The Project Gutenberg eBook of Der Eroberer

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Title: Der Eroberer

Author: Paul Weidmann

Release date: September 17, 2015 [eBook #49998]

Language: German

Credits: Produced by Jana Srna, Norbert H. Langkau, Jens Sadowski,
and the Online Distributed Proofreading Team at
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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER EROBERER ***

Der
Eroberer,

Eine poetische Phantasie
In fünf Kaprizzen.

Aus
alten Urkunden mit neuen Anmerkungen.

Terruit urbem, terruit Gentes.

Horat.

Wien und Leipzig,
in der Buchhandlung der Gelehrten, 1786.


Zueignungsschrift.

An einen König der Antipoden

Seit den uralten Zeiten des furchtbaren Tearkon[1], der die Säulen Herkules aus Bescheidenheit nicht überschrit, fand sich, unter Eurer Majestät preiswürdigsten Ahnen zum Wohlseyn der Erde durch eine besondere Gnade des Himmels kein Eroberer. Eure Majestät treten mit einer so rühmlichen Menschenliebe, und mit einer so edlen Mäßigung in die Fußstapfen ihrer friedsamen Ahnen, daß Sie vielleicht der einzige König sind, der den Titel eines Helden für den liebenswürdigen Namen eines Vaters des Vaterlands, und eines Menschenfreundes verkaufet. Eure Majestät sind also der einzige Monarch, dem ich mein Buch schiksam zueignen kann, denn jedem andern würde es eine Satyre scheinen, wie jene Zueignungsschrift eines Franzosen dem römischen Pabste[2].

Wenn Eure Majestät, wie einige Reisende behaupten, auch ein Beschützer der deutschen Musen sind, welches die Fürsten selten wagen; so sind Sie ein wahrer Antipode von unserm gelehrten Europa, und ein Antipode aller Könige. Ich sage nicht mehr zum Ruhme Eurer Majestät, weil ausserordentliche Tugenden durch Stillschweigen am besten gepriesen werden. Nur gewöhnliche Könige werden gelobt, damit sie einige Tage länger leben.

Ich lege Eurer Majestät mit warmer Empfindung der hohen Bewunderung mein Buch ehrerbietig zu Füssen, weil einige Meere und einige tausend Meilen mir das Vergnügen rauben, mich ihrem Throne persönlich zu nähern u. s. w.


Vorrede des Dichters.

Die Musik ist die Mutter der Poesie; alle Eigenschaften erbt also diese liebenswürdige Tochter. Warum sollte sie die sinnreichste Gabe die Phantasie entbehren? Sollte die Dichtkunst nicht eben die harmonischen Freyheiten geniessen, da sich der spielende Tonkünstler frey seiner willkührlichen Laune überläßt, und in ein bewunderungwürdiges Chaos aller Tonarten sich verwickelt? Von einem taumelnden Wirbeltanze hüpft er zu einer melancholischen Arie; ehe er sie noch zu Stande bringt, schleicht er tändelnd zum neckischen Rundliedchen, artet rasch in ein heulendes Ungewitter aus, und donnert blutige Schlachten. Diese zerstreute Begeisterung ist oft den horchenden Ohren ein seltnes unerwartetes Vergnügen, und man hört manchen Künstler lieber phantasiren, als ein regelmäßiges Concert spielen; die Ursach ist, weil der kühne, und mannichfaltige Wechsel der Gedanken, und die verwägnen Uebergänge die Zuhörer reizen, hinreissen, erschüttern.

Lasset uns versuchen, welchen Eindruck eine poetische Phantasie auf das menschliche Herz machen wird. Vielleicht bringt die scheinbare Unordnung, die doch heimlich Ordnung und Verbindung hat, das neue Gewühl gedrängter Ideen, eben die gute Wirkung in dem Gemüthe der Leser hervor.

Es ist wahr, der Gleis ist unbetreten; ich kann meinen dreisten Versuch weder mit alten noch neuen Schriftstellern vor dem strengen Richterstuhle der gelehrten Welt rechtfertigen; aber mit ihrer gütigen Erlaubniß meine hochschätzbarsten Herren Kunstrichter und Richterinnen, müssen wir denn ewig so knechtisch unser Gehirn in Fässeln legen, daß wir nicht einmal einen Schrit ohne Leitbande wie die Kinder wagen dürfen, und bey jeder launichten Streiferey vor dem Hohngelächter zittern müssen?

Was da immer im Areopagus über mich verhängt ist, fühle ich doch, daß mein Kopf in einer so freyen Stimmung ist, in welcher er zu einer Phantasie gleichsam durch ein Instinkt gezogen wird; und weil oft vom Erfolge das Lob oder der Tadel einer Unternehmung abhanget, und Kolumbus vor der Reise verspottet, nach der Rückkehr gepriesen wird; so lassen wir der Zeit über, ob Dank oder Verachtung meine Arbeit belohnet. Meine Rechtfertigung bey der Nachwelt sey, daß die holden Musen sich allezeit schwesterlich die Hände reichen.


Anhang des Kommentars.

Da doch jeder Bajazzo mit einem komischen Kniks hervortrit, und Miene macht, dem hochgeneigten Publikum etwas sagen zu wollen, ohne Ihm etwas zu sagen; so soll auch mein kleiner Apendix in Ehrfurcht seinen Bückling machen. Ich habe viele gelehrte Vorgänger, und Wegweiser, die mehr Bogen Anmerkungen schreiben, als ihr Buch Blätter und Seiten hat. Ich will mein kleines Aemtchen sehr sittsam verwalten, und nur zu Zeiten dem Leser in die Ohren lispeln, damit er nicht vergißt, daß ich auch zugegen bin. Ich könnte zwar meine Wenigkeit schimmern lassen, aber oft vermuthe ich höchst wahrscheinlich, daß meine Leser mehr Einsicht haben, als ich, oder ich verstehe selbsten den Grundtext nicht klar genug, und dann schweige ich aus Bescheidenheit. Nemo ultra posse tenetur! Ein wahrer Kommentar erklärt nur das, was jedermann weiß.


Prolog

In Knittelversen.

Ihr Herren klug und Jungfraun schön,

Ich bring kein Mährlein auf die Scen.

Ich sag nicht blosse Narrenpossen,

Wie mancher schon hat ausgegossen.

Ich will Geschichten offenbarn,

Und dabey nicht der Wahrheit sparn.

Wenns Euch will also wohl behagen,

Will ich jetzt kurz und rund aussagen,

Wie Eduard der König groß

Erobert manche Stadt und Schloß.

Die Welt hat er für sich erhalten,

Damit zu schalten und zu walten.

Es zeigt sich, wie die Majestat

Oft manniglich gefochten hat.

Wie er so vielmal hat gerungen,

Und Land und Leut hat eingeschlungen:

Man sieht auch, daß sein Widerpart

Erträget viel, und leidet hart.

Ihr könnt Euch selbsten leicht gedenken,

Das viele saure Herzenskränken,

Das jeder Fürst erlitten hett,

Der sich auf seinem Todesbett

Sein Haab und Gut müsst nehmen lassen.

Ich will dieß alles hübsch verfassen.

Man hebt den König nicht hervor.

Bald ist er schwärzer als ein Mohr.

Man zeigt Euch alle seine Mängel;

Oft ist er weisser als ein Engel.

Von Nachbarn will er einen Theil;

Doch ihnen ist ihr Land nicht feil.

Da kommen sie dann stracks gelaufen,

Den Sieg mit Grimmen zu erschnaufen.

Er aber streckt die Klauen weit,

Und macht mit ihnen tapfren Streit.

Doch wie auch insgemein die Güter

Zu endern pflegen die Gemüther;

Wuxt ihm auch durch den Schatzgewinn

Gar bald sein Muth und hoher Sinn;

Man mußte seinen stolzen Willen

Ohn alle Widerred erfüllen;

Und er vergaß, wies denn geschicht,

Auch alsobalden seiner Pflicht;

Hub an selbst Freunde zu verachten,

Und nach der Tyranney zu trachten.

Sein hart und übermüthigs Herz

Glaubt nur der Krieg sey blosser Scherz;

Hat also Menschen viel getödtet,

Und Völker viel ins Joch gekettet.

Doch hungert ihn beständig sehr,

Und hett noch gern gegessen mehr,

Allein er starb durch Weibertücke,

Und so knackt endlich seine Brücke.

Da ihn der Tod erhascht beym Bein,

Ward er so still als wie ein Stein.

Er hatte stäts ein starkes Herze;

Doch trieb er mit den Jungfern Scherze;

Veracht den Himmel in der Noth,

Fürcht nicht den Teufel nicht den Tod.

Am Schluß bereut er seine Sünden,

Das könnt ihr in dem Büchlein finden.

Nehmt selber jetzt den Augenschein,

Was da für Ding enthalten seyn.


Die Kindheit Eduards.

Erste Kaprizze[3].

Einleitung.

Unter den grossen und kleinen Königen, welche alle Länder der vier bekannten Welttheile als eine natürliche Erbschaft großmüthig unter einander vertheilen, lebte Jakob der Friedsame. Sein Reich war so groß, daß er es übersehen konnte, um alle seine Unterthanen zu beglücken. Das Volk und der Monarch wünschte zu ihrer Glückseligkeit nur noch einen Thronerben. Die Königin näherte sich eben dem glücklichen Zeitpunkt ihrer ersten Entbindung.

Monolog.

König Jakob, indem er aus dem Schlafgemach der Königin trit.

So wahr ich König bin! Mein Sohn soll nicht Alexander, nicht Cäsar, nicht Sesostris heissen! — Schenkt mir die Königin eine Tochter; so mag sie ihr einen schicksamen Namen beylegen; aber der Name eines Sohnes ist mir als Vater und König nicht so gleichgültig. Es liegt oft im Namen gleichsam eine Weissagung. Wie soll ich also diesen sehnlich gewünschten Gast nennen? — Hahaha! Was dem guten Weibe beyfällt, Alexander. Hahaha! — Eh soll er mir Nero und Attila, wo nicht gar Kartusch heissen! So weiß die Welt, was sie von ihm erwarten soll. Gesetzt ich gebe dem Kinde den Namen Adam — Nein! Dieser Name ist mit schwarzen Gedanken vom Fluche der Erde verknüpft. Adam war der erste Ehrgeizige! — Ich wünschte einen gutherzigen lächelnden Namen — Willhelm — Pfui! So heißt mein unruhiger Nachbar! — Eduard, Ha! Das Wort klingt sanft. Eduard, ja Eduard soll mein geliebter Sohn genannt werden.

Dialog.

König Jakob, Alsin, hernach ein Höfling.

Jakob. Was bringt mein getreuer Alsin.

Alsin. Einen freudigen Glückwunsch! Die Königin wird Eure Majestät bald mit dem schönsten Ehrennamen Vater begrüßen.

Jakob. Dank dir, mein Freund!

Alsin. Betrachten Eure Majestät das seltsame Nordlicht! Ich staunte schon einige Stunden über diese wunderbare Lufterscheinung. Das Volk zieht große Vorbedeutungen daraus, und ein Schwärmer rief in meiner Gegenwart: Es wird ein zweyter Alexander gebohren! Der Pöbel bleibt immer Pöbel.

Jakob. Lassen wir die Narren reden! Nun, was bringst du so eilends?

Der Höfling. Es lebe der König und sein Thronerbe! Ein Prinz hat das Licht erblickt.

Jakob. Die Mutter hat ihn gebohren, und ich habe ihn getauft. Es lebe Eduard! — Alsin, das ist ein froher Tag für mich, und wenn der Himmel unsern guten Willen segnet, ein froher Tag für mein Volk! — Laßt uns den Säugling küssen!

Geburts-Ode.

Strophe.

Fürstenkind, sey mir gegrüßt! Lächle Gebährerinn,

Hofnungen blühen der Welt schon in dem Säuglinge.

Parze beginne für ihn einen unsterblichen

Faden! Reife heran zu den Erwartungen

Zärtlicher Eltern du Trost, und du Glückseligkeit

Neuer Geschlechter, die dich Völker beglücken sehn.

Jauchzet dem fürstlichen Gast, ruft ihn zur Herrlichkeit!

Gütiger Himmel, bist du sehnlichen Wünschen hold;

O so gieß Segen herab; Weisheit und Tugenden

Schmücken den Prinzen, der würdig zum Throne reift;

Nicht der Krone bedarf, sondern die Krone ziert.

Antistrophe.

Musen begeistert mich izt! Goldenes Saitenspiel,

Das in dem Lorbeerhain hängt, töne heut lieblicher;

Sing ein unsterbliches Lied; preise den Jubeltag!

Hier keimt ein Zweig hervor, der einst die Wolken küßt.

Unter dem Schatten ruht einst sicher der Wanderer,

Und sein lechzender Mund kostet die süsse Frucht.

Wenn der Donner ertönt, und das Gewitter dräut,

Strecket der gütige Baum liebreich die Wipfeln aus,

Nimmt die Heerden in Schutz, schläfert die Hirten ein.

O du wohlthätiger Baum, wachse zum Segen auf;

Sey von Völkern verehrt, und angebetet stäts!

Epod.

Darf ich die süssen Ahndungen meines Herzens ergiessen?

Weissagt mein frohes Gefühl?

Seh ich die rühmliche Wiege von jenem vergötterten Helden?

Welche Schlange bekriegt

Den vom unschuldigen Schlummer gewiegten Säugling? Erwache!

Rettet das Götterkind! Eilt!

Tilget den zischenden Wurm! Doch welch Erstaunen befällt mich!

Welche Tapferkeit blüht!

Unüberwindliche Riesenstärke beseelt die Arme,

Und der Heldensohn ringt;

Säuglingshände zermalmen die giftaushauchende Schlange.

So siegt in Windeln Alcid!

Feenmährchen.

Kaum war die Geburt des Erbprinzen eines grossen Königreichs in der neugierigen Feenwelt durch den Ruf ausposaunet; so eilten alle Feen diesen durchlauchtigen Gast zu bewillkommen, und nach Gewohnheit des wunderlichen Feenreiches mit allen Gaben zu verherrlichen. Die Thore und die Plätze der Hauptstadt wurden zu enge, alle Drachenwägen und magischen Reisekarren der Feen zu beherbergen. Alle Gattungen der vierfüßigen, zweybeinigen, und kriechenden Thiere bevölkerten die jauchzende Residenz. Drachen, Skorpionen, Basilisken, Eidexen, und tausend Insekten krochen auf den Dächern des königlichen Pallastes, und verfinsterten das Tageslicht.

Die Feen nach der löblichen Gewohnheit unserer alltäglichen Weiber machten rings um die goldene Wiege des Kronprinzen einen so entsezlichen Chor, daß der Säugling vom festen Schlaf erwachte, und seine Gönnerinnen mit einem Zettergeschrey begrüßte. Zehen Kinderammen wurden gelegentlich gehörlos, und zum Glück für die Unterthanen dieses Reichs erschien der König zu spät, sonst wäre er nach dem Modebeyspiel vieler Grossen taub geworden. Die Königinn der Feen, die grosse und weise Rokatania begann eben ihre Rede, nachdem sie das Geheule ihrer beredten Schwestern gemildert hatte, und rief mit Begeisterung: Junger Prinz sey ein Held!

Um des Himmels willen! Madame, unterbrach sie hastig der schnaubende König, halten Sie ein; machen Sie aus dem Kinde, was Sie wollen, nur keinen Helden! Was soll ich mit einem tolldreisten Thronfolger machen, der nichts an seinem Orte läßt, den jeder Nagel an der Wand irrt, wenn er ihn nicht nach seinem Eigensinne ordnet? Frau Fee nehmen Sie den Jungen, ziehen Sie ihn! Seine Mutter kann mit ihrem Schooßhunde spielen. Aber bewahren Sie mich und mein Land vor der leidigen Seuche des Heroismus! Wer das Kriegsgeräusche liebt, findet leicht eine Trommel. In meinem Lande würde der Bursche noch in der Wiege zum Alexander. Ich war auch so ein kleiner Nickel, gleich kamen ein Dutzend einladende Klopffechter, denen der Kopf wirbelte, und wollten mich ohne Gnade zum Erzhelden machen; aber ich liebte den Frieden. Freylich schreibt von mir kein Dichter, und die Geschichte pranget nicht mit meinen unsterblichen Thaten; aber meine Unterthanen sind glücklich. Ihr König hat keine blutige Lorbeern; aber ein gutes väterliches Herz, das sie liebt. Jeder Strassenräuber, wenn ihn das Glück ein bischen begünstiget, kann ein Held, ein Eroberer seyn; aber zu einem guten Hirten, zu einem menschenfreundlichen Landesvater gehört mehr. Es ist leicht mit einer halben Million Soldaten die Erde zu zerstöhren, und Menschen zu schinden; aber hart ein Volk zu beglücken. Das merken Sie sich Frau Feenköniginn, und Sie alle meine verehrungswürdigen Damen, wenn Sie wieder einen Königssohn segnen; so machen Sie ihn ja zu keinem Henker und berühmten Taugenichts! So sprach dieser biedere Antiheld.

Rokatania, und die andern Feen berathschlagten sich eine Weile, und fanden die Gründe des Vaters sehr klug. Endlich nahm die weise Sapilinia, eine alte Exköniginn der Feen das Wort: Ich finde in meinen Büchern ein einziges Mittel zur Entheldung des Prinzen, indem man nämlich seinen Charakter von Jugend auf durch eine ausserordentliche Erziehung gänzlich vom Geräusche der Waffen entfernet: denn hört er vor funfzehn Jahren eine Kriegstrompete; so ist alle Vorsorge vergebens. Ich will gern die mühsame Arbeit seiner Erziehung auf mich lasten. Ich bestimme ihm auch aus seiner Nation den weisen Alsin zum Lehrmeister, und werde beide an einen wunderbaren Ort versetzen, da soll der Prinz von allen gewöhnlichen Menschen entfernt erzogen werden. Ihre Rede fand Beyfall.

Der König umarmte seinen Thronerben, und die Königinn zerfloß bey der Trennung in Zähren. Der weise Alsin ward gerufen, und die Exköniginn der Feen, er, und das Kind wurden plötzlich auf einem Feenwagen von sechs spanischen Fliegen in die Luft getragen. Sie durchstreiften Länder und Städte, bis sie die gewünschten Gestade der Einbildung erreichten.

Sie betraten glücklich die fruchtbare Landschaft Dramaturgia. Die Hauptstadt Tragödianopel ist sehr antik und majestätisch gebaut. Ihr Stifter war König Thespis. Die Könige Sophokles und Euripides haben sie sehr erweitert, und die Bürgermeister Shakesspear, und Lopez de Vega haben sie fast zum Ungeheuer gemacht. Die Inwohner gehen auf hohen Kothurnen, belasten ihre Häupter mit Federbüschen, und reden meistens in Versen. Zum Zeichen ihrer beständigen Traurigkeit und ihrer nieversiegenden Thränen tragen sie weisse Schnupftücher in den Händen. Sie üben sich den ganzen Tag auf halsbrechende Fälle, tödtliche Sprünge, und Stürze. Sie fallen auf offenem Markte plözlich zur Erde, um ihre ausserordentliche Kunst im Halsbrechen zu zeigen. Ihre Geberden sind riesenmäßig, ihr Gang hochtrabend, und ihr Ton brüllend. Alle Minuten sieht man blutige Schlachten. Sie erwürgen einander, und stechen sich zum Zeitvertreibe todt. Diese melancholische Stadt ist sehr entvölkert.

Unsere Wanderer enteilten diesem Schauplatze des Schreckens, der mit Schedeln und Menschenknochen gepflastert war, und erreichten die anmuthige Stadt Komödienburg. Ein lautes Gelächter, und ein rauschendes Geklatsche schallte ihnen schon beym Stadttore entgegen. Die Kuppler hielten Wache. Alle Gattungen Narren und Gaukler machten auf den Plätzen ihre seltsamen Grimassen. Die Notarien liefen sich ausser Athem in allen Gässen Heurathsverträge zu schliessen. Tausend kleine Liebesränke wurden überall gespielt, und erzählt.

Sie verliessen auch diesen lachenden Auffenthalt, und kamen in die weitschichtige Landschaft Epopea. Sie ist fast von Menschen verlassen, und wird wechselsweis von alten Göttern und Göttinnen, und bald von Engeln und Teufeln bewohnet. Sie eilten zur berühmten Stadt Operania; sie ist in zwey Theile getheilet, wovon einer der Komische, der andere der Tragische genennt wird. Die Musik ist hier die Seele aller Handlungen. Man ißt, trinkt, schläft, geht, sitzt, ficht, liebt und stirbt hier mit Singen.

Sie durchzogen nur flüchtig einige berühmten Städte, als die Philosophenburg, wo lauter Weltweise wohnen; Dogmatianopel, der Wohnsitz der Lehrer, und Redner. Endlich erreichten sie das fruchtbare und niedliche Arkadien. Diese lächelnde Gegend wählte die Fee zum Wohnsitz für den weisen Alsin und seinen Zögling. Auf ihren Wink thürmte sich ein artiges Landhäuschen mit allen Geräthschaften. Alle Bewohner dieser glücklichen Fluren begrüssten ihre willkommenen Gäste. Die Fee verließ den gesegneten Aufenthalt, wo durch die Anstalten des weisen Alsin und seines liebenswürdigen Schülers die goldenen Zeiten aufblühten.

Eduard wuchs unter den sanften Einflüssen eines wohlthätigen Himmelsstriches. Der Weltweise erhob sein Gemüth unter jugendlichen Spielen zur Tugend und Weisheit, und die unschuldigen Schäfersitten veredelten sein Herz. Eduard wählte sich hier den Schäfernamen Tityrus, und war von allen Gespielen und Gespielinnen geliebt. Funfzehn Sommer schlichen wie lächelnde Frühlingstage hin. Izt näherte sich der traurige Zeitpunkt, der seinen Charakter zu andern Beschäftigungen entwickelte.

Oridia, eine schwarze neidische Fee kochte in ihrem Busen einen alten Groll wider die wohlthätige Fee, und wollte das schönste Werk der Unschuld zerstören. Sie warf durch einen Sturm Kriegsleute an die glücklichen Gestade dieser seligen Insel, und diese Räuber entführten die schönste Schäferinn.

Ekloge.

Tityrus, Koridon, Tyrsis.

Korid.

Laß uns O ländliche Flöte mänalische Lieder beginnen!

Rufet ihr zärtlichen Töne die reizende Daphne zurücke!

Wer wird im lächelnden Frühling die Felder mit Blumen besäen;

Wer die Gestade der Ströme mit grünenden Schatten umgeben,

Wenn die göttliche Daphne das Antlitz den Schäfern entziehet?

Traure mein Tityrus, weine mit mir, bis wir sie begrüssen.

Laß uns mit ländlicher Flöte mänalische Lieder beginnen!

Tityr.

Alles besieget die mächtige Liebe; wir weichen der Liebe!

Nicht so begierig umflattern die Bienen die duftenden Blumen;

Nicht so hastig besuchen die Lämmer die lockende Quelle,

Als ich mit Sehnsucht die labenden Blicke der Daphne verschlinge.

Schon der Gedanke, sie wiederzusehen, begeistert den Busen.

Wie sind die Fluren so blühend, die meine Geliebte bewohnet!

Blüten enteilen den Zweigen, und Knospen entwickeln sich früher;

Veilchen und Rosen im bunten Gedränge belasten die Felder.

Angenehm säuselt der Zephyr durch dickbelaubte Gebüsche,

Und die Nachtigall wirbelt mit Anmuth die zaubernden Lieder.

Herrlicher pranget mit goldenen Stralen die wärmende Sonne.

Feyerlich horchet die ganze Natur beym süssen Gesange,

Das die liebliche Lippe der Daphne harmonisch beginnet.

Aber ach! Lange schon missen wir alle das siegende Mädchen.

Seitdem hat sich für mich die ländliche Gegend verändert.

Fürchterlich rauschen die schwankenden Eschen im traurigen Haine;

Mich beschleicht kein erquickender Schlummer auf öden Gefilden.

Stechende Bremsen zischen um mich, und Eulen verscheuchen

Durch weissagende Töne die Ruhe vom stürmischen Busen.

Träume, mein Koridon, schreckliche Träume durchschaudern die Seele.

Dräuende Wunder erschüttern die Augen. Bald schmettert der Donner

Wipfel der Bäume; bald schwärmen Irrlichter im dämmernden Thale;

Aechzende Winde durchbrüllen die Fluren, und schreyende Dohlen

Flattern beständig über mein Haupt; mein ahnender Busen

Sieht mit Zittern den nahen Gefahren, O Bruder, entgegen.

Alles trauert und seufzet; die fröliche Gegend entschlummert.

Rufet ihr zärtlichen Lieder die reizende Daphne zurücke!

Wer kann sie lieben wie ich, wer kann sie so feurig besingen?

Korid.

Nur ich mache die Liebe dir streitig, und setze dir Wetten.

Drey der weissesten Lämmer bestimm’ ich zum Preise des Sieges.

Meine Heerde will ich verspielen, um dich zu besiegen.

Laß uns arkadische Lieder mit ländlicher Flöte beginnen!

Nicht so lieblich schimmert das Morgenroth auf den Gebirgen,

Als die keuscheste Wange der Daphne die Rosen bemalen;

Nicht so labet der himmlische Thau die durstigen Pflanzen,

Als ein Lächeln von ihr die gierigen Augen ergötzet.

Immer erneuert mein treues Gedächtniß die selige Stunde,

In der ich sie das erstemal sah. Wir feyerten damals

Heilige Feste der glücklichsten Aerndte; die Mädchen erschienen

Wie die Nymphen mit Blumen geschmücket in festlicher Kleidung

Meine bezaubernde Daphne besiegte sie alle mit Reizen.

Wie die Sonne die Sterne verfinstert, so glänzte nur Daphne.

Tityr.

Süß und zärtlich hast du gesungen, einschläfernd dem Ohre!

Aber du sangst nur die Reize des Körpers; ich schildre die Seele.

Und ich will auch vom Tage der frohen Erscheinung beginnen.

Keine so heitre Frühlingsnacht kömmt nicht wieder zur Erde.

Angenehm leuchtete damals der Mond durch stille Gebüsche,

Als der Silberton einer erquickenden Stimme mich reizte.

Ich fand ein Mädchen im Schatten gegossen; ich sank ihr zu Füssen.

Göttliches Kind, du hast mich bezaubert! Die Töne sind süsser

Als der kühlende Trunk im heissesten Sommer dem Wandrer,

Und erquickender als der liebliche Schlummer dem Müden.

Aber ein ängstliches Winseln zerstörte die zärtlichste Rede.

Wie ein Pfeil schoß Daphne hinzu, die Ursach zu forschen.

Sie fand ein gebährendes Weib im tödlichen Kampfe.

O wie entwickelte sich die reizende Tugend der Schönen!

Welche Menschlichkeit, welche Gefühle des edelsten Schmerzens

Strahlten auf dem thränenden Auge der gütigen Daphne!

Ihre gastfreundliche Liebe beseelte die himmlischen Thaten;

Ihre Schönheit bezaubert, doch ihre Sanftmuth vollendet

Ihre verherrlichten Siege! Sie bleibet beständig mein Abgott.

Korid.

Du hast zwar dem Herzen gesungen, doch Tityrus, meine

Bessern Gesänge weichen nicht deinem erhabenen Liede.

Dort kömmt Tyrsis, wir wollen ihn beyde zum Richter erwählen.

Aber wie weinerlich scheint mir sein Antlitz! Was quält dich O Tyrsis?

Tyrs.

Soll ich wohl lächeln, wann unsere Hütten die Zierde verlieren?

O die ganze betrübte Natur scheint mit mir zu trauren!

Uns hat der Tod die reizendste Schäferin grausam entrissen!

Ihr erblasset? O weinet mit mir, denn Daphne verdient es!

Tityr.

Du hast die Wurzeln des Lebens mit tödtlichem Beile gebrochen;

Daphne verweile, dein Tityrus folgt dir mit hastigen Schritten!

Korid.

Sag uns die Ursach von ihrer Entfernung, und auch von dem Tode.

Tyrs.

Häßliche Krieger beschlichen zur Nachtzeit die sichersten Hütten,

Raubten gewaltsam, und schleppten die Mädchen zur schwarzen Entehrung.

Umsonst folgten die Räuber der flüchtigen Daphne, sie stürzte

In die schäumenden Fluten, und ward von den Wellen verschlungen.

Tityr.

Nicht mehr will ich die Fluren betreten; ich fliehe die Haine.

O lebet wohl, ihr schattigten Wälder, ihr schönen Gefilde,

Ihr quellvollen Gebirge lebt wohl! Lebt wohl ihr Bewohner

Seliger Hütten! Ich scheide von euch mit dieser Umarmung.

Theuerste Brüder, lebt wohl! Ich lasse zum späten Gedächtniß

Diese Flöte zurück, die oft mit schmachtenden Liedern

Diese Gegend erfüllte. Lebt wohl ihr silbernen Bäche,

Nicht mehr wird mich an euren Gestaden ein Schlummer beschleichen!

O freundschaftliches Grab empfange den traurigsten Hirten.

Ich will die seligen Schatten der göttlichen Daphne begrüssen.

Pflanzet, O Brüder, der zärtlichsten Liebe zwey Myrthen zum Denkmaal!

Schreibt auf die grünende Rinde die Worte des sterbenden Freundes:

Tityrus liebte die Daphne mit mehr als irdischer Liebe;

Sie war sein Leben, sein Licht, er eilte mit ihr zu erblassen!

Tyrs.

Wie beklag’ ich den Tityrus! Koridon, suche die Freunde,

Sag den harrenden Schäfern die traurigste Liebesgeschichte.

Eilet gesättigte Lämmer, der Abendstern ruft uns zur Hütte.

Idylle.

Alsin, Tityrus.

Alsin. Mein theurer Sohn, ich habe dich behorcht. Gerecht sind deine Thränen; aber mäßige deine Betrübniß. Setze dich zu mir unter diese Eiche, und höre mich aufmerksam. Die Liebe ist eine edle Leidenschaft; sie vergrössert die Herzen. Aus diesem Grunde billigte ich bisher stillschweigend deine Zärtlichkeit. Doch es nähern sich izt die entscheidenden Tage, in welchen erhabnere Pflichten dich rufen. Du bist nicht zur Weide gebohren. Tityrus erkenne dich selbst! — Du bist Eduard, der Thronerbe Jakobs; dessen Geschichte ich dir oft erzählte. Du solst ein Volk glücklich machen!

Tityr. Mein Vater, welche Räthsel —

Alsin. Folge mir! Wir werden auf ewig diese Hütte verlassen. Willst du?

Tityr. O diese Gegend ist mir izt verhaßt!

Alsin. Der Himmel bedient sich solcher Zufälle, unsern Willen zu seinen Absichten zu lenken. Der Aufenthalt des Friedens, der dir sonst so theuer war, ist dir lästig geworden. Wohlan, wir werden grosse bevölkerte Städte sehen. Mein Freund, das Geräusche ganzer Nationen wird dich betäuben. Noch ein Wort, ehe wir gehen. Was ist die Pflicht eines guten Hirten?

Tityr. Seine anvertraute Heerde auf fetten Auen zu weiden, und sie vor den gewaltsamen Anfällen der Raubthiere wachsam zu schützen.

Alsin. Dieß ist auch das Bild eines guten Königs! — Ein Fürst muß sein Volk beglücken und beschützen. Schwöre mir unter diesem gestirnten Himmel, daß dieses dein ewiges Geschäfte seyn soll!

Tityr. Ich schwöre beym Himmel!

Alsin. Die Menschen werden verschieden regieret. Ich will erst deine Begriffe erweitern.

Dogmatische Poesie.
Ein Gesang.

Muse, besinge die rühmliche Staatskunst der Weltenbeherrscher;

Zeig die erhabnen Gesetze, womit sie die Erde beglücken!

Denn die Glückseligkeit jeder Gesellschaft bleibt die Säule

Niemals erschütterter Throne, und ewigblühender Länder.

Selbst die Thiere durch edles Instinkt erwählen sich Häupter,

Und die honigzeugenden Bienen leben monarchisch,

Aristokratisch die Kraniche, die demokratische Herrschaft

Scheint den Ameisen selbst von der Natur zur Richtschnur gegeben.

Diese drey Gattungen dienen dem Menschengeschlechtern zur Regel.

Einige wählen sich einen zum Fürsten, doch herrscht er despotisch;

So wird der Monarch ein Tyrann, das Scheusal der Erde!

Diese Gefahr zu vermeiden bestimmen die Völker den Adel

Zur Handhabung der Landesgesetze; auch dieses zeugt Uebel,

Denn der Stolz so vieler Gebieter verscheuchet die Freyen.

Diese gesellen sich brüderlich in dem Staat der Republik.

Einige mischen aus dreyen Gestalten die glücklichste Herrschaft.

Doch die Monarchie bleibet die Thätigste jeder Regierung.

Persien hat die wichtige Frage mit Weisheit entschieden,

Und die Meinung Darius besiegte die klugen Gefährten.

Aechte Gesetze müssen dem Volk und dem Lande behagen.

Wie ein Baumeister die Plane nur nach der Lage bezeichnet;

So sey bey neuen Gesetzen die Zone, die Sitte des Volkes,

Und der Charakter der Nation mit Vorsicht geprüfet.

Selbst die Regierungsart soll die Verfassung des Landes bestimmen.

Durch die Mittel, durch die wir entstehn, sind wir auch erhalten!

Ist ein Staat kriegerisch; so verderbt ihn ein ewiger Friede.

Doch den Handelstaat tilget die Flamme verderblicher Kriege.

Kriege heissen gerecht, wenn die Nothwendigkeit streitet.

Liebst du den Frieden; so mußt du dich immer zum Kriege bereiten!

Dieses war der geheiligte Grundsatz der siegenden Römer.

Ist ein mächtiger Staat mit vielen Provinzen verbunden,

König, so zittere nicht vor seiner gewaltigen Grösse,

Er faßt in sich die häufigen Mittel sich groß zu erhalten.

Vielleicht machen kleinere Länder mehr glückliche Bürger,

Denn der Körper der Staaten ist wie der Körper des Menschen;

Jener ist nicht der stärkste zu heissen, der alles verschlinget;

Der lebt mit blühender Kraft, der mäßige Speisen verdauet.

Ein unübersehbares Reich ist schwer zu erhalten.

Suchet die Menschen in nährenden Staaten geschikt zu vertheilen;

Lernet die vollblütigen Adern mit Weisheit zu leeren;

Mit Pflanzstädten muß man bevölkerte Länder entlasten.

Setze dem Wachsthum ein Maaß, damit du dein Erbtheil erhaltest.

Suche Monarch, nur das zu beglücken, was du schon besitzest;

Sey nicht lüstern nach neuer Eroberung; fodre nicht alte

Langvergessene Rechte von deinen friedliebenden Nachbarn.

Dieser Eigennutz reisset Verträge, zerstöret das Wohlseyn;

Mit unersättlicher Habsucht verscheuchst du die Bundesgenossen.

Fliehet ihr Hirten, die Staatenverbesserer, die euch betrügen!

In der Monarchie lassen sich Fehler der Fürsten verbessern.

In der Regierung des Volkes fällt der Staat mit den Gesetzen.

Weh dem unglücklichen Reiche, wo der unbändige Wille

Eines grausamen Despoten die Landesgesetze beweiset!

Gold ist das reineste Blut der Reiche; doch setzt es in Umfluß;

Dadurch blühet der Handel, und glücklich ernährt sich der Bürger.

Weiser Minister, sey wie ein Steuermann immer in Arbeit!

Sieh, wie er spähet, die Winde belauschet, und Stürme voraussieht.

Bald spannt er Segel, bald zieht er sie ein, bald ändert er Flaggen;

So mußt du mit forschendem Blicke die Welt übersehen.

Du must wissen, was war, was ist, was eilet zu kommen.

Der Ostracismus entehret, und stürzet die Demokratien.

Die Republik ist zu langsam zu grossen Geschäften.

Die Regierung der Edlen befürchtet die Grossen und Kleinen;

Eifersüchtig auf ihre Verfassung wird sie oft tyrannisch.

Die Monarchie gleichet der weisen Regierung der Gottheit,

Und die Monarchen sollen dem göttlichen Meister sich nähern.

Suchet, O Fürsten, nicht Schätze wie Midas, begehret vom Himmel

Wie einst Salomon Weisheit, denn Weisheit beglücket die Staaten.

Selig die Länder, die Weise regieren, sie schmücken die Krone!

O wie soll ich genug die Güte den Grossen empfehlen?

Sie ist die Seele der Staatskunst, der Schmuck und die Säule des Thrones.

Völker vergöttert den gütigen Fürsten, der Stunden beweinet,

Die er nicht mit erquickenden Thaten der Menschheit bezeichnet!

Wie viel dankende Thränen fliessen noch auf die Gebeine

Gütiger Hirten! Sie sind auf der Erde das Ebenbild Gottes,

Und man heißt sie die reizende Wollust des Menschengeschlechtes.

Du bist zwar mächtig Monarch, doch setze der Eigenmacht Schranken;

Schäme dich nicht, dich unter die weisen Gesetze zu schmiegen.

Ehre das Recht der Natur, der Völker, des heiligen Tempels.

Du bist zwar frey von menschlichen Richtern, doch Gott wird dich richten;

Früh oder spät wird dich die Geissel der Vorsicht bestrafen.

Ihr seyd nicht Herren, O Fürsten, des Lebens, der Güter der Bürger;

Diese Maxime schändet die Throne, brandmarket die Menschheit!

Nur die Verbrecher könnt ihr des Lebens, der Güter berauben.

Ihr sollt wie liebende Väter die zärtlichen Kinder beschützen,

Und mit segnender Lippe den Söhnen die Erbschaft vertheilen.

Geheime Nachrichten.

König Jakob ward vom Schlage gerührt, und starb eh er seinen Sohn umarmen konnte. Die Königinn bemächtigte sich mit ihren Ministern der Regierung während der Minderjährigkeit ihres Sohnes, und Alsin, der diese Zeit zum Nutzen des jungen Prinzen verwenden wollte, führte ihn auf Reisen. Eduard lernte unter seiner weisen Anführung die Sitten der Völker, und die Geschichte der Künste und Wissenschaften. Bey seiner Zurückkunft übernahm er das Staatsruder.

Einige glaubwürdige Zeitgenossen erzählen diese Geschichte mit folgenden veränderten Umständen. Unter der Herrschaft Jakobs blühten die Länder; aber so glücklich seine Staaten waren, so unglücklich lebte er in seiner eignen Familie. Emilie seine Gattin ergab sich gänzlich den Ausschweifungen der Liebe; unter unzählbaren Buhlern, die heimlich und öffentlich ihren prächtigen Hofstaat vermehrten, war Feranson der Glücklichste, und erhielt sich in ihrer Gunst so lange sie herrschte. Der gütige Jakob war zu liebreich, zu nachsichtig gegen die Fehler seiner Gattin. Feranson nützte diese natürliche Gutherzigkeit, flößte in das Herz der Königinn seinen unbeschränkten Ehrgeiz, und entwarf ihr einen schwarzen Plan, der dem Besten der Könige durch ein schleichendes Gift die Tage verkürzte. Da er den Erbprinzen aus eben den Absichten haßte, entfernte ihn die Königinn unter dem Vorwand einer schwächlichen Gesundheit vom Hofe; oder wie andere Biographen schreiben, Alsin ein wahrer Patriot, der die Lage der Sachen kannte, und wohl einsah, daß dem Reichserben das Schiksal des Vaters bedrohte, entwich heimlich mit diesem kostbaren Pfande. Gewiß ist, daß Eduard erst sechs Jahre nach dem Tode seines Vaters herrschte. Er fand das Reich in einem betrübten Zustande. Die Königinn überließ sich ganz der Wollust. Ihr Günstling sammelte Schätze. Alles haßte und verabscheuete diesen Minister einer schwelgerischen Fürstinn. Die schlauen Nachbarn bedienten sich dieser günstigen Gelegenheit, und rissen an sich, was ihnen gefiel. Sie erkauften den Feranson, der den Krieg aus Zagheit haßte. Er verhandelte die wichtigsten Würden, gab sie Schmeichlern, Schwelgern, und wollüstigen Hofschranzen, und genoß in Ruhe die Früchte seiner Laster. Izt erschien Eduard. Die Rechtschaffenen fielen ihm zu. In wenig Tagen gewann alles eine andere Gestalt. Der Günstling Feranson entfloh mit seinen Schätzen zu den Feinden. Die Königinn entfernte sich in eine Provinz. Eduard bestieg den Thron, und jagte die Schmarutzer vom Hofe. Jeder Tag seiner Herrschaft ward durch wichtige Zufälle merkwürdig.

Scene bey Hof.

Eduard, Alsin.

Alsin. Mein Eduard, izt bist du König!

Edu. Durch dich! — Du bist mein Vater, mein Freund, mein Führer. Verlaß mich nicht, damit ich nicht unter der Last einer Krone zu Boden sinke. Sag, wie soll ich die Verräther behandeln?

Alsin. Nach deinem Herzen! — Izt will ich die Früchte meiner Lehren einärndten. Hör eine Fabel, und dann handle!

Fabel.
Der Donner und der Thau.

Hör mich, so sprach der Donner, edler Thau!

Wenn ich erschalle, bebt der ganze Weltenbau;

Die Erdenkönige betäubt ein banges Zittern;

Ich flösse Schrecken ein den eisernen Gemüthern.

Wenn sich mein Riesenfuß von Pol zu Pole hebt,

Stürzt eine schwarze Wolke nieder;

Der Himmel und die Erde bebt.

Ich lähme den Geschöpfen alle Glieder.

Vor mir erstaunt, was lebt.

Ich bin der Herold aller Götter;

Vor mir erblaßt der kühne Spötter,

Und bricht ein Frevler seinen Schwur;

So stürzt mein Blitz herab, und tödtet den Verräther!

Mir huldigen mit Furcht die Wesen der Natur.

Ich kenne, sprach der Thau, schon deine grossen Thaten.

Du kanst nur immer strafen, dräun,

Und willst allein gefürchtet seyn.

Ich aber bin geehrt in meinen weiten Staaten;

Ich giesse früh und spät den reichen Segen aus.

Die ganze Schöpfung ist mein Tempel und mein Haus.

Mich preisen alle Erdensöhne.

Mir dankt so manche fromme Thräne.

Wie süß ist doch der Lohn, wenn man mit Milde giebt;

Wie sehr bin ich gewünscht, wie sehr bin ich geliebt!

Ich will mit dir nicht Würden tauschen,

Du magst in Wetterwolken rauschen,

Wenn deine Hand die Blitze lenkt.

Ich will den stillen Dank, die Segen froh belauschen,

Die mir mit Lust die Erde schenkt.

Scene. Ein Vorhof im königlichen Pallast.

Ritter Lusian, sein Knecht, hernach die Leibwache und der König.

Lus. Führ meinen Gaul in den nächsten Stall, bewirthe ihn wohl! Ich will ein wenig spähen, welcher Wind izt bey Hofe weht.

(Der Knecht geht. Lusian sezt sich auf einen Stein bey der Treppe.)

Da will ich erst rasten! —— Ob mich der junge König noch kennt? Damals war er auf der Reise, izt auf einem Throne —— Hahaha! Ich sehe poßierlich gnug aus! — Ich bin müde und schläfrig von der Reise ——

(Er gähnt.)

Die Wache. Hier schläft man nicht! — Fort! — Der König kömmt! — Macht Platz! — Auf! Fort!

Lus. Ist denn hier kein Gasthof?

(Der König Eduard nähert, und horcht lächelnd.)

Die Wache. Ist der Mann toll? Im Pallast des Königs einen Gasthof suchen ——

Lus. Wer wohnt hier?

Die Wache. Der König!

Lus. Wer hat vor dem König hier gewohnt?

Die Wache. Des Königs Vater!

Lus. Und vor des Königs Vater?

Die Wache. Des Königs Großvater!

Lus. Beym Henker! So ist es ja eine Herberg, wo ein Pilgrim nach dem andern ausrastet. Mich soll kein Teufel von der Stelle jagen!

Der König. Die Stimme verräth ihn! — Das ist mein Freund Lusian!

Lus. Und du bist mein König! — Ich bringe dir aus fremden Landen nichts mit als ein warmes Herz, das zu deinem Dienste bereit ist.

Der König. Du vergötterst mich, denn der Gottheit schenkt man Herzen. Aber wie lang hast du mich deiner werthen Gegenwart beraubt!

Lus. Herr, was soll ein biederer Kerl von meiner Gattung unter den Reifröcken machen? Die seidenen, kriechenden Hofbuben haben mich verdrängt. Ich spreche, wie du weist, dreist von der Leber weg. Deine Mutter fand meine Wahrheiten bitter, und legte mir die Wahl vor, entweder in das Gefängniß, oder auf Reisen zu gehn. Ich wählte freye Luft, und den Wanderstab, zog von Reich zu Reich, sah Narren in Menge, und kehre izt mit Ebentheuern verherrlicht zu Dir zurück, weil ich hörte, daß izt ein Mann herrscht! —— Es giebt Krieg. Brauchst Du meinen Degen?

Der König. Deinen Arm, deinen Kopf, und deine Zunge, denn dein Herz habe ich schon,. Es giebt ein feines Stück Arbeit. Ich muß meine Unterthanen demüthigen —

Lus. (schüttelt den Kopf) Unterthanen? — Unterthanen! —— Demüthigen, sagst du? — (Er nimmt Ihn bey der Hand, und führt ihn zu einem Säulengesimse) Gieb izt wohl Acht! — Geh leise! — St! — St! — Hier sitzen über hundert Fliegen! Ich will sie alle erschlagen? — Ist das keine Heldenthat?

Der König. Hahaha! Lusian! Ritter Lusian! Hundert Fliegen — Eine Heldenthat! — Das ist eine Narrheit!

Lus. Und du foderst von mir, ich soll deine Unterthanen tödten, die weniger als Fliegen sind — Ein König mit furchtbaren Kriegsheeren umringt! — Monarch, ich bin kein Wolf, ich bin ein guter Schaafhund! — Weh dem, der deine Heerde angreift, und wenn es ein Löwe ist, ich will seinen Rachen zerreissen! — Aber Lämmer, deine eigenen Lämmer, deine geduldigen Schaafe ——

Der König. Du bist immer Lusian! —— Wohlan, ficht wider meine auswärtigen Feinde! —— Ich ernenne dich zum Statthalter aller Provinzen, die ich einst erobere. ——

Lus. Du lächelst? —— Ich nehme das Geschenk mit Dank an. Wie viele Könige führen den Titel von Ländern, wovon keine Spanne ihnen gehört! Komm König, wir haben schöne Aussichten!

Scene bey Hof.

Eduard, Marsis.

Edu. Marsis, du lebtest am Hofe meines Vaters, schildre mir die wichtigsten Personen deiner Zeit! — Sprich mit deiner gewöhnlichen Freymüthigkeit.

Mars. Ich will Eurer Majestät die Charaktere derjenigen entwerfen, welche die Hauptrolle spielten, denn die Uebrigen waren gleichsam nur Handlanger und stumme Aufwärter, die sehr wenig auf dem Schauplatz erschienen, weil stets einer den andern verdrängte.

Charaktere.

König Jakob war in seiner Jugend schön, und liebenswürdig in seinem Alter. Güte und Leutseligkeit grüßten sich auf seinem Antlitz. Er verabscheute die Ränke und Arglist, und war freygebig. Die Wahrheit stand stets auf seiner Lippe. Er liebte sein Volk, das ihn anbetete. Alle gerechten Fürsten waren seine Freunde und Bundesgenossen. Dies hielt einige ehrgeizige Nachbarn im Zaum, und er genoß durch seine Tugend mehr Ruhe, als wenn er immer mit Kriegsheeren gedrohet hätte. In seinem edlen Charakter bemerkte man keinen Flecken, als etwa eine übertriebene Freygebigkeit, und Nachsicht gegen fremde Fehler.

Emilie, seine Gattinn war die berühmteste Schönheit ihrer Zeit. So reizend ihr Körper war, so sehr verunstaltete sie ihre Seele durch Ausschweifungen, die kein Ziel kannten. Sie verbitterte die sanftesten Tage des Besten der Könige. Ihre zügellosen Begierden überschritten alle Schranken. Pracht, Verschwendung, Stolz umschwebten sie. Sie liebte Wechsel in ihren Lüsten, und ließ sich zu den schwärzesten Handlungen herab. Unter der unzählbaren Menge ihrer Buhler spielte die erste Rolle Feranson.

Feranson war der schlaueste Hofmann seiner Zeit. Er schickte sich in alle Sättel; er spähte alle Launen, und Schwachheiten der Menschen, und wuste sich darnach zu bilden. Jeder hielt ihn für seines Gleichen. Laster und Tugenden wurden von ihm meisterhaft geäfft. Er fühlte nie das, was man Gewissensbisse heißt, und war unempfindlich für den Ruf der Ehre. Kein Günstling hat so wie er den glücklichen und reifen Zeitpunkt einer Handlung gekannt. Niemand am Hofe durchdrang wie er mit einem Blick alle Menschen, indeß er selbst unergründlich war. Er handhabte die Höflinge nach seinem despotischen Willen wie Maschinen. Seine Günstlinge waren Verschwender, Schwelger, und Leute, die sich ganz seinem Interesse aufopferten.

Scene. Ein Speisesaal.

Dornwald, Isidor, Hengist, Nordgau, Edmund, Rasian, und andere Höflinge, Beliam der Hofnarr.

Hengist. (leise) Brüder, giebt uns heut der König vielleicht das Henkermahl?

Nordg. Vermuthlich! Ich erwarte meinen feyerlichen Abschied.

Isid. Wir werden die Ehre haben, unsere Würden niederzulegen. Der König wird ohne Zweifel grosse Wirthschaftsplane entwerfen —

Dornw. O das ist der erste und gewöhnliche Schritt aller Staaten-Verbesserer, die alten Diener zu verabschieden, und den Hof mit neuen Kreaturen von ihrer Schöpfung zu bevölkern.

Ras. Ich habe nichts zu verlieren. Ich war kein Freund des Feranson, und folglich eine Hofnulle ——

Edm. Wir waren immer von den Speichelleckern der Königinn verdrängt.

Heng. Vielleicht gewinnen wir beym Wechsel. Ha, da kommt der Hofnarr!

Beliam. (singt)

Der König spielt Triktrak;

Der Hof ist ein Schnikschnak:

Wir Frösche schreyn Quikquak!

Heysa, meine Herren Kollegen, lasset uns freuen, trinken, und essen auf Rechnung des neuen Königs! — Den guten Jakob hat sein Weib und ihr Liebling gefressen. Wir als treue Vasallen wollen seinen Sohn verzehren. Eduard ist ein Frischling. Von meinem Hunger schliesse ich, daß er wenigstens in drey Tagen rein verschlungen ist. Meine Herren, Sie lächeln? Glauben Sie etwa, daß er uns frißt? — Warum soll er sich mit Pickelheringen kasteyen? —— Du armer Beliam, welches Narrenspital wird dich in deinen grauen Tagen versorgen? —— Ihr dauert mich alle; bald werdet ihr hinter dem Ohre kratzen, und rufen — Wie meynt ihr wohl? —— Hört, ich will es euch im Räthsel erzählen. ——

Logogryph.

Mich kennt zwar jedes Kind;

Doch will ich izt die Greisen fragen,

Sie sollen meinen Namen sagen,

Weil sie so weise Männer sind.

Bald werden alle staunend schweigen.

Hört meinen Lebenslauf, der recht nach Wundern riecht!

Mich hat der Sohn, der Vater kennt mich nicht.

Jedoch bin ich der Gottheit eigen.

Der König stümmelt mich; sein Volk bleibt mir getreu.

Ich fliehe Zank und Meuterey.

Ich hasse Weisheit, Laster, Tugend,

Den frohen Witz, die Munterkeit, und Jugend.

Der Sommer ist mein theurer Gast.

Der Winter wird mir eine Last.

Vergebens suchet mich der Held, und der Gelehrte.

Den Künstlern war ich niemals hold.

Ich meide Hauben, Hüte, Bärte.

Von den Metallen schätz’ ich Gold.

Man misset mich in allen Elementen.

Mir ekelt vor Verdienst und vor Talenten.

Nie kannt’ ich Neid, Verläumdung, Fluch,

Mein Nam’ ist freylich schwer zu finden.

Doch wollet ihr das Räthsel leicht ergründen:

So leset euer Namenbuch!

Wisset ihr, was es ist? — Der kleine Buchstab O! — Wir werden bald alle rufen: O! O! O! Der König kömmt!

Scene.

Der König, Lusian, Marsis, Gefolge, Vorige.

(Die Gegenwärtigen stehen in ängstlicher Erwartung. Beliam versteckt sich komisch hinter ihnen. Alle neigen sich.)

Eduard. Meine Freunde, da führ ich Euch meinen werthen Lusian auf. Ihr kennet seine Verdienste. Ich liebe Harmonie in meinem Hause. Ihr stehet betroffen? Was beunruhiget Euch? Ich bin der Sohn eures Königs. Alle Verdienste, die Ihr bey meinem Vater gesammelt habt, leben heut wieder auf! —— Alle Fehler, die etwa nach seinem Tode sich eingeschlichen haben, werden von diesem Augenblick an vergessen! —— Erfüllet eure Pflichten als rechtschaffene Männer, und aus den künftigen Handlungen will ich jeden von Euch beurtheilen, und belohnen. Mich rufen izt dringende Geschäfte zu Alsin. Gehet zur Tafel, geniesset in Freude den Segen des Himmels! ——

(Er grüsst alle, und tritt zum Gemach.)

(Die Höflinge staunen. Beliam schleicht demüthig hervor, und nähert sich furchtsam dem König.)

Beliam (mit Rührung) Ich war der Narr deines Vaters —

Eduard (beschaut ihn, lächelt, und schlägt ihn auf die Achsel) So bist du auch der Meinige! ——

(Er geht ab.)

(Beliam macht einen Rundsprung, und küßt alle Höflinge.)

Beliam. O du Herzkönig! Du sollst leben, und alle Chartenkönige stechen! —— O du Sohn meines lieben Jakobs, Segen auf Dich! Noch die Urenkel der unsterblichen Narren sollen Dich segnen, weil du mich ihren Großvater begnadigst. Heut will ich deine Gesundheit trinken, Du grosser Eduard! — Ich fodere jeden zum Kampf auf! —— Ich setze meine Nase zum Pfande —— Nicht jeder Edelmann ist so reich wie ich! ——

Hengist. Ich nehme die Ausfoderung an. Ich bin heut in der Freude meines Herzens! —— Her die vollen Becher, wenn ich überwunden werde, so soll mein Sohn mich rächen! —— Es lebe der König!

Alle (trinken) Es lebe Eduard!

Beliam. Schenkt ein!

Hengist. Zum Henker, macht die grosse Freude mich verlegen? Der Bube haut mich zu Schanden ——

Parodie.[4]

O welche Schande fällt auf meine grauen Haare!

Erlebt’ ich nur mit Ruhm des Alters höchste Jahre,

Damit ein schwarzer Tag mir edle Lorbeern bricht;

Damit mein graues Haupt beschämt zur Erde kriecht;

Die Kehle, die so oft den lauten Beyfall hörte,

Die der Trompetenschall als Siegerinn beehrte,

Die Kehle wird besiegt, verliert die Wunderkraft,

Verschmäht den Göttertrank, den süssen Rebensaft.

Gedächtniß schlummre doch, zeig mir nicht grosse Scenen!

Ich seh’ auf sie zurück mit Quaal und heissen Thränen.

O damals focht ich noch als Sieger jugendlich.

Der Ruhm der Jahre flieht, die Schlappe schändet mich.

Doch laß uns nicht so lang von Niederlagen sprechen:

Laß uns den Frevel kühn an unserm Feinde rächen!

Ich trage nicht den Schimpf bis in das kalte Grab;

Zuerst leg ich mein Amt als erster Mundschenk ab.

Flieg in die Luft Krystall, in dessen klarer Hülle

Der starke Weingott thront! Dies ist mein letzter Wille.

Du bist nicht mehr mein Schmuck; ich bin für dich zu alt.

Ich trinke nicht als Held; ich kämpfe träg und kalt.

Ich will nicht mehr dem Ueberwinder lügen.

Du goldner Kelch leb wohl! Du zeugst von meinen Siegen.

Eil, such dir einen Freund, erneure das Gefecht,

Such einen Ritter auf, der meine Schande rächt! ——

Sprich, hast du Herz mein Sohn?

Der Sohn.

Kein andrer sollte fragen,

Er würde schon den Lohn von seinem Frevel tragen!

Der Vater.

Wie schön läßt dieser Zorn, wie labt mich deine Glut,

Denn mein gerechter Schmerz erwartet edle Wuth!

Du bist mein ächtes Blut; in diesen Feuerzügen

Lebt meine Jugend auf; du sollst den Feind besiegen!

Der Sohn.

Sprich Vater, wer entehrt dein lorbeerreiches Haupt;

Wer hat den Ruhm, der dich unsterblich macht, geraubt?

Der Vater.

Ich fiel, ich fiel, O Sohn, im schändlichsten Gefechte;

Ich bin bereits zu schwach; beschütze meine Rechte!

Nimm diesen theuren Kelch, beginn den ersten Krieg,

Erobere mein Sohn für mich den ersten Sieg!

Alle Höflinge. Bravo!

Beliam. Noch nie hat ein Sohn für seinen Vater so willig, so tapfer gefochten! Ich gebe mich überwunden! Du saufst den König arm aus kindlicher Liebe.

Isidor. Lasset izt euren Witz aufsprudeln! —— Ihr wackern Brüder, hört mein Trinklied ——

Leberreime.

Wenn mir die vollen Gläser blinken,

Soll ich denn nicht wacker trinken?

Holder Weingott, meinen Gruß!

Izt will ich auf Rosen sinken,

Und dem frohen Amor winken;

Süsses Mädchen, einen Kuß!

Alle. Es lebe der König!

(Eduard erscheint, winkt allen zu bleiben, und setzt sich in ihre Mitte.)

Eduard. Aus eurer Munterkeit, meine Freunde, erkenne ich euer Zutrauen. Mindert eure Freude nicht, ich will daran Theil nehmen.

Lusian. Izt kann ein ehrlicher Kerl wieder am Hofe lachen. Die Weiber sind weg. Es lebe der König! Ich will meinen Lieblingsgesang singen.

Rundlied.

Hütet euch vor Weiberhauben,

Schließt den Mädchen euer Haus;

Anfangs girren sie wie Tauben,

Doch sie brüten Geyer aus.

Späht den Lebenslauf der Schönen;

Prüfet ihr verstelltes Herz!

Lernt das Spiel von ihren Thränen,

Ihre Launen, ihren Scherz.

Hütet euch vor Weiberhauben,

Schließt den Mädchen euer Haus;

Anfangs girren sie wie Tauben,

Doch sie brüten Geyer aus.

Hört die trotzigen Befehle!

Welche Stürme kocht die Brust!

Immer nähret ihre Seele

Neue Wünsche, neue Lust.

Hütet euch vor Weiberhauben,

Schließt den Mädchen euer Haus;

Anfangs girren sie wie Tauben,

Doch sie brüten Geyer aus.

Der König. Lusian, du bist weit gereiset, erzähle doch der Gesellschaft deine Ebentheuer.

Lusian. Ein Theilchen liegt auf der Zunge.

Reisebeschreibung.

Ich durchwanderte viele Königreiche, und fand oft wunderbare Geschöpfe. Ein Ungefähr führte mich in eine seltsame Insel, die von Mücken und Grillen wimmelte. Der Handel lag hier meistens danieder, man handelte nur mit Fliegenwedeln, weil die Bewohner so sehr von den Mücken geplagt wurden. Ueberall fand man wunderliche Grillen. Die Universitäten, die Schaubühnen, die Schulen, die Tanzsäle, die Rathhäuser hatten ihre besondere Gattung von Grillen. Der König nährte seine Grillen, und die Unterthanen folgten seinem erhabenen Beyspiele. Der oberste Staatsgrillenküzler versah seine Majestät täglich mit neuen politischen Grillen. Eines Tags träumte der König von einer Originalgrille, die noch in keiner Grillensammlung zu finden war, und die wenigstens tausend Tonnen Goldes und eine halbe Million Menschen kostete. Was schiert das den Monarchen, seine Lieblingsgrille ward ausgeführt. Es war der Grillenfängerey kein Ende. Die Unterthanen murrten heimlich über manche durchlauchtige Grille, und beschwerten sich, daß nicht nur innländische, sondern auch fremde Modegrillen ihnen zur Last fielen. Allein der König liebte nichts, als Grillen. Mit einer neuen Grille konnte man bey Hofe sein Glück machen. Die Grillenprojektanten theilten unter sich die schönsten Würden, und erschöpften die königlichen Kassen. Da man wohl einsah, daß man nur mit Grillen sein Glück beförderte; so blühte lang der Hang zur Grillenfängerey. Die weiblichen Grillen waren die Veränderlichsten und Artigsten. Die Gelehrten wetteiferten mit den Schönen, und heckten so ungeheure Grillen aus, daß sie nur den häßlichen theologischen Grillen an komischer Gestalt wichen. Ich verließ mit Unwillen diese grillensieche Insel. Ich eilte fort, und kam in die Stadt der Klopffechter. Hier war das berühmte und ritterliche Faustrecht noch in der ersten Mode. Alles geschah mit despotischer Gewaltthätigkeit. Der König des Landes bewies seine gerechten Ansprüche auf die Güter seiner Unterthanen und Nachbarn sonnenklar, indem er seine Patente durch viermalhunderttausend wohlbewafnete Blutzeugen unterstützte. Mit der Pistole in der Faust lehrte man auf dem Katheder die Rechte des Landesfürsten. Weh dem, der nur einen unterthänigen Zweifel nährte. Die Gottesgelehrten predigten mit dem blossen Schwerte, und bewiesen die dunkelsten Sätze so gründlich, daß sie täglich Proseliten machten. Auf allen Thüren der Rathssäle stand die Inschrift: Stat pro ratione Voluntas! —— Ich zog hastig weiter. Hin und wieder sah ich allerhand Seltenheiten. Die Menschen sind sehr erfindsam. Eine besondere Lustbarkeit ist an grossen Höfen —

Der Maskenball.

Der Maskenball ward am hellen Tage bey Hofe gegeben. Die Masken waren sinnreich gewählt. Die Furchtsamen bedeckten sich trotzig mit Löwenhäuten. Die Gleißner trugen den ehrwürdigen Priesterrock. Die schlauen Hoffüchse versteckten sich unter Lammfellen. Die berufensten Metzen borgten das weisse Brautkleid, und spielten ihre künstlichen Rollen im jungfräulichen Grazienschmucke. Die Dummköpfe hüllten sich in Staatsperücken, und Magistratmäntel. Die Müßiggänger machten sich mit Ordenszeichen wichtig. Das Alter bedeckte seinen grauen Bart mit einer jugendlichen Larve. Die Zwergen vergrösserten sich mit Kothurnen zu Riesen. Alle äfften ihre Scheincharaktere so natürlich, daß nur Kenner sie entlarvten.

Marionetenspiel.

In den Städten und an den Höfen unterhält man sich mit einem sinnreichen Puppenspiele. Man sucht Figuren von verschiedenen Ständen, Fürsten, Grafen, Baronen, Bürger, Beamte, Künstler, Gelehrte. Sie sind so natürlich gemacht, daß man schwören sollte, sie wären ächte Menschen; aber sie haben keine Seele. Sie sitzen, gehen, stehen, schlafen, essen, trinken, lachen, sprechen, ohne daß man die verborgenen Schnüre sieht, welche diese Maschinen in Bewegung setzen. Die Triebfedern sind verschieden. Oft eine schwache weibliche Hand belebt ungeheure Kolossen.

Taschenspiel.

Das Taschenspiel wird am Hofe bis zur Vollkommenheit gebracht. Die Behändigkeit der Zunge, und der Finger zeugt jene Zauberey. Alles verwandelt sich, entflieht auf einen Wink; kömmt wieder durch einen Hauch. Man giebt, ohne zu geben. Man nimmt, ohne daß man den Räuber entdeckt. Alles ist verabredet. Den staunenden Zuschauern wird nicht Zeit gelassen zu überdenken, durch welche Griffe alles geschieht, und wenn sie die Ursache untersuchen wollen, ist alles schon geschehen.

Schattenspiel.

Dieses ist das Meisterstück der Grossen. Sie versetzen ihre Zuschauer in eine ewige Nacht; verbergen sich hinter einer Schleyerwand, und gaukeln über ein Licht wunderliche Grimassen. Dadurch erhalten alle ihre Handlungen jene täuschende risenmäßige Grösse, die für scharfsichtige Augen zwar immer Gaukeleyen sind, den blödsinnigen Pöbel aber in Erstaunung setzen, und ihm eine kriechende knechtische Ehrfurcht für die grossen Schattenspieler abnöthigen.

Die Zauberlaterne und der Gukkasten.

Die optischen Maschinen sind auch ein Blendwerk, das man mit Licht und Schatten am Hofe sehr glücklich anwendet. Das seltsame Gemische von grotesken Figuren, neuen Masken, phantastischen Scenen, Handlungen, Geberden der Zauberlaterne zeiget die wunderbaren und flüchtigen Auftritte der königlichen Burg. Man bedarf eines beredten Einsagers, der mit rascher Zunge seine Zuschauer zubereitet, denn in einer Minute verschwinden die Vorstellungen, und neue Begebenheiten verdrängen die Alten.

Alle. Hahaha! Das war eine feine Satyre!

Mars. Izt etwas von der Liebe, meine Freunde!

Sonnet.

O Amor, schönster Gott, hör meine lezte Bitte!

Sey meiner Liebe hold, dies soll die Gnade seyn.

Der Wunsch ist für mich groß, für deine Kräfte klein;

Wie oft empfand mein Herz Beweise deiner Güte!

Du warst mein Busenfreund, du lenktest meine Schritte;

Wer kann so fromm wie ich dir täglich Weihrauch streun?

Wen wird dein Lächeln mehr als meine Brust erfreun?

Sie glüte nur für dich schon in der ersten Blüte.

Von dir beseelt steh ich izt in der Lebensmitte.

Mich reizt die Grösse nicht: ich geize nicht um Aerz;

Du labest mich allein; durch dich entflieht der Schmerz.

Besuche süsses Kind noch einmal meine Hütte!

Dir folget jede Lust, Du bringst den sanften Scherz

Durch deine Gabe mit; schenk mir Sophiens Herz.

Rasian. Ich zahle dich mit einem ——

Madrigal.

Du buhlest um mein Herz, Rosine?

Betrachte besser deine Miene;

Schlag heimlich den Kalender auf,

Und überdenk den ganzen Lebenslauf!

Izt sind es volle dreyßig Jahre,

Da warst du mir zur Braut zu jung.

Ich lud dich später zum Altare,

Und hörte mit Demüthigung,

Du seyst bereits, ich weiß nicht, wem versprochen.

So war die Zärtlichkeit bezahlt.

Izt kömmt die lezte der Epochen.

Du scheinest mir, ich sag es frey, zu alt,

Das macht auch meine Liebe kalt.

Der König. Wer ist der Verfasser?

Ras. Ein Dichter, der mit den Reifröcken zerfallen ist, und vermuthlich in einem Krankenspitale hungert.

Der König. Der Mann scheint mir Kopf zu haben.

Ras. Er schrieb auf sich selbst dies lezte ——

Epigram.

Die Menschen fliehen ihn wie eine Schlange;

Was mag die Ursach seyn? Ist er Medusens Schild?

Zeigt seine Larve sich mit eingeschrumpfter Wange;

Sind seine Züge häßlich wild?

Macht eine Krankheit ihn so stinkend wie die Leichen?

Ist er beschwert mit bösen Seuchen?

Zernagt ihn innerlicher Harm,

Und macht ihn wild und ungesellig?

Ist er zu ungestüm, zu ungefällig?

O nein! Erstaunt! Er ist — zu arm.

Der König. Ich will mich seiner erinnern. Verdienste sollen nie darben! Sucht sie auf, ruft sie aus den Schlupfwinkeln, und es soll mein schönstes Geschäfte seyn, sie zu belohnen!

Ende der ersten Kaprizze.


Der Jüngling Eduard.

Zweyte Kaprizze.

Biographie.

Das Leben grosser Könige ist das Vorbild, und die Schule der Herrscher. Sie sehen die Tugenden, die sie erreichen sollen, und die Fehler, die ihre Vollkommenheiten entstalten, und ihr Gedächtniß bey der Nachwelt verächtlich machen. Der Donner der Wohlredenheit und der Pinsel der Wahrheit verewiget entweder ihr Lob, oder ihre Schande. Eduard ist einer von den besondern Fürsten, deren edlere Thaten die Aufmerksamkeit späterer Geschlechter verdienen. Die ersten Jahre seiner glorreichen Regierung sind rühmliche Beweise der erhabensten Eigenschaften, und das Muster grosser Monarchen.

Die gütige Natur erschöpfte sich gleichsam, in ihm ausserordentliche Gaben als in einem Mittelpunkte zu vereinigen, und ihn zum Meisterstücke der erstgebornen Genien zu bilden. Seine erhabene Miene verrieth seinen königlichen Stand. Sein Wuchs war schön, seine Züge einnehmend, und seine Suada bezaubernd. In ihm versammelten sich alle schätzbaren Eigenschaften seiner würdigen Ahnen, und vielleicht aller kommenden Enkel. Sein Herz war groß und zärtlich, und sein Geist durchdringend und erlaucht. Sein Auge war scharfsichtig; er spähete die Verdienste, und selten entwischten sie seinem Adlerblicke. Die Rechtschafnen freuten sich, denn sie sahen in ihm einen billigen Richter, der ihre Treue und Geschicklichkeit prüfte, und belohnte; die Verdienstlosen hingegen wurden desto mehr beschämt, weil schon die entehrende Ausschliessung von den Gnaden ihres wohlthätigen Landes-Fürsten ihre Schande bezeichnete. Da er den Charakter der Menschen mit einem Blick übersah; wuste er die unentbehrliche Kunst weiser Regenten jeden an seinen ächten Platz zu stellen, und jede Fähigkeit zu benutzen. Er kannte andere, ohne sich selbst ergründen zu lassen. Doch haßte er die alberne Grimasse feiner Politiker, die aus Kleinigkeiten Geheimnisse machen. Nur Hauptgeschäfte, deren glücklicher Erfolg von einem heiligen Stillschweigen abhieng, wurden von ihm in eine tiefe Nacht gehüllet. Er ließ seine Nachbarn nicht bey jedem Schritte zittern; seine Verheissungen waren unverbrüchliche Schwüre, und seine Bündnisse so ehrwürdig wie Eide. Seine Handlungen blieben allezeit königlich. Er gab seinen Thaten eine majestätische Grösse; seine Gedanken und Worte verriethen, aus welcher vortreflichen Seele sie ihren Ursprung zogen; er nahm nicht Zuflucht zu übertriebnen Gepränge; aber er würdigte nie seinen Stand durch geizige Sparsamkeit ab, damit er den Künstlern die Nahrungswege nicht beschränkte. Er liebte in allen Kunst und Geschmack; seine Gebäude prangten als Denkmäler, welche den Staat verschönerten, und den Fremdling in Erstaunung setzten. Sein Leben war einfach, aber wohlgeordnet.

Im Frieden, den er liebte, theilte er weislich seine Stunden. Früh begann er die Reichsgeschäfte. Er suchte die Kürze, und haßte die Weitschweifigkeit und Dunkelheit des Vortrags. Seine Minister und Räthe mußten gründlich von den Gegenständen unterrichtet seyn. Den Nachmittag widmete er dem Umgang mit allen Menschen, und hatte jeder Stand seinen ausgezeichneten Tag, in welchem jeder das Antlitz seines Königs sehen konnte. Der erste Tag der Woche ward den Staatsleuten gewidmet; der zweyte den Kriegern; der dritte den Gelehrten, der vierte den Künstlern, der fünfte den Kaufleuten, der sechste den Priestern, der siebente den Ackersleuten, und der achte dem schönen Geschlechte, in dessen Umgang er die Artigkeit zu suchen pflegte. In diesen Stunden sprach er mit Jedermann wie ein Bruder zum andern, und klärte sich so auf, daß jeder ihn für einen Meister in seinem Fache hielt. Die Höflichkeit war jene Zauberey, womit er alle Herzen fässelte; er schien unwiderstehlich im Umgang. Seine Reden schlichen so sanft in alle Ohren, und drangen so rasch zum Herzen, daß er alles hinriß. Nie sprach er von sich selbst. Er lobte verdienstvolle Männer. Nie war er bescheidner, als nach gewonnenen Schlachten, und niemals demüthiger als im Glücke. Selbst seine Feinde preisen an ihm diese seltne Tugend; aber nie schien seine Seele grösser und thätiger als in Gefahren, die sein geliebtes Vaterland bedräuten. Er war wie eine Löwin, die ihre Jungen vertheidiget. Seine Augen glüten, er war Tag und Nacht auf den Flügeln, und er ruhte nicht, bis er die Stürme beschwur, und die Wolken zertheilte. Jemehr Feinde wider ihn aufstunden, destomehr Gelegenheit fand er seinen Ruhm zu vergrössern. Ein Seemann wird in Ungewittern geprüft. Er kannte die Ebbe und Flut des Glückes, und nützte die goldenen Augenblicke, in denen es ihm lächelte. Die Gnaden, die er ertheilte, und versprach, waren so gewiß, daß man sie gleichsam schon empfieng, wenn er sie verhieß. Nie brach er sein Wort, weil er nichts ohne reife Ueberlegung zusagte. Geprüften Gelehrten gab er einen Gehalt zur Aufmunterung, um sie in den Stand der nöthigen Musse zu versetzen, die ihr Studium erfoderte. Würdige Witwen, die Kinder zu erziehen hatten, konnten Anspruch auf seine Güte machen, und er foderte Rechenschaft von der Verwendung seiner Gnaden. Wenn rechtschaffene Männer durch Unglücksfälle darbten: bot er ihnen eilends Hülfe an; warum, pflegte er zu sagen, wendet ihr euch nicht an mich, und vertraut eure Bedürfnisse eurem Freunde? Da er wuste, daß die Armuth die Mutter aller Laster ist; so war er der Vater der Armen. Leute, welche das Alter oder ein gebrechlicher Körper ausser Stand sezte, das Brod zu gewinnen, wurden von seiner Milde erhalten, und er zählte sie unter die Säuglinge, die er als Waisen ernährte. Andern Bedürftigen wies er gute Nahrungswege an, und sie wohnten in einer Vorstadt beysammen, durften auch so lange nicht in Städten sich niederlassen, bis sie durch Fleiß ein kleines Vermögen sich erwarben. Er ehrte alle Stände, wie ein Vater alle seine Kinder gleich liebt. Er gab keinem Stande eine Vorliebe, und keinem eine Ausschliessung. Jeder in seiner Gattung war geschätzt, und von ihm geehrt. Der Vater vieler Kinder genoß besondere Vortheile. Er ließ dem Adel fühlen, daß ohne eigne Verdienste das Ungefähr einer hohen Geburt ein blosser Schatten ist, und der Adel nur eine Aneiferung zu ausserordentlichen Tugenden, nicht aber ein Freybrief des Müßiggangs seyn sollte. Er zog die Talente aus der Dunkelheit hervor, und suchte die schüchterne Bescheidenheit auf, wo sie im Winkel darbt. Die Beamten durften sich durch Wissenschaften aufklären, und er hielt nicht wie viele barbarische Grosse die Unwissenheit für ein Zeichen der Treue und des Fleisses. Jeder konnte Anspruch auf Würden machen, wenn er nur Fähigkeit besaß. Jeder Bürger erfreute sich im Genusse seiner Güter. Ich bin ein Hausvater, sagte Eduard, die erste Pflicht eines liebreichen Hausvaters ist, von seinen Kindern geliebt zu werden, ihnen den Aufenthalt in seinem Hause lächelnd zu machen, damit sie sich nicht um fremde Wohnungen sehnen, und vergnügt sind, in seiner Hütte zu leben. Die Gesetze werden liebreich, wenn er sie überzeugt, daß alle zu ihrem Wohl, und zur allgemeinen Glückseligkeit abzielen. Er liebte zu sagen, alle Fehler der Könige tragen ihre Unterthanen.

War er im Felde; so übersah er nicht nur die Würde des Anführers, sondern er ward ein gemeiner Soldat; und wenn er die Heere in Schlachtordnung stellte, und das Treffen entwarf, theilte er alle Gefahren mit seinen Kriegern. Seine Unterthanen, die ihn wie einen Vater liebten, hatten zum Sprüchwort: Die Tapferkeit ist unsers Königs einziger Feind, die uns für seine kostbaren Tage zittern macht. Wer die Geschwindigkeit seiner Thaten bemerkte, glaubte, daß Eduard fliegen müßte, und wer die Grösse und Wichtigkeit der Handlungen prüfte, erkannte, daß er nicht eilen konnte. Man bedurfte oft mehr Zeit, seine Thaten zu erzählen, als er, sie auszuführen. Die Gelassenheit war ein besonderes Zeichen seines erhabnen Verstandes, und er hatte die gröste Herrschaft über sich selbst. Die sanfte gütige Art, womit er alle Handlungen und Worte würzte, legte ihnen einen doppelten Werth bey; die Gnaden wurden unschätzbar, und selbst eine verweigerte Bitte ward zur Gnade.

Er liebte zärtlich sein Volk, und unterschied den Bürger weislich vom Fremdling; dadurch pflanzte er die Liebe zum Vaterland in alle Herzen. Ein Land, das seine Kinder geringschäzt, wird von ihnen verachtet, und verlassen. Das Glück seines Volks war sein reichster Segen. Er liebte nicht Leibwachen, und wandelte frey unter seinen Söhnen. Seine Rathschlüsse waren meistens bekannt, er ließ seine Unterthanen alle Plane und guten Absichten wissen, und sagte: Ich liebe keine schädlichen Neuerungen, und habe kein Staatsgeheimniß. Ein wohlgeordnetes Heer von treuen Landeskindern, und der Reichthum meiner Bürger ist meine Politik! Sklaven fechten nur aus Zwang für Ketten und Gefängniß, freye Bürger, die ihr Vaterland lieben, sind die Stützen eines gerechten Thrones.

Er handhabte mit Standhaftigkeit die Gesetze, die alle nur zum Wohl der Länder abzielten, wenig, einfach, und verständlich waren. Oft weinte er, wenn er ein Urtheil unterschrieb, und er milderte gern die Strenge. Er strafte kühne bundbrüchige Nachbarn: er beschränkte den Ehrgeiz habsüchtiger Könige; er kam unterdrückten Freunden zu Hülfe; er schonte, wo er Langmuth zeigen konnte; er wog das Blut auf der Goldwage, und zog nur gezwungen das Schwert. Die Feinde fürchteten seine Gerechtigkeit. Er hungerte nie nach fremden Gütern. Wurden feindliche Schiffe auch in Kriegszeiten durch Stürme an seine Gestade geworfen; so gab er großmüthig Befehl, sie frey zu lassen, und ihnen alle Bedürfnisse zu reichen, weil er sich keines Ungefährs zum Vortheil bedienen wollte. Dies machte ihn zum Mittler und Schiedsrichter aller Nazionen, die seine Gemüthsbilligkeit kannten.

In seinem Pallast hatte jeder freyen Zutritt. Lasset das Volk herein, rief er oft den Wachen zu: ich bin nicht König für mich, sondern für sie! Er strafte freche Zungen. Es sind nur Worte, sagte einst dreist ein Höfling, und Worte sind keine Pfeile! Desto ärger, rief Eduard! Pfeile durchdringen nur den Körper; aber Worte verwunden die Seele und das Herz! Die Verschwender waren nie seine Lieblinge. Ein verschuldeter Edelmann lud ihn auf einer Reise zu Gast. So müssen wir eilen, meine Freunde, sprach Eduard zu seinem Gefolge, sonst kommen wir zu spät. Da er in das Haus des Verschwenders trat, fragte er, wem gehört dieser Pallast? Dir mein Wirth? Wenn es wahr ist; so wünsche ich dir Glück!

Eduard war gütig, leutselig, sanft und uneigennützig. Jeder Tag wurde durch edle Handlungen bezeichnet, und wie eine Meile gepflegtes Land mehr ist, als eine Wüsteney von hundert Parasangen; so ist ein Blatt seiner Geschichte wichtiger, als ganze Bände unfruchtbarer Jahrbücher, die der Nachwelt nichts weiter sagen, als daß viele Könige Thoren gewesen sind.

Brief.
Lusian an seinen Freund.

Bruder, wir haben Krieg. Unser Eduard beginnt seine Regierung damit, daß er von seinen wilden Nachbarn die Länder zurückfodert, die sie unter der schlafsüchtigen Herrschaft der wollüstigen Emilie gewaltsam an sich rissen. Die feindlichen Könige hören mit Verachtung seine gerechten Foderungen, behandeln ihn wie einen unweisen Jüngling, verspotten dreist seine Gesandten, und senden ihm einige Kriegsgefangene schändlich verstümmelt zurück. Der Krieg ist erklärt. Wir fliegen an die feindliche Gränze, und stehen vielleicht schon auf fremder Erde, wenn unsere Feinde erst unsere Kriegserklärung lesen. Eduard ist lauter Leben und Tätigkeit. Ich folge seinen hastigen Schritten, und umarme dich in Gedanken, u. s. w.

Scene.

Eine Ebne. Eduard, Lusian, viele Krieger, hernach Ritter Piron.

Edu. Mein lieber Lusian, unsere Geschwader werden durch Freywillige bevölkert, die sich von allen Seiten zu unserer Fahne drängen.

Lus. Ich finde wackere Leute darunter. Betrachten Eure Majestät nur jene muntere Jugend von Edelleuten, es ist lauter Feuer und Seele in ihnen! Man muß sie mit gedienten Leuten vermischen.

Edu. In der That, sie entzücken mein Auge! —— Warum lächelst du?

Lus. Dort eilt auf einem Klepper ein wunderbares Geschöpf; welch ein Kontrast!

Edu. Die Natur hat das arme bucklichte Männchen sehr mißhandelt. Er drängt sich zu uns durch die Haufen. Was muß er wollen?

Piron. Ich lege mich Eurer Majestät zu Füssen ——

Edu. Was suchst du, mein Freund?

Piron. Kriegsdienste —

Edu. Du bist ein wenig übel gebaut —

Pir. O sehr übel; aber ich bin kein Parlament, daß ich mir selbst Glieder wählen könnte. Die Natur macht den Körper; aber ich habe meinen Kopf und mein Herz gebildet!

Edu. Wie heissest du?

Pir. Piron —

Lus. Der Name ist gnug! — Er ist mein Landsmann, aus einer Familie, die Helden zeugte, und ich nehme ihn mit Eurer Majestät Erlaubniß unter meine Geschwader. Bruder Piron, laß uns zeigen, daß nur der Kopf und das Herz tapfre Krieger macht!

Bardiet.

Arnold, Dietrich, Gotmayer, und andere Hauptleute. Hedwig Arnolds Gattin, viele Jungfrauen, Krieger, Druiden, Barden, hernach Adelreich und Gefolge.[5]

(Die Scene ist ein Schlachtfeld und die benachbarten Gegenden.)

Arnold. Lassen wir die Cherusker im Hinterhalt! — Mäßiget eure voreilige Hitze! —— Erwartet das Zeichen des Angriffs! —— Wir fallen den Feinden in den Rücken!

Dietr. Kühn sind unsre Anschläge, noch kühner mein Vorsatz! — Bruder, wenn ich falle; so laß mich mit meinen Waffen begraben!

Arn. Der Prüfungskampf weissaget uns Sieg.[6] Mein jüngster Sohn hat den Römer besieget!

Dietr. Sind es nicht erst zwey Monden, daß du ihm feyerlich die Waffen reichtest?

Arn. Der Nämliche!

Dietr. Welche Hofnung reifet für Deutschland heran! Freund, meinen Glückwunsch! —— Du bist Vater edler Söhne! —— Ha! Gotmeyer! — Priester unserer Götter sey uns gegrüßt! —— Was weissagen die Opfer?

Gotm. Sieg! — Das Blut floß rein wie eine Quelle!

Arn. Bleib mit deinem Gefolge im Rückzug! Ich gebe Euch tapfere Haufen zum Schutze. Verdoppelt eure Opfer, es ist heut ein entscheidender Tag! — Ihr Barden befeuert mit Kriegsgesängen die Herzen der Streiter! — Die sichersten Gräben und die Wagenburg umringen die Freystäte der Weiber und Kinder. —— Hedwig, meine theure Hedwig, mein Lebewohl! —— Ich lasse dich von Söhnen und Töchtern umringet!

Hedw. Der Segen der Götter begleite dich, Freund meines Herzens! Das ist ein Tag wie mein Brauttag! Ich sehe den Gatten und die Söhne für das Vaterland streiten! — O mein Sohn Adolph, Segen auf dich! — Die mütterliche Thräne ist mein wärmster Glückwunsch! — Götter, lasset seinen Sieg zum allgemeinen Siege werden! — Junger Adler, flieg den raschen Fittigen deines Vaters nach!

Arn. Dank Weib für diesen Segen! — Meinen Abschiedskuß! — Der Führer kömmt!

Adelr. Willkommen, meine theuren Freunde! — Der warme brüderliche Handschlag sey unsere Loosung! —— Der Feind nähert; unsere ersten Haufen beunruhigen seinen Zug! — Freymund, wende dich links in das Eichenthal! — Tuder, zieh dich gegen das Harzgebüsche! Vangio, behaupte die Spitze des Mondhügels! — Ihr andern bedeckt die Wagenburg und den Altar! — Gotmayer —

Gotm. Wie soll ich die Verbrecher strafen?

Adelr. Verräther hänget auf die Bäume; Verzagte ersäufet in den Pfützen! — So wird der schwarze Frevel an das Licht gebracht, und die Schande begraben! —— Ich höre Schlachtgeschrey — Dort blinken die Adler der Römer! —— Zur Schlacht!

(Er geht ab mit seinen Kriegern.)

Gotm. Druiden beginnet das Schlachtopfer! — Ihr Jungfrauen befeuert mit euren Kriegesgesängen die Krieger!

Chor der Jungfrauen.

Sehet die dräuenden Schaaren! Sie wanken daher

Wie die goldenen Aerndten im Felde,

Furchtbar den Feinden, uns aber hochzeitlich schön!

Seht, sie bevölkern das schreckliche Todesthal,

Das die Besiegten verschlingt!

Auf, ihr Cherusker, Gelonen, ihr Heruler auf!

Katten, ihr Ubier, ihr Markomannen,

Auf ihr Gothonen, ihr Sueven, ihr Hirrier eilt!

Ha! Schon brüllet das Schlachtgeschrey fürchterlich;

Häufiges Feindeblut fliesst!

Sehet, sie klettern auf Leichen und Schedeln empor!

Und die zermalmten Iberier röcheln,[7]

Unter dem Hufe des schnaubenden Rosses! O jauchzt

Freudengesänge dem siegenden Helden zu,

Der unser Vaterland liebt!

Wodan, durchmähe mit grimmigem Schwerte das Feld;

Schrecke die staunenden Schaaren der Feinde,

Mit dem Donnergebrülle der Räder; laß sie

Eilen mit Schande zur ewigen Todesnacht,

Die nie Vallhalla bewohnt.

Gotm. Unsere feurigen Katten stürmen schon unter die Feinde! —— Opferknabe, steig dort auf die höchste Eiche! —— Was siehst du?

Der Jüngling. Die Römer weichen! —— Nein, es sind ihre Bundesgenossen ——

Gotm. Wo ist Adelreich?

Jüngl. Er wirft ganze Geschwader zu Boden! —— Alles weicht seiner Tapferkeit!

Gotm. Segen auf sein Haupt! Wie geht es am rechten Flügel?

Jüngl. Da fechten die Römer hartnäckig!

Gotm. Barden, wendet Euch dahin! Beginnet ein feuriges Schlachtlied!

Chor der Barden.

Fasset die goldenen Saiten, ihr Barden;

Lockt feurige Töne hervor!

Röchelt ihr Hörner den Feinden zum Schrecken!

Vaterlandsliebe befeuert

Uns, und das schlachtenbegierige Heer!

Die Alrunen[8] weissagten uns Siege;

Der silberne Vollmond ruft uns![9]

Suchet ihr Kämpfer das winkende Schlachtfeld,

Das eure Väter verewigt,

Und die Römer mit Schande bedeckt!

Hier faulen sklavische Zeichen des Liktors,

Die goldenen Adler sind in

Morschen Ruinen der Schlösser begraben;

Römergebeine bedecket

Auf der Fläche der blutige Sand!

Da fand einst Caßius dräuende Sieger;[10]

Der rühmliche Bojorix schlug

Scaurus den Führer der Römerchohorten;[11]

Die Ambrionen verhöhnten

Vor dem Antlitz des Marius Rom.[12]

Denket zurück auf die blutigen Tage,

Da Deutschland den Führer verlor!

Mitten im feurigsten Treffen erhoben

Unsere Brüder den Kühnsten

Auf den eichenen Schilden empor!

Sehet die Schatten des Brennus, des Hermanns[13]

Sind Zeugen des ewigen Ruhms,

Zeugen des Lorbeers, der Euch izt erwartet!

Fechtet ihr Brüder, um Freyheit,

Löwen, zermalmet die Adler von Rom!

Der Jüngl. Unsere Cherusker stürzen hastig aus dem Hinterhalt! —— Welch ein Metzeln! —— Alles sinkt unter ihren Streichen! Die Römer fliehn von allen Seiten!

Gotm. Sieg! —— O Brüder, umarmet mich! —— Sieg! — Es lebe Held Adelreich, es lebe Deutschland! — Dank unsern Göttern! —— Singet das Siegeslied Skalden! Rüstet den Othinsbecher![14]

Adelreich. Die Römer hielten minder Stand! Ihre Bundesgenossen wichen die Ersten! —— Dank meine Freunde, ihr habt als Helden für das Vaterland gefochten! —— Ein Lorbeer mehr für Deutschland und Euch! —— Die Feinde fliehen; man verfolge die Flüchtlinge! —— Ein schöner Tag! Lasset uns den Göttern die Erstlinge der Beute opfern! —— Eilet deutsche Sieger zum festlichen Siegesmahle!

Chor der Skalden.

Der Donnerer Manna schuf Wetter,

Sie wälzten sich über die Häupter

Der Römer und Deutschen hin;

Die zischenden Blitze durcheilten die Welt;

Der Donner traf Rom!

Izt lächelt für Deutschland die Sonne;

Izt höhnen die Enkel Tuiskons

Die Welteneroberer;

Dort werden die Römermanipel vertilgt,

Und füllen das Grab!

Alle Krieger.

Bringet das Urushorn jauchzend zum Mahle;

Leeret den Othinskelch, Sieger!

Trinket den Feinden Verderben,

Trinket Germaniens Heil!

Scene.

In einem Gezelt Lusian, ein Soldat, hernach der König Eduard.

Lus. Eil! Ruf mir den Wundarzt! (Der Soldat geht. Lusian setzt sich auf einen Feldstuhl.) Mein Bein schmerzt mich, die Mähre traf mich gewaltig! —— Eure Majestät sind Meister vom Schlachtfelde! Adler fangen keine Fliegen!

Edu. Da ist mein Lusian! Willkommen! —— Mann, du hast gefochten wie ein Löwe! —— Ich habe dich metzeln gesehn. Der Sieg ist unser! Dank, warmer Dank! (Er schüttelt ihm die Hand.) Begehr izt eine Gnade! Fodre ein Königreich! Ich bin in der Freude meines Herzens! —— Sag, was wünschest du?

Lus. Ich? Wunderbar! — Mir fehlt izt nichts als ein Stiefelknecht, denn mein Pferd schlug aus, und streifte meinen Schenkel ——

Edu. Du brauchst eine Kleinigkeit. Heb deinen Fuß! —— Die Nachwelt wird sagen, nie hat man von einem Könige weniger begehrt! ——

(Er zieht ihm den Stiefel aus.)

Lus. Und nie hat ein König mehr geleistet! —— Izt erkenne ich, daß du ein großer König bist, weil du sogar Stiefel ausziehen kannst. Laß diesen Stiefel in deine Wappen setzen, und heisse dich kühn den Grossen, denn du hast mehr als alle Könige gethan! —— Wenn alle Menschen einst über deine Härte schreyen; soll mein Stiefel dein edles Herz vertheidigen!

Edu. (indem er sich den Schweiß von der Stirne wischt) Das ist heut ein heisser Tag! Schweiß auf Schweiß! —— Aber mir ist izt so wohl um das Herz. Wie die Feinde davon flohen! Freund, welch ein Sieg!

Lus. Freue Dich Held aller Helden, der Stiefel ist Deine gröste Heldenthat! Dort blutet, hier jauchzet die Menschlichkeit! — Dieß Siegeszeichen soll Deine Schatzkammer schmücken!

Scene.

Ein Vorhof. Eduard, Gefolge, ein Pferdjude.

Edu. Die feindliche Reuterey hat uns den Sieg zu leicht gemacht. Sie wich beym ersten Angriff. Es ist Schande! Die Verräther verdienen Strafe! Das tapfre Fußvolk des Feindes hat Wunder gethan, und würde uns die Wahlstatt streitig gemacht haben. Man halte die Gefangnen gut! Es sind wackere Leute; aber ihre Reuter sind Schurken! — Was bringst du Ephraim?

Der Pferdjude. Eure Majestät ich habe Pferde; so wahr ich lebe, vortrefliche Stücke! — Dieser Hengst lauft wie der Wind! Er kömmt aus der Schlacht ——

Edu. (lächelnd) Das Pferd ist gekauft, wenn es in der Schlacht war, denn so flüchtige Pferde sah ich nicht in meinem Leben.

Brief.
Marsis an seinen Freund Alsin.

Kann ich genug eilen dir die Thaten deines Eduards zu erzählen? Er kam, sah, und siegte! Er überraschte seine Feinde. Lusian ist seine rechte Hand, und Piron seine Linke. Welche Genien umringen unsern König! Ich wünschte, du wärest Zeuge von der blutigen Hauptschlacht gewesen. Eduard wirkte Wunder. Nichts widerstand ihm. Lusian und Piron mußten das feindliche Lager beschleichen, und machten beyde feindliche Könige zu Kriegsgefangenen. Eduard zieht als Sieger in ihren Staaten herum. Du liebst Anekdoten, die den edlen Charakter deines Durchlauchtigen Zöglings entwickeln. Hör ein Pärchen in Eile, denn tausend andere soll er dir selbst erzählen.

Die Gattinn eines Königes hatte sich in eine Festung geflüchtet. Wir zogen vorbey. Eduard hielt nicht Stand. Unsere Obersten erinnerten ihn, daß es nicht gut sey, eine uneroberte Festung im Rücken zu lassen. Ich weiß es, sprach er gelassen; aber ich führe nicht Krieg mit den Weibern.

Er eilte vor die nächste Stadt, um sie zu belagern. Man rüstete schon das schwere Geschütze. Der Magistrat flehte um Aufschub, bis sie von ihrem Könige Befehl hätten, die Stadt zu übergeben, und baten unsern Helden, er möchte indeß ihre kostbaren Büchersäle und Kunstgebäude verschonen. Sie boten ihm Brandschatzungen. Eduard gab alles zurück, ließ die Stadt unberührt, und gab den Rathsgliedern gütig zur Antwort: Ich bekriege nicht die Musen!

Geschäfte zwingen mich zu schliessen. Ich sehne mich, dich wieder zu umarmen, und bin u. s. w.

Scene.

König Theodor, König Friederich, Gefolge, Eduard, hernach ein Dichter.

(König Theodor sitzt in einem Kefig, Friederich auf einem Scheiterhaufen.)

Theod. Soll ich dem Sieger zum Gespötte dienen?

Fried. Will er mein Blut vergiessen?

Edu. Tyrannen, redlich kann ich mein Auge an eurer Strafe weiden! —— Wie oft habt ihr meine Güte verhöhnt, meine Friedensvorschläge verworfen, und das heilige Völkerrecht durch eure Grausamkeit entehrt! Ihr habt meine Gesandten mit Schande und Hohngelächter zurückgesandt, und meine gefangenen Krieger verstümmelt. — Kann der Thron solche Unmenschen schmücken? —— Sprecht selbsten, wie soll ich nach so viel Unbilden Euch behandeln?

Theod. Tödte mich!

Fried. Laß mich sterben!

Edu. Man mache sie frey! —— Ich habe Euch gedemüthiget! Lernet, daß Könige Menschen sind! — Kehret in eure Staaten, nehmet eure Kronen zurück, und löschet das Gedächtniß eurer vorigen Missethaten durch glänzende Tugenden aus. Ich bin euer Freund!

Theod. Deine Großmuth ist grösser als alle Siege!

Fried. Ich erröthe nicht mehr über meine Niederlage; es ist rühmlich unter königlichen Löwen zu fallen!

Edu. (indem er sie umarmt) Brüder, ich empfehle euch die Menschlichkeit!

(Indem Eduard sich entfernet, überreicht ihm ein Dichter eine Schrift. Eduard liest, zieht einen Ring vom Finger, und überreicht ihn dem Dichter.)

Edu. Ich vermähle mich mit den Musen!

Ode.

Welchen der Götter, und welchen der Helden

Singet ihr leyerbeherrschenden Lieder?

Nicht Macedoniens stolzem Eroberer,

Auch nicht dem weiseren Kämpfer am Rubikon

Tönet mein Siegespäan.

Ich will zu meinen erhabnen Gesängen

Meine Grundfeste unsterblich erbauen;

Wie auf zeittrotzendem Marmor erheben sie

Sicher das Haupt auf dir rühmlichste Tugend, und

Lächeln der Ewigkeit zu.

Viele denkwürdige Thaten entschlummern,

Weil sie des rühmlichen Dichters beraubt sind.

Aber Mnemosine, du überreichest mir

Arbeitbelohnende Lorbeern; ich kröne den

Grösten der Helden, der lebt!

Auf mein Geist! Spanne den goldenen Bogen;

Laß mich die Schönsten der Pfeile verschiessen,

Und mit beflügelter Eile die rauschendsten

Töne der Leyer entlocken, die göttliche

Thaten der Nachwelt posaunt.

Laß uns die heilige Rede beginnen!

Eduard, welcher von Königen stammet,

Liebet die Länderbeschützende Tapferkeit;

Ehret die Weisheit stets als die Erhalterinn

Eines aufblühenden Staats.

Lang hat sein weltenerschütternder Donner

Feindliche Städte bekriegt und zermalmet.

Staunend erzitterten ringsumher wohnende

Völker bey seiner herkulischen Tapferkeit,

Welche die Heere verschlingt.

Alle verehrten den Löwenbekämpfer,

Flehten mit Zittern die mächtige Huld an,

Und sie entflohn dem alles besiegenden

Schwerte durch Demuth. Er schonte die Reuigen,

Die er mit Füssen zertrat.

Angenehmlächelnder Friede, du Sohn der

Ewiggepriesenen Gerechtigkeit, bringe

Den diamantenen Schlüssel zum Thore der

Süssesten Eintracht, und lade gastfreundliche

Nachbarn an unser Gestad.

O laß den völkerernährenden Pflug, das

Weberschiff, und den kunstliebenden Meissel

Sichere Mauern bewohnen, und huldige

Unserm Eroberer, der dich verherrlichet,

Und dir den Tempel erbaut.

Aber ich schweige. Von Thaten zu singen,

Die selbst die göttliche Muse bewundert,

Ist für mich Kühnheit. Wer preist nicht die Heldenhand,

Die kein unschuldiges Blut noch entheiliget,

Weil es dem Vaterland floß.

Brief.
Eduard, an Alsin.

Die wenigen Augenblicke, welche mir meine häufigen Geschäfte frey lassen, kann ich nicht besser verwenden, als wenn ich sie dem theuersten meiner Freunde schenke. Aber was soll ich Dir sagen? Wenn ich Dir wiederhole, wie sehr ich Dich liebe, sage ich Dir eine gewöhnliche Sache. Von was soll also mein Brief handeln? Du liebst den Krieg nicht, und ich bin mitten unter Feinden. Ein so gutherziger Philosoph wie Du, hasset die blutige Zerstörung der Menschen. Es ist traurig genug für mich Deinen Zögling, daß mich barbarische Feinde zwingen, Menschenblut zu vergiessen.

Wir hatten wieder einen heissen Tag. Wir fochten mit Männern, denen ich zum Ruhme nachsagen muß, daß sie tapfere Krieger sind, die Kenntniß und Muth besitzen. Meine theuren Mitbrüder und Kriegsgenossen haben Wunder gethan. Schade ist es, wenn einige Tropfen von so edlem vaterländischen Blut vergossen werden! Welche Entschlossenheit, welche Treue, welcher Gehorsam! Freund, so ein edler Krieger überwiegt hundert feile Lohnbuben, die beym Anblick der ersten Gefahr zittern und entlaufen.

Ich sehe mich sehr oft in der traurigen Nothwendigkeit, die wackersten Streiter wegen übertriebenem Eifer zu strafen. Zu einer solchen Schlacht wünschte ich viele Könige einzuladen, damit sie lernten, was es ist, von seinem Volke geliebt zu seyn. Wenn ich einst im Treffen falle; so sey gewiß, daß kein Mann lebendig vom Schlachtfelde kömmt. Wenn ich winke; so stürzen die Geschwader unter die Feinde. Meine vortreflichen Kriegsleute rauben mir alles Verdienst. Von der tiefen Einsicht, Erfahrenheit und Gegenwart des Geistes meiner Anführer kann ich nicht rühmlich genug sprechen. Glückliches Vaterland, das so viele würdige Helden hervorbringt, welche ihren König beschämen, und mich täglich überzeugen, wie leicht mein Platz durch zehntausend Würdigere kann ersetzt werden.

Das freywillige Geschenk, womit meine geliebten Unterthanen mich überraschen, hat mich entzückt, es ist ein redender Beweis ihrer Liebe. Ich habe die Bothen belohnt, und das Geschenk mit dem dritten Theile der Beute zurückgesandt. Du sollst es meinen theuren Bürgern mit dem regesten Dank austheilen, und sie alle in meinem Namen mit dem väterlichen Gruß segnen. Es ist süß König über ein dankbares Volk zu seyn.

Noch etwas für dich und deine Weltweisen! —— Ich habe den besiegten Feinden den Frieden wie ein Bruder den Brüdern angeboten, und wünsche, daß sie weise genug sind, meine redlichen Absichten einzusehen. Mit dieser frohen Nachricht, wobey du gewiß lächelst, schliesse ich meinen Brief, indem ich Dich tausendmal umarme, und Dich versichere, daß Dich ewig liebt ——

Dein Eduard.

Brief.
Lusian an Marsis.

Zwey Worte in Eile! Bald treff’ ich dich im Lager. Der König verläßt schon das Winterquartier, und will zeitig den Feldzug beginnen. Es wird ein Stückchen Arbeit geben. Eduard hat sich schon von seinen Freunden und Freundinnen gelezt. Gelegentlich muß ich dir ein artiges Histörchen beyfügen. Er besuchte die schöne Salinia; sie unterhielt ihn mit Gesprächen, indeß ihr liebkosendes Schooßhündchen zu Eduard schlich, und unter dem sanften Streicheln seiner Hände entschlief. Er hatte dringende Geschäfte, weil er eben Briefe erhielt. Er verweilte um den kleinen Schläfer nicht zu erwecken. O! rief Salinia, du giebst den Thieren Ruhe, und machst den Menschen so viele schlaflose Nächte! —— Eine schöne Bemerkung für die würdige Tochter eines Philosophen ——

Bald mehr! Ich habe dir noch tausend Dinge zu erzählen. Izt meinen Bruderkuß! u. s. w.

Scene.

Ein Kabinet. Eduard, zu ihm Alsin.

Edu. O Salinia, du Perle deines Geschlechts, überall verfolget mich dein Bild! —— Du lehrest mein Herz die siegende Gewalt der reizenden Liebe! — Unwiderstehlich sind deine bezaubernden Züge, du hemmest den schönsten Lauf meiner Siege! — Ach! Umsonst locken mich die blühenden Lorbeern, du fässelst mich hier an! —— Eduard, erwache! Wie lang schläfst du! —— Welche feige Ruhe, welche Leidenschaft hält dich hier zurück! —— Weichling, wie niedere Plane schmiedest du! — Was hoffest du von Salinia? —— Willst du sie ihrem Bräutigam entreissen? Kannst du sie zur Königinn erheben? Gehörest du nicht deinem Volke; bist du nicht an höhere Pflichten gebunden; können Fürsten nach ihrem Herzen wählen? — Oder willst du den würdigsten Gegenstand deiner Liebe abwürdigen; willst du die reine Unschuld schlachten? — Könntest du gegen deinen Busenfreund, gegen deinen Lehrer so undankbar handeln, seine Tochter, die Wollust seiner Tage, zu entehren, sein graues Haupt mit Schande zu überdecken? —— Eduard, wo bist du? steh auf! Sey groß! Sey tugendhaft! — Ich habe gesiegt! — Salinia ist vergessen! Ich eile, im Geräusche der Waffen meine Liebe zu vergessen; ich will Salinia nicht mehr sehen. Ich werde bey nächtlichen Schatten von ihrem Vater mich letzen.

Alsin. Die kriegerischen Schaaren ziehen mit freudigem Jauchzen und mit fliegenden Fahnen auf das Schlachtfeld der Ehre ——

Edu. Ich will sie begrüssen, und an ihrer Spitze dem Feinde entgegen eilen.

Melodrama.

(Eine Laube. Salinia sitzt bey einem Marmortischchen, stützt mit einer Hand ihr müdes Haupt, und hält mit der andern die Feder. Hernach Eduard.)

Salinia.

Wie feurig dieser Busen wallt!

Wie ist mein Geist entflammt, beflügelt!

Und doch scheint mir ein jeder Ausdruck kalt ——

Nein dieser Brief wird nicht versiegelt!

(Sie zerreisst das Blatt und beginnt ein Neues.)

Wo ist die Flammenschrift,

Die meine heisse Liebe malet?

Wo ist ein Pinsel, der sich pralet,

Daß er das Ideal von meiner Sehnsucht trift? ——

Wie feurig fliegt vom warmen Herzen

Oft der Gedanke bis zur Hand!

Wie frostig schildert sie, was ich empfand;

Wie unempfindlich lallt sie meine Liebesschmerzen!

(Sie wirft die Feder weg.)

Vergebens ist mein thätiges Bemühn;

Nur Sylben stehen hier, der Geist fliegt hin!

(Sie steht auf.)

O Eduard, ich will dir nicht die Glut beschreiben,

Sie soll geheimnißvoll in meinem Busen bleiben!

(Sie betrachtet sein Bild)

O Meisterstück der zaubernden Natur,

Wie reissest du mich hin in ein Entzücken!

Ein sanfter Blick auf dich kann mich beglücken;

In dir find ich der Grösse seltne Spur.

Welch stolzes Adleraug, und welche Götterstirne!

O schließt man auf das Herz vom fürstlichen Gehirne,

Wie muß es groß und edel seyn! ——

Wie täuschend wiegt mich oft die süsse Hofnung ein,

Daß einst dein holder Blick mir lächelt! ——

O Zephyr, der so sanft um meine Haare fächelt,

Eil, flüstre leis ihm meine Triebe zu,

Der Zeuge meiner Glut, mein Busenfreund bist du!

Sag, daß Salinia die reinste Flamme nähret;

Stillschweigend sich um seine Gunst bewirbt;

Daß sie die Nachtigall stäts neue Seufzer lehret,

Daß sie hinschmachtet, schweigt und stirbt ——

Jedoch, warum soll mich die schönste Liebe tödten?

Ist nicht der Gegenstand ein Erdengott?

Warum soll ich beschämt erröthen?

Wo spricht ein dreister Mund mir Spott?

Von Eduard entflammt, wer wagt es mich zu höhnen?

So reine Liebe muß die Tugend selbsten krönen!

(Sie eilt fort, und zögert wieder)

Ich zeige dir mein Herz in seiner Unschuld bloß ——

Sey stolz mein Geist, dein Freund denkt groß! ——

Ach! Für mich viel zu groß! — Izt fliessen meine Thränen —

Der Abstand lockt mir Zähren ab.

Der stille Harm gräbt mir ein schwarzes Grab!

O der Gedanke macht die Hofnungen verschwinden!

Verlassen, einsam steh ich hier!

Wo soll ich Trost, und wo ein Labsal finden?

Auch nicht die Zukunft schmeichelt mir! ——

O Liebe, doch kehr ich entzückt zu dir,

Denn du allein beherrschest grosse Seelen;

Selbst die Verzweiflung trennt uns nicht! ——

Hör Eduard, was meine Lippe spricht:

Izt will ich mich mit dir vermählen! ——

Dies sey mein Brautaltar!

(Sie setzt das Bild auf den Tisch)

Ihr Sterne hört! Euch ruf ich izt zu Zeugen!

Dich Laube, die so oft mein Lieblingstempel war;

Euch Aeste, die sich hold auf meine Scheitel neigen;

Euch Sänger, die ihr auch die stille Nacht

Mit warmer Zärtlichkeit durchwacht;

Dich blasser Mond, der mich so freundlich grüsset;

Euch Schatten, die ihr mich in eure Arme schliesset;

Ihr edlen Zeugen alle hört!

Was izt Salinia zum höchsten Himmel schwört:

Eh wird mein Geist dies Flammenherz verlassen:

Eh wird die Brust sich selbsten hassen:

Als meine Zärtlichkeit für Eduard sich schwächt!

Und wäre je mein Busen so vermessen,

Die frommen Schwüre zu vergessen;

So strafe mich der Gott, der Eide rächt!

Dir Eduard, will ich die ganze Liebe geben;

Dir schlägt allein mein Herz, dir will ich leben!

Wenn mich der erste Blick der Sonne früh begrüßt;

Und wenn der Abendstern die Tage schließt,

Will ich von dir erfüllt für dich die Stunden zählen;

Auch wenn die Nacht der Welt zum Schlummer winkt,

Soll nur dein Bild mein Herz beseelen.

Selbst wenn auf mich ein sanftes Träumchen sinkt,

Soll mich allein mein Eduard umschweben!

So will ich ganz allein dir athmen, hauchen, leben!

Ich bin mit dir vermählt! —— Izt mag mein Vater dräun!

Izt mögen die Verwandten wüten,

Und ihre stolzen Plane brüten!

Ihr Freyer möget in Verzweiflung seyn!

Ich will mein Aug mit Worten nicht entweihn,

Die von profanen Flammen sprechen;

Fort Briefe, euer Stoff ist mir zu klein!

(Sie zerreißt alle Liebesbriefe)

Sieh Eduard, so will ich dich an ihnen rächen!

Mein Abgott, du allein bist warm geliebt;

Sieh wie Salinia dir stäts Beweise giebt.

Erkenne doch mit Dank die zarten Triebe;

Ich heische nichts von dir für so viel Liebe! ——

Ein Blick auf dieses Bild soll die Belohnung seyn.

(Man hört in der Ferne ganz leise eine kriegerische Musik)

Ach Eduard, du wirst uns bald entrissen!

Bald werd ich dich vom Feind umringet wissen.

Du eilst zur Schlacht, wo dir so viel Gefahren dräun!

O flieh Geliebtester, die blutigen Trophäen!

Mein Geist begleitet dich in jede Schlacht.

Oft muß ich dich verwundet sehen;

Oft schließt dein Auge schon die schwarze Todesnacht;

Ich rufe ganz bethränt dem kühnen Mörder zu;

Ich will den raschen Dolch von deinem Nacken reissen!

O Eduard, wie hart bist du!

Soll ich Geliebter, dich nicht grausam heissen?

Da du mir immer Stoff zu neuen Thränen giebst,

Und dich mein theures Gut so wenig liebst?

Jedoch, wie kann ich mich gerecht beklagen?

Erst muß ich dir die warme Liebe sagen.

Vielleicht entwafnet dich mein zarter Blick ——

Ich eile! —— Ja, er soll die schönste Flamme wissen! ——

Wo eilst du hin? —— Halt ein! ——

Du wirst verschmäht, verachtet seyn.

Soll wohl für dich sich Eduard entschliessen,

Den Lorbeer, den er liebt, zu missen?

Er, der die Liebe höhnt, der keiner Schönheit lacht,

Und selbsten mein Geschlecht, als schwach, verächtlich macht;

Der, wenn er nur auf stolzen Palmen thronet,

Die Zärtlichkeit und Seufzer nicht belohnet.

Was hilft es, wenn er auch die heisse Liebe weiß,

Verläßt er wohl für mich den Heldengleis? ——

So lebe wohl! Zieh hin! —— Nimm meinen Segen,

Der aus dem Herzen strömt!

O schone dich; sey nicht verwegen;

Schenk dich der Thräne Fürst, die meine Seufzer hemmt!

(Sie stürzt auf die Knie)

O Himmel, hör geneigt die fromme Bitte!

Dich fleh ich izt für ihn um Schutz und Güte;

Zähl meine Tage seinen bey;

Und heischt dein Wille sein Verderben,

So laß Salinia für ihren Gatten sterben,

Laß ihn für dieses Opfer frey! ——

Geliebter Eduard, erblicktest du die Zähren,

Und möchtest du die Seufzer hören ——

Eduard (in der Ferne)

Er hört den Wunsch, und liebet dich!

Salinia.

Wer spricht? — Wer kömmt? Mein Geist verwirret sich —

(Sie springt auf)

Jedoch wenn ich mich nicht mit Träumen täusche;

So hört ich hier ein flüchtiges Geräusche ——

(Sie blickt schüchtern herum, geht zum Eingang der Laube. Eduard schleicht durch das Gebüsch, ergreift das Bildniß, besieht es beym Monde, und stürzt Salinien zu Füssen, welche auf einen Rasensitz sinkt.)

Eduard.

Du liebest mich! Ich bin entzückt, berauscht!

Vergieb, ich habe dich von ungefähr belauscht.

Die Gegenwart soll dich nicht in Verwirrung setzen.

Ich wollte mich von deinem Vater letzen.

Ich wählte mir die stillen Schatten aus,

Und bey der Dämmerung beschlich ich dieses Haus.

Ich wollte dich und ihn mit regem Danke segnen,

Und zitterte dem Blick der Gottheit zu begegnen,

Die dieses Herz allein besiegt ——

Verschmähe nicht den Freund, der dir zu Füssen liegt ——

Salinia.

Du liebst mich Eduard? — Ich fühle mich getrieben —

Mein Blick verräth das Herz — O Theurer, laß uns lieben!

Sieh, wie mein Busen dir entzückt entgegen wallt! ——

Jedoch entreiß dich mir! — Die Kriegstrompete schallt! ——

Ich höre meinen Vater kommen! ——

Lebwohl!

Eduard.

Den ersten Kuß! — Der Abschied ist genommen!

Ich eile hin, und ärndte Lorbeern ein,

Bald will ich sie zu deinen Füssen streun!

(Sie umarmen sich, und trennen sich gewaltsam.)

Scene.

Ein Holweg. Eduard zu Pferde in einem schlechten Reutrock. Ein Fuhrmann.

Edu. Wohin mein Freund?

Fuhrm. Gerade zum Maul!

Edu. Ist weit dahin?

Fuhrm. Zwey volle Stunden.

Edu. Was ist dein Amt?

Fuhrm. Ich muß Riesen füttern!

Edu. Du sprichst lauter Räthsel ——

Fuhrm. Ich meyne das Kriegsheer. Aber zum Henker! Mit meinem Geschwätze wählte ich eine falsche Strasse. Meine Kameraden sind dort auf dem Seitenwege.

Edu. Ich will dir aus dem Holwege heraushelfen.

Fuhrm. Dank Herr! — Ich bin nicht sicher vor feindlichen Haufen.

Edu. Was sagt man von König Eduard?

Fuhrm. O das ist ein Teufelskerl! Wenn er mich hier findet; so läßt Er mich und meine Mitknechte hängen.

Edu. Izt fahr zu! Wenn du zum Lager kömmst, grüße die Soldaten, und sag: Eduard der Teufelskerl hat dir aus dem Holwege geholfen, und schickt dich und deine Kameraden mit einem Frühstück zu ihnen! Leb wohl.

(Eduard reitet zu seinem Gefolge, und der Kutscher treibt ängstlich seine Pferde an.)

Scene.

Ein Saal bey Hofe. König Willhelm, der Leibarzt, ein Bothe, hernach der Barbier und einige Räthe.

(Der König liegt auf einem Sopha, hat beyde Füsse in Verbänden, und zerreißt wütend ein Papier.)

Willh. Verdorren soll die Hand, die dieses schrieb! — Der Feind an meiner Gränze! Hölle und Teufel! Was machen meine Statthalter?

Der Arzt. Eurer Majestät theure Gesundheit — Der Puls —

Willh. Ich möchte Sie einen Esel heissen! Mit ihrem verwünschten Puls! — Die Feinde sind also vorgerukt?

Bothe. Vorgerukt —

Willh. Haben die Provinzen meiner Nachbarn erobert? —

Bothe. Erobert —

Willh. Werfet den Echo zur Thüre hinaus! Kann der Schurke nur nachplaudern? — Papagey red anders! Bursche lüge mir vor!

Der Bothe. Der junge König ist ein Strom, der alles nieder reißt ——

Willh. Der Kopf dieses gekrönten Buben macht mir mehr Unruhe als meine zwey Füsse voll Podagra! — Aber ich bin geheilt. Ich will ihn ausfordern! — Weg verdammte Verbände! — Ich bin gesund wie ein Hirsch! — Meine Waffen! — Sattelt mein Reutpferd! — Er thürmet Sieg auf Sieg, und ich alte Memme liege hier im Schatten einer Apotheke —— Ich bin wieder jugendlich! (Er spiegelt sich und reibt das Kinn.) Nur der graue Bart verräth mich! —— Man muß die dürren Stoppeln wegmähen! —— Wo ist mein Barbier? — Herein! Geschwind! (Er setzt sich) Eile!

(Der Barbier ergreift seinen Arm.)

Willh. Was will der Narr?

Barbier. Eine Aderlässe ——

Willh. Dummkopf, den Bart weg, oder dein Kopf fliegt! — Ich will selbst Adern öffnen, meine Feinde sollen bluten!

(Der Barbier seifet ihn ein, wird plötzlich tiefsinnig, und eilt hastig fort, indem er das Messer zu Boden wirft.)

Willh. Mach doch geschwind! Ich muß in den Kriegsrath! —— Mord und Tod! Daß auch die Könige mit solchen Kleinigkeiten goldne Minuten verlieren! —— Bursche, du stiehlst mir kostbare Augenblicke! —— Die Feinde rücken vor! —— Wo eilt der Narr hin? Daß dich die Pest! — Holt den Thoren zurück! —— Warum läuft der Schlingel?

(Der Barbier kehrt zitternd wieder, und wirft sich den König zu Füssen.)

Willh. Was machst du?

Barbier. Eure Majestät, ich habe durch meine Flucht ihr Durchlauchtiges Leben gerettet ——

Willh. Welch ein Anschlag? — Verrätherey! Mörder sprich —

Barbier. Da ich die Kehle unter dem Messer hatte, gab mir Satan den Gedanken ein: Mach einen Schnitt, so rettest du viele tausend Leben! Die Versuchung war so stark, daß ich davon lief, um nicht zu fallen ——

Willh. Steh auf! Ich danke dir mein Freund! Du hast mir das Leben geschenkt! Dein Glück ist gemacht. Du solt königlich belohnt werden. Du hast dem Teufel einen Streich gespielt! —— Aber scheeren sollst du mich nicht mehr. Ich liebe nicht politische Kannengiesser! (Zu den Räthen) Was denken Sie meine Herren von den kriegerischen Zeitläuften?

Ein Rath. Könnte nicht Friede ——

Willh. Verdammt seyd ihr und euer Steckenpferd der Friede! —— Ich sollte den gekrönten Jüngling vom Schlachtfeld mit Lorbeern ziehen lassen? —— Nein! Da steht noch eine alte trotzige Säule, die sie sich ihm entgegenstemmet. Junge, der morsche Podagrist soll dich zittern machen! —— Sie meine friedsamen Herren Räthe legen sich indeß in meine Flaumfedern, und pflegen Sie mit Beystand meines geschäftigen Leibarztes mein hartnäckiges Podagra; ich will indeß den Harnisch ergreifen, und König seyn! —— Wir wollen heut noch im Schlachtfelde tanzen! —— O daß ich dreyßig, nur zwanzig Jahre zurückrufen könnte, ich wollte dem jungen Adler die Flügel verschneiden! —— Fort Wünsche! So wie wir sind, müssen wir die Stirnen messen! ——

(Er eilt fort. Alle folgen.)

Elegie.
Salinia an Eduard.

Eilet ihr Blätter, ihr redenden Zeugen der zärtlichsten Thränen,

Bringt dem Geliebten den Gruß, und mein Lebewohl zu;

Denn mein trauriges Leben nähert sich hastig dem Tode,

Weil ich verlassen, verschmäht, und beleidiget bin.

Ach! Ich werde wie Träume vergessen! Wo sind die Beweise,

Daß mir Eduard lebt, daß er mich schätzet, und liebt?

Wie ein Ikarus stürz ich herab mit schmelzenden Flügeln,

Soll ich mir Mitleid erflehn? Welches Donnerwort! Flehn!

Einst war es Gnade, mich lieben zu lassen; izt bin ich verachtet!

Dieser Gedanke zernagt mein verwundetes Herz.

Aber wenn er mich liebte, wenn etwa nur grosse Geschäfte,

Eine Krankheit, Gefahr, vielleicht der schreckliche Tod ——

O ich sinke zu Boden! Die schwärzesten Ahnungen stürmen

In der bebenden Brust! —— Ja, mein Eduard stirbt!

Izt hab ich die Ursach von seinem Stillschweigen ergründet;

Welcher neue Verlust presset die Thränen mir aus!

Wie die rasenden Winde die schwankenden Schiffe bekriegen,

So bin ich ewig von Furcht und von Zweifeln bestürmt.

Diese Bilder verfolgen mich immer vom Morgen zum Abend.

Sie sind ewig bey mir, und verschonen mich nie,

Wenn ich beym Monde die stillesten Schatten mit Seufzen durchirre,

Schenk ich der vorigen Zeit einen verstohlenen Blick,

Und dann schleichen die süssen Gemälde der seligsten Tage,

Die mir die Zärtlichkeit gab, täuschend und liebreich zurück.

Aber plötzlich verscheuchet das Schrecken die reizenden Träume.

Schwarze Scenen der Angst schwärmen wie Geister um mich.

Jeder Gegenstand ändert izt seine Natur, und seine Gestalten.

Der sanftfliessende Strom rauschet wie Meere vorbey;

Der abkühlende Zephir wird ein wildheulender Nordwind,

Und der Nachtigall Lied scheint mir ein Leichengesang.

Das sonst so leise Gezische der Blätter ist Donnergebrülle;

Und das duftende Gras däucht mir ein glüender Sand.

O kehr wieder Du Sonne, die alles dem Auge verschönert!

Komm mein Geliebter zurück, schenk den Gefilden den Schmuck!

Liebe bevölkert die Wüsten, und schafft aus der Hölle den Himmel.

Wie nach dem Winter die Erd um den Frühling sich sehnt;

Wie die Mutter den Sohn von fernen Gestaden erwartet;

So ruft mein klagender Mund meinem Eduard zu.

Bothe des Himmels, du bringst mir das Leben! So lebt mein Geliebter?

Lebt, und liebet mich noch! So schreibt die göttliche Hand.

Dank für das Labsal, und Segen und Liebe für alle Geschenke!

Immer Geschenke? Mein Freund, was sind Gaben für mich?

Hat je die Grösse, der Reichthum den liebenden Busen bestochen?

Nimm die glänzende Welt; aber schenk dich mir selbst!

Liebliche Worte, verstohlne Seufzer, sanftlächelnde Blicke

Sind ein Göttergeschenk für mein zärtliches Herz.

Aber ich spreche von Liebe, von Liebe mit einem Monarchen,

Dem die Begierde nach Ruhm keinen Augenblick läßt.

Immer von Schlachten zu tödtenden Schlachten, von Siegen zu Siegen

Schleppet der Ehrgeitz Dich fort! —— Deine Salinia weint,

Lebet die traurigsten Stunden, und zittert der Nachricht entgegen

Daß ihr Leben, ihr Licht dort auf dem Kampfplatz verlischt.

Wie oft reissest du die Einbildungskraft deiner Geliebten

Auf das schreckliche Feld, wo die Donner dir dräun;

Wo so viel mördrische Dolche zu deinem Verderben sich rüsten;

Wie oft sterb ich in Dir; wie oft tödtest du mich!

Wie lang ärndest du Lorbeern, wie viel erbeutest du Kronen?

O ein Myrthenkranz wiegt blutige Palmen hinab!

Du bist izt Held, und Sieger; o setze dem Ruhme die Schranken!

Wisse, dann jauchzt dir die Welt, wenn dich Salinia küßt.

Schenk der Erde den Frieden, den weinenden Bürgern den Vater;

Schenk den Freunden den Freund, und der Geliebten dein Herz.

Geschichte.

Grosse Begebenheiten, welche das Wohl ganzer Staaten entscheiden, müssen die Seele der Geschichte seyn. Der Geschichtschreiber überläßt einzelne Thaten dem Biographen, und beschäftiget sich nur, der Nachwelt die Triebfedern zu zeigen, welche mächtige Reiche in Bewegung setzen, und neue Epochen hervorbringen. Er schildert den Geist ganzer Nazionen, und entwirft die wichtigen Charaktere jener Könige, die durch ausserordentliche Thaten den ganzen Kloß der Erde in Bewegung bringen und umbilden. So waren die Epochen Alexanders, Augusts, der Mediceer, Ludwigs, und anderer Fürsten, unter deren Herrschaft die Welt eine neue Gestalt erhielt.

Eduard begann seine Regierung. Die Thätigkeit in den Geschäften, die Standhaftigkeit in den Gefahren, und der Fleiß in Ausführung seiner Plane brachte in wenig Jahren ausserordentliche Wirkungen hervor. Er rief den Adel, der unthätig und despotisch in den Ritterschlössern das Volk unterdrückte, an seinen Hof. Er machte den Ackerbau, und Handel blühend. Freyheit und Glückseligkeit ergoß sich über seine Unterthanen. So ein gewünschter Erfolg erregte den Neid seiner Nachbarn. Selbst seine Bundesgenossen und Freunde zitterten vor diesem kühnen Adler, und suchten frühzeitig seinen Flug zu hemmen.

König Willhelm sein gefährlichster Nachbar, und geschworner Feind seines Vaters, mit dem er beständig im Kriege verwickelt war, und der den Sohn noch mehr als den Vater haßte, weil er ihn als einen Rächer der verübten Räubereyen ansah, suchte die Zahl der Freunde Eduards durch Ränke zu schwächen, und die Zahl seiner Feinde von allen Seiten zu vermehren.

Willhelm war ein kriegerischer Fürst, kühn, hastig, feurig, oft unüberlegt, und unglücklich. Sein Charakter war hart, und unbeugsam; er sezte für unmögliche Entwürfe oft das Wohl seiner Länder auf das Spiel, und wagte sich unter ihren Ruinen zu begraben. Er war schlau in seinen Anschlägen, treulos in seinen Bündnissen. Seine schwarze Politik bestand aus gewaltsamen Grundsätzen, welche die Menschlichkeit empören. Er kannte kein Völkerrecht; der Eigennutz war sein einziges Gesetz, und sein Wille entschied. Er hatte sich nur durch ungerechte Kriege bereichert, und vergrössert. Da er sich selbst zu schwach fand, den mächtigen Eduard zu bekriegen; so suchte er Helfer, und wiegelte alle benachbarte Mächte auf. Er fand bald geneigte Ohren.

König Philipp, ein junger Prinz, hatte seit zwey Jahren die Herrschaft selbst übernommen. Er haßte in seinem Reiche alle diejenigen, deren Ansehen älter als seine Regierung war. Er hatte mit Sehnsucht auf den Tod seines Vaters gewartet, der seine thörichten Rathschläge, die meistens in jugendliche Chimären ausarteten, weislich verwarf, und dadurch in das Herz dieses feurigen Jünglings einen so eingewurzelten Groll pflanzte, den nichts mehr ausrotten konnte. Er entehrte noch im Grabe die ehrwürdige Asche seines Vaters durch unüberlegten und schändlichen Spott, und suchte das verehrungswürdige Gedächtniß eines geliebten Monarchen zu vertilgen, der in den Herzen aller Unterthanen und Patrioten lebte. Er verfolgte, da er das Ruder ergrif, alle getreue Diener seines Vaters, er stürzte die Günstlinge, entwürdete die Beamten, und verabscheute sogar die Palläste, die einst der Lieblingsaufenthalt seines Vaters waren. Sobald er seinem Reiche eine andere Gestalt gegeben hatte, das heißt alles verwirrte, überließ er sich stolz als ein Verbesserer einem weichlichen Leben, das seine Jugend entweder mit einem übereilten Alter, wo nicht gar mit einem frühen Tode bedrohte. Bey diesem betäubten Wollüstling fand der kriegerische Willhelm durch scheinbare Gründe gewünschtes Gehör, denn Philipp haßte die Tugenden Eduards. Kleine Republiken, und mindere Fürsten ketteten sich allmählich an diese tongebenden Könige, und der Untergang Eduards war beschlossen. Aber das Schicksal rüstete diese Wetterwolken, damit Eduard wie eine Sonne desto heller glänzte. Der junge Löwe bot allen Feinden seine muthigen Klauen. Er hörte die Gefahren, und stand entschlossen im vollen Kriegsrath auf. Meine Freunde, rief er, wir müssen die Länder nicht nur von der Mühseligkeit sondern auch von der Furcht der Gefahren befreyen. Sehet unsere Feinde dräuen trotzig an der Gränze. Es werden die Heerden furchtsam verlassen; die Weiden sind öde, die Ackerpflege wird venachläßiget; die Schifffahrt der Kaufleute ruht. Der Staat verliert durch den Schrecken des Krieges seine Einkünfte. Lasset uns eilen, diesem Uebel zu steuren; suchen wir die Feinde in ihrem Lande!

Er flog an die Gränze, und stand mit furchtbarem Heere vor dem Antlitz der Feinde, ehe sie wusten, daß er ausgezogen war. Er nüzte die erste Betäubung. Er griff hastig an. Er war Zeuge der Thaten seiner Krieger. Er eilte durch die Reihen, munterte auf, führte an, kam zu Hülfe, wo seine Haufen wankten. Er war Feldherr und Krieger. Er wechselte die ermüdeten Geschwader. Er war wie ein Blitz. Willhelm wich, und verwünschte sein widriges Schicksal. Philipp war auf das Haupt geschlagen, und nahm eine schändliche Flucht. Eduard stand als Sieger auf der blutigen Wahlstatt, und erbeutete ein reiches Lager. Der Ueberwinder eilte unter dem Zuruf eines jauchzenden Heeres von Stadt zu Stadt. Viele sandten ihm die Schlüssel entgegen; andere wurden mit stürmender Hand erobert. Welche glänzenden Tage für einen jungen König, den seine Unterthanen anbeteten, seine Bundesgenossen bewunderten, und seine Feinde fürchteten. Eduard ward nicht stolz und übermüthig gemacht, er bot selbst der erste seinen besiegten Feinden den Frieden unter solchen Bedingnissen an, die jeder anderer als Willhelm mit Freuden angenommen hätte.

Willhelm wich nicht. Er sammelte die letzten Kräfte; er verschanzte sein Lager, und schmiedete heimliche Ränke. Allein vergebens waren seine giftigen Anschläge. Eduard schrieb bald seinen Feinden Gesetze vor, und setzte durch seine glücklichen Unternehmungen alles in Erstaunung. Er überraschte das verschanzte Lager. Die kühnen Krieger erkletterten siegreich die Anhöhen, und verbreiteten Schrecken und Verwirrung unter den feindlichen Geschwadern. Alles wich der Tapferkeit des unüberwindlichen Eduards. Sein Geist schien in alle Herzen vertheilet. Das Treffen war anfangs mehr blutig als entscheidend. Willhelm focht als ein Verzweifelter. Er bot allen seinen Kräften auf. Er sammelte den Kern seiner Krieger; er überfiel seinen Gegner. Er war so glücklich die tapfersten Schaaren zu Boden zu schleudern. Ein unglücklicher Sturz des Pferdes brachte den fechtenden Eduard in Lebensgefahr; aber Prinz Sigismund der Sohn seiner Schwester, ein hofnungsvoller Jüngling, der die königliche Leibwache führte, stürzte herzu. Er machte sich selbst zur Brustwehr des fallenden Königs. Er fieng die Streiche der zudringenden Feinde auf, und gab seinen Gefährten Zeit den König zu retten. Sigismund ward von diesem entscheidenden Tage einer der Lieblinge des Helden.

Eduard rächte durch neue Thaten die kleine Schlappe. Er warf den rechten Flügel über den Haufen; der ganze Klumpen des Heeres zerschmolz. Kein Streiter hielt mehr Stand. Die Tapfersten fielen unter dem Schwerte des Siegers. Die Uebrigen suchten das Heil in der Flucht. Diese blutige Schlacht entschied das Schicksal der Feinde. Viele Fahnen, unzählbares Geschütz und viele Kriegsgeräthschaften wurden erbeutet. Auf der Wahlstatt lagen zehntausend Todte, und Willhelm suchte seine Hauptstadt zu erreichen. Er sah sich gezwungen um Frieden zu bitten. Eduard zeigte seine erhabne Seele in voller Grösse. Seine Mäßigung setzte seine Feinde in Erstaunung. Er bewilligte allen alles, und schenkte Kronen. Willhelm blieb undankbar, und spähte nur auf neue Gelegenheit, sich nachdrücklich zu rächen. Doch sein Groll kochte heimlich. Der Friede war der Erde gegeben. Niemand hatte geglaubt, daß dieser schädliche, weit sich erstreckende Krieg durch alle tapfern Befehlshaber in einem Jahre, oder durch alle Befehlshaber in vielen Jahren zu Ende kommen würde, und doch der einzige Eduard siegte in zehn Monden über alle seine Feinde.

Tragisches Singspiel.

Die Scene ist ein Grabmaal. Die Königin Sophie[15] ihr kleiner Sohn, zwey Töchter, und weibliches Gefolge.

(Sie schmücken den Sarg der königlichen Leiche mit Blumenkränzen. Die Königinn sitzt in tiefer Schwermuth auf den untersten Stuffen mit ihrem Sohne.)

Chor.

Theurer Schatten nimm die Thränen,

Die der Schmerz vom Auge preßt;

Hör der Kinder banges Stehnen,

Sieh das schwarze Trauerfest!

Die beyden Töchter.

Ach! Wir suchen unsern Vater!

Schwester wein, wir sind verwaist!

Die Mädchen des Gefolges.

Ach! Wir suchen den Berather;

Blick herab gekrönter Geist!

Alle.

Theurer Schatten, nimm die Thränen,

Die der Schmerz vom Auge preßt;

Hör der Kinder banges Stehnen,

Sieh das schwarze Trauerfest!

(Die Königinn Sophie fährt auf, blickt wild um sich, und drückt ihren Sohn an den Busen.)

Soph.

Noch lebst du mein geliebter Sohn!

Der Tod entriß mir einen Gatten,

Und dir den Vater und den Thron!

Er ist des stolzen Siegers Lohn,

Der theure Preiß für seine Thaten.

Bald wird sein Aug uns neidisch sehn.

Bald wird die Staatskunst dich aus meinen Armen reissen.

Nein! Eh muß ich zu Grabe gehn!

Dann mag sich unser Feind auch deinen Mörder heissen.

Zuerst durchbohrt man mich,

Und dann erwürgt er dich.

Arie.

O Gatte, dessen Geist mich hört!

Belohn mein zärtliches Vertrauen!

Da meine Zähren dich bethauen,

Bin ich des sanften Blickes werth.

Entreiß den Sohn den Tygerklauen!

Wirst du als Vater auf uns schauen,

So sinkt vielleicht das Mörderschwert.

Chor.

Wie sich izt rings um uns der Himmel trübt?

Da liegen wir bethränt auf diesen Marmorstufen,

Und wagen es, die Gottheit anzurufen,

Daß sie uns gütig Beystand giebt.

(Man hört ein Geräusche. Die Gegenwärtigen zittern, und harren ängstlich den Kommenden entgegen. Das Gefolge Eduards erscheint gewafnet, die Königinn umarmet mit ängstlicher Innbrunst ihren Sohn, und die Mädchen umgeben sie)

Soph.

Zurück! entweicht von dieser frommen Stätte,

Wo mein gekrönter Gatte ruht!

Vielleicht verhönt ihr mich mit blutigem Gespötte?

Entflammet Euch die rächerische Wuth;

Ihr Mörder dürstet Ihr nach Menschenblut?

So kommt, und trinket erst das Meine!

Verschont den Sohn; entehret nicht Gebeine,

Dieß ist der edle Rest, der uns noch heilig ist,

Schenkt dieser Thräne Huld, die izt von neuem fließt!

(Eduard mit seinem Gefolge erscheint, die Königinn eilt zu seinen Füssen.)

Soph.

Fürst Gnade, Gnade!

Edu.

Wie göttlich schön ist sie!

So viele Reize sah ich nie!

Soph.

O sieh, wie ich mich hier in Thränen bade ——

Beraub mich meiner Kinder nicht!

Edu. (indem er sein Antlitz von ihr wegwendet.)

O schönste Königinn, bedecke dein Gesicht!

Du könntest meine Tugend schwächen.

Dann will ich weiter mit dir sprechen.

(Sophie verschleyert sich.)

Edu.

Dein Schmerz ist edel und gerecht.

Ich bin ein Mensch, und ehre dein Geschlecht,

Ich schätze dich, und zähle deine Thränen.

Ich komme nicht hieher den Todten zu verhöhnen,

Weil ich sein Sieger bin; Nein, Ehrfurcht führt mich her.

Die Zähre, die ihn nezt, soll seine Thaten krönen!

Ich fällte manchen Feind, der Würdigste war er!

Ruh sanft du edle Leiche! ——

Wie rühmlich floß dein Heldenlauf!

Wenn ich dir einst am Ruhme gleiche,

Und dir auch nicht an Tugend weiche;

So bin ich stolz darauf.

(Zur Königinn.)

Arie.

Besteig den Thron als Königinn!

Ich schenke deinem theuren Sohne

Sein weites Reich, und seine Krone!

Wiß, daß ich Feind der Stolzen bin;

Doch die Demüthigen verschone.

Nimm diesen goldnen Zepter hin!

Chor.

Preiset, und ehret ihr rühmlichen Krieger,

Den mächtigsten Helden, den tapfersten Sieger!

Soph.

Der gröste Fürst bist Du!

Der Himmel schicket uns durch Dich den Segen zu!

Edu.

Izt hab ich noch den schwersten aller Siege!

(Er blickt sie an, wankt, und sagt entschlossen.)

Lebwohl —— Wir haben uns das letztemal gesehn!

Indem ich rasch aus diesem Grabmaal fliege,

Wird erst die gute Handlung schön.

(Er geht.)

Chor.

Preiset, und ehret ihr rühmlichen Krieger,

Den mächtigsten Helden, den tapfersten Sieger.

Sendschreiben.
Alsin an Eduard.

Wie, mit Lorbern belastet, in Mitte der glänzendsten Siege

Eduard, liebst du mich noch, und schreibst mir freundschaftliche Briefe?

Wie kannst du bey soviel Geschäften die goldnen Minuten

Gütig verschenken, den Lehrer zu grüssen, der ewig dich liebet,

Dich in blutige Schlachten mit Zittern begleitet, und seufzet,

Dich mein erhabner Zögling, von Feinden umringet zu sehn?

Wie oft wünsch ich dich in die Arme der Musen zurücke;

Wie oft träum ich mich wieder in jene glückseligen Stunden,

Da ich mit dir die Lichter der Erde mit Musse besuchte;

Bald mit dem Honig der Dichtkunst, und bald mit dem Nectar der Weisheit

Deine hungrige Seele durch grosse Gedanken erquickte.

O schon damals reiften die Keime der edelsten Tugend!

Welche Wonne durchströmte mich oft, wenn zärtliche Bilder,

Sanfte Gemälde des Lebens die Thränen vom Auge dir lokten!

Freudiger schlug mir das Herz, und Hofnungen labten den Busen.

Dieser wird König! So sagt ich, wie wird Er die Erde beglücken!

O weissagend ist dieses Gefühl, und heilig die Regung!

Menschlichkeit ist die Zierde der Fürsten, die Stütze der Throne!

Dank dir allmächtiger Himmel, du hast die Lehren gesegnet!

Sieh, schon reifet mein Zögling, mein Liebling zum Fürsten der Fürsten!

Nicht durch blutige Siege, — Durch ewige Thaten des Herzens!

Thaten, die noch unsterblicher werden, wenn Er schon verweset.

Indeß die fressende Zeit die goldnen Trophäen verschlinget,

Die nur ein Denkmaal der harten Zerstörung der Menschen bereiten.

König, du weintest, so schreibst du, nach jenem berufenen Treffen;

Schick mir die Thränen, damit ich sie trinke, die göttlichen Thränen!

Eine von ihnen verdient Obelisken; die Lorbeern verwelken!

Du hast die Wunden der Feinde gesalbet. O könnt ich dich küssen!

Wie ein Vater den Sohn mit brünstigen Armen umfassen,

Dich mit Zähren des Dankes bethauen! Ich danke dir Zögling,

Du hast den Saamen der Weisheit gesammelt, gepflegt, und genähret.

Aber was soll ich vom Siege, vom herrlichsten Siege dir sagen?

Selbst der herzenzerschmelzenden Schönheit der Weiber entfliehst du!

Nimm die Krone! Sey König! Die reizende Tugend bekrönt dich!

Eduard, liebe die rühmlichen Gleise, sey immer dir ähnlich;

Sey stets ein Bruder der Menschen, ein zärtlicher Vater der Völker;

Liebe dein Vaterland mehr als die verwelkenden Palmen!

Schenk, sobald es die Staatskunst erlaubt, der Erde den Frieden;

Sey mehr gütig als groß, mehr menschlich, als unüberwindlich!

Nicht nur im Schlachtfeld ist Arbeit, der Friede hat edle Geschäfte.

Einst beglükst du die blühenden Staaten mit weisen Gesetzen;

Du verherrlichst die Städte mit Wissenschaft, steigenden Künsten,

Schönen Pallästen, die deine ruhmwürdige Kenntniß bezeichnen.

Da lebst du von Freunden gepriesen, von Bürgern verehret,

Von den Bundesgenossen geliebt, von Nachbarn bewundert.

O dieß reizende Bild verjünget mein silbernes Alter!

Dann kriech ich mit segnender Lippe zur Stufe des Thrones,

Bringe Dir lallend den Abschiedgruß, preise die selige Stunde,

Die dich der Erde zum Trost, zum süssesten Labsal geschenkt hat.

Aber zu weit verliert sich mein Geist in reizenden Träumen!

Träumen? Nein! Lebende Bilder sind dieses, du wirst sie beseelen!

Sey nur so thätig wie jener, der jede Minute beweinte,

Die nicht sein göttliches Herz durch rühmliche Handlungen schmückte.

Aber dein Anfang beweiset, daß du nicht Sekunden verlierest.

Schenk dich uns bald, mit Sehnsucht erwarten dich schmachtende Freunde:

Nicht mehr mit Briefen, mit jauchzendem Munde will ich dich begrüssen.

Brief.
Eduard an Alsin.

Zu Pferde lese ich deinen Brief, und zu Pferde schreibe ich auf meine Schreibtafel zur Antwort: Meine Feinde sind gedemüthiget, und ich komme dich kindlich zu umarmen, und dir mündlich zu sagen, wie sehr ich dir für dein warmes Sendschreiben danke, und dich liebe u. s. w.

Scene.

Ein Saal mit den Schlachtgemälden Eduards. Eduard, einige Höflinge hernach Beliam.

Edu. Der Maler versteht seine Kunst! —— Lasset ihm die Originalplane geben! —— (Er liest) Die unglaubliche Uebersetzung des Flusses —— Die wunderbare Schlacht bey —— Lasset diese schwülstigen Aufschriften weg! Sagt die Sache kurz: die Uebersetzung des Flusses, die Schlacht bey —— Grosse Aufschriften machen kleine Thaten! —— Albin, dir übergebe ich die Besorgung dieses Geschäftes; zieh meinen Freund Alsin in allem zu Rath. Ich kenne deinen guten Geschmack. —— Beliam, was bringst du so freudig?

Beliam. Alle gute Dinge sind drey! —— Das Erste ist mein Gruß! Das Zweyte ist ein wunderbares Ding, und das Dritte diese Rolle Papier.

Edu. Den Gruß nehme ich mit Dank. Das Zweyte mußt Du mir deutlicher erklären, und das Dritte will ich lesen.

Beliam. Salinia, das schönste Mädchen am ganzen Hofe, schickt mich zu dir mit diesem Briefe, und sie gab mir noch Etwas für dich. Weiser König, rathe selbsten was es ist. Ich will dirs sonnenklar beschreiben. ——

Räthsel.

Bist du mein Held wie einst Oedip bescheiden;

So löse mir das Räthsel mit Verstand!

Ein Alexander mag den Knotten schneiden,

Das zeigt nur Stolz, und eine kühne Hand.

Sprich meinen Namen aus, der allen lieblich klingt,

Von dem ein jeder Dichter singt.

Nur Gleißner nennen mich mit Stocken und Erröthen.

Bald darf ich frey in die Gesellschaft treten.

Man sieht mich gern in grossen Häusern blühn.

Bald muß ich scheu die Sonnenstralen fliehn.

Einst lebt ich brüderlich mit Freunden und Verwandten,

Bis mich die Schwesterchen verbannten.

Seitdem bin ich den Liebenden getreu,

Ich werde seltsam, aber neu.

Sehr oft misbrauchen mich Verräther.

Die Näscher machen mich gemein.

Mich hassen gar zu strenge Väter.

Den Brünstigen bin ich verächtlich, klein.

In jenen edlen Heldenzeiten,

War ich ein unschätzbarer Preis.

Ich suche den, der mich oft nicht zu schätzen weiß.

Ein andrer muß um meine Freundschaft streiten.

Ich lohne den, der mich erringen muß.

Ich lasse mir von Fürsten nicht befehlen.

Oft schenkt man mich nur mit Verdruß.

Die sind nicht thöricht, die mich stehlen.

Doch der erkennt von mir den ganzen Werth,

Der seine Liebe froh durch mich beschwört.

*          *          *
*          *

Eduard.

Weil ich dir doch das Räthsel lösen muß;

So sag ich dir geheim, es ist ein —— Kuß!

Cantate.
der Salinia an Eduard.

Arie.

Liebe, süß sind deine Freuden;

Mich berauschet dein Genuß.

Reiche mir den Abschiedskuß,

Denn wir müssen ewig scheiden.

Du bist flüchtig wie das Glück.

Ich befürchte deine Ränke.

Wenn ich deine List bedenke,

Beb ich scheu vor dir zurück.

Recitativ.

Laß mich dem Donner rasch enteilen,

Die du dem Vater Zevs oft hämisch stihlst.

Ich weis, daß Du mit Herzen spielst,

Oft Wunden schlägst, um sie nicht mehr zu heilen;

Und dich am Menschenblute kühlst.

Ich will dein frohes Lächeln nützen,

Und fliehe scheu vor deinen Blitzen.

Arie.

So lebe wohl, du süsses Götterkind!

Wir trennen uns nicht ohne sanfte Zähren,

Die nur zu sehr mein armes Herz belehren,

Wie angenehm selbst deine Fässel sind.

Izt, da ich dich aus meinem Busen reisse,

Bleibt meine Seele noch von deinen Reizen voll.

Indem ich Dir den wärmsten Dank verheisse,

Wein ich Dir noch mein letztes Lebewohl.

Recitativ.

O wenn du holder Gott, auch so beständig wärest,

Als du bezaubernd bist!

Wie blühte dein Altar, den du zerstörest,

Und der der schönste Preis von deinen Siegen ist!

O Liebe, willst du mich mit fester Freundschaft küssen,

So komm mein Leben zu versüssen!

Ich schwöre dir die treusten Dienste zu.

Mein angenehmster Gott bist du.

Arie

Jauchze Geist, frohlocke Herz!

Mich begeistern edle Triebe;

Mich vergöttert izt die Liebe,

Mir lacht jugendlicher Scherz.

Amor, du bist meine Sonne,

Die mein Mund am Morgen grüßt;

Mich beseelet deine Wonne

Wenn der Mond die Tage schließt.

Scene bey Hofe.

Der König, und sein Vertrauter Albin.

Edu. Und was wäre denn der sehnlichste Wunsch deines Herzens, und meines Volkes?

Alb. Daß der beste König seinem Vaterland eine Mutter und einen Erben ——

Edu. Ich verstehe dich! — Ich hasse politische Verbindungen.

Alb. Eure Majestät sind frey, und können wählen.

Edu. Die Wahl ist schwer. Die Sitten, die Charaktere des schönen Geschlechtes sind abgewürdiget ——

Alb. Tugenden sind allezeit selten; aber doch zu finden.

Edu. Kennst du ein vollkommenes Weib?

Alb. Ich bin so glücklich ——

Edu. Du?

Alb. Ich kann mir schmeicheln, einen solchen Schatz zu besitzen.

Edu. Du entlockst mir ein Lächeln. Mein Freund, ich wünsche dir Glück! Nähre deinen Wahn!

Alb. Auf die Treue meiner Geliebten setze ich mein Leben!

Edu. Viel gewagt! — Mann, du sprichst so dreist, daß ich Lust hätte, dich ein bischen zu demüthigen. Wir wetten ——

Alb. Meine Sidia ist die Krone der Mädchen! Sie liebt mich —

Edu. Bis einer kommt, der sie bezaubert. Ich will sie dir treulos machen.

Alb. Ohne königliche Gewalt gewiß nicht!

Edu. Wir wetten also! —— Dieser goldene Orden sey der Preis unserer Wette! —— Ich will dir dein getreues Mädchen mit süssen Schmeicheleyen entführen. Verlierst du; so soll mein gerechtes Hohngelächter deine Strafe seyn, und du sollst dich hüten, mir ferner von Weibern zu sprechen. Komm, ich will mit dir im Garten die kleine List verabreden.

Poetische Erzählung.

Bleibt fern von mir ihr tragischen Erzähler,

Weil euer Trauerton das Ohr erschreckt!

Ihr Schönen, die man gern mit feinem Spotte neckt,

Ich streife nur mit Lächeln eure Fehler.

Befürchtet nicht, daß Euch die Muse häßlich macht,

Wenn auch ihr kleiner Satyr lacht.

Laßt nur den Witz sich an den Mängeln üben,

Die Männer müssen Euch doch ewig lieben,

Dafür hat selbst die Frau Natur gesorgt,

Die ihren Kindern selten borgt.

Sie fodert von den Herzen strenge Steuern,

Und läßt den Pfeil der Liebe niemals feyern.

Jedoch beginnen wir; mit Gunst!

O Muse, steh mir bey, und male die Geschichte,

Denn ich verstehe keine Kunst.

Du giebst mir Stoff und Worte zum Gedichte.

Albin verschwand bey Hof, und wählte sich das Haus

Der schönen Sidia zur Zuflucht aus.

Er kömmt verstöhrt. Sein scheues Wesen

Läßt schon auf seiner Stirn ein grosses Unglück lesen.

Sie dringt in ihn; er seufzt, und schweigt.

Sie fleht so lang, bis sie ihn beugt.

Zu siegreich sind die sanften Thränen,

Besonders bey geliebten Schönen.

Vergesset nicht, daß meine Sidia

Erst achtzehn Sommer zählet!

Denn wenn ein Weib schon sechzig Winter sah,

Wird ein Versuch mit Zähren ganz verfehlet.

Albin eröfnet ihr, daß er beym König fiel,

Daß seine stolzen Feinde siegen.

Du kennst schon, sagt er ihr, der Schranzen Gaukelspiel!

Du weißt, wie leicht sie allzeit Fürsten trügen.

Mein Leben steht izt in Gefahr.

Die Flucht allein kann mich erretten.

Hier dräun mir Theureste, nur Schand und Ketten.

Warum die Flucht, rief sie, die ganz versteinert war.

Wer soll dich aus dem Arm der Liebe reissen?

Hab ich dir nicht mein Herz verheissen?

Zuerst erwürgt man mich!

Warum willst du dich von mir trennen?

Wer weiß den Aufenthalt, den nur wir beyde kennen?

Hier wohne Freund, die Wächterinn bin ich!

O dies Geheimniß soll mir nicht der Tod entlocken!

Ich werde nicht bey Martern stocken.

Du sollst durch mich gerettet seyn!

Albin umarmet sie, und willigt ein.

Er singt das Weiberlob aus froher Kehle,

Indeß ertheilt der Fürst die dräuenden Befehle,

Und will den flüchtigen Albin bestrafet sehn.

Dem Finder werden selbst Belohnungen versprochen.

Izt sollten wir nach Hofe gehn,

Da sind für Höflinge die wichtigsten Epochen,

Wenn gäh ein grosser Günstling fällt.

Wie prächtig wird sein Lebenslauf erzählt!

Schreyt nur ein Feind, so schreyen alle,

Und jeder Höfling füllt den Mund mit Galle.

Wer kann dem Geifer widerstehn?

Doch weder Haß, noch glänzende Versprechen

Entdecken unsern Schuldigen.

Die Neider konnten sich nicht rächen,

Die Scene blieb stäts ohne Blut.

So stand die Sache, das war gut. ——

Von ungefähr ergötzt sich Eduard mit Jagen.

Ein Ungewitter kömmt, und überraschet ihn.

Da steht mein Fürst getauft, mit leerem Magen;

In welches Zufluchtort soll er in Eile fliehn?

Er reutet durch Gebüsch und schwere Gleise;

Doch gäh zeigt sich ein Waldpallast.

Er nähert sich dem Thor, und pocht ganz leise.

Der Pförtner fragt: Wer da? Die Antwort war: Ein Gast!

Man läßt ihn ein. Der Ruf mit schnellen Flügeln

Verbreitet sich. Der König wird begrüßt.

Und Sidia, die Frau von dieser Wohnung ist,

Eilt sich geschwind zu schmücken, und zu spiegeln,

Und läßt das Schlafgemach Albins verriegeln.

Der Leser denkt hier kritisch nach.

Sie will, denkt er, ihr theures Pfand versiegeln;

Ganz billig schließt sie das Gemach.

Jedoch die Eitelkeit will ihm nicht recht behagen;

Mir auch nicht, das will ich ganz im Vertrauen sagen.

Jedoch das reizende Geschlecht liebt Ziererey,

Vielleicht wars blosse Tändeley,

Jedoch ich eile rasch zur Sache.

Die schöne Wirthinn grüßt den Gast in seiner Sprache.

Man speist, der edle Rebensaft

Entflammt allmählich ihre Busen. ——

Verlaßt mich nicht beredten Musen,

Gebt meiner Feder neue Kraft!

Zwey Herzen fühlten sanfte Triebe,

Und Eduard gestand ihr seine Liebe.

Das Herz der Könige wird nie verschmäht.

Wenn im Roman ein Held durch vierzehn Bücher geht,

Eilt ein Monarch mit Riesenschritten.

Genug die Sidia ließ sich erbitten.

Jedoch als Sieger seufzt noch Eduard.

Was nüzt ein Gut, ruft er, das man so schwer bewahrt?

Kömmt dein Albin einst wieder;

So wird mein Glück zerstört.

Der kleine Zweifel schlägt den grösten König nieder?

Ruft Sidia, die ihn mit sanftem Lächeln hört.

Wie soll ich dir den Zweifel denn entreissen?

Durch eine Probe, sprach der Gast.

Ich gebe sie, lallt sie, jedoch es reut mich fast;

Du must mir für Albin erst deine Huld verheissen.

Sein Leben —— Nein! Brach hier der König ein,

So wahr ich izt den goldnen Orden fasse;

So wahr bleibt es, daß ich ihn hängen lasse!

Ein König darf kein Lügner seyn.

Die Sidia befiel ein banges Zittern.

Das Mitleid wirkt bey weiblichen Gemüthern.

O König, nimm dein Herz, und deine Grösse hin,

Rief sie als Heldin auf, es lebe mein Albin!

Ich würde Dich als seinen Mörder hassen.

So müssen wir uns denn verlassen?

Nahm ganz betrübt der Fürst das Wort

O Sidia leb wohl, ich eile fort!

Es ist, ich fühl es schon, um meine Ruh geschehen.

Ach! Hätt ich Dich doch nicht gesehen!

Ich kenne Dich zu sehr, Du liebst;

Das Herz ist schon verschenkt, das Herz, das Du mir giebst!

Ich habe Dir ein freyes Herz gegeben.

Ich dachte nur allein für Dich zu leben.

Es war ein süsser Traum. Lebwohl! Er seufzt, und geht.

Die Schöne hat bisher sehr hart gefochten.

Sie ward in einem Streit verflochten,

Bey dem kein Engel lang besteht.

Oft fielen Mädchen, die am meisten pochten.

Bleib doch zurück! Rief sie, nimm hin

Mein schwaches Herz, und den Albin!

Izt führt sie ihn mit Zittern zum Gemache.

Hier wohnt der Gegenstand von Deiner Rache!

Doch wenn Du mich mit wahrer Treue liebst,

So wirst Du mir die Zärtlichkeit beweisen,

Wenn Du sein Blut mir zum Geschenke giebst,

Laß ihn von hier in Frieden reisen!

Albin, so rief der Fürst, Du hast verspielt!

Du bist verkauft durch Deinen schönen Wächter.

Sieh Freund, so sind die hübschen Erdetöchter.

Gestehe mir, daß jede schielt!

Doch ich will meinen Schwur nicht brechen,

Und ich erfülle mein Versprechen.

Empfange zum Geschenk dieß goldne Ordensband

Aus deines Königs Hand!

Er soll, so wie ich schwur, an Deinen Nacken hängen!

Doch sey auch klug, und spiele nicht den Strengen.

Reicht Euch die Hand, versöhnet Euch,

Es war ein kleiner Liebesstreich!

Ich will mich heut bey Euch recht lustig machen,

Ihr müßt mit mir von Herzen lachen.

Was thut Albin? — Er nimmt sein Mädchen an,

Denn er war stäts ein guter Mann,

Das sag ich ihm zu seinem Lobe.

Doch setzt er sie nicht weiter auf die Probe,

Und das ist gut gethan.

Gesetzt er härmte sich, und würde mager,

Es hälf ihm nicht.

Ihn tröstet doch ein königlicher Schwager.

O Leser, wenn vielleicht auch dein Gehirnchen sticht,

Sey ohne Sorgen, küß, und laß dich küssen,

So lang es dir beliebt!

Doch hüte dich die Kleinigkeit zu wissen,

Die dein geliebter Schatz dem Nebenbuhler giebt.

Lustspiel.
Scene bey Hofe.

Isidor, Dornwald, Edmund, Rasian, andere Höflinge, hernach Albin.

Isid. Albin hat des Königs Gunst verloren, das ist schon Verbrechen genug.

Edm. Er ist dem Sturm glüklich ausgewichen.

Ras. Seine Flucht ist ein Meisterstreich.

Dornw. Unter uns, ich wünsche euch allen Glück, daß ihr von diesem feinen Schurken befreyt seyd.

Ras. Du hast in meinem Herzen gelesen. Ich kann Euch schwören, daß ich ihn aus ganzer Seele hasse.

Isid. Ich liebe ihn wie den Tod! Der Schleicher war stäts ein Eckstein, woran ich meinen Kopf stieß.

Dornw. Er war der erste Taugenichts, den ich kenne.

Isid. Ein Meister in allen Lastern.

Ras. Ein Erzschwelger.

Dornw. Ein Betrüger! Wie viel Gläubiger werden durch ihn zu Bettlern!

Edm. Ich will mein Leben verwetten, er war auch ein falscher Spieler ——

Isid. O das war er allezeit! Ich kenne auch keinen grössern Verschwender.

Ras. Er ist ein Wollüstling. Wie viel Schlachtopfer verkauften ihm die Mädchenhändler!

Dornw. Er verdient Verachtung! Laßt ihn vergessen!

Isid. Der König sollte ihn zum Exempel bestrafen ——

Dornw. Wer weis, was noch geschieht? Ich will alles beytragen.

Isid. Ich goß überall Oel in die Flammen.

Edm. Man sollte nur sein Zufluchtort ausspüren.

Ras. Er wagt sich sobald nicht an das Licht. —— Aber sehe ich recht? —— Da kömmt er! —— Ich irre nicht ——

Isid. O Bravo! Das wird ein feines Spiel bey Hofe werden.

Dornw. Das ist unverschämt, dreist, bis zur Tollheit dumm!

Isid. Der Stier eilt selbst zur Schlachtbank. Hahaha!

Alle. Hahaha!

Alb. Willkommen meine Freunde!

(Die Höflinge, als wenn sie ihn nicht sähen, theilen sich in kleine Haufen, sprechen leise mit einander.)

Alb. Isidor, ist der König schon zu sprechen?

Isid. Das weis ich nicht. Ich trete eben ein. Was giebt es Neues? —— Eben recht, Dornwald, auf ein Wort!

(Er verläßt den Albin, und eilt zu Dornwald.)

Alb. Mein lieber Rasian, wie geht es Dir?

Ras. So so! —— Edmund, sind deine neuen Gestütpferde noch käuflich?

Alb. Die Herren sind zu sehr beschäftiget, ich will eintreten.

(Er geht ab.)

Alle. Hahaha!

Isid. Der Geck! Er wird beym König kriechen, und betteln.

Ras. Laßt uns horchen! —— Ein Seufzerkoncert!

Dornw. Er wird eine zürnende Gottheit finden. Der Fürst ist heut in wilder Laune.

Neuer Auftritt. Der König, Albin, Vorige.

Eduard. Meine Freunde, da führ ich Euch meinen lieben Albin auf! Wir sind versöhnt. Es war ein blosser abgeredeter Scherz. Wünscht ihm Glück zu neuen Würden, und Zeichen meiner Gnade. Albin, wir sehn uns heut bey der Tafel! (Er geht.)

(Alle Höflinge drängen sich zu, den Albin zu umarmen.)

Isid. Seht, unser Albin ist uns endlich wiedergeschenkt! —— Meinen herzlichen Glückwunsch!

Edm. Ich nehme den lebhaftesten Antheil.

Ras. Ich bin entzückt!

Dornw. Ich bin hingerissen!

Isid. Ich habe für Dich wie ein Bruder gearbeitet ——

Edm. Du bist mein Zeuge Isidor, wir beyde ——

Ras. Auch ich war dabey!

Dornw. Der König wollte mich lang nicht hören ——

Isid. Endlich wich er unsern dringenden Bitten.

Alb. Welch ein glücklicher Mann bin ich! Wie viel Freunde!

Komisches Singspiel.

Final. Chor von Allen.

Seht die Freuden uns umschweben;

Lasset uns in Freundschaft leben,

Sie erquicket meine Brust.

Ihren zärtlichen Befehlen

Folgen die erhabnen Seelen,

Freundschaft ist der Menschen Lust!

(Alle lispeln leise für sich.)

So verstellt man seine Triebe,

Und man zeiget warme Liebe,

Wenn man tödtlich haßt.

Isidor.

Ich bin meiner Züge Meister!

Rasian.

Von mir lernen kleine Geister!

Edmund.

Solche Freunde sind zur Last!

Albin.

Ich umarme, küsse, preise,

Doch die Worte bleiben Dunst.

Alle sehr still.

Wie die Schlangen gehn wir leise,

Und die zärtlichsten Beweise

Lehrt uns die Verstellungskunst.

Chor von allen.

Eilt euch liebreich zu umfassen!

Busen, die die Falschheit hassen,

Fässelt heut ein Liebesband.

Schwöret itzt mit sanfter Freude,

Schwört die angenehmsten Eyde;

Schenkt die Herzen mit der Hand!

(Sie schlagen die Hände mit Geräusche einander.)

Ende der zweyten Kaprizze.


Der Mann Eduard.

Dritte Kaprizze.

Scene.

Eine Studierstube. Eduard, und der Weise.

Edu. Mein Besuch ist mir reichlich vergolten! Ich bewundere deine tiefen Einsichten. Die Philosophen sprechen von vielen Welten. Was denkst du davon?

Der Weise. Für den Weisen sind viele Welten; aber für die Eroberer ist nur eine. Der Weltweise kann seine gelehrten Eroberungen unendlich ausdehnen. Sein Adlerblick übersieht wirkliche und mögliche Schöpfungen.

Edu. Eine Welt ist dem Ehrgeiz zu klein.

Der Weise. Die Sonne ist neunmahlhunderttausendmal grösser, unser Ehrgeiz ist also minder beschränkt.

Edu. Ehe ich dich verlasse, sollst du eine Gnade von mir fodern.

Der Weise. Ich befinde mich jetzt in der Lage eines Diogenes; Der cynische Weltweise hat dem grossen Alexander, wie mir däucht, als ein stolzer Narr geantwortet. Ich sage Eurer Majestät für ihre Gnade Dank. Ich habe meine wenigen Bedürfnisse so nach der Natur beschränkt, daß ich in der That nicht geschwind wüste, was ich wünschen sollte. Alles was mir Könige geben können, ist mir entbehrlich; und alles, was ich wünsche, haben die Könige nicht. Doch in Eurer Majestät Staaten leben viele meiner bedürftigen Brüder; giessen Sie ihre Wohlthaten auf die Armuth aus, und vergrössern Sie meine Glückseligkeit, indem ich höre, daß die Armen erquickt sind.

Edu. Deine Bitte ist schön! —— Du bist menschlicher als Diogenes.

Der Weise. Und du gütiger als Alexander!

Roman.

Es war Friede, und Eduard überließ sich den Freuden der Liebe. Sein Hof war der Sammelplatz des schönen Geschlechtes, und die artigsten Liebesgeschichten waren täglich der Gegenstand der lächelnden Kreise. Der König wurde von den Gunstbezeugungen der wohlthätigen Grazien zu sehr überhäufet, und wünschte einmal das seltne Vergnügen zu fühlen, nicht als König, sondern bloß als Liebhaber zärtlich geliebt zu seyn. Ein Zufall gab ihm, was er lange vergebens wünschte, eine Geliebte, die ihn selbst, und nicht seinen Stand liebte.

Eduard hatte einer seiner Freundinnen ein niedliches Landhaus gekauft, das er oft verkleidet besuchte. Es stand in einer Gegend, wo auf malerischen Hügeln einige Lusthäuser zerstreut lagen. Eines Tags spazierte er ganz allein, und beschaute alle benachbarten Gärten. Er sah einen, dessen angenehme Aussicht ihn entzückte. Er fand eine kleine Thüre offen. Er schlich durch das Gegitter, trat in die Ebne, und weidete sein Auge an den zierlichen Blumenbeeten. Er durcheilte den ganzen Garten, ohne jemand zu finden. Plötzlich trat er in eine duftende Laube; freundschaftliche Aeste neigten ihre fruchtbaren Wipfel einander entgegen, und umschatteten ein artiges Rebengeländer. Hier fand er ein schlummerndes Mädchen, das alle Schönheiten übertraf, die er jemals gesehn hatte. Sie fuhr beym Geräusche vom Schlummer auf. Er wich bescheiden zurück, machte ihr die höflichste Entschuldigung, erzählte ihr seine gereizte Neugier, und mischte so artige Schmäucheleyen in sein Gespräch, die sie immer sehr geistreich beantwortete, daß sie einander bezauberten. Die Liebe wirkt rasch. Sie bedarf nur weniger Augenblicke zum Siege, Elisie, so hies die Schöne, führte ihren Liebhaber durch die kleinen Stuffen der Zärtlichkeit, und Eduard liebte, ohne den König blicken zu lassen. Er gab sich für einen Höfling aus, und erfuhr, daß seine Schöne die Tochter Alsanders eines bemittelten Edelmannes war. Izt begann eine geheimnißvolle Liebesgeschichte. Man wechselte Herzen, man bestellte sich zärtlich, und dieses mystische Gepräng hatte für einen siegreichen König besondere Reize.

Eines Tages findet Eduard seine Elisie in Thränen. Er dringt in sie; er späht die Ursache; mit Schluchzen erklärt sie ihm, daß ihr Vater sie an einen Nachbar seinen alten Freund vermählen wollte. Das soll er nicht! Ich befehle, rief Eduard, der den Liebhaber vergaß, und den König zur Unzeit spielte. Er faßte sich plötzlich, er ersann ein Rettungsmittel; keines gefiel. Er schlug ihr die Flucht vor; aber Elisie war tugendhaft. Eine seltsame Lage für einen verliebten König!

Der Vater hatte von der heimlichen Liebe seiner Tochter einige Spur, doch ohne zu wissen, daß dieser Anbeter sein König seyn sollte. Er wollte dem Liebesverständnisse, das seinen Absichten zuwider war, Schranken setzen, und hielt seine Tochter sehr eingeschränkt, ließ sie selten allein, und der durchlauchtige Verehrer mußte sich mit kleinen zärtlichen Briefchen begnügen. Eduard war in Verzweiflung, er wollte seine Geliebte besitzen, und entschloß sich seinen gefährlichen Nebenbuhler zu entfernen. Er berief ihn unter einem Vorwande nach Hof, und verheurathete ihn an ein reiches Fräulein. Der Vater Elisiens als ein Mann von Entschlüssung tröstete sich damit, daß er einen andern Eidam wählte, und Eduard hatte einen neuen Nebenbuhler. Noch niemals fand sich ein verliebter König in solcher Verlegenheit. Er entwarf tausend Plane. Bald spielte er den Monarchen, und riß gewaltthätig die Entwürfe seiner Gegner über den Haufen; gleich nahm er wieder Zuflucht zur Sanftmuth um seinen königlichen Stand nicht zu verrathen.

Endlich näherte der traurige Zeitpunkt, in welchem er alle seine Hofnungen verschwinden sah. Ein Prozeß zwang den Alsander in der Stadt zu erscheinen. Er nahm aus Vorsicht seine Tochter mit sich. Er besuchte gelegentlich alle Palläste, zeigte ihr alle Seltenheiten, und ließ sie auch den König bey der Tafel sehen, um ihr die Pracht eines königlichen Mahles begreiflich zu machen. Sie traten in den Speisesaal, viele Fremde waren zugegen. Alle bewunderten den fürstlichen Aufwand, den Geschmack und die Kunst der goldnen Geschirre; aber der König zog alle Augen auf sich.

Alsander zeigt seiner Tochter den König, sie erblickt in ihm ihren Geliebten, und sinkt ihrem Vater ohnmächtig in die Arme. Der Zufall war neu. Alle Hofdiener, und Schranzen eilten herzu. Ein Fräulein, das mehr ein Engel, als ein Mensch war, in Ohnmacht zu sehen, war für galante Höflinge ein zu wichtiger Gegenstand. Alles war beschäftiget. Hundert Hände mit Balsamgerüchen waren gerüstet. Jeder machte sich ein Verdienst daraus, der erste zu seyn. Eduard selbst sprang von der Tafel auf, und drängte sich durch; aber welche Erstaunung befiel ihn, seine geliebte Elisie an seinem Hofe in Gefahr zu sehen. Er ließ sie eilends in seinen Gemächern zur Ruhe bringen. Der königliche Leibarzt ward gerufen, und alle Höflinge machten tausend Muthmassungen, und bestimmten das gute Fräulein entweder für sich selbst, oder für den König zur Geliebten.

Den ganzen Tag ward nur von der unbekannten Schönen und ihrer wunderbaren Ohnmacht gesprochen. Diese Begebenheit war eine wichtige Beschäftigung für müßige Hofleute. Elisie befand sich in einer kritischen Lage. Eduard verließ nicht das Vorgemach seiner Gebieterinn, spähte immer auf alle Zufälle, und empfahl dem Arzte seine Geliebte wie sein eignes Leben. Er rufte Alsandern zu sich, und entdeckte ihm seine ganze Liebesgeschichte. Der Vater staunte, und sah wohl ein, daß er in einem schweren Handel verflochten wäre; er sagte dem König mit der Entschlossenheit eines rechtschaffenen Mannes: Eure Majestät, nach den gewöhnlichen Sitten der Welt sollte ich sagen, daß ich mir die gröste Ehre daraus mache, meine Tochter von einem Könige geliebt zu sehen; aber ich bin von den ausserordentlichen Menschen, die nach eignen Begriffen handeln, und ich gestehe Eurer Majestät, daß ich zu ihrer eignen Ruhe und zum Wohl meiner Tochter wünschte, daß sie von einem Manne ihres Standes, nicht aber von einem durchlauchtigen Anbeter geliebt würde. Ich bin Unterthan, Eure Majestät sind mein Gebieter. Ihre Gewalt ist grösser als die Meinige; alles, was ich als Vater thun kann, ist, meiner Tochter wie ein wahrer Freund zu rathen, und ihrem Herzen die Entscheidung zu überlassen. Die Folge wird zeigen, ob sie mehr ihren Liebhaber, oder ihre Ehre und die Tugend liebt. Da ich sie mit schwachen Händen als Vater wider einen mächtigen Monarchen schützen würde; so soll der Himmel und ihre Rechtschaffenheit sie wider die Versuchungen der Liebe, der Gunst, der Grösse, und der Gewalt schützen!

Sie sprachen noch, als Elisie sich dem König, und ihrem Vater zu Füssen warf, und beide um eine Gnade flehte. Jeder bewilligte die Bitte; aber wie erstaunten sie, als sie hörten, daß sie um die Freyheit bat, in eine geistliche Freystäte sich zu begeben. Ich liebe Eure Majestät; rief sie, ich erröthe nicht über dis Geständniß, ich habe bey meiner Wahl ihre persönlichen Eigenschaften nicht ihren erhabnen Stand gekannt. Als König hört Eduard auf mein Liebhaber zu seyn; aber kein Mann ist würdig sein Nebenbuhler zu werden. Ich verlasse Sie auf ewig, weil ich meine Tugend mehr liebe, und fliehe alle Menschen, weil ich sie allein liebe. So sprach sie entschlossen, troknete ihre Thränen ab, faßte liebreich die Hand ihres Vaters, und eilte zur Pforte. Umsonst beschwur sie Eduard, ihren Entschluß zu ändern; nichts machte sie wanken, und sie flog in die Einsamkeit. Eduard wollte seine gegebene Verheissung aus Großmuth nicht brechen, und überließ sich lang einer schwermüthigen Laune, bis nach und nach neue wichtige Zufälle die zärtlichen Regungen aus seinem Herzen verbannten. Doch blieb die reizende und tugendhafte Elisie ewig der Gegenstand seiner Bewunderung, und wenn er das schöne Geschlecht preisen wollte, pflegte er zu sagen, schön und tugendhaft wie meine Elisie!

Die Meinungen der Höflinge waren getheilt. Einige bewunderten die ausserordentliche Entschliessung der schönen Elisie; andere tadelten die romantischen und strengen Begriffe; die meisten wünschten, daß ihre Töchter, Schwestern und Muhmen in einer so vortheilhaften Lage sich befänden, die sie und ihre Familie besser benutzt hätten. Aber die Ohnmachten waren sehr selten bey Hofe. Alsander pries seine würdige Tochter, und Elisie fand in der stillen Einsamkeit und in der sanften Beruhigung eines reinen Gewissens die Belohnung, welche der schönste Preis der Tugend ist.

Scene.

Ein königliches Gemach. Eduard, Lusian.

Lus. Ich lege Eurer Majestät meine Würde unterthänig zu Füssen. ——

Edu. Warum willst du mich verlassen?

Lus. Ich liebe mein Vaterland, und werde nie als ein undankbarer Sohn wieder meine landesmütterliche Erde streiten.

Edu. Mein liebster Lusian, hör die Vernunft! Dein Vaterland zwingt mich zum Kriege. War nicht die dreiste Antwort des Senats eine neue Beleidigung? —— Ich muß die Ehre meiner Krone rächen.

Lus. Schenken mir Eure Majestät wenige Tage, lassen Sie indeß ihre Waffen ruhn, und ich übergebe Ihnen ohne Schwertstreich friedsame Städte, die um ihren Schutz flehen sollen. ——

Edu. Da ist meine Hand! Ich kenne deine Treue!

Lus. Ich will mein Vaterland dem schändlichen Joch entreissen, unter dem es so lange seufzt. Stolze, grausame Senatoren haben die Gesetze vertilget, und ihren Eigensinn zum Orakel gemacht. Verflucht sey das Gesetzbuch der Despoten! —— Unter Eurer Majestät gütigen Zepter soll die glückliche Heerde ruhen! — Ich weis gewiß, daß der großmüthige Eduard nicht ein Land unterdrücken wird, das sich ihm freywillig ergiebt.

Edu. Es soll mein Vaterland werden! — Landsmann Lusian grüsse deine Mitbürger in meinem Namen!

Scene.

(Ein Platz der Stadt. Lusian, viele Senatoren, bewaffnete Bürger, Krieger, und ein unzähliges Volk, das von allen Seiten zudränget. Auf dem Platz ist ein feuriges Gefecht. Hin und wieder werden einige Haufen zu Boden geschleudert: In der Ferne hört man Schüsse, und einen schrecklichen Lermen. Die Krieger reissen die Senatoren aus den Häusern. Lusian fliegt daher mit blutigem Schwert. Die Fackeln verschwinden, und es wird Tag.)

Lus. Schonet das Blut! —— Meine Brüder, besänftiget Euch! —— Schützet die Freyheit! —— Führt die Senatoren in das Gefängniß! —— Ihr Tyrannen fort!

Einige Senatoren. Hülfe! —— Freunde! —— Bürger! Hülfe!

Lus. Hört diese Tyger nicht! —— Ihre Klauen triefen von Wittwenthränen und Waisenblut! —— Fort die Zerstörer der Gesetze! —— Friede meine Mitbürger! —— Freyheit! —— Die Republik ist frey! —— Die Gesetze leben auf! (Zu den Hauptleuten) Stillet den Aufruhr! —— Lasset Güte und Sanftmuth zurückkehren! —— Sammelt das Volk! —— Ich will meine Brüder grüssen! Kommet hieher meine Geliebten! —— Meine Freunde höret mich! Ihr sollt mein Vorhaben einsehen! Ich liebe Euch, kommet hieher!

(Er steigt auf eine Bühne, und das Volk umringet ihn.)

Rede.

Ich sehe alle Augen auf mich gerichtet; ich, der ich unter dem Geräusche der Waffen graute, trete unbereitet, unerfahren in den bezaubernden Künsten der edlen Wohlredenheit, mit einer freyen und offenen Stirne, mit einem zärtlichen, brüderlichen Herzen, ohne Schminke, vor das ehrwürdige Antlitz meiner theuersten Mitbürger, Euch als meinen Brüdern meine ganze Seele zu eröfnen, mit Euch mich zu erfreuen, und mit Euch über das gemeinschaftliche Wohl mich zu berathschlagen. Erlaubet mir geliebte Brüder, daß ich zuerst diese herrliche, grosse, freye, volkreiche Stadt grüsse, und dankbar segne wo ich das erste Licht des Lebens erblickte. Hier war meine Wiege! Diese Mauern empfiengen mein erstes kindliches Lächeln! Früh hat das Schicksal mich meinem geliebten Vaterland entrissen. Ich irrte lang an fremden Gestaden; zärtliche Liebe, warme Sehnsucht meine Brüder zu umarmen, meine edle Vaterstadt vor meinem Ende noch einmal zu sehen, zu segnen, und ihr meine Asche zu schenken, führt mich hieher. Aber gerechter Himmel, der Du die Begebenheiten der ganzen Schöpfung ordnest, in welchem betrübten Zustande muß ich diese theuren Wohnungen finden! Darf ich es wagen meine Mitbürger, Euch nach meinem Gefühle, nach dem natürlichen Eindruck auf mein empfindsames Herz das häßliche grauenvolle Bild dieser Schreckenscenen zu schildern, und Euch das lächelnde Gemälde der künftigen Tage entgegen zu setzen?

Ich trage meine Blicke forschend auf diese ehrwürdige Versammlung und spähe mit einer bangen Erwartung, ob einer ist, dessen Auge mir ein finsteres Mißvergnügen weissaget. Gepriesen sey der Allmächtige! Mein Herz jauchzt, da ich auf euren heitern und brüderlichen Mienen jene Zufriedenheit wahrnehme, welche die Seele heilsamer Rathschläge, die Säule der Eintracht, und die Stütze des Staates ist.

Selbst der verruchteste Bösewicht thut oft zum Scheine gute Handlungen; seine Absicht ist, durch gleissende Tugenden die Herzen einzuschläfern, zu gewinnen, die Augen des Pöbels zu blenden, und seine Laster desto sicherer und ungestörter auszuüben; aber eure berufenen Tyrannen legten auch den Schein der Tugend von sich, und rühmten sich schon mit einer ähernen Unverschämtheit ihrer Schandthaten. Nur wenige ihrer schwärzesten Ränke begrub die Nacht; aber izt brechen plötzlich alle ihre Laster an das Licht, sie stehen wider sie auf, sie werden von der hellsten Sonne beleuchtet, allgemeiner Fluch trift sie; vereinigter Haß stürzt auf sie, und ewige Schande brandmarkt ihr Gedächtniß!

Wie der blutbegierige Löwe auf seinen Beuten entschlummert; rings um seine Höhle stinken die Aeser, und überall faulen die Knochen der erwürgten Wanderer; so waren die stolzen Palläste eurer Tyrannen, was sag ich? Palläste, Mördergruben waren es, wo die verfolgte Unschuld ihr Grab fand; wo die Thränen der vertilgten Wittwen, und der gedrückten Waisen schallten! Hier wohnten die Räuber des Staats, die Feinde des Vaterlands, die Verderber der heiligen Gesetze! Durch sie liegen die Künste und Wissenschaften darnieder. Der gehemmte Handel seufzt, der Fremdling wird verscheucht, und flieht diese blutigen Gestade; er sieht die traurigen Spuren seiner Mitbrüder, und entweicht mit Schauer den Mißhandlungen. Ein despotischer, eiserner Zepter beugt alles nieder. Das edle Verdienst ist unterdrückt, hindangesetzt, ausgestossen, vergessen! Die Würden sind den Meistbietenden oder feilen Dienern der Wollust angeboten! Die armen Bürger sind mit schwerem Joche belastet; sie wagen es nicht laut zu seufzen; nur ihre schwermüthigen Blicke sind Zeugen ihres innerlichen Schmerzens; brüderliche Eintracht, öffentliche Sicherheit, häusliche Ruhe sind zerstöhrt! Ist dies der Staat, wo die Brüder mit liebreicher Eintracht leben sollten? O meine Freunde, Thränen treten mir in die Augen, sehet, da zittert ein Vater für seine Kinder; er fährt hastig vom Schlummer auf, und horcht ängstlich, ob man nicht seine Söhne durch Henker ergreifen läßt, ob nicht ein geiler Rathsherr seine Töchter gewaltsam schändet, oder seine Gattinn, die theure Gefährtinn seines Lebens listig beschleichet, entführet, entehret! Welchen Richter soll der Mißhandelte zu Hülfe rufen? Die Richter, die Handhaber der heiligen Gesetze sind Meuchelmörder, Räuber, Weiberschänder, Lasterhafte, die mit allen Verbrechen sich belasten! —— Die Gesetze schlummern, das Schwert der Gerechtigkeit ist in der Scheide verrostet! O ihr Hefen, die ihr die Menschlichkeit schändet, tretet aus von diesen Gränzen, eilet mit euren Mordgesellen, mit euren Lastergenossen, und reiniget diese edlen Mauren von der Schande, von der ansteckenden Pest, welche die reinen Sitten der aufkeimenden Jugend beflecket.

Diese abgehärteten Unmenschen, die alles Gefühl mißkannten, sind es auch, welche dreiste genug sind, die Nachbarn zu mißhandeln, und das Völkerrecht zu beleidigen. Sie reitzen große Könige zum Zorn, sie fodern sie gleichsam auf, Euch zu bekriegen, Euch zu vertilgen! Dort steht Eduard, ein mächtiger Sieger, seine belorbeerte Stirne ist gerunzelt, seine unüberwindlichen Heere, wenden ihre Schritte an eure Gränzen. Was werdet Ihr ihnen entgegensetzen? Wo sind eure Bundesgenossen? Die Wuth der Tyrannen hat sie verscheucht! Wo sind eure Freunde? Die Frevler haben sie in ewige Feinde verwandelt! Wo sind eure rühmlichen tapfern Mitbürger? Die Tyger haben sie verbannt, getödtet, und ihrem schwärzesten Neide aufgeopfert! Da steht Ihr wie eine verlassene Heerde, den Nachbarn preißgegeben, ohne Hirten, ohne Schaafhunde!

Zittert nicht meine geliebten Mitbürger; trauret nicht ihr guten Väter; weinet nicht trostlos ihr Mütter; richtet eure gesunkenen Herzen empor ihr edlen Bürger! Die göttliche Vorsicht wachet; mit schutzreichen Flügeln bedeckt sie diese rühmlichen Mauern; Diese Vertilger des Staates sind zu Boden geschleudert! Alles lebt auf; alles wird beseelt; alles lächelt um mich! —— Ich bin wie ein müder Wanderer, der lange durch die Schreckenscenen des Winters taumelte, Schneegebürge keuchend überstieg, oder breite Flüsse übersetzte; dessen Ohren noch von den heulenden Nordwinden betäubt, und dessen Augen vom schneidenden Gestöber geblendet sind; aber plötzlich tritt er in ein reizendes Eden, wo grüne einladende Fluren seinem Auge gastfreundlich winken, wo die balsamischen Gerüche der Blumen ihn erquicken; er vergißt die vorigen Scenen. So bin ich, der aus dem Schauplatz des Schreckens und des Verderbens in die heitern Auftritte des wiederauflebenden Staats blicke. Die zärtliche Stimme des Bräutigams schallt mir hochzeitlich entgegen; sicher umarmet liebreich der Gatte die keusche Gattinn; sicher küsset die Mutter die unentweihten Töchter; der freudige Handelsmann eilet auf reichbeladenen Fichten, suchet die Nachbarn, und lädt sie freundschaftlich ein; das Weberschif ist thätig; der Meissel wird geübt; die Künste und Wissenschaften blühen auf; die Musen besuchen mit schwesterlicher Eintracht die majestätischen Lehrsäle, und verbreiten Weisheit, und Glückseligkeit in alle Gemüther, der Priester räuchert mit frommer Andacht den heiligen Altar, und der ruhmbegierige Krieger rüstet sein patriotisches Schwert zum Schutz des geliebten Vaterlands! Seliggepriesene Mauern, wie viel freudige Bürger erblick ich in eurem Schooße!

Unsterbliche Gottheit, sollte jemals wieder, verzeiht mir theure Mitbürger, diesen verwägnen, schmählichen Gedanken; aber sollte jemals der Geist der Eintracht unter euch verlöschen; sollte wieder das Laster triumphiren, und Tugend und Freyheit unterliegen, O meine Brüder, so tödtet mich erst; lasset mich eure Schande nicht erleben; begrabet meine morschen Knochen in den Trümmern eurer Ehre! —— Euer gerechter Unwille kocht auf bey diesem abwürdigenden Bilde. Dank Euch, ihr edlen, ihr erhabnen Patrioten! Vaterlandsliebe beseelt Euch, diese rühmlichen Triebfedern zeichnen eure Handlungen aus, und machen sie unsterblich. Aber lasset uns nicht unthätig entschlummern; lasset uns unermüdet arbeiten; thuet nichts ohne weisen Endzweck; unternehmet nichts, was eure Kräfte übersteiget; laßt uns nicht sicher entschlummern, damit nicht heimliche Feinde uns überraschen, und das schöne Gebäude unserer Glückseligkeit heimlich untergraben, erschüttern, zerstören! Verwandelt durch sanfte Vorschläge eure Feinde in Freunde; macht aus ihnen Schützer und Bundesgenossen! Eduard ist schneller als ein Blitz, und mehr gefürchtet als ein Donner; aber dieser königliche Löwe verschonet die Demüthigen, und umarmt den tugendhaften Patrioten. Er ist kein geiziger Eroberer, der auf Beute lauert; der nur Länder verschlinget; nein, er verbessert die Staaten seiner Feinde, und gießt Frieden auf die Besiegten aus! Lasset uns versuchen, seinen gereizten Zorn zu besänftigen, und statt blutige Schlachten friedliche Palmen wählen! Ich will hingehen, ich will für euch sprechen, wie für meine Brüder, O erlaubet mir zu sagen, wie für meine geliebte Familie, Ihr seyd es, ich bin kinderlos, ich liebe nur euch!

Ich erstaune meine Freunde über die rasche Veränderung, über diese glückliche Epochen, über den seligen Frieden, der wie ein Zephyr um mich hauchet, über alle glückliche Fügungen, mit so wenigen Kräften, so ohne Blutvergiessen, so ohne Zubereitung, so hastig seh ich mein theures Vaterland aus den Klauen blutgieriger Tyger, und aus dem Rachen des Verderbens gerissen! Ich begreife kaum diesen plözlichen Sturz der Tyrannen; ist es nicht ein sichtbares Wunder der weisen Vorsicht? fühlet Ihr nicht selbst mit innerlicher Ueberzeugung die mitwirkende Hand der Gottheit, welche diese fromme Stadt vorzüglich beschützet? —— Es geht mit reifen Verbrechern, wie bey verzweifelnden Kranken. Alles ist verwirrt; die Aerzte selbsten werden mit Blindheit gestraft; so entschliefen die sichern Despoten, sie hörten die Donner über ihren Häuptern rollen; sie sahen die Blitze, und sie wurden ohne Rettung wie zerbrochene Geisseln des bedrängten Volkes in die Flamme geschleudert! —— Diese herrliche Stadt, euer Leben, eure Güter, eure Weiber, eure Töchter, eure Söhne sind durch den allmächtigen Beystand des Himmels, durch die weisen Anschläge wahrer Patrioten, und durch die thätige Mitwirkung edler Bürger dem nahen Verderben entrissen, und in den blühendsten Zustand versetzt, das ist der Tag unserer Wiedergeburt! Ihr Freygebohrnen lebet auf; theuer und heilig sey Euch ewig der Tag eurer Erhaltung.

Aber wenn etwa in einem dunklen Winkel hämische Feinde über den Verlust ihrer Ketten seufzten, oder es wagten mit giftiger Zunge mich niederer Absichten anzuklagen; es würde mich schmerzen, mein Herz würde bluten; aber ich würde sie nicht hassen, sondern ihre Blindheit beweinen. Kommt her ihr Zweifler, würde ich ihnen sagen, betrachtet dieses graue Haupt! Es sehnet sich nach Ruhe; sehet diese Brust voll Narben! Sie hat sich oft den gerüsteten Dolchen eurer Feinde entgegengestemmet; der müde lebenssatte Greis seufzt nach seinem Grabe, und wünscht nichts in die kühle Erde mit sich zu tragen als den süssen Trost, meine Brüder beglückt zu sehen, und mein Vaterland zu befreyen! — Ja, meine ewiggeliebten Brüder, ich bin ehrgeizig, ich fodre von Euch einen Dank, eine schöne Erkenntlichkeit! —— Wenn ihr einst meinem Grabhügel begegnet, wenn Euch die Ringelblume zuwinkt; so zaudert, und ruft euren Söhnen: Hier ruht Lusian unser Bruder, der uns und sein Vaterland liebte —— Und dann schenkt mir eine brüderliche Thräne ——

(Das Schluchzen hemmt die Worte des Redners; er trocknet seine Augen. Indeß weinen die Mütter, und die Bürger jauchzen.)

Alle. Es lebe der Patriot! Freyheit! Das Vaterland ist frey!

Scene.

(Eine gebirgichte Waldgegend. Eine Zigeunerbande bereitet ihr Lager. Die ältern Weiber und Männer sind mit verschiedenen häuslichen Verrichtungen beschäftiget. Einige bereiten die Zelter; andre kochen und braten. Die jungen Burschen und Mädchen singen und tanzen; andere spielen mit ihren Instrumenten. Eduard mit seinem Jagdgefolge erscheint. Die Zigeuner begrüssen ihn. Didia ein artiges Zigeunermächen erscheinet an der Spitze.)

Edu. Welche Fröhlichkeit herrscht unter diesem armen Volke! —— Wie heissest du junges Mädchen?

Didia. Mein Vater gab mir den Namen Didia. Ich will Dir weissagen aus deinen Gesichtszügen, aus deiner Hand, und aus deinen Träumen.

Edu. Verstehst du auch den Sinn der Träume? —— Du erinnerst mich auf einen seltnen Morgentraum, er ist wunderbar. Hör:

Traum.

Aus einer Höhle trat ein Löwe stolz hervor;

Ihm huldigten mit Zittern alle Thiere;

Er neigte königlich sein Ohr,

Und hörte gütig ihre Schwüre.

Gäh zeigte sich in Wolken eine Hand,

Die warf ihm Lorbeern zu, und goldne Kronen,

Die Tapferkeit des Löwens zu belohnen.

Als die Wohlthäterinn verschwand,

Schwang sich ein Adler stolz aus einem Neste,

Das in der Löwenhöhle stand.

Er übereilte rasch die Wipfeln aller Aeste,

Nahm alle Kronen mit, und flog in stolzer Ruh

Der Sonne majestätisch zu.

Der Löwe lag indeß entkräftet auf der Erde,

Und traurig schien mir seine Heerde.

Was däucht dir von diesem wunderbaren Traume? Du denkst nach? — Du scheinst verlegen? —— Nun kleine Hexe ——

Did. Der Sinn deines Traumes ist sonnenklar!

Edu. Du machst mich neugierig kleine Schwätzerinn ——

Did. Hör die Erklärung:

(Sie singt.)

Dein Heldenhaupt umgiebt so manche Krone;

Doch keine lässest Du zur Erbschaft einem Sohne.

Aus deinem Stamme sproßt ein edler Zweig hervor,

Der trägt als Baum die Wipfel hoch empor.

Sey gütig Fürst, denn du betrübst viel Mütter!

Du bist den Königen zur Last,

Und in der Welt ein böser Gast.

Viel Feinde hassen dich, und du schenkst deine Güter,

Dem Feinde, den dein Herz am meisten haßt.

Edu. Geh! Du bist eine Lügnerinn!

Did. Die Zeit wird mich rechtfertigen!

Edu. Da nimm diesen Ring! Trag ihn zu meinem Angedenken! Besuch meinen Hof, und ich will dir und den Deinigen wohl gewogen seyn. Diesen Beutel schenk ich deinen Brüdern und Schwestern. Lebt wohl! —— Ein wunderbares Volk! Die artige Sibylla!

Moralische Erzählung.

Voll Verdruß über die Welt legte sich Isidor in das duftende Gras unter dem Schatten wohlthätiger Eichen. Komm süsser Schlaf, rief er, du einziger Freund der Armen, laß mich die Erde und ihre Narren vergessen! —— Izt hört er im nahen Gebüsche ein Geräusch; er horcht, und sieht seinen Neffen mit einer Pistole sich nähern. Der Jüngling sprach mit sich selbst; seine verstöhrte Miene, die gebrochenen Seufzer, die Thränen im Auge, die wilden Geberden machten den alten Edelmann aufmerksam. Rosalia wird mir geraubt! Ich muß sterben! So schluchzte der junge Lindor, es ist für mich kein Trost mehr; von einem Landmanne verachtet, mißhandelt zu seyn; das thut weh! Da bin ich Auswürfling des Schicksals! Wo soll ich als Bettler Hülfe suchen? Selbst meine edle Geburt wird mir zum Fluch! Ich will sterben! —— Lebwohl Rosalia! —— Halt ein! Rief hastig sein Onkel, indem er aufsprang, und sich der Pistole bemächtigte, die er in die Luft schoß. Thor, was willst du thun? sterben, wegen einer verliebten Grille sterben? —— Faß Muth Junge! Wenn oft die Noth am äussersten ist, lächelt uns Hülfe. Man muß nie verzweifeln; sieh mich an! —— Ich bin ein alter Schildknappe, mich hat das Schicksal durch die Spießruthen des Elendes gejaget; mein Herz ist morsch von den Streichen des Jammers! —— Setze dich zu mir in das Gras, erzähle mir deine Umstände, vielleicht kann ich dir helfen.

Sie setzten sich, und Lindor begann. Ach! mein theurer Onkel, ich bin sehr unglücklich! Soll ein Bettler wie ich ein zärtliches Herz haben? —— Und doch habe ich es wider meinen Willen. Ich liebe Rosalia die Tochter des reichen Jonas. Sie liebt mich wieder. Ich kann ohne sie nicht leben. Wir hielten lange Zeit unsere zärtliche Liebe geheim, allein der alte Bauer beschlich uns; ich warf mich zu seinen Füssen, ich beschwur ihn bey allem, was heilig ist; aber ich sprach zu einem Felsen. Jüngling, du bist ein Bettler, ein Taugenichts ohne Aussicht! Und was noch mehr ist, ein Edelmann! —— Meine Tochter soll einen wackern Landmann heurathen, der Brod verdienen kann, und hiemit ist der Handel entschieden! Ein Mann wie ich spricht nur zwey Worte. Meine Tochter ist schon verheissen. Geh Junge, such Kriegsdienste, wo man Edelleute braucht; auf meinen Feldern arbeiten fleißige Landburschen. So rief Jonas trotzig, nahm seine zitternde Tochter zörnend bey der Hand, und ließ mich wie eine Bildsäule stehen. Wäre er nicht Rosaliens Vater, bey Gott! —— Aber eine sanfte Thräne von ihr, ein bittlicher Blick schmelzt meine Rache nieder! —— O mein Onkel, für mich ist kein Trost!

Der Onkel sprang auf. Ich will für dich etwas wagen, was ich für mich selbst nicht thun würde. Wir sind arm, es ist wahr; aber wir haben alte gerechte Ansprüche bey Hofe. Mein Vetter hat dem Könige wichtige Summen vorgeschossen; ich habe die Schuldbriefe; ich will dem Könige die billige Foderung erlassen, um für Dich einen Dienst zu erhalten. Dann wollen wir sehen, was der stolze Bauer an Dir zu tadeln findet. Laß nur mich gehn, ich bin ein Kerl, der Gehirne im Kopfe hat! Sey ruhig, bis ich wieder komme! Willst du? —— Küß mich guter Neffe, du sollst glücklich seyn! —— Wein nicht, leb für Rosalien! —— Meine zitternde Hand schreibt sehr unleserlich, Bursche, du schreibst schön, ich will dir die Bittschrift an den König in die Feder sagen. Sie soll kurz; aber kräftig seyn! —— Eure Majestät, sollst Du schreiben, ich bin Isidor, ein alter Invalide, ich habe dreyßig Jahre als ein ehrlicher treuer Soldat gedient! —— Das mußt du groß schreiben! —— Ich habe einen Neffen, der gut gewachsen ist, der Mutterwitz besitzt, und den ich erzogen habe, weil sein Vater ein tapferer Biedermann auf dem Bette der Ehre gestorben ist; —— Ich bitte Eure Majestät für diesen hofnungsvollen Burschen um ein Aemtchen, damit er ein hübsches Mädchen heurathen kann, das er liebt, und das ihn wieder liebt. —— Ich erlasse Eurer Majestät aus Erkenntlichkeit die alte Foderung von zweymalhunderttausend Gulden —— (Ein hübsches Geld!) die mein reicher Vetter dem Staat in bedrängten Zeiten vorstreckte; —— Ich, wünsche Eurer Majestät tausend Segen! —— Das schreib Junge, und du bist ein gemachter Mann! —— Gelt soviel Verstand hast du in diesem alten Schedel nicht gesucht? Ich bin ein Teufelskerl; für andere kann ich alles; aber für mich selbst bin ich stumm wie ein Stock! —— Ich weiß nicht, ich bin gleich ein anderer Kerl, wenn ich für meinen Nächsten arbeite. Geschwind Neffe, die Schrift, und dann nach Hofe!

Der alte Edelmann mit seiner Schrift und mit tausend Hofnungen beladen eilte in die Residenz. Die Städter gafften ihn überall an, und lachten über den Schnitt seines Kleides. Die Jungen liefen ihm nach. Er gieng kaltblütig seinen Schritt weiter, und näherte endlich den königlichen Gemächern. Niemand hört den alten Haudegen; die Wachen verspotten ihn. So sind die Menschen, seufzt er. Mein Herr ich wünschte —— Ha, wie der Kerl lauft! —— Aber sie mein Herr —— Eure Gnaden! —— Nur ein Wort —— Bin ich denn eine Meerkatze? —— Blitz und Donner! Die stolzen Buben! Das sind ja keine Menschen, das sind ächte Waldteufel! —— So murmelte er unter den Zähnen, als ein Jagdhund durch die Gemächer lief, und sich ihm freundlich näherte. Komm her du liebes Thier! Du beschämest die Menschen, du würdigest einen armen Fremdling deines Blickes! —— Er streichelt den Hund, dieser wird dreister, er beriecht die Säcke, die vermuthlich mit einem kalten Braten beschwert waren, er hascht spielend im Hut die Bittschrift, und eilt wie der Blitz davon. Der Edelmann folgt hastig mit bangem Geschrey; aber die Wachen stossen ihn zurück.

Die Bittschrift ist beym Henker! Rief der Edelmann; so gar die Hunde bey Hofe sind Spitzbuben! Was werde ich meinem armen Neffen sagen? Wer schreibt mir hier eine so kräftige Bittschrift? Verdammt! Ich muß wieder in das Dorf zurück. Auf dem Wege will ich einen Vorwand ersinnen.

Indeß eilte der Hund mit seinem Papiere gerade in das Kabinet des Königs, und legte es nach seiner Gewohnheit vor seine Füsse, denn Eduard beliebte oft mit ihm wegen seiner besondern Artigkeit zu scherzen. Eduard nimmt das Papier von der Erde, will es zusammenballen, beschaut es neugierig, und liest. Er schüttelt den Kopf über das seltne Begehren, und fragt die nächsten Höflinge um den Verfasser. Diese schweigen, und gestehen ihre Unwissenheit. Eine so ausserordentliche Bittschrift läßt mich ausserordentliche Menschen muthmassen, ruft der König, ich muß sie sehen! Der Ort und die Namen sind hier verzeichnet, wir machen einen Spatzierritt auf das Dorf!

Der Edelmann schlenderte noch griesgramend über den Zufall auf der Heerstrasse fort, und verwünschte sein Unglück, als der König nur von einem Höfling begleitet im gemeinsten Reutkleide sich ihm näherte, und um den nächsten Weg fragte, der zum Dorfe führte.

Der König. Mein Freund kennst du auch im Dorf einen gewissen Isidor?

Isid. Der bin ich!

Der König, (der ihn steif beschaut, und lächelt.) Du selbst? Wo warst Du mein Freund, wenn ich fragen darf?

Isid. Herr, ich war bey Hofe, wo Menschen und Thiere Spitzbuben sind! Ich wollte das Nest um viel Geld nicht wieder besuchen. Doch der König, der von allem nichts weiß, ist frey gesprochen.

Der König. Das ist schön gedacht! Dörfte ich wohl um eine Erzählung dieser Begebenheit bitten, vielleicht kann ich Dir Dienste leisten.

Der alte Edelmann erzählte alles mit einer naifen Aufrichtigkeit, die den König ergötzte, und er begehrte von ihm, er sollte ihn unverzüglich zum Hause des alten Jonas führen. Sie nähern sich allmählich dem Dorfe. Schon von ferne lauert auf einem Hügel Lindor auf seinem Stock gelehnt, und erwartet mit Sehnsucht den Onkel. Er erblickt ihn kaum, so fliegt er ihm mit zärtlicher Begierde entgegen, und ist voll Hofnung, weil er ihn mit Stadtleuten erscheinen sieht. Der Onkel, der noch ein bischen verlegen ist, winkt ihm nur, und sagt ihm einige Hofnungen zu. Der König beschaut mit Vergnügen den schönen Jüngling, und freut sich schon im Herzen über den Segen, den er bald über so würdige Geschöpfe ausgiessen wird.

Man nähert dem Hause des alten Jonas. Rosalchen ist die Erste, die den Fremden gastfreundlich entgegenhüpft. Sie war so schön wie ein Engel, nur eine schwermüthige Blässe betrübte ein wenig ihr reizendes Antlitz. Der König liebkosete dem Mädchen, das sanft erröthete, und ihrem Vater rief.

Der König. Herr Jonas willkommen! —— Auf ein Wort im Vertrauen! —— Ich komm vom Hofe, der König ——

Jon. Unser König soll leben! —— Bedarf Er Steuern? Er soll fodern, mein Gut steht zu seinem Dienste!

Der König. Meinen Dank in seinem Namen! —— Du bist ein Biedermann!

Jon. He! Rosalchen, ein Glas Wein! —— Von meinem Faß! —— Nehmen sie Platz mein Herr! —— Also was beliebt?

Der König. Der König befiehlt ihm seine Tochter dem jungen Lindor zu geben ——

Jon. (springt auf) Der König befiehlt mir, meine Tochter dem Lindor zu geben? —— Befiehlt? —— Herr, da hat der König unrecht! —— Ich bin Vater! —— Des Herrn Gesundheit! —— Trink der Herr! —— Aber der König hat unrecht!

Der König. Herr Jonas, sein Wohlseyn! —— Jungfer Rosalchen soll leben!

Jon. Schönen Dank! Aber der König hat unrecht, einem Vater zu befehlen! —— Bey meiner Seele der König hat unrecht!

Der König. Mein lieber Jonas, bedenk dich wohl!

Jon. Was bedenken? der König hat unrecht! Das ist meine Tochter! Lindor ist ein Bettler, und der König hat unrecht!

Der König. Der König hat recht! Hör Vater Jonas: Der König ist dem jungen Lindor zweymalhunderttausend Gulden schuldig ——

Jon. Ey möglich?

Der König. Der junge Edelmann war so großmüthig, dem König die Schuld zu schenken ——

Jon. Er soll leben! —— Izt hat er meine Gnade!

Der König. Der König kann von einem armen Unterthan das Geschenk nicht annehmen ——

Jon. Was thut also der König? —— Unter uns! —— Trink der Herr!

Der König. Er läßt ihm das Kapital mit dem Interesse auszahlen, und schenkt ihm noch zur Belohnung für die treuen Dienste seiner Ahnen ein gutes Aemtchen. Dazu wünscht er also ——

Jon. Schön! Sehr schön! Aber der König hat doch unrecht! Ich gebe meine Tochter keinem Edelmann, das habe ich geschworen. Ich bin ein Bauer, der König hat unrecht. (Er schlägt auf den Tisch).

Der König. Lieber Jonas, der König hat recht! —— Der König hat dich in den Adelstand erhoben, befreyet dich von allen Steuern, und kann also deine Tochter als ein Fräulein unmöglich einem Bauer geben; er wählt diesen würdigen Edelmann, der König hat recht!

Jonas, (der sich staunend bedenkt.) Der König hat mich geadelt? —— Mich?

Der König. Das ist gewiß! Es lebe der edle Jonas?

Jon. Meine Tochter wäre also ein Fräulein?

Der König. Wer sie nur ansieht, gesteht es. Sie ist ein Engel!

Jon. Nur noch eine Frage, wenn es erlaubt ist —— Wer ist der Herr?

Der König. Ich bin der König!

Jonas (der den Hut vom Kopfe reißt, und ihm zu Füssen stürzt.) Eure Majestät izt habe ich unrecht!

Der König, (der ihn liebreich emporhebt.) Nein Jonas, du hast recht! Steh auf! Setze dich! —— Ich komme nicht dich zu zwingen, du bist Vater, du kannst die Hand deiner Tochter verschenken, aber ich komme zu dir als ein Freund, dich zu bitten; sieh ein würdiger Jüngling liebt dein Kind, und dieses süsse Mädchen liebt ihn. Willst Du als Vater zwey verbundene Herzen trennen?

Jon. O Eure Majestät, ich habe nur Thränen zur Antwort! Ich habe unrecht, Eure Majestät haben allezeit recht! Segen auf Euch meine Kinder! O welch ein glücklicher Vater bin ich, da mein Landesfürst selbst mich würdiget, unter mein Strohdach einzutreten, und mich und meine Familie zu beglücken. He Rosalia!

Rosalia, Lindor, und Isidor schlichen zu. Andere, Landleute horchten neugierig, und der König verband die jungen Verliebten. Sie stürzten zu seinen Füssen, und die Segenswünsche tönten aus dieser glücklichen Hütte bis zum Throne.

Anekdote.

Eduard liebte Salinien täglich mehr. Umsonst war seine angewandte Mühe, sie zu vergessen; umsonst wandte der bescheidene Alsin und seine schöne Tochter selbst alle Vorsicht an, die siegenden Reize bey allen Gelegenheiten dem Auge des gekrönten Liebhabers zu entziehen. Eduard liebte, und entschloß endlich nach langem Kampfe die Tugend dieses würdigen Ministers, und seiner Geliebten zu krönen, und seinen Thron mit diesem weiblichen Kleinod zu schmücken. Der ganze Hof rüstete sich bereits zu dieser Feyerlichkeit, und man erdachte ausserordentliche Feste. Unter andern Schauspielen erschien ein allegorischer Tanz.

Ballet.

Die Scene ist eine gebirgigte Gegend mit Bäumen umgeben, in der Mitte eines Hügels raget über dem Tempel der Weisheit eine prächtige Sternwarte hervor. Beym goldenen Thore sitzt der Vorsteher, und begrüsset die ankommenden Weisen und Sternkündigen, welche mit Büchern und Ferngläsern belastet erscheinen. Sie drücken alle ihre Begierde aus, neue Entdeckungen zu machen, wodurch sie ihre Unsterblichkeit erreichen.

Izt erscheinen viele Weiber mit Büchern und Sehröhren, und wollen ganz dreist in den Tempel treten. Der Vorsteher erstaunt, und dräut den Verwegnen, die als profane Geschöpfe diese Freystäte der Weisheit entheiligen wollen. Er eilt zornig in den Pallast, und verriegelt die Thore. Umsonst flehen einige Mädchen eingelassen zu werden. Sie stehen alle beschämt und weinen.

Amor fliegt aus einer Silberwolke von Täubchen umflattert, und tröstet die betrübten Schönen, indem er ihnen einen Plan überreicht, wodurch er ihnen die nahe Zusammenkunft des Mars und der Venus eröfnet. Er pocht kühn an den Tempel, und fodert die stolzen Weisen zum gelehrten Streit auf. Sie erscheinen mit einem spöttischen Lächeln über den Knaben. Amor forscht um ihre neuen Entdeckungen, und sie gestehn ihre Unwissenheit. Izt zeigen die Mädchen ihren Plan mit siegreicher Zufriedenheit. Die Weisen erstaunen, und umarmen sie als gelehrte Schwestern die würdig sind, in ihre mystischen Kreise zu treten. Sie drücken alle ihre Freude über diese glückliche Vereinigung aus, und eilen auf die Sternwarte, diese wichtige Verheissung erfüllt zu sehen.

Die Gegend verwandelt sich in einen prächtigen Sternensaal. Der Abendstern und einige Planeten erscheinen in goldenen Kleidern, welche von Diamanten blitzen; sie versammeln die mindern Sterne, und rüsten sich zur feyerlichen Bewillkommung ihrer hohen Gäste. Mars erscheint endlich mit einem furchtbaren Kriegsgefolge: Venus von Grazien und Liebesgöttern umgaukelt begegnet ihm. Sie erblicken einander, erstaunen über ihre ausserordentliche Schönheit, sind von Freude hingerissen, und umarmen sich freundschaftlich. Sein kriegerisches Gefolg hält ihn zwar zurück; aber sie werden von Grazien entwaffnet, und sinken in die Arme der Huldgöttinnen. Amor erscheinet, und bindet mit duftenden Rosenketten die edlen Verliebten, und die bräutliche Vereinigung der Venus mit dem Mars giebt Anlaß zu einem feyerlichen Tanz. Mars und Venus drücken durch entzückte Geberden ihre zärtlichen Empfindungen aus, und alle Uebrigen ergiessen ihre Wollust in zierlichen Reihentänzen. Beide Gottheiten eilen zum Braut-Lager.

Plötzlich verschwindet die Gegend, und unter einem nächtlichen hellgestirnten Himmel erscheint auf der Erde eine glänzende Denksäule. Alle Sternkündigen, Männer und Weiber eilen herzu, und umgeben staunend die Pyramide; der Vorsteher schreibt mit goldenem Griffel die seltne Begebenheit in feurigen Zügen auf das Ehrenmaal. Amor erscheint, bringt das Bildniß Eduards, und Saliniens unter der Gestalt des Mars und der Venus, und hängt die Gemälde mit Lorbeern und Myrthenkränzen auf die Ehrensäule. Alle Gegenwärtigen stürzen zur Erde, und schliessen den Ballet mit einer Huldigung.

Allegorische Scene.

Die Schönheit, Aglaja, Euphrosine, Thalia, und Amor.

Die Schönh.

Wie, Schwestern, folgt ihr mir?

Entreißt Ihr Euch den mütterlichen Küssen;

Könnt Ihr wie ich den Götternektar missen?

Agla.

Wir leben nie getrennt von dir.

Doch theure Schönheit, ich erstaune,

Sprich welche seltne Laune

Des grossen Jupiters schließt Dich vom Himmel aus?

Verdient wohl eine Welt Dich zu besitzen?

Wo ist die Stadt, wo ist ein Haus,

Wo pranget ein Pallast auf edlen Marmorstützen,

Der Dir zum Obdach schiksam ist?

Wie selig ist der Ort, den deine Lippe grüßt!

Die Schönh.

Ich will nicht lange mehr um eine Herberg suchen.

Dieß kleine Dorf umringt von hohen Buchen,

Soll stäts mein Aufenthalt auf dieser Erde seyn.

Euph.

So willst Du Dich o Schwester von uns trennen?

Wähl einen Sitz, wo wir auch wohnen können.

Ich heisse nicht das Landvolk zu gemein;

Nie schlich der eitle Stolz in unsre Herzen;

Einst pflegten wir mit Schäfern froh zu scherzen;

Doch jene Zeiten sind nicht mehr.

Die Dorfmagd kennt nicht unsre Reize.

Jedoch die Städterinn sucht uns mit Geize.

In grossen Städten wohnt die Schönheit würdiger.

Thalia.

O Schwätzerinn, Du machst mich lachen.

Was sollen wir am faden Putztisch machen?

Das ist das Grab für alle Grazien,

Da würde man uns sterben sehn.

Jedoch Freund Amor kömmt; der wird die Wohnung wissen,

Die wir mit Anstand wählen müssen.

Laßt uns dem holden Gott entgegen gehn.

Wir wollen ihn recht schwesterlich begrüssen.

Amor.

Willkommen Grazien! Gewünscht besucht ihr mich!

Kann der galante Zevs Euch einen Tag entrathen?

Gewiß berauscht er sich

Heut mit Ambrosia bey einem kalten Braten.

Die Juno, die so oft Euch Schwesterchen beschlich,

Sah Euch vielleicht mit ihrem Gatten spielen;

Ihr fächelt oft bey Göttern Feuer an;

Der Donnerer pflegt selbst auf Euch zu schielen,

Und seine Majestät beliebt sich abzukühlen.

Der Zufall freuet mich; ich habe manchen Plan.

Beym Styx! Ihr kommet mir, als wäret Ihr gerufen.

Die Wohnung wähl ich Euch, so gut man wählen kann.

Sie ist bequem, und ohne hohe Stuffen,

Auch nicht zu groß, und nicht zu klein.

Das Aug Saliniens, das selbst die Götter schufen,

O Schönheit soll für Dich die schönste Wohnung seyn?

Da thronst Du königlich! Ihr weisser Busen

Ist schon der Sitz der edlen Musen:

Und die benachbarten und hübschen Gegenden

Sind für Euch theure Grazien!

So könnt Ihr stäts beysammen wohnen,

Und jeden, der mein Mädchen sieht, belohnen.

Mein Plan gefällt gewiß, weil wir Euch lächeln sehn.

Besucht Salinien, und machet eine Probe.

Auf ihrer Wange blüht unschuldige Natur.

Da findet Ihr von Schminke keine Spur,

Genug ist es, wenn ich der Liebesgott sie lobe.

Eilt theure Grazien, und ziehet siegreich ein,

In ihrem Herzen will ich euer Nachbar seyn!

Hochzeitode.

Göttliche Schönheit, und ihr siegenden Tugenden

Werdet die Säule des Liedes, das ich Euch heilige.

Sehet, dort nähert die Braut eines Eroberers

Schüchtern, keusch, und jugendlich!

Nicht so reizend erschien Griechenlands Helena;

Auch nicht Aegypten dein Schmuck! Römerbezauberinn,

Dich beschämet ein Blick einer Salinia,

Welche die Tugend verherrlichet.

Täuscht mich ein gaukelnder Traum, nähert sich Venus selbst?

Aus dem Silbergewölk eilt sie mit Grazien,

Die Liebesgötterchen, und Täubchen umflattern sie,

Sie reicht den Gürtel Alsinien.

Töne hochzeitlich und süß goldenes Saitenspiel!

Der schönlokichte Gott reicht ihr den Myrthenkranz;

Seine Fackel entflammet siegende Zärtlichkeit,

Welche die Liebe verewiget.

Schüchtern erscheinet der Held, vor dem die Erde bebt,

Er blikt Salinien an, staunet und huldiget,

Leget den Lorbeerzweig ihr zärtlich zu Füssen hin,

Und begrüßt sie als Königinn.

Antlitz verschönernde Scham, zärtliche Liebe stralt

Auf der Wange der Braut, wie früh das Morgenroth.

Eduard krönet ihr Herz, den Sitz der Tugenden,

Sie sind fürstlicher Kronen werth.

Scene.

Kabinet. Eduard, Alsin.

Als. Ich bitte meinen König um Gehör! ——

Edu. Du setzest mich in Erstaunung. Bin ich nicht dein Freund Eduard? —— Sprich!

Als. Izt sind es sechzig Jahre, die ich dem Dienste deines Vaters und dem Deinigen mit Vergnügen widmete. Ich sage dies nicht etwa aus eitler Ruhmredigkeit, sondern ich führe meine kleinen Verdienste mit Bedacht an, damit Du mir meine erste und letzte Bitte gewährest. Es betrift meine Ehre, den Ruhm meiner grauen Tage —

Edu. Ich staune! Bitte sagst du? Edler Mann, fodre die Hälfte meiner Krone, ich schwöre beym Himmel ——

Als. Ich kenne dein gütiges Herz. Eduard, besieg deine Liebe! Du liebst meine Tochter, und bist großmüthig genug ihr die Würde einer Königinn anzubieten. Unser Dank ist rege. Beraube mich nicht meines guten Rufes ——

Edu. Ich begreife nicht ——

Als. Die Welt würde sagen, daß mein Eifer, und meine Vaterlandsliebe nur ehrgeizige Absichten zum Grunde habe. Der Gott, der alle Herzen sieht, kennt meine Uneigennützigkeit. Eduard, bester der Könige, laß mich mit Ehre in das Grab meiner Väter eilen; wähl eine würdige Königinn zum Wohl deiner Staaten. Vergiß eine flüchtige Leidenschaft, und sey stäts Eduard! —— Hör mit Geduld eine kurze Moral ——

Das morgenländische Gemälde.

Die Morgenröthe warf ihre goldnen Stralen über die Gipfel der Berge, der Weise wusch sein Antlitz, und grüßte das schimmernde Tageslicht. Wohlthätige Sonne, sey den Sterblichen willkommen! Du giessest mit gleicher Huld auf Fromme und Böse deinen Segen. Wirf deinen gütigen Schimmer in das Schlafgemach des Königs, beleuchte seine schlummernden Augen, und lehr ihn wohlthätig wie Du zu seyn! O Vorsicht, warum lässest du durch grosse Fürsten die Kleinen unterdrücken? So seufzte der Weise, als ein glänzender Geist vor seinem Auge stand. Ich habe deine Klage gehört, ich will dich belehren. Was siehst Du dort? —— Ich sehe, sprach der Greis, eine einladende Quelle an einem blumenreichen Gestade; die Pilgrimme erquicken sich an dem kühlenden Wasser. Was erblickst du izt? fragte ihn der schimmernde Jüngling, Sieh, rief der Alte, eben diese sanfte Quelle schwillt zur stürmischen Flut empor, welche die Fluren verheeret, und die ländlichen Hütten niederstürzet. Was siehst du izt? war die Frage des Genius. Eine wohlthätige Flamme, die mich wärmet, und meine Speisen zur Verdauung kochet. Blick weiter! Rief der himmlische Geist. Gott! Ich sehe, jammerte der Greis, eine wütende Flamme, die alles verschlinget; Häuser und Menschen frißt! Aber izt fühle ich eine sanfte Luft, sie kühlet mein graues Haupt, und reizt meine Augen zum Schlummer. Aber ach! Sie wird zum rasenden Sturmwinde! Sieh, wie die höchsten Cedern zu Boden fallen! Hör dort die zerrissenen Haine klagen! —— Sey ruhig! Sprach der Geist lächelnd, was zeigt sich dir? —— Ich sehe, rief der Naturforscher eine grüne Ebne, welche mit dem Schmelzwerk der Blumen malerisch pranget. Doch, wie verwildert sich plötzlich dieß Eden! Die Erde bebt, die Abgründe öffnen sich; diese sonst so gütige Mutter verschlinget grausam ihre Kinder! —— Was soll O erhabner Lehrer, dieß wunderbare Gesicht bedeuten? Welch ein Widerspruch! —— Dieß ist ein Gemälde der Leidenschaften, so schloß der Genius, sie sind die edelsten Triebfedern aller menschlichen Handlungen; alle Tugenden keimen hervor, so lange sie von der Vernunft geführt und beherrscht sind; aber weh den Menschen, wenn ihre Leidenschaften die Gränzlinie verlassen, und die Schleussen durchbrechen, dann vertilgen sie alles. So rief der belehrende Geist und verschwand. Der Weise dankte, und segnete die Allmacht.

Selbstgespräch.

Eduard. Er verläßt mich! Wie bin ich beschämt! Welche erhabne Seele besitzest Du mein Freund! Du erniederst mich! —— Ich will dir nachfliegen kühner Adler! —— Ich eile unter dem Geräusche der Waffen meine Leidenschaft zu besiegen, zu vergessen! —— O Salinia, dich vergessen — Welchen schweren Kampf ficht mein Herz!

Serenade.

Erster Auftritt.

Der König, die Ehre mit ihrem Gefolge.

Die Ehre.

Wie lange wirst Du hier in träger Ruhe schlafen?

Sieh auf! Dort lächelt Dir ein schöner Lorbeerhain!

Ergreif mit Muth die edlen Waffen,

Durch sie allein kannst du verewigt seyn!

Der Weichling mag im Arm der Wollust lenzen,

Der, wenn er stirbt, vergessen ist;

Doch Helden, die mit Siegespalmen glänzen,

Die die Unsterblichkeit begrüßt,

Enteilen streitbar ihren Gränzen,

Weil sie ihr Geist in keine Welt verschließt.

Der König.

Willkommen Königinn der Erde!

Durch dich entflammt vergißt der Krieger die Beschwerde,

Die sich ihm stolz entgegenstemmt,

Und seine Riesenschritte hemmt.

Umarme mich, Du hast mein Herz bemeistert,

Ich fühle schon den göttlichen Instinkt,

Ein Blick von Dir hat mich begeistert.

Ich eile hin, wo mir dein theurer Lorbeer winkt.

Zweyter Auftritt.

Die Weichlichkeit, und ihr Gefolge, Vorige.

Die Weichl.

Wohin mein Sohn, entfliehst Du meinen Armen?

Die Ehre leitet Dich?

Ich seh Euch beide mit Erbarmen!

Held zaudre noch, und höre mich!

Du willst Dich kühn in die Gefahren wagen?

Ich schildre Dir das Bild von meinen sanften Tagen:

Früh wecket Dich die süsse Harmonie,

Dann eilst Du zu den Blumengärten,

Umringt von schmäuchelnden Gefährten.

Sie lieben dich, dein Blick beseelet sie.

Indeß bewaffnen sich mit Reizen alle Schönen;

Die Liebe buhlt um Dich in tausend Wollustscenen.

Ein jedes Wölkchen wird verscheucht.

Dann lädt Dich Bachus zu den Festen;

Du taumelst froh mit muntern Gästen,

Bis sich die Sonne roth zum Meere schleicht.

Dann rufen Dich Thaliens Spiele,

Und sie belebt dein Herz mit zärtlichem Gefühle.

Doch endlich reicht der frohe Tanz

Dir seinen bunten Blumenkranz.

Spät eilt der Schlafgott dich zu grüssen,

Und du entschläfst mit Amors süssen Küssen.

Hat dieses Leben keinen Glanz?

Was ist mein Freund, der eitle Ruhm?

Baust Du dein Glück auf Menschenknochen?

O flieh die blutigen Epochen,

Denn ihre Gleise sind zu krumm!

Hier ruhest du am schönsten Busen!

Hier lächeln Dir die sanften Musen,

Und hier ist mein Elisium!

(Izt umgaukeln ihn die Liebesgötter; die Grazien schmücken ihn mit Blumen, und er sinkt entzückt in ihre Arme. Der Friede krönt ihn.)

Chor des Gefolges der Weichlichkeit.

Freudige Chöre

Der Liebe zur Ehre

Erquicken das Ohr.

Zärtliche Lieder

Erheben izt wieder

Die Herzen empor.

Dritter Auftritt.

Donner und Blitz. Der Eckel und die Zwietracht mit ihrem Gefolge stürzen herein.

Der Eckel.

Wirst du denn nicht der schaalen Lüste müde?

Kannst du gewärmte Lust verdaun?

Ich sage Dir mein Fürst ganz im Vertraun,

Mir eckelt oft Gesundheit, Wohlseyn, Friede.

Ich schwöre Dir, mich quält dieß Einerley.

Die Zwietr.

Wir treten deiner Meinung bey.

Ich sehe diesen Hof bey allen Freuden gähnen.

Dein Schauplatz, O Monarch, ist niemals neu.

Man sieht beständig alte Scenen.

Ein altes Lächeln fort, wenn es zu oft erscheint!

Wähl lieber Krieg, wenn auch der Landmann weint,

So sind es doch ganz neue Thränen.

Hör, wie der Krieger murrt, wie frech dein Nachbar dräut,

Und sich bey deinem Schlummer freut!

Kannst du den Schimpf stäts so gelassen tragen?

Wirst du denn nicht Versuche wagen?

Begräbt die Weichlichkeit dein grosses Herz;

Betäubt den grossen Geist ein kleiner Liebesscherz?

Nein! Länger kann ich Dich nicht so entehret schauen,

Ich reisse selbst den Wollusttempel ein;

Ich will dem Ruhm Altäre baun!

Ich steige zum Olymp! Willst du Begleiter seyn?

Wir müssen Neid, und Haß, und Vorurtheil zerschmettern;

Dein Zögern heischt von mir izt eine kühne That.

Ich will mit Dir auf jenen Felsen klettern,

Wo die Unsterblichkeit den schönsten Tempel hat.

Willst du? So reiche mir die Hand!

Verlaß die kleinen Liebesspiele;

Verwirf dieß weichliche Gewand!

Dort nähern wir dem edlen Ziele,

Wo Herkules einst Lorbeern fand.

Der König.

Empfang von mir die erste Huldigung!

Ich folge froh dem Heldenwinke.

Ich bin zwar noch an Thaten jung;

Jedoch es treffe mich die härtste Züchtigung,

Wenn ich als Weichling je zurück zur Ruhe sinke,

Und je den Taumelkelch der Wollust trinke.

Auf Ehre! Komm, dein Ruf belebt!

Mein Blut beginnt izt feuriger zu wallen;

Ich höre schon die Kriegstrompete schallen,

O Götterton, der mich erhebt!

Laßt uns mit Muth das Siegesschwert ergreifen;

Bald werden uns die schönsten Palmen reifen!

O Heldengeist, der mich umschwebt,

Sieh, wie die Welt schon furchtsam bebt!

Chor des kriegerischen Gefolges.

Wir eilen, wir fliegen zum blutigen Kriege!

Dort pflücken wir Lorbeern, dort ärnden wir Siege,

Die über die Meere die Fama posaunt,

Bey denen die späteste Nachwelt erstaunt.

Biblische Schreibart.

Aber Willhelm der König hörte die Siege seines Feindes, und der Neid fuhr in ihn, und er sandte zu Philipp seinem Bundesgenossen, und an alle benachbarte Könige, und foderte sie zum Streit auf wider Eduard ihren Feind von gestern und ehegestern.

Und es thaten sich alle Gewaltigen zusammen, und das Getümmel der Kriegsschaaren war wie das Rauschen vieler Wässer.

Und der Herr sprach zu Eduard dem König, da er schlief, fürchte dich nicht vor ihnen, denn morgen um diese Stunde will ich sie alle vor deinem Angesicht vertilgen, und ihre Könige in deine Macht übergeben. Ihre Rosse sollst du lähmen, und ihre Wägen mit Feuer verbrennen.

Also kamen die Kriegsschaaren des Königs zusammen, und waren alle eines Gemüthes und eines Vornehmens, und es fanden sich funfzigtausend, die das Schwert auszogen.

Und alsobald wurden die Kriegstrompeten geblasen, und die Geschwader zogen auf das Schlachtfeld. Eduard aber trat an ihre Spitze.

Und er sprach zu ihnen: Folget mir, denn der Herr hat unsere Feinde in unsere Hände übergeben; und sie folgten ihm, und nahmen die Furth am Ufer des Flusses, welcher beide Heere trennte, und sie überfielen ihre Feinde, und erschlugen unzählbare Haufen, welche alle starke und streitbare Männer waren, und keiner konnte entrinnen.

Aber König Willhelm strit wider Eduard, und seine Schaaren flohen vor dem Angesicht der Feinde; ihrer wurden viele niedergeworfen und erschlagen in der Ebne.

Und die Geschwader Eduards drangen häufig auf die Leibwache Willhelms; er aber wurde in einer Sänfte getragen, denn er war krank, und er stieg heraus. Und der ganze Last des Streits wendet sich auf Willhelm, und die Schützen trafen ihn an, und er ward tödtlich verwundet, und die Seinigen fielen rings herum.

Da sprach Willhelm der König zu seinen Hauptleuten; tödtet mich, damit ich nicht in die Hände meiner Feinde falle, und sie ihren Spott mit mir treiben; aber seine Hauptleute wollten nicht, denn sie waren sehr erschrocken. Da stürzte er wüthend unter die zudringenden Feinde, verwünschte sein Schiksal, und ward im Gefechte getödtet, und von Pferden zermalmet. Also hat Gott das Böse vergolten, das Willhelm wider Eduard seinen Knecht gethan hatte. Er und seine Krieger wurden erschlagen und zertreten, und es gieng ein Gestank aus von ihren Aesern. Die Thore ihrer Städte wurden zerbrochen, und die Mauern niedergerissen.

Aber Philipp der König floh, und versperrte sich in eine feste Stadt, und der Hunger und die Noth mehrten sich täglich, denn sie wurden von Eduard hart belagert. Und die Inwohner assen das Brod nach dem Gewicht, und mit Sorgen, und tranken das Wasser mit dem Maaß und in Aengsten, und sie verschmachteten. Da trat die Schwester des Königs mit ihrem Bruder in ein Verständniß, und sie gieng in das Lager der Feinde, und sie gefiel den Augen des Königs.

Alidia warf sich weinend zu den Füssen Eduards, und sprach: Herr, laß mich Gnade finden vor deinen Augen. Willst du denn alles vertilgen, was von uns übrig ist, und deinen Grimm über mein Volk ausschütten? Mein Bruder hat deinen Zorn gereizt, seine Missethat ist groß; aber schenk Gnade deiner Magd, die für die Schuldigen flehet, du bist der mächtigste und weiseste König, den ich verehre.

Und Eduard gab ihr Gnade, und Verzeihung ihren Freunden. Deine Thränen, sprach er, sind ihr Heil, ihr sollet wieder pflügen, und Saamen der Erde geben; die Städte sollen bewohnet werden, und die Ruinen sollet ihr wieder erbauen. Ich will eure Erde mit Menschen und Vieh erfüllen; sie sollen wachsen und blühen, und sich mehren. Die verheerten Felder sollen mit Korn beladen werden, und die Auen sollen Früchte tragen. Dieß alles thue ich um deinetwillen, denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden.

Aber sieh da, ihr Bruder ward mißtrauisch auf seine Schwester, und verzweifelte an seinem Heil.

Und er versammelte alle seine Kebsweiber und Diener, und sezte den Pallast in Flammen, und verbrannte sich und die Seinigen.

Alidia aber folgte dem König, und sie war seine ganze Seele. Er verschlang ihre Schmäucheleyen, und ward stolz und übermüthig.

Seine Krieger aber giengen siegreich in ihre Häuser, und assen die Frucht des Weinstockes, und die Frucht der Bäume, und tranken das Wasser ihrer Brunnen in Freude. Und die Völker jauchzten.

Psalm.

Ich will singen, und mit Psalmen den Allmächtigen preisen. Erzählet seine ewigen Wunderthaten in den Jahrbüchern der Erde.

Machet Euch auf ihr Völker zum Lobgesange des Herrn; machet Euch auf ihr Väter, ihr Mütter, und rufet seinen heiligen Namen!

Singet ihr Jünglinge und Jungfrauen sein heiliges Lob!

Er hat ein neues Denkmaal seiner Grösse und Güte errichtet. Zerschlagen waren unsere Herzen; wir weinten, und wir hiengen traurig unser Saitenspiel auf die Weiden.

Unsere Feinde waren hoch von Augen, und unersättlich von Herzen; Sie verliessen sich auf ihre ähernen Wägen, und ihre zahlreichen Rosse; wir aber haben in Demuth unsern Gott angerufen.

Er hat sie geschlagen, und seinen furchtbaren Arm wider sie aufgehoben. Er hat seinen verschlingenden Zorn in die Schaale unserer Feinde gelegt, und seine göttliche Gerechtigkeit in unsere Schaale; aber seine gränzenlose Barmherzigkeit war das Uebergewicht.

Der königliche Löwe zieht herauf aus seinem Lager, den Feinden entsinkt das Herz, denn unser Gott ficht mit ihm.

Seht, Er kommt herab wie eine schwarze Donnerwolke; sein feuriger Wagen ist wie ein heulender Sturmwind; und seine schnaubenden Pferde sind schneller denn Adler; er nimmt Frieden und Stärke von dem feindlichen Heere.

Wo ist izt die Wohnung der Hochmütigen? Er hat ihre Lagerstatt zerstöret, und ihre Nester zermalmet. Die Stolzen sind verstricket, und zu Boden gefallen; wir aber stehen auf, und preisen dich wohlthätiger Gott!

Unser König erfreut sich durch deine Stärke, und frohlocket über unser Heil; du hast ihm gegeben, was sein Herz begehrte, und ihn hoch über seine Feinde erhoben.

Sein Volk sitzt in der Schönheit des Friedens, und wohnt in überschwenglicher Ruhe durch dich O Gott der Herrlichkeit, und des Sieges; wir danken dir, und lobsingen dir in Ewigkeit.

Geheime Nachrichten.
Fragment.

Nach so glücklichen Siegen, und so häufigen Eroberungen kannte sich der mächtige Eduard nicht mehr. Sein ganzer Charakter verwandelte sich. Eine übertriebene Eigenliebe beherrschte ihn. Seine Leutseligkeit und Güte verschwand. Die Schmäucheleyen kriechender Hofschranzen vergrösserten täglich seinen Hochmuth. Er kannte nur seinen umschränkten Willen. Er schrieb den Nachbarn willkürlich Gesetze vor. Er gebot als Monarch seinen Bundesgenossen. Er sah auf seine Unterthanen wie auf verächtliche Sklaven herab, und wollte von der ganzen Erde gefürchtet und angebetet seyn. Alidia, und ihre Speichellecker umringten ihn stäts, verscheuchten seine patriotischen Räthe, und Freunde, und verdrängten alle treuen Diener des Vaterlands. Fremdlinge flößten in sein Herz Grundsätze einer schwarzen Politik, die alles gewaltsam zertrat, und alles hungrig verschlang. Das arme Volk fühlte die eiserne Ruthe des despotischen Eigendünkels eines Tyrannen. Alidia war alles in allem. Sie schlich sich so in sein Herz, daß er beschloß sie zur Königin zu erheben. Alle Feste des Hofes wurden ihr mit schwelgerischem Aufwande gefeyert, und alles staunte die glänzende Sonne an, die an der Seite Eduards glänzte.

Pantomime.

Ein offener Gartensaal.

Der König, viele Höflinge, Damen, Ankart der Finanzminister, und hernach Losin.

Viele Damen und Kavaliere sitzen beym Frühstück. Der König geht auf und ab, und liest in einem Briefe, lächelt, hält die Hand auf die Stirne und denkt nach. Er blickt auf einen andern Brief, fährt freudig auf, und erblickt seinen Finanzminister, der sich nur beugt, und ihn nicht stöhren will. Der König nimmt einen Schwamm, läßt ihn wohl anschwellen, indem er zu allen Springquellen eilet, und dann drückt er den Schwamm auf einem Waschbecken, welches er in einen Schrank stellt. Ankart bemerkt alle Geberden, neigt sich, und geht. Der König liest weiter. Losin trit auf, will wegen gegenwärtiger Gesellschaft wieder abtreten. Der König winkt ihm, führt ihn zur Gartenebne, und haut mit einem Stäbchen alle Mohnköpfe von den Blumenbeeten ab. Losin überlegt diese Handlung ein wenig, verbeugt sich ehrfurchtsvoll, und eilt fort, bringt eine Schrift, Wachs und Licht. Der König drückt sein Siegel auf, und Losin nimmt Abschied. Die Gegenwärtigen staunen über die Räthsel, und über die Art des Königs seine geheimen Befehle zu ertheilen. Der König kehrt freudig zur Gesellschaft[16].

Scene.

(Der Narr kommt mit einer Rolle und singt.)

Beliam.

Dieß wird getauft:

Etwas zum Lachen,

In Ehesachen,

Menschen zu machen,

In allen Sprachen,

Heysa! Wer kauft?

(Der Narr hat ein Kleid, welches wie eine Landcharte mit allen Ländern bemahlt ist. Eduard betrachtet ihn.)

Beliam. Sieh! Ich bin ein neuer Atlas! Ich trage die ganze Welt. Wenn du mich siehst, hast du alle Königreiche vor Augen. An der Brust trage ich deine Erbländer, und am Rücken die Staaten deiner Nachbarn.

Zeitungsblatt.

Hoffeyerlichkeiten. Den zehnten April gab der König ein Universalfeuerwerk, wobey sieben Städte abgebrannt wurden.

Man warf sechshundertpfündige Raketen nach der neuesten Erfindung, und ist nie ein Schauspiel von der Gattung mit mehr Pracht und Aufwand erschienen. Der Herr Feldzeugmeister Attika entzündete dieses künstliche Feuerwerk. Bey der Verzierung erschien in vollem Feuer das Emblema: Et lux perpetua luceat eis! Seine Majestät geruhten über diese sinnreiche Erfindung Seiner hochfürstlichen Durchlaucht des Herrn Feldmarschall Murrat den allerhöchsten Beyfall zu äussern.

Den zwanzigsten erlustigten sich Seine Majestät mit einer wohlgeordneten Menschenjagd. Hunderttausend Kuppelhunde jagten das Wild auf. Es ward auf beiden Seiten viel Blut vergossen. Nach dieser kleinen Leibesbewegung hat Seine Majestät einen besondern Hunger zu verspüren geruht, und Allerhöchstdieselbe würdigten sich beym Nachtmahle ein allerunterthänigstes Rebhuhn zur Freude aller anwesenden hohen Gäste allergnädigst zu verdauen.

Da der Herr Erzbischof in diesen kriegerischen Zeitläuften den König allerehrerbietigst befragte, ob nicht Betstunden anzuordnen wären, weil die Unterthanen kein Brod haben; so hat unser allergnädigster Landesvater das allerhöchste Placet ertheilet: Beten und Fasten ——

Man will wissen, daß wichtige Plane im Kabinet entworfen werden. Laut sichern Nachrichten wird am Frieden thätig gearbeitet.

Pasquil.

An der Pforte des königlichen Pallastes erschien ein Gemälde. Eduard trug auf seinem Rücken die Weltkugel, und eilte mit hastigen Schritten. Dieses Sinnbild führte diese satyrische Aufschrift.

O Weiber, schwächet doch den kühnen Riesensohn,

Sonst trägt er uns und Euch in seiner Welt davon!

Scene.

(Kabinet.) Eduard, hernach Albin.

Eduard. (indem er ein Buch zur Seite legt.) Wie klein sind noch meine Thaten, wenn ich sie mit den Riesenplanen Alexanders des Grossen messe! Was habe ich bisher Merkwürdiges gethan, und wie viel hätte ich thun können! Ich bin auf dem schönsten Gleise zum unsterblichen Ruhme! Alles zittert vor meinen siegreichen Waffen, laß uns ewige Palmen erringen! —— Eine Universalmonarchie lächelt mich an —— Was hält mich hier zurück? —— Weiberliebe —— Eduard, steh auf, erobere eine Welt! Trit die kleinen Könige mit Füssen, bring deine durchlauchtigen Plane zu Stande —— und dann ruhe wie Alexander unter dem Schatten unsterblicher Lorbeern aus! —— Cäsar, Pompejus, solche Männer beherrschten eine Welt, und ich begnüge mich mit einigen Kronen? Ist mein Herz kleiner, mein Geist geringer, mein Arm schwächer? —— Fort! Laß uns alle Liebesfeste verschieben! —— Zur Ehre! —— Albin, was sagen die Berichte unserer Gesandten?

Alb. König Rudolph droht mit grossen Zurüstungen —

Edu. Droht? Rudolph droht? —— Wem droht der kleine Rudolph? Das Königlein droht! Droht mir! —— Sonst nichts von mehr Wichtigkeit als diese Kleinigkeit?

Alb. Die Republiken machen Vertheidigungsbündnisse ——

Edu. Ich will ihre Verträge wie Spinnengewebe zerreissen! Heißt das nicht mir trotzen? —— Ich will diese Nester in Königreiche umschmelzen! —— Zur Arbeit! —— Man muß seine Feinde mit Ungewittern überraschen!

Stoff einer Kriegserklärung.
Kanzleysprache.

Wir Eduard von Gottes Gnaden Mehrer des Reichs und Herr aller möglichen und unmöglichen Welten u. s. w. Geben unsern lieben getreuen und dummen Sklaven u. s. w.

Wir sind mit allen klugen Staatsmännern gänzlich überzeugt, daß der Krieg ein nothwendiges Uebel ist; da uns also unser königlicher Leibarzt mit Zuziehung unsers geistlichen Gewissenraths eine kleine Leibesbewegung zur Verdünnung unsers Bluts dringend angerathen hat; so sind Wir aus landesväterlicher Liebe allergnädigst entschlossen, gelegentlich auch die dicken Säfte des Staatskörpers zu reinigen, und ein Paar benachbarte Königreiche, die uns sehr bequem liegen, zum nützlichen Zeitvertreibe zu erobern. Vermuthlich wird diese gesunde Heldenjagd unsern ungefälligen Nachbarn nicht wie uns behagen, und wir sehen voraus, daß die leidige Kriegsflamme sich ausdehnen kann. Unsere gerechten Waffen sollen also mit Beystand des Himmels unser angeerbtes Recht vor Gott und der Welt vertheidigen. Wir versprechen uns von Euch allen unterthänigsten Beystand durch Aufopferung eures Bluts und eurer Güter u. s. w.[17]

Scene.

Ein Wald. Eduard, ein Anführer einer Räuberbande, hernach seine Gefährten.

Edu. Ich habe mich auf der Jagd von meinem Gefolge getrennt. Guter Freund, wo ist die Heerstrasse?

Anfüh. Für eine gütige Ritterzehrung will ich Ihnen den Weg zeigen mein Herr.

Edu. Hier hast du meinen Beutel!

Anfüh. Da ist noch ein hübscher Ring, eine Uhr, vermuthlich auch eine Dose. —— Ich bitte haben sie die Güte! —— Ich bin ein Mann von Lebensart, und übe nicht gern Gewalt ——

Edu. Kerl fort! Du bist ein Strassenräuber! Ich hielt dich für einen Wanderer.

(Er stellt sich zur Gegenwehr.)

Anfüh. Keine Gewalt! Ich bitte sehr, oder auf einen Wink erscheinen meine dienstbaren Geister, und lehren Sie, was es ist, rechtschaffene Männer zu beleidigen.

Edu. Kerl, ich lasse dich hängen! Ich bin Eduard, dein König!

Anfüh. Ach! Herr Bruder willkommen! Izt ändert sich freilich die ganze Sache. Die Hand her! Meinen warmen Brudergruß! Mir war gleich das Gesicht bekannt. — Es freut mich ungemein, näher mit dir in Freundschaft zu treten! — Hier ist dein Beutel wieder! Wir Helden haben ein geschenktes Handwerk.

(Er pfeift)

Brüder, bringt Erfrischungen, wir haben ein lieben Gast! Nähert Euch meine Freunde, hier führ ich Euch unsern Bruder und Kollega Eduard auf, den Gott noch lange erhalten wolle! Izt bin ich entwürdet, hier heißt es Cede Majori!

(Alle Räuber reichen dem Eduard die Hände)

Willkommen Bruder!

Edu. (heimlich.) In welcher edlen Gesellschaft bin ich! —— Meine Herrn, es ist mir eine besondere Ehre in ihre Bekanntschaft zu kommen!

Anfüh. Setz dich Brüderchen, auf diesen schönen Rasen, und trink ein Glas Wein! —— Er ist aus deinem Keller. Wir holen alle Bedürfnisse aus deiner Burg, denn wir theilen brüderlich.

Edu. Es freut mich, wenn meine Kleinigkeiten so wackern Leuten behagen. Aber seht, der Abend nähert, ich wünschte aus dem Walde zu seyn.

Anfüh. Ich werde dich sicher bis an die Stadtthore führen. Du bist in den besten Händen.

Edu. Nimm zur Erkenntlichkeit wenigstens diesen Ring, und für deine Untergebenen diese Börse ——

Anfüh. Schönen Dank! Wir nehmen nichts; denn wir sind Ehrenmänner, und lieben gute Sitten. Wir weichen nie von unsern strengen Gesetzen; wir nehmen dem Wanderer nur den Ueberfluß aus Güte ab, um ihnen die Reise zu erleichtern. Kein Armer wird beraubt, und niemand, der bescheiden ist, wird mißhandelt. Was däucht Dir ——

Edu. Du setzest mich in Erstaunung.

Anfüh. Freyheit ist unser System!

Edu. Wollt Ihr dem Vaterland dienen? Werdet freye Krieger! Wollt Ihr?

(Der Anführer spricht heimlich mit seinen Brüdern.)

Alle. Wir wollen!

Anfüh. Gieb uns dein Ehrenwort, unsere treuen Dienste königlich zu belohnen!

Edu. So wahr ich König bin, will ich Euch nach Verdiensten belohnen! Folgt mir.

Tagebuch.
Eines Kriegers aus Eduards Lager.

Wir zogen aus, und suchten den Feind auf. Wir überfielen Rudolphs Lager unvermuthet. Der Sieg war entscheidend. Wir eilten gegen die Hauptstadt, nahmen auf dem Wege zehen Festungen ein. Wenige hielten die Belagerung aus. Rudolph hatte die Ueberbleibsel seiner Völker mit den Geschwadern der Bundesgenossen vereiniget, und es kam zum blutigen Treffen. Rudolph entwich aus seinem Königreich, und sein Heer wurde gänzlich zerstreut. Nicht glücklicher gieng es seinen Bundesgenossen. Die benachbarten Staaten hatten indeß zu ihrer Sicherheit ihre Städte befestiget, und ihre Grenzen in Vertheidigungsstand gesetzt. Eduard betrachtete dieß als eine stille Kriegserklärung, überraschte sie, und unterwarf seinem Zepter Länder und Städte. Er flößte durch seinen Ruf so viel Schrecken in alle Gemüther, daß sich alles ergab. Unter diesen beständigen Kriegen entkräftete er seine eignen Staaten; die Gesetze entschliefen, die Städte und Dörfer wurden entvölkert; die Künste und Wissenschaften verfielen, und die Ackerpflege ward vergessen. Seine weitschichtigen Länder schmachteten im Elend. Er eilte zurück. Er hatte überall gefährliche Aufruhren zu dämpfen, geizige Statthalter zu demüthigen, und es wurden endlich seine eignen Krieger seines unersättlichen Ehrgeizes müde.

Brief.
Alsin an Eduard.

Ich schreibe dir, denn eine Unpäßlichkeit verzögert meine Reise. Ich will hingehen, so sagte ich, ich will vor meiner Auflösung eilen, Ihn das letztemahl zu sehen, zu segnen, und durch die Rechte der Menschlichkeit um den Frieden beschwören. Ich werde meine grauen Haare über Ihn streuen, und ihn mit Thränen bethauen. O Fürst, O mein Eduard, will ich sagen, gieb deinem armen Volke den Vater zurück! —— In diesen süssen Gedanken begann ich meine Reise, welche Reise war das! —— Ueberall sah ich das Bild der Zerstörung; jeden Schritt netzte ich mit meinen Zähren. ——

Nachtgedanken.

O kühles Grab, du Trost der Sterblichen!

Wann labst du mich? so rief ich oft mit Thränen.

Die schwarze Nacht lag über meinem Haupte;

Nur selten schlich der Mond aus düstern Nebeln;

Die ganze Schöpfung lag im tiefsten Schlummer.

Nur Eulen heulten wild ihr Abendlied;

Als ein Gestank von Aesern mich erstikte.

Ein Schlachtfeld lag vor mir; die Sohlen traten

Auf Menschenblut, ein Denkmaal deiner Thaten

O Eduard war das! Ich stand betäubt,

Und übersah beym blassen Sternenlichte

Dies Mordgefild. O welche Schreckenscene

Für so ein weiches Herz, wie meines ist!

Da lag ein Rumpf, und dort zerstückte Glieder;

Ein kalter Schauer fuhr durch meine Seele.

Die Leichen schienen mir noch halbbelebt;

Ich hörte noch ein leises Sterberöcheln!

Mein graues Haar stieg hochgesträubt empor;

Mein kaltes Blut vergaß den trägen Lauf.

Nur Geyer freuten sich, und hielten Mahl.

O Menschlichkeit, wein mit mir eine Thräne,

Und fluch dem Ehrgeiz zu, der Menschen würgt,

Um einen Lorbeer mehr für Blut zu kaufen.

Ich hörte gleichsam hier zehntausend Wittwen

Um Rache flehn, um Rache für die Söhne!

Der Waisen Klaggeschrey schien mir zu tönen,

Und die Einbildungskraft riß meinen Geist

Zum Richterstuhl, vor dem die Fürsten zittern.

Die Seelen kamen dort als Kläger an,

Und häuften Fluch auf die Eroberer.

Weh ihnen, wenn einst Gott von ihren Händen

Die Menschen heischt, und Blut aus Lorbeern preßt.

O Eduard, was ist dein Wunsch, dein Glück;

Ein schwarzer Traum, noch schwärzer dein Erwachen!

Einst, wenn der Wurm, der deine Feinde frißt,

Dein hungriges und hartes Herz zernagt,

Was sagst du dem, der dich geschaffen hat?

Geschaffen hat, die Brüder stäts zu lieben,

Gekrönet hat, die Völker zu beglücken!

Ist denn dein Plan für diese Welt allein,

Und trennt ein grosser Geist die Welten?

O wie begnügsam bist Du doch geworden!

Mir eckelt vor der Welt, die dich so reizt.

Wenn dieß die Schöpfung ist, die wir hier sehn;

Wenn dieß ihr Endzweck ist, den du dir wünschest;

So ist die Schöpfung nichts, der Endzweck nichts!

Nichts für ein Herz, das Ewigkeiten suchet!

Die Welt ist Staub; mein Ziel ist groß wie Gott!

Fürst, wärst du Herr der künftigen Minute;

Und wäre das, was Du durch Mord ersiegst,

Unsterblich dein, dann könntest du den Kloß,

Der Dich begnügt, um einen Himmel kaufen;

Doch Du bist auch ein Bettler von der Zeit;

So sey ein Adler, flieg zur Sonne hoch!

Laß kleinen Geisterchen die kleine Welt,

Und such ein Reich, wo man unsterblich lebt!

Flieg auf verherrlichet durch grosse Thaten

Der Menschlichkeit, wobey die Schöpfung jauchzt;

Flieg auf mit Lorbeern, die kein Blut beflecket,

Die fern vom Fluch, durch Segen heilig sind.

Ende der dritten Kaprizze.


Eduard als Greis.

Vierte Kaprizze.

Liebes- und Heldengeschichte.

Schwarze nächtliche Wolken hiengen über den schlummernden Horizont, und nur blasse Stralen des Mondes brachen durch die duftenden Lauben des königlichen Gartens, als die reizende Alidia lustwandelte, und so zu den Sternen seufzte: Wie lang unerbittliches Schicksal bin ich noch der Gegenstand deiner Rache? Und du allesbeherrschende Liebe, wie lange soll noch mein Herz das Spiel deiner muthwilligen Ränke seyn? Alle diejenigen, die ich hasse, lieben mich, und der einzige, den ich anbete, verschmäht mein Herz. Was soll ich in meiner traurigen Lage beginnen? Soll ich den Ehrgeiz hören? Er räth mir die Liebe Eduards und mit ihr seine Krone zu erobern; aber Ach! Wie theuer sind diese Kronen erkauft! O Sigismund, nur Du bist der Abgott meiner Seele, du bist würdig meine Zärtlichkeit ganz zu besitzen! Eil, erobere den Thron, den du allein verdienst! Doch du hörst nicht meine Wünsche; du verachtest meine Seufzer, und begegnest nie mit zärtlichem Auge meinen schmachtenden Blicken. Aber welch ein Geräusch unterbricht meine einsamen Klagen?

Ich bin es göttliche Alidia, rief Prinz Friedrich, indem er sich ihr zu Füssen warf. Hier liegt der Unglückliche, der ohne dich nicht länger leben kann, der dich anbetet, und von dir die Entscheidung seines Schicksals hören will. Leben und Tod hängt izt auf deinen Lippen. Meine Verzweiflung führt mich hieher. O Alidia, Du bist mir entrissen! Eduard, der Mörder deines Bruders, der Zerstörer deines Vaterlands, den Feind meiner Hofnungen, der dich mir raubt, soll Dich als eine kostbare Beute besitzen? Da ich durch die gütigen Verheissungen deines Bruders schon die süsse Hofnung nährte, deine Hand zu erhalten, soll dieser ruhmsüchtige König mir den unschätzbaren Preis, dein Herz entreissen? Zuerst muß er mich tödten! —— Ich komme hieher, dich durch meine zärtliche Liebe durch den theuren Schatten deines Bruders zu beschwören, folge mir schönste Alidia! Alles ist zu deiner Freyheit gerüstet, laß uns eilen! —— Du zögerst? Du entweichest? Du bebst zurück bey meiner Bitte? Ich bin gehaßt, du liebst meinen Feind! —— Aber er soll dich nicht besitzen!

Zurück kühner Prinz! Rief Alidia, fürchte meine Rache! Ich liebte Dich nie, und fühle, daß ich Dich nie lieben werde. Geh, dank es meiner Güte, daß ich deinen Frevel nicht bestrafe! Du bist hier im Pallast deines Feindes! —— Friedrich umfaßte Alidien; ihr Geschrey ertönte, und Sigismund stürzte herzu. Mit blitzendem Schwerte begrüßte er den Entführer. Wohin du Räuber? Rief er, hieher zu mir! Ich vertheidige die Schwachen, die du dreist genug bist, zu beleidigen. Es kam zum blutigen Gefechte, indeß Alidia vor Schrecken in Ohnmacht sank. Friedrich ward entwafnet, und bat seinen Sieger um den Tod. Laß mich sterben, tapferer Krieger, wer du immer bist! Solltest du mein Nebenbuhler seyn, so räche dich, und tödte mich! Ich bete Alidien an; ich habe gerechte Ansprüche auf ihr Herz, auf ihre Hand; aber die Grausame opfert mich treulos ihrem Ehrgeize auf. Ich will mein Unglück nicht überleben!

Sigismund ward durch die Klagen dieses unglücklichen Prinzen zum Mitleid gerührt. Er tröstete ihn, und bat ihn zu seiner Sicherheit eilends den königlichen Pallast zu verlassen. Er legte durch viele Trostgründe heilenden Balsam auf seine Wunden, und beredete ihn liebreich, daß er endlich entwich. Indeß erholte sich die schmachtende Alidia, und sie dankte ihrem großmüthigen Befreyer mit Worten, die mehr Liebe als Dankbarkeit verriethen. Ach! Seufzte sie, wärest Du mein Entführer gewesen, ich würde weniger Widerwillen gezeigt haben; aber Sigismund hört nur das Jauchzen der wilden Krieger, und sieht nur die blutigen Lorbeern mit Entzücken. Art vergißt nicht ihre Art. Wie deinen Onkel reizt dich nur die Kriegstrompete. Du bist unempfindlich für die sanfte Liebe, und bleibst kalt für Herzen, die für dich brennen ——

Reizende Alidia, rief mit Erstaunung Sigismund, Du legest mir Fehler bey, die mein Herz mißkennet. Ich ehre dein Geschlecht! aber nie hat mich der stolze Eigendünkel so bethöret, daß ich vergessen sollte, wer ich bin. Ich bin Sigismund, ein kleiner Auswürfling des Glückes; Sigismund, der keine Kronen anzubieten hat! Dieser Degen ist mein Reichthum; dieses Herz ist meine väterliche Erbe! Nackt stieß mich das stiefmütterliche Glück in die Fremde. Die Erde ist mein Vaterland geworden. Du aber göttliche Alidia bist zu Kronen gebohren, und gereifet. Ich wünsche dir Glück zu deinem schönsten Siege. Eroberer liegen in deinen reizenden Fässeln. Ich werde mich nie so vergessen, meinen Blick zu Dir zu erheben. Du bist der Schatz meines königlichen Onkels, der Dir Zepter zu Füssen legt, die Du verdienest!

Was hindert Dich Kronen zu erobern, edler Sigismund, unterbrach ihn sanftlächelnd Alidia. Ich kenne deine Tapferkeit, und dein durchlauchtiges Blut. Liebe mich, und ich öffne Dir die Bahn zum Throne! —— Ich kenne nur rechte Gleise, nahm Sigismund das Wort, und diese führen mich zur Pflicht, zum Gehorsam, und zur Unterwürflichkeit. Der Himmel giebt Kronen! —— Ich liebe die Tugend, und wünsche, daß sie stets die schönste Perle deiner Krone sey! —— So sprach er mit Nachdruck, verneigte sich, und entwich.

Alidia stand lang versteinert. Sie sah sich verlassen, verschmäht. Ihr weiblicher Stolz war beleidiget, und sie beschloß sich blutig zu rächen. Ich will dich stürzen, hochmüthiger Jüngling, rief sie, ja du sollst kriechen kleiner Wurm, du sollst dich schmiegen Sklave! Du bist unwürdig einer Krone, unwürdig meines Herzens! Ich hasse dich und deinen Kronensüchtigen Onkel; aber ich will der alten Schlange schmäucheln um die junge Natter zu verderben! Süsse Rache kocht in meinem Busen! So donnerte sie, und eilte in den Pallast alle Triebfedern in Bewegung zu setzen, um ihre beleidigte Liebe zu rächen.

Die Gelegenheit ereignete sich bald. Theodor ein kriegerischer Prinz wollte den Tod seines Bruders Willhelm rächen, und sammelte in Eile ein mächtiges Heer. Er überraschte seine Feinde in einer Sicherheit, welche meistens die Frucht eines guten Erfolges ist. Eduard eilte seinem Feinde entgegen, und es kam zur Schlacht. Theodor hatte als ein Meister der Kriegeskunst seinem Heere eine so glückliche Stellung gegeben, welche alle gewaltsamen Versuche Eduards vereitelte. Die Vereinigung der Glieder war so unzertrennlich, daß alle Angriffe der tapfersten Geschwader vernichtet wurden. Reuter und Fußknechte fielen. Eduard war in äusserster Verlegenheit. Er sah seine schönste Mannschaft und den Kern seines Heeres zu Schanden gehauen, und das feindliche Heer stand siegreich und unerschüttert auf der blutigen Wahlstatt. Die Lage des Ortes, und der feste Bau des ganzen Körpers war seinen Feinden vortheilhaft. In diesen verzweifelten Umständen näherte sich ihm ehrerbietig Sigismund. Es ist noch ein Mittel, sprach er, die Schlacht zu gewinnen, lassen Eure Majestät eilends das schwere Geschütze gegen diesen unzertrennlichen Kloß des feindlichen Heeres richten, und von allen Seiten zugleich mit neuen Geschwadern die Feinde muthig bestürmen. Der König erkannte die Wahrheit. Sigismund flog, und in wenigen Minuten scheiterte die feindliche Maschine. Sie fielen zu tausenden. Alles wurde getrennt, getödtet und in die Flucht geschlagen. Alles pries die tiefe Einsicht des jungen Helden.

Dieser günstigen Gelegenheit bemeisterte sich die listige Alidia; der junge Adler, rief sie, überholet bereits den alten Löwen! War nicht so der weissagende Traum meines geliebten Eduards? In der That das Zigeunermädchen ist eine Prophetinn! Ich irre nicht, die Zeit reifet. Du staunest mein edler König? Ich eröfne dir mein ganzes Herz. Es ist meine Pflicht für die Sicherheit deiner Tage zu wachen. Sigismund strebt nach der Krone. Bemerke wohl sein Betragen; sieh, wie er den Kriegern schmäuchelt; wie er den Bürgern liebkoset; sich vor Knechten liebreich verneiget, alle Herzen gewinnet, und durch seine glänzenden Thaten alle Augen erschüttert! Alles spricht nur von ihm; von dir schweigt alles! Schläfst du mein Eduard? Ueberlässest du so ruhig deine Kronen, deine theuererkauften Lorbeern dem dreisten Jüngling?

Das Gift wirkte in dem Herzen des ehrgeizigen Königs. Er hatte schon oft einige Regungen der Eifersucht gefühlt. Der Ehrgeiz verträgt keinen Nebenbuhler. Sigismund ward gehaßt. Er fiel plötzlich in Ungnade, ward kalt am Hofe empfangen, des Vertrauens und aller Würden allmählich beraubt, und der Dank für seine rühmlich geleisteten Dienste war, daß er vergessen wurde. So untergrub ein rachsüchtiges Weib sein aufblühendes Glück.

Brief.
Lusian an Piron.

Wir sehen uns! Ja Herzensbruder, wir sehen uns bald! Ich verlasse den Hof, denn was soll ich hier machen mit meinen strengen Begriffen von Tugend, Ehre, Redlichkeit? Eduards neue Politik verträgt sich mit meinen alten Grundsätzen nicht. Wir sind keine Krieger mehr, die das Vaterland beschützen, wir sind Menschenmetzger geworden. Wir gehn alle Gemeinplätze der grausamen Eroberer. Wir rauben, morden, brennen, machen Wittwen und Waisen, verwüsten Städte und Länder, und sind am Ende so hungrig, als wenn wir keine Königreiche verschlungen hätten. L’appetit vient en mangeant! Meiner Seele! Der Franzos hat ein weises Sprichwort. Ich will dir unsere traurige Lage schildern.

Satyre.

Wie viel Narren von Aufgang und Narren von Niedergang seh ich;

Wie soll ich Myriaden berechnen? Ich bleibe bey Hofe.

Nur ein Häufchen der glänzendsten Thoren will ich bemerken,

Thoren, die sich zum Vorbild der Kleinen mit Schweisse bereiten.

Kaum erscheinet der hüpfende Zögling im Schauplatz des Hofes;

So beginnt er das wichtigste Werk des rühmlichen Adels

Seine Tage mit thätigem Müßiggang prächtig zu tödten.

Dann lernt er die mystische Sprache dem Fürsten zu schmäucheln;

Seinen Bewunderern viel zu versprechen, und nichts zu erfüllen;

Seine Gedanken mit gleissendem Firniß politisch zu schmücken;

Nebenbuhler mit Lob zu erheben, und heimlich zu drücken;

Endlich wird er durch Uebung gebildet, und spielet den Meister.

Er spricht alles mit künstlichem Lächeln, er kürzet die Worte,

Sagt die Rede nur halb, bedient sich studirter Geberden;

Jede Grille des Hofes wird ein Geheimniß des Staates.

Er eilt bedeutend zum horchenden Ohre neugieriger Freunde,

Lallt zwey Silben, und stammelt, das Uebrige winkt er mit Blicken,

Fliegt geschäftig davon; macht Anspruch auf schimmernde Würden;

Jede Belohnung erwartet nur er, und er preist die Verdienste;

Er überholet die fähigsten Männer, und steigt durch Empfehlung.

Immer seufzt er, wie wenig der König die Treue belohnet,

Die er mit seinen preiswürdigsten Ahnen dem Staate geweiht hat.

Er stürzt hastig durch alle Gemächer des staunenden Hofes,

Unterscheidet mit komischen Grüssen die Stände der Menschen.

Ihr Moralisten, die Ihr bey Grossen die Tugend vermisset,

Höret, ich will Euch mit seltenen Wundern erschüttern, betäuben.

Wie viel Selbstverläugnung bedarf ein listiger Höfling!

Wie viel Geduld die Narren zu preisen, die er zwar erkennet,

Und im Herzen verachtet; wie viel gelassene Kälte,

Thörichte Lügen zu hören, und doch aus Absicht zu glauben;

Wie viel Langmuth, die kochende Galle durch Jahre zu zähmen,

Sich nicht an mächtigen Feinden zu rächen, sie liebreich zu küssen,

Bis die goldne Gelegenheit sichere Dolche bereitet.

Wie viel Beredsamkeit, immer zu reden, und doch nichts zu sagen!

Zeigt mir ein Beyspiel, wo lebt wohl der Weise, der Kühnheit besitzet,

Wie ein Schranze sich selbsten zu loben, und andre zu tadeln;

Ueber die Künste despotisch zu herrschen, und alles zu richten,

In zwey Worten den Werth der Dinge mit Kühnheit zu sagen?

Seht dort den Günstling des Königs, er lebt nur vom Hauch des Gebieters,

Wie ein Schooßhund geschmeidig verläugnet er seine Gesinnung,

Aeft den Charakter des Fürsten, und stralt wie ein Spiegel das Antlitz

Lächelnd zurück, er schmäuchelt, er kriechet, und lecket den Speichel.

Kaum hüpft der Frosch vom Throne des Königs, so bläht er sich selbsten,

Sieht als Beschützer auf Kleine herab, und dräut den Verwägnen,

Die sich bey seiner Erscheinung nicht bücken, die dreist ihn verachten,

Die das Ungefähr seiner erhabnen Geburt nicht empfinden,

Und den Günstling des Glückes mit stoischer Kälte beschauen.

Sind sie denn blind, wenn er in goldenen Kutschen daherfliegt,

Und die Buhlerinn mit der Ausbeute des Volkes bereichert?

Wie entschlossen enterbt er den schnellüberraschenden Winter!

Er verschlingt schon in blühender Jugend die Früchte des Alters,

Ueberläßt sich der Wollust, der Pracht, dem schwelgenden Taumel,

Und entschließt sich das Spielwerk der geizigen Aerzte zu werden.

Aber verlassen wir diese Vorsäle des Hofes, und eilen

In das goldne Schlafgemach seines beglückten Monarchen!

Du hast diesen Beherrscher O Himmel, mit Kronen belastet,

Und doch hör ich ihn seufzen; gewähr ihm den Letzten der Wünsche!

Nur ein Hafen des Nachbars macht ihm noch unruhige Nächte.

Schicksal, du hörest mein Flehn. Ich seh ihn am frohen Gestade!

Wie wird er jauchzend Dich segnen! Was hör ich? Er schmiedet Entwürfe,

Jene Republik zu tilgen, die seine Länder zertrennet.

Sättige Fürst auch dieses Verlangen, doch laß dich begnügen!

Wie, du hungerst noch immer? Wer füllt den politischen Magen!

Geh du Nimmersatt! Friß Nationen, verschlinge Provinzen,

Die Politik ist gleichsam erfunden, dich ewig zu quälen,

Wie ein gepeinigter Höllengeist bist du der Henker der Menschen!

Weise Gesetze vertilgen den Mörder, der einen erwürget,

Was verdienest denn Du, der du Millionen ermordest,

Eine Spanne von Erde zu mächtigen Ländern zu fügen,

Die du nicht übersiehst, auch niemals zu sehen verlangest?

O ihr Großen, ein Seufzer entfuhr mir bey euren Begierden!

Ihr seyd die Väter des Vaterlands, Ihr seyd Gebieter der Erde,

Ihr seyd von Völkern erwählet die Güter den Söhnen zu theilen;

Izt nehm ich den Tadel zurück, und preise die Räuber.

Es ist Mäßigkeit, daß Ihr so wenig von allem geniesset;

Ihr bewerbt Euch um goldene Schätze, sie wiederzugeben;

Ihr erobert Kronen auf Kronen, sie Erben zu lassen,

Und Ihr begnügt Euch mit Arbeit, mit Schweiß, mit Thränen und Flüchen!

So viel Größe des Herzens verdient gewiß Pyramiden!

O seyd dankbar ihr Völker, und baut den Eroberern Tempel!

Diesen gefürchteten König bescheinet die Sonne wie Bettler;

Seinen durchlauchtigen Magen ersättigen Aeser und Kräuter;

Eben der Wurm und das Schaaf, das Bürger bekleidet, bedeckt ihn;

Schlaf und Ruhe mißkennt er, und endlich stirbt er wie Sklaven,

Und läßt, was er den Weinenden raubte, den lachenden Erben.

Wie viel Güte! Freygebiger König, ich will dich vergöttern!

Lebet ihr Helden und Sieger von meiner Apotheosis!

Allegorisches Gemälde.

Aesop, der Staatskörper, und ein Gefolge von Weibern und Kindern.

Aes. Welch ein Ungeheuer nähert sich mir! — Wer bist Du?

Der Staatsk. Ich bin der kranke Staat ——

Aes. Wie siehst du aus! Ich kenne dich nicht mehr. Einst warst du ein blühender Jüngling; ich sah den May deiner lächelnden Tage. Dein majestätischer zierlicher Gang gab deiner reizenden Miene eine edle Grösse; dein wohlgestalteter Wuchs reizte die Augen. Deine jugendlich blühende Wange war ein beredter Zeuge von dem glücklichen Umlauf deines gesunden Bluts. Du warest von allen Menschen geliebt, bewundert, hochgeschäzt. Königinnen buhlten um deine Liebe, ein freundlicher Blick, ein Druck der Hand, ein sanftes Wort von deiner Lippe war ein Geschenk, eine Belohnung, um welche deine Günstlinge buhlten. Aber Ach! Wo sind izt deine Bewunderer, deine Freunde? Wie bist du von Alter und Krankheit entstaltet, mißhandelt! Faule morsche Knochen hängen nur durch eine welke Haut zusammen. Dein Athem stinkt, deine triefenden Augen liegen tief in dem kahlen Hirnschedel. Deine Kleider sind zerrissen, ein jammerndes Leichengefolge von Wittwen und Waisen schleichet dir nach, und zerfliesset in Thränen ——

Der Staatsk. Ach! Ich bin das traurige Schlachtopfer des Ehrgeizes! So haben mich die unsterblichen Väter des Vaterlands mißhandelt. Hungrige Geyer verschlangen mein Fleisch, Ottern nagten mein Mark, und Tyger saugten mein Blut. Ich bin meinem Tode nahe. Vergebens suchten einige patriotische Aerzte meine Tage zu verlängern. Ich welke hin, meine Säfte sind vertrocknet.

Aes. Wo schleichst du denn hin?

Der Staatsk. Ein schwindelnder Projektant hat mir die Bäder verordnet. Ein anderer schlägt mir die Eselsmilch vor; aber ich denke auf mein Testament, die Esel und Eselinnen werden mir schwerlich helfen. Ich fühle meine Auflösung. Meine Wunden sind unheilbar. Leb wohl! Wir sehn uns nicht mehr!

Aes. Gute Nacht Vaterland!

Hofanekdoten.

Flugwerk.

Der Bruder der berufenen Gräfin Emilie, einer Exsängerinn, die der König vorzüglich wegen schnellen Füssen bewunderte, verließ die kleine Klasse des Pöbels, und wuchs vom kleinen Schmiedjungen bis zum Aufseher der königlichen Palläste, und Freyherrn von Altberg an. Da sich in zwey Monaten sein wunderbares Genie, und sein Originalgeschmack in den Künsten und Wissenschaften durch Wunder entwickelten, sah sich der König genöthiget, ihn in den Grafenstand zu erheben, und ihm den Vorsitz im Tempel der Musen anzuweisen. Er ließ sich malen, und der Maler sezte seinen Helden auf einen Wolkenwagen.

Verschwindung.

Auch der Hof hat seine Verschwindungsmaschinen. Graf Tannenwald sprach zu dreist von der Menschlichkeit in Gegenwart des Königs. Die Höflinge entdeckten kleine Runzeln auf der majestätischen Stirne. Dieß war ein weissagender Wink für ihre Adleraugen. Sie eilten wie Füchse mit brennenden Schweifen zu den Neidern des Grafen. Man verfertigte in Eile unterirdische Fallen. Tannenwald gleitete aus, und verschwand.

Theatermalerey.

Die Höflinge sind die ersten Erfinder der Theatermalerey. Sie vergrössern mit dreister Hand ihre Pinsel; ihre Geduld ist bald erschöpft, sie eilen hastig zum Zweck, und werfen ihre flüchtigen Gemälde nur verwägen hin. Doch in der Ferne halten die Augen ihre Malerey für Miniaturgemälde.

Episode.

Losin hatte dem König lange und treue Dienste geleistet. Er stand am Gipfel des Glückes, und der Ehren, als endlich seine mächtigen Feinde am Hofe seinen plözlichen Sturz bereiteten. Er ward vom König zu einer wichtigen Unternehmung versandt; aber seine Gegner wusten die Sache so hämisch einzuleiten, daß er weder die nöthigen Kriegsleute, noch genug Geld und andere Bedürfnisse zur bestimmten Zeit erhielt. Alles gieng natürlich unglücklich. Das Glück selbst schien sich gleichsam mit seinen Widersachern zu vereinigen. Man schrieb alle Fehler dem Obersten Losin zu. Der Kriegsrath beurtheilte die Handlungen so streng, daß Losin zum Tode verurtheilt wurde. Seine Seele war zu groß, er würdigte sich nicht sich zu vertheidigen. Der König kennt mein Herz, und meine Dienste. Das war alles, was er dem erkauften Kriegsrath zur Antwort gab, und es näherte sich der Tag seines Todes. Niemals war unter dem Volk eine grössere Gährung. Losin war von edlen Bürgern geliebt, von allen Kriegern als ein Held bewundert. Man schloß die Kaufmannsgewölber. Die Handwerker verliessen ihr Gewerbe. Das Volk eilte zur Gerichtstäte. Die Biedermänner zerflossen in Thränen; die Väter erzählten den Söhnen mit Schluchzen seine Thaten, und die Mütter wuschen ihre Säuglinge mit Zähren, indem sie den Patrioten segneten. Selbst der Stab zögerte, und erwartete mit ängstlicher Ungeduld vom König ein gewünschtes Zeichen der Begnadigung; aber vergebens waren alle frommen Wünsche. Unter dem lauten Zuruf, und von Millionen Segen des zuschauenden Volkes begleitet stieg Losin auf das Blutgerüst; sein ruhiges Antlitz war nach seinem edlen Herzen gestimmt. Er grüßte liebreich seine Kriegsgefährten, und dankte der Versammlung des Volkes für die großmüthigen Zähren. Er erwartete mit offenen Augen den Tod, den er so oft in blutigen Schlachten für das Vaterland, und für seinen König verachtete. Schon rüsteten sich die Vollzieher der strengen Gerechtigkeit, als ——[18]

Maschinenkomödie.

Ein Hain am Gestade eines Stromes.

Fritz, Lieschen, zu ihnen Amor.

Fritz. Lieschen, setzen wir uns in das Gras ——

Liesch. Aber sey nicht schlimm ——

Fritz. Zu Zeiten einen Blick, und einen Kuß —— Ich will fromm wie ein Turteltäubchen seyn ——

Liesch. Geh, du bist ein loser Schurke! Der Ort ist einsam —— Mein Herz —— Ach mein Herz ——

Fritz. Wann wird es ganz mein Eigenthum? —— Wär ich reich! —— O Liebe gieb mir eine Heerde!

Liesch. Fritz, sieh, es ziehen dort Wetterwolken über die blauen Gebirge. O diesem Winkel trau ich nie! Alle Stürme kommen daher!

Fritz. Es blitzt wirklich; auch der Donner schleicht schon ferne. Die Winde heulen. Sieh dort schwellen die Wogen empor ——

Liesch. Wenn etwa unsere Fischer Schaden leiden. Sieh, was ringt dort mit den Wellen?

Fritz. Ein Kind!

Liesch. O das arme Kind! Hülfe! Geschwind Hülfe! —— Nimm lieber Fritz ein Schiffchen! —— O mein Fritz hundert Küsse!

Fritz. Nur hundert? —— Willst du zweyhundert geben; so schwimme ich um den Knaben —— weniger nicht ——

Liesch. Geh, du bist ein Nimmersatt! —— So geh nur —

(Fritz springt munter in die Fluten, und haschet den Knaben.)

Am. Hab Dank für die Hülfe! Begehrt eine Gnade!

Fritz. Wer bist du?

Am. Ich bin ein Geigenmacher, und reise auf meine Kunst.

Liesch. Ich muß für dich dreyhundert —— nein zweyhundert will ich sagen —— ja richtig zweyhundert Küsse zahlen, schenk mir aus Erkenntlichkeit eine Geige von deiner Arbeit, denn du bist so artig, daß deine Geigen viel Harmonie versprechen.

Am. Ich will Euch die Liebesgeige schenken. Singt mir indeß euer Lieblingslied. Ich beginne die Arbeit. Seht das Meisterstück. Wenn man sie spielt; so macht ihre Wunderkraft alle Zuhörer tanzen. Sammelt Geld, das sey euer Hochzeitgeschenk.

Scene Extempore.

Amor verschwindet. Fritz und Lieschen erscheinen in der Stadt mit der wunderbaren Liebesgeige. Sie sehen viel Volk auf dem Markte, und hoffen Gewinn. Fritz geigt, alles tanzt. Sie eilen bis zum Gerichtsplatze. Das Volk, die Krieger beginnen zu tanzen. Die Freunde Losins spähen von ferne, nützen den glücklichen Augenblick, und bringen den Verurtheilten in Sicherheit. Der Pöbel tanzt fort. Fritz und Lieschen bereichern sich, feyern ihre Hochzeit, und kehren in das Dorf, wo noch jährlich alle gesunden Beine den Einfluß der magischen Liebesgeige fühlen.

Scene.

Lusian. Marsis.

Lus. Edler Marsis meinen Abschiedskuß!

Mars. Auch Lusian verläßt uns, da uns alle Patrioten fliehen ——

Lus. Ich will als ein rechtschafner Mann zu Grabe gehen. Eduard mag seine chimärische Universalmonarchie selbst ausfechten. Ich bin ein Kerl, der sein Vaterland liebt, nie soll mich der Ehrgeiz zum Unmenschen machen! Wir fallen wie hungrige Tyger über unschuldige Nationen her; was sich nicht knechtisch beugt, wird mit Füssen getreten. Gott im Himmel, wir stinken von Menschenblut! —— Leb wohl!

Mars. Warte noch, ich will dem Könige Vorstellungen machen ——

Lus. Er hört niemand, als seine Speichellecker, seine Weiber, und seinen unersättlichen Ehrgeiz! —— O die verdammte Eroberungssucht!

Quodlibet.

Wenn lauter schlaue Spieler wären,

Wer würde der Gewinner seyn?

Wenn alle Mächtige die Welt zerstöhren,

Wer zieht den Vortheil ein?

Gewiß ist eine Welt zu wenig,

Weil alle Fürsten Helden sind.

Izt weht ein kriegerischer Wind.

Es kleidet sich ein jeder König

So furchtbar wie ein Herkules.

Die Großen sind izt lauter Krieger.

Ein jedes Königlein spielt einen Sieger,

Als wär er Alcibiades.

Die Fürsten grüßen auch mit Lächeln nur Soldaten,

Die dort im Feld die Aernde kühn zertraten.

Gar selten wird für den ein kalter Gruß beliebt,

Der seinen Staat beglückt, und Völkern Nahrung giebt.

Das eiserne Jahrhundert ist erschienen;

Die Erde scheinet mir ein Waffenhaus.

Man brüttet überall erwürgende Maschinen;

Werkzeuge, die nur zur Verheerung dienen,

Denkt izt der Witz der harten Menschen aus,

Die Erdensöhne zu zerstöhren,

Als wenn sie nur Insekten wären.

Wie wird die Menschlichkeit verhört,

Und die Vernunft geschändet und entehrt!

Sind denn die Großen ewig Narren,

Und bleibt ihr altes Steckenpferd

Der Lorbeer und ein Siegeskarren?

Dort hängt ein Räuber. Gute Nacht!

Du hast die Sache schlecht gemacht,

Muß man in Wäldern Solo fangen?

Du könntest izt am Hofe prangen,

Wärst du nur ein Politiker,

Und stünd um dich ein großes Heer.

Wer gab die höllischen Gesetze,

Daß jeder rauben kann, was ihm gefällt,

Wenn sich sein Nachbar nicht mit Macht entgegen stellt?

Das riecht nicht bloß nach Schulgeschwätze,

Es stinkt nach einem Höflingsbart.

Das bleibt so ein Geschmeis von Tygerart.

Sie zischen stäts den Fürsten in die Ohren,

Die ganze Schöpfung sey zu ihrer Lust gebohren.

O Himmel schmücke jeden Thron,

Mit einem weisen Salomon!

Und strafe nie die Welt mit herrschenden Genien,

Vor denen Myriaden Sklaven knien.

Ihr Nachbarn hört den feinen Fürsten nicht,

Der schmäuchelnd von Verträgen spricht,

Denn seine Majestät beliebt mit Euch zu scherzen,

Er hat das Gift in seinem Herzen.

Glaubt sicher, wenn er Euch nur Hochzeitlieder singt,

Daß er aus Neid schon euer Land verschlingt.

Große Lichter, kleine Kerzen!

Große Männer, harte Herzen!

War Attila des Adams ächter Sohn?

Wie, ehren Henker auch den Thron,

Die stäts nach Beute schielen?

Du Weib, bleib lieber ohne Frucht,

Die einen Helden trägt, den man gerecht verflucht.

Die Fürsten lieben sehr im Felde sich zu kühlen,

Und daraus folgert sich,

Daß sie wie Kinder gern Soldaten spielen;

So jagt man königlich!

Ein kleiner Edelmann hetzt seinen Haasen.

Seht, wie die Krieger froh auf unsern Weiden grasen!

Wir säen stäts, und kauen unsre Noth.

Die halbe Million der Menschenfeinde

Beraubet uns der Kinder und der Freunde,

Und frißt in Müßiggang recht trotzig unser Brod.

Wird denn der Pöbel ewig rasen?

Wie man die Thoren jauchzen hört!

Wenn der Monarch die armen Menschen tödtet,

Und manche Stadt wie ein Barbar zerstöhrt;

Indeß der Philosoph still seufzet und erröthet.

Wird wohl die Welt dadurch beglückt,

Wenn man auf einen Kopf zehn Kronen drückt?

Verewiget die Wahrheit mit dem Meissel;

Die Helden sind der Erde schwerste Geissel!

Das Bild des Titus und Aurelius

Verdient von Weisen einen Kuß.

Auf Alexander laßt uns speyen!

Stäupt Schmeichler, die dem Ehrgeiz Weihrauch streuen,

Den man verfluchen muß!

Scene.

Eduard, ein Kämmerling, hernach Marsis.

Edu. Lasset ihn nicht vor! Ich hasse seine Strenge; er ist ein harter unbeugsamer Mann! Fort! —— Wer trit wider meinen Willen ein?

Mars. Ich habe oft den Zutrit begehrt; aber deine Diener verweigerten ——

Edu. So war mein Befehl!

Mars. Das wollte ich aus deinem Munde wissen. Ich gehe wieder. Ich habe die Freystäte des Friedens verlassen, und bin hieher geeilt, dich zu sehen, denn du nanntest mich einst deinen Freund. Nur zwey Worte mein König, und dann mein Lebewohl, meinen Abschiedsgruß! —— Ich bin hieher gekommen meinen königlichen Freund zu sehen; aber ich finde ihn nicht mehr. Jenen grossen Eduard kannte ich, dessen Herz der Thron der Menschlichkeit war; dessen Ohr beym Geschrey des Elendes sich herabneigte; dessen Augen von edlen Thränen sanft überflossen, wenn er seine Bürger leiden sah; Fürst, das war ein Mann! So einer kömmt nicht wieder! Er war die Zierde des Thrones, die Säule des Vaterlandes, und die Wollust seiner Völker! —— Aber Ach! Er ist todt! —— Du kennst denjenigen, der an seine Stelle trat ——

Edu. Das ist dein Lieblingston, du veränderst dich nie —

Mars. Ich habe diese standhafte Denkungsart meinem Unglücke zu danken. Wär ich in Weichlichkeit erzogen, vielleicht würde mein Herz verzagt, und meine Seele weibisch. Ich weiß, daß niemand ohne Zittern sich dir nähert; doch ich bin ganz ruhig hieher gekommen, denn ich fürchte nichts, weil ich nichts zu gewinnen, nichts zu verlieren habe. Dieses Leben widmete ich tausendmal deinem Dienste, fast reut es mich ——

Edu. Ich dulde deine Kühnheit. Ich will dich hören. Ich will bis zu dir herabsteigen. Was verweisest du deinem König? Denn ein Verweis drückt deine Zunge ——

Mars. Wollte Gott, ich könnte itzt dein Lob absingen! Aber zum Schmäuchler bin ich nicht gebohren. Herr, ich verlasse ein kleines Landhäuschen, ich höre rings um mich das Gewinsel der Elenden. Da rufen die Waisen um Brod; dort ringen die Wittwen die Hände; die gedruckte Armuth seufzet in allen Winkeln; ich schleiche bestürzt in deine Burg; ich finde sie entvölkert; die treuen Diener sind vom Dienste geworfen; deine Freunde hast du verscheucht; weise thätige Bürger des Staats hast du des Landes verwiesen; der Patriot segnet weinend sein Vaterland, schüttelt den Staub von den Füssen, und eilet zur Gränze. Alles haßt dich; du hast die Liebe deiner Unterthanen verloren; du bist ein Tyrann einer gekränkten Familie, deren Thränen dich überall anklagen. Hörst du die Klagen deiner Kinder; weist du den Jammer ——

Edu. Du sagst mir keine Neuigkeit. Ich habe meine Ausspäher ——

Mars. Ausspäher? —— Ich weiß nicht, ob die Ausspäher Despoten, oder die Despoten Ausspäher machen! —— Im Kriege mögen sie gelten; aber im Frieden —— Ein König muß wie ein Vater unter seinen Söhnen leben, sie müssen seinen Segen wie den Thau des Himmels fühlen —

Edu. Wer kann den Pöbel begnügen? Ich giesse meine Wohlthaten willkürlich aus; ich bin wie ein Gott; Er beglücket, wen Er will.

Mars. Alle haben gleiche Ansprüche, gleiches Recht! Du sagst Wohlthaten? —— Wohlthaten! Das sind ja die Güter deiner Völker, die dir nur anvertraut sind, um sie mit Billigkeit zu vertheilen.

Edu. Ich bin Herr über meine Eroberungen ——

Mars. Die Beute des Glücks, willst du sagen, aber mit wessen Kräften erwarbst du sie? Dein Arm allein? —— O fürchte den Eigensinn des Glücks! Sieh, mitten unter deinen Siegesgeprängen geht das Vaterland zu Grunde!

Edu. Geh aus meinen Augen! Ich will dich vergessen ——

Mars. Ich vertheidige das Recht der Menschlichkeit ——

Edu. Deine Pflicht ist zu schweigen!

Mars. Ich eifre für deine Ehre ——

Edu. Es ist schön den Donner, den man schleudern könnte, zurückzuhalten; aber geh meinem Jähzorne aus dem Wege! Eil! Entweich! Mein Bogen ist gespannt! Meine Pfeile ——

Mars. Schrecken mich nicht! Denn ich bettle hier nicht um Gnaden. Durchbohr diese Brust, die sich so oft dem Feinde bloßstellte, um dein Leben zu beschützen; es reut mich keine That; aber dein Undank schmerzt mich. Du hast alles vergessen, du bist izt ein liebloser Egoist. Du lebst dir! Die ganze Welt soll dein Fußschemmel werden. Du tritst alles mit Füssen; verachtest alle Menschen, und liebst nur dich selbst! Du vergiessest Menschenblut wie Wasser, um deinen unersättlichen Ehrgeitz zu befriedigen. Du verwandelst die Welt in eine Brandstäte, um deinen Groll an jedem Nachbar zu weiden; aber zittere, es wacht eine Vorsicht, sie wird dich herabstürzen und demüthigen!

Trauerspiel.

(Eduard zieht wüthend den Degen, und ersticht den Marsis. Die Wachen eilen herzu, und unterstützen den Sterbenden. Eduard sieht kaum seinen Freund bluten; so schleudert er den Degen weg, und steht versteinert. Plötzlich stürzt er sich in die Arme des Marsis)

Mars.

Ich sammle noch mein Fürst, die letzte Kraft,

Um dich als Freund und Unterthan zu segnen ——

Ich sterbe ——

Edu.

Sey verflucht du Mörderschwert.

Mein Freund, Du stirbst, ich habe Dich getödtet!

Vergieb mir Theuerster, wenn du vergeben kannst.

Ich bin dein Mörder, ich, der Dir das Leben dankt.

O Undank, schwarze That! Nein, keine Reue tilgt

Verbrechen aus, die unser Herz entehren.

Ich will dein Rächer seyn, ich selbst will mich bestrafen,

Und deine Wunde Freund, mit meinem Tode rächen!

(Er faßt den blutigen Degen, um sich zu durchbohren. Marsis sammelt die letzten Kräfte, und entreißt ihm das Schwert.)

Mars.

Halt ein, die Thränen sind mir theurer als dein Blut!

Die Thräne, die mein Mund begierig trinkt,

Verwäscht die kleine That, die schon vergessen ist.

Ich sterbe froh, wenn dich mein Tod belehrt.

O kehre schnell zurück, und such die edlen Gleise,

Die deine Tugend stäts mit kühnem Fuß betrat.

Erwähl die Menschlichkeit zur Zierde deines Thrones.

Bereue jeden Tag, den keine grosse That,

Die deiner würdig ist, dir schätzbar macht.

Die Güte muß aus jeder Handlung blicken.

Streck deine milde Hand auf Waisen aus,

Und lächle sanft der armen Wittwe zu.

Erheb die Künste hoch, ermuntre Wissenschaften.

Sey wie ein Gott durch lauter Gnaden groß.

Dann ist mein Blut bezahlt, dann fließt noch Segen

Aus meinem Grab auf Dich! Du wirst geliebt,

Als Mensch geliebt, und angebetet seyn.

Der gute Rath, der mir vom Herzen strömt,

Soll mein Vermächtniß seyn! Nimm hin mein Lebewohl.

Wie heiter, und wie froh ist meine Sterbescene.

Ich nehme Freund, die süsse Hofnung mit,

Mein Vaterland durch dich beglückt zu sehn.

Dieß ist mein Abschiedsgruß. Lebt wohl ihr Bürger!

Ihr Staaten lebet wohl, die meine Jugend sah!

Der letzte Schauer naht —— Mein Blut erstarrt ——

Auf! — Höher Geist! — Zu Gott! — Zu Gott! — Ich sterbe ——

Edu.

Es ist geschehn! —— O That! O schöne That!

Er segnet mich, und lehret seinen Mörder!

Der edle Glanz von seiner Tugend stralt,

Und schleudert mich herab von meiner Höhe!

Wie häßlich schein ich mir! Wie bin ich schwarz!

Gebrandmarkt ist die Hand von seinem Blute.

Ein jedes Laster steht izt vor mir auf,

Und klagt mich an; bang zittert mein Gewissen.

Kehr wieder theurer Freund, O komm zurück!

Von deinem Aug ein Blick bringt Leben in mein Herz.

Ich fühle nichts als Sturm; mein Busen kocht;

Wo soll ich Trost, wo soll ich Hülfe suchen?

Im Grabe nur allein will ich vergessen,

Daß ich ein Mörder bin, der seine Freunde würgt.

(Er sucht das Schwerdt; Die Höflinge halten ihn ab.)

Laßt mich! Zurück! Ich muß mit Marsis sterben!

(Indem er entkräftet auf die Leiche sinkt.)

Dieß sey der letzte Kuß, den mir dein blasser Mund

Zum Labsal giebt! Verzeih! Vergieb o Freund!

Die Thränen waschen Dich! Sieh meine Reue;

Nie soll ein Lächeln mehr die Stirne heitern!

Die schwarze Nacht des Grabes soll mich decken,

Und unbeweint will ich vergessen seyn!

(Man schleppt ihn gewaltthätig von der Leiche.)

Monolog.

(Lusian, indem er einem Höfling nachschreyt.)

Er hat den edlen Marsis getödtet, sagst du? —— Bravo! (Er schlägt in die Hände) Bravo Eure Majestät! —— Bravo Meister Eduard! —— Eine Säule von deiner Universalmonarchie hast du selbst wie ein zweyter Samson eingestürzt, das Dach fällt sicher auf dich, und zermalmet dich und deine Schmäuchler! —— Gute Nacht wackerer Marsis! (lacht bitter) Das ist der Dank für so viele Dienste! Sechzig Schlachten hat er mit gefochten; sechzigmal hat er für dich geblutet, undankbarer König! —— Soll man diesen gekrönten Ungeheuern dienen? —— O wenn ich izt — Mäßige dich Lusian! —— Hinunter steigende Galle! —— Laß den Verstand siegen! Fort aus diesem Raubneste, wo die Tugend stirbt! —— He Dibald! Sattle mein schnellstes Pferd! —— Ich will fliegen! Wenn ich nur Flügel hätte —— Eduard mag seine unendlichen Kriege selbst ausfechten. Er hat ein hübsches Stück Arbeit! —— Hahaha! Kein Lebewohl von ihm! Ich hasse die Eroberer —— Fort! Leb wohl du armes Volk —— lebt wohl Freunde! —— Mein Hohngelächter über Euch verächtlichen Hofschurken!

Laune.

Flieh Satyr fern von mir, du bist ein loser Bube!

Wie oft jagt ich dich schon aus meiner Stube!

Du schleichst dich immer wieder ein,

Und spielest mir am Hofe tolle Streiche.

Izt soll der Schluß von unsrer Freundschaft seyn,

Weil ich nicht lange mehr im Staube keuche;

Von Städtern fern, und fern von Dir

Will ich mir dort in stillen Buchen

Den ächten Busenfreund, Horazens Nachbar suchen;

Der lacht und scherzt mit mir,

Nicht so wie wir aus weiter Kehle lachten,

Wenn wir uns beide lustig machten.

Wie oft durchwühlten wir das grosse Narrenhaus,

Und zischten die Bewohner aus!

Zuerst bespähten wir die grossen Staatsperücken,

Und fanden selten ein Gehirn.

Dann prüften wir des Höflings hohe Stirn,

Und schätzten sie viel kleiner als die Mücken.

Bey Fräulein suchten wir die keusche Jungferschaft,

Allein sie wohnt nicht mehr in Gold und Taft;

Wie morsch und wie verwelkt sind ihre Herzen!

Mit Weibern pflegten wir zu scherzen;

Wir haben sie ein bischen ausgehöhnt,

Weil jede gern den theuren Gatten krönt;

Sonst sind sie leidliche Geschöpfe.

Dann spürten wir um die gelehrten Köpfe,

Allein wir fanden Rauch und Wind.

Die Schmäuchler, die am Hofe häufig sind,

Verdienen sicher ein Gelächter,

Denn sie vergöttern oft den reichen Pächter;

Ein goldner Pavian scheint ihnen wie ein Gott.

Sie fühlten auch Herr Bruder, unsern Spott.

Die Kriecher wurden nicht verschonet;

Die Gleißner auch mit Streichen reich belohnet.

Mit einem Wort ich prüfte jeden Stand;

Es ist gewiß das ganze hübsche Land

Nichts weiter als des Tespis Karren,

Und stolz im Harlekinsgewand

Spielt jeder seinen Lieblingsnarren.

Izt bin ich endlich ihrer satt.

Ich hasse diese Schellenkappen.

Ich fliehe gähnend Hof und Stadt,

Und suche Menschen ohne Wappen.

Vielleicht schmückt die Natur das Land.

Ich wünsche Mutterwitz, natürlichen Verstand;

Ein gutes Herz, und reine Sitten

Find ich vielleicht in kleinen Hütten;

Und hab ich das, was brauch ich mehr?

Ich schliesse ruhig meine Tage.

Dieß ist, was ich mein Faun, dir sage!

Dieß merk, sonst sprech ich deutlicher.

Zu Zeiten will ich deiner noch gedenken,

Und unsrer Freundschaft Blicke schenken;

Mehr aber Satyr fodre nicht,

Man macht sich Feinde, wenn man sticht.

Geisterscene.

(Der Schauplatz ist ein Schlachtfeld. In der Ferne sieht man das verschanzte Lager der Feinde. In der Ebne liegen die Todten und Verwundeten. Waffen, Pferde, und Leichen sind aufeinander gethürmet. Von allen Seiten fliehen die Schaaren Eduards. Panisches Schrecken verscheucht sie. Eduard erscheint mit fliegenden Haaren und mit blutigem Schwert in der Hand. Donner rollen, Blitze leuchten; ein fürchterliches Ungewitter wütet. Aus den feindlichen Wällen tönen Stückschüsse. Es ist Mitternacht.)

Edu. Ihr feigen Memmen! Wo eilt ihr hin? Zurück! Wider die Feinde! Ich bin Eduard, euer König! —— Fechtet! —— Folget mir nach! Ihr verzagten, wo fliehet ihr hin?

Ein Hauptmann. Unsere Kräfte erliegen, die Feinde sind unüberwindlich ——

Edu. Sklave stirb! (Er schleudert ihn zu Boden). Zur Schlacht, zum Gefechte! Hieher! —— Alles flieht, alles verläßt mich! Tod und Verderben! Ich muß siegen! Ich muß die Feinde tödten! Ich will allein fechten!

(Ein königlicher Schatten mit einem Heere von Geistern in einer majestätischen Schlachtordnung erscheinet. Eduard erstarrt, und steht wie eine Bildsäule mit gesträubtem Haare, und mit dräuendem Schwert.)[19]

Edu. Welche Gespenster erblicken meine Augen? —— Himmel und Hölle wafnet sich wider mich! —— Ich bin besiegt, mein Glück sinkt, aus meinen Händen fallen die Zepter, und die Kronen entstürzen meinem Haupte! Entsetzen!

Der k. Schat.

Sieh an die Opfer deiner Wuth!

Wie lang wird noch dein Ehrgeiz wüten?

Wie lange trinkest Du noch Menschenblut?

Die Rache folget deinen Schritten!

Du bist zur Strafe schon gereift.

Die Hand des Winters, die den Baum entblättert,

Hat auch dein kahles Haupt gestreift.

Bald wird die hohe Stirn zerschmettert!

Die weise Vorsicht wiegt

Mit unbestochener furchtbarer Waage

Die Thaten aller deiner Tage!

Erwach! Dein Traum entfliegt!

(Die Geister verschwinden unter Blitz und Donner.)

Edu.

Das Schicksal hemmt den Lauf von meinen Siegen!

Ich sollte mich vor meinen Feinden schmiegen?

Nein! Eduard mißkennt den Sklaventon!

Ich stütze dieses Reich und meinen Thron!

Der Himmel mag mit seinen Donnern dräuen;

Die schwarze Hölle mag auf mich Gespenster speyen;

Ich höhne nur den Schattentroß!

Ich zittre nicht, mein Geist bleibt groß!

(Er eilt wütend fort.)

Neue Epopee.
Ein heiliger Gesang.

Die helikonischen Schwestern besangen die Thaten des Königs.

Er sah sich von kriechenden Völkern und Schmäuchlern vergöttert.

Könige bebten vor seinem länderzermalmenden Donner.

Eilends beschlich der Stolz den eitelkeitliebenden Busen.

So wie der heisseste Sommer auf paradiesischen Fluren

Blumenverzehrende Heere der wilden Insekten erzeuget;

So gebähren die glücklichsten Tage die häßlichsten Laster.

Eduard kannte sich nicht mehr, er wurde von Hochmuth begeistert.

Wie der donnerkochende Hekla die Gegend verwüstet,

Auf die benachbarten Hütten die brennende Lava verspritzet,

Und die armen Bewohner der Thäler despotisch verscheuchet;

So zerschlug der siegende König die bebenden Bürger.

Eiserne Ruthen bestraften sein Volk, und selbsten die Freunde,

Die ihr Blut und Leben ihm weihten, enteilten dem Hofe.

Ich bin der Herrscher, so rief er, ich gebe der Erde Gesetze;

Mein Wink ist heilig, und alles verehret mein göttliches Antlitz.

Himmlischbegeisterte Sänger verewigen meine Trophäen,

Denn mein Rachschwert hat täglich die tapfersten Feinde gezählet.

Durch mich fielen die mächtigsten Heere; mich betet die Welt an!

So rief der aufgedunsene Sieger am Morgen und Abend,

Und die Ohren der Gottheit wurden vom Frevel beleidigt.

Wer ist der Mann vom fürstlichen Saamen, der dort wie die Ceder

Bis zu den Wolken die trotzige Stirne mit Kühnheit erhebet?

Hat er denn nicht die Krone von Mir, und von Mir den Segen?

Hab Ich nicht Völker und Länder in seine Verwaltung gegeben;

Hab Ich ihm nicht die goldenen Zepter zu Füssen geworfen?

Wie hat dieser Kameleon sich so plözlich verändert!

Ich will dem würgenden Parder die zierlichen Flecken verwischen.

Ich will dein Horn, du Stolzer zerbrechen, und wieder erniedern!

Bald soll dein blühender Lorbeer verwelken, und Schande dich decken!

Deine Hände sollen erschlappen, dein Herz soll verzagen;

Nicht mehr werden die glänzenden Stralen der Sonne dir leuchten;

Ewige Dämmerung soll dein Gedächtniß verwirren, umnebeln!

Wohn in stinkenden Gräbern, benetze mit Thränen die Leichen

Jener unschuldig erwürgten Schlachtopfer der thörichten Ruhmsucht.

Ich will in dir den mächtigsten Fürsten ein Beyspiel bereiten!

Gabriel, fasse die blutige Sichel, dort reifet die Aernde!

So sprach zörnend der Alte der Tage; die rollenden Donner

Brüllten durch die hohen Gewölber des staunenden Himmels.

Feyerlich horchte die ganze Natur, und die zitternde Schöpfung

Auf die allesbeherrschenden Winke des Gottes der Götter.

Und der gehorchende Seraph entflog mit hastigen Schwingen.

Noch überdeckten den schlummernden Erdkreis die nächtlichen Schatten;

Eduard wälzte sich schlaflos auf goldenem Lager, und webte

Riesenentwürfe für kommende Tage der Welt zur Erstaunung.

Als der dräuende Herold des Himmels die sichern Gemächer

Majestätisch betrat, und donnernd den Schläfer begrüßte:

Ich will das Nest des himmelhochfliegenden Adlers zerstören!

So spricht der große Beherrscher der Schöpfung. Wer bist du Verwägner,

Der du so kühne Gewebe von künftigen Planen gebährest?

Wisse, du säest nur Wind, und ärndest nur reifes Verderben!

Augenblickbettler, was macht dich so stolz? Erzähl mir die Thaten!

Kennst du die größten und kleinsten Geschöpfe? Hast du sie erschaffen?

Gabst du der glänzenden Sonne Befehle, der Erde zu leuchten;

Bist du zu dem geheiligten Buche des Schicksals getreten;

Hast du der weisen Natur erstaunliche Wunder ergründet?

Wechselt durch deinen allmächtigen Wink der Winter und Sommer;

Kannst du der trockenen Erde den segnenden Morgenthau schenken?

Oder ist nur dein gröstes Geschäfte die Völker zu tilgen?

Geissel des Menschengeschlechtes erwache vom täuschenden Traume!

Ich will deinen verfinsterten Augen die Nebel entreissen;

Aber dann will ich dich wieder mit ewiger Blindheit bestrafen!

Nur die Erstlinge deiner Regierung sind Opfer der Tugend.

Du hast die Wege der Demuth verlassen; aus Undank vergessen,

Wer die Kronen Euch Sterblichen giebt, und wieder entreisset.

Du gabst die Ehre dir selbsten, die nur der Gottheit gehöret,

Welche dich aus dem mindesten Staube so gütig erhöht hat;

Eben die Gottheit schleudert dich wieder zum Staube zurücke!

Du sollst irren in Wäldern, und häßliche Höhlen bewohnen!

Wenige Stunden sind dir noch zur Reue, zu Thränen geschenket.

Trage die Strafe geduldig, und nütze die goldnen Minuten,

Vielleicht kannst du durch Zähren und Demuth die Allmacht entwafnen,

Doch izt trinke den Kelch der Rache bis auf die Hefen!

So sprach der Bothe des Himmels, und flog durch die schwarzen Gemächer,

Und er betäubte das Ohr des niedergedonnerten Fürsten.

Gnade! So rief er, indem er mit Zittern dem Lager entstürzte,

Und im Staube demüthig sich wälzte, Herr, schenk mir Erbarmung!

Sieh, ich bin schon zu Boden geschleudert, gerichtet, verworfen!

Selbst der Schatten der vorigen Grösse wird von mir verschwinden.

Meine Palläste sind öde, die goldnen Kronen zersplittern;

Meine stockenden Nerven erschlappen, der Busen verwelket;

Hangende Wolken lassen sich nieder auf meinem Gehirne!

Wer bin ich izt, wo wandelt mein Fuß, wo find ich die Ruhe?

Hülfe! Höret mich niemand? Bin ich von Himmel und Erde

Grausam verlassen? So rief er betäubt, und stürzte zur Pforte,

Irrte durch Wälder, und Gräber, und ward den Verbrechern zum Schrecken.

Nur in seltnen Minuten gab ihm das Schicksal die Ruhe;

Seine Vernunft erwachte zu Zeiten, das Elend zu fühlen,

Und nieversiegende Thränen benezten die sterbenden Augen.

Fortsetzung der geheimen Nachrichten.

Der alte Patriot Alsin starb. Salinia erschien izt wieder am Hofe, denn der kluge Vater hielt sie entfernet. Die alte Liebesflamme ward im Herzen Eduards rege. Alidia erkannte bald diese furchtbare Nebenbuhlerin. Sie beschloß dieselbe zu verderben. Da sie ihr aber mit offenbarer Gewalt nicht beykommen konnte, schlich sie sich in das Vertrauen dieser Schönen. Sie besuchte ihre freundschaftlichen Kreise, wobey der König selbst erschien. Sie bemerkte scharfsichtig, daß Salinia in den schwülen Sommertagen sich mit süssen Getränken erfrischte, sie spähte glücklich den günstigen Augenblick Gift in eine Milch zu mischen. Durch ein trauriges Ungefähr trank auch der König davon, und fühlte der Erste die Wirkung dieses künstlichen Giftes. Die Aerzte wurden zwar eilends gerufen; aber sie kamen zu spät; eine tödtliche Schwäche befiel den König, und die Krankheit artete in eine Verrückung und endlich in eine Hirnwuth aus. Salinia fühlte bald die nämlichen Anfälle, nur mit minderer Gewalt. Man forschte vergebens nach dem Thäter. Alidia verbarg zwar ihre Schande; aber sie genoß nur halb den Sieg ihrer Rache, weil der Tod Eduards alle ihre ehrgeizigen Absichten vereitelte.

Hexenscene.

(Eine weite Ebne. In der Mitte steht auf einem Hügel ein Hochgericht mit einem Galgen, worauf ein Gehenkter den Raben zum Mahle dient, daneben ist eine zerstückte Leiche nach dem Henkerkostum auf ein Rad geflochten. Auf der Erde sind einige Gräber geöfnet, und Schedel und Knochen liegen herum. Eulen und Dolen krächzen. Es ist Mitternacht. Der Mond wirft blasse Stralen.)

Medea, Megära, hernach Satan, Alcina, Armida, viele Hexen, Teufel, und Geister.

(Medea erscheint auf einem Drachenwagen. Megära fährt auf feurigen Basilisken. Die andern Hexen erscheinen standesmäßig auf Besemen und Ofengabeln. Ganze Schaaren Fledermäuse begleiten sie.)[20]

Medea zur Megära.

Frau Schwester, wie entehrt ist unsre Zauberkunst!

Sieh, wie profan sind diese Weiber!

Megära.

O ihre Kenntniß ist auch lauter Dunst!

Ein blöder Geist belebt die wilden Leiber.

Welch ein Geschmack beherrscht die alten Feenkreise!

Betrachte nur die pöbelhafte Weise,

Wie man Versammlung hält.

Med.

Was seh ich! Pluto wird zum Luzifer entstellt!

Ich weiß mich nicht in den Schnikschnak zu finden;

Ich werde bald von hier verschwinden;

Frau Schwester ganz gewiß, ich bin aus meiner Welt!

Meg.

Ich will nur sehn, was denn die Hexen machen;

Wir wollen heut gelegenheitlich lachen.

Wie ist das ganze Volk so läppisch dumm!

Sie wissen nicht einmal die wahre Sprache.

Ein Besem ist für sie ein Drache.

Hahaha! Ich lache mich heut sicher krumm!

Med.

Und doch sind die Geschäfte wichtig.

Meg.

Die Menschen denken izt zu flüchtig,

Für sie ist unsre Kunst zu mystisch zu abstrakt:

Die Hexen stehen izt mit Teufeln in Kontrakt.

Wir bleiben Geisterköniginnen,

Und lassen uns nicht mehr vom Vorurtheil umspinnen.

Jedoch Alidien steh ich aus Freundschaft bey,

Und mache sie noch heut vom Liebeskummer frey.

Die Hexen sollen mir die Eselohren spitzen,

Med.

Ich bleibe stäts in meinen Wagen sitzen,

Indeß man sich vielleicht beym Hexensopha schlägt,

Bis Meister Satan selbst sich in das Mittel legt.

Jedoch ich sehe schon die Rathsversammlung glänzen;

Die Rednerinn beginnt mit gothischen Sentenzen.

Meg.

Wie hoch sie ihre Nase trägt!

(Alcina neiget sich gegen Satan.)

Alc.

Das Circular belehrt bereits Euch weise Damen,

Was unser Zweck in der Versammlung ist.

Ihr kennet auch den edlen Namen,

Der Suplikantinn, die uns bittlich grüßt.

Selbst Vater Satan will uns heut beehren,

Das ganze Gremium als Meister zu belehren.

Sat.

Mesdames, stäts theuer ist mir eure Gegenwart,

Das schwör ich euch, wie Mahomet beym Bart!

Verzeihet, wenn ich oft die Worte stockend breche,

Ihr wisset, daß ich stäts französisch spreche.

Empfanget dieß Recept zur magischen Arzney.

Die Geister bringen Euch die Species herbey.

Ich weiß kein Mittel sonst, der Teufel soll mich holen![21]

Macht eure Sache gut, und hiemit Gott befohlen.

(Armida steht auf.)

Armid.

Daß ich gewiß die beste Köchin bin,

Das werdet Ihr doch nicht in Zweifel ziehn?

Ich lernte meine Kunst von Wällschen und Franzosen!

Alcin.

Wir werden um die Würde loosen!

Seht, mich hat selbst das Glück gewählt,

Ich fühle mich bereits durch ein Instinkt beseelt!

(Die Geister setzen einen grossen Kessel auf das Feuer; die Hexen tanzen herum mit fliegenden Haaren. Die Teufel werfen die gefoderten Ingredienzen in den Kessel, und eine abscheuliche Musik beginnt.)

Alcina.

Ihr tanzenden Hexen,

Werft Schlangen, Eidexen

In dieses Gefäß!

Bringt schwarze Dämonen,

Noch sechs Scorpionen

Zum Hexenprozeß!

Chor von allen.

Von neuen Brochüren

Das Schandprotokoll;

Sechstausend Vampiren,

Der Kessel ist voll!

Medea.

Verjagt den Hexentroß aus diesem Schreckenorte!

Komödiantisch wird die Wissenschaft verhunzt!

Hör Schwester, wie die Präsidentin grunzt!

Sind dieses mystische und zauberische Worte?

Hört Stümperinnen mich!

So öfnet man die Höllenpforte.

Wollt Ihr doch Hexen seyn; so sprecht wie ich!

(Eine pathetische Musik beginnt mit seltnen erschütternden Tönen. Eine feyerliche Stille herrscht.)

Med.

Hör mich geweihter Styx, ström feurig Acheron!

Halt deine Fluten ein, erzörnter Phlegeton;

Laß deine Schatten izt zu meinen Beystand fliegen!

O Pluto höre mich! Erscheint ihr Furien!

Proserpina belohn mit Lächeln dieses Flehn!

Laß stäts Alidien mit ihrem Reize siegen,

Und Eduard soll sich in ihre Fässel schmiegen!

Der Donner rollt; Zevs ist versöhnt,

Und meine Bitten sind gekrönt!

(Sie entflieht mit ihrer Freundinn siegreich, und die Hexenversammlung geht beschämt auseinander.)

Scene.

Abt Mauritz, Lusian.

Lus. Wie gesagt, Herr Abt, die arme Salinia ist sehr krank. Vielleicht leidet sie mehr im Geist als im Körper. Besuchen Sie das gute Fräulein, Männer wie Sie haben immer Trostgründe vorräthig.

Maur. Ich muß izt geschwind zum Könige, er will beichten; ich bin gleich wieder hier ——

Lus. O Herr Abt, die Beicht eines Eroberers wird lang dauern ——

Maur. Nichts weniger! Zu Zeiten giebt man in zwey Minuten den Segen über ganze Kriegsheere. Gewisse Handlungen sind zu sehr verwickelt, man muß sie nicht auflösen, sondern wie Alexander, der ein geschickter Feldpater war, den Knoten in Stücken hauen. Ich eile ——

Lus. Es lebe die geistliche Kürze!

Generalbericht.

Der König, Abt Mauritz sein Gewissensrath.

(Der König liegt im Bette. Der Beichtvater sizt an der Seite, und fühlt an den Puls.)

Edu. Mein lieber Abt, ich habe einige ausserordentliche Gewissenszweifel, die ich sonst nie fühlte ——

Abt. Eure Majestät handeln sehr großmüthig mit ihrem Gotte; andere große Könige wissen nicht einmal, daß ein Gott ist. Die Gewissenszweifel sind eine Gattung schwerer Träume. So ein Alp entsteht vom dicken Geblüte. Wie befinden sich Eure Majestät?

Edu. Schlecht! Ich werde sterben ——

Abt. Könige sind unsterblich! —— Ich spreche Eure Majestät los von allen Sünden, die Sie begangen haben, und künftig begehen werden, denn alles, was wir auf Erden lösen, das ist auch im Himmel gelöset! —— Ueberdieß haben die Könige und besonders die Helden und Eroberer gewisse Freyheiten, wie die Dichter. Was für den gemeinen Pöbel Todsünde wäre, ist für Durchlauchtige Sünder höchstens eine Läßliche! Auf ein Paar Stunden in das Fegfeuer, so ist der Spaß gar! Das verstehn wir aus der Kunst. Ein armer Teufel muß indeß in der Hölle zappeln, da wird Heulen seyn und Zähnklappen!

Edu. Auf meine Zweifel zu kommen ——

Abt. Dafür weiß ich geistlichen Seelenrath ——

Edu. Ich liebte das schöne Geschlecht ——

Abt. Kleinigkeiten. Der weise Salomon hatte viele hundert Kebsweiber. Es giebt Schwachheiten, die den Menschen und nicht den König betreffen. Man kann ein schwacher Mensch, und grosser Monarch seyn. Der Gesalbte des Herrn, David war nicht unempfindlich für das schöne Geschlecht, wie uns die Schrift sagt. Klopfen Eurer Majestät mit einer politischen Reue an das Herz mit den Worten: mea Culpa, mea maxima Culpa! Ich werde einige Messen lesen, multum enim valet deprecatio justi assidua! Sagt der heilige Jakob —— Enthalten sich auch Eure Majestät der Gewohnheitssünden, bis Sie wieder genesen ——

Edu. Was denken Sie von meinen Eroberungen?

Abt. Eure Majestät sind Adams Erbe. Er war König der Welt. Gott selbst sezte den Menschen zum Herrscher über alle Thiere! Ich habe bedächtig alle Kriegserklärungen durchblättert, sie reden alle von lauter gerechten Waffen.

Edu. Lieber Abt, glauben Sie also, daß ich für so viel Arbeit den Himmel erbe?

Abt. Wenn ich Eurer Majestät so viele Welten versprechen könnte, als ich Ihnen Freuden des Himmels zusagen kann, wie viel Welten würden Sie erobern!

Edu. Ich danke für ihren guten Willen und frommen Wunsch. In meiner Lage wird mir eine Welt zu schwer.

Abt. Das ist die schönste Verfassung eines Christen. Ihre Seele ist mit dem Schöpfer ausgesöhnt. Beten Eure Majestät zwey Vater unser —— et ego te absolvo a peccatis tuis u. s. w.

Scene bey Hofe.

Der König, Beliam, hernach Isidor.

Bel. Ich suchte dich überall! Neuigkeiten über Neuigkeiten!

Edu. Was bringst du mir Narr?

Bel. Man sagt, du seyst, was ich bin ——

Edu. So sey du das, was ich war!

Bel. Der Tausch gefällt mir.

Edu. Hast du Herz?

Bel. Herz? Willst du ein Metzger werden? Ich habe Herz, so viel ein Narr bedarf; aber es ist nicht käuflich!

Edu. Du bist mein Mann! —— Ich suchte lang ein grosses Genie. Ich will deine treuen Dienste belohnen. Ich ernenne dich in dieser schriftlichen Vollmacht zum Statthalter über Jerusalem, das du erobern sollst!

Bel. Ich? Hahaha! Du verschenkst, was du nicht hast. Meister, du sollst Pabst werden, und den fünften Welttheil verschenken. Ich ein Statthalter! —— Ich, in meiner närrischen Person! — Vater Eduard, wach auf! Du schläfst!

Edu. (geheimnißvoll) Hör: Es ist ein heiliges Gelübde meiner Kindheit ——

Bel. Kindheit? Ja wohl —— Die Menschen werden wieder Kinder ——

Edu. Wir müssen die heiligen Länder dem Erbfeinde der Christenheit entreissen! Eil, flieg, sammle ein Heer, reiß diese heilige Stätte aus den Händen der Unglaubigen! Ich bin dein wohlgesinnter König!

(Er geht majestätisch ab.)

(Beliam sieht ihm eine Weile nach, betrachtet bald den König bald das Papier, und staunt über den Auftrag.)

Bel. (Er singt) Einst war der Löwe toll und voll! —— Hahaha! Leben Sie wohl Herr Kollega! —— Ich ein Statthalter! —— Und warum nicht! —— Pansa der Grosse höchstseligen Angedenkens spielte auf dem Schauplatz der närrischen Welt meine Rolle, und war ein preißwürdiger Statthalter, der so gut essen, trinken, schlafen, und mehr solche Staatsgeschäfte verrichten konnte, als jede Durchlaucht und Excellenz. Das Glück küßt dich; wenn Könige rasen, machen Narren ihr Glück! —— Kein Teufel soll mir meine Würde entreissen! —— Aber wo nehme ich Kriegsleute her? — O das will ich klüger machen, als alle gescheiden Leute! Ich leere alle Krankenhäuser, und Spitäler, Krüppeln und Ungeheuer, Zwergen und Mißgeburten und allen müßigen Troß menschlicher Hefen will ich in die Schlacht führen, diese kann der Feind tödten. Die schönen Leute will ich aufsparen, die leeren Städte zu bevölkern. Hahaha! Welch ein grosser Politiker bin ich geworden! Da mögen die Staatsleute in die Schule gehn; sie schicken die Riesen der Nation auf die Schlachtbank, und verwandeln die Städte in Pygmäennester!

Isid. So in Gedanken Narr? Beliam, was macht dein Esel?

Bel. Er ist vorgerükt, der König macht ihn zum Hofjunker, er wird dein Kamerad!

Isid. Mit dir ist nicht gut scherzen ——

Bel. Das kömmt daher, weil ich ein grosser Herr bin, und mit grossen Herren ist nicht gut Kirschen essen, sie werfen den Gästen die Stengel in das Gesicht! —— Ich bin izt Statthalter von Jerusalem!

Isid. Hahaha!

Bel. Nur kein voreiliges Gelächter! Hier ist die königliche Vollmacht!

Isid. Hahaha! Der König ist verrükt ——

Bel. Das ist seine Sache! Ich rede nur von mir. Genug ich bin Statthalter, und eile meine Staaten in Besitz zu nehmen. Es wird viel Blut und Tinte kosten! Leb wohl! Ich bleibe dir mit meinen Gnaden gewogen, wir Beliam der erste Statthalter von Jerusalem, Mehrer des Reichs und so weiter!

(Er geht stolz ab.)

Isid. Hahaha! Warte Bengel, ich will dir Türken über den Hals schicken! —— Vielleicht kann so eine Mummerey den kranken König ermuntern.

(Er eilt fort.)

Scene im Tollhause.

(Beliam, Rotando ein Maler, Martius ein Mönch, Spilon ein Poet, viel andere Narren mit allerhand Spielwerk. Es ist die Erholungsstunde.)

Beliam. (rechnet in seiner Schreibtafel) Zweyhundert Buklichte! —— Sind oft verschmitzte Köpfe! —— Zweyhundert Lahme! —— O das sind standhafte Leute! —— Vierhundert allerley Troß, Seiltänzer, Gaukler, ein Ausschuß von Halunken! Bravo! Meine Werbung geht hastig! Alles gelingt! Wem Gott ein Amt giebt, dem giebt er auch Verstand! —— Euer Diener meine Herren Kollegen!

(Die Narren umringen ihn.)

Beli. Ich habe vom König als sein Statthalter den Auftrag, Jerusalem zu erobern. Der Ruhm meiner Heldentaten ist Euch gewiß zu Ohren gekommen. Wer hat von Euch Herz genug, meiner Fahne zu Folgen? Ich habe Königreiche zu verschenken!

(Martius eilt hastig hervor, umarmet ihn, kniet nieder mit Grimassen, pocht an sein Herz, hebt die Hände betend zum Himmel, und nach einem leisen Schußgebethe springt er auf, und drückt den Beliam an seinen Busen.)

Mart. Dank sey dem gütigen Himmel! Der seinem unwürdigen Knecht Martius diese heilige Stunde schenkte. Endlich ist er gekommen dieser edle Befreyer. Ich hatte durch hundert funfzig Nächte Erscheinungen und Gesichter; alle verkündigten mir die nahe Befreyung der geheiligten Mauern. Sey mir gesegnet du Zögling des Himmels! Ich habe bereits der Welt deine Ankunft geweissaget; aber die undankbaren Menschen, über welche der Zorn Gottes eine ewige Blindheit gesandt hat, haben meine Wahrheiten und brüderlichen Warnungen zu Lügen gemacht, und mich in das Tollhaus gesperrt.

Beli. Das ist eben der Sammelplatz grosser Genien! Du hast also bereits von meinen Siegen geträumt! Desto besser! Wer bist du?

Mart. Ich bin ein Kirchenlehrer!

Beli. Heiliger Vater, du sollst mein Generalfeldpater werden! Wenn wir keinen Bissen Brod zu kauen haben; so schreibst du dem Heere Fasten vor.

Rot. Auch ich trete in deine Kriegsdienste!

Beli. Wer bist du?

Rot. Ich bin der weltberühmte Maler Rotando! Ich male die Gedanken der Menschen. Ich werde deine Schlachten und Stürme für die Nachwelt verzeichnen.

Beli. Du bist mir willkommen! Ich will meinen Heldensaal mit Schlachtgemälden ausschmücken!

Spil. Auch ich schwöre zu deinem heiligen Panier! Ich bin der unsterbliche Spilon, dessen dichterisches Genie alle Welten bewundern; selbst im Archiv des Himmels werden meine posthumen Werke als ein Schatz aufbewahrt. Ich werde wie die alten Barden allen Schlachten beywohnen, und die blutige Mordgeschichte in Bardenliedern verewigen. Das soll ein unsterbliches Bardiet werden!

Beli. Nun sind alle Narren beysammen! Cuncta licent stultis pictoribus atque poetis! Die Unternehmung verspricht viel. Kommt meine Freunde, wir wollen noch mehr Proseliten suchen.

Scherzhaftes Heldengedicht.

Göttinnen des Gedächtnisses, die Ihr unsterbliche Thaten

In dem goldenen Buche der rühmlichsten Helden verzeichnet,

Späht izt mit forschendem Ohre die weisen Orakel der Musen!

Niemalsgehörte Geschichten, verstandübersteigende Wunder

Werden auf der durchlauchtigsten Bühne des Krieges erscheinen.

Beliam nähert mit jauchzenden Schaaren der tapfersten Krieger.

Muse, beschreibe du selbsten wie dort bey Troja die Heere,

Mal mit Homerischem Schwunge die Führer der stolzen Geschwader!

Beliam dieser denkwürdige Feldherr war schreckbar bewaffnet.

Selbst Donquixote war nicht so tragischkomisch gerüstet.

Und wie der weiseste Pansa sich zu dem Esel herabließ;

So nahm Beliam auf den Rathschluß des heiligen Lehrers,

Einen arkadischen Enkel aus Demuth zu seinem Gefährten.

Nach ihm trabte zu Fusse der grosse Prophet halbbewaffnet.

Eine Hand führte das Kreuz, die andre die blutige Fahne.

Wunderbar wie ein Centaur betäubt er mit beiden Gestalten

Jedes Auge, das ihn so seltsam vermummet erblickte.

Ihm folgten zweyhundert der tollesten Ritter der Erde.

Mancherley waren die komischen Waffen, erfindsam die Kleidung.

Harlekins witzige Maske, die Wällschland erfand, und vergöttert,

Ist nicht so bunt, und so neu, wie jene der rüstigen Haufen,

Die für Jerusalems Mauern als Kämpfer das Rachschwerd ergriffen,

Ihnen folgte Rotando mit einer Riesenperücke,

Mehr zur Jagd als zur Hochzeit bestimmt, erhob sie die steilen

Lockengebüsche, und streute bey jeder Bewegung des Windes

Auf das frohlockende Heer die sonnenverfinsternden Wolken.

Er war im Schlafrock geharnischt, und schreckbar mit Pinseln bewaffnet.

Ihn trug ein bescheidener Gaul, der Haber verschmähte,

Dem bey philosophischer Mäßigkeit Stoppeln begnügten.

Diese strengere Lebensart schuf ihn zu einem Gerippe.

Er war mit Rosinante verwandt, und des Bucephalus Enkel.

Seine Familie führte das Schicksal durch Wunderepochen.

Hundert buklichte Helden, und hundert Ritter auf Krücken

Folgten als Reisige dem majestätischen Winke des Führers.

Dann kam Spilon ein Barde, gleich edel als Dichter und Fechter.

Er hat den heiligen Musen, und auch dem Kriegsgott geopfert,

Und er war zweyfach bewaffnet, bald Blut bald Tinte zu giessen.

Ihm folgt’ ein Troß von Gauklern, und nüchternheithassender Zecher.

Sie überjauchzten mit donnernden Kehlen die schwankenden Schaaren.

Und der heilige Martius, diese hellleuchtende Fackel

Des Jerusalemstützenden Heeres begann izt die Rede:

Tapfere Kämpfer und Helden des Glaubens uns winken die Lorbeern.

Entweder tilgen wir heut die mahometanischen Lügen,

Oder wir sterben als Märtyrer durch die Hände der Heyden;

Engel führen uns jauchzend in jene Gefilde des Himmels,

Und die Erde verewigt uns auf frommen Altären.

Leben und Tod verschönern wir heut, wir werden verewigt!

So rief dieses erhabne Kirchenlicht zu der Gemeinde.

Aber ein schwarzes Gewölke von Staube bezeugte die Ankunft

Feindlicher Schaaren, und Beliam reihte die muntern Geschwader.

Er gab den Flügeln die Stellung, und wählte sich selbsten die Mitte.

Er ritt lächelnd und muthig zur glänzenden Spitze des Heeres,

Und begrüßte die edlen Gefährten mit donnernden Worten:

Brüder, ein jeder von Euch ist rühmlich mit Narben bezeichnet!

Eure gebrochenen Knochen beweisen die edle Verachtung

Eines gleichgültiggewordenen Lebens; so reift man zum Helden!

Dort ist der blumichte Gleis, wo wir die Lorbeern erbeuten.

Unsere Feinde von Wollust entnervet mißkennen die Pfade.

Wie lang sollen noch eure Talente so fruchtlos verwelken!

Euer Vaterland giebt Euch nur Ketten; dort ärnden wir Kronen!

Laßt uns die schändliche Knechtschaft mit goldenen Zeptern verwechseln!

Hier drückt Euch Armuth und Schande, dort lächeln Euch Reichthum und Ehre!

Eure Krücken und Pflaster können Euch besser bezeugen,

Was ich vom schwärzesten Undank des Vaterlands flüchtig berühre.

Welcher Frevel! Mit solchen Genien Spitäler bevölkern!

Eure zermalmten Gebeine, und meine gewichtigen Gründe

Müssen Euch heut im blutigen Schlachtfeld beharrlicher machen.

Ihr seyd von der Mutter Natur zu Helden gebohren.

Hinkte nicht Tamerlan, nikte nicht Alexander der Grosse

Mit dem Haupte; begreift Ihr die weisesten Schlüsse der Vorsicht?

So sprach der ruhmbegierige Feldherr, und rauschender Beyfall

Krönte die siegende Rede. Die muthigen Herzen entbrannten,

Und die Heldentrompete gab schon das Zeichen zum Angriff.

Komm izt unsterbliche Muse, die Du zu schwarzen Gemälden

Augenerschütternde Farben vermischest, und Schrecken entlockest,

Zeichne mit blutigem Pinsel die schauererregende Kämpfe.

Brüllendes Schlachtgeschrey stieg zu den Wolken auf feindlicher Seite;

Isidor führte die Türkengeschwader mit rühmlichem Feuer.

Er begrüßte Beliams Schaaren mit lautem Gelächter;

Aber der Spott ward theuer gebüsset; sie stürzten wie Löwen

Unter die staunenden Feinde; sie warfen die Reihen zu Boden;

Und die buklichten Ritter erkletterten Menschengebirge.

Wie viel gedächtnißwürdige Thaten wurden begraben!

Beliam schleuderte kühn den fettesten Türken zur Erde,

Er fiel wie schmetternde Fichten, und konnte sich nicht mehr erheben.

Er lag wie Elephanten von eignem Gewichte belastet.

Martius selbsten balgte sich weidlich mit den Saracenen.

Sieg auf Sieg wurde gethürmet. Schon jauchzten die Christen;

Riefen den frohen Triumph: als aus der neidischen Hölle

Eine Furie stieg, und auf die kämpfenden Schaaren

Plötzlich einen gewaltigen Hagel von Schlossen herabwarf.

Die mit Beulen belasteten Krieger empfanden die Schläge,

Einige fielen, andre verliessen mit bangem Geheule

Das so siegreicherfochtene Schlachtfeld, und liessen die Lorbeern

Ihren Feinden zur Beute. Die Lahmen vergassen die Krücken.

Pflaster, Verbände, Waffen, und Kleider lagen zerstreuet.

Doch der seltene Zufall, der die grösten Epochen

Auf dem Schauplatz der Erde mit hastiger Eile bereitet,

Suchte den schwärmenden Eduard. Du zauderst die Helden zu stützen,

Welche die saracenischen Greuel mit Allmacht zerstören.

Nur ein feindliches Schicksal raubt ihnen erfochtene Palmen.

Folg mir! Er folgte, und sah die flüchtig gewordenen Schaaren.

Wo eilt Ihr hin? kleinmüthigen Memmen, erkennet den König!

Ich bin Eduard, dessen Thaten die Nachwelt bewundert.

Hört doch die Stimme der Ehre! Wir führen Euch wieder zum Siege.

So rief er, und riß die Krücke dem Ersten vom Arme.

Kehrte mit ihnen zum Schlachtfeld wie Samson bewaffnet zurücke.

Izt erfocht er unsterbliche Siege. Die Türken erstaunten,

Baten um Gnade; sie nannten sich selbst allerchristlichste Sklaven.

Aber vergebens, ein rasender Ajax, ein zweyter Orlando

Focht hier verzweifelt; das menschliche Mitleid verwarf er, und fällte

Freund und Feind, bis er entkräftet das blutige Schlachtfeld

Keuchend küßte. Da lag er mit ewigen Lorbeern gekrönet.

Scene im Schlachtfeld.

Eduard. Beliam, Isidor, Spilon, Rotando, Martius, Krieger von beiden Heeren.

(Es regnet. Der König erholet sich. Beliam erhebt sich von der Erde. Rotando gukt aus seiner grossen Perücke. Martius winselt, und verbindet sich den Kopf mit dem Schnupftuch. Andere Narren machen verschiedene Grimassen.)

Edu. Wo bin ich? Welcher kühlende Balsam erquicket mich! Ha! O du Thau des Himmels, du belebst mich wieder! —— Wie, auf dem Schlachtfelde! Welche Leichen sind rings um mich! —— Welch ein banges Gewinsel erschüttert meine Ohren! —— O Menschlichkeit, du weinest! —— Welche neue blutigen Opfer hab ich meinem Ehrgeize geschlachtet! —— Fort häßlicher Anblick! —— Ich enteile meiner Schande! —— Hier stinkt Menschenblut! —— Brüderblut.

(Er eilt fort, und gleitet über Beliam.)

Bel. Guten Morgen Meister! Wir armen Mordgesellen haben deine eiserne Ruthe gefühlt. Du hast uns wie Stiere geschlachtet, und der Himmel wässert uns izt zu Stockfischen. Sieh, wie es regnet!

Mart. O weh! Ich bin ein Märtyrer! Ich habe Löcher im Kopf; aber ich dulde alles mit Gelassenheit für den Glauben! —— O weh!

Rotand. Ich muß das Schlachtfeld abzeichnen! Welche malerische Gruppe! —— Das wird ein Meisterstück!

Isid. Mein Spaß bekömmt mir übel. Alle Ribben sind mir zermalmet ——

(Spilon hebt sich mit tragischen Tone.)

Sing unsterbliche Muse die ewigen Thaten der Helden,

Welche mit Lorbeern geschmücket das blutige Schlachtfeld bedecken.

Edu. (indem er starr das Schlachtfeld anstaunet.) Seht! Sie stehen auf! Sie rufen zum Himmel wider mich! —— Rache! Rache! —— Wie das Blut unter meinen zitternden Füssen strömet! —— Horcht! —— Das ist die Posaune! —— Der Weltrichter eilet daher! —— Die Todten stehen auf! —— Zum Gerichte!

(Er eilt fort.)

Bel. Wunderbare Wirkung des Ehrgeizes! Ihn macht er zum Narren, und mich heilt er von einer eingewurzelten angebohrnen Narrheit. Die kleine heilsame Aderlässe, die heldenmäßige Bewegung hat mein Blut verdünnet, und mein Gehirn aufgeheitert. Izt bin ich ein gesunder Kerl. Lebwohl Statthalterschaft, ich liebe den Frieden, und esse mein Stückchen Brod gern in Ruhe. Ihr meine unsterblichen Schlachtgenossen, kehret in des Himmels Namen in euer Tollhaus zurück, wo der dankbare Staat eure Verdienste reichlich belohnen wird, Lebt wohl!

Scene.

Ein Hofplatz. Beliam, Viele Leute, Isidor.

(Beliam hat eine grosse Feldtrommel, eilt mit Lärmen über den Hauptplatz der Burg. Das Volk sammelt sich in einen Kreis; er zieht ernsthaft eine Schrift aus dem Busen, und liest.)

Bel. Kund und zu wissen sey hiemit jedem, der es wissen soll, und Ohren hat, daß Seine Majestät unser allergnädigster Monarch Eduard der Grosse seinen Verstand verloren hat, wer solchen gefunden hat, wird gebeten, ihn in die Burg zu bringen. Der Finder soll königlich belohnt werden!

(Das Volk murmelt; viele lachen. Beliam schlägt seine Trommel und geht weiter.)

Isid. Narr, suchst du einen Schooßhund?

Bel. Da müßte ich Dich suchen! —— Ich suche den Verstand des Königs ——

Isid. Er hat ihn verloren ——

Bel. Er war der Einzige am ganzen Hofe, der noch einen Verstand verlieren konnte, denn die Uebrigen hatten keinen zu verlieren, oder haben ihn schon lang verloren. —— Glückliches Volk, das du einen so weisen König hast, der seinen Verstand verlieren konnte! —— An wenig Höfen wird getrommelt. Ich bin der Erste vielleicht auch der Letzte, der königlichen Verstand sucht!

(Er eilt fort, ihm folgt lachend das Volk.)

Ende der vierten Kaprizze.


Der Tod Eduards.[22]

Fünfte Kaprizze.

Scene.

(Ein abgelegener Theil des königlichen Pallastes. Im Grunde die Pforte zur Grabstätte des königlichen Hauses.)

Einige Höflinge, der Leibarzt, Hofdiener, und Damen stehen im Haufen und sprechen mit einander. Einige kommen von einer Seitentreppe herab; andere entfernen sich wieder. Hernach schleicht tiefsinnig Eduard daher, er ist seltsam mit bunten Federn geschmückt.

Der Arzt. Ich habe wenig Hofnung zu seiner Genesung! — Seht da kömmt dieses zertrümmerte Meisterstück der Natur! O ich möchte weinen!

Edu. Wo bin ich denn? —— Was für Menschengesichter! — (Er beschaut die Höflinge) Es ist meine Gallerie! —— Lauter Gemälde! —— Worte ohne Empfindung! —— Wenn ich König wäre, ich wollte Mohren bleichen! —— Wir alten Leute, Madame, gelten nichts! —— Andere Kunstwerke schäzt man, wenn sie alt sind; aber alte Exkönige —— Mehr Dunger auf die Genien! —— Schüttet die Gießkanne reicher aus! —— Seht, wie sie blühen! —— Die Gesetze der Weisheit leben auf! (Er faßt einen Höfling) Lebst du auch noch, morsche Schießscheibe? Den königlichen Spaß hättet ihr sehen sollen! Ich malte dieses Männchen wie ein Kartenmaler auf diese runde Tafel; alle Narren schossen auf ihn! Hahaha! Armer Günstling eines Königs! Der Neid —— Die Schminke ist verboten! Weg ihr Höflinge! Wascht eure Gesichter! —— Ist denn heut Maskenball? Ja ja! Hier ist meine Larve! —— Wie mich das Unglück in den April schickte! Nicht wahr, ihr alten Krieger, wir haben Meermuscheln eingesammelt? —— Eine prächtige königliche Sammlung! Kaligula war der erste Naturalist! — Mein Kopf ist überlastet! — (Er reisst die bunte Federkrone vom Haupt, und beschaut sie) Aleid trug eine Löwenhaut, wißt ihr warum? —— Weil er mit Löwen kämpfte! —— Wir tragen wie die Mohren Vogelfedern, weil wir Papageyen und Gümpel rupften! —— Hahaha! Fort! (Er schleudert sie weg) Ich habe lange genug diese alberne Krone getragen! —— Aber mein Pferd hat mich und die Krone getragen, folglich ist mein Leibpferd nach allen Rechten mein Thronfolger! —— Ihr werdet dabey gewinnen; es ist ein gutes Roß, wenn es Haber hat, bricht und macht es nichts! —— Mein Leibkutscher sey Staatsminister! —— O der Kerl versteht sich auf die Räder! —— Wie sind wir in der Zeit? —— Ich verliere alle Stunden! —— Meine Freunde, Dämmerung ist rings um mich! Mir geht keine Sonne auf! —— Lebt wohl, bis ihr mich wider sehet! Wann glaubt Ihr wohl, daß Ihr mich wiederseht? —— Versteht mich wohl! —— Mich! — Mich selbst! —— Denn izt bin nicht ich —— Ach! Meine Brüder, ich war! —— O als ich war, da lächelten schöne Tage! —— (Er senkt das Haupt und denkt nach) Ich möchte izt weinen —— Was sagen die Leute von mir? —— Reden sie noch vom Zaunkönige? (Er faßt eine Hand) Ich will dir wahrsagen! —— Horch! Alle Haare sollen sich emporsträuben! Du mußt sterben! —— Ja sterben! Denn du bist ein Mensch! Wie die Eulen krächzen! —— Gute Nacht meine Söhne! —— Wir haben manche Stunde verwacht! —— Streut Roßmarin unter die blutigen Lorbeern! (Er schleicht zur Grabstätte.)

Der Arzt. Eure Majestät, die Luft ist hier schädlich! Hier sind Grabmäler!

Edu. O so flieh! Flieh so weit dich die Füsse tragen, denn aus den Särgen würde über dich ein lautes Gelächter schallen! —— (Er reißt die Thüren auf, und wirft Todtenköpfe heraus, dann thürmet er Pyramiden aus den Schedeln.) Alexander! — Herkules! — Cäsar! — Kartusch! —— Attila! — Ludwig! —— Karl! —— Hahaha! Das war ein närrischer Kerl! —— Herr Bruder, du warst ein Schwindelkopf wie ich! —— Wenn du gesund bist, freut es mich; ich zwar bin wohl auf, und glücklich wie ein König! —— Wo sind meine Tonkünstler! Macht Musik! Etwas zum Wirbeltanze! —— Ich will mit Helden tanzen! —— Das ist der Kopf des goldenen Kalbes, die Vergoldung ist weggerieben, und da liegt die leere Hirnschaale! Schade, daß kein Gehirn in diesem Schedel war, —— Er war ein großer Mann, er hat viele Dinge ausführen wollen, die er nicht verstand. Er hat die Stühle im Rathhaus ganz anders gereihet! (Er nimmt einen andern Schedel) Ein elender Kopf! — Die Arbeit eines Schneiders! Zu schlecht für einen Steinhauer! (Er wirft ihn weg, und ergreift einen andern) Hahaha! Dem Bauch ist hart predigen! (Indem er einen andern faßt) Wie er daherschreitet wie ein Riese! Gebirge zittern unter seinen Fersen, er bildet Nationen um! —— Und fault! Schnupft Toback! Er stinckt! Gute Nacht Großsprecher, der Echo war dein Bruder! Viel Köpfe, viel Sinne! —— Ich habe die Lebendigen getödtet, izt bin ich König der Todten! — Dich ernenne ich zu meinem Hofmarschall! —— Du brauner Schedel sollst mein Feldherr seyn, dich hat die Sonne verbrannt, du wirst das Feuer des Geschützes erträglich finden. —— Du bist mein erster Kämmerling, so leer ist dein Schedel, wie ein Kämmerling natürlich seyn muß. —— Ihr zwölf morschen Schedel seyd meine geheimen Räthe! Widersprüche habe ich nicht zu befürchten, ihr liebt das Geheimniß, und sagt es nicht einmal euren Metzen! O die wakern Räthe! Kein König ist besser bedient als ich! —— Der Schedel ist unbestechlich, er nimmt kein Geschenk mehr; er sey Richter! —— Das Wetter trübt sich? Seht, wie die Winde ihre Pausbacken aufschwellen! Sie werden die Erde verschlingen. Fürchtet Euch nicht, es sind fade Politiker, die bey einem unsinnigen Zeitungsblatt träumen! —— Wie sanft alle ruhen! Keiner regt sich mehr! —— O hier will ich auch rasten! —— (Er legt sich auf die Stuffen der Treppe) Kühle Erde, wiege einen deiner müden Söhne ein! —— Geht alle! Lasset mich allein! —— Ich will schlafen! Ein angenehmer Traum soll mich betäuben! —— Löscht das Licht aus! —— Gute Nacht! —— (Er entschläft.)

(Der Arzt legt den Finger auf den Mund, und spricht leise)

Der Schlaf ist ein Balsam, wir wollen von ferne lauschen.

Drama.

(Ein großer Saal bey Hofe. Viele Höflinge stehen im Haufen beysammen, und sind im eifrigen Gespräche. Salinia und Amanda ihre Zoffe treten ein. Salinia in einem weissen Nachtkleide mit aufgelösten Haaren. Einen Arm hat sie entblößt, und hängen noch von einer Aderlässe die Binden daran. Sie eilt hastig in den Saal, staunt plötzlich, schleicht furchtsam zu allen Schaaren der Höflinge, blickt ihnen unter die Augen, schüttelt mißvergnügt den Kopf, um dadurch anzudeuten, daß sie nicht findet, was sie sucht. Die Zoffe folgt ihr traurig, will sie wieder zurückführen, und die Verbände in Ordnung bringen. Die Höflinge sind durch den Auftritt gerührt. Ein alter Hofmann grüßt sie.)

Hofm. Aber mein liebes Fräulein, sie bluten ja.

Salin. Bluten? —— O ja, izt erinnere ich mich (indem sie ihm zum Ohre schreyt) Sie haben mich tödten wollen! —— Aber ich bin den Mördern glücklich entkommen! —— Amanda, hast du meinen Eduard nicht gefunden? —— Die Schwalbe hat das Nest verlassen ——

Hofmann zur Zoffe. Führen Sie das gute Fräulein zurük!

Amand. Sie ist den Wundärzten entlaufen. Man wollte ihr die Ader öffnen, denn ihr Verstand —— Ach! Das Schicksal des Königs hat ihr zärtliches Herz angegriffen —— Sehen Sie! Sie sucht ihn überall! —— O ich muß weinen ——

Hofm. Das arme Täubchen girrt ——

Salin. Die Gesichter sind mir verdächtig! —— Freund oder Feind? Er ist nirgends! —— Eduard nirgends! —— O Amanda, die Schlange hat ihn vergiftet! Und ich reichte ihm den Becher —— O mein Kopf! —— Wie es hier pocht! —— (Sie lehnt ihr Gesicht auf den Busen ihrer Zoffe und weint.)

Am. Englisches Fräulein, weinen Sie nicht! Kommen Sie mit mir! Ich führe Sie zu Eduard! —— Geben Sie mir den Arm!

Salin. (lächelnd) Zu Eduard? —— Du lügst immer! —— Sie haben ihn getödtet! —— Gemordet wie seinen Vater! —— Gute Nacht Eduard! (Sie sinkt allmählig zur Erde.)

Hofm. Das entgangene Blut hat sie geschwächt; man muß sie zu Bette bringen!

Sal. Lasset mich schlafen! —— Werft Erde auf mich! —— Da werden Ringelblumen und Maaßlieben auf meinem Hügel wachsen! —— Sanft, sanft will ich ruhen! —— Gute Nacht armer Eduard! —— Ich lade dich zu meiner Hochzeit —— Ich bin eine Braut —— ——

(Sie wird fortgetragen.)

Oratorium.

Ein öffentlicher Platz der Hauptstadt. Auf einigen Stuffen erhöht thürmet sich in der Mitte ein prächtiger Tempel. Aus allen Gassen eilet das Volk. Die Hallen sind mit Bethern erfüllt. Die Mütter mit den Säuglingen, die Väter mit den Söhnen drängen sich zu.

Chor der Bether.

Da liegen wir auf den bethränten Stuffen,

O Gott! Hör deine Kinder rufen!

Dein Zorn schlug unser Haupt.

Die Heerde weint um ihren theuren Hirten;

Die Hände, die uns liebreich führten,

Sind uns durch Dich geraubt!

Ein Greis. Recitativ.

Wir ächzen am verwaisten Throne;

Die Wittwe seufzt, der Waise schreyt,

Sie suchen Hülfe bey der Krone.

Sieh, wie uns überall das Elend dräut!

Bald werden Wölfe sich in unsre Hütten schleichen;

Denn unser Jammer lädt sie ein.

Bald wird das Schwert des Feindes uns erreichen,

Und dieß bedrängte Volk wird seine Beute seyn.

Ein Jüngling. Recitativ.

Was kann izt unsre Quaalen lindern?

Verzweiflung herrscht bey Greisen und bey Kindern.

Der Jüngling ist mit Schmerzen ganz vertraut;

Ihm tönen nicht die süssen Hochzeitlieder;

Er schlägt die müden Augen nieder,

Und lächelt nicht der Braut.

Arie.

Ich sehe täglich Trauerscenen;

Wenn mich die holde Sonne grüßt,

Entsinken meinem Auge Thränen,

Und Thränen, wenn der Abend schließt.

Der Greis. Recitativ.

Doch horcht! Wer unterbricht das fromme Stehnen?

Wer stöhrt das heilige Gebet?

Der Vater kömmt, um den sich alle sehnen,

Um dessen Heil das Volk zum Tempel geht.

(Eduard wird auf einer offenen Sänfte getragen; weinende Schaaren folgen in stiller Betäubung dem schlummernden König.)

Chor des Volkes.

O Gott! Laß uns die Bitte wagen,

Schenk unserm Vater deine Huld;

Laß uns für ihn die Strafe tragen,

Und leg auf uns allein die Schuld!

(Der Donner rollt; die Blitze leuchten; die Erde bebt. Der Tempel zittert; die Völker stürzen anbetend zur Erde. Eine feyerliche Stille herrscht. Eduard erwacht aus einem tiefen Schlummer, blickt auf, weint und segnet sein Volk.)

Eduard. Recitativ.

Wo bin ich! —— Welch ein Licht beleuchtet mich!

Ich irre nicht, dies sind des Tages erste Keime!

Von meinem Auge fliehn die schwarzen Träume.

O theures Volk, mein Mund begrüsset dich!

Der grosse Gott, der die Tyrannen höhnet,

Scheint izt durch meine Reu versöhnet.

In Thränen floß mein Leben hin;

In Schmerzen hat mein Alter zugenommen!

O Grab, izt bin ich doch zu Dir gekommen,

Ich fühle daß ich reif zum Tode bin!

Arie.

Warum bist du so traurig meine Seele;

Warum betrübst du dich mein Geist?

Izt, da ich mich zu den Versöhnten zähle,

Und da mein Mund den Schöpfer preist.

Nicht mehr dräut uns der Gottheit Donnerrache;

Nicht mehr verschlinget uns ihr Zorn;

Sie lächelt sanft und gütig auf uns Schwache,

Und stürzet nur ein stolzes Horn.

Warum bist du u. s. w.

Chor des Volkes.

Preist den Allmächtigen, jauchzet ihr Brüder!

Er schenkt den zärtlichsten Vater uns wieder.

Eduard. Recitativ.

Dank theure Söhne! Dank für eure Liebe!

Gott segne dieses Volk! —— Mein Herz zerbricht —

Die Seele bebt — Mein Auge wird izt trübe ——

Mir winkt ein schreckliches Gericht ——

Arie.

Ich fühle schon die letzte Todeswunde;

Es eilt, es fliegt die schwarze Trennungsstunde

Mit raschen Fittigen herbey,

Und macht den Geist von Banden frey.

Recitativ.

O lebet wohl ihr frommen Söhne,

Zum Erben laß ich Euch —— Den Würdigsten! ——

Komm Sigismund, verwische deine Thräne,

Ich kenne Dich, dein Herz ist groß und schön! ——

Verwandle nie die edle Sitte;

Herrsch über dieses Volk mit Sanftmuth und mit Güte;

Doch wenn Du hoch und stark auf meinem Throne bist,

Vergiß nicht, daß ein Gott der Fürsten Richter ist! ——

Ich segne noch zum letztenmal Euch Kinder! ——

Lebt wohl, lebt ewig wohl! — Die Kräfte werden minder —

Mein mattes Licht verlischt ——

(Zu Sigismund.)

Es ist der Todesschweis, den deine Hand verwischt.

Leb wohl! — Mein Geist kämpft schon, und unterlieget —

O Gott, die Schreckenwage wankt! ——

Du legst dein Mitleid zu, und deine Gnade sieget! ——

Dir sey Allmächtiger gedankt! ——

Wer dräut mir dort? —— Seht Millionen Seelen! ——

Ihr Myriaden klagt, um mich zu quälen ——

Vergebt, weil Gott vergiebt!

Als Vater mir verzeiht — mich ruft — und — liebt —

(Er stirbt.)

(Ein ängstlicher Schmerz betäubt das Volk. Nur ein banges Winseln unterbricht das schauervolle Schweigen.)

Scene.

Ein Saal. Alidia, Simena ihre Vertraute.

Alid. Verfinstere mein Schlafgemach! Es soll kein Stral der Sonne die Dämmerung durchbrechen. Schließ sorgfältig die Thüren, und schwöre mir, daß du mich heimlich begraben lässest. Ich will dich bereichern, schwöre mir.

Simena. Ich schwöre! —— Aber theure Gebieterinn —

Alid. Keine Vorstellungen! —— Es ist geschehen. Ich sterbe freywillig. Ich will nicht meinen Feind auf dem Thron erblicken. Eduard ist todt. Sigismund ist sein Thronerbe. Er ärndet die Früchte meiner Rache. Der Gedanke verbittert mir den Tod. Es werde niemand vorgelassen! Man soll nicht die Verwüstung meiner Gesichtszüge bey Annäherung des Todes sehen. Ausserordentliche Wesen müssen groß auf der Welt erscheinen, und plötzlich von der Erde verschwinden. Alles däucht den Augen der Menschen klein, was gebohren wird, und stirbt. Ich will meinen Feinden wenigstens die Freude des Hohngelächters entreissen. Leb wohl! Gedenke deines Eides! —— Ich schliesse mich in mein Schlafgemach!

Alte Epopee.
Ein Gesang.

Eduards trauriger Schatten durcheilte die schwarzen Gestade.

Und die feurigen Fluten des schäumenden Acherons brüllten

An dem Fuße des felsichten Ufers, und schreckten den Pilgrim

Zehnmal zurücke. Bald dräuten ihm gräßliche Höllengespenster,

Und bald begrub ihn der glüende Dampf in Schwefelgewölke.

Wie wenn der Wandrer bey nächtlicher Stille die Wälder durchirret,

Er beym mindsten Geräusche verweilet, und zitternd erwartet,

Ob ein menschenblutwitternder Löwe die Klauen bereitet,

Ihn zu zerreissen, oder ob ein stillschleichender Räuber

Seine beschleunigten Schritte belauschet, um Beute zu haschen.

Eben so bebend und horchend durcheilte der König die Hölle,

Endlich erreicht er den heiligen Styx, er sieht Myriaden

Harrende Seelen den schwanckenden Nachen des Charons erwarten.

Wie die weißwolligten Lämmer, wenn sie die Weide verlassen,

Und der ländlichen Hütte sich nähern, einander verdrängen,

Sich bald in schwankende Haufen versammeln, bald wieder zertrennen,

Und mit Ungeduld ihren lang zaudernden Hirten erwarten;

Eben so häuften sich hier zehntausendfach stehende Reihen.

Millionen erkannten und grüßten mit Ehrfurcht den Helden.

Seht ihr, so riefen sie staunend, da kömmt der Beherrscher der Erde!

Vor ihm bebten die Könige, vor ihm erblaßten die Krieger;

Er hat Länder zertreten, und mächtige Städte zermalmet.

Endlich hat ihn die würgende Sense des Todes gemähet.

So die Geister. Der grauende Schiffer belastet den Nachen,

Und beherbergt auf faulenden Brettern den Weltenbeherrscher.

Selbst die stygischen Wogen trugen mit Ehrfurcht den Wandrer.

Banges Gewinsel von nahen Gestaden betäubte die Ohren.

Eduard sah auf brennenden Inseln das schwarze Gefängniß

Der vom Schicksal verworfenen Geister. Hier wohnten die Laster.

Charon entschlich mit flüchtigem Ruder dem Schauplatz der Rache.

Endlich begrüßten sie sanftere Fluren, und Minos der Richter

Gab hier die hohen Befehle. Hier zitterten selbst die Gerechten.

Könige bebten bey seinem allesentscheidenden Urtheil.

Er wog Eduards Thaten mit Vorsicht, und fand sie gewichtig,

Deine Tugenden rief er, haben die Laster besieget.

Eil in die glücklichen Wohnungen, wo dich die Helden umarmen.

Eduard dankte den Göttern, und suchte die goldene Pforte.

Ewiggrünende Fluren zeigten sich plötzlich dem Auge;

Wohlgeruchduftende Blumen schmückten die grünen Gefilde;

und harmonische Sänger der Lüfte durchkreuzten die Haine.

Izt sah er die seligsten Schaaren der tapfersten Helden.

Lächelnd und gastfreundlich begrüßten sie alle den Fremdling,

Sahen in ihm den edlen Gefährten der künftigen Tage,

Wie die wolkenansteigende Fichte das kleine Gebüsch überholet,

So stieg Eduards fürstliche Stirne weit über die Seelen.

Alexanders erhabener Schatten umfaßt ihn der Erste.

Sey mir willkommen! So rief er entzückt, du Liebling der Ehre!

Du hast mit wärmesten Eifer die Lorbeern des Sieges erfochten.

Sieh mich gekrönt! Die Güte der Götter belohnt hier die Thaten,

Welche durchlauchtige Geister zu Lichtern der Menschen erheben.

Kleinere Herzen mißkennen die feurigen Triebe des Ruhmes.

Andere Fürsten drängten sich zu den Neuling zu küssen,

Und der weise Lykurg belehrte den staunenden König.

Mir sind Elisiums alte Bewohner seit Jahren vertrauter;

Ich will Dir die glänzendsten Thaten von ihnen erzählen.

Ich will dir sagen, was sie beglücket, erhöhet, vergöttert.

Hier ist Kodrus die unüberwindliche Säule des Staates!

Er hat sein edelstes Blut dem Vaterland würdig geopfert,

Und das grazienliebende Griechenland hat ihn verewigt.

Dort kömmt der gütige Titus, sein antlitzverschönerndes Lächeln

Trägt die heiligen Spuren von seinem wohlthätigen Herzen.

Er hielt die Stunde verloren, in der er nicht Menschen beglückte.

Sieh dort den weisen Aurel; die reichthumverschmähende Seele

Blikt aus den göttlichen Augen. Er liebte nur Tugend und Weisheit.

Dort trabt der Riesenbekämpfer Alcid mit siegender Keule.

Seine herkulischen Thaten verzeichnet die Nachwelt den Enkeln.

Niemand schlummert sich groß, nur Arbeit und Sorge verherrlicht;

Glänzende Lorbeern sind Preise des Sieges, des rühmlichsten Schweisses.

Dort ruht Belisar in dem Haine von Palmen, er siegte

Ueber die Ränke der Neider; die ihn mit Geifer vertilgten.

Sieh die ehrwürdigbeschneyten Häupter der thätigsten Fürsten,

Unter den Kränzen fächelt der Zephir die silbernen Locken.

Dieser verließ noch in blühenden Jahren die mächtigsten Throne,

Wie viel grösser ist er als jener, der Kronen erobert!

Dieser hat Menschen aus Thieren gebildet, durch gute Gesetze

Gleichsam die unwirthliche Sandbank mit Bürgern bevölkert.

Jener schmückte sein Reich durch länderbeglückenden Frieden;

Er schloß in süssester Ruhe sein neidmißkennendes Leben.

Niemals betrat er aus Ehrgeiz das menschenvertilgende Schlachtfeld.

Dieser unsterbliche Kronenverfechter verdient auch ein Denkmaal.

Er ist einer der ehreverfolgenden Kämpfer der Vorwelt,

Welche die Staaten wie rühmliche Säulen durch Tapferkeit stützen,

Und nicht wie jene ruhmsüchtigen Erdenerschütterer wüten.

Dieser schönlockichte Jüngling fiel für das Vaterland edel.

Diesen Greisen erhebt die gütigerlassene Rache.

Er hat die darbenden Staaten gerettet, und Undank geärndet.

Sein Blut hat die goldene Krone des Oelzweigs gebrandmarkt.

Diese Könige siegten mit edeldenkenden Bürgern.

Ihre Herzen entbrannten beym Rufe der Vaterlandsliebe;

Aber sie ist verächtlich geworden. Izt fechten nur Sklaven,

Oder nur feile Söldlinge, die der Ehrgeiz befeuert.

Mächtige Staaten haben wie Menschen auch Jugend und Alter.

Glückliche Tage beschleunigen oft den eilenden Winter.

So sprach der honigträchtige Mund des weisesten Redners,

Und Erstaunung bemächtigte sich des gierigen Hörers;

Eduard lebte mit ihm in ununterbrochener Freundschaft.

Scene.

Platz der Stadt. Lusian, das ganze königliche Leichengefolge, und eine unendliche Menge Volks, hernach Beliam.

(Lusian sprenget mit verhängtem Zügel daher, stürzt hastig von seinem Pferde, und eilt zur Leiche Eduards.)

Lus. Ich muß meinen König sehen —— Haltet! —— Ich muß meinen Eduard mit Thränen waschen! —— (Er küßt die Leiche und weint) Du bist todt! —— Auf der Reise fiel mir der Stiefel in die Augen, den ich als ein Denkmaal deiner Grösse bewahre —— Diesen Stiefel, sagt ich zu mir selbst, hat er von meinen Füssen als König gezogen, und du Lusian verlässest ihn? —— Ich zog zurück von Liebe und Dankbarkeit beflügelt —— Ich komme zu spät! —— Ich finde Dich nicht mehr! —— Da liegst Du in einem schmalen Häuschen! —— Welch ein durchlauchtiges Gehirn veredelte Dich! Was für ein grosses Herz schlug in deinem Busen! —— O meine Freunde, weinet, weinet mit mir um unsern Freund, um unsern Vater! —— Unser Eduard ist todt! —— Erinnert Euch aller seiner Thaten! Wie viel Güte, wie viel Großmuth, wie viel Standhaftigkeit! Wo ist ein Geist von seinem Umfang, von diesem erhabnen Schwunge? wo ähnliche Kräften, seine Riesenarbeiten auszuführen? —— Wie hat er uns geliebt! O! unsterblich hättest du seyn sollen mein Eduard! Verflucht sey die Hand, die dich getödtet hat! Weiber! O Weiber! —— Gute Nacht mein lieber König! Schlummre sanft, ruh aus von deinen Heldenarbeiten! Die Nachwelt soll bey deinem Gedächtnisse staunen, und weinen! —— Das ist mein Abschiedskuß, eine Leichenrede von warmen Herzen! —— Sezt nur den Stiefel auf sein Grabmaal, und alle aufgedunsenen Könige sollen erröthen; die stolzen Riesen sollen zusammenschrumpfen, wenn man ihnen den Namen Eduard entgegen ruft. —— Meine Thränen hemmen die Worte —— Gute Nacht lieber Eduard?

(Das Volk weinet; eine traurige Stille herrscht überall. Beliam schleicht traurig daher, zieht sein Kleid aus, und hängt es an die Pforte des Grabmaals.)

Bel. Das Lustspiel ist aus; laßt den Aufzug herab! —— Morgen werden wir die Ehre haben aufzuführen die Krönung Sigismund, ein Originallustspiel in fünf Aufzügen; wir bitten um einen zahlreichen Zuspruch.

(Das Volk lacht und zerstreut sich.)

Bel. So sind die Menschen, bald weinen, bald lachen sie! —— Ich als ein Narr thue, was ich kann. Ein treuer Diener überlebt seinen Herrn nicht. (Er pocht an die Trödlerbude.) He Mann! Bring mir einen Domino! Da ist Geld! Geschwind! Das soll mein Leichengewand seyn! (Er zieht den Domino an.) Felices illi, qui moriuntur in Domino, pflegte mein Vater zu sagen, der ein Narr war, wie ich. Izt gute Nacht! Ich will meinen Arzt besuchen, bringt er mich nicht um; so sollen die Weiber, die mit Riesen selbsten nur spielen, mich kleinen Zwergen übermeistern, und der langsamen Natur die Arbeit meiner Zerstöhrung erleichtern. —— Eduard gute Nacht! —— Du warst ein guter Kerl, ich habe dich sehr lieb gehabt, also gute Nacht! —— Beliam fühlt sich, und stirbt bald; zum letztenmal allerseits gute Nacht!

(Er geht traurig ab.)

Metamorphose[23].

Stehet mir bey unsterbliche Götter bey meinem Gesange!

Ich will eure Verwandlungen singen; womit ihr die Menschen

Bald bestrafet, bald belohnet, und eure Gerechtigkeit zeiget.

Salinia genoß noch der Wollust der süssesten Rache.

Ich bin gerächet, so rief sie, am schwärzesten Frevler gerächet!

Mag er doch sterbend die Buhlerinn krönen! Die Siege verschwinden

Wie ein Traumgesicht. Doch wer nähert? Was bringt mir Amanda?

Göttliches Blatt, du zeugest von Liebe, wie war ich geblendet!

Eduard liebt mich, und stirbt durch meine voreilige Rache.

Sie schlug den Busen, und eilte mit fliegenden Haaren zur Pforte.

Sie stürzt zur Leiche des Königs, und nezt sie mit zärtlichen Thränen.

O mein Eduard, ewiggeliebter, eröffne die Lippe!

Ich hab aus Liebe gefehlt, aus Eifersucht thöricht gehandelt;

Theurer vergieb; ich eile dein Blut durch Meines zu rächen!

So sprach sie wütend, und faßte den Dolch mit hastigen Händen;

Amor entwaffnete sie, und gab ihr die schmäuchelnde Hofnung.

Wie einst den Orpheus will ich zur Pforte der Hölle dich leiten

Deine bezaubernden Thränen sollen die Geister besiegen.

So sprach Amor, und führte die Schöne zum schwarzen Gestade.

Cerberus brüllte, die Schatten erstaunten beym Anblick der Fremden.

Pluto vergaß sein trotziges Wesen, und forschte die Ursach.

König der Schatten, aus dessen Gebiete nie Sterbliche kehren,

Vor dir kniet die Unglücklichste, die dein Mitleid erflehet.

Gieb mir den theuren Geliebten zurück, wo nicht so vertilge

Meine Gebeine, damit ich den seligen Schatten begrüsse.

Ich bin die Mörderinn Eduards! Ach unseliger Irrthum!

Tausendmal tödtet mich schon der Schreckengedanke des Lasters.

Laß durch die heissesten Thränen dich rühren, und hör mein Begehren!

Und der Höllenfürst gab ihr zu Antwort; Ich will dich belohnen!

Deine Reue vertilgt das Verbrechen; du sollst ihn besitzen.

Doch solang Ihr beym finstern Gestade der Hölle verweilet,

Soll ein heiliges Schweigen Euch beiden die Lippen verschliessen!

Eine neugierige Sylbe wird eure Gelübde zerbrechen;

Eduard wird dir wieder entrissen! Geh, fürchte die Götter!

So rief der Schattenbeherrscher, und gab ihr den Eduard wieder.

Sie umarmte mit Innbrunst den wiederbelebten Geliebten;

Und sie eilte von Liebe berauscht zur schrecklichen Pforte.

Aber grinsende Haufen der Furien standen im Wege,

Schreckten sie zehnmal vom Gleise zurücke; sie dräuten vergebens,

Denn die Liebenden eilten entschlossen durch tausend Gefahren.

Grosse Geschwader der Geister erregten ein lautes Gelächter,

Und die Neugier begrüßte die Wandrer mit spöttischen Worten.

Welch ein Phantom entführst du der Hölle betrogene Schöne?

Eine Larve betrügt dich! Die Stimme beweiset das Leben.

Kann den ungütigen Pluto die weibliche Thräne bewegen?

Siehst du denn nicht den schlauen Betrug aus seinen Befehlen?

Ihr sollt schweigen, damit nicht ein Wörtchen den Irrthum zerstöhret.

Zweifel und Angst bemächtigten sich der zitternden Wandrer,

Da sie die listige Rede der prüfenden Neugier verschlangen.

Sprich nur ein Sylbchen, so sprach Salinia zu dem Geliebten,

Nur ein Athem ist Trost für mein Herz, und Labsal dem Busen.

Laß die Thräne, die selbsten die höllische Gottheit besiegte,

Dich mein Eduard rühren, und flüstre mir labende Worte!

Eduard ließ sich erweichen, er sprach, und fiel in die Arme

Seiner getäuschten Salinia. Sie sah ihn plötzlich erstarren,

Und sie sank leblos zur Erde. Da lagen die schönen Ruinen.

Amor vom Mitleid durchdrungen begrüßte den Vater der Götter,

Und Zeus wandelt den Helden in einen berühmten Kometen.

Noch in seiner veränderten Miene bedräut er die Menschen,

Und weissaget der Erde Verderben, und blutige Kriege.

Alle Geschöpfe bewundern sein Antlitz; so lebt er verewigt.

Aber Salinia wandelte Zeus in Rosengebüsche.

Und noch tragen sie deutliche Spuren von ihrem Charakter;

Sie verwunden mit Dörnern, sie laben mit süssen Gerüchen,

Und sie bleiben das ewige Sinnbild der zärtlichen Liebe.

Leichenode.

Euphrosine wein, streue die goldenen

Locken hin auf das Grab dieses Eroberers!

Jede Tugend posaunt seinen unsterblichen

Ruhm den spätesten Enkeln zu.

Zepterwürdiger Fürst, Lorbeern verewigen

Deine Tapferkeit nicht; Musengesänge sind

Die Herolde der Zeit; sie nur verherrlichen

Und entreissen dem Tode Dich.

Schön war dein Aufgang O Stern! Minder dein Niedergang!

Deinen Frühling erhöhn Thaten der Menschlichkeit.

Zärtliche Thränen, und Dank glücklicher Sterblichen

Preisen dein gütiges Vaterherz.

Wenn das blutige Feld Mörder bevölkerten,

Häufiges Bruderblut floß, und der vertilgende

Donner die Schedel zerschlug; gossest Du Thränen hin,

Und warst Mensch und Bruder noch.

Wollte die Schönheit durch Reiz dein Herz abwürdigen;

Schloß dein Auge sich zu. Grösser als Scipio,

Weiser als jener Ulyß höhnst du die Weichlichkeit,

Und bekrönest die Tugenden.

Du hast rühmlich als Hirt Heerden vertheidiget;

Schüchtern entschleichet der Wolf; Friede nur heiliget

Deine Hütte, dein Feld; Ueberfluß giessest du

Auf die frohe Lämmerschaar.

Du hast die Musen geliebt; herrliche Tempel sind

Ihnen zur Ehre gethürmt; Griffel und Meissel und

Göttlicher Dichtergeist hebt deinen unsterblichen

Namen für die Nachtwelt auf.

Halt ein o Meucheldolch! Ach! mit diamantenen

Ketten fesselt der Tod ihn in dem Schattenreich;

Weine verlassene Burg, Städtebeherrscherinn,

Um den Vater des Vaterlands;

O Du verherrlichter Geist höre die Weinenden;

Sieh mit Redlichkeit die Herzen Dir huldigen;

Kehre zur Erde zurück; unüberwindlicher

Feldherr, schütze dein Königreich!

Welch ein plötzliches Licht, Himmel! bestralet mich!

Eduards Schatten umschwebt glänzend die Königsstadt.

Sein weissagender Mund segnet sein theures Volk;

Hört den frommen Orakelspruch!

Wünscht ihr die goldene Zeit, wünscht ihr den himmlischen

Frieden; so krönt die Stirn Sigismunds; ewige

Palmen schmücken sein Haupt; würdige Tugenden

Machen ihn siegreich, und kronenwerth.

So rief der Schatten, und floß zu den Belohnungen

Würdiger Könige, wo die Unsterblichkeit

Helden und Sieger belohnt, und die getrösteten

Völker bauen sein Ehrenmaal.

Grabschrift.

Hier ruht ein Held, der goldne Kronen trug;

Der stolz im Mittelpunkt der Nationen thronte;

Dem Sieger, den die Welt nicht mehr begnügen konnte,

Ist izt ein kleiner Sarg genug.

Ende der Phantasie.


Epilog.

vom Geist des Roscius gesprochen[24].

Der Dichter dankt den Gönnern für die Huld,

Für ihre Nachsicht und Geduld,

Und wünscht nicht ganz den Endzweck zu verfehlen.

Könnt er sich selbst den schönsten Preis erwählen;

So würde dieser Lohn der frohe Beyfall seyn.

In diesem Wunsch schließt jeder Wunsch sich ein.

Ein Dichter wandelt stäts in seiner Lieblingssphäre,

Er sucht Unsterblichkeit und Ehre.

Doch oft, sehr oft betrügt ihn nur ein süsser Wahn,

Denn auch die Bücher sind dem Glücke preisgegeben.

Selbst Meisterstücken raubt der Neid oft Ruhm und Leben,

Und lacht aus Eigensinn die Mißgeburten an.

Oft ist die Nachwelt erst gerechter.

Ein Werk, auf dem schon dreist die Motte kriecht,

Rächt erst die Zeit, und bringt es an das Licht.

Ihm zeugen weisere Geschlechter

Beschützer, Gönner, und Verfechter.

Genug, mein Mährchen ist nun ganz erzählt.

Sagt laut, was Euch davon behaget, und mißfällt;

Erinnert Euch auf das, was Euch belehren könnte;

Sprecht frey, wo mein Gesang Euch unharmonisch tönte.

Behauptet dieser Stoff sey übel ausgewählt;

Zeigt euren ganzen Haß; laßt eure Galle glüen!

Zergliedert meinen Bau zu kleinen Rapsodien;

Denn Lob und Tadel steht in eurer freyen Wahl;

Doch wünscht zur Phantasie nur kein —— Original!

Ende.


Privilegium.

Wir durch die Gnade der Götter erwählter Fürst der Musen und Vorsteher aller Gelehrten, machen hiemit allen Kunstgenossen, Versammlungen, und Zünften kund, daß uns unser lieber Getreuer demüthig gebeten hat, sein neugebornes Kind in unsern mächtigen Schutz zu nehmen, und gegen alle Verstümmlungen durch einen Freybrief zu sichern: wenn Wir aber erwägen, wie sehr die leidige Seuche der Verschneidungen um sich frißt, und wie einem zärtlichen Vater das Herz bluten muß, wenn er wie eine Niobe seine Kinder unter den Händen grausamer Dramenhenker erwürgen sieht; auch zugleich die treugeleisteten Dienste dieses patriotischen Dichters besonders durch ein Merkmaal unserer Hochachtung belohnen wollen; so verbieten Wir in Kraft unserer erhabenen Würde allen Kindermördern, Lokalisirern, Verstümmlern, Scharfrichtern, Flickschneidern, Vampiren, Nachahmern, Verkürzerern und Vergrösserern, ihre profanen Klauen an dieses Werk zu legen, bey Strafe unserer ewigen Ungnade, und eines fürchterlichen Bannes. Sollten aber, welches die keuschen Musen verhüten mögen! auch weibliche Grazien so unedel ihre schönen Hände mit häßlicher Tinte entweihen; so verurtheilen wir sie zu einer jährlichen Leibesstrafe von tausend Küssen, deren eine Hälfte dem beleidigten Dichter, die andere aber unserer poetischen Schatzkammer heimfällt. Gegeben in unserer Residenz Parnaß.

Apoll.

Fußnoten

[1] Die Schrift heißt diesen König Tharaka, der sich zur Zeit Senacherib Königs der Assyrier furchtbar machte.

[2] Das Trauerspiel Mahomet oder der Fanatismus ward vom Voltaire dem Pabste zugeeignet.

[3] Da alle neuen Geburten Nachahmer finden; so werden vermuthlich einige Dichterlinge hastig über dieses lächelnde Fach herfallen; ich will Ihnen also durch einen kleinen Auszug aus einem poetischen Kochbuch Anleitung zu einer Phantasie geben. Man nimmt Geflügel Rindfleisch, Zwiebeln, Knoblauch, viel Gewürz, läßt alles in einem reinen Topf wohl verkochen, und diese Kraftbrühe heißt Phantasie. Zu oft darf man nicht solche Speisen geniessen, sie geben Anlage zum gelehrten Podagra.

[4] Sieh von Korneille das Trauerspiel Cid. Der sechste und siebente Auftritt enthält den Stoff der Parodie. Diego wird von seinem Gegner durch eine Maulschelle entehrt, zieht den Degen, wird entwafnet, und beseufzet seine Schande. Sein Sohn Roderich übernimmt die Rache.

[5] Den Musen sey Dank! Ich hasche mit Begierde diese gewünschte Gelegenheit mein bischen Belesenheit in der Nationalgeschichte glänzen zu lassen. In der ersten Hitze wollte ich einen ganzen Band von den Sitten und Gebräuchen der Deutschen schreiben; aber endlich habe ich bey kälterm Blut meine Leser begnadigt, und mich auf einige Kleinigkeiten beschränkt. Welche großmüthige Gefälligkeit von einem Kommentar! Oft bin ich willens meine Leser fühlen zu lassen, was es ist, ein Kommentar zu heissen. Der Dichter geht hier mit einem magischen Sprunge von einer modernen Schlacht in eine Altdeutsche über, und verändert nach seinem Belieben die Namen selbst. Adelreich ist Eduard, und die übrigen sind seine Obersten.

[6] Sie liessen einen Deutschen und einen gefangenen Römer fechten, und der Ausschlag des Zweykampfes war ihre Weissagung.

[7] Iberier, Spanier als Bundesgenossen Roms vertreten hier auch einen Theil der Feinde.

[8] Alrunen sind Weissagerinnen, und kluge Weiber, die sie bey Krankheiten und Staatsgeschäften zu Rath zogen.

[9] Der Vollmond war die gewöhnliche Zeit ihrer Schlachten.

[10] Caßius Longinus ward von dem Führer der Tiguriner geschlagen.

[11] Der Feldherr der Cimbrer schlug den Aurelius Scaurus.

[12] Marius vermied eine Schlacht. Die Ambrionen wurden so dreist, daß sie gegen Rom zogen, und die Römer spöttisch fragten, ob sie nichts an ihre Weiber zu bestellen hätten?

[13] Die beiden Brenner und Hermann sind berühmte Helden der Deutschen.

[14] Der Othinsbecher ward beym Siegesmahle getrunken.

[15] Entweder ist hier im Manuskript eine Lücke, oder aber entdecken wir hier eine gelehrte Zerstreuung unsers Autors. Ich als ein scharfsichtiger Kommentar staune meine Leser an, und frage, wer ist diese Königinn? Ihr Gatte starb im Kampf, und in vorgehender Geschichte lesen wir von keinem Könige, der auf dem Schlachtfelde fiel. Vermuthlich wird hier einer von den Bundesgenossen Willhelms verstanden, die unter den Hauptpersonen aus beliebter Kürze in der Geschichte nicht genannt sind. Genug, es scheint mir eine dichterische Kaprizze zu seyn.

[16] Dem Finanzminister gab der König Befehl seine Pächter bereichern zu lassen, und ihnen hernach den Ueberfluß abzunehmen. Dem Losin ertheilte er Vollmacht in den Städten, die sich seinem Schutze vertrauten, alle Große zu erniedern, und also das Volk zu bejochen. Es liegt oft viel Beredsamkeit im Geberdenspiele.

[17] Dieses ist der wesentliche Inhalt einer sehr langen Schrift, welche in der deutscharabischen Staatssprache wie alle Kriegserklärungen zur Aufklärung des Publikums erschien. Die Freymüthigkeit ist wenigstens ihr Verdienst.

[18] Deus ex Machina! Eine Geliebte des Königs rettete das Leben dieses würdigen Mannes. Jedoch ein Dichter sagt so etwas nicht ohne Schwung, er sucht Blumenkränze und arkadische Tändeleyen.

[19] Da unsere kaltblütigen Deutschen nicht wie splenetische Engländer von einem Geist gerührt werden; so bevölkert mein Autor die Scene mit einer Legion Geister. Der Auftritt muß auf der Bühne fürchterlich lassen, und für Liebhaber der kriegerischen Taktik sehr interessant seyn. Die Scene ist historischwarscheinlich, weil unsere Nationalgeschichte ein feines Pröbchen von einem Geisterheere giebt.

[20] Der Autor bemerkt sehr scharfsinnig den Hexenkostum, und theilt sie in alte und neue Hexen. Die Alten haben mehr Anstand und Würde, wie die alten Furien und Schatten unsere neuen Teufel und Geister beschämen. Die Damen sprechen übrigens wie die Freymäurer; die alte Loge schimpft über die Neue, und jede behauptet das wahre Geheimniß zu besitzen. So viel ich als ein profaner Kommentar.

[21] In einer Shakespearischen Zerstreuung hat der Dichter hin und wieder sich vergessen. Bonus dormitat Homerus! würde ein Warburton sagen; ich aber glaube, der Dichter wollte schlafen; also gute Nacht!

[22] Die Zeitgenossen sind ungewiß über den Tod Eduards. Sein Dichter nützt also diesen günstigen Umstand zu einer musikalischen Variation, und bedient sich dieser Freyheit mit desto grösserm Rechte, da die Natur selbst ihre theuren Kinder auf verschiedenen Gleisen vom Leben zurückruft, und die Aerzte als getreue Nachahmer dieser zärtlichen Mutter noch immer ungewiß sind ob sie ihre Kranken bey Gelegenheit der zehntausend lateinischen, griechischen, engländischen, französischen und unendlichen Gattungen der Krankheiten mit Kräutern oder Säften aus der Welt versenden sollen. Wie sehr die Dichter alles verschönern müssen, das zeigen uns die empfindsamen Alten. Wir nehmen zum Beyspiele nur die Geschichte des Herkules her. Wollte eine gemeine Feder seinen Tod erzählen; so würde man lesen: eine Buhlerin beschenkte den Helden mit einer galanten Krankheit; er vernachläßigte die ersten Anfälle, ward von einem griechischen Scharlatan übel geheilt, und starb. So würde ein kaltblütiger unschmackhafter Geschichtschreiber die wichtigste Epoche von der Vergötterung des grösten Helden des Alterthums erzählen. Aber wie sinnreich wendet der Dichter die ganze Begebenheit! Eine Furie steigt aus der Hölle, wirft ein vergiftetes Nesseltuch auf die Erde in dem Schlafgemach der eifersüchtigen Geliebten; dieß Geschenk wird dem Helden gesandt; ein Feuer durchglüht ihn; er wirft sich auf einen Scheiterhaufen, und wird in den Olymp aufgenommen. Welche Verschönerung!

[23] Ich habe bereits erinnert, daß die Meinungen über die Todesart Eduards verschieden sind. Die Meisten sagen Alidia habe ihm durch Salinien Gift beygebracht; einige schreiben die That der Eifersucht Saliniens selbsten zu. Der Dichter benutzt jeden Umstand.

[24] Da vermuthlich kein Schauspieler in Deutschland lebte, der einen Vers erträglich deklamirte, so nahm der Dichter Zuflucht zum unsterblichen Roscius.

Anmerkungen zur Transkription

Fußnoten wurden am Ende des Buches gesammelt.

Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. Textstellen, die im Original in Antiqua gesetzt sind, wurden in einer anderen Schriftart markiert.

Die kräftig variierende und inkonsistente Schreibweise und Grammatik des Originals wurden weitgehend beibehalten. Offensichtliche Auslassungen von Satzzeichen wurden stillschweigend korrigiert. Alle weiteren Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):