr Geld und Leben in die Stadt, und diese dehnte sich so aus, daß die Neue Stadt vor dem Calenberger Tore nicht mehr ausreichte und erweitert werden mußte. Manches, das vom Hofe ausging, gefiel den Bürgern freilich durchaus nicht, so daß Johann Friedrich einige tausend Landeskinder als Soldaten an die Venediger verlieh und von dem französischen Könige Werbegelder und Hilfssold einsteckte, die er für eine überüppige Hofhaltung verwandte. Aber das lag einmal in jener Zeit, in der auch der Bürger nach Kräften prunkte und protzte und das Leben locker und leichtsinnig war. Es war eine bunte Zeit. Kunst und Wissenschaft blühten, Glanz und Luxus herrschten, und heftig und das ganze Leben durchtränkend und anregend waren die Streitigkeiten zwischen den Anhängern der alten und denen der neuen Lehre. Damals wirkte Leibniz, der große Vielwisser und Weitdenker, in Hannover, hielt der Feuerkopf Jobst Sackman in der Kirche zu Limmer seine kraftvollen Predigten, mußte aber auch der Oberjägermeister von Moltke seinen Kopf auf den Block legen, verschwand Graf Königsmarck ohne eine Spur, wurde Sophie Dorothea zu Ahlden in lebenslängliche Haft gesetzt und ging der Magistrat mit den städtischen Geldern so leichtsinnig um, daß der Kurfürst die freie Stadtordnung aufhob und durch eine gebundenere ersetzte. Die Zeiten gingen hin. Hannovers Kurfürst wurde englischer König; aber die Stadt behielt die Hofhaltung, die vielen Adelshöfe und das höfische Leben und reckte und streckte sich innen und nach außen und war weithin berühmt wegen ihres regen geistigen Lebens, ihres Gewerbefleißes, ihrer guten Schulen, stolzen Bauwerke und schönen Parkanlagen. Dann kam der Siebenjährige Krieg, der der Stadt für ein Jahr eine französische Besatzung brachte. Der Magistrat sah ein, daß die Mauern mehr schadeten als schirmten, und ließ sie abreißen. So war Hannover keine Festung mehr. Das schützte sie aber nicht, als 1803 der Krieg zwischen England und Frankreich ausbrach. Die Franzosen zogen ein, die Einquartierungslasten drückten Handel und Verkehr zu Boden, und anstelle der Wohlhabenheit trat Verarmung. 1806 nahm Preußen Hannover in Besitz, mußte es aber nach der Schlacht bei Jena wieder fahren lassen, und abermals zogen die Franzosen unter Mortier ein und drückten Land und Stadt durch Kriegssteuern, Eintreibungen, Einquartierung und die Handelssperre bis zur Verzweiflung. 1810 kam das Land an Jerome, König von Westfalen von seines Bruders Gnaden, und das verbesserte die Lage der Stadt nicht, zumal schlimme Krankheiten lange herrschten. 1813 hatten die zehn Angst- und Notjahre ein Ende. Hannover fand seinen Frieden und blühte schneller, als zu erwarten war, wieder auf und entwickelte sich zu einer der schönsten und vornehmsten deutschen Städte, der man es nicht ansah, daß sie aus dem Gewirr enger Gassen zwischen der Marktkirche und der Leine entstanden war, jenem Viertel, das seine Bedeutung immer mehr einbüßte und sich jetzt erst allmählich wieder erobert. Als dann das Jahr 1866 kam, war die Sorge groß, daß die Stadt nach Verlust des Hofes und Fortzug vieler adligen Haushaltungen einen schlimmen Rückfall zur Bedeutungslosigkeit erleben würde. Aber schon hatte sich ihre Industrie gut entwickelt, hatten sich Handel und Gewerbe auf sich selbst gestellt, brachte die Verwaltungsmaschine, das Schulwesen und der Verkehr es mit sich, daß die Entwicklung nicht stockte, und als nach dem Kriege gegen Frankreich Deutschland einen unerhörten wirtschaftlichen Aufschwung nahm, bekam Hannover auch sein gutes Teil davon ab, so daß es heute in der Reihe der deutschen Großstädte eine hervorragende Stelle einnimmt, sowohl was Sehenswürdigkeiten und Bildungsmittel, als auch, was Industrie, Verkehr und Handel anbelangt. Dazu kommt, daß es eine Lage hat, die es als Wohnplatz über viele andere große Städte stellt. Auf der Grenze zwischen der norddeutschen Tiefebene und dem mitteldeutschen Berglande hingelagert, von einem weiten grünen Gürtel von Marsch und Wald eingeschlossen, hat es da die weiten Heiden, dort die Berge vom Deister bis zu dem Harze hin, hat also ein abwechslungsreiches und durch ein ausgedehntes Straßen- und Bahnnetz gut aufgeschlossenes Umland, ein Vorzug, der nicht zum wenigsten zu seinem schnellen Wachstum in den letzten Jahrzehnten beigetragen hat. Und es hat, was für den, der hier lebt, das Wichtigste ist, als Grundstock seiner Einwohnerschaft einen prächtigen Schlag, ein Gemisch des frohlebigen derben Kalenbergers mit dem stilleren, zurückhaltenderen Heidjer, ein Volk, das, im großen und ganzen genommen, so geartet ist, daß man gern unter ihm lebt und gut mit ihm auskommen kann, fügt man sich ein wenig seiner Art. Es ist nicht allzu zuvorkommend, weil das bäuerliche Element stark in ihm vorherrscht, ist aber durch Handel und Verkehr geschult genug, um es an der notwendigen Höflichkeit nicht fehlen zu lassen. Darum gefällt es den Gästen der Stadt stets gut in ihr, und gern denken sie, sind sie daheim, zurück an die helle, schöne, freundliche Stadt am hohen Ufer. [Illustration] [Illustration] Der Waldgraben. Es ist einer von den Gräben, die die Eilenriede abgrenzen. Steil sind seine Ufer, stellenweise dicht bewachsen, dann wieder kahl und bloß. Je nachdem viel oder wenig Regen fällt, ist der Wasserstand hoch oder niedrig; manchmal läuft das Wasser, wie ein quicker Bach, und zu andern Zeiten schleicht es so langsam dahin, daß es aussieht, als stehe es still. Zu Zeiten kann ein kleiner Junge bequem hinüberspringen; dann aber wieder muß ein gewandter Mann sich sehr anstrengen, um von einem Ufer zum andern zu kommen. Wenn die Märzensonne durch das Astwerk der Bäume und Büsche auf den Bord des Grabens fällt, dann regt sich hier zuerst im ganzen Walde das blühende Leben. Des Huflattichs Sonnenscheibe strahlt dann in heller Glut, und des Leberblümchens treublickende Blüte leuchtet aus dem schwermütigen Geranke des Efeus heraus, bis lustige Lungenblumen, zwiefach gefärbt, sich aus dem harten Blattwerk hervordrängen, um die behäbigen, in dichte Pelze vermummten Hummeln anzulocken. Eines Tages aber werden die Hummeln ihnen untreu; denn in Menge erscheint der bunte Lerchensporn zwischen dem leichtsinnigen Geflatter der Windröschen; auch reißt eines Weidenbusches süßduftendes Blütenwerk die summende Kundschaft an sich; wie denn auch die gespenstige Schuppenwurz, deren nackte Blumen sich wie Kinderhändchen aus dem faulen Vorjahrslaube strecken, an unheimliche Märchen erinnernd, von allerlei Volk mit verderbtem Geschmacke besucht wird. Es gibt unendlich viel zu sehen an dem Graben. Da ist ein Traubenkirschenbusch, dessen grüne Wellen jetzt noch in sanfter Flut hinabfallen, aber im Mai dann schäumen sie von weißen Blüten und sprühen betäubenden Duft umher. Ein Hasel steht da, der im März Gold auf die Efeuwände des Grabens streut, und der später mit seinem Wiederbilde das dunkle Wasser erleuchtet. Ein junger Ahorn weist herrlich geformte Knospen vor, Vorwürfe für einen Goldschmied, und eine seltsam verzerrte Hainbuche lehnt sich über die Flut und freut sich ihrer smaragdenen Pracht. Mitte Mai ist es am allerschönsten dort. Dann strahlen aus dem Efeu die glühenden Kettenblumen, und die Taubnessel prahlt neben ihnen. Dann rudern langsam große grüne Frösche durch das laue Wasser und überschreien den Laubfrosch, der im hellen neuen Kleide, so blank wie ein Stück Metall, auf dem größten Blatte der Brombeerranke klebt und lustig seinen Maigesang anstimmt, während über ihm der Zaunkönig aus voller Brust sein lautes Lied herausschmettert. Zu jeder Zeit ist buntes Leben an dem Graben. Zierliche Bergbachstelzen schwenken sich über das Wasser und schnappen, an dem Ufer entlang trippelnd, die Mücken fort. Der Eisvogel, der einsame Fischer, lauert von der Wurzel der Esche auf Wasserjungferlarven, und sein märchenhaftes Kleid blitzt und schimmert im Sonnenlicht. Wo das Ufer herabgesunken ist und eine Landzunge bildet, da tränken sich Amsel und Graudrossel, da baden Fink und Goldammer, da sucht das Rotkehlchen Gewürm, da nimmt der Star ein Bad. Auch andere Tiere lassen sich da sehen. Dicke, große Wühlmäuse huschen scheu aus dem Efeu und plumpsen in das Wasser; eine fuchsrote Ratte hastet über das Laub und sucht nach jungen Vögeln, bis das Raubwiesel ihr mit einem Satze in das Genick springt und sich von ihr unter die Wurzeln der Erle schleppen läßt, wo der grimme Kampf ein Ende findet, der Kampf, in dem das Wiesel Sieger bleibt. Scheint die Sonne auf das Wasser, dann fahren langbeinige, dünnleibige Wanzen darüber hin in merkwürdigen Zuckungen, oder blitzblanke kleine Käfer drehen sich dort im Kreise, bis ein plumpsender Fall sie verjagt. Die Wasserspitzmaus ist es. Jetzt rennt sie, einem Quecksilberklumpen ähnelnd, auf der Sohle des Grabens entlang, taucht als schwarzer Klumpen empor, zieht lange blitzende Streifen durch das Wasser, huscht auf das Ufer, hastet zwitschernd an ihm entlang und verschwindet plumpsend wieder in dem Wasser. Wo die Esche ihr krummes Wurzelwerk aus dem Ufer reckt, da gähnt ein schwarzes Loch. Ab und zu verschläft der Iltis den Tag dort, neben sich unglückliche Frösche und Kröten, denen er das Kreuz zerbiß und die sich nun so hinquälen müssen, bis er sie gänzlich tötet und hinunterschlingt. Auch der Baummarder schleicht nächtlicher Weile hier entlang, die Waldmaus belauernd und nach der Brut von Rotkehlchen und Zaunkönig schnüffelnd, und mit viel Geraschel sticht hier der Zaunigel nach fettem Gewürm. Unweit des Ufers steht ein Rotbuchenstumpf, breit und bequem. Wer ihn als Sitz erwählt und sich recht still verhält, der kann allerlei erspähen, Lustspiele, idyllische Szenen und ergreifende Trauerspiele, schlimmer als die der menschlichen Gemeinschaft. Hinter dem dichten Efeugeflechte zittern der jungen Goldammern hungrige Stimmchen hervor. Vorsichtig lockend naht sich die Mutter, ein Räupchen im Schnabel haltend. Da zickzackt ein Schatten über den Graben; ein Todesschrei erschrillt; fort stiebt der Sperber mit dem Goldammerweibchen in den Fängen, und eine Viertelstunde später greift er den Hahn, und die verwaisten Vögelchen zerfleischt in der Nacht die häßliche Ratte. Ein Lustspiel ist es aber oder eine Posse, wenn die eifersüchtigen Blaumeisenhähne, fest ineinander gekrallt, als bunter Federball aus dem Haselbusch herabwirbeln und in das Wasser hineinfallen und naß und schwarz sich schnell von dannen machen, verfolgt von dem gellenden Gelächter des Zaunkönigs und dem spöttischen Gekicher der Bergbachstelze, oder wenn die Waldmaus, in den Genuß eines fetten Käfers vertieft, nicht bemerkt, daß der dicke Frosch immer näher an ihre zuckende Schwanzspitze heranrudert. Auf einmal schnappt er zu, die Maus quietscht auf und fährt in das Efeulaub, und mit einem dummen Gesicht glotzt der Frosch hinterdrein und wischt sich ärgerlich das breite Maul. Auch ist es zum Lachen, wenn die nackte schwarze Schnecke, nachdem sie die höchste Spitze des Schaftheuhalmes erklommen hat, darüber noch hinaus will und sich streckt und reckt und dreht und windet eine halbe Stunde lang, um endlich ihren Plan aufzugeben und langsam den Rückweg einzuschlagen. Idylle sind es, wenn Rotbrüstchen, Zaunkönig und Bachstelze ihre flügge Brut in das Leben einführen. Das schnurrt und burrt durcheinander, schwankt unglücklich auf dünnem Ast, flattert plump in das Laub, klettert mühsam wieder empor, bis schließlich alle Geschwister müde und matt eng aneinandergepreßt auf einem Aste sitzen, wie Kinder auf einer Bank, dumm und ängstlich hin und her kucken und unaufhörlich nach Futter piepsen. Wenn aber erst die Wasserspitzmaus ihren Jungen das Schwimmen und das Tauchen und die Käferjagd zu Wasser und zu Lande beibringt, dann staunt sogar der Zaunkönig über das Gewimmel, trotz seiner acht Kinder, die doch auch allerlei Leben verursachen. Großen Lärm aber gibt es, fällt es dem Häher ein, sich hier sehen zu lassen. Und wenn er auch vorgibt, er wolle sich Würzelchen aus dem Ufer hacken für sein Nest, oder einen Schnabel voll Wasser mitnehmen, man kennt ihn zu gut, den bunten Heimtücker, und von allen Seiten wirft man ihm Schimpfworte an den dicken Kopf, bis er wütend abzieht. Kommt aber das liederliche Kuckucksweibchen angeschlüpft, um ihr Ei in die Obhut von Bachstelze oder Rotkehlchen zu geben, dann ist das Gekeife noch ärger, und schließlich setzt es auch Hiebe; aber alljährlich kommt hinter der Efeuwand ein junger Gauch hoch, und alles, was von kleinem Vogelvolk am Graben wohnt, fühlt sich verpflichtet, den Immerhungrig und Nimmersatt vollzustopfen. Im Wasser selbst geht es auch nicht immer friedlich zu; denn gar streitbare Gesellen, schwer gepanzerte, trefflich gerüstete Stichlinge mit scharlachnem Brustlatz, mutige Gesellen, herrschen da unten. Wehe der armen Kaulquappe, die sich vom Strande in das tiefe Wasser wagt: ein Dutzend der Raubritter stoßen darauf zu, zerren das hilflose Tier hin und her und reißen es in ein Dutzend Fetzen. Auch ein Regenwurm, der aus Unvorsichtigkeit in das Wasser gerät, muß unter den Bissen der winzigen Fische sterben, und wenn er sich noch so sehr krümmt. Kaulquappe und Wurm rächt dann wieder die Wasserspitzmaus, die Stichlinge in die Bucht treibend und ihnen das Genick zerbeißend. Außer den Stichlingen leben noch andere Fische in dem Graben: die graue Schmerle, die sich gern in den Blechtöpfen versteckt, die auf dem Grunde des Grabens rosten, und der buntgestreifte Schlammpeitzger, der sich im modernden Laube verbirgt. Wer gute Augen hat, findet im Mai an den überspülten Steinen auch ein fingerlanges Fischchen hängen, das Bachneunauge, dessen wurmähnliche Larven im Sande der Grabensohle eingebohrt leben. Auch eine Quappe oder ein Gründling verirrt sich wohl aus der Wietze in den Graben. Stets sind einige Taufrösche dort zu finden, die faul an dem Ufer sitzen, oder eine Erdkröte, die langsam unter dem Efeu herkriecht, und auch die flinke Kreuzkröte läßt dort ihr Geschnarre hören. Früher, als noch nicht jedes Tierchen für das Aquarium oder Terrarium fortgefangen wurde, kamen auch Waldeidechsen und Blindschleichen hier vor, und sogar die Ringelnatter betrieb dort die Froschjagd mit großem Eifer. Außer Goldammer, Zaunkönig und Rotkehlchen brüten an dem buschigen Ufer noch die drei kleinen Laubsänger, ferner der Sumpfrohrsänger, und einige Male hat sogar der Eisvogel dort seine Nesthöhle in die Wand getrieben und seine Jungen glücklich hochgebracht. In diesem Jahre baute ein Schwanzmeisenpaar sein kugeliges Nestchen in die Zwille der Birke, die unweit des Grabenbordes steht. Nicht weit davon hat ein Sumpfmeisenpaar ein Nestloch in der Erde gefunden, einen Nistkasten hat die Kohlmeise besetzt, und weiter zurück brütet die zierliche Blaumeise in einem Spalt derselben Eiche, in deren Wasserreisergewirr eine Schwarzdrossel ihr Nest anlegte. Zehn Schritte weiter hat ein Baumläuferpärchen eine passende Stammritze für sein Nest gefunden, und die Singdrossel beginnt sich in dem dichten Weißdorn einzurichten, in dem im vorigen Jahre der Mönch brütete und unter dem der Hase so gern liegt. Da hier selten ein Mensch geht, äsen sich die Rehe gern den Graben entlang. Jagt sie ein Hund, so überfliehen sie einige Male den Graben, bis der Hund ihre Fährte verliert, und der starke Bock flüchtet sogar in den Graben hinein, watet eine Strecke in dem Wasser entlang und bringt so die Hunde in Verwirrung. So ist hier immer allerlei Leben vom frühen Morgen an, den Tag hindurch, und auch des Nachts lebt und webt es dort. Im Frühling schwirren Eulenschmetterlinge um die Weidenschäfchen, im Sommer sausen große Schwärmer über die Geißblattblüten und fallen der großen, fuchsroten Fledermaus zum Opfer, die ab und zu aus den Wipfeln herunterfährt; denn das Gebiet über dem Graben ist eigentlich das Reich der Wasserfledermaus, die unablässig dicht über dem Wasser hin- und herstreicht und die Mücken fortschnappt. Mit Vorliebe jagen auch Waldkauz und Ohreule hier; denn irgend eine Maus oder Ratte erwischen sie stets. Wintertags erscheint vom Wietzenholze oder aus dem Ahltener Walde auch der Fuchs hier; aber ehe es dämmerig wird, schnürt er wieder in die großen Wälder zurück, denn gar zu unheimlich ist es ihm so dicht bei der Stadt. Ab und zu verspätet er sich aber doch einmal und versteckt sich in dem Jungfichtenhorste in der Dickung oder nimmt weiterhin einen alten Kaninchenbau an. Den Fuchs wird nun nicht so leicht ein Waldwanderer gewahren, es sei denn, er sei schon bei dem ersten Drosselpfiffe draußen. Das andere Leben ist aber tagtäglich dort zu beobachten für den, der dafür Augen und Ohren hat und der leise zu gehen versteht. [Illustration] [Illustration] Am Steinhuder Meer. In den Straßen Hannovers tobt der Herbststurm. Er gießt kübelweise den Regen an die Fenster, hetzt die Wolken hin und her, spielt wilde Weisen auf den Telephondrähten und haut den Takt zu seinem Liede so grob auf die Dachpfannen, daß sie klirrend und klingend und klappernd herabpoltern. Die Menschen schimpfen. Es schimpfen die, die zu Hause bleiben können, und die, die hinaus müssen, erst recht. Sie halten ihre Hüte fest, balanzieren die Schirme gegen die Sturmrichtung, und unbeachtet bleiben die hübschen Füßchen und Strümpfchen heute, denn jeder hat mit sich selbst zu tun. Wir sitzen in der Eisenbahn und lachen in das Wetter hinaus. Wenn wir städtische Tracht trügen, steife Kragen und enge Stiefel anhätten, dann würden wir wohl nicht so lachen. Aber so, die Lodenhüte auf den Köpfen, Schmierstiefel an den Füßen, Loden und Flanellhemd auf dem Leibe, Lodenmantel im Gepäcknetz, so vorgesehen, freuen wir uns des Sturmes, auch die Damen, die gleich uns jagdmäßig ausgezogen sind. Heut' wird's am Meere schön sein. Zerpeitschte Grauflut, gehetzte Schwarzwolken, spritzender Gischt und halbverhülltes Abendrot werden wir sehen, nicht solchen zahmen Dutzendsonnenuntergang für bessere Touristen. Wie der Wind draußen mit den Krähen spielt und die Kiebitze in der Luft herumwirbelt wie weiße Lappen! Und dieser Wechsel von Blauhimmel und Graugewölk, Sonne und Regenschauern! Wunstorf empfängt uns mit Regengeprassel. Was schert's uns? Vom Fenster der Meerbahn freuen wir uns des fahlen Regenbogens, der uns noch mehr Schauer verspricht, Schauer, wie wir sie wollen, aus violettgrauen Wolken kommend, den Blauhimmel verdeckend, wieder freigebend, dreimaligen Wechsel bringend in jeder Stunde. Klein-Heidorn! Ja, schau nur, Herr Wirt, heut spring' ich nicht aus dem Wagen mit Rucksack und Büchse, um in Heide und Moor, in Düne und Stangenholz dem schwarzen Bock nachzupürschen, dem heimlichen. Heute laß ich die Dünen winken mit ihren schwarzen Fuhren, wo ich so manche tausend Tritte liegen habe, wo ich jeden Fleck kenne und jede Stunde, von zwei Uhr morgens bis spät in die Nacht. Vorüber geht's an den bunten Häusern, durch Groß-Heidorn, und dann winkt das Meer grausilbern zwischen grünen Fuhren vor uns und blauen Wäldern am Horizont. Steinhude! Die Hüte fest in die Stirn, denn hier im gelben Eichenhain tobt der Wind wie toll. Das saust und braust und pfeift und flötet und lehrt die gelben Blätter den Ringelreihtanz und die Aalkörbe an den Lehmwänden der Ställe lustige Sprünge. Von der Pfahlbauterrasse des Strandhotels grüßen unsere Augen das schöne Meer. Grau ist die Flut mit Silberstreifen; tief duckt sich das gelbe Rohr unter des Sturmes rauh tosender Hand; unwillig rauschen die schiefen Pappeln, die des Sturmgotts Faust schüttelt, daß ihre gelben Blätter angstvoll von dannen flattern. Sie tanzen über dem schäumenden Wasser, bis es sie hascht und verschluckt. So hab' ich das Meer am liebsten, wenn es braust und brandet, spritzt und schäumt. Dann passen mir am besten dazu die schwarzgelben Dünen, der düstere Fuhrenkranz an seinen Ufern, die schwarz und braun gemusterten Bergkuppen drüben. Es ist ja auch schön am lauen Abend, in sengender Mittagsglut, am Nebelmorgen, bei sternheller Nacht; aber am allerschönsten ist es im Herbststurm, wenn es singt und klingt in den Lüften. Blaugrau ist der Himmel. Fahl blinzelt die Sonne durch einen Wolkenriß. Weiße Wolken, wie Watteflocken, treiben im Graublau nach Osten. Der Wolkenriß weitet sich, Silberblitze springen über die Wellen, die Dächer da drüben glühen auf, die schwarzen flatternden Punkte dort unten, zwei Möwen, blitzen auf zu blendendem Weiß, und die Entenflüge, die die beiden Fischerboote hoch machten, wie Hunderte von Silberflittern wirbeln sie vor dem graublauen Himmelsrand herum, bis sie als schwarze Flecken wieder auf dem Wasser liegen. Jäh wechseln alle Farben. Die Segel vor dem Wilhelmstein, eben waren sie goldgelb, schwarz sind sie jetzt; schwarz sind die Seiten der Fischerboote, die eben wie Silber gleißten. Die gelblichgraue Flut wird bläulich, färbt sich in Silberglanz um und in duffes Grau und wälzt sich jetzt, wo die Sonne hinter Grauhimmel verschwindet, tot und schwarz nach Osten. Das ganze Meer lebt von fremdem Geflügel. Wohin man sieht, schaukeln Hunderte von Enten auf den Wellen, wiegen sich Sägetaucher auf der Flut, schweben Möwen und Seeschwalben dahin. In der Rohrbucht reviert ein Fischadler, im Wellenfluge auf und ab schwebend, und mit heiseren Lauten streicht ein Flug Wildgänse zur Rechten vorüber und fällt hinten am Ufer ein. Die vier weißen Punkte dort, sie sind zu groß für Möwen. Das Pirschglas sagt uns, was das ist. Vier Schwäne sind es, Wanderer vom Norden, die hier auf der Südlandsfahrt einen Rasttag machen. Wie große weiße Blumen liegen sie auf der schwarzen Flut. Und das, was da silbern in der Rohrbucht auftaucht und verschwindet, wieder da ist und wieder in die Welle sinkt, das ist ein Haubentaucher, ein seltener Gast auf unseren Gewässern. Augenweide überall. Katzenpfoten laufen über die Flut. Der Wind bringt Regen. Noch ist alles grau und blau und goldig, doch die Sturmhexen reiten schon herbei. Schwarz flattern die Lumpen um die Hagedissen, ihr Strupphaar fliegt im Wind, ihre Besen zerfetzen die Wolken. Zu Dutzenden jagen die Unholdinnen vorüber, fassen sich an zu häßlichem Reigen, bilden Kreise und Kränze, lassen los und fegen dahin, daß die Rockfetzen fliegen und die Schmutzlappen flattern. Mit ihren Besen hauen sie in die Flut, daß sie schäumt und geifert, und sie fegen die Wellen, daß sie umkippen. Gellend klingt ihr böses Lachen aus der Luft. Des Sturmgotts Lied übertönt ihr Gekreisch, sein dröhnender Baß. Das braust und brandet, bullert und bölkt, daß die Bohlen unter unsern Füßen zittern, daß die Wände hinter uns ächzen und die Scheiben hinter uns klirren. Schon flattert des Gottes violettgrauer Mantel über uns, hastiger wandern die Wellen, tiefer bückt sich das Rohr, unwilliger schütteln die Pappeln die Köpfe. Immer mehr Katzenpfoten kräuseln die Flut, die Sonne wird ein fahler Fleck, näher kommt der Regensturm. Und nun platzen die Böen, schütten muldenweise das Wasser hinab, verhüllen die Ferne, verschlucken den Wilhelmstein, decken die Berge zu mit grauen Schleiern und die Dünen und den Strand da drüben, überschütten Nähe und Weite mit demselben gleichmäßigen Grau, in dem nur eine schwarzschwingige Möwe jauchzend umhertaumelt. Und es prasselt und klatscht und schlägt und stiebt schräg auf die Wellen, und die jagen dahin, wie mit Ruten gepeitscht, und das brüllt und heult und bullert in der Luft und pfeift und kreischt und schreit, und wie ein Geisterschwarm stiebt ein Möwenflug heran und wirft sich in der Rohrbucht ins Wasser. Zwei schwarze Streifen liegen weit vor uns. Das sind die Fischerboote. Wie zwei Einbäume aus der Urzeit, so sehen sie aus. Sie haben ja auch die alte Form treulich bewahrt, die Fischer, von der Zeit her, wo ihre Ahnen mit Flintsteinen und Feuerbrand die Eichstämme aushöhlten. Rund um das Meer liegen die Gräber, voll von Urnen und Opfermessern; der Wind pustet die Scherben frei, und der Regen wäscht die Brocken los aus den Dünen. Der Sturm läßt nach; aus dem dicken Grau wird ein lichtes Grau. Schon taucht wie ein Schatten der Wilhelmstein wieder auf aus den grauen Schleiern; ihm folgen die Berge, die Dünen und der ferne Strand, bis sie klar und scharf am Himmelsrand stehen. Goldig wird es im Westen, immer goldiger. Durch graue Wolkenballen reißt sich die Sonne ein Loch und malt Flammen in die schwarzblaue Bucht. Goldrote Flammen brechen unter der schweren Wolke hervor; wie zerflossen glüht darin die Sonne; blaugrüne Striche ziehen sich über den Himmel, und auf allen Wolken erblühen Rosen. Der Vorzeit Ungeheuer schwimmen durch das blaugrüne Himmelsmeer, Riesenhaie und Drachen, Einhörner und Tiger, Schlangen und Eidechsen, mißgestaltet und furchtbar, alle nach Osten, in die graue Nacht hinein. Von Osten aber kommt es schwirrend und flatternd, sausend und brausend, dicht über dem Wasserspiegel, Hunderte und Aberhunderte, und fällt in das Rohr: der Sprehen frohes Volk, und da schwatzt und lärmt und plaudert es. Und wieder ein Zug und noch einer und immer wieder einer. Zum Meere streicht ein Zug Gänse, sich kreuzend mit Entenflügen, die klingend und sausend das Meer verlassen, hoch über uns fortstreichend zur Leine. Wohin man blickt, zieht es schwarz durch die Luft, mit hastigen Flügelschlägen, mit Sausen und Brausen, immer vom Meere fort. Ein Reiher nur klaftert dem Meere zu, einsam und allein. Längst ist die Sonne hinter den Bergen verschwunden. Tiefer tönt sich der Himmel; hier und da blinzelt ein Stern. Das Schwirren über uns hört auf; nur der Sturm pfeift und flötet noch, und mit neuen Regenböen zieht die Nacht über Meer und Land. Im molligen Stübchen des Strandhotels lassen wir die Gläser zusammenklingen, dankbaren Herzens des Kampfes gedenkend, des Dreireckenstreites zwischen Sturm und Sonne und Flut, dessen unsere Augen sich freuten am Strande des Steinhuder Meers. [Illustration] [Illustration] Im deutschen Erdölgebiete. Am Südrande der Lüneburger Heide, einige Stunden von der strebsamen hannoverschen Stadt Peine entfernt, lagen mehrere Dörfer, abgeschieden von dem Verkehr der großen Welt, in stillem Frieden, die Ortschaften Stederdorf, Wendesse, Odesse, Abbensen, Dollbergen und Edemissen. Vor den achtziger Jahren verirrte sich nur selten ein Fremder hierher; den Waidmann lockte der Rotwildbestand, den Botaniker manches seltene Kraut, den Mineralogen die von der freigebigen Natur in zahlloser Menge umhergeschleuderten Überbleibsel der Eiszeit, allerlei Geschiebe aus dem Norden, dem Heideboden fremd. Als aber das amerikanische Petroleum das Brennöl der Väter verjagte, da regte sich auch in Deutschland die Sucht, flüssiges Gold aus der Erde zu pumpen, und man erinnerte sich alter Schriften, in denen es vermerkt war, daß seit alten Zeiten die Heidebauern aus den sogenannten »Fettlöchern« der Heide auf kunstlose Weise ein mineralisches Öl gewannen und als Wagenschmiere verwendeten. Man kramte in den Bibliotheken umher und fand in neueren Schriften die Bestätigung der alten Funde. Es bildete sich eine Gesellschaft. Die Bohrungen hatten ein anscheinend günstiges Ergebnis; eine neue Krankheit, das Ölfieber, griff um sich. Ein neuer Ort, +Ölheim+ bei Peine, erstand in der stillen Heide, und schlaue Leute brachten es in kurzer Zeit zu Geld und Namen. Bald wetteiferten in Ölheim mehrere Aktiengesellschaften; hohe Bohrtürme, Arbeiterwohnungen, Straßen, Bahngeleise und unterirdische Rohrleitungen wurden angelegt. Wo früher das liebliche Lied der Heidelerche und der Schmetterschlag des Baumpiepers allein über rosa Heidekraut und dunklem Wacholder erklang, da zischten die Dampfkessel, ächzten die Pumpen, donnerten die Bohrmeißel. Über tausend fremde Arbeiter vermengten ihre Mundarten mit dem schweren Platt der Heideleute; Hotels mit gepfefferten Preisen machten sich breit, und fremdes Volk, Börsenleute, Ingenieure, Spieler, verliehen den Sitten der Gegend ein anderes, glänzenderes, aber nicht besseres Gepräge. Einige Jahre ging das wilde Treiben so vor sich; aber schon 1886 kam der Krach. Die Bilanz der »Ölheimer Petroleum-Industrie-Gesellschaft in Peine« wies einen Verlust von mehr als zwei Millionen Mark auf. Einige Schlaue retteten sich mit vollen Taschen, andere Leute setzten ihr Erspartes zu und wanderten fort, den weißen Stock in der Hand. Die Gesellschaft liquidierte, das laute Treiben verstummte, und 1887 verschmolzen sich mehrere Gesellschaften zu einer einzigen, die zwar keine Millionen aus der Erde pumpte, aber doch immerhin eine Reihe von Jahren noch bedeutende Erträge erzielte. Die Zeiten waren vorüber, wo »Ölheim«, das einst eine große Industriestadt zu werden hoffte, eine eigene Zeitung besaß; von den über tausend Arbeitern waren nur noch sechzig übrig geblieben, das deutsche Pennsylvanien spielte auf dem Geldmarkte keine Rolle mehr. In den letzten Jahren ist es dort ganz still geworden, und erst neuerdings hat man wieder angefangen, Bohrversuche anzustellen, nicht um Petroleum, sondern um mineralisches Maschinen-Schmieröl, sehr wertvoll wegen seines gänzlichen Sauerstoffmangels, zu gewinnen. Man ist bescheidener geworden, und wenn die Bohrungen planmäßig angestellt werden, so wird sich hier vielleicht noch einst auf solider Grundlage eine gesunde Industrie aufbauen; denn das natürliche Maschinenöl der Heide hat einen Ruf in der ganzen deutschen Industrie. Läge Ölheim in landschaftlich reizvollerer Gegend, so würde das Solbad »Waltersbad« mit seiner sehr wirksamen Solquelle eine große Zukunft haben; so aber erholen sich hier alljährlich nur in reiner Luft, hohem Kiefernwalde und stärkendem Bade einige hundert bleicher, kränklicher Schulkinder in der Ferienkolonie und einige Heidefreunde, denen die Hauptsache reine Luft, unverfälschte Natur und Ruhe ist. -- Ohne großes Zeitungsgeschrei, ohne reißendes Aktiensteigen, ohne Hochflut von Gold ist, während Ölheim wie ein schnell emporstrotzender Pilz in nichts versank, an einer andern Stelle der Lüneburger Heide langsam dieselbe Industrie entstanden, in den beiden nur ein Viertelstündchen voneinander entfernt liegenden Dörfern +Wietze+ und +Steinförde+, die von den nächsten Bahnhöfen Schwarmstedt und Celle je in ungefähr 2½ Stunden für tüchtige Fußgänger zu erreichen sind. Die Heide trägt hier einen ganz andern Charakter; es fehlen hier die Massen erratischen Geschiebes, die bei Ölheim den Sand so bunt färben; hier ist der Boden fast ohne jede Steinbeimengung. Aber unter dem gelben Sande ruht dasselbe wertvolle Öl in großer Menge, und auch ein bedeutendes Steinsalzlager ist hier erbohrt. Den Wanderer packt ein ganz merkwürdiges Gefühl, wenn er, von dem Bahnhofe Schwarmstedt losmarschierend, nach Wietze kommt. Keine Spur von Industrie hatte auf dem langen Wege sein Auge berührt. Neben den weißstämmigen Birken-Alleen liegen grüne Saatfelder oder ernste Föhrenwälder -- Fuhrenwald sagt der Heidebauer --, Föhrenwald begrenzt den Himmelsrand, ein Heidedorf liegt inmitten brauner Heide und grüner, dem Boden mühsam abgetrotzter Felder. Viele Häuser tragen noch Strohdächer, und unter den hölzernen, roh geschnitzten Pferdeköpfen zieht vielfach noch der Herdrauch zum Giebelloche empor; nur die neuen Häuser haben Schornsteine. Selten begegnet ihm ein Radfahrer, noch seltener ein Fußgänger, der Briefbote oder ein Bauer, der ihm freundlich die Tageszeit bietet. Ein Wagen, der hinter einer Wegesbiegung sichtbar wird, fesselt sein Interesse. Eine ganze Reihe schwerer Leiterwagen, hoch bepackt mit blauen, öligen Fässern, kommt ihm langsam entgegen, das erste Kennzeichen der Wietzer Ölindustrie. Noch eine Stunde auf staubiger Landstraße, dann tauchen hinter den langmähnigen, grünen Birken seltsame Bauwerke in der Heide auf, schwarze hohe Bohrtürme, daneben rotdachige neue Häuschen und alte Bauernhäuser mit Strohdach und Pferdeköpfen. Aus den kleinen, schwarzen Maschinenhäusern steigen kleine weiße Dampfwölkchen stoßweise in die Luft; ohne Hast und Eile, aber ohne Pause und Rast bewegen sich die schwarzen Balken der Ölpumpen; Maschinenteile, Koks- und Steinkohlenhaufen, Balken- und Bretterwerk, Schlammbüchsen und Ölfässer lagern auf dem gelben Sande, und ein strenger Teergeruch erfüllt die warme Luft. An zwanzig Bohrtürme recken sich hier empor; weiterhin, bei den Eichen von Steinförde, erheben noch andere sich in düsterm Ernste. Ein dumpfes Donnern schallt dem Wanderer entgegen; es ist der Bohrmeißel, der ein neues Bohrloch schaffen soll. Bedächtig wälzen Arbeiter die gefüllten Ölfässer auf die derben Leiterwagen, andere laden die leeren Fässer ab. Zwei Gesellschaften, eine deutsche und eine holländische, bohren hier; beide beschäftigen zusammen fünfzig Arbeiter, die fast alle aus Wietze, Steinförde und den Nachbardörfern stammen. Die Gewinnung des Öls ist recht einfach. Wenn das Bohrloch bis zur nötigen Tiefe niedergebracht und mit Eisenröhren ausgekleidet ist, wird die Pumpe aufgestellt, das Becken herbeigebracht; die Dampfmaschine setzt die Pumpe in Bewegung, und dann läuft das dickflüssige braune Öl in fortwährendem Strahle in das Becken, in dem es durch ein Schlangenrohr vermittelst heißer Dämpfe entwässert wird. Dann ist es zum Gebrauch fertig und wandert in Fässern nach Celle und Schwarmstedt und von dort auf der Bahn als vielbegehrtes Schmieröl nach den Industriebezirken von Hannover, Westfalen und Rheinland. Der Ölreichtum jener Gegend war den Heidebauern schon seit Jahrhunderten bekannt. Auf natürlichen Heidetümpeln, den »Fettlöchern«, sammelte sich das Öl als braune buntschillernde Schicht, wurde abgeschöpft und als Wagenschmiere benutzt. Man grub auch an sehr ölhaltigen Stellen den Sand aus, wusch ihn in Bottichen aus und schöpfte das Öl ab. Bei den Bohrtürmen liegt ein Teich, der lebhaft an unsere Vorstellungen vom Toten Meere erinnert. Den nackten gelben Sand schmückt keine Spur von Vegetation, nur unverwüstliche Binsen starren düster aus der braunen Flut. Nußgroße, dunkelbraune Öltropfen schwimmen auf dem Wasser, dicke Klumpen quellen vom Grunde des Tümpels empor, und in den Buchten lagern auf der Wasseroberfläche schwere, braune Ölschichten, bunt in der Sonne schillernd, oder klebend auf dem feuchten Sande. Massen von toten und sterbenden kleinen und zollangen Schwimmkäfern bedecken die Wasserfläche; das schmierige Öl hat die zählebigen Insekten erstickt, die hier zuflogen. Die flache Gestaltung der Heide begünstigt neue Entdeckungen nicht; keine Gesteinswand, kein Bodendurchschnitt gibt der Industrie einen Wink. Daß aber das Gebiet zwischen Peine und Verden an der Aller bei planmäßigen Bohrversuchen noch manches andere Öl- und Salzlager darbietet, davon sind kundige Geologen jetzt schon überzeugt. [Illustration] [Illustration] Einsame Heidfahrt. Nordwestwind pfiff über das Heidland, veranlaßte die ernsten Fuhren durch sein ungestümes Kosen zu unwilligem Gebrumm und die starren Machandelbüsche zu ärgerlichem Kopfschütteln, ließ den Landstraßenstaub sich in Kringeln drehen und erlaubte es den hunderten von himmelblauen Faltern, die im Heidekraute hin- und hertaumelten, nicht, fröhlich um die ersten Doppheideblüten zu tanzen. Ab und zu warf mir der neckische Gesell eine Handvoll Staub in das Gesicht; aber er entschädigte mich wieder dadurch, daß er mir gleich darauf den betäubenden, süßen Duft der Lupinen zufächelte, deren schweres Goldgelb die braune Heide unterbrach. Wie ein Hund die Schnuckenherde mit heiserem Gebell vor sich hertreibt, so hetzte der Wind graue Wolken nach Südost, und wenn eine Herde vorüber war, dann leuchtete blauer Himmel aus dem Grau, und stechend sengte die Sonne herunter. Dann erklang das Summen der fleißigen Immen lauter, dann tanzten die verschüchterten Bläulinge lustiger um die rosigen Heideglöckchen, die Sandammer ließ dann fleißiger ihr müdes Liedchen ertönen, und die Heidlerchen, die unsichtbaren Sänger der Heide, belebten mit froheren Strophen ihren einförmigen Singsang, bis eine neue Wolkenherde, einen dicken, schwarzen Widder an der Spitze, sich vor die Sonne drängte und die Heide wieder ihr trübes Aussehen gewann. Ich fuhr allein, mutterseelenallein, durch die Heide. Gern habe ich im frohen Bergland lustige Wandergesellschaft; in der Heide hasse ich sie. Die Heide ist nicht gesellig, und nur dem einsamen Wanderer gegenüber ist sie mitteilsam, ganz wie der echte Niedersachse. Der ist auch ein schlechter Gesellschafter, ein uninteressanter Mensch, in bunter Reihe, wo gelacht und geschwatzt und getändelt wird. Aber im stillen Aug'-in-Aug' mit dem Freunde wird er mitteilsam, gesprächig; da kramt er aus dem verschlossenen Herzen allerlei Schätze hervor, wunderschöne Dinge, die niemand vermutete hinter dem kalten Blauaugenblick, unter den gleichmütigen Zügen. Viel Liebes und Schönes hatte mir die Heide schon gewiesen, wenn ich als einsamer Wanderer ihr nahte; heute aber wollte ich sie bitten, mir ihre ältesten Erbstücke, tief versteckt in der Fuhrentruhe, zu zeigen: den +Steinhäusern+ galt meine Pilgerfahrt. Lange hatte ich mir den Besuch schon vorgenommen, aber immer hielt eine heilige Scheu mich ab, in großer Gesellschaft die Fahrt zu machen, mit Leuten, die bei den ehrwürdigen Denkmälern Mettwurst und Kognak hervorholen und die Steinplatten als Fremdenbücher mißbrauchen. Heute aber war ich ganz allein, allein wie der Schäfer, der hinter Bergen seine Schnucken weidete, allein wie ein grauer Findling auf brauner Heide. Schnell ließ ich mein Rad dahinsausen über die gelben, glatten Fußwege, in deren Grasborden blutrote kleine Nelken leuchteten, flog vorüber an den Häusern von Bleckmar und tauchte unter in Heideeinsamkeit und Waldstille, die die Straße nach Fallingbostel umgibt, eine Straße, die der Heide echteste Schönheiten erschließt. Der Wald endet auf des Hügels Kuppe, und Heidberge, baumlos und kahl, nehmen mit ihrem braungrünen Violett das Auge gefangen. Wie einfach sind die Mittel der Heide, wie viel schafft sie damit! Diese kahlen Hügel, gleichmäßig überzogen mit dem braunen Tuche, sie beruhigen die Seele. Es ist eine köstliche Farbe, das braungrüne Violett, eine Farbe, die das Herz gefangen nimmt, von der die Augen nicht fort wollen. Kein Haus, kein Mensch weit und breit, Heidhügel an Heidhügel, einige ganz ernst braun, einer mit schmaler gelber Binde geschmückt; ein Heidweg ist es, der sich über seine Kuppe zieht. Ein Wall graugrüner Fuhren rahmt dieses Heidebild ein und blaue Hügel, die am Himmelsrande mit grauen Wolken verschmelzen. Nach stundenlanger Rast im spärlich blühenden Heidekraute riß ich mich los, flog bergauf, talab und stellte mein Rad in Nordbostel ein. Dem Wirtshause gegenüber führt ein breiter Weg nach Süden, von Hängebirken beschattet; den schlug ich ein. In der Grasheide, die wie ein riesiges Löwenfell sich an weißen Buchweizen anschließt, zirpten die Grillen. Mitten in der kahlen Heide weidete der Schäfer, das Knüttzeug in den Händen, die grauen Schnucken. Über dem notreifen Roggen rüttelte ein Sperber, und ein Hase, von den Schnucken hochgemacht, flüchtete in den hohen Brahm, der mit der grasigen, grünen Farbe seiner hohen Büsche ganz absonderlich von dem Heidebraun abstach und im Verein mit den toten Gestalten der Wacholderbüsche die Landschaft belebte. Hohe Tannen und breitästige Eichen zeigten einen Bauernhof an, hinter dessen Zaun kein Menschenlaut erschallte. Es war die Zeit der Heuernte. Ein zweiter Hof, Homanns Hof, blieb links liegen, und dann suchte ich mich durch prächtigen Tannenhochwald hindurch, bis sandige, hügelige Heide, übersät mit Feuersteinen, bestanden mit ästigen Kiefern, auf deren Wipfelsprosse der Baumzier mit schmetterndem Sange sich niederließ, mich wieder in ihre braunen Arme schloß. An dem Schienenstrang entlang, der zur Abfuhr von Grubenhölzern die Heide unbarmherzig zerreißt, führt der Weg zu den uralten Grabstätten unbekannter Häuptlinge, Helden eines Volkes, von dem kein Zeichen, keine Überlieferung auf unsere Zeit gekommen ist. Als steinerne Rätsel nahen die fünf grauen Grabkammern aus dem Fuhrenwäldchen; keine verwischte Rune meldet dem Forscher, welcher Stamm hier seine Großen beisetzte. Unverstand hat die Grabkammern durchwühlt, Gleichgültigkeit den Boden mit Papier und Flaschenscherben besät, Dummheit schrieb ihre albernen Namen auf die ehrwürdigen Steinplatten. Aber der Wind fegt das häßliche Papier fort, er schüttet trockene Nadeln auf die scheußlichen Scherben, und mitleidiger Regen leckt an den Steinen, bis die Namen, die unfromme Tröpfe an die grauen Flächen schmierten, verschwunden sind. Auf dem grauen Steine, der abseits gefallen ist, saß ich und sann. Über mir summten die Fuhren ihre gleichmäßigen Weisen, goldene Sonnenflecke zuckten auf dem Boden, blitzende Fliegen schossen an mir vorbei. Ein Stückchen spitzen Feuersteines fesselte meine Augen. Ich wollte ihn aufnehmen, da zischte es warnend: ein breiter Kopf mit rotfunkelnden Katzenaugen richtete sich empor aus dem warmen, sonnenbeschienenen grauen Sande, und zwei nadelscharfe Giftzähne in weit aufgerissenem, rotem Rachen hackten nach meinen Fingern. Schon erhob ich den Stock zum tödlichen Schlage -- und ließ ihn sinken. In diesem Walde breche ich keinen Ast, töte ich kein lebend Wesen. Wer weiß, wer die Schlange ist? Wer weiß, wer der einsame Kolkrabe ist, der hoch in der Luft seine Adlerkreise zieht und sein rauhes »Rauk, rauk« über die Heide krächzt? Grabwächter scheinen sie mir zu sein, der Königsrabe und die todbringende Otter mit den Karfunkelaugen, Wächter an heiliger Stätte. Eine schwarze Wolke mit gelben, Hagel kündenden Rändern legt sich vor die Sonne. Verschwunden sind die blanken Fliegen, verklungen des einsamen Finken Schmettergesang, und die Schatzwächterin, die Schlange mit dem Zickzackband, kriecht fröstelnd unter den Grabstein. Mit dem Stocke scharre ich den spitzen Stein zu mir heran; es ist eine Lanzenspitze, künstlich zurechtgeschlagen aus dem stahlharten Feuerstein, mit dem die Heide besät ist. Glatt, wie geschliffen, sind seine Ränder; ein Kunstwerk ist er, das wir heute mit unserer großen Technik kaum nachbilden können. Wer fand den Stein vor Jahrtausenden auf einsamer Heide, wer formte ihn zu schneidender Speerspitze mit dem Steinhammer, wer führte ihn auf der Pirsch gegen Ur und Bär und focht mit ihm im blutigen Kampfe, wo Steinbeile auf Birkenschilden dröhnten und runde Steine, aus Lederschlingen geworfen, Schädel zerbrachen? Schon wollte ich den Stein in die Tasche stecken, da breitete sich schwarze Finsternis über den Himmel; ein Blitz zuckte schwefelgelb über die Heide, und grell knatternder Donner polterte wiederhallend durch die Stille. Erschrocken legte ich die Waffe an ihren Platz und deckte dürre Nadeln darüber. Ein Heulen ging durch die Luft, wie das Wutgebrüll eines Riesen; der Wind schüttelte die Fuhren, daß sie knirschten und schrillten, und eine Staubwolke, mit Spreu und Reisig gemischt, tanzte durch den Wald. Dann ließ der Wind nach; er holte Atem. Noch ein Donnerschlag, und nun ging es hernieder, Hagel und Regen, gepeitscht vom wütenden Sturme, daß der Waldboden schnell sich bedeckte mit grünen Fuhrenzweigspitzen und trockenem Geäst. »Rauk, rauk« erklang es da freudig durch den Sturm; der Rabe war herabgeflogen und umflatterte einen Mann, der über die Heide gekommen war und zu dem einsamsten der fünf einsamen Gräber ging. Der Regen peitschte sein braunes, hartes Gesicht, zauste ihm die graublonden Haarsträhnen und den wirren Graubart und ließ die Marderschwänze an dem Schnuckenmantel des einsamen Heidegängers lustig tanzen, der sich bei jedem Schritte bückte und die Papierknäuel auflas, die den Boden befleckten, und sie in der Busenfalte des grauen Mantels barg. Mit einem Baststrick war der Mantel gegürtet, in dem Strick hing die Steinaxt aus dunkelgrünem Nephrit mit dem Griff aus Hirschhorn. Einäugig war der Alte; ein furchtbarer Hieb, vom rechten Schlaf bis zum linken Ohr, hatte das Auge zerstört und das Antlitz verwüstet. Die rechte Brust zeigte tiefe Narben, und an der Rechten fehlten zwei Finger. Mühsam bückte er sich und hob die Scherben und Fetzen auf, die ein Geschlecht ohne Scheu und Scham um die Gräber seiner Vorfahren gestreut hat. Mit schweren Schritten ging er in die Heide und vergrub dort die Fetzen und Scherben. Dann kehrte er zurück zu dem einsamen Fürstengrabe, zu dem Grabe seines Herrn, nahm den großen Schild vom Rücken, die Steinaxt aus dem Gurt und saß nieder auf einer grauen Steinplatte. Hoch schwang er den Hammer und ließ ihn dröhnend auf den Schild fallen; siebenmal erklang es dumpf, und dann sang der Alte ein altes Lied, eine Totenklage für seinen Herrn. Seltsam waren die Worte, unerhört die Weise, wie Sturmgeheul die Stimme des alten Speerträgers, und jeder Strophe Endreim waren sieben dumpfe Steinhammerschläge auf den breiten Schild aus Birkenrinde und Wisenthaut. Wie betäubt saß ich unter der Tanne bei dem Grabe. Ich wollte fort, aber des singenden Alten Einauge blitzte mich drohend an. Ein dröhnender Hammerschlag endete das gewaltige Heldenlied, ein Schlag, so erschütternd, daß ich die Augen schloß. Als ich sie öffnete, war der greise Mann verschwunden; in der Ferne grummelte das abziehende Gewitter; aus blauem Himmel lachte die Sonne hernieder auf das alte Grab, um das frische Fuhrenbrüche an Stelle der Fetzen und Scherben lagen, die jetzt alle verschwunden waren. Auf meinen Knieen aber glitzerte die steinerne Speerspitze, ein Geschenk des Alten für den einsamen Heidewanderer. [Illustration] [Illustration] Im Torfschiff. Sengende Mittagsglut zittert auf den Dächern von Osterholz-Scharmbeck. Alle Fenster sind geschlossen, daß die Hitze nicht hineindringt in die kleinen Stuben, denen die Bäume vor den Türen Schatten geben und Kühlung. Sonntag ist es. Ein paar Kinder spielen vor der Türe eines Hauses, sonst ist es still und leer in der Straße. Und verstärkt wird die Stille durch das stille, braune Gesicht des alten, baumlangen, weißbärtigen Fischers, der, ein Knie auf dem roten Binsenstuhl, die Arme auf den Zaun gestützt, rauchend ins Leere sieht. Er wird uns nach Worpswede fahren. Im kleinen Hafen ist lautes Leben. Ein Dutzend nackte Jungen kauern da im Sande und plätschern in dem braunen, lauwarmen Wasser. So satt und so gesund sehen die braungebrannten Glieder aus im Sonnenlicht, goldbraun sich abhebend von der dunklen Flut, die sie zerteilen. Langsam und bedächtig macht unser Weißbart das schwarze Torfschiff los, setzt den Mast ein und stakt mit dem langen, eisenbeschlagenen Ruder uns den Kanal entlang, von dessen Ufern purpurner Weiderich uns nachnickt. Ein weißer Falter begleitet uns ein Weilchen. Dann tanzt er über die niedrigen Weidenbüsche auf die grüne Wiese, weiter, immer weiter, bis er den Augen entschwindet, die hängen bleiben an der weiten grünen, von dunklen Wäldern umrahmten Fläche, auf denen buntes Vieh weidet und über die die Schwalben schießen. Der Wind frischt auf. Wie wohl das tut bei dem Sonnenbrand! Unser Fischer wischt mit der groben braunen Hand den Schweiß von dem braunen Gesicht und atmet tief auf. Auch ihm bringt die Brise Erholung. Das Staken, das schweißerpressende, es ist zu Ende. Das Segel los und hinaus aus dem engen Kanal in die breite Hamme. Von uns spricht niemand. Wir wollen nicht sprechen, sehen wollen wir, die Augen baden in dem satten Grün unendlicher Wiesen, die Augen laben an der braunen, blauschimmernden Flut, in der sich die weißen Wetterköpfe so seltsam spiegeln, in die die Fische, vor Wähligkeit sich werfend, silberne Kreise ziehen, und in der die starren, dunklen, merkwürdigen Binsen ihrem Spiegelbilde zunicken. Der Mummel hellgrüne breite Blätter liegen faul am Uferrand, ihre goldgelbe Blume schwankt träumend hin und her in unseres Kahnes Wellenschlag; trotzig reckt das Pfeilkraut seine Spieße, schläfrig rauschen die Schilfrispen, die der Wind aus der Unterstunde jagte, und unwillig schüttelt die Blumenbinse, die stolze, ihr rosiges Blütenhaupt. Sprecht nicht, seht lieber! Seht dem Storch zu, der bedächtig über das Grün wandelt, den Enten, die am Ufer schnabbeln, dem Silberflügelgeflimmer der Wasserjungfern am Schilf, dem Tanz weißer Falter an roten Blumenkerzen, dem Blitzen und Leuchten der Wellen am Bug. Wie groß und anders alles aussieht gegen die ewige Ruhe des grünen Plans; am Horizont die Bäume, so schwarz und schwer, jede Blume so leuchtend, jeder taumelnde Kiebitz riesig, jede Krähe, die japsend auf dem Pfahle sitzt, ein auffallender Fleck. Und dort unten, das Segel; riesenhaft hoch und breit und düster macht es sich hier, wo alles so flach und so hell ist. Wie ein Rätsel mutet es an, wie ein schwarzes Gespenst, das drohend und unheilsvoll uns näher rückt. Der Angler am Ufer, halb vergraben im Grün, er unterbricht die Landschaft, alles beherrschend, ein fester Punkt in dem fließenden Grün weit und breit. Ein kalter Schatten fällt auf die warme Landschaft. Im Nu hat die schwarze Wolke alles um uns in andere Töne getauscht. Das warme Hellgrün der Wiesen hat sie kalt verdunkelt, das leuchtende Wasser getrübt. Aber da, wo ihre kalte Macht aufhört, blitzt und gleißt die Flut in strahlendem Silberweiß, leuchtet grell und heiß das Grün der Wiesen. Grobe Stimmen weht der Wind heran. Stöhnend, jappend arbeitet sich ein Schleppdampfer hinter uns her, einen Torfbock im Seil. Dann klatscht es gegen unsern Kahn, lange Männer handhaben die langen Ruder, braune Gesichter nicken uns zu. Vor uns kräuselt sich die Flut. Dort zappelt auch das Schilf reger. Und jetzt faßt auch uns der Wind fester in das schwarze Laken. Still war es um uns, als wir losfuhren; laut wird es jetzt. Aber ein anderes Lied als im Walde singt hier der Wind. Dieses Geruschel, dieses Getuschel der Binsen, das Flüstern des Schilfs, das Rauschen des Röhrichts, das Kluckern des Wassers, ganz anders klingt es als Fuhrengesumm, Buchengeflüster und Eichengemurre. Zu jedem Landschaftstext spielt der Wind eine andere Melodie. Torfschiffe segeln an uns vorüber. Ernste, glattbackige Männer sitzen am Steuer, wortkarg und stumm. Ein Nicken, ein tiefer Zuruf ist ihr einziger Gruß. Ein einziger von den vielen flötete vor sich hin. Aber er schämte sich, als er sich uns näherte, und lange hinter uns fing er erst wieder an zu pfeifen: »Ein armer Fischer bin ich zwar ...« Es war ein Junge von sechzehn Jahren. Die Männer vom Teufelsmoor pfeifen nicht. Die Segel, die so todesschwarz und so nachtdunkel sind, wenn sie uns begegnen, sie glühen hinter uns auf wie rotes Gold, hinter uns, von der Sonne durchschienen. Als ich es entdeckt hatte, sah ich jedem nach. Es war mir ganz so, als wenn sie ein Lächeln überflog, die ernsten Segel, ganz dasselbe stille Lächeln, das die ernsten Gesichter der Schiffer erhellte, wenn sie uns nachsahen. Immer mehr Segel rauschen an uns vorbei, eins im Kielwasser des andern. Vor uns lauter schwarze, hinter uns lauter rotdurchleuchtete, und jedem muß ich entgegensehen, wenn es schwarz heraufkommt, jedem nachblicken, wenn goldrot leuchtend es hinunterfährt. Eine Stunde fahren wir schon. Näher kommt uns schon der Weyerberg mit seinem dunklen Baumgrün und seinem hellen Dünengelb, mit seiner Mühle und seiner Kirche und mit dem klobigen Malerhaus. Aber in der Nähe, da blitzen silbern die Binsenstiele über der Flut, schwenkt der Kalmus seine gekräuselten Blätter, schaukeln sich Mummelblätter und nicken rosige Dolden über weißen Blumenrispen, zucken des Rohres Fahnen. Auf den Altwässern schnattern die Enten zwischen den weißen Nixenblumen; über die Wiesen gaukeln die Kiebitze, schweben die Sprähen, und eine silbergraue Seeschwalbe begleitet uns ein Stück Weges, bis sie umkehrt und weiter reviert, immer auf und ab den Fluß. Und immer Segel auf Segel, Grün an Grün, noch eine Stunde lang, und dann ein Marsch durch Staub und Sand, und Rast unter den Linden Worpswedes, wo es lebt und webt wie in der Stadt, von Wagen und Stadtmenschen. Noch ein Stündchen Schlendern über dürre Dünen, Ausschau auf das unendliche Moor, ausgestreckt im rosigen Heidkraut, umschwirrt von Libellen, umgeigt von Heuschrecken, und dann den staubigen Weg hinunter, daß es hinter uns mülmt, wie hinter Schäfer und Herde, zu unserm Torfschiff. Und nun sprecht wieder nicht, bis wir an Land sind! Laßt den Kiebitz rufen und die Möwe kreischen, bis sie alle übertönt des Reihers heiserer Schrei, der breitflüglig in das Abendrot rudert. In andere Töne kleiden sich jetzt Wasser und Wiesen, Weite und Nähe. Gespenstiger noch sehen die schwarzen Segel vor uns aus, verlassener noch klingt des Viehes Gebrüll. So schwer, so satt, so fest ist die Landschaft, die so lustig war und so hell und so leicht in der Mittagsglut. So verstohlen klingt das Geplätscher der Wasser, so heimlich das Flüstern des Schilfes. Unzerstörbare Ruhe, mächtiger Frieden erfüllt das Land. Des Reihers Ruf, der Enten Schrei, auftauchend und verhallend, verschärfen die Stille nur, und die hellen, nickenden Blumen am Ufer, viel märchenhafter scheinen sie uns jetzt. Nicht sprechen! Das paßt nicht zu dem Blaugrau des Himmels, zu den sanften Gluten am Himmelsrande, zu der leisen Flut und der lauen Luft, zu dem einsamen Abendstern vor uns, zu den goldüberschienenen Fluttümpeln, in denen schwarz und starr die Binsen stehen, zu den Fledermäusen, die im Zickzack uns umkreisen, zu den fernen, stillen Segeln, die immer mehr in die schwarze Nacht hineinschwimmen, die uns immer näher rückt. Schon hat sie am Himmelsrand die letzten Sonnenrosen gepflückt, schon die dunklen Bäume verhüllt und die Wiesen verschleiert; sie wirft ihre Schatten hinter uns auf die Flut, verdunkelt die Ufer und die Blumen und Büsche und rückt dicht an unser Schiff heran. Und so treiben wir dahin. Ein schwarzes Segel führt unser schwarzes Boot auf schwarzer Flut zwischen schwarzen Wiesen. Und stumm und schweigend schauen wir hinauf nach dem einen goldnen Stern. [Illustration] Druck von Gebauer-Schwetschke G. m. b. H., Halle (Saale). Weitere Anmerkungen zur Transkription Korrekturen (das korrigierte Wort ist in {} eingeschlossen): S. 24: Feistschneppe → Feistschnepfe macht unterdes die {Feistschnepfe} hoch S. 27: Herrgotsfrüh → Herrgottsfrüh in aller {Herrgottsfrüh} auf dem Rade S. 46: prühen → sprühen Blüten und {sprühen} betäubenden Duft umher S. 57: Möven → Möwen dort unten, zwei {Möwen}, blitzen auf S. 66: Olpumpen → Ölpumpen die schwarzen Balken der {Ölpumpen} S. 83: Möve → Möwe Kiebitz rufen und die {Möwe} kreischen *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS TAL DER LIEDER UND ANDERE SCHILDERUNGEN *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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