The Project Gutenberg eBook of Schriften 13: Märchen; Dramatische Gedichte; Fragmente

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Title: Schriften 13: Märchen; Dramatische Gedichte; Fragmente

Author: Ludwig Tieck

Release date: January 4, 2016 [eBook #50845]

Language: German

Credits: Produced by Delphine Lettau, Jens Sadowski, and the Online
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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHRIFTEN 13: MÄRCHEN; DRAMATISCHE GEDICHTE; FRAGMENTE ***

Ludwig Tieck’s
Schriften

Dreizehnter Band.

Märchen.
Dramatische Gedichte.
Fragmente.

Berlin,
bei G. Reimer,
1829.

Dem
Herrn von Quandt
in Dresden.

Diese Gelegenheit ergreifend, Ihnen öffentlich zu sagen, wie sehr ich Sie, verehrter Freund, hochachte und wie nahe ich mich Ihnen, durch Ihren schönen und gebildeten Sinn für Kunst und Poesie, verbunden fühle, füge ich den Wunsch hinzu, daß Ihr Leben durch hergestellte Gesundheit ganz frisch und erneut für sich und Ihre Freunde alle Heiterkeit wieder gewinnen möge. Zwar „litten Sie alles so, als wenn Sie gar nichts litten“ — aber, so hoffen alle, es werden die Genien auch jene Schmerzen und Leiden von Ihnen nehmen.

Ein ächter reiner Sinn, ein Enthusiasmus für unsern vaterländischen Goethe, so wie für die Muster alter Skulptur, ein Verständniß des Rafael, eine Liebe, die unbeschränkt sich alles Edle aneignen will, wird nicht häufig gefunden: noch seltner mit so vielen Kenntnissen und dem Eifer, der Kunst selbst fortzuhelfen, vereinigt. —

L. Tieck.

Inhalt.

Märchen.
Die Heymonskinder.
Melusine.

Dramatische Gedichte.
Ein Prolog.
Der Autor. Ein Fastnachtsspiel.

Fragmente.
Magelone. Prolog.
Aus dem alten Heldengedicht vom König Rother.
Der erste Akt des Donauweibes.

Die Geschichte
von den
Heymons Kindern,
in zwanzig altfränkischen Bildern.
1796.

Kurze Vorerinnerung.

Lieber Leser,

Ich weiß nicht, ob Dein Gemüth zuweilen so gestimmt ist, daß Du Dich gern und willig in die Zeit Deiner Kindheit zurück versetzest, Dich aller damaligen Eindrücke erinnerst, und ohne Bedauern vergissest, was Du seitdem gelernt und erfahren hast. Es gewährt einen eignen sonderbaren Genuß, Dein Jahrhundert und die Gegenstände um Dich her aus dem Gedächtnisse zu verlieren. Du bist vielleicht irgend einmal krank gewesen, geliebter Leser, oder hast Dich einige Stunden hindurch in einer unvermutheten Einsamkeit befunden; von allen Zerstreuungen verlassen, kann man dann zuweilen an alten wunderlichen Zeichnungen oder Holzstichen ein Vergnügen finden und sich in ihnen verlieren; man betrachtet dann wohl aufmerksam ein unzusammenhängendes und fast unverständiges Bild, wo vorn eine Rathsversammlung im königlichen Pallaste sitzt und man hinten das Meer mit Schiffen und Wolken, ohne alle perspektivische Kunst, wahrnimmt. Möchtest Du doch, o mein Lieber, ein solches und kein andres Vergnügen in gegenwärtigen altfränkischen Bildern erwarten, die wir Dir jetzt vor die Augen führen wollen. — Lebe wohl! —

Erstes Bild.
Die Pracht des Königs Carl.

Um Pfingsten hielt König Carl, dem man den Zunamen des Großen beigelegt hat, gewöhnlich in Paris ein großes Fest. Allda erschienen alle Herren, Baronen und Fürsten, und goldne und silberne Geschirre standen auf den Tafeln, und eine schöne Musik klang durch die Gemächer. Es war bei diesem Feste alles versammelt, was man nur prächtiges sehn mochte.

Der König saß in allem seinem Schmuck, mit seiner glänzenden Krone am Tische, um ihn her seine Freunde, die Ritterschaft und die Damen, junge Edelleute warteten auf, damit es nirgends, weder an Speise noch an Trank, fehlen möchte.

Bei diesem Feste war auch Heymon, Graf von Dordone, gegenwärtig, ein angesehener und tapferer Rittersmann, der in allem Kriegswesen überaus erfahren war, so daß auch jedermann Achtung vor ihm hatte. Mit ihm war zugleich da sein Schwestersohn Hugo, ein Jüngling von schönem Angesicht und langen goldgelben Haaren. Dieser näherte sich mit freundlichem und ehrerbietigen Anstande dem Könige, und sagte ihm, daß der Graf Heymon auch gegenwärtig sei; er erinnerte ihn, daß der Graf der einzige wäre, der keine Wohltat von Seiner Majestät genossen hätte, er möchte ihn wenigstens mit den Gütern wieder belehnen, die dem Grafen gehörten, und die er ihm aus Ungnade entzogen hätte.

Ueber diese Anrede ward König Carl sehr ergrimmt; er antwortete: daß er dem Grafen Heymon nie in etwas willfahren wolle. Hugo sagte hierauf sehr ernsthaft, daß jedes redliche Gemüth das Betragen des Königs tadeln müsse. Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, so sprang Carl auf, zog sein Schwert und hieb den Jüngling nieder, daß er sogleich todt blieb. Alles gerieth in die größte Verwirrung, Ritter und Edle sprangen auf, die Tische fielen über den Haufen, die Musik verstummte, und die Spielleute entflohen, kurz, aus der größten Freude entstand plötzlich die größte Traurigkeit.

Zweites Bild.
Krieg; endlich wird Friede geschlossen.

Der Graf Heymon verließ sogleich mit seinem Anhange die Stadt; er bot alle seine Freunde auf und überfiel das Land, um den Tod seines Vetters Hugo zu rächen. Da war groß Rauben und Morden allenthalben; da sah man verwüstete Dörfer und geplünderte Klöster, die Leichen der Erschlagenen lagen auf den Heerstraßen, denn Heymon war in gewaltiger Wuth entbrannt. Carl stellte sich dem Feinde entgegen, aber sein Volk mußte immer der Tapferkeit des Grafen weichen.

Carl versammelte seinen Rath und verbannte den Grafen im zornigem Muthe aus seinem Lande, so daß er aller seiner Güter und Titel verlustig war und gleich einem armen Flüchtlinge umherirrte. Dadurch wurden Heymon und seine Freunde nur noch mehr aufgebracht, sie verbrannten und verheerten das Land noch ärger als zuvor, sie raubten alles Gold und Silber das sie fanden, und streuten allenthalben das Elend des Krieges aus. Malegys, ein Vetter Heymons, that besonders großen Schaden, denn er war in der schwarzen Kunst ein wohlerfahrner Mann. Dieser Krieg währte sieben Jahre, und die Einwohner des Landes kamen endlich demüthig zum König Carl und baten ihn, daß er mit dem furchtbaren Heymon einen Frieden schließen möchte. Carl war anfangs über diese Vorstellung unwillig, schickte aber doch Gesandten mit freundlichem Anerbieten an seinen Feind, denn er sah selbst ein, daß ihm ein solcher Krieg sein Land verderbe. Heymon, der jetzt im Vortheile war, wollte von keinem Frieden hören, aber Carl schickte eine zweite Gesandtschaft, und ließ ihm sogar seine Schwester Aya zur Gemahlin anbieten, wenn er sich versöhnen wolle. Hierauf ging Heymon den Vertrag ein und der Friede ward geschlossen.

Drittes Bild.
Carlmann soll zum Könige gekrönt werden.

Heymon führte nun seine Braut in die Kirche, wo sie eingesegnet wurden. Roland begleitete sie dorthin. Das hochzeitliche Mahl sollte eingenommen werden, und Heymon bat König Carl, bei ihm zu bleiben; dieser aber brach schnell wieder auf, und zog nach Paris zurück. Heymon ward ergrimmt, und zog nach seinem Schlosse, wo er mit seinen Freunden die Hochzeit in vierzig Tagen und vierzig Nächten auf’s prächtigste feierte. Heymon hatte immer noch die abschlägliche Antwort des Königs im Sinne, und als er mit seiner Gemahlin das Bette besteigen wollte, zog er sein Schwert und schwur darauf, den Tod Hugo’s an allen Nachkommen Carls zu rächen. Seine Hausfrau Aya erschrak, denn sie sah die ernsten und zornigen Geberden, und fürchtete sehr das Gemüth des Ritters.

Sie ward schwanger, und als sich die Zeit ihrer Entbindung nahte, gedachte sie an Heymons Schwur. Er war grade auswärts in einen Krieg verwickelt. Sie begab sich daher in ein Kloster und gebar einen Sohn, den sie Ritsart nannte, Bischof Turpin und Graf Roland waren die Pathen: darnach ließ sie ihn heimlich erziehn.

Heymon kam zurück und seine Gemalin ward zum zweitenmale schwanger, sie gebar einen zweiten Sohn, Writsart, als Graf Heymon wieder auswärts war. Eben so geschah es noch einmal, und der Sohn ward Adelhart genannt. Alle diese Kinder wurden heimlich Säugammen übergeben, und nachher wurden sie in einem verborgenen Zimmer des Schlosses erzogen.

Graf Heymon zog von neuem in den Krieg gegen die Ungläubigen, und dieser Krieg dauerte ganzer sieben Jahre. Nach dieser Zeit kam er wieder in sein Vaterland zurück, und hatte sieben tiefe Wunden an seinem tapfern Leibe und dennoch saß er geharnischt mit Helm und Schild zu Pferde, so, als wenn ihm nichts zugestoßen wäre, aber sein Sinn war groß, denn er hatte gesiegt, und brachte eine kostbare Reliquie, die Dornenkrone unsers Heilandes, mit sich. Seine Hausfrau empfing ihn mit großer Freude, beide gingen in das Schlafzimmer und sie gebar nach neun Monaten wieder heimlich einen jungen Sohn, der Reinold getauft wurde. Nun hatte Graf Heymon vier Söhne, von denen er allen nichts wußte, denn seine Gemahlin fürchtete immer noch, daß er sie diesem Eide gemäß umbringen würde, wenn sie ihm die Sache entdeckte. König Carl hatte auch einen Sohn, Namens Carlmann, dieser war mit Reinold von einem Alter und von einer Größe, aber in seinem funfzehnten Jahre wuchs Reinold dergestalt in die Höhe, daß er einen Fuß länger war, als Carlmann. Schon damals war Reinold der größte und stärkste von seinen Brüdern.

König Carl war jetzt ein Greis geworden und gedachte seinem Sohne Carlmann die Krone aufzusetzen. Er berief daher die Vornehmsten des Reichs, sammt den zwölf Genossen von Frankreich und dem berühmten Bischofe Turpin. Als alle versammelt waren und eine Stille ausgerufen war, erhob sich König Carl und hielt eine Rede, wie er nun schon alt sei, und das wahre Einsehn in das Reich nicht mehr besitze, er habe daher alle gegenwärtige Herren versammelt, um seinen Sohn, der jung und stark sei, zum König krönen zu lassen. Die Fürsten waren sich dieses Antrags nicht vermuthet und wußten daher lange nicht, was sie antworten sollten, bis endlich Turpin, der weise Bischof, aufstand und sagte: Mein König, es fehlt in dieser Versammlung noch ein Mann, der zu dieser Krönung unentbehrlich ist, denn er ist fast der tapferste Ritter im ganzen Lande. — Gewiß meint Ihr, antwortete Carl, den Grafen Heymon von Dordone, der mir so großes Leidwesen zugefügt hat, mit Rauben, Brennen und Plündern, aber ich muß es bekennen, er ist ein tapfrer Mann, so daß er fast seines Gleichen nicht hat. Nun, ich will nach ihm schicken, wenn Ihr meint, daß es so besser sei.

Die Krönung wurde hierauf noch vierzig Tage verschoben, und man beschloß, den Grafen Roland mit einigen andern Herren abzusenden, mit denen der Graf Heymon immer in Frieden und Freundschaft gelebt hatte; denn König Carl traute seinem versöhnten Feinde immer noch nicht, auch wußte er es wohl, wie übel es der Graf empfunden, daß er bei der Heirath mit seiner Schwester sein Mahl verschmäht hatte. Er gab daher den Abgesandten allerlei köstliche Geschenke mit, und einem jeden einen Olivenzweig in seine Hand.

So näherten sie sich dem Schlosse Heymons, und Frau Aya gewahrte ihrer, denn sie saß am Fenster; sie erkannte alle sogleich und war für das Leben der Abgesandten besorgt, weil sie der Gemüthsart ihres Herrn wohl wissend war. Als die Ritter daher in den Saal getreten waren, verfügte sie sich auch dort hin, um zu sehen, wie es würde, sie hieß sie dort willkommen, und brachte ihnen einen Becher mit Wein; dann sprach sie bei ihrem Gemal für die Herren, die in der größten Ungewißheit da standen, denn sie hatten schon einigemale ihr Begehren angebracht, aber Heymon hatte auch nicht mit einem einzigen Laute geantwortet.

Da ihm nun jetzt seine eigene Gemahlin zuredete, so ging er ergrimmt im Saale auf und ab, so, daß alle zitterten, dann schlug er sich mit der Faust vor die Stirn, lehnte sich an einen Pfeiler des Gemachs und weinte bitterlich. Da das die anwesenden Ritter an einem solchen Helden gewahr wurden, so hätten sie beinahe mitgeweint, ohne zu wissen, was ihm sei, so erschütternd war der Anblick; aber die Hausfrau, die eines solchen Anblicks ungewohnt war, zerfloß in Thränen und warf sich zu seinen Füßen nieder, und beschwur ihn, daß er doch Rede und Antwort geben möchte.

Steh auf, unglückselige Frau, sagte er so leutselig, wie sie ihn noch nie hatte sprechen hören; wohl mag ich Dich, so wie mich selber unglückselig nennen, denn ich habe graues Haar davon getragen, ohne einen Sohn von mir zu sehn, dem ich meine Haabe hinterlassen könnte. Keines Siegs, keines Ruhmes mag ich mich freuen, denn alles stirbt mit mir weg, keiner aus meinem Geschlechte erwähnt dankbar meiner, und Fremde theilen sich in meine Güter, in die Fahnen und Waffenrüstungen, die ich so mühselig erbeutet habe, und nun soll ich hingehn und Carlmann, den Erben Carls, krönen helfen, ich selbst ohne Erbe, ohne Sohn. Ich weiß, er meints noch schlimmer mit mir, als der Vater; dürften sie mit mir handeln, wie sie wollten, sie ließen mich nimmermehr am Leben.

Heymon konnte vor Grimm und vor Thränen nicht weiter sprechen, aber seiner Gemahlin ging das Herz vor Freude auf, sie wußte erst nicht, was sie sprechen sollte, aber sie erinnerte ihn an den schrecklichen Eid, den er in der Nacht nach der Hochzeit geschworen hatte; doch Heymon sagte: o Frau, solche Eide zu halten, ist nichtswürdig, hätt’ ich nur einen Sohn, und es könnte ein Held aus ihm werden, so wollt’ ich ihn so lieben, wie Carl seinen Carlmann nimmer lieben kann. Nun entdeckte ihm Aya ihren verborgenen Handel, darüber wurde Heymon froh und drückte den angekommenen Rittern die Hand von Herzen; dann verließ er sie, um seine Kinder zu besehen.

Er kam mit seiner Hausfrau vor das verschlossene Gemach, in dem sie lebten, da stand er still, um ihr Gespräch mit anzuhören. Reinold tobte drinnen, und schrie über den Speisemeister, daß er ihnen nicht genug zu essen, und keinen guten Trunk bringe; Adelhart verwies seinem Bruder diese Heftigkeit, und sagte ihm, daß er sich vor Heymon hüten müsse, der ihn gewiß umbringen ließe, wenn er dem Speisemeister etwas zu Leide thäte.

Was kümmert mich Heymon, der graue Hund! rief Reinold erboßt, wenn ich ihn hier hätte, ich wollte ihn so mit Fäusten zusammenschlagen, daß er liegen bleiben sollte!

Dieser ist gewiß und wahrhaftig mein Sohn, sagte Heymon, aber jetzt will ich’s probiren, ob es auch die andern sind. — Ohne weiteres stieß er also mit seinem Fuß an die verschlossene Thür, so daß sie zersprang. Kaum aber stand er im Zimmer, so lief Reinold auf ihn zu und schrie: Was hast Du, alter Graubart, hier zu schaffen? und mit diesen Worten warf er ihn zu Boden. Die andern Brüder kamen auch herzugelaufen, und Heymon, der sich nichts Gutes versahe, rief: o ihr jungen Helden, schlaget mich nicht, denn ich bin Euer Vater, haltet Ruhe, und ich will Euch alle zu Rittern machen. Als Reinold hörte, daß das sein Vater sei, hob er ihn vom Boden auf und tröstete ihn über seinen harten Fall, darauf umarmte der Vater seine Kinder nach der Reihe, mit besondrer Inbrunst aber schloß er Reinold, den jüngsten, in seine Arme, so daß diesem die Nase zu bluten anfing. — Wärt Ihr nicht mein Vater: rief Reinold, seht, so wollt’ ich Euch dafür schlagen, daß Ihr solltet liegen bleiben. — Aber Heymon ward über dergleichen Reden noch mehr erfreut, und Frau Aya stand draußen, und wußte nicht, ob sie lächeln oder weinen sollte.

Viertes Bild.
Das Roß Bayart.

Die Söhne mußten sich nun in dem Saal versammeln, wo sie ihr Vater zu Rittern schlug, erst den Ritsart, dann Writsart, hierauf Adelhart, und endlich Reinold. Als er zu diesem kam, hatte der sich die goldnen Sporen schon angelegt, und das Schwert umgehängt, und so ging er stolz und übermüthig einher. Der Vater schenkte ihm seine Schlösser Pirlapont und Falkalon, weil er ihn für den würdigsten hielt.

Heymon ließ nun seinen Söhnen mehrere schöne Pferde vorführen, und das schönste gab er dem Reinold; dieser sah es an, und da es ihm schwach vorkam, schlug er es mit der Faust vor dem Kopf, daß es gleich todt niederfiel: hierauf sagte er zu seinem Vater: das Roß ist viel zu schlecht, mich zu tragen, gebt mir ein bessres. Seine Mutter sagte: auf die Art mein Sohn, möchtest Du wohl alle Pferde zu todte schlagen, und keins könnte Dir gerecht seyn. Aber Heymon ließ ein größeres und stärkeres vorführen; dem that Reinold eben wie dem vorigen, man brachte ein noch höheres, da sprang er hinauf, daß er dem Pferde den Rückgrad zerbrach, so daß es bald nachher starb. Vater, sagte er betrübt, was soll ich machen, wenn sich keins der Pferde für mich schicken will! Heymon aber war über die ungemeine Stärke seines Sohnes sehr erfreut, und sagte: mein Sohn, ich wüßte wohl noch ein anderes Pferd für Dich, wenn Du es nur zähmen könntest, es ist in einem festen Thurm verwahrt, mein Vetter Malegys hat es mir geschenkt, und heißt Roß Bayart; es ist schwarz wie ein Rabe, und hat kein Haar und Mähne, und ist wohl stärker, als zwanzig andre Pferde. — Gebt mir das Pferd, rief Reinold, und ich will es bezähmen.

Der Vater rieth ihm hierauf einen Harnisch anzulegen, dessen Reinold sich erst schämte, da er es nur mit einem Pferde zu thun haben sollte; wie er aber hörte, daß Bayart Steine wie Heu zerbeißen könne, panzerte er sich doch und ging dann mit einem tüchtigen Prügel nach dem Thurme, in dem Bayart stand. Viele Ritter und Frauen folgten ihm, um zu sehen, wie er mit dem Roß handthieren würde.

Als er in den Thurm gekommen war, stellte er sich hin, um Bayart zu betrachten, wie er es mit den übrigen Pferden gemacht hatte, aber Bayart gab ihm einen solchen Schlag, daß er zu Boden fiel. Die Mutter weinte und schrie: Ach, mein Sohn Reinold ist todt, Bayart hat ihn erschlagen, nachdem er selbst drei andre Pferde erschlagen hat. — Heymon trat auf Reinold zu, und schüttelte ihn und sprach: Sei wohlgemuth, mein Sohn, ich schenke Dir das Roß, wenn Du es bezwingst, denn ich gönne es keinem lieber, als Dir. Nun, sagte Aya, wie soll er denn das Roß bezwingen, da er todt ist? — Schweig, Frau, antwortete Heymon, er ist mein Sohn, so wird er gewiß wieder aufstehn. — Indem ermunterte sich Reinold wieder, und ging mit seinem Prügel auf Bayart loß, Bayart aber nahm ihn und warf ihn vor sich in die Krippe. Es entstand hierauf ein gewaltiger Kampf zwischen dem jungen Ritter und dem Rosse; endlich packte Reinold Bayart beim Halse, und schwang sich auf ihn. Dann ließ er ihm die Sporen fühlen, so daß Bayart mit gewaltigen Sprüngen zum Thurm hinausarbeitete, und über das Feld hin und über breite Gräben setzte. Dann ritt Reinold mit dem Pferde zurück, stieg ab, streichelte es und wischte ihm den Schweiß ab, und Bayart stand und zitterte vor dem Ritter; so hatte Reinold das Pferd bezwungen, und er legte ihm nun auch ein schönes Gebiß an, und putzte es so auf, wie man mit andern Pferden zu thun pflegt.

Fünftes Bild.
Reinolds Händel am Hofe.

Heymon ritt nun mit seinen Söhnen und den Abgesandten nach Paris, und König Carl kam ihm entgegen, und freute sich ihn zu sehen, denn es war in zwanzig Jahren das erstemal, daß er ihn unbewaffnet sah. Carlmann folgte ihm sehr ungern, denn er hatte einen Haß auf Heymon und sein ganzes Geschlecht. Nach einem freundlichen Empfange ritten alle nach Paris zurück. Die Ritterschaft und alle Damen bewunderten Reinolds Schönheit und Stärke, worüber Carlmann sehr ergrimmt ward, weil er sich für den schönsten und tapfersten Ritter im Lande hielt. Er ging zu Reinold, und sagte zu ihm: Vetter, schenket mir Euer Pferd, so will ich Euch eine andre Gabe dagegen verehren. Reinold antwortete: Es thut mir leid, daß ich Ew. Majestät für jetzt diese Bitte abschlagen muß, denn ich finde sonst kein ander Pferd, das für mich stark genug wäre. Carlmann ging zornig beiseit und sagte: Nun wohl, soll er auch, wenn ich gekrönt bin, kein Lehn empfangen, so wie die übrigen. Da Reinold dies hörte, ging er wieder zu ihm und sagte: Ich danke Gott, daß mir mein Vater so viel gegeben hat, daß ich Eurer Lehne nicht bedarf.

Als die Tafel gehalten ward, befahl Carlmann, daß man den Heymons Kindern nichts zu essen geben sollte. Alle Ritter und Edle setzten sich, da erscholl Musik, und einem jeden ward aufgetragen, so viel nur sein Herz begehrte; nur die Kinder Heymons erhielten nichts, und man that, als wären sie gar nicht zugegen. Als Reinold dieses inne wurde, ging er hinaus, stieß mit einem Fuß die Thür der Küche auf, und nahm von den dastehenden Schüsseln so viel als ihm beliebte. Der Koch wollte ihm die Schüsseln nicht verabfolgen lassen, aber Reinold schlug ihn sogleich, daß er zur Erden fiel. Nun hatte er mit seinen Brüdern genug; und König Carl, der den Vorfall hörte, sagte: er hat Recht gethan. Der Marschall näherte sich Reinold und sagte: Junger Herr, Ihr habt groß Unrecht gethan, den Koch zu erschlagen, wenn ich einer seiner Verwandten wäre, so würde ich das schwer an Euch rächen. Dazu habt Ihr keinen Muth, sagte Reinold, und der Marschall ward über diese Antwort erzürnt, und schlug nach Reinold; aber dieser schlug ihn mit der Faust sogleich zu Boden, und stieß den Leichnam mit dem Fuß, daß er weit in den Saal hineinrollte. König Carl gebot Ruhe, und daß die Kurzweil und die Musik ungestört fortwähren solle; worauf denn alle guter Dinge waren, und so der Tag zu Ende ging.

Carlmann gebot, daß man in der Nacht den Heymons Kindern kein Bette anweisen sollte, so daß sie in Ruhe schlafen könnten. Als dies Reinold inne ward, machte er in der Nacht ein solches Getöse mit seinen Waffen, daß alles im Schlosse aus den Betten fuhr, und bekümmert war und durch einander lief. Nun legte sich Reinold mit seinen Brüdern in die Betten, die ihnen am besten gefielen, und diejenigen, die so vertrieben waren, brachten die Nacht unter Klagen und Murren hin.

Am folgenden Tage ward Carlmann in der Kirche feierlich zum Könige von Frankreich gekrönt. Ein schöne Musik ward aufgeführt, und der ritterliche Bischof Turpin las die Messe, und dem jungen Könige ward ein kostbares Schwert umgegürtet, und eine überaus köstliche Krone auf das Haupt gesetzt.

Reinold war vom König Carl zum Speisemeister ernannt, Adelhart zum Mundschenken, und sie versahen ihre Dienste sehr wohl, als der Zug zum Pallaste zurückgekommen war; auch Ritsart und Writsart warteten überaus geschickt bei der Tafel auf, so, daß jedermann die adeligen Sitten bewunderte. Nach der Mahlzeit versammelte König Carlmann alle Edlen im Garten, und theilte die Lehen aus, aber den Heymons Kindern gab er nichts, worüber Heymon ergrimmt zu König Carl lief, und ihm diesen Vorfall kund that. Carl schalt in Gedanken die Unart seines Sohnes, und gab allen drei Brüdern sehr ansehnliche Grafschaften zur Lehen, worüber Carlmann, als er es erfuhr, äußerst erboßt ward. Er sagte: ich will jetzt probiren an einem Steinwurfe, ob die Edeln meines Landes auch stark und gewaltig sind; ich vermesse mich, der stärkste im Werfen im ganzen Königreich zu sein. — Alle Ritter und Edle schwiegen still, und Carlmann wiederholte die stolzen Worte noch einmal. Der alte Heymon konnte diese Vermessenheit nicht anhören, und sagte: Ew. Majestät sollten Gott im Stillen für seine große Gnade danken, wenn dem also ist, aber ich kenne einen jungen Helden von zwanzig Jahren, der diesen Stein wohl weiter werfen könnte, wenn er nur wollte, als Ihr es je im Stande seid. — Holt nur Euren Sohn Reinold! rief Carlmann ergrimmt, damit Ihr selbst gewahr werdet, wie Ihr mit Euren prahlerischen Reden zu Schanden werden sollt. Da ging Heymon abseits seinen Sohn Reinold aufzusuchen, und weinte bitterlich, denn die Rede Carlmanns hatte ihn gar zu sehr innerlich verdrossen. Reinold sah seinen Vater auf sich zu kommen, und verwunderte sich über die Thränen, die diesem von den Wangen herunterliefen. Heymon erzählte ihm den Vorfall, und bat seinen Sohn, den Stein doch ja weiter zu werfen, weil er sonst als ein Lügner bestehen müsse, welches ihm in seinem ganzen Leben noch nicht begegnet sei. Reinold wandte ein, daß Carlmann sein König sei, und daß er ihn nicht erzürnen wolle; worauf Heymon sagte: nun gut, mein Sohn, wenn Du Deinen alten Vater umsonst hast weinen lassen, so muß ich sterben, denn ich kann als Lügner nicht weiter leben. Darauf rief Reinold aus: Nein, sterben sollt Ihr nicht, ich will den Stein weiter werfen, und wenn gleich mein Gegner der Teufel wäre. So folgte er seinem Vater zur Gesellschaft.

Carlmann warf den Stein weit weg, die übrigen Ritter warfen auch, aber keiner erreichte Carlmanns Ziel. Reinold nahm ihn und warf ihn viel weiter, als der König gethan hatte. Darauf nahm Carlmann seine ganze Gewalt zusammen, und warf den Stein noch weiter als Reinold, Reinold aber ergriff ihn wieder, und warf ihn mit großer Leichtigkeit so weit über das Ziel hinaus, daß Carlmann den Muth verlor.

Da der junge König sehr erboßt war, so versuchte es der falsche Ganelon, ihn zu trösten. Er schlug ihm vor, dem Adelhart auf den Kopf zuzusagen, daß er sich ermessen habe, ihn im Schachspiel zu überwinden, er sollte also mit ihm spielen und dabei ausmachen, daß derjenige, der fünf Spiele hinter einander gewönne, dem andern das Haupt abschlagen dürfe. Dem Könige gefiel dieser falsche Rath, und er ließ Adelhart kommen; dieser weigerte sich lange, um einen so hohen Preis zu spielen, aber Carlmann zwang ihn dazu, und Ganelon bezeugte, daß er sich vermessen habe, den König im Schachspiel zu besiegen. Carlmann gewann drei Spiele hintereinander, und Adelhart war seines Lebens wegen sehr besorgt. Aber er nahm allen seinen Verstand zusammen und gewann das folgende Spiel und eben so noch vier andre, womit er eigentlich das Haupt des jungen Königs gewonnen hatte. Er neigte sich gegen Carlmann, und sagte: Ich begehre nicht den Vertrag zu erfüllen, aber hüte sich Ew. Majestät vor Demjenigen, der Euch diesen Rath gegeben hat, denn er meint es wahrlich nicht gut mit Euch. Carlmann aber ergriff das silberne Spielbrett, und schlug damit Adelhart ins Angesicht, daß er blutete. Adelhart ging traurig fort in den Stall, lehnte seinen Kopf an Bayart und weinte; dort traf ihn Reinold und fragte ihn, was ihm fehle; er wollte es anfangs verschweigen, weil er den Grimm seines Bruders fürchtete, da ihn aber Reinold selber zu ermorden drohte, wenn er ihm die Wahrheit nicht gestünde, so erzählte er ihm aus Furcht den ganzen Verlauf des gefährlichen Spiels. Da ward Reinold sehr zornig, und sagte: Wie? darf man einem Bruder von mir so begegnen? Kann ich es leiden, daß ich so das brüderliche theure Blut zu Boden fließen sehe? Du hast sein Haupt gewonnen, und ich will es Dir bringen.

Er ließ hierauf Bayart nebst den andern Pferden heimlich aus der Stadt schaffen, dann ging er in Carlmanns Zimmer, bei dem sich Carl und viele Edle befanden; mit grimmigem Gesicht packte er den jungen König bei den Haaren und schlug ihm sein Haupt mit dem Schwerte ab; worauf er es seinem Bruder Adelhart gab und sagte: Hier hast Du Deinen Gewinnst!

Dann verließen die Brüder mit ihrem Vater die Stadt Paris.

Sechstes Bild.
Die Brüder in der Verbannung.

König Carl war von Schmerz und Erstaunen ganz bewußtlos, er versammelte schnell seine Ritter, und eilte den Flüchtigen nach. Vor dem Thore begann ein hitziges Gefecht. Heymon hielt sich mit seinen Söhnen sehr tapfer, doch wurden allen die Pferde unter dem Leibe umgebracht. Da sprangen die drei Brüder hinter Reinold auf sein Pferd Bayart, das sie alle viere so schnell davon trug, daß keiner sie ereilen konnte. Aber Heymon blieb zurück, und stritt noch lange zu Fuß, und gebrauchte sich ungemein tapfer. Aber endlich konnte er der Macht nicht länger widerstehn, und gab sich ritterlich gefangen in die Hände des Bischofs Turpin, weil er dem Könige Carl nicht allerdings traute und eine schwere Rache von ihm besorgte.

Als Carl daher den Gefangenen wollte hängen lassen, widersetzte sich Turpin und die übrige Ritterschaft, so daß Heymon nur schwören mußte, seine Söhne in die Gefangenschaft zu überliefern, so bald als es ihm möglich wäre.

Reinold kam mit seinen Brüdern auf seinem Schlosse an, sie nahmen zärtlichen Abschied von ihrer Mutter, und beluden sich mit vielen Kostbarkeiten und so entflohen sie nach Spanien; ihr Vater war ein Freund des Königs, und hatte ihm lange gedient, sie hofften daher dort eine gute Aufnahme zu finden.

Der König sah sie in der Ferne kommen, und erkannte sie sogleich an ihrem Familienwappen; er wunderte sich darüber, daß ihrer viere auf einem Pferde ritten, und beschloß, sie sogleich in seine Dienste zu nehmen, weil er sich erinnerte, wie treu und tapfer ihm ihr Vater Heymon ehemals gedient hatte. Er nahm sie daher sehr gnädig auf, versprach ihnen Sold und Unterhalt; sie freueten sich, und gaben ihm dafür ihren Schatz in Verwahrung, den sie mit sich gebracht hatten.

So lange sie am Hofe etwas Neues waren, wurden sie gut gehalten, aber bald wurde man ihrer und ihres treuen Dienstes überdrüssig, dazu warf man ihnen auch immer vor, daß sie ihren Vetter Carlmann erschlagen hätten, und deshalb Landes flüchtig wären.

Reinold war im Herzen ergrimmt, daß man ihrer mit jedem Tage weniger achtete; nach drei Jahren gab man ihnen gar keinen Sold, noch Kleider, noch Unterhalt. Reinold schickte einen Knappen Wendelin an den König, und ließ sich wenigstens seinen Schatz ausbitten, um weiter ziehen zu können; aber der König ließ den Abgesandten mit Schlägen zum Pallast hinauswerfen, und Reinold bekam diese üble Botschaft. Er ließ daher sein Roß Bayart satteln, und vor die Stadt führen, nahm seinen Bruder Adelhart mit sich, und ging so in den Pallast des Königs.

Der König saß gerade bei der Tafel, Reinold verbeugte sich demüthig, und begehrte in höflichen Ausdrücken seinen Schatz, um sein Glück in einer andern Gegend versuchen zu können, aber der König schwieg tückischerweise still, und gab keine Antwort. Reinold wiederholte sein Gesuch in denselben Ausdrücken, aber der König schlug die Augen nieder, und that, als vernähme er kein Wort. Hierauf zog Reinold sein Schwert und sagte: Ich sehe wohl, daß bei Ew. Majestät keine Güte hilft, ich muß daher mit Ew. Majestät auf eine andere Weise sprechen, ich will Euch das Haupt abschlagen, wie ich meinem Vetter Carlmann gethan habe, und solches als einen Schatz mit mir nehmen. Da der König das Schwert sah, fing er an um Gnade zu bitten, aber es war zu spät, Reinold schlug ihm das Haupt ab, und gab es seinem Bruder Adelhart, es an den Sattel zu hängen, und es als einen Schatz mitzunehmen.

Es entstand ein großer Aufruhr in der Stadt und Reinold hatte genug zu thun, um sich und seine Brüder zu schützen. Von ihrem Rosse Bayart schlugen sie manchen Mann zu todt, und verwundeten manchen, aber sie alle wurden ebenfalls verwundet. Doch hielten sie sich so tapfer, daß sie endlich davon kamen, und nun überlegten sie, was sie zu thun hätten. Der Entschluß fiel endlich dahin aus, daß sie nach Tarragon zum Könige Ivo gehen wollten; der ein abgesagter Feind des Königs in Spanien war; ihm wollten sie das abgeschlagene Haupt präsentiren, und er würde sie denn wahrscheinlich gütig und freundschaftlich aufnehmen.

Da sie nun in Sicherheit, und schon auf seinem Gebiete waren, da stiegen sie vom Pferde, und verbanden einer dem andern die Wunden. Dann legten sie sich nieder und schliefen, weil alle nach so hartem Drangsal der Ruhe sehr benöthigt waren.

Siebentes Bild.
Reinold vermält sich.

Als die Brüder ausgeschlafen hatten, gingen sie an den Hof des Königs Ivo, und Reinold trug auf seinem Speere das Haupt des Königs mit der Krone. Der König Ivo verwunderte sich über die Maaßen, als er diese Herren alle auf einem Pferde ankommen sah, er rief seine Räthe an’s Fenster, und alle erstaunten gleich sehr über diesen Anblick.

Reinold und seine Brüder warfen sich vor dem Könige nieder, und gaben sich zu erkennen, dann verehrten sie ihm das Haupt seines Feindes, welches er mit großer Freude annahm. Es wurde ihnen ein köstliches Mahl zubereitet, hernach gab man ihnen schöne Kleider und wies ihnen ihre Wohnungen an. Bald hernach fiel Ivo mit seinem Heere in Spanien ein, und Reinold und seine Brüder begleiteten ihn auf diesem Zuge. Das Heer war siegreich, besonders durch die Hülfe der Heymons Kinder, und so zogen sie endlich wieder nach Hause.

König Carl hatte in Erfahrung gebracht, daß sich Reinold mit seinen Brüdern beim Könige Ivo aufhielte, er schickte also heimlich eine Gesandtschaft dahin, um die Auslieferung dieser Ritter zu begehren. Ivo wollte sich nicht gern gegen König Carl auflehnen, weil er dessen Macht fürchtete, aber auch nicht gern für undankbar angesehen werden, weil er durch die Hülfe der Heymons Kinder so siegreich gewesen war; er berief daher seinen Rath zusammen, damit dieser entscheiden sollte, wie er sich in einer so bedrängten Lage zu betragen habe. Die meisten der Rathsherren waren den Heymons Kindern ihres tapfern Betragens wegen sehr gewogen, nur einige waren ihnen entgegen, und da einer von diesen vorschlug, daß man sie ausliefern möchte, schlug ihn ein anderer von den Räthen zu Boden, weil es ein unedler Antrag sei.

Reinold erschien nun selber in der Rathsversammlung, er ließ sich vor dem Könige auf ein Knie nieder, und begehrte von ihm die hohe einsame Steinklippe im Meere, um sich dort eine Wohnung zu bauen, und sicher zu seyn. König Ivo bedachte sich eine Weile, und sein Rath unterstützte Reinold’s Gesuch, aber einer war dagegen, und bestand darauf, daß man die Brüder zum Besten des Landes ausliefern solle, aber ein anderer redlicher Rath schlug ihn ebenfalls zu Boden. König Ivo sagte endlich: Lieben Herren, lasset mir das, ich will dem tapfern Reinold die Steinklippe geben, wenn er mir verspricht mein ehrlicher Vasall zu sein, und mich in Kriegen und Ueberfällen zu beschirmen, dazu will ich ihm gleichfalls meine Tochter Clarissa zum ehelichen Gemal geben, wenn er mir solches verspricht. Reinold versprach es, und die Hochzeit ward in Kurzem auf das prächtigste gefeiert.

Achtes Bild.
Die feste Steinklippe Montalban.

Bald nach der Hochzeit versammelte Reinold eine Menge von Maurern und Zimmerleuten, und gründete so eine Festung, die bald aufgebaut war und die er Montalban nannte. König Ivo kam und besah die Festung, er verwunderte sich über den Bau und über die Unüberwindlichkeit der Steinklippe, denn sie lag im Meer, und der steile Fels war schwer zu erklettern. Da oben hauste nun Reinold mit seinem Gemal und seinen Brüdern, und er hatte viele Unterthanen und auch ein ansehnliches Stück Land vom Könige bekommen. König Carl wollte eine Reise nach St. Jago machen, da fuhr er an dieser Klippe vorüber, und verwunderte sich über ihre Festigkeit. Da er hörte, daß das Schloß Montalban heiße und Reinold angehöre, ward er ergrimmt, und ließ es durch Roland auffordern, und daß sich Reinold mit seinen Brüdern auf Gnade und Ungnade ergeben sollte. Reinold aber verließ sich auf die Festigkeit seines Schlosses, und ließ zurücksagen, daß er sich nichts um König Carl kümmere, und daß er ihn belagern möchte, wenn er wollte. Das verdroß Carln inniglich; er war daher kaum von seiner Wallfahrt zurückgekommen, als er eine Menge Volks versammelte, und damit Reinold in seinem Castell belagerte; aber es war zu fest, und er mußte unverrichteter Sache wieder abziehn.

Neuntes Bild.
Reinolds Brüder kommen in Gefangenschaft.

Als eines Tages Reinold mit seinen Brüdern zu Tische saß, ward er plötzlich traurig und ließ den Kopf sinken, so daß sich alle über ihn wunderten. Adelhart fragte ihn, was ihm fehle, und Reinold antwortete: Lieben Brüder, ich muß mich gar sehr über Euch wundern, daß keiner von Euch an unsre vielgeliebte Mutter denkt. Ich habe sie nun in sieben Jahren nicht gesehn, und weiß nicht, wie es ihr geht, wie sie aussieht, ob sie in der Zeit nicht schon zum öftern krank gewesen ist. Sie denkt vielleicht oft an uns, und ich muß Euch sagen, ich habe keine Ruhe, bis ich gen Pirlapont gereiset bin, und sie wieder mit Augen gesehn habe.

Die Brüder erschraken, und suchten ihm diesen Vorsatz auszureden, weil eine solche Reise thöricht und gefährlich wäre: denn Aya und Heymon hatten schwören müssen, die Kinder gefänglich auszuliefern, wenn sie sie je in die Hände bekämen.

Was ist das Leben, rief Reinold, wenn wir unsre liebsten Wünsche nicht erfüllen sollen? Und ich sage Euch, daß ich doch sterbe, wenn ich meine Mutter nicht zu sehn bekomme, ich mag nun hinziehn, oder nicht.

Da wurden die Brüder traurig, weil sie sahen, daß er seinen Sinn fest darauf gesetzt hatte, und daß kein Ausreden etwas fruchten würde. Sie gingen daher fort, und im nächsten Walde begegneten ihnen vier Pilgrimme, in der Pilgerkleidung und mit Palmzweigen in den Händen. Mit diesen verwechselten die Ritter die Kleider und kamen so an die Thore von Pirlapont. Aber die Thore waren verschlossen, und als sie deshalb anklopften, fragte der Thorhüter von den Zinnen der Burg, wer da sei? Wir sind vier Pilgrimme, antwortete Reinold, wir sind viele merkwürdige Städte durchwandert, und kommen nun hieher, und haben großen Hunger und Durst; bitten deshalb, Ihr wollet uns einlassen.

Hier ist viel Jammer im Hause, antwortete der Thorhüter, weil wir gestern die Zeitung bekommen haben, daß die vier Söhne Heymons in gefänglicher Haft von König Carl gekommen sind.

Ich bitte Euch um dieser vier Herren willen, antwortete Reinold, daß Ihr uns einlassen wollet.

Der Thorhüter sprach: Wenn Ihr nicht einen so langen Bart trüget, möchte ich Euch fast selber für den stolzen Reinold ansehn; und somit stieg er hinunter und öffnete ihnen das Thor.

Sie gingen zu ihrer Mutter als Pilgrimme, und baten um eine Mahlzeit, weil sie eine weite Reise gemacht hätten. Sie saßen nun zu Tische, und Reinold betrachtete seine Mutter sehr genau, endlich bat er sie, ihm auch einen Trunk Wein zu geben, weil er lange keinen guten Wein getrunken habe. Die Mutter holte ihm selber eine Kanne mit Wein aus dem Keller, und schenkte ihm ein. Reinolds Herz ward fröhlich, da er seine Mutter selber ihm einschenken sah, und trank über die Maaßen, so daß er ordentlicher weise betrunken ward. Er taumelte umher und begehrte einen Becher nach dem andern, so daß sich Frau Aya über den lustigen Pilgrim verwundern mußte. Er ließ sich immer noch mehr Wein einschenken, so daß sich wohl ihrer vier davon hätten satt trinken mögen, dann taumelte er umher, und sagte zu seiner Mutter: Nun gebt mir noch einen Becher und ich will meinem Vetter Carl nichts achten. Adelhart erschrak, als er diese Worte hörte, er wollte seinen Bruder anstoßen, um ihn zu warnen, aber Reinold, der trunken war, fiel gleich der Länge nach in den Saal hin. Die Mutter warf sich auf ihn nieder, und umhalsete ihn, und wollte vor Freuden gar nicht wieder von ihm lassen, so daß sie Adelhart endlich vom Boden aufheben mußte; dann umarmte sie auch die übrigen Söhne.

Es war aber einer im Saal zugegen, der dem Könige Carl sehr günstig war, er ging daher zu Frau Aya und sagte: Gedenket Eures Eides, und liefert nun Eure Kinder Eurem Bruder aus, der auf Euch ergrimmt ist; wo es aber nicht geschieht, will ich selbst nach Hofe reiten, und anzeigen, daß sie sich hier befinden. — Als Aya diese Worte hörte, fing sie bitterlich an zu weinen, und klagte: O du arger und gottloser Verräther, hast Du so lange mein Brodt gegessen, und darfst nun dergleichen Reden gegen mich führen? Und wenn mein Bruder auch noch viel ergrimmter wäre, so will ich ihm dennoch meine Kinder nicht ausliefern.

Der Verräther lief hierauf zum Grafen Heymon, und gebrauchte gegen ihn dieselben Worte, aber Heymon erwischte von ungefähr einen tüchtigen Prügel, und schlug damit den Verräther zu Boden, und sagte: Nun darf ich doch versichert seyn, daß Du es nicht bei Hofe anzeigen wirst. Dann ging Graf Heymon zu seinen Edlen und versammelte sie und viel Volks, daß sie ihm seine Kinder sollten fangen helfen, damit er sie seinem Eide gemäß ausliefern könne.

Die Brüder sahen die Macht auf sich zukommen, und waren in großen Aengsten, sie wußten sich nicht zu rathen, aber endlich trugen sie den trunknen und schlafenden Reinold in ein Gemach, wo sie ihn verschlossen, dann nahmen sie ihre Waffen zur Hand, und widersetzten sich dem Volke des Grafen, das eindrang, um sie gefangen zu nehmen. Der Streit dauerte länger als einen Tag, denn die Brüder gebrauchten sich sehr tapfer, und schlugen viel Volks darnieder.

Reinold erwachte nun wieder und war nüchtern, er sah die Bedrängniß seiner Brüder, und eilte sogleich hinzu, um ihnen beizustehn. Er sprang sogleich in das Volk hinein, wo es am dicksten stand, und vor seinem guten Schwerte stürzte alles nieder und entfloh; worauf Heymon sagte: Ich sehe wohl, daß meine Kinder diesmal werden ungefangen bleiben, denn Reinold hält sich besser, als alle zusammen. Reinold kam in Wuth und drang auf seinen Vater ein, um ihn niederzuhauen; als Adelhart das gewahr ward, eilte er auf ihn zu und hielt ihn zurück. Laß mich nur, rief Reinold aus, ich will ihn lehren seine Kinder fangen. — Aber Adelhart sagte: Bedenke, Bruder, daß man dann bis in die spätesten Zeiten von uns, als von Bösewichtern sprechen wird, daß kein edles Gemüth mit uns wird Gemeinschaft pflegen wollen; nein, es ist schändlich, lieber Bruder, und gegen die Religion, warum willst Du den Vater tödten? Es ist ja sonst noch Volks genug da, das Du umbringen kannst.

Reinold sah die Worte seines Bruders ein, und ließ von seinem Vorhaben ab, aber er wüthete desto ärger gegen die Uebrigen, so daß alles umkam oder flohe, und sich ihm sein Vater gefangen geben mußte. Reinold nahm nunmehr seinen Vater und band ihn rücklings auf sein Pferd, dann gab er den Zügel einem Knaben in die Hand, der es so an den Hof des Königs Carl führen mußte. Der Thorhüter am königlichen Pallaste verwunderte sich sehr, als er den Grafen so ankommen sah; er fragte erstaunt: Wer ist so kühn, Herr Graf, daß er es wagen darf, Euch als ein Präsent an den Hof zu schicken? Ach, das haben mir meine Kinder gethan, antwortete Heymon, darum, daß ich sie habe fangen wollen.

König Carl ward ungemein betrübt, als er diese Nachricht empfing, er brachte schnell eine Macht zusammen, um die Brüder zu belagern und sie in seine Gewalt zu bekommen.

Reinold sah, wie sich die Schaaren versammelten, und ward in seinem Gemüthe sehr betrübt. Er stand auf der Zinne der Burg und sah wie das feindliche Heer seine Gezelte aufschlug, um ihn und seine Brüder zu belagern. Er ging zu seiner Mutter und fragte sie, ob sie keinen Rath wüßte, denn nun wäre an kein Entrinnen mehr zu denken, er müßte sich dem König gefangen geben. Frau Aya weinte, da sie ihren tapfern Sohn so reden hörte, er war der jüngste und ihr der liebste, und sie gedachte, daß er noch am ersten seine Brüder retten könne, wenn sie ihm zur Flucht behülflich wäre. Sie ließ ihn daher sein Pilgerkleid wieder anziehn, dann schaffte sie ihn heimlich zu einer verborgenen Thür hinaus, und so entkam Reinold.

Die übrigen Brüder aber waren in der größten Betrübniß, denn sie fürchteten sich sehr vor König Carl, besonders da sie jetzt ihren Bruder Reinold nicht mehr bei sich hatten. Die Mutter schlug ihnen vor, barfüßig und in wollenen Hemden in das Lager des Königs zu gehn, und fußfällig um Verzeihung zu bitten; sie folgten ihrem Rathe, und stellten sich vor dem König Carl, ihren Feind. Carl war sehr ergrimmt, und fragte gleich nach Reinold; sie sagten daß er entwischt sei, worüber der König noch mehr aufgebracht wurde, und schwur, sie alle hängen zu lassen, wenn der Reinold erst zur Gesellschaft hinzugekommen wäre.

Reinold war indessen auf Montalban angelangt, und voller schwermüthigen Gedanken. Er warf sich vor, daß er an der Reise seiner Brüder Schuld sei, und sie jetzt feigherzigerweise verlassen habe. Er bestieg sein Roß Bayart und beschloß sie zu erretten. So ritt er mit diesem Gedanken bis vor die Stadt Paris, wo er im Wald stille hielt, und bemerkte, daß ihm ein Jüngling nachgekommen sei, der in seinen Diensten war. Bist Du nachgekommen, mich zu verrathen? rief Reinold. Wie sollt ich, antwortete der Jüngling, zu einer so schändlichen Absicht einen so weiten Weg zurückgelegt haben? Nein, ich bin Euer Diener und Ihr könnt meiner vielleicht gebrauchen.

Gut, sagte Reinold, so sollst Du ein Abgesandter von mir an König Carl sein, doch sieh Dich ja gut vor, daß Du Dir einen guten Bürgen setzen lässest, denn Du sollst ihm harte Worte überbringen. Sage ihm von meinetwegen, daß ich es weiß, daß meine Brüder in seiner Haft sind, aber er solle sich wohl vorsehen, ihnen einiges Leid zuzufügen. Wir sind alle erbötig Sr. Majestät treu und ehrlich zu dienen, auch in wollenen Hemden und barfüßig demüthigst um Verzeihung zu bitten, aber er soll sie freilassen, und uns in seine Dienste nehmen. Will er sie aber nicht los und ledig geben, so sag ihm nur, wollt’ ich meine ganze Macht daran strecken, und nicht eher ruhen und rasten, bis ich ihm so, wie dem Könige Carlmann gethan hätte.

Der Jüngling wollte gehn, aber Reinold rief ihn zurück. Nein, sagte er, Gott bewahre meinen Arm, daß ich Seine Majestät, meinen König und Vetter umbringen sollte; das sei fern von mir, denn es wäre ein grausames und unmenschliches Beginnen. Aber sage mir meine Botschaft gut und verständig, daß er meine Brüder soll freigeben und daß wir ihm treu dienen wollen, aber er muß uns vergeben; will er aber meine Brüder hängen lassen, so will ich meine ganze Macht daran strecken und es soll ihm dann nimmermehr gut gehn.

Der Bote verfügte sich nun in die Stadt, und ging an den Hof zu König Carl, wo er seinen Auftrag ausrichtete. Er ließ sich aber vorher den König Carl selber zum Bürgen setzen, daß er frei zurückkönne, und es war gut, daß er es gethan hatte, denn König Carl wurde ungemein ergrimmt über Reinold und seinen Abgesandten, so daß er ihn gewiß würde habe hängen lassen, wenn er ihm nicht so sichere Bürgschaft zugesagt hätte.

Reinold wartete im Walde auf seinen Boten, er war vom Pferde gestiegen und ging unter den Bäumen auf und ab, sein Pferd hatte er an einen Stamm gebunden. Indem er so wartete und über das Schicksal seiner Brüder nachdachte, überfiel ihn eine Schläfrigkeit. Er legte sich nieder, und ehe er es noch bemerkte, war er unter dem Rauschen der alten Bäume fest eingeschlafen. Indem bekam Bayart ein Gelüste nach dem frischen Grase, weil er hungrig war, er schüttelte sich also so lange, bis er vom Baume los war, dann ging er nach seiner Lust auf der Weide, weil er seinen Herrn schlafen sah. Dreißig Bauerknechte waren von ohngefähr im Walde, wo sie Holz fällten, diese wurden das Roß Bayart gewahr und erkannten es sogleich, daß es Reinolds Pferd sei. Sie machten den Plan, das Roß zu fangen, und umgaben es mit Bäumen und Zweigen von allen Seiten, so daß es nicht davon kommen konnte. Dann banden sie es und führten es nach Paris. Carl war erfreut, daß er das Roß erobert hatte, er schenkte es sogleich dem Grafen Roland, der sich im Herzen heimlich darüber betrübte, daß man es seinem Vetter Reinold entwendet hatte.

Reinold erwachte und sah, daß sein treues Roß fort war, er suchte es lange im Walde und war überaus bekümmert. Als er es aber nicht wiederfand, ward sein Jammer groß, er zog den Harnisch aus und warf ihn in’s Gebüsch, eben so sein Schwert und seinen Schild. Wohl bin ich nun wie ein Thor bestraft, rief er aus, ich Unglückseliger! der ich dem Könige Carl so große Worte sagen lasse, und nun nichts davon in’s Werk richten kann. Was für Macht soll ich nun daran strecken, um sie zu befreien? Bayart ist mir gestohlen, und ich möchte hier im wilden Walde lieber gleich umkommen, denn meine Brüder sind verloren, und ich kann gar nichts thun um sie zu erretten.

Solche Klagen trieb Reinold und warf sich dann auf den Boden und machte die wunderlichen Geberden eines Menschen, der in Verzweiflung ist.

Zehntes Bild.
Die Kunst des Malegys.

Indem trat ein alter Pilgrimm aus dem Gebüsche und ging auf Reinold zu. Er hatte weiße Haare und einen langen Bart, seine Augenbraunen hingen ihm über das Gesicht, so daß er durch die Haare sehen mußte, und man von ihm glauben konnte, daß er wohl an zwei hundert Jahr alt sei. Er ging an einem Pilgrimmsstabe und hinkte langsam daran einher. Reinold verwunderte sich über die alte Gestalt, die auf ihn zukam.

Der Alte sagte: ei, junger Herr, worüber trauert Ihr denn so sehr? Ich bin weit und breit die Länder durchzogen, aber nirgends, das mag ich sagen, habe ich eine Person angetroffen, die so traurig gewesen wäre, als Ihr es zu sein scheint. — Ich habe auch die größte Ursache zur Traurigkeit, antwortete Reinold, denn meine Brüder sind verloren, und ich kann ihnen nunmehro auch nicht helfen, weil man mir mein Roß Bayart gestohlen hat. Ich hatte mir große Thaten vorgesetzt, und wollte sie befreien, aber Gott hat es anders gelenkt, darum will ich auch nicht länger widerstreben, sondern mich für überwunden erkennen und mein ganzes Leben aufgeben, denn ich fühle eine große Lust in mir zu sterben. — Das muß nie sein, antwortete der alte Pilgrimm, richtet Euch wieder auf, die Hülfe ist oft am nächsten, wenn man sie am wenigsten vermuthet, und verehret mir ein Almosen, damit ich für Euch und Eure Brüder beten könne.

Reinold bedachte sich, weil er kein Geld bei sich hatte, da fielen ihm seine goldenen Sporen ein, die ihm jetzt gar nichts mehr nütze sein konnten, da er Bayart verloren hatte. Er band sie also los und gab sie dem Pilgrimm, der sie sogleich in einen Sack steckte. Wenn Ihr mir noch etwas zu geben habt, sagte der alte Pilgrimm, so gebt es mir, und ich will in meinem Gebete Eurer dafür gedenken. — Wenn ich mich nicht schämte, fuhr Reinold auf, so wollte ich Dich das Bettlerhandwerk lehren, daß Du daran gedenken solltest. Er meinte nemlich, ihm mit dem Schwerte eins zu versetzen, wenn der Pilgrimm nicht zu alt und hinfällig gewesen wäre.

Warum werdet Ihr böse? fuhr der Alte fort, der guten Gaben kann man niemalen zu viele sammeln, und im Alter kommen sie einem gut zu statten; darum, wenn Ihr noch etwas zu geben habt, so gönnt es mir lieber, als einem andern.

Reinold zog hierauf sein kostbares Unterkleid aus, und sagte: siehe, ich gebe Dir das, davon magst Du eine lange Zeit leben. Der Pilgrimm nahm das Kleid und steckte es in den Sack und sagte: Ich danke Euch, Herr Ritter, wenn Ihr noch etwas zu geben habt, so gebt es mir, ich will Eurer Brüder dafür in meinem Gebete gedenken. Da ward Reinold zornig, und zog sein Schwert und hieb nach dem Pilgrimm; der aber sprang zurück und verwandelte sich in einen schönen Jüngling von zwanzig Jahren, aber gleich darauf war er wieder der Alte. Reinold erstaunte, und holte noch einmal mit dem Schwerte aus, der Pilgrimm sprang aber wieder zurück und stand als ein schöner Jüngling da. Darauf wurde Reinold verwirrt und sagte: Jetzt ist mein Unglück auf das Höchste gestiegen, meine Brüder sind todt, dazu ist mein Roß Bayart gestohlen, mich selber wird man aufhängen, und der Teufel kömmt nun gar noch und fängt an mich zu vexiren: das kann und soll nicht so sein! Er stürzte mit Wuth auf den Jüngling zu, um ihn niederzuhauen, der aber fürchtete sich und rief: Seht Euch vor, was Ihr thut, denn ich bin Euer Vetter Malegys!

Kaum hatte Reinold diese Worte vernommen, so fiel er auf seine Kniee nieder und bat um Verzeihung und Beistand. Malegys nahm ihn nun in die Arme, tröstete ihn mit kräftigen Worten und versprach ihm, ihm sein Roß Bayart wieder zu verschaffen. Reinold wurde wieder froh und so machten sich beide Ritter auf den Weg nach Paris.

Malegys verwandelte den Reinold in einen ganz alten und schwachen Pilger, und so machte er sich auch selber wieder zu einem alten Mann. So kamen sie in die Stadt und setzten sich auf die große Brücke nieder, und die Vorbeigehenden gaben ihnen Allmosen, denn sie sahen gar zu erbärmlich aus, besonders Reinold, der für einen Todtkranken in einer Ecke der Brücke lag. Es war grade an demselben Tage, an welchem Roland sein geschenktes Pferd probiren wollte und es lief viel Volks zusammen, und viele Ritter und Damen, um den Kurzweil mit anzusehn. Reinold hatte sich seine Sporen wieder anlegen müssen, ohne daß man sie sehn konnte, um desto besser gerüstet zu sein.

Es kam nun König Carl über die Brücke mit dem Grafen Roland, und Bayart ward hintennach geführt. Der König sah die Pilgrimme, gab dem Malegys ein Allmosen und ließ sich mit ihm in eine Unterredung ein. Malegys erzählte viel von den Ländern, durch die er gereiset war, eben so auch von der seltsamen Krankheit seines Gefährten; indem so kam Bayart näher, weil er seinen Herrn witterte, und schnupperte den Reinold freundlich an. Da Malegys das sah, schlug er das Roß mit seinem Stabe zurück, gleichsam als wenn sich sein Gefährte davor fürchtete. Darauf sagte er zum Könige, daß ihm ein weiser Einsiedler gesagt hätte, sein Geselle würde sogleich gesund werden, wenn er nur einmal so glücklich sein könnte, auf dem Rosse Bayart zu reiten. Der König antwortete: welch ein glücklicher Zufall, denn das ist eben das Roß Bayart, welches wir mit uns führen, und seht, das unverständige Thier schnuppert immer nach Eurem Gesellen hin, das muß fürwahr ein wunderbarer Mann sein.

Darauf befahl er, daß Graf Roland den kranken Pilgrimm nehmen und auf das Pferd setzen möchte; es geschah, aber der Pilgrimm fiel sogleich wieder ab. Roland setzte ihn zum zweitenmal hinauf, und der Pilgrimm fiel von der andern Seite wieder ab, endlich als Reinold zum drittenmale in den Sattel gesetzt ward, blieb er aufrecht sitzen und das Roß spürte nun seinen Herrn wieder und bäumte sich, und wollte von dannen laufen. Da gab ihm Reinold noch die Sporen und ließ ihm den Zügel schießen, und das Roß sprang gar behende davon und kam den Rittern bald aus den Augen. Malegys erhob über seinen Gefährten ein großes Klagegeschrei, der gewiß den Hals brechen würde, und Turpin der Bischof, Roland, Olivier und Ogier ritten dem entflohenen Pferde nach.

Im Walde hielt Reinold still, weil er diese Herren nachkommen sah, und gab sich ihnen zu erkennen, denn er wußte, daß sie es alle gut mit ihm meinten. Sie versprachen ihm auch, bei dem Könige für seine Brüder zu bitten, und ritten so zur Stadt zurück. Zum Könige sagten sie, sie hätten das Roß nicht ereilen können, worüber Malegys ein noch lauteres Klagegeschrei erhob; der König bedauerte ihn und gab ihm eine Verehrung. Dann entfernte sich der listige Zauberer, als wenn er zum Besten seines verlornen Gefährten eine heilige Wallfahrt vornehmen wollte.

Eilftes Bild.
Malegys errettet die Brüder aus dem Gefängnisse.

König Carl ließ nunmehr seinen Rath versammeln, um über die drei gefangenen Brüder ein Urtheil zu sprechen. Er ließ sie in den Saal bringen und ihnen wie Missethätern die Hände auf den Rücken binden. Darwider setzte sich Bischof Turpin und behauptete, daß sich das nicht gezieme, weil diese Herren von fürstlichem Geblüte seien. Carl aber that einen Schwur, daß er sie wollte henken lassen, weil sie seinen Sohn Carlmann umgebracht hätten. Turpin versetzte dagegen, daß er es nimmermehr zugeben würde, und daß gewiß der größte Theil der Ritterschaft seiner Meinung wäre, weil die meisten mit den Gefangenen verwandt wären. Darüber wurde König Carl zornig und schlug nach Bischof Turpin, der Bischof aber ergriff den König beim Halse und hätte ihn beinahe erwürgt, wenn nicht Roland und andre Genossen hinzugesprungen wären und die Einigkeit wieder hergestellt hätten. Es wurde endlich beschlossen, daß die Gefangenen noch auf einige Zeit verwahrt gehalten werden sollten, worauf man sich denn nachher noch einmal bedenken wollte.

So entgingen die Brüder noch dem Tode, denn dieser Tag war für sie ein gefährlicher Tag gewesen, und sie hatten ihr Leben schon für verloren geachtet.

In der Nacht machte sich Malegys auf und ging nach dem Gefängnisse. Vor seiner Kunst sprangen sogleich alle Thüren auf, auch fielen den Gefangenen die Ketten von den Händen. Er gab sich ihnen zu erkennen und führte sie bis an die Brücke vor Paris, dann sagte er: ich muß nun noch zum König Carl gehn, denn ich habe vergessen ihn um Erlaubniß zu fragen. Ritsart antwortete: Ach, Vetter, diese Erlaubniß wird er Euch nimmermehr geben, denn er hat seine Freude daran, daß er uns will henken lassen.

Aber Malegys ging vor das Bett des Königs Carl, der noch im tiefsten Schlafe lag, und fragte ihn, ob er ihm erlauben wolle die Brüder aus dem Gefängnisse zu führen. Carl antwortete: Führe sie, wohin Du Lust hast, denn mich kümmert es nicht; es wußte nämlich der König nicht, was er redete oder sagte. Somit nahm Malegys zugleich auch das Schwert und die Krone Carls, so daß dieser es sah, dann verließ er ihn und eilte mit den erretteten Brüdern nach Montalban.

König Carl war sehr ergrimmt, als er am Morgen seine Krone, sein Schwert und seine Gefangenen vermißte.

Zwölftes Bild.
Ein Wettrennen mit Pferden.

König Carl bekam Lust, das beste Pferd in seinem ganzen Lande kennen zu lernen, um es für Roland zu kaufen, damit dieser sich dann desto zuverlässiger dem Reinold widersetzen könne, denn durch Roß Bayart war Reinold selbst dem mächtigen Roland überlegen. Der König setzte also die neue Krone, die er sich hatte machen lassen, zum Preise aus, für denjenigen, der mit seinem Pferde zuerst das Ziel erreichen würde, er wollte demjenigen Ritter dann die Krone für den vierfachen Preis abkaufen, dazu auch das Roß; auf diesem Wege hoffte er das beste Roß zu erhalten.

Malegys und Reinold hörten von diesem Turnier, und sie machten sich alsbald mit den Brüdern auf den Weg nach Paris. Unterwegs aber verwandelte Malegys den Reinold in einen Jüngling von vierzehn bis funfzehn Jahren, so daß ihn Niemand erkennen mochte; eben so vertrieb er dem Rosse Bayart die schwarze Farbe und machte ihn zu einem großen und starken Schimmel: über welche Kunststücke Reinolds Brüder sehr lachen mußten, denn sie erkannten selber ihren Bruder und das Roß Bayart nicht wieder. So zogen sie fort und kamen in Paris an, die Brüder aber blieben außerhalb der Stadt.

Als sie in der Herberge abgestiegen waren, ging Malegys in den Stall und band Bayart den einen Schenkel fest, so daß er nicht recht gehen konnte, dazu verwandelte er ihn auch so, daß er ein ganz dürres und mageres Ansehn hatte. Der Wirth war höchlich darüber verwundert, und sagte schmählend zu Malegys: O du böser Geselle, der du dieses gute Roß also verdorben hast, ganz gewiß bist du Malegys und dein Geselle dort der verbannte Reinold, ich will gleich zum Könige gehn und es anzeigen. Als Reinold diese Worte hörte, zog er sogleich sein Schwert und hieb dem verrätherischen Wirthe das Haupt ab.

Es war nun der Tag, an dem das Turnier gehalten werden sollte. Malegys ritt auf der andern Seite zur Stadt hinaus, und Reinold kam mit seinem dürren und hinkenden Klepper auf den Turnierplan. Alle Ritter spotteten des Jünglings und seines Pferdes, nur ein schalkhafter Knecht war unter ihnen, welcher sagte: wenn ich anders den Reinold je gesehen habe, so ist es dieser Jüngling, und dieses sein Roß muß Roß Bayart sein. Bayart, der diese Worte verstand und für seinen Herrn besorgt war, schlug von hinten aus, so daß der Knecht todt niederfiel. Die Ritter sagten: das Roß hat Recht gethan, warum hat er es also belogen?

Der Wettlauf nahm nun seinen Anfang, und die übrigen Ritter waren mit ihren Pferden schon weit voraus; da löste Reinold dem Bayart heimlich den gebundenen Schenkel, und von Stund an bekam das Pferd sein frisches und gesundes Aussehn wieder, und der König und sein ganzes Gefolge verwunderten sich über die Maaßen. Das Roß trieb nun ein Springens und Laufens, wie es fast noch nie gethan hatte, so daß es bald allen übrigen Pferden zuvorkam, worüber sich Reinold ungemein erfreute, denn er hatte eine große Begierde zu der Krone. Als er endlich an das Ziel gekommen war, nahm er die Krone von dem Orte weg, wo sie aufgestellt war, sprang mit dem Rosse in die Seine und schwamm behende an das jenseitige Ufer. König Carl war erstaunt und erschrocken, er rief dem Ritter nach, aber Reinold hatte drüben schon seinen Vetter Malegys gefunden und rief zurück: seht, ich bin Reinold, und dieses hier ist mein Roß Bayart, kein beßres giebt’s in der ganzen Welt mit Laufen und Springen, es ist daher nur vergebene Mühe von Ew. Majestät, ein besseres aufsuchen zu wollen.

König Carl erschrak heftig und bat ihn zurückzukommen, er wolle ihm und seinen Brüdern vergeben und ihnen Aemter ertheilen, darneben ihm die Krone für den vierfachen Werth mit Gold abkaufen. Aber Reinold sagte: Ich traue Eure Majestät nicht so viel, überdies, was wollt Ihr mit einer Krone? Ihr seid ja ein Roßtäuscher geworden und dürft also keine Krone tragen. Mit diesen Worten ritt er mit der Krone fort, und keiner wagte es, in die Seine zu springen, weil sie die Kunst des Zauberers Malegys fürchteten.

Die Brüder waren sehr erfreut, als sie den Reinold mit der kostbaren Krone ankommen sahn; aber König Carl war sehr betrübt, daß er nun auch seine zweite Krone verloren hatte, die er sich erst neu hatte machen lassen.

Dreizehntes Bild.
König Ivo ein Verräther.

Es nahte sich jetzt das Pfingstfest, an dem König Carl immer seine Edle und Fürsten zu versammeln pflegte; er mußte sich daher zu dieser Feierlichkeit eine neue Krone verfertigen lassen, damit er in seinem Schmucke und dem schicklichen Glanze erscheinen könne. Dann lud er alle zum Feste ein, vorzüglich aber den König Ivo von Tarragon. Als sie erschienen waren, wurde jeglichem sein Sitz angewiesen, und eine überaus schöne Musik erklang; König Ivo aber aß mit König Carl an einem besondern Tische, so daß ihm also dadurch eine große Ehre widerfuhr.

Nachdem man die Tafel aufgehoben hatte, nahm Carl den König Ivo bei der Hand, und beide gingen im Garten spazieren. Carl sagte: Mein König, es wird Euch bewußt sein, wie Euer Eidam meinen Sohn Carlmann erschlagen hat, es ist mir unmöglich, den Mörder in meine Gewalt zu bekommen; so Ihr ihn mir aber ausliefern wollt mit seinen Brüdern, will ich Euch eine große Summe Goldes dafür verehren.

König Ivo freute sich, als er diesen Vorschlag hörte, denn er liebte das Gold über die Maaßen, dazu so schmeichelte ihm das Vertrauen und die Freundschaft König Carls, auch hatte er nun schon die treuen und redlichen Dienste der Heymons Kinder vergessen, so daß er dieserwegen den Handel einging, und die vier Brüder ohne Wehr und Waffen nach Falkalon zu liefern versprach. Hierauf umarmten sich beide Könige von Herzen, und Ivo zog sogleich nach Montalban, Carl aber schickte viel Volks nach Falkalon, um die Brüder gefangen zu nehmen, und sie sich todt oder lebendig überliefern zu lassen, damit die verdrüßlichen Händel ein Ende gewinnen möchten.

Reinold war mit seinen Brüdern auf die Jagd gezogen, und er ritt nun mit ihnen nach seinem Schlosse Montalban zurück. Aber plötzlich überfiel ihn eine große Traurigkeit, so daß er den Kopf sinken ließ, und gebückt und bekümmert auf seinem Pferde saß. Die Brüder wurden besorgt und fragten ihn, was ihm fehle, daß er sich also in Gedanken verliere. Reinold antwortete: ach, meine lieben Brüder, ich kann es Euch nicht sagen, wie es geschieht, daß ich allen meinen Muth so plötzlich verliere, so daß ich sagen möchte, mir ist wie einem schwachen Greisen zu Sinne, der das Ende seines Lebens wünscht. Der Wald hier, in dem ich so oft gejagt habe, kömmt mir so finster und traurig vor, ich freue mich auf nichts und fürchte innerlich ein Uebel, das uns bevorsteht. — Die Brüder sagten: Du bist müde, Reinold, denn wir haben den ganzen Tag gejagt.

Indem kamen sie aus dem Walde und Reinold gewahrte viel Volks auf den Zinnen seiner Burg. Heiliger Gott! rief er aus, wie viel Volks seh ich da oben? Was mögen sie wollen, und wo mag mein Gemal und mein Vetter Malegys sein? Ein Bote kam ihnen entgegen und sagte ihnen, daß König Ivo auf dem Schlosse wäre, worüber sich Reinold sehr erfreute, denn er gedachte nicht, daß ihm sein Schwiegervater einen solchen Possen spielen könne.

Reinold wollte den König Ivo küssen, aber dieser sagte: Laß das, mein Sohn, ich kann das Küssen jetzt nicht vertragen, denn ich habe einen Fluß am Haupte. Reinold erkundigte sich nun nach der Ursach seines Besuchs, und Ivo sagte ihm, daß er bei König Carl gewesen wäre, und zwischen ihm und den vier Brüdern einen Frieden geschlossen hätte. Reinold freute sich sehr, als er diese Neuigkeit erfuhr, denn er wünschte nun endlich in Sicherheit leben zu können; die andern Brüder aber setzten ein Mißtrauen in die Rede des Königs. Reinold wollte mit tausend Mann aufbrechen, um doch einigen Schutz zu haben, wenn Carl gegen sein Wort handeln sollte, aber Ivo sagte ihm, daß der Vertrag so gemacht wäre, daß sie ohne alle Waffen und baarfüßig nach Falkalon auf Eseln reiten sollten, dann sollten sie vor König Carl auf die Kniee fallen und so würde er ihnen dann vergeben. Darüber wurde Reinold auch nachdenklich und er antwortete: daß er darüber erst mit seiner Hausfrauen Clarisse und mit seinen Brüdern rathschlagen wolle; worüber Ivo erschrak, denn er fürchtete, daß ihm seine List nicht gelingen werde.

Clarisse fiel ihrem Gemal Reinold um den Hals und weinte und beschwur ihn, daß er nicht wegreisen möchte, weil ihr ihr Herz irgend ein Unglück weissage. Reinold fragte: Was sollte mir begegnen? Euer Vater hat einen guten Frieden geschlossen, und wir werden hinführo in aller Sicherheit leben können. Ach, antwortete Clarisse, ich sehe wohl, Ihr kennt meinen Herrn Vater noch nicht, denn ich muß Euch sagen, er ist sehr geldgeizig und hat Euch ganz gewiß an den König Carl verrathen. Hierauf wurde Reinold zornig und sagte: Ihr seid eine sehr schlechte Tochter, daß Ihr also von Eurem leiblichen Vater reden dürft, nein, nun will ich ihm um so mehr vertrauen und kühnlich nach Falkalon zu König Carl ziehn; denn warum soll mich Ivo, mein zweiter Vater, verrathen? Hab’ ich ihm doch von jeher nichts als lauter Gutes erwiesen und treue und redliche Dienste geleistet, das wird er nicht also geschwinde vergessen können, daß er mich verrathen sollte, will mich also stracks auf den Weg machen.

Clarisse wurde sehr betrübt, da sie ihren Herrn so entschlossen sah; sie rief heimlich Ritsart zu sich und sagte: Ritsart, ich halte dafür, daß Euch allen Vieren großes Unglück begegnen wird, nimm deshalb diese vier Schwerter, aber laß meinen Herrn Reinold nichts davon merken, darunter ist eins, Florenberg, das an Vortrefflichkeit seines Gleichen sucht.

Ritsart nahm die Schwerter und verbarg sie unter seiner Kleidung, und nun zogen die Brüder aus auf vier Eseln und barfuß und in wollenen Hemden. Es war am frühen Morgen, und Reinold fing an mit lauter Stimme ein Lied zu singen, um sein trauriges Herz etwas zu erheitern, welches ihm aber sein Bruder, der betrübte Adelhart, heftig verwieß.

So zogen sie fort und kamen gen Falkalon. Schon in der Ferne sahen sie viel Volks stehen, das bewaffnet war und auf sie wartete. Da wurde Reinold betrübt und sagte: Ach, meine Brüder, ich sehe nun wohl ein, daß uns mein Schwiegervater Ivo verrathen hat, denn dort sind viele gewaffnete Leute, die auf uns warten, dazu haben wir keine Rüstung und Waffen, auch kein Pferd als unsre Esel. Indem kamen die Feinde näher, und der Anführer der Schaar rennte mit seinem Speere voraus, um Reinold nieder zu stechen, indem er rief: Ergieb Dich nun, stolzer Reinold, denn Dein Schwiegervater hat Dich um eine große Summe Goldes dem Könige verkauft. Reinold ließ sich schnell von seinem Esel zur Seiten ab, aber der Speer traf ihn doch, so daß er für todt auf der Erden lag. Darüber wurden die Brüder sehr bekümmert, aber Reinold richtete sich bald wieder auf: da ging Ritsart zu ihm und gab ihm das Schwert Florenberg in die Hand und sagte: sieh, mein Bruder, das hat mir Deine Hausfrau Clarisse zu unserm Schutze gegeben; gab auch den andern Brüdern jedem ein Schwert und behielt auch für sich eins. Als Reinold das Schwert sahe sagte er: O Bruder, nun ich meinen Florenberg in der Hand habe, bin ich voll guten Muths, und ich will nicht mehr Reinold heißen, wenn ich alle diese fürchte.

Das Volk war indessen mit seinen Anführern angerückt, und es entstand ein blutiges Treffen; alle vier Brüder gebrauchten sich so tapfer, wie es nur je die größten Helden haben thun können, vorzüglich aber Reinold, der mehr Thaten that, als sonst ein Mensch zu thun im Stande ist. So dauerte das Gemetzel bis in die Nacht; da zogen die Brüder die Harnische der Erschlagenen an und stiegen auf die Pferde.

Am Morgen erneuerte sich der Kampf, und Writsart wurde im Gedränge gefangen genommen, denn das Pferd war ihm unter dem Leibe zu Tode gekommen. Eine Schaar führte den Gefangenen weg um ihn König Carln zu überliefern; Adelhart wurde es zuerst inne, daß ein Bruder fehle und sagte es dem Reinold; dieser wurde wüthend und drang darauf, daß man Writsart wieder frei machen müsse; aber Adelhart sagte: Lieber Bruder, es ist uns für dieses mal unmöglich, wenn wir ihnen nachsetzen, wird uns die Menge umzingeln und überwältigen; immer noch besser, daß der eine verloren geht, als wir alle. Aber Reinold wurde zornig und sagte: Sollen wir es dulden, daß ein Bruder von uns gehenkt werde? daß man nachher sage: sehet, das sind die Brüder, die so lange gegen König Carl gestritten haben, und es doch am Ende haben leiden müssen, daß man einen von ihnen gehenkt hat? Nein, lieber will ich mein Leben daran setzen, denn fürwahr, das wäre uns eine sehr schlechte Ehre.

Er ritt also durch das Gedränge und traf auf die Schaar, die seinen Bruder Writsart wegführte; der eine von ihnen sah sich um und sagte: seht, da kömmt Reinold und geberdet sich nicht wie ein Mensch, sondern wie ein wahrer Teufel, lasset uns alle davon fliehen! Reinold kam herangesprengt und hieb die ersten nieder, die übrigen flohen, und so war Writsart wieder frei; worauf Reinold sagte: Bruder, ich habe Euch diesmal wieder frei gemacht, aber ich sage es Euch, es geschieht nicht wieder; warum lasset Ihr Euch so gar leichtlich fangen? Writsart sagte: Bruder Reinold, es war nicht meine Schuld, mein Pferd war todt, dazu so hatten sie mir im Handgemenge mein Schwert zerschlagen. Nun, es soll Euch für diesmal vergeben sein, sagte Reinold; und so ritten sie wieder in den Kampf hinein.

Die Schlacht dauerte fort, aber es kam zu den Feinden eine Verstärkung. Ritsart war schwer verwundet, und so mußte endlich Reinold mit seinen Brüdern die Flucht ergreifen.

Vierzehntes Bild.
Die Belagerung auf dem Berge.

Reinold nahm den verwundeten Ritsart hinter sich aufs Pferd und er und die andern Brüder flohen auf einen nah gelegenen Berg. Derselbe Berg war sehr hoch und steil und ganz aus Marmorstein, und so beschaffen, daß nur immer ein Mann heraufgehn konnte. Von oben warf Reinold nun mit gewaltigen Steinen herunter, so daß Roß und Mann starb und Niemand sich dem Berge zu nähern getraute. Graf Calon, der das Heer anführte, sprach mit Ogier, der gerne seinen bedrängten Verwandten beigestanden hätte, wenn ers gewagt hätte, ohne für einen Verräther angesehn zu werden. Er ging dem Berge näher, um mit Reinold Unterhandlungen zu pflegen und ihn zu fragen, ob er sich ergeben wolle, oder noch länger zu fechten gedächte; er rief daher hinauf, daß Reinold mit Steinwürfen inne halten solle, er habe etwas mit ihm zu reden. Als er oben kam, sah er, daß die andern drei Brüder auf ihren Knieen lagen, und Gott um Hülfe anflehten, und daß Reinold nur noch allein wacker sei. Er rieth ihnen hierauf, den Berg nicht zu verlassen und ging wieder fort, indem er sie in den Schutz Gottes befahl.

Reinold hatte auf Montalban einen Jüngling zurückgelassen, der die Wissenschaft verstand, in den Sternen des Firmaments bei der Nacht zu lesen; dieser stand oben auf der Burg und sah aus dem Laufe der Gestirne, daß Reinold sich mit seinen Brüdern in der größten Gefahr befinde, und daß er auf einem Berge belagert sei, imgleichen, daß König Ivo ihn um eine große Summe Goldes an Carl verrathen habe. Er lief sogleich zu Malegys, um es ihm anzusagen; dieser stand lustig in der Küchen und ordnete ein Abendessen an, weil er glaubte, daß die Brüder noch in dieser Nacht wiederkehren würden. Da Malegys das Unglück hörte, wollte er sich selber erstechen, so sehr war er in Verzweiflung; aber der Jüngling sagte: Malegys, was sollte Euch das helfen, wenn Ihr Euch umbrächtet? Suchet lieber Eure Vettern zu erretten, und nehmt derohalben Kriegesknechte mit Euch und setzt Euch auch auf das gewaltige Roß Bayart. Malegys fand den Rath gut, er foderte die Knechte auf und ging in den Stall, um auf Bayart zu steigen. Aber Bayart schlug und biß um sich, wollte Niemand aufsteigen lassen, denn allein Reinold; Malegys aber erwischte einen Prügel, in der Meinung, das Roß mit Gewalt zu bezwingen, aber Bayart setzte sich auf die Hinterbeine und hätte den Malegys fast zerrissen, wenn er nicht schnell zurückgesprungen wäre. Da wurde Malegys betrübt und sagte: O du schändliches Roß! willst du nun in der Noth deinen Herrn Reinold verlassen, der sich in Lebensgefahr befindet? Kaum hörte Bayart diese Worte, so ließ er sich demüthig auf seine Kniee nieder, so stieg Malegys auf und der Zug folgte ihm.

Oben auf dem Berge lagen nun die vier Heymonskinder und waren von einer großen Macht belagert, Ritsart lag schwer verwundet und konnte sich nicht aufrichten. Adelhart und Writsart waren auf ihren Knieen und flehten zum barmherzigen Gott um Rettung und Hülfe, nur der starke Reinold war noch wacker und munter und hielt den Feind von dem steilen Berge zurück, indem er beständig große Felsensteine hinunterwarf. So verging ein Tag und eine lange Nacht und keine Hülfe war sichtbar. Auch der mächtige Reinold wurde schon ermüdet und alle Brüder waren in ihren Herzen tief betrübt, so daß sie endlich beschlossen, sich zu ergeben und zu sterben. Indem gewahrt Reinold in der fernen Morgensonne einen Reiter und verkündigte seinen Brüdern: ach, theure Brüder, rief er aus, ich erkenne mein Roß Bayart und meinen Vetter Malegys. — Da erhoben sich Writsart und Adelhart von den Knieen und sahen hin und erkannten ebenfalls das Roß und seinen Reiter. Da wurden sie voll Muths, und jauchzten und dankten Gott dem Herrn. Ritsart, der alles gehört hatte, sagte: meine lieben Brüder, ich bin sehr schwer verwundet, daß ich mich nicht durch eigene Kraft auf meine Beine stellen kann, ich bitte Euch, Ihr wollet mir aufhelfen, damit ich doch auch zu meinem Troste das Roß Bayart gewahr werde. Da hoben sie ihn auf und hielten ihn brüderlich in ihren Armen, und er sah ebenfalls das Roß Bayart, worauf er sagte: Ach! mich dünkt, ich bin nun schon ganz gesund und von allen meinen Wunden genesen, seitdem ich dieses gute Roß gesehn. — Bayart aber machte sehr große Sprünge, um zu seinem Herrn zu kommen, es warf mit einem gewaltigen Stoß den Malegys ab, senkte dann vor Reinold seine Kniee und ließ ihn aufsteigen.

Es entstand ein neues blutiges Gefecht, Reinold brachte den Grafen Calon um, und die Kriegsknechte, die Malegys gebracht hatte, hielten sich sehr tapfer, so daß der Feind endlich die Flucht ergreifen mußte. Die Brüder waren ungemein erfreut und dankten Gott aus tiefem Herzen; aber Reinold schwur: den verrätherischen König Ivo mit dem Schwerte hinzurichten. Dieser aber hatte schon Nachricht erhalten, und war in ein Kloster geflohen, dort war er ein Mönch geworden, um seine Sünden abzubüßen.

Als Reinold zurückkam auf Montalban, wollte er erst seine Hausfrau Clarissa nicht ansehn, weil ihr Vater ihn ohne Ursach verrathen habe. Aber sie versöhnten sich bald und aßen und tranken, und Reinold gedachte der verlaufnen Thaten nicht mehr.

Fünfzehntes Bild.
Reinolds Kampf mit Roland.

Roland wurde sehr zornig auf König Ivo, daß er nun sein Wort doch nicht gehalten habe, die Brüder auszuliefern; es war ihm lieb, daß sie auf die Art errettet waren, aber er wollte durchaus eine Rache an Ivo nehmen. Er zog daher mit den Genossen vor das Kloster, in welches Ivo geflohen war und hielt es belagert, in der Meinung, Ivo aufzuhängen, sobald er ihn in seiner Gewalt haben würde. Ivo vernahm die traurige Botschaft und schrieb einen überaus kläglichen Brief an Reinold, seinen Schwiegersohn, daß er ihm helfen möchte, weil er sonst eines schmählichen Todes sterben müsse. Reinold wollte sich nichts um den Verräther kümmern. Clarisse, seine Hausfrau, saß mit ihrem jüngsten Söhnlein, das sie Adelhart genennt hatte, grade neben ihm, als dieser klägliche Brief ankam, und sie weinte über das Unglück ihres Vaters so heftig und so von Herzen, daß Reinold dadurch über die Maaßen gerührt wurde und sogleich seinen Harnisch anzog, und auf Bayart stieg, um den Verräther zu retten.

Als er vor das Kloster kam, war es schon erobert, und Roland machte eben Anstalt, den König Ivo aufzuhängen. Reinold ritt schnell hinzu, nahm im zornigen Muthe seinen Schwiegervater hinter sich auf’s Pferd und floh mit ihm davon. Roland verfolgte ihn, weil er seinen Raub nicht fahren lassen wollte, hatte aber kein so gutes Pferd als Bayart war, deshalb entkam ihm Reinold. Darüber wurde er sehr ergrimmt und schalt Reinold einen Verräther, und die beiden Ritter setzten sich einen Tag fest, um ihre Sache auszukämpfen.

Reinold brachte daher seinen Schwiegervater nach Montalban, und wollte dann bald wieder zurück, weil er mit Roland einen Streit halten müsse. Clarisse weinte sehr, als sie diese Nachricht hörte, denn Roland war ein Mann, der, wenn er gepanzert war, weder von Schwert und Spieß verwundet werden mochte. Aber Reinold ließ sich nicht irre machen und reiste ab.

Er bezeugte sich erst demüthig gegen Roland, weil er ein Vetter war, da aber Roland trotzig war, sagte er: Ihr müßt nicht etwa glauben, daß ich mich vor Euch fürchte, nein wahrlich nicht, und wenn gleich Eurer fünfe wären, und zog gleich seinen Harnisch an und stieg auf Bayart. Sie stießen heftig auf einander und mit solcher Gewalt, daß Roland sammt seinem Pferde zu Boden stürzte, welches ihm sonst noch in keinem Kampfe mit keinem Ritter begegnet war. Er erstaunte selber darüber, und raffte sich wieder auf, aber die übrigen Genossen litten es nicht, daß der Kampf fortgesetzt wurde.

So ritt Reinold mit frohem Herzen nach Montalban zurück, und Roland that eine Wallfarth zum heiligen Jakob von Compostella.

Sechzehntes Bild.
Reinold errettet seinen Bruder Ritsart.

Als Roland von seiner Wallfahrt zurückkam, traf er in einem Walde den Ritsart, der dort jagte. Roland ritt auf ihn zu und sagte, daß er sich gefangen geben müsse. Ritsart wollte sich ihm anfangs widersetzen, aber da ihm Roland versprach, ihn gegen König Carl zu schützen, so ergab er sich in sein Geleit und zog mit ihm nach Paris.

Malegys, der im Walde verborgen war, brachte diese Kundschaft sogleich den Brüdern auf Montalban, sie machten sich bereit, Ritsart zu erlösen; Malegys aber ging nach Paris, um zu sehen, wie es mit Ritsart werden würde.

Malegys kam als ein kranker Pilgrimm mit geschwollenem Bein und einem dicken Bauche, dazu in einen rauhen Mantel gehüllt, ganz alt und unansehnlich zu König Carl und begehrte um Gottes Barmherzigkeit willen eine Mahlzeit von ihm. Carl aber schlug ihn derbe mit einem Stecken und sagte: ich traue keinem Pilgrimm mehr, seit mich Malegys betrogen hat. Da geberdete sich Malegys gar kläglich und fing als ein kranker Mann an zu weinen und zu schluchzen, so daß es König Carl wieder gereute, daß er einen heiligen Pilgrimm geschlagen hatte, der noch überdies krank war. Er ließ ihn also an einen Tisch niedersetzen und Speise und Trank reichen, dazu bediente er ihn selbst, aus demüthiger Reue. Malegys dachte in seinem schalkhaften Sinne: ich sollte dir wohl gerne deinen Schlag wieder vergelten; als ihm daher der König einen so schmackhaften Bissen in den Mund stecken wollte, ergriff er gar behende mit den Zähnen dessen Finger und biß ihn tüchtig. Der König setzte sich vor Schmerzen abseits und sagte: Du schelmischer Pilgrimm, warum thust du mir also? Du hättest mir beinahe den Daumen abgebissen, wenn ich dich hätte gewähren lassen. — Malegys sagte: Verzeihen mir Ew. Majestät, ich war so gar sehr hungrig, daß ich nicht recht Acht darauf gab, ob es die Speise oder Euer Daumen war, daher geschah es ohne meinen Vorsatz.

Indem kam Roland mit dem gefangenen Ritsart in den Saal; König Carl war sehr ergrimmt, als er ihn sah, und schwur, ihn sogleich aufhängen zu lassen. Roland aber wollte es nicht zugeben, weil er ihm sicheres Geleit zugesagt hätte; eben so waren auch die übrigen Genossen dagegen. Der König fragte alle nach der Reihe herum, ob keiner es über sich nehmen wolle, den Ritsart aufzuhängen, aber alle schlugen es ab. Da that sich einer her, genannt Rype von Rypemont, der sagte, daß er es sich unterstehen wolle, wenn die Genossen ihm alle angeloben wollten, deshalb keine Rache an ihm zu nehmen. Alle sagten es ihm zu, außer Ogier, der unwillig im Saale auf und abging. Der König wurde ergrimmt, daß dieser es nicht auch versprechen wollte, gleich den andern; Ritsart sah indeß den Malegys in einer Ecke sitzen, er näherte sich dem Ogier und sagte: Ogier, gebt nur Euer Wort, denn ich sehe dort Malegys sitzen, und so komme ich gewiß nicht an den Galgen. Ogier gab also auch sein Versprechen, und Carl setzte nun den Tag fest, an welchem Ritsart zu Falkalon sollte aufgehängt werden.

Malegys begab sich indessen in großer Eile nach Montalban zurück, und sagte den Brüdern den Tag an, und daß sie sich rüsten sollten. Sie ritten also aus, und lagerten sich nahe bei in einem Walde, von wo sie den Galgen genau sehen konnten. Sie stiegen ab und setzten sich in das Gras, wo Malegys ihnen die Geschichte erzählte, wie er dem König Carl in Finger gebissen habe, und indem sie noch sprachen, überfiel sie eine Schläfrigkeit, so daß sie alle einschliefen.

Der Zug mit Ritsart kam indessen zum Galgen, und Rype spottete seiner und sagte, daß er nun weiter auf keine Hülfe zu hoffen habe. Ritsart aber schaute sich sehr betrübt nach seinen Brüdern und Malegys und Bayart um, daß sie ihm helfen sollten, und da er keinen von ihnen allen gewahr ward, brach er in Thränen aus und ergab sich in sein Schicksal, denn sie schliefen alle im Walde, außer Bayart, der noch munter war. So mußte nun Ritsart wie ein Verbrecher auf die Leiter steigen, und als er fast oben war, sah ihn Bayart aus dem Walde heraus. Das Pferd fing ein großes Geschrei an und wüthete und tobte so lange, bis Reinold aufwachte. Der sagte: Ei, du böser Schalk, das bin ich an dir ungewohnt, und wollte es schlagen, aber da sah er seinen Bruder oben beim Galgen und schnell stieg er auf Bayart und weckte die übrigen, und alle rannten mit voller Gewalt aus dem Walde heraus. Reinold schlug unter das Volk, so daß sie flohen oder umkamen, und Ritsart war wieder frei, und Rype ward genommen und an den Galgen gehangen, weil er sich unterstanden hatte, den Ritsart aufzuhängen.

Ritsart war so froh und guten Muths, daß er sich noch die Rüstung des Rype anzog und auf sein Pferd stieg, um sich vom König Carl den versprochenen Lohn auszahlen zu lassen. Reinold mußte lachen, da er seinen Bruder noch so gutes Muthes sah, er folgte ihm von ferne mit Malegys und den übrigen Brüdern.

Carl sah mit Ogier grade aus dem Fenster, als sie in der Ferne einen Ritter über den Plan reiten sahen, den sie für Rype hielten. Carl war sehr erfreut, weil er glaubte, Ritsart sei nun gewiß und wahrhaftig gehangen, aber Ogier ward zornig und ging fort, um ihm entgegen zu reiten und mit ihm handgemein zu werden. Carl versammelte seine Ritterschaft, weil er fürchtete, daß Ogier den Rype umbringen würde, ritten ihm also allesammt nach. Aber Ritsart gab sich dem Ogier zu erkennen, als sie zusammen kamen, und der war nun zufrieden. Indem kam König Carl mit seinem Gefolge näher, und lobte den vermeintlichen Rype, daß er sein Versprechen so wacker ausgeführt habe. Darüber wurde Ritsart zornig und sagte: ich bin nicht Rype, der hängt am Galgen, sondern Ritsart! und rennte mit seinem Speer auf Carl zu und gab ihm einen guten Stoß auf die Brust. Darüber wurde ein Gefecht und Reinold kam mit seinem Gefolge heran und alle wurden mit einander handgemein. Reinold sprang von Bayart und ergriff König Carl und warf ihn hinter sich auf’s Pferd, in der Meinung, ihn mit sich nach Montalban zu nehmen. Als die übrigen sahen, daß König Carl gefangen war, setzten sie dem flüchtigen Bayart nach und das Gefecht ward noch hitziger; Reinold aber sah zurück und sah, daß seine Brüder mitten unter den Feinden kämpften, er warf daher den König Carl wieder von sich, so daß er weit in’s Feld hinein flog, und meinte, das Herz im Leibe wäre ihm gesprungen; und so ritt Reinold wieder unter die Feinde und focht tüchtig, bis er seine Brüder salvirt hatte. Dann ritten sie alle nach Montalban.

Siebzehntes Bild.
Kunststück des Malegys.

Olivier war einst auf der Jagd und stand mit seinem Pferde auf einem hohen Berge. Da sah er unten nach dem Fluß hinunter und gewahrte einen Mann, der am Berge herum kroch, und Kräuter zu suchen schien; er gedachte gleich daran, daß es wohl Malegys sein könnte, ritt also hinunter und sagte ihm, daß er sich gefangen geben sollte. Malegys setzte sich zur Wehre, aber Olivier schlug ihm das Schwert aus der Hand, und so mußte jener sich gefangen geben und dem Olivier nach Paris folgen, zornig zwar, aber doch nachgebend.

König Carl freute sich sehr, daß Malegys in seiner Gewalt sei, er wollte ihn sogleich aufhängen lassen, aber Malegys sagte: lasset mich noch bis Morgen leben, das ist nicht lange, und mir ist es lieber. Das glaub’ ich, antwortete Carl, Du denkst vielleicht mir zu entwischen, aber diesmal soll es Dir nicht gelingen, deshalb kann ich Dich wohl bis morgen leben lassen, dann aber sollst Du dafür gestraft werden, daß Du mir neulich beinahe den Daumen abgebissen hättest. — Wenn ich morgen hänge, antwortete Malegys, so werd’ ich nun wohl Ew. Majestät nicht mehr beissen. Das denk’ ich auch, antwortete der König.

Es wurde zur Tafel geblasen und die Genossen saßen paarweise an kleinen Tischen; der König aber speiste allein; worauf Malegys sagte: für alle diese Herren ist gedeckt, außer für mich nicht, ich denke, ich setze mich zu Ew. Majestät, so machen wir auch ein Paar. — Du böser Schalk, antwortete Carl, darfst Du noch so lose Reden führen, ich dächte, Dir sollte die Lustigkeit wohl vergehn, da Du morgen sterben mußt. Aber die Reden des Malegys gefielen dem Roland, und er ließ den Malegys neben sich niedersetzen und sie aßen und tranken mit einander. Malegys wurde immer lustiger und sang einige Lieder, worüber sich alle verwundern mußten, da er so bald sterben sollte. Aber Malegys trank immer fleißiger, und sang:

Sollt’ ich denn fröhlich nicht sein?

Schmeckt mir doch Essen und Wein,

Morgen ist lange nicht heut,

Sterben hat doch seine Zeit,

Jedermann thut es ja leid,

Stirbt doch auch mancher noch heut.

Der König sagte: Du denkst Dich wohl vielleicht vom Galgen los zu singen, aber darin sollst Du Dich verrechnen, und sogleich ließ er ihn in einen festen Kerker führen und in Ketten legen und viel Eisen an die Füße binden, damit er durchaus nicht entlaufen könne. Gebt Ihr mich frei? sagte Malegys; gewiß nicht, antwortete der König. Nun, so gebt nur gut auf mich Acht, redete darauf der Schalk, denn um Mitternacht denke ich Euch zu entlaufen. Damit wird es nun wohl keine Noth haben, sagte der König und ließ die festen eisernen Thüren doppelt zuschließen, und die Genossen mußten mit bloßen Schwertern die Nacht hindurch vor dem Gefängnisse Wache halten; meinte der König, er solle ihm nun gewiß nicht entrinnen.

Aber um Mitternacht schüttelte Malegys die Schlösser von sich und die Eisen fielen ihm von den Füßen; darauf machte er durch seine Kunst die Schlösser und die eisernen Thüren auf und machte, daß die Genossen in einen festen Schlaf fielen und einer über dem andern lag. Worauf er ihre Schwerter und vieles kostbares Geräthe mit sich nahm und so schwer beladen nach Montalban eilte. Reinold war sehr erfreut, daß er die zwölf kostbarsten Schwerter in seiner Gewalt habe.

Am Morgen wollte König Carl den Malegys zum Tode führen lassen, stand deshalb ziemlich früh auf. Da fand er die Genossen schlafend, wie einer über dem andern lag, auch waren ihnen die Schwerter gestohlen und alle Thüren offen, und kein Malegys im Kerker, aber die Ketten und das Eisen war drin geblieben, worauf König Carl sehr erboßt wurde und einen Eid that, er wolle Montalban belagern und mit eigner Hand die Schwerter erobern.

Achtzehntes Bild.
Montalban belagert; Frau Aya schließt einen Frieden.

König Carl brachte nun eine große Macht zusammen und zog mit allen seinen Genossen vor Montalban und hielt es belagert. Roland mußte hineingehn und die Festung auffodern, daß sie sich auf Gnade und Ungnade ergeben solle; aber Reinold wollte das nicht thun, sich aber ergeben, wenn König Carl ihm Verzeihung und Sicherheit verspräche. Das aber wollte König Carl wieder nicht eingehn, und so dauerte der Krieg wieder einige Jahre hintereinander, und ward auf eine blutige Art fortgeführt, so daß auf beiden Seiten viele Leute todt blieben.

In einer Schlacht stach Reinold den König vom Pferde und hätte ihn gefangen genommen, wenn ihn die Genossen nicht errettet hätten; aber an demselben Tage wurde Malegys entwaffnet, und für einen Gefangenen in das Lager des Feindes geführt. Der König wollte ihn am folgenden Morgen hinrichten lassen.

In der Nacht aber brauchte Malegys seine Kunst und ging vor das Bett des Königs und sagte zu ihm: Ew. Majestät, Reinold hat gebeten, daß wir beide zu ihm kommen sollen. Der König war bezaubert und antwortete: Schon gut, ich wünsche nur, wir wären erst unterwegs. Darauf nahm Malegys den schlafenden König auf seine Schultern und trug ihn so gen Montalban. Dort legten ihn die Brüder in ein köstliches Bette und warteten dann, bis er aufwachen würde.

Der König war sehr verwundert und erschrak heftig, als er alle seine Feinde um sein Bette stehen sah. Reinold redete ihn an, er möchte ihm verzeihen und er wollte ihn sogleich freilassen und ihm mit seinen Brüdern dienen. Aber König Carl wollte nicht nachgeben, so viel gute Worte ihm auch Reinold gab, worüber Ritsart ergrimmte und sein Schwert zog, und den König umbringen wollte; aber Reinold hielt ihn zurück und sagte: Das sei ferne von Dir, Bruder, daß Du unsern König umbringen solltest. Alle Brüder baten drauf und auch Malegys; aber Carl bestand auf seinem stolzen Sinn, daß sie sich ihm alle auf Gnade und Ungnade ergeben sollten. So viel wollte aber Reinold dem Könige auch nicht trauen, er ließ ihn daher frei in sein Lager zurück, aber der Krieg ward immer noch mit großer Wuth fortgesetzt, obgleich alle Genossen, insonderheit der Bischof Turpin, für Reinold baten.

Das Schloß Montalban war so fest, daß es der Feind durchaus nicht einnehmen konnte, aber der Proviant war den Belagerten gänzlich zu Ende gegangen, so daß sie in die größte Noth geriethen. Alle übrigen Pferde waren schon verzehrt, Reinold war in der größten Verzweiflung und rief: Nun muß Bayart sterben. Er ging mit einem Messer in den Stall, um das Roß todt zu stechen; aber sein Bruder Adelhart folgte ihm und hielt ihn zurück und bat für das treue Roß. Bayart selbst fiel demüthig auf seine Kniee, als wenn er um sein Leben bitten wollte. Darüber wurde Reinold sehr gerührt, so daß er weinte und ließ dem Bayart Gnade widerfahren.

Turpin hörte von dem großen Mangel, der in der Vestung herrschte und wurde sehr darüber betrübt, daß seine Verwandten solche Noth leiden sollten. Er vermochte daher den Roland dahin, daß er beim nächsten Angriff sich die Ehre ausbat den Vortrab anzuführen, und als das geschah, schaffte er den Brüdern wieder eine große Menge Proviants in die Vestung. So bekam auch Bayart wieder viel Futter und wurde wieder so stark als er nur je gewesen war.

Aber Reinold sah ein, daß er sich am Ende nicht gut auf Montalban würde halten können, weil der Proviant immer schnell verzehrt war; er beschloß daher, sich mit seinen Brüdern nach seiner Burg Ardane zu begeben, weil er sich dort besser schirmen könne. Er ließ also Bayart zu einer heimlichen Pforte hinausbringen; dort stiegen alle Brüder auf und ritten schnell nach Ardane. Malegys begab sich auf sein festes Castell.

Als König Carl diese Nachricht gehört hatte, zog er mit seiner Macht vor Ardane und hielt es belagert, denn es war sein ernstlicher Wille, die Brüder in seine Gewalt zu bekommen. Der Streit wurde heftig fortgesetzt und es blieb viel Volk und viele Ritter. Am Ende kam Reinold auch hier in sehr bedrängte Umstände und er sah ein, daß er sich mit der Zeit würde ergeben müssen.

Aber seine Mutter Frau Aya kam mit einem großen Gefolge in das Lager ihres Bruders, Königs Carl, um für ihre Söhne zu bitten. Sie ließ sich vor ihm auf die Kniee nieder und weinte heftig und bat um das Leben ihrer Kinder, und daß er sich möchte rühren lassen. König Carl hatte seine Schwester in so langer Zeit nicht gesehn, dazu so rührte ihn ihr Knien und ihre bitterlichen Thränen, so daß er ihr versprach, einen guten Frieden zu machen und alles zu vergessen, wenn die Söhne ihm das Roß Bayart in die Hände liefern wollten, damit zu schalten wie er Lust hätte, weil es ihm gar zu großen Schaden gethan habe. Frau Aya war von Herzen froh und ging sogleich in die Vestung zu ihren Kindern, ihnen die Botschaft anzusagen. Adelhart setzte sich dagegen, daß man das Roß ausliefern sollte; aber Reinold sagte: wir wollen es thun, lieben Brüder, wir mögen vielleicht für das Roß auch Gnade erlangen.

Und so war denn nach einem langen Kriege der Friede geschlossen.

Neunzehntes Bild.
Das Roß Bayart wird ertränkt.

Die Brüder fielen im Beiseyn ihrer Mutter dem Könige zu Fuße, er hob sie gnädig auf und alle waren sehr erfreut, besonders ihre Mutter Aya. Hierauf nahm Reinold das Roß Bayart und gab es in die Hände Carls. Der König ließ ihm sogleich zwei Mühlsteine an den Hals binden, und es, wie er gelobt hatte, von der großen Brücke in’s Wasser stürzen. Bayart sank unter, kam aber bald wieder in die Höhe und sah nach seinem Herrn Reinold; dann arbeitete er sich mit Schwimmen an’s Ufer, schlug die Mühlsteine von sich und ging zu Reinold und liebkosete ihm. Der König sagte: Reinold, gebt mir das Roß zurück; Reinold nahm es, und gab es dem Könige, der ließ ihm zwei Mühlsteine an den Hals henken und an jedem Fuße einen und so wurde es von neuem in das Wasser geworfen. Es sank wieder unter, kam aber bald wieder oben, sah Reinold an, stieg an’s Ufer und schlug alle Steine von sich, so daß sich alle über die Stärke Bayarts verwundern mußten. Bayart stand wieder bei Reinold und liebkoste ihm, wie zuvor, wodurch Reinold sehr gerührt war. Adelhart sagte: Bruder, verflucht mußt Du sein, wenn Du das Roß wieder aus Deiner Hand giebst! O Bayart, wird Dir nun so gelohnt, daß du deinen Herrn und uns alle so oft errettet hast? Aber Reinold sagte: Brüder, sollt’ ich um des Rosses willen die Gunst des Königs verscherzen? nahm Bayart wieder und übergab ihn dem Könige mit den Worten: Wenn das Roß noch einmal wieder kömmt, kann ich es Ew. Majestät nicht wieder fangen, denn es geht meinem Herzen gar zu nahe. Da wurden dem Bayart wieder zwei Mühlsteine an den Hals gebunden und an jedem Fuß zwei, und er wurde zum drittenmal von der Brücke hinuntergestürzt. Reinold aber mußte fortgehn, damit ihn das Roß nicht wieder sähe und dadurch neue Kraft bekäme. Bayart blieb diesmal länger unter Wasser, dann kam er aber doch wieder mit dem Kopfe hervor und streckte ihn weit von sich, weil er seinen Herrn Reinold suchte; da er ihn aber nirgends gewahr werden konnte, verließen ihn nach und nach die Kräfte, er sank unter und kam nicht wieder ans Tageslicht.

Alle Brüder weinten und Reinold war im innersten Herzen betrübt; er verschwor es, Zeit seines Lebens wieder Sporen an den Füßen zu tragen, oder ein ander Pferd zu besteigen, zugleich wollte er das ganze Ritterleben aufgeben. Die Brüder blieben bei Hofe, er aber ging nach Montalban, wo er seiner Hausfrauen Clarisse den Tod Bayarts erzählte; sie fiel in Ohnmacht, als sie diese Nachricht hörte, wurde aber dadurch wieder etwas getröstet, daß die Brüder nun völlig mit König Carl ausgesöhnt wären. Hierauf schlug Reinold seinen ältesten Sohn Emmrich zum Ritter und gab ihm die Veste Montalban, auch den übrigen Söhnen schenkte er Land und Leute, dann küßte er sie alle nach der Reihe und verließ sie in der dunkeln Nacht.

Zwanzigstes Bild.
Reinold ein Eremit.

Reinold empfand die Eitelkeit alles menschlichen Treibens, begab sich deshalb in einen abgelegenen wilden Wald, weil ihm die ganze Welt nunmehr zuwider war. Da traf er einen Einsiedler, von dem lernte er das eremitische Leben und brachte so seine Zeit mit frommen Gebeten und stillen Betrachtungen zu. Allenthalben ließ man Reinold suchen, man fand ihn aber nirgends, bis er nach einigen Jahren wieder freiwillig hervorkam, weil er gern seinen Vater Heymon sehn wollte und seine Mutter, Brüder und Kinder, in Summa, die Seinigen, die ihm theuer waren. Dann ging er wieder in seinen Wald zurück und führte sein stilles Leben weiter und that Buße für die mannichfaltigen Sünden, die er jemals im Laufe seines Lebens begangen hatte. Dann lebte er noch lange in der Einsamkeit und kam aus seinem Walde in die Welt, um seine Freunde zu sehn, und nach vielen Jahren starb er als ein frommer Waldbruder, als Roland schon bei Ronceval gefallen war und Carl gestorben und sein Vater todt, und viele der Helden sich zerstreut und verloren hatten.

Und hier endigt sich die Historie von Reinold und den übrigen Heymons Kindern.

Sehr wunderbare Historie
von der
Melusina.
In drei Abtheilungen.
1800.

Erste Abtheilung.

Wie oftmals durch Gunst der Frauen Männer zu hohem Glück und Ehre gelangt sind, davon findet man in der Geschichte viele Beispiele, unter andern auch in folgender sehr wunderbaren Historie, die vielen nur ein Mährchen dünken möchte, weil einige Umstände zusammen treffen, die fast an das Unwahrscheinliche gränzen.

Zu alten Zeiten lebte in Frankreich ein Graf von Forst, er hatte viele Kinder, war arm und lebte in einem anmuthigen Walde. Dieser Graf hatte viele Noth seine Kinder adelich und nach ihrem Stande zu erziehn, weil es ihm am Vermögen fehlte. Sonderlich that ihm dieses um seinen jüngsten Sohn Reymund leid, der schon früh ein hochstrebendes Gemüth in sich spüren ließ, denn er sprach am liebsten von Rittern, die sich durch wunderbare Begebenheiten und große Thaten zu den höchsten Ehren empor geschwungen hatten, auch ließ er sich vom Vater gern alte Geschichten erzählen, von solchen Leuten, die aus Armuth Fürsten und Könige geworden und wünschte sich ein gleiches Schicksal. Darüber wurde der Vater oft betrübt und führte ihm zu Gemüth, daß es nicht mehr die Zeit sei, an derlei Wunderwerke zu glauben und er möchte sich nur früh in seinen beschränkten Stand finden lernen. Reymund aber sagte: lieber Herr Vater, es ist noch nicht aller Tage Abend, so können wir auch nicht wissen, was aus mir noch werden möchte. Worauf der Vater antwortete: Nun, Gott möge Dich segnen, mein Kind, denn ich sehe wohl, Dein Sinn steht nach hohen Dingen.

Nicht weit vom Walde hatte der Graf Emmerich seine großen, weitläuftigen und reichen Güter; dieser war der Mutter Bruder des armen Grafen von Forst und also sein naher Vetter und Verwandter. Dieser Herr war neben seinem Reichthum in vielen Wissenschaften wohlerfahren, sonderlich in der Kunst der Astronomie, denn er wußte alle Abtheilungen des Jahrs, Mondwechsel, auch Sonnen- und Mondfinsternisse, konnte alles daraus wahrsagen und die schwersten Rechnungen machen: auch war ihm durch astrologische Weisheit das Firmament mit seinen Sternen nur wie ein lieber Freund, den er um Rath fragen durfte, wußte auch genau anzugeben, wo die Planeten standen und wann sie auf und wann sie untergehn, in Summa er war von allen Leuten im Lande wegen seiner Kenntnisse und großen Reichthums sehr hochgeachtet. Dieser Mann hatte nur zwei Kinder, einen Sohn, welcher Bertram hieß, und eine Tochter. Er rechnete mit seiner Kunst aus, und wußte es auch schon vorher, daß seinem armen Vetter, dem Grafen von Forst, die Erziehung seiner vielen Kinder zur Last falle, nahm sich also in seinem großmüthigen Herzen vor, eins davon zu sich zu nehmen. Machte also ein großes Gastmahl und lud dazu auch seinen Herrn Vetter ein, der auch mit drei von seinen Söhnen kam, unter welchen sich Reymund, der jüngste, befand. Graf Emmerich sah, daß sich alle höflich betrugen und alle in guter Kleidung zu ihm kamen und war damit sehr zufrieden. Während der Mahlzeit warf er eine besondre Liebe auf Reymund, der sehr geschickt und artig sein Hütlein beim Beten vor das Gesicht zu halten wußte, wie wohl die andern sich auch andächtig bezeigten, nachher zierlich und sauber aß, seinem Herrn Vetter in allen Dingen aufwartete und sich überhaupt als ein feiner Gesell betrug.

Nachdem alle abgespeist hatten, gingen der Graf Emmerich und Graf Forst beiseit und Emmerich sagte zu seinem Vetter: ich danke Euch vielmals, mein Herr Vetter, daß Ihr zu meinem Gastgebot habt erscheinen wollen, auch alle so höflich und in neuen Kleidern gekommen seid, welches suchen werde, bei einer andern Gelegenheit zu vergelten. Ihr habt außerdem viele und wackre Kinder, und viele wohlerzogene Kinder besitzen, ist von je an für einen Segen des Himmels gerechnet worden; doch giebt es einen Fall, wo man sich lieber deren einige mit Freuden abthun möchte, wenn man nämlich sehr viele hat und sich selber dabei in Armuth befindet, denn alsdenn müssen die Kindlein der ihnen zukommenden Erziehung entbehren, wodurch sie nicht nur kein Vermögen, welches nicht sonderlich zu achten, bekommen, sondern selbst ihren zukünftigen guten und tugendhaften Lebenswandel verlieren. Will dieses übrigens nicht von Euch, Herr Vetter, gesagt haben, denn mir ist nicht unbekannt, daß einem so verständigen Manne fast alles möglich zu machen ist, wie Ihr es denn auch mit der That beweiset; wollte Euch dennoch höflichst und inständigst um Euer jüngstes Söhnlein Reymund gebeten haben, mir solchen zur Erziehung zu überlassen, denn er hat mir doch gar zu artlich gedünkt, sowohl mit Beten, als saubern Mundwischen, auch allem übrigen gottgefälligen Betragen, will ihn wie meinen eignen Sohn halten, ihm auch Vermögen hinterlassen.

Als der Graf von Forst diese Rede seines Herrn Vettern verstanden hatte, überkam er eine große Freude und antwortete: mein Herr, Euer edles Herz, wie Eure weltbekannte große Wissenschaft leuchten gleich sehr aus dem, was Ihr gesagt, herfür, und so geschieht es denn auch zu meiner grösten Zufriedenheit, daß ich Euch mein jüngstes Söhnlein, den Reymund, ob er mir gleich das allerliebste Kind, übergebe und ausliefere, denn bei mir hat er, wie Ihr wißt, kein großes Glück zu hoffen, darum will ich ihm mit meiner väterlichen Liebe nicht im Wege stehn. Nehmt ihn hin, und möge er Euch nur am letzten Tage noch eben so gut gefallen, als am ersten, möge er in der Gottesfurcht aufwachsen, damit Euch Eure Wohlthätigkeit und Liebe zu ihm nicht dermaleinst gereut.

So gaben sie sich die Hände und waren mit einander einverstanden. Der Reymund wurde von dem Handel unterrichtet und weinte viel, welches dem Grafen Emmerich wieder sehr gefiel, weil er daraus seine Liebe zum Vater erkannte und sich auch dergleichen versprechen durfte. Endlich schieden sie und der Graf von Forst reiste nach seinem Walde zurück.

Der Reymund war von nun an immer in Gesellschaft seines Herrn Vetters, der Grafen Emmerich, bei dem er alle adlichen Sitten, auch reiten und stechen lernte. Der Graf war ihm wegen seiner Tugenden so zugethan, daß er ihn fast seinem Sohne vorzog, worüber dieser aber auch nicht neidisch war, weil Reymund ihm höflich und freundlich begegnete, und überhaupt der Liebling des ganzen Hauses wurde. Wo er konnte, diente er jedermann, dabei war er niemals trotzig und hochmüthig, mit keinem zänkisch, sondern immer nachgebend. So wuchs er auf und der junge Graf Bertram war mit ihm von einem Alter.

Graf Emmerich war ein großer Freund von der Jagd und Reymund mußte ihn fast immer auf allen seinen Zügen begleiten. So waren sie auch eines Tages mit großer Gesellschaft in den Wald hinaus gezogen, mit Jägern und Hunden und allem Zubehör. So kam ein wildes Schwein daher, das sie alsbald niederlegen wollten, dieses aber haute viele von den Hunden zu Schanden, eilte wieder fort und zog die ganze Jagdgesellschaft nach sich in den Wald, so daß der Graf und Reymund allein zurück blieben. Es war schon Mondschein und Nacht in demselben Walde und nicht lange währte es, so waren sie verirrt, worauf Reymund zu seinem Herrn Vetter sagte: wir sind in der Nacht von unsern Leuten gekommen, haben auch die Hunde verloren, uns selber verirrt, darum wäre es wohl gut, einen Ort zu finden, wo wir unterkommen möchten. Worauf der Graf zur Antwort gab: Du rathest wohl, können wir es doch versuchen, denn der Himmel ist gestirnt und der Mond scheint helle genug. Darauf ritten sie im Holze hin und her, um einen geraden Weg zu finden, fanden ihn aber nicht und wurden verdrüßlich; endlich geriethen sie auf eine schöne Straße und Reymund sagte: dieses dürfte wohl die Straße nach unserm Schlosse sein; jetzt wollen wir nur einige von unsern Leuten aussuchen, die die Wege besser kennen: worauf der Graf mit den Worten erwiederte: es kann sein, ich will Deinem Rathe folgen.

Indem sie noch so ritten, betrachtete der Graf mit Aufmerksamkeit das Gestirn am Himmel, seufzte bei sich und sprach: O Gott, wie sind doch deine Wunder so groß und mannichfaltig, wie hast Du die Natur in solcher Gestalt zugerichtet und wie magst Du es zulassen, daß ein Mann durch seine Missethat zu so großem zeitlichen Glück und hohen Ehren gelangen möge? Komm hieher, mein Sohn, fuhr er gegen Reymund fort, und betrachte einmal die Gestalt des Himmels, sieh jenen röthlichen Stern, der herauf kommt und sich dem weißen nähert, sie machen zusammen ein wunderliches Licht und seltne Stellung und bedeuten, daß in dieser Stunde ein undankbarer Diener seinen Herrn und Wohlthäter erschlägt, und dadurch zu allem zeitlichen Glücke gelangt.

Wie ist dieses möglich, antwortete Reymund, daß Ihr es aus den Gestirnen erkennen mögt?

Die Natur, sagte Emmerich, ist wunderseltsam mannichfaltig und auch wieder sehr einfach, der Himmel ist ein Spiegel der Erde, die Erde des Himmels, ja ein jedes Ding spiegelt sich im andern wieder, erschafft jenes und wird erschaffen, dieselben Kräfte in vielen Gestalten, dieselben Bildungen aus verschiedenen Kräften, wie tausend Ströme die durcheinander fließen, sich verwirren und in schöner Ordnung regieren, wie tausend Geister, die sich spielend einer im andern bewegen und so die Welt im Wechsel darstellen und festhalten; mir und meinesgleichen ist die Kunst gegeben, den Abgrund an der Höhe des Firmamentes zu erkennen, ich finde die Gestirne in mir und im Abgrunde wieder, unser Herz zieht die Liebe der Geister an sich und so mögen wir im großen Spiegel Vergangenes und Künftiges wahrnehmen.

Dieses ist zu verwundern, sagte Reymund; worauf sie weiter ritten und ein Feuer fanden, das die Hirten im Holze angezündet hatten. Sie stiegen von den Pferden ab, suchten Holz zusammen und legten es auf das Feuer, weil es in der Nacht sehr kalt war, um sich an der Flamme zu wärmen. Als sie noch damit beschäftigt waren, sich zu wärmen, hörten sie durch das Holz etwas kommen, mithin ergriff Reymund sein Schwert, und der Graf seinen Spieß, und sie konnten nicht damit geschwinde genug sein, denn es kam ein großes Schwein, klopfete mit seinen Zähnen an den Bäumen und schnaubete sehr. Da schrie Reymund seinem Vetter zu und sprach: O Herr Vetter, schont Euer Leben und steigt lieber in aller Eile einen Baum hinauf. Der Graf aber that dieses nicht, sondern sagte: Solches ist mir noch nie vorkommen noch widerfahren, soll mir auch, wenn es Gott will, niemals fürgehalten noch bewiesen werden, daß ich vor einem Schweine so schändlich fliehe, oder mich auf die Bäume begebe. Dem Reymund that es Leid, daß sein guter Rath nicht befolgt wurde; der Graf hielt hierauf den Spieß vor, das Schwein lief daran, schlug aber den Stich ab, indem es sich nur wenig verwundete, und den Grafen zur Erden niederwarf. Darauf nahm Reymund seines Herrn Vetters Spieß, wollte damit das Schwein niederlegen, fehlte aber und stieß damit in seines Herrn Vetters Leib, zog ihn aber gleich wieder heraus und brachte das Schwein um, kehrte sich wieder zu seinem Herrn Vetter, fand ihn in Todesnöthen liegen und sah, wie er alsbald verschied.

Wie nun Reymund das jämmerliche Unglück, so er angerichtet, recht bedachte, fing er eine laute und bittere Klage an, raufte seine Haare aus, rang die Hände und weinte von Herzen, indem er ausrief:

Ach Glück! wie hast Du mich so arg belogen,

Reich machst Du arm, und Arme oft zu Reichen,

Dem magst Du Trost, dem andern Jammer reichen,

Dem bist Du Feind, und jenem dort gewogen.

Bös Glück! welch Leid hast Du mir zugewogen?

Ist noch ein Jammer meinem zu vergleichen?

Muß so der edle Vetter mein erbleichen?

Wollt’ ihn erretten, wurde schlimm betrogen.

Ich stieß ihn undankbar in sein Verderben,

Das Auge mußte, so die Hand auch fehlen,

Der eigne Speer von seinem Blut geröthet:

O könnt’ ich doch an seiner Seite sterben,

Denn so wird der Verdacht mich ewig quälen,

Ich habe gar mit Vorsatz ihn getödtet.

So klagte er in der Nacht und alle seine Sinne kamen in Verwirrung, er wußte nicht mehr, ob er die Mordthat mit Fleiß begangen hatte, und klagte sich selber auf das härteste an. Dann setzte er sich in Leid und Betrübniß wieder auf sein Pferd, wußte nicht wohin und ließ es ohne Lenkung und Führung freiwillig dahin gehn, wohin es nur wollte.

Es befand sich ein Brunnen im Walde, auf einem schönen freien Platz, der aus einem Felsen entsprang und den man gewöhnlich nur den Waldbrunnen nannte; hieher ging das Pferd mit Reymund, und beim Brunnen standen drei schöne Jungfrauen, die aber Reymund in seiner tiefen Betrübniß nicht bemerkte. Die jüngste und schönste von den dreien ging ihm entgegen, und sagte: nie ist mir ein solcher Ritter vorgekommen, der vor Damen vorbei reitet, ohne sie anzureden. Reymund aber trieb sein Klagen und Jammern weiter, so daß er gar nicht hörte, was sie sagte, worauf sie das Pferd beim Zügel fing und sprach: Ihr müßt wohl nicht aus adelichem Blute sein, denn sonst würdet Ihr uns nicht so stillschweigend vorüber reiten.

Nun erwachte Reymund erst aus seiner Betäubung und erschrak, als er ein so schönes Fräulein vor sich sah: er wußte nicht, war er lebend oder todt, oder war sie ein Gespenst, oder ein Fräulein. Er stieg aber alsbald mit der größten Behendigkeit vom Pferde herunter und sagte: ich bitte, Ihr wollet mir verzeihen, denn ich bin wohl ein Ritter und aus adelichem Blut, aber meine Unglücksfälle haben mich dermaßen erschüttert, daß ich vor tiefster Betrübniß Artigkeit gegen Damen aus den Augen zu setzen mich genöthigt sehe.

Sie antwortete: lieber Reymund, Euer Klagen und Euer Unglück thun mir sehr leid. Worüber er sich verwunderte, daß sie seinen Namen wußte und sagte: Wie könnt Ihr doch meinen Namen wissen, da ich Euch nicht kenne? Wie ist es denn möglich, daß Ihr Euch mit dieser großen Schönheit, edlem Leibe und trefflichen Angesichte hier allein im Walde befindet? Und wie kömmt es, daß mir mein Gemüth sagt, es würde mir durch Euch einiger Trost zukommen, ja daß ich schon, indem ich mit Euch rede, den süßen Klang der Stimme von diesen holdseligen Lippen vernehme, in zauberischer Gegenwart Eurer Lieblichkeit, meine Leiden gelindert fühle?

Das Fräulein sagte hierauf: theurer Reymund, habt Ihr gleich Euren Herrn Vetter und das Schwein umgebracht, und seid dadurch in große Noth gerathen, so ist dieses doch gegen Euren Willen geschehn und ich sage Euch hiermit, daß Euch Glück, Reichthum und Macht wird zu Theil werden, wie noch keinem jemals in Eurer Familie geschah, denn was Euer Herr Vetter geweissagt hat, das muß an Euch selber in Erfüllung gehn und es wird auch mit göttlicher Hülfe vollbracht werden.

Wie Reymund hörte, daß sie von göttlicher Hülfe sprach, wurde er noch beherzter, weil er nun glaubte, daß das Fräulein kein Gespenst, auch keine Heidin, sondern eine Christin sei, und sagte daher: aber mein schönstes Fräulein, wie wißt Ihr doch meinen Namen, oder welch ein Unglück mir begegnet ist, da ich Euch vorher niemals mit Augen gesehn habe, denn Ihr wart nicht zugegen, als das Unglück geschah, noch habe ich Euch vorher jemals bemerken können.

Sie sagte: tröstet Euch nur und seid allerdings unbekümmert, denn ich bin eben diejenige, durch welche das in Erfüllung gehn muß, was Euer Herr Vetter kurz vor seinem Tode geweissagt hat: zweifelt auch nicht daran, daß ich eine gute Christin sei, wie ich denn in der That merke, daß Ihr daran zweifelt, denn ich glaube alles, was einem guten Christen zu glauben zukommt, als daß Christus für unser Heil gestorben und an das bittre Kreuz genagelt ist, daß er nach dreien Tagen auferstanden, item, daß er der eingeborne Sohn Gottes ist, und so weiter, gen Himmel gefahren, nebst allen Dingen, die zu unsrer heiligen Religion gehören. Darum vertraut mir nur, und Ihr sollt so weise, reich und mächtig werden, wie es noch keiner je in Eurem Geschlechte gewesen ist.

Als Reymund dies gehört hatte, bekam er seinen Muth und auch seine Farbe wieder, denn alle Zweifel waren nun bei ihm verschwunden; er antwortete daher: holdseligstes und schönstes Fräulein, nunmehr bin ich bereit, alles das zu thun, was Ihr mir gebieten werdet, denn ich sehe wohl, daß es eine Schickung Gottes ist, und nichts anders: darum sagt mir nur, was ich thun soll, und wenn es nicht mein Vermögen oder meine Kräfte übersteigt, soll es gewiß in Erfüllung gesetzt werden.

Worauf das Fräulein antwortete: Reymund, Ihr sollt mir schwören, daß Ihr mich zum ehelichen Gemal nehmen wollt, aber an keinem Sonnabend weder nach mir fragen dürft, noch Euch sonst um mich bekümmern, sondern diesen Tag muß ich ganz ausdrücklich für mich behalten, worauf ich Euch aber wieder schwöre, nichts zu thun, noch mich an selbigem Tage irgend an einen Ort zu verfügen, der Eurer Ehre nachtheilig sein könnte.

Reymund schwur sogleich und sie fuhr fort: wenn Ihr diesen Euren Schwur jemals brecht, so wird es Euch selbst zum Nachtheil gereichen, denn Ihr werdet dadurch an Gut und Ehre, an Land und Leuten merklich abnehmen; auch werdet Ihr mich selbst verlieren. Reymund schwur noch einmal und versprach, ihr in allem zu gehorchen, worauf sie ihm sagte, daß er nach dem Schlosse zurück reiten möge, und sagen, daß er seinen Herrn Vetter im Walde verloren habe und nicht wisse, wohin der gekommen sei, man werde diesen hierauf suchen, finden und mit vielen Wehklagen begraben. Dann würden alle Vasallen erscheinen, den jungen Grafen Bertram für ihren Lehnsherrn erkennen, und die Lehn von ihm begehren, zu diesen solle er sich auch begeben und zum Lohn für seine Dienste nur so viel Landes bitten, als man mit einer Hirschhaut umschließen könne, welches ihm jener gewiß nicht versagen würde; er solle aber nicht vergessen, sich hierüber eine schriftliche Versicherung mit allen Siegeln ausfertigen zu lassen. Reymund würde hierauf einem Manne mit einer Hirschhaut begegnen, dem er sie abkaufen müsse, ohne zu handeln, diese müsse er in die dünnsten Riemen schneiden lassen, sie in einem Büschel zusammenlegen, und sich am Tage der Vergabung damit nach dem Waldbrunnen begeben, hier solle er mit dem Riemen dann so viel Land umfassen, als ihm nur möglich wäre. Nach allem diesen zeigte sie ihm noch den rechten Weg nach dem Schlosse und bestimmte ihm einen Tag, an welchem er sie wieder am Brunnen im Walde sprechen könne.

Reymund empfahl sich ihr, versprach alles auszurichten, wie sie es ihm befohlen und eilte alsdann nach dem Schlosse zurück. Als er des Morgens dort ankam, fragte ihn jedermann nach dem Grafen seinem Herrn; er aber sagte, er habe ihn im Walde verloren, wisse nichts von ihm, könne also auch keine Nachricht ertheilen. Endlich kamen des Grafen Diener alle von der Jagd wieder zurück, keiner von allen wußte vom Grafen. Da entstand im Hause ein großes Wehklagen, besonders von den Kindern und der Gräfin ihrer Mutter. Die Diener wurden ausgeschickt, das Holz wurde durchsucht und endlich fand man auch den Leichnam neben dem todten Schwein. Sie brachten ihn in das Schloß und das Wehklagen und das Jammern vermehrten sich noch um ein Großes: wurde dem todten Grafen hierauf ein köstliches und ehrliches Begräbniß angestellt, die Glocken geläutet, alt und jung versammelt und in Thränen, der Mann allgemein bedauert, und Männer und Frauen, Geistliche und Weltliche in schönen Trauerkleidern zugegen, alle hoch und tiefbetrübt, vorzüglich Reymund, wie es ihm das Fräulein im Walde gerathen hatte.

Als der Graf begraben war, kamen alle Vasallen und Lehnsleute zu seinem Sohne, um die Lehn von ihm zu empfangen, unter diesen auch Reymund, der so, wie ihn Melusina unterwiesen hatte, nur um so viel Landes beim Waldbrunnen bat, als er mit einer Hirschhaut umschließen könne. Dem Bertram schien dies für seine langen und getreuen Dienste eine geringe Belohnung, hielt ihn überhaupt für im Kopfe verwirrt, und sagte ihm also mit verbißnem Lachen dieses Erdreich zu. Ließ hierüber auch ein Dokument mit seinem Siegel und Petschaft ausfertigen, so daß nachher kein Streiten darüber möglich war. Denselben Morgen noch kaufte Reymund die Hirschhaut, die er in einen langen und ganz dünnen Riemen schneiden ließ und als dies gethan war, ging er wieder zum Grafen Bertram, ihn zu bitten, ihm nunmehr die versprochne Gabe durch einige seiner Räthe überantworten zu lassen.

Sogleich wurden einige von den Räthen mit ausgeschickt, und Bertram lachte innerlich, daß jener sein Besitzthum einer Hirschhaut so eifrig betrieb. So kamen die Räthe mit Reymunden zum Waldbrunnen, und verwunderten sich über die maßen als sie sahn, daß er die Hirschhaut zu einem ganz dünnen Riemen geschnitten hatte. Zwei unbekannte Männer nahmen hierauf den Riemen, steckten einen Pfahl in die Erde, und umzogen nun mit den Faden viel Holz, Wiesen und Felsen, den Waldbrunnen und eine große Weite des Thals, in welchem ein angenehmer Bach floß. Die Räthe waren gar sehr erstaunt, mußten aber den Vertrag halten, welchen Graf Bertram mit seinem Wappen untersiegelt hatte. Die Räthe kamen hierauf zum Grafen zurück und erzählten ihm, was vorgefallen, die Hirschhaut sei ganz in einen dünnen Riemen zerschnitten, zwei unbekannte Männer hätten damit viel des Gebiets beim Waldbrunnen umschlossen, es habe geschienen, als wenn der Riemen sich immer mehr auseinandergezogen, je weiter sie gegangen, auch sei ihnen das ganze Revier viel größer vorgekommen, als es ihnen wohl ehemals geschienen. Worauf der Graf antwortete: Es ist eine fremde Sache und mag wohl ein Gespenst sein, denn ich habe oft sagen hören, daß fremde Wunder bei dem Waldbrunnen geschehn sein, gebe Gott nur, daß es zu seinem Besten ausschlage, denn er ist doch unser Vetter und naher Verwandter, ist immer besser, als wenn er im Haupte verwirrt wäre, wie ich anfangs gedachte, so ist er aber klüger, als man von ihm denken mochte, dürfen es ihm auch nicht mit Gewalt wieder nehmen, weil er unsre Unterschrift und Siegel hat. Reymund ging hierauf selber noch zum Grafen, um ihm für die empfangene Gabe Dank zu sagen, der ihn auch sehr freundschaftlich empfing.

An dem bestimmten Morgen ging Reymund ganz in der Frühe wieder zum Waldbrunnen, wo er auch schon seine geliebte Melusina, seiner wartend, antraf, die ihm mit den Worten entgegen kam: sei mir gegrüßt, Reymund, Du bist ein weiser und vernünftiger Mann, denn Du hast alles so ausgerichtet, wie ich es Dir gerathen habe. Hierauf gingen sie in eine Kapelle, wo sie viel schönes Volk, Frauen, Ritter, Knechte, Priester und kostbar gekleidete Leute sahen. Reymund verwunderte sich und fragte, wo alles das Volk hergekommen sei? Melusina antwortete: wundere Dich nicht darüber, denn es ist alles das Deinige und sie sollen Dir auch ihre Ehrerbietung bezeigen. Hierauf wendete sie sich zu den Leuten und befahl ihnen, den Reymund als ihren Herrn anzuerkennen, und ihm Treue, Gehorsam und Liebe zu geloben, welches sie auch alle sogleich mit großer Freude und aller Unterwürfigkeit thaten.

Reymund wollte noch immer nicht seinen Augen trauen, dachte: wo krieg’ ich all dergleichen Volk her? wobei er innerlich zu Gott betete, weil er meinte, es dürfte das ganze Wesen nur ein schlimmes Gespenst sein. Melusina weckte ihn bald aus diesen Gedanken, indem sie zu ihm sagte: Reymund, nicht eher sollst Du ganz meinen Stand und mein Wesen erkennen und erfahren, bis ich Dein ehliches Gemal bin. Worauf Reymund sagte: ich bin bereit, Euren Willen zu allen Zeiten zu erfüllen. Nun wohlan, sprach Melusina, so wollen wir unsre Hochzeit auf künftigen Mondtag ansetzen, doch muß es dabei eine ganz andere Gestalt haben und ehrlich zugehn, so daß wir alle Gebräuche erfüllen, die dabei üblich sind; lade daher Gäste und Zeugen ein, und sorge nicht, daß es an Speis und Trank, oder irgend einer Ergötzlichkeit fehlen dürfte, denn ich will alles besorgen.

Reymund ritt hierauf wieder nach dem Schlosse seines Vetters, des Grafen Bertram, zurück, er fand ihn bei seiner Frau Mutter, trat vor beide hin, machte einen zierlichen Reverenz und sagte: Gnädiger Herr Vetter, auch gnädige Frau, es ist billig, da ich Euer Verwandter und Diener bin, Euch meine Geheimnisse nicht länger verborgen zu halten, muß Euch also sagen, daß ich mir eine Frau nehmen will, und die Hochzeit am nächsten Mondtage beim Waldbrunnen zu feiern gesonnen bin, bitte Euch also beiderseits demüthig, mir die Ehre zu gönnen und dabei Eure persönliche hohe Gegenwart zu schenken.

Der Graf antwortete hierauf: Mein lieber Herr Vetter, Euch zu Ehren und zu Liebe will ich herzlich gern dahin kommen, auch mit anständigem Gefolge, hoffe auch, daß meine Frau Mutter mit mir gehen wird; doch muß ich fragen: wer ist Dero Frau Gemalin, oder von wannen ist sie, denn es wäre nicht gut, wenn sich mein Herr Vetter durch eine zu schnelle Heirath unglücklich machte. Aus welcher Gegend und von welchem Geschlechte ist sie? denn ich möchte auch gern wissen, ob sie denn wohl adlich sei, da ich Euch zu Ehren mit Gefolge und meiner Frau Mutter auf Eure Hochzeit kommen will.

Reymund antwortete: Herr Vetter, es kann nicht geschehn, es jetzt zu sagen, denn ich weiß es dermalen selber noch nicht, ich weiß auch nicht von wannen sie ist, oder was sonst ihr Wesen sein mag, begnügt Euch damit, sie Mondtags in ihrem Stande zu sehn.

Der Graf antwortete: Herr Vetter, das ist ziemlich wunderlich, daß Ihr ein Weib nehmt, welches Ihr selbst nicht kennt, ich fürchte, daß Ihr angeführt werdet, wie es schon so manchem ergangen ist, und komme fast auf meine erste Vermuthung zurück, daß Ihr im Haupte verwirrt sein mögt. Ihr nehmt mir diesen meinen guten Rath nicht zum übeln, denn es geschieht nur deswegen, weil ich zu Eurer Hochzeit kommen soll und da fiele die Schande nachher auch mit auf mich.

Reymund antwortete: Herr Vetter, Eure Warnung nehme nicht sonderlich übel, weil Ihr meine Gemalin nicht kennt, die so schön und klug ist, daß sie ohne Zweifel von hoher Abkunft sein muß, bin übrigens im Haupte recht gescheidt, trotz dem Besten im ganzen Lande und zu jeder Probe erböthig, will übrigens die Frau selber heirathen und keinen andern dazu überreden, steht sie mir an, so ist es gut, ist sie mir schön und edel genug, so hat Niemand weiter etwas darnach zu fragen, gräme mich auch nicht übermäßig, wenn Ihr nicht zu meiner Hochzeit kommen wollt, denn ich werde schon andre und nicht minder gute Gäste zu finden wissen.

Es war nicht so gemeint, mein lieber Herr Vetter, antwortete hierauf der Graf behende, denn er furchte sich; ich und meine Frau Mutter und die meinigen wollen zur Hochzeit kommen, und rechnen es uns zu sonderbarer Ehre dazu geladen zu sein. Wofür sich denn Reymund mit vielen und höflichen Worten bedankte.

Am Mondtag Morgen ritt der Graf Bertram mit seiner Mutter und seinem Hofgesinde aus, nach dem Waldbrunnen zu; man unterredete sich unterwegs davon, wie man wohl keine Herberge finden dürfte, weder für Pferde noch Menschen, noch auch Speise und Trank in gehörigem Maaß, oder andre Ergötzlichkeit, indessen tröstete sich der Graf und meinte, ein schlimmer Tag würde bald vorübergehn. So zogen sie durch den Wald und als sie auf den offnen Platz zu den Felsen kamen, zeigten sich zwischen den Bäumen viele schönen Zelter auf dem grünen Boden aufgebaut, allenthalben sah man einen großen Rauch aufsteigen vom Kochen und vom Braten, eine Menge Volks in schönen Kleidern war zugegen, die Zelter prangten mit Fähnlein und buntgemalten Wappen, liebliche Musik erscholl, die Köche waren bei den Backöfen und in den Küchen geschäftig, adliche Herrn und Damen sah man auf dem reizenden Plan hin und wieder spazieren. Alle dachten, es möchte wohl ein Gespenst sein, was sie sahen, als ihnen sechszig treffliche Ritter entgegen kamen und sie im Namen des Bräutigams und der Braut begrüßten, worauf sie sie zu Reymunden selber brachten, der ihnen vor allen übrigen Gästen die zugegen waren, die größte Ehre erwies.

Die Pferde wurden ihrerseits an die Krippen gezogen, wo man ihnen schönen Haber vorlegte, Frauen und Jungfrauen kamen der Gräfin entgegen, um sie zu empfangen, worüber sich diese nicht genug verwundern konnte, da sie sich an diesem seltsamen Orte dergleichen Aufnahme nicht versehn hatte. Reymund führte hierauf die Gäste in seine Wohnung, wo auch eine Kapelle war, reich mit mancherlei Kleinodien ausgeziert. Nun wurde zur Brautmesse geläutet, und das schöne Fräulein Melusina trat in allem ihrem Schmucke herfür, so daß aller Augen von ihrem Glanze wie von ihren Reizen geblendet wurden; ein feines Gewand schloß sich an den edlen Wuchs der Glieder, und wie die Sommerlüfte spielend um sie wehten, flossen in zarten Wellen die Falten des Gewandes, als wenn die Göttin aus dem Meere gestiegen wäre und so eben die letzten Wogen von ihr niedergleiten wollten: ein Blumenkranz verschönte das Haupt, und den Busen trug sie frei, auf dessen Glanz die reichen Kleinodien mit unterschiedlichen Farben schimmerten. Nun erhoben sich auch die fröhlichen Saitenspiele, auch Musik mit Flöten und Posaunen, alle Sinne der Gäste waren geblendet und in Entzücken und der Graf Bertram sagte in seinem Herzen: dieses ist warlich eine Hochzeit, die sich sehen lassen darf.

Hierauf wurd Reymund in der Kapelle von einem vornehmen Bischoffe mit seiner geliebten Braut vermält. Dann verfügte man sich an die Tafel, wo die köstlichsten Speisen und die schönsten Weine für alle im Ueberflusse da waren. Allen gefiel das und es war keiner, der nicht mit Appetit das Essen zu sich genommen, denn es war überdies vortrefflich zubereitet. Nach der Tafel wurde man erst fröhlich, da fing auf dem Plan ein Stechen und Thurnieren an, bei welchem sich Reymund mit seiner Geschicklichkeit vorzüglich auszeichnete. Hier wurden viele köstliche Kleinodien gewonnen, welche die edle Melusina zu Preisen ausgesetzt hatte; die Damen empfanden über die Uebungen der jungen Ritter ein großes Vergnügen.

Am Abend war wieder ein herrliches Mahl zubereitet, man setzte sich wieder zu Tische, aß und trank und machte mit schönen Worten Spas, der selten ist. Darnach wurden die Tänze angefangen, die bis tief in die Nacht währten.

Als nun die Zeit gekommen war, daß die Braut zu Bett gebracht werden sollte, so wurde sie von schönen Frauen in das Schlafgemach geführt. Hier stand ein prächtiges Bett, das mit Lilien besteckt war, schöne Teppiche und Vorhänge von der seltensten Stickerei zierten das Gemach, nicht minder treffliche Mahlereien. Hier sah man in den lebhaftesten Farben die nackte, badende Leda und den schneeweißen Schwan, der sich liebkosend an sie schmiegte, indeß sie verwundert und entzündet mit durstenden Lippen in der Luft nach erwiedernden Küssen suchte: hier entsprang die Göttin der Liebe aus der Flut und schwimmende Najaden brachten ihr Korallen und Lobgesänge entgegen. Dort war Mars im Netze mit der Venus in einer Stellung festgehalten, die die Blicke der lüsternen Götterschaar entzückte. Hier badete Galatea und die Wellen schmiegten sich zärtlich zu ihren Füßen und ein schelmischer Widerschein fing das Bildniß der lieblichen Gestalt auf. So waren noch andre treffliche Gemälde und Darstellungen und das Zimmer war außerdem reich und kostbar verziert. Die edlen Frauen entkleideten die Braut, wobei sie sich selber über ihre Schönheit verwunderten und dem Bräutigam Glück wünschten, worauf sie sie in das Bett legten. Nun wurde auch Reymund hereingeführt, der sich alsbald zu seiner Melusina begab, worauf der Bischoff hereintrat, um sie beide einzusegnen. Er erstaunte über die Trefflichkeit des schönen Gemachs und sagte: Ihr habt da gar herrliche Schildereien, edler Herr, es ist ein wahres Wunder für die Augen. Als er dieses gesagt hatte, segnete er sie ein und betete viele schöne Gebete über ihnen.

Einige von den ältern Gästen begaben sich nunmehr auch zur Ruhe, die jungen aber blieben beim Tanzen munter, andre lustwandelten einsam mit ihrer Geliebten in dem grünen Labyrinth der Büsche, andre Damen und Ritter versammelten sich in der Nähe des Brautgemachs, um den Neuvermälten einige süße Lieder zu singen. Eine Stimme begann bei einem leisen Klang der Instrumente:

Wann die Rosenzeit gekommen,

Spielt um sie die warme Luft,

Ihnen ist die Furcht benommen,

Sie ergießen süßen Duft.

Winde buhlen mit den Rosen,

Willig bricht die Knospe los,

Eilt entgegen süßem Kosen,

Oeffnet lachend ihren Schoos.

Hierauf sang eine andre Stimme:

Zarte Arme zum Umarmen,

Lippen für den süßen Kuß,

Busen daran zu erwarmen,

Leib zum herrlichen Genuß.

Rosen, Lilien, sind verstreuet

Auf den wundersüßen Leib,

Und der Liebe Gunst erfreuet

Bräutigam und junges Weib.

Das Chor der Frauen sang lieblich, indessen die Instrumente ihre Töne erhoben:

Du bist nun ohne Hülfe eingefangen,

Und mußt dich, Braut, dem stärkern Mann ergeben,

Drum sei zufrieden, unterlaß dein Bangen,

Geküßt gieb Küsse wieder ohne Beben,

Die Zeit des Mädchenstandes ist vergangen,

Du lernst ein liebend und geliebtes Leben,

Drum magst du dich wohl seiner Weisung fügen,

Anfangs besiegt wirst du am Ende siegen.

Das Chor der Männer stimmte an:

Nein, keiner wird den Sieg von beiden haben,

Und beide werden schönen Sieg gewinnen,

Sie theilen ohne Neid die süßen Gaben,

Und jeder reißt des andern Geist von hinnen,

Sie kriegen nun, am Frieden sich zu laben,

Indessen sie auf neue Tücke sinnen,

Doch keiner hat des Friedens Ruh verschworen,

Aus Zwietracht wird die Eintracht hold geboren.

Nun vereinigten sich die verschiedenen Stimmen in einen einzigen Chor und sangen frohlockend:

Es streift die Liebe durch den Duft der Linden,

Der Glanz der Sterne küßt die Blum’ im Stillen,

Sehnsucht und Lieb’ des Himmels Räum’ erfüllen,

Innbrünst’ger Wunsch seufzt in den nächtgen Winden.

In einen Kuß müßt ihr all’ Sinne binden,

In einen durstgen Blick Begier und Willen,

Nun gilts nicht Seel’ und Leib mehr zu verhüllen,

Und wundersüße Gaben sollt ihr finden.

Ein süß Erstaunen fesselt Herz und Sinnen.

Die Liebe brennt in Augen, Lippen, Händen,

Die Küsse küssen sich, nicht mehr verschieden.

Ungleiche Waffen? Wer wird da gewinnen?

Der Sieg will sich nach keiner Seite wenden,

Sie sind im Kämpfen einger als im Frieden. —

Dergleichen Lieder wurden noch mehr gesungen. Melusina lag indessen beim Reymund und sagte zu ihm mit lieblicher Stimme: ich bin nun ganz die deinige, mein herzliebster Gemal und Freund, und muß mich in allen Dingen deinem Willen fügen, nur mußt du deinen Schwur, den du mir gethan, niemals brechen, sonst kommst du von Glück in Unglück, von Ehre in Elend. Reymund bestätigte ihr seine Treue noch einmal, worauf sie in dieser Nacht von ihm mit einem Sohne schwanger wurde, den sie nachher Uriens nannten.

Diese Hochzeit währte mit allen ihren Festlichkeiten zwei Wochen hindurch, nach welcher Zeit Melusina aus einem helfenbeinernen Schranke eine Menge kostbarer Kleinodien nahm und jedem der anwesenden Gäste ein herrliches Stück verehrte, vorzüglich aber dem Grafen und seiner Frau Mutter, auch die Dienerschaft wurde mit Geschenken bedacht, worauf sich denn alle Gäste wieder unter vielen Danksagungen entfernten. Auch der Graf Bertram und die Seinigen nahmen freundlichen Abschied, welche Reymund mit vielen von seinen Leuten zu Pferde begleitete. Der Graf hätte den Reymund gern nach dem Stande der Melusina gefragt, aber er furchte sich vor ihm, von wegen seiner neulichen Antwort; Reymund dankte ihnen nochmals für die erwiesene Ehre, beurlaubte sich mit aller Höflichkeit und ritt zurück.

Zweite Abtheilung.

Reymund kam zurück zur Melusina, küßte sie freundlich und sagte: Allerliebste Gemalin, womit sollen wir uns nunmehr die Zeit vertreiben? Melusina antwortete: ich hoffe, Gott wird uns mit allem dem versehn, was wir nur bedürfen.

Nach einigen Tagen fing Melusina einen großen und prächtigen Bau an, über welchen sich die ganze Nachbarschaft verwunderte, denn noch niemals hatte man ein so mächtiges Kastell und in so geringer Zeit aus seinem Fundamente heraufsteigen sehen. Sie bezahlte die Arbeiter reichlich und auch gleich baar, wodurch sie alle die Lust zum Baue behielten. In weniger als einem Jahre stand ein großes und festes Schloß mit seinen Zinnen, Wällen, Zugbrück und sehr tiefen Gräben da, welches nach seiner Festigkeit fast für unüberwindlich gehalten wurde, und welches sie Lusinia nannte, wodurch sie gleichsam auf ihren eignen Namen anspielend deutete.

Nach neun Monaten gebar Melusina einen Sohn, der Uriens genannt wurde, und der sonst wohlgestaltet war, nur befand sich sein Angesicht seltsam eingerichtet, denn dieses war kurz und breit, mit einem rothen und einem grünen Auge, einem sehr weiten Mund, und hatte darneben noch große herabhangende Ohren: sonsten war seine übrige Gestalt adelich und fein und er wuchs nachher zu einem schönen und tapfern Ritter auf.

Im folgenden Jahre gebar Melusina wieder einen Sohn, der Gedes getauft wurde; dieser hatte eine solche Röthe in seinem Antlitze, daß sie ordentlich einen Widerschein gab, sonst war er übrigens von edler Bildung. Hierauf wurde von der Melusina ein anderes Schloß, Favent, gebaut, hernach legte sie der Mutter Gottes zu Ehren ein Kloster aus Andacht an, welches sie Malliers nannte; zuletzt aber baute sie eine ganze Stadt, Portenach.

Darauf gebar sie wieder einen Sohn, der war zwar schön, doch stand ihm das eine Auge höher als das andre, und wurde Gyot genannt. Worauf sie wieder ein Schloß bauen ließ, mit einer sehr schönen und kunstreichen Brücke über den Strom allda. Dann brachte sie wieder einen Sohn zur Welt, der Antoni geheißen wurde und der eine Löwenklaue auf dem Backen mit auf die Welt brachte, auch war er sehr wild und ganz rauch von Haaren, und als er größer wurde, mußte sich jedermann vor ihm fürchten, welcher ihn sah.

Dann gebar sie wieder einen Sohn, den Reinhardt, der nur ein Auge mitten auf der Stirne hatte, damit aber so viel sah, wie andre mit zweien und nachher sehr brav und tapfer wurde. Nicht lange gebar sie wieder einen andern Sohn, den Geoffroy; dieser kam mit einem großen Zahn zur Welt, der ihm fast wie ein Eberzahn aus dem Munde heraus stand, dieser wurde nachher ein sehr tapfrer Ritter, hatte aber einen mehr wunderlichen Sinn, als alle seine Brüder zusammen genommen. Reymund sagte bei dieser Gelegenheit zu seiner liebsten Gemalin: werthe Frau, was bringst du mir doch für seltsame Kinder zur Welt? soll denn kein einziger ohne einen Makel erfunden werden? Sonderlich betrübt mich dieser Geoffroy mit dem Zahn, denn er erinnert mich an mein ehemaliges Unglück mit meinem Herrn Vetter und an das Schwein; ich fürchte immer, daß uns durch diesen Sohn irgend ein Leid zustoßen wird. Melusina antwortete: wir wollen ihn in der Furcht des Herrn erziehn und er wird ein wackrer Ritter werden.

Darnach gebar sie wieder einen Sohn, den Freymund, der von schöner Leibesgestalt war, aber auf der Nase einen haarigen Fleck, fast wie ein Stück Wolfshaut, hatte. Nicht lange, so bekam sie noch einen Sohn, Horribel, derselbe hatte drei Augen und war von bösen Sitten und argem Gemüth. Dann kam der Dietrich zur Welt, der ein großer Ritter wurde, und zuletzt ein Sohn, den sie Reymund nannten.

So hatte Melusina nun zehn Söhne, als:

1) Uriens, mit schlechtem Antlitz, einem rothen Auge und langen Ohren.
2) Gedes, mit der Röthe im Angesicht.
3) Gyot, ein Auge höher als das andre.
4) Antoni, eine Löwenklaue auf der Wange.
5) Reinhardt, nur ein Auge auf der Stirn.
6) Geoffroy, mit dem Zahn.
7) Freymund mit der Wolfshaut auf der Nasen.
8) Horribel, der drei Augen hat.
9) Dietrich, ohne Fehl.
10) Reymund, ohne Fehl.

Als der älteste Sohn Uriens, der mit dem schlechten Antlitz und langen Ohren, zu seinen erwachsenen Jahren gekommen war, begehrte er ein berühmter Ritter und Kriegsmann zu werden und sein Glück in der weiten Welt zu versuchen. Da ihm nun sein Sinn darnach stand, so rüstete er ein Schiff aus, welches er eine Galeere nannte, nahm viel Volks mit, von seinen Eltern Abschied, und ihn begleitete sein jüngerer Bruder Gyot, dem ein Auge höher, als das andere stand. So begaben sie sich auf das hohe Meer, und versahen sich auch mit Gold und Silber, von dem Segen Reymunds, wie der Melusina begleitet.

Sie richteten ihre Seefahrt nach Famagusta, der Hauptstadt des Königreichs Cypern, wo sie Anker warfen und an das Land stiegen. Hier vernahmen sie, daß ein heidnischer König diese Stadt mit einer großen Menge Volks belagert hielt und den christlichen König von Cypern hart bedrängte, worauf sie sich vornahmen, diesem beizustehn. Schlugen also ihr Lager im Angesicht der Feinde in der Nähe der Stadt auf, und erwarteten eine günstige Gelegenheit, ihre Tapferkeit zu zeigen; die Heiden aber waren ungewiß, ob sie dieses fremde Volk für Heiden oder für Christen halten sollten. Der Heide zog daher aus Vorsichtigkeit sein Volk zusammen, ob er etwa überfallen werden möchte, worauf der König von Cypern, der dieses aus der Stadt wahrnahm, meinte, jener wolle sich zur Flucht bereit machen, daher er die Thore aufmachen, Fahnen vortragen und die Trompeten fröhlich blasen ließ, indem er mit aller Macht in das heidnische Lager einbrach. Die Heiden aber wehrten sich tapferlich, und brachten viele der Christen um, der König von Cypern selbst wurde von einem vergifteten Pfeile getroffen, so daß er augenblicklich spürte, die Wunde würde tödtlich sein. So mußten sie sich alle mit großem Verlust in die Stadt zurück begeben.

Der König hatte eine schöne Tochter, Hermina genannt, welche heftig erschrak, als sie ihren Herrn Vater auf diese Weise zurück kommen sah, von dem vergifteten Pfeile verwundet, besonders, da sie hörte, daß er von dieser Wunde nicht wieder aufkommen könne; sie klagte und weinte, aber ihrem von dem vergifteten Pfeil getroffenen Vater war damit nicht geholfen, sondern seine Leiden wurden dadurch nur vergrößert.

Indessen der König auf dem Kranken- und Sterbelager klagte, griff Uriens nebst seinem Bruder die Heiden mit solcher Tapferkeit an, daß sie bald erschraken und nicht wußten, wie ihnen geschah, so daß sie sich genöthigt sahen, zurück zu weichen, weil ihnen eine solche Tapferkeit bis dahin noch nicht vorgekommen war. Uriens aber that noch mehr, er drang bis zu dem Heidenkönig hindurch, schwang sein Schwert, und hieb ihm ohne weiteres den Kopf herunter, so daß der übrige Leib ebenfalls gezwungen wurde, aus dem Sattel zu fallen. Wie die Heiden dergleichen Beginnen wahrnahmen, verloren sie vollends gar den Muth und suchten ihr Heil in einer unordentlichen und übereilten Flucht; damit war ihnen aber wenig geholfen, denn nun schlugen die Christen dermaßen unter sie, daß die meisten auf dem Platze blieben und nur die wenigsten mit dem Leben davon kamen. Nachdem so der Streit geendigt war, ruhte Uriens mit seinem Bruder Gyot im Lager der Feinde von dem vielen Fechten aus, denn die Helden waren von dem Erschlagen der Heiden müde geworden.

Als der König diese Thaten und die Niederlage seiner Feinde vernahm, freute er sich, ob er gleich dem Tode so nahe war, schickte also seine Abgeordneten nach den beiden Brüdern, die um Entschuldigung bitten mußten, daß er nicht selber komme, um ihnen seine persönliche Aufwartung zu machen, er liege aber an einer Wunde von einem vergifteten Pfeile dermaßen darnieder, daß es ihm unmöglich falle; sie möchten daher von der Güte sein, ihn in seinem königlichen Pallaste zu besuchen, bevor er gar gestorben wäre. Die beiden Brüder antworteten: daß sie ihre Schuldigkeit nicht unterlassen würden, vor der hohen Gegenwart seiner königlichen Majestät zu erscheinen, worauf sich die Abgeordneten zurück begaben, und Uriens sich mit seinem Bruder Gyot alsbald in die Stadt Famagusta verfügte. Als sie in die Stadt anlangten, verwunderte sich das Cyperische Volk sehr über das seltsame Aussehn des Uriens und daß er, ohnerachtet seines Angesichtes, solche Wunder der Tapferkeit zu verrichten im Stande sei: er merkte, daß sie über ihn erstaunten und begab sich in den Pallast des Königs, wo er diesen übel zugerichtet und von dem vergifteten Pfeile am ganzen Leibe geschwollen im Bette liegend antraf. Er grüßte den König und beklagte ihn wegen seines Unfalls, worauf ihm der König dankte und sagte, daß ihm die ganze Christenheit Preis, Lob und Verbindlichkeit schuldig sei, indem er auf solche Weise unter die Heiden gewüthet, daß sie es auf lange empfinden würden. Zugleich fragte der König, von wannen sie beiden gebürtig wären? Uriens sagte, wie er Uriens heiße und in Lusinien geboren sei. Worauf der König wieder antwortete: da ich nun meines tapfern Herrn Namen und Geschlecht so umständlich weiß, so will ich nicht länger eine Bitte zurück halten, die ich vorzutragen habe: ich bin nämlich des Willens, Euch, mein edler Ritter, ein großes Glück, viel Ehre und Reichthum zuzufügen; ich habe nur eine einzige Tochter, Hermina genannt, an welche mein Reich, so wie mein ganzes Vermögen fällt, wenn ich, will’s Gott bald, an meiner vom vergifteten Pfeil empfangenen Wunde gestorben sein werde, dabei wünschte ich, mein Reich in den Händen eines tapfern Ritters zu wissen, weil es dem Heidenthum so nahe liegt, daß es durch dieses täglich beschädigt werden kann; ich weiß keinen bessern Ritter als Ihr seid, darum bin ich gesonnen, Euch mein Reich so wie meine Tochter zu übergeben.

Uriens bedankte sich höflich, sagte: er wäre es zwar durchaus nicht würdig, wolle sich aber nicht weigern, die königlichen Befehle zu vollführen. Ueber diese Antwort war der König sehr froh und zufrieden, er ließ alsbald seine Tochter zu sich kommen und auch die Räthe seines Reichs vor sich versammeln, zu welchen er sprach: Ihr wißt, wie ich bisher mein Reich mit bewaffneter Hand gegen die Heiden beschirmt habe, doch dieses kann von nun an nicht mehr geschehn, indem ich durch einen vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet bin, ich verlange also von Euch, daß Ihr meine Tochter Hermina als Eure Oberherrschaft in meiner Gegenwart, bevor ich sterbe, anerkennt, denn sie ist meine einzige und rechtmäßige Erbin. Die Räthe und Landesherren thaten, was er begehrte, worauf der sterbende König also fortfuhr: ein Weib aber kann unmöglich durch ihre eigene Kraft ein Königreich beschützen, welches eine so gefährliche Lage hat, indem es fast zu nahe an das wilde Heidenthum gränzt, ich verlange daher, daß meine einzige Tochter Hermina sich mit einem Ehegemal verbinde und da wüßte ich keinen tapfrern, und bessern, wenn ihm gleich die Schönheit des Angesichts abgeht, als den unvergleichlichen Ritter Uriens aus Lusinien, der die Heiden so trefflich bezwungen, ja ihrem Könige das Haupt heruntergeschlagen hat, ob ich gleich diese Freude nicht lange genießen werde, da ich auch durch einen vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet: Ich verlange also meine Tochter Hermina, daß Du diesem Ritter als Deinem Gemale die Hand reichest, und daß alle meine Räthe und Landesherren ihm als ihrem zukünftigen Könige huldigen sollen.

Die Landesherren thaten solches sehr gern, auch gab Hermina dem Uriens freiwillig ihre schöne Hand, worüber dieser im Herzen ungemein erfreut war. Das Volk in Cypern, als es diese Neuigkeit erfuhr, war sehr froh und vergnügt, denn Uriens gefiel ihnen allen, sie folgten ihm daher alle in die Hauptkirche, wo er mit seiner Braut Hermina vermält wurde. Zugleich ließ sich der verwundete König das heilige Sakrament geben, worauf er selig verschied, so daß die Hochzeit ohne Tanz und Saitenspiel gefeiert werden mußte; doch wurde der verstorbene König herrlich und mit aller Pracht in seinem Begräbnisse beigesetzt. Dann wurde Uriens zum Könige gekrönt.

Um diese nämliche Zeit fügte es sich auch, daß der König von Armenien sterben mußte, welcher ein naher Verwandter des Königs von Cypern war. Er hinterließ eine einzige sehr schöne Prinzessin, welche den Namen Florie führte; die hinterlassenen Räthe beschlossen, diese mit dem tapfern Gyot, dem Bruder des Uriens, zu vermälen, worein die Prinzessin selber auch gern einwilligte. Als es so weit gekommen war, schickte man eine Abgesandtschaft zum Könige Uriens von Cypern, die ihn ersuchen mußte, dem Reiche Armenien seinen Bruder Gyot als einen Herrscher zu überschicken, welches dieser auch sehr gern that, weil er dem Glücke seines Bruders nicht im Wege sein wollte. Worauf Gyot nach Armenien ging, sich mit der Prinzessin Florie verheirathete und zum König gekrönt wurde.

Beide Brüder unterließen es nach diesen glücklichen Vorfällen nicht, Boten mit Briefen zu ihren Eltern nach Lusinien zu schicken, wodurch diese alles erfuhren, was ihren lieben Söhnen begegnet war und sich von Herzen freuten, so daß auch Melusina, um sich gegen Gott dankbar und gefällig zu bezeigen, eine neue Kirche stiftete, nachdem sie schon viele andre gebaut hatte. Um die Zeit verheiratheten sie auch ihren Sohn Gedes, den mit der hohen Röthe im Angesichte, mit einer vornehmen Gräfin aus dem dortigen Lande.

Es währte nicht lange, so nahm auch Reinhardt, der nur ein Auge hatte, von seinen Eltern Abschied, um sein Glück in der Welt zu versuchen. Ihn begleitete Antoni, der zum Zeichen eine Löwenklaue auf der Wange trug; sie nahmen ebenfalls viel Volks mit sich. Diese tapfern Ritter gelangten auf ihrem Zuge nach Lützelburg, welches damals eben der König von Elsaß mit einer ansehnlichen Armee belagert hielt und schon im Begriff stand, die Stadt gar zu gewinnen. Dieser König hielt die Stadt aus bloßem Muthwillen belagert, denn er wollte durchaus die Herzogin von Lützelburg, die in der Stadt regierte, zu seiner Gemalin haben, sie aber war nicht dieser Meinung und deshalb suchte er ihre Stadt zu erobern, um sie selber dadurch zu gewinnen. So war also diese Prinzessin eine arme verlassene Waise und in größter Bedrängniß, welches die beiden Brüder von Lusinien nicht sobald gehört hatten, als sie, von Mitleid ergriffen, den Entschluß faßten, dieser unglückseligen Prinzessin mit ihrer ganzen Macht beizustehn. Sie wickelten also die Fahnen auf, stellten ihre Völker in eine gute Schlachtordnung, und griffen nun mit der Loosung Lusinien die Elsasser so beherzt an, daß viele von diesen in die Pfanne gehauen wurden. Antonius kam im Treffen mit dem Könige von Elsaß in ein einzeln Gefecht, worauf dieser entwaffnet wurde, und sich der König dem Antonius gefangen geben mußte. Reinhardt that hierauf noch dem übrigen Volke großen Schaden, so daß die Brüder eine herrliche und glänzende Schlacht gewonnen hatten.

Die Brüder ließen hierauf den gefangenen König durch sechs von ihren Rittern der Prinzessin von Lützelburg überantworten, welche sich über ein solches Präsent höchlich erfreute und dem Himmel, so wie den beiden tapfern Helden den besten Dank abstattete; sie erkundigte sich auch nach den Namen, Herkommen und Geschlechte der beiden Brüder und war sehr zufrieden, als sie solches alles erfahren hatte, denn sie faßte nun den Entschluß, in ihren Staatsgeschäften nichts ohne Mitwissen und Beistimmung der beiden Herren zu thun oder zu unternehmen. Sie ließ hierauf diese beiden tapfern Ritter nebst den vornehmsten aus ihrem Gefolge zu sich in die Stadt bitten, welche sich auch sogleich fertig machten, ihr in Lützelburg aufzuwarten. In der Stadt empfing sie das Volk in schöner Fröhlichkeit mit auserlesener Musik und trefflichem Klang von Instrumenten, Jubelgeschrei und dergleichen, weil sie durch die Brüder von dem Elsassischen Könige erlöst waren, der ihnen viel zu schaffen gemacht hatte. Zwei vornehme Landesherren aus Lützelburg erschienen hierauf und führten die beiden Herren auf das Schloß, wo die Fürstin ihnen mit den schönsten Damen, Fräulein, Pagen und Gefolge höflich entgegen kam und ihnen in den wohlgesetztesten Redensarten ihren Dank abstattete, außerdem aber eine prächtige und überaus köstliche Mahlzeit zurichten ließ, so daß nicht genug zu sagen ist, wie vergnügt die beiden Brüder waren.

Am Tische wurde der gefangene König von Elsaß oben an gesetzt, dann folgten die beiden Herren Antonius und Reinhardt, dann die vornehmsten Landesherren und die übrigen Gäste nach ihren Würden, den Brüdern aus Lusinien gegen über saß die schöne Fürstin, und so war man beim Essen und Trinken ausnehmend vergnügt, ausgenommen der gefangene König, der den großen Verlust seiner Leute und seiner Reichthümer nicht verschmerzen konnte.

Nach dem Essen wurde gebetet und darauf fing der gefangene König zu den Brüdern an: tapfre Ritter, bitte, mir nunmehr zu sagen, um welche Ranzion ich der Gefangenschaft entledigt sein soll, die ich gern entrichten will, um meine Freiheit nur wieder zu gewinnen. Antonius antwortete: Ew. Königliche Majestät ist nicht unser Gefangener, dieselben sind der Fürstin Durchlauchtigkeit von Lützelburg als ein Präsent übermacht, so daß wir nicht mehr über Euch schalten können, sondern Ihr gänzlich in die Willkühr dieser hohen Fürstin gestellt seid. Darüber erschrak der König über die maßen, denn er wußte, daß er durch sein Betragen die höchste Ungnade der Fürstin verdient hatte, fürchtete also gar, als ein gottloser Mann und unverschämter Liebhaber sein Leben zu verlieren. Da die Fürstin seine Verlegenheit sah, wandte sie sich wieder zu den beiden Brüdern, und sagte, daß die Ranzion des Königs gänzlich in ihrem Belieben stehe; sie hätten ihn gefangen, möchten daher auch seinen Preis bestimmen, gebe ihnen also hiemit ihr Präsent wieder zurücke. Worauf die Grafen antworteten: sie wollten ihn aller Ranzion entledigen, er solle fußfällig die Fürstin um Verzeihung bitten, versprechen, ihr nie in Zukunft mehr zur Last zu fallen, und allen ihrem Lande zugefügten Schaden zu ersetzen. Wie das der König hörte, wurde er froh und that sogleich freiwillig alles, was von ihm verlangt wurde.

Als dies geschehn und in Richtigkeit gebracht war, überlegte der König von Elsaß bei sich selber, wie fromm die beiden Brüder aus Lusinien wären, und wie edelmüthig sie sich gegen ihn bezeigt hätten, erinnerte sich auch, wie nach dem Boethius Undankbarkeit eins der größten Laster sei, nahm sich daher in seinem Gemüthe vor, nicht für undankbar zu gelten und sagte daher öffentlich im Beisein aller Landesherren: Wollte Gott, daß diese beiden Brüder die Stützen und Anführer des Fürstenthums wären, so würde weder ich noch ein andrer Feind jemals sich unterstehn, dieses Land feindlich zu überziehn; wenn ich rathen sollte, so möchte die durchlauchtige Prinzessin einem von diesen tapfern Brüdern ihre Hand und ihre Liebe reichen. Als die Landesherren dies hörten, freuten sie sich und waren derselben Meinung, redeten auch der Fürstin von Herzen zu, solches auszurichten, sie aber antwortete, daß sie dergleichen Vorschläge erst überlegen müsse.

In der Nacht erwägte die Fürstin alles bei sich, was sich zugetragen hatte, und da sie genau auf ihre Gedanken achtete, merkte sie, daß sie eine sonderliche Neigung zum Grafen Antonius in sich habe, dieses offenbarte sie auch am folgenden Tage und Antonius gab ihr seine Liebe zu erkennen, die er gleich im ersten Augenblicke zu ihr gefaßt hatte; so wurden sie dann einig und nach weniger Zeit mit einander getraut. Die Hochzeit währte unter vielen Ergötzlichkeiten eine ganze Woche hindurch und that sich beim Stechen der König von Elsaß ganz besonders hervor.

Als die Hochzeit vorüber und man eben unter vielen Danksagungen von einander scheiden wollte, erschien am Hofe ein schnellreitender Bote, der sogleich nach dem Könige von Elsaß fragte. Als dieser sich gemeldet, empfing er von dem Boten Briefe, über deren Inhalt er sehr erschrak und schmerzlich seufzte, worauf sich Antonius erkundigte, was in den Briefen enthalten sei. Der König sagte: ach Gott! mein Herr Antonius, mein Bruder, der König von Böhmen, schreibt mir hier, daß ihn der Türkische Kaiser mit einer gewaltigen Macht in seiner Hauptstadt Prag belagert halte, und daß er sich keiner Hülfe oder Entsatzes zu versehn habe, drum wende er sich in seiner Bedrängniß an mich und beschwöre mich bei meiner brüderlichen Liebe, zu seinem Beistande herzu zu eilen, denn sonst sei es gewiß um ihn, wie um sein Reich geschehn. Und nunmehr, fuhr der König von Elsaß fort, ist es meine eigne Schuld, daß fast alle mein Volk durch Euch, tapfre Fürsten, in die Pfanne gehauen ist, so weiß ich nun in der Eile meinem Bruder nicht sonderlich zu helfen.

Graf Antonius antwortete hierauf: Ew. Königliche Majestät kann sich versichert halten, daß die Türken aus dem Lande Eures Herrn Bruders herausgeschlagen werden sollen, denn mein Bruder Reinhardt soll mit Euch ziehn, mit der ganzen Macht, die wir aus Lusinien mit uns genommen; dazu will ich ihm noch Hülfsvölker aus meinem neuerworbenen Reiche geben, so daß es Euch beiden mit Gottes Hülfe gelingen soll, den König von Böhmen von seinen Feinden zu befreien. Sollte dieses aber noch nicht hinreichend sein, so laßt es mich nur durch einen schnellen Boten wissen, und alsbald will ich Euch selbst mit einer neuen Macht zu Hülfe ziehn.

Hierauf dankte der König mit sehr freundlichen Worten, und sagte: Sollte es uns gelingen, wie ich denn nicht zweifle, den Türken zu besiegen, so hat mein Bruder, der König von Böhmen, eine einzige Tochter, die er ohne meinen Rath und meine Einwilligung nicht verheirathet; diese verspreche ich hiemit, sie dem Grafen Reinhardt, Eurem Bruder, zu einer ehlichen Gemalin zu geben, wodurch er dereinst nach meines Bruders Tode König von Böhmen wird, da mein Bruder kein andres Kind hat.

Beide Grafen dankten hierauf dem Könige für seinen guten Willen, und Antonius war sehr vergnügt darüber, daß sein Bruder Reinhardt eine Aussicht auf ein Königreich hatte, welches er ihm von Herzen gerne gönnte. Er beschloß daher, um die Sache noch gewisser zu machen, sogleich mit seinem Bruder und dem Könige nach Böhmen dem Türken entgegen zu ziehen. Es wurde hierauf von ihnen eine große Macht zusammen gebracht und sie zogen damit durch Deutschland bis vor die Stadt Prag, welche der Türke eng belagert hielt.

Es war gerade an dem, daß der König von Böhmen einen kühnen und tapfern Ausfall gegen die Ungläubigen that, um sie von der Stadt abzutreiben, da wurde von beiden Seiten sehr tapfer gefochten, viele Heiden, aber auch viele Christen erschlagen und endlich mußten die Christen der türkischen Uebermacht weichen. Ja, was noch schlimmer war, der König von Böhmen, der sich sehr tapfer hielt und ungern den Rückzug anstellte, wurde mit einem Pfeile dergestalt durch den Leib geschossen, daß er sogleich todt zur Erden niederfiel. Wie die Böhmen ihren König gefallen sahn, wurden sie völlig sieglos und die Türken triumphirten, die Böhmen zogen sich in die Stadt zurück und die Ungläubigen blieben Meister vom Felde, worauf sie der Stadt Prag noch härter mit Belagern zusetzten.

Die heidnischen Türken nahmen hierauf in ihrem Uebermuthe den Leichnam des Königs von Böhmen, legten ihn vor den Augen der böhmischen Landesherren, die auf der Mauer standen, auf einen Scheiterhaufen und brannten ihn zu Pulver, welches jene nicht ohne Thränen ansehn, aber dennoch nicht verhindern konnten. Am meisten aber war die königliche Prinzessin Eglantina betrübt, als sie diese kläglichen Neuigkeiten vernommen hatte; sie rang die Hände, seufzte und sprach: ach! was soll ich arme, Vater- und Mutterlose Waisin doch wohl anfangen? Meine Mutter ist gestorben, so haben mir die Türken meinen Herrn Vater gar zu Pulver verbrannt, verderben mir Land und Leute, nehmen mein Königreich weg, und ich muß am Ende noch, ich Unglückseligste, den christlichen Glauben verläugnen und zum Heidenthume übergehn, um nur beim Leben zu bleiben, vielleicht muß ich gar einen Sohn oder Anverwandten des türkischen Kaisers heirathen, um nur bei Ehren zu bleiben.

Dergleichen Klagen verführte die Prinzessin Eglantina sehr viele und häufige, und es kam beinah so weit, daß sie sich in die Verzweiflung ergab, als ein Bote kam, der ihr zu ihrer größten Freude die Nachricht überbrachte: daß sich der König von Elsaß mit zwei Brüdern aus Lusinien in Frankreich und einem großen Heere der Stadt nahe, um sie zu entsetzen. Da dankte sie Gott von Herzen und hörte wieder auf den Trost, den ihr ihre Freunde zusprachen, brachte auch ihre Kleider und Haare wieder in Ordnung, die sie zuvor zerrissen hatte.

Die Türken waren eben dabei, im Sturm die Stadt gar zu ersteigen, als sie die Nachricht durch einen andern Boten erhielten, ein großes christliches Heer sei im Anzuge; darauf verwunderten sie sich, ließen vom Stürmen ab, beriefen die Trompeter zur Schlacht zu blasen, stellten sich in Ordnung, und wehrten sich gegen den tapfern Angriff der christlichen Heerschaaren. Das Treffen war sehr blutig, doch behielt endlich die gerechte Sache die Oberhand, sonderlich durch das großmüthige Betragen der beiden Brüder Antonius und Reinhardt, die unglaublich viel heidnisches Volk mit eignen Händen todtschlugen. Der türkische Kaiser wurde wüthend, da er seine Armee verlieren sah, und brachte wieder viele der Christen um, doch ersah ihn endlich Graf Reinhardt, stürzte sich auf ihn und hieb ihm nach einem kurzen Kampfe und einiger Verwundung seinen Kopf völlig herunter. Als das die Türken wahrnahmen, wurden sie ganz sieglos und begaben sich auf die Flucht; so behielten die christlichen Fahnen das Feld, und der König von Elsaß ließ hierauf auch einen großen Scheiterhaufen errichten, den türkischen Kaiser sammt allen getödteten Ungläubigen darauf legen und sie zur Wiedervergeltung ebenfalls zu Pulver verbrennen.

Der König von Elsaß zog hierauf in die Stadt Prag, wo ihm die Prinzessin traurig und weinend entgegen kam; der König aber tröstete sie und sagte: gieb Dich nur zufrieden, liebste Muhme, das Geschehene ist nicht mehr zu ändern, Dein Vater ist zwar mit Tode abgegangen und Dein Land ist Dir von den Feinden einigermaaßen verderbt worden, indessen haben wir doch auch durch Gottes Gnade unsre Rache erhalten, denn ich habe den türkischen Kaiser und die Seinigen wieder zu Pulver brennen lassen. Die Prinzessin antwortete: somit habe ich doch immer meinen Herrn Vater verloren, und um ihn muß ich klagen und trauern. Das geziemt sich, sagte der König, indessen ist es auch vernünftig, Trost anzunehmen, war er doch mein Bruder und ich muß mich darin finden, so magst Du es denn auch thun, wir wollen ihm ein ehrliches und schönes Begräbniß zurichten, mehr kann er nicht verlangen.

Bei dem Begräbniß beschaute das Volk von Böhmen die beiden Brüder aus Lusinien, und es dünkte ihnen wunderbar, daß der Graf Antonius eine Löwenklaue auf der Wange und der Reinhardt nur ein Auge habe, doch gefielen sie den Leuten sehr wegen ihres edlen Anstandes und weil sie wußten, daß diese Brüder sie meistentheils von den Türken erlöst hatten. Nach dem Begräbnisse versammelte der König von Elsaß alle Landesherren des böhmischen Reichs und stellte ihnen vor, wie sie nunmehr ihren guten König verloren, so daß sie sogar sein Leichenbegängniß ohne Leiche hätten feiern müssen, das Königreich sei nun an die Prinzessin Eglantina, seine Tochter, gefallen, aber ein Weib sei zu schwach, das Land auf die gehörige Weise zu beschützen, sie möchten sich daher nach einem frommen Könige umthun, dem sie alle gern gehorchten, und dem die Prinzessin ihre Hand und Liebe schenken möchte.

Die Landesherren antworteten, daß sie alles in sein eignes hohes Belieben stellen wollten, er möchte nach seiner trefflichen Vernunft alles einrichten und das Reich entweder selber als König in Besitz nehmen, oder ihnen einen andern tugendhaften Mann vorschlagen, dem sie dann alle gern dienen wollten. Herauf wandte sich der König gegen die beiden Brüder aus Lusinien und sagte: nun ist die Zeit gekommen, daß ich mein Wort halten kann, Euch, tapfrer Reinhardt, zum Könige von Böhmen zu machen; hier, Ihr Landesherren ist der Fürst, den ich Euch ausgesucht habe und der Euch gewiß immer gut beschützen wird, denn er hat sich schon dermalen gut erwiesen, indem er dem türkischen Kaiser den Kopf herunter gehauen und sein Volk zerstreut und erschlagen hat.

Die Landesherren waren mit der Wahl des Königs vollkommen zufrieden, worauf sich die beiden Brüder, insonderheit Reinhardt bedankten. Die Prinzessin war vergnügt, einen so tapfern Helden zum Gemal zu bekommen, der ihren Herrn Vater so schön gerochen, indem er den heidnischen Kaiser und die Seinigen zu Pulver verbrannt. Man feierte die Hochzeit prächtig, aber ohne Tanz und Saitenspiel, weil man noch den gestorbenen König betrauerte, doch wurde ein großes Thurnier gehalten, wo sich beim Stechen Reinhardt sonderlich hervorthat, so daß die Böhmen wahrnahmen, welch einen tapfern und in Waffenübungen geschickten König sie erhalten hatten. Antonius zog hierauf in sein Herzogthum, zu seiner Gemalin zurück, und der König von Elsaß begab sich ebenfalls in sein Königreich, nachdem alle herzlich von einander Abschied genommen hatten.

Indessen war Geoffroy mit dem Zahn auch zu einem starken und mächtigen Ritter herangewachsen und spürte auch die Lust in sich, große Thaten zu thun, um seinen Namen berühmt und unsterblich zu machen. Die Gelegenheit, einigen Ruhm zu erwerben, zeigte sich bald, denn an den Gränzen des Landes ließ sich ein gewaltiger Riese spüren, der ein ziemliches Unwesen trieb mit Morden und Rauben, auch Leute Beschädigen und Plündern, so daß selbst die Schlösser nicht sicher waren, die die edle Melusina in dortiger Gegend gebaut hatte und sich jedermann vor ihm furchte. Diesen Riesen beschloß Geoffroy anzugreifen, und auch mit Gottes Hülfe umzubringen, über welchen Entschluß sich aber sein Herr Vater Reymund heftig entsetzte und ihn von seinem gefährlichen Vorhaben abzumahnen suchte, stellte ihm das Beispiel seiner Brüder vor Augen, welche auch Ruhm gesucht und durch ihre Thaten sogar Könige geworden, aber doch nie darauf gefallen waren, sich mit Riesen einzulassen. Aber der Geoffroy bestand auf seinem festen Sinn und sagte: wird dem Riesen nicht Einhalt gethan, so verübt er immer mehr Schaden an den Ländereien, und das soll nicht sein. Reiste mithin ab, ohne sich sonderlich an die Bitten seines Vaters Reymund und die Thränen seiner Mutter Melusina zu kehren.

Der Freymund mit der Wolfshaut auf der Nasen war nun auch zu seinen erwachsenen Jahren gekommen, und schien sich fast gänzlich den Wissenschaften zu ergeben, denn er las sehr viel, trieb auch keine Waffenübung, wie seine übrigen Brüder von ihrer frühen Jugend gethan hatten. Es währte nicht lange, so zeigte sich seine Begierde zum geistlichen Stande, denn er lag seinen Eltern dringend an, ihm zu erlauben in dem Kloster Malliers, welches die Melusina aus Andacht gestiftet hatte, ein Mönch zu werden. Als sein Vater Reymund diese Bitte verstanden hatte, wurde er einigermaßen unwillig und sagte: Freymund, alle Deine Brüder haben nach Ehren und Würden gestrebt, und sind tapfre und berühmte Ritter geworden, und ich sollte nun noch unter meinen Kindern einen Pfaffen haben? Solches will mir gar nicht gefallen; Du sollst auch nach Tapferkeit und nach Ritterschaft streben.

Nach Ritterschaft will ich nicht streben, antwortete Freymund, auch will ich Zeit meines Lebens keinen Harnisch an meinem Leibe tragen, oder ein Pferd besteigen, sondern hier im Kloster Malliers Gott als Mönch dienen. Sind alle meine Brüder edle und tapfre Herren und verrichten große Thaten, so ist es auch nicht unrühmlich, wenn sie einen andern Bruder haben, der für alle betet, da ihnen oft die Zeit dazu in ihren verwirrten Händeln gebrechen mag. Ich bitte Euch daher um Gottes Willen, Ihr wollet mir in meinem Verfahren nicht hinderlich, sondern beförderlich sein, denn mein Sinn ist so darauf gerichtet, daß ich auf andre Weise keine Ruhe für meine Seele finde.

Da Reymund diese große Begierde seines Sohnes sah, Gott zu dienen, ging er seinetwegen mit seiner Gemalin Melusina zu Rath, was sie wohl über ihn beschließen möchten. Diese sagte, daß sie es gänzlich in Reymunds Wohlgefallen stelle, doch sei es ihr gar nicht zuwider, unter ihren Kindern auch einen geistlichen Herrn zu haben.

Darauf wandte sich Reymund wieder zu seinem Sohn und sagte: mein Freymund, ich und Deine Mutter haben es nun überlegt, daß wir Dir in Deinem gottseligen Vorhaben nicht wollen hinderlich, sondern vielmehr beförderlich sein, aber überlege Du, daß der Orden in Malliers sehr strenge ist; ich kann Dich ja leicht zu einem Domherrn machen, so hast Du es besser, oder ich habe es auch wohl um unsern allerheiligsten Vater, den Pabst, verdient, daß er Dir ein Bisthum ertheilt, wenn ich darum bei ihm nachsuche, so hast Du doch mehr Ehre und kein so hartes und strenges Leben.

Aber Freymund sagte: nein, ich will sonst nichts weiter, als zu Malliers im strengen Orden ein Mönch werden.

Wie bist Du nur von diesem Gedanken so eingenommen? fragte Reymund.

Freymund sagte: liebster Herr Vater, die Welt mit ihren Händeln ist sehr verworren, so fürchte ich, wenn ich mich da hinein begebe, gar meine Seele darüber zu verlieren, denn hinter Ehre und Ruhm, Wohlleben und Pracht lauert der Satan, wie er den Schwachen überrasche, und ihn von sich selber abtrünnig mache. Bin ich im Kloster zu Malliers, so bin ich keiner dergleichen Gefahren ausgesetzt, meine zeitlichen und weltlichen Sorgen sind mir entnommen, ich kann unaufhörlich an Gott denken, und mir seine Wunderwerke recht lebendig vorstellen, dabei weiß ich, in diesen Stunden schläfst du, in diesen issest du, in diesen wird Handarbeit gethan, oder im Garten gegraben und Blumen und Gemüse auferzogen, so viele Stunden dienst du Gott, und daß das jeden Tag wiederkommt und keine Aendrung leidet, daß keine Störung und Irrsaal in diesem schönen einfachen Lebenslaufe vorfällt, seht, das hat mir so überaus wohlgefallen, daß ich gar zu gern im Kloster Malliers, im strengen Orden, Mönch werden möchte.

Reymund sah ein, daß sein Sohn weise war und Recht hatte, darum gab er seiner Bitte nach, und freudig begab sich Freymund zu den Patribus, und wurde alsbald Mönch in dem Kloster Malliers, welches seine Mutter gestiftet hatte, in dem strengen Orden.

Jetzt erhielten auch Reymund und Melusina Nachrichten von ihren Söhnen Antonius und Reinhardt, wie der eine König von Böhmen, der andre Herzog zu Lützelburg geworden sei, durch ihre Ritterschaft und ihre kühnen Thaten: darüber dankten sie Gott sehr und freuten sich über ihr eignes und ihrer Kinder großes Glück, denn drei von den Söhnen waren zu Königen gekrönt, der vierte ein Herzog geworden, und der fünfte ganz nahe bei ihnen im Kloster zu Malliers ein Mönch, um für alle übrigen Gott zu bitten.

Es fügte sich, daß Reymund an einem Sonnabend wieder die Melusina vermißte, denn sie pflegte an diesem ganzen Tage nicht zu erscheinen, doch gedachte er seines Eides, sich nie um sie zu bekümmern und sie ungestört gewähren zu lassen. Der Vater des Reymund, der alte Graf von Forst, war damals schon gestorben, und sein ältester Sohn, der jetzt Graf von Forst genannt wurde, legte einen Besuch bei seinem Bruder Reymund ab. Reymund ließ dieses Besuches wegen viele und vornehme Gäste zu sich einladen, die alle dem Reymund ihren ergebensten Respekt bezeigten; doch als sich Melusina den ganzen Tag nicht zeigte, sagte der Graf von Forst zu seinem Bruder: Bruder, laß doch Deine Gemalin erscheinen, damit sich Deine vielen und vornehmen Gäste nicht darüber verwundern, daß sie so lange außen bleibt. Reymund antwortete: lieber Bruder, heute kann solches nicht geschehn, aber morgen sollst Du sie zu sehn bekommen.

Als die Mahlzeit geendigt war, gingen die beiden Brüder beiseit, und der Graf sagte zu Reymund: lieber Bruder, ich muß Dir ein Ding eröffnen, welches mir schon seit lange auf dem Herzen liegt. Man sagt allgemein im ganzen Lande, daß Du mit Deiner Gemalin übel angekommen seist, sie sagen, Du seist bezaubert, daß sie sich alle Sonnabend abseitiget, und Du an solchem Tage gar nicht einmal nach ihr fragen darfst; wunderlich ist es immer, daß Du nicht weißt, was ihr Thun und Lassen sei, als ein redlicher Bruder seh ich mich gezwungen, Dir zu sagen, daß Du davon große Schande haben kannst, denn die meisten Leute meinen, sie treibe an diesen Tagen Hurerei, welches doch gegen deine Ehre liefe, andre sagen wieder, sie möchte überhaupt wohl ein Gespenst und alles mit ihr nur ein ungeheures Wesen sein, darum ist es mein demüthiger Rath, Du erkundigst Dich etwas mehr um ihr wahres Befinden und suchst es zu erforschen, damit Du nicht Gefahr läufst, für einen Narren gehalten zu werden.

Als Reymund diese Rede verstanden hatte, wurde er vor Zorn ganz bleich und dermaßen wüthig, daß er sich und seinen Schwur gänzlich vergaß; die Worte seines Bruders schienen ihm recht und gut, in der größten Grimmigkeit lief er fort und griff ein Schwert, womit er sich in die Kammer begab, in die er noch nie gekommen war, weil er sie der Melusina zu ihrem heimlichen Aufenthalte absonderlich hatte erbauen lassen. Hier kam er an eine fest verschlossene eiserne Thür und er besann sich nun, was er thun sollte; es fielen ihm wieder die Worte seines Bruders ein, daß seine Gemalin in Unehren lebe. Darüber beschloß er, alles selber zu sehn, und dann, nachdem er es befinden würde, seine Schmach zu rächen. Er nahm also das Schwert, und bohrte mit der Spitze desselben ein kleines Loch in der eisernen Thür, wo er hindurch sehn mochte.

Als Reymund nun stand, und durch die Oeffnung schaute, verwunderte er sich über die maßen, denn er sah Melusina im Bade, wie sie von oben bis auf den Nabel ein schönes Weib sei, dann aber in den Schweif einer bunten gesprengten Schlange endigte, der azurblau war und mit Silberfarben darunter gesprengt, so daß diese Farben wundersam in einander schimmerten. Das Zimmer war eine tiefe Grotte, die Wände waren mit allerhand seltsamen Muscheln ausgeziert und ein Springbrunnen, in welchem sich Melusina befand, war in der Mitten. Von oben ergossen sich auch Wasserstrahlen und tröpfelten wie Perlen durch einander, bei welchem wunderbaren Getöse Melusina sang, indem sie eine Zitter in der Hand hielt:

Rauscht und weint ihr Wasserquellen

In der stillen Einsamkeit,

Die Erlösung ist noch weit,

Meine Thränen mehren eure Wellen.

Ach! wann wirst du, Trauer, enden,

Von mir nehmen meine Schmach?

Immer ist die Strafe wach,

Keiner kann das bös Verhängniß wenden.

Bei diesen Worten vergoß sie einen Strom von Thränen und Reymund war auf das innigste bewegt und erschüttert. Nun fiel ihm auch bei, wie er seinen Eid gebrochen und eine Untreue gegen seine tugendvolle Gemalin begangen habe, dabei konnte er ihre seltsame Verwandlung nicht begreifen und furchte sich auch, daß nun sein Elend anfangen würde, da er seinen Schwur nicht gehalten, wie sie ihm vor der Hochzeit prophezeit hatte, denn er glaubte, daß sie nach ihrer verborgenen Wissenschaft recht gut um seine Untreue wissen würde. Endlich aber verstopfte er die gemachte Oeffnung wieder mit Wachs, und ging im höchsten Zorne zu seinem Bruder zurück. Da dieser ihn also wüthend kommen sah, glaubte er, Reymund habe die Melusina auf einer Unehre betroffen, und sagte zu ihm; siehe, mein Bruder, es hat sich also bestätigt, daß Deine Gemalin Dir und ihrer Ehre ist abtrünnig geworden.

Reymund aber sagte: Du hast mir Unwahrheit vorgebracht und bist mir ein schädlicher Bruder, Du bist zu einer unglücklichen Stunde in mein Haus gekommen, denn deinetwegen bin ich nun in Elend gerathen, daß ich meinen allertheuersten Eid gebrochen habe, darum geh, verweile Dich nicht länger hier, sonst möchte es Dein Leben kosten, und komme mir auch niemalen wieder in mein Haus, oder vor mein Angesicht!

Ueber diese unvermuthete Anrede erschrak der Graf, so daß er sich eilig zu Pferde satzte, und schnell wieder nach Hause ritt; auch die übrigen Gäste wußten nicht, was sie aus Reymund machen sollten, denn er geberdete sich, als wenn er ohne Sinnen wäre, weshalb sie sich auch wieder fort begaben.

Reymund aber war im allergrößten Jammer, er glaubte, daß er seiner Untreue halber nun seine geliebte Melusina nimmermehr wieder sehn würde, und daß er sie auf Zeitlebens verloren habe, er schrie und klagte: ach, du unglückselige Stunde, in welcher ich armer Mann geboren bin, daß ich nun mein allerliebstes Gut entbehren soll! In seiner großen Betrübniß zog er seine Kleider aus und legte sich zu Bett, denn er fühlte sich matt und krank, er beschloß, als ein Einsiedler sein künftiges Leben zuzubringen, wenn er Melusina verlieren sollte. So trieb er die ganze Nacht sein Klagen, indem er sich von einer Seite nach der andern wendete, indem eröffnete Melusina mit einem Schlüssel die Kammer und trat zu ihm, zog sich nackt aus und legte sich neben ihm in das Bett, sie fühlte, daß er kalt und krank war, umfing ihn zärtlich mit ihren Armen und fragte ihn: was fehlt Dir, mein liebster Gemal? Er klagte ihr, daß ihn ein Fieber überfallen habe, war aber doch froh, daß Melusina wieder da sei und sich gegen ihn freundlich bezeigte, worauf er auch wieder von ihren Küssen und liebreichen Umarmungen besser wurde.

Indessen war Geoffroy mit dem Zahn nach dem Lande geritten, wo man ihm gesagt hatte, daß sich der große Riese aufhielte und seinen Unfug triebe. Er ritt hin und her und fragte die Leute nach der Wohnung des Riesen, weil er gekommen sei, ihn umzubringen. Die Leute sagten: das wolle Gott, Herr Ritter, daß ihr dieses in’s Werk setzt, denn er ist ein ungeschlachter Mann und fügt uns so viel Leides zu, daß es nicht zu sagen ist; worauf sie ihm auch das Schloß des Bösewichts zeigten. Geoffroy kam hierauf an einen steilen Berg, auf welchem ein festes Schloß lag, in welchem der Riese seinen Aufenthalt hatte. Hier stieg Geoffroy von seinem Rosse ab, legte den Harnisch an, hängte den stählernen Streitkolben an seinen Sattelbogen, gürtete das Schwert um sich, nahm die Lanze in seine Hand, hielt seinen schönen mit Gold ausgezierten Schild vor sich, setzte den Helm auf und stieg wieder zu Pferde, worauf er gegen das Schloß ritt und den Riesen mit kühner und lauter Stimme ausfoderte, indem er sprach: wo bist Du nun, Bösewicht, der mir mein Land verdirbt, und den Meinigen so großen Schaden zufügt? komm nur schnell heraus, damit ich Dir den Garaus mache. Der Riese war oben im Schloß und fuhr mit seinem Kopfe heraus, welcher so groß wie ein Ochsenhaupt war, um zu schauen, wer da sei, der ihn so kühnlich ausfodre. Er erstaunte, als er nur einen einzigen Mann gewahr wurde, und däuchte ihm, es sei kaum der Mühe werth, ein Gefecht mit ihm anzufangen; doch zog er seinen Harnisch an, trat vor das Schloß heraus, und brachte einen stählernen Schild mit sich, und drei eiserne Stangen, und drei Hämmer in seinem Busen.

Als der Riese hervor kam, sah Geoffroy, daß er wohl bei funfzehn Schuh lang war, worüber er sehr erstaunte, aber dennoch den Muth nicht verlor, sondern jenen mit erschrecklicher Stimme anschrie. Der Riese aber sprach: Wer, und von wannen bist Du? Worauf Geoffroy ausrief: ich bin Geoffroy mit dem Zahn, wehre Dich, denn Du sollst allhier Dein Leben lassen. Der Riese sagte: kleines Kerlein, mich jammert Deiner, geh nach Hause, Du scheinst mir ein guter junger Mensch, aus dem mit der Zeit wohl noch etwas werden kann. Gehst Du aber nicht, so schlage ich Dich mit einem einzigen Streich zu Tode, Geoffroy aber achtete nicht darauf, sondern schrie immer fort: wehre Dich, Hollunke, wenn Dir Dein Leben lieb ist! Zugleich ritt er zurück, um Feld zu gewinnen, legte seine Lanze ein, und rannte mit solcher Gewalt auf den Riesen, daß dieser von diesem einzigen Stoße zur Erden niederfiel. Die Erde bebte unter dem gewaltigen Fall des Riesen, aber er stand schnell wieder auf, und war sehr erbost, daß ihn ein einziger Stoß eines Ritters dermaßen hatte umwerfen können, er nahm daher seine stählerne Stange und schlug gegen Geoffroy, der schon das zweite Rennen gegen ihn vornahm, womit er dessen Pferd traf, und ihm beide Vorderbeine abhieb. Das Pferd fiel zu Boden, und Geoffroy sprang plötzlich aus dem Sattel, zuckte sein Schwert, lief den Riesen an, und gab ihm einen so harten Schlag, daß dieser seinen Schild aus der Hand fallen ließ. Hierauf nahm der Riese die stählerne Stange und schlug so auf den Geoffroy ein, daß dieser vom Schall des Schlages ganz betäubt wurde, er erholte sich aber schnell, nahm den Streitkolben vom Sattelbogen und schlug damit dem Riesen die Stange aus der Hand. Da ergriff der Riese einen von seinen Hämmern, und schmiß ihn so mächtig nach Geoffroy, daß dieser den Streitkolben auch mußte fallen lassen. Der Riese bückte sich nach dem Kolben, aber Geoffroy nahm sein Schwert wieder zur Hand und hieb damit dem Riesen einen Arm von Leibe herunter: darüber erschrak der Riese und faßte seine Stange mit der andern Hand und schlug nach Geoffroy, der aber sprang diesem Schlage behende aus dem Wege, der Riese fiel wieder auf die Knie und Geoffroy gab ihm nun einen solchen Hieb auf das Bein, daß er völlig zu Boden stürzte, entsetzlich schrie und seine heidnischen Götter um Hülfe anrief. Nun blieb dem tapfern Ritter nichts weiter übrig, als ihm den Kopf nur völlig herunterzuhauen, welches er auch in aller Schnelligkeit that, und so über den ungeheuren Mann den Sieg davon getragen hatte.

Geoffroy nahm hierauf das Horn des Riesen und blies so lange darein, bis sich viele Leute aus den umliegenden Gegenden versammelten, die sich alle entsetzten, daß er den großen Heiden mit seiner Kraft hatte umbringen können. Bald breitete sich im ganzen Lande und auch in den andern Reichen die Nachricht aus, wie Geoffroy den Riesen bezwungen habe; er aber schickte einen Boten zu seinen Eltern, der auch diesen die erfreuliche Nachricht bringen mußte.

Weil die Rede von seinem Siege schnell weit herum gekommen war, so gelangten Boten aus dem entfernten Lande Norhemen an Geoffroy, die ihn im Namen der dortigen Landesherren demüthig ersuchten, zu ihnen zu kommen, und ebenfalls einen ungeheuren Riesen umzubringen, von dem sie so sehr geplagt würden, daß sie sich nicht zu lassen wüßten; wenn er ihn mit Gottes Hülfe bezwänge, so wollten sie ihn auch gern für ihren Oberherrn erkennen, und ihm das ganze Land übergeben. Geoffroy antwortete: er wolle kommen und den Riesen umbringen, nicht aber um Land und Leute zu gewinnen, sondern er thue dieses nur aus Barmherzigkeit, und weil er es für seine Pflicht halte, alle Riesen umzubringen, so weit er sie nur erreichen möchte. So rüstete er sich, um zu Schiffe nach dem Lande Norhemen zu fahren, voll von hohem Muth und feuriger Begier, Wittwen und Waisen zu beschützen, allen Unterdrückten beizustehn, und alle Unglaubigen vom Angesichte der Erde zu vertilgen, so daß alle über seinen hohen Eifer und treffliche Vorsätze in Verwunderung geriethen.

Dritte Abtheilung.

Als Geoffroy abreisen wollte, kam ein Bote zu ihm mit einem Brief von seinen Eltern, worin sie ihm meldeten, daß sie gesund wären, auch Nachrichten von ihren Söhnen hätten, die sehr erfreulich, dabei sei ihr Sohn Freymund im Kloster Malliers, nahe bei ihnen, ein Mönch geworden, um Gott für alle zu bitten. Wie Geoffroy las, daß sein Bruder Freymund ein Mönch geworden sei, ward er so zornig und wüthend, daß er nicht anders, wie ein wilder Eber schäumte, und alle die zugegen waren, vor Furcht schwiegen und nicht wußten, was sie sagen sollten. Er rief aus: die schelmischen und nichtswürdigen Mönche haben meinen Bruder bezaubert und betrogen, daß er nicht, wie wir alle gethan haben, die Ritterschaft ergreifen will; muß ich mich mit Riesen herumschlagen, und soll er indessen ein Mönch werden? Nun warlich, es soll ihnen und dem Abte übel gerathen, denn ich will sie alle zusammen verderben und verbrennen!

Ueber diese Rede entsetzten sich alle; den Boten aus dem Lande Norhemen aber befahl er seiner an dieser Stelle zu warten, denn er werde bald wieder kommen. So ritt er im Grimme fort und kam bald auf seinem Wege nach dem Kloster Malliers. Wie der Abt und die Mönche ihn kommen sahn, gingen sie ihm höflich entgegen, um ihn zu begrüßen und ihm Willkommen zu sagen, aber Geoffroy fuhr sie gleich zornwüthig an und schnaubte ihnen entgegen: Ihr bösen Mönche, warum habt Ihr meinen Bruder also verführt, daß er ein Mönch geworden und die Ritterschaft verläugnet hat? Daran habt Ihr übel gethan und ich will Euch bestrafen, denn Ihr sollt alle Euer Leben hergeben.

Ueber diese Rede erschraken der Abt und die Mönche; der Abt erwiederte: wir haben mit nichten Euren Bruder verführt, er ist aus freiem Willen und aus Andacht in unser Kloster gekommen, hier steht er gegenwärtig und Ihr könnt ihn selbst darum fragen.

Freymund sagte hierauf: lieber Bruder, ich schwöre Dir, daß mich Niemand überredet hat, sondern daß ich hierin bloß meinem eigenen Triebe gefolgt bin, so ist es meine eigne Schuld, daß ich bin ein Mönch geworden, denn ich tauge nicht zum Ritter, ich habe in mir ein Verlangen zum gottseligen Leben gespürt, so habe ich denn nichts bessers gewußt, als mich hieher zu begeben, wo ich für alle und auch für Dich beten will.

Geoffroy aber blieb in seinem Zorn und kein Zureden und Bitten vermochte etwas über ihn; er stieg von seinem Pferde ab, besetzte das Kloster mit seinen Leuten, ließ einen großen Haufen Heu, Stroh und Holz auf einen Platz bringen, zündete dieses gegen den Wind an, und verbrannte so seinen leiblichen Bruder nebst hundert Mönchen, die alle in die Kirche geflohen waren.

Als die That vollbracht war, sah Geoffroy ein, daß er Unrecht gethan hatte; er bereute sie heftig, weil er glaubte, sich an Gott versündigt zu haben, schalt und fluchte auf sich selber, und verwünschte sich in den Abgrund der Erden hinein, daß er niemals mehr das Tageslicht erblicken möchte, doch war es nun zu spät mit seiner Reue und seinem Wehklagen. Setzte sich deshalb wieder zu Pferde, und ritt nach der Stelle in größter Eile zurück, wo er den Boten aus dem Lande Norhemen gelassen hatte, fuhr mit ihm in einem Schiffe ab, der Wind war günstig und so ging die Fahrt nach dem Lande Norhemen glücklich von Statten.

Reymund und Melusina saßen bei Tische und nahmen eine fröhliche Mahlzeit in schöner Häuslichkeit und Freundlichkeit zu sich, als ein Bote mit verwirrten Mienen und thränenden Augen zu ihnen hereintrat, und ihnen sagte, er habe eine erschreckliche Neuigkeit zu sagen, wolle sie aber nicht gerne vorbringen. Reymund sagte: er solle sie sagen, denn er habe sich nun schon in Gottes Namen auf etwas Betrübtes gefaßt gemacht; so sprach auch Melusina, denn sie wußten noch nicht, was vorgefallen war. Drauf sagte der Bote: so muß ich Euch nur Meldung thun, daß eins von Euren Kindern nicht mehr am Leben. So segne ihn der Herr, antwortete Reymund, doch welcher von meinen Kindern ist es? Der Bote sagte: es ist Freymund. Reymund war sehr betrübt, doch sprach er weiter: Gott hat ihn zu sich genommen; doch ist er selig gestorben, sind ihm alle christlichen Rechte widerfahren? Der Bote antwortete: Nein, er konnte kein christliches Recht bekommen, denn er ist mit allen andern Mönchen im Kloster zu Malliers verbrannt worden.

Darüber entsetzte sich Reymund und rief aus: Bote, nimm Dich in Acht, daß Du keine Lügen vorbringst, denn dergleichen sollte Dir übel gelohnt werden; wer hat sich unterstehn dürfen, ihn und das Kloster zu verbrennen?

Der Bote sagte demüthig: gnädiger Herr, es sei ferne von mir, daß ich mit Lügen umgehn sollte, dergleichen habe ich in meinem ganzen Leben nicht gethan, und werde nun nicht mit Euch den Anfang machen. Nein, Geoffroy mit dem Zahn hat in seiner Bosheit das Kloster sammt allen Mönchen verbrannt, dazu seinen leiblichen Bruder, weil er erzürnt gewesen, daß er ein Mönch geworden und geglaubt, der Abt und die Mönche hätten ihn mit List dazu überredet. Hierauf erzählte er den ganzen Vorgang, was Geoffroy gesprochen und was ihm der Abt erwiedert, und wie der Geoffroy sich nicht daran gekehrt, sondern in seinem Zorn das ganze Kloster sammt allen Mönchen verbrannt habe.

Da entsetzte sich Reymund recht in seinem innersten Herzen, wurde auch voll Grimms und im ganzen Gemüthe bewegt, deshalb stieg er plötzlich zu Pferde, um selbst nach der Brandstelle des Klosters Malliers hinzureiten. Unterwegs hörte er von allen Leuten ein großes Klagen über den Geoffroy, daß er das schöne Kloster also verderbt habe, sammt allen Mönchen. Er kam selber an den Ort, wo das herrliche Gebäude gestanden hatte, und sah nun die betrübten rauchenden Trümmern vor sich. Er wurde hierauf sehr zornig und schwur, daß, wenn er den Geoffroy habhaft werden könne, er ihn auch eines gewaltsamen Todes wolle sterben lassen. So ritt er wieder im allerheftigsten Zorne nach seinem Hause zurück.

Er stieg vom Pferde ab, ging in seine Kammer, schloß sich ein, setzte sich in höchster Betrübniß nieder, seufzte, weinte und klagte:

Ach Gott! so hat Geoffroy im bösen Muthe

Den eignen Bruder Freymund umgebracht,

Der wollte Mönch sein, dienen Gott, der Gute,

Doch starb er bald, und ruht in schwarzer Nacht.

Ich selber habe mich befleckt mit Blute

Und meinen eignen Vetter todt gemacht,

Ich wollte damals nur das Schwein verderben,

Und ließ am eignen Spieß den Vetter sterben.

Drum hat der mit dem Zahne dies verbrochen,

Der wüthete so wie ein wildes Schwein,

Ich hatte erst den Vetter mein erstochen,

Und ein Meerwunder muß meine Gattin sein;

Sie hat mir Reichthum, Ehre, Glück versprochen,

Ich zeugte Söhne, zehne nannt ich mein,

Davon ist mir der liebste nun verbrannt,

Das that des eignen wilden Bruders Hand.

Und wie Geoffroy nun wüthend angefangen,

So wird er auch niemals das Gute thun,

Hätt’ ich ihn hier, so müßt’ er warlich hangen,

Nie könnt’ ich eh, bis er gestorben, ruhn;

Den Bruder morden! frevles Unterfangen!

Nein, strafen muß ich ihn, hin fahr’ er nun,

Boshafter wird er stets, gottloser werden,

Am besten man vertilgt ihn von der Erden.

Als Reymund in diesen schweren Klagen war, schloß Melusina mit einem Schlüssel die Kammerthür auf, und ging mit ihren Rittern, Frauen und Jungfrauen zu ihm hinein, um ihn zu trösten, worauf sie ihn auf dem Bette liegend fanden, indem seine Grimmigkeit noch durch den plötzlichen Anblick seiner Gemalin vermehrt wurde. Melusina trat lieblich auf ihn zu und sagte: Nicht, Reymund, mußt Du Dich über Dinge also sehr betrüben, die Du nicht verschuldet, und welche Du nicht mehr ändern kannst, betrübe Dich, aber sei geduldig in Deinem Gram und empfiehl Gott Dich und Deinen Schmerz, der wird alles nach seinem Willen vollbringen und er verlangt vielleicht jetzt, daß wir auf unsre Sünden und schlimmen Leidenschaften achten und sie ablegen sollen. Unser Sohn Geoffroy hat gesündigt, aber er wird seine Missethat beweinen und Buße thun, und Gott wird ihm nach seiner unendlichen Barmherzigkeit vergeben, denn er will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er leben bleibe.

So vernünftig und schön Melusina sprach, so schaute sie Reymund doch mit boshaften Augen an, war seiner selbst im Zorn nicht mächtig und sagte laut und vor allen Gegenwärtigen: O Du Schlange und giftiger Wurm, kömmst Du hieher, mir eine solche Rede zu halten und bist nur ein liederlicher Fisch? Ja, ich habe gesehn, daß Du ein Meerwunder bist und kein menschliches Geschöpf, darum müssen die Kinder von Dir Bösewichter werden, es ist Deine Schlangenart, die in ihnen zum Vorschein kommt, sieh nur, welchen schönen Anfang der Geoffroy mit dem Zahne gemacht hat! hat er nicht meinen liebsten Sohn, und den Abt, und dazu alle Mönche verbrannt?

Während dieser Worte verwandelte Melusina ihre schöne Farbe und wurde ganz todtenblaß; mit einer Stimme, die allen durch das Herz drang, sprach sie hierauf: Ach Reymund! wie lässest Du Dich so sehr von der Unvernunft dahinreißen! welche Worte hast Du gesprochen? Ist mein Schmerz nicht so groß, wie der Deinige? Mein Leiden nicht dem Deinigen gleich? O wie hielt ich Dich lieb und werth! wie vertraute ich Dir mein Heil und meine Wohlfarth! aber Du hast Dein Gelübde gebrochen und so muß nun auch eintreffen, was ich Dir dazumal vorhergesagt, daß Du mich verlieren würdest. O Reymund, Deine Wohlfarth, Dein Glück, alle Deine Freude und Ehre muß leider nun ein Ende nehmen.

Mehr konnte sie nicht sprechen, sondern sie fiel nach diesen Worten ohnmächtig zur Erde nieder. Die Herren und Diener erschraken sehr und liefen eilig hinzu, ihr beizustehn, worauf sie auch wieder zu sich kam und mit höchstkläglicher Stimme sagte:

Ach Gott! ach! Herr! o Reymund! wehe mir!

Die Zeit ist da, ich scheide nun von Dir,

Wie mußt’ ich doch von Deinem Werth, Geberden

Also im Herzen mein bezaubert werden?

O weh! mein Leiden sei Gott angesagt!

O weh! es sei dem höchsten Herrn geklagt!

O wehe mir, daß ich beim Bronnen rein und kalt,

Dich fand, mein Reymund dort im grünen Wald!

O weh, daß ich gefühlt nach Dir Verlangen,

Weh mir, daß ich den schönen Leib umfangen!

Der Stunde weh, da ich mein Leib und Leben

In Deine Macht Dir gänzlich übergeben!

Ha Deine Falschheit und Verrätherei,

Dein Unverstand bricht alles nur entzwei,

Dein zornger Grimm, Dein boshaft schlimmer Mund

Richt’ mich und Dich, mein Wohlfarth ganz zu Grund,

Ich komme nun in Arbeit, Angst und Noth,

Und kann nicht hoffen, daß der bald’ge Tod

Von meinen Quaalen mich befreien mag,

Sie währen fort bis an den jüngsten Tag.

Gottloser Schalk! untreuer Bösewicht!

So weiß Dein Herz nicht, was Dein Mund verspricht?

Wie hältst Du mir Dein heiliges Versprechen?

Wie magst Du so Dein Wort und Schwören brechen?

Gern wollt’ ich Dir, untreuer Mann, verzeihn,

Wenn Du nur noch verschwiegen konntest sein,

Du hattest mich am Bade schon gewahrt,

Es war verziehn, denn keinem offenbart

Als Dir, war noch mein Schmach und großes Leid,

Nun ist es offenbar, nun kommt die Zeit

Der Angst, der Pein, der Quaal und Herzenswehen,

Wo Glück, Lieb, Heil und Wohlfarth muß vergehen.

Hätt’st Du den Eid gehalten treu und wahr,

So blieb ich bei Dir, Reymund, immerdar,

Bis endlich uns der bittre Tod geschieden,

In Erde ruhte dann mein Leib im Frieden,

Die Seele wär’ aus Leid im Freud gekommen,

Aus Fegefeur in Himmelslicht genommen.

Nun aber bleiben Leib und Seel beisammen

Bis glüht der jüngste Tag in seinen Flammen,

In Dir nimmt seinen Anfang schweres Leiden,

Auch Du nimmst Abschied nun von Deinen Freuden,

Vermindert und zertheilet wird Dein Land,

Kommt niemals wieder unter eine Hand,

Unglück trifft manche, die von Dir abstammen,

Und auch wir beide bleiben nicht beisammen,

Ich muß von Dir, von Schloß und Kindern scheiden,

Und künftig Mann und Schloß und Kinder meiden.

Die trauernde Melusina wandte sich hierauf zu drei Landesherren, führte sie zu Reymund und fuhr in ihrer Rede fort:

Reymund, bei Dir ist meines Bleibens nicht,

Doch nimm in Acht, was, wenn ich fort, geschicht,

Horribel, unser Sohn mit dreien Augen,

Ist bös und kann in dieser Welt nicht taugen,

Erwächst er groß, wird er das Land verderben

Mit Krieg und Hunger, laßt ihn vorher sterben.

Daß Geoffroy hat den Abt, die Mönch verbrannt,

Erfahre, daß auch hierin Gottes Hand,

Sie schlugen ihre Regel in die Schanz

Und hielten nicht des Klosters Observanz,

Auch wird den Geoffroy schwere Reue plagen

Er wird alsdann frommüthig in sich schlagen,

Ein neues Kloster baun, das schöner ist,

Worauf er auch zum Dienste Jesu Christ

Mehr Mönche wird zum frommen Werk einsetzen,

Sie unterhalten auch von seinen Schätzen.

Es wird mir schwer von meinem Schloß zu scheiden,

Das ich gebaut anmuthig und mit Freuden,

Ich möchte fast in Thränen drum vergehn,

Doch kann’s nicht anders sein, es muß geschehn.

Ach Reymund! wars nicht Lust und Freudigkeit

Als wir so schön beisammen allezeit?

Aus Freud wird Leid, aus Scherzen wird nun Schmerz,

Aus Stärke Ohnmacht, das zerbricht mein Herz.

Wie hatten wir so schönes Wohlgefallen,

Das wandelt sich nunmehr in Mißgefallen,

Wohlfarth wird Gram, zu Sorge Sicherheit,

Zu Unglück Glück, Freiheit wird Dienstbarkeit.

So dreht sich denn des Glückes Kugel rund,

Kehrt all in’s Gegentheil in einer Stund,

Doch ist es Reymund Deine eigne Schuld,

Daß Du verleurst des Glückes Lieb’ und Huld.

Ich muß zu meinen Leiden von Dir scheiden,

Doch mag Dir Gott die Missethat verzeihn,

Daß ich aus Lust in Gram, in Schmerz aus Freuden

Bis an den jüngsten Tag muß immer sein;

Nun muß ich wieder fort, in Angst eingehen,

In der ich, Arme, einmal schon gewesen,

Und wieder muß die Quaal an mir geschehen,

Und niemand darf und kann mich nun erlösen.

Wie Reymund diese Klagen anhörte und sah, daß sich seine geliebteste Gemalin zum Hinscheiden fertig machte, überfiel ihn eine solche innerliche Angst, daß er nicht ein Wort zu sprechen vermochte; er meinte, das Herz im Leibe müßte ihm vor großem Weh zerspringen und er würde sterben, begehrte auch nicht länger zu leben und wünschte sich den Tod. Er stand auf und ging mit kläglichen Geberden zu Melusina, küßte sie mit höchster Betrübniß und weinte bitterlich. Vor großem unaussprechlichen Herzeleid, das sie beide des Scheidens halber hatten, fielen sie nieder auf die Erde. Die Landesherren und Hofbediente, Frauen und Jungfrauen waren ebenfalls sehr traurig, huben sie beide auf, weinten und alles Volk mit ihnen. Reymund fiel vor Melusina nieder auf die Knie, und bat sie unter Schluchzen und Herzensangst um Vergebung, daß er seine Gelübde so böslich gebrochen hätte. Melusina antwortete: ich kann dem Verhängniß nicht Einhalt thun, welches es nun so beschlossen hat, darum müssen wir uns drein ergeben. Vergiß nun Deinen Sohn Freymund, aber gedenke Deines Sohnes Reymund, der einst an Deines Bruders statt Graf zu Forst werden soll. Auch Deines jüngsten Sohnes, Dietrich, nimm Dich an, der noch an der Brust der Amme liegt, denn er soll einst ein tapfrer Ritter werden.

Nachdem Melusina diese Worte gesprochen hatte, schwang sie sich auf das Fenster, wandte sich noch einmal um und sagte:

Gesegn’ Dich Gott, mein Herz und wahrer Freund:

Gesegn’ Dich Gott, holdseligster Gemal!

Gesegn’ Dich Gott, Du liebstes Kleinod mein!

Gesegn’ Dich Gott, Du schöne Kreatur!

Gesegn’ Dich Gott, Du meine schönste Freude!

Gesegn’ Dich Gott, Du Lust in dieser Welt!

Ach segn’ Dich Gott, mein liebster Trost und Hort!

Auch Euch gesegne Gott, mein liebes Volk!

Gesegn’ Dich Gott, Lusinia, schönes Schloß,

Das ich gebaut und selbst gestiftet hier!

Gesegn’ Dich Gott, Du Preis von dieser Welt!

Gesegn’ Dich Gott, Reymund, mein liebster Freund,

Leb’ ewig wohl, zu tausend gute Nacht!

Mit diesen letzten Worten schoß Melusina zum Fenster hinaus und verwandelte sich vor den Augen alles Volks, denn sie wurde von den Hüften an wiederum ein feindlicher, langer und ungeheurer Wurm. So umfuhr sie in der Luft das Schloß, indem sie aus der Höhe herunter ein entsetzliches Geschrei ausstieß, das so seltsam und unerhört klang, daß allen das Herz im Leibe bebte, und sie sich vor nichts so furchten, als diesen Ton noch einmal zu hören, so zerschmetternd und zerreissend klang es, so tiefbetrübt, als sollte nun gar die ganze Welt vergehen, als wär alle Lust erstorben und sollte der Jammer nun auf Erden auf immer einheimisch sein. Dreimal ließ sie dieses entsetzliche Geschrei von sich hören, dann vernahm man nichts mehr und sie war verschwunden.

Reymund stand bei den Seinen in großen Leiden und schwerer Quaal, er schrie und weinte bitterlich, raufte sich die Haare aus und wünschte niemals geboren zu sein; da er wieder vor seinem großen Herzeleid sprechen konnte, rief er ihr die Worte nach:

Nun so gesegn’ Dich der allmächt’ge Gott,

Mein schönes Weib und Freundin, Ehrenkrone!

Gesegn’ Dich Gott, mein Reichthum, meine Freude!

Gesegn’ Dich Gott, Du meine liebste Lust!

Gesegn’ Dich Gott, mein einziges Verlangen!

Gesegn’ Dich Gott, Du Frau von hohem Preis!

Gesegn’ Dich der allmächt’ge, ewge Herr

Und unsrer theurer Heiland Jesus Christus!

Ach alle meine Tage sind vergangen,

Da ich Dich ferner nicht erblicken soll.

Reymund klagte so sehr, daß alle die Seinigen mit ihm klagen und weinen mußten. Doch gab es einige ältre Leute, die sehr redlich waren und ihn zu trösten suchten, weil sie auf das Wohl des Landes ihre Absicht gerichtet hatten. Sie hielten ihm herrliche Beispiele vor, von andern großen Männern, die vieles Unglück erlitten, sich aber nachher getröstet hatten. Einer von den allerredlichsten aber erinnerte ihn an den Befehl seiner abgeschiedenen Gemalin Melusina, seinen Sohn Horribel mit den drei Augen nicht leben zu lassen, weil dieser sonst das ganze Land verderben würde. Reymund antwortete: lieben Freunde, überlaßt mich nur meinem Schmerze und thut übrigens nach Eurem Wohlgefallen und wie Euch meine edle Gemalin Melusina befohlen hat.

Hiemit entfernte sich Reymund und verschloß sich in einer einsamen Kammer, wo er trauerte und weinte und ein solches Wehklagen trieb, daß es nicht zu sagen ist. Die Herren und Diener aber nahmen den kleinen Sohn Horribel, der schon als Knabe ein sehr böses Gemüth in sich spüren ließ, und sperrten ihn zum Besten des ganzen Landes in einen abgelegenen Keller, worauf sie so viel brennendes Stroh hineinwarfen, daß der junge Bösewicht ersticken mußte; so war das Land für die Zukunft gerettet. Nachdem sie dieses vollbracht hatten, nahmen sie den Leichnam und legten ihn heimlich in ein Bette, sagten er wäre todt, und begruben ihn öffentlich nach einigen Tagen, als wenn er eines ordentlichen Todes gestorben wäre.

Reymund hatte noch zwei junge Kinder, die ihre Ammen hatten und die Brust sogen. In der Nacht sahen die Ammen oftmals, wenn es finster war, daß Melusina in die Kammer kam, in welcher die Kinder schliefen, eins nach dem andern aufhub, nämlich den Reymund und den Dieterich, sie am Feuer wärmte und lieblich säugte und dann wieder sie liebkosend in ihre Wiegen legte. Darnach war Melusina wieder verschwunden, und die Dienerinnen wagten es aus Furcht nicht, zu ihr zu gehn, wann sie zugegen war, doch nahm das Kind Dieterich so sehr zu, daß alle Menschen, die es nur sahen, darüber erstaunen mußten.

Geoffroy war indessen mit dem Schiffe und seinem Boten glücklich in das Land Norhemen angelangt. Gleich beim Schiffaussteigen kamen ihm die betrübten Landesherren entgegen, empfingen ihn sehr freundlich, bewillkommten ihn mit größter Höflichkeit, und erzählten so grausame Thaten von dem Riesen, die der ungeheure Wüthrich an jedem Tage verrichtete, wohl oft an einem Tage an die hundert Ritter erwürge, das Volk nicht anders als nach tausenden umbringe, das Land verwüste, das Vieh verderbe, und so weiter, daß Geoffroy antwortete: ei, meine Herren, dieses ist ja kein Mensch, sondern ein rechter eingefleischter Teufel, doch wenn ich ihn anders nur finde, so hoffe ich ihn mit Gottes Hülfe zu überwinden, bin auch deswegen ausdrücklich hergekommen, denn ich habe schon vorher, obgleich nicht so umständlich, von seinen Freveleien gehört. Gebt mir deshalb nur einen Boten mit, der mir den Weg zu diesem Unmenschen zeigt.

Die Landesherren schafften ihm bald einen Boten, der des Wegs kundig war und auch die Wohnung des Riesen wußte, worauf Geoffroy sehr kurz, aber doch mit seiner möglichsten Höflichkeit von den Landesherren Abschied nahm. So ritten sie beide, er und der Bote nach dem Berge zu, wo der Riese seine Wohnung hatte. Da sprach der Bote: Hier auf diesem Berge hat nun der Riese seine Wohnung. Du mußt mich zu ihm führen, antwortete Geoffroy, denn dazu bist Du mir mitgegeben; und so ritten sie auch den Berg hinan, und als sie oben waren, sah sich der Bote um, und erblickte den großen und mächtigen Riesen, der an einem Baume, auf einem Marmorsteine saß.

Als der Bote sah, daß der Riese so gar nahe bei ihm war, zitterte er vor Furcht an Händen und Füßen, wobei er ohne Unterlaß die Farbe verwandelte. Geoffroy, der sich nicht umgesehn hatte, merkte daraus, daß der Riese etwa in der Nähe sein müsse, er sagte daher lächelnd zum Boten: fürchtet Euch nur nicht, mein lieber Freund, denn ich bin gekommen, diesen Riesen umzubringen und Euch alle zu erlösen. Der Bote sagte: Herr, ich bin Euch als ein Bote mitgegeben worden, denenselben den Riesen zu zeigen, da ist er nun vor uns gegenwärtig, und sitzt auf einem Marmorsteine, nun verleihe Euch Gott der Herr Kraft und Stärke, denn hier kehr’ ich um, und möchte um alle Schätze in der Welt, um alles Gold und Silber nicht weiter mit denenselben hinauf reiten; also, Gott befohlen, denn ich war bloß dafür gedungen, Euch den Riesen zu zeigen, und da ist er.

Der Riese Grimhold sah, daß zwei Leute zu ihm den Berg hinan ritten, blieb also sitzen, um zu sehn, was es geben solle, denn er dachte wohl, daß sie sich an ihn machen und eins mit ihm wagen wollten. Geoffroy bat den Boten lächelnd, daß er doch noch bleiben und ihrem Gefechte zusehn möchte, indem er bald wahrnehmen würde, welcher unter ihnen beiden der beste sei. Der Bote aber sprach: was seh’ ich doch an Dero Fechten, will lieber wieder nach Hause gehn, indem ich das nunmehr vollbracht habe, was mir ist anbefohlen worden. Geoffroy aber redete ihm wieder zu und sagte nochmals: lieber Freund, laß es Dir nicht leid sein, noch eine kleine Weile zu verziehn, denn Du wirst alsbald gewahr werden, welchen Ausgang es nimmt, worauf Du dann dem übrigen Volke sagen kannst, wie es sich begeben hat, und wer oben oder unten gelegen; willst Du dieses aber nicht thun, so denke ich Dir selber eins zu versetzen, daß Du wohl hier bleiben mußt.

Der Bote antwortete und sprach: gnädiger Herr, Ihr bittet so, daß man Euch nichts abschlagen kann, doch wollte ich gebeten haben, das Ding nicht lang zu machen, weil ich mich gar zu sehr vor dem Riesen fürchte, denn er kommt mir nicht wie ein Mensch, sondern wie der leibhaftige Teufel vor. Wenn Ihr so dächtet, wie ich, so würdet Ihr gegen den großen ungeheuren Riesenkerl nicht so unbedachtsam Euer junges Leben wagen. Geoffroy aber sagte: sorgt für mich nicht, denn ich will dem Leben des Riesen bald ein Ende machen.

Geoffroy schied nun von dem Boten und kam an den Berg. Da ihn Grimhold ganz allein herauf reiten sah, verwunderte er sich sehr, daß sich ein einzelner Mann dergleichen unterstehn sollte, doch gedachte er wieder, es werde vielleicht ein Unterhändler zwischen ihm und dem Lande sein, daher stand er auf, ging ihm an dem Berge auf einer schönen Wiese entgegen und nahm eine lange hölzerne Stange in seine Hand, mit der er wie mit einem Stäblein spielte. Wie nun Geoffroy nahe genug gekommen war, so schrie ihn der Riese an: Wer, oder von wannen seid Ihr, daß Ihr es wagt, so gegen mich den Berg herauf zu reiten? Was habt Ihr hier zu schaffen und zu suchen? Geoffroy schrie ihn wieder an: Du großer Schreihals, mein Gewerbe ist ganz kürzlich dieses, daß ich Dir Deinen gottlosen Kopf vom Leibe herunter hauen will, weiter habe ich hier nichts zu suchen, darum halte Dich bereit, solches in Gottes Namen zu erleiden.

Da fing der Riese an zu spotten und sagte: ei, mein kleiner Herr, laßt mir doch noch mein armes Leben, nehmet mich lieber gefangen und verkauft mich für Geld, damit ich doch nur meinen Leib behalte. Wie Geoffroy merkte, daß er seiner spottete, schrie er ihn wieder an: Nun warte, Du großer Hund, alsbald sollst Du für Dein Spaßmachen den Lohn bekommen. Plötzlich ergriff er seinen Schild, legte die Lanze ein und rennte mit solcher Gewalt auf den Riesen los, daß, wenn dieser nicht von seinem stählernen Harnisch wäre geschützt worden, er ihn durch und durch gestoßen hätte; aber der Stoß traf den Riesen doch so gewaltig, daß er zur Erden fiel und den Hintern und die Beine dem Himmel zukehrte. Er sprang aber geschwinde wieder auf und wollte nach Geoffroy mit seiner Stange schlagen; wie dieser das merkte, sprang er schnell vom Pferde herunter, in Besorgniß, er möchte ihn und das Pferd zu gleicher Zeit zu Tode schlagen. Der Riese betrachtete hierauf den Geoffroy und verwunderte sich sehr über dessen Stärke, und sagte zu ihm: ich weiß nicht, wer oder von wannen Ihr seid, Ihr habt mir einen so starken Stoß gegeben, daß ich meine Füße und meinen Hintern dem Himmel habe zukehren müssen, solches ist mir zuvor in meinem Leben noch nicht begegnet, wenn Ihr also ein frommer Ritter seid, so begehre ich von Euch, mir Euren Namen nicht zu verschweigen.

Geoffroy antwortete: ich heiße Geoffroy mit dem Zahn und bin weit und breit bekannt. Der Riese sagte: ich habe schon viel von Euch gehört, Ihr seid also derselbe, der einen andern Riesen, meiner Mutter Bruder, erschlagen hat, und nun hieher zu mir gekommen seid, um Euren Lohn dafür zu empfangen, den ich Euch auch alsobald richtig auszahlen will. Damit nahm der Riese die Stange und schlug mit großer Gewalt gegen Geoffroy, in der Meinung, ihn zu treffen, Geoffroy aber sprang geschwind zurücke und die Stange fuhr einen Schuh tief in den Felsen hinein. Zu gleicher Zeit gab Geoffroy dem Riesen mit seinem Schwert einen solchen Hieb durch seinen stählernen Harnisch, daß die Ringe davon fielen und das rothe Blut durch den Harnisch abwärts floß. Darauf wurde der Riese über die maßen wüthig, er nahm seine Stange und holte damit einen mächtigen Hieb aus; aber Geoffroy sprang wieder zurücke, und der Streich war so gewaltig, daß die Stange drei Schuhe tief in den Felsen hinein fuhr, wovon ihm auch der Arm heftig erschütterte und seine Stange in Stücke zersprang. Darüber ward Geoffroy sehr froh und lief wieder gegen den Riesen, und führte einen so starken Hieb auf dessen Helm, daß er ihn davon betäubte. Wie der Riese nun wehrlos war, so brauchte er seine Faust und versetzte damit dem Geoffroy einen so harten Schlag auf seinen Helm, daß er ihn damit beinah von Sinnen brachte, doch erholte er sich bald und gab dem Riesen noch einen Hieb, daß ihm der Panzer versehrt wurde, er ihm eine tiefe Wunde beibrachte und das Blut zu seinen Füßen niederströmte. Darüber fing der Riese an gräßlich zu fluchen und seine heidnischen Götter zum Beistand herbeizurufen. Dann sprang er auf Geoffroy zu und packte ihn um den Leib, hierauf rungen die beiden aus allen Kräften und Geoffroy war so mächtig, daß dem Riesen der Athem verging, ihn seine Wunden sehr schmerzten und er beinahe ohnmächtig geworden wäre. Hierauf wollte Geoffroy wieder nach seinem Schwerte laufen, um ihm vollends den Rest zu geben, aber der Riese nahm dieses Augenblickes wahr und nahm mit großer Schande die Flucht in den Felsen hinein.

Der Riese war hinter dem Felsen in ein finstres Loch gesprungen und Geoffroy konnte ihn nicht wiederfinden, so sehr er auch suchte, er setzte sich also wieder zu Pferde und ritt zu seinem Boten zurück, der seiner in großen Aengsten erwartet hatte. Dieser freute sich sehr, als er ihn sah, und Geoffroy erzählte ihm den ganzen Verlauf des Zweikampfs, denn jener hatte sich doch aus Furcht entfernt, als er gesehn, wie der Riese zu handthieren angefangen. Er sah nun auch, wie dem Geoffroy sein Helm voll Beulen und sein guter Schild zerschlagen war, woraus er wohl abnehmen konnte, daß er nicht leichte Arbeit gehabt hatte. Indem sie noch mit einander sprachen, kamen die Landesherren und eine große Menge Volks herbei, die sich über den Sieg Geoffroy’s höchlich erfreuten; doch wurden sie wieder bekümmert, als sie hörten, daß der Riese nicht ganz todt, sondern in den Felsen entronnen sei, und wenn er von seinen Wunden wieder aufkäme, so möchte er hernach schlimmer werden, als er zuvor gewesen.

Einer von den Landesherren fragte ihn hierauf, ob sich der Riese bei ihm etwa erkundigt habe, wer, oder von wannen er sei. Geoffroy antwortete: ja, er hat recht eigentlich darnach gefragt und ich habe ihm solches auch nicht verschwiegen. Darauf sagte dieser Herr: tapfrer Ritter, Ihr könnt versichert sein, daß dieser Riese nicht wieder aus seinem Berge hervor kommt, so lange Ihr hier gegenwärtig bei uns bleibt, denn er hat es durch eine Weissagung, daß er von Eurer Hand sterben werde. Darauf schwur Geoffroy einen Eid, nicht eher von dem Lande zu weichen, bis er den Riesen wieder gefunden und ihn vollends getödtet hätte.

Ein andrer Landesherr fuhr hierauf fort: Herr Ritter, in jenem Berge sind überhaupt viele Gespenster, und fremde Dinge, die man wohl recht seltsam nennen könnte. Wir sind ehedem von einem Könige Helmas regiert worden, derselbe hatte eine schöne und weise Gemalin Persina genannt, welcher er einen Eid schwören mußte, sie in ihrem Wochenbette nicht zu besuchen, er brach aber diesen Eid und sah nach der Frau im Kindbette, worauf er auf sonderbare Weise von ihr und von den Kindern plötzlich getrennt wurde. Die drei Prinzessinnen haben darauf ihren Vater in diesem Felsen verschlossen, und wohin nachher die Mutter mit den Töchtern gekommen, hat Niemand erfahren können, seitdem aber der König im Felsen verschlossen, hat sich hier immer ein Riese aufgehalten und den Berg gehütet. Dieser ist der fünfte und alle haben uns unsägliche Drangsal angethan, das Land verwüstet und alle Menschen so sie nur erwischt, jämmerlich erschlagen, dabei hat es keiner gewagt, sich ihnen zu widersetzen. Jetzt aber hoffen wir, daß Euer tapfrer Arm uns von der Furcht erlösen wird. Geoffroy schwur ihnen nochmals, nicht vom Lande zu weichen, bis er den Riesen gar umgebracht, und hiemit ritten sie alle nach Hause.

Die Sonne war kaum aufgegangen, als Geoffroy sich wieder auf den Weg nach dem Gebirge machte. Er kam an den Felsen, wohinein der Riese geflohen war, suchte lange die Schluft, und fand sie endlich, worauf er von seinem Pferde stieg, und mit seinem Spieß in die Oeffnung hinunter langte. Er sagte: daß er nun hinab steigen wollte, um den Riesen umzubringen, weil er überdies ein Heide und Ungläubiger sei. Die Landesherren wünschten ihm Glück und den Beistand des Himmels: Geoffroy machte hierauf ein Kreuz für sich und ließ sich an seinem Speer in den finstern Felsen hinunter. Unten ging er lange herum, fand aber den Riesen nicht, endlich ersah er einen Schein, nahm seinen Spieß und fühlte damit so lange, bis er auf eine Thür traf, in diese ging er hinein und trat in einen kostbaren Saal, wo er viele Reichthümer fand, die Wände waren mit Gold und allen Arten von Edelgesteinen ausgeschmückt, in der Mitte aber stand ein erhabenes Grabmal, welches auf sechs güldenen Pfeilern ruhte, und mit den köstlichsten Edelsteinen, die in demselben Berge reichlich wuchsen, häufig besetzt war. Auf dem herrlichen Grabmal lag die Gestalt eines Königs aus Chalcedonen gearbeitet, der auch von Edelsteinen glänzte, neben ihm war das Bildniß seiner Gemalin, welche eine Tafel in ihren Händen hielt, worauf geschrieben stand:

Dies ist der König Helmas, hier begraben,

Der mich zu seiner Gattin einst erwählte,

Doch mußt’ ich einen Eid zuvor noch haben,

Den er treulos des Wortes brach, dann fehlte,

Statt Lieb’ und Treu, um mein Gemüth zu laben,

Er mich und meine Kinder lange quälte;

Er schwur, so ihm es sollte wohlergehen,

In meinem Wochenbett mich nie zu sehen.

Als er mir diesen hohen Eid geschworen,

Ich mich durch Himmels Huld gesegnet fühlte,

Drei schöne Töchter hatt’ ich mir geboren,

Doch der Gemal den theuren Eid nicht hielte,

Drauf ging ich ihm, die Kinder auch verloren,

Die ich zu meinem Trost bei mir behielte,

Ich habe sie an meiner Brust gesogen

Und sie nachher zur Weisheit auferzogen.

Als sie gekommen zu Verstand und Jahren,

Sprach ich zu ihnen von der Treue Bruch,

Die ich vordem von dem Gemal erfahren,

Die jüngste, Melusina, fein und klug,

Sprach gleich von Rache, und die Schwestern waren

Behende zu bestrafen den Betrug,

Worauf sie ihren Vater unverdrossen

Hieher in diesen wüsten Felsen schlossen.

Er hat sein Leben endlich hier gelassen,

Worauf ich ihn hier in sein Grab bestellt,

Auch hab’ ich dieses Bildniß fert’gen lassen,

Das diese Tafel in den Händen hält,

Damit ein jeder weiß, der kömmt, wasmaßen

Er vordem war ein mächtger Fürst der Welt,

Ich weiß, daß keiner hieher kommen möchte

Es sei er stammt von unserem Geschlechte.

Den Riesen hab’ ich auch zur Wacht gegeben,

Damit kein Fremder dieses Grab betritt,

Ein jeder büßt sogleich mit seinem Leben

Wer frechen Muthes das Gebirg beschritt.

Nur einem unsers Stamm’s ist es gegeben,

Zu kommen unversehrt, er führet mit

Im Innern eine Macht und Eigenschaft,

Der nichts vermag des Riesen große Kraft.

Mit Straf’ hab’ ich die Töchter heimgesucht,

Weil sie sich an dem Vater so vergangen,

Die jüngste, Melusin, ward so verflucht,

Daß sie den Schweif von einer großen Schlangen

Sonnabends führt; wer sie zum Weibe sucht,

Muß schwören, sie des Tags nie zu verlangen,

Zu lassen sie in ihren stillen Zimmern

Und sich nicht um ihr Wesen zu bekümmern.

Wenn ihr Gemal den Schwur ihr treu gehalten

So sollte sie in Glücke wie in Freuden

Recht lange froh auf dieser Erden walten,

Im Tode endlich spät nur von ihm scheiden;

Die zweite konnt’ ich nicht so umgestalten,

Doch mußte sie auch die Verwünschung leiden,

Meliora heißt sie, sie ist schön gebaut,

Wie jeder sieht, der einst ihr Wesen schaut.

Ich habe sie in das Armensche Land,

Um dort auf immer ein Gespenst zu sein,

Ein hoch und steil Gebirg hinauf gebannt,

Dort sperrt’ ich sie in festen Schlössern ein,

Ein Sperber ist ihr dorten zuerkannt,

Den muß ein jeder, den das Glück führt ein,

Bewachen fort drei Tag und auch drei Nächte,

Ohn’ daß ein Schlaf ihn überraschen möchte.

Kömmt einer nun zu sehn die seltnen Sachen,

Der vornehm ist, geborner Rittersmann,

Muß er drei Tag’ und Nächt’ beim Sperber wachen;

Doch kömmt der Schlaf ihm nur ein Stündchen an,

So wird er nie im Leben wieder lachen,

Er ist alsdann wohl ein verlorner Mann,

Er bleibt alldort zum jüngsten Tag gefangen,

Verschlossen unter Pein und Angst und Bangen.

Doch wer drei Tag’ und auch drei Nächte wacht,

Kann von der Fürstin eine Gab’ begehren,

Und wenn er sich als weiser Mann bedacht,

Wird sie ihm selbst das Größte gern gewähren,

Nur nehme sich der Rittersmann in Acht,

Nicht ihres schönen Leibes zu begehren,

Es sind ja dorten Gold und Edelstein,

Rubin und Perlen, alles ist wohl sein.

Auf einem Berge wohnt das ältste Kind,

Plantina ist mit Namen sie genannt,

Und auf dem Fels gar große Schätze sind,

Es liegt der Berg im Arragonschen Land,

Bis einer unsern Stamms den Schatz gewinnt,

Dann ist der Zauber von ihr abgewandt;

Ein solcher Mann erobert auch zugleich

Jerusalem, das ganze heil’ge Reich.

Die Buße mußt’ ich auf die Kinder legen,

Weil sie zu großer Ding’ sich unterfingen,

Und ihrer ungezähmten Thorheit wegen,

Daß sie so schwer am Vater sich vergingen,

Ihn durften sie in diesem Berge hegen

Bis er gestorben, also bösen Dingen

Folgt alsbald auf dem Fuß die Strafe nach,

Und Gott’s Gerechtigkeit bleibt immer wach.

Mein Name ist Persina, der Gemal

Hat sich an mir wohl groß und schwer vergangen,

Doch blieb die Lieb’ im Herzen doch zumal,

Zu ihm gerichtet Sehnsucht und Verlangen,

Drum gab ich auch die Kinder in die Quaal,

Weil sie ihn schmerzlich hielten eingefangen:

An Eltern darf kein Kind die Hände legen,

Es folgt der Fluch, wer also sich verwegen.

Als Geoffroy diese außerordentlichen Dinge auf der Tafel gelesen hatte, konnte er sich nicht genug darüber verwundern, denn er sah ganz deutlich, daß die Melusina, von welcher in der Schrift gesprochen wurde, seine leibliche Mutter, mithin der König Helmas sein Großvater, und Persina seine Großmutter gewesen sei. Doch ging er wieder aus der Kammer heraus und suchte den Riesen allenthalben; er kam an einen großen Thurm, wo er hineinging, und unten ein Gefängniß gewahr wurde, wo mancher redliche Mann gefangen lag, und sich alle Gefangenen über Geoffroy’s Ankunft sehr verwunderten. Einer darunter sagte: mein sehr werther Herr, geht ja fort von hier und verbergt Euch in einer Höhle, damit Euch der Riese nicht sieht und gewahr wird, denn wenn Euch der ungeheure Riese findet, so müßt Ihr Euer Leben verlieren und erschlagen werden.

Geoffroy fing aber hierüber an zu lachen und sagte: ich suche eben diesen Riesen, denn ich möchte mich gar gerne mit ihm schlagen. Da sagte ein andrer Gefangener: nun, Ihr werdet ihn bald sehn, denn er wird gewiß gleich kommen, und dann wird es Euch gereuen, Ihr müßt umkommen, denn er ist gar zu erschrecklich.

Indem sie noch sprachen, kam der Riese, eilte geschwind in eine Kammer und schlug die Thür sehr eilig hinter sich zu. Geoffroy sah ihn, sprang nach und trat so stark wider die Thür, daß sie in Stücke zersprang. Der Riese hatte einen Hammer bei sich, mit welchem er so heftig auf Geoffroy’s Helm schlug, daß, wenn der Helm nicht so gar gut gewesen wäre, er damit den Geoffroy erschlagen hätte. Geoffroy aber besann sich schnell, und gab ihm mit dem Schwerte einen so gewaltigen Hieb, daß der Riese sogleich zur Erde fiel. Darauf that der Riese einen so erschrecklichen Schrei, daß der ganze Thurm erbebte und er sogleich todt war. Hierauf steckte Geoffroy sein Schwert ein, ging wieder zu den Gefangenen und fragte sie: ob sie aus dem Lande Norhemen gebürtig wären. Sie sagten: Ja. Er fragte ferner: warum sie dorten gefangen säßen. Sie sagten: um Schatzung und Tribut, die wir dem Riesen schuldig sind. Geoffroy sagte: so danket Gott, daß er es mir vergönnt hat, diesen Riesen ganz und gar umzubringen. Ueber diese Nachricht wurden die Gefangenen sehr froh und lobten Gott, wobei sie Geoffroy baten, ihnen doch aus dem Gefängnisse zu helfen. Geoffroy wollt’ es von Herzen gern thun, aber keiner wußte, wo die Schlüssel lagen; endlich fand sie der tapfre Ritter, nachdem er allenthalben gesucht, schloß alsbald die Thüren auf, und ließ die Gefangenen heraus, deren mehr als zweihundert waren. Geoffroy erlaubte ihnen von den Edelgesteinen und dem Silber und Golde zu nehmen, welches im Berge sei, denn er begehre nichts davon für sich selber, wofür sie ihm noch mehr dankten.

Sie beschlossen darauf, den Riesen aus der unterirrdischen Schluft hervor an das Tageslicht zu ziehn, und ihn allen Leuten im Lande zu zeigen, welches sie auch sogleich in’s Werk richteten: die Gefangenen nahmen einen großen Karren, schroteten den ungeheuren Riesen darauf, banden ihn so, daß er aufrecht saß, gleich als wenn er lebte, und fuhren ihn so durch das ganze Land. Als das Volk im Lande den ungeheuren Riesen sah, konnten sie sich nicht genug verwundern, sie dankten alle laut Gott von Herzen, daß er sie durch Geoffroy von einem solchen ungeschlachten Bösewicht erlöst hatte. Bei diesem bedankten sich auch die Landesherren höflich für den ihnen und dem Reiche erwiesenen Dienst, auch das Volk erzeigte ihm die größte Ehre und alle baten ihn inständigst, bei ihnen als ihr König und Herr zu bleiben, welches er aber nicht annahm, sondern bald darauf von dannen zog, denn er trug ein Verlangen, seinen Vater und seine Mutter wieder zu sehn.

Er setzte sich also zu Schiffe und fuhr nach seinem Vaterlande. Als sein Vater Reymund seine Zurückkunft erfahren hatte, ritt er ihm entgegen; denn es war schon bekannt geworden, welche große Thaten er in dem Lande Norhemen ausgeübt hatte, deswegen legte Reymund seinen Kummer um seine geliebte Melusina ein wenig bei Seite. Als er mit seinem Sohn allein war, erzählte er ihm sein ganzes gehabtes Unglück unter Vergießung vieler Thränen. Als Geoffroy das hörte, erschrak er heftig und merkte, daß alles dies von seiner Missethat hergekommen sei, indem er seinen Bruder Freymund im Kloster Malliers verbrannt habe; doch sammelte er sich wieder und erzählte, welche Tafel, Schrift und Nachrichten er in dem bezauberten Berge gefunden habe, woraus Reymund merkte, von welchem hohen Geschlechte seine Gemalin Melusina abgestammt sei. Geoffroy erfuhr nun zugleich von seinem Vater, daß sein Bruder, der Graf von Forst, ihn zuerst dahin vermocht habe, die Melusina an einem Sonnabend zu belauschen und so sein theures Gelübde zu brechen, worauf Geoffroy einen hohen Eid schwur, daß der Graf von Forst dafür sterben solle. Ritt auch eilig hinweg, und Reymund blieb in größter Betrübniß zurück, daß sein Sohn Geoffroy wieder eine neue Missethat begehn wollte.

Geoffroy kam bald vor dem Schlosse des Grafen von Forst an, er stieg sogleich von seinem Pferde und ging in das Schloß hinein, ohne daß ihn einer gewahr wurde, worauf er in den Saal kam, wo sein Vetter war. So wie ihn Geoffroy sah, schrie er ihn ungestüm an und zog sein Schwert: Bösewicht, Du mußt hier Dein Leben lassen, weil ich durch Dich meine Mutter verloren habe. Der Graf war sich wohl bewußt, was er gethan hatte, erschrak also und wollte ihm entfliehen, sprang auch zum Fenster hinaus, fiel aber auf die harten Felsen und war todt. So hatte Geoffroy das Unrecht gerochen, welches jener an seiner Mutter verübt hatte. Zugleich kam dadurch die Grafschaft an seinen jüngern Bruder Reymund.

Sein Vater hörte den Tod seines Bruders, und grämte sich sehr, daß sein Sohn von neuem eine solche Missethat begangen hatte; er nahm sich vor, nicht mehr zu regieren, sondern nach Rom zu wallfahrten, seiner Sünden wegen Buße zu thun, sich alsdann von der Welt abzusondern, in ein Kloster zu gehn und dort sein bekümmertes Leben zu beschließen. Geoffroy kam zurück, und sah die große Traurigkeit seines Vaters, fiel auf seine Kniee, bekannte seine Missethaten und bat um seines Vaters Vergebung. Reymund verzieh ihm und ertheilte ihm seinen Segen, worauf er zu ihm sagte: doch, mein Sohn, mußt Du vor allen Dingen das Kloster Malliers wieder auferbauen, und mehr Mönche darein setzen und stiften, als vorher gewesen sind, sonst kann Dir Deine Schuld nicht verziehn werden. Welches Geoffroy versprach und sich Reymund darauf zu seiner Reise nach Rom rüstete; doch berief er noch vorher alle Vasallen und ließ sie seinem Sohne Geoffroy huldigen. Darauf schied Reymund auch von seinen übrigen Kindern, setzte sich zu Schiffe und fuhr nach Rom.

Geoffroy baute indessen das Kloster Malliers wieder auf und machte es schöner, als es zuvor gewesen war, stiftete auch mehr Mönche zum Gottesdienst, worüber sich alles Volk im Lande sehr verwunderte, daß er das Kloster erst verbrannt hatte und nun wieder so herrlich neu errichtete.

Reymund kam in Rom an und beichtete vor dem allerheiligsten Vater Pabst, welcher ihm eine gelinde Buße auferlegte. Dann nahm er Abschied, nachdem er dem Pabste vorher gesagt, er wolle nach unsrer lieben Frauen zu Montserrate in Arragonien gehn, und dort ein Einsiedler werden, weil daselbst ein schöner Gottesdienst sei. Er kam in Montserrate an, ließ sich Kleider eines Einsiedlers machen und diente allhier Gott in strenger Andacht und vielen Bußübungen.

Geoffroy reiste nun auch nach Rom, um seine Buße vor dem allerheiligsten Vater abzulegen, auch zugleich von ihm zu erfahren, wo sein Vater Reymund geblieben sei, welcher nicht wieder kam. Der Pabst berichtete ihm: daß sein Vater zu Montserrate, im Gebirge, ein Einsiedler geworden; dabei legte er ihm eine harte Buße auf, weil er so schwere Missethaten begangen hatte, verordnete auch: daß er im Kloster Malliers hundert und zwanzig Mönche einsetzen und stiften müsse, wenn er für seine Sünden Vergebung von Gott erlangen wolle. Geoffroy versprach alles zu thun, ließ sich die Absolution ertheilen und reiste hierauf ab, um seinen alten betrübten Vater in der Einsiedelei im fernen, seltsamen Gebirge zu Montserrate aufzusuchen.

Geoffroy reiste zu seinem Vater, um ihn zu bewegen, in die Welt zurück zu kehren, aber der alte Reymund wollte in seiner Einsiedelei bleiben, und so schied Geoffroy ungern von ihm, nachdem er einige Tage bei ihm gewesen, und seinen Gottesdienst mit angesehn hatte. Es währte nicht lange, so fühlte sich Reymund zum Tode matt, darum kam Geoffroy noch einmal zu ihm, wartete sein Ende ab und ließ ihn dann herrlich und mit großem Gepränge zur Erden bestatten. Nachher machte Geoffroy das Kloster Malliers zu dem schönsten im Lande und setzte auch die Anzahl Mönche hinein, die ihm der Pabst vorgeschrieben hatte.

Im Königreiche Armenien hatte Gyot indessen lange regiert, war alt geworden und hatte nach seinem Tode das Reich seinem jungen und tapfern Sohne hinterlassen, welcher auch Gyot genannt wurde.

Ein steil und hohes Schloß

Lag in demselben Land,

Und drinnen Schätze groß

Wie jedermann bekannt.

Im Schloß war ein Gesichte,

Gar schön und wundersam,

Das manchem armen Wichte

Zu Leid und Unheil kam.

Wer gern die Schätze wollte,

Die auf dem Schloß da lagen

Von Gold und Stein, der sollte

Ein seltsam Ding drum wagen.

Ein Sperber saß wohl dorten,

Den er bewachen soll,

An einsam hohen Orten

Drei Tag und Nächte wohl.

Und keiner durfte schlafen

Bei Tag’ und in der Nacht,

Sonst folgten harte Strafen,

Daß er so schlecht gewacht.

Wem dieses mocht gelingen,

Der konnte wohl begehren,

Von allen seltnen Dingen,

Man mußte sie gewähren.

Beim Sperber war in Ehren

Ein trefflich schönes Weib,

Konnt einer all’s begehren,

Nicht ihren schönen Leib.

Gyot, der junge König

Rüst sich im kecken Muth,

Er dünkte sich nicht wenig

Zum Abentheuer gut.

Er sprach zu sich im Herzen:

Gelingt der Zeitvertreib,

So fodr’ ich ohne Scherzen

Doch nur das edle Weib.

Zog aus mit vielen Leuten

Und mit Gefolge groß,

Da sahen sie von weiten

Das wundersame Schloß.

Auf grüner Wiese milde

Ließ er die Diener sein,

Und ging mit Schwert und Schilde

Keck in’s Burgthor hinein.

Da kam ein alter Mann,

Gar klein und krumm und bleich,

War schneeweiß angethan,

Sein Bart war licht zugleich.

Der sprach: was sucht ihr hier?

Still blieb der König stehen,

Und sprach: ich komme schier

Um die Gesicht’ zu sehen.

Der Alte ernsthaft sprach:

Kommt ihr zu diesen Dingen,

So folgt mir kecklich nach

Will euch zu ihnen bringen.

Der Alte ging voraus,

Der junge hinterdrein,

Sie treten in das Haus

Und in den Saal hinein.

Es glänzt der Saal von Pracht,

Von Gold und Edelstein,

Wo ihm entgegen lacht

Der grün’ und rothe Schein.

Es war im schönen Zimmer

Von tausend Farben Glanz

Wie nur ein einzger Schimmer,

Es war ein Kleinod ganz.

Der König sprach: zu Hause,

Hab’ ich viel Säle licht,

Doch gegen diese Klause

Ist alles nur ein Wicht.

Auf einer güldnen Stangen

Sah er den Sperber dann:

Tragt ihr nun noch Verlangen,

So sprach der alte Mann,

Das Abentheu’r zu wagen,

Der Sperber sitzet hie,

In Nächten und drei Tagen,

Dürfet ihr schlafen nie.

Könnt ihr nicht Schlaf vertreiben,

Und euch erhalten wach,

So müßt ihr allhier bleiben

Bis an den jüngsten Tag.

Doch könnt ihr es vollbringen

So steht euch dafür frei,

Zu nehmen von den Dingen,

Was es auch immer sei.

Doch eins ist untersaget,

Das ist der Fürstin Leib:

Nun geht mein Herr und waget

Den edlen Zeitvertreib.

Der König sprach: ich habe

Zum Wachen mich gestellt,

Ich bitte um die Gabe,

Die meistens mir gefällt.

Er dacht’ in seinem Sinne

Nur an das schöne Weib,

Und wenn ich die gewinne,

Bitt’ ich um ihren Leib.

Der Alte ging zurücke,

Es blieb der Junge da,

Und wagte nun sein Glücke,

Er blieb dem Sperber nah.

Er schaut bei Tag wie Nachte,

Nur diesen Sperber an,

Und unermüdet wachte

Der übermüth’ge Mann.

Nie ward es Nacht und dunkel

Beim Sperber im Kastell,

So glänzte der Karfunkel

Roth durch die Zimmer hell.

Darzu erklangen schöne

Gesänge durch den Saal,

Es sangen in die Töne

Auch Vögel drein zumal.

Und Speise war zugegen

Und auch der süße Wein;

Nur durft’ er sich nicht legen,

Mußt’ immer wachend sein.

Noch waren viele Zimmer,

In die ging er hinein,

In allen glänzt der Schimmer

Von Gold und Edelstein.

Gold waren alle Wände

Und bunte Blumen drauf,

Es rankten aller Ende

Sich Zweig’ und Kränz’ hinauf.

Und Rubin und Smaragden,

Demant und auch Sapphir

Sah man erschimmernd prachten,

Als Blumen herrlich hier.

Auch war in Farben schöne

Dort in dem Glanz und Schein,

Die sangen zarte Töne,

Wohl tausend Vögelein.

Auch Ritter abgebildet

Im wahren Conterfei,

Gehelmt und auch beschildet

Und wer ein jeder sei.

Darneben war geschrieben,

War keiner blieben wach,

Drum waren sie geblieben

Bis an den jüngsten Tag.

Drei andre Bilder standen,

Von Rittern, und dabei

Die Schrift von welchen Landen

Und Namens jeder sei.

Die hatten Tag und Nacht

Und ohne zu ermüden

Den Sperber wohl bewacht,

Drum waren sie geschieden.

Und hatten Gaben viele

Mit sich hinweggenommen,

Gar mannlich bis zum Ziele,

Glücklich zurück gekommen.

Wie er dies all betrachtet,

Ging er zum Sperber wieder,

Den er drauf wohl beachtet,

Und stark sind seine Glieder.

Drei Tage sind vergangen,

Der vierte Morgen kam,

Worauf die Angst und Bangen,

Sein Amt ein Ende nahm.

Mit lächelnden Geberden

Mit Schmuck in schöner Seide

Tritt nunmehr zu dem werthen

Im allerschönsten Kleide

Die Fürstin in den Saal,

Das überschöne Weib,

Er sieht der Augen Stral

Und ihren schlanken Leib.

Sie sprach: ein schön Gelingen

Hat euch das Glück bescheert,

Erwählt nun von den Dingen

Was euer Herz begehrt.

Der sah nur ihre Schöne

Und stand in sich entzückt,

Er sprach: das Ende kröne

Was mir so wohl geglückt.

Drum mag ich keine Steine,

Was frommte mir das Gold,

Ich wünsche nur das eine,

Das seid ihr Fürstin hold.

Drum will ich nichts begehren,

O wunderschönes Weib,

Doch sollt ihr mir gewähren

Den schlanken süßen Leib.

Mit zornigen Geberden,

Sprach drauf die Prinzessin:

Mein Leib kann euch nicht werden,

Wählt anderen Gewinn.

Der König sprach: an Schätzen,

An Edelstein und Gold,

Mag jeder sich ergötzen,

Ich hab’ es nie gewollt.

Drum will ich keine Gabe,

Als nur den zarten Leib,

Ihr seid die schönste Habe,

O edles holdes Weib.

Sie sprach: ihr seid vermessen

Und redet wie ein Thor,

Habt alle Punkt vergessen,

Die man euch sagt’ zuvor.

Verändert euren Sinn,

Kein Mann darf meine werden,

Ihr habt des nicht Gewinn,

So lang ihr lebt auf Erden.

Es schadet eurem Glücke,

Es schadet eurer Macht,

Drum kehrt, mein Freund, zurücke,

Seid witzig und bedacht.

Was ist die Weisheit nütze?

Verderben mag mein Leib,

Sprach jener drauf in Hitze,

Ich will euch, goldnes Weib.

Sie sprach: ihr habt gesprochen,

Und gleicht dem Reymund sehr,

Der auch den Schwur gebrochen,

Zu Kränkung seiner Ehr.

Ihr habt die Gab’ verloren

Wie er das Weib verlor,

Er hatte falsch geschworen,

Ihr seid ein junger Thor.

Und was ich nunmehr sage,

Das trifft gewißlich ein,

Von heut soll Gram und Plage

Nur euer Erbtheil sein,

Dein Vater, Gyot hieß er,

War meiner Schwester Sohn,

Und als er starb, da ließ er

Dir seinen mächtgen Thron.

Der Schwestern waren drei,

Und Melusina eine,

Sie machte Reymund frei,

Und wurde drauf die seine.

Wir hatten uns verbündet,

Am Vater uns zu rächen

Und haben schwer gesündet,

Ich mag davon nicht sprechen.

Die Mutter hieß Persina,

Sie straft das Unterfangen,

Samstag’s wird Melusina

Zu einer wüsten Schlangen.

Sie den Tag nie zu sehn

Hat Reymund ihr geschworen,

Er bricht den Eid, die Wehn

Sind da, sie geht verloren.

So sind wir alle drei

Gespenster für das Wüthen,

Ich muß im Schlosse frei

Den schönen Sperber hüten.

Die dritte ist Plantina,

Sie ward wie wir verflucht,

Wie ich und Melusina

Von Strafe heimgesucht.

Weil sie wie wir gewüthet,

Ist Arragon ihr Land,

Wo sie die Schätze hütet

Auf einen Berg gebannt.

Von unserm Stamme ihr

Habt euch nun schwer vergangen,

So daß euch für und für

Folgt Angst und Pein und Bangen.

Der König sah die Schöne,

In seinem jungen Muth

Hört er nicht ihre Töne,

Er fühlt nur seine Gluth.

Er schaut die zarten Glieder,

Den edlen schönen Bau,

Und ihn entzündet wieder

Das holde Bild der Frau.

Er springt und will sie fassen

Um ihren schlanken Leib,

Doch schnell muß er sie lassen,

Es schwand das süße Weib.

Gespenster stehn im Saal,

Die schlagen auf den dreisten

In wilder Wuth zumal

Mit ihren grimmen Fäusten.

Der König rief: Erbarmen,

Ihr schlagt mich ja zu todt!

Sie hörten nicht den Armen,

Und brachten ihn in Noth.

Sie stießen ihn wohl mächtig

Hinaus dann vor das Thor,

So daß er lag ohnmächtig

In bitterm Schmerz davor.

Halb todt schleicht zu den Seinen,

Der Fürst, im Antlitz bleich,

Die Herrn und Diener weinen,

Sie fragen ihn zugleich:

Ist euch bei Tag und Nacht,

Das schwere Amt gelungen?

Habt ihr dort gut gewacht,

Den großen Schatz errungen?

Er sprach: zu bösem Glück

Hatt’ ich es unternommen,

Bin hin zum Schloß, zurück

Zu meinem Leid gekommen.

Er ging, sein Regiment

Nahm nun von Stund’ an, ab,

Der Feind das Reich zertrennt,

Jung geht er in sein Grab.

———

Es hatte auch Persina,

Im Arragoner Land

Die Tochter, hieß Plantina,

Auf einen Berg verbannt,

Die mußten ob Schätzen theuer

Dort wohnen und sie hüten,

Und Wurm und Ungeheuer

Lief um den Berg mit Wüthen.

Es waren grause Schlangen,

Unthier und wilde Drachen,

Die trugen all Verlangen,

Die Schätze zu bewachen.

Es kamen viele Ritter,

Den’n nicht der Weg gelungen,

Sie wurden allsammt bitter

Von dem Gewürm verschlungen.

So kam von Engelland

Auch einst ein tapfrer Mann,

Er war als Freund verwandt

Dem herrlichen Tristan,

Mitglied der Tafelrunde,

Von König Arturs Leuten,

Er wollt zu guter Stunde

Die reichen Schätz’ erbeuten,

Mit Kraft und kühnem Muthe

Hinauf zum Berge gehen,

Er wollt’ mit Leib und Blute

Das Abentheur bestehen.

Der Bote ritt im Zagen

Mit ihm den Berg hinauf,

Allein im schnellen Jagen

Nahm er rückwärts den Lauf.

Der Degen blieb alleine

Und war in großer Noth,

Er sprach: ich seh das eine,

Das ist mein naher Tod.

Wo ich die Augen wende

Ist Dampf und wildes Wüthen

Und Würmer ohne Ende,

Die diesen Berg behüten.

Frisch auf und sei gerüstet,

Behalt den Muth, du Schwert,

Weil mich des Kampfs gelüstet,

Die Sache ist es werth.

So ging er ohne Zagen,

Ihm sprangen Würm entgegen,

Doch kein Thier durfte wagen

Zu stehn dem tapfern Degen.

Er schlägt sie alle nieder

Und dringt den Berg hinauf,

Es kommen andre wieder

Und sperren seinen Lauf.

Ein schmaler Pfad sich wandte

Zum steilen Berg hinan,

Wo manche wilde Bande

Bedroht den werthen Mann.

Er ging auf lauter Schlangen,

Auf Natter und Skorpion,

Er hat sich’s unterfangen

Und spricht dem Grausal Hohn.

Schmal sind und steil die Wege,

Kaum Platz für seinen Schritt,

Weit hallen seine Schläge,

Laut klingt sein erzner Tritt.

Da woll’n zwei wilde Drachen,

Im Sprung her zu ihm dringen,

Der zahnbewehrte Rachen

Klafft weit, ihn zu verschlingen.

Es rasseln ihre Flügel,

Und scharf sind ihre Klauen,

Womit sie in den Hügel

Und harten Felsen hauen.

An seinem Schild sie klirren,

Nicht bebt der tapfre Mann,

Er läßt sich gar nicht irren

Und schreitet risch hinan.

Der Drachen Auge blicket

Ihn an mit rother Glut,

Doch bleibt sein Schwert gezücket,

Im Busen scharf der Muth.

Mit zwei gewaltgen Schlägen

Haut er die Häupter runter.

Drauf stößt der wackre Degen

Zum Abgrund sie hinunter.

Den Weg ging er nun weiter

Zum steilen Berg hinan,

Der wurde nirgends breiter

Nur enger wird die Bahn.

Ein Bär kam ihm entgegen

Gar groß und ungeheuer,

Auf engen Felsen-Wegen,

Ein schlimmes Abentheuer.

Der Bär hat scharfe Klauen,

Und ist im Grimme wild,

Die in den Harnisch hauen

Ihm zerren ab den Schild.

Der Ritter muß sich wehren,

Er kämpft mit Mannes Muth,

Er trifft das Maul des Bären,

Weit spritzt das dunkle Blut.

Der Bär aufbrüllt im Grimme

Und richtet sich empor,

Weit tönt die rauhe Stimme,

Er springt zum Ritter vor.

Der schreitet keck entgegen,

Und gab ihm manchen Schlag,

Bald vor dem kühnen Degen

Die große Tatze lag.

Der Bär thut auf ihn dringen

In allergrimmster Wuth,

Es mußte mit ihm ringen

Der edle Ritter gut.

Der Harnisch reißt und trennet

Sich ab dem Ritter werth,

Mit Schrecken das erkennet,

Verliert zugleich sein Schwert.

Der Dolch muß ihn bewehren,

Den nimmt er tapferlich

Und giebt damit dem Bären

Gar manchen scharfen Stich.

Worauf des Bären Stimme

Noch einmal brüllt empor,

Er zuckt in seinem Grimme,

Das Leben er verlor.

Der Held sucht seinen Degen,

Er faßt ihn freudig an,

Und höher steigt verwegen,

Der wunderkühne Mann.

Ein jeder Schritt war Kämpfen,

Streit jeder Athemzug,

Die Ungeheur zu dämpfen,

Fand er da Kampf genug.

Er hört ein fern Getöse

Und tritt beherzt hinzu,

Da hielt der Wurm, der böse

Im Schatten seine Ruh.

Vor einer Thür von Stahl,

Lag breit das schlimm Gewürm,

Drinn war der Schatz im Saal,

Der Wurm der letzte Schirm.

Er schlief, sein Athem brauset,

Er selber ein Gebirge,

Der Ritter sieht, ihm grauset,

Tritt zu, daß er ihn würge.

So wie er schnarcht geht Feuer

Aus seinem offnen Schlund,

Es glänzt das Ungeheuer

Von vielen Farben bunt.

Die Zähne große Steine,

Den’n keine Waffen halten,

Die scharfbeklauten Beine,

Können wohl Felsen spalten.

Mit Brüllen thut er wachen

Und grimmt den Ritter an,

Sperrt seinen grausen Rachen

Thorweit dem tapfern Mann.

Das Schwert thut kühnlich blitzen,

Ihn schirmt das Schild zugleich,

Doch mag es ihm nicht nützen,

Das Thier fühlt keinen Streich.

Es faßt mit seinem Munde

Das Schwert im Augenblicke,

Zerbeißt es auch zur Stunde,

Speit wieder aus die Stücke.

Drauf schrie’s, es bebt der Wald,

Und an den Mann sich drang,

Den es im Schlund alsbald

Mit leichter Müh verschlang.

Den Freunden bracht der Bote

Die Kund nach Engelland,

Von dieses Ritters Tode,

Der sich dem unterwand

Plantina zu erlösen,

Die auf dem Schlosse harrt,

Doch leider von dem bösen

Gewürm verschlungen ward.

———

Geoffroy erhielt von diesem Thiere, auch von dem Tode des Ritters aus Engelland Nachricht, wunderte sich, daß es ein solches Ungeheuer in der Welt geben könne und nahm sich vor, es zu bekämpfen, und das wunderliche Abentheuer zu bestehn. Er rüstete sich, zog aus, ward aber unterwegs so gefährlich krank, daß ihm kein Arzt helfen mochte: als er dieses merkte, sagte er: ich habe zwei Riesen umgebracht, aber dieses wilde Thier wird meinem Schwert entgehen, will mich daher zu Gott wenden, und alle weltlichen Gedanken fahren lassen.

Legte sich hiemit auf sein Sterbebette, beichtete, machte sein Testament, bezahlte seine Schulden, und empfing alle Christliche Rechte, worauf der tapfre Mann selig und in dem Herrn verschied.

Dieses ist die Geschichte von der Melusina, die wohl recht ein Spiegel alles menschliches Glückes genannt werden kann.

König Rother.
Fragment.
1806.

König Rother zieht einer Jungfrau die Schuhe an.

In der Kammer ward es stille,

Da sprach die Königinne:

O weh, Fraue Herlind,

Wie groß meine Sorgen sind

Um den Herren Dietheriche,

Den hätt’ ich sicherliche

Verstohlen gern gesehn,

Und möcht’ es füglich geschehn

Um den tugendhaften Mann,

Fünf Ringe lustsam

Die möchte ein Bothe schier

Um mich verdienen,

Der den Held balde

Brächte zu meiner Kammer.

In Treuen sprach Herlind:

Ich will mich heben geschwind,

Ich geh zu der Herbergen sein,

Es bringe Schaden groß oder klein,

Doch pfleget er solcher Zucht

Daß wir seyn dürfen ohne Furcht.

Herlind ging balde

Zu einer Kammer

Und nahm ein theuerlich Gewand,

Wie manche Fraue hat,

Darin zierte sie den Leib,

Da ging das listige Weib

Zu dem Herrn Dietheriche.

Er empfing sie frommliche,

Viel nahe sie zu ihm saß,

Dem Recken sie in das Ohre sprach:

Dir entbietet holde Minne

Meine Frau, die Königinne,

Und ist dir mit Freundschaft unterthan,

Du sollt hin zu ihr gahn,

Dorten will die Magd

Dich selber wohl empfahn,

Nur um deine Ehre,

In allen Treuen Herre.

Du magst das wohl gewiß sein

An der Jungfrauen mein.

Also redete da Dietherich:

Fraue du versündigest dich

An mir elenden Manne,

Ich bin auch zu Kammern gegangen

Hievor da das mochte sein,

Warum spottest du mein?

Leider, so that man dem Armen ja,

Eure Fraue gedacht der Rede nie,

Hie sind so viele Herzogen

Und Fürsten in dem Hofe,

Daß ihr mit einem anderen Mann

Euren Scherz möchtet han,

Des hättet ihr minder Sünde,

Ihr verdienet die Abgründe

Daß ihr mich so thöricht wolltet han,

Ich bin ein so armer Mann,

Doch ehemals ich war

Daheim ein reicher Graf.

Herlinde sprach dem Herren zu,

Sie konnte ihre Rede wohl thun:

O nein, mein Herre Dietherich,

Nicht verdenke du also mich,

Ich habe dieses, weiß Gott, nicht gethan,

Mich hieß meine Fraue hieher gahn,

Es nimmt sie großes Wunder,

Daß du so manche Stunde

In diesem Hofe seiest gewest

Und sie doch niemals wolltest sehn,

Das ist doch selten nur gethan

Von einem so stattlichen Mann,

Nur verweist mir die Rede nicht,

Der Königinne wäre lieb

Welche Ehre dir gescheh

Wie du sie auch nie gesehn,

Wolltest du aber hingehn

So thätest du nichts übeles daran.

Dietherich zu der Frauen sprach:

(Er wuste wohl, daß es ihr Ernst war)

Hie sind so viele der Merker,

Wer behalten will seine Ehre

Der soll mit Klugheit gahn,

Es wähnet der elende Mann

Daß er nimmer so wohl thu,

Daß sie es alle für gut

Halten, die in dem Hofe sein;

Nun sage der Jungfrauen dein

Meinen Dienst, will sie ihn nehmen,

Ich mag sie jetzt nicht sehen

Vor der Helle des Tages,

Ich fürchte, daß es erschalle

Lästerlich uns Beiden,

So verbietet mir das Reiche

Constantin der Herre,

So muß ich immermehre

Flüchtig sein vor Rothere

Und mag mich nirgend erretten.

Herlind wollte von dannen gahn.

Der Herre bat sie da bestahn

Und hieß schnell seine Goldschmiede

Zween silberne Schuhe giessen,

Und zween von Golde.

Als er sie geben wollte

Da bat er Asprianen,

Daß sie nur zu einem Fuße kamen,

Daß er die beiden nehme

Und sie der Frauen gebe,

Und einen Mantel viel gut,

Zwölf Ringe Gold roth:

So soll man wohl belohnen

Einer Königinne Bothe.

Da sprang die fröhliche

Von dem Herren Dietheriche.

Herlind kam balde

Zu ihrer Frauen Kammer

Und sagete ihr von dem Herren,

Er pflege seiner Ehren

Sehre fleißigliche:

Das wisset wahrliche,

Ihm ist die Huld des Königes lieb,

Er mag dich darum sehen nicht,

Weil es sich nicht will fügen,

Nun schaue an diese Schuhe,

Die gab mir der Held gut

Und that mir auch Liebes genug,

Und einen Mantel wohlgethan,

Wohl mir, daß ich je zu ihm kam,

Und zwölf Ringe die ich han

Die gab mir der Held lustsam,

Es mochte nie auf der Erden

Ein schönerer Ritter werden

Als Dietherich der Degen

Gott laß es mich erleben,

Ich gafft ihn an ohn’ danken,

Daß ich mich des immer mag schämen.

Es scheint wohl, sprach die Königinne,

Daß ich nicht seliglich bin,

Nun er mich nicht will sehen

Magst du die Schuh mir geben,

Um des Herren Hulde,

Schnell ward der Kauf gethan,

Sie zog den goldenen an,

Dann nahm sie den silbernen Schuh,

Der ging an denselben Fuß.

O weh! Sprach die schöne Königinn

Wie wir nun gehöhnet sind,

Denn mit den Schuhen lustsam

Ist ein Missegriff gethan,

Ich bringe ihn nimmermehr an,

In Treuen du must zurücke gahn

Und bitten Dietheriche

Sehre gezogenliche,

Daß er dir den anderen Schuh gebe,

Und mich auch sehen wolle selber

Wenn er unter seinen Verwandten

Je gut Geschlecht gewanne.

O weh, sprach Herlind,

Wie doch der Schade nun ist

Fraue unser beiden,

Nun wisset es in Treuen

Sollt’ ich immer Schande han

Ich muß wieder zurücke gahn.

Da hub die Fraue wohlgethan

Ihr Kleid lustsam

Hoch auf an die Knie,

Denn sie gedachte der Zucht nicht,

Frauelichen Ganges sie vergaß,

Wie schnelle sie über den Hof gelaufen was

Zu den Herren Dietheriche,

Er empfing sie frommliche

In allen den Geberden

Als wenn er sie nie gesehen,

Da wuste der Held wohlgethan

Warume sie zurücke kam.

Herlind sprach zu dem Herren:

Ich must immermehr

In Botschäften gahn,

Mit dem Schuh ist Missegriff gethan,

Sie sind der Königinne

Gegeben um deinetwillen,

Noch sollten wir den einen haben,

Das heißt dich meine Fraue mahnen,

Daß du ihr den andern Schuh wolltest geben,

Und sähest sie auch selber

Wenn du unter deinen Verwandten

Je gutes Geschlecht gewannst.

Ich thät’ es gerne, sprach Dietherich

Nur die Kammerere die melden mich.

Nein, sprach Herlind,

Mit Freuden sie in dem Hofe sind,

Die Ritter schiessen den Schaft

Da ist großen Spieles Kraft,

Ich will hin vor dir gahn,

Nun nimm zween deiner Mann

Und hebe dich viel balde

Nach mir zu der Kammer,

Mit dem großen Schalle

Vermissen sie dein alle.

Herlind wollte von dannen gahn,

Da sprach der listige Mann:

Nun warte des Kammerers,

Ich will nach dem Schuhe fragen.

Schnelle kam Asprian,

Er sprach: O weh, was habe ich dir gethan,

Die Wege ich nicht erleiden mehr mag,

Du bemühest mich diesen ganzen Tag

Immer mit neuen Mähren,

Mehr als du sonst thatest, Herre,

Ihrer war hier ein großer Theil geschlagen,

Die haben die Knechte zu tragen,

Nimm nach deinem Gefallen,

Ich bringe sie dir alle.

Da nahm Asprian

Die anderen Schuhe lustsam,

Und einen Mantel sehr gut,

Und auch zwölf Armkränze roth,

Und gab alles der alten Bothin,

Da ging sie also verstohlen

Viel sehre fröhliche

Von dem Herren Dietheriche,

Und sagete auch schnelle

Ihrer Frauen liebe Mähre.

Des Mägdleins Schauen war sehnlich.

Sich berieth der Herr Dietherich

Mit Berther, dem alten Mann,

Wie es mit Fuge möchte gahn.

Verständig sprach der Herzoge:

An dem versammelten Hofe

Will ich machen großen Schall,

Der zieht die Leute überall,

So bemerket dich kein Mann.

Er hieß die Riesen ausgahn,

Selber bedeckt er sein Roß,

Sich hub der Laut da auf dem Hof,

Da führte der alte Jüngeling

Tausend Ritter in den Ring,

Widolt mit der Stangen

Fuhr her mit Klange

In aller der Geberde

Als ob er thöricht wäre,

Da überwarf sich Asprian,

Der war der Riesen Spielmann,

Grimme hin zwölf Klafter sprang,

So thaten die anderen alle mit sammt,

Er griff einen ungefügen Stein,

Daß von den Merkeren kein

Mann Dietherich vernahm,

Da sie begunnten umher gahn.

In deme Fenstere die junge Königinne stund,

Schnelle kam der Held jung

Ueber Hof gegangen.

Da ward er wohl empfangen

Mit zween Rittern herrlich,

Hin ging der Recke Dietherich,

Da wurde die Kammer aufgethan,

Darein ging der Held wohlgethan,

Den hieß die junge Königinn

Selber willkommen sein,

Und sprach was er dort geböte

Daß sie das gerne thäten

Nach ihrer beider Ehren:

Ich habe dich gerne, Herre,

Um deine Biederkeit gesehn,

Und um etwas anderes ist es nicht geschehn,

Diese Schuhe lustsam

Die sollt du mir ziehen an.

Viel gerne, sprach Dietherich,

Nun ihr es geruhet an mich.

Der Herre zu ihren Füßen saß,

Viel schöne seine Gebärde was,

Auf sein Bein satzte sie den Fuß,

Es wurde nie Fraue besser beschuht.

Da sprach der listige Mann:

Nun sage mir, Fraue lustsam

Mähre auf die Treue dein

So wie du Christin wolltest sein,

Dein hat nun gebeten mancher Mann,

Wenn es in deinem Willen sollte stahn

Welcher unter ihnen allen

Dir am besten gefalle.

Das saget er, da sprach die Fraue:

Viel ernstlicher im Treuen

Herre, auf die Seele mein,

So wahr ich getaufet bin,

Der aus allen Landen

Die theuren Wigande

Zu einander hiesse gahn,

So würde doch nie kein Mann

Der dein Genosse möchte sein,

Das nehm ich auf die Treue mein

Daß niemals eine Mutter gewann

Ein Kind also lustsam,

Darum mit Züchten Dietherich

Mag ich lieben und ehren dich,

Denn du bist in Tugenden ein ausgenommner Mann,

Sollte ich aber die Wahl han;

So nähm’ ich einen Helden gut und stark

Dessen Bothen kommen her in dies Land,

Die noch hie leben

In meines Vaters Kerker,

Der ist geheissen Rother

Und sitzet westlich über Meer,

Ich will auch immer Jungfrau gahn

Mir werde denn der Held lustsam.

Als das Dietherich vernahm,

Da sprach der listige Mann:

Willt du Rother minnen,

Den will ich dir balde bringen,

Es lebet in der Welt kein Mann,

Der mir so Liebes hätte gethan,

Er minderte ofte meine Noth,

Das lohne ihm noch Gott,

Wir genossen fröhliche das Land

Und lebten fröliche mitsamt.

Er war mir immer gnädig und auch gut,

Es hat mich auch nie vertrieben der Held gut.

In Treuen, sprach die junge Königinn,

Ich verstehe nicht die Rede dein,

Dir ist Rother also lieb,

Er hat dich auch vertrieben nicht,

Von wannen du auch fährest Held stark,

Du bist ein Bothe hergesandt,

Dir ist des Königes Huld lieb,

Nun verheele mir die Rede nicht,

Was du mir heute wirst anzeigen,

Das will ich immer verschweigen

Bis an den jüngesten Tag.

Der Herre zu der Frauen sprach:

Nun stell’ ich alle meine Ding

In Gottes Gnade und bei dir,

Ja, es steht dein Fuß

In Rotheres Schooß.

Die Fraue sehre erschrack,

Den Fuß sie aufzog

Und sprach zu Dietherich

Sehre freundlich:

Nun war ich doch nie so ungezogen,

Mich hat mein Uebermuth betrogen,

Daß ich meinen Fuß

Sazte in deinen Schooß,

Und bist du Rother so hehr

So möchte kein König nimmermehr

Bessere Tugend gewinnen,

Der ausgenommenen Dinge

Hast du von Meisterschaft List,

Welches Geschlechtes du aber auch bist,

Mein Herze sehnend,

Und hätte dich Gott nun hergesendet

Das wäre mir inniglicher lieb,

Aber ich mag dir doch vertrauen nicht

Du bescheinest mir denn die Wahrheit,

Und wär’ es dann aller Welt leid

So räumte ich sicherliche

Mit dir das Reiche,

So ist es aber ungethan,

Doch lebet kein Mann

So schöne, den ich dafür nähme,

Wenn du der König Rother wärest.

Also redete da Dietherich,

Sein Gemüthe war sehre listig:

Nun hab’ ich Freunde mehre,

An denen armen Herren

In dem Kerker,

Wann die mich sähen,

So möchtest du daran verstahn,

Daß ich dir wahr gesaget han.

In Treuen, sprach die Königinn,

Die erwerb’ ich von dem Vater mein

Mit adelichem Sinne,

Daß ich sie aus gewinne,

Er giebet sie aber keinem Mann,

Er muß sie denn auf den Leib han,

Daß ihrer keiner entrinne,

Bis man sie wieder bringe

In den Kerker,

Wo sie waren in Nöthen.

Des antwortete da Dietherich:

Ich will sie nehmen über mich

Vor Constantine dem reichen

Morgen sicherliche

Wann er wird zu Hofe gahn.

Die Fraue also lustsam

Küßte den Herren,

Da schied er von dann mit Ehren

Aus von der Kammern

Zu der Herbergen balde,

So wie Berther das ersah,

Wie schnell der Ring zerlassen war.

Da sagete der Herre Dietherich

Die Mähre also wunniglich

Dem theuerlichen Herzogen,

Des begunnten sie beide Gott loben.

Die Jungfraue lag über Nacht

Daß sie in vielen Gedanken war,

Als es zu dem Tage kam,

Einen Stab sie nahm

Und kleidete sich in ein schwarz Gewand,

Als wollte sie pilgern über Land,

Eine Palme sie auf ihre Schulter nahm

Als wenn sie aus dem Lande wollte gahn,

So hob sie sich viel balde

Zu ihres Vaters Kammer

Und klopfete an das Thürlein.

Auf that da Constantin,

Als er das Mägdelein ansach

Wie listiglich sie zu ihm sprach:

Nun lebet wohl, Herr Vater mein,

Mutter, ihr sollt gesund sein,

Mir traumte in der Nacht

Es sende des hohen Gottes Gewalt

Seinen Bothen mir herab,

Ich muß in den Abgrund gahn

Mit lebendigem Leibe,

Daran ist gar kein Zweifel,

Dessen mag mich Niemand erwenden,

Ich will nun das Elende

Bauen immermehre

Zum Troste meiner Seele.

Traurig sprach da Constantin:

O nein, liebe Tochter mein,

Sage mir, was du wöllest,

Dich davon zu erlösen.

Vater, es bleibt immer gethan,

Mir würden denn die gefangenen Mann,

Die will ich kleiden und baden,

Daß sie Genade müssen haben

An ihrem armen Leibe

Ettelicher Weile,

Ich begehre sie nur auf drei Tage,

Dann sollst du sie wieder haben

Zu deinem Kerker.

Constantin der edle

Sprach, daß er das gerne thäte,

Wenn sie einen Bürgen hätten,

Der die auf den Leib dürfte nehmen

Und sie ihm wieder möchte geben,

Daß ihrer keiner entrunne.

Da sprach die Magd, die junge:

Ich bitt’ es heute so manchen Mann

Daß sie ettelicher muß bestahn

Des Leib ist also tugendhaft

Deme du sie mit Ehren geben magst.

Da sprach Constantin:

Das thu ich gerne, Tochter mein.

Es war die Stunde

Nunmehr gekommen

Daß Constantin zu Tische ging,

Dietherich nicht unterließ

Er kam mit seinen Mannen

Vor den König gegangen.

Da man das Wasser nahm

Die Jungfraue lustsam

Ging um den Tisch flehend

Mit heissen Thränen,

Ob sie jemand so liebes hätte gethan,

Der die gefangnen Mann

Auf den Leib durfte nehmen;

Ihr keiner durfte sie des gewähren.

Die Herzogen, die reichen,

Entzogen sich allgeleiche,

Bis sie zu dem Recken kam,

Mit dem der Rath war gethan.

Da sprach die Magd herrlich:

Nun gedenke, Held Diethrich,

Aller deiner Güte

Und hilf mir aus den Nöthen,

Nimm die Bothen auf dein Leben,

Die heisset dir der König geben,

Verzaget sind meines Vaters Mann,

Sie dürfen sich des nicht unterstahn,

Doch soll die Eitelkeit dein

Mit samt mir getheilet sein,

Daß ich der geniesse,

Und wenn du’s gerne liessest,

So erläst es dir nicht dein tugendhafter Muth,

Du sollst mir das gewähren Held gut.

Gerne, sprach Dietherich,

Was Du geruhest an mich

Das gehe mir nur an meinen Leib,

Doch werde ich dein Bürge schönes Weib.

Die Bothen gab da Constantin

Dietheriche auf den Leib sein,

Der Herre sie da übernahm,

Da folgeten ihm des Königes Mann

Zu dem Kerker,

Wo sie waren mit Nöthen,

Die elend Verhaften

Lagen in Unkräften

Und lebeten erbärmliche.

Berther der reiche

Stund und weinete,

Da er den Schall erhörete.

Den Kerker man aufbrach,

Darein schien da der Tag,

Schnelle kam ihnen das Licht,

Des waren sie gewöhnet nicht.

Erwin war der erste Mann

Der aus dem Kerker kam,

As ihn der Vater ansah,

Wie groß seine Herzens-Reue war,

Herum er sich kehrte

Und rang seine Hände,

Er durfte nicht weinen

Und war ihm doch nie so leide

Seit ihn seine Mutter trug.

Erwin der Held gut

War von dem Leibe gethan,

So wie mit Recht ein armer Mann.

Sie nahmen die Grafen zwölfe

Her aus dem Kerker,

Und jegelich seine Mann,

Die Ritter sonst so lustsam,

Sie waren beschmuzt und schwarz,

Von großen Nöthen bleich gefarbt,

Leopold der Meister

Der hatte keine Kleider

Als nur ein dünnes Schürzelein,

Das wand er um den Leib sein,

Da war der edele Mann

Zum Erbarmen gethan,

Zerschunden und zerschwellt.

Dietherich der gute Held

Stund traurig von Leide

Und wollte doch nicht weinen

Um die gefangnen Mann.

Berther der alte Mann

Ging allenthalben

Die Gefangnen betrachtend,

Da reuete ihn keiner hier

Mehr als seine schönen Kind.

Dietherich der Herre

Hieß die Bothen edel

Führen zu den Herbergen sein,

Nur Leopold und Erwin

Die ließ man alleine gahn,

Zurücke blieb kein Mann.

Da sprach Erwin der edle:

Leopold, traut Herre,

Sahst du einen grauen Mann

Mit dem schönen Barte stahn,

Der mich beschauete

Und viel trauerte?

Herum er sich kehrte

Und rang seine Hände,

Er durfte nicht weinen

Und war ihm doch nie so leide;

Vielleicht daß Gott der gute

Durch seine Barmunge

Ein groß Zeichen will begahn,

Daß wir kommen von dannen.

Das ist wahr, Bruder mein,

Es mag wohl unser Vater sein.

Da lacheten sie beide

Von Freuden und von Leide.

Die elenden Gäste

Waren frei nicht länger

Bis an den anderen Tag.

Die Jungfraue ihren Vater bat

Daß er sie dahin gehen liesse

Sie wollte ihnen selber dienen.

Urlaub ihr der König gab,

Wie schnelle sie über den Hof hintrat,

Zu dem Herren Dietheriche.

Da hieß man allzugleiche

Die fremden Ritter ausgahn,

Darinne blieb kein Mann

Als der Bothen Magen,

Die über Meer waren gefahren.

Denen gefangnen Mann

Legete man gut Gewand an

Und kleidete sie fleissigliche,

Das kam von Dietheriche,

Der Tisch war bereitet,

Berther der reiche

War Truchsaße,

Die weile seine Kind aßen.

Als nun die Herren saßen,

Ihres Leides ein Theil vergaßen,

Da nahm der Recke Dietherich

Eine Harfe, die war herrlich,

Und schlich hinter den Umhang,

Wie schnell eine Weise daraus klang.

Wellicher begunnte trinken,

Dem begunnt’ es nieder sinken,

Daß er’s auf den Tisch vergoß, welcher aber schnitt das Brod,

Dem entfiel das Messer durch Noth,

Sie wurden vor Freuden sinnelos,

Wie mancher sein Trauern verlohr.

Sie saßen alle und hörten

Woher das Spiel zu ihnen kehrte.

Laute die eine Weise klang,

Leopold über den Tisch sprang

Und der Grafe Erwin,

Sie hiessen ihn willekommen sein

Den reichen Harfner

Und küßten ihn sehr.

Wie rechte die Fraue da sah,

Daß es der König Rother war.

Der erste Akt
des
Schauspiels:
das Donauweib.
1808.

Erster Akt.

Erste Scene.

(Saal.)

Herzbold tritt mit Christoph und andern Dienern auf.

Herzbold.

Nun rührt Euch, rührt Euch, daß es einmal wird,

Der Junker schilt, daß Ihr so lange trentelt.

Erster Diener.

Man kann nicht hier und allenthalben sein.

Herzbold.

Ich will Dir Beine machen, Tagedieb!

Und nichts vergessen, was zum Putz gehört,

Geschirre für die Pferde, denn zur Hochzeit gehn wir;

Ich muß nachher nach allem selber sehn.

Diener ab.

Christoph.

Ihr thut so groß, und wenn nun endlich alles

In Ordnung ist, wird’s erst an Euch gebrechen.

Herzbold.

Hans Dampf! Du klug Dich Dünker! Meister Christoph! —

Hast Recht; geh fort, mein Sohn, pass’ auf: zum Glück

Hat keiner von den Schlingeln Dich gehört. —

Christoph ab, Jakob tritt auf.

Da kommt mein lieber Kellermeister her;

Freund Jakob, habt Ihr noch ein Glas vom Guten?

Jakob.

Da, trink, wir steigen wohl nachher zum Keller,

Noch zum Valet den Unger zu versuchen. —

Doch warum nun so schnell, warum nicht lieber

Noch etwas Ruhe? Ein’ge Tage später

Würd’ ihm das Herz nicht abgestoßen haben.

Herzbold.

Du kennst ja wohl die Jugend, alter Graubart,

Das treibt, das ängstet sich, zu eng ist’s ihm,

Er denkt, er träumt, er athmet nur die Braut;

Da hat er sich im Krieg etwas getummelt,

Sich hie und da von Böhm’schen Schwertern Hiebe

Geholt, die Trennung von dem Vaterlande

Hat nun die Gluth im Herzen mehr geschürt, —

Je nun, da’s sein soll, ist es gut, recht bald:

Er ist und bleibt doch ein verdorbner Mensch.

Jakob.

Wie so?

Herzbold.

Was nützt dem Rittersmann das Weib?

Er ist entzwei gebrochen, unbrauchbar,

Wie die geknickte Lanze, hin der Muth,

Die Jugendfrische: nein, ich dacht’ es nicht,

Daß er so bald des eignen Glückes satt sei;

Da rennt er in sein Joch; ade nun Schwert

Und Lanze, Abentheuer, Krieg und Jagd,

Nun hängt er an dem Halse seines Weibes,

Verzehrt sein Leben in langweil’gen Mauern,

Zeugt fromme Kinder und erzieht sie still,

Küßt eins und putzt dem andern seine Nase,

Lehrt sie Gebete und moral’sche Flausen,

Dünkt sich so wichtig wie der Großsultan,

Wenn er dem ruft: stich dich nicht mit dem Messer!

Um Gotteswillen Kaspar, Konrad, fallt

Vom Schemel nicht! Franz, du liegst ja im Quark! —

Verflucht die matte, freudenleere Trägheit,

Die sanfte Zärtlichkeit, die recht im Mark,

Im Innersten des Mannes zehrt, mit Wehmuth

Und Leid und Liebe ihm sein Herz zerfrißt!

Jakob.

Nun, nun, es hat die Ehe auch ihr Gutes,

Dächt’ jeder so wie Du, die Welt stürb’ aus.

Herzbold.

Warum denn das? Ich hasse nicht die Weiber.

Da draus im Orient hab’ ich’s wohl gesehn,

Wie man sie halten muß; was Leben heißt.

Der Mah’med, sonst vielleicht ein böser Schelm,

Hat hierin doch das Wahre recht getroffen;

Da haben sie drei, vier der schmucken Weiber,

Und Sklavinnen, so viel nur jeder mag,

Die sitzen all und warten auf den Herrn,

Und mucksen nicht, und sprechen in nichts mit;

Da macht er seine Runde, bald zur braunen,

Zur weißen dann, zur dicken und zur schlanken

Trägt er sein Herz, und jede bleibt ihm neu;

Doch ein’ und immer ein, das taugt nichts, Freunde;

Dann weiß auch so ein Türk nichts vom Erziehn

Und Kindern, das wächst auf wie junge Böcke,

Und hat er mal die Laun’, so pfeift er nur,

Da springen zwölf ihm an den Vaterhals.

Jakob.

Du bleibst ein wilder Kauz, Freund.

Herzbold.

Was da, wild!

Du zahmes Huhn! komm in den Keller jetzt,

Da taugst Du was, da nur bist Du zu Hause,

Das Bischen hier hat mir App’tit gemacht;

Nachher hab’ ich zu thun, ist doch des Teufels

Gepäck und Flitterstaat, und fehlt dann was,

So fällt doch alle Schuld auf mich. Komm’ nur,

Ich höre schon den jungen gnäd’gen Herrn,

Duck’ unter! schnell! daß mir nicht Redensarten,

Verliebter Unsinn in den Hals gerathen.

Beide ab.

Albrecht und Ulrich treten herein.

Albrecht.

So bist Du wieder da? Ich halte Dich

Und meine Hedewig im Arm, die Liebe

Und holde Freundschaft; ist dann noch ein Wunsch

In diesem Leben übrig? Mögen andre suchen

Nach fernem Glück, nach Reichthum und nach Ruhm,

Mir ward hier alles, alles ist geendigt,

Wonach wohl sonst in kind’schen Jugendträumen

Des Herzens Arme griffen, und nun fängt

Der Frühling meines neuen Lebens an.

Ulrich.

Beglückter Freund, der Du vom Himmel selbst

Dein Loos als freundliches Geschenk empfingst,

Der Du zu sagen weißt: dies wollt’ ich haben!

Und dem nun ungetrübt ward, was er wollte.

Nicht finstre Tage, Sorge nicht, nicht Kummer,

Kein Vorwurf Deines Herzens, noch Gewalt

Hat Dir Dein Glück im schweren Kampf errungen,

Nichts trübt den Glanz des Kleinods; wie ein Lächeln

Geht Dir die Zeit vorüber. O mein Albrecht,

Wär’ ich rein, so froh, so einfach doch

Im Leben nur wie Du, in allen Wünschen!

Doch fernhin dehnt sich ungewisse Zukunft,

Ich spiele mit Verzweifeln und mit Hoffen,

Die Liebe scherzt mit losem leichten Finger

Auf allen Saiten meines Herzens, oft

Tönt Wahnsinn aus der Tiefe, fremde Räthsel

Erzeugen sich wie Wolkenbilder, fliehend

Ist Sonnenschein und Nacht im irren Wechsel.

Albrecht.

Kann denn der Dichter wohl das Leben haschen?

Ist etwas ihm ein Wahres? Soll sein Träumen,

Das ihm die Nacht und die Gestirne senden,

Des Wahnsinns leichtes goldenes Gespinnst,

Das Liebe von der raschen Spindel dreht,

Dem Ird’schen weichen? O beglückter Freund,

Wer hat die Wahrheit? Wer besitzt das Leben?

Entweder greifen wir mit Wünschen weit aus,

Und finden niemals, niemals was wir suchten,

Oder beschränken uns einfach in Demuth,

Und wollen nicht was uns unmöglich ist,

Empfangen, wie der Bettler, auch mit Dank

Die karge Gabe, träumen nur von Glück,

Darben in Gegenwart, vergessen was

Vergangen, denken nur gering von Zukunft,

Und sterben so gleichgültig hin, uns selbst

Vergessend.

Ulrich.

Das kannst Du nicht sagen,

Du machst es wie der Reiche, der sich arm stellt,

Um seinen Reichthum mehr nur zu empfinden,

Und andre daran prahlend zu erinnern:

Du liebst und wirst geliebt; die schönste Braut

Harrt Dein in Sehnsucht, Du bist jung, wie sie —

Albrecht.

Was mehr als alles, sie ist meine erste

Und einz’ge Liebe: Freund, ich lästerte

Den Himmel, denn mein Leben ist der Himmel:

Ich fühl’ es ja, aus Tausenden erlesen

Und hoch beglückt bin ich, der Kette los

Armsel’ger Aengstlichkeit, die alle fesselt;

In Glück ward nun der Böhmenkrieg geendigt,

Mit Ruhm zwar nicht gekränzet, doch geehrt,

Geliebt von meinem Fürsten kehr’ ich heim,

Nun heim zu ihr, die ich seit zweien Jahren

Nicht sah. Wie sie wird anders sein,

Wie jungfräulich, wie sich bewußt der Liebe,

Die in ihr schlief im schönsten Himmelsbette

Und Lächeln träumte; wie wir Engel sehen

Im Schlaf zuweilen, Unschuld halb, halb Schalkheit,

Daß sich die rosenrothen Lippen fragen,

Was sie denn meinen? Und die klaren Augen,

Die sanften Geisterbrunnen, denen Gruß

Und Blick entsteigen, wie die holden Feen

Aus ihrem Bad die schönen Glieder heben!

O Liebste! Und Du Liebster! Jugendfreund!

Du meine Seele! laß uns Lieder singen

Durch alle grünen Thäler lustberauscht.

Ulrich.

Wer ganz beglückt, wie Du, wird nimmer dichten,

Die Liebe gab mir freilich das Geschoß

Des Reims und süßen Tons, doch nur im Unglück:

Ruht’ ich an ihrer Brust, in sel’ger Ruhe,

Im Kuß wollt’ ich die Melodie auslöschen,

Die jetzt aus meinem Herzen zehrend brennt.

Albrecht.

Doch sollst Du mir oft Deine Lieder singen,

Denn keiner liebt sie so als ich, es spiegelt

Mein Herz sich drein, und alles, was ich je

Versucht, war doch nur schwacher Widerhall

Von Deinem Ton. Weißt Du, wie ich einst sang?

O Augen! wohin führen mich die süßen Scheine?

Ich meine, daß ich nur zu büßen ein muß saugen

Der Augen lieblich Grüßen; wie ich freudig weine

Und mich der Deine fühl’ im Küssen, fragen mich die Augen

Mit sanftem Schimmer: wird auch immer dieses Glück mir lachen?

Sie machen,

Daß die Freuden Leiden gleich mir sind: —

O liebstes Kind,

Laß Dieses Fragen, sagen kann ich’s nie und weint’ ich mich auch blind.

Herzbold tritt taumelnd herein.

Herzbold.

Die Pferd’ sind da und stampfen ungeduldig.

Wird’s bald, Herr Ritter? Erst die Angst und Noth:

Mach schnell, und: eile Dich! ei, spute Dich!

Und wenn nun alles da und fix und fertig —

Albrecht.

Geh nur voran, gleich schwingen wir uns auf. —

Komm, Liebster! nun dem schönsten Glück entgegen,

Umarme mich noch einmal: Du bist mein,

Ich fühl’ in mir des Himmels reinsten Segen,

Und trete in des Paradieses Schein.

Sie gehn ab.

Zweite Scene.

(Am Strom.)

Hans und Peter.

Hans.

Die Arbeit wird Dir wieder sauer, nun die Sonne ein wenig scheint. Das reckt und dehnt die faulen Glieder und kann nicht aus der Stelle.

Peter.

Wir haben aber auch noch wenig gefangen, es ist heut ein unglücklicher Tag.

Hans.

Weißt Du, Schlingel, warum es ein unglücklicher Tag ist? Weil Du die Sinne nicht beisammen hast, weil Du nichts als die Grethe denkst und siehst; die Fische könnten zu Hunderten kommen, und Du würdest sie mit Deinen Kalbsaugen nicht einmal gewahr werden. Wie wird es mit der Hochzeit dort oben aussehn, wenn wir keine Fische liefern.

Peter.

Ihr sprecht von der Hochzeit. Wann wird sie denn sein?

Hans.

Je nu, morgen oder übermorgen; was schiert’s mich weiter?

Peter.

Ach, ich dank’ Euch, lieber Vater, daß Ihr endlich Euer Einwilligung gegeben habt.

Hans.

Talk! Talk! was spricht der Lümmel? Kannst die Ohren nicht aufthun? Von Deiner Hochzeit ist Gottlob noch nicht die Rede. Von des Fräuleins Ehrentage, vom alten Grafen da droben. Nein, so lange ich lebe, oder der alte Müller, der krausköpfige Brand, kann aus der Sache nichts werden. — Die Sonne kommt schon über die Berge, sing und breite die Netze aus.

Peter.

Es war einmal ein Junggesell,

Der thät hin fischen gehn,

Die Wasser schienen klar und hell,

Die Sonne gar so schön,

Er schaut wohl in die nasse Fluth,

Er denkt an sie und klagt und fühlt den Liebes-Muth.

Und willst Du mich mit Netzen stehlen?

So singt es aus dem Fluß:

Zum Liebsten wollt’ ich Dich erwählen,

Komm her, komm her zum Kuß!

Er zieht das Netz mit großer Pein,

Und schau! da zappelt und lacht die Liebste drein.

Da fällt sie ihm an seinen Mund,

Und halst und drückt ihn sehr,

Da war er froh und ganz gesund,

Und klagte nimmer mehr,

Sankt’ Peter segnet’ ihm den Zug,

Er hat mit seinem lieben Fisch der Lust und Freude überg’nug.

Hans.

Alberner Junge, nichts als skandalöse unvernünftige Lieder hat er im Kopf! — Die Netze da oben müssen in den Strom gezogen werden; komm hinunter in den Kahn. — Man hört Jagdhörner. — Da jagen sie schon so früh im Walde.

Peter.

Die haben’s besser, als wir, und wie herrlich das Horn die Felswand hinab klingt und widerhallt, ich wette, daß sie es unten in der Mühle hören. Heut Abend darf ich doch in die Mühle?

Hans.

Komm, Hasenfuß, Liebesnarr, Dummkopf! der Donaustrom könnte Dir wohl unter den Beinen weglaufen, und Du würdest es doch nicht gewahr werden. —

Gehn ab.

Christoph kömmt blasend.

Wo mein Herr nur geblieben ist, und die ganze Gesellschaft. Den tollen Herzbold hab’ ich sehn vom Pferde fallen, aber ich konnt’ ihn nicht erreiten. Er bläst. Sie müssen sich doch zusammen finden. Das heiß’ ich Lust und Liebe zur Jagd, daß man die Bären nicht in Ruhe lassen kann, wenn man zur Hochzeit reitet. Holla! Er bläßt. Da oben ragt schon den Wald das alte Felsenschloß herüber; je nun, ich kann den Weg ohne sie, sie können ihn ohne mich finden.

Er bläst und geht in den Wald zurück.

Albrecht,

aus dem Walde mit einem Jagdspieß.

Hier war das Blasen, doch ich sehe Niemand. —

Ha! seid gegrüßt, gegrüßt ihr alten Mauern,

Gesegnet seid da droben, liebe Steine,

Die mir mein Theuerstes, die sie umschließen!

Seh ich euch wieder nach so manchen Tagen?

Dort ist ihr Fenster, in der Sonne glänzend:

Nun schaut sie wohl hernieder, schaut die Donau

Und späht nach mir: oder sie geht im Gärtchen,

Pflückt Rosen, hebt sich auf den zarten Füßchen,

Beugt sich die Brustwehr über weit, seufzt: Albrecht!

Eine Stimme.

Albrecht!

Albrecht.

Wie, war es nicht, als wenn es aus dem Strome,

Vom Felsen drüben meinen Namen riefe?

Es war nicht ihre Stimme!

Gesang.

Auf Bergen nicht und nicht im Thal

Wohnt Liebesglück,

Von Thal und Bergen treibt die Quaal

Dich bald zurück,

Die Heimath weicht, die Ruhe flieht

Wie Sehnsucht dich in ihre weiten sanften Kreise zieht.

Albrecht.

Welch Tönen! Wasser, Berg und Wald erklingen,

Mein ganzes Herz hallt wieder, und dies Echo

Ruft laut im Innersten die Träume wach.

So tönt nicht ihre Stimme; nein, die Wölbung

Des Himmels und die Luft und Erd’ und alles

Ein Zaubersang! O voller Donaustrom,

Du rauschest drein und jede Woge hüpft

In Wollust und Entzücken.

Gesang.

Sehnsucht hat ein Thor erbaut,

Drinnen lacht das Lachen, schmachten

Süße Blicke, dir entgegen schaut

Der Kuß, die Arme dir entgegen trachten,

O komm zum Schloß, auf Bergen nicht und nicht im grünen Thal,

O endlich, endlich komm zum trauten Kämmerlein einmal.

Albrecht.

Was weil’ ich? Immer heller wird der Strom,

Als wollten Blumen alle Wellen werden,

Als strebte zu mir her das süße Wort,

Mit Flüstern es dem Herzen zu verkünden,

Was es entbehrt, und längst gesucht, gewünscht,

Und doch den Wunsch, sich selber nicht erkannte.

Gesang.

Rubinen glänzen in dem Saal,

Dir winkt das Hochzeitbette,

O küßt’ ich dich ein einzigmal,

O daß ich dich in Armen hätte,

Dir in die lieben Augen tief zu sehn,

Und Kuß auf Kuß in Wollust zu vergehn.

Albrecht.

Ich will, ich muß hinweg, sie ist es nicht,

Ich kenne wohl die zarten Laute Hedewigs,

Das Schloß verbergen dort mir Wetterwolken,

Sie ziehn zum Felsen oben dicht und dichter.

O Hedwig! Will gehen.

Stimme.

Albrecht! Albrecht!

Albrecht.

Es ruft! Mich täuscht kein Irrthum. — Wer?

Hier bin ich! — Weit und breit kein Mensch —

Ich bin allein, einsam ein Klaggeschrei

Im Wald, die Felsen hallen wieder

Gebrochne Töne von der Woge, Grauen

Ergreift mich, greift durch Mark mir und Gebein.

Siglinde erscheint auf dem Wasser.

Welch Frauenbild dort lächelnd in der Fluth?

Die tiefen dunkeln Augen! Wehend weit

Ihr Schleier — und sie winkt — wo bin ich, Himmel?

Siglinde.

Albrecht! mein Albrecht! komm zu meinem Schlosse!

Albrecht.

Wohin?

Siglinde.

Tief unten, wo kein Neid Dich findet,

Kein Argwohn —

Albrecht.

Weh!

Siglinde.

Kein Ueberdruß, Ermatten.

Albrecht.

Zu Dir? — Siglinde versinkt.

Wo bleibst du Bild? Versank das Augenpaar?

Ward in der Fluth dies Lächeln ausgelöscht?

Spiegeln herauf nicht die Korallenlippen?

Jetzt will ich gehn, — wie mich das Wasser ruft —

Wie mich der Strom anschaut, wie heißbedrängt

Die Wellen meines Bluts die Wogen grüßen,

Und Kühlung, Kühlung suchen, — fort! O Hedwig! —

Bist du gestorben? du im Strom versunken?

Hinauf zum Wald! hinauf in ihre Arme!

Es donnert fern, — im Donner ihre Stimme,

Mein Herz erschütternd.

Siglinde schwebt auf dem Wasser, ein Kind in den Armen.

Siglinde.

O mein Albrecht!

Albrecht.

Wieder!

Siglinde.

Du gehst?

Albrecht.

Ein Kind! das winkt und nach mir greift,

Wie Gold die Locken.

Kind.

Willst mich nicht küssen, mit mir spielen, Vater?

Albrecht.

Welch Wort!

Siglinde.

Albrecht! Leb wohl! vergiß uns nicht! —

Versinken.

Albrecht.

Wie? Vater? — Albrecht schallt’ es hier? — Wohin,

Wohin sind sie gekommen? Wo ist die Erde?

Wo bin ich denn? Mir wankt der Fuß,

Die Sinne schwindeln, alles läßt mich los

Und bricht und stürzt in, außer mir zusammen,

Und hülflos ich!

Ulrich kommt.

Ulrich.

Wo weilst Du, Freund? Schon lange such’ ich Dich.

Albrecht.

Ha! Freund sagst Du? Mein Freund? Wie? War’s nicht so?

Du bist mein Freund? Du willst mein Bruder sein?

Du lebst und bist mir nah? Ich kann Dich halten,

Und nimmer wirst Du in den Strom versinken,

Dich nimmt die Fluth nicht mit wie einen Gedanken,

Den wir nicht wieder finden, der nun fort ist,

Versunken, eingeschlungen in das Chaos,

Das in uns ruht?

Ulrich.

Was ist Dir, Liebster? Deine Augen glühen,

Die Wange brennt, was klammerst Du so ängstlich

Mich an?

Albrecht.

Und wie der Schleier wehte,

Als schon die Augen tief, tief eingesunken!

Ulrich.

Besinne Dich, Geliebter, fasse Dich;

Was widerfuhr Dir?

Albrecht.

Laß mich.

Ulrich.

Komm zum Schlosse,

Es harrt Dein die Geliebte.

Albrecht.

Laß mich, — nur sammeln, — nur —

Geht an das Wasser.

O holder Strom!

Ich weiß, — ich kenne dich, — nur gieb mir wieder

Mich selbst. —

Steht in tiefen Gedanken.

Ulrich.

Was kann ihm sein? So sah ich ihn noch nie.

Ist die Gesundheit unsers Leibes nur

Der Elemente Spiel, des Zufalls Gunst,

Und so des Geistes Kraft? — Wie starr er steht

Und in die Wogen schaut. — O mein Geliebter,

Du thust mir weh, besinne Dich, mein Albrecht.

Albrecht.

Bist Du hier, Ulrich? Kommst Du von der Jagd?

Ich suchte Dich.

Ulrich.

Schon lange weil’ ich hier —

Albrecht.

O Freund, nur Dir, nur Dir kann ich’s vertraun,

Wem sonst? Nie darf es meine Hedwig wissen,

Ha! sie zuletzt! —

Kannst Du es denken, träumen, ahnden nur —

O ich weiß nicht, noch hab’ ich meine Sprache

Noch wieder nicht gefunden, keine Worte. —

Du weißt, Geliebtester, wie ich schon früh

Hieher zum Schlosse kam, als meine Eltern

Gestorben, kaum nur war ich funfzehn Jahr,

Hedwig um ein’ge Jahre jünger, froh

Und heiter floß mein spielend Leben hin,

Nur Krieg und Ruhm war mein Gedanke, kühn

Träumt’ ich mich als der Abentheuer Helden. —

Nun, — o vergieb, nur was Du weißt, erzähl’ ich —

Nun kam die Zeit, — o wonnevolle Tage,

Als ich in Hedwigs Blick war neu geboren,

Dem unschuldvollen Lächeln flohn die Träume,

Nur Liebe dacht’ ich: nun las ich die Bücher,

Die unsre deutschen Meister einst gedichtet,

Nun sang ich Liebesreime, ruhte nicht

Bis ich Dich kennen lernte, — meine Jugend

Verknüpfte sich der Deinen, Du mein Freund,

Dein Bruder ich — drei Jahr verschwanden so —

Darauf —

Ulrich.

Du zögerst jetzt, o sprich, Geliebter.

Albrecht.

Drauf, o mein Freund, was ist der schwache Mensch? —

Von Liebe trunken, in des Frühlings Blüthe,

Als Blumen auf die üpp’ge Flur gegossen,

Als so wie jetzt die Nachtigall zerfloß

In Liebesklagen und den Hain mit Feuer

Und schmelzendem Gesang durchrieselte, —

Hier, eben hier, als eben so die Donau

Erklang, den Busen voll von Liebesfeuer, —

Schon hatten wir die Sehnsucht uns gestanden,

Schon hatt’ ich ihren süßen Kuß gekostet, —

Da führte mich mein Glück, mein Unstern, Schicksal,

An dieses Ufer, und ein Lied zu dichten

Schaut’ ich die Fluth mit brünstgen Augen an, —

Ich bog hier um die Felsenecke, — Augen!

Was saht ihr? Glanz und Licht die Blumen all,

Ein Frauenbild, wie aus dem Himmel selbst,

So groß, so klar und leuchtend, saß in Schöne,

In übermenschlicher, an diesem Stein,

Vom reichen leuchtenden Gewand umflossen, —

Sie redete mich an, — ich nahm die Hand

Die zarte, sah den üpp’gen weißen Busen,

Mein Auge wurzelte auf ihren Lippen, —

Im Walde waren wir, in eine Hütte

Eintretend schwand mir rings die weite Welt

In ihren Armen, und zum erstenmal

Lernt’ ich des Weibes hohe Schönheit kennen,

Und trank zum erstenmal den Rausch des Wahnsinns

Wild aus dem Wollustbecher, alles Holde

Und Schauerliche, Mährchen, Sehnsucht, Wonne,

Zog Feind und Freund bunthin durch mein Gemüth —

Ich kam zum Schloß zurück, noch klang der Wald,

Das Wasser rauschte noch, die Stimme tönte

Empfindlich rührend noch im Ohr, ich mied mit Angst

Die Blicke Hedwigs, — drauf sucht’ ich bald alles

Was mir geschehen zu vergessen, wagte

Zu sprechen, sie zu küssen, anzublicken,

Und aus der Unschuld blauen Kinderaugen

Goß sanfter Schein Verzeihung auf mich hin,

Mein Geist ward in dem Blicke neu geläutert, —

Ich mied den Ort, wo ich die Fremde fand, —

Gespenster schienen mir an dieser Stätte

Zu hausen, da vergaß ich ihn, und endlich

Nach langer Zeit verirrt’ ich mich hieher,

Ein Grauen hielt mich fest, ich kehrte wieder,

Nur fragen wollt’ ich sie, ihr zürnen, fluchen, —

Und nichts, nichts ließ sich sehn, — dann rief der Krieg mich. — —

Und nun nach langen mühevoll durchlebten

Vier Jahren tret’ ich aus dem Wald hieher, —

Und wie ein heimlich Feuer plötzlich aufschlägt,

Und rings das ganze Dach die Flamme frißt;

Wie die Lauwine plötzlich nieder schmettert;

Wie ungesehn die Wasser aus der Tiefe

Oft springen und die Wiesen all’ ertränken,

Eh noch der Schnitter nur den Quell bemerkt,

Wie sie die Dämme nieder reißen, Städte, Dörfer,

Pallast und Kirchen in den Wogensturz

Krachend begraben, — so, auf einmal ganz

Den Sinn umfangend nahm es meine Seele,

Nur sie glaubt’ ich zu hören und zu sehn, —

Als wäre jenes Schloß dort ein Gefängniß,

Hedwig wildfremd und kalt und überlästig,

Als müßt’ ich suchen jenes einz’ge Glück,

Mich werfen in den Strudel fremder Wunder-

Begebenheiten, als sei sie die Göttin

Des Schicksals, Leben, Blume, Schönheit, Reichthum,

Und ew’ges, inn’ges Glück, als — o mein Freund,

Was Du in Liedern sangst, was Dichter suchten,

Was Heiden von dem Wunderland der Götter

Gefabelt, und von Venus und Cupido,

Als sei es hier bei jener Unbekannten,

Als lebe Hedwig nicht, als sei die Liebe

Zu ihr nur Phantasie und Heuchelei, —

O komm! hör nicht die gift’gen Wogen rauschen,

O komm, daß wir hier auf der Erde bleiben,

Hinauf zum Felsenschloß, den Wolken näher,

Den Wald hinein, daß alle grünen Blätter

Im Sturm und im Gewitter brausen mögen,

Daß wir den Wellenklang nicht mehr vernehmen!

Er zieht ihn mit sich fort.

Herzbold kömmt betrunken.

Holla! kein Mensch hört, und das Waldhorn hab’ ich auch verloren. — Kann sein, daß sie auch schon alle oben auf mich warten. — Das war ja des Teufels Reiterei! — Aber auch nur einem hasenfüßigen Verliebten, und einem Poeten, der an sich schon verrückt ist, ohne alle Ursache, kann es einfallen, wenn sie auf die Hochzeit reiten, sich mit Bären einzulassen, und so im Walde auf und ab, bald zu Fuß, bald zu Pferde. Ich, der ich mich noch zuvor mit einigen Flaschen guten Ungarschen Wein gestärkt hatte, verliere unversehens die Bügel, darauf verliert das Pferd unversehens mich und schmeißt mich mit dem Kopf gegen eine ziemlich harte Eiche, daß ich im ersten Augenblick, mein Seel, nicht wußte, ob ich fluchen oder in Ohnmacht fallen sollte. Wie ich wieder ein weniges zu mir komme, war ich in der einsamsten Einsamkeit, ohne Weg und Steg. Nun, Gottlob, bin ich doch wieder an das Tageslicht gekommen, und sehe dort oben unsre Herberge. Wenn ich nur erst droben wäre, denn ich bin so grausam durstig, daß mir die Zunge am Gaumen klebt; ich wäre im Stande Wasser zu trinken; ein gutes frisches Quellenwasser ist unter gewissen Umständen nicht ganz zu verachten. — Nun wird da droben bald Hochzeit in aller Frömmigkeit und Einträchtigkeit gehalten werden, und mein junger Herr wird sich im Himmel dünken, denn er hat ein so stilles und kühles Blut, daß ich wohl darauf schwören möchte, er ist noch ein Junggesell.

Lautes Gelächter vom Strom.

Wer lacht denn? Was hört’ ich denn? Irgend ein unverschämter, naseweiser Gelbschnabel! — Ich sage, ja, er ist noch ein Junggesell, denn ich habe ihn schon als einen kleinen Jungen gekannt, und er war nie hinter die Mädchen drein, er war immer eine weichgeschaffne stille Seele, die sich schämte, wenn ihn die jungen Weiber nur anredeten, oder gar küssen wollten; nun wird er aber die alten Frauen nicht mehr so gern haben, wie damals.

Noch lauteres Gelächter.

Aber nein, das klingt ja wie eine ganze Spinnstube voll schäkernder Mädchen, die sich erzählen, was der und der zu jener gesagt hat, wenn sie sich Nachts besuchen. — Was Satan! bin ich blind? — Nein, ich sehe zu viel! Der ganze Strom voll Mädchen, nackt und wiegend und tanzend. — Sind wir etwa unwissend in Mahomeds Paradies gekommen? — Alle lachen und tauchen unter. Weg! — o Herzbold! Herzbold! nun seh’ ich, daß du alt wirst! Mach dich nur auf eine rothe Nase und zitternde Kniee gefaßt, denn noch niemals haben drei oder vier Kannen dein Gehirn so betäuben können; armer Mensch, dein Lauf ist vollendet! Oder hat es etwa der Fall gegen die Eiche gemacht, daß dir solche Hirngespinste aufsteigen? Die Doktores sagen, daß heftige Erschütterungen, oder selbst Gemüthsbewegungen, den Menschen zum Narren machen können. Auch giebt es wohl Fälle, daß durch dergleichen Anstoß sich neue seelische Kräfte aufthun, und der Geist einen Blick in das verborgene Reich der Wahrheit versucht. So hab ich mir von einem erzählen lassen, der, als er eine hohe Treppe herunter geworfen wurde, unten auf einmal griechisch sprechen konnte, als er wieder aufgestanden war, oben konnt’ er kaum deutsch; ein andrer, dem man einen tüchtigen Hieb über den Schedel maß, war durch den Kloben mit einemmale Musicus geworden; und so könnt’ ich jener Eiche auch vielleicht als meinen aufmunternden Schulmeister zu verdanken haben, Blicke in das Reich der Natur zu thun, und da Weiber und Mädchen zu sehn, wo andre kaum Fische und Krebse finden. Ein Weiser oder ein Narr muß ich auf jeden Fall sein, der Mittelstand verträgt sich mit solchen Gesichten nicht. Scherzweise habe ich vorher vom Wasser gesprochen, und hier springt eine allerliebste Quelle aus dem Felsen, ich will jetzt im Ernst davon schöpfen, um die Phantasien zu vertreiben. — Er schöpft in seinem Huthe, und so wie er trinkt, tritt das Kind aus dem Berge und stellt sich an ihn. Ha! das thut gut! Nun sind mir die Augen heller als erst, — aber was Kuckuk! Ei! ei! so hat Frau Fortuna noch nicht mit mir Armen Versteckens gespielt, als heute; — immer besser! bist Du ein kreatürliches Wesen, — eine wirkliche Figur, — ein gebornes Geschöpf, so sprich, Du kleine Krabbe!

Das Kind weint.

Herzbold.

Warum weinst Du denn, Du schmuckes Thierchen? — Sprich, kleines allerliebstes Mädchen. Wein’ nicht, mir wird so bang um’s Herz. Hast Du Hunger?

Kind weinend.

Ich habe keine Eltern, beide todt, ich komm’ aus dem Gebirge schon weit her.

Herzbold.

Armes Wurm! Was die kleine Kröte schon hat erleben müssen. Was willst Du denn?

Kind.

Einen Vater, eine Mutter möcht’ ich haben?

Herzbold.

Wie alt bist Du denn?

Kind.

Drei Jahr und zwölf Wochen. Bring mich zu Fräulein Hedwig; will sie bitten, daß sie meine Mutter wird.

Herzbold.

Ja, mein Engel, schon gut, aber die denkt jetzt auf eigne Kinder.

Kind.

Die sollen meine Brüder und Schwestern sein.

Herzbold.

Das geht nicht so schnell, Du hast keine Erfahrung, Du kennst die Welt nicht. Was so verliebtes Volk Kinder in die Welt setzt, und läßt sie dann auf gut Glück im wüsten Gebirge herum laufen, andern zur Last zu fallen.

Kind.

Bist Du nie verliebt gewesen?

Herzbold.

Nein, Gott hat mich in Gnaden davor bewahrt; ich habe immer mehr zu thun gehabt.

Kind.

Ja, Du Spitzbube, Du hast es eben gemacht, wie so mancher andre Taugenichts; gelt? Armen Mädchen etwas vorgeschwatzt und gelogen, und sie dann mit ihrem Jammer sitzen lassen, und nachher noch obendrein hübsch männlich gethan mit dem starken Herzen? So sind wir armen Mädchen immer die Betrogenen. Und Du, Herzbold, hast ganz die Miene dazu.

Herzbold.

Ha! wie? Was? bin ich verhext? da nur stehn kann ich und das Maul aufsperren, nichts sagen, nichts denken. Das wird ein Zeitalter werden, in dem die dreijährigen Kinder schon so räsonniren: das heiß’ ich Fortschritte in Kultur und Bildung. Dagegen sind wir nur Backfische gewesen. Und der Kobold weiß meinen Namen. Bald fürcht’ ich mich, so klein dies Ding ist. Um Gottes Willen, bist Du ein Kind, oder ein Rind, oder der Satan selber, der mich narren will?

Das Kind lacht.

Herzbold.

Und ich träume es doch nicht; nein, es hat seine Richtigkeit.

Kind weinend.

O führe mich auf das Schloß, mich hungert sehr. Erbarme Dich einer armen Waise.

Herzbold.

Komm, Wahrsager, Zigeuner, ich mag Dir nichts abschlagen. Mögen die droben sehn, wie sie mit Dir fertig werden. Was geht’s mich an? darf ich mir die Hand ausbitten?

Kind.

Hier, mein Lieber. Ach, Du bist doch nicht so böse.

Herzbold.

Fahre nur fort in Deiner geistreichen Unterhaltung, und wenn Du manchmal zu hoch sprechen solltest, so laß Dich herab, die dunkeln Stellen einigermaßen zu erläutern. Sie gehn ab.

Hans und Peter kommen zurück.

Hans.

Nichts gefangen. Da, nimm die Netze auf den Buckel, es ist schon Mittag.

Peter.

Es ist heiß.

Hans.

Fort, Du Langsam. An Dir liegt alle Schuld. Sogar die unvernünftigen Fische, so stumm sie sind, haben gemerkt, daß Du ein verliebter Narr bist, und sind Dir mit Verachtung aus dem Wege gegangen. Der Bengel ist noch mein Unglück, er ruinirt mich. Auf den Abend wieder her, die Nacht muß einbringen was der Tag eingebüßt hat.

Peter.

So hat man denn gar keine freie Stunde.

Hans.

Wer hat Schuld als Du? Halt’s Maul! Fort, nach Hause, die Mutter wartet mit dem Essen!

Gehn ab.

Dritte Scene

(Zimmer.)

Ulrich, Hedwig.

Ulrich.

Mein schönes Fräulein, mein theure Freundin,

Sogleich eilt Albrecht her in Eure Arme,

Drum zürnet nicht, vergönnt ihm noch Erholung.

Hedwig.

O Gott! wie hab’ ich diesen Augenblick gewünscht, —

Seht nur, ich kam fast ungeschmückt, mir war

Jedweder Augenblick, der unsre Trennung

Vermehrte, wie ein Tod, — und nun, — er liebt mich nicht,

Er hat mich wohl vergessen. —

Ulrich.

Keine Thränen

Geliebtes Kind, macht nicht die schönen Augen

Mit Weinen roth, — er wird sogleich sich finden,

Ihm war nicht wohl, nun sitzt im Hof er drunten

Im Schatten jener Linde, schaut sich um,

Erinnert sich der alten guten Zeit

Und sammelt sein Gemüth.

Hedwig.

So laßt uns ihm

Entgegen eilen, daß ich dort ihn frage,

Daß ich ihm nur in seine Augen schaue,

Dann ist ja alles gut.

Ulrich.

Hier kommt er selbst.

Er geht ab. Albrecht tritt ein und sinkt stumm in die Arme der Hedwig. Pause.

Hedwig.

Du weinst?

Albrecht.

O laß mich, laß mich, Süße, Dir

Zu Füßen hin in Thränen, Seufzern rinnen,

Es bricht mein Herz, — o zu gewaltsam, — Gott! —

Hedwig.

Wie ist Dir?

Albrecht.

Gut und wohl; — da sind wir wieder,

Stehn wieder auf der alten Stelle! sieh doch

Die alten Sessel da, — die Bank im Fenster,

Von wo wir oft das Thal hinab geschaut, —

Ha! noch der Einschnitt auf dem runden Tische,

Die eingeschlungnen Namen Hedwig, Albrecht, —

Gewiß, mein Herz, ich weiß nicht was ich sage, —

Mir geht das Zimmer rund, — auch Du weinst, Hedwig?

Hedwig.

Ach, alles ist noch so, und Du, mein Albrecht, —

Ach lieber Gott, was soll der Mensch doch wünschen —

Ja, dieser Augenblick, er stand seit Jahren

Verklärt vor meiner Seele wie ein Himmel,

Da fliegst Du wie ein Engel her vom Himmel,

Nahmst mich in Deinen Arm, in mir der Himmel —

Und nun, — wie dunkle Schwermuth, Angst und Furcht,

Welch Todesbangen zuckt durch meine Seele —

Ah, sieh, da hast Du noch den lieben Ring

An deinem Finger, hier die kleine goldne Kette,

Die ich an jenem Abend Dir geschenkt,

Als Du einmal so traurig warst, so fremd, —

Ha! weißt Du noch? — Ach, liebster, liebster Albrecht!

Kennst Du mich denn, liebst Du mich denn, wie sonst?

Albrecht.

So senk’ Dich denn mit aller Zärtlichkeit

In dieses kranke Herz, so blühe denn

In allen tiefen Schmerzen in mir auf,

Du Liebste, Einz’ge, — lange war ich weg,

Nun bin ich da, nun wollen wir nicht weinen.

Hat denn Dein Mund das Küssen nicht verlernt?

Wie diese Thrän’ aufgeht im hellen Auge

Mit Lächeln ringend, glänzend schwillt, und hängt

Wie ein Demant, nun fällt, nun fällt sie nieder,

Entrinnt dem Käfig dieser schönen Wimper,

Und so im Kuß verlösch ich Deinen Seufzer

Der ihr will folgen, wie ein Vögelein

Das andre sucht in freier Luft.

Hedwig.

Mein Albrecht!

Albrecht.

Wer kennt der Sehnenden

Thränenden

Freudvollen Schmerz?

Ein bangender Scherz

Spielt Freiheit ringend,

In Seufzern klingend

Durch’s bebende Herz.

Ich kann mich nicht fassen,

Mich dünket verlassen,

Verstoßen zu sein;

Nur Lieb’ hat empfunden,

Wie innig verbunden

Die Wonnen und Wunden

Im sel’gen Verein.

Hedwig.

Das war Dein erstes Lied, das Du mir sangst.

Ulrich tritt ein mit dem Kaplan Johannes.

Ulrich.

Der Herr Kaplan sucht Euch im ganzen Hause.

Johannes.

Da seid ihr wieder, lieber gnäd’ger Herr!

Der alte Graf wird auch sogleich erscheinen,

Euch Willkomm sagen; Euch ist ja bekannt,

Wie ernst und finster, und wie menschenscheu

Er immer der Gesellschaft sich entzieht,

Und diese Schwermuth hat noch zugenommen,

Und ganz vorzüglich jetzt seit wen’gen Tagen. —

Doch wie ist Euch? Mich dünkt, Ihr seid verändert,

Ihr glüht, Euch ist doch wohl?

Albrecht.

Ich bin gesund.

Du alter theurer Pfleger meiner Jugend,

Doch diese Hitze, — ja der Tag ist heiß, —

Wo ist denn Wolf? Lebt noch der alte Knecht?

Johannes.

Wolf! Wolf! Euch ruft der gnäd’ge Junker Albrecht.

Wolf kommt.

Albrecht.

Mir ist so heiß, bring’ schnell etwas zur Labung.

Wolf geht.

Johannes.

Da kommt der Graf.

Graf Erhard tritt ein.

Erhard.

Laßt Euch umarmen, seid mir hoch begrüßt.

Albrecht.

Mein theurer Vater, nehmt mich gern zum Sohn.

Wolf kommt zurück.

Wolf.

Hier Wasser aus dem kühlen Felsenbronn.

Albrecht

setzt an, wirft den Becher weg.

Nein, Wasser kühlt nicht diesen heißen Durst,

Gieb Wein mir, goldnen, glutherfüllten Wein,

Mich schaut aus dem krystallnen kalten Naß

Ein wildes Auge an mit Feuerblick.

Wolf.

Wie Ihr befehlt.

Johannes.

Ein Fieber plagt Euch, Ritter.

Erhard.

Die wilde Jugend, wie wir alle waren.

Trompeten.

Wolf.

Da hält der Zug des Herzogs vor der Burg.

Erhard.

Kommt ihm entgegen, unserm gnäd’gen Herrn.

Alle gehn ab.

Ulrich,

der zurück geblieben ist.

Sie ist es. Wie das bange Herz mir klopft.

Sie steigt vom Pferde, nickt mit liebem Gruß

Den Freunden zu; die hohen Federn schwanken

Vom Huth ihr nieder über goldne Locken,

Den edlen Leib deckt herrliches Gewand,

Weit nach folgt dienend ihres Kleides Saum

In Lieb’ um ihren schönen Fuß zu wallen.

Was zögr’ ich noch? Ich geh’ ihr rasch entgegen,

Und wenn ein sanfter Blick mich dann bemerkt

Und freundlich unterscheidet, bin ich selig.

Geht ab.

Hedwig und Albrecht kommen zurück.

Hedwig.

Ja, nun kenn’ ich Dich wieder, nun erst bist Du

Der alte, ja, das sind die treuen Augen,

Das stille Lächeln um den kind’schen Mund:

So lieb’ ich Dich, so solltest Du mir bleiben,

Nicht klug, nicht fremd, — nicht — ach, ich schwatze so,

Nun hab’ ich zu Dir so wie sonst Vertraun, —

Nicht wie Du warst solltest Du jemals sein.

Albrecht.

Nur wie ein Fieber hat es mich befallen,

Und so verlassen. Liebes, holdes Mägdlein,

Dein bin ich doch in jeglichem Gedanken,

Ja jeder Puls in mir klingt Dir nur Liebe.

Wie war ich so verlassen ohne Dich,

Wie ist mir wohl, wenn ich Dein Auge sehe.

Hedwig.

Der Vater ist seitdem recht schlimm geworden.

Albrecht.

Es ist die alte Krankheit, die ihn drückt,

Er meint es immer gut mit Dir und mir.

Doch müssen wir nicht zur Gesellschaft wieder?

Hedwig.

Ich schäme mich vor dieser hohen Frau,

Der Herzogin, sie ist so schön, so groß,

Sie sieht so mächtig drein und so verständig,

Ich werde roth, wenn ich mit ihr muß sprechen.

Ja, Albrecht, schon vorher fiel es mir ein,

So eine solltest Du zur Frau Dir nehmen,

Ich armes Kind bin Dir nicht schön genug.

Albrecht.

Du liebes Herz, mit Dir nur bin ich glücklich,

Denn Deines Wesens holde Lieblichkeit

Ist mehr als jener Herrlichkeit und Pracht.

Herzbold kommt mit dem Kinde.

Herzbold.

Nur herein, nur herein hier, Du kleines Unkraut, hier ist die Herrschaft. Gott grüß Euch, gnädiger Herr, und meine schöne, junge, schmucke Gräfin; hier bring’ ich Euch das Neuste vom Jahr, das ich draußen im Walde, wie eine Erdbeere, aufgelesen habe.

Hedwig.

Was will das Kind?

Herzbold.

Bei Euch bleiben, vor der Hand Euer eigen werden. Es ist eine arme verlassene Waise aus dem Gebirge.

Hedwig.

Komm zu mir, kleines Mädchen.

Kind.

Willst Du mich hegen,

Mütterlich pflegen,

Wird meinetwegen

Des Himmels Segen

Dir allerwegen

An’s Herz sich legen.

Hedwig.

Ein hübscher Spruch. — Sieh, mein Albrecht, wie schön, wie klug, — ich nehme sie an, als mir vom Himmel gegeben.

Kind.

Ach Du liebes Fräulein! Du bist so schön, und dabei auch so gut.

Albrecht.

Wie heißest Du?

Kind.

Sie nannten mich Adelfriede.

Hedwig.

Herzbold, führe die Kleine in meine Kammer. — Komm, mein Albrecht, in den Saal zu dem Herzog, der Vater schmählt sonst. Beide ab.

Herzbold.

Siehst Du, kleine böse Sieben, nun hast Du Dein Glück gemacht, wenn Du hübsch artig und folgsam bist.

Kind.

Sorge Du nur für Dich selbst. Sie gehn ab.

Graf Erhard tritt ein.

Zu eng ist mir mein Haus; die stummen Wände

Stehn mir wie Schwätzer da. — Du dunkles Nest,

So muß aus dir ein Sammelplatz von Thoren

Auf deine alten Tage werden, Lachen

Und Neckerei, Gesang in dir sich tummeln?

Und diese Fremden! Möcht’ ich doch, — he Wolf!

Wolf kommt.

Erhard.

Sind sind im Saale?

Wolf.

Ja.

Erhard.

Nun, ich muß hin.

Nur diese sieben Tage, dann begrüß’ ich

Die alte liebe Einsamkeit von neuem.

Ab.

Wolf.

Der alte Griesgram ist doch nie zufrieden. —

Bin ich’s denn aber? Nein, die Knechtschaft hier,

Das sauertöpfsche Leben, all der Zeter,

Muß bald in helle Lust ausschlagen, ja,

Ich halt’s nicht aus; dann will ich jubeln, schrein,

Die alte Haut vor Lust und Wonne schütteln.

Geht ab.

Prolog zur Magelone.
1803.

Die Nacht.

Absteigen muß ich jetzt von meinem Thron,

Des heil’gen Lichtes Ankunft ahnd’ ich schon,

Die goldne Heerde merkt die Abschiedsstunde

Und kehret heim vom dunkeln Thalesgrunde;

Die Schatten zittern, die mein Leben fühlen,

Die Morgenröthe will mit Wolken spielen,

All’ meine Kinder wollen mich verlassen,

Hülflos, erschreckt, weiß ich mich nicht zu fassen;

Verfolgt, durchbohrt vom scharfen Strahl, dem glühenden,

Sink’ ich betäubt und stürze mit den fliehenden.

Die Träume.

Mutter! Die Kinder, die schwebenden,

In Aengsten erbebenden

Nimm sie mit dir! —

Weh! wohin fliehen? —

Was uns deckte, wiegte, bewehrte, entziehen

Die glühenden, blühenden Lichter uns hier.

So enteilt, so flieht zu den dunkelsten Gestaden,

Die unterird’schen Brunnen zu trinken, zu baden

Im Geriesel tiefer Quellen — — wohin entrückt sind wir? —

Die Wolken.

Uns kommt in süßen Grüßen ein stilles Leben,

Wir wachen und fließen in Küssen zusammen,

Da schießen liebende Flammen

Und zieh’n uns fort, dem heil’gen Strahl uns hinzugeben.

Der Jüngling erwacht.

Ich war gefangen! Wer hat mich befreiet

Und aufgelöst des Hauptes düstre Binde?

Mein Geist, mein Muth war mit sich selbst entzweiet,

Angst, Trübsal, Furcht nahmen zu ihrem Kinde

Das bange Herz, zu fremder Noth geweihet;

Es floh das wüste Heer im Morgenwinde,

Ein Hauch hat Traum und dunkle Nacht verzehret,

Und mein Gemüth im Morgenlicht verkläret.

Die Sonne.

Ich will zu meinem hohen Thron aufsteigen:

Morgenroth, Diener, leg’ die güldnen Decken,

Zum Fußtritt durch die lichtazurnen Strecken,

Ruf durch den weiten Raum ein heil’ges Schweigen:

Schön will ich mich den Unterthanen zeigen,

Wald, Berg, Thal, Fluß mit meinem Glanz bedecken,

Das Luftgefieder schnell zum Gruß erwecken,

Der Pracht soll Niedres sich und Hohes neigen.

Die Vögel singen, Wasser rauschen, hallen

Gebirg’ und Wald, mein Auge dringt zum Dunkeln;

Geblendet, trunken, kommt mir Dank von allen:

Ein kühler Thau soll ihre Inbrunst lindern;

Wie Wald, Strom, Thal und Berg von Pracht erfunkeln,

Blüht doch mein Bild nur in den Blumenkindern!

Die Wasser.

Wie grün neigt sich das Gras in unsre Wellen,

Wie lieblich schaut die Blum’ in unsre Fluth,

Vom Himmel will sich Duft zu uns gesellen,

Glanz dringt und Luft in unser kühles Blut,

Wir fühlen in uns Lieb’ und Leben quellen;

O wie uns wohl der blaue Himmel thut!

Wir gehn wie Gedanken, wie süßes Gefühl, die enteilenden;

Uns drängen die Schwestern vorüber den Ufern, den weilenden.

Denn ach! Du Ufergrün, du Blumenroth, du Scheinen

Vom lieben Licht, das grüßend uns umfängt,

Ihr möchtet euch so gern mit uns vereinen,

Wie ihr euch tief in unser Auge drängt,

Ihr spiegelt euch in Thränen, die wir weinen,

Hört Schluchzen, das sich in die Rede mengt;

Nur Bildniß, Erinnrung, in lieben Gedanken, sehnsüchtigen,

Begleitet uns still, die vertriebenen Wandrer, die flüchtigen.

Die Blumen.

Wer je mit Wollust schaute

In seinem goldnen Strahl

Den hohen Himmelssaal,

Und seinem Licht vertraute;

Wer in der tiefen Nacht

Die goldnen Lichter fühlte,

Mit Augen sehnend zielte

Nach ihrer Liebes-Macht;

Gern Mond und Sonne dann,

Die Stern’ all im Gemüth

Verklärt als Liebe sieht:

Der schau’ uns Blumen an.

Wir sind nicht hoch, nicht ferne,

Tief, wie ein liebend Herz,

Sich regt ein heitrer Schmerz

Beim Anblick unsrer Sterne.

Der Wald.

Als der Frühling gekommen,

Die Erde die Wärme empfunden,

Die Luft durch Strahlen geläutert,

Ist des Himmels Dunkel erheitert,

Das Eis von den Wassern entschwunden,

Sind grüne Pflanzen entglommen:

Da haben meine Kinder

Sich wiederum besonnen,

Und ihren Schmuck nicht minder

Wie Blumen rings gewonnen;

Es sprangen tausend Bronnen

Mit grünen Strahlen empor,

Da wuchsen die dunkeln Schatten,

Die kühle liebliche Nacht

Aus dürren Zweigen hervor,

Da schwebten über den Matten

Die Dämm’rung, die Düfte, die Klänge,

Die grünenden Betten der Liebesgesänge;

Sie hat der Frühling in rauschender Pracht,

Ein tönend Gezelt,

Mit lieber Hand wieder aufgestellt.

Der Jüngling.

O Wald, was sagst du, welch ein süßes Blicken

Von Blumen will mein Leben in sich ziehen?

Wasser, steht still, mir dünkt, es will entfliehen

Ein Wort in eurem Strom, mich zu beglücken.

Sonne, du willst mir Licht hernieder schicken,

Die Farben, die in Blumen sterbend blühen,

Glanz, der im Grün erlöschend nur kann glühen, —

Wozu Gesang, Strom, Licht und Blumenpflücken?

Wie tiefe Nächte dehnt es sich im Innern,

Wie Morgenroth will es die Nacht verschlingen,

Wie milder Abend fließen müde Scheine.

Uneinig trennt sich alles im Vereine:

Wie alle Kräfte zur Besinnung ringen

Kann ich nicht, was ich bin, mich selbst erinnern.

Die Sonne.

Empor zum reinen Himmelslicht, dem blauen,

Sieh’ auf und fühl’ in dir des Segens Fülle,

Durch dunkle Nacht blitz’ auf ein kühner Wille,

Dann wirst des Herzens Reichthum du vertrauen!

Die Wasser.

Dann senken sich durch die verklärten Auen

Die milden Wogen, fließen durch die Stille;

Ahndend, was kühl in deinem Geiste quille,

Wirst du dich süß im klaren Spiegel schauen.

Die Blumen.

Dann regt ein süßer Trieb sich liebetrunken,

Wasser und Licht sie wollen sich begatten,

Es spielen vor dir Farb’ und Freude schwebend.

Der Wald.

Angst, Zweifel, Furcht ist in die Nacht versunken,

Friede, Vertrauen wächst auf in dichten Schatten,

Süßer Gesang erfrischt das Laub froh bebend.

Der Jüngling.

Vernehm’ ich nicht die allgewalt’gen Schwingen,

Die der Natur erhabner Geist bewegt,

Und wie er Berg, Wald, Luft und Ströme schlägt,

Die Harf’ im dunkeln Heiligthum erklingen?

Aus Wollustdämmrung will ein Bild sich ringen,

Das in der tiefsten Brust mein Geist gehegt,

Und wie es Haupt und Glieder wachsend regt,

Muß es in Schmerz und Lust zum Tag hindringen.

Die Jungfrau tritt aus dem Walde.

Sie nah’t, von der die Blumen mir gesprochen,

In der des Lichtes Lieblichkeit erglänzt,

Aus deren Aug’ ein selig Dunkel blickt:

Nun ist mein Herz als Frühling aufgebrochen,

Und jeder Sinn ist dicht mit Wonn’ umkränzt,

Mein bist du, Himmel! denn ich bin entzückt.

Die Jungfrau.

Und Thränen, Liebster, wollen dich begrüßen,

Denn dieses Glück, das seine ros’ge Hand

Holdlächelnd beut, das leuchtend blickt mit süßem

Erröthen, ach! ist es wohl hergesandt

Mit Schmerz und Leid die flücht’ge Lust zu büßen,

Ist dieser Gruß zum Scheiden schon gewandt?

Vielleicht verharrt der Gast, sieht er die Demuth

Und wie Entzücken sich verklärt in Wehmuth.

Beide.

O heilige Thränen,

O süßer Schmerz!

Es bricht das Herz

In Glück und Lust,

Doch fühlt die Brust

Ein stilles Kranken,

Ein zitternd Sehnen,

Sich hin zu senken

In ew’ges Licht,

Das nicht Gedanken,

Entzücken nicht

Und Schmerzen denken.

Ein Prolog.
1796.

Scapin
als Vorredner an den Leser.

Scapin.

Willkommen! und verzeiht, daß ich Euch ennuyire,

Mich als ein Prologus im Prologus prostituire:

— Wie Scapin? — und du wagst es, ohn’ Erröthen,

Als Vorredner der Vorred’ aufzutreten?

Begreift, wenn man heut zu Tag ein Original sein soll —

Es ist so schwer — und drum wird man zuweilen toll,

Die meisten Leute nehmen’s auch für neu;

Ist’s ihnen recht, so ist’s ja einerlei.

Je toller drum man’s treibt, je origineller,

Man macht den Boden flugs zum Keller,

Und alle die vorübergehn, schrein:

Ein seltner Mensch! er scheint original zu sein,

Scheint’s doch wenn man’s Prolog zu manchen Werken liest,

Daß dem Prologen grad ein Prolog nöthig ist.

Drum kann, was ich jetzt thu, auch mit Vernunft bestehn,

Ich kann satisfaisirt also von dannen gehn.

Und untersucht ihr nur die Sach etwas genauer,

So seht ihr ein, daß auch vom Fürsten bis zum Bauer

Jedweder Vorred’ nur zu einer Vorred’ macht,

Und weder groß noch klein darüber lacht,

Denn der hat’s warlich schon im Leben weit gebracht,

Der in dem großen oder kleinen Staat

Sich nur dem wirklichen Prologe naht.

Ich wollt’ Euch also nur von Eurem eignen Leben

Durch mein Bemühn ’ne kleine Zeichnung geben,

Ihr seht, ich zwinge mich, moralisch recht zu sein,

Drum müßt Ihr unbesehn ’s Aesthetische verzeihn.

Hofft Ihr nun doch, statt kalter Küche Braten,

Statt den Prologs ein durchgeführtes Stück,

So ist Euch warlich nicht zu rathen,

Ich wasche meine Händ’ und zieh mich so zurück;

Doch glaubt nicht, daß ich dieserwegen meine

Daß ich illotis manibus erscheine,

Ihr müßt Euch nach der Poesie bequemen,

Metaphern nicht gleich ernstlich nehmen,

Sonst seht Ihr Schätze und es sind nur Scherben,

Ihr taugt gleich schlecht zum Lesen, Leben und Sterben.

Geht ab.

———

Ein dunkles Parterre, keine Lichter brennen, das Orchester ist noch leer, einige Herren und Damen sitzen auf den Bänken.

Peter und Michel kommen hereingestolpert und stoßen mit dem Kopfe an die Frisur des Herrn Polykarp.

Michel.

Verzeihen Sie, mir kömmt es dunkel vor.

Polykarp.

Schon gut, — mir brummt das ganze Ohr.

Peter.

Man muß doch auch ’mal in’s Theater gehn.

Michel.

Man sagt es wär’ hier viel zu sehn.

Polykarp.

Bis jetzt sind wir noch sehr im Trüben.

Melantus.

Ich wollt’ ich wär’ zu Haus’ geblieben.

Peter.

Doch hoff’ ich es soll besser kommen,

Sonst hätt’ ich kein Billet genommen.

Melantus.

Ich sitze hier nun schon so lange,

Ich glaube gar es wird mir bange,

Die Finsterniß macht viel Beschwerden,

Ich mein’ doch, es soll heller werden.

Michel.

Die Stimme ist mir so bekannt, —

Ei, guten Abend, Herr Melant.

Melantus.

Ihr Diener: wie ist’s Wohlergehn?

Michel.

Gottlob! man kann jetzt doch schon etwas sehn.

Melantus.

Belieben Sie nicht Platz zu nehmen?

Michel.

Wir werden uns nun schon bequemen.

Hier ist auch mein Vetter vom Land,

Von der Mutter her mit mir verwandt.

Melantus.

Freu’ mich, daß ich Sie kennen lerne.

Peter.

Gehorsamer Diener, ’s geschieht gar gerne. —

Sobald nur erst die Lichter scheinen,

Muß man hier gut sehn, sollt’ ich meinen.

Michel.

O schaun Sie, schaun Sie doch die vielen Leute!

Was für ein Stück giebt man denn heute?

Melantus.

Der Himmel weiß, ich darf es nicht entdecken,

Vielleicht: Irrthum an allen Ecken.

Polykarp.

Verdammt! da soll man nun hier sitzen

Und vor Erwartung frieren und schwitzen,

Möchte man doch nur den Kuchenjungen schicken,

So könnte man sich doch an irgend was erquicken.

Peter.

Wie einem nun die Augen helle werden!

Melantus.

So gehts mit allen Dingen auf Erden.

Michel.

Mich dünkt, Sie sprechen so betrübt;

Wo fehlt’s? wenn’s Ihnen zu sagen beliebt.

Melantus.

Ach, bester Mann, ich habe vielen Kummer,

Wir sitzen am Ende hier im Dunst,

Mir wird im Kopfe immer dummer,

Und glaube dabei nicht recht an eine Kunst.

Es kann wohl sein, daß wir vergebens harren,

Und, lieber Freund, dann sind wir rechte Narren.

Peter.

Ja wohl, das wär ein schlechter Spaß.

Michel.

Mit Ihr’r Erlaubniß, erklären Sie mir das.

Melantus.

Sehn Sie, wer kann uns dafür stehn,

Daß man hier wirklich wird was sehn?

Wir hoffen am Ende vergebens auf Lichter,

’s giebt vielleicht weder Direktor noch Dichter;

Wird man den Vorhang aufwärts rollen?

Michel.

Gevatter! das sind wunderliche Schrollen.

Peter.

Es fehlt nicht viel, ich gehe gleich hinaus,

Wir säßen ja gleichsam hier in einem Narrenhaus.

Michel.

Sie melankolen wohl zu Zeiten,

Daß Sie mit solchen Grillen streiten,

Denn bedenken Sie nur mit allen fünf Sinnen,

Was würden wir dabei gewinnen?

Nicht wahr? Sie wünschen was zu sehn,

Sonst würden Sie nach Hause gehn?

Woher käm Ihnen das Begehren

Wenn endlich keine Stücke wären?

Sie begreifen, daß ich philosophisch spreche,

Die Beweise nicht bloß vom Zaune breche,

Und darum sein Sie nur zufrieden,

’s wird uns gewiß ein schönes Stück beschieden.

Peter.

Ja das ist auch mein wahrer Glaube.

Sie sehn, weil ich mich manchmal schnaube,

Hat man Schnupftücher in der Welt,

Um einzukaufen dient das Geld;

Ich pflege immer so zu schließen:

’s giebt Schuhe, sie passen zu den Füßen;

Und folglich müssen auch Füße sein.

Wo Füße sind, da ist ein Bein;

Und so schließ ich nun immer weiter,

Am Ende find’ ich den ganzen Reiter

Und werde so mit jedem Tage gescheidter.

Sehn Sie, man sollte doch bedenken:

Warum säßen wir auf diesen Bänken?

Sie sind sogar mit Tuch beschlagen.

Den Vorhang sehn wir vor uns dort,

Er muß doch wozu sein und darum fahr’ ich fort

Meine Meinung deutlich vorzutragen,

Daß wenn wir nur geduldig hoffen,

Wird das Theater endlich offen.

Polykarp.

Gottlob! nun brauch ich nicht zu fluchen,

Da kömmt ja der erwünschte Kuchen.

Er kauft reichlich ein, setzt sich nieder und fängt an zu essen.

Anthenor.

Nachbarn! mit Erlaubniß, es thut mir leid,

Allein Ihr seid alle nicht recht gescheidt,

Ich will Euch zwar Eure Hoffnung nicht rauben,

Doch scheint mir alles nur Aberglauben.

Denn seht! ich schwör’s bei meinem Leben,

Es hat noch nie einen Direktor gegeben,

Wie sollte also ein Stück entstehn?

Die Idee, geb’ ich zu, ist recht schön;

Allein wer soll sie exekutiren?

Wir zahlen, so mein’ ich, unsre Gebühren

Und sitzen dann hier und dichten und trachten;

Und das ist schon für ein Stück zu achten.

Habt Ihr schon einen Direktor gekannt?

Peter.

Lieber Gott, Ihr wißt’s, ich komme vom Land.

Anthenor.

Könnt Ihr mir einen Direktor definiren?

Peter.

Ich glaube, der Mann will uns vexiren.

Anthenor.

Was ist also ein Direkteur?

Ihr denkt und rathet hin und her,

Verwirret Euch in die Kreuz und Quer,

Und daraus folgt denn mir am Ende —

Melantus.

O schließt nur ja nicht zu behende!

Anthenor.

Daß wenn man’s gründlich überlegt,

Sich dahinten kein Direktor rührt noch regt,

Daß hinter dem Vorhange nichts sich rührt,

Ein Stück wird vor dem Theater aufgeführt

Von uns, die wir als wahre Affen

Behaupten, alles sei nur geschaffen

Um zu einem künftigen Zwecke zu nutzen

Und darum verschleudern die Gegenwart.

Michel heimlich zu Peter.

Das ist ein Kerl von schlimmer Art,

Man sollte ihm die Nase putzen.

Peter.

Wie wenn man ihn mit Philosophie zu Boden legte,

Daß er sich weder rührte noch regte?

Michel.

Das hilft bei ihm nichts, er ist ein Block,

Aber ich habe hier einen tüchtigen Stock,

Damit möcht’ ich ihm eins versetzen,

Daß er die Zukunft lernte besser schätzen.

Peter.

Doch, wenn Sie keinen Direktor annehmen,

Wie können Sie sich denn bequemen

Hier zu sitzen in aller Welt?

Anthenor.

Weil’s mir draußen noch wen’ger gefällt.

Das Sitzen hier macht mir Vergnügen,

Ich betrachte die Menschen um mich her,

Und dieses amüsirt mich mehr

Als würde uns ein Stück angeführt,

Das nur die Leute ennuyirt.

Michel.

Hinterm Vorhang ein Licht! seht her!

Was gilt die Wette, der Direkteur

Arrangirt schon alles zum Stück

Und bald hebt sich der Vorhang.

Anthenor.

Nun, viel Glück!

Wenn’s so weit kommt, doch dann nur und nicht ehe

Glaub’ ich, daß etwas Aehnliches geschehe.

Ein Lampenputzer tritt auf mit einem Licht in der Hand.

Peter.

Der Direkteur!

Mehrere Stimmen.

Wo? wo?

Peter.

So wie er leibt und lebt

Steht er ja da, seht hin! was gebt

Ihr mir, wenn ich zu sprechen wage

Und selber nach dem Stücke frage?

Polykarp.

Wir alle sind Euch sehr verbunden,

Es währt vielleicht noch ein’ge Stunden.

Zum Amusiren hab’ ich vor der Hand

Wohl auf ’ne Stunde noch Proviant.

Mehrere Stimmen.

Nun fragt ihn, denn das kann nicht schaden.

Peter steht auf.

Verzeihen Sie, ich bitt’ in Gnaden,

Sie möchten unsre Bitte gewähren

Und uns in Unterthänigkeit belehren,

Was, wie und wo das Stückchen wird gespielt,

Nach dem ein jeder ein Begehren fühlt?

Lampenputzer.

Was schwäzt denn wohl da unten? he?

Michel.

Nun, Peter, hörst Du wohl? O weh!

Ein schwäbischer Dialekt? — oder irrt sich mein Gehör?

Nein schwäbisch spricht wohl nicht der Direkteur.

Peter.

Wir dachten, weil Sie mit dem Lichte

Die dunkle Finsterniß vertreiben,

Sie wären irgend einer vom Gewichte,

Sie könnten uns vielleicht beschreiben,

Von was für Ton, von welchen Arten

Das Stück sei, das wir hier erwarten.

Lampenputzer.

Wie? Schie erwarte da ein Stück?

Das istchs das erste, wasch ich höre.

Polykarp.

Das scheint noch alles weit zurück,

Indessen zieh’ ich draus die Lehre,

Daß man sich halte an dem was wir besitzen.

Was kann das Hoffen und Erwarten nützen?

Lampenputzer.

Man schikte mich, um ein’ge Lichter anzuzünden.

Michel.

Nun wird es sich ja doch wohl finden,

Der Oberste schickt ihn gewiß hieher;

Nicht wahr? der man, der ist der Direkteur?

Lampenputzer.

Der Direkteur? der schickt? der man, —

Nein, nein, Schie irren schich in mir,

Scho viel ich von begreifen kann

Istch’s blos etwasch zu finster hier.

Peter.

Doch sagt, wer kümmert sich darum?

Lampenputzer.

Nun, nehmen Schie’s nur halt nicht krumm,

Wenn Schie’s Dunkelsein besser gustiren,

Scho will ich mich geschwinde retiriren.

Geht ab.

Michel.

Der Kerl kann wirklich nicht kapiren.

Anthenor.

Kommt Ihr nicht bald auf meine Hypothese?

Michel.

Herr! sei er still, er macht uns böse,

Man muß hier keine solche Reden führen,

Er weiß den Henker vom Dirigiren.

Wie kann er den Direktor läugnen?

Daß wir ihn nicht so derbe zeichnen,

Damit er sich nicht wieder untersteht

Und andern mit solchen Exempeln vorgeht:

Was würde aus dem ganzen Theater,

Käm jedermann auf sein Geschnatter?

Anthenor.

Doch mit Erlaubniß, seid so gütig nur,

Zeigt vom Direktor mir die kleinste Spur.

Michel.

Gottloser Mensch! wie kann er alles so verachten,

Muthwillig zu verleugnen trachten?

Hat er kein Geld am Eingang denn gegeben?

Sieht er den Vorhang nicht? war nicht so eben

Ein Mann, ein edler Mann, ein Abgesandte

Vor unsern Augen da, der den Direktor kannte?

Fing nicht schon an ein schönes Licht zu leuchten?

Bis wir den edlen Mann mit unsern Reden scheuchten?

Was kann er dazu sagen? he?

Er wird sich nun auf’s Leugnen legen.

Anthenor.

Das wär ein wenig zu verwegen;

Doch wenn ich anders Logik recht versteh,

So können Sie daraus nicht schließen,

Daß ein Direktor hinten sei.

Michel.

Nun warte, ha! Das sollst Du büßen.

Er hebt einen Stock auf.

Peter.

Je, schlagt den Kerl doch zu Brei!

Stimmen.

Was ist denn da für ein Rumoren?

Peter.

Meine Herrn, wir werden von ’nem Kerl geschoren,

Der uns beweist, wir wären hier unnütze,

Der manchen hier mit seinem Witze

In seinem Glauben — irre leitet,

So weit in seinem Irrthum schreitet,

Daß er behauptet, vom ganzen Direktor

Gucke noch kein Härchen hervor,

Und der zu uns sagt, wir sind nicht gescheidt,

Wenn einer sich auf’s Schauspiel freut,

Er sagt, es wäre nur alles Trug,

Wir wären uns selber Komödie genug.

Baal.

Warum werft Ihr ihn nicht hinaus?

Stimmen.

Er gehört gar nicht in dieses Haus.

Anthenor.

Aber Leute, es gefällt mir noch weniger da draus.

Baal.

Wir werden ihn nicht lange fragen.

Michel.

Ich habe ihn schon hier beim Kragen.

Baal.

Hinaus mit dieser Lästerzunge.

Anthenor wird hinausgeworfen.

Polykarp.

Doch — sagt, wo ist der Kuchenjunge?

Das verzehrt sich schneller als man denkt.

Baal.

So haben wir’s nun zum besten gelenkt,

So können wir doch nun nach dieser harten

Bekämpfung wieder in Ruhe erwarten

Was uns das güt’ge Schicksal bescheert,

Und mancher wird noch durch seinen Fall belehrt.

Das Orchester fängt an sich zu füllen, die Musikanten stimmen auf ihren Instrumenten.

Peter.

Sagt doch, was soll denn das bedeuten?

Michel.

Sie wollen eine Musik bereiten.

Baal.

Bereiten? ’s ist ja schon Koncert,

Ihr seid der Harmonie nicht werth.

Hört, wie ein Ton mit dem andern kämpft

Und jeder sich doch selber dämpft.

Wer, ach! bei diesem Klang nichts fühlt,

Für den ist nie ein Stück gespielt.

Melantus.

Sie bereden mich nicht, daß Melodei

In diesem Schariwari sei.

Baal.

Je mehr Schariwari, je besser,

Der Genuß ist drum um so größer.

Sie scheinen nichts von zu verstehn,

Drum will ich als Exempel vorgehn,

Und damit nur jeder gänzlich schweige:

Ich spiele selber etwas auf der Geige,

Doch hab’ ich’s noch nie weiter getrieben,

Bin immer beim Schariwari stehn geblieben.

Melantus.

So dürften Sie auch gar nicht wagen

Ihr Urtheil hier so dreist zu sagen,

Ein jeder, der nur Ohren hat,

Ist dieses Kreischens lange satt.

Baal.

Was gehn für Laster hier im Schwunge?

Herr, mit der groben Lästerzunge,

Sie verdienten, daß Sie’s wissen,

Sie würden wie Anthenor ’rausgeschmissen.

Melantus.

’s ist keiner, der sich’s unterstände,

An mich zu legen seine Hände.

Baal.

Hier ist er! denn es ist bekannt,

Auch davon bin ich Dilettant.

Er ergreift den Melantus.

Meine lieben Zuschauer und Freunde,

Entled’gen wir uns schnell unsrer Feinde,

So haben wir dann desto größre Ruh

Und sehn den Werken des Direktors zu,

Und werden im lieblich himmlischen Koncert

Nicht mehr von Flegeln der Art gestört.

Melantus wird hinausgedrängt.

Peter.

Das geht hier streng zu, wie ich merke.

Michel.

Der Kerl hat ’ne große Stärke.

Man darf nun nicht mehr disputiren,

Will man nicht seinen Platz verlieren.

Peter.

Die Leute waren zu ungenirt,

Drum wird an ihnen ein Exempel statuirt.

Polykarp.

O weh mir! — ach! mein Herz will brechen —

Bin kaum im Stand — ein Wort zu sprechen —

Was fang’ ich armer — geschlagner Mann

In diesen — großen — Nöthen an?

Baal.

Da seht Ihr nun, was unsre Sinnen

Mit uns für schlechtes Spiel beginnen,

Ihr könnt gar leichtlich es ermessen,

Der Sünder hat sich überfressen.

Polykarp.

Ach nein! — es ist mein schlimmes Glück,

Ein hartes unverdient Geschick —

Sie meinen wohl die wen’gen Kuchen —

Ach! könnt’ ich irgendwo Hülfe suchen.

Baal.

Das ist die Strafe der Sinnlichkeit!

Polykarp.

Und ist es denn nicht Grausamkeit,

Die armen Dinger von Sinnen, uns angeschaffen,

So unerhört für Sinnlichkeit zu strafen?

Ach! — vor den Augen wird mir’s trübe,

Helft mir, o helft — aus Nächstenliebe!

Er sinkt um und wird von einigen hinausgetragen.

Peter.

Sollt’ das noch eine Weile währen

So wird das Theater sich bald wieder leeren.

Michel.

Wenn immer nicht neue wiederkämen,

So möcht’ das Publikum bald ein Ende nehmen.

Baal.

Merkt’s Euch, Ihr lieben Nachbarsleute,

Da seht Ihr ein Exempel heute,

Wohin elende Sinnlichkeit uns führt,

Daß man Hoffnung zum Stück und alles verliert.

Ein reisender Engländer.

Der Henker hol’ ein solches Publikum,

Ich scheere mich den Teufel nichts darum,

God dam! macht Essen so viel Beschwerden,

Wird aus der Hoffnung auch nichts werden,

Und eben fällt mir’s ein: daß ich mich ennuyire,

’s ist besser, daß ich mein Eintrittsgeld verliere,

Als hier unter abgeschmackten Narren

Nichts thu’ als auf was Abgeschmacktes harren.

Baal.

Sie wollen, mein geliebter Freund,

Von dannen gehn, so wie es scheint.

Der Engländer.

Nicht anders!

Baal.

Haben Sie überlegt,

Was dieser Schritt für Folgen hegt?

Der Engländer.

Das hab’ ich nicht in Acht genommen,

Ich will den Narren hier entkommen.

Baal.

Die Narren werden nicht verschwinden,

Auch anderswo sind welche zu finden.

Der Engländer.

So ist’s doch eine neue Sorte,

Ich geh von dem verwünschten Orte,

Wo der dicke Kerl für sein bischen Geld

Sich für den Allerklügsten hält. Er geht ab.

Baal.

Wer wird das wen’ge Warten scheuen?

Es wird ihn warlich noch gereuen. —

Die Störer sind nun weggebracht,

Nicht wahr, nun hoffen Sie mit Macht?

Peter.

Sein Sie nur so gut mir vorzuschreiben,

Ich hoffe, und ich laß es bleiben,

Wie Sie es gütigst haben wollen,

Damit Sie mich nur nicht ’rausschmeissen sollen.

Michel.

Nein, nein, hier sitzt sich’s gut und schön,

Wir werden gewiß bald etwas sehn,

Wenn ich nur wüßte, ich muß mich schämen

So zu sprechen, — was für Sachen kämen.

Gottfried.

Sehn Sie, ich will’s Ihnen deutlich machen:

Vor’s Erste ist es nichts zum Lachen,

Vor’s Zweite, ist es nichts zum Spaßen,

Vor’s Dritte, schön ist es über die maaßen,

Und Viertens, keine Schlägerein,

Und Fünftens, keine Zänkerein,

Dann Sechstens ist es äußerst schön,

Und schließlich, werden Sie’s ja selber sehn.

Peter.

’s ist mir doch lieb, ich bin geblieben,

Er hat wohl selbst das Stück geschrieben.

Michel.

Mich wundert, wie der gute Mann

So klar und deutlich davon reden kann,

Als hätt er’s ehmals schon gesehn —

’s ist aber doch gewiß recht schön.

Ein zweiter Lampenputzer tritt auf.

Michel.

Da seh ich wieder ein Licht erscheinen.

Peter.

Was wird Herr Baal dazu meinen?

Michel.

Herr Baal, wir sind gar sehr gequält,

Weil es uns an einer tüchtigen Meinung fehlt,

Wollten Sie nicht etwas für uns denken?

Und uns dann Ihre güt’ge Meinung schenken?

Baal.

Lieben Freunde, das kann gar leicht geschehen,

Muß mir den Mann erst näher besehen.

Der Lampenputzer hat indessen Lichter angezündet.

Rüpel.

Das ist doch gleich ein andres Wesen,

Man kann nun die Avise lesen.

Lampenputzer.

Ich zündete die Lichter an,

Und sieh, das war sehr gut gethan,

Vorher war alles nur Schattenreich,

Jetzt sieht das Publikum doch Menschen gleich.

Das Publikum.

Wir sind Ihnen dafür in allen Stunden

In tiefer Unterthänigkeit verbunden.

Lampenputzer.

Ich hoffe, das Stück soll bald beginnen.

Peter.

Wir trachten darnach mit allen Sinnen.

Lampenputzer.

Ich bin so dreist und will es wagen,

Ihnen kürzlich meine Meinung zu sagen,

Ich kenne den Herrn Direktor persönlich,

Es ist ein guter Mann, gewöhnlich

Seh ich ihn einmal Tag für Tag,

So daß ich wohl so von ihm sprechen mag.

Sein einzger Wunsch ist Ihr Vergnügen.

Ja er hat mir es nicht verschwiegen,

Daß wenn sie nur noch etwas sich gedulden wollen,

Sie sich gewiß verwundern sollen.

Michel.

Ob man das alles darf so glauben?

Peter.

Es ist noch manches loszuschrauben.

Wenn nur Herr Baal voller Güte

Sich mit einem kleinen Wink bemühte.

Das Publikum.

Herr Baal, wir sind sehr verlegen,

Sie wissen wohl, der Meinung wegen.

Baal.

Ganz recht und mir wird’s auf die Dauer

Wahrhaftig doch ein bischen sauer,

Für alle zu glauben, für alle zu denken,

Und so geschickt die Gemüther zu lenken.

Indessen mein’ ich, daß dieser Mann

Wohl schwerlich vom Direktor wissen kann.

Der Direktor macht sich nicht so gemein,

Er ist für solche viel zu fein,

Ich halte dafür, er macht mir Wind,

Und wir sind Thoren, wenn wir geduldig sind.

Ein Theil des Publikums wirft mit Aepfeln nach dem Lampenputzer, worauf sich dieser zurückzieht.

Rüpel.

Mir kommen jetzt Ideen nagelneu,

Und ich sage sie Ihnen ohne Scheu.

Wenn ich das Ganze überlege,

So können wir Nachbarn allewege

Hier gar nicht im Theater sein,

Es ist nur Lug und Trug und Schein.

Michel.

Sie führen uns auf neues Eis;

Doch wo bleibt denn nun Ihr Beweis?

Rüpel.

Ein Beweis so klar wie der Tag,

Wer ihn nur begreifen mag.

Wir bilden uns nämlich ein, wir sind,

Und daraus folgt denn nun geschwind,

Daß alle Dinge, die wir so erleben,

In uns nur als Phantome schweben.

Peter.

In uns? Es schwebte nur in mir

Das ganze große Theater hier?

Rüpel.

Nicht anders.

Peter.

Mit allen diesen Bänken?

Rüpel.

Natürlich!

Peter.

Das wird mir den Verstand verrenken.

Michel.

Die Meinung verdirbt uns alle den Magen,

Wir haben genug an unsrer Seele zu tragen.

Rüpel.

Sie empören sich gegen meine Gründe,

Was gilts, daß ich’s mir noch komm oder erfinde?

Ich bin der einz’ge hier, der existirt,

Und sich die andern nur imaginirt,

Dann steht es billig kaum zu begreifen,

Wie ich so kann Erfindung auf Erfindung häufen,

Und daß ich hier so eingepresset sitze,

Und das Gedränge macht, daß ich schwitze,

Und doch kann ich’s verfluchte Imaginiren

Nicht lassen, ich muß dies alles produciren.

Michel giebt ihm eine Ohrfeige.

Darin scheint mir kein Menschenverstand,

Und drum bestraft Sie diese Hand.

Rüpel.

Daß ich mir diese Ohrfeig’ nur erdenk’, ist Ihr Glück,

Sonst bräch ich warlich Ihr Genick.

Michel.

Wo hab’ ich ein Genick? Sie stellen sich’s nur vor.

Rüpel giebt ihm wieder eine Ohrfeige.

Sie haben Recht und drum schlag ich Sie auch ans Ohr,

Es ist nur meine eigne Seele,

Die ich dadurch ein wenig quäle.

Peter.

Das ist ein wahres Ungeheuer.

Michel.

Hier ist der gute Rath nun theuer.

Peter.

Nur zugeschlagen, ich helfe mit,

Denn bei dem Kerl ist doppelter Profit,

Denn erstlich kriegt er allewege

Von uns schwer abgewogne Schläge,

Dann kriegt er auch noch die, Ihr hört’s ihn selber sagen,

Die wir aus diesem Kampfe tragen.

Stimmen.

Ruhig, wozu soll das Gelärme?

Rüpel.

Es ist nichts, meine Herrn, als daß ich ein wenig schwärme.

Wir leben in aller Einigkeit,

Ich fingire mir nur ’ne Streitigkeit,

’s ist nur um ein wenig Geduld zu thun,

So wird die Imagination wohl wieder ruhn.

Baal, der aus dem Schlaf erwacht.

Nun weiß ich alles, lieben Leute,

Ein Familienstück giebt man uns heute,

Der Lampenputzer ist dem Direktor verwandt,

Wir haben gänzlich ihn verkannt;

Wenn der Vorhang sich nun endlich hebt,

So sehen wir, was jeder in seinem eignen Hause erlebt,

Wie der Obre sich um die Familie bemüht,

Die Kinder durch Lohn und Strafe erzieht.

Am Mittag ißt er sich wacker satt,

Beim Verdauen er Langeweile hat,

Läßt sich dann ein’ge Arien singen,

Und thuts in allen möglichen Dingen

Wie wir es immer haben gethan;

Und das sehn wir zur Erquickung an.

Wie wird es uns ergötzend laben,

Unser langweilig Leben im Spiegel zu haben!

Gottfried.

Ich freue mich schon jetzt darauf,

Ging’ doch der Vorhang endlich auf!

Doch hoff’ ich, werd’ ich auch erfahren

Was gestern für Leute beim Nachbar waren,

Und wer in das neue Haus gezogen,

Man hat so manches darüber gelogen.

Peter.

Wir sehn vielleicht auch Herrn Melante

Und manche andre Bekannte,

Meine Muhme die wollte nicht mit mir kommen,

Sie hat vielleicht auf’m Theater Platz genommen.

Michel.

Mir ist ein Knecht jüngst echappirt,

Der wird vielleicht mit aufgeführt:

Man sollte dann aber darnach streben,

Ihm ein’ge wenige Prügel zu geben.

August.

Ich glaube vielmehr, daß wir etwas sehen

Was vor noch nimmermehr geschehen,

Gemälde, die doch nicht Gemälde zu nennen,

Maschinen, die sich bewegen können,

Und bunte tausendfarbge Strahlen

Die alles schön und herrlich mahlen,

Daß wir vor Wolken und schimmernden Dunst,

Vor unbegreiflich schöner Kunst,

Am Ende nichts vom Theater werden gewahr;

Das ist meine Meinung auf ein Haar.

Philipp.

Meine Vernunft kann sich durchaus nicht bequemen,

Nur eine der Meinungen anzunehmen.

Es so zu glauben ist nur dumm,

Ich find’ einen andern Weg mir weit herum,

Denn ohngefähr glaub’ ich dieselben Sachen,

Nur muß ich mir darüber ein Systemchen machen,

Und daß bei Leibe sich nur nicht der Vorhang hebt

Bis mein System ist fertig ausgewebt,

Daß ich nicht unvorbereitet, wie ein Schwein,

In all die Freude plumpe hinein.

Baal zu Hanswurst.

Mein Sohn, Du sprichst kein einzig Wort,

Hab’ ich Dich dazu unterricht?

Nun sprich, bist gern an diesem Ort?

Wie? oder liebest Du ihn nicht?

Hanswurst.

Verzeiht, mein Vater, ich habe sacht

Indeß über alles nachgedacht,

Das ist noch nichts und zeigt von keinen Gaben

Irgend eine lumpige Meinung zu haben,

Doch das, dünkt mich, verräth Geschick,

Mit einem kühnen Adlerblick

Durch das ganze mannichfaltige Gebiet zu streifen,

Was roh ist, niedlich glatt zu schleifen,

Von Eichen Birnen abzuessen,

Den leeren Raum genau zu messen,

In jedem Unsinn Wahrheit auch zu finden,

Und alles zu einem Ganzen zu verbinden.

Eure Meinung, Vater, ist bekannt,

Ich nehme sie an und mache sie etwas galant,

Dazu nehm ich ein bischen vom Anthenor hinein,

So vermeid’ ich dadurch der Einseitigkeit Schein.

Auch ist Herr Polykarp nicht gänzlich zu verachten,

Nur muß man fleißig dahin trachten,

Es mit Herrn Philipps Sätzen zu vereinen,

Und auch zugleich, was Rüpel meint, zu meinen.

Ich nehme mich auch Herrn Melantens an,

Auch Gottfried und Herr August ist ein guter Mann.

Es muß uns allenthalben glücken,

Von einem zum andern zu legen Brücken,

Und so meine Freunde, bleibt es uns offen,

Auf die wunderlichste Weise zu hoffen,

Auf Sachen, die uns jetzt im Augenblick

Unsinnig scheinen, aber wir kommen schnell zur Ueberzeugung zurück.

Ich dächte, das wäre der beste Schwank,

Und die Zeit würde uns so am wenigsten lang.

Das Publikum.

Ja, ja, das ist die beste Methode,

Wir sind schon alle in der Mode.

Der Autor.
Ein Fastnachts-Schwank.
1800.

Der Autor in seiner Stube.

Wie mir’s in allen Gliedern liegt!

Die Augen kann ich kaum erheben,

Bin durch und durch recht mißvergnügt

Und führe ein meschantes Leben.

Von allen geneckt, von keinem gefühlt,

Vergebens Poesie ausgespielt —

Da kommen sie dann und loben, wie’s scheint,

Ist eigentlich als Tadel gemeint,

Und drehn sich und winden sich närrisch herum,

Sind überklug, deswegen unterdumm. — —

Wo bist du, herrliche Frühlingszeit?

Wie liegst du von diesen Mauern so weit!

Kommt Sonne über die Dächer geflossen,

Scheint mitleidsvoll in die Kammer herein: —

Ich habe noch keine frohe Stunde genossen,

Mich nicht ergangen im lieblichen Schein,

Statt aller frohen freien Natur,

Druckfehler um mich in Korrektur,

Gewöhne mich alles zu korrigiren,

Die ganze Welt zu rektifiziren,

Schau ich von der Höh hinab in die Thäler,

Seh ich allenthalben nur Schöpfungsfehler,

Und fange zu brummen an, endlich zu hassen,

Möchte bogenweis umdrucken lassen,

Kömmt mir alles nur wie Stümperwerk vor,

Und fühle recht gut, ich werd’ ein Thor. —

Warum seid ihr entschwunden

Ihr fröhlichen Jugendstunden,

Als noch Baum und Blume mit mir spielten,

Und Erd’ und Himmel mit mir fühlten,

Mich alle als ihres Gleichen hielten?

Jetzt bin ich unter der Presse

Und leide schlimmen Druck,

Verhandelt auf der Messe,

Und komme täglich weiter zuruck.

Da ist an keine Ergötzung zu denken,

Kein Volksfest, kein fröhlich Gelag,

Man muß sogar am Feiertag

Mit Sorgen sein Gemüth nur kränken.

Will ich zum Wald die Schritte lenken,

So folgt mir die Erinnrung nach,

Und alle Sorgen werden wach,

Will nichts mir die Erquickung schenken.

Kurzum, soll andre amüsiren,

Daß sie vergessen ihr prosaisch Leben,

Und muß mich selber ennuyiren,

Vor mir will keine Hoffnung schweben,

Und da hilft auch kein Sperren und Zieren,

Ich muß es nur so dulden eben. —

Es klopft.

Herein!

Ein Fremder tritt herein.

Fremder.

Verzeihen, daß ich so dreist gewesen,

Ich habe gar manches von Ihnen gelesen,

Du mußt auch sehn den Mann so dacht ich,

Betrachten ihn mit großem Fleiß,

Bin jetzt auf einer gelehrten Reis’,

Einen Umweg von einer halben Meile macht’ ich.

Autor.

Bin Ihnen trefflich obligirt.

Fremder.

Sie sind doch wohl nicht occupirt?

Autor.

Ich bin es niemals, oder immer.

Fremder.

Sie deuten auf das Frauenzimmer,

Das im Meister die schöne Rolle spielt,

Natalie, die nie oder immer Liebe fühlt:

Hab’ bei dem Buche gar manches gedacht,

Geschaudert, geweint, mich erfreut und gelacht,

Es ist doch gar ein trefflich Werk,

Versteht man’s, ist überstiegen mancher Berg.

Autor.

Sie scheinen der Dichtkunst sehr ergeben.

Fremder.

Ich kann wohl sagen, sie ist mein Leben,

Doch lieb’ ich auch den Ernst daneben.

Autor.

Ganz Recht, der Ernst, den muß man lieben,

Treibt man ihn nicht, wird man von ihm getrieben.

Fremder.

Ach Lieber! es giebt so viel zu lernen,

Die Wissenschaften täglich um sich fressen,

Da darf man sich nur ein bischen entfernen,

Hat man das Beste gleich vergessen,

Und wenn man dann mit dem Zeitalter nicht geht,

Kommt man nur allenthalben zu spät.

Autor.

Die Unruhe sich jetzt schneller regt,

Die volle Stunde häufger schlägt,

Da muß die Uhr wohl vorwärts kommen,

Das Repetirwerk ist herausgenommen,

Eine neue Feder hinein endlich kam,

Die alte war etwas gar zu lahm.

Fremder.

Sehr wahr, und werth, sich zu notiren, —

Ich darf Sie doch wohl auch zitiren,

Wann ich die Reisebeschreibung edire,

Und Sie dort namentlich aufführe?

Autor.

Sie werden mir dadurch viel Ehre erzeigen,

Doch mehr noch, wenn Sie gänzlich schweigen.

Fremder.

So wenig mein Werklein wird bedeuten,

Kommen Sie doch zu lauter ehrbaren Leuten.

Was haben Sie jetzo unter der Feder?

Autor.

Jetzt hat die Feder mich unter sich.

Fremder.

Es scheint, mein Herr, Sie scherzen entweder,

Oder ich bin ihnen hinderlich.

Autor.

Das Erste so wenig wie das Zweite,

Es ist nur meine Art so heute:

Doch weil sie’s wissen wollen zumal

Arbeite an einem Poetischen Journal,

Vielleicht ist’s Ihnen auch schon bekannt.

Fremder.

Ei! ei! das ist ja ganz charmant!

Poetisch? das heißt, wie ich es fasse,

So gleichsam Gedichte von Zeit zu Zeit,

Das Ganze wird aber in der Masse

Ganz unpoetisch weit und breit,

Wir haben der Journale längst genug,

Poetisch Journal ist ein Widerspruch.

Autor.

Es wird sich eben nach jedem bequemen,

So wie er will, kann’s jeder nehmen.

Fremder.

So hab ich’s unter andern selber gern,

Der eine will die Schaale, der andre den Kern,

Müssen’s nur nicht am Interessanten fehlen lassen.

Autor.

Wenn man nur wüßte, was interessirt.

Fremder.

So intressirt zum Beispiel, über die maßen,

Was da und da für Komödien aufgeführt,

Wie der und der die Rolle genommen,

Was für Witz von Paris und London gekommen.

Autor.

In dergleichen Dingen bin ich unerfahren.

Fremder.

So müssen Sie sich mit andern paaren,

Um Korrespondenz und Konnexionen,

Karikaturen und Spionen,

Um Neuigkeiten, aus Wien und Berlin

Und dergleichen Amüsanten bemühn.

Autor.

Doch seh ich eben nichts Neues geschehen.

Fremder.

Man muß nur von sprechen, man kann es nicht sehn;

Wer wird die Dinge so schwerfällig nehmen?

Man muß sich eben zum Glauben bequemen;

Wer fodert, daß Gilreys Bilder witzig wären?

Es handelt sich drum, sie zu erklären.

Autor.

Mein Herr, das ist mir nicht gegeben,

Zu führen ein solch erbärmlich Leben.

Fremder.

Ja ja, sie glauben wohl, was sie leisten,

Sind kaum ein Gilrey für die Meisten,

Und, Spaß a part, wie meinen Sie das,

Halten Sie denn ihren Spaß für Spaß?

Ihre Reime

Und Träume,

Dazwischen die Blumen und Bäume,

Und alles, man weiß nicht geht man,

Fällt, oder steht man,

Kein Silbenmaas, Rhytmus durchaus nicht,

Daß alles so bunt und kraus herausbricht,

Sammt den Aufputz vielerlei Plunders,

Das halten Sie wohl für was Besonders?

Autor.

Ihr Eifer bringt Sie in’s Parodiren.

Fremder.

Ei man muß sich leider wohl enthusiasmiren,

Wenn man sieht die Zeichen der Zeit,

Den unnützen Stolz, die Ueberklugheit,

Daß sie anfangen, brave Leute zu hassen;

Nein, selber leben und leben lassen!

Der eine schreibt Journale und kritisirt,

Der andre schreibt Journale und spintisirt,

Ein dritter fängt’s an und satirisirt,

Ganz gut, doch muß man keinen verachten,

Nicht meinen, das Gute für sich zu pachten,

Die andern zu verkleinern streben,

Die Menge der Leser muß den Ausschlag geben.

Autor.

Ich freue mich, daß ein Patriot

Sich annimmt seines Vaterlandes Noth.

Fremder.

Ei schön! Sehn Sie, wie gut der Rest

Von sanften Gefühlen ihnen läßt,

Das andre ist doch nur Saus und Braus,

Kommt nichts bei alle dem heraus.

Autor.

Sie sind wohl auch ein Schriftensteller.

Fremder.

Es liest jetzt keiner, er schreibe denn auch,

Das ist jetzt allgemein Gebrauch,

Nutzt überdies für Küch’ und Keller.

Autor.

Worauf ist ihr Bemühn gericht’t?

Fremder.

Mehr auszubreiten der Wahrheit Licht,

Doch fang ich’s sachtchen sachtchen an,

Bin sehr der Menschenliebe zugethan,

Suche zu befördern Lieb’ und Eintracht,

Geh nicht auf die Gegner als ob man ein Schwein schlacht,

So daß man ihr Quieken gassenweit hört,

Denn dadurch wird selten einer bekehrt.

Sie werden bald manches in der Nationalzeitung

Von aller meiner Bemühung finden,

Dann geb’ ich mir noch mehr Ausbreitung,

Such mich mit andern zu verbinden,

Die auch für die gute Sache glühen,

Und sich zu Deutschlands Besten bemühen:

So wirken wir dann zur Geselligkeit,

Wie die Verfasser der Ruhestunden,

Erzeigen Tausenden eine Gefälligkeit,

Die Nachwelt ist uns noch verbunden,

Erschnappen wohl gar, o Herrlichkeit,

Ein Bischen von deutscher Unsterblichkeit.

Ich empfehle mich Ihnen, hab’ sehr mich gefreut, —

Muß gehn, besuche noch andre Leut. — Geht.

Autor.

Man sagt wohl: laß dich nicht erboßen,

Belache lieber die Narrenpossen,

Doch kömmt’s einem manchmal in die Glieder geschossen,

Daß man möchte mit Prügeln und Knütteln

Diese Zartheit und Trefflichkeit durcheinander rütteln.

Meinen sind Engel, und sind in der Regel

Beim Licht besehn gar ordinäre Flegel.

Man närrt sich nur, denn nimmer nie

Verstehn sie, fühlen sie Poesie. —

Was willst du nur das Geschriebne häufen,

Durch wunderbare Länder schweifen?

Denkst du die Meister zu übertreffen,

Deren Töne bei ihnen nicht wiederklingen?

Wie kannst du dich nur selber äffen?

Denkst du die goldne Zeit zurück zu bringen?

Wie war es denn, als noch die starre Brust

Geöffnet war den Schmerzen wie der Lust?

Welch Genius hat doch beflügelt

Den dunkeln Kerker ehemals entriegelt?

Jetzt sind sie zu, und kein Erwarmen,

Kein Sonnenschein dringt zu den Armen,

Sitzen drinn in ihrem dunkeln Haus,

Man hört sie aus der Ferne winseln,

Und ihre Liebesmelodien pinseln.

Gukt höchstens mal einer in der Schlafmütze raus,

Und wundert sich, daß draussen auch Welt,

Die ihm aber wegen der Größe nicht gefällt.

Der Schlüssel zum Gefängniß scheint verloren,

Und wer weiß, wenn der Held einst wird geboren,

Der sie aus ihrer Marterkammer hebt

Und sie zu Lust und Trauer neu belebt.

Sie denken nichts, sie fühlen nichts,

Sie wissen’s nicht und entbehren des Lichts,

Und auch die Sehnsucht ist ihnen versiegt,

Sie sind nicht verdrüßlich, noch wenger vergnügt.

Was nutzt alles Dichten und Trachten,

Da sie’s so kecklich verachten?

Mit aller Kunst, o wahres Wort!

Man keinen Hund aus dem Ofen lockt.

O hätt’ ich Flügel mich himmelan zu schwingen,

Könnt’ mir einer den flüchtigen Pegasus bringen,

Damit in den blauen Luftrevieren

Mit aller Freude herum zu spazieren,

Sonne und Mond und Sterne näher zu besehn,

Und hier in Qualm und Dampf nicht zu vergehn!

Da klopft es schon wieder an meiner Thür.

Herein!

Die Muse tritt lächelnd herein.

Autor.

O Himmel! ich vergehe schier,

O du lieb holdes Angesicht,

So schau ich wieder dein Augenlicht?

Ich bin’s nicht werth, unwürdger Knecht,

Daß du den Weg zu mir gericht.

Muse.

Wie muß ich Dich in Unmuth finden,

Was konnte so Deine Sinne binden?

Autor.

Ich fühle die Schaam im neuen Erquicken,

Ich erkenne mich wieder im hohen Entzücken,

Dein Auge in mein Herz ’nein lacht,

Hat allen Frühling wieder gebracht.

Ich fühle mich jetzt von Geistern umgeben,

Die Kraft von Himmel und Erd’ um mich schweben,

Und ihnen entgegen mein fröhliches Streben,

Es haben sich verjüngt die Stunden,

Die Vorzeit sich wieder mit mir verbunden,

Ich habe mich auf mich selbst besonnen,

Und richte wieder den Blick zur Sonnen.

Muse.

Ich hörte Dich schrein, wie ein mürrisches Kind,

Du wolltest Dich nicht in der Einsamkeit sehn,

Drum kam ich Dich zu trösten geschwind,

Daß nicht in Aengsten möchtest vergehn.

Autor.

Du bist so gut und freundlich mir.

Muse.

Sei auch nur gut und freundlich Dir,

Bedenk, daß jeder der Nächste sich.

Autor.

Ergeben bin ich dir ewiglich,

Mein Herz, mein Sinn und all mein Blut,

Dient ewig dir mit treuem Muth,

Der Gedanke an dich mich hatte verlassen,

Drum fing ich an die Welt zu hassen,

Dein Gegenwart lößt die verworrenen Schatten,

Die dicht mich eingeenget hatten,

Wie fröhlich spielt Zukunft und Vergangenheit,

Daß es mich recht in’s Herz hinein freut,

Wie fühl’ ich zu Muth und Lachen mich tüchtig,

Wie freun mich die grotesken Gestalten,

Die mich für ihres Gleichen halten.

Muse.

Nun geht, mein Freund, Dein Puls wieder richtig.

Autor.

Im Auge ist mir ein Aug’ entstanden,

Im innern Ohr ein neues Gehör,

Nun ist mir alles ganz recht um mich her,

Ich fühle, ich kam mir selbst abhanden.

Muse.

Du mußt nie selber werden ein Thor,

Rückst Du die Thorheit andern vor.

Autor.

Hat man auch noch so große Antipathie,

Und haßt das Gemeine von Herzensgrund,

So kommt doch plötzlich, man weiß nicht wie,

Eine trübe armuthseelge Stund,

Sieh da, so hat man die Sympathie.

Muse.

Bleib nur der Fröhlichkeit ergeben,

Und thu nicht mit Dir selber grollen,

So fühlst Du schon das gute Leben

Wie alle Menschen es leben sollen.

Blick um Dich heiter und fühle Dich frisch,

Im Dichten kühn, und fröhlich bei Tisch,

Trink in Dich munter machenden Wein,

So wirst Du immer ein Weiser sein.

Autor.

Ja wärst du mir nur immer zur Seit,

Erlöschte wohl nie die Freudigkeit.

Muse.

O Thor, hast Du mich nicht besser erkannt?

Meinst wohl, ich sei in Gestalt gebannt?

Schau an umher das grünende Land,

Horch, wie der Vöglein Lieder klingen,

Wie süße Düfte zu Dir dringen,

Wie Hain und Flur, der Strom sich regt,

Im ewigen Leben mit Wellen schlägt,

Wie der Wind, ein Athem, niedergeht,

Erfrischend durch Laub und Kräuter weht,

Schau auf zum hohen Himmelssaal,

Erwäge die ewige Bläue zumal,

Ja in Dir, Dein eignes Herz erspäh

Und warst Du nur mein Schüler je,

So siehst Du mein Bild, wohin Du blickst,

Und Dich an meiner Lieb’ entzückst.

Autor.

So redlich willst du’s mit uns meinen?

Wer möchte sich so hart versteinen,

Sich deinem Liebesdienst entziehen,

Nicht licht in deinem Herzen blühen?

Muse.

Ja, wer mich trägt in seinem Herzen,

Den will ich auch im Herzen tragen,

Er darf mir alle Wünsche sagen,

Ich schenk’ ihm Muth, das Höchste zu wagen,

Ich will eine Wagenburg um ihn schlagen,

Daß feig vor ihm entfliehn die Schmerzen,

Versöhnt um ihn mit bunten Freuden scherzen.

Autor.

Ich will auch künftig nie mehr lästern,

Gedenk nur mein mit deinen Schwestern.

Muse.

Verkünde unsern Dienst nur weiter,

Verzage nicht, es wird die Erde heiter,

Vernimm in allen Stunden unser Wort,

Und schau Dich um, Du hörst es da und dort.

In allen Zungen, in allen Sprachen:

Das neue Leben klingt durch alle Räume,

Und Stein und Fels und Abgrund tönen,

Und viel zum Fest, zur Blüthenzeit erwachen,

Es fliehn die schweren, dumpfen Träume,

Wie Thal und Wald sich rings in Frühlingspracht verschönen.

Autor.

Wenn ich in deiner Gegenwart mich fühle

So denk’ ich nur auf große Dinge,

Doch wenn ich dann die heilgen Spiele

Beginnen will, dünkt alles mir geringe,

Wo Jauchzen klang, ersteht ein todtes Schweigen,

Es ist als bräche unter mir der Grund,

Dann fühl ich mich nicht froh und nicht gesund,

Ich muß alsbald zur niedern Erde steigen,

Die tönenden Geister fliehn, ich vernehme laut

Des Volks Geschrei, laut tobende Windsbraut.

Muse.

Du bist noch jung, wohn’ immer mehr im Schein,

So wirst Du nur die Götter hören,

Das Irdische alsdann verschwören,

Und taub sein für des Pöbels Schrein,

Wer einmal hörte Sphären klingen,

Zu dem kann nie der Erde Wirrwarr dringen.

Autor.

In deinem Lichte bin ich ewig jung,

Zum Morgenroth wird alle Dämmerung,

Den Freuden bin ich hingestellt zum Ziel,

Leiden und Verdruß werden ein lustig Spiel,

Ich seh nur Masken um mich tanzen,

Ein fröhliches Possenspiel wird aus dem Ganzen.

Doch daß du fühlen und merken mögest,

Wie einem oft zu Muthe wird,

Wie man von den Affen wird turbirt,

Wie wärs, wenn du dich zurücke zögest;

Begieb dich hinter dem Schirm derweile,

Es kömmt ein andrer schon wieder in Eile.

Die Muse verbirgt sich.

Ein Schauspieler tritt herein.

Schauspieler.

Ist mir lieb, daß Sie zu Hause geblieben,

Denn ich habe gar nöthig Sie zu sprechen. —

Hören’s, was haben’s da für ein Stück geschrieben?

Autor.

Scheint Ihnen was dran zu gebrechen?

Schauspieler.

Gar vielerlei; nur eins vor allen,

Das mir im mindsten nicht will gefallen —

Nicht wahr, ich bin der erste Held?

Autor.

Wenn’s Ihnen einmal so gefällt

Den Mann als einen Helden zu nehmen,

Er wird sich wohl darnach bequemen.

Schauspieler.

Ei was! Sie müssen die Tragödie so zwingen,

Daß immer die Helden recht vorwärts springen,

Daß sie so recht, — Sie verstehn mich schon,

So tüchtig und kräftig, — ich will nur sagen,

Daß sich das Spielen doch dann verlohnt,

Und man kann Beifall von dannen tragen.

Autor.

Ich wollte gern, daß das Ganze rührte,

Nichts Einzelnes die Gemüther irre führte,

Daß Neubegier nicht unnütz spannte

Und so das höhere Interesse verbannte,

Es war mein Zweck, verschönert zu geben

Ein Bild von dem großen verworrenen Leben.

Schauspieler.

Nun seh mir ein Mensch nur solchen Zweck!

Ei gehn Sie mir doch damit weg!

Das Ganze, verstehn Sie, läuft darauf ab,

Ob aus dem Parterr erschallt: Klipp klapp!

Ob’s in die Hände, in die Beine fährt,

Das ist, was die guten und schlechten Dichter bewährt,

Und werden Sie sich nicht anders richten,

So fürcht’ ich, Sie werden für die Beine dichten.

Autor.

Sie haben da eine eigne Theorie.

Schauspieler.

Mein Bester, die Praxis trügt uns nie,

Sie mögen sich wohl mit kuriosen Idealen,

Gar trefflich die Phantasie vollmahlen,

Doch wenn man die Wirklichkeit etwas kennt,

So hat’s damit gar bald ein End.

Autor.

Was ist denn aber die Wirklichkeit?

Schauspieler.

Sie ist wirklich und in der That

Nur auf dem Theater zur jetzigen Zeit,

Das meiste im Leben ist übertrieben,

Doch in der Kunst hält man noch Rath

Mit Enthusiasmus und mit Lieben. —

Ihrem Helden fehlts an großer Gesinnung,

Das paßt auch nicht in unsre Innung.

Autor.

Daran hab ich nicht Schuld gehabt,

Er war damit nicht mehr begabt.

Schauspieler.

Kurz, ändern sie ihn, daß er sich fügt,

Wenn Ihnen am Beifall des Zeitalters liegt,

Er muß sich ja doch nach Ihnen geniren.

Autor.

Doch wird dabei das Ganze verlieren.

Schauspieler.

Was haben Sie denn für ein Ganzes im Sinn?

Sie wissen’s ja selbst, kein Ganzes nicht,

Ein Stück ist’s, wie man immer spricht,

Vielleicht lag sonst ein Ganzes darin,

Das war für die Dinger ein großes Glück,

Doch jetzt ist jedes nur ein Stück;

Man muß auch dran was spielen können,

Sonst wird es keiner ein Schauspiel nennen,

Kein Ganzes stellen wir nimmermehr dar,

Was ließe sich auch daran wohl spielen?

Die Zuschauer wollen was tüchtiges fühlen,

Denn dafür bezahlen sie richtig und baar;

Kämen wir nun mit einem Ganzen angestochen,

Sie thäten wahrhaftig im Ganzen pochen.

Autor.

Ich habe mehr gedichtet für die Welt,

Auf Ihre Kunst nicht Rücksicht genommen.

Schauspieler.

Da sind Sie ganz in die Irre gekommen,

Die jetzige Welt ist immer das Geld,

Jemehr Geld man hat, jemehr auch Welt,

Welt ist nichts als eine falsche Aussprache,

Das andre aber bezeichnet die Sache.

Wollen Sie sich nun nicht korrigiren,

So kann ich den Helden ihres Stücks nicht entrepreniren.

Geht ab.

Muse.

Warum machst Du Dir solche Beschwer,

Stehst mit den Thoren in Verkehr?

Autor.

Ich that es nur, um auch im Weiten,

Im Volke deinen Dienst zu verbreiten.

Muse.

O laß sie nur in ihrem Eigenthume,

Denn sie sind fern von meinem Heiligthume.

Autor.

Man kann sich freilich übereilen,

Man wünscht doch für die Menge zu schreiben.

Muse.

Die Menge! gäb’ es eine Menge!

Doch ziehn sich tausend in die Enge,

Es scheint am Ende kaum noch Einer,

Beim rechten Licht besehn, gar keiner.

Ein Recensent tritt herein.

Recensent.

Ich bringe Ihnen das Buch hier wieder,

Es war mir doch zu sehr zuwider.

Autor.

Ich danke für Ihre Aufrichtigkeit.

Recensent.

Ja, lieber Mann, es thut mir leid,

Ich spräche gern, wie sich’s geziemt,

Ein wenig, wie man’s nennt, verblümt,

Aber Ihre Schriften sind gar zu schlecht,

Als daß man’s Ihnen nicht sollte sagen,

Vielleicht kann’s doch dazu beitragen,

Daß Sie sich kehren auf Wege, die recht,

Und nicht auf Pfaden so kreuz und quer:

Sie machen sich selber das Leben schwer.

Autor.

Wollen Sie’s mir nicht ein wenig erläutern?

Recensent.

Daran würde jede Bemühung scheitern,

Alles was Sie suchen ist excentrisch,

Alles was Sie wollen ist unverständlich,

Alles was Sie schreiben ist ohne Verstand,

Und drum kann man nur vor der Hand

Sie warnen, daß Sie werden ein anderer Mann.

Leben Sie wohl, ich habe meine Pflicht gethan. Ab.

Muse.

Was bedeutet diese Kreatur?

Autor.

Er ist ein Wächter aller Poetischen Natur,

Er zieht sich alle Kunst sehr zu Gemüthe,

Und meistert verständig an jeder Blüthe,

Er studirt beständig Poesie,

Und glaubt doch, daß sie da sei, nie,

Hält all Bemühn zu dichten für verloren,

Poeten und Künstler sind ihm Thoren,

Doch wäscht er immer an diesen Mohren,

Er nimmt sich ihre Krankheit zu Herzen

Und möchte sie bleichen und entschwärzen,

Im gemeinen Leben man ihn nennt

Wenn von ihm die Rede, der Recensent.

Muse.

Dergleichen Erfindung ist gewiß modern.

Autor.

Sie nennen sich deine Priester gern

Und meinen, sind von der Bildung der Kern,

Ehemals gab es Prophetenschüler,

Jetzo hat man Recensirmühlen,

Was sie unter sich haben muß brechen oder biegen,

Vom Großen und Starken, das sie mühlen,

Sagen sie stets: ich kann es nicht klein kriegen!

Denn klein muß alles sein, was sie fassen und fühlen,

Kommt ihnen ein Tüchtiger unter die Hände,

Der sich nicht will verkleinern lassen,

So schimpfen sie auf ihn aus der Maßen,

Beschließen ihr Urtheil so am Ende:

Ein Monstrum ist dieser, der Natur mißglückt,

Keiner kriegt ihn klein, er ist verrückt.

Muse.

Die Maschinerie ist nicht übel erdacht;

Aber werden diese Werkzeuge nicht verlacht?

Autor.

Das Lachen sich bei uns Menschen fast verliert,

Wir fürchten, wir würden dadurch gethiert,

Und wenn man sich mit Gelächter beschwert,

So ist es meistens der Mühe nicht werth.

Sie wollen lachen mit Natur,

Und über eine Wahrscheinlichkeit,

Das Lächerliche soll aber nicht sein lächerlich pur,

Sondern drinn stecken eine Erbaulichkeit,

Weil nun Recensenten ganz und gar lächerlich sind,

Lacht über sie kein Menschenkind.

Muse.

Möcht einen Aristophanes unter sie schicken.

Autor.

Nein, Beste, sie rissen ihn warlich zu Stücken,

Denn er verletzt die feine Sitte.

Muse.

Was nennt ihr so, das sag’, ich bitte.

Autor.

Ach was! es ist ein dummes Wesen,

Du solltest es in den Büchern lesen,

Es ist eben das, was ihnen fehlt,

Und weil nun jeden das Gewissen quält,

Daß sie sich fühlen durch und durch gemein,

So wissen sie nicht wo aus noch ein,

Und finden in jedem Scherz, in aller Lust,

Nur Spiegel ihrer verächtlichen Brust,

Sie erschrecken vor jedem spaßhaften Spaß,

Und schreien: pfui! indecent und kraß!

Sie fühlen den Scherz nicht, nur ihre Gemeinheit,

Drum finden sie nicht Verbindung und Einheit.

Seitdem der Witz in den Brunnen gefallen

Sind Steine drüber gebaut von allen,

Nun warnt man jeden, nicht nahe zu gehn,

Viel wenger in den Brunnen zu sehn,

Es heißt: du könntest dich überpürzen,

Und ebenfalls wie der Witz ’nein stürzen,

So wärst du unten auf immer verloren,

Und wohntest zeitlebens bei dem Thoren,

Flieht was ihr könnt vor dem Witze weit!

Das nennen sie ihre Sittlichkeit.

Muse.

Du scheinst mir doch zu übertreiben,

Wird doch irgend wer was Lust’ges schreiben.

Autor.

Es giebt allerdings leichtfertige Vögel,

Denn Ausnahme leidet jede Regel,

Die haben gehört, daß geizige Leut

Verwerflich sind zu aller Zeit,

Das schildern sie denn, so wie den Neid,

Habsucht und ander dergleichen Gebrechen,

Wodurch sie diese Laster schwächen.

Dann giebt es welche, die gehn schon weiter

Und machen sich gleichsam ein Bischen breiter,

Versuchen die Poesie höher zu führen,

Regenten aus der Ferne zu schikaniren,

Tadeln verblümt die und die Anstalten,

Halten sich aber immer aus dem Schuß,

Verschaffen dem Publikum großen Genuß

Und man muß sie für ungeheuer witzig halten.

Muse.

Ihr seid auf die Art im ganzen Land

Mit aller Lustigkeit abgebrannt.

Autor.

Gottlob! wir sitzen recht auf dem Sand.

Muse.

Leb wohl und behalte guten Muth,

So geht es Dir beständig gut.

Muse ab.

Autor.

O hätte sie doch länger verweilt,

So lange sie mich angeschaut

War ich recht durch und durch erbaut,

Da sie nun wieder hinweggeeilt,

So kommt die kleinliche Furcht zurücke,

Ich bange, wenn ich um mich blicke,

Die Häuser umher, die wankenden Gestalten

Mich drücken und keinen Trost enthalten,

Sie bedeuten nichts und wandeln todt einher,

Ich fühle die ganze Welt so leer. —

Ein alter Mann tritt herein.

Alter Mann.

Der junge Autor wohnt wohl hier?

Ich klopfte zweimal an die Thür,

Doch keiner rief, wie gebräuchlich: herein!

Drum trat ich ohne weitres ein.

Autor.

Verzeihn Sie mir, ich war zerstreut,

Es geht mir manches im Kopf rum heut.

Alter Mann.

A ha! wohl neue Plane gewiß?

Autor.

Ich weiß nicht recht, es war das und dies.

Alter Mann.

Ich muß Ihnen sagen, gegen dies und das

Hab’ ich eigentlich einen großen Haß,

Man muß beständig das Rechte wollen

Und auch die rechten Mittel ergreifen,

Denn wenn die schönen Wissenschaften reifen sollen

Muß man nicht hie und dorthin schweifen,

Man muß auf ebnen Straßen bleiben,

Fein gründlich, doch verständlich schreiben,

Den Plan von allen Seiten überlegen,

So giebt nachher der Himmel seinen Segen,

Daß es die Leute lesen, verstehn und lieben,

Und so muß man sich weiter üben,

Und höher steigen und höher und immer höher noch,

So kömmt man am Ende erstaunlich hoch.

Autor.

Das kann ich mir wirklich so ziemlich denken,

Es geht fast so, wenn sie einen henken,

Doch hat’s ein solcher noch keinem gedankt,

Wenn er zu solcher Höh’ gelangt.

Alter Mann.

Ich meine, mein Freund, in der Literatur,

Muß man durchmachen gar manche Kur,

Erleiden manche böse Stund,

Eh man sich glauben darf gesund.

Man muß die Jugend überstehn,

Eh man kann aus den Augen sehn,

Dann muß man wieder rückwärts gehn,

Dann wieder vorwärts ein’ge Schritte,

So bleibt man trefflich in der Mitte:

Das meiste ist doch die Bejahrung,

Das allermeiste die Erfahrung.

Haben Sie sich schon viel zu erfahren bemüht?

Autor.

Man sieht zuweilen das, was man sieht.

Alter Mann.

Ei Teufel einmal! wozu ist denn die Welt,

Wozu geschehn denn die trefflichen Thaten,

Da wenden Sie sich an Männer, die rathen

Von Herzen gern, wo’s Ihnen fehlt.

Autor.

Ich habe die Welt schon lange gesucht,

Doch scheint sie vor mir auf der Flucht.

Alter Mann.

Wo dachten Sie sie denn zu attrappiren?

Autor.

Ich wollte sie in meinem Innern spüren.

Alter Mann.

Da mußte sie Ihnen wohl echappiren.

Ich muß die Ehre haben, Ihnen zu sagen,

Im Innern spür’ ich nur den Magen,

Und außerdem die schreckliche Phantasie,

Und, wenn Sie wollen, ein Bischen Genie.

Autor.

Ich bitte, ich will Sie gar nicht geniren.

Alter Mann.

Doch all das Ding muß uns nicht irre führen,

Das muß man wissen zu bezähmen

Und ihm sein wildes Feuer zu nehmen,

Man muß es gleichsam pulverisiren;

Geschieht diese Vorsicht nicht bei Zeiten,

So weiß ich manche, die ’s zu spät bereuten,

Man mußte sie nachher trepaniren,

Sie dachten, wie sich’s nicht wollte gebühren.

Autor.

Sie hielten sich immer wohl in den Schranken?

Alter Mann.

Ha Gnade Gott jedem rebellschen Gedanken,

Der nicht so denken wollte wie ich,

Zum Unsinn macht ich ihn unbesehn,

Das ist wohl tausendmal geschehn,

So hielt ich mich stets fein säuberlich.

Autor.

Doch mit der Phantasie ward es Ihnen sauer?

Alter Mann.

Im Anfang etwas, doch auf die Dauer

Kam ich auch bald mit ihr in Gang,

Auch sie begab sich unter den Zwang.

Autor.

Das ist sonst gegen ihre Natur.

Alter Mann.

Glauben Sie denn an die Kreatur?

Autor.

Sie haben mich erst in dem Glauben bestärkt,

Weil Sie sagten, Sie haben sie in sich gemerkt.

Alter Mann.

Sie lassen sich, mein Seel, leicht berücken,

Das ist nur eine Art sich auszudrücken.

Ich habe eine lebhafte Phantasie,

Und sehn Sie, darum bild’ ich mir ein,

Es müßte eine Phantasie in mir sein,

Hat aber dergleichen gegeben nie.

Was man so nennt, ist nur ein Spaß,

Hat eigentlich nie was damit gemeint,

Und damit es klingt nach irgend was,

Und es ein wirkliches Wesen scheint,

Hat man das Unding, wie bekannt,

Zum Zeitvertreibe Phantasie genannt.

Autor.

Was ist’s denn, was den Dichter macht?

Alter Mann.

Wenn ich Ihnen soll meine Meinung sagen,

(Ja, bitte, geben Sie jetzo Acht,)

So wär’ es wohl Zeit in unsern Tagen,

In denen man alle Sektirer veracht,

Daß man’s mit Dichtern eben also macht;

Sie sind doch alle nur schlechte Gesellen,

Und besser bei Fabriken anzustellen:

Ach Gott, da ist die Arbeit ohne Ende,

Fehlen leider noch immer thätige Hände.

Ich bin zwar selbst ein Dichter gewesen

Und wurde zu meiner Zeit gelesen,

Schreib’ auch noch mit unter was zum Spaß,

Doch trag ich gegen alle Dichter Haß,

Es giebt in der Welt so viel zu thun,

Da gilt kein Schwatzen, kein Müßiggehn,

Wer da will zuschaun oder ruhn,

Der muß von der Welt gar wenig verstehn,

Das Vaterland fordert auch unsre Pflichten,

Da ist nicht Zeit, dummes Zeug zu dichten.

Autor.

Sie sind aber warlich gar zu strenge

Und treiben die Dichter sehr in die Enge.

Sie sprechen von Welt, wo ist sie zu finden?

Ich möchte sie gar zu gern ergründen.

Alter Mann.

Man muß Welt haben, Welt anzutreffen,

Sonst ist das ganze Ding ein Aeffen,

Wie man muß einen Witz besitzen,

Um zu verstehn der andern Witzen.

Das ist überhaupt in der ganzen Welt

Gar absonderlich übel bestellt,

Daß alles, was gut ist und tüchtig,

Daß alles, was sauber geht und richtig,

Man nur in mir vereinigt findt,

Die andern Menschen sind alle blind.

Autor.

Das ist doch aber zum Erstaunen.

Alter Mann.

Es haben mir viele nicht glauben wollen,

Sogar meine besten Freunde raunen

Sich einer dem andern in die Ohren,

Daß mir davon die Ohren grollen,

Ich gehörte eigentlich selbst zu den Thoren:

Doch ist davon keine Silbe wahr,

Wie sie wohl selber denken können,

Man will mir meinen Ruhm nicht gönnen,

Doch krümmt mir alles das kein Haar.

Noch einmal von der Welt zu sprechen,

So thut’s der Welt itzt selbst an Welt gebrechen,

Es ist gar eine grobe Zeit,

Wo man mißhandelt die schönsten Leut,

Ja Mißhandel ist der ganze Handel,

Unwandel aller Handel und Wandel,

Die guten Köpfe sterben ab,

Und Schelme tanzen auf ihrem Grab,

Kurzum, wenn ich, mein Lieber, nicht wäre,

So entstände eine gewaltige Leere.

Autor.

Mir ist noch nie ein Mann vorgekommen,

Der so wenig ein Blatt vor den Mund genommen.

Alter Mann.

Es geschieht auch in der That nur selten,

Daß einer so in sich vereint alle Welten.

Ich hab’s verkündigt und immer verkündigt,

Doch haben sich alle so schwer versündigt,

Daß keiner mir glaubt, noch nach mir hört,

So sehr mein Mund sie auch belehrt,

Will keiner an meine Bildung glauben,

Meinen, mir hingen zu hoch die Trauben;

So schwimm ich denn in Wassersnoth

Und droht mir stets der nahe Tod;

Will ich nur etwas oben bleiben,

Muß ich in jeder Messe schreiben,

Doch hilft mir nichts, daß ich vermessen,

Denn leider werd’ ich mit jeder Messen

Im Reich nur mehr und mehr vergessen.

Autor.

Wenn Sie nun sterben, wie wird’s da stehn?

Alter Mann.

Sonder Zweifel muß die Welt dann untergehn,

Gesprochen ganz aufrichtig und ehrlich

Kann ich die Sache darthun klärlich,

Dann widersetzt sich keiner der bösen Sache,

Und so kommt denn des Himmels Rache,

Verschlingt die Erde mit Mann und Maus,

Und dann ist alles zusammen aus.

Autor.

Freilich ist jetzt keiner ihrer Meinung,

Drum kommt sie so besonders heraus,

Es fehlt den Leuten jetzt an Vereinung.

Alter Mann.

Das ist der Punkt, mein werther Herr,

Darum ist was Gutes zu leisten so schwer,

Darum ist Kritik zurückgegangen,

Darum verstummen, die ehemals sangen.

Ja vormals waren andre Zeiten,

Da wollte die Sache mehr bedeuten,

Da ward sie geführt von andern Leuten,

Da galten noch die großen Männer,

Da gab es mich und andre Kenner,

Seitdem hat alles sich verkehrt,

Ist die Kunst keinen Schuß Pulver mehr werth.

O könnte nur Lessing wiederkehren,

Der zeigte den Leuten, wie dumm sie wären,

Und sie mich recht müßten verehren.

Lessing durch das Dach in einer Wolke.

Autor.

O weh! das Haus bricht in einander,

So muß ich’s lassen repariren.

Alter Mann.

O Lessing, großer Held, was kann Dich rühren,

Von jenseit zu uns herüber zu wandern?

Autor.

Bewirth’ ich einen so großen Herrn,

So trag’ ich auch die Kosten gern.

Lessing.

Ich komme durch die Wolken nieder,

Weil Ihr mir gar zu sehr zuwider,

Verschont doch meinen guten Namen,

Nie war ich eine Krücke für die Lahmen,

Nie nicht ein Esel für die Zahmen.

Alter Mann.

Bewahre! als wenn wir das nur glaubten,

Conträr, wir wollen deine Ehre behaupten.

Lessing.

Zum behaupten gehört noch stets ein Haupt,

Ihr aber, die ihr weder zweifelt noch glaubt,

Nicht selber denkt und andre nicht versteht,

Daß ihr so schändlich mit meinem Namen umgeht,

Das erregt mir noch oben meinen Zorn,

Ist mir in der besten Seligkeit ein Dorn.

Die ihr nicht kriegen könnt, haltet Friede,

In der Dummheit Namen, seid ihr’s noch nicht müde,

Das alte Spiegelfechten fortzuführen,

Bei jedem Quark meinen Namen zu zitiren?

Ihr behauptet kein noch so dummes Ding,

Keine Albernheit, sei sie noch so gering,

So wird die Schwerfälligkeit selber flink

Und schreit: grade so meint es Lessing!

Ihr Unmeiner, nein, ihr seid nicht die Meinen,

Nun ich todt bin, denkt ihr, ihr könnt es mir bieten,

Ich kann nicht mehr bejahn, nicht verneinen:

Nun soll ich als eure Fahne erscheinen,

Euer Feldgeschrei im pöbelhaften Wüthen,

Und opfert mich auf, ihr barbarischen Scythen!

Wodurch verdiente denn mein großer Sinn,

Daß ich der Dummheit Heilger bin?

War dies von meinem ganzen Leben,

Von meinem kühnen mißverstandnen Streben,

Von meinem hohen Eifer der Beschluß,

Daß ich euch, Korporalen, zum Profose dienen muß?

Ihr, die ihr nie das kleinste gefühlt,

Wohin ich mit meinen Pfeilen gezielt,

Die ihr nicht ahnden konntet, nicht fassen,

Wie ich eures gleichen mußte hassen,

Wie ich immer, wo nach ihr mit allen Sinnen trachtet,

Herzinnig und tiefsinnig habe verachtet:

Nun sagt, was habt ihr denn mit eurem Geschrei?

So redet dreist heraus und frei!

Alter Mann.

Ach lieber Himmel, ich bin verlegen,

Was kann dich nur so zum Zorn bewegen?

Auf Erden hab’ ich dich nie so schlimm gesehn;

Kömmst scheltend aus der Seligkeit? das ist nicht schön!

Lessing.

Im Himmel lernt man erst das rechte Zürnen,

Weil es ist der Liebe erste That,

Hier unten, bezwungen von allen Gestirnen,

Wird oft der himmlische Zorn bald matt,

Das Irdische hält uns in seinen Schranken,

Ertödtet zu oft die Göttergedanken.

Alter Mann.

Ach wie denn, Freund? ich dachte nur Frieden

Sei uns dort oben auf immer beschieden.

Lessing.

Ja Frieden, den ihr nimmermehr kennt:

In wem kein unsterbliches Feuer brennt,

Wer hier nicht schon steigt zur Liebe hinan,

Wird dort in Krieg, in ewgen Bann gethan.

Alter Mann.

So wäre auch nicht die Vergebung aller Sünden

Da oben im Himmelreich zu finden?

Lessing.

Ja aller, außer wie die Schrift verheißt,

Der Sünde gegen den heilgen Geist,

Die ihr ohne Ruh und Rast begeht,

In der euer ganzes Wirken steht,

Ja Gott verfolgt ihr und seine Gerechte,

Und seid des Satans leibeigene Knechte.

Alter Mann.

Wir glauben eben an beide nicht

Und halten das für das wahre Licht,

Das andre ist Finsterniß, die uns sonst deckte,

Und meinten, du wärst von unsrer Sekte.

Lessing.

Wohl eurem falschmünzenden Stempel

Dient jedes Götterbild nur zum Gepräge,

Der Irrlehre nur zum neuen Exempel,

Jedweder Weg wird euch zum Irrwege;

Ja wohl brachte euch zu Tage nur,

Ein Tagelöhner der Natur,

Nicht Menschen, Christen oder Heiden,

Müßt ihr verzweifeln an allen Freuden,

Stumm bleibt’s in euch, wird nimmer wach,

Ihr ahmt zu schlecht die Menschheit nach.

Alter Mann.

Ich bitte dich, verfolg uns doch nicht,

Es hat dich keiner so sehr gepriesen,

Den Leuten so umständlich die Schönheit bewiesen,

Die Trefflichkeit deiner dramatschen Gedicht.

Lessing.

Das ist es, was ihr von mir wißt,

Alles andre ist euch verborgen blieben.

Ich hatte immer ein heimlich Gelüst

Die Schöne der Poesie zu lieben,

Doch wollte sie mir ihren Genuß nicht gönnen,

Drum durft’ ich die Holde niemals erkennen.

Ich war eines Predigers Stimm’ in der Wüst,

Doch kehrte sich keiner an mein Ermahnen,

Ging jeder fort auf seinen Bahnen,

Ich wollte, wie vieles, die Poesie verkünden,

Ich wußte, sie mußte sich bald entzünden,

Drum tauft’ ich mit Wasser und mit Verstand

Einige Wesen, Schauspiele genannt.

Nach mir ist ein anderer größrer erschienen,

Bestimmt als Priester den Musen zu dienen,

Der hat getauft mit Feuer und Geist,

Wie all sein Wirken und Dichten beweist,

Er wandelt unter euch in Göttlichkeit,

Doch wer erkennt sein strahlend Ehrenkleid?

Verstockten Herzens bleibt ihr stets in blöden Sinnen,

Könnt weder Heil noch Trost, Verstand noch Vernunft gewinnen,

So bleibt denn dumm, fahrt fort in eurem Zeitvertreibe,

Doch bleibt honetten Leuten, absonderlich aber mir vom Leibe!

Die Wolke erhebt sich wieder und verschwindet mit ihm.

Autor.

Der Tausend! das ist ein gewaltiger

Und überaus gestrenger Herr!

Alter Mann.

Es ist nicht sein Ernst, er liebt das Uebertriebne,

Das beweist so manches von ihm Geschriebne.

Er war ein ganz vorzüglicher Mann,

Doch wandelte ihn schon oft im Leben die Grobheit an,

Daß er seine besten Freunde nicht wollte erkennen

Und ihnen nicht auch die gehörige Größe gönnen;

Da hatten wir manches auszubaden,

Doch kamen wir immer wieder zu Gnaden. —

Es ärgert mich nur, daß er mich hier blamirt,

Und leicht den jungen Mann irre führt.

Hören Sie, mein Freund, glauben Sie ihm kein Wort,

Ich meine er war auch nicht mal hier,

Denn er ging plötzlich wieder fort,

Und die Decke ist ganz eben und schier,

Da müßte sich doch eine Oeffnung zeigen,

Drum mein’ ich, es war nur Lug und Trug,

Wollen gütigst den ganzen Vorfall verschweigen,

Ich habe schon sonst der Geister genug

Gesehn in meinem verblendeten Sinn,

Wohlverstanden, wenn ich nicht bei mir selber bin,

Denn sonst in meinen gesunden Tagen

Dürfte weder Geist noch Geistesgleichen es wagen,

Mir nahe zu kommen in mein Revier,

Ich wies’ ihm augenblicks die Thür. Geht ab.

Autor.

Es scheint heut ein kurioser Tag,

An dem ich noch manches erleben mag,

Es ist als wär’ die Zeit in Gährung

Und trachtete nach einer seltsamen Gebärung.

Der Bediente kommt herein.

Bediente.

Mein Herr, es ist ein Fremder draus,

Der sagt, er spräche sie gar zu gern.

Autor.

So sag’ ihm nur, ich sei nicht zu Haus,

Es giebt sonst wieder neuen Lärm. Bed. ab.

Ja wohl mag der ein Fremder sein,

Von mir und allem, was ich denke.

Da laufen sie in die Häuser herein

Und geben sich einen vornehmen Schein,

Thun noch als brächten sie einem Geschenke,

Daß man die Zeit mit ihnen verliert,

Daß sich auf sechserlei Art ennuyirt.

Bedienter kommt wieder.

Bedienter.

Der Herr sagt, er ginge nimmermehr,

Er sei ein zu großer Bewunderer,

Um eine Entschuldigung anzunehmen,

Sie müßten sich dazu bequemen

Ihn in Guten oder Bösen zu sich zu bitten,

Er ist auf einge Meilen umgeritten.

Autor.

Was ist es denn für eine Art von Mensch?

Bedienter.

Er scheint ein wenig wetterwendsch,

Hat feines Tuch zu seinem Kleide,

Er thut gewiß keinem Menschen was zu Leide.

Autor.

So sag’ ihm nur, er wär gebeten,

Gütigst zu mir herein zu treten.

Bediente ab, der Bewunderer tritt herein.

Bewunderer.

Ach mein werther Herr, ich bin darin so eigen,

Daß ich ein wenig neugierig bin,

Von Jugend auf stand darauf mein Sinn,

Schon als Knabe lief ich zu manchem Spektakel hin,

Wo sich nur irgend was mochte zeigen.

Bitte ergebenst, sie wollen mir nicht verschweigen,

Ob ich Sie in ihren Arbeiten störe,

Denn sonst hab’ ich sogleich die Ehre,

Mich wieder gehorsamst zu empfehlen,

Drum sein Sie so gut es nicht zu verhehlen.

Autor.

Man muß sich um die Zeit nicht quälen,

So lange man lebt, kann sie uns nicht fehlen,

Und dann kommt vollends die Ewigkeit,

So hat man dann noch mehre Zeit.

Bewunderer.

Ich freue mich also, daß ich Sie kennen lerne,

Ich hätte sie längst gekannt gar gerne,

Sie glauben nicht, wie ich mich an Ihren Schriften ergötzt,

Wie sie mich in meine Jugend zurückversetzt.

Autor.

Sie haben sie also übersetzt;

Doch sind Sie auch jetzo noch nicht alt.

Bewunderer.

Ach nein, ich meine aber nur der Sternbald,

Ich schriebe dergleichen gar zu gerne,

Auch solche freie gereimte Lieder,

Sie tönen in meiner Seele wieder,

Vielleicht gelingt’s, daß ich auch Ferne

Einmal zusammenreime mit Sterne.

Autor.

Sie scheinen die Sache schon inne zu haben,

So kann es Ihnen nicht werden schwer.

Bewunderer.

Doch bleiben meine Gedichte so leer,

Mir ist’s, als fehlen mir die Gaben.

Autor.

Es findet sich alles, wenn man sich übt

Und nur das Gute recht innig liebt.

Bewunderer.

Auch fühl ich wohl, daß ich durch meine Talente

Mit der Zeit was Großes leisten könnte,

Nur macht mir das die meisten Sorgen,

Daß es nicht geschieht heut’ oder morgen.

Autor.

Ja freilich ist es besser gethan,

Man wird alsbald ein großer Mann,

Die Geduld ist nicht allen gegeben,

So lange in der Mitte zu schweben.

Bewunderer.

Man muß nur jeden Vorsatz zur Religion machen,

So kann man über die ganze Welt lachen,

Und das Lachen muß wieder Religion werden,

Dazu die Natur, die wir haben auf Erden,

Und dies mit göttlicher Liebe verbunden,

Einge Blumen noch hineingewunden,

Und alles in Poesie verschmolzen,

Macht einen schon ziemlich zu einem Stolzen.

Autor.

Mein werther Herr, ich versteh’ Sie nicht.

Bewunderer.

Haben Sie das Verstehn nie bis zur Religion getrieben?

Ich dächte denn doch das sei das wahre Blumen-Lieben.

Die Natur ist immer natürlich,

So bin ich auch gleichsam figürlich,

Ach Gott! die Rose ist ein schönes Kind,

Mich entzückt zugleich die edle Lucind’.

Autor.

Sie scheinen sie nicht verstanden zu haben.

Bewunderer.

Ich habe so meine Art, mich dran zu laben,

Denn jedweder Mensch hat seine Gaben,

Ich verachte Gottlob! die Sittlichkeit.

Autor.

Doch hätten Sie dazu noch künftig Zeit,

Man fängt doch erst gelinde an.

Bewunderer.

Der erste, der’s denkt, mag’s also treiben,

Doch ich, der ich die Sachen lesen kann,

Muß nicht beim Anfang stehen bleiben,

Ich mache mir alles zur Religion,

Und sitze drin wie auf einem gepolsterten Thron.

Autor.

Doch wenn nun alle auf die Erfindung geriethen?

Bewunderer.

Das wäre freilich ein übler Umstand,

So hätte man gar nichts Eignes mehr.

Autor.

Das müßte Ihnen dann ein andrer vergüten,

Vielleicht verbreitet sich dann im Land

Schon wieder eine neue Lehre,

Sie können sich immer zur neusten bekennen,

Die Religion alsdann den andern gönnen.

Bewunderer.

Ich habe mir das so schön angewöhnt

Und finde, daß es ganz lieblich tönt,

Auch sind noch alle dagegen in Empörung

Und wie in allgemeiner Verschwörung,

So daß sie in selbstesten innersten Gemüthen

Im herzesten Herzen dagegen wüthen,

Da giebt es also noch keine Bekehrung.

Autor.

Das sagen Sie nicht, es findet wohl Beifall,

So hört man die Dinge dann überall.

Sie drücken sich aber kuriose aus.

Bewunderer.

Es muß immer aus dem innersten Gemüth heraus,

Und oft will es nicht weichen und wanken,

Oft fehlen wohl selber die Gedanken,

Da muß man die Sprache recht bei der Wurzel kriegen,

Aus dem Innersten sprechen, es mag brechen oder biegen.

So ist es mir schon oft gelungen

Zu gerathen auf treffliche Vorstellungen.

Autor.

Es ist gewiß, die Welt thut jetzt große Schritte,

Sie hat die rechten Sieben-Meilen-Stiefeln angezogen,

Meint man, man ist in der Bildung Mitte,

So ist man gewöhnlich sehr betrogen,

Sie rennt voraus und immer voraus,

Man wird verdrüßlich und geht nach Haus.

Bewunderer.

Somit wäre alsdann die Bildung aus,

Doch hoff’ ich, Sie schreiben für uns noch fleißig.

Ich muß gestehn, ich ahme Sie nach,

Habe auch hier bei mir mitgebracht

Etliche artliche Lieder, an die hundert und dreißig.

Autor.

Ich bitte, daß Sie mich entschuldigen mögen,

Sie anzuhören geht über mein Vermögen.

Bewunderer.

Nur eins und das andre, Sie werden sich wundern,

Denn meine Poesie ist ein wahres Kunterbuntern,

Sie haben mich außerdem begeistert,

Drum wär’ ich gern von Ihnen gemeistert.

Er liest.

Stille, stille,

Wie die Welle,

In den Seen

Blumen stehen,

An dem Rande,

Sanfte Bande,

Und es flimmern

In den Schimmern,

Süße Töne,

Ach wie Schöne!

Komm und kröne

Mein Verlangen,

Denn dein Bangen

Ist so ferne

Wie die Sterne,

Liebesblicke,

All mein Glücke,

Binden Flammen,

Sich zusammen,

Daß sie schwammen,

Ach die schöne Zeit,

Weit! weit!

Autor.

Ich muß Sie bitten, hier inne zu halten,

Mir schwindelt vor den vielen Gestalten,

Die sich so ungenirt entfalten.

Bewunderer.

Nicht wahr, es geht recht kraus durch einander?

Man sieht gleichsam nur lauter Lichter wandern.

Autor.

Ein ungemein zarter Genius drinne haust,

Es paßt zusammen, wie auf’s Auge die Faust,

Da springen einem auch die Funken und Lichter

Um so dichtrischer, als man darauf schlägt dichter,

Daß einem Hören und Sehen vergeht

Und man sich doch vor purem Sehn nicht kann lassen: —

Daß nichts in seinem Zusammenhange steht,

Das ist die Kunst es zusammen zu fassen.

Bewunderer.

Ganz recht, das ist’s eben, was ich von Ihnen lerne,

Doch eh ich mich noch ergebenst entferne,

Will ich noch zur zweiten Lektüre schreiten

Und Sie dadurch zur dritten vorbereiten.

Er liest.

Wanke, wanke,

Mein Gedanke,

Tönt die Flöte,

Morgenröthe?

Nein verschwunden

Sind die Stunden!

Wiederkehren

Soll mir gewähren,

Was ich verloren

Eh’ ich geboren.

Autor.

Ich bitte Sie, ich sinke um,

Mir wird im Kopfe gar zu dumm.

Bewunderer.

Sie treiben wohl ihr Zuhören bis zur Religion?

Autor.

Ach nein, ich fühle mich krank und matt,

Mir ist, als müßt’ ich sterben schon,

Des Lebens bin ich völlig satt.

Bewunderer.

Ei! ei! das wäre ein großer Verlust!

So haben Sie’s wohl auf der Brust?

Autor.

Nein, nein, ich sterbe an meinen Liedern,

Sie fangen mir an, so zu zuwidern,

Sie sind mir eine so ekle Speis’

Daß ich mich nicht zu lassen weiß.

Bewunderer.

Treiben Sie Ihren Ekel bis zur Religion?

Erlauben Sie mir jetzt einen andern Ton,

Jetzt will ich Ihnen lesen, was im Spaßen

In ihrer Manier ich habe gethan.

Autor.

Ach nein, ich bin ein verlorner Mann,

Ich weiß durchaus mich nicht zu fassen,

Ich muß Sie bitten, mich zu verlassen.

Bewunderer.

Nun nun, ich komme wohl morgen wieder

Und lese Ihnen noch einige Lieder.

Früh, früh,

Ei sieh,

Durch den Wald,

Laut erschallt

Vöglein-Stimmen,

Die verschwimmen

Wie ein Flimmen

Durch Gesträuche

Und die Eiche

Sieht darein,

Als müßt’ es so sein.

Doch jetzt muß ich gehn, denn wenn ich bleibe

Ich das Abschiednehmen bis zur Religion treibe.

Verbeugt sich und geht ab.

Autor.

Ist das der Lohn von allem Bemühen,

Von allen Fackeln, die wir glauben zu zünden,

Daß wir dergleichen Blüthen erziehen?

Wie muß da alle Hoffnung schwinden!

Wenn man das Rechte will ergründen,

Und möchte dringen bis zum innern Kern,

Hingäbe der Gottheit sein Leben gern,

Die verlornen Geister mit schönem Bestreben,

Die erstorbne Welt sucht zu beleben,

So streut man nur Worte in den Wind,

Die nachher zum Mißbrauch gut genug sind.

O edler Freund, was strebtest du Lucinden,

Die Gluth dem Volke zu verkünden?

Sie laufen hinzu, und keiner dich kennt,

Und es hilft kein Rufen: „Rühre nicht, Bock, denn es brennt!“

Alle Mühe, alles ernste Ringen,

Glauben sie besser zu entbehren,

Sie meinen, es müsse im Schlaf gelingen,

Und stellen sich, als ob sie Titanen wären,

Und wissen, daß selbst Backen und Brauen

Sich nicht läßt mit dem Genie pur zwingen.

Ein Weltmann tritt herein.

Weltmann.

Ich komme zu Ihnen mit Freundes-Vertrauen,

Man hat mir gesagt, daß Sie mancherlei dichten,

Wodurch Sie wollen die Welt bekehren,

Da muß man sich nach den Umständen richten,

Selbst lernen, will man andre belehren,

Sie führen aber scheint’s, ein eremitisch Leben,

Und sind wohl gar dem Spekuliren ergeben.

Autor.

Ich will nichts, und mag mir nichts vornehmen,

Es dient doch nur, es zu verfehlen,

Man muß nur sich und andre quälen,

Was hilft es, wilde Steine zähmen,

Die Zeit des Orpheus ist verflossen,

Man hält dergleichen jetzt für Possen.

Weltmann.

Und auch mit Recht, mein werther Freund,

Sie kennen die Welt nicht, wie es scheint,

Sie wollen mit Geisseln drunter schlagen,

Mit Posaunen wie zum jüngsten Tage blasen,

Doch muß man alles still gewähren lassen,

Und kommt die Zeit, wird man den Sieg von dannen tragen.

Autor.

Ich möchte mich lieber gleich in die Nichtigkeit ergeben,

Denn ganz verdrüßlich fällt mir doch mein Leben.

Weltmann.

Ei warum das! das thut nicht noth,

Zeitig genug kommt immer noch der Tod,

Auch muß man schaffen und wirken und thätig sein,

Denn dergleichen wird immer räthlich sein,

Nur nicht sich in sich zurücke ziehn,

Das ist die schädlichste Medizin.

Autor.

Ich verzweifle an allem, keiner versteht mich,

Unbefangen in der Poesie keiner ergeht sich,

Mir wird am Ende vor allen Worten bange,

Jeder Schritt wird mir sauer auf meinem Gange.

Weltmann.

Das macht, weil Sie die Welt nicht studiren.

Sich nicht auf gehörige Vielseitigkeit appliziren,

Denn wenn Sie sich selber so eng borniren,

Das muß sie nothwendig irre führen.

Autor.

Die Irre! das ist das rechte Wort!

Wo ist denn nicht zu irren ein Ort?

Weltmann.

Nun, zum Beispiel, wenn man sich das Ganze vorhält,

Und, wie schon gesagt, beobachtet die Welt,

Sich sucht von allen Seiten

In allen Kenntnissen und Gedanken zu verbreiten,

In Politik, Statistik, neuer Geschichte,

Das sind die großen gewaltgen Gewichte,

Die die Uhr der Welt in Bewegung setzen,

Die Schleifsteine, die die Ingenia wetzen.

Autor.

Wenn ich die alte Welt mit der neuen messe,

So hat die neue für mich kein Interesse.

Weltmann.

Das ist es, wo Sie wieder irren,

Das macht, weil sie das Interesse verwirren,

Sie wollen kein reines Interesse haben,

Sich immer an einem poetischen laben,

Doch dauert das unmöglich auf die Länge,

Man kömmt dabei gewaltig in die Enge.

Autor.

Ach leider! bin ich schon in dem Gedränge,

Und sehe kein Mittel heraus zu kommen,

Denn mir ist aller Muth genommen.

Weltmann.

Ei, mein Werther, das muß sich alles fügen,

Ihr richtiger Verstand wird gewiß am Ende siegen,

Man muß sich nur in die Zeiten schicken,

So kann es nicht anders, es muß uns glücken,

Einmal stolziren, und dreimal sich bücken,

Das glauben Sie mir, so wie nun die Welt ist,

Ist jetzt zumal das rechte Verhältniß.

Von allem, was da ist, ein wenig erhaschen,

Und damit anfüllen seine Taschen,

Und mit jedem, den man vorüber wandelt,

Ein bischen mit der vielen Kenntniß gehandelt,

Zur rechten Zeit Allmosen spendirt,

Und sich bescheiden dazu verneigt,

Als sollt’ es keiner sehn, doch daß man es zeigt,

Dann wieder mit allen Vieren handthiert,

Gestoßen in Hoboen und Posaunen,

Daß rings umher die Leute erstaunen.

Doch niemals ohne Absicht gelobt,

Noch weniger drein mit Knütteln geschlagen,

Denn wer die gute Sache zu stürmen strebt,

Der kommt zu kurz in unsern Tagen.

Darum bezähmen Sie ihren Unwillen,

Oder schaffen Sie ihn lieber gänzlich fort,

Und glauben Sie mir nur auf mein Wort,

Schon dadurch wird sich manches erfüllen.

Nur frisch gelobt, so lobt man wieder,

Vereingen sich zum Band die Glieder.

Und hat man gar den Ruf von bescheiden,

So loben sie einen mit tausend Freuden,

Denkt jeder: hält dich der Mann doch für klüger,

Am Ende bleibst du immer sein Besieger.

Hat man nun lange genug geschont,

So sieht man, wie man oben thront,

Von allen Seiten Feuerwerke brennen,

Und jung und alt dann unsern Namen nennen;

So ist die Welt, doch sind Sie grob,

Empört das Grobzeug sich darob,

Und wenn Sie vollends dabei satirisch,

Wird all das Mengelmus aufrührisch,

Und schreien: wir wollen ihn sämmtlich nicht lesen,

So ist seine Macht auf Erden gewesen.

Ich bitte, Sie glauben, daß ich nicht scherze,

Und nehmen sich meinen Rath zu Herzen,

Nur hübsch der Vielseitigkeit sich beflissen,

Müssen scheinen so ziemlich um alles zu wissen,

Dazu die liebe Humanität,

Die jetzt in allen Kalendern steht,

So kann es Ihnen bei meiner Seelen

In unsrer Welt gar niemals fehlen.

Geht ab.

Autor.

So will man mir denn alles rauben?

Soll ich an eine Welt noch glauben?

Wohl gar noch an die Psychologie

Und an ein nachahmendes Genie?

Mir fällt mein ganzes Bewußtsein um,

Steht auf den Kopf und macht mich dumm,

Da treten die Leute nur flugs herein,

Und schreien mir zu: so sollst du sein!

Ich weiß mich nicht zu rühren und zu regen,

Ja wohl ist mir die Welt zu überlegen,

Ich kann an vielem nehmen kein Theil,

Tausend Dinge machen mir Langeweil,

Ich bin so unbeholfen und ungelenkisch,

Einseitig sehr, noch mehr altfränkisch. —

— Was kommt herauf die Treppe schollern,

Mit schwerem Tritt herauf sich kollern?

Warlich, der tritt nicht sänftlich nieder,

Es klingen alle Fenster wieder,

Es scheint, er trägt Stiefeln mit Eisen beschlagen,

Wenn der in meine Thür eintritt,

So sprengt von ihm ein einzger Tritt

Die Wände wie die Pfosten ein;

Was wird der Wirth zu meinen Visiten sagen?

Da klopft das Ungethüm. — Herein!

Der Altfrank tritt herein.

Der Altfrank.

Einen guten Tag, mein junges Kerlein.

Autor.

Du lieber Gott, wer mag der Herr sein?

Mit diesem langen weißen Bart,

Mit dieser Mütz, seltsamer Art,

So wunderlich mit Schellen behängt,

Daß jede Bewegung wiederklingt,

Mit diesem langen tüchtgen Knüttel,

Den Dolch in seinem breiten Gürtel?

Der Altfrank.

Kennst mich wohl nicht, du kleiner Wicht?

Autor.

Zeitlebens sah ich kein solches Gesicht.

Der Altfrank.

Das weiß ich Dir gar wenig Dank,

So höre denn, ich bin, Gottlob, der Altfrank,

Der alte Franke, den sie nicht lassen ruhn,

Sondern wenn sie einmal was Gutes thun,

Sehn ihren Nächsten in tiefen Nöthen,

Zu Gott dem Herrn inbrünstig beten,

Wenn Kinder ihre Eltern lieben,

Die Söhne gehorchen, die Töchter in Tugend sich üben,

So schreit das Volk, mit bösem Maule zänkisch:

Ei seht doch Leute, wie sind sie da altfränkisch!

Doch wer nach Huren fleißig geht,

Den Freund verläumdend auf dem Markte steht,

Gott’s Wort nicht acht’t, die Kirchen verhöhnt,

Am liebsten begeht, was am schwersten verpönt,

Geizt, wuchert, das Geld zusammenscharrt,

Der ist ein Kerl neumodischer Art,

Und endlich verzweifelnd stirbt im Tode,

Der ist ein artiger Mann nach der Mode.

Autor.

Wie bist du nur darauf gefallen

Mir deinen Besuch zu gönnen vor allen?

Der Altfrank.

Weil du mir immer warst gewogen,

Warst mir, ohne mich zu kennen, ergeben,

Magst gern das alte deutsche Leben,

Das hat mich nun zu dir gezogen.

Du bist nicht für das Moderne und Neue,

Du liebst in der Natur das Weite und Freie,

In aller Poesie das Volle und Tücht’ge,

In allem Scherz das Wilde und Flücht’ge.

Du hassest, was nicht redlich gemeint,

Du verehrst, was gesund und brav dir scheint,

Da hört’ ich dich nun aus der Ferne fluchen,

Das bewog mich denn dich zu besuchen.

Autor.

Du erzeigst mir warlich sehr viel Ehre,

Wenn ich nur aufgelegter wäre,

So steht es um meine Laune mißlich,

Ich bin verstimmt und fast verdrüßlich.

Der Altfrank.

Ach was, verstimmt! das ist dummes Gezeug,

Willst du nicht besser reden, so schweig!

Treibt über all’s in der Welt ein Räsonniren

Und kann seine eigne Laune nicht regieren?

Wer heißt dich doch von Laune sein?

Das soll auch so was Neumodsches sein.

Steht dir der Magen schief, auf frisch

Setz dich an einen vollen Tisch,

Ziehn dir die Leut ein schiefes Maul,

So sei zum Fratzenziehn auch nicht faul,

Will hündisch Volk dich wild anschrein

So denk: da schlag’ das Donnerwetter drein!

Autor.

So was zu denken ist aber unschicklich.

Der Altfrank.

So was dachten und sagten wir augenblicklich

Wann uns was Dumms in die Quere kam

Und sich zu viel heraußer nahm.

Autor.

Dafür sind wir auch besser erzogen.

Der Altfrank.

Halt’s Maul, denn das ist doch erlogen.

Autor.

Ihr seid ein rauher, barscher Mann,

Ich bitte ergebenst, fahrt mich nicht so an.

Ihr habt gar keinen geselligen Ton

Und seid der Grobheit zu sehr gewohnt,

Man kann doch friedlich und freundlich sein,

Und braucht nicht wie ein Bär zu schrein.

Der Altfrank.

So ist nun meine Art zu sprechen,

Ich thu die Zähne weit auseinander brechen,

Geh du mit deiner schwernoths Redensart,

Holunken nur die murmeln in den Bart.

Autor.

Treten Sie nur nicht meiner Ehre zu nah,

Sonst muß ich Sie bitten, sich zu entfernen,

Ich möchte nicht gerne mit Ihnen lärmen,

Weil ich Sie heut zum erstenmal sah,

Drum gehn Sie lieber fort im Stillen,

Hab’ außerdem schon meine Grillen.

Der Altfrank.

Die werden aus deiner Narrheit quillen.

So halt’ doch, Kerl, die Nase in die Höh!

Wann sah man einen Deutschen je

Also die Schuh besehn und granzen,

Auf so erbärmliche Weis’ gramanzen?

Hast ehrlichs Blut und bist kein Schuft,

Schau dreist hinein in die freie Luft,

Thu’ mit Beinen strampfen, mit Händen handthieren,

Und steh nicht als gingst gewöhnlich auf Vieren,

Als wär dein Aufrechtwandeln Ausnahme nur

Und gegen deine hündische Natur.

Die Sonn’ schaut auf dich, so schau sie auch an,

Die Sterne betracht, so hast du wohl gethan,

Erwäge in deinem herzhaften Gemüthe,

Wie du und alles nur mancherlei Blüthe,

Und alles in einem großen Stamme steht

Zurück in Gottes Kräfte geht.

Doch bist du allzusehr verdrossen

Und steckst voll dummer irdscher Possen,

So steck die Nas’ in ein gutes Buch,

So wirst du wieder gesund und klug,

Da schau von unserm deutschen Mann

Das Gedicht vom Faust mal wieder an,

Da liegt für dich noch manch Verständniß,

Wovon viel Hundert nicht haben Kenntniß:

Und willst mal recht in die Tiefe schauen

In allen Sinnen dich erbauen,

Den Wein des Lebens schlürfen ein,

So recht im Frühling heimisch sein,

Wo aus allen Blüthen Nachtigallen

Und tausendfach Gesänge schallen,

Unendlichfach die Geister quallen,

So hab dir ja ein Buch erschlossen,

Wo schon manch Himmelsstunde hast genossen,

So gab ich dir noch außer Göthe,

Auroram, jene Morgenröthe,

Von dem Propheten, den sie schelten,

Dem aufgeschlossen alle Welten,

Des heilger unentweihter Mund

Der Gottheit Tiefe hat verkundt,

Den großen deutschen Jakob Böhme,

Daß er von dir die Schwermuth nähme,

Jedwedes Wort in ihm dir lacht,

Und all umzogen mit Glanz und Pracht,

Er hat durchaus sich gesponnen ein

In eitel Glori und Heiligenschein. —

Nun sprich, was fehlt in der Welt dir noch,

Daß du mürmelst und brümmelst verdrossen doch?

Autor.

Das alles will nicht recht erklecken,

Es fehlt mir noch an hundert Ecken,

Ich bin ungeschickt und ungewandt,

Interessire mich nicht für Welt und Land,

Bin immer auf meine Vorsätze erpicht

Und habe kein recht Welt-Interesse nicht,

Drum kann ich auch in meinem Leben

Nie so recht Red’ und Antwort geben,

Von vielen guten Wissenschaften

Will nichts in meinem Gemüthe haften,

Und kurz, ich bin mit meiner Seele

Auf so gar wenig eingeschränkt,

Worauf sie ewig sinnt und denkt:

Das ist es, worüber ich mich quäle.

Der Altfrank.

Ei was! das ist eine schlechte Art

In alles seine Nase zu stoßen,

Bei sich zu führen eine Taschen-Allgegenwart,

Und doch vom Kleinen wie von dem Großen,

Das Rechte nicht zu wissen und zu erkennen,

Und pur die Dinge mit Namen zu nennen.

Auch will es sich nicht schicken und fügen,

Das Universum in den Kopf zu kriegen,

Bleibt doch jeder nur sein eigen.

So schau die Bäume mit ihren Zweigen,

Schau Blumen an und alle Pflanzen,

Sie sind die Theile des großen Ganzen,

Doch jedes prangt in seiner Schöne,

Ins Fremde kein’s hinüber schweift

Das Widerwärtge nie ergreift,

Für sich bestehn die mannichfaltgen Töne,

Wollte sich Natur in Eins einrühren,

Müßte dann das Chaos zurücke führen.

Die Schöpfung hat sich dadurch nur geboren,

Weil jede Kraft sich aus dem Ganzen verloren,

Und einzeln das Ganze figurirt:

Der Mensch ward aus allen Theilen formirt,

Innewohnend in ihm sind alle Geister,

Drum ist er der Natur auch Meister,

Doch hat er in sich einen Klang,

Der tief sein Wesen ganz durchdrang,

Wenn er den Ton nun wieder hört,

Wird gleich sein Innres ganz empört,

Alle Geister steigen auf in die Erinnrung,

Der Ewigkeit Strahlen fallen in die Dämmrung.

Er strebt in seine alte Wurzel zurück,

Und erhascht seines Lebens Silberblick:

So hat jedwedes in aller Natur

Seine eigne bestimmte Signatur.

Dich treibt es liebend zu umfassen,

Was die meisten um dich verachten und hassen,

So laß denn deinem Geiste Raum

Und bilde fertig deinen Raum,

Laß dir den Muth niemals entgehn,

Willst du nur sehn, so wirst du sehn,

Dann glänzet dir im süßen Geisterlichte,

Die du gewünscht, die himmlischen Gesichte.

Autor.

Und dann fühl’ ich mich wieder so verloren,

Daß ich mir diese Liebe auserkohren;

Hält nicht fast jeder mich für einen Thoren?

Sie wollen nichts von dergleichen Dingen wissen,

Und weit entfernt, daß sie sind hingerissen,

Noch mehr, daß sie sich sollten darnach sehnen,

So sitzen sie nur und gähnen.

Wie soll das einen nun wohl stärken,

Wenn sie einen Autor gar nicht bemerken?

Das ist doch wohl noch zu verzeihn

Daß man will gern verstanden sein.

Der Altfrank.

Was nimmst du das nur so genau,

Ob sie heiß oder kalt sind, oder lau?

Kannst sie doch nicht bei Haaren ins Verständniß reißen,

Nicht bei den Ohren hinüberzerrn?

Daß sich um dich nicht kümmern die meisten,

Das glaub’ ich dir von Herzen gern,

Allein das muß dich nicht bekümmern.

Schreib’s dir und deinem Sinne recht,

Thu dich des Besten stets befleißen,

Und sei den Musen ein würdger Knecht,

So mags dann funkeln oder flimmern.

Mögen sie dich tadeln oder loben,

Das Gute bleibt am Ende oben.

Autor.

So will ich mich denn niedersetzen

Und ohne weiters mich ergötzen,

Meine alte Arbeit wieder suchen,

Und nicht mehr auf die Zeiten fluchen.

Der Altfrank.

Das wird dir immer nützlich sein,

Auch will ich mich darüber freun,

Wann du zu Stande bringst was Tüchtigs,

Was Gutes, Großes und was Wichtigs;

Erwärme dein Herz in alter Liebe,

Erwecke in dir die alten Triebe,

Wenn dir die neue Zeit nicht gefällt

So gedenk der braven alten Welt,

Mit Andacht geh zu den alten Ruinen,

Die auf den hohen Bergen verwittern,

Sie schaun dich an mit wehmüthigen Mienen

Und erzählen dir von Thaten und Rittern,

Besuche zumal die Wald-Kapellen,

Wo sich heilge Geschichten vor dich stellen,

Die alte katholische Religion,

Als sie noch schmückte ihren Thron,

Und schöner die Welt durchströmte,

Ein selger Tod die Märtrer krönte:

Als deutsche Freiheit noch stolzirte,

Vor ganz Europa hell pranchirte,

Das alles magst du kühnlich preisen

Verkündigen in vollen Weisen,

Was sonst erregte deinen Muth,

Beseligte in Adern dein Blut,

Lebt nicht noch alles in einzeln Spuren,

Wandelst nicht noch auf denselbigen Fluren?

Willst du ein Deutscher sein geacht’t,

Verkünd’ der Deutschen Stolz und Macht,

Laß all das eitle Gewäsch und Gramanzen

Den Welschen oder flüchtigen Franzen.

Sei stolz, wie’s einem Deutschen ziemt,

Der seines Vaterlands sich rühmt,

Der erkannt der alten Zeiten Adel,

Die großen Männer ohne Fehl und Tadel,

Thu dann, was du schon lang gewollt,

Was du auf mein Geheiß schon längst gesollt,

Versuch es in lebendgen Bildern

Die verwilderte Zeit zu schildern,

Die die letzte deutsche war,

Den heilgen Krieg der dreißig Jahr

Das theure Mutterland verheerte

Und seine letzte Kraft verzehrte,

Dies stell in mancherlei Schauspiel dar:

Daß du der Mitwelt mögest geben,

Erinnerung und Denkmal von deinem Leben.

Autor.

Deine Worte erwecken die alte Lust,

Den sonstgen Trieb in meiner Brust;

Den Vorsatz will ich treu bewahren,

Ich lasse Furcht und Zweifel fahren,

Magst du nur ferner mein gedenken,

Und mir, du treuer Mann, deine Liebe schenken.

Der Altfrank.

Du hattest immer zu mir begehrt,

Drum hab’ ich deinen Wunsch gewährt,

Du hast mich endlich mit Augen gesehn

Und darfst nun über mich Rede stehn;

Doch hör’ ich dich wieder aus der Fern

Wie ein Kindlein winseln, schrein und plärrn,

Ueber Recensenten und Kritiker klagen,

Dich mit Wehmuth und Demuth und Dummmuth plagen,

So sag ich mich gänzlich von dir ab;

Dann magst du andre Freunde treffen,

Die mögen dich ängstigen oder äffen,

Und stoßen dich in die Grube hinab.

Dann such in der Aufklärung Schutz und Schirm,

Und treib’ es wie das modernste Gewürm:

Sieh über das Bessere höhnisch hinweg

Und liege bei Memmen und Narren im Dreck.

Geht stampfend ab.

Autor.

Ein schwerer Fluch, den da der grobe Mann

Gesprochen hat, ein fürchterlicher Bann:

Muß denn das Alte grob stets sein?

Das will mir doch bei alledem nicht ein.

Er meint am Ende, die rechte Witzesart

Liege in dem verteufelt groben Fischart:

Und wollt’ ich davon das Bescheidenste schreiben,

So würde mir kein honetter Leser bleiben. —

Das Feuer im Ofen brennt hell und knistert,

Als wollt es den ganzen Ofen sprengen:

Mir ist als ob es mit Stimmen flüstert,

Als löste der Ofen sich in Gesängen:

Wenn alles Poesie und Musik noch wird,

Gestaltet sich die Welt doch zu verwirrt. —

Ich sehe den Ofen in seiner Basis wackeln,

Es springen, meiner Seel, die Kacheln,

Dampf und Gestank erfüllt das Zimmer

Und drinne steht ein Frauenzimmer.

Der falsche Ruhm tritt aus dem Ofen heraus.

Autor.

Wer bist du wunderbares Bild?

Sag an, was du von mir haben willt,

Mir steigt der Dampf in alle Sinnen,

Ich möchte fort, kann nicht von hinnen.

Falscher Ruhm.

Ich bin der Ruhm, der die Welt durchkreuzt,

Der alle Helden mächtig reizt,

Der Lohn für alle Arbeit,

Ich wohn’ in Licht und Klarheit,

Wo Feuer brennt, da brenn’ auch ich,

Drum kam ich aus dem Ofen säuberlich

Mit meinen Kränzen dir entgegen

Dir zu ertheilen meinen Segen.

Autor.

Doch deine Kränze, mit Verlaub,

Bestehn ja nur aus dürrem Laub.

Falscher Ruhm.

Du Thor, geht man durch Feuer risch,

So bleibt das grüne Laub nicht frisch.

Autor.

Wie kannst denn du der Ruhm doch sein?

Ich dachte, der wohnte im lichten Schein,

So kömmst du her in Qualm und Gestank,

Das macht mir doch etwas mein Herze bang.

Falscher Ruhm.

Nicht viel gezweifelt; ich hasse das Licht,

Denn weil ich, leider, beim Lichte besehn,

So gar sehr reizend bin eben nicht,

So will ich lieber im Qualme stehn:

Was du Gestank thust böslich nennen,

Das ist ja eben mein Geruch,

Woran die Menschen mich erkennen,

Und der mir anzieht die Menge genug.

Nun sprich, ich habe nicht Zeit zum Hänseln,

Denn ich bin immer in Thätigkeit,

Hier und da zu krönen treffliche Leut,

Steht einer dir an von meinen Kränzen?

Autor.

Sie sind aber alle voll Staub und Aschen.

Falscher Ruhm.

Ich fülle den Kopf nicht, sondern die Taschen,

Geld mußt du haben, willst du was gelten,

Das Gold hat immer sehr gegolten,

Dann mögen sie um dich lärmen und schelten,

Eine volle Tasche wird nimmer gescholten.

Willst dich zu meinem Dienst bequemen,

So mußt dich weder erzürnen noch schämen,

Mußt nie an keine Herrlichkeit glauben,

Noch weniger dich mit Andacht verschrauben,

Die Menge ist deiner Gottheit Stimme,

Je dummer du mengst, je größer deine Menge,

Und stehst du recht dicht im großen Gedränge,

So fürchtest du dich vor keinem Grimme.

Schau an, wie lieblich jetzt die Welt,

In der Armuthseligkeit ist bestellt,

Es fehlt ihnen allen von Osten nach Westen,

Von Norden nach Süden an dem Besten,

Drum wer die Leute halbwege ergötzt,

Wird gleich in alle Sprach übersetzt,

Noch niemals hatt’ es ein Dichter kommoder,

Fehlt ihm auch gänzlich der Menschenverstand,

Sein Ruhm geht doch von der äußersten Oder

Bis an des Mittelmeeres Strand;

Es kommen gelaufen die Irren und Britten,

Der Poesie zu Enge Länder und demüthig bitten

Sie dich und reichen genuine Guineen

Für sehr ungeniete Genien,

Und sprechen: sei unser Shakespeare,

Wir sehn, der unsrige ist ein Käsebier,

Flugs wirst der berühmte Shakspeare du,

Und wärst Du selber der Kotzebue.

Autor.

Das Ding ist wahrlich so übel nicht,

Wenn du mir hältst, was dein Mund verspricht.

Falscher Ruhm.

Du mußt nur, wenn es dir soll glücken,

Dein Vorurtheil gegen den Dampf ersticken.

Autor.

Wenn mich der Dampf nicht wird ersticken.

Falscher Ruhm.

Der muß dein Element ja werden,

Dann wandelst du auf dieser Erden,

Als der berühmte große Hans Dampf,

Und überstanden ist aller Kampf,

Die meisten halten’s doch für Rauch,

In dem ja lebten die Götter auch.

Autor.

Was hör’ ich oben für ein herrlich Singen,

Das durch das ganze Lustrevier erschallt?

Es ist, als ob die Töne widerklingen

Aus einem grünen Vögelvollen Wald,

Und wie sie kommen süße Düfte schwingen

Hernieder sich, und gaukelnd mich umwallt

In allen trunknen Sinnen die Bemeistrung,

Ich möchte sagen fast, das ist Begeistrung.

Ich seh das Dach sich oben wieder spalten,

Das Haus muß heute wahrlich untergehn,

Wie sich die Bretter alle dort entfalten

Dringt durch sie her ein heller Lichtstrahl schön,

Es brechen nieder mächtige Gestalten,

Und fahren aus dem lieblichen Getön,

Verwirrt weiß ich mich wahrlich nicht zu fassen,

Wo soll ich alle die Besuche lassen?

Der wahre Ruhm schwebt von Genien getragen herunter.

Autor.

O holdes Bild, ich stürze in die Knie,

Und bete zu dir im andächtgen Schweigen,

Mein Herz erhebt sich, und noch nimmer, nie

Sah ich die Majestät, wie du sie zeigen

Mir willst in deinem Glanz, ich ehre sie

Und möchte gern dir zugehören eigen,

Mit Zittern ist das andre Bild entwichen,

Es ist vor deinem vollen Glanz erblichen.

Der Ruhm.

Nicht daß du wirst von Thoren laut gepriesen,

Nicht daß die Welt, die eitle, dich verehrt,

Nicht daß du Schmeichler siehst zu deinen Füßen,

Daß man dein Lob von allen Zungen hört,

Nicht Lohn und Gold hat sich als Ruhm erwiesen,

Es hat dein eignes Herz dich schon belehrt,

Daß nur im Innern dir der wahre Ruhm,

Ist dir dein Ziel und Streben Heiligthum.

Und wollen sie dich höhnen und verkennen,

Fällt dir auch nur ein mittelmäßig Loos,

Will auch die Welt nicht deinen Namen nennen,

Dünkt sich der Thor auch über dir und groß;

Wird nur im Herzen dir die Flamme brennen,

Hegt dich die Andacht nur in ihrem Schooß,

So blüht im Herzen dir die goldne Blume,

Auch ungekannt wohnst du im hohen Ruhme.

Autor.

Die heut’gen Stunden will ich nie vergessen,

Sie sollen tief in meinem Innern blühen,

Nie will ich mich im Uebermuth vergessen:

Ja ewig will ich, heilge Kunst dir glühen,

Kein fremdes Bild soll in mir auferstehen

Und von der vorgesetzten Bahn mich ziehen.

Ich sehe vor mir wundervolle Höhen,

Nach ihnen sei der feste Schritt geleitet,

Und sollte rings um mich die Welt vergehen.

Was thuts, wenn Pöbel hinter mir auch schreitet,

Sein Wüthen mir den Weg verkümmern will,

Von einem süßen Licht bin ich geleitet.

Die ewgen Ströme werden nimmer still.

Der freche Hohn sinkt unter bald in Schweigen,

Die Nacht nimmt ihn in ihre schwarze Hüll’.

Bald muß das schöne Morgenroth sich zeigen,

Es dämmern schon die wolkigen Gestalten,

Die Finsterniß muß sich hinunter neigen. —

Dann bitt ich noch: nicht Spaß für Ernst zu halten.

Anmerkungen zur Transkription

Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. Im Original g e s p e r r t hervorgehobener Text wurde in einem anderen Schriftstil markiert. Textstellen, die im Original in Antiqua gesetzt sind, wurden in einem anderen Schriftstil markiert.

Die variierende Schreibweise des Originales wurde weitgehend beibehalten. Lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert, teilweise unter Verwendung weiterer Ausgaben, wie hier aufgeführt (vorher/nachher):