The Project Gutenberg eBook of Die Reden Gotamo Buddhos. Mittlere Sammlung, dritter Band

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Title: Die Reden Gotamo Buddhos. Mittlere Sammlung, dritter Band

Translator: Karl Eugen Neumann

Release date: May 24, 2015 [eBook #49044]

Language: German

Credits: Produced by Norbert H. Langkau, Reiner Ruf, and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE REDEN GOTAMO BUDDHOS. MITTLERE SAMMLUNG, DRITTER BAND ***

Original-Umschlag

Original-Buchumschlag

Anmerkungen zur Transkription

In diesem Text werden fortlaufend Seitenzahlen aus einem anderen Werk angegeben. Diese Verweise werden hier, fettgedruckt in geschweiften Klammern, am linken Rand außerhalb innerhalb des laufenden Textes wiedergegeben. Die in der Originalversion gesperrt gedruckten Passagen werden in der vorliegenden Version mit Hilfe serifenloser Schrift in normaler Laufweite dargestellt.

Weitere Anmerkungen finden sich am Ende des Textes.

DIE REDEN
GOTAMO BUDDHOS

AUS DER MITTLEREN
SAMMLUNG MAJJHIMANIKĀYO
DES PĀLI-KANONS

ZUM ERSTEN MAL ÜBERSETZT
VON

KARL EUGEN NEUMANN

ZWEITE AUFLAGE

DRITTER BAND
OBERES HALBHUNDERT


MÜNCHEN 1921 * R. PIPER & CO.

ALLE RECHTE VORBEHALTEN
COPYRIGHT 1921
BY R. PIPER & CO. / G. M. B. H. / MÜNCHEN


[S. v]

INHALT

Seite
VORREDE IX

DIE MITTLERE SAMMLUNG DER REDEN GOTAMO BUDDHOS

DRITTER BAND
OBERES HALBHUNDERT

ELFTER THEIL
BUCH DER GÖTTERLACHE
101. Rede: Vor der Götterlache 3
102. Die Fünf und die Drei 23
103. Vielleicht 34
104. Vor Sāmagāmo 41
105. Sunakkhatto 54
106. Zur Unverstörung 68
107. Rechner Moggallāno 74
108. Meier Moggallāno 83
109. Vollmond (I) 95
110. Vollmond (II) 102

[S. VI]
ZWÖLFTER THEIL
BUCH DER REIHE
111. Rede: Die Reihe 111
112. Sechs erläutern 118
113. Ein guter Mensch 129
114. Zu betreiben und nicht zu betreiben 145
115. Viel der Artungen 161
116. Am Seherschlunde 170
117. Vierzigmächtig 173
118. Bedachtsame Ein- und Ausathmung 182
119. Einsicht in den Körper 195
120. Unterschiedliche Wiederkehr 209

DREIZEHNTER THEIL
BUCH DER ARMUTH
121. Rede: Armuth (I) 219
122. Armuth (II) 227
123. Erstaunliche, außerordentliche Eigenschaften 239
124. Bakkulo 251
125. Rang der Gebändigten 256
126. Bhūmijo 271
127. Anuruddho 279
128. Verschlackung 290
129. Der Thor und der Weise 308
130. Die Götterboten 324

[S. VII]
VIERZEHNTER THEIL
BUCH DER ABZEICHEN
131. Rede: Glücksäligeinsam 341
132. Glücksäligeinsam — Ānando — 345
133. Glücksäligeinsam — Kaccāno — 350
134. Lomasakaṉgiyo 359
135. Kennzeichnung der Werke (I) 362
136. Kennzeichnung der Werke (II) 372
137. Sechsfachen Gebietes Abzeichen 384
138. Des Stämpels Abzeichen 395
139. Streitlose Abzeichen 407
140. Sechsfacher Artung Abzeichen 418
141. Der Wahrheit Abzeichen 433
142. Lautere Spende 440

FÜNFZEHNTER THEIL
BUCH DES SECHSFACHEN GEBIETES
143. Rede: Anāthapiṇḍiko 449
144. Channo 459
145. Puṇṇo 464
146. Nandako 469
147. Rāhulo 480
148. Sechsfache Sechsheit 485
149. Mächtige Abzeichen 497
150. Die Nagaravinder 503
151. Almosenläuterung 509
152. Sinnesgewalt 516

[S. VIII]
ANMERKUNGEN 525
NACHWEISE. Vom Herausgeber 615
REGISTER 621

Zur Aussprache Seite VIII des ersten Bandes.

Die Zahlen am Rande geben die Seiten des siamesischen Textes an.


[S. ix]

VORREDE

Der dritte Band der Mittleren Sammlung ergänzt in mehrfacher Hinsicht die ersten beiden, und diese ihn. Er bestätigt zunächst noch genauer was in den früheren Vorreden über die Ordenszucht gesagt worden: dass nämlich eine solche ursprünglich nicht als eigener Kanon zusammengefasst sondern in den Reden inbegriffen war; Ansprachen wie z. B. die hundertdritte und hundertvierte lösen wohl jeden billigen Zweifel. Freilich wird man eine Aufzählung der einzelnen Punkte vermissen: aber die war, etwa nach dem Muster der siebenundzwanzigsten oder einundfünfzigsten Rede u. a. m., als ekantaparipuṇṇam ekantaparisuddhaṃ saṉkhalikhitam brahmacariyam längst gegeben und allbekannte Basis, bedurfte keiner weiteren Entwickelung.

Ferner mag bemerkt sein, wie gerade in das Obere Halbhundert manche feinere geistige Beobachtungen und Erläuterungen aufgenommen wurden, namentlich in die letzten beiden Dekaden: als ob die alten Ordner der Texte das Zartere und zugleich gern Schwierigere erst gegen Ende hätten darbieten wollen, nachdem man eine gute Vorschule bereits durchgemacht hatte. In diesem Sinne könnte man vielleicht mit einiger Berechtigung sagen, die drei Bände der Mittleren Sammlung stellten der Reihe nach vinayo, suttam und abhidhammo dar: indem das Untere Halbhundert Mūlapaṇṇāsam gleichsam den Grund legt, das Mittlere Halbhundert Majjhimapaṇṇāsam, meist in Zwiegesprächen, die Säulen emporführt, das Obere Halbhundert Uparipaṇṇāsam[S. x] endlich die Kuppel aufsetzt. Doch darf man so eine mehr bildlich und schematisch geplante Eintheilung nicht zu ernst nehmen: weil, wie oft betont, jede der Reden als für sich bestehendes Ganze sich giebt; was die Ordner sehr wohl erkannt und daher einen systematischen Aufbau nicht beabsichtigt haben.

Es wäre lohnend nun auf wichtigere Einzelheiten von Form und Gehalt auch dieser letzten fünf Bücher näher einzugehn: etwa auf die vedischen Grundlagen, wie sie z. B. in der hundertzwanzigsten und hundertvierzigsten Rede offen zutage treten; oder auf die unverkennbare geistige Verwandtschaft mit dem ewigen Griechenthume; oder auf die zahlreichen Urbilder zu unseren eigenen Kunstwerken aus tüchtiger Zeit, dann zur transscendentalen Philosophie, also recht eigentlich zu Schopenhauer, dessen Gedanken in den Hauptzügen wirklich erst die letzte Vollendung erfahren, e. g. in der Lehre vom vollkommenen Wohlbefinden bei Lebzeiten, und wieder über den klassischen Selbstmord, hundertvierzigste Rede, passim, bez. hundertvierundvierzigste in fine; oder auf die so tiefe Einmüthigkeit mit unseren besten Illuministen, die keine Mystiker sind, insbesondere mit San Francesco und Meister Eckhart, wie etwa im hundertfünfundvierzigsten Gespräch; oder auf den donquijoteschen Humor gar mancher Gleichnisse, wie zumal im hundertsechsundzwanzigsten Bericht; oder auch auf nebensächliche Ergebnisse, wie z. Th. die geschichtliche Ableitung der Christologie aus dem hundertdreiundzwanzigsten, der Thebais aus dem hundertvierundzwanzigsten Stücke, ferner auf beiläufig entdeckbare S̀ruti-Spuren im Lao: alles Dinge von ziemlichem Gewichte zwar, deren Fächsung aber dem bloßen Uebersetzer kaum zukommen, vielmehr den Berufenen als reiche Mahd hinterlassen bleiben kann. Sind doch über die Blüthe und Frucht[S. xi] einiger Jahrzehnte nahezu dritthalb Jahrtausende des Verfalls, der Zerstörung und üppig aufschießender Verwilderung dahingegangen bis aus dem Schutte die verborgen fortkeimenden ungewöhnlichen Gedanken unserer Texte nach und nach wieder dem entgegenreifenden Verständnisse erschlossen werden. Dieses Verständniss leise fördern und anbauen und nur gelegentlich obenhin, wie von den Trümmern der Zinne, auch auf historische Kuriositäten, Paritäten, Quidditäten etc. herabdeuten wird noch lange Zeiten hindurch der bescheidene Zweck philologischer Arbeit sein.

Nicht als ob es gälte späterhin Sendboten heranzubilden, den Erdball rings zu bekehren und, wenn es hoch kommt, noch ein paar Planeten dazu. Es müsste ja für die meisten empfindsamen Gemüther eine arge Aussicht sein, wenn this goodly frame, the earth, wie Hamlet bewundernd sagt, veröden und — o Graus — aussterben, etwa in ein far niente der Ewigkeit, um einen Ausdruck Jean Pauls zu gebrauchen, einmünden sollte, so da alle Menschen veritable Buddhisten, d. h. leibhaftige Heilige würden: ein schnackischer Angstschrei, den man hin und wieder, nicht in Indien, vernimmt; oder wie unser Poeta poetarum mit lächelndem Auge spricht:

If all were minded so, the times should cease,
And threescore years would make the world away.

Davor brauchen wir, verehrte Anwesende, keine Furcht zu haben. Die buddhistische Lehre wird ihrer außerordentlichen Dichte wegen in Wirklichkeit immer doch nur einer kleinen Schaar, immer nur einem oder dem anderen abseit gegründeten, ungeselligen, beharrlichen Erzgrübler nicht undurchdringlich erscheinen, nicht lästig und beschwerlich fallen. Die Hunderte und die Tausende werden sich nach wie vor zu eigener und[S. xii] fremder Aufklärung mit den astralen Weltproblemen weiter beschäftigen, die himmlischen Progressionen zu berechnen suchen, das Ewige und das Zeitliche trennen und versöhnen, Freiheit und Nothwendigkeit scheiden und verbinden, Geheimwissenschaft und Gemeinnützigkeit enträthseln und verhäkeln, ganze Realität und halbe Evolution oder umgekehrte Ethik und Aesthetik sowie Kulturpragmatik und Religionsphilosophie sub specie professoritatis und verwandte allerangelegentlichste Fragen, sabbasāmukkaṃsikā pañhā, behandeln und festzustellen hoffen »Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes«, wie eben die gewöhnlichen Meister und Altmeister, Büßer und Pilger, Asketen und Priester schon zu Gotamos Zeiten je nach ihrer Art behauptet, gelehrt, bewiesen, erläutert und ausgelegt haben; von den Hunderttausenden nicht zu reden, denen die heiligen Fußspuren, Knochen, Zähne, Nägel, Hostien, Fetische, Inkarnationen, Folklorisierungen u. s. w. ungekränkt überlassen seien: und auch nicht von den Dutzenden, denen Abrakadabrahuitzilopochtligelehrsamkeit und Beckmesserpoesie, oder blaublumige Düfte und faselnde Flöten schon genügen. An einzelne Wenige aber, die mit den mehr oder minder spröden oder mürben Allotria nicht recht umzugehn wissen, denen unsere eigenartige Dichte allmälig ohne Beschwer vertrauter wird, sogar anziehend, einladend, wie beim gediegenen Golde von selbst verständlich erscheint, oder wie dem Grafen Russel seine dreißig Jahre inniger Lauterkeit an den höchsten Gipfeln der Pyrenæen, ist heute wie einst ein oft wiederholter Nachhall im vorletzten Buche, der Spruch vom »Stillen Denker« gerichtet.

Wien, Anfang April 1901.

KARL EUGEN NEUMANN.


[S. 2]

ELFTER THEIL
BUCH DER GÖTTERLACHE


[S. 3]

101.

Elfter Theil

Erste Rede

VOR DER GÖTTERLACHE

{1} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Lande der Sakker, bei der Götterlache[1], wie eine Burg im Gebiete der Sakker heißt. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Es giebt, ihr Mönche, manche Asketen und Priester, die sagen und lehren: ›Was immer auch ein Mensch empfindet, sei es Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, all das ist vorhergewirkt[2]: so findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr statt; weil ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein.‹ Das behaupten, ihr Mönche, die Freien Brüder. {2} Auf diese Behauptung, ihr Mönche, trat ich zu den Freien Brüdern heran und sprach also: ›Wirklich denn, liebe Freie Brüder, habt ihr die Meinung, habt ihr die Ansicht: ‚Was immer auch ein Mensch empfindet, sei es Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, all das ist vorhergewirkt:[S. 4] so findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr statt; weil ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein‘?‹ Da mir nun, Mönche, die Freien Brüder diese Frage mit ›Ja‹ beantworteten, sagt’ ich ferner zu ihnen: ›So wisset ihr wohl, liebe Freie Brüder: ‚Wir sind schon ehedem gewesen, nicht sind wir nicht gewesen‘?‹

›Wir wissen’s nicht, Bruder.‹

›Oder wisset ihr wohl, liebe Freie Brüder: ‚Wir haben schon ehedem Böses gethan, wir sind nicht schuldlos geblieben‘?‹

›Wir wissen’s nicht, Bruder.‹

›Oder wisset ihr wohl, liebe Freie Brüder: ‚Diese und jene böse That haben wir begangen‘?‹

›Wir wissen’s nicht, Bruder.‹

›Oder wisset ihr etwa, liebe Freie Brüder: ‚Ein Stück Leiden ist überstanden, ein anderes noch zu überstehn; ist aber ein Stück Leiden überstanden, so wird alles Leid überstanden werden‘?‹

›Wir wissen’s nicht, Bruder.‹

›Oder wisset ihr vielleicht, liebe Freie Brüder, wie man noch bei Lebzeiten das Falsche verleugnen und das Rechte gewinnen kann?‹

›Wir wissen’s nicht, Bruder.‹

{3} ›So gesteht ihr, liebe Freie Brüder, ihr wisst nicht ‚Wir sind schon ehedem gewesen, nicht sind wir nicht gewesen‘, wisst nicht ‚Wir haben schon ehedem Böses gethan,[S. 5] wir sind nicht schuldlos geblieben‘, wisst nicht ‚Diese und jene böse That haben wir begangen‘, wisst nicht ‚Ein Stück Leiden ist überstanden, ein anderes noch zu überstehn; ist aber ein Stück Leiden überstanden, so wird alles Leid überstanden werden‘, wisst nicht, wie man noch bei Lebzeiten das Falsche verleugnen und das Rechte gewinnen kann: ist es also, kann es den ehrwürdigen Freien Brüdern nicht geziemen zu erklären ‚Was immer auch ein Mensch empfindet, sei es Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, all das ist vorhergewirkt: so findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr statt; weil ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein‘. Wenn ihr freilich, liebe Freie Brüder, wüsstet ‚Wir sind schon ehedem gewesen, nicht sind wir nicht gewesen‘, wüsstet ‚Wir haben schon ehedem Böses gethan, wir sind nicht schuldlos geblieben‘, wüsstet ‚Diese und jene böse That haben wir begangen‘, wüsstet ‚Ein Stück Leiden ist überstanden, ein anderes noch zu überstehn; ist aber ein Stück Leiden überstanden, so wird alles Leid überstanden werden‘, wüsstet, wie man noch bei Lebzeiten das Falsche verleugnen und das Rechte gewinnen kann: wär’ es also, könnt’ es den ehrwürdigen Freien Brüdern geziemen zu erklären {4} ‚Was immer auch ein Mensch empfindet, sei es Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, all das ist vorhergewirkt: so findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr[S. 6] statt; weil ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein‘.

›Gleichwie etwa, liebe Freie Brüder, wenn ein Mann von einem Pfeile getroffen wäre, dessen Spitze mit Gift bestrichen wurde[3]: da empfände er durch die Schärfe des Pfeiles schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Und seine Freunde, Genossen, Verwandte, Gevattern bestellten ihm einen heilkundigen Arzt, und der heilkundige Arzt schnitte ihm mit einem Messer die Mündung der Wunde auf: da empfände er durch das Aufschneiden der Mündung der Wunde mit dem Messer schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Und der heilkundige Arzt suchte mit einer Sonde bei ihm nach der Spitze: da empfände er durch das Suchen der Spitze mit der Sonde schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Und der heilkundige Arzt zöge ihm die Spitze heraus: da empfände er durch das Herausziehn der Spitze schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Und der heilkundige Arzt senkte ihm Gegengift und einen glühenden Stahl in die Wunde: da empfände er durch das Gegengift und den glühenden Stahl in der Wunde schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Und nach einiger Zeit wüchse die Wunde zu und vernarbte, und er wäre genesen, fühlte sich wohl, unabhängig, selbständig, könnte gehn wohin er wollte. Da gedächte er: {5} ‚Ich war früher von einem Pfeile getroffen worden, dessen Spitze mit Gift bestrichen: da empfand ich durch die Schärfe des Pfeiles schmerzliche, brennende,[S. 7] stechende Gefühle. Und meine Freunde, Genossen, Verwandte, Gevattern bestellten mir einen heilkundigen Arzt, und der heilkundige Arzt schnitt mir mit einem Messer die Mündung der Wunde auf: da empfand ich durch das Aufschneiden der Mündung der Wunde mit dem Messer schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Und der heilkundige Arzt suchte mit einer Sonde bei mir nach der Spitze: da empfand ich durch das Suchen der Spitze mit der Sonde schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Und der heilkundige Arzt zog mir die Spitze heraus: da empfand ich durch das Herausziehn der Spitze schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Und der heilkundige Arzt senkte mir Gegengift und einen glühenden Stahl in die Wunde: da empfand ich durch das Gegengift und den glühenden Stahl in der Wunde schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Jetzt aber ist die Wunde zugewachsen und vernarbt, und ich bin genesen, fühle mich wohl, unabhängig, selbständig, kann gehn wohin ich will‘:

›Ebenso nun auch, liebe Freie Brüder, wenn ihr wüsstet ‚Wir sind schon ehedem gewesen, nicht sind wir nicht gewesen‘, wüsstet ‚Wir haben schon ehedem Böses gethan, wir sind nicht schuldlos geblieben‘, wüsstet ‚Diese und jene böse That haben wir begangen‘, wüsstet ‚Ein Stück Leiden ist überstanden, ein anderes noch zu überstehn; ist aber ein Stück Leiden überstanden, so wird alles Leid überstanden werden‘, wüsstet, wie man noch bei Lebzeiten das Falsche verleugnen und das Rechte gewinnen kann: wär’ es also, könnt’ es den ehrwürdigen Freien Brüdern geziemen zu erklären ‚Was immer auch ein Mensch empfindet, sei es Wohl, oder Wehe, oder[S. 8] weder Wehe noch Wohl, all das ist vorhergewirkt: so {6} findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr statt; weil ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein.‘ Weil ihr nun aber, liebe Freie Brüder, nicht wisst ‚Wir sind schon ehedem gewesen, nicht sind wir nicht gewesen‘, nicht wisst ‚Wir haben schon ehedem Böses gethan, wir sind nicht schuldlos geblieben‘, nicht wisst ‚Diese und jene böse That haben wir begangen‘, nicht wisst ‚Ein Stück Leiden ist überstanden, ein anderes noch zu überstehn; ist aber ein Stück Leiden überstanden, so wird alles Leid überstanden werden‘, nicht wisst, wie man noch bei Lebzeiten das Falsche verleugnen und das Rechte gewinnen kann: darum kann es den ehrwürdigen Freien Brüdern nicht geziemen zu erklären ‚Was immer auch ein Mensch empfindet, sei es Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, all das ist vorhergewirkt: so findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr statt; weil ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein‘.‹

»Also angeredet, ihr Mönche, sprachen die Freien Brüder zu mir:

›Der Freie Bruder Nāthaputto, Lieber, weiß alles, versteht alles, bekennt unbeschränkte Wissensklarheit:[S. 9] ‚Ob ich geh’ oder stehe, schlaf’ oder wache, jederzeit hab’ ich die gesammte Wissensklarheit gegenwärtig.‘ Und er sagt: ‚Ihr habt da, Freie Brüder, ehedem Böses gethan; das büßt ihr durch diese bittere Schmerzensaskese ab. Denn weil ihr jetzt in dieser Zeit Thaten, Worte und Gedanken bezwinget, lasset ihr Böses ferner nicht mehr aufkommen. So findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr statt; {7} weil ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein.‘ Das aber leuchtet uns ein, und wir billigen es und geben uns damit zufrieden.‹

»Auf diese Worte, ihr Mönche, sagte ich zu den Freien Brüdern:

›Fünf Dinge giebt es, liebe Freie Brüder, die schon im Leben zweierlei Ausgang haben: welche fünf? Vertrauen, Hingabe, Hörensagen, prüfendes Urtheil, geduldig Einsicht nehmen. Das sind, liebe Freie Brüder, fünf Dinge, die schon im Leben zweierlei Ausgang haben. Was haben nun die ehrwürdigen Freien Brüder bisher für Vertrauen zum Meister gehabt, was für Hingabe, was haben sie gehört, was prüfend beurtheilt, wie geduldig Einsicht genommen?‹

»Auf diese Frage, ihr Mönche, konnte ich von den Freien Brüdern keinerlei entsprechende Antwort erhalten, und ferner nun sprach ich, ihr Mönche, zu den Freien Brüdern also:

›Was meint ihr wohl, liebe Freie Brüder: zu einer[S. 10] Zeit wo ihr euch heftig anstrengt, heftig abmüht, kommen euch zu einer solchen Zeit heftige, schmerzliche, brennende, stechende Gefühle an? Und wieder zu einer Zeit wo ihr euch nicht heftig anstrengt, nicht heftig abmüht, kommen euch zu einer solchen Zeit keine heftigen, schmerzlichen, brennenden, stechenden Gefühle an?‹

›Zu einer Zeit, Bruder Gotamo, wo wir uns heftig anstrengen, heftig abmühen, zu einer solchen Zeit kommen uns heftige, schmerzliche, brennende, stechende Gefühle an: und wieder zu einer Zeit wo wir uns nicht heftig anstrengen, nicht heftig abmühen, zu einer solchen Zeit kommen uns keine heftigen, schmerzlichen, brennenden, stechenden Gefühle an.‹

›So gesteht ihr, liebe Freie Brüder: zu einer Zeit wo ihr euch heftig anstrengt, heftig abmüht, zu einer solchen Zeit kommen euch heftige, schmerzliche, brennende, stechende Gefühle an: und wieder zu einer Zeit wo ihr euch nicht heftig anstrengt, nicht heftig abmüht, zu einer solchen Zeit kommen euch keine heftigen, schmerzlichen, brennenden, stechenden Gefühle an; ist es also, kann es da den ehrwürdigen Freien Brüdern geziemen zu erklären ‚Was immer auch ein Mensch empfindet, sei es Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, all das ist vorhergewirkt: so findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr statt; weil ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein‘? Wenn[S. 11] da, liebe Freie Brüder, zu einer Zeit wo ihr euch heftig anstrengt, heftig abmüht, zu einer solchen Zeit die heftigen, schmerzlichen, brennenden, stechenden Gefühle eben aufhörten: und wieder zu einer Zeit wo ihr euch nicht heftig anstrengt, nicht heftig abmüht, zu einer solchen Zeit die heftigen, schmerzlichen, brennenden, stechenden Gefühle eben nicht aufhörten; wär’ es also, könnt’ es den ehrwürdigen Freien Brüdern geziemen zu erklären ‚Was immer auch ein Mensch empfindet, sei es Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, all das ist vorhergewirkt: so findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr statt; weil ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, {9} und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein.‘ Weil nun aber, liebe Freie Brüder, zu einer Zeit wo ihr euch heftig anstrengt, heftig abmüht, zu einer solchen Zeit euch heftige, schmerzliche, brennende, stechende Gefühle ankommen: und wieder zu einer Zeit wo ihr euch nicht heftig anstrengt, nicht heftig abmüht, zu einer solchen Zeit euch keine heftigen, schmerzlichen, brennenden, stechenden Gefühle ankommen, so bringt ihr da, während euch eben heftige, schmerzliche, brennende, stechende Gefühle ankommen, ohne es zu wissen, ohne es einzusehn, unsinnig die Behauptung vor ‚Was immer auch ein Mensch empfindet, sei es Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, all das ist vorhergewirkt: so findet durch Büßung und Tilgung alter und Vermeidung neuer Thaten ferner kein Zufluss mehr statt; weil[S. 12] ferner kein Zufluss mehr stattfindet, kommt es zur Thatenversiegung, durch die Thatenversiegung zur Leidenversiegung, durch die Leidenversiegung zur Gefühlversiegung, und mit der Gefühlversiegung wird alles Leid überstanden sein.‘‹

»Auch auf diese Worte, ihr Mönche, konnte ich von den Freien Brüdern keinerlei entsprechende Antwort erhalten, und ferner nun sprach ich, ihr Mönche, zu den Freien Brüdern also:

›Was meint ihr wohl, liebe Freie Brüder: dass da eine That, die als diesseitig empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als jenseitig empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

›Das nicht, o Bruder!‹

›Und wieder, dass da eine That, die als jenseitig empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als diesseitig empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

›Das nicht, o Bruder!‹

›Was meint ihr wohl, liebe Freie Brüder: dass da eine That, {10} die als Wohl empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als Wehe empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

›Das nicht, o Bruder!‹

›Und wieder, dass da eine That, die als Wehe empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als Wohl empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

›Das nicht, o Bruder!‹

›Was meint ihr wohl, liebe Freie Brüder: dass da eine That, die als ausgereift empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als unausgereift empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

[S. 13]

›Das nicht, o Bruder!‹

›Und wieder, dass da eine That, die als unausgereift empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als ausgereift empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

›Das nicht, o Bruder!‹

›Was meint ihr wohl, liebe Freie Brüder: dass da eine That, die als sehr schmerzlich empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als wenig schmerzlich empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

›Das nicht, o Bruder!‹

›Und wieder, dass da eine That, die als wenig schmerzlich empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als sehr schmerzlich empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

›Das nicht, o Bruder!‹

›Was meint ihr wohl, liebe Freie Brüder: dass da eine That, die empfunden wird, durch eifrige Anstrengung nicht empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

›Das nicht, o Bruder!‹

›Und wieder, dass da eine That, die nicht empfunden wird, durch eifrige Anstrengung empfunden werden soll, kann so etwas gelingen?‹

›Das nicht, o Bruder!‹

›So gesteht ihr, liebe Freie Brüder, dass da eine That, die als diesseitig empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als jenseitig empfunden werden soll, das kann nicht gelingen; und dass da eine That, die als jenseitig empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als diesseitig empfunden werden soll, das kann nicht gelingen; dass da eine That, die als Wohl empfunden wird, durch[S. 14] eifrige Anstrengung als Wehe empfunden werden soll, das kann nicht gelingen; und dass da eine That, die als Wehe empfunden wird, {11} durch eifrige Anstrengung als Wohl empfunden werden soll, das kann nicht gelingen; dass da eine That, die als ausgereift empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als unausgereift empfunden werden soll, das kann nicht gelingen; und dass da eine That, die als unausgereift empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als ausgereift empfunden werden soll, das kann nicht gelingen; dass da eine That, die als sehr schmerzlich empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als wenig schmerzlich empfunden werden soll, das kann nicht gelingen; und dass da eine That, die als wenig schmerzlich empfunden wird, durch eifrige Anstrengung als sehr schmerzlich empfunden werden soll, das kann nicht gelingen; dass da eine That, die empfunden wird, durch eifrige Anstrengung nicht empfunden werden soll, das kann nicht gelingen; und dass da eine That, die nicht empfunden wird, durch eifrige Anstrengung empfunden werden soll, das kann nicht gelingen. Ist es also, ist der ehrwürdigen Freien Brüder Anstrengung fruchtlos, fruchtlos die Mühe.‹

»Solche Sprache führen, ihr Mönche, die Freien Brüder. Bei solcher Sprache der Freien Brüder, ihr Mönche, erweisen sich zehn entsprechende Begriffe ihrer Annahme nach als unrecht.

»Wenn, ihr Mönche, die Wesen durch vorhergewirktes Werk Wohl und Wehe erfahren, dann, ihr Mönche, haben die Freien Brüder ehedem Missethat gethan, da sie jetzt so schmerzliche, brennende, stechende Gefühle erfahren. Wenn, ihr Mönche, die Wesen durch die Schaffung[S. 15] eines Schöpfers Wohl und Wehe erfahren, dann, ihr Mönche, sind die Freien Brüder von einem bösen Schöpfer geschaffen, da sie jetzt so schmerzliche, brennende, stechende Gefühle erfahren. Wenn, ihr Mönche, die Wesen durch Fügung des Zufalls Wohl und Wehe erfahren, dann, ihr Mönche, haben die Freien Brüder einen schlimmen Zufall getroffen, da sie jetzt so schmerzliche, brennende, stechende Gefühle erfahren. Wenn, ihr Mönche, die Wesen ihrer Geburt nach Wohl und Wehe erfahren, {12} dann, ihr Mönche, sind die Freien Brüder von übler Geburt, da sie jetzt so schmerzliche, brennende, stechende Gefühle erfahren. Wenn, ihr Mönche, die Wesen durch ihre Anstrengung hier im Leben Wohl und Wehe erfahren, dann, ihr Mönche, ist die Anstrengung der Freien Brüder hier im Leben misslungen, da sie jetzt so schmerzliche, brennende, stechende Gefühle erfahren. Ob nun, ihr Mönche, die Wesen durch vorhergewirktes Werk Wohl und Wehe erfahren oder nicht: die Freien Brüder haben unrecht. Ob nun, ihr Mönche, die Wesen durch die Schaffung eines Schöpfers Wohl und Wehe erfahren oder nicht: die Freien Brüder haben unrecht. Ob nun, ihr Mönche, die Wesen durch Fügung des Zufalls Wohl und Wehe erfahren oder nicht: die Freien Brüder haben unrecht. Ob nun, ihr Mönche, die Wesen ihrer Geburt nach Wohl und Wehe erfahren oder nicht: die Freien Brüder haben unrecht. Ob nun, ihr Mönche, die Wesen durch ihre Anstrengung hier im Leben Wohl und Wehe erfahren oder nicht: die Freien Brüder haben unrecht.

»Solche Sprache führen, ihr Mönche, die Freien Brüder. Bei solcher Sprache der Freien Brüder, ihr[S. 16] Mönche, erweisen sich diese zehn entsprechenden Begriffe ihrer Annahme nach als unrecht. So aber ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtlos, fruchtlos die Mühe.

»Wie aber ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe? {13} Da lässt, ihr Mönche, ein Mönch sein unüberwältigtes Gemüth eben nicht von Leiden überwältigen, und ein wahrhaftes Wohlbefinden verleugnet er nicht, und er bleibt bei diesem Wohlbefinden unverstört. Er gedenkt bei sich: ›Indem ich mir jener Leidensursache Vorstellung gegenwärtig halte, wird durch der Vorstellung Gegenwart die Liebe verwunden; indem ich wieder betrachtend die Betrachtung über jene Leidensursache in mir vollende, wird die Liebe verwunden.‹ So hält er sich denn, wo er beim Gegenwärtighalten der Vorstellung einer Leidensursache durch der Vorstellung Gegenwart die Liebe verwindet, die Vorstellung da gegenwärtig; und wo er wieder betrachtend, die Betrachtung über eine Leidensursache vollendend die Liebe verwindet, da vollendet er die Betrachtung. Weil er dieser und jener Leidensursache Vorstellung sich gegenwärtig hält und durch der Vorstellung Gegenwart die Liebe verwindet, hat er erst also dieses Leiden überstanden; weil er betrachtend, die Betrachtung über diese und jene Leidensursache vollendend die Liebe verwindet, hat er dann also dieses Leiden überstanden.

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Mann in eine Frau verliebt, ihr innig zugethan wäre, sie heftig verlangte, heftig ersehnte. Und er sähe die Frau mit einem anderen Manne stehn und reden und scherzen und lachen. Was meint ihr wohl, Mönche: würde da etwa dem Manne, der jene Frau mit einem anderen[S. 17] Manne stehn und reden und scherzen und lachen sehn hätte, Wehe und Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung aufsteigen?«

»Freilich, o Herr!«

»Und warum das?«

»Der Mann, o Herr, ist ja in jene Frau verliebt, ihr innig zugethan, verlangt sie heftig, ersehnt sie heftig: hat er nun die Frau mit einem anderen Manne stehn und reden und scherzen und lachen sehn, {14} so steigt ihm darüber Wehe und Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung auf.«

»Aber der Mann, ihr Mönche, gedächte bei sich: ›Ich bin in jene Frau verliebt, ihr innig zugethan, verlange sie heftig, ersehne sie heftig. Und weil ich jene Frau mit einem anderen Manne stehn und reden und scherzen und lachen sehn habe, steigt mir Wehe und Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung auf. Wie, wenn ich nun was da in mir Verlangen und Liebe zu jener Frau ist verleugnete?‹ Und was da Verlangen und Liebe zu jener Frau ist, das verleugnete er. Und er sähe die Frau nach einiger Zeit mit einem anderen Manne stehn und reden und scherzen und lachen. Was meint ihr wohl, Mönche: würde da etwa dem Manne, der jene Frau mit einem anderen Manne stehn und reden und scherzen und lachen sehn hätte, Wehe und Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung aufsteigen?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Der Mann, o Herr, ist ja in jene Frau nicht mehr verliebt: hat er nun die Frau mit einem anderen Manne stehn und reden und scherzen und lachen sehn, so steigt[S. 18] ihm darüber nicht mehr Wehe und Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung auf.«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, lässt ein Mönch sein unüberwältigtes Gemüth eben nicht von Leiden überwältigen, und ein wahrhaftes Wohlbefinden verleugnet er nicht, und er bleibt bei diesem Wohlbefinden unverstört. Er gedenkt bei sich: ›Indem ich mir jener Leidensursache Vorstellung gegenwärtig halte, wird durch der Vorstellung Gegenwart die Liebe verwunden; indem ich wieder betrachtend die Betrachtung über jene Leidensursache in mir vollende, {15} wird die Liebe verwunden.‹ So hält er sich denn, wo er beim Gegenwärtighalten der Vorstellung einer Leidensursache durch der Vorstellung Gegenwart die Liebe verwindet, die Vorstellung da gegenwärtig; und wo er wieder betrachtend, die Betrachtung über eine Leidensursache vollendend die Liebe verwindet, da vollendet er die Betrachtung. Weil er dieser und jener Leidensursache Vorstellung sich gegenwärtig hält und durch der Vorstellung Gegenwart die Liebe verwindet, hat er erst also dieses Leiden überstanden; weil er betrachtend, die Betrachtung über diese und jene Leidensursache vollendend die Liebe verwindet, hat er dann also dieses Leiden überstanden. Und so ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe.

»Weiter sodann, ihr Mönche, überlegt der Mönch also: ›Bin ich da froh zufrieden, so mehren sich mir die unheilsamen Dinge und mindern sich die heilsamen; halt’ ich mir aber das Leiden gegenwärtig, so mindern sich mir die unheilsamen Dinge und mehren sich die heilsamen. Wie, wenn ich mir nun das Leiden gegenwärtig[S. 19] hielte?‹ Und er hält sich das Leiden gegenwärtig. Und indem er sich das Leiden gegenwärtig hält, mindern sich ihm die unheilsamen Dinge und mehren sich die heilsamen. Und späterhin hält er sich das Leiden nicht mehr gegenwärtig. Und warum nicht? Warum da, ihr Mönche, der Mönch sich das Leiden gegenwärtig halten mochte, diesen Zweck hat er erreicht: darum hält er sich späterhin das Leiden nicht mehr gegenwärtig.

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein Pfeilschmidt die Pfeilspitze zwischen zwei Flammen anglühen und durchglühen lässt und gerade macht zum Gebrauche; nachdem nun, ihr Mönche, der Pfeilschmidt die Pfeilspitze {16} zwischen zwei Flammen hat anglühen und durchglühen lassen und zum Gebrauche gerade gemacht, so thut er es späterhin nicht mehr: und warum nicht? Warum da, ihr Mönche, der Pfeilschmidt die Pfeilspitze zwischen zwei Flammen mochte anglühen und durchglühen lassen und gerade machen zum Gebrauche, diesen Zweck hat er erreicht: darum thut er es späterhin nicht mehr. Ebenso nun auch, ihr Mönche, überlegt der Mönch also: ›Bin ich da froh zufrieden, so mehren sich mir die unheilsamen Dinge und mindern sich die heilsamen; halt’ ich mir aber das Leiden gegenwärtig, so mindern sich mir die unheilsamen Dinge und mehren sich die heilsamen. Wie, wenn ich mir nun das Leiden gegenwärtig hielte?‹ Und er hält sich das Leiden gegenwärtig. Und indem er sich das Leiden gegenwärtig hält, mindern sich ihm die unheilsamen Dinge und mehren sich die heilsamen. Und späterhin hält er sich das Leiden nicht mehr gegenwärtig. Und warum nicht? Warum da, ihr Mönche, der Mönch sich das Leiden gegenwärtig halten[S. 20] mochte, diesen Zweck hat er erreicht: darum hält er sich späterhin das Leiden nicht mehr gegenwärtig. Und so ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe.

{21} »Weiter sodann, ihr Mönche[4]: der Mönch weilt, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Und so ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe.

»Weiter sodann, ihr Mönche: nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens gewinnt der Mönch die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Und so ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe.

»Weiter sodann, ihr Mönche: in heiterer Ruhe verweilt der Mönch gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹;[5] so gewinnt er die Weihe der dritten Schauung. Und so ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe.

»Weiter sodann, ihr Mönche: nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erreicht der Mönch die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Und so ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe.

»Solchen Gemüthes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen,[S. 21] schlackengeklärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtet er das Gemüth auf die erinnernde Erkenntniss früherer Daseinsformen. {22} So kann er sich an manche verschiedene frühere Daseinsform erinnern, als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, und so weiter, mit je den eigenthümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen. Und so ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe.

»Solchen Gemüthes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlackengeklärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtet er das Gemüth auf die Erkenntniss des Verschwindens-Erscheinens der Wesen. So kann er mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sehn, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, er kann erkennen, wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren. {23} Und so ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe.

»Solchen Gemüthes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlackengeklärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtet er das Gemüth auf die Erkenntniss der Wahnversiegung. ›Das ist das Leiden‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist die Leidensentwicklung‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist die Leidensauflösung‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist der zur Leidensauflösung führende Pfad‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist der Wahn‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist die Wahnentwicklung‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist die Wahnauflösung‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist der[S. 22] zur Wahnauflösung führende Pfad‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. Also erkennend, also sehend wird da sein Gemüth erlöst vom Wunscheswahn, erlöst vom Daseinswahn, erlöst vom Nichtwissenswahn. ›Im Erlösten ist die Erlösung‹, diese Erkenntniss geht auf. ›Versiegt ist die Geburt, {24} vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht er da. So aber ist, ihr Mönche, die Anstrengung fruchtbar, fruchtbar die Mühe.

»Solche Sprache führt, ihr Mönche, der Vollendete. Bei solcher Sprache des Vollendeten, ihr Mönche, erweisen sich zehn entsprechende Begriffe als recht.

»Wenn, ihr Mönche, die Wesen durch vorhergewirktes Werk Wohl und Wehe erfahren, dann, ihr Mönche, hat der Vollendete ehedem gute That gethan, da er jetzt so wahnlose Wohlgefühle erfährt. Wenn, ihr Mönche, die Wesen durch die Schaffung eines Schöpfers Wohl und Wehe erfahren, dann, ihr Mönche, ist der Vollendete von einem gütigen Schöpfer geschaffen, da er jetzt so wahnlose Wohlgefühle erfährt. Wenn, ihr Mönche, die Wesen durch Fügung des Zufalls Wohl und Wehe erfahren, dann, ihr Mönche, hat der Vollendete einen glücklichen Zufall getroffen, da er jetzt so wahnlose Wohlgefühle erfährt. Wenn, ihr Mönche, die Wesen ihrer Geburt nach Wohl und Wehe erfahren, dann, ihr Mönche, ist der Vollendete von günstiger Geburt, da er jetzt so wahnlose Wohlgefühle erfährt. Wenn, ihr Mönche, die Wesen durch ihre Anstrengung hier im Leben Wohl und Wehe erfahren, dann, ihr Mönche, ist die Anstrengung des Vollendeten hier im Leben gelungen, da er jetzt so wahnlose Wohlgefühle erfährt. Ob nun, ihr Mönche, die[S. 23] Wesen durch vorhergewirktes Werk Wohl und Wehe erfahren oder nicht: der Vollendete hat recht. Ob nun, ihr Mönche, die Wesen durch die Schaffung eines Schöpfers Wohl und Wehe erfahren oder nicht: {25} der Vollendete hat recht. Ob nun, ihr Mönche, die Wesen durch Fügung des Zufalls Wohl und Wehe erfahren oder nicht: der Vollendete hat recht. Ob nun, ihr Mönche, die Wesen ihrer Geburt nach Wohl und Wehe erfahren oder nicht: der Vollendete hat recht. Ob nun, ihr Mönche, die Wesen durch ihre Anstrengung hier im Leben Wohl und Wehe erfahren oder nicht: der Vollendete hat recht.

»Solche Sprache führt, ihr Mönche, der Vollendete. Bei solcher Sprache des Vollendeten, ihr Mönche, erweisen sich diese zehn entsprechenden Begriffe als recht.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[5]


102.

Elfter Theil

Zweite Rede

DIE FÜNF UND DIE DREI

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

[S. 24]

»Es giebt, ihr Mönche, einige Asketen und Priester, die der Zukunft anhängen, der Zukunft nachsinnen, {26} über die Zukunft mancherlei Glaubenslehren verkünden. ›Bewusst ist die Seele, genesen nach dem Tode‹: das verkünden die einen. ›Unbewusst ist die Seele, genesen nach dem Tode‹: das verkünden die anderen. ›Weder bewusst noch unbewusst ist die Seele, genesen nach dem Tode‹: das verkünden die einen. Des lebendigen Leibes Auflösung, Zerstörung, Vernichtung verkünden wiederum andere und das höchste Glück bei Lebzeiten. Dass die Seele zwar beharre, genesen nach dem Tode, der lebendige Leib aber der Auflösung, Zerstörung, Vernichtung erliege, verkünden wiederum andere und das höchste Glück bei Lebzeiten. So verhalten sich hier die Fünf zu den Dreien wie sich die Drei zu den Fünfen verhalten: das ist die Darstellung der Fünf und der Drei.

»Die Asketen und Priester nun, ihr Mönche, welche die Seele als bewusst darstellen, genesen nach dem Tode, diese lieben Asketen und Priester sagen von ihr aus, dass sie formhaft sei, oder formlos; dass sie formhaft und formlos sei, oder weder formhaft noch formlos; dass ihr Bewusstsein einfach sei, oder manigfach; dass ihr Bewusstsein beschränkt sei, {27} oder unermesslich, genesen nach dem Tode. Da gehn denn ihrer einige über alle Bewusstbarkeit hinaus und verkünden unermessliche Unverstörung. Aber es erkennt, ihr Mönche, der Vollendete: ›Wenn diese lieben Asketen und Priester die Seele also als bewusst darstellen, genesen nach dem Tode, und ihnen nun ein Bewusstsein dabei als geläutert, als das beste, herrlichste und höchste gilt, sei es formhaft oder formlos, sei es einfach oder manigfach: ‚Nichts ist da‘[S. 25] so verkünden dann andere das Reich des Nichtdaseins als unermessliche Unverstörung. {28} Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es giebt doch eine Auflösung der Unterscheidungen, das giebt es‹: in solcher Gewissheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus.

»Die Asketen und Priester nun, ihr Mönche, welche die Seele als unbewusst darstellen, genesen nach dem Tode, diese lieben Asketen und Priester sagen von ihr aus, dass sie formhaft sei, oder formlos; dass sie formhaft und formlos sei, oder weder formhaft noch formlos, genesen nach dem Tode. Den Asketen und Priestern nun, ihr Mönche, welche die Seele als bewusst darstellen, genesen nach dem Tode, denen widersprechen diese: und warum das? ‚Bewusst sein ist siech sein, bewusst sein ist bresthaft sein, bewusst sein ist schmerzhaft sein: das ist die Ruhe, das ist das Ziel, jenes unbewusst sein.‘ Aber es erkennt, ihr Mönche, der Vollendete: {29} ›Wenn diese lieben Asketen und Priester die Seele also als unbewusst darstellen, genesen nach dem Tode, und es wollte da nun, ihr Mönche, irgend einer von ihnen behaupten, ‚Ich werde jenseit der Form, jenseit des Gefühls, jenseit der Wahrnehmung, jenseit der Unterscheidungen, jenseit des Bewusstseins ein Kommen und Gehn, ein Verschwinden und Erscheinen, ein Wachsthum, eine Entwickelung, eine Entfaltung beweisen‘, so ist das unmöglich. Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es giebt doch eine Auflösung der Unterscheidungen, das giebt es‹: in solcher Gewissheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus.

[S. 26]

»Die Asketen und Priester nun, ihr Mönche, welche die Seele als weder bewusst noch unbewusst darstellen, genesen nach dem Tode, diese lieben Asketen und Priester sagen von ihr aus, dass sie formhaft sei, oder formlos; dass sie formhaft und formlos sei, oder weder formhaft noch formlos, genesen nach dem Tode. Den Asketen und Priestern nun, ihr Mönche, welche die Seele als bewusst darstellen, genesen nach dem Tode, denen widersprechen diese; und auch den lieben Asketen und Priestern, welche die Seele als unbewusst darstellen, genesen nach dem Tode, widersprechen sie: {30} und warum das? ‚Bewusst sein ist siech sein, bewusst sein ist bresthaft sein, bewusst sein ist schmerzhaft sein; unbewusst sein ist unsinnig sein: das ist die Ruhe, das ist das Ziel, jenes weder bewusst noch unbewusst sein.‘ Aber es erkennt, ihr Mönche, der Vollendete: ›Wenn diese lieben Asketen und Priester die Seele also als weder bewusst noch unbewusst darstellen, genesen nach dem Tode, und es sagen nun, ihr Mönche, dergleichen Asketen und Priester, dass man da irgend noch durch Unterscheidung des Sichtbaren, Hörbaren, Denkbaren, Bewusstbaren jenes Ziel erreichen könne, so muss das eben, ihr Mönche, als eine Vereitelung gelten um jenes Ziel zu erreichen: denn es erscheint nun, ihr Mönche, jenes Ziel nicht sowohl durch Eingehn in Unterscheidung erreichbar als vielmehr durch Eingehn in Ueberunterscheidung. Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es giebt doch eine Auflösung der Unterscheidungen, das giebt es‹: in solcher Gewissheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus.

[S. 27]

{31} »Da finden sich nun, ihr Mönche, Asketen und Priester, die des lebendigen Leibes Auflösung, Zerstörung, Vernichtung darstellen, und denen, ihr Mönche, widersprechen nun die Asketen und Priester, die da behaupten, die Seele sei bewusst, genesen nach dem Tode; und auch manche liebe Asketen und Priester, die da behaupten, die Seele sei unbewusst, genesen nach dem Tode, widersprechen ihnen; und auch manche liebe Asketen und Priester, die da behaupten, die Seele sei weder bewusst noch unbewusst, genesen nach dem Tode, widersprechen ihnen: und warum das? Alle diese lieben Asketen und Priester halten sich an ein Drüben, hängen eben dem Glauben an: ‚So werden wir nach dem Tode sein, so werden wir nach dem Tode sein!‘ Gleichwie etwa ein Händler auf Handel ausgeht: ‚Dort werd’ ich das erlangen, dafür werd’ ich dies bekommen!‘: ebenso erscheinen mir da diese lieben Asketen und Priester wie die Händler: ‚So werden wir nach dem Tode sein, so werden wir nach dem Tode sein!‘[6] Aber es erkennt, ihr Mönche, der Vollendete: ›Wenn jene lieben Asketen und Priester des lebendigen Leibes Auflösung, Zerstörung, Vernichtung darstellen, so laufen sie aus Angst vor dem Dasein, aus Abscheu vor dem Dasein eben um das Dasein herum, drehn sich herum. Gleichwie etwa ein Kettenhund[7], an einen festen Pfahl oder Pfosten gefesselt, um eben diesen Pfahl oder Pfosten herumläuft, sich herumdreht, ebenso nun auch laufen jene lieben Asketen und Priester aus Angst vor dem Dasein, aus Abscheu vor dem Dasein eben um das Dasein herum, drehn sich herum. {32} Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es giebt doch eine Auflösung[S. 28] der Unterscheidungen, das giebt es‹: in solcher Gewissheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus.

»Wenn da, ihr Mönche, Asketen oder Priester der Zukunft anhängen, der Zukunft nachsinnen, über die Zukunft mancherlei Glaubenslehren aufstellen, so stellen alle solche eben diese fünf Bereiche dar, oder eines derselben.

»Es giebt, ihr Mönche, manche Asketen und Priester, die der Vergangenheit anhängen, der Vergangenheit nachsinnen, über die Vergangenheit mancherlei Glaubenslehren aufstellen, als wie ›Ewig ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die einen. ›Zeitlich ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die anderen. ›Ewig und zeitlich ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die einen. ›Weder ewig noch zeitlich ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die anderen. ›Endlich ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die einen. ›Unendlich ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die anderen. ›Endlich und unendlich ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die einen. ›Weder endlich noch unendlich ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die anderen. {33} ›Einfach bewusst ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die einen. ›Manigfach bewusst ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die anderen. ›Beschränkt bewusst ist Seele[S. 29] und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die einen. ›Unermesslich bewusst ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die anderen. ›Einzig freudvoll ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die einen. ›Einzig leidvoll ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die anderen. ›Freudvoll und leidvoll ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die einen. ›Weder freudvoll noch leidvoll ist Seele und Welt; dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹: das verkünden die anderen.

»Dass nun, ihr Mönche, diese Asketen und Priester, die solches meinen, solches glauben, etwa auch ohne Zutrauen, ohne Hingabe, ohne Hörensagen, ohne prüfendes Urtheil, ohne geduldig Einsicht zu nehmen eben selber die Erkenntniss erlangten, die geläuterte, die geklärte: das ist unmöglich. Ermangeln sie aber selber, ihr Mönche, der Erkenntniss, der geläuterten, der geklärten, so kann diesen lieben Asketen und Priestern was sie auch hier an einiger Erkenntniss etwa irgend erringen mögen doch nur als Anhangen gelten. ›Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es giebt doch eine Auflösung der Unterscheidungen, das giebt es‹: {34} in solcher Gewissheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus.

{35} »Da hat, ihr Mönche, irgend ein Asket oder Priester das Erforschen der Vergangenheit aufgegeben, das Erforschen der Zukunft aufgegeben, hat gänzlich die Bande des Begehrens abgestreift und weilt in der Weihe einsamer Freude: ‚Das ist die Ruhe, das ist das Ziel, dass[S. 30] ich da in der Weihe einsamer Freude weile.‘ Und diese einsame Freude vergeht ihm, und wann ihm die einsame Freude vergeht erhebt sich Trübsinn, und wann ihm der Trübsinn vergeht erhebt sich einsame Freude. Gleichwie etwa einen, ihr Mönche, den der Schatten verlässt die Sonne ankommt, und den die Sonne verlässt der Schatten ankommt: ebenso nun auch, ihr Mönche, erhebt sich wann die einsame Freude vergeht Trübsinn, und erhebt sich wann der Trübsinn vergeht einsame Freude. Aber es erkennt, ihr Mönche, der Vollendete: ›Dieser liebe Asket oder Priester hat das Erforschen der Vergangenheit aufgegeben, hat das Erforschen der Zukunft aufgegeben, hat gänzlich die Bande des Begehrens abgestreift und weilt in der Weihe einsamer Freude: ‚Das ist die Ruhe, das ist das Ziel, dass ich da in der Weihe einsamer Freude weile.‘ Und diese einsame Freude vergeht ihm, und wann ihm die einsame Freude vergeht erhebt sich Trübsinn, und wann ihm der Trübsinn vergeht erhebt sich einsame Freude. Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es giebt doch eine Auflösung der Unterscheidungen, das giebt es‹: in solcher Gewissheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus.

»Da hat nun, ihr Mönche, irgend ein Asket oder Priester das Erforschen der Vergangenheit aufgegeben, das Erforschen der Zukunft aufgegeben, hat gänzlich die Bande des Begehrens abgestreift, hat die einsame Freude überwunden und weilt in der Weihe überweltlichen Wohles: {36} ‚Das ist die Ruhe, das ist das Ziel, dass ich da in der Weihe überweltlichen Wohles weile.‘ Und dieses überweltliche Wohl vergeht ihm, und wann ihm[S. 31] das überweltliche Wohl vergeht erhebt sich einsame Freude, und wann ihm die einsame Freude vergeht erhebt sich überweltliches Wohl. Gleichwie etwa einen, ihr Mönche, den der Schatten verlässt die Sonne ankommt, und den die Sonne verlässt der Schatten ankommt: ebenso nun auch, ihr Mönche, erhebt sich wann das überweltliche Wohl vergeht einsame Freude, und erhebt sich wann die einsame Freude vergeht überweltliches Wohl. Aber es erkennt, ihr Mönche, der Vollendete: ›Dieser liebe Asket oder Priester hat das Erforschen der Vergangenheit aufgegeben, hat das Erforschen der Zukunft aufgegeben, hat gänzlich die Bande des Begehrens abgestreift, hat die einsame Freude überwunden und weilt in der Weihe überweltlichen Wohles: ‚Das ist die Ruhe, das ist das Ziel, dass ich da in der Weihe überweltlichen Wohles weile.‘ Und dieses überweltliche Wohl vergeht ihm, und wann ihm das überweltliche Wohl vergeht erhebt sich einsame Freude, und wann ihm die einsame Freude vergeht erhebt sich überweltliches Wohl. Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es giebt doch eine Auflösung der Unterscheidungen, das giebt es‹: in solcher Gewissheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus.

»Da hat, ihr Mönche, irgend ein Asket oder Priester das Erforschen der Vergangenheit aufgegeben, das Erforschen der Zukunft aufgegeben, hat gänzlich die Bande des Begehrens abgestreift, hat die einsame Freude überwunden, hat das überweltliche Wohl überwunden und weilt in der Weihe leidlosen, freudlosen Gefühles: ‚Das ist die Ruhe, {37} das ist das Ziel, dass ich da in der Weihe[S. 32] leidlosen, freudlosen Gefühles weile.‘ Und dieses leidlose, freudlose Gefühl vergeht ihm, und wann ihm das leidlose, freudlose Gefühl vergeht erhebt sich überweltliches Wohl, und wann ihm das überweltliche Wohl vergeht erhebt sich leidloses, freudloses Gefühl. Gleichwie etwa einen, ihr Mönche, den der Schatten verlässt die Sonne ankommt, und den die Sonne verlässt der Schatten ankommt: ebenso nun auch, ihr Mönche, erhebt sich wann das leidlose, freudlose Gefühl vergeht überweltliches Wohl, und erhebt sich wann das überweltliche Wohl vergeht leidloses, freudloses Gefühl. Aber es erkennt, ihr Mönche, der Vollendete: ›Dieser liebe Asket oder Priester hat das Erforschen der Vergangenheit aufgegeben, hat das Erforschen der Zukunft aufgegeben, hat gänzlich die Bande des Begehrens abgestreift, hat die einsame Freude überwunden, hat das überweltliche Wohl überwunden und weilt in der Weihe leidlosen, freudlosen Gefühles: ‚Das ist die Ruhe, das ist das Ziel, dass ich da in der Weihe leidlosen, freudlosen Gefühles weile.‘ Und dieses leidlose, freudlose Gefühl vergeht ihm, und wann ihm das leidlose, freudlose Gefühl vergeht erhebt sich überweltliches Wohl, und wann ihm das überweltliche Wohl vergeht erhebt sich leidloses, freudloses Gefühl. Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es giebt doch eine Auflösung der Unterscheidungen, das giebt es‹: in solcher Gewissheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus.

»Da hat nun, ihr Mönche, irgend ein Asket oder Priester das Erforschen der Vergangenheit aufgegeben, das Erforschen der Zukunft aufgegeben, hat gänzlich[S. 33] die Bande des Begehrens abgestreift, hat die einsame Freude überwunden, {38} hat das überweltliche Wohl überwunden, hat das leidlose, freudlose Gefühl überwunden und ‚Verglommen bin ich, erloschen bin ich, ohne Anhangen in mir‘ merkt er bei sich. Aber es erkennt, ihr Mönche, der Vollendete: ›Dieser liebe Asket oder Priester hat das Erforschen der Vergangenheit aufgegeben, hat das Erforschen der Zukunft aufgegeben, hat gänzlich die Bande des Begehrens abgestreift, hat die einsame Freude überwunden, hat das überweltliche Wohl überwunden, hat das leidlose, freudlose Gefühl überwunden und ‚Verglommen bin ich, erloschen bin ich, ohne Anhangen in mir‘ merkt er bei sich. Freilich hat dieser Ehrwürdige von dem Pfade gesprochen, der zur Erlöschung eben hinleitet.[8] Und da ist denn dieser liebe Asket oder Priester der Erforschung der Vergangenheit doch etwa anhänglich angehangen, der Erforschung der Zukunft doch etwa anhänglich angehangen, den Banden des Begehrens doch etwa anhänglich angehangen, der einsamen Freude doch etwa anhänglich angehangen, dem überweltlichen Wohle doch etwa anhänglich angehangen, dem leidlosen, freudlosen Gefühle doch etwa anhänglich angehangen: und dass nun dieser Ehrwürdige ‚Verglommen bin ich, erloschen bin ich, ohne Anhangen in mir‘ bei sich merkt, das eben kann diesem lieben Asketen oder Priester als Anhangen gelten. Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es giebt doch eine Auflösung der Unterscheidungen, das giebt es‹: in solcher Gewissheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus.

»Da hat nun, ihr Mönche, der Vollendete den unvergleichlichen[S. 34] höchsten Friedenspfad auferschlossen, das heißt der sechs Sinnesgebiete Aufgang und Untergang, Labsal und Elend und Ueberwindung der Wahrheit gemäß verstehn und ohne Anhangen ledig sein.

{39} »So hat denn, ihr Mönche, der Vollendete den unvergleichlichen höchsten Friedenspfad auferschlossen, das heißt der sechs Sinnesgebiete Aufgang und Untergang, Labsal und Elend und Ueberwindung der Wahrheit gemäß verstehn und ohne Anhangen ledig sein.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[9]


103.

Elfter Theil

Dritte Rede

VIELLEICHT

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene zu Kusinārā, bei Gabenhain, im Waldgehölze. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Vielleicht, ihr Mönche, meint ihr von mir: ›Um der Kleidung willen legt der Asket Gotamo die Lehre dar, um der Almosenbissen willen legt der Asket Gotamo die Lehre dar, um des Obdachs willen legt der Asket Gotamo die Lehre dar, um dieser und anderer Dinge willen legt der Asket Gotamo die Lehre dar‹?«

[S. 35]

»Nicht doch, o Herr, meinen wir vom Erhabenen: ›Um der Kleidung willen legt der Asket Gotamo die Lehre dar, um der Almosenbissen willen legt der Asket Gotamo die Lehre dar, um des Obdachs willen legt der Asket Gotamo die Lehre dar, um dieser und anderer Dinge willen legt der Asket Gotamo die Lehre dar.‹«

{40} »Wenn ihr denn, Mönche, von mir das nicht meint, was also meint ihr wohl, Mönche, von mir?«

»Das meinen wir, o Herr, vom Erhabenen: mitleidig ist der Erhabene, wohlwollend, von Mitleid bewogen legt er die Lehre dar.«

»Meint ihr nun, Mönche, das von mir, dann habt ihr da, Mönche, was ich euch unterweisend oftmals[10] gezeigt habe, und zwar die vier Pfeiler der Einsicht, die vier gewaltigen Kämpfe, die vier Machtgebiete, die fünf Fähigkeiten, die fünf Vermögen, die sieben Erweckungen, den heiligen achtfältigen Weg eben alle in Eintracht, verträglich, ohne Hader hier eifrig zu üben.

»Und während ihr euch, Mönche, in Eintracht, verträglich, ohne Hader eifrig übt, seien zwei Mönche über die Lehre verschiedener Meinung. Wenn ihr da nun merken solltet, ›Diese Ehrwürdigen denken anders über den Sinn und anders über das Wort‹, so hättet ihr einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und ihm zu sagen: ›Die Ehrwürdigen denken anders über den Sinn und anders über das Wort; das mögt ihr Ehrwürdigen eben daran erkennen, wie es dem Sinne nach anders ist und dem Worte nach, auf dass ihr Ehrwürdigen nicht in Hader gerathet.‹ Und auch bei den anderen, gegenüberstehenden Mönchen hättet ihr einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und[S. 36] ihm zu sagen: ›Die Ehrwürdigen denken anders über den Sinn und anders über das Wort; das mögt ihr Ehrwürdigen eben daran erkennen, wie es dem Sinne nach anders ist und dem Worte nach, auf dass ihr Ehrwürdigen nicht in Hader gerathet.‹ So hat man falsch Verstandenes als falsch verstanden festzustellen, und {41} hat man falsch Verstandenes als falsch verstanden festgestellt, was Lehre ist und was Zucht ist vorzutragen.

»Wenn ihr da nun merken solltet, ›Diese Ehrwürdigen denken wohl dem Sinne nach anders, dem Worte nach sind sie einig‹, so hättet ihr einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und ihm zu sagen: ›Die Ehrwürdigen denken wohl dem Sinne nach anders, dem Worte nach sind sie einig; das mögt ihr Ehrwürdigen eben daran erkennen, wie es wohl dem Sinne nach anders, dem Worte nach das selbe ist, auf dass ihr Ehrwürdigen nicht in Hader gerathet.‹ Und auch bei den anderen, gegenüberstehenden Mönchen hättet ihr einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und ihm zu sagen: ›Die Ehrwürdigen denken wohl dem Sinne nach anders, dem Worte nach sind sie einig; das mögt ihr Ehrwürdigen eben daran erkennen, wie es wohl dem Sinne nach anders, dem Worte nach das selbe ist, auf dass ihr Ehrwürdigen nicht in Hader gerathet.‹ So hat man falsch Verstandenes als falsch verstanden festzustellen, recht Verstandenes als recht verstanden festzustellen, und hat man falsch Verstandenes als falsch verstanden festgestellt, recht Verstandenes als recht verstanden festgestellt, was Lehre ist und was Zucht ist vorzutragen.

[S. 37]

»Wenn ihr da nun merken solltet, ›Diese Ehrwürdigen sind wohl dem Sinne nach einig, dem Worte nach auseinander‹, so hättet ihr einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und ihm zu sagen: ›Die Ehrwürdigen sind wohl dem Sinne nach einig, dem Worte nach auseinander; das mögt ihr Ehrwürdigen eben daran erkennen, wie es wohl dem Sinne nach das selbe, dem Worte nach anders ist: aber daran ist wenig gelegen, an dem Worte, {42} auf dass ihr Ehrwürdigen nicht um Kleinlichkeiten in Hader gerathet.‹ Und auch bei den anderen, gegenüberstehenden Mönchen hättet ihr einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und ihm zu sagen: ›Die Ehrwürdigen sind wohl dem Sinne nach einig, dem Worte nach auseinander; das mögt ihr Ehrwürdigen eben daran erkennen, wie es wohl dem Sinne nach das selbe, dem Worte nach anders ist: aber daran ist wenig gelegen, an dem Worte, auf dass ihr Ehrwürdigen nicht um Kleinlichkeiten in Hader gerathet.‹ So hat man recht Verstandenes als recht verstanden festzustellen, falsch Verstandenes als falsch verstanden festzustellen, und hat man recht Verstandenes als recht verstanden festgestellt, falsch Verstandenes als falsch verstanden festgestellt, was Lehre ist und was Zucht ist vorzutragen.

»Wenn ihr da nun merken solltet, ›Diese Ehrwürdigen sind dem Sinne nach einig und dem Worte nach einig‹, so hättet ihr einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und ihm zu sagen: ›Die Ehrwürdigen sind dem Sinne nach einig und dem Worte nach einig; das mögt ihr Ehrwürdigen eben daran erkennen, wie es dem Sinne nach das selbe ist und dem[S. 38] Worte nach, auf dass ihr Ehrwürdigen nicht in Hader gerathet.‹ Und auch bei den anderen, gegenüberstehenden Mönchen hättet ihr einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und ihm zu sagen: ›Die Ehrwürdigen sind dem Sinne nach einig und dem Worte nach einig; das mögt ihr Ehrwürdigen eben daran erkennen, wie es dem Sinne nach das selbe ist und dem Worte nach, auf dass ihr Ehrwürdigen nicht in Hader gerathet.‹ So hat man recht Verstandenes als recht verstanden festzustellen, {43} und hat man recht Verstandenes als recht verstanden festgestellt, was Lehre ist und was Zucht ist vorzutragen.

»Und während ihr euch, Mönche, in Eintracht, verträglich, ohne Hader eifrig übt, habe da ein Mönch gefehlt, habe sich vergangen. Da soll man, ihr Mönche, mit der Ermahnung nicht zaudern, soll auf den Mann sein Augenmerk richten: ›Das wird mir keine Plage bereiten und dem Nächsten keinen Anstoß: denn dieser Mann ist nicht zornig, nicht feindsälig, nicht schwach von Begriffen, lässt sich leicht zurechtweisen, und ich kann ihn vom Unrechten abbringen und im Rechten bestärken‹: verhält es sich also, ihr Mönche, dann ist Ansprache schicklich.

»Verhält es sich ferner, ihr Mönche, also: ›Das wird zwar mir keine Plage, aber dem Nächsten Anstoß bereiten: denn dieser Mann ist zornig, feindsälig, schwach von Begriffen, doch lässt er sich leicht zurechtweisen, und ich kann ihn vom Unrechten abbringen und im Rechten bestärken; und so ist wenig daran gelegen, am Anstoß des Nächsten, sondern vielmehr eben daran, dass ich ihn vom Unrechten abbringen und im Rechten bestärken[S. 39] kann‹: verhält es sich also, ihr Mönche, dann ist Ansprache schicklich.

»Verhält es sich ferner, ihr Mönche, also: ›Das wird mir zwar Plage bereiten, aber keinen Anstoß dem Nächsten: denn dieser Mann ist nicht zornig, nicht feindsälig, nicht schwach von Begriffen, doch lässt er sich schwer zurechtweisen, aber ich kann ihn vom Unrechten abbringen und im Rechten bestärken; und so ist wenig daran gelegen, an meiner Plage, sondern vielmehr eben daran, dass ich ihn vom Unrechten abbringen und im Rechten bestärken kann‹: {44} verhält es sich also, ihr Mönche, dann ist Ansprache schicklich.

»Verhält es sich ferner, ihr Mönche, also: ›Das wird mir Plage bereiten und Anstoß dem Nächsten: denn dieser Mann ist zornig, feindsälig, schwach von Begriffen, lässt sich schwer zurechtweisen, doch kann ich ihn vom Unrechten abbringen und im Rechten bestärken; und so ist wenig daran gelegen, an meiner Plage und am Anstoß des Nächsten, sondern vielmehr eben daran, dass ich ihn vom Unrechten abbringen und im Rechten bestärken kann‹: verhält es sich also, ihr Mönche, dann ist Ansprache schicklich.

»Verhält es sich ferner, ihr Mönche, also: ›Das wird mir Plage bereiten und Anstoß dem Nächsten: denn dieser Mann ist zornig, feindsälig, schwach von Begriffen, lässt sich schwer zurechtweisen, und ich kann ihn vom Unrechten nicht abbringen und im Rechten bestärken‹: bei einem solchen Manne, ihr Mönche, darf man den Gleichmuth nicht außeracht lassen.

»Und während ihr euch, Mönche, in Eintracht, verträglich, ohne Hader eifrig übt, habe sich unter euch[S. 40] unterschiedliche Rede erhoben, eigensinniges Behaupten[11], geistiges Erstarren, Misstrauen, Verdrossenheit. Da hättet ihr bei den einen gegenüberstehenden Mönchen einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und ihm zu sagen: ›Während wir, Bruder, in Eintracht, verträglich, ohne Hader eifrig uns übten, hat sich unter uns unterschiedliche Rede erhoben, eigensinniges Behaupten, geistiges Erstarren, Misstrauen, Verdrossenheit: das prüfe der Asket, um es abzuweisen.‹ Rechten Bescheid, ihr Mönche, würde der Mönch also geben: {45} ›Wenn wir, Brüder, in Eintracht, verträglich, ohne Hader eifrig uns übten, und es hat sich unter uns unterschiedliche Rede erhoben, eigensinniges Behaupten, geistiges Erstarren, Misstrauen, Verdrossenheit, so prüfe das der Asket, um es abzuweisen.‹ — ›Doch kann man, Bruder, ohne davon zu lassen, die Erlöschung verwirklichen?‹ Rechten Bescheid, ihr Mönche, würde der Mönch also geben: ›Man kann, Brüder, ohne davon zu lassen, nicht die Erlöschung verwirklichen.‹ Und auch bei den anderen gegenüberstehenden Mönchen hättet ihr einen Mönch, der euch zutraulicher bedäuchte, aufzusuchen und ihm zu sagen: ›Während wir, Bruder, in Eintracht, verträglich, ohne Hader eifrig uns übten, hat sich unter uns unterschiedliche Rede erhoben, eigensinniges Behaupten, geistiges Erstarren, Misstrauen, Verdrossenheit: das prüfe der Asket, um es abzuweisen.‹ Rechten Bescheid, ihr Mönche, würde der Mönch also geben: ›Wenn wir, Brüder, in Eintracht, verträglich, ohne Hader eifrig uns übten, und es hat sich unter uns unterschiedliche Rede erhoben, eigensinniges Behaupten, geistiges Erstarren, Misstrauen, Verdrossenheit, so prüfe[S. 41] das der Asket, um es abzuweisen.‹ — ›Doch kann man, Bruder, ohne davon zu lassen, die Erlöschung verwirklichen?‹ Rechten Bescheid, ihr Mönche, würde der Mönch also geben: ›Man kann, Brüder, ohne davon zu lassen, nicht die Erlöschung verwirklichen.‹

»Wenn nun, ihr Mönche, die anderen diesen Mönch fragten: ›Hat wohl der Ehrwürdige jene Mönche vom Unrechten abgebracht und im Rechten bestärkt?‹, so würde, ihr Mönche, der Mönch rechten Bescheid also geben: {46} ›Ich war da, Brüder, zum Erhabenen gegangen, und der Erhabene hat mir die Lehre dargelegt; und da ich nun die Lehre vernommen, hab’ ich sie jenen Mönchen vorgetragen: auf diese Lehre haben die Mönche gehorcht und sind vom Unrechten abgekommen, im Rechten erstarkt.‹ Also bescheidend, ihr Mönche, hebt ein Mönch weder sich selber hervor, noch setzt er den Nächsten herab, und er redet der Lehre gemäß, so dass sich kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen kann.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[12]


104.

Elfter Theil

Vierte Rede

VOR SĀMAGĀMO

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Lande der Sakker, bei Sāmagāmo.[13]

[S. 42]

Um diese Zeit nun war der Freie Bruder Nāthaputto zu Pāvā eben erst gestorben. Nach dessen Tode zerfielen die Freien Brüder, entzweiten sich, Zank und Streit brach aus unter ihnen, sie haderten mit einander und scharfe Wortgefechte fanden statt: ›Nicht du kennst diese Lehre und Ordnung: ich kenne diese Lehre und Ordnung! Was wirst du diese Lehre und Ordnung verstehn? Auf falscher Fährte bist du: ich bin auf rechter Fährte. Mir ist’s gelungen: dir misslungen. Was vorher zu sagen ist hast du nachher gesagt: was nachher zu sagen ist hast du vorher gesagt. Deine Behauptung ist umgestürzt, dein Wort dir entwunden worden: gebändigt bist du, gieb deine Rede verloren, oder widersteh’ wenn du kannst!‹: so trat einer dem anderen entgegen. {47} Wie ein Mörder schien sich fast jeder von den Freien Brüdern, den Nachfolgern Nāthaputtos, zu gebärden. Die aber da dem Freien Bruder Nāthaputto als Anhänger zugethan waren, im Hause lebend, weiß gekleidet, die schienen vor den Freien Brüdern, den Nachfolgern Nāthaputtos, Unbehagen, Missfallen, Widerwillen zu empfinden, wie das eintritt bei einer schlechtverkündeten Heilsordnung, bei einer schlechtdargelegten, abstoßenden, Unruhe schaffenden, die kein vollkommen Erwachter kundgethan hat, deren Kuppel geborsten ist, die keine Zuflucht gewährt.[14]

Da nun begab sich Cundo, ein Asketenlehrling, der die Regenzeit in Pāvā zugebracht hatte, nach Sāmagāmo, dorthin wo der ehrwürdige Ānando weilte. Dort angelangt begrüßte er den ehrwürdigen Ānando höflich und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend sprach nun Cundo der Asketenlehrling zum ehrwürdigen Ānando also:

[S. 43]

»Der Freie Bruder, o Herr, Nāthaputto ist zu Pāvā vor kurzem gestorben. Nach dessen Tode sind die Freien Brüder zerfallen, haben sich entzweit, Zank und Streit ist unter ihnen ausgebrochen, sie hadern mit einander und scharfe Wortgefechte finden statt. Wie ein Mörder scheint sich fast jeder von den Freien Brüdern, den Nachfolgern Nāthaputtos, zu gebärden. Die aber da dem Freien Bruder Nāthaputto als Anhänger zugethan sind, im Hause lebend, weiß gekleidet, die scheinen vor den Freien Brüdern, den Nachfolgern Nāthaputtos, Unbehagen, Missfallen, Widerwillen zu empfinden, wie das eintritt bei einer schlechtverkündeten Heilsordnung, bei einer schlechtdargelegten, abstoßenden, Unruhe schaffenden, die kein vollkommen Erwachter kundgethan hat, deren Kuppel geborsten ist, die keine Zuflucht gewährt.«

Auf diese Worte wandte sich der ehrwürdige Ānando also an Cundo den Asketenlehrling:

»Es ist, Bruder Cundo, dieser Mittheilung halber gerathen, den Erhabenen aufzusuchen. Wir wollen, Bruder Cundo, zum Erhabenen hingehn und davon berichten.«

»Gern, o Herr!« sagte da Cundo der Asketenlehrling, dem ehrwürdigen Ānando zustimmend.

Und der ehrwürdige Ānando begab sich nun mit Cundo dem Asketenlehrling zum Erhabenen hin. Dort angelangt begrüßten sie den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend sprach nun der ehrwürdige Ānando also zum Erhabenen:

»Dieser Cundo, der Asketenlehrling, o Herr, hat erzählt: {48} ›Der Freie Bruder, o Herr, Nāthaputto ist zu Pāvā vor kurzem gestorben. Nach dessen Tode sind die Freien Brüder zerfallen, haben sich entzweit, Zank und Streit[S. 44] ist unter ihnen ausgebrochen, sie hadern mit einander und scharfe Wortgefechte finden statt. Wie ein Mörder scheint sich fast jeder von den Freien Brüdern, den Nachfolgern Nāthaputtos, zu gebärden. Die aber da dem Freien Bruder Nāthaputto als Anhänger zugethan sind, im Hause lebend, weiß gekleidet, die scheinen vor den Freien Brüdern, den Nachfolgern Nāthaputtos, Unbehagen, Missfallen, Widerwillen zu empfinden, wie das eintritt bei einer schlechtverkündeten Heilsordnung, bei einer schlechtdargelegten, abstoßenden, Unruhe schaffenden, die kein vollkommen Erwachter kundgethan hat, deren Kuppel geborsten ist, die keine Zuflucht gewährt.‹ Da ist mir, o Herr, der Gedanke gekommen: ›O dass nicht etwa nach des Erhabenen Hingang unter den Jüngern Hader entstehe: dieser Hader gereichte gar vielen zum Unheil und Unglücke, gar vielen zum Verderben, zum Unheil und Leiden für Götter und Menschen‹.«

»Was bedünkt dich, Ānando: was ich euch unterweisend oftmals gezeigt habe, und zwar die vier Pfeiler der Einsicht, die vier gewaltigen Kämpfe, die vier Machtgebiete, die fünf Fähigkeiten, die fünf Vermögen, die sieben Erweckungen, den heiligen achtfältigen Weg, kennst du da wohl, Ānando, auch nur zwei Mönche, die verschiedener Meinung sind?«

»Was da, o Herr, der Erhabene unterweisend oftmals gezeigt hat, und zwar die vier Pfeiler der Einsicht, die vier gewaltigen Kämpfe, die vier Machtgebiete, die fünf Fähigkeiten, die fünf Vermögen, die sieben Erweckungen, den heiligen achtfältigen Weg, da kenne ich auch nicht zwei Mönche, die verschiedener Meinung[S. 45] sind. Es giebt aber etliche, o Herr, die sich so stellen, als ob sie dem Erhabenen ergeben wären[15], und die nach des Erhabenen Hingang unter den Jüngern Hader anstiften möchten, sei es um der Lebensnothdurft, sei es um der Ordensregel willen: dieser Hader gereichte gar vielen zum Unheil und Unglücke, gar vielen zum Verderben, zum Unheil und Leiden für Götter und Menschen.«

{49} »Wenig läge daran, Ānando, am Hader um die Lebensnothdurft oder um die Ordensregel: doch um den Weg, Ānando, oder den Pfad, wenn darum unter den Jüngern Hader entstehn sollte, so gereichte solcher Hader gar vielen zum Unheil und Unglücke, gar vielen zum Verderben, zum Unheil und Leiden für Götter und Menschen.

»Sechs giebt es, Ānando, der Wurzeln des Haders: und welche sechs? Da ist, Ānando, ein Mönch zornig und feindsälig. Ein Mönch, Ānando, der zornig und feindsälig ist, der hat vor dem Meister keine Achtung, keine Ergebung, hat vor der Lehre keine Achtung, keine Ergebung, hat vor den Jüngern keine Achtung, keine Ergebung, und der Regel kommt er nicht vollkommen nach. Ein Mönch, Ānando, der vor dem Meister, vor der Lehre, vor den Jüngern keine Achtung hat, keine Ergebung, und der Regel nicht vollkommen nachkommt, der stiftet unter den Jüngern Hader an. Gereicht dieser Hader gar vielen zum Unheil und Unglücke, gar vielen zum Verderben, zum Unheil und Leiden für Götter und Menschen, und ihr nehmt nun, Ānando, eines solchen Haders Wurzel in euch oder außer euch wahr, so mögt[S. 46] ihr, Ānando, darauf hinarbeiten, die Wurzel eben dieses üblen Haders auszujäten. Nehmt ihr nun, Ānando, eines solchen Haders Wurzel in euch oder außer euch nicht wahr, so mögt ihr, Ānando, darauf bedacht sein, die Wurzel eben dieses üblen Haders künftighin nicht erwachsen zu lassen. Also jätet man die Wurzel dieses üblen Haders aus, {50} also lässt man die Wurzel dieses üblen Haders künftighin nicht erwachsen.

»Weiter sodann, Ānando: ein Mönch ist häuchlerisch und neidisch, er ist eifernd und selbstsüchtig, er ist listig und gleißnerisch, er ist boshaft und falsch, er hat nur für das vor Augen Liegende Sinn, greift mit beiden Händen zu, lässt sich schwer abweisen. Ein solcher Mönch, Ānando, der hat vor dem Meister keine Achtung, keine Ergebung, hat vor der Lehre keine Achtung, keine Ergebung, hat vor den Jüngern keine Achtung, keine Ergebung, und der Regel kommt er nicht vollkommen nach. Ein Mönch, Ānando, der vor dem Meister, vor der Lehre, vor den Jüngern keine Achtung hat, keine Ergebung, und der Regel nicht vollkommen nachkommt, der stiftet unter den Jüngern Hader an. Gereicht dieser Hader gar vielen zum Unheil und Unglücke, gar vielen zum Verderben, zum Unheil und Leiden für Götter und Menschen, und ihr nehmt nun, Ānando, eines solchen Haders Wurzel in euch oder außer euch wahr, so mögt ihr, Ānando, darauf hinarbeiten, die Wurzel eben dieses üblen Haders auszujäten. Nehmt ihr nun, Ānando, eines solchen Haders Wurzel in euch oder außer euch nicht wahr, so mögt ihr, Ānando, darauf bedacht sein, die Wurzel eben dieses üblen Haders künftighin nicht erwachsen zu lassen. Also jätet man die Wurzel dieses[S. 47] üblen Haders aus, also lässt man die Wurzel dieses üblen Haders künftighin nicht erwachsen. Das sind, Ānando, die sechs Wurzeln des Haders.

{51} »Vier Arten giebt es, Ānando, der Streitigkeiten: und welche vier? Wegen Haders, wegen Tadels, wegen Schuld, wegen Sühne. Das sind, Ānando, vier Arten von Streitigkeiten. Und sieben der Mittel giebt es, Ānando, um Streitigkeiten aufzulösen, um da manche aufgestiegenen Streitigkeiten aufzulösen, zu schlichten: Abweisung durch Gegenüberstellen, die Mehrheit, Abweisung durch Erinnern, Abweisung durch Entblöden, Annahme des Geständnisses, die schlimmere Weise, Gras darüber streuen.

»Wie aber wird, Ānando, durch Gegenüberstellen abgewiesen? Da hadern, Ānando, die Mönche: ›So ist die Lehre‹, ›So ist die Lehre nicht‹, ›So ist die Zucht‹, ›So ist die Zucht nicht‹. Da haben denn, Ānando, eben alle diese Mönche in Eintracht zusammenzukommen und, zusammengekommen, die Richtschnur der Lehre gemeinsam zu ziehn: und haben sie die Richtschnur der Lehre gemeinsam gezogen, wie sie da übereinstimmt, danach diese Streitigkeit zu schlichten. Also wird, Ānando, durch Gegenüberstellen abgewiesen, und also werden da gar manche Streitigkeiten geschlichtet, eben durch Gegenüberstellen.

»Wie aber kommt, Ānando, die Mehrheit zustande? Wenn nun, Ānando, diese Mönche die Streitigkeit an ihrem Orte nicht zu schlichten vermögen, so haben, Ānando, diese Mönche einen Ort aufzusuchen wo mehr der Mönche verweilen, und dort eben alle in Eintracht[S. 48] zusammenzukommen und, zusammengekommen, die Richtschnur der Lehre gemeinsam zu ziehn: und haben sie die Richtschnur der Lehre gemeinsam gezogen, wie sie da übereinstimmt, danach diese Streitigkeit zu schlichten. Also kommt, Ānando, die Mehrheit zustande, und also werden da gar manche Streitigkeiten geschlichtet, eben durch die Mehrheit.

{52} »Wie aber wird, Ānando, durch Erinnern abgewiesen? Da ermahnen, Ānando, die Mönche einen Mönch einer so gewichtigen Schuld wegen, dass Ausschließung folgen oder drohen muss: ›Erinnert sich der Ehrwürdige, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen muss?‹ Er aber sagt: ›Nein, Brüder, ich erinnere mich nicht, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen muss.‹ Einen solchen Mönch, Ānando, hat man also durch Erinnern abzuweisen. Also wird, Ānando, durch Erinnern abgewiesen, und also werden da gar manche Streitigkeiten geschlichtet, eben durch Erinnern.

»Wie aber wird, Ānando, durch Entblöden abgewiesen? Da ermahnen, Ānando, die Mönche einen Mönch einer so gewichtigen Schuld wegen, dass Ausschließung folgen oder drohen muss: ›Erinnert sich der Ehrwürdige, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen muss?‹ Er aber sagt: ›Nein, Brüder, ich erinnere mich nicht, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen muss.‹ Und da er es nicht zugiebt, wird er überführt: ›Sieh’ doch, Ehrwürdiger, besinne dich nur genau, ob du dich nicht erinnerst, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen[S. 49] oder drohen muss?‹ Und er sagt: ›Ich war, Brüder, in Irrsinn gerathen, hatte den Verstand verloren, als Irrsinniger hab’ ich viel begangen, was Asketen nicht ziemt, habe wirr gesprochen: ich erinnere mich dessen nicht, blöde hab’ ich es gethan.‹ Einen solchen Mönch, Ānando, hat man also durch Entblöden abzuweisen. Also wird, Ānando, durch Entblöden abgewiesen, und also werden da gar manche Streitigkeiten geschlichtet, {53} eben durch Entblöden.

»Wie aber wird, Ānando, das Geständniss angenommen? Da erinnert sich, Ānando, ein Mönch, ermahnt oder nicht ermahnt, einer Schuld, er deckt sie auf, legt sie dar. Ein solcher Mönch, Ānando, hat einen älteren Mönch aufzusuchen, den Mantel um die eine Schulter zu schlagen, sich zu verneigen, auf der Erde niederzusitzen, die Hände zu falten und also zu reden: ›Ich habe, o Herr, eine derartige Schuld begangen: das geb’ ich zu erkennen.‹ Und jener sagt: ›Siehst du es ein?‹ — ›Ich seh’ es ein.‹ — ›Willst du künftighin dich hüten?‹ — ›Ich werde mich hüten.‹ Also wird, Ānando, das Geständniss angenommen, und also werden da gar manche Streitigkeiten geschlichtet, eben durch Annahme des Geständnisses.

»Was aber ist, Ānando, die schlimmere Weise? Da ermahnen, Ānando, die Mönche einen Mönch einer so gewichtigen Schuld wegen, dass Ausschließung folgen oder drohen muss: ›Erinnert sich der Ehrwürdige, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen muss?‹ Er aber sagt: ›Nein, Brüder, ich erinnere mich nicht, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen[S. 50] muss.‹ Und da er es nicht zugiebt, wird er überführt: ›Sieh’ doch, Ehrwürdiger, besinne dich nur genau, ob du dich nicht erinnerst, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen muss?‹ Er aber sagt: ›Nein, Brüder, ich erinnere mich nicht, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen muss: doch erinnere ich mich, {54} Brüder, eine ganz belanglose Schuld begangen zu haben.‹ Und da er es nicht zugiebt, wird er überführt: ›Sieh’ doch, Ehrwürdiger, besinne dich nur genau, ob du dich nicht erinnerst, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen muss?‹ Er aber sagt: ›Ich mochte ja doch, Brüder, diese belanglose Schuld, die ich begangen, ohne gefragt zu sein bekennen: wie werd’ ich da eine so gewichtige Schuld, deren Begehn von Ausschließung gefolgt oder bedroht sein muss, wo man mich fragt, nicht bekennen?‹ Und jener sagt: ›Du würdest wohl, Bruder, die Begehung dieser belanglosen Schuld ohne gefragt zu sein nicht bekannt haben: wie hättest du erst die Begehung einer so gewichtigen Schuld, dass Ausschließung folgen oder drohen muss, ohne gefragt zu sein bekennen mögen? Sieh’ doch, Ehrwürdiger, besinne dich nur genau, ob du dich nicht erinnerst, eine solche Schuld begangen zu haben?‹ Und er sagt: ›Ich erinnere mich, Brüder, eine so gewichtige Schuld begangen zu haben, dass Ausschließung folgen oder drohen muss: zum Spaaße hab’ ich gesagt, zum Spotte hab’ ich gesagt ‚Ich erinnere mich nicht daran‘.‹ Das ist, Ānando, die schlimmere Weise, und also werden da gar manche Streitigkeiten geschlichtet, eben auf die schlimmere Weise.

[S. 51]

»Wie aber wird, Ānando, Gras darüber gestreut? Da ist, Ānando, unter den Mönchen Zank und Streit ausgebrochen, sie sind in Hader gerathen und haben viel begangen, was Asketen nicht ziemt, haben wirr gesprochen. Da haben denn, Ānando, eben alle die Mönche in Eintracht zusammenzukommen; und sind sie zusammengekommen, so soll auf der einen Seite der Mönche ein erfahrenerer Mönch aufstehn, den Mantel um die eine Schulter schlagen, {55} die Hände emporheben und die Jünger einladen: ›Hören möge mich die werthe Jüngerschaft: es ist da unter uns Zank und Streit ausgebrochen, wir sind in Hader gerathen und haben viel begangen, was Asketen nicht ziemt, haben wirr gesprochen. Wenn es der Jüngerschaft angemessen erscheint, so will ich eben dieser Ehrwürdigen Schuld wie auch meine eigene Schuld, eben diesen Ehrwürdigen zum Heile wie auch mir zum Heile, inmitten der Jünger bekanntgeben, um Gras darüber zu streuen; doch ist es kein grobes Vergehn, ist kein häuslicher Vorgang.‹[16] Und auch auf der anderen Seite der Mönche soll ein erfahrenerer Mönch aufstehn, den Mantel um die eine Schulter schlagen, die Hände emporheben und die Jünger einladen: ›Hören möge mich die werthe Jüngerschaft: es ist da unter uns Zank und Streit ausgebrochen, wir sind in Hader gerathen und haben viel begangen, was Asketen nicht ziemt, haben wirr gesprochen. Wenn es der Jüngerschaft angemessen erscheint, so will ich eben dieser Ehrwürdigen Schuld wie auch meine eigene Schuld, eben diesen Ehrwürdigen zum Heile wie auch mir zum Heile, inmitten der Jünger bekanntgeben, um Gras darüber zu streuen; doch ist es kein grobes Vergehn, ist kein häuslicher Vorgang.‹[S. 52] Also wird, Ānando, Gras darüber gestreut, und also werden da gar manche Streitigkeiten geschlichtet, eben durch Gras darüber streuen.

»Sechs Dinge giebt es, Ānando, nicht zu vergessende, hoch und hehr gehaltene, die zum allgemeinen Verträgniss, zum Frieden, zur Eintracht führen: und welche sind das? Da dient, Ānando, ein Mönch seinen Ordensbrüdern mit liebevoller That, so offen als verborgen. Das ist eines der nicht zu vergessenden, {56} hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträgniss, zum Frieden, zur Eintracht führt. Weiter sodann, Ānando: der Mönch dient seinen Ordensbrüdern mit liebevollem Worte, so offen als verborgen. Auch das ist eines der nicht zu vergessenden, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträgniss, zum Frieden, zur Eintracht führt. Weiter sodann, Ānando: der Mönch dient seinen Ordensbrüdern mit liebevollem Herzen, so offen als verborgen. Auch das ist eines der nicht zu vergessenden, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträgniss, zum Frieden, zur Eintracht führt. Weiter sodann, Ānando: wenn der Mönch Gaben empfängt, Ordenspenden, so theilt er sie nicht nach Belieben, sondern bis auf die Brocken in meiner Almosenschaale nach dem Maaße der bewährten Brüder des Ordens. Auch das ist eines der nicht zu vergessenden, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträgniss, zum Frieden, zur Eintracht führt. Weiter sodann, Ānando: der Mönch bewahrt die Ordenspflichten, ungebrochen, unverletzt, ungemustert, ungesprenkelt, aus freiem Entschlusse, als von Verständigen gepriesen, nicht angetastet, zur Vertiefung tauglich, er übt[S. 53] diese Pflichten gleich seinen Ordensbrüdern, so offen als verborgen. Auch das ist eines der nicht zu vergessenden, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträgniss, zum Frieden, zur Eintracht führt. Weiter sodann, Ānando: der Mönch hat jene Ansicht, die heilige, ausreichende, die dem Grübler zur gänzlichen Leidensversiegung ausreicht, jene Ansicht hat er mit seinen Ordensbrüdern gemeinsam bewahrt, so offen als verborgen. Auch das ist eines der nicht zu vergessenden, hoch und hehr gehaltenen Dinge, das zum allgemeinen Verträgniss, zum Frieden, zur Eintracht führt. Das aber sind, Ānando, {57} die sechs Dinge, nicht zu vergessende, hoch und hehr gehaltene, die zum allgemeinen Verträgniss, zum Frieden, zur Eintracht führen.

»Und wenn ihr, Ānando, diese sechs nicht zu vergessenden Dinge treulich bewahren wollt, wisst ihr dann, Ānando, von einer Redeweise, ob fein oder gemein, die ihr nicht zu ertragen vermöchtet?«.

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Darum also, Ānando, mögt ihr diese sechs nicht zu vergessenden Dinge treulich bewahren: das wird euch lange zum Wohle, zum Heile gereichen.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.[17]


[S. 54]

105.

Elfter Theil

Fünfte Rede

SUNAKKHATTO

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Vesālī, im Großen Walde, in der Halle der Einsiedelei.

Um diese Zeit nun war von gar manchem Mönche vor dem Erhabenen die Gewissheit verkündet worden: ‚›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteh’ ich da.‘

Es hörte aber Sunakkhatto, der junge Licchavier, reden: »Gar mancher Mönch soll vor dem Erhabenen die Gewissheit kundgethan haben: ‚›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteh’ ich da.‘«

Da begab sich denn Sunakkhatto der junge Licchavier dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. {58} Seitwärts sitzend sprach nun Sunakkhatto der junge Licchavier zum Erhabenen also:

»Reden hab’ ich hören, o Herr: »Gar mancher Mönch, sagt man, hat vor dem Erhabenen die Gewissheit kundgethan: ‚›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteh’ ich da.‘« Die Mönche, o Herr, die da solches vor dem Erhabenen ausgesagt, haben wohl diese, o Herr, nur eben die Gewissheit kundgemacht, oder giebt es auch einige Mönche, die es mit Dünkel gethan?«

[S. 55]

»Die Mönche, Sunakkhatto, die vor mir die Gewissheit verkündet haben: ‚›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteh’ ich da‘: unter diesen sind manche Mönche, die eben nur die Gewissheit kundgemacht, und sind wieder manche Mönche, die es auch mit Dünkel gethan. Wenn da, Sunakkhatto, Mönche eben nur die Gewissheit kundgemacht haben, so gilt ihnen das eben dafür; und wiederum wenn da Mönche es mit Dünkel gethan, so gedenkt, Sunakkhatto, der Vollendete: ›Wahrheit will ich sie weisen.‹ Und wenn da nun, Sunakkhatto, der Vollendete also gedenkt ›Wahrheit will ich sie weisen‹, so kommen da wieder gar manche eitle Menschen heran und richten sich Fragen zurecht und legen sie dem Vollendeten vor. Und weil nun, Sunakkhatto, der Vollendete also gedenkt ›Wahrheit will ich sie weisen‹, so ist das gar manchem ungelegen.«

»Da ist es, Erhabener, Zeit, da ist es, Willkommener, Zeit, dass der Erhabene die Wahrheit weise: {59} des Erhabenen Wort werden die Mönche bewahren.«

»Wohlan denn, Sunakkhatto, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« erwiderte da aufmerksam Sunakkhatto der junge Licchavier dem Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Fünf Begehrungen, Sunakkhatto, giebt es: welche fünf? Die durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Töne, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem[S. 56] Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden. Das sind, Sunakkhatto, die fünf Begehrungen.

»Wohl findet sich, Sunakkhatto, der Fall, dass da irgend ein Mensch vom Köder der Welt angezogen sei. Einem Menschen, Sunakkhatto, der vom Köder der Welt angezogen ist, kommt eben ein demgemäßes Gespräch gelegen, und was sich darauf bezieht überlegt und erwägt er, geht mit dem Manne um, befreundet sich mit ihm; und wird etwa ein Gespräch über Unverstörung geführt, so horcht er nicht auf, leiht kein Gehör, wendet sein Herz der Kunde nicht zu, geht mit dem Manne nicht um, befreundet sich nicht mit ihm. Gleichwie etwa, Sunakkhatto, wenn da ein Mann von seinem Dorfe oder seiner Stadt seit langem verreist wäre; und er träfe einen anderen Mann, von dort vor kurzem fortgegangen, und fragte ihn um den Zustand, um die Wohlfahrt und das Gedeihen jenes Dorfes oder jener Stadt, und der Mann rühmte ihm den Zustand, die Wohlfahrt und das Gedeihen jenes Dorfes oder jener Stadt; was bedünkt dich nun, Sunakkhatto: {60} würde da wohl jener Mann auf ihn horchen, ihm Gehör leihen, der Kunde sein Herz zuwenden, mit dem Manne umgehn, mit ihm sich befreunden?«

[S. 57]

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, Sunakkhatto, findet sich wohl der Fall, dass da irgend ein Mensch vom Köder der Welt angezogen sei. Einem Menschen, Sunakkhatto, der vom Köder der Welt angezogen ist, kommt eben ein demgemäßes Gespräch gelegen, und was sich darauf bezieht überlegt und erwägt er, geht mit dem Manne um, befreundet sich mit ihm; und wird etwa ein Gespräch über Unverstörung geführt, so horcht er nicht auf, leiht kein Gehör, wendet sein Herz der Kunde nicht zu, geht mit dem Manne nicht um, befreundet sich nicht mit ihm. Bei dem wäre zu merken: Ein Mensch, vom Köder der Welt angezogen.

»Wohl findet sich, Sunakkhatto, der Fall, dass da irgend ein Mensch von Unverstörung angezogen sei. Einem Menschen, Sunakkhatto, der von Unverstörung angezogen ist, kommt eben ein demgemäßes Gespräch gelegen, und was sich darauf bezieht überlegt und erwägt er, geht mit dem Manne um, befreundet sich mit ihm; und wird etwa ein Gespräch über weltlichen Köder geführt, so horcht er nicht auf, leiht kein Gehör, wendet sein Herz der Kunde nicht zu, geht mit dem Manne nicht um, befreundet sich nicht mit ihm. Gleichwie etwa, Sunakkhatto, ein welkes Blatt, vom Stängel abgefallen, nicht mehr ergrünen kann, ebenso nun auch, Sunakkhatto, ist von einem Menschen, angezogen von Unverstörung, {61} was Fessel weltlichen Köders war abgefallen. Bei dem wäre zu merken: Ein Mensch, der da losgelöst ist von der Fessel weltlichen Köders, von Unverstörung angezogen.

»Wohl findet sich, Sunakkhatto, der Fall, dass da[S. 58] irgend ein Mensch vom Reiche des Nichtdaseins angezogen sei. Einem Menschen, Sunakkhatto, der vom Reich des Nichtdaseins angezogen ist, kommt eben ein demgemäßes Gespräch gelegen, und was sich darauf bezieht überlegt und erwägt er, geht mit dem Manne um, befreundet sich mit ihm; und wird etwa ein Gespräch über Unverstörung geführt, so horcht er nicht auf, leiht kein Gehör, wendet sein Herz der Kunde nicht zu, geht mit dem Manne nicht um, befreundet sich nicht mit ihm. Gleichwie etwa, Sunakkhatto, ein Steinblock, entzwei gespalten, sich nicht mehr zusammenfügen lässt, ebenso nun auch, Sunakkhatto, ist bei einem Menschen, angezogen vom Reich des Nichtdaseins, was Fessel der Unverstörung war gespalten. Bei dem wäre zu merken: Ein Mensch, der da losgelöst ist von der Fessel der Unverstörung, vom Reich des Nichtdaseins angezogen.[18]

»Wohl findet sich, Sunakkhatto, der Fall, dass da irgend ein Mensch von der Gränze möglicher Wahrnehmung angezogen sei. Einem Menschen, Sunakkhatto, der von der Gränze möglicher Wahrnehmung angezogen ist, kommt eben ein demgemäßes Gespräch gelegen, und was sich darauf bezieht überlegt und erwägt er, geht mit dem Manne um, befreundet sich mit ihm; und wird etwa ein Gespräch über das Reich des Nichtdaseins geführt, so horcht er nicht auf, leiht kein Gehör, wendet sein Herz der Kunde nicht zu, geht mit dem Manne nicht um, befreundet sich nicht mit ihm. {62} Gleichwie etwa, Sunakkhatto, wenn ein Mann, an einer einladenden Schüssel gesättigt, diese von sich schöbe; was bedünkt dich nun, Sunakkhatto: würde da wohl dem Manne wiederum Esslust nach dem Gerichte kommen?«

[S. 59]

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Jenes Gericht, o Herr, würde ihm ja nunmehr widerstehn.«

»Ebenso nun auch, Sunakkhatto, ist von einem Menschen, angezogen von der Gränze möglicher Wahrnehmung, was Fessel vom Reiche des Nichtdaseins war abgethan. Bei dem wäre zu merken: Ein Mensch, der da losgelöst ist von der Fessel vom Reiche des Nichtdaseins, von der Gränze möglicher Wahrnehmung angezogen.

»Wohl findet sich, Sunakkhatto, der Fall, dass da irgend ein Mensch von vollkommener Wahnerlöschung angezogen sei. Einem Menschen, Sunakkhatto, der von vollkommener Wahnerlöschung angezogen ist, kommt eben ein demgemäßes Gespräch gelegen, und was sich darauf bezieht überlegt und erwägt er, geht mit dem Manne um, befreundet sich mit ihm; und wird etwa ein Gespräch über die Gränze möglicher Wahrnehmung geführt, so horcht er nicht auf, leiht kein Gehör, wendet sein Herz der Kunde nicht zu, geht mit dem Manne nicht um, befreundet sich nicht mit ihm. Gleichwie etwa, Sunakkhatto, eine Palme, der man die Krone abgeschnitten hat, nicht wieder emporwachsen kann, ebenso nun auch, Sunakkhatto, ist bei einem Menschen, angezogen von vollkommener Wahnerlöschung, was Fessel der Gränze möglicher Wahrnehmung war abgehauen, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, so dass es nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln kann. Bei dem wäre zu merken: Ein Mensch, der da losgelöst ist von der Fessel der Gränze möglicher[S. 60] Wahrnehmung, von vollkommener Wahnerlöschung angezogen.

{63} »Wohl findet sich, Sunakkhatto, der Fall, dass da irgend ein Mönch bei sich gedenke: ›‚Durst‘, hat der Asket gesagt, ‚ist der Pfeil, Nichtwissen die Giftsalbe, Willensgier und -hass reißen auf‘; diesen durstigen Pfeil hab’ ich entfernt, weggebracht die Giftsalbe aus Nichtwissen, vollkommene Wahnerlöschung hat mich angezogen‹: also bedünke ihn dünkendes Heil. Und was einem vollkommener Wahnerlöschung Ergebenen nicht bekommt, das erlaubte er sich: erlaubte sich mit dem Gesichte zu sehn was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Gehöre zu hören was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Geruche zu riechen was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Geschmacke zu schmecken was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Getaste zu tasten was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Gedenken zu denken was ihm nicht bekommt. Und weil er sich erlaubt hat mit dem Gesichte zu sehn was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Gehöre zu hören was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Geruche zu riechen was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Geschmacke zu schmecken was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Getaste zu tasten was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Gedenken zu denken was ihm nicht bekommt, kann Gier sein Herz anschwellen lassen, kann er mit giergeschwelltem Herzen dem Tode entgegengehn oder tödtlichem Schmerze.

»Gleichwie etwa, Sunakkhatto, wenn ein Mann von einem Pfeile getroffen wäre, dessen Spitze mit Gift bestrichen[S. 61] wurde, und seine Freunde, Genossen, Verwandte, Gevattern bestellten ihm einen heilkundigen Arzt, und der heilkundige Arzt schnitte ihm mit einem Messer die Mündung der Wunde auf, dann suchte er mit einer Sonde nach der Spitze, und nachdem er diese gefunden, zöge er sie heraus, brächte die Giftsalbe weg, nicht ohne Ueberrest, wohl wissend[19], es sei noch ein Rest geblieben, und er spräche also: {64} ›Lieber Mann, herausgezogen ist dir der Pfeil, weggebracht die giftige Salbe, nicht ohne Ueberrest, und da kann dir noch Gefahr drohen. Nur was dir bekommt an Nahrung darfst du genießen, auf dass nicht durch den Genuss von Nahrung, die dir nicht bekommt, die Wunde eiterig werde. Von Zeit zu Zeit magst du die Wunde waschen, von Zeit zu Zeit die Mündung der Wunde salben, auf dass nicht, so du es versäumst, die Mündung der Wunde mit Blut und Eiter sich anfülle. Wolle nicht bei Wind und Sonnengluth ausgehn, auf dass dir dabei nicht Staub und Hitze die Mündung der Wunde entzünden. Gieb wohl acht, lieber Mann, auf die Wunde, behandle sie recht.‹ Er aber gedächte: ›Herausgezogen ist mir der Pfeil, weggebracht die giftige Salbe, nicht ohne Ueberrest, aber da kann mir keine Gefahr mehr drohen.‹ Und was ihm eben nicht bekommt an Nahrung genösse er, und durch den Genuss von Nahrung, die ihm nicht bekommt, würde die Wunde eiterig. Nicht wüsche er von Zeit zu Zeit die Wunde, nicht salbte er von Zeit zu Zeit ihre Mündung, so dass sie sich mit Blut und Eiter anfüllte. Bei Wind und Sonnengluth ginge er aus, so dass ihm dabei Staub und Hitze die Mündung der Wunde entzündeten. Er gäbe nicht acht auf die Wunde, behandelte sie nicht[S. 62] recht. Und weil er eben solches gethan, was ihm nicht bekommt, mit dem unlauteren, nicht weggebrachten Ueberreste von der Giftsalbe, würde die Wunde doppelt sich weiterentwickeln, und mit ihrer weiteren Entwickelung {65} ginge er dem Tode entgegen oder tödtlichem Schmerze:

»Ebenso nun auch, Sunakkhatto, findet sich wohl der Fall, dass da irgend ein Mönch bei sich gedenke: ›‚Durst‘, hat der Asket gesagt, ‚ist der Pfeil, Nichtwissen die Giftsalbe, Willensgier und -hass reißen auf‘; diesen durstigen Pfeil hab’ ich entfernt, weggebracht die Giftsalbe aus Nichtwissen, vollkommene Wahnerlöschung hat mich angezogen‹: also bedünke ihn dünkendes Heil. Und was einem vollkommener Wahnerlöschung Ergebenen nicht bekommt, das erlaubte er sich: erlaubte sich mit dem Gesichte zu sehn was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Gehöre zu hören was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Geruche zu riechen was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Geschmacke zu schmecken was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Getaste zu tasten was ihm nicht bekommt, erlaubte sich mit dem Gedenken zu denken was ihm nicht bekommt. Und weil er sich erlaubt hat mit dem Gesichte zu sehn was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Gehöre zu hören was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Geruche zu riechen was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Geschmacke zu schmecken was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Getaste zu tasten was ihm nicht bekommt, sich erlaubt hat mit dem Gedenken zu denken was ihm nicht bekommt, kann Gier sein Herz anschwellen lassen, kann[S. 63] er mit giergeschwelltem Herzen dem Tode entgegengehn oder tödtlichem Schmerze. Tod aber heißt es, Sunakkhatto, im Orden des Heiligen, wenn einer die Askese aufgiebt und zur Gewohnheit zurückkehrt: tödtlicher Schmerz aber, Sunakkhatto, heißt es, wenn einer irgend ein unsauberes Vergehn verübt.[20]

»Wohl findet sich, Sunakkhatto, der Fall, dass da irgend ein Mönch bei sich gedenke: ›‚Durst‘, hat der Asket gesagt, {66} ‚ist der Pfeil, Nichtwissen die Giftsalbe, Willensgier und -hass reißen auf‘; diesen durstigen Pfeil hab’ ich entfernt, weggebracht die Giftsalbe aus Nichtwissen, vollkommene Wahnerlöschung hat mich angezogen.‹ Vollkommener Wahnerlöschung einzig ergeben erlaubte er sich nicht was einem vollkommener Wahnerlöschung Ergebenen nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Gesichte zu sehn was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Gehöre zu hören was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Geruche zu riechen was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Geschmacke zu schmecken was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Getaste zu tasten was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Gedenken zu denken was ihm nicht bekommt. Und weil er sich nicht erlaubt hat mit dem Gesichte zu sehn was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Gehöre zu hören was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Geruche zu riechen was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Geschmacke zu schmecken was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Getaste zu tasten was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Gedenken zu denken was ihm nicht[S. 64] bekommt, kann Gier sein Herz nicht anschwellen lassen, braucht er nicht mit giergeschwelltem Herzen dem Tode entgegenzugehn oder tödtlichem Schmerze.

»Gleichwie etwa, Sunakkhatto, wenn ein Mann von einem Pfeile getroffen wäre, dessen Spitze mit Gift bestrichen wurde, und seine Freunde, Genossen, Verwandte, Gevattern bestellten ihm einen heilkundigen Arzt, und der heilkundige Arzt schnitte ihm mit einem Messer die Mündung der Wunde auf, dann suchte er mit einer Sonde nach der Spitze, und nachdem er diese gefunden, zöge er sie heraus, brächte die Giftsalbe weg, ohne Ueberrest, wohl wissend, es sei kein Rest mehr geblieben, und er spräche also: ›Lieber Mann, herausgezogen ist dir der Pfeil, weggebracht die giftige Salbe, ohne Ueberrest, und da kann dir keine Gefahr mehr drohen. {67} Doch magst du eben was dir bekommt an Nahrung genießen, auf dass nicht durch den Genuss von Nahrung, die dir nicht bekommt, die Wunde eiterig werde. Von Zeit zu Zeit magst du die Wunde waschen, von Zeit zu Zeit die Mündung der Wunde salben, auf dass nicht, so du es versäumst, die Mündung der Wunde mit Blut und Eiter sich anfülle. Wolle nicht bei Wind und Sonnengluth ausgehn, auf dass dir dabei nicht Staub und Hitze die Mündung der Wunde entzünden. Gieb wohl acht, lieber Mann, auf die Wunde, behandle sie recht.‹ Und er gedächte: ›Herausgezogen ist mir der Pfeil, weggebracht die giftige Salbe, ohne Ueberrest, aber es kann mir noch Gefahr drohen.‹[21] Und was ihm eben bekommt an Nahrung genösse er, und weil er Nahrung genösse, die ihm bekommt, würde die Wunde nicht eiterig. Von Zeit zu Zeit wüsche er die Wunde, von Zeit zu Zeit salbte er[S. 65] ihre Mündung, so dass sie sich nicht mit Blut und Eiter anfüllte. Bei Wind und Sonnengluth ging’ er nicht aus, so dass ihm Staub und Hitze die Wunde nicht entzündeten. Er gäbe acht auf die Wunde, behandelte sie recht. Und weil er eben solches gethan, was ihm bekommt, ohne unlauteren, ohne irgendwelchen Ueberrest von der Giftsalbe, würde die Wunde doppelt schnell heilen, wüchse zu und vernarbte, so dass er weder dem Tode entgegenginge noch tödtlichem Schmerze:

»Ebenso nun auch, Sunakkhatto, findet sich wohl der Fall, dass da irgend ein Mönch bei sich gedenke: ›‚Durst‘, hat der Asket gesagt, {68} ‚ist der Pfeil, Nichtwissen die Giftsalbe, Willensgier und -hass reißen auf‘; diesen durstigen Pfeil hab’ ich entfernt, weggebracht die Giftsalbe aus Nichtwissen, vollkommene Wahnerlöschung hat mich angezogen.‹ Vollkommener Wahnerlöschung einzig ergeben erlaubte er sich nicht was einem vollkommener Wahnerlöschung Ergebenen nicht bekommt: erlaubte sich nicht mit dem Gesichte zu sehn was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Gehöre zu hören was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Geruche zu riechen was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Geschmacke zu schmecken was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Getaste zu tasten was ihm nicht bekommt, erlaubte sich nicht mit dem Gedenken zu denken was ihm nicht bekommt. Und weil er sich nicht erlaubt hat mit dem Gesichte zu sehn was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Gehöre zu hören was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Geruche zu riechen was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Geschmacke zu[S. 66] schmecken was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Getaste zu tasten was ihm nicht bekommt, sich nicht erlaubt hat mit dem Gedenken zu denken was ihm nicht bekommt, kann Gier sein Herz nicht anschwellen lassen, braucht er nicht mit giergeschwelltem Herzen dem Tode entgegenzugehn oder tödtlichem Schmerze.

»Ein Gleichniss habe ich da, Sunakkhatto, gegeben, um den Sinn zu erklären. Das aber ist nun der Sinn. Die Wunde: das ist, Sunakkhatto, eine Bezeichnung der sechs inneren Gebiete.[22] Die Giftsalbe: das ist, Sunakkhatto, eine Bezeichnung des Nichtwissens. Der Pfeil: das ist, Sunakkhatto, eine Bezeichnung des Durstes. Die Sonde: das ist, Sunakkhatto, eine Bezeichnung der Einsicht. Das Messer: das ist, Sunakkhatto, eine Bezeichnung der heiligen Weisheit. Der heilkundige Arzt: das ist, Sunakkhatto, eine Bezeichnung des Vollendeten, des Heiligen, vollkommen Erwachten.

»Dass nun, Sunakkhatto, ein Mönch, der vor den {69} sechs Sinnesgebieten sich hütet und ›Anhaften ist des Leidens Wurzel‹ entdeckt hat, der ohne anzuhaften im Zergehn des Anhaftens erlöst ist, den Körper etwa dem Anhaften annähern, das Herz etwa anhangen ließe: ein solcher Fall findet sich nicht.

»Gleichwie etwa, Sunakkhatto, wenn man eine Trinkschaale da hätte, mit schönem, duftendem, wohlschmeckendem Inhalte, aber mit Gift versetzt, und es käme ein Mann herbei, der leben, nicht sterben will, der Wohlsein wünscht und Wehe verabscheut; was bedünkt dich nun, Sunakkhatto: würde da wohl der Mann den Trinkbecher leeren, von dem er wüsste: ›Hab’ ich das[S. 67] getrunken, so muss ich sterben oder tödtlichen Schmerz erleiden‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Ebenso nun auch, Sunakkhatto: dass da ein Mönch, der vor den sechs Sinnesgebieten sich hütet und ›Anhaften ist des Leidens Wurzel‹ entdeckt hat, der ohne anzuhaften im Zergehn des Anhaftens erlöst ist, den Körper etwa dem Anhaften annähern, das Herz etwa anhangen ließe: ein solcher Fall findet sich nicht.

»Gleichwie etwa, Sunakkhatto, wenn da eine Giftschlange wäre, giftig fauchend, und es käme ein Mann herbei, der leben, nicht sterben will, der Wohlsein wünscht und Wehe verabscheut; was bedünkt dich nun, Sunakkhatto: würde da wohl der Mann nach der Giftschlange, der giftig fauchenden, Hand oder Daumen ausstrecken, wo er wüsste: ›Hat mich diese gebissen, so muss ich sterben oder tödtlichen Schmerz erleiden‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Ebenso nun auch, Sunakkhatto: dass da ein Mönch, der vor den sechs Sinnesgebieten sich hütet und ›Anhaften ist des Leidens Wurzel‹ entdeckt hat, der ohne anzuhaften im Zergehn des Anhaftens erlöst ist, den Körper etwa dem Anhaften annähern, das Herz etwa anhangen ließe: ein solcher Fall findet sich nicht.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich Sunakkhatto der junge Licchavier über das Wort des Erhabenen.[23]


[S. 68]

106.

Elfter Theil

Sechste Rede

ZUR UNVERSTÖRUNG

{70} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Kurū-Lande, bei einer Stadt der Kurūner Namens Kammāsadammam.[24] Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»‚Vergänglich, ihr Mönche, sind die Begierden, leer und falsch und eitel‘: trügerisch ist, ihr Mönche, solche Rede aus Thorenmund. Begierden nach diesseit gerichtet, Begierden nach jenseit gerichtet, Begierden im Diesseit ersehnt, Begierden im Jenseit ersehnt: beides ist es Todesgebiet, ist des Todes Bereich, ist des Todes Futterplatz, ist des Todes Weideland. Da gehn denn diese schlechten, unheilsamen Gesinnungen, als wie Verlangen, als wie Verabscheuen, als wie Verwünschen, hervor; und diese gereichen dem heiligen Jünger, der hier eifrig sich übt, zur Gefahr.

»Aber, ihr Mönche, der heilige Jünger überlegt bei sich: ›Begierden nach diesseit gerichtet, Begierden nach jenseit gerichtet, Begierden im Diesseit ersehnt, Begierden im Jenseit ersehnt: beides ist es Todesgebiet, ist des Todes Bereich, ist des Todes Futterplatz, ist des Todes Weideland. Da gehn denn diese schlechten, unheilsamen Gesinnungen, als wie Verlangen, als wie Verabscheuen, als wie Verwünschen, hervor; und diese gereichen dem heiligen Jünger, der hier eifrig sich übt,[S. 69] zur Gefahr. Wie, wenn ich nun mit weitem, tiefem Gemüthe verweilte und hätte die Welt überwunden, über ihr stehend im Geiste? {71} Denn verweil’ ich mit weitem, tiefem Gemüthe und habe die Welt überwunden, über ihr stehend im Geiste, so können die schlechten, unheilsamen Gesinnungen, als wie Verlangen, als wie Verabscheuen, als wie Verwünschen, nicht mehr bestehn; und weil sie fehlen, wird mein Herz unbegränzt sein, unbeschränkt, wohl ausgebildet.‹ Und wie er da weiter vorschreitet, emsig also ausharrt in der Uebung, wird das Herz gestillt; ist Stille geworden, so erlangt er in dieser Zeit die Unverstörung, oder er wird von der Weisheit angezogen. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, mag es wohl sein, dass ihn das vorwiegende Bewusstsein der Unverstörung zukehre. Das wird, ihr Mönche, die erste Stufe zur Unverstörung genannt.

»Weiter sodann, ihr Mönche, überlegt der heilige Jünger bei sich: ›Begierden nach diesseit gerichtet, Begierden nach jenseit gerichtet, Begierden im Diesseit ersehnt, Begierden im Jenseit ersehnt: was irgend Form hat, die vier Hauptstoffe und was durch die vier Hauptstoffe besteht, es ist alles Form.‹[25] Und wie er da weiter vorschreitet, emsig also ausharrt in der Uebung, wird das Herz gestillt; ist Stille geworden, so erlangt er in dieser Zeit die Unverstörung, oder er wird von der Weisheit angezogen. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, mag es wohl sein, dass ihn das vorwiegende Bewusstsein der Unverstörung zukehre. Das wird, ihr Mönche, die zweite Stufe zur Unverstörung genannt.

»Weiter sodann, ihr Mönche, überlegt der heilige Jünger bei sich: ›Begierden nach diesseit gerichtet, Begierden[S. 70] nach jenseit gerichtet, Begierden im Diesseit ersehnt, Begierden im Jenseit ersehnt, Formen nach diesseit gerichtet, Formen nach jenseit gerichtet, Formen im Diesseit ersehnt, Formen im Jenseit ersehnt: beides ist es vergänglich. {72} Was vergänglich ist lohnt nicht der Liebe, lohnt nicht der Freude, lohnt nicht der Neigung.‹ Und wie er da weiter vorschreitet, emsig also ausharrt in der Uebung, wird das Herz gestillt; ist Stille geworden, so erlangt er in dieser Zeit die Unverstörung, oder er wird von der Weisheit angezogen. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, mag es wohl sein, dass ihn das vorwiegende Bewusstsein der Unverstörung zukehre. Das wird, ihr Mönche, die dritte Stufe zur Unverstörung genannt.

»Weiter sodann, ihr Mönche, überlegt der heilige Jünger bei sich: ›Begierden nach diesseit gerichtet, Begierden nach jenseit gerichtet, Begierden im Diesseit ersehnt, Begierden im Jenseit ersehnt, Formen nach diesseit gerichtet, Formen nach jenseit gerichtet, Formen im Diesseit ersehnt, Formen im Jenseit ersehnt, und Unverstörung ersehnen: es ist alles Ersehnen. Wo dieses ohne Ueberrest aufgeht: das ist die Ruhe, das ist das Ziel, jenes Reich des Nichtdaseins.‹ Und wie er da weiter vorschreitet, emsig also ausharrt in der Uebung, wird das Herz gestillt; ist Stille geworden, so erlangt er in dieser Zeit das Reich des Nichtdaseins, oder er wird von der Weisheit angezogen. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, mag es wohl sein, dass ihn das vorwiegende Bewusstsein dem Reich des Nichtdaseins zukehre. Das wird, ihr Mönche, die erste Stufe zum Reich des Nichtdaseins genannt.

[S. 71]

»Weiter sodann, ihr Mönche, begiebt sich der heilige Jünger in den Wald oder unter einen großen Baum oder in eine leere Klause und überlegt bei sich: ›Leer ist es an sich und in sich.‹ {73} Und wie er da weiter vorschreitet, emsig also ausharrt in der Uebung, wird das Herz gestillt; ist Stille geworden, so erlangt er in dieser Zeit das Reich des Nichtdaseins, oder er wird von der Weisheit angezogen. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, mag es wohl sein, dass ihn das vorwiegende Bewusstsein dem Reich des Nichtdaseins zukehre. Das wird, ihr Mönche, die zweite Stufe zum Reich des Nichtdaseins genannt.

»Weiter sodann, ihr Mönche, überlegt der heilige Jünger bei sich: ›Nicht gehör’ ich irgend wo irgend wem irgend zu, noch gehört mir irgend wo irgend was an: da giebt es nichts.‹[26] Und wie er da weiter vorschreitet, emsig also ausharrt in der Uebung, wird das Herz gestillt; ist Stille geworden, so erlangt er in dieser Zeit das Reich des Nichtdaseins, oder er wird von der Weisheit angezogen. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, mag es wohl sein, dass ihn das vorwiegende Bewusstsein dem Reich des Nichtdaseins zukehre. Das wird, ihr Mönche, die dritte Stufe zum Reich des Nichtdaseins genannt.

»Weiter sodann, ihr Mönche, überlegt der heilige Jünger bei sich: ›Begierden nach diesseit gerichtet, Begierden nach jenseit gerichtet, Begierden im Diesseit ersehnt, Begierden im Jenseit ersehnt, Formen nach diesseit gerichtet, Formen nach jenseit gerichtet, Formen im Diesseit ersehnt, Formen im Jenseit ersehnt, und Unverstörung ersehnen, und das Reich des Nichtdaseins[S. 72] ersehnen: es ist alles Ersehnen. Wo dieses ohne Ueberrest aufgeht: das ist die Ruhe, das ist das Ziel, jene Gränze möglicher Wahrnehmung.‹ {74} Und wie er da weiter vorschreitet, emsig also ausharrt in der Uebung, wird das Herz gestillt; ist Stille geworden, so erlangt er in dieser Zeit die Gränze möglicher Wahrnehmung, oder er wird von der Weisheit angezogen. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, mag es wohl sein, dass ihn das vorwiegende Bewusstsein der Gränze möglicher Wahrnehmung zukehre. Das wird, ihr Mönche, Stufe zur Gränze möglicher Wahrnehmung genannt.«

Nach diesen Worten wandte sich der ehrwürdige Ānando also an den Erhabenen:

»Da ist, o Herr, ein Mönch also vorgeschritten: ›Nicht sein und nicht mir sein, nicht werden, nicht mir werden soll was ist, was war: ich lasse es fahren‹: also gewinnt er Gleichmuth. Kann nun wohl ein solcher Mönch, o Herr, vom Wahne erlöschen, oder kann er es nicht?«

»Gar mancher Mönch, Ānando, kann da vom Wahne erlöschen, gar mancher Mönch kann es da nicht.«

»Was ist nun, o Herr, der Anlass, was ist der Grund, dass da gar mancher Mönch vom Wahne erlöschen kann, gar mancher Mönch es da nicht kann?«

»Da ist, Ānando, ein Mönch also vorgeschritten: ›Nicht sein und nicht mir sein, nicht werden, nicht mir werden soll was ist, was war: ich lasse es fahren‹: also gewinnt er Gleichmuth. Diesem Gleichmuth ist er in Liebe und Freude und Neigung zugethan. Weil er diesem Gleichmuth in Liebe und Freude und Neigung zugethan ist, wird das Bewusstsein daran gewohnt, hangt[S. 73] daran. Hangt er an, Ānando, kann der Mönch nicht vom Wahne erlöschen.«

»Wo aber ist, o Herr, ein solcher Mönch anhänglich angehangen?«

»An der Gränze, Ānando, möglicher Wahrnehmung.«

»Das beste Anhangen, sagt man, o Herr, sei es, wo {75} ein solcher Mönch anhänglich anhangt.«

»Das beste Anhangen ist es, Ānando, wo ein solcher Mönch anhänglich anhangt. Bestes Anhangen ist ja geheißen, Ānando, jene Gränze möglicher Wahrnehmung. — Da ist, Ānando, ein Mönch also vorgeschritten: ›Nicht sein und nicht mir sein, nicht werden, nicht mir werden soll was ist, was war: ich lasse es fahren‹: also gewinnt er Gleichmuth. Diesem Gleichmuth ist er in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung zugethan. Weil er diesem Gleichmuth in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung zugethan ist, wird das Bewusstsein nicht daran gewohnt, hangt nicht daran. Hangt er nicht an, Ānando, kann der Mönch vom Wahne erlöschen.«

»Erstaunlich, o Herr, außerordentlich ist es, o Herr: von Staffel zu Staffel, merkt man, hat uns, o Herr, der Erhabene das Entkommen aus dem Fluthbereiche dargestellt. — Was aber ist, o Herr, die heilige Freiheit?«

»Da überlegt, Ānando, der heilige Jünger bei sich: ›Begierden nach diesseit gerichtet, Begierden nach jenseit gerichtet, Begierden im Diesseit ersehnt, Begierden im Jenseit ersehnt, Formen nach diesseit gerichtet, Formen nach jenseit gerichtet, Formen im Diesseit ersehnt, Formen im Jenseit ersehnt, und Unverstörung ersehnen, und das Reich des Nichtdaseins ersehnen, und die Gränze[S. 74] möglicher Wahrnehmung ersehnen: das ist Dasein; so weit Dasein reicht ist ewige Art jene hanglose Herzensfreiheit.

»Und so hab’ ich, Ānando, die Stufen zur Unverstörung gezeigt, die Stufen zum Reich des Nichtdaseins gezeigt, die Stufe zur Gränze möglicher Wahrnehmung gezeigt, von Staffel zu Staffel das Entkommen aus dem Fluthbereiche gezeigt, die heilige Freiheit gezeigt. {76}Was ein Meister, Ānando, den Jüngern aus Liebe und Theilnahme, von Mitleid bewogen, schuldet, das habt ihr von mir empfangen. Da laden, Ānando, Bäume ein, und dort leere Klausen. Wirket Schauung, Ānando, auf dass ihr nicht lässig werdet, später nicht Reue empfindet: das haltet als unser Gebot.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.[27]


107.

Elfter Theil

Siebente Rede

RECHNER MOGGALLĀNO

{77} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Osthaine, auf der Terrasse Mutter Migāros.

Da nun begab sich ein Priester, Rechner Moggallāno, dorthin wo der Erhabene weilte, tauschte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite[S. 75] sitzend sprach nun Rechner Moggallāno der Priester zum Erhabenen also:

»Gleichwie man da, o Gotamo, bei dieser Terrasse Mutter Migāros den allmäligen Ansatz, den allmäligen Fortschritt, den allmäligen Aufstieg erkennen kann, und zwar von der untersten Treppenstufe an, kann man gewiss auch, o Gotamo, bei unseren Priestern den allmäligen Ansatz, den allmäligen Fortschritt, den allmäligen Aufstieg erkennen, und zwar bei der Andacht; kann man gewiss auch, o Gotamo, bei unseren Bogenschützen den allmäligen Ansatz, den allmäligen Fortschritt, den allmäligen Aufstieg erkennen, und zwar beim Schießen; kann man gewiss auch, o Gotamo, bei uns Rechnern, die wir von der Rechenkunst leben, den allmäligen Ansatz, den allmäligen Fortschritt, den allmäligen Aufstieg erkennen, und zwar beim Zählen. Denn haben wir, o Gotamo, Schüler angenommen, so lassen wir zuerst zählen: ›Eins, die Einheit, zwei, die Zweiheit, drei, die Dreiheit, vier, die Vierheit, fünf, die Fünfheit, sechs, die Sechsheit, sieben, die Siebenheit, acht, die Achtheit, neun, die Neunheit, zehn, die Zehnheit‹, so lassen wir, o Gotamo, bis hundert zählen. Ist es nun möglich, o Gotamo, auch in dieser Lehre und Ordnung etwa ebenso einen allmäligen Ansatz, einen allmäligen Fortschritt, einen allmäligen Aufstieg nachzuweisen?«

»Es ist möglich, Priester, auch in dieser Lehre und Ordnung einen allmäligen Ansatz, einen allmäligen Fortschritt, einen allmäligen Aufstieg nachzuweisen. {78} Gleichwie etwa, Priester, ein gewandter Rossebändiger, wann er ein schönes edles Ross erhalten hat, eben erst am Gebisse Uebungen ausführen lässt und es dann weiteren[S. 76] Uebungen zuführt, ebenso nun auch, Priester, weist der Vollendete, wann er einen Menschen zur Bändigung erhalten hat, erst also zurecht: ›Willkommen, du Mönch, sei tugendhaft, in reiner Zucht richtig gezügelt bleibe lauter im Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpfe beharrlich weiter, Schritt um Schritt.‹ Sobald nun, Priester, der Mönch tugendhaft ist, in reiner Zucht richtig gezügelt lauter im Handel und Wandel bleibt, vor geringstem Fehl auf der Hut beharrlich weiterkämpft, Schritt um Schritt, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, die Thore der Sinne lasse dich hüten: hast du mit dem Gesichte eine Form erblickt, so magst du keine Neigung fassen, keine Absicht fassen; da Begierde und Missmuth, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbewachten Gesichtes verweilt, befleißige dich dieser Bewachung, hüte das Gesicht, wache eifrig über das Gesicht. Hast du mit dem Gehöre einen Ton gehört — hast du mit dem Geruche einen Duft gerochen — hast du mit dem Geschmacke einen Saft geschmeckt — hast du mit dem Getaste eine Tastung getastet — hast du mit dem Gedenken ein Ding erkannt, so magst du keine Neigung fassen, keine Absicht fassen; da Begierde und Missmuth, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbewachten Gedenkens verweilt, befleißige dich dieser Bewachung, hüte das Gedenken, wache eifrig über das Gedenken.‹ Sobald nun, Priester, der Mönch die Thore der Sinne behütet hält, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: {79} ›Willkommen, du Mönch, beim Essen wisse Maaß zu halten, gründlich besonnen wolle die Nahrung einnehmen, nicht etwa zur[S. 77] Letzung und Ergetzung, nicht zur Schmuckheit und Zier, sondern nur um diesen Körper zu erhalten, zu fristen, um Schaden zu verhüten, um ein heiliges Leben führen zu können: ‚So werd’ ich das frühere Gefühl abtödten und ein neues Gefühl nicht aufkommen lassen, und ich werde ein Fortkommen haben, ohne Tadel bestehn, mich wohl befinden.‘[28] Sobald nun, Priester, der Mönch beim Essen Maaß zu halten weiß, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, der Wachsamkeit weihe dich: bei Tage sollst du gehend und sitzend das Gemüth von trübenden Dingen läutern; in den ersten Stunden der Nacht gehend und sitzend das Gemüth von trübenden Dingen läutern; in den mittleren Stunden der Nacht magst du auf die rechte Seite wie der Löwe dich hinlegen, einen Fuß über dem anderen, gesammelten Sinnes, der Zeit des Aufstehns gedenkend; sollst in den letzten Stunden der Nacht, wieder aufgestanden, gehend und sitzend das Gemüth von trübenden Dingen läutern.‹ Sobald nun, Priester, der Mönch sich der Wachsamkeit geweiht hat, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, mit klarem Bewusstsein wolle dich wappnen: klar bewusst beim Kommen und Gehn, klar bewusst beim Hinblicken und Wegblicken, klar bewusst beim Neigen und Erheben, klar bewusst beim Tragen des Gewandes und der Almosenschaale des Ordens, klar bewusst beim Essen und Trinken, Kauen und Schmecken, klar bewusst beim Entleeren von Koth und Harn, klar bewusst beim Gehn und Stehn und Sitzen, beim Einschlafen und Erwachen, beim Sprechen und Schweigen.‹ Sobald nun, Priester, der Mönch sich mit[S. 78] klarem Bewusstsein gewappnet hat, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: {80} ›Willkommen, du Mönch, suche einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene.‹ Und er sucht einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht. Er hat weltliche Begierde verworfen und verweilt begierdelosen Gemüthes, von Begierde läutert er sein Herz. Gehässigkeit hat er verworfen, hasslosen Gemüthes verweilt er, voll Liebe und Mitleid zu allen lebenden Wesen läutert er sein Herz von Gehässigkeit. Matte Müde hat er verworfen, von matter Müde ist er frei; das Licht liebend, einsichtig, klar bewusst, läutert er sein Herz von matter Müde. Stolzen Unmuth hat er verworfen, er ist frei von Stolz; innig beruhigten Gemüthes läutert er sein Herz von stolzem Unmuth. Das Schwanken hat er verworfen, der Ungewissheit ist er entronnen; er zweifelt nicht am Guten, vom Schwanken läutert er sein Herz. Er hat nun diese fünf Hemmungen aufgehoben, hat die Schlacken des Gemüthes kennen gelernt, die lähmenden; gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen lebt er in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens gewinnt er die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes,[S. 79] die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. In heiterer Ruhe verweilt er gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so gewinnt er die Weihe der dritten Schauung. Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erreicht er die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. — Die da nun, Priester, kämpfende Mönche sind, {81} mit streitendem Busen die unvergleichliche Sicherheit zu erringen trachten, denen gilt bei mir diese also gegebene Weisung; die aber da als Mönche heilig geworden sind, Wahnversieger, Endiger, die das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil sich errungen, die Daseinsfesseln vernichtet, sich durch vollkommene Erkenntniss erlöst haben, denen taugen diese Dinge um säliger Gegenwart zu genießen, bei klarem Bewusstsein.«

Nach dieser Rede wandte sich Rechner Moggallāno der Priester also an den Erhabenen:

»Können nun aber des Herrn Gotamo Jünger, von Herrn Gotamo also belehrt, also gewiesen, eben alle die unbezweifelbar sichere Wahnerlöschung gewinnen, oder können es einige nicht?«

»Einige freilich, Priester, meiner Jünger, von mir also belehrt, also gewiesen, können die unbezweifelbar sichere Wahnerlöschung gewinnen, andere können es nicht.«

»Was ist wohl, o Gotamo, der Anlass, was ist der Grund, dass, wo es doch eine Wahnerlöschung giebt,[S. 80] wo ein Weg dahin führt, wo Herr Gotamo als Lenker da ist, dann einige freilich der Jünger des Herrn Gotamo, von Herrn Gotamo also belehrt, also gewiesen, die unbezweifelbar sichere Wahnerlöschung gewinnen können, und andere es nicht können?«

»Da will ich dir nun, Priester, eben hierüber eine Frage stellen: wie es dir gutdünkt magst du sie beantworten. Was meinst du wohl, Priester: kennst du den Weg, der nach Rājagaham führt?«

»Gewiss, Herr, ich kenne den Weg, der nach Rājagaham führt.«

»Was meinst du wohl, Priester: es käme da ein Mann herbei, {82} der nach Rājagaham gehn wollte, und er träte zu dir heran und spräche also: ›Ich möchte, o Herr, nach Rājagaham gehn, bezeichne mir doch den Weg dahin.‹ Und du würdest ihm sagen: ›Komm’, lieber Mann, das ist der Weg nach Rājagaham. Da geh’ eine Weile weiter, und bist du da eine Weile weitergegangen, so wirst du ein gewisses Dorf sehn. Da geh’ eine Weile weiter, und bist du da eine Weile weitergegangen, so wirst du eine gewisse Burg sehn. Da geh’ eine Weile weiter, und bist du da eine Weile weitergegangen, so wirst du einen schönen Garten, einen freundlichen Hain, eine heitere Landschaft, einen lichten Weiher vor Rājagaham erblicken.‹ Und er schlüge, von dir also belehrt, also gewiesen, einen Seitenweg ein und schritte umgekehrt weiter. Aber ein anderer Mann käme herbei, der nach Rājagaham gehn wollte, und er träte zu dir heran und spräche also: ›Ich möchte, o Herr, nach Rājagaham gehn, bezeichne mir doch den Weg dahin.‹ Und du würdest ihm sagen: ›Komm’, lieber Mann, das ist der Weg[S. 81] nach Rājagaham. Da geh’ eine Weile weiter, und bist du da eine Weile weitergegangen, so wirst du ein gewisses Dorf sehn. Da geh’ eine Weile weiter, und bist du da eine Weile weitergegangen, so wirst du eine gewisse Burg sehn. Da geh’ eine Weile weiter, und bist du da eine Weile weitergegangen, so wirst du einen schönen Garten, einen freundlichen Hain, eine heitere Landschaft, einen lichten Weiher vor Rājagaham erblicken.‹ Und er langte, von dir also belehrt, also gewiesen, unversehrt in Rājagaham an. Was ist nun, Priester, der Anlass, was ist der Grund, dass, wo es doch ein Rājagaham giebt, wo ein Weg dahin führt, wo du als Lenker da bist, gleichwohl der eine Mann, von dir also belehrt, also gewiesen, einen Seitenweg einschlagen und umgekehrt weiterschreiten mochte, und der andere unversehrt {83} nach Rājagaham gelangen?«

»Das kann ich, o Gotamo, hierbei thun: Wegweiser bin ich, o Gotamo!«

»Ebenso nun auch, Priester, giebt es zwar eine Wahnerlöschung, führt ein Weg dahin, bin ich als Lenker da, und doch können einige freilich meiner Jünger, von mir also belehrt, also gewiesen, die unbezweifelbar sichere Wahnerlöschung gewinnen, und können andere es nicht. Das kann ich, Priester, hierbei thun: Wegweiser ist, Priester, der Vollendete.«

Auf diese Worte sagte nun Rechner Moggallāno der Priester zum Erhabenen:

»Es giebt da, o Gotamo, Leute, die unwillig, aus Nothdurft, nicht aus Zuversicht vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen sind, Häuchler, Gleißner, Scheinheilige,[S. 82] aufgeblasene Windbeutel[29], geschäftige Schwätzer und Plauderer, schlechte Hüter der Sinnesthore, ohne Rückhalt beim Mahle, der Wachsamkeit abgeneigt, gleichgültig gegen das Asketenthum, lässig in der Ordenspflicht, anspruchsvoll, aufdringlich, vor allem Gesellschaft suchend, Einsamkeit als lästige Last fliehend, matte, schwache Herzen, verworrene, unklare Köpfe, unbeständige, zerstreute Geister, Beschränkte und Stumpfe: mit diesen hat Herr Gotamo keine Gemeinschaft. Es giebt aber auch edle Söhne, die aus Zuversicht vom Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen sind, keine Häuchler, keine Gleißner, keine Scheinheiligen, keine aufgeblasenen Windbeutel, keine geschäftigen Schwätzer und Plauderer, strenge Hüter der Sinnesthore,[30] mäßig beim Mahle, der Wachsamkeit ergeben, dem Asketenthum zugethan, eifrig in der Ordenspflicht, anspruchslos, nicht aufdringlich, vor allem Einsamkeit suchend, Gesellschaft als lästige Last fliehend, muthige, starke Herzen, einsichtige, klare Köpfe, beständige, einige Geister, Weise und Witzige: {84} mit diesen hat Herr Gotamo Gemeinschaft. — Gleichwie etwa, o Gotamo, unter den Wurzeldüften der schwarze Rosenlauch in seiner Art als vorzüglichster gilt, unter den Kernholzdüften der rothe Sandel in seiner Art als vorzüglichster gilt, unter den Blumendüften der weiße Jasmin in seiner Art als vorzüglichster gilt, ebenso nun auch ist des Herrn Gotamo Belehrung die beste in heutiger Zeit. — Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Gleichwie etwa, o Gotamo, wenn man Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Verirrten den Weg wiese, oder Licht in die Finsterniss brächte: ›Wer Augen hat[S. 83] wird die Dinge sehn[31]: ebenso auch hat Herr Gotamo die Lehre gar vielfach beleuchtet. Und so nehm’ ich bei Herrn Gotamo Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger möge mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu.«[32]


108.

Elfter Theil

Achte Rede

MEIER MOGGALLĀNO

{85} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der ehrwürdige Ānando bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen, nicht lange nachdem der Erhabene erloschen war.

Um diese Zeit nun ließ der König von Magadhā, Ajātasattu, der Sohn der Videherin, Rājagaham befestigen, aus Besorgniss vor König Pajjoto.

Und der ehrwürdige Ānando, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schaale versehn, machte sich auf den Almosengang nach Rājagaham. Und es gedachte der ehrwürdige Ānando: ›Allzu früh ist’s noch, in der Stadt um Almosen zu stehn; wie, wenn ich nun die Wirthschaft Meier Moggallāno des Priesters aufsuchte, mich zu Meier Moggallāno dem Priester hinbegäbe?‹ Und der ehrwürdige Ānando suchte die Wirthschaft Meier Moggallāno des Priesters auf, begab sich zu Meier Moggallāno dem Priester hin. Da sah Meier Moggallāno der Priester den ehrwürdigen Ānando von ferne herankommen,[S. 84] und als er den ehrwürdigen Ānando gesehn sprach er also zu ihm:

»Es komme Herr Ānando, gegrüßt sei Herr Ānando! Lange schon hat Herr Ānando hoffen lassen, mich einmal hier zu besuchen. Möge sich Herr Ānando setzen: dieser Sitz ist bereit.«

Es setzte sich der ehrwürdige Ānando auf den angebotenen Sitz. Meier Moggallāno aber, der Priester, nahm einen von den niederen Stühlen zur Hand und setzte sich zur Seite. Zur Seite sitzend wandte sich nun Meier Moggallāno der Priester an den ehrwürdigen Ānando also:

»Giebt es wohl, Herr Ānando, auch nur einen Mönch {86} ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen der Herr Gotamo begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte?«

»Nicht giebt es, Priester, auch nur einen Mönch ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen der Erhabene begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte. Denn Er, Priester, der Erhabene, ist des unentdeckten Weges Entdecker, des unerschaffenen Weges Erschaffer, des unerklärten Weges Erklärer, der Wegeswisser, der Wegeskenner, der Wegeskundige: auf dem Weg aber folgen sie jetzt nach, die Jünger, später nachgekommen.«

Kaum jedoch hatte diese Unterredung des ehrwürdigen Ānando mit Meier Moggallāno dem Priester begonnen, da kam Vassakāro der Priester, ein Māgadher Marschall, der zu Rājagaham Rüstungen ausgerichtet, zu Meier Moggallāno des Priesters Wirthschaft heran, dorthin wo der ehrwürdige Ānando weilte. Dort angelangt wechselte er höflichen Gruß und freundliche,[S. 85] denkwürdige Worte mit dem ehrwürdigen Ānando und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend wandte sich nun Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, an den ehrwürdigen Ānando also:

»Zu welchem Gespräche, Herr Ānando, seid ihr jetzt hier zusammengekommen, und wobei habt ihr euch eben unterbrochen?«

»Da hat mich, Priester, Meier Moggallāno der Priester gefragt: ›Giebt es wohl, Herr Ānando, auch nur einen Mönch ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen der Herr Gotamo begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte?‹ Auf diese Frage, Priester, hab’ ich Meier Moggallāno dem Priester geantwortet: {87} ›Nicht giebt es, Priester, auch nur einen Mönch ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen der Erhabene begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte. Denn Er, Priester, der Erhabene, ist des unentdeckten Weges Entdecker, des unerschaffenen Weges Erschaffer, des unerklärten Weges Erklärer, der Wegeswisser, der Wegeskenner, der Wegeskundige: auf dem Weg aber folgen sie jetzt nach, die Jünger, später nachgekommen.‹ Das war, Priester, das Gespräch zwischen mir und Meier Moggallāno dem Priester, das wir unterbrachen als du ankamst.«

»Ist nun wohl, Herr Ānando, etwa einer der Mönche von Ihm, dem Herrn Gotamo, eingesetzt worden, ›Der soll nach meinem Tode euere Zuflucht sein‹, an den ihr jetzt euch wenden mögt?«

»Nicht ist, Priester, etwa einer der Mönche von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, eingesetzt worden, ›Der soll[S. 86] nach meinem Tode euere Zuflucht sein‹, an den wir jetzt uns wenden mögen.«

»Doch ist wohl, Herr Ānando, etwa einer der Mönche von den Brüdern erwählt, von der Mehrheit der Ordensältesten eingesetzt worden, ›Der soll nach des Erhabenen Tode unsere Zuflucht sein‹, an den ihr jetzt euch wenden mögt?«

»Nicht ist, Priester, etwa einer der Mönche von den Brüdern erwählt, von der Mehrheit der Ordensältesten eingesetzt worden, ›Der soll nach des Erhabenen Tode unsere Zuflucht sein‹, an den wir jetzt uns wenden mögen.«

»So aber ohne Zuflucht, Herr Ānando, wie kann da einträchtige Lehre bestehn?«[33]

»Nicht sind wir, Priester, ohne Zuflucht, wir haben sie, Priester, {88} die Zuflucht, die Lehre ist unsere Zuflucht.«

»Einer solchen Rede Sinn, Herr Ānando, wie soll der wohl ausgelegt werden?«[34]

»Es ist, Priester, von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, den Mönchen ein Regelmaaß angegeben, die reine Zucht dargestellt worden. Nun kommen wir alle halben Monat, soviel unser, bis auf drei herab, im Umkreise je eines Dorfes wohnen, ebenda zusammen; und sind wir zusammengekommen, so fordern wir den, an dem die Reihe ist, auf. Der hält den Vortrag: und hat ein Mönch gefehlt, hat er sich vergangen, so wird er von uns der Lehre gemäß, der Weisung gemäß behandelt. Nicht aber, heißt es, behandeln uns die Brüder: {89} die Lehre behandelt uns.«

»Doch ist wohl, Herr Ānando, irgend ein Mönch da,[S. 87] den ihr jetzt werthhaltet, hochschätzt, achtet und ehrt, und dem ihr also zugethan seid?«

»Es ist wohl, Priester, irgend ein Mönch da, den wir jetzt werthhalten, hochschätzen, achten und ehren, und dem wir also zugethan sind.«

»Auf meine Frage ‚Ist nun wohl, Herr Ānando, etwa einer der Mönche von Ihm, dem Herrn Gotamo, eingesetzt worden, ›Der soll nach meinem Tode euere Zuflucht sein‹, an den ihr jetzt euch wenden mögt‘, hast du geantwortet ‚Nicht ist, Priester, etwa einer der Mönche von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, eingesetzt worden, ›Der soll nach meinem Tode euere Zuflucht sein‹, an den wir jetzt uns wenden mögen‘; auf meine Frage ‚Doch ist wohl, Herr Ānando, etwa einer der Mönche von den Brüdern erwählt, von der Mehrheit der Ordensältesten eingesetzt worden, ›Der soll nach des Erhabenen Tode unsere Zuflucht sein‹, an den ihr jetzt euch wenden mögt‘, hast du geantwortet ‚Nicht ist, Priester, etwa einer der Mönche von den Brüdern erwählt, von der Mehrheit der Ordensältesten eingesetzt worden, ›Der soll nach des Erhabenen Tode unsere Zuflucht sein‹, an den wir jetzt uns wenden mögen‘; auf meine Frage ‚Doch ist wohl, Herr Ānando, irgend ein Mönch da, den ihr jetzt werthhaltet, hochschätzt, achtet und ehrt, und dem ihr also zugethan seid‘, hast du geantwortet {90} ‚Es ist wohl, Priester, irgend ein Mönch da, den wir jetzt werthhalten, hochschätzen, achten und ehren, und dem wir also zugethan sind‘: einer solchen Rede Sinn, Herr Ānando, wie soll der nun ausgelegt werden?«

»Es sind, Priester, von Ihm, dem Erhabenen, dem[S. 88] Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, zehn huldreiche Eigenschaften angegeben worden; bei wem von uns diese sich finden, den halten wir jetzt werth, schätzen ihn hoch, achten und ehren ihn, sind ihm also zugethan: was für zehn Eigenschaften? Da ist, Priester, ein Mönch tugendhaft, in reiner Zucht richtig gezügelt bleibt er lauter im Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpft er beharrlich weiter, Schritt um Schritt. Viel hat er gehört, ist Behälter des Wortes, Hort des Wortes der Lehre[35]; und was da am Anfang begütigt, in der Mitte begütigt, am Ende begütigt und sinn- und wortgetreu das vollkommen geläuterte, geklärte Asketenthum überliefert: das kennt er, behält er, beherrscht er mit der Rede, bewahrt es im Gedächtniss, hat es von Grund aus verstanden. Zufrieden ist er mit Mantel und Schaale, Obdach und Arzenei für den Fall einer Krankheit. Die vier Schauungen, die das Herz erquicken, schon im Leben besäligen, die kann er nach Wunsch gewinnen, in ihrer Fülle und Weite. Er mag auf manigfaltige Weise Machtentfaltung an sich erfahren: als nur einer etwa vielfach zu werden, und vielfach geworden wieder einer zu sein, und so weiter, sogar bis zu {91} den Brahmawelten den Körper in seiner Gewalt zu haben. Mit dem himmlischen Gehör, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, kann er beide Arten der Töne hören, die himmlischen und die irdischen, die fernen und die nahen.[36] Der anderen Wesen, der anderen Personen Herz kann er im Herzen schauen und erkennen, das begehrliche Herz als begehrlich und das begehrlose Herz als begehrlos, das gehässige Herz als gehässig und das hasslose Herz als hasslos,[S. 89] das irrende Herz als irrend und das irrlose Herz als irrlos, das gesammelte Herz als gesammelt und das zerstreute Herz als zerstreut, das hochstrebende Herz als hochstrebend und das niedrig gesinnte Herz als niedrig gesinnt, das edle Herz als edel und das gemeine Herz als gemein, das beruhigte Herz als beruhigt und das ruhelose Herz als ruhelos, das erlöste Herz als erlöst und das gefesselte Herz als gefesselt.[37] An manche verschiedene frühere Daseinsform erinnert er sich: als wie an ein Leben, {92} dann an zwei Leben, dann an drei Leben, dann an vier Leben, dann an fünf Leben, dann an zehn Leben, dann an zwanzig Leben, dann an dreißig Leben, dann an vierzig Leben, dann an fünfzig Leben, dann an hundert Leben, dann an tausend Leben, dann an hunderttausend Leben, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenvergehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen-Weltenvergehungen; ›Dort war ich, jenen Namen hatte ich, jener Familie gehörte ich an, das war mein Stand, das mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; dort verschieden trat ich anderswo wieder ins Dasein: da war ich nun, diesen Namen hatte ich, dieser Familie gehörte ich an, dies war mein Stand, dies mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; da verschieden trat ich hier wieder ins Dasein‹: so erinnert er sich mancher verschiedenen früheren Daseinsform, mit je den eigenthümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen. Mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, sieht er die Wesen[S. 90] dahinschwinden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, er erkennt wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren: ›Diese lieben Wesen sind freilich in Thaten dem Schlechten zugethan, in Worten dem Schlechten zugethan, in Gedanken dem Schlechten zugethan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, thun Verkehrtes; bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, gelangen sie auf den Abweg, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in untere Welt. Jene lieben Wesen sind aber in Thaten dem Guten zugethan, in Worten dem Guten zugethan, in Gedanken dem Guten zugethan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, thun Rechtes; bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, gelangen sie auf gute Fährte, in sälige Welt‹: so sieht er mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, erkennt wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren.[38] Er hat den Wahn versiegt und die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar gemacht, verwirklicht und errungen. — Das sind, Priester, zehn huldreiche Eigenschaften, die Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte angegeben hat; bei wem von uns diese sich finden, den halten wir jetzt werth, schätzen ihn hoch, achten und ehren ihn, sind ihm also zugethan.«

Nach dieser Rede wandte sich Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, an Upanando den Feldherrn und sagte:

[S. 91]

{93} »Was meinst du wohl, Feldherr: ob da nun diese Würdigen den werthhalten, der werthzuhalten ist, den hochschätzen, der hochzuschätzen ist, den achten, der zu achten ist, den ehren, der zu ehren ist?«

»Will’s meinen, dass diese Würdigen den werthhalten, der werthzuhalten ist, den hochschätzen, der hochzuschätzen ist, den achten, der zu achten ist, den ehren, der zu ehren ist: denn so diese Würdigen einen solchen nicht werthhielten, hochschätzten, achteten und ehrten, wen doch sollten sie dann werthhalten, hochschätzen, achten und ehren und ihm also zugethan sein?«

Und nun wandte sich Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, also an den ehrwürdigen Ānando:

»Wo hat wohl Herr Ānando gegenwärtig seinen Aufenthalt?«

»Im Bambusparke, Priester, hab’ ich gegenwärtig meinen Aufenthalt.«

»Und kann einem auch, Herr Ānando, der Bambuspark schon gefallen, der lärmentrückt, lärmverloren, von den Leuten gemieden ist, wo man einsam bleiben und nachdenken mag?«

»Will’s meinen, Priester, dass einem der Bambuspark schon gefallen kann, der lärmentrückt, lärmverloren, von den Leuten gemieden ist, wo man einsam bleiben und nachdenken mag, wie das eueren Feldhütern und Hirten eignet.«

»Will’s meinen, Herr Ānando, dass einem der Bambuspark schon gefallen kann, der lärmentrückt, lärmverloren, von den Leuten gemieden ist, wo man einsam bleiben und nachdenken mag, wie das euch Schauung liebenden und Schauung übenden eignet: denn Schauung[S. 92] ja liebt ihr und Schauung übt ihr. — Eines Tages, Herr Ānando, weilte Er, der Herr Gotamo, dort bei Vesālī, im Großen Walde, in der Halle der Einsiedelei. Und ich begab mich, Herr Ānando, nach dem Großen Walde, zur Halle der Einsiedelei, dorthin wo ich den Herrn Gotamo antraf. Da führte nun Er, der Herr Gotamo, auf mancherlei Weise Gespräche über die Schauung: {94} denn Schauung ja liebte Er, der Herr Gotamo, und Schauung übte Er, und eben alle Schauung pflegte Er, der Herr Gotamo, zu preisen.«

»Nicht hat, Priester, Er, der Erhabene, alle Schauung gepriesen, und nicht hat Er, der Erhabene, alle Schauung verwiesen. Was für Schauung hat aber, Priester, Er, der Erhabene, nicht gepriesen? Da hat einer, Priester, sein Gemüth von Wunschbegier umspinnen, von Wunschbegier umziehen lassen; und wie man der aufgestiegenen Wunschbegier entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr die Wunschbegier zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Er hat sein Gemüth von Gehässigkeit umspinnen, von Gehässigkeit umziehen lassen; und wie man der aufgestiegenen Gehässigkeit entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr die Gehässigkeit zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Er hat sein Gemüth von matter Müde umspinnen, von matter Müde umziehen lassen; und wie man der aufgestiegenen matten Müde entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr die matte Müde zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Er hat sein Gemüth von stolzem[S. 93] Unmuth umspinnen, von stolzem Unmuth umziehen lassen; und wie man dem aufgestiegenen stolzen Unmuth entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr den stolzen Unmuth zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Er hat sein Gemüth von sorgendem Zweifel umspinnen, von sorgendem Zweifel umziehen lassen; und wie man dem aufgestiegenen sorgenden Zweifel entgehn könne, daran denkt er nicht der Wahrheit gemäß, macht vielmehr den sorgenden Zweifel zum Wesen und schaut und schaut hin und schaut her und schaut um. Solche Schauung hat, Priester, {95} Er, der Erhabene, nicht gepriesen. Was für Schauung hat aber, Priester, Er, der Erhabene, gepriesen? Da weilt, Priester, ein Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt er die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. In heiterer Ruhe weilt er gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt er die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Solche Schauung hat, Priester, Er, der Erhabene, gepriesen.«

»Verweisliche Schauung hat also, Herr Ānando, Er,[S. 94] der Herr Gotamo, verwiesen, preisliche gepriesen. — Wohlan denn, Herr Ānando, jetzt wollen wir aufbrechen[39]: manche Pflicht wartet unser, manche Obliegenheit.«

»Wie es dir nun, Priester, belieben mag.«

Und Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, durch des ehrwürdigen Ānando Rede erfreut und befriedigt, stand von seinem Sitze auf und entfernte sich. Da wandte sich denn Meier Moggallāno der Priester, bald nachdem Vassakāro der Priester, der Māgadher Marschall, gegangen, also an den ehrwürdigen Ānando:

»Was wir aber Herrn Ānando gefragt hatten, das hat uns Herr Ānando nicht zu Ende erklärt.«

»Haben wir denn, Priester, dir nicht gesagt: ›Nicht giebt es, Priester, auch nur einen Mönch ganz und gar überall mit all den Eigenschaften begabt, mit welchen der Erhabene begabt war, der Heilige, vollkommen Erwachte. Denn Er, Priester, der Erhabene, ist des unentdeckten Weges Entdecker, des unerschaffenen Weges Erschaffer, des unerklärten Weges Erklärer, der Wegeswisser, der Wegeskenner, der Wegeskundige: {96} auf dem Weg aber folgen sie jetzt nach, die Jünger, später nachgekommen‹.«[40]


[S. 95]

109.

Elfter Theil

Neunte Rede

VOLLMOND
– I –

{97} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Osthaine, auf Mutter Migāros Terrasse.

Um diese Zeit nun hatte der Erhabene — es war ein Feiertag, im halben Monat, in der voll aufgegangenen Mondnacht — inmitten der Mönchgemeinde unter freiem Himmel Platz genommen.

Da stand nun einer der Mönche auf, schlug den Mantel um die eine Schulter, verneigte sich ehrerbietig vor dem Erhabenen und sprach also:

»Darf ich, o Herr, den Erhabenen über irgend etwas befragen, wenn mir der Erhabene der Frage Beantwortung gewähren will?«

»Wohlan denn, o Mönch, setze dich auf deinen Platz und frage nach Belieben.«

Und jener Mönch setzte sich auf seinen Platz und sprach also zum Erhabenen:

»Sind das, o Herr, die fünf Stücke des Anhangens, als da ist ein Stück Anhangen an der Form, ein Stück Anhangen am Gefühl, ein Stück Anhangen an der Wahrnehmung, ein Stück Anhangen an der Unterscheidung, ein Stück Anhangen am Bewusstsein?«

»Das sind, Mönch, die fünf Stücke des Anhangens.«

»Gut, o Herr!« sagte da jener Mönch, erfreut und befriedigt durch des Erhabenen Rede, und stellte nun eine fernere Frage:

[S. 96]

»Und diese fünf Stücke des Anhangens, o Herr, wo wurzeln die?«

»Diese fünf Stücke des Anhangens, Mönch, wurzeln im Willen.«

{98} »Ist nun, o Herr, Anhangen und die fünf Stücke des Anhangens ein und dasselbe, oder giebt es ein Anhangen außer den fünf Stücken des Anhangens?«

»Nicht ist, Mönch, Anhangen und die fünf Stücke des Anhangens ein und dasselbe, doch giebt es kein Anhangen außer den fünf Stücken des Anhangens: was da, Mönch, bei den fünf Stücken des Anhangens Willensreiz ist, das ist dabei Anhangen.«

»Und kann, o Herr, bei den fünf Stücken des Anhangens eine Verschiedenheit des Willensreizes bestehn?«

»Kann sein, Mönch«, sagte der Erhabene. »Da hat einer, Mönch, den Wunsch: ›So sei meine künftige Form, so sei mein künftiges Gefühl, so sei meine künftige Wahrnehmung, so sei meine künftige Unterscheidung, so sei mein künftiges Bewusstsein.‹ So kann, Mönch, bei den fünf Stücken des Anhangens eine Verschiedenheit des Willensreizes bestehn.«

»Inwiefern aber, o Herr, kommt den Stücken die Bezeichnung Stücke zu?«

»Was es auch, Mönch, an Form giebt, vergangene, zukünftige, gegenwärtige, eigene oder fremde, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe, ist ein Stück Form; was es auch an Gefühl giebt, vergangenes, zukünftiges, gegenwärtiges, eigenes oder fremdes, grobes oder feines, gemeines oder edles, fernes oder nahes, ist ein Stück Gefühl; was es auch an Wahrnehmung giebt,[S. 97] vergangene, zukünftige, gegenwärtige, eigene oder fremde, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe, ist ein Stück Wahrnehmung; was es auch an Unterscheidungen giebt, vergangene, zukünftige, gegenwärtige, eigene oder fremde, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe, ist ein Stück Unterscheidung; was es auch an Bewusstsein giebt, vergangenes, zukünftiges, gegenwärtiges, eigenes oder fremdes, grobes oder feines, gemeines oder edles, fernes oder nahes, ist ein Stück Bewusstsein. Insofern, Mönch, kommt den Stücken die Bezeichnung Stücke zu.«

»Was ist nun, o Herr, der Anlass, was ist der Grund, dass ein Stück Form erscheinen kann, was ist der Anlass, was ist der Grund, dass ein Stück Gefühl erscheinen kann, was ist der Anlass, was ist der Grund, dass ein Stück Wahrnehmung erscheinen kann, was ist der Anlass, was ist der Grund, dass ein Stück Unterscheidung erscheinen kann, {99} was ist der Anlass, was ist der Grund, dass ein Stück Bewusstsein erscheinen kann?«

»Die vier Hauptstoffe, Mönch, sind der Anlass, die vier Hauptstoffe sind der Grund, dass ein Stück Form erscheinen kann, Berührung ist der Anlass, Berührung ist der Grund, dass ein Stück Gefühl erscheinen kann, Berührung ist der Anlass, Berührung ist der Grund, dass ein Stück Wahrnehmung erscheinen kann, Berührung ist der Anlass, Berührung ist der Grund, dass ein Stück Unterscheidung erscheinen kann, Bild und Begriff ist, Mönch, der Anlass, Bild und Begriff ist der Grund, dass ein Stück Bewusstsein erscheinen kann.«

»Wie aber kann, o Herr, der Glaube an Persönlichkeit aufkommen?«

[S. 98]

»Da hat einer, Mönch, nichts erfahren, ist ein gewöhnlicher Mensch, ohne Sinn für das Heilige, der heiligen Lehre unkundig, der heiligen Lehre unzugänglich, ohne Sinn für das Edle, der Lehre der Edlen unkundig, der Lehre der Edlen unzugänglich und betrachtet die Form als sich selbst, oder sich selbst als formähnlich, oder in sich selbst die Form, oder in der Form sich selbst; er betrachtet das Gefühl, die Wahrnehmung, die Unterscheidungen, das Bewusstsein als sich selbst, oder sich selbst als diesen ähnlich, oder in sich selbst diese, oder in diesen sich selbst. So kann, Mönch, der Glaube an Persönlichkeit aufkommen.«

»Und wie kann, o Herr, der Glaube an Persönlichkeit nicht aufkommen?«

»Da hat einer, Mönch, als erfahrener heiliger Jünger das Heilige gemerkt, {100} ist der heiligen Lehre kundig, der heiligen Lehre wohlzugänglich, hat das Edle gemerkt, ist der Lehre der Edlen kundig, der Lehre der Edlen wohlzugänglich und betrachtet die Form nicht als sich selbst, noch sich selbst als formähnlich, noch in sich selbst die Form, noch in der Form sich selbst; er betrachtet das Gefühl, die Wahrnehmung, die Unterscheidungen, das Bewusstsein nicht als sich selbst, noch sich selbst als diesen ähnlich, noch in sich selbst diese, noch in diesen sich selbst. So kann, Mönch, der Glaube an Persönlichkeit nicht aufkommen.«

»Was ist nun, o Herr, bei der Form Labsal, was Elend, und was Ueberwindung? Was ist beim Gefühl, bei der Wahrnehmung, bei den Unterscheidungen, beim Bewusstsein Labsal, was Elend, und was Ueberwindung?«

[S. 99]

»Was da, Mönch, Wohl und Erwünschtes der Form gemäß geht, ist bei der Form Labsal; was als Form vergänglich ist, wehe, wandelbar, ist bei der Form Elend; was bei der Form Verneinung des Willensreizes ist, Verleugnung des Willensreizes, ist bei der Form Ueberwindung. Was da, Mönch, Wohl und Erwünschtes dem Gefühle, {101} der Wahrnehmung, den Unterscheidungen, dem Bewusstsein gemäß geht, ist dabei Labsal; was als Gefühl, als Wahrnehmung, als Unterscheidung, als Bewusstsein vergänglich ist, wehe, wandelbar, ist dabei Elend; was beim Gefühle, bei der Wahrnehmung, bei den Unterscheidungen, beim Bewusstsein Verneinung des Willensreizes ist, Verleugnung des Willensreizes, ist dabei Ueberwindung.«

»Wie aber können, o Herr, einen Wissenden, wie einen Sehenden, bei allen äußeren Eindrücken auf diesen mit Bewusstsein behafteten Körper da, der Ichheit und Meinheit Dünkelanwandlungen nicht ankommen?«

»Was es auch, Mönch, für eine Form sei, vergangene, zukünftige, gegenwärtige, eigene oder fremde, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe: alle Form ist, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit also angesehn: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹ Was es auch für ein Gefühl, was es auch für eine Wahrnehmung, was es auch für eine Unterscheidung, was es auch für ein Bewusstsein sei, vergangenes, zukünftiges, gegenwärtiges, eigenes oder fremdes, grobes oder feines, gemeines oder edles, fernes oder nahes: alles Gefühl, alle Wahrnehmung, {102} alle Unterscheidung, alles Bewusstsein ist, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit also angesehn: ›Das[S. 100] gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹ So können, Mönch, einen Wissenden, so einen Sehenden, bei allen äußeren Eindrücken auf diesen mit Bewusstsein behafteten Körper da, der Ichheit und Meinheit Dünkelanwandlungen nicht ankommen.«

Da stieg nun einem der Mönche folgender Gedanke im Geiste auf: ›So wäre denn also die Form ohne Selbst, das Gefühl ohne Selbst, die Wahrnehmung ohne Selbst, die Unterscheidung ohne Selbst, das Bewusstsein ohne Selbst, und ohne Selbst gethane Thaten sollten zur Thäterschaft gereichen?‹ Und der Erhabene, den Gedanken jenes Mönches im Geiste geistig gewahrend, wandte sich an die Mönche:

»Es mag wohl sein, ihr Mönche, dass da irgend ein eitler Mensch aus Unwissen, in Unwissenheit gerathen, vom Durst im Geiste überwältigt, die Weisung des Meisters überbieten zu müssen vermeine: ›So wäre denn also die Form ohne Selbst, das Gefühl ohne Selbst, die Wahrnehmung ohne Selbst, die Unterscheidung ohne Selbst, das Bewusstsein ohne Selbst, und ohne Selbst gethane Thaten sollten zur Thäterschaft gereichen?‹, fragt er. Unterwiesen seid ihr, Mönche, von mir bei solchen und ähnlichen Fragen. Was meint ihr wohl, Mönche: ist die Form unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

[S. 101]

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Was meint ihr wohl, Mönche: ist das Gefühl, die Wahrnehmung, {103} die Unterscheidung, das Bewusstsein unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Darum also, ihr Mönche: was es auch für eine Form sei, vergangene, zukünftige, gegenwärtige, eigene oder fremde, grobe oder feine, gemeine oder edle, ferne oder nahe: alle Form ist, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit also anzusehn: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹ Was es auch für ein Gefühl, was es auch für eine Wahrnehmung, was es auch für eine Unterscheidung, was es auch für ein Bewusstsein sei, vergangenes, zukünftiges, gegenwärtiges, eigenes oder fremdes, grobes oder feines, gemeines oder edles, fernes oder nahes: alles Gefühl, alle Wahrnehmung, alle Unterscheidung, alles Bewusstsein ist, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit also anzusehn: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹ In solchem Anblick, ihr Mönche, wird der erfahrene heilige Jünger der Form überdrüssig und wird des Gefühles überdrüssig und wird der Wahrnehmung überdrüssig und wird der Unterscheidungen überdrüssig und wird des Bewusstseins überdrüssig. Ueberdrüssig wendet er sich ab. Abgewandt löst[S. 102] er sich los. ›Im Erlösten ist die Erlösung‹, diese Erkenntniss geht auf. ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht er da.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.

Während aber diese Darlegung stattgefunden, hatte sich bei etwa sechzig Mönchen das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst.[41]


110.

Elfter Theil

Zehnte Rede

VOLLMOND
– II –

{104} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Osthaine, auf Mutter Migāros Terrasse.

Um diese Zeit nun hatte der Erhabene — es war ein Feiertag, im halben Monat, in der voll aufgegangenen Mondnacht — inmitten der Mönchgemeinde unter freiem Himmel Platz genommen. Und der Erhabene blickte über die lautlose, stille Schaar der Mönche hin und wandte sich also an sie:

»Kann wohl, ihr Mönche, ein schlechter Mensch einen schlechten Menschen erkennen: ›Das ist ein schlechter Mensch‹?«

»Wohl nicht, o Herr!«

[S. 103]

»Recht so, ihr Mönche. Unmöglich ist es, ihr Mönche, es kann nicht sein, dass ein schlechter Mensch einen schlechten Menschen erkenne: ›Das ist ein schlechter Mensch.‹ Kann aber, ihr Mönche, ein schlechter Mensch einen guten Menschen erkennen: ›Das ist ein guter Mensch‹?«

»Wohl nicht, o Herr!«

»Recht so, ihr Mönche. Auch das ist, ihr Mönche, unmöglich, es kann nicht sein, dass ein schlechter Mensch einen guten Menschen erkenne: ›Das ist ein guter Mensch.‹ Ein schlechter Mensch, ihr Mönche, folgt einer schlechten Weise nach, hat zu schlechten Menschen Neigung, denkt mit schlechten Menschen, beräth sich mit schlechten Menschen, bespricht sich mit schlechten Menschen, verkehrt mit schlechten Menschen, liebt die Ansichten schlechter Menschen, giebt die Gabe schlechter Menschen.

»Wie aber folgt, ihr Mönche, ein schlechter Mensch einer schlechten Weise nach? Da hat, ihr Mönche, ein schlechter Mensch kein Zutrauen, er ist schaamlos und unbescheiden, er weiß wenig, es kümmert ihn wenig, trübe sieht er, und er versteht nichts. Also folgt, ihr Mönche, ein schlechter Mensch einer schlechten Weise nach.

»{105} Wie aber hat, ihr Mönche, ein schlechter Mensch zu schlechten Menschen Neigung? Da hat, ihr Mönche, ein schlechter Mensch jene Asketen und Priester, die da ohne Zutrauen, schaamlos und unbescheiden sind, die wenig wissen, die wenig kümmert, die trübe sehn und nichts verstehn, die hat er zu Freunden, hat sie zu Genossen. Also hat, ihr Mönche, ein schlechter Mensch zu schlechten Menschen Neigung.

[S. 104]

»Wie aber denkt, ihr Mönche, ein schlechter Mensch mit schlechten Menschen? Da denkt, ihr Mönche, ein schlechter Mensch zu eigener Beschwer, und er denkt zu fremder Beschwer, und er denkt zu beider Beschwer. Also, ihr Mönche, denkt ein schlechter Mensch mit schlechten Menschen.

»Wie aber beräth sich, ihr Mönche, ein schlechter Mensch mit schlechten Menschen? Da beräth sich, ihr Mönche, ein schlechter Mensch zu eigener Beschwer, und er beräth sich zu fremder Beschwer, und er beräth sich zu beider Beschwer. Also, ihr Mönche, beräth sich ein schlechter Mensch mit schlechten Menschen.

»Wie aber bespricht sich, ihr Mönche, ein schlechter Mensch mit schlechten Menschen? Da spricht, ihr Mönche, ein schlechter Mensch Lügen, er verleumdet, führt barsche Rede, treibt geschwätzige Rede. Also, ihr Mönche, bespricht sich ein schlechter Mensch mit schlechten Menschen.

»Wie aber verkehrt, ihr Mönche, ein schlechter Mensch mit schlechten Menschen? Da bringt, ihr Mönche, ein schlechter Mensch Lebendiges um, er nimmt Nichtgegebenes, er begeht Ausschweifung. Also, ihr Mönche, verkehrt ein schlechter Mensch mit schlechten Menschen.

»Wie aber liebt, ihr Mönche, ein schlechter Mensch die Ansichten schlechter Menschen? Da bekennt sich, ihr Mönche, ein schlechter Mensch zu dieser Ansicht: ›Almosengeben, Verzichtleisten, Spenden — es ist alles eitel; {106} es giebt keine Saat und Ernte guter und böser Werke; Diesseits und Jenseits sind leere Worte; Vater und Mutter und auch geistige Geburt sind hohle Namen; die Welt hat keine Asketen und Priester, die vollkommen[S. 105] und vollendet sind, die sich den Sinn dieser und jener Welt begreiflich machen, anschaulich vorstellen und erklären können.‹ Also, ihr Mönche, liebt ein schlechter Mensch die Ansichten schlechter Menschen.

»Wie aber giebt, ihr Mönche, ein schlechter Mensch die Gabe schlechter Menschen? Da theilt, ihr Mönche, ein schlechter Mensch Gaben aus ohne zu würdigen, nicht eigenhändig, unbedacht, wirft sie weg, er glaubt an kein hülfreiches Wirken. Also, ihr Mönche, giebt ein schlechter Mensch die Gabe schlechter Menschen.

»So ein schlechter Mensch nun, ihr Mönche, der also einer schlechten Weise nachgefolgt, also schlechten Menschen zugeneigt war, also mit schlechten Menschen gedacht, also mit schlechten Menschen sich berathen, also mit schlechten Menschen sich besprochen, also mit schlechten Menschen verkehrt, also die Ansichten schlechter Menschen geliebt, also die Gabe schlechter Menschen gegeben hatte, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Fährte schlechter Menschen hingerathen. Was ist aber, ihr Mönche, die Fährte schlechter Menschen? Hölle oder Thierheit.

»Kann wohl, ihr Mönche, ein guter Mensch einen guten Menschen erkennen: ›Das ist ein guter Mensch‹?«

»Freilich, o Herr!«

»Recht so, ihr Mönche. Es mag schon sein, ihr Mönche, dass ein guter Mensch einen guten Menschen erkenne: ›Das ist ein guter Mensch.‹ Kann aber, ihr Mönche, {107} ein guter Mensch einen schlechten Menschen erkennen: ›Das ist ein schlechter Mensch‹?«

»Freilich, o Herr!«

[S. 106]

»Recht so, ihr Mönche. Auch das, ihr Mönche, mag schon sein, dass ein guter Mensch einen schlechten Menschen erkenne: ›Das ist ein schlechter Mensch.‹ Ein guter Mensch, ihr Mönche, folgt einer guten Weise nach, hat zu guten Menschen Neigung, denkt mit guten Menschen, beräth sich mit guten Menschen, bespricht sich mit guten Menschen, verkehrt mit guten Menschen, liebt die Ansichten guter Menschen, giebt die Gabe guter Menschen.

»Wie aber folgt, ihr Mönche, ein guter Mensch einer guten Weise nach? Da hat, ihr Mönche, ein guter Mensch Zutrauen, er ist schaamhaft, bescheiden, er weiß viel, tapfer harrt er aus, klar bewusst, witzig erfahren. Also folgt, ihr Mönche, ein guter Mensch einer guten Weise nach.

»Wie aber hat, ihr Mönche, ein guter Mensch zu guten Menschen Neigung? Da hat, ihr Mönche, ein guter Mensch jene Asketen und Priester, die da Zutrauen hegen, schaamhaft, bescheiden sind, die viel wissen, tapfer ausharren, klar bewusst, witzig erfahren, die hat er zu Freunden, hat sie zu Genossen. Also hat, ihr Mönche, ein guter Mensch zu guten Menschen Neigung.

»Wie aber denkt, ihr Mönche, ein guter Mensch mit guten Menschen? Da denkt, ihr Mönche, ein guter Mensch weder zu eigener Beschwer, noch denkt er zu fremder Beschwer, noch denkt er zu beider Beschwer. Also, ihr Mönche, denkt ein guter Mensch mit guten Menschen.

»Wie aber beräth sich, ihr Mönche, ein guter Mensch mit guten Menschen? Da beräth sich, ihr Mönche, ein guter Mensch weder zu eigener Beschwer, noch beräth er sich zu fremder Beschwer, noch beräth er sich zu[S. 107] beider Beschwer. Also, ihr Mönche, beräth sich ein guter Mensch mit guten Menschen.

»Wie aber bespricht sich, ihr Mönche, ein guter Mensch mit guten Menschen? {108} Da hält sich, ihr Mönche, ein guter Mensch vom Lügen zurück, vom Verleumden zurück, er führt keine barsche Rede, treibt keine geschwätzige Rede. Also, ihr Mönche, bespricht sich ein guter Mensch mit guten Menschen.

»Wie aber verkehrt, ihr Mönche, ein guter Mensch mit guten Menschen? Da hält sich, ihr Mönche, ein guter Mensch von Todtschlag zurück, von Diebstahl zurück, von Ausschweifung zurück. Also, ihr Mönche, verkehrt ein guter Mensch mit guten Menschen.

»Wie aber liebt, ihr Mönche, ein guter Mensch die Ansichten guter Menschen? Da bekennt sich, ihr Mönche, ein guter Mensch zu dieser Ansicht: ›Almosengeben, Verzichtleisten, Spenden ist kein Unsinn; es giebt eine Saat und Ernte guter und böser Werke; das Diesseits ist vorhanden und das Jenseits ist vorhanden; Eltern giebt es und geistige Geburt giebt es[42]; die Welt hat Asketen und Priester, die vollkommen und vollendet sind, die sich den Sinn dieser und jener Welt begreiflich machen, anschaulich vorstellen und erklären können.‹ Also, ihr Mönche, liebt ein guter Mensch die Ansichten guter Menschen.

»Wie aber giebt, ihr Mönche, ein guter Mensch die Gabe guter Menschen? Da theilt, ihr Mönche, ein guter Mensch Gaben aus indem er würdigt, mit eigener Hand, mit Bedacht, in lauterer Absicht, er glaubt an hülfreiches Wirken. Also, ihr Mönche, giebt ein guter Mensch die Gabe guter Menschen.

[S. 108]

»So ein guter Mensch nun, ihr Mönche, der also einer guten Weise nachgefolgt, also guten Menschen zugeneigt war, also mit guten Menschen gedacht, also mit guten Menschen sich berathen, also mit guten Menschen sich besprochen, also mit guten Menschen verkehrt, also die Ansichten guter Menschen geliebt, also die Gabe guter Menschen gegeben hatte, {109} wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Fährte guter Menschen hingerathen. Was ist aber, ihr Mönche, die Fährte guter Menschen? Göttermacht oder Menschenmacht.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[43]


[S. 109]

ZWÖLFTER THEIL
BUCH DER REIHE


[S. 111]

111.

Zwölfter Theil

Erste Rede

DIE REIHE

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Witzig, ihr Mönche, ist Sāriputto, mächtig in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, gewaltig in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, hell in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, flink in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, scharf in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto, schneidig in Wissen, ihr Mönche, ist Sāriputto; Sāriputto, ihr Mönche, hat einen halben Monat der Reihe nach die Dinge mit Klarsicht klar gesehn.

»So aber mag, ihr Mönche, Sāriputto der Reihe nach die Dinge klar sehn: da weilt, ihr Mönche, Sāriputto, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. {110} Und die Dinge der ersten Schauung, Ueberlegung und Erwägung, Heiterkeit und Säligkeit und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Acht[S. 112]samkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung gewonnen. Und die Dinge der zweiten Schauung, innere Meeresstille, Heiterkeit und Säligkeit und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ {111} weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

[S. 113]

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto in heiterer Ruhe, gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück im Körper empfunden, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so hat er die Weihe der dritten Schauung gewonnen. Und die Dinge der dritten Schauung, Gleichmuth und Säligkeit, Einsicht und Klarheit und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung gewonnen. Und die Dinge der vierten Schauung, Gleichmuth, ohne Leid-, ohne Freudengefühl, Reinheit, ohne geistigen Genuss, lauter Einsicht und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge[S. 114] lässt er wissentlich aufsteigen, {112} wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Ueberwindung der Formwahrnehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Vielheitwahrnehmungen in dem Gedanken ›Gränzenlos ist der Raum‹ das Reich des unbegränzten Raumes gewonnen. Und die Dinge der unbegränzten Raumsphäre, Wahrnehmung der unbegränzten Raumsphäre und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Ueberwindung der unbegränzten Raumsphäre in[S. 115] dem Gedanken ›Gränzenlos ist das Bewusstsein‹ das Reich des unbegrenzten Bewusstseins gewonnen. Und die Dinge der unbegränzten Bewusstseinsphäre, Wahrnehmung {113} der unbegränzten Bewusstseinsphäre und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Ueberwindung der unbegränzten Bewusstseinsphäre in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins gewonnen. Und die Dinge der Nichtdaseinsphäre, Wahrnehmung der Nichtdaseinsphäre und Einigung des Herzens, Berührung, Gefühl, Wahrnehmung, Denken, Bewusstsein, Wille, Beschluss, Kraft, Einsicht, Gleichmuth, Achtsamkeit, diese Dinge hat er der Reihe nach eingeordnet, diese Dinge lässt er wissentlich aufsteigen, wissentlich standhalten, wissentlich untergehn. Und er erkennt: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht[S. 116] angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

{114} »Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Ueberwindung der Nichtdaseinsphäre die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung gewonnen. Und aus diesem Erfunde kehrt er besonnen zurück. Und ist er aus diesem Erfunde besonnen zurückgekehrt, so nimmt er die Dinge, die überstanden, aufgelöst, umgewandelt sind, wahr: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt noch eine höhere Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es.‹

»Denn ferner noch, ihr Mönche, hat Sāriputto nach völliger Ueberwindung der Gränzscheide möglicher Wahrnehmung die Auflösung der Wahrnehmbarkeit gewonnen, und des weise Sehenden Wahn ist aufgehoben. Und aus diesem Erfunde kehrt er besonnen zurück. Und ist er aus diesem Erfunde besonnen zurückgekehrt, so nimmt er die Dinge, die überstanden, aufgelöst, umgewandelt sind, wahr: ›So kommen denn diese Dinge ungewesen zum Vorschein, und gewesen verschwinden sie wieder.‹ Und er ist diesen Dingen nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, ist ihnen entgangen, ihnen entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. Denn ›Es giebt keine höhere[S. 117] Freiheit‹ weiß er. Und indem er sie entwickelt merkt er eben ›Das giebt es nicht.‹

»Wer nun einen solchen, ihr Mönche, beim rechten Namen nennen mag: ›Waltefürst, Oberfürst in heiliger Sitte, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Vertiefung, Waltefürst, {115} Oberfürst in heiliger Weisheit, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Enthaftung‹, der mag eben einen Sāriputto beim rechten Namen nennen: ›Waltefürst, Oberfürst in heiliger Sitte, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Vertiefung, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Weisheit, Waltefürst, Oberfürst in heiliger Enthaftung.‹ Wer nun einen solchen, ihr Mönche, beim rechten Namen nennen mag: ›Sohn des Erhabenen, von ächter Abstammung, aus dem Munde geboren, in der Lehre gezeugt, in der Lehre gebildet, Erbe der Lehre, nicht Erbe der Nothdurft‹, der mag eben einen Sāriputto beim rechten Namen nennen: ›Sohn des Erhabenen, von ächter Abstammung, aus dem Munde geboren, in der Lehre gezeugt, in der Lehre gebildet, Erbe der Lehre, nicht Erbe der Nothdurft.‹ Sāriputto, ihr Mönche, stellt das höchste Reich der Wahrheit, nachdem es der Vollendete dargestellt hat, ganz ebenso dar.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


[S. 118]

112.

Zwölfter Theil

Zweite Rede

SECHS ERLÄUTERN

{116} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Da giebt, ihr Mönche, ein Mönch die Gewissheit zu erkennen: ‚›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteh’ ich da.‘ Die Rede, ihr Mönche, eines solchen Mönches ist weder zu billigen noch abzuweisen; ohne zu billigen, ohne abzuweisen ist die Frage zu stellen: ›Vier Arten, Bruder, von Betragen hat Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, recht gekennzeichnet: und welche vier? Bei Gesehnem das Gesehne verlautbaren, bei Gehörtem das Gehörte verlautbaren, bei Gedachtem das Gedachte verlautbaren, bei Erkanntem das Erkannte verlautbaren: das sind, Bruder, vier Arten von Betragen, die Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, recht gekennzeichnet hat; was für Wissen hat nun der Ehrwürdige, was für Schauen bei diesen vier Arten von Betragen und hat das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst?‹ Ein Mönch, ihr Mönche, der Wahnversieger, Endiger ist, der das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil sich errungen, die Daseinsfesseln[S. 119] vernichtet, sich durch vollkommene Erkenntniss erlöst hat, kann folgende Rechenschaft ablegen: ›Bei Gesehnem bin ich, Brüder, nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, bin ihm entgangen, bin ihm entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen; bei Gehörtem — bei Gedachtem — bei Erkanntem bin ich, Brüder, {117} nicht zugeneigt und nicht abgeneigt, nicht angeschlossen, nicht angeheftet, bin ihm entgangen, bin ihm entronnen, ohne das Gemüth umschränken zu lassen. So ein Wissen hab’ ich, Brüder, so ein Schauen bei diesen vier Arten von Betragen und habe das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst.‹

»Die Rede, ihr Mönche, eines solchen Mönches ist zu billigen und gutzuheißen; und hat man sie gebilligt und gutgeheißen, so ist eine fernere Frage zu stellen: ›Fünf sind es, Bruder, der Stücke des Anhangens, die Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, recht gekennzeichnet hat: und welche fünf? Als da ist ein Stück Anhangen an der Form, ein Stück Anhangen am Gefühl, ein Stück Anhangen an der Wahrnehmung, ein Stück Anhangen an der Unterscheidung, ein Stück Anhangen am Bewusstsein: das sind, Bruder, die fünf Stücke des Anhangens, die Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, recht gekennzeichnet hat; was für Wissen hat nun der Ehrwürdige, was für Schauen bei diesen fünf Stücken des Anhangens und hat das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst?‹ Ein Mönch, ihr Mönche, der Wahnversieger, Endiger ist, der das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil sich errungen, die Daseinsfesseln vernichtet, sich durch vollkommene Erkenntniss[S. 120] erlöst hat, kann folgende Rechenschaft ablegen: ›Die Form hab’ ich, Brüder, als ohnmächtig, unergetzlich, unerquicklich erkannt, und was bei der Form anhänglich Anhangen ist, geistiges Anlehnen, Anschmiegen, Angewöhnen: weil ich das versiegen und versagen, aufhören, zergehn, entschwinden habe lassen, ist mein Herz abgelöst, versteh’ ich da. Das Gefühl, die Wahrnehmung, die Unterscheidungen, das Bewusstsein hab’ ich, Brüder, {118} als ohnmächtig, unergetzlich, unerquicklich erkannt, und was beim Gefühl, bei der Wahrnehmung, bei den Unterscheidungen, beim Bewusstsein anhänglich Anhangen ist, geistiges Anlehnen, Anschmiegen, Angewöhnen: weil ich das versiegen und versagen, aufhören, zergehn, entschwinden habe lassen, ist mein Herz abgelöst, versteh’ ich da. So ein Wissen hab’ ich, Brüder, so ein Schauen bei diesen fünf Stücken des Anhangens und habe das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst.‹

»Die Rede, ihr Mönche, eines solchen Mönches ist zu billigen und gutzuheißen; und hat man sie gebilligt und gutgeheißen, so ist eine fernere Frage zu stellen: ›Sechs Artungen sind es, Bruder, die Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, recht gekennzeichnet hat: und welche sechs? Art der Erde, Art des Wassers, Art des Feuers, Art der Luft, Art des Raumes, Art des Bewusstseins: das sind, Bruder, sechs Artungen, die Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, recht gekennzeichnet hat; was für Wissen hat nun der Ehrwürdige, was für Schauen bei diesen sechs Artungen und hat das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst?‹[S. 121] Ein Mönch, ihr Mönche, der Wahnversieger, Endiger ist, der das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil sich errungen, die Daseinsfesseln vernichtet, sich durch vollkommene Erkenntniss erlöst hat, kann folgende Rechenschaft ablegen: ›Die Art der Erde hab’ ich, Brüder, als uneigen begriffen und mich als nicht in der Art der Erde bestanden, und was in der Art der Erde bestanden ist, anhänglich Anhangen, geistiges Anlehnen, Anschmiegen, Angewöhnen: weil ich das versiegen und versagen, aufhören, zergehn, entschwinden habe lassen, ist mein Herz abgelöst, versteh’ ich da. Die Art des Wassers — die Art des Feuers — die Art der Luft — die Art des Raumes — die Art des Bewusstseins hab’ ich, Brüder, {119} als uneigen begriffen und mich als nicht in der Art des Bewusstseins bestanden, und was in der Art des Bewusstseins bestanden ist, anhänglich Anhangen, geistiges Anlehnen, Anschmiegen, Angewöhnen: weil ich das versiegen und versagen, aufhören, zergehn, entschwinden habe lassen, ist mein Herz abgelöst, versteh’ ich da. So ein Wissen hab’ ich, Brüder, so ein Schauen bei diesen sechs Artungen und habe das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst.‹

»Die Rede, ihr Mönche, eines solchen Mönches ist zu billigen und gutzuheißen; und hat man sie gebilligt und gutgeheißen, so ist eine fernere Frage zu stellen: ›Sechs sind es wiederum, Bruder, der Innen- und Außengebiete, die Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, recht gekennzeichnet hat: und welche sechs? Das Auge und die Formen, das Ohr und die Töne, die Nase und die Düfte, die Zunge und die Säfte, der Leib und die Tastungen, das Denken und[S. 122] die Dinge: das sind, Bruder, die sechs Innen- und Außengebiete, die Er, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte recht gekennzeichnet hat; was für Wissen hat nun der Ehrwürdige, was für Schauen bei diesen sechs Innen- und Außengebieten und hat das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst?‹ Ein Mönch, ihr Mönche, der Wahnversieger, Endiger ist, der das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil sich errungen, die Daseinsfesseln vernichtet, sich durch vollkommene Erkenntnis erlöst hat, kann folgende Rechenschaft ablegen: ›Beim Auge, Brüder, bei der Form, beim Sehbewusstsein, bei den durch das Sehbewusstsein bewusstbaren Dingen, was da Wille und Gier, was da Lust und Durst, was anhänglich Anhangen ist, geistiges Anlehnen, Anschmiegen, Angewöhnen: {120} weil ich das versiegen und versagen, aufhören, zergehn, entschwinden habe lassen, ist mein Herz abgelöst, versteh’ ich da. Beim Ohr — bei der Nase — bei der Zunge — beim Leibe — beim Denken, Brüder, bei den Dingen, beim Denkbewusstsein, bei den durch das Denkbewusstsein bewusstbaren Dingen, was da Wille und Gier, was da Lust und Durst, was anhänglich Anhangen ist, geistiges Anlehnen, Anschmiegen, Angewöhnen: weil ich das versiegen und versagen, aufhören, zergehn, entschwinden habe lassen, ist mein Herz abgelöst, versteh’ ich da. So ein Wissen hab’ ich, Brüder, so ein Schauen bei diesen sechs Innen- und Außengebieten und habe das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst.‹

»Die Rede, ihr Mönche, eines solchen Mönches ist zu billigen und gutzuheißen; und hat man sie gebilligt und gutgeheißen, so ist eine fernere Frage zu stellen:[S. 123] ›Was für Wissen hat nun der Ehrwürdige, was für Schauen, bei allen äußeren Eindrücken auf diesen mit Bewusstsein behafteten Körper da, und hat der Ichheit und Meinheit Dünkelanwandlungen gänzlich ausgetilgt?‹ Ein Mönch, ihr Mönche, der Wahnversieger, Endiger ist, der das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil sich errungen, die Daseinsfesseln vernichtet, sich durch vollkommene Erkenntniss erlöst hat, kann folgende Rechenschaft ablegen: ›Früher war ich, Brüder, in häuslichem Leben erwachsen, ein unwissender Mensch gewesen. Da hat mir der Vollendete, oder ein Jünger des Vollendeten, die Lehre gezeigt. Als ich von ihm die Lehre vernommen, hab’ ich Vertrauen zum Vollendeten gefasst. Von diesem Vertrauen erfüllt hab’ ich da bei mir erwogen: {121} ‚Ein Gefängniss ist die Häuslichkeit, ein Schmutzwinkel; der freie Himmelsraum die Pilgerschaft. Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketenthum Punkt für Punkt zu erfüllen.[44] Wie, wenn ich nun, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinauszöge?‘ Und ich habe dann, Brüder, nach einiger Zeit, einen kleinen Besitz oder einen großen Besitz verlassen, einen kleinen Verwandtenkreis oder einen großen Verwandtenkreis verlassen, Haar und Bart abgeschoren, die fahlen Gewänder angelegt und bin aus dem Hause in die Hauslosigkeit gezogen.

›Ich war nun Pilger geworden und hatte die Ordenspflichten der Mönche auf mich genommen. Lebendiges umzubringen hatt’ ich verworfen, Lebendiges umzubringen lag mir fern: ohne Stock, ohne Schwerdt, fühlsam,[S. 124] voll Theilnahme, hegt’ ich zu allen lebenden Wesen Liebe und Mitleid. Nichtgegebenes zu nehmen hatt’ ich verworfen, vom Nehmen des Nichtgegebenen hielt ich mich fern: Gegebenes nahm ich, Gegebenes wartete ich ab, nicht diebisch gesinnt, rein gewordenen Herzens. Die Unkeuschheit hatt’ ich verworfen, keusch lebt’ ich: fern zog ich hin, entrathen der Paarung, dem gemeinen Gesetze.[45] Lüge hatt’ ich verworfen, von Lüge hielt ich mich fern: die Wahrheit sprach ich, der Wahrheit war ich ergeben, standhaft, vertrauenswürdig, kein Häuchler und Schmeichler der Welt. Das Ausrichten hatt’ ich verworfen, vom Ausrichten hielt ich mich fern: was ich hier gehört hatte erzählt’ ich dort nicht wieder, um jene zu entzweien, und was ich dort gehört hatte erzählt’ ich hier nicht wieder, um diese zu entzweien; so einigte ich Entzweite, festigte Verbundene, Eintracht machte mich froh, {122} Eintracht freute mich, Eintracht beglückte mich, Eintracht fördernde Worte sprach ich. Barsche Worte hatt’ ich verworfen, von barschen Worten hielt ich mich fern: Worte, die frei von Schimpf sind, dem Ohre wohlthuend, liebreich, zum Herzen dringend, höflich[46], viele erfreuend, viele erhebend, solche Worte sprach ich. Plappern und Plaudern hatt’ ich verworfen, von Plappern und Plaudern hielt ich mich fern: zur rechten Zeit sprach ich, den Thatsachen gemäß, auf den Sinn bedacht, der Lehre und Ordnung getreu, meine Rede war inhaltreich, gelegentlich mit Gleichnissen geschmückt, klar und bestimmt, ihrem Gegenstande angemessen.

›Sämereien und Pflanzungen anzulegen hatt’ ich verschmäht. Einmal des Tags nahm ich Nahrung zu mir,[S. 125] nachts war ich nüchtern, fern lag es mir zur Unzeit zu essen. Von Tanz, Gesang, Spiel, Schaustellungen hielt ich mich fern. Kränze, Wohlgerüche, Salben, Schmuck, Zierrath, Putz wies ich ab. Hohe, prächtige Lagerstätten verschmähte ich. Gold und Silber nahm ich nicht an. Rohes Getreide nahm ich nicht an. Rohes Fleisch nahm ich nicht an. Frauen und Mädchen nahm ich nicht an. Diener und Dienerinen nahm ich nicht an. Ziegen und Schaafe nahm ich nicht an. Hühner und Schweine nahm ich nicht an. Elephanten, Rinder und Rosse nahm ich nicht an. Haus und Feld nahm ich nicht an. Botschaften, Sendungen, Aufträge übernahm ich nicht. Von Kauf und Verkauf hielt ich mich fern. Von falschem Maaß und Gewicht hielt ich mich fern. Von den schiefen Wegen der Bestechung, Täuschung, Niedertracht hielt ich mich fern. Von Raufereien, Schlägereien, Händeln, vom Rauben, Plündern und Zwingen hielt ich mich fern.

›Ich war zufrieden mit dem Gewande, das meinen Leib deckte, mit der Almosenspeise, die mein Leben unterhielt. {123} Wohin ich auch pilgerte, nur mit dem Gewande und der Almosenschaale versehn pilgerte ich. Gleichwie da etwa ein beschwingter Vogel, wohin er auch fliegt, nur mit der Last seiner Federn fliegt, ebenso auch war ich, Brüder, mit dem Gewande zufrieden, das meinen Leib deckte, mit der Almosenspeise, die mein Leben unterhielt. Wohin ich auch wanderte, nur damit versehn wanderte ich.[47]

›Durch die Erfüllung dieser heiligen Tugendsatzung empfand ich ein inneres fleckenloses Glück.

›Erblickte ich nun mit dem Gesichte eine Form, so fasste ich keine Neigung, fasste keine Absicht. Da Begierde[S. 126] und Missmuth, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbewachten Gesichtes verweilt, befleißigte ich mich dieser Bewachung, ich hütete das Gesicht, ich wachte eifrig über das Gesicht.

›Hörte ich nun mit dem Gehöre einen Ton,

›Roch ich nun mit dem Geruche einen Duft,

›Schmeckte ich nun mit dem Geschmacke einen Saft,

›Tastete ich nun mit dem Getaste eine Tastung,

›Erkannte ich nun mit dem Gedenken ein Ding, so fasste ich keine Neigung, fasste keine Absicht. Da Begierde und Missmuth, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbewachten Gedenkens verweilt, befleißigte ich mich dieser Bewachung, ich hütete das Gedenken, ich wachte eifrig über das Gedenken.

›Durch die Erfüllung dieser heiligen Sinnenzügelung empfand ich ein inneres ungetrübtes Glück.

›Klar bewusst kam ich und ging ich, klar bewusst blickt’ ich hin, blickt’ ich weg, klar bewusst regt’ und bewegt’ ich mich, klar bewusst trug ich des Ordens Gewand und Almosenschaale, klar bewusst aß und trank ich, kaut’ ich und schmeckt’ ich, klar bewusst entleert’ ich Koth und Harn, {124} klar bewusst ging und stand und saß ich, schlief ich ein, wacht’ ich auf, sprach ich und schwieg ich.

›Treu dieser heiligen Tugendsatzung, treu dieser heiligen Sinnenzügelung, treu dieser heiligen klaren Einsicht suchte ich einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn ich vom Almosengange zurückgekehrt war, setzte ich mich[S. 127] mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegte der Einsicht. Ich hatte weltliche Begierde verworfen und verweilte begierdelosen Gemüthes, von Begierde läuterte ich mein Herz. Gehässigkeit hatt’ ich verworfen, hasslosen Gemüthes verweilt’ ich, voll Liebe und Mitleid zu allen lebenden Wesen läuterte ich mein Herz von Gehässigkeit. Matte Müde hatt’ ich verworfen, von matter Müde war ich frei; das Licht liebend, einsichtig, klar bewusst, läuterte ich mein Herz von matter Müde. Stolzen Unmuth hatt’ ich verworfen, ich war frei von Stolz; innig beruhigten Gemüthes läuterte ich mein Herz von stolzem Unmuth.[48] Das Schwanken hatt’ ich verworfen, der Ungewissheit war ich entronnen; ich zweifelte nicht am Guten, vom Schwanken läuterte ich mein Herz.

›Ich hatte nun diese fünf Hemmungen aufgehoben, hatte die Schlacken des Gemüthes kennen gelernt, die lähmenden; gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen lebt’ ich in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung.

›Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens gewann ich die innere Meeresstille[49], die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung.

›In heiterer Ruhe verweilte ich gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfand ich im Körper, von dem die Heiligen sagen: ‚Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‘; so gewann ich die Weihe der dritten Schauung.

[S. 128]

›Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns gewann ich die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung.

›Solchen Gemüthes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, {125} schlackengeklärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtete ich das Gemüth auf die Erkenntnis der Wahnversiegung. ‚Das ist das Leiden‘ verstand ich der Wahrheit gemäß. ‚Das ist die Leidensentwicklung‘ verstand ich der Wahrheit gemäß. ‚Das ist die Leidensauflösung‘ verstand ich der Wahrheit gemäß. ‚Das ist der zur Leidensauflösung führende Pfad‘ verstand ich der Wahrheit gemäß. ‚Das ist der Wahn‘ verstand ich der Wahrheit gemäß. ‚Das ist die Wahnentwicklung‘ verstand ich der Wahrheit gemäß. ‚Das ist die Wahnauflösung‘ verstand ich der Wahrheit gemäß. ‚Das ist der zur Wahnauflösung führende Pfad‘ verstand ich der Wahrheit gemäß.

›Also erkennend, also sehend ward da mein Gemüth erlöst vom Wunscheswahn, erlöst vom Daseinswahn, erlöst vom Nichtwissenswahn. ‚Im Erlösten ist die Erlösung‘, diese Erkenntniss ging auf. ‚Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‘ verstand ich da.

›So ein Wissen hab’ ich, Brüder, so ein Schauen, bei allen äußeren Eindrücken auf diesen mit Bewusstsein behafteten Körper da, und habe der Ichheit und Meinheit Dünkelanwandlungen gänzlich ausgetilgt.‹

»Die Rede, ihr Mönche, eines solchen Mönches ist zu billigen und gutzuheißen; und hat man sie gebilligt und gutgeheißen, so hat man ihn also anzureden: ›Gesegnet[S. 129] sind wir, Bruder, hochgesegnet sind wir, Bruder, die wir den Ehrwürdigen als so ächten Asketen gegenwärtig haben.‹«[50]

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


113.

Zwölfter Theil

Dritte Rede

EIN GUTER MENSCH

{126} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Die Weise guter Menschen will ich euch zeigen, ihr Mönche, und die Weise schlechter Menschen: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Was ist nun, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen? Da ist, ihr Mönche, ein schlechter Mensch aus einem vornehmen Hause hinausgezogen. Der gedenkt bei sich: ›Ich bin freilich aus einem vornehmen Hause hinausgezogen, diese anderen Mönche aber, die sind es nicht.‹ Um seiner vornehmen Abkunft willen brüstet er[S. 130] sich und verachtet die anderen. Das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch um vornehmer Abkunft willen kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer nicht aus einem vornehmen Hause hinausgezogen ist, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und um seiner vornehmen Abkunft willen brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, ist ein schlechter Mensch aus einem reichen Hause hinausgezogen.[51] {127} Der gedenkt bei sich: ›Ich bin freilich aus einem reichen Hause hinausgezogen, diese anderen Mönche aber, die sind es nicht.‹ Um seines Reichthums willen brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch um des Reichthums willen kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer nicht aus einem reichen Hause hinausgezogen ist, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und um seines Reichthums willen brüstet er sich nicht, noch verachtet[S. 131] er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, ist ein schlechter Mensch bekannt und berühmt. Der gedenkt bei sich: ›Ich bin freilich bekannt und berühmt, diese anderen Mönche aber sind unbekannt, unscheinbar.‹ Um seiner Bekanntheit willen brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch um der Bekanntheit willen kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer nicht bekannt und berühmt ist, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und um seiner Bekanntheit willen brüstet er sich nicht, {128} noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, erlangt ein schlechter Mensch Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzenei im Falle der Krankheit. Der gedenkt bei sich: ›Ich freilich erlange Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzenei im Falle der Krankheit, diese anderen Mönche aber, die erlangen es nicht.‹ Um dieser Erlangung willen brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch um der Erlangung willen kann man[S. 132] begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer keine Kleidung, Nahrung, Lagerstatt und Arzenei im Falle der Krankheit erlangt, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil er etwas erlangt, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, weiß ein schlechter Mensch viel. Der gedenkt bei sich: ›Ich freilich weiß viel, diese anderen Mönche aber, die wissen nicht viel.‹ Weil er viel weiß, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.[52]

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch weil man viel weiß, kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. {129} Wenn auch einer nicht viel weiß, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil er viel weiß, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, ist ein schlechter Mensch ein Künder der Ordenszucht. Der gedenkt bei sich: ›Ich bin freilich ein Künder der Ordenszucht, diese anderen Mönche aber, die sind keine Künder der Ordenszucht.‹[S. 133] Um seiner Kunde der Ordenszucht willen brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch um der Kunde der Ordenszucht willen kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer kein Künder der Ordenszucht ist, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und um seiner Kunde der Ordenszucht willen brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, ist ein schlechter Mensch ein Sprecher der Lehre. Der gedenkt bei sich: ›Ich bin freilich ein Sprecher der Lehre, diese anderen Mönche aber, die sind keine Sprecher der Lehre.‹ Weil er über die Lehre spricht, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: {130} ›Nicht doch weil man über die Lehre spricht, kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer kein Sprecher der Lehre ist, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil er über die Lehre[S. 134] spricht, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, ist ein schlechter Mensch ein Waldeinsiedler. Der gedenkt bei sich: ›Ich bin freilich ein Waldeinsiedler, diese anderen Mönche aber, die sind keine Waldeinsiedler.‹ Um sein Waldeinsiedlerthum brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch um Waldeinsiedlerthum kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer kein Waldeinsiedler ist, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und um sein Waldeinsiedlerthum brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, trägt ein schlechter Mensch die Fetzenkutte. Der gedenkt bei sich: ›Ich trage freilich die Fetzenkutte, diese anderen Mönche aber, die tragen keine Fetzenkutte.‹ Weil er die Fetzenkutte trägt, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: {131} ›Nicht doch weil man die Fetzenkutte trägt, kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften[S. 135] verlieren. Wenn auch einer keine Fetzenkutte trägt, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil er die Fetzenkutte trägt, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, ist ein schlechter Mensch ein Brockenbettler.[53] Der gedenkt bei sich: ›Ich bin freilich ein Brockenbettler, diese anderen Mönche aber, die sind keine Brockenbettler.‹ Um sein Brockenbettlerthum brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch um Brockenbettlerthum kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer kein Brockenbettler ist, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und um sein Brockenbettlerthum brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, lebt ein schlechter Mensch unter einem Baume. Der gedenkt bei sich: ›Ich freilich lebe unter einem Baume, diese anderen Mönche aber, die leben nicht unter Bäumen.‹ Weil er unter einem Baume lebt, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

[S. 136]

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: {132} ›Nicht doch weil man unter einem Baume lebt, kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer nicht unter einem Baume lebt, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil er unter einem Baume lebt, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, lebt ein schlechter Mensch auf einem Leichenhofe. Der gedenkt bei sich: ›Ich freilich lebe auf einem Leichenhofe, diese anderen Mönche aber, die leben nicht auf Leichenhöfen.‹ Weil er auf einem Leichenhofe lebt, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch weil man auf einem Leichenhofe lebt, kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer nicht auf einem Leichenhofe lebt, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil er auf einem Leichenhofe lebt, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

[S. 137]

»Weiter sodann, ihr Mönche, lebt ein schlechter Mensch in einer offenen Ebene. Der gedenkt bei sich: ›Ich freilich lebe in einer offenen Ebene, diese anderen Mönche aber, die leben nicht in offenen Ebenen.‹ Weil er in einer offenen Ebene lebt, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch weil man in einer offenen Ebene lebt, kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer nicht in einer offenen Ebene lebt, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil er in einer offenen Ebene lebt, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, ruht ein schlechter Mensch nur sitzend aus. Der gedenkt bei sich: ›Ich freilich ruhe nur sitzend aus, diese anderen Mönche aber, die legen sich hin.‹ Weil er nur sitzend ausruht, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch weil man nur sitzend ausruht, kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer sich hinlegt, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden[S. 138] Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil er nur sitzend ausruht, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, ist einem schlechten Menschen ein jeder Ort recht. Der gedenkt bei sich: ›Mir freilich ist ein jeder Ort recht, diesen anderen Mönchen aber, denen ist nicht ein jeder Ort recht.‹ Weil ihm ein jeder Ort recht ist, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch weil einem ein jeder Ort recht ist, kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einem nicht ein jeder Ort recht ist, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgte der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil ihm ein jeder Ort recht ist, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, nimmt ein schlechter Mensch nur einmal Nahrung ein.[54] Der gedenkt bei sich: ›Ich freilich nehme nur einmal Nahrung ein, diese anderen Mönche aber, die nehmen nicht nur einmal Nahrung ein.‹ Weil er nur einmal Nahrung einnimmt, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

[S. 139]

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Nicht doch weil man nur einmal Nahrung einnimmt, kann man begehrliche Eigenschaften verlieren, kann man gehässige Eigenschaften verlieren, kann man eitle Eigenschaften verlieren. Wenn auch einer nicht nur einmal Nahrung einnimmt, und er wandelt der Lehre gemäß, wandelt auf dem geraden Wege, folgt der Lehre nach, so ist er darum zu ehren, so ist er darum zu preisen.‹ Der macht eben den Wandel zum Wesen, und weil er nur einmal Nahrung einnimmt, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.[55]

»Weiter sodann, ihr Mönche, gewinnt ein schlechter Mensch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit die Weihe der ersten Schauung. Der gedenkt bei sich: {133} ›Ich habe freilich die Weihe der ersten Schauung gewonnen, diese anderen Mönche aber, die haben die Weihe der ersten Schauung nicht gewonnen.‹ Weil er die Weihe der ersten Schauung gewonnen hat, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Auch von der Weihe der ersten Schauung hat der Erhabene als Unbestand gesprochen:

Denn je mehr sie mehr vermeinen,
Immer wandelbarer wird es.‹

Der macht eben den Unbestand zum Wesen, und weil er die Weihe der ersten Schauung gewonnen hat, brüstet[S. 140] er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.[56]

»Weiter sodann, ihr Mönche, gewinnt ein schlechter Mensch, nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Der gedenkt bei sich: ›Ich habe freilich die Weihe der zweiten Schauung gewonnen, diese anderen Mönche aber, die haben die Weihe der zweiten Schauung nicht gewonnen.‹ Weil er die Weihe der zweiten Schauung gewonnen hat, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Auch von der Weihe der zweiten Schauung hat der Erhabene als Unbestand gesprochen:

Denn je mehr sie mehr vermeinen,
Immer wandelbarer wird es.‹

Der macht eben den Unbestand zum Wesen, und weil er die Weihe der zweiten Schauung gewonnen hat, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, empfindet ein schlechter Mensch, in heiterer Ruhe, gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so gewinnt er die Weihe der dritten Schauung. Der gedenkt bei sich: ›Ich habe freilich die Weihe der dritten Schauung gewonnen, diese anderen Mönche aber, die haben die Weihe der dritten Schauung nicht gewonnen.‹[S. 141] Weil er die Weihe der dritten Schauung gewonnen hat, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Auch von der Weihe der dritten Schauung hat der Erhabene als Unbestand gesprochen:

Denn je mehr sie mehr vermeinen,
Immer wandelbarer wird es.‹

Der macht eben den Unbestand zum Wesen, und weil er die Weihe der dritten Schauung gewonnen hat, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, gewinnt ein schlechter Mensch nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Der gedenkt bei sich: ›Ich habe freilich die Weihe der vierten Schauung gewonnen, diese anderen Mönche aber, die haben die Weihe der vierten Schauung nicht gewonnen.‹ Weil er die Weihe der vierten Schauung gewonnen hat, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Auch von der Weihe der vierten Schauung hat der Erhabene als Unbestand gesprochen:

Denn je mehr sie mehr vermeinen,
Immer wandelbarer wird es.‹

Der macht eben den Unbestand zum Wesen, und weil er[S. 142] die Weihe der vierten Schauung gewonnen hat, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, gewinnt ein schlechter {134} Mensch nach völliger Ueberwindung der Formwahrnehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen[57], Verwerfung der Vielheitwahrnehmungen in dem Gedanken ›Gränzenlos ist der Raum‹ das Reich des unbegränzten Raumes. Der gedenkt bei sich: ›Ich habe freilich das Reich des unbegränzten Raumes erworben, diese anderen Mönche aber, die haben das Reich des unbegränzten Raumes nicht erworben.‹ Weil er das Reich des unbegränzten Raumes erworben hat, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Auch von der Erwerbung der unbegränzten Raumsphäre hat der Erhabene als Unbestand gesprochen:

Denn je mehr sie mehr vermeinen,
Immer wandelbarer wird es.‹

Der macht eben den Unbestand zum Wesen, und weil er das Reich des unbegränzten Raumes erworben hat, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, gewinnt ein schlechter Mensch nach völliger Ueberwindung der unbegränzten Raumsphäre in dem Gedanken ›Gränzenlos ist das Bewusstsein‹ das Reich des unbegränzten Bewusstseins. Der gedenkt bei sich: ›Ich habe freilich das Reich des unbegränzten Bewusstseins erworben, diese anderen[S. 143] Mönche aber, die haben das Reich des unbegränzten Bewusstseins nicht erworben.‹ Weil er das Reich des unbegränzten Bewusstseins erworben hat, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Auch von der Erwerbung der unbegränzten Bewusstseinsphäre hat der Erhabene als Unbestand gesprochen:

Denn je mehr sie mehr vermeinen,
Immer wandelbarer wird es.‹

Der macht eben den Unbestand zum Wesen, und weil er das Reich des unbegränzten Bewusstseins erworben hat, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. {135} Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, gewinnt ein schlechter Mensch nach völliger Ueberwindung der unbegränzten Bewusstseinsphäre in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins. Der gedenkt bei sich: ›Ich habe freilich das Reich des Nichtdaseins erworben, diese anderen Mönche aber, die haben das Reich des Nichtdaseins nicht erworben.‹ Weil er das Reich des Nichtdaseins erworben hat, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Auch von der Erwerbung der Nichtdaseinsphäre hat der Erhabene als Unbestand gesprochen:

Denn je mehr sie mehr vermeinen,
Immer wandelbarer wird es.‹

[S. 144]

Der macht eben den Unbestand zum Wesen, und weil er das Reich des Nichtdaseins erworben hat, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, gewinnt ein schlechter Mensch nach völliger Ueberwindung der Nichtdaseinsphäre die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung. Der gedenkt bei sich: ›Ich habe freilich die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung erworben, diese anderen Mönche aber, die haben die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung nicht erworben.‹ Weil er die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung erworben hat, brüstet er sich und verachtet die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise schlechter Menschen.

»Ein guter Mensch aber, ihr Mönche, gedenkt bei sich: ›Auch von der Erwerbung der Gränzscheide möglicher Wahrnehmung hat der Erhabene als Unbestand gesprochen:

Denn je mehr sie mehr vermeinen,
Immer wandelbarer wird es.‹

{136} Der macht eben den Unbestand zum Wesen, und weil er die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung erworben hat, brüstet er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Auch das ist, ihr Mönche, die Weise guter Menschen.

»Weiter sodann, ihr Mönche, gewinnt ein guter Mensch nach völliger Ueberwindung der Gränzscheide möglicher Wahrnehmung die Auflösung der Wahrnehmbarkeit, und des weise Sehenden Wahn ist aufgehoben. Das ist, ihr Mönche, ein Mönch, der gar nichts vermeint, von gar nichts vermeint, um gar nichts vermeint.«

[S. 145]

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[58]


114.

Zwölfter Theil

Vierte Rede

ZU BETREIBEN UND NICHT ZU BETREIBEN

{137} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhobene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Was zu betreiben und was nicht zu betreiben ist, ihr Mönche, werde ich euch der Reihe nach anzeigen: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Betragen in Thaten, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Betragen in Thaten. Betragen in Worten, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Betragen in Worten. Betragen in Gedanken, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Betragen in Gedanken. Herzensentschließung,[S. 146] sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetzte Herzensentschließung. Verständniss erlangen, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Verständniss erlangen. Erkenntniss erlangen, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetzte Erkenntniss erlangen. Eigenschaft erlangen, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetzte Eigenschaft erlangen.«

Nach diesen Worten wandte sich der ehrwürdige Sāriputto also an den Erhabenen:

»Was da, o Herr, der Erhabene in Kürze gesagt, nicht ausführlich dargestellt hat, {138} scheint mir, ausgeführt, dies zu bedeuten: ›Betragen in Thaten, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Betragen in Thaten‹: das ist da wohl vom Erhabenen gesagt worden; und warum ist es gesagt worden? Ein Betragen, o Herr, in Thaten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, ein solches Betragen in Thaten ist nicht zu betreiben. Ein Betragen aber, o Herr, in Thaten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, ein solches Betragen in Thaten ist zu betreiben.

»Was ist das nun, o Herr, für ein Betragen in Thaten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich[S. 147] mindern? Da ist einer, o Herr, ein Mörder, grausam und blutgierig, der Gewalt und dem Todtschlag ergeben, ohne Erbarmen gegen seine Mitwesen. Dann nimmt er was man ihm nicht gegeben hat; was ein anderer in Dorf oder Wald an Hab und Gut besitzt, das macht er sich ungeschenkt, in diebischer Absicht, zueigen. Und er begeht Ausschweifung; mit einem Mädchen, das unter der Obhut der Mutter oder des Vaters, unter der Obhut von Bruder oder von Schwester, unter der Obhut von Verwandten steht, mit einer Gattenbefohlenen oder einer Dienstergebenen, bis herab zu der blumengeschmückten Tänzerin, mit solchen pflegt er Verkehr.[59] Das ist, o Herr, ein Betragen in Thaten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern.

»Was ist es aber, o Herr, für ein Betragen in Thaten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren? Da hat einer, o Herr, das Morden verworfen, vom Tödten hält er sich fern; {139} Stock und Schwerdt hat er abgelegt, er ist mild und theilnehmend, voll Liebe und Mitleid zu allem was da lebt und athmet. Nichtgegebenes zu nehmen hat er verworfen, vom Stehlen hält er sich fern; was ein anderer in Dorf oder Wald an Hab und Gut besitzt, das macht er sich ungeschenkt, in diebischer Absicht, nicht zueigen. Ausschweifung hat er verworfen, von Ausschweifung hält er sich fern; mit einem Mädchen, das unter der Obhut der Mutter oder des Vaters, unter der Obhut von Bruder oder von Schwester, unter der Obhut von Verwandten steht, mit einer Gattenbefohlenen oder einer Dienstergebenen, bis[S. 148] herab zu der blumengeschmückten Tänzerin, mit solchen pflegt er keinen Verkehr. Das ist, o Herr, ein Betragen in Thaten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren. — ›Betragen in Thaten, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Betragen in Thaten‹: wurde das vom Erhabenen gesagt, so war es darum gesagt.

»›Betragen in Worten, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Betragen in Worten‹: das ist da wohl vom Erhabenen gesagt worden; und warum ist es gesagt worden? Ein Betragen, o Herr, in Worten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, ein solches Betragen in Worten ist nicht zu betreiben. Ein Betragen aber, o Herr, in Worten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, ein solches Betragen in Worten ist zu betreiben.

»Was ist das nun, o Herr, für ein Betragen in Worten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern? {140} Da ist einer, o Herr, ein Lügner. Vor Gericht, oder von den Leuten, oder unter Verwandten, oder in der Gesellschaft, oder von königlichen Beamten als Augenzeuge vernommen und befragt: ›Wohl denn, lieber Mann, was du weißt, das sage‹, antwortet er, wenn er nichts weiß: ›Ich weiß es‹, und wenn er es weiß: ›Ich weiß nichts‹, wenn er nichts gesehn hat: ›Ich hab’ es[S. 149] gesehn‹, und wenn er es gesehn hat: ›Ich habe nichts gesehn.‹[60] So legt er um seinetwillen oder um eines anderen willen oder von irgend einer sonstigen Absicht bewogen wissentlich falsches Zeugniss ab. Dann liebt er das Ausrichten. Was er hier gehört hat erzählt er dort wieder, um jene zu entzweien; oder was er dort gehört hat erzählt er hier wieder, um diese zu entzweien. So stiftet er Zwietracht unter Verbundenen und hetzt die Entzweiten auf. Hader erfreut ihn, Hader macht ihn froh, Hader befriedigt ihn, Hader erregende Worte spricht er. Dann gebraucht er barsche Worte, Reden, die spitzig und stechend sind, andere beleidigen, andere verletzen, Aeußerungen des Zornes, die zu keiner Einigung führen: solche Worte spricht er. Und er treibt müßiges Geplauder, spricht zur Unzeit, ohne Sinn, ohne Zweck, ohne Wahrheit, ohne Zucht; seine Rede ist nicht werth, dass man ihrer gedenke, sie ist ungehörig, ungebildet, unangemessen, unverständlich. Das ist, o Herr, ein Betragen in Worten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern.

»Was ist es aber, o Herr, für ein Betragen in Worten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren? Da hat einer, o Herr, das Lügen verworfen, vom Lügen hält er sich fern. Vor Gericht, oder von den Leuten, oder unter Verwandten, oder in der Gesellschaft, {141} oder von königlichen Beamten als Augenzeuge vernommen und befragt: ›Wohl denn, lieber Mann, was du weißt, das sage‹, antwortet er, wenn er nichts weiß: ›Ich weiß nichts‹, und wenn er es weiß: ›Ich weiß es‹,[S. 150] wenn er nichts gesehn hat: ›Ich habe nichts gesehn‹, und wenn er es gesehn hat: ›Ich hab’ es gesehn.‹ So legt er um seinetwillen oder um eines anderen willen oder von irgend einer sonstigen Absicht bewogen wissentlich kein falsches Zeugniss ab. Das Ausrichten hat er verworfen, vom Ausrichten hält er sich fern. Was er hier gehört hat erzählt er dort nicht wieder, um jene zu entzweien; oder was er dort gehört hat erzählt er hier nicht wieder, um diese zu entzweien. So einigt er Entzweite, festigt Verbundene, Eintracht erfreut ihn, Eintracht macht ihn froh, Eintracht befriedigt ihn, Eintracht fördernde Worte spricht er.[61] Barsche Worte hat er verworfen, von barschen Worten hält er sich fern. Worte, die frei von Schimpf sind, dem Ohre wohlthuend, liebreich, zum Herzen dringend, höflich, viele erfreuend, viele erhebend, solche Worte spricht er. Plappern und Plaudern hat er verworfen, von Plappern und Plaudern hält er sich fern. Zur rechten Zeit spricht er, den Thatsachen gemäß, gehaltvoll, der Wahrheit getreu, der Zucht getreu; seine Rede ist werth, dass man ihrer gedenke, gelegentlich mit Gleichnissen geschmückt, klar und bestimmt, dem Gegenstande angemessen. Das ist, o Herr, ein Betragen in Worten, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren. — ›Betragen in Worten, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Betragen in Worten‹: wurde das vom Erhabenen gesagt, so war es darum gesagt.

»›Betragen in Gedanken, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben:[S. 151] und es ist entgegengesetztes Betragen in Gedanken‹: das ist da wohl vom Erhabenen gesagt worden; und warum ist es gesagt worden? {142} Ein Betragen, o Herr, in Gedanken, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, ein solches Betragen in Gedanken ist nicht zu betreiben. Ein Betragen aber, o Herr, in Gedanken, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, ein solches Betragen in Gedanken ist zu betreiben.

»Was ist das nun, o Herr, für ein Betragen in Gedanken, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern? Da ist einer, o Herr, lüstern. Was ein anderer an Hab und Gut besitzt, danach giert er: ›Ach wenn doch sein Eigen das meine wäre!‹ Dann ist er gehässig, übelgesinnten Herzens: ›Diese Wesen sollen getödtet werden, sollen umgebracht werden, sollen zerstört werden, sollen vertilgt werden, sie sollen so nicht bleiben!‹ Das ist, o Herr, ein Betragen in Gedanken, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern.

»Was ist es aber, o Herr, für ein Betragen in Gedanken, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren? Da ist einer, o Herr, nicht lüstern. Was ein anderer an Hab und Gut besitzt, danach giert er nicht: ›Ach wenn doch sein Eigen das meine wäre!‹ Dann ist er frei von Gehässigkeit, frei von Uebelwollen: ›Mögen[S. 152] diese Wesen ohne Hass, ohne Schmerz, ohne Quaal glücklich ihr Dasein bewahren!‹ Das ist, o Herr, ein Betragen in Gedanken, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren. — ›Betragen in Gedanken, sag’ ich da, Mönche, {143} ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Betragen in Gedanken‹: wurde das vom Erhabenen gesagt, so war es darum gesagt.[62]

»›Herzensentschließung, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetzte Herzensentschließung‹: das ist da wohl vom Erhabenen gesagt worden; und warum ist es gesagt worden? Eine Herzensentschließung, o Herr, wobei sich einem, indem man sie betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, eine solche Herzensentschließung ist nicht zu betreiben. Eine Herzensentschließung aber, o Herr, wobei sich einem, indem man sie betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, eine solche Herzensentschließung ist zu betreiben.

»Was ist das nun, o Herr, für eine Herzensentschließung, wobei sich einem, indem man sie betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern? Da ist einer, o Herr, lüstern und lässt sein Gemüth von Lüsternheit bewogen sein, ist gehässig und lässt sein Gemüth von Gehässigkeit bewogen sein, ist rachgierig und lässt sein Gemüth von Rachgier bewogen sein. Das ist, o Herr, eine Herzensentschließung, wobei sich einem, indem man sie betreibt, die unheilsamen[S. 153] Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern.

»Was ist es aber, o Herr, für eine Herzensentschließung, wobei sich einem, indem man sie betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren? Da ist einer, o Herr, nicht lüstern und lässt sein Gemüth nicht von Lüsternheit bewogen sein, ist nicht gehässig und lässt sein Gemüth nicht von Gehässigkeit bewogen sein, ist nicht rachgierig und lässt sein Gemüth nicht von Rachgier bewogen sein. Das ist, o Herr, eine Herzensentschließung, wobei sich einem, indem man sie betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren. — ›Herzensentschließung, sag’ ich da, Mönche, {144} ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetzte Herzensentschließung‹: wurde das vom Erhabenen gesagt, so war es darum gesagt.

»›Verständniss erlangen, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Verständniss erlangen‹: das ist da wohl vom Erhabenen gesagt worden; und warum ist es gesagt worden? Ein Verständniss erlangen, o Herr, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, ein solches Verständniss erlangen ist nicht zu betreiben. Ein Verständniss erlangen aber, o Herr, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, ein solches Verständniss erlangen ist zu betreiben.

»Was ist das nun, o Herr, für ein Verständniss erlangen,[S. 154] wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern? Da ist einer, o Herr, lüstern und lässt seinen Verstand von Lüsternheit bewogen sein, ist gehässig und lässt seinen Verstand von Gehässigkeit bewogen sein, ist rachgierig und lässt seinen Verstand von Rachgier bewogen sein. Das ist, o Herr, ein Verständniss erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern.

»Was ist es aber, o Herr, für ein Verständniss erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren? Da ist einer, o Herr, nicht lüstern und lässt seinen Verstand nicht von Lüsternheit bewogen sein, ist nicht gehässig und lässt seinen Verstand nicht von Gehässigkeit bewogen sein, ist nicht rachgierig und lässt seinen Verstand nicht von Rachgier bewogen sein. {145} Das ist, o Herr, ein Verständniss erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren. — ›Verständniss erlangen, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetztes Verständniss erlangen‹: wurde das vom Erhabenen gesagt, so war es darum gesagt.

»›Erkenntniss erlangen, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetzte Erkenntniss erlangen‹: das ist da wohl vom Erhabenen gesagt worden; und warum ist es gesagt worden? Eine Erkenntniss erlangen, o Herr, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen[S. 155] Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, eine solche Erkenntniss erlangen ist nicht zu betreiben. Eine Erkenntniss erlangen aber, o Herr, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, eine solche Erkenntniss erlangen ist zu betreiben.

»Was ist das nun, o Herr, für eine Erkenntniss erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern? Da hat einer, o Herr, diese Erkenntniss: ›Almosengeben, Verzichtleisten, Spenden — es ist alles eitel; es giebt keine Saat und Ernte guter und böser Werke; Diesseits und Jenseits sind leere Worte; Vater und Mutter und auch geistige Geburt sind hohle Namen; die Welt hat keine Asketen und Priester, die vollkommen und vollendet sind, die sich den Sinn dieser und jener Welt begreiflich machen, anschaulich vorstellen und erklären können.‹ {146} Das ist, o Herr, eine Erkenntniss erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern.

»Was ist es aber, o Herr, für eine Erkenntniss erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren? Da hat einer, o Herr, diese Erkenntniss: ›Almosengeben, Verzichtleisten, Spenden ist kein Unsinn[63]; es giebt eine Saat und Ernte guter und böser Werke; das Diesseits ist vorhanden und das Jenseits ist vorhanden; Eltern giebt es und geistige Geburt giebt es; die Welt hat Asketen und Priester, die vollkommen und vollendet sind, die sich den Sinn dieser und jener Welt[S. 156] begreiflich machen, anschaulich vorstellen und erklären können.‹ Das ist, o Herr, eine Erkenntniss erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren. — ›Erkenntniss erlangen, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetzte Erkenntniss erlangen‹: wurde das vom Erhabenen gesagt, so war es darum gesagt.

»›Eigenschaft erlangen, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetzte Eigenschaft erlangen‹: das ist da wohl vom Erhabenen gesagt worden; und warum ist es gesagt worden? Eine Eigenschaft erlangen, o Herr, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, eine solche Eigenschaft erlangen ist nicht zu betreiben. Eine Eigenschaft erlangen aber, o Herr, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, eine solche Eigenschaft erlangen ist zu betreiben.

»Was ist das nun, o Herr, für eine Eigenschaft erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern? {147} Während einer, o Herr, beschwerhafte Eigenschaft erlangen zu können bemüht ist, mehren sich ihm in seiner Bedürftigkeit die unheilsamen Dinge und mindern sich die heilsamen Dinge. Das ist, o Herr, eine Eigenschaft erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern.[64]

»Was ist es aber, o Herr, für eine Eigenschaft erlangen,[S. 157] wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren? Während einer, o Herr, unbeschwerhafte Eigenschaft erlangen zu können bemüht ist, mindern sich ihm in seiner Unbedürftigkeit die unheilsamen Dinge und mehren sich die heilsamen Dinge. Das ist, o Herr, eine Eigenschaft erlangen, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren. — ›Eigenschaft erlangen, sag’ ich da, Mönche, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben: und es ist entgegengesetzte Eigenschaft erlangen‹: wurde das vom Erhabenen gesagt, so war es darum gesagt. Was da, o Herr, der Erhabene in Kürze gesagt, nicht ausführlich dargestellt hat, scheint mir, ausgeführt, dies zu bedeuten.«

»Gut, gut, Sāriputto, gut hast du, Sāriputto, den kurzgefassten, nicht ausgeführten Sinn meiner Rede also ausführlich verstanden. Denn was ich, Sāriputto, in Kürze gesagt habe, {150} hat man also dem Inhalte nach ausführlich zu betrachten. — Durch das Auge wahrnehmbare Form, durch das Ohr wahrnehmbarer Ton, durch die Nase wahrnehmbarer Duft, durch die Zunge wahrnehmbarer Saft, durch den Leib wahrnehmbare Tastung, durch das Denken wahrnehmbares Ding, sag’ ich da, Sāriputto, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben.«[65]

Nach diesen Worten wandte sich der ehrwürdige Sāriputto also an den Erhabenen:

»Was da, o Herr, der Erhabene in Kürze gesagt, nicht ausführlich dargestellt hat, scheint mir, ausgeführt, dies zu bedeuten: ›Durch das Auge wahrnehmbare[S. 158] Form, durch das Ohr wahrnehmbarer Ton, durch die Nase wahrnehmbarer Duft, durch die Zunge wahrnehmbarer Saft, durch den Leib wahrnehmbare Tastung, durch das Denken wahrnehmbares Ding, sag’ ich da, Sāriputto, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: das ist da wohl vom Erhabenen gesagt worden; und warum ist es gesagt worden? Eine durch das Auge wahrnehmbare Form, o Herr, ein durch das Ohr wahrnehmbarer Ton, ein durch die Nase wahrnehmbarer Duft, ein durch die Zunge wahrnehmbarer Saft, eine durch den Leib wahrnehmbare Tastung, ein durch das Denken wahrnehmbares Ding, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, dergleichen ist nicht zu betreiben. Eine durch das Auge wahrnehmbare Form aber, o Herr, {151} ein durch das Ohr wahrnehmbarer Ton, ein durch die Nase wahrnehmbarer Duft, ein durch die Zunge wahrnehmbarer Saft, eine durch den Leib wahrnehmbare Tastung, ein durch das Denken wahrnehmbares Ding, wobei sich einem, indem man es betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, dergleichen ist zu betreiben. — ›Durch das Auge wahrnehmbare Form, durch das Ohr wahrnehmbarer Ton, durch die Nase wahrnehmbarer Duft, durch die Zunge wahrnehmbarer Saft, durch den Leib wahrnehmbare Tastung, durch das Denken wahrnehmbares Ding, sag’ ich da, Sāriputto, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: wurde das vom Erhabenen gesagt, so war es darum gesagt. Was da, o Herr, der Erhabene in Kürze gesagt, nicht ausführlich dargestellt hat, scheint mir, ausgeführt, dies zu bedeuten.«

[S. 159]

»Gut, gut, Sāriputto, gut hast du, Sāriputto, den kurzgefassten, nicht ausgeführten Sinn meiner Rede also ausführlich verstanden. {153} Denn was ich, Sāriputto, in Kürze gesagt habe, hat man also dem Inhalte nach ausführlich zu betrachten. — Die Kleidung, die Almosenbissen, der Aufenthalt, ein Dorf, eine Burg, eine Stadt, ein Land, eine Person, sag’ ich da, Sāriputto, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben.«

Nach diesen Worten wandte sich der ehrwürdige Sāriputto also an den Erhabenen:

»Was da, o Herr, der Erhabene in Kürze gesagt, nicht ausführlich dargestellt hat, scheint mir, ausgeführt, dies zu bedeuten: ›Die Kleidung, die Almosenbissen, der Aufenthalt, ein Dorf, eine Burg, eine Stadt, ein Land, eine Person, sag’ ich da, Sāriputto, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: das ist da wohl vom Erhabenen gesagt worden; und warum ist es gesagt worden? Eine Kleidung, o Herr, Almosenbissen, Aufenthalt, ein Dorf, eine Burg, eine Stadt, ein Land, eine Person, wobei sich einem, indem man Umgang betreibt, die unheilsamen Dinge mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, dergleichen Umgang ist nicht zu betreiben. {154} Eine Kleidung aber, o Herr, Almosenbissen, Aufenthalt, ein Dorf, eine Burg, eine Stadt, ein Land, eine Person, wobei sich einem, indem man Umgang betreibt, die unheilsamen Dinge mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, dergleichen Umgang ist zu betreiben. — ›Die Kleidung, die Almosenbissen, der Aufenthalt, ein Dorf, eine Burg, eine Stadt, ein Land, eine Person, sag’ ich[S. 160] da, Sāriputto, ist von doppelter Art, als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: wurde das vom Erhabenen gesagt, so war es darum gesagt. Was da, o Herr, der Erhabene in Kürze gesagt, nicht ausführlich dargestellt hat, scheint mir, ausgeführt, dies zu bedeuten.«

»Gut, gut, Sāriputto, gut hast du, Sāriputto, den kurzgefassten, nicht ausgeführten Sinn meiner Rede also ausführlich verstanden. Denn was ich, Sāriputto, in Kürze gesagt habe, {156} hat man also dem Inhalte nach ausführlich zu betrachten. — Wenn auch alle, Sāriputto, der Fürsten den Sinn meiner kurzgefassten Rede also ausführlich verständen, so gereicht’ es auch allen den Fürsten lange zum Wohle, zum Heile. Wenn auch alle, Sāriputto, der Priester den Sinn meiner kurzgefassten Rede also ausführlich verständen, so gereicht’ es auch allen den Priestern lange zum Wohle, zum Heile. Wenn auch alle, Sāriputto, der Bürger den Sinn meiner kurzgefassten Rede also ausführlich verständen, so gereicht’ es auch allen den Bürgern lange zum Wohle, zum Heile. Wenn auch alle, Sāriputto, der Diener den Sinn meiner kurzgefassten Rede also ausführlich verständen, so gereicht’ es auch allen den Dienern lange zum Wohle, zum Heile. Wenn auch die Welt, Sāriputto, mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schaar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen den Sinn meiner kurzgefassten Rede also ausführlich verstände, so gereicht’ es auch der Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schaar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen lange zum Wohle, zum Heile.«

[S. 161]

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Sāriputto über das Wort des Erhabenen.[66]


115.

Zwölfter Theil

Fünfte Rede

VIEL DER ARTUNGEN

{157} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Jede Furcht, ihr Mönche, die da irgend ausbricht, bricht einzig vom Thoren aus und nicht vom Weisen, jede Angst, die da irgend ausbricht, bricht einzig vom Thoren aus und nicht vom Weisen, jeder Schreck, der da irgend ausbricht, bricht einzig vom Thoren aus und nicht vom Weisen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, vom Rohrdach oder vom Strohdach eines Hauses Feuer entflackert und schon den Giebel ergreift und Wand und Mauer und Thürbalken und Fenstersparren: ebenso nun auch, ihr Mönche, bricht jede Furcht, die da irgend ausbricht, einzig vom Thoren aus und nicht vom Weisen, bricht jede Angst, die da irgend ausbricht, einzig vom Thoren aus und nicht vom Weisen, bricht jeder Schreck, der da irgend ausbricht, einzig vom Thoren aus und[S. 162] nicht vom Weisen. So ist denn, ihr Mönche, furchtsam der Thor, furchtlos der Weise, ängstlich der Thor, angstlos der Weise, schreckhaft der Thor, schrecklos der Weise. Nicht kann, ihr Mönche, vom Weisen Furcht ausgehn, nicht kann vom Weisen Angst ausgehn, nicht kann vom Weisen Schreck ausgehn. Darum also, ihr Mönche: ›Weise wollen wir sein und Forscher‹: so habt ihr, Mönche, euch wohl zu üben.«[67]

{158} Nach diesen Worten wandte sich der ehrwürdige Ānando also an den Erhabenen:

»Inwiefern aber kann man, o Herr, als Weisen einen Mönch und Forscher bezeichnen?«

»Sobald sich, Ānando, ein Mönch der Artungen kundig erweist, der Gebiete kundig erweist, der bedingten Entstehung kundig erweist, des Möglichen und Unmöglichen kundig erweist, kann man insofern, Ānando, als Weisen einen Mönch und Forscher bezeichnen.«

»Und inwiefern kann man, o Herr, als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen?«

»Achtzehn sind es, Ānando, der Artungen: Art des Auges, Art der Form, Art des Sehbewusstseins; Art des Ohres, Art des Tones, Art des Hörbewusstseins; Art der Nase, Art des Duftes, Art des Riechbewusstseins; Art der Zunge, Art des Saftes, Art des Schmeckbewusstseins; Art des Leibes, Art der Tastung, Art des Tastbewusstseins; Art des Denkens, Art des Dinges, Art des Denkbewusstseins. Das sind, Ānando, achtzehn Artungen. Um deren Kenntniss und Verständniss kann man wohl insofern, Ānando, als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen.«

»Giebt es aber, o Herr, noch eine andere Weise, wie[S. 163] man als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen kann?«

»Freilich, Ānando. Sechs sind es, Ānando, der Artungen: Art der Erde, Art des Wassers, Art des Feuers, Art der Luft, Art des Raumes, Art des Bewusstseins. Das sind, Ānando, sechs Artungen. Um deren Kenntniss und Verständniss kann man auch insofern, Ānando, als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen.«

»Giebt es aber, o Herr, noch eine andere Weise, wie man als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen kann?«

»Freilich, Ānando. Sechs sind es, Ānando, der Artungen: Art der Freude, Art des Leides, Art des Frohsinns, Art des Trübsinns, Art des Gleichmuths, Art des Unwissens. Das sind, Ānando, sechs Artungen. {159} Um deren Kenntniss und Verständniss kann man auch insofern, Ānando, als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen.«

»Giebt es aber, o Herr, noch eine andere Weise, wie man als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen kann?«

»Freilich, Ānando. Sechs sind es, Ānando, der Artungen: Art der Begehrung, Art der Entsagung, Art des Verabscheuens, Art des Geduldens, Art des Ingrimms, Art der Milde. Das sind, Ānando, sechs Artungen. Um deren Kenntniss und Verständniss kann man auch insofern, Ānando, als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen.«

»Giebt es aber, o Herr, noch eine andere Weise, wie man als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen kann?«

[S. 164]

»Freilich, Ānando. Drei sind es, Ānando, der Artungen: geschlechtliche Art, formhafte Art, formlose Art. Das sind, Ānando, drei Artungen. Um deren Kenntniss und Verständniss kann man auch insofern, Ānando, als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen.«[68]

»Giebt es aber, o Herr, noch eine andere Weise, wie man als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen kann?«

»Freilich, Ānando. Zwei sind es, Ānando, der Artungen: zusammengesetzte Art und nicht zusammengesetzte Art. Das sind, Ānando, zwei Artungen. Um deren Kenntniss und Verständniss kann man auch insofern, Ānando, als der Artungen kundig einen Mönch bezeichnen.«

»Inwiefern aber kann man, o Herr, als der Gebiete kundig einen Mönch bezeichnen?«

»Sechs sind es wieder, Ānando, der Innen- und Außengebiete: das Auge und die Formen, das Ohr und die Töne, die Nase und die Düfte, die Zunge und die Säfte, der Leib und die Tastungen, das Denken und die Dinge. Das sind, Ānando, die sechs Innen- und Außengebiete. Um deren Kenntniss und Verständniss kann man wieder insofern, Ānando, als der Gebiete kundig einen Mönch bezeichnen.«[69]

»Und inwiefern kann man, o Herr, als der bedingten Entstehung kundig einen Mönch bezeichnen?«

»{160} Da hat, Ānando, ein Mönch diese Kenntniss: ›Wenn Jenes ist wird Dieses, durch die Entstehung von Jenem entsteht Dieses; wenn Jenes nicht ist wird Dieses nicht, durch die Auflösung von Jenem wird Dieses aufgelöst. Und zwar: aus Unwissen entstehn Unterscheidungen, aus Unterscheidungen entsteht Bewusstsein, aus Bewusstsein[S. 165] entsteht Bild und Begriff[70], aus Bild und Begriff entsteht sechsfaches Gebiet, aus sechsfachem Gebiet entsteht Berührung, aus Berührung entsteht Gefühl, aus Gefühl entsteht Durst, aus Durst entsteht Anhangen, aus Anhangen entsteht Werden, aus Werden entsteht Geburt, aus Geburt gehn Altern und Sterben, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsinn, Verzweiflung hervor: also kommt dieses gesammten Leidensstückes Entwicklung zustande. Ist aber eben Unwissen ohne Reiz, ohne Ueberrest aufgelöst lösen sich Unterscheidungen auf, sind Unterscheidungen aufgelöst löst sich Bewusstsein auf, ist Bewusstsein aufgelöst löst sich Bild und Begriff auf, ist Bild und Begriff aufgelöst löst sich sechsfaches Gebiet auf, ist sechsfaches Gebiet aufgelöst löst sich Berührung auf, ist Berührung aufgelöst löst sich Gefühl auf, ist Gefühl aufgelöst löst sich Durst auf, ist Durst aufgelöst löst sich Anhangen auf, ist Anhangen aufgelöst löst sich Werden auf, ist Werden aufgelöst löst sich Geburt auf, ist Geburt aufgelöst lösen sich Altern und Sterben, Schmerz und Jammer, Leiden, Trübsinn, Verzweiflung auf: also kommt dieses gesammten Leidensstückes Auflösung zustande.‹ Insofern kann man, Ānando, als der bedingten Entstehung kundig einen Mönch bezeichnen.«

»Und inwiefern kann man, o Herr, als des Möglichen und Unmöglichen kundig einen Mönch bezeichnen?«

»Da weiß, Ānando, ein Mönch: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass ein erkenntnissbegabter Mensch irgend eine Unterscheidung als unvergänglich angehn mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹[71]; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass der gemeine Mensch[S. 166] {161} irgend eine Unterscheidung als unvergänglich angehn mag: ein solcher Fall kommt vor.‹ Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass ein erkenntnissbegabter Mensch irgend eine Unterscheidung als erfreulich angehn mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹[72]; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass der gemeine Mensch irgend eine Unterscheidung als erfreulich angehn mag: ein solcher Fall kommt vor.‹ Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass ein erkenntnissbegabter Mensch irgend ein Ding als eigen angehn mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹[73]; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass der gemeine Mensch irgend ein Ding als eigen angehn mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass ein erkenntnissbegabter Mensch die Mutter oder den Vater des Lebens berauben mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass der gemeine Mensch die Mutter oder den Vater des Lebens berauben mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass ein erkenntnissbegabter Mensch einen Heiligen des Lebens berauben oder in übler Absicht das Blut eines Vollendeten vergießen mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass der gemeine Mensch einen Heiligen des Lebens berauben oder in übler Absicht das Blut eines Vollendeten vergießen mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, {162} dass ein erkenntnissbegabter Mensch unter den Brüdern[S. 167] Zwietracht anstiften oder einen anderen Meister erwählen mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass der gemeine Mensch unter den Brüdern Zwietracht anstiften oder einen anderen Meister erwählen mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass in ein und derselben Weltordnung zwei Heilige, vollkommen Erwachte zugleich auftreten mögen: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass in ein und derselben Weltordnung ein Heiliger, vollkommen Erwachter auftreten mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass in ein und derselben Weltordnung zwei Könige als Erderoberer zugleich auftreten mögen[74]: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass in ein und derselben Weltordnung ein König als Erderoberer auftreten mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass das Weib einen Heiligen, vollkommen Erwachten oder einen König Erderoberer darstellen mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass der Mann einen Heiligen, vollkommen Erwachten oder einen König Erderoberer darstellen mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass das Weib Herrschaft über den Himmel, Herrschaft über die Natur, Herrschaft über die Geister erlangen mag[75]: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß:[S. 168] {163} ›Möglich aber ist es wohl, dass der Mann Herrschaft über den Himmel, Herrschaft über die Natur, Herrschaft über die Geister erlangen mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass aus schlechtem Wandel in Werken, Worten oder Gedanken eine ersehnte, erwünschte, erfreuliche Ernte hervorgehen mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass aus schlechtem Wandel in Werken, Worten oder Gedanken eine unersehnte, unerwünschte, unerfreuliche Ernte hervorgehen mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass aus gutem Wandel in Werken, Worten oder Gedanken eine unersehnte, unerwünschte, unerfreuliche Ernte hervorgehen mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass aus gutem Wandel in Werken, Worten oder Gedanken eine ersehnte, erwünschte, erfreuliche Ernte hervorgehen mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass wer schlechten Wandel in Werken, Worten oder Gedanken angenommen eben daher, eben darum bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in himmlische Welt gerathen mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass wer schlechten Wandel in Werken, Worten oder Gedanken angenommen eben daher, {164} eben darum bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf den Abweg, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt gerathen mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

[S. 169]

»Er weiß: ›Unmöglich ist es und kann nicht sein, dass wer guten Wandel in Werken, Worten oder Gedanken angenommen eben daher, eben darum bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf den Abweg, auf schlechte Fährte, zur Verderbniss, in höllische Welt gerathen mag: ein solcher Fall kommt nicht vor‹; er weiß: ›Möglich aber ist es wohl, dass wer guten Wandel in Werken, Worten oder Gedanken angenommen eben daher, eben darum bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in himmlische Welt gerathen mag: ein solcher Fall kommt vor.‹

»Insofern kann man, Ānando, als des Möglichen und Unmöglichen kundig einen Mönch bezeichnen.«

Nach dieser Rede wandte sich der ehrwürdige Ānando {165} also an den Erhabenen:

»Erstaunlich, o Herr, außerordentlich, o Herr! Welchen Namen, o Herr, soll diese Darstellung führen?«

»Wohlan denn, Ānando, so bewahre diese Darstellung unter dem Namen Viel der Artungen, oder bewahre sie als die Vierfache Reihe, oder bewahre sie als den Spiegel der Lehre, oder bewahre sie als die Trommel der Ewigkeit, oder bewahre sie als den Unvergleichlichen Siegeskampf.«[76]

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.


[S. 170]

116.

Zwölfter Theil

Sechste Rede

AM SEHERSCHLUNDE

{166} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, am Seherschlunde, im Gebirge. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Seht ihr wohl, Mönche, dort den Brockenstein?«

»Ja, o Herr!«

»Aber jener Brockenstein, ihr Mönche, war noch anders genannt, anders geheißen worden. Seht ihr wohl, Mönche, dort das Graue Horn?«

»Ja, o Herr!«

»Aber jenes Graue Horn, ihr Mönche, war noch anders genannt, anders geheißen worden. Seht ihr wohl, Mönche, dort das Breite Joch?«

»Ja, o Herr!«

»Aber jenes Breite Joch, ihr Mönche, war noch anders genannt, anders geheißen worden. Seht ihr wohl, Mönche, dort den Geierkulm?«

»Ja, o Herr!«

»Aber jener Geierkulm, ihr Mönche, war noch anders genannt, anders geheißen worden. Seht ihr wohl, Mönche, diesen Berg, den Seherschlund?«

»Ja, o Herr!«

»Dieser Berg nun, ihr Mönche, der Seherschlund, ist noch ebenso genannt, ebenso geheißen.[77]

[S. 171]

»Einst hatten, ihr Mönche, fünf der hunderte einzeln Erwachter[78] an diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch sich angesiedelt. Diese hatte man zum Berge hinschreiten sehn und nicht mehr wiederkehren. Und die Leute blickten nach ihm und sagten: ›Der Berg hat die Seher verschlungen‹ — {167} Seherschlund, Seherschlund wurde er eben da genannt.

»Aufweisen will ich, ihr Mönche, Namen einzeln Erwachter, kundmachen will ich, ihr Mönche, Namen einzeln Erwachter, angeben will ich, ihr Mönche, Namen einzeln Erwachter: höret es und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Kämpe war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Oberkämpe war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Kronenscheitel war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Ruhmeswerth war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Gerngesehn war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Gnadenreich war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Elfenleicht war, ihr Mönche, ein[S. 172] einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Bettelarm war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Oberheld war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Tieferborn[79] war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Sogewahr war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Ohrenzeuge war, ihr Mönche, {168} ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen. Eigenwart war, ihr Mönche, ein einzeln Erwachter geheißen, der auf diesem Berge, dem Seherschlunde, lange Zeiten hindurch ein Siedler gewesen.


»Die wahrhaft weilten, ohne Harm und Hoffen,
Je einzeln einst Erwachung sich gewannen,
Das Ziel des Menschen marterlos ermaaßen,
Die Nahmen solcher sollt ihr nun vernehmen.
»Ein Kämpe, Oberkämpe, Kronenscheitelhaupt,
Ein Ruhmeswerth, ein Gerngesehn, ein Gnadenreich,
Ein Elfenleicht und Bettelarm und Oberheld,
Ein Tieferborn und Sogewahr,
Ein Ohrenzeuge, Eigenwart.
[S. 173]
{169}
»Das waren, und noch andre, Machtgebieter,
Erwacht je einzeln, Daseinsquellversieger,
Urseher, allen Zwanges Ueberwinder:
Den Wahnerloschnen Gruß, den Unbegränzten.«[80]

117.

Zwölfter Theil

Siebente Rede

VIERZIGMÄCHTIG

{170} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Heilige, ihr Mönche, rechte Vertiefung will ich euch weisen, mit ihrem Gefolge, mit ihrer Begleitung: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Was ist also, ihr Mönche, heilige rechte Vertiefung mit ihrem Gefolge, mit ihrer Begleitung? Es ist da rechte Erkenntniss, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Handeln, rechtes Wandeln, rechtes Mühn, rechte Einsicht: eine von diesen sieben Gliedern, ihr Mönche, begleitete Einheit des Herzens, die heißt man, ihr Mönche, heilige rechte Vertiefung, und zwar mit ihrem Gefolge, und zwar mit ihrer Begleitung.

[S. 174]

»Da geht denn, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran. Wie aber geht, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran? Falsche Erkenntniss gewahrt man als falsche Erkenntniss, rechte Erkenntniss gewahrt man als rechte Erkenntniss: das gilt einem als rechte Erkenntniss. Was ist nun, ihr Mönche, falsche Erkenntniss? ›Almosengeben, Verzichtleisten, Spenden — es ist alles eitel; es giebt keine Saat und Ernte guter und böser Werke; Diesseits und Jenseits sind leere Worte; Vater und Mutter und auch geistige Geburt sind hohle Namen; die Welt hat keine Asketen und Priester, die vollkommen und vollendet sind, die sich den Sinn dieser und jener Welt begreiflich machen, {171} anschaulich vorstellen und erklären können‹: das ist, ihr Mönche, falsche Erkenntniss. Was ist nun, ihr Mönche, rechte Erkenntniss? Rechte Erkenntniss, sag’ ich da, Mönche, ist doppelter Art. Es giebt, ihr Mönche, eine rechte Erkenntniss, die wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist; es giebt, ihr Mönche, eine rechte Erkenntniss, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Was ist das nun, ihr Mönche, für eine rechte Erkenntniss, die wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist? ›Almosengeben, Verzichtleisten, Spenden ist kein Unsinn; es giebt eine Saat und Ernte guter und böser Werke; das Diesseits ist vorhanden und das Jenseits ist vorhanden; Eltern giebt es und geistige Geburt giebt es; die Welt hat Asketen und Priester, die vollkommen und vollendet sind, die sich den Sinn dieser und jener Welt begreiflich machen, anschaulich vorstellen und erklären können‹: das ist, ihr Mönche, eine rechte Erkenntniss, die wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist. Was aber ist es, ihr Mönche, für[S. 175] eine rechte Erkenntniss, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist? Was da, ihr Mönche, im heiligen Herzen, im wahnlosen Herzen, das sich auf heiligem Wege befindet, heiligen Weg vollendet, Weisheit, fähige Weisheit, vermögende Weisheit ist, Ergründung der Wahrheit, die zur Erwachung führt, eine rechte Erkenntniss, die auf dem Wege zu finden ist: das ist, ihr Mönche, eine rechte Erkenntniss, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Da ist man eifrig bemüht falsche Erkenntniss zu verlieren, rechte Erkenntniss zu gewinnen: das gilt einem als rechtes Mühn. Besonnen lässt man falsche Erkenntniss hinter sich, besonnen gewinnt und erreicht man rechte Erkenntniss: das gilt einem als rechte Einsicht. So haben sich einem diese drei Dinge um die rechte Erkenntniss aneinandergereiht, aneinandergeschlossen, nämlich rechte Erkenntniss, {172} rechtes Mühn, rechte Einsicht.

»Da geht denn, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran. Wie aber geht, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran? Falsche Gesinnung gewahrt man als falsche Gesinnung, rechte Gesinnung gewahrt man als rechte Gesinnung: das gilt einem als rechte Erkenntniss. Was ist nun, ihr Mönche, falsche Gesinnung? Sinnende Lust, sinnender Groll, sinnende Wuth: das ist, ihr Mönche, falsche Gesinnung. Was ist nun, ihr Mönche, rechte Gesinnung? Rechte Gesinnung, sag’ ich da, Mönche, ist doppelter Art. Es giebt, ihr Mönche, eine rechte Gesinnung, die wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist; es giebt, ihr Mönche, eine rechte Gesinnung, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Was ist das nun, ihr Mönche, für eine rechte Gesinnung, die wahnhaft,[S. 176] hülfreich, zuträglich ist? Entsagung sinnen, keinen Groll hegen, keine Wuth hegen: das ist, ihr Mönche, eine rechte Gesinnung, die wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist. Was aber ist es, ihr Mönche, für eine rechte Gesinnung, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist? Was da, ihr Mönche, im heiligen Herzen, im wahnlosen Herzen, das sich auf heiligem Wege befindet, heiligen Weg vollendet, Denken und Bedenken, Nachsinnen, Greifen und Begreifen, geistiges Ausgestalten und Zwiegespräch ist: das ist, ihr Mönche, eine rechte Gesinnung, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Da ist man eifrig bemüht falsche Gesinnung zu verlieren, rechte Gesinnung zu gewinnen: das gilt einem als rechtes Mühn. Besonnen läßt man falsche Gesinnung hinter sich, besonnen gewinnt und erreicht man rechte Gesinnung: das gilt einem als rechte Einsicht. {173} So haben sich einem diese drei Dinge um die rechte Gesinnung aneinandergereiht, aneinandergeschlossen, nämlich rechte Erkenntnis, rechtes Mühn, rechte Einsicht.

»Da geht denn, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran. Wie aber geht, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran? Falsche Rede gewahrt man als falsche Rede, rechte Rede gewahrt man als rechte Rede: das gilt einem als rechte Erkenntniss. Was ist nun, ihr Mönche, falsche Rede? Lüge, Verleumdung, barsche Worte, Geschwätz: das ist, ihr Mönche, falsche Rede. Was ist nun, ihr Mönche, rechte Rede? Rechte Rede, sag’ ich da, Mönche, ist doppelter Art. Es giebt, ihr Mönche, eine rechte Rede, die wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist; es giebt, ihr Mönche, eine rechte Rede, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Was ist das nun,[S. 177] ihr Mönche, für eine rechte Rede, die wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist? Lüge vermeiden, Verleumdung vermeiden, barsche Worte vermeiden, Geschwätz vermeiden: das ist, ihr Mönche, eine rechte Rede, die wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist. Was aber ist es, ihr Mönche, für eine rechte Rede, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist? Was da, ihr Mönche, im heiligen Herzen, im wahnlosen Herzen, das sich auf heiligem Wege befindet, heiligen Weg vollendet, eben den vier Arten übler Rede gegenüber sich abneigen, wegneigen, hinwegneigen, abwenden ist: das ist, ihr Mönche, eine rechte Rede, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. {174} Da ist man eifrig bemüht falsche Rede zu verlieren, rechte Rede zu gewinnen: das gilt einem als rechtes Mühn. Besonnen lässt man falsche Rede hinter sich, besonnen gewinnt und erreicht man rechte Rede: das gilt einem als rechte Einsicht. So haben sich einem diese drei Dinge um die rechte Rede aneinandergereiht, aneinandergeschlossen, nämlich rechte Erkenntniss, rechtes Mühn, rechte Einsicht.

»Da geht denn, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran. Wie aber geht, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran? Falsches Handeln gewahrt man als falsches Handeln, rechtes Handeln gewahrt man als rechtes Handeln: das gilt einem als rechte Erkenntniss. Was ist nun, ihr Mönche, falsches Handeln? Lebendiges umbringen, Nichtgegebenes nehmen, Ausschweifung begehn: das ist, ihr Mönche, falsches Handeln. Was ist nun, ihr Mönche, rechtes Handeln? Rechtes Handeln, sag’ ich da, Mönche, ist doppelter Art. Es giebt, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist; es[S. 178] giebt, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Was ist das nun, ihr Mönche, für ein rechtes Handeln, das wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist? Man kann, ihr Mönche, Lebendiges umzubringen vermeiden, Nichtgegebenes zu nehmen vermeiden, Ausschweifung zu begehn vermeiden: das ist, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist. Was aber ist es, ihr Mönche, für ein rechtes Handeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist? Was da, ihr Mönche, im heiligen Herzen, im wahnlosen Herzen, das sich auf heiligem Wege befindet, heiligen Weg vollendet, eben den drei Arten üblen Handelns gegenüber sich abneigen, wegneigen, hinwegneigen, abwenden ist: das ist, ihr Mönche, ein rechtes Handeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Da {175} ist man eifrig bemüht falsches Handeln zu verlieren, rechtes Handeln zu gewinnen: das gilt einem als rechtes Mühn. Besonnen lässt man falsches Handeln hinter sich, besonnen gewinnt und erreicht man rechtes Handeln: das gilt einem als rechte Einsicht. So haben sich einem diese drei Dinge um das rechte Handeln aneinandergereiht, aneinandergeschlossen, nämlich rechte Erkenntniss, rechtes Mühn, rechte Einsicht.

»Da geht denn, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran. Wie aber geht, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran? Falsches Wandeln gewahrt man als falsches Wandeln, rechtes Wandeln gewahrt man als rechtes Wandeln: das gilt einem als rechte Erkenntniss. Was ist nun, ihr Mönche, falsches Wandeln? Hintergehn, verrathen, bezichtigen, auskundschaften, Vortheil um Vortheil erwuchern:[S. 179] das ist, ihr Mönche, falsches Wandeln. Was ist nun, ihr Mönche, rechtes Wandeln? Rechtes Wandeln, sag’ ich da, Mönche, ist doppelter Art. Es giebt, ihr Mönche, ein rechtes Wandeln, das wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist; es giebt, ihr Mönche, ein rechtes Wandeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Was ist das nun, ihr Mönche, für ein rechtes Wandeln, das wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist? Da hat, ihr Mönche, der heilige Jünger falschen Wandel verlassen und fristet sein Leben auf rechte Weise: das ist, ihr Mönche, ein rechtes Wandeln, das wahnhaft, hülfreich, zuträglich ist. Was aber ist es, ihr Mönche, für ein rechtes Wandeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist? Was da, ihr Mönche, im heiligen Herzen, im wahnlosen Herzen, das sich auf heiligem Wege befindet, heiligen Weg vollendet, eben dem falschen Wandeln gegenüber sich abneigen, wegneigen, hinwegneigen, abwenden ist: das ist, ihr Mönche, ein rechtes Wandeln, das heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Da ist man eifrig bemüht falsches Wandeln zu verlieren, rechtes Wandeln zu gewinnen: das gilt einem als rechtes Mühn. {176} Besonnen lässt man falsches Wandeln hinter sich, besonnen gewinnt und erreicht man rechtes Wandeln: das gilt einem als rechte Einsicht. So haben sich einem diese drei Dinge um das rechte Wandeln aneinandergereiht, aneinandergeschlossen, nämlich rechte Erkenntnis, rechtes Mühn, rechte Einsicht.

»Da geht denn, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran. Wie aber geht, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran? Dem recht Erkennenden, ihr Mönche, kommt[S. 180] rechte Gesinnung zu, dem recht Gesinnten kommt rechte Rede zu, dem recht Redenden kommt rechtes Handeln zu, dem recht Handelnden kommt rechtes Wandeln zu, dem recht Wandelnden kommt rechtes Mühn zu, dem recht Bemühten kommt rechte Einsicht zu, dem recht Besonnenen kommt rechte Vertiefung zu, dem recht Vertieften kommt rechtes Wissen zu, dem recht Bewussten kommt rechte Erlösung zu. So wird, ihr Mönche, der achtfach gerüstete Kämpfer zum zehnfach gerüsteten Heiligen.

»Da geht denn, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran. Wie aber geht, ihr Mönche, rechte Erkenntniss voran? Der recht Erkennende, ihr Mönche, hat falsche Erkenntniss überstanden: und was da aus falscher Erkenntniss mancherlei Uebles, Unheilsames hervorgehen kann, auch das hat er überstanden; und aus rechter Erkenntniss kann da mancherlei Heilsames zu vollkommener Reife sich entwickeln. Der recht Gesinnte, ihr Mönche, der recht Redende, recht Handelnde, recht Wandelnde, recht Bemühte, recht Besonnene, recht Vertiefte, recht Bewusste, recht Erlöste hat falsche Gesinnung, {177} falsche Rede, falsches Handeln, falsches Wandeln, falsche Mühe, falsche Einsicht, falsche Vertiefung, falsches Wissen, falsche Erlösung überstanden: und was da aus falscher Gesinnung, falscher Rede, falschem Handeln, falschem Wandeln, falschem Mühn, falscher Einsicht, falscher Vertiefung, falschem Wissen, falscher Erlösung mancherlei Uebles, Unheilsames hervorgehn kann, auch das hat er überstanden; und aus rechter Gesinnung, rechter Rede, rechtem Handeln, rechtem Wandeln, rechtem Mühn, rechter Einsicht, rechter Vertiefung, rechtem[S. 181] Wissen, rechter Erlösung kann da mancherlei Heilsames zu vollkommener Reife sich entwickeln.

»So ist, ihr Mönche, mit zwanzig Theilen heilsam, mit zwanzig Theilen unheilsam ein vierzigmächtiger Gedankengang dargestellt worden: und darwiderstellen kann sich kein Asket und kein Priester, kein Gott, kein böser und kein heiliger Geist, noch irgend wer in der Welt.

»Denn wer auch, ihr Mönche, von Asketen oder von Priestern diesen vierzigmächtigen Gedankengang tadeln und missbilligen zu sollen vermeinte, der würde schon bei Lebzeiten zehn entsprechende Begriffe seiner Annahme nach als Tadel erfahren. Tadelt er rechte Erkenntniss, dann sind es falsch erkennende Asketen und Priester, denen er Achtung, denen er Ehre zollt. Tadelt er rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Handeln, rechtes Wandeln, rechtes Mühn, rechte Einsicht, rechte Vertiefung, rechtes Wissen, rechte Erlösung, dann sind es falsch gesinnte, falsch redende, falsch handelnde, falsch wandelnde, falsch bemühte, falsch besonnene, falsch vertiefte, {178} falsch bewusste, falsch erlöste Asketen und Priester, denen er Achtung, denen er Ehre zollt. Wer auch, ihr Mönche, von Asketen oder von Priestern diesen vierzigmächtigen Gedankengang tadeln und missbilligen zu sollen vermeinte, der würde schon bei Lebzeiten diese zehn entsprechenden Begriffe seiner Annahme nach als Tadel erfahren. Sogar jene ungeregelten Pilger, ihr Mönche, Redner der Regenzeit, Leute, die keinen Grund, die keine Handlung gelten ließen, die an nichts glaubten, auch diese haben den vierzigmächtigen Gedankengang nicht tadeln und nicht missbilligen zu sollen vermeint:[S. 182] und warum das? Um nicht Unwillen, Befremden und Aergerniss zu erregen.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[81]


118.

Zwölfter Theil

Achte Rede

BEDACHTSAME EIN- UND AUSATHMUNG

{179} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Osthaine, auf Mutter Migāros Terrasse, mit gar manchen wohlbekannten Oberen, wohlbekannten Jüngern, mit dem ehrwürdigen Sāriputto und dem ehrwürdigen Mahāmoggallāno, mit dem ehrwürdigen Mahākassapo und dem ehrwürdigen Mahākaccāyano, mit dem ehrwürdigen Mahākoṭṭhito und dem ehrwürdigen Mahākappino, mit dem ehrwürdigen Mahācundo und dem ehrwürdigen Anuruddho, mit dem ehrwürdigen Revato und dem ehrwürdigen Ānando und mit anderen wohlbekannten Oberen, wohlbekannten Jüngern beisammen.

Um diese Zeit nun unterwiesen und belehrten die oberen der Mönche die neu aufgenommenen. Einige der oberen Mönche unterwiesen und belehrten etwa zehn der neuen Mönche, andere der oberen Mönche unterwiesen und belehrten ihrer etwa zwanzig, einige wieder[S. 183] der oberen Mönche unterwiesen und belehrten ihrer etwa dreißig, andere wieder der oberen Mönche unterwiesen und belehrten ihrer etwa vierzig. Und diese neuen Mönche, von den oberen der Mönche unterwiesen und belehrt, erfanden ein großes, allmälig gemerktes Ergebniss.

Damals nun hatte der Erhabene — es war ein Feiertag, im halben Monat, zur Offenbarung, in der voll aufgegangenen Mondnacht — inmitten der Mönchgemeinde unter freiem Himmel Platz genommen.[82] Und der Erhabene blickte über die stillgewordene, lautlose Schaar der Mönche hin und wandte sich also an sie:

»Erstarkt bin ich, ihr Mönche, auf also beschrittenem Pfade, erstarkt im Herzen bin ich, ihr Mönche, auf also beschrittenem Pfade: wohlan denn, ihr Mönche, immer noch stärker müsst ihr da werden um das Unerreichte zu erreichen, {180} um das Unerlangte zu erlangen, um das Unverwirklichte zu verwirklichen. Ich werde nunmehr Sāvatthī am letzten herbstlichen Vollmonde verlassen.«


Es kam nun den Mönchen im Lande zu Ohren: ›Der Erhabene, heißt es, wird gar bald von Sāvatthī, am letzten herbstlichen Vollmonde fortziehn.‹ Da machten sich denn die Mönche im Lande gen Sāvatthī auf, den Erhabenen zu besuchen.

Die oberen der Mönche aber unterwiesen und belehrten die neu hinzugekommenen immer genauer noch. Einige der oberen Mönche unterwiesen und belehrten etwa zehn der neuen Mönche, andere der oberen Mönche unterwiesen und belehrten ihrer etwa zwanzig, einige wieder der oberen Mönche unterwiesen und belehrten[S. 184] ihrer etwa dreißig, andere wieder der oberen Mönche unterwiesen und belehrten ihrer etwa vierzig. Und diese neuen Mönche, von den oberen der Mönche unterwiesen und belehrt, erfanden ein großes, allmälig gemerktes Ergebniss.

Als nun die Zeit angebrochen war, hatte der Erhabene an diesem Feiertage, im halben Monat, am letzten Herbsteswechsel, in der voll aufgegangenen Mondnacht, inmitten der Mönchgemeinde unter freiem Himmel Platz genommen. Und der Erhabene blickte über die stillgewordene, lautlose Schaar der Mönche hin und wandte sich also an sie:

»Keine Worte wechselt, ihr Mönche, diese Versammlung, keine Worte äußert, ihr Mönche, diese Versammlung, ist rein aus dem Kerne bestanden. Solcherart ist, ihr Mönche, diese Jüngerschaar, solcherart ist, ihr Mönche, diese Versammlung, dass sie Opfer und Spende, Gabe und Gruß verdient, heiligste Stätte der Welt ist. Solcherart ist, ihr Mönche, diese Jüngerschaar, solcherart ist, ihr Mönche, diese Versammlung, dass bei ihr geringe Gabe als groß gilt und große Gabe als größer. {181} Solcherart ist, ihr Mönche, diese Jüngerschaar, solcherart ist, ihr Mönche, diese Versammlung, wie eine solche schwer zu finden ist in der Welt. Solcherart ist, ihr Mönche, diese Jüngerschaar, solcherart ist, ihr Mönche, diese Versammlung, dass man gern etliche Meilen geht um sie zu sehn, und sei es auch nur von rückwärts.

»Solcherart ist, ihr Mönche, diese Jüngerschaar, solcherart ist, ihr Mönche, diese Versammlung, dass es da, ihr Mönche, unter diesen Jüngern Mönche giebt, die Heilige, Wahnversieger, Endiger sind, die das Werk[S. 185] gewirkt, die Last abgelegt, das Heil sich errungen, die Daseinsfesseln vernichtet, sich durch vollkommene Erkenntniss erlöst haben: eben solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern. Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die nach Vernichtung der fünf niederzerrenden Fesseln emporsteigen um von dort aus zu erlöschen, nicht mehr zurückzukehren nach jener Welt: auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern. Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die nach Vernichtung der drei Fesseln, von Gier, Hass und Irre erleichtert, fast schon geläutert, nur einmal wiederkehren, nur einmal noch zu dieser Welt gekommen dem Leiden ein Ende machen werden: auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern. Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die nach Vernichtung der drei Fesseln zur Hörerschaft gelangen, dem Verderben entronnen zielbewusst der vollen Erwachung entgegeneilen: auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern.

»Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die als Eroberer der vier Pfeiler der Einsicht beharrlich ausharren: auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern. Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die als Eroberer der vier gewaltigen Kämpfe beharrlich ausharren: {182} auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern. Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die als Eroberer der vier Machtgebiete, der fünf Fähigkeiten, der fünf Vermögen, der sieben Erweckungen, des heiligen achtfältigen Weges beharrlich ausharren:[S. 186] auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern.

»Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die als Eroberer liebevollen Gemüthes beharrlich ausharren: auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern. Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die als Eroberer erbarmenden Gemüthes, freudevollen Gemüthes, unbewegten Gemüthes beharrlich ausharren: auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern.

»Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die als Eroberer im Schauder beharrlich ausharren[83]: auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern. Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die als Eroberer im Wahrnehmen der Wandelbarkeit beharrlich ausharren: auch solche Mönche giebt es, ihr Mönche, unter diesen Jüngern.

»Es giebt, ihr Mönche, Mönche unter diesen Jüngern, die als Eroberer in bedachtsam geübter Ein- und Ausathmung beharrlich ausharren. Ein- und Ausathmung, ihr Mönche, bedachtsam geübt und gepflegt, lässt hohen Lohn erlangen, hohe Förderung. Ein- und Ausathmungen, ihr Mönche, bedachtsam geübt und gepflegt, lassen[84] die vier Pfeiler der Einsicht zustande kommen; die vier Pfeiler der Einsicht, bedachtsam geübt und gepflegt, lassen die sieben Erweckungen zustande kommen; die sieben Erweckungen, bedachtsam geübt und gepflegt, lassen die wissende Erlösung zustande kommen.

»Wie aber wird bedachtsam, ihr Mönche, Ein- und Ausathmung geübt, wie gepflegt, auf dass sie hohen Lohn verleihe, hohe Förderung? Da begiebt sich, ihr[S. 187] Mönche, der Mönch ins Innere des Waldes oder unter einen großen Baum oder in eine leere Klause, setzt sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht. Bedächtig athmet er ein, bedächtig athmet er aus. Athmet er tief ein, so weiß er ›Ich athme tief ein‹, athmet er tief aus, so weiß er ›Ich athme tief aus‹; athmet er kurz ein, so weiß er {183} ›Ich athme kurz ein‹, athmet er kurz aus, so weiß er ›Ich athme kurz aus‹. ›Den ganzen Körper empfindend will ich einathmen‹, ›Den ganzen Körper empfindend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Diese Körperverbindung besänftigend will ich einathmen‹, ›Diese Körperverbindung besänftigend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Heiter empfindend will ich einathmen‹, ›Heiter empfindend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Sälig empfindend will ich einathmen‹, ›Sälig empfindend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Die Gedankenverbindung empfindend will ich einathmen‹, ›Die Gedankenverbindung empfindend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Diese Gedankenverbindung besänftigend will ich einathmen‹, ›Diese Gedankenverbindung besänftigend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Die Gedanken empfindend will ich einathmen‹, ›Die Gedanken empfindend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Die Gedanken ermunternd will ich einathmen‹, ›Die Gedanken ermunternd will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Die Gedanken einigend will ich einathmen‹, ›Die Gedanken einigend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Die Gedanken lösend will ich einathmen‹, ›Die Gedanken lösend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Die Vergänglichkeit wahrnehmend will ich einathmen‹, ›Die Vergänglichkeit wahrnehmend will[S. 188] ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Die Reizlosigkeit wahrnehmend will ich einathmen‹, ›Die Reizlosigkeit wahrnehmend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Die Ausrodung wahrnehmend will ich einathmen, ›Die Ausrodung wahrnehmend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Die Entfremdung wahrnehmend will ich einathmen‹, ›Die Entfremdung wahrnehmend will ich ausathmen‹, so übt er sich. Also wird bedachtsam, ihr Mönche, Ein- und Ausathmung geübt, {184} also gepflegt, auf dass sie hohen Lohn verleihe, hohe Förderung.

»Wie aber werden bedachtsam, ihr Mönche, Ein- und Ausathmungen geübt, wie gepflegt, auf dass sie die vier Pfeiler der Einsicht zustande bringen? Zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch, tief einathmend, weiß ›Ich athme tief ein‹, tief ausathmend, weiß ›Ich athme tief aus‹; kurz einathmend, weiß ›Ich athme kurz ein‹, kurz ausathmend, weiß ›Ich athme kurz aus‹; ›Den ganzen Körper empfindend will ich einathmen‹, ›Den ganzen Körper empfindend will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Diese Körperverbindung besänftigend will ich einathmen‹, ›Diese Körperverbindung besänftigend will ich ausathmen‹, so sich übt: zu einer solchen Zeit wacht, ihr Mönche, der Mönch beim Körper über den Körper, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns. Bei den Körpern nenne ich es, ihr Mönche, den Körper verändern, nämlich das Einathmen und das Ausathmen: darum aber, ihr Mönche, wacht der Mönch zu einer solchen Zeit beim Körper über den Körper, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns. — Zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der[S. 189] Mönch ›Heiter empfindend will ich einathmen‹, ›Heiter empfindend will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Sälig empfindend will ich einathmen‹, ›Sälig empfindend will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Die Gedankenverbindung empfindend will ich einathmen‹, ›Die Gedankenverbindung empfindend will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Diese Gedankenverbindung besänftigend will ich einathmen‹, ›Diese Gedankenverbindung besänftigend will ich ausathmen‹, so sich übt: zu einer solchen Zeit wacht, ihr Mönche, der Mönch bei den Gefühlen über die Gefühle, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns. Bei den Gefühlen nenne ich es, ihr Mönche, {185} das Gefühl verändern, nämlich beim Einathmen und Ausathmen wohl darauf achthaben: darum aber, ihr Mönche, wacht der Mönch zu einer solchen Zeit bei den Gefühlen über die Gefühle, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns. — Zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch ›Die Gedanken empfindend will ich einathmen‹, ›Die Gedanken empfindend will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Die Gedanken ermunternd will ich einathmen‹, ›Die Gedanken ermunternd will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Die Gedanken einigend will ich einathmen‹, ›Die Gedanken einigend will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Die Gedanken lösend will ich einathmen‹, ›Die Gedanken lösend will ich ausathmen‹, so sich übt: zu einer solchen Zeit wacht, ihr Mönche, der Mönch beim Gemüthe über das Gemüth, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns. Nicht kann, ihr Mönche, sag’ ich, ein unbesonnener Mensch, der unklar[S. 190] denkt, bedachtsam Ein- und Ausathmung üben: darum aber, ihr Mönche, wacht der Mönch zu einer solchen Zeit beim Gemüthe über das Gemüth, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns. — Zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch ›Die Vergänglichkeit wahrnehmend will ich einathmen‹, ›Die Vergänglichkeit wahrnehmend will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Die Reizlosigkeit wahrnehmend will ich einathmen‹, ›Die Reizlosigkeit wahrnehmend will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Die Ausrodung wahrnehmend will ich einathmen‹, ›Die Ausrodung wahrnehmend will ich ausathmen‹, so sich übt; ›Die Entfremdung wahrnehmend will ich einathmen‹, ›Die Entfremdung wahrnehmend will ich ausathmen‹, so sich übt: zu einer solchen Zeit wacht, ihr Mönche, {186} der Mönch bei den Erscheinungen über die Erscheinungen, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns. Und wie da Begehren und Bekümmern überstanden wird hat er weise gemerkt, und wohl hat er es ausgeglichen: darum aber, ihr Mönche, wacht der Mönch zu einer solchen Zeit bei den Erscheinungen über die Erscheinungen, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns. Also werden bedachtsam, ihr Mönche, Ein- und Ausathmungen geübt, also gepflegt, und lassen die vier Pfeiler der Einsicht zustande kommen.

»Wie aber werden, ihr Mönche, die vier Pfeiler der Einsicht geübt, wie gepflegt, auf dass sie die sieben Erweckungen zustande bringen? Zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch beim Körper über den Körper wacht, unermüdlich,[S. 191] klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns, gewärtig hat er zu einer solchen Zeit die Einsicht, unverrückbar; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch die Einsicht gewärtig hat, unverrückbar, der Einsicht Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Einsicht Erweckung vollbringt er da, der Einsicht Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Also besonnen weilend zerlegt er weise den Sinn, zertheilt ihn, dringt in seine Tiefe ein; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch also besonnen weilend weise den Sinn zerlegt, ihn zertheilt, in seine Tiefe eindringt, des Tiefsinns Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, des Tiefsinns Erweckung vollbringt er da, {187} des Tiefsinns Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Also den Sinn weise zerlegend, ihn zertheilend, in seine Tiefe eindringend erwirkt er Kraft, unbeugsame; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch also den Sinn weise zerlegend, ihn zertheilend, in seine Tiefe eindringend Kraft erwirkt, unbeugsame, der Kraft Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Kraft Erweckung vollbringt er da, der Kraft Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Hat er Kraft erwirkt, erhebt sich in ihm eine überweltliche Heiterkeit; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch Kraft erwirkt hat und in ihm eine überweltliche Heiterkeit aufgeht, der Heiterkeit Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Heiterkeit Erweckung vollbringt er da, der Heiterkeit Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Hat er Heiterkeit im Herzen, wird er lind im Leibe, lind im Gemüthe; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch Heiterkeit im[S. 192] Herzen hat und lind im Leibe, lind im Gemüthe wird, der Lindheit Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Lindheit Erweckung vollbringt er da, der Lindheit Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Hat er sälig den Leib gelindert, wird ihm das Gemüth einig; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch sälig den Leib gelindert hat und das Gemüth ihm einig wird, der Innigkeit Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Innigkeit Erweckung vollbringt er da, der Innigkeit Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. {188} Also einig geworden im Gemüthe hat er es wohl ausgeglichen; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch also einig geworden im Gemüthe es wohl ausgeglichen hat, des Gleichmuths Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, des Gleichmuths Erweckung vollbringt er da, des Gleichmuths Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht.

»Zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch bei den Gefühlen über die Gefühle wacht, beim Gemüthe über das Gemüth wacht, bei den Erscheinungen über die Erscheinungen wacht, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns, gewärtig hat er zu einer solchen Zeit die Einsicht, unverrückbar; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch die Einsicht gewärtig hat, unverrückbar, der Einsicht Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Einsicht Erweckung vollbringt er da, der Einsicht Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Also besonnen weilend zerlegt er weise den Sinn, zertheilt ihn, dringt in seine Tiefe ein; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch also besonnen weilend weise den Sinn zerlegt,[S. 193] ihn zertheilt, in seine Tiefe eindringt, des Tiefsinns Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, des Tiefsinns Erweckung vollbringt er da, des Tiefsinns Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Also den Sinn weise zerlegend, ihn zertheilend, in seine Tiefe eindringend erwirkt er Kraft, unbeugsame; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch also den Sinn weise zerlegend, ihn zertheilend, in seine Tiefe eindringend Kraft erwirkt, unbeugsame, {189} der Kraft Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Kraft Erweckung vollbringt er da, der Kraft Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Hat er Kraft erwirkt, erhebt sich in ihm eine überweltliche Heiterkeit; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch Kraft erwirkt hat und in ihm eine überweltliche Heiterkeit aufgeht, der Heiterkeit Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Heiterkeit Erweckung vollbringt er da, der Heiterkeit Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Hat er Heiterkeit im Herzen, wird er lind im Leibe, lind im Gemüthe; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch Heiterkeit im Herzen hat und lind im Leibe, lind im Gemüthe wird, der Lindheit Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Lindheit Erweckung vollbringt er da, der Lindheit Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Hat er sälig den Leib gelindert, wird ihm das Gemüth einig; zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch sälig den Leib gelindert hat und das Gemüth ihm einig wird, der Innigkeit Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, der Innigkeit Erweckung vollbringt er da, der Innigkeit Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht. Also einig geworden im Gemüthe hat er es wohl ausgeglichen;[S. 194] zu einer Zeit, ihr Mönche, wo der Mönch also einig geworden im Gemüthe es wohl ausgeglichen hat, des Gleichmuths Erweckung hat er zu dieser Zeit erwirkt, des {190} Gleichmuths Erweckung vollbringt er da, des Gleichmuths Erweckung wird da von ihm zur Vollendung gebracht.

»Also werden, ihr Mönche, die vier Pfeiler der Einsicht geübt, also gepflegt, und lassen die sieben Erweckungen zustande kommen.

»Wie aber werden, ihr Mönche, die sieben Erweckungen geübt, wie gepflegt, auf dass sie die wissende Erlösung zustande bringen? Da übt, ihr Mönche, der Mönch der Einsicht Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt des Tiefsinns Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt der Kraft Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt der Heiterkeit Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt der Lindheit Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt der Innigkeit Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt des Gleichmuths Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht. Also werden, ihr Mönche, die sieben Erweckungen geübt, also gepflegt, und lassen die wissende Erlösung zustande kommen.«

[S. 195]

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


119.

Zwölfter Theil

Neunte Rede

EINSICHT IN DEN KÖRPER

{191} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Als nun manche der Mönche nach dem Mahle, vom Almosengange zurückgekehrt, in der Halle des Vorhauses sich eingefunden, versammelt hatten, kam unter ihnen die Rede auf: ›Erstaunlich, ihr Brüder, außerordentlich ist es, ihr Brüder, wie sehr da von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, Einsicht in den Körper, übt man und pflegt man sie, als hochlohnend gepriesen wurde, hochförderlich.‹

Bald aber nachdem dieses Gespräch der Mönche unter einander begonnen, kam der Erhabene heran, gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, zur Halle hin des Vorhauses, und nahm, dort angelangt, auf dem angebotenen Sitze Platz. Da wandte sich denn der Erhabene an die Mönche:

»Zu welchem Gespräche, ihr Mönche, seid ihr jetzt hier zusammengekommen, und wobei habt ihr euch eben unterbrochen?«

»Als wir uns da, o Herr, nach dem Mahle, vom Almosengange[S. 196] zurückgekehrt, in der Halle des Vorhauses eingefunden, versammelt hatten, war unter uns die Rede aufgekommen: ›Erstaunlich, ihr Brüder, außerordentlich ist es, ihr Brüder, wie sehr da von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, Einsicht in den Körper, übt man und pflegt man sie, als hochlohnend gepriesen wurde, hochförderlich‹: das war, o Herr, das Gespräch unter uns, das wir unterbrachen als der Erhabene ankam.«

»Wie aber übt man, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie pflegt man sie, auf dass sie hohen Lohn verleihe, hohe Förderung? Da begiebt sich, ihr Mönche, der Mönch ins Innere des Waldes oder unter einen großen Baum oder in eine leere Klause, setzt sich mit verschränkten Beinen nieder, {192} den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht.[84] Bedächtig athmet er ein, bedächtig athmet er aus. Athmet er tief ein, so weiß er ›Ich athme tief ein‹, athmet er tief aus, so weiß er ›Ich athme tief aus‹; athmet er kurz ein, so weiß er ›Ich athme kurz ein‹, athmet er kurz aus, so weiß er ›Ich athme kurz aus‹. ›Den ganzen Körper empfindend will ich einathmen‹, ›Den ganzen Körper empfindend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Diese Körperverbindung besänftigend will ich einathmen‹, ›Diese Körperverbindung besänftigend will ich ausathmen‹, so übt er sich. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Eben das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

[S. 197]

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch weiß wenn er geht ›Ich gehe‹, weiß wenn er steht ›Ich stehe‹, weiß wenn er sitzt ›Ich sitze‹, weiß wenn er liegt ›Ich liege‹, er weiß wenn er sich in dieser oder jener Stellung befindet, dass es diese oder jene Stellung ist. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch ist klar bewusst beim Kommen und Gehn, klar bewusst beim Hinblicken und Wegblicken, klar bewusst beim Neigen und Erheben, klar bewusst beim Tragen des Gewandes und der Almosenschaale des Ordens, {193} klar bewusst beim Essen und Trinken, Kauen und Schmecken, klar bewusst beim Entleeren von Koth und Harn, klar bewusst beim Gehn und Stehn und Sitzen, beim Einschlafen und Erwachen, beim Sprechen und Schweigen. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch betrachtet sich diesen Körper da von der Sohle bis zum Scheitel, den hautüberzogenen, den unterschiedliches Unreine ausfüllt: ›Dieser Körper trägt einen Schopf, ist behaart, hat Nägel und Zähne, Haut und Fleisch, Sehnen und[S. 198] Knochen und Knochenmark, Nieren, Herz und Leber, Zwerchfell, Milz, Lungen, Magen, Eingeweide, Weichtheile und Koth, hat Galle, Schleim, Eiter, Blut, Schweiß, Lymphe, Thränen, Serum, Speichel, Rotz, Gelenköl, Harn.‹ Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn da ein Sack, an beiden Enden zugebunden, mit verschiedenem Korne gefüllt wäre, als wie etwa mit Reis, mit Bohnen, mit Sesam, und ein scharfsehender Mann bände ihn auf und untersuchte den Inhalt: ›Das ist Reis, das sind Bohnen, das ist Sesam‹: ebenso nun auch, ihr Mönche, betrachtet sich der Mönch diesen Körper da von der Sohle bis zum Scheitel, {194} den hautüberzogenen, den unterschiedliches Unreine ausfüllt. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch schaut sich diesen Körper da wie er geht und steht als Artung an: ›Dieser Körper ist von Erdenart, von Wasserart, von Feuerart, von Luftart.‹ Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein geschickter Metzger oder Metzgergeselle eine Kuh schlachtet, auf den Markt bringt, Stück vor Stück zerlegt und sich dann hinsetzen mag: ebenso nun auch, ihr Mönche, schaut sich der Mönch diesen Körper da wie er geht und steht als Artung an. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch[S. 199] das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: als hätte der Mönch einen Leib auf der Leichenstätte liegen sehn, einen Tag nach dem Tode oder zwei oder drei Tage nach dem Tode, aufgedunsen, blauschwarz gefärbt, in Fäulniss übergegangen, zieht er den Schluss auf sich selbst: ›Und auch dieser Körper ist so beschaffen, {195} wird das werden, kann dem nicht entgehn.‹[85] Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: als hätte der Mönch einen Leib auf der Leichenstätte liegen sehn, von Krähen oder Raben oder Geiern zerfressen, von Hunden oder Schackalen zerfleischt, oder von vielerlei Würmern zernagt, zieht er den Schluss auf sich selbst: ›Und auch dieser Körper ist so beschaffen, wird das werden, kann dem nicht entgehn.‹ Weiter sodann, ihr Mönche: als hätte der Mönch einen Leib auf der Leichenstätte liegen sehn, ein Knochengerippe, fleischbehangen, blutbesudelt, von den Sehnen zusammengehalten; ein Knochengerippe, fleischentblößt, blutbefleckt, von den Sehnen zusammengehalten; ein Knochengerippe, ohne Fleisch, ohne Blut, von den Sehnen zusammengehalten; die Gebeine, ohne die Sehnen, hierher und dorthin verstreut, da ein Handknochen, dort ein Fußknochen, da ein Schienbein, dort ein Schenkel, da das Becken, dort Wirbel, da der Schädel; als hätte er das gesehn, zieht er den Schluss auf[S. 200] sich selbst: ›Und auch dieser Körper ist so beschaffen, wird das werden, kann dem nicht entgehn.‹ Weiter sodann, ihr Mönche: als hätte der Mönch einen Leib auf der Leichenstätte liegen sehn, Gebeine, blank, muschelfarbig; {196} Gebeine, zuhauf geschichtet, nach Verlauf eines Jahres; Gebeine, verwest, in Staub zerfallen; als hätte er das gesehn, zieht er den Schluss auf sich selbst: ›Und auch dieser Körper ist so beschaffen, wird das werden, kann dem nicht entgehn.‹[86] Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, verweilt in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Diesen Körper durchdringt und durchtränkt, erfüllt und sättigt er mit ruhegeborener säliger Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von ruhegeborener säliger Heiterkeit ungesättigt bleibt. Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein gewandter Bader oder Badergeselle auf ein erzernes Becken Seifenpulver streut und mit Wasser versetzt, verreibt und vermischt, sodass sein Schaumball völlig durchfeuchtigt, innen und außen mit Feuchtigkeit gesättigt ist und nichts herabträufelt: ebenso nun auch, ihr Mönche, durchdringt und durchtränkt, erfüllt und sättigt der Mönch diesen Körper da mit ruhegeborener säliger Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von ruhegeborener säliger Heiterkeit ungesättigt[S. 201] bleibt. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch erreicht nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Diesen Körper durchdringt und durchtränkt, erfüllt und sättigt er mit der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit ungesättigt bleibt. Gleichwie etwa, ihr Mönche, {197} ein See mit unterirdischer Quelle, in den sich kein Bach von Osten oder Westen, von Norden oder Süden ergösse, keine Wolke von Zeit zu Zeit mit tüchtigem Gusse darüber hinwegzöge, in welchem nur die kühle Quelle des Grundes emporwellte und diesen See völlig durchdränge, durchtränkte, erfüllte und sättigte, sodass nicht der kleinste Theil des Sees von kühlem Wasser ungesättigt bliebe: ebenso nun auch, ihr Mönche, durchdringt und durchtränkt, erfüllt und sättigt der Mönch diesen Körper da mit der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit ungesättigt bleibt. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt[S. 202] sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch weilt in heiterer Ruhe gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Diesen Körper da durchdringt und durchtränkt, erfüllt und sättigt er mit entsäligter Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von entsäligter Heiterkeit ungesättigt bleibt. Gleichwie etwa, ihr Mönche, in einem Lotusweiher einzelne blaue oder rothe oder weiße Lotusrosen im Wasser entstehn, im Wasser sich entwickeln, unter dem Wasserspiegel bleiben, aus der Wassertiefe Nahrung aufsaugen und ihre Blüthen und ihre Wurzeln von kühlem Wasser durchdrungen, durchtränkt, erfüllt und gesättigt sind, sodass nicht der kleinste Theil jeder blauen oder rothen oder weißen Lotusrose von kühlem Nass ungesättigt bleibt: {198} ebenso nun auch, ihr Mönche, durchdringt und durchtränkt, erfüllt und sättigt der Mönch diesen Körper da mit entsäligter Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von entsäligter Heiterkeit ungesättigt bleibt. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch erwirkt[S. 203] nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Er setzt sich hin und bedeckt diesen Körper da mit geläutertem Gemüthe, mit geklärtem, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von dem geläuterten Gemüthe, dem geklärten, unbedeckt bleibt. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn sich ein Mann vom Scheitel bis zur Sohle in einen weißen Mantel eingehüllt niedersetzte, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von dem weißen Mantel unbedeckt bliebe: ebenso nun auch, ihr Mönche, setzt sich der Mönch nieder und hat diesen Körper mit geläutertem Gemüthe, mit geklärtem, überzogen, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von dem geläuterten Gemüthe, dem geklärten, unbedeckt bleibt.[87] Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Wer auch immer, ihr Mönche, Einsicht in den Körper geübt und gepflegt hat, einbegriffen hat er die heilsamen Dinge, die nur irgend Wissen einbringen. Gleichwie da, ihr Mönche, {199} ein jeder, der das große Meer im Geiste gefasst hat, einbegriffen die Flüsse hat, die nur irgend ins Meer sich ergießen: ebenso nun auch, ihr Mönche, hat ein jeder, der da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt hat, einbegriffen die heilsamen Dinge, die nur irgend Wissen einbringen.[88]

[S. 204]

»Wer auch immer, ihr Mönche, Einsicht in den Körper nicht geübt, nicht gepflegt hat, in den kann der Tod hineingleiten, in den kann der Tod hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Mann eine schwere Steinkugel auf einen feuchten Lehmhaufen hinwürfe; was meint ihr wohl, Mönche: würde da nicht diese schwere Steinkugel in den feuchten Lehmhaufen hineingleiten?«

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper nicht geübt, nicht gepflegt, kann der Tod in den hineingleiten, kann der Tod in den hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein trockenes, ausgedörrtes Holzscheit da wäre, und es käme ein Mann herbei, mit einem Reibholz versehn[89]: ›Ich will Feuer erwecken, Licht hervorbringen‹; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da nicht dieser Mann, mit dem Reibholz das trockene, ausgedörrte Holzscheit reibend, Feuer erwecken, Licht hervorbringen?«

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper nicht geübt, nicht gepflegt, kann der Tod in den hineingleiten, kann der Tod in den hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Wassereimer, ungefüllt, ohne Inhalt, auf der Staffel stände, und es käme ein Mann herbei, mit einer Kufe Wasser; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da nicht dieser Mann das Wasser hineinschütten?«

»Gewiss, o Herr!«

{200} »Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsieht in den Körper nicht geübt, nicht gepflegt, kann[S. 205] der Tod in den hineingleiten, kann der Tod in den hinabschleichen. — Wer auch immer, ihr Mönche, Einsicht in den Körper geübt und gepflegt hat, nicht in den kann der Tod hineingleiten, nicht in den kann der Tod hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Mann einen leichten Fadenknäul gegen ein ganz aus Kernholz gehobeltes Thürbrett schleuderte; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da etwa dieser leichte Fadenknäul in das ganz aus Kernholz gehobelte Thürbrett hineingleiten?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt, kann der Tod nicht in den hineingleiten, kann der Tod nicht in den hinabschleichen.[90] Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein feuchtes, leimiges Holzscheit da wäre, und es käme ein Mann herbei, mit einem Reibholz versehn: ›Ich will Feuer erwecken, Licht hervorbringen‹; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da etwa dieser Mann, mit dem Reibholz das feuchte, leimige Holzscheit reibend, Feuer erwecken, Licht hervorbringen?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körner geübt und gepflegt, kann der Tod nicht in den hineingleiten, kann der Tod nicht in den hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Wassereimer, voll von Wasser, bis zum Rande gefüllt, Krähen schlürfbar, auf der Staffel stände, und es käme ein Mann herbei, mit einer Kufe Wasser; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da etwa dieser Mann das Wasser hineinschütten?«

[S. 206]

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt, {201} kann der Tod nicht in den hineingleiten, kann der Tod nicht in den hinabschleichen.[91] — Wer auch immer, ihr Mönche, Einsicht in den Körper geübt und gepflegt hat: auf was für ein durch Erkenntniss erwirkbares Ding der sein Herz nur irgend hinlenkt, um es durch Erkenntniss zu erwirken, eben da und da wird ihm Erwirkung zutheil, je und je nach der Wirkensart. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Wassereimer, voll von Wasser, bis zum Rande gefüllt, Krähen schlürfbar, auf der Staffel stände, und diesen ein kräftiger Mann mehr und mehr tiefte: triefte da Wasser?«

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt: auf was für ein durch Erkenntniss erwirkbares Ding der sein Herz nur irgend hinlenkt, um es durch Erkenntniss zu erwirken, eben da und da wird ihm Erwirkung zutheil, je und je nach der Wirkensart.[92] Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn in flacher Landschaft ein Teich läge, an den vier Seiten von einem Damme umfriedet, voll von Wasser, bis zum Rande gefüllt, Krähen schlürfbar, und diesen Damm ein kräftiger Mann mehr und mehr tiefte: triefte da Wasser?«

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt: auf was für ein durch Erkenntniss erwirkbares Ding der sein Herz nur irgend hinlenkt, um es durch Erkenntniss zu[S. 207] erwirken, eben da und da wird ihm Erwirkung zutheil, je und je nach der Wirkensart. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn da auf gutem Boden, am Ausgangsplatze vierer Straßen, ein treffliches Wagengespann in Bereitschaft stände, mit dem zugehörigen Treibstock versehn, und diesen Wagen bestiege ein Meister der Fahrkunst, ein gewandter Rosselenker, {202} nähme die Zügel in die linke Hand, den Treibstock in die rechte, und führe nach Wunsch und Willen hin und her: ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt: auf was für ein durch Erkenntniss erwirkbares Ding der sein Herz nur irgend hinlenkt, um es durch Erkenntniss zu erwirken, eben da und da wird ihm Erwirkung zutheil, je und je nach der Wirkensart.[93]

»Ist Einsicht, ihr Mönche, in den Körper genommen, geübt, gepflegt, ausgeführt, ausgebildet, angewendet, durchgeprüft, durchaus entrichtet worden, mag man da zehn förderliche Eigenschaften an sich erfahren. Ueber Unmuth hat man Gewalt[94], nicht lässt man sich von Unmuth bewältigen, aufgestiegenen Unmuth überwindet, übersteht man. Furcht und Angst bewältigt man, nicht lässt man sich von Furcht und Angst bewältigen, aufgestiegene Furcht und Angst überwindet, übersteht man. Man erträgt Kälte und Hitze, Hunger und Durst, Wind und Wetter, Mücken und Wespen und plagende Kriechthiere, boshafte, böswillige Redeweisen, körperliche Schmerzgefühle, die einen treffen, heftige, schneidende, stechende, unangenehme, leidige, lebensgefährliche dauert man duldend aus. Die vier Schauungen, die das Herz erquicken, schon im Leben besäligen, die kann man nach Wunsch gewinnen, in ihrer Fülle und[S. 208] Weite. Auf manigfaltige Weise mag man Machtentfaltung an sich erfahren, bis zu den Brahmawelten hat man den Körper in seiner Gewalt. Mit dem himmlischen Gehör, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, kann man beide Arten der Töne hören, die himmlischen und die irdischen, die fernen und die nahen. Der anderen Wesen, der anderen Personen Herz im Herzen schaut und erkennt man je gemäß. {203} An manche verschiedene frühere Daseinsform erinnert man sich, als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, und so weiter, mit je den eigenthümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen. Mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, kann man die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sehn, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, man kann erkennen wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren. Den Wahn kann man versiegen und die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und erringen. Ist Einsicht, ihr Mönche, in den Körper genommen, geübt, gepflegt, ausgeführt, ausgebildet, angewendet, durchgeprüft, durchaus entrichtet worden, mag man diese zehn förderlichen Eigenschaften an sich erfahren.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[95]


[S. 209]

120.

Zwölfter Theil

Zehnte Rede

UNTERSCHIEDLICHE WIEDERKEHR

{204} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Unterschiedliche Wiederkehr werd’ ich, ihr Mönche, euch zeigen: das höret und achtet wohl auf meine Rede!«

»Freilich, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Da hat, ihr Mönche, ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben, Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, noch zur Gemeinschaft mit mächtigen Fürsten wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

»Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben, Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung[S. 210] des Körpers, nach dem Tode, noch zur Gemeinschaft mit mächtigen Priestern — mit mächtigen Bürgern wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. {205} Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

»Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben, Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der hat reden hören: ›Die Dreiunddreißig Götter, die leben lange und herrlich und glücksälig.‹[96] Der gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, noch zur Gemeinschaft mit den Dreiunddreißig Göttern wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

»Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben, Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der hat reden hören: ›Die Schattengötter — die Säligen Götter — die Götter der unbeschränkten Freude — die Jenseit der unbeschränkten Freude weilenden Götter[97], die leben lange und herrlich und glücksälig.‹ Der gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, noch zur Gemeinschaft mit[S. 211] jenen Göttern wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

»Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben, Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der hat reden hören: ›Der tausendfache Brahmā, der lebt lange und herrlich und glücksälig.‹ Der tausendfache Brahmā, ihr Mönche, strahlt tausend Welten durch und ragt über sie empor; {206} die aber dorthin zu wesen wiederkehren, auch diese durchstrahlt er und ragt über sie empor. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein scharfsehender Mann einen Reif um die Hand legte und betrachtete, ebenso nun auch, ihr Mönch, strahlt der tausendfache Brahmā tausend Welten durch und ragt über sie empor; die aber dorthin zu wesen wiederkehren, auch diese durchstrahlt er und ragt über sie empor. Und jener gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, noch[98] zur Gemeinschaft mit dem tausendfachen Brahmā wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

»Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben,[S. 212] Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der hat reden hören: ›Der zweitausendfache Brahmā — der dreitausendfache, viertausendfache, der fünftausendfache Brahmā, der lebt lange und herrlich und glücksälig.‹ Der fünftausendfache Brahmā, ihr Mönche, strahlt fünftausend Welten durch und ragt über sie empor; die aber dorthin zu wesen wiederkehren, auch diese durchstrahlt er und ragt über sie empor. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein scharfsehender Mann fünf Reifen um die Hand legte und betrachtete, ebenso nun auch, ihr Mönche, strahlt der fünftausendfache Brahmā fünftausend Welten durch und ragt über sie empor; die aber dorthin zu wesen wiederkehren, auch diese durchstrahlt er und ragt über sie empor. Und jener gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, noch zur Gemeinschaft mit dem fünftausendfachen Brahmā wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

{207} »Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben, Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der hat reden hören: ›Der zehntausendfache Brahmā, der lebt lange und herrlich und glücksälig.‹ Der zehntausendfache Brahmā, ihr Mönche, strahlt zehntausend Welten durch und ragt über sie empor; die aber dorthin zu wesen wiederkehren, auch diese durchstrahlt er und ragt über sie empor. Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein[S. 213] Juwel, ein Edelstein, von reinem Wasser[99], achteckig, wohlbearbeitet, auf lichter Decke liegend leuchtet und funkelt und strahlt, ebenso nun auch, ihr Mönche, strahlt der zehntausendfache Brahmā zehntausend Welten durch und ragt über sie empor; die aber dorthin zu wesen wiederkehren, auch diese durchstrahlt er und ragt über sie empor. Und jener gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, noch zur Gemeinschaft mit dem zehntausendfachen Brahmā wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

»Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben, Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der hat reden hören: ›Der hunderttausendfache Brahmā, der lebt lange und herrlich und glücksälig.‹ Der hunderttausendfache Brahmā, ihr Mönche, strahlt hunderttausend Welten durch und ragt über sie empor; die aber dorthin zu wesen wiederkehren, auch diese durchstrahlt er und ragt über sie empor. {208} Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein Stück gediegenes Gold, von einem geschickten Goldschmidtgesellen im Schmelztiegel mit aller Sorgfalt abgeläutert, auf lichter Decke liegend leuchtet und funkelt und strahlt[100], ebenso nun auch, ihr Mönche, strahlt der hunderttausendfache Brahmā hunderttausend Welten durch und ragt über sie empor; die aber dorthin zu wesen wiederkehren, auch diese durchstrahlt er und ragt[S. 214] über sie empor. Und jener gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, noch zur Gemeinschaft mit dem hunderttausendfachen Brahmā wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

»Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben, Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der hat reden hören: {209} ›Die Glänzenden Götter — die Hellerglänzenden Götter — die Unermesslichglänzenden Götter — die Leuchtenden Götter — die Strahlenden Götter — die Hellerstrahlenden Götter — die Unermesslichstrahlenden Götter — die Strahlengewordenen Götter — die Gewaltigen Götter — die Wonnigen Götter — die Sonnigen Götter — die Hehren Götter — die Herrlichen Götter — die Erhabenen Götter, die leben lange und herrlich und glücksälig.‹ Und er gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, noch zur Gemeinschaft mit den Erhabenen Göttern wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

»Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben,[S. 215] Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der hat reden hören: ›Die Raumunendlichkeit genießenden Götter — {210} die Bewusstseinunendlichkeit genießenden Götter — die Nichtdasein genießenden Götter — die weder Wahrnehmung noch Nichtwahrnehmung genießenden Götter, die leben lange, bestehn lange und glücksälig.‹ Und er gedenkt bei sich: ›O dass ich doch bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, noch zur Gemeinschaft mit den weder Wahrnehmung noch Nichtwahrnehmung genießenden Göttern wiederkehrte!‹ Dahin lenkt er das Herz, darauf richtet er das Herz, dazu erzieht er das Herz. Während er da die unterschiedlichen Gewöhnungen also übt und also pflegt, gedeihen ihm diese zur Wiederkehr dorthin. Das ist, ihr Mönche, der Weg, das ist der Uebergang, der zur Wiederkehr dorthin gedeiht.

»Weiter sodann, ihr Mönche, hat ein Mönch Vertrauen erworben, Tugend erworben, Erfahrung erworben, Entsagung erworben, Weisheit erworben. Der gedenkt bei sich: ›O dass ich doch den Wahn versiegen und die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten mir offenbar machen, {211} verwirklichen und erringen könnte!‹ Und er kann den Wahn versiegen und die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und erringen. Ein solcher Mönch, ihr Mönche, kehrt nirgend wieder.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[101]



[S. 217]

DREIZEHNTER THEIL
BUCH DER ARMUTH



[S. 219]

121.

Dreizehnter Theil

Erste Rede

ARMUTH
– I –

{212} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Osthaine, auf Mutter Migāros Terrasse.

Da nun begab sich der ehrwürdige Ānando eines Abends, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun der ehrwürdige Ānando also zum Erhabenen:

»Es war einmal, o Herr, da weilte der Erhabene im Lande der Sakyer, bei Nagarakam, einer Burg im Sakyergebiete. Damals hab’ ich, o Herr, vom Erhabenen selbst es gehört, selbst es vernommen: ›Armuth erfahren hab’ ich, Ānando, in dieser Zeit am meisten gemocht.‹ Hab’ ich es wohl, o Herr, recht gehört, recht vernommen, recht gemerkt, recht behalten?«

»Gewiss hast du es, Ānando, recht gehört, recht vernommen, recht gemerkt, recht behalten. So damals, Ānando, wie heute hab’ ich Armuth erfahren am meisten gemocht. — Gleichwie etwa, Ānando, diese Terrasse Mutter Migāros ohne Elephanten, Rinder und Rosse ist, ohne Gold und Silber, ohne Gesellschaft von Weibern und Männern, und nur einen Reichthum aufweist an[S. 220] einer Schaar Mönche als einzigen Gegenstand: ebenso nun auch, Ānando, hat ein Mönch den Gedanken ›Dorf‹ entlassen, den Gedanken ›Mensch‹ entlassen; den Gedanken ›Wald‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. im Gedanken ›Wald‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Dorf‘ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Mensch‘ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist geblieben, {213} nämlich der Gedanke ‚Wald‘ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Dorf‘‹, weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Mensch‘; und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‚Wald‘ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Mensch‹ entlassen, den Gedanken ›Wald‹ entlassen; den Gedanken ›Erde‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Erde‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Gleichwie etwa, Ānando, eine Stierhaut mit dem Falzeisen wohl abgeschabt, von den Falten geglättet wird: ebenso nun auch, Ānando, hat der Mönch was es auf dieser Erde an Erhebungen und Vertiefungen, an Flussläufen, an wüstem und waldigem Gebiet, an Bergen und Thälern giebt, das alles aus seinem Geiste entlassen;[S. 221] den Gedanken ›Erde‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand.[102] im Gedanken ›Erde‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Mensch‘ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Wald‘ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist geblieben, nämlich der Gedanke ‚Erde‘ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Mensch‘‹, weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Wald‘; und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‚Erde‘ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, {214} darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Wald‹ entlassen, den Gedanken ›Erde‹ entlassen; den Gedanken ›Unbegränzte Raumsphäre‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Unbegränzte Raumsphäre‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Wald‘ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Erde‘ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich der Gedanke ‚Unbegränzte Raumsphäre‘ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Wald‘‹, weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Erde‘; und nur einen[S. 222] Reichthum weist sie auf am Gedanken ‚Unbegränzte Raumsphäre‘ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Erde‹ entlassen, den Gedanken ›Unbegränzte Raumsphäre‹ entlassen; den Gedanken ›Unbegränzte Bewusstseinsphäre‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Unbegränzte Bewusstseinsphäre‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Erde‘ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, {215} die aus dem Gedanken ‚Unbegränzte Raumsphäre‘ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich der Gedanke ‚Unbegränzte Bewusstseinsphäre‘ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Erde‘‹, weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Unbegränzte Raumsphäre‘; und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‚Unbegränzte Bewusstseinsphäre‘ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Unbegränzte Raumsphäre‹ entlassen, den Gedanken[S. 223] ›Unbegränzte Bewusstseinsphäre‹ entlassen; den Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Unbegränzte Raumsphäre‘ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Unbegränzte Bewusstseinsphäre‘ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich der Gedanke ‚Nichtdaseinsphäre‘ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Unbegränzte Raumsphäre‘‹, weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Unbegränzte Bewusstseinsphäre‘; und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‚Nichtdaseinsphäre‘ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, {216} davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Unbegränzte Bewusstseinsphäre‹ entlassen, den Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ entlassen; den Gedanken ›Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‹ nimmt er auf als einzigen Gegenstand. Im Gedanken ›Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‹ erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Unbegränzte Bewusstseinsphäre‘ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Nichtdaseinsphäre‘[S. 224] entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich der Gedanke ‚Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‘ als einziger Gegenstand.‹ Er weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Unbegränzte Bewusstseinsphäre‘‹, weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Nichtdaseinsphäre‘; und nur einen Reichthum weist sie auf am Gedanken ‚Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‘ als einzigen Gegenstand.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ entlassen, den Gedanken ›Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‹ entlassen; geistige Einheit ohne Vorstellung nimmt er auf als einzigen Gegenstand. In geistiger Einheit ohne Vorstellung erhebt sich ihm das Herz, {217} erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Nichtdaseinsphäre‘ entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus dem Gedanken ‚Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‘ entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich dieser Körper da, behaftet mit den sechs Sinnen, als Bedingung des Lebens.‹ Er weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Nichtdaseinsphäre‘‹, weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um den Gedanken ‚Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‘; und nur einen Reichthum weist sie auf[S. 225] an diesem Körper da, behaftet mit den sechs Sinnen, als Bedingung des Lebens.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also aber, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine Armuth über ihn herab.

»Weiter sodann, Ānando, hat der Mönch den Gedanken ›Nichtdaseinsphäre‹ entlassen, den Gedanken ›Gränzscheide möglicher Wahrnehmung‹ entlassen; geistige Einheit ohne Vorstellung nimmt er auf als einzigen Gegenstand. In geistiger Einheit ohne Vorstellung erhebt sich ihm das Herz, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Also erkennt er: ›Auch diese geistige Einheit ohne Vorstellung ist zusammengesetzt, zusammengesonnen: was aber irgend zusammengesetzt, zusammengesonnen ist, das ist wandelbar, muss untergehn‹: das erkennt er. In solcher Kunde, solchem Anblicke löst sich ihm das Herz vom Wunscheswahn ab, und löst sich ihm das Herz vom Daseinswahn ab, und löst sich ihm das Herz vom Nichtwissenswahn ab. ›Im Erlösten ist die Erlösung‹, diese Erkenntniss geht auf. ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht er da. {218} Also erkennt er: ›Spaltungen, die aus Wunscheswahn entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus Daseinswahn entständen, die giebt es da nicht, Spaltungen, die aus Nichtwissenswahn entständen, die giebt es da nicht; und nur eine Spaltung ist übrig geblieben, nämlich dieser Körper da, behaftet mit den sechs Sinnen, als Bedingung des Lebens.‹ Er weiß: ›Aermer geworden[S. 226] ist diese Denkart um Wunscheswahn‹, weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um Daseinswahn‹, weiß: ›Aermer geworden ist diese Denkart um Nichtwissenswahn; und nur einen Reichthum weist sie auf an diesem Körper da, behaftet mit den sechs Sinnen, als Bedingung des Lebens.‹ Um was denn also weniger da ist, darum ärmer geworden sieht er es an; und was da noch übrig geblieben ist, davon weiß er: ›Bleibt dieses, bleibt jenes.‹ Also, Ānando, kommt diese wahrhafte, unverbrüchliche, durchaus reine, allerhöchste Armuth über ihn herab.

»Wer aber auch immer, Ānando, in vergangener Zeit als ein Asket oder Priester durchaus reine, allerhöchste Armuth errungen hatte, ein jeder solche hatte eben diese durchaus reine, allerhöchste Armuth errungen. Wer aber auch immer, Ānando, in künftiger Zeit als ein Asket oder Priester durchaus reine, allerhöchste Armuth erringen wird, ein jeder solche wird eben diese durchaus reine, allerhöchste Armuth erringen. Wer aber auch immer, Ānando, in dieser Zeit als ein Asket oder Priester durchaus reine, allerhöchste Armuth errungen hat, ein jeder solche hat eben diese durchaus reine, allerhöchste Armuth errungen.

»Darum aber, Ānando: ›Durchaus reine, allerhöchste Armuth wollen wir erringen‹: {219} so habt ihr, Ānando, euch wohl zu üben.«[103]

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.


[S. 227]

122.

Dreizehnter Theil

Zweite Rede

ARMUTH
– II –

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Lande der Sakker, bei Kapilavatthu, im Park der Feigenbäume.

Da nun begab sich der Erhabene eines Morgens, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schaale versehn, auf den Almosengang nach Kapilavatthu, trat in der Stadt von Haus zu Haus um Almosen hin und wandte sich dann, nach dem Mahle, vom Almosengange zurückgekehrt, der Einsiedelei des Sakkers Kāḷakhemako zu, bis gegen Sonnenuntergang da zu verweilen.

Um diese Zeit aber waren in der Einsiedelei des Sakkers Kāḷakhemako viele Sitze bereit gestellt, und der Erhabene sah diese vielen Sitze dort und gedachte bei sich: ›Viele Sitze sind in der Einsiedelei des Sakkers Kāḷakhemako bereit gestellt: viele Mönche werden wohl hier sich aufhalten.‹

Damals nun war der ehrwürdige Ānando in der Einsiedelei des Sakkers Ghaṭāyo in Gemeinschaft vieler Mönche mit dem Ausbessern der Kleidung beschäftigt.

Als nun der Erhabene gegen Abend die Gedenkensruhe aufgehoben hatte, begab er sich nach der Einsiedelei des Sakkers Ghaṭāyo. Dort angelangt nahm der Erhabene auf dem angebotenen Sitze Platz und wandte sich dann an den ehrwürdigen Ānando:

»Viele Sitze, Ānando, sind in der Einsiedelei des[S. 228] Sakkers Kāḷakhemako bereit gestellt: {220} viele Mönche werden wohl dort sich aufhalten.«

»Viele Sitze, o Herr, sind in der Einsiedelei des Sakkers Kāḷakhemako bereit gestellt: viele Mönche halten sich dort auf; die Kleidung herzurichten kommt uns jetzt, o Herr, zu.«

»Nicht kommt, Ānando, Glanz einem Mönche zu, der an Gemeinsamkeit froh wird, an Gemeinsamkeit Freude hat, an Gemeinsamkeit Befriedigung findet, gemeinsam froh, gemeinsam erfreut, gemeinsam zufrieden ist. Dass aber, Ānando, ein Mönch, der an Gemeinsamkeit froh wird, an Gemeinsamkeit Freude hat, an Gemeinsamkeit Befriedigung findet, gemeinsam froh, gemeinsam erfreut, gemeinsam zufrieden ist, was da Wohl der Entsagung, Wohl der Einsamkeit, Wohl der Auflösung, Wohl der Erwachung ist, dieses Wohl nach Wunsch gewinnen werde, in seiner Fülle und Weite: das ist unmöglich. So nun aber, Ānando, ein Mönch, der allein, von Gemeinsamkeit abgeschieden verweilt, ein solcher Mönch es erhoffen mag, was da Wohl der Entsagung, Wohl der Einsamkeit, Wohl der Auflösung, Wohl der Erwachung ist, dieses Wohl werde er nach Wunsch gewinnen, in seiner Fülle und Weite: das ist möglich. Dass aber, Ānando, ein Mönch, der an Gemeinsamkeit froh wird, an Gemeinsamkeit Freude hat, an Gemeinsamkeit Befriedigung findet, gemeinsam froh, gemeinsam erfreut, gemeinsam zufrieden ist, eine zeitlich ersehnte Geisteserlösung erringen werde oder ewige Stille: das ist unmöglich. So nun aber, Ānando, ein Mönch, der allein, von Gemeinsamkeit abgeschieden verweilt, ein solcher Mönch es erhoffen mag, er werde eine zeitlich ersehnte[S. 229] Geisteserlösung erringen oder ewige Stille: das ist möglich. Nicht weiß ich, Ānando, auch nur von einer Form, wobei die Freude, wobei die Befriedigung an der Form, da sie wandelbar, veränderlich ist, nicht in Schmerz überginge und Jammer, Leiden, Trübsinn, Verzweiflung.

{221} »Da hat denn, Ānando, der Vollendete hier eine Stätte ausgefunden, und zwar aller Vorstellungen sich begeben und in inniger Armuth eine Stätte fassen.[104] Wenn da nun, Ānando, an den Vollendeten, der in solcher Stätte eine Stätte gefasst hat, Leute herantreten, Mönche und Nonnen, Anhänger und Anhängerinen, Könige und königliche Fürsten, Büßer und büßende Pilger, so pflegt, Ānando, der Vollendete, gar einsam geneigt im Herzen, einsam gebeugt, einsam gesenkt, abgeschieden, in Entsagung befriedigt, lauter geworden von allen wahnhaften Dingen, einzig nur ein zur Ermunterung taugliches Gespräch zu führen.

»Darum aber, Ānando, mag auch ein Mönch es wünschen, ›Innige Armuth erfassen will ich‹, so hat, Ānando, ein solcher Mönch das innige Herz eben zu festigen, zu beruhigen, einig zu machen und stark. Wie aber kann, Ānando, ein Mönch das innige Herz eben festigen, beruhigen, einig machen und stark? Da weilt, Ānando, der Mönch gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erreicht er die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. In heiterer Ruhe gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst[S. 230] weilt der Mönch, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt der Mönch die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Also kann, Ānando, ein Mönch das innige Herz eben festigen, beruhigen, einig machen und stark.

»Er nimmt innige Armuth im Geiste auf. Während er innige Armuth im Geiste aufnimmt, will sich ihm das Herz in inniger Armuth nicht erheben, nicht erheitern, nicht beschwichtigen, nicht beruhigen. Ist es also, Ānando, so gedenkt der Mönch: ›Während ich innige Armuth im Geiste aufnehme, will sich mir das Herz in inniger Armuth nicht erheben, nicht erheitern, nicht beschwichtigen, nicht beruhigen.‹ {222} So aber bleibt er da klar bewusst.

»Er nimmt von außen Armuth im Geiste auf, er nimmt von innen und außen Armuth im Geiste auf; er nimmt Unverstörung im Geiste auf. Während er Unverstörung im Geiste aufnimmt, will sich ihm das Herz in Unverstörung nicht erheben, nicht erheitern, nicht beschwichtigen, nicht beruhigen. Ist es also, Ānando, so gedenkt der Mönch: ›Während ich Unverstörung im Geiste aufnehme, will sich mir das Herz in Unverstörung nicht erheben, nicht erheitern, nicht beschwichtigen, nicht beruhigen.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Ein solcher Mönch, Ānando, hat nun in jener ersteren geistigen Vertiefung das innige Herz eben zu festigen,[S. 231] zu beruhigen, einig zu machen und stark. Er nimmt innige Armuth im Geiste auf. Während er innige Armuth im Geiste aufnimmt, erhebt sich ihm das Herz in inniger Armuth, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Ist es also, Ānando, so gedenkt der Mönch: ›Während ich innige Armuth im Geiste aufnehme, erhebt sich mir das Herz in inniger Armuth, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Er nimmt von außen Armuth im Geiste auf, er nimmt von innen und außen Armuth im Geiste auf; er nimmt Unverstörung im Geiste auf. Während er Unverstörung im Geiste aufnimmt, erhebt sich ihm das Herz in Unverstörung, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich. Ist es also, Ānando, so gedenkt der Mönch: ›Während ich Unverstörung im Geiste aufnehme, erhebt sich mir das Herz in Unverstörung, erheitert sich, beschwichtigt sich, beruhigt sich.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.[105]

»Wenn nun, Ānando, bei diesem Mönche, der eine solche Stätte gefunden hat, im Herzen die Neigung vorwiegt auf- und abzugehn, so geht er auf und ab: {223} ›Also auf- und abgehend werd’ ich von Begierde und Missmuth, schlechten, unheilsamen Dingen mich nicht überwältigen lassen.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Wenn nun, Ānando, bei diesem Mönche, der eine solche Stätte gefunden hat, im Herzen die Neigung vorwiegt stehn zu bleiben, so bleibt er stehn: ›Also stehn bleibend werd’ ich von Begierde und Missmuth, schlechten, unheilsamen Dingen mich nicht überwältigen lassen.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

[S. 232]

»Wenn nun, Ānando, bei diesem Mönche, der eine solche Stätte gefunden hat, im Herzen die Neigung vorwiegt niederzusitzen, so setzt er sich nieder: ›Also niedersitzend werd’ ich von Begierde und Missmuth, schlechten, unheilsamen Dingen mich nicht überwältigen lassen.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Wenn nun, Ānando, bei diesem Mönche, der eine solche Stätte gefunden hat, im Herzen die Neigung vorwiegt sich hinzulegen, so legt er sich hin: ›Also liegend werd’ ich von Begierde und Missmuth, schlechten, unheilsamen Dingen mich nicht überwältigen lassen.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Wenn nun, Ānando, bei diesem Mönche, der eine solche Stätte gefunden hat, im Herzen die Neigung vorwiegt zu reden, so gedenkt er: ›Ein Gespräch, das gewöhnlich, gemein, alltäglich, unheilig, ungeeignet ist, nicht zur Abkehr, nicht zur Wendung, nicht zur Aufhebung, nicht zur Auflösung, nicht zur Durchschauung, nicht zur Erwachung, nicht zur Erlöschung hinlenkt, als da sind Gespräche über Könige, über Räuber, über Fürsten, über Soldaten, über Krieg und Kampf, Gespräche über Speise und Trank, über Kleidung und Lager, über Blumen und Düfte, Gespräche über Verwandte, über Fuhrwerk und Wege, über Dörfer und Burgen, über Städte und Länder, über Weiber und Weine, über Straßen und Märkte, über die Altvorderen und über die Veränderungen, über Ereignisse im Reich, Ereignisse zur See, über dies und das und dergleichen mehr: {224} ein solches Gespräch werde ich nicht führen.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Wenn es aber, Ānando, ein Gespräch ist, das zur[S. 233] Ledigung, zur geistigen Befreiung taugt, einzig zur Abkehr, zur Wendung, zur Aufhebung, zur Auflösung, zur Durchschauung, zur Erwachung, zur Erlöschung hinlenkt, als da sind Gespräche über Genugsamkeit, über Zufriedenheit, Gespräche über Einsamkeit, über Abgeschiedenheit, über Beharrlichkeit, über Tugend, Gespräche über Vertiefung, über Weisheit, über Erlösung, über Wissensklarheit der Erlösung: ›ein solches Gespräch‹, gedenkt er, ›werde ich führen.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Wenn nun, Ānando, bei diesem Mönche, der eine solche Stätte gefunden hat, im Herzen die Neigung vorwiegt zu erwägen, so gedenkt er: ›Erwägungen, die da gewöhnlich, gemein, alltäglich, unheilig, ungeeignet sind, nicht zur Abkehr, nicht zur Wendung, nicht zur Aufhebung, nicht zur Auflösung, nicht zur Durchschauung, nicht zur Erwachung, nicht zur Erlöschung hinlenken, als da sind Erwägungen des Begehrens, der Gehässigkeit, der Wuth: solche Erwägungen will ich nicht erwägen.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Wenn es aber, Ānando, Erwägungen sind, die da heilig, ausreichend ausreichen, dem Grübler zur gänzlichen Leidensversiegung, als da sind Erwägungen des Entsagens, der Duldsamkeit, der Milde: ›solche Erwägungen‹, gedenkt er, ›will ich erwägen.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Fünf Begehrungen, Ānando, giebt es: welche fünf? Die durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die[S. 234] durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Töne, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden. {225} Das sind, Ānando, die fünf Begehrungen, wobei der Mönch oft und oft sein Herz erforschen muss: ›Kommt es wohl vor, dass mir bei diesen fünf Begehrungen, auf diesem oder auf jenem Gebiete, geistiges Zukehren erwächst?‹ Sobald, Ānando, der Mönch bei seiner Erforschung merkt: ›Es kommt vor, dass mir bei diesen fünf Begehrungen, auf diesem oder auf jenem Gebiete, geistiges Zukehren erwächst‹: ist es also, Ānando, so gedenkt der Mönch: ›Was da bei diesen fünf Begehrungen Willensreiz ist, das hab’ ich nicht verloren.‹[106] So aber bleibt er da klar bewusst. Sobald aber, Ānando, der Mönch bei seiner Erforschung merkt: ›Nicht kommt es vor, dass mir bei diesen fünf Begehrungen, auf diesem oder auf jenem Gebiete, geistiges Zukehren erwächst‹: ist es also, Ānando, so gedenkt der Mönch: ›Was da bei diesen fünf Begehrungen Willensreiz ist, das hab’ ich verloren.‹ So aber bleibt er da klar bewusst.

»Fünf giebt es, Ānando, der Stücke des Anhangens, wobei der Mönch das Entstehn und Vergehn beobachten muss: ›So ist die Form, so entsteht sie, so löst sie sich[S. 235] auf; so ist das Gefühl, so entsteht es, so löst es sich auf; so ist die Wahrnehmung, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so sind die Unterscheidungen, so entstehn sie, so lösen sie sich auf; so ist das Bewusstsein, so entsteht es, so löst es sich auf.‹ Während er bei diesen fünf Stücken des Anhangens das Entstehn und Vergehn beobachtet, geht ihm dabei was Dünkel der Ichheit ist verloren. Ist es also, Ānando, so gedenkt der Mönch: ›Was da bei diesen fünf Stücken des Anhangens Dünkel der Ichheit war, das hab’ ich verloren.‹ {226} So aber bleibt er da klar bewusst. Das nun, Ānando, sind Dinge, die einzig dem Heile zuführen, heilige, überweltliche, unüberkommen vom Bösen. —

»Was bedünkt dich, Ānando: aus welchem zureichenden Grunde darf wohl ein Jünger dem Meister nachfolgen, so lange bis er ihn von sich weist?«

»Vom Erhabenen stammt unser Wissen, o Herr, vom Erhabenen geht es aus, auf den Erhabenen geht es zurück. Gut wär’ es, o Herr, wenn doch der Erhabene den Sinn dieser Rede erläutern wollte: das Wort des Erhabenen werden die Mönche bewahren.«

»Nicht wohl, Ānando, darf ein Jünger dem Meister nachfolgen, um nur Reden, Aussprüche, Erklärungen zu hören[107]: und warum nicht? Lange Zeit habt ihr ja, Ānando, die Dinge gehört, gehütet, mit der Rede beherrscht, im Gedächtniss bewahrt, von Grund aus verstanden. Was aber da, Ānando, ein Gespräch ist, das zur Ledigung, zur geistigen Befreiung taugt, einzig zur Abkehr, zur Wendung, zur Aufhebung, zur Auflösung, zur Durchschauung, zur Erwachung, zur Erlöschung hinlenkt, als da sind Gespräche über Genugsamkeit, über[S. 236] Zufriedenheit, Gespräche über Einsamkeit, über Abgeschiedenheit, über Beharrlichkeit, über Tugend, Gespräche über Vertiefung, über Weisheit, über Erlösung, über Wissensklarheit der Erlösung: um eines solchen Gespräches willen, Ānando, darf wohl ein Jünger dem Meister nachfolgen, so lange bis er ihn von sich weist. —

»Daher kommt es, Ānando, dass ein Lehrer Unbill erfährt; daher kommt es, dass ein Schüler Unbill erfährt; daher kommt es, dass ein Asket Unbill erfährt. Wie aber, Ānando, erfährt ein Lehrer Unbill? Da sucht, Ānando, irgend ein Lehrer einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. {227} Während er also zurückgezogen weilt, gehn in der Umgegend Priester und Hausleute, Bürger wie Bauern, ihren Geschäften nach. Und während in der Umgegend Priester und Hausleute, Bürger wie Bauern, ihren Geschäften nachgehn, wird er aus Ohnmacht begehrlich[108], geräth in Leidenschaft, kehrt sich der Ueppigkeit zu. Den heißt man, Ānando, einen Lehrer, der unbillig Unbill des Lehrers erfahren hat: überzogen haben ihn schlechte, unheilsame Dinge, besudelnde, Wiederdasein säende, entsetzliche, Leiden ausbrütende, wiederum Leben, Altern und Sterben erzeugende. Also, Ānando, erfährt ein Lehrer Unbill.

»Wie aber, Ānando, erfährt ein Schüler Unbill? Da ist eben einer, Ānando, eines solchen Meister Jünger, und der Einsamkeit des Meisters gemäß übt er sich ein und sucht einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager[S. 237] in der offenen Ebene. Während er also zurückgezogen weilt, gehn in der Umgegend Priester und Hausleute, Bürger wie Bauern, ihren Geschäften nach. Und während in der Umgegend Priester und Hausleute, Bürger wie Bauern, ihren Geschäften nachgehn, wird er aus Ohnmacht begehrlich, geräth in Leidenschaft, kehrt sich der Ueppigkeit zu. Den heißt man, Ānando, einen Schüler, der unbillig Unbill des Schülers erfahren hat: überzogen haben ihn schlechte, unheilsame Dinge, besudelnde, Wiederdasein säende, entsetzliche, Leiden ausbrütende, wiederum Leben, Altern und Sterben erzeugende. Also, Ānando, erfährt ein Schüler Unbill.

»Wie aber, Ānando, erfährt ein Asket Unbill? Da erscheint, Ānando, der Vollendete in der Welt, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerheerde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er sucht einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, {228} ein Streulager in der offenen Ebene. Während er also zurückgezogen weilt, gehn in der Umgegend Priester und Hausleute, Bürger wie Bauern, ihren Geschäften nach. Und während in der Umgegend Priester und Hausleute, Bürger wie Bauern, ihren Geschäften nachgehn, wird er nicht aus Ohnmacht begehrlich, geräth in keine Leidenschaft, kehrt sich der Ueppigkeit nicht zu. Da ist nun einer, Ānando, eines solchen Meisters Jünger, und der Einsamkeit des Meisters gemäß übt er sich ein und sucht einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines[S. 238] Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Während er also zurückgezogen weilt, gehn in der Umgegend Priester und Hausleute, Bürger wie Bauern, ihren Geschäften nach. Und während in der Umgegend Priester und Hausleute, Bürger wie Bauern, ihren Geschäften nachgehn, wird er aus Ohnmacht begehrlich, geräth in Leidenschaft, kehrt sich der Ueppigkeit zu. Den heißt man, Ānando, einen Asketen, der unbillig Unbill des Asketen erfahren hat: überzogen haben ihn schlechte, unheilsame Dinge, besudelnde, Wiederdasein säende, entsetzliche, Leiden ausbrütende, wiederum Leben, Altern und Sterben erzeugende. Also, Ānando, erfährt ein Asket Unbill. Was da nun, Ānando, eine Unbill des Lehrers und Unbill des Schülers anlangt, so ist eine Unbill des Asketen reicher an Leiden als jene, reicher an Bitterkeit, und führt zum Verderben hin. —

»Darum aber, Ānando, mögt ihr mit Liebe mir begegnen und nicht mit Feindschaft; das wird euch lange zum Wohle, zum Heile gereichen.

»Wie aber, Ānando, begegnen einem Meister die Jünger mit Feindschaft und nicht mit Liebe? Da legt, Ānando, ein Meister den Jüngern die Lehre dar, mitleidig, wohlwollend, von Mitleid bewogen: ›Das dient euch zum Wohle, das dient euch zum Heile.‹ Und die Jünger horchen nicht auf ihn, {229} leihen ihm kein Gehör, wenden das Herz nicht dem Verständnisse zu, und übertreten in ihrem Betragen die Satzung des Meisters. Also, Ānando, begegnen einem Meister die Jünger mit Feindschaft und nicht mit Liebe.

»Wie aber, Ānando, begegnen einem Meister die[S. 239] Jünger mit Liebe und nicht mit Feindschaft? Da legt, Ānando, ein Meister den Jüngern die Lehre dar, mitleidig, wohlwollend, von Mitleid bewogen: ›Das dient euch zum Wohle, das dient euch zum Heile.‹ Und die Jünger horchen auf ihn, leihen ihm Gehör, wenden das Herz dem Verständnisse zu, und nicht übertreten sie in ihrem Betragen die Satzung des Meisters. Also, Ānando, begegnen einem Meister die Jünger mit Liebe und nicht mit Feindschaft.

»Darum aber, Ānando, mögt ihr mit Liebe mir begegnen und nicht mit Feindschaft; das wird euch lange zum Wohle, zum Heile gereichen. Nicht brauch’ ich, Ānando, mit euch umzugehn wie der Töpfer mit den ungebrannten Thongefäßen. Einfüllend einfüllen, Ānando, kann meine Rede, ausgießend ausgießen: der Gehalt bleibt der selbe.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.[109]


123.

Dreizehnter Theil

Dritte Rede

ERSTAUNLICHE, AUSSERORDENTLICHE EIGENSCHAFTEN

{230} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Als nun manche der Mönche, nach dem Mahle, vom[S. 240] Almosengange zurückgekehrt, in der Halle des Vorhauses sich eingefunden, versammelt hatten, kam unter ihnen die Rede auf:

»Erstaunlich, ihr Brüder, außerordentlich, ihr Brüder, ist des Vollendeten hohe Macht, hohe Gewalt, wie ja doch der Vollendete die dahingegangenen Erwachten, die zur Erlöschung gelangten, der Sonderheit entrückten, der Wandelheit entrückten, dem Kreislauf entfahrenen, allem Weh entschwundenen, erkennen kann: ›Also geboren waren jene Erhabenen, so und so, also genannt waren jene Erhabenen, so und so, also abgestammt waren jene Erhabenen, so und so, also gelebt hatten jene Erhabenen, so und so, also gelehrt hatten jene Erhabenen, so und so, also gewusst hatten jene Erhabenen, so und so, also geweilt hatten jene Erhabenen, so und so, also erlöst waren jene Erhabenen, so und so.‹«

Auf diese Worte wandte sich der ehrwürdige Ānando also an die Mönche:

»Erstaunlich sind eben, ihr Brüder, Vollendete, und mit erstaunlichen Eigenschaften begabt; außerordentlich sind eben, ihr Brüder, Vollendete, und mit außerordentlichen Eigenschaften begabt.«

Bald aber nachdem dieses Gespräch der Mönche unter einander begonnen, kam der Erhabene heran, gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, zur Halle hin des Vorhauses, und nahm, dort angelangt, auf dem angebotenen Sitze Platz. Da wandte sich denn der Erhabene an die Mönche:

»Zu welchem Gespräch, ihr Mönche, seid ihr jetzt hier zusammengekommen, und wobei habt ihr euch eben unterbrochen?«

[S. 241]

{231} »Als wir uns da, o Herr, nach dem Mahle, vom Almosengange zurückgekehrt, in der Halle des Vorhauses eingefunden, versammelt hatten, war unter uns die Rede aufgekommen: ›Erstaunlich, ihr Brüder, außerordentlich, ihr Brüder, ist des Vollendeten hohe Macht, hohe Gewalt, wie ja doch der Vollendete die dahingegangenen Erwachten, die zur Erlöschung gelangten, der Sonderheit entrückten, der Wandelheit entrückten, dem Kreislauf entfahrenen, allem Weh entschwundenen, erkennen kann: ‚Also geboren waren jene Erhabenen, so und so, also genannt waren jene Erhabenen, so und so, also abgestammt waren jene Erhabenen, so und so, also gelebt hatten jene Erhabenen, so und so, also gelehrt hatten jene Erhabenen, so und so, also gewusst hatten jene Erhabenen, so und so, also geweilt hatten jene Erhabenen, so und so, also erlöst waren jene Erhabenen, so und so.‘‹ Auf diese Worte, o Herr, wandte sich der ehrwürdige Ānando also an uns: ›Erstaunlich sind eben, ihr Brüder, Vollendete, und mit erstaunlichen Eigenschaften begabt; außerordentlich sind eben, ihr Brüder, Vollendete, und mit außerordentlichen Eigenschaften begabt.‹ Das war, o Herr, das Gespräch unter uns, das wir unterbrachen als der Erhabene ankam.«

Da wandte sich nun der Erhabene an den ehrwürdigen Ānando:

»Wohlan denn, Ānando, so magst du noch genauer die erstaunlichen, außerordentlichen Eigenschaften eines Vollendeten darstellen.«

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Klar bewusst, Ānando, ist der Erwachsame in Säliger Gestalt erschienen.‹[S. 242] Dass aber, o Herr, der Erwachsame klar bewusst in Säliger Gestalt erschienen ist, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.[110]

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Klar bewusst, Ānando, ist der Erwachsame in Säliger Gestalt geblieben.‹ Dass aber, o Herr, der Erwachsame klar bewusst in Säliger Gestalt geblieben ist, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: {232} ›Ein Leben lang, Ānando, ist der Erwachsame in Säliger Gestalt geblieben.‹ Dass aber, o Herr, der Erwachsame ein Leben lang in Säliger Gestalt geblieben ist, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Klar bewusst, Ānando, schwindet der Erwachsame aus Säliger Gestalt hinweg und kommt in den Leib der Mutter herab.‹ Dass aber, o Herr, der Erwachsame klar bewusst aus Säliger Gestalt hinwegschwindet und in den Leib der Mutter herabkommt, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame aus Säliger Gestalt hinweggeschwunden und in den Leib der Mutter herabgekommen ist, dann[S. 243] erhebt sich in der Welt mit ihren Göttern, mit ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schaar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen, ein unermesslich mächtiger Glanz, überstrahlend sogar der Götter göttliche Pracht. Und auch die Zwischenwelten, die traurigen, trostlosen, finsteren, finster umnachteten[111], wo selbst dieser Mond und diese Sonne, die so mächtigen, so gewaltigen, mit ihrem Scheine nicht hindringen, auch dort erhebt sich ein unermesslich mächtiger Glanz, überstrahlend sogar der Götter göttliche Pracht. Die aber dort als Wesen weilen, die erschauen in diesem Glanze sich selber und sagen: ‚Andere sind es ja noch der Wesen, die hier weilen!‘[112] Diese zehntausendfache Welt aber wankt und erbebt und erzittert, und es erhebt sich aus ihr ein unermesslich mächtiger Glanz, überstrahlend sogar der Götter göttliche Pracht.‹ Dass aber, o Herr, wann da der Erwachsame aus Säliger Gestalt hinweggeschwunden und in den Leib der Mutter herabgekommen ist, ein solcher Glanz erscheint, eben das hab’ ich mir, o Herr, {233} als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, dann nahen sich ihm vier Göttersöhne zum Schutze nach den vier Seiten: ‚Keiner soll ihn, den Erwachsamen, oder des Erwachsamen Mutter, versehren, weder Mensch noch Nichtmensch noch irgend wer.‘‹ Dass aber, o Herr, wann der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, vier Göttersöhne zum Schutze nach den vier Seiten ihm dann sich nahen, eben das hab’ ich mir,[S. 244] o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.[113]

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, bleibt des Erwachsamen Mutter ihrer Natur nach tugendhaft[114] und hütet sich Lebendiges umzubringen, hütet sich Nichtgegebenes zu nehmen, hütet sich vor Ausschweifung, hütet sich vor Lüge, hütet sich berauschende und berückende Getränke, betäubende und bethörende Mittel zu gebrauchen.‹ Dass aber, o Herr, wann da der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, des Erwachsamen Mutter ihrer Natur nach tugendhaft bleibt, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, mag des Erwachsamen Mutter nach Männern kein Liebesverlangen mehr anwandeln, und nicht mehr kann des Erwachsamen Mutter von irgend einem Manne in Leidenschaft umfangen werden.‹ Dass aber, o Herr, wann da der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, des Erwachsamen Mutter nach Männern kein Liebesverlangen mehr anwandeln mag, und des Erwachsamen Mutter nicht mehr von irgend einem Manne in Leidenschaft umfangen werden kann, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen[S. 245] gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, ist des Erwachsamen Mutter mit den fünf Begehrungen {234} begabt und wird in ihrem Gebrauche gehegt und gepflegt.‹ Dass aber, o Herr, wann da der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, des Erwachsamen Mutter mit den fünf Begehrungen begabt ist und in ihrem Gebrauche gehegt und gepflegt wird, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, wird des Erwachsamen Mutter von keinerlei Krankheit befallen, wohl befindet sich des Erwachsamen Mutter, ohne körperliche Gebrechen, und erblickt den Erwachsamen in ihrem Leibe liegen, mit allen Gliedern begliedert, sinnenfällig. Gleichwie etwa, Ānando, ein Juwel, ein Edelstein, von reinem Wasser, achteckig, wohlbearbeitet, um den ein Faden geschlungen wäre, ein blauer oder ein gelber, ein rother oder ein weißer oder ein grüner, und ein scharfsehender Mann habe ihn an die Hand gesteckt und betrachtete ihn: ‚Das ist ein Juwel, ein Edelstein, von reinem Wasser, achteckig, wohlbearbeitet, und dieser Faden ist herumgeschlungen, der blaue oder der gelbe, der rothe oder der weiße oder der grüne‘: ebenso nun auch, Ānando, erblickt des Erwachsamen Mutter den Erwachsamen in ihrem Leibe liegen, mit allen Gliedern begliedert, sinnenfällig.‹ Dass aber, o Herr, wann da der Erwachsame in den Leib der Mutter herabgekommen ist, des Erwachsamen Mutter[S. 246] von keinerlei Krankheit befallen wird, sich wohl befindet, ohne körperliche Gebrechen, und den Erwachsamen in ihrem Leibe liegen sieht, mit allen Gliedern begliedert, sinnenfällig, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.[115]

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Sieben Tage nach der Geburt, Ānando, des Erwachsamen stirbt des Erwachsamen Mutter und kehrt in Sälige Gestalt empor.‹ Dass aber, o Herr, sieben Tage nach der Geburt des Erwachsamen des Erwachsamen Mutter stirbt und in Sälige Gestalt emporkehrt, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

{235} »Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wenn auch wohl andere Weiber, Ānando, neun oder zehn Monde die Frucht im Leibe tragen und dann gebären, doch nicht also den Erwachsamen des Erwachsamen Mutter: zehn Monde erst nachdem des Erwachsamen Mutter den Erwachsamen im Leibe getragen gebiert sie.‹ Dass aber, o Herr, zehn Monde erst nachdem des Erwachsamen Mutter den Erwachsamen im Leibe getragen gebiert, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wenn auch wohl andere Weiber, Ānando, sitzend oder liegend gebären, doch nicht also den Erwachsamen des Erwachsamen Mutter: stehend nur gebiert den Erwachsamen des Erwachsamen[S. 247] Mutter.‹ Dass aber, o Herr, den Erwachsamen des Erwachsamen Mutter nur stehend gebiert, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.[116]

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, wird er zuerst von Göttern entgegengenommen, hernach von Menschen.‹ Dass aber, o Herr, der Erwachsame, wann er aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, zuerst von Göttern entgegengenommen wird, hernach von Menschen, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, berührt der Erwachsame nicht den Boden, sondern von vier Göttersöhnen empfangen wird er der Mutter dargebracht: ‚Besäligt sei, o Königin, ein hochbegabter Sohn ist dir geboren.‘‹ Dass aber, o Herr, der Erwachsame, wann er aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, nicht den Boden berührt, sondern von vier Göttersöhnen empfangen der Mutter dargebracht wird, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.[117]

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, {236} der Erwachsame aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, kehrt er makellos hervor, unbefleckt von Nässe, unbefleckt von Schleim, unbefleckt von Blut, unbefleckt von[S. 248] irgend welcher Unsauberkeit, rein und abgeklärt. Gleichwie etwa, Ānando, wenn eine kostbare Perle in ein seidenes Tuch eingehüllt ist, weder die kostbare Perle das seidene Tuch befleckt noch auch das seidene Tuch die kostbare Perle: und warum nicht? weil beide rein sind: ebenso nun auch, Ānando, kehrt der Erwachsame, wann er aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, makellos hervor, unbefleckt von Nässe, unbefleckt von Schleim, unbefleckt von Blut, unbefleckt von irgend welcher Unsauberkeit, rein und abgeklärt.‹ Dass aber, o Herr, der Erwachsame also aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.[118]

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, ergießen sich zwei Regenströme aus den Wolken herab, einer kühl, einer warm, woraus dem Erwachsamen der Wasserguss gemischt wird und der Mutter.‹[119] Dass aber, o Herr, wann da der Erwachsame aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, zwei Regenströme sich aus den Wolken herabergießen, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Alsbald nach der Geburt, Ānando, fasst der Erwachsame mit beiden Füßen zugleich Boden, wendet das Antlitz gegen Norden und schreitet mit sieben Schritten geradeaus, während ein weißer Schirm ober ihm schwebt[120]: und er blickt nach allen Seiten hin und spricht das gewaltige Wort:

[S. 249]

Der Höchste bin ich in der Welt,
Der Hehrste bin ich in der Welt,
Der Erste bin ich in der Welt,
Das letzte Leben leb’ ich,
Und nicht mehr giebt es Wiedersein.‹

{237} Dass aber, o Herr, der Erwachsame alsbald nach der Geburt also das gewaltige Wort spricht, eben das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.

»Von Angesicht hab’ ich es, o Herr, vom Erhabenen gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann da, Ānando, der Erwachsame aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, erhebt sich wiederum in der Welt mit ihren Göttern, mit ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schaar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen, ein unermesslich mächtiger Glanz, überstrahlend sogar der Götter göttliche Pracht.[121] Und auch die Zwischenwelten, die traurigen, trostlosen, finsteren, finster umnachteten, wo selbst dieser Mond und diese Sonne, die so mächtigen, so gewaltigen, mit ihrem Scheine nicht hindringen, auch dort erhebt sich ein unermesslich mächtiger Glanz, überstrahlend sogar der Götter göttliche Pracht. Die aber dort als Wesen weilen, die erschauen in diesem Glanze sich selber und sagen: ‚Andere sind es ja noch der Wesen, die hier weilen!‘ Diese zehntausendfache Welt aber wankt und erbebt und erzittert, und es erhebt sich aus ihr ein unermesslich mächtiger Glanz, überstrahlend sogar der Götter göttliche Pracht.‹ Dass aber, o Herr, wann da der Erwachsame aus dem Leibe der Mutter hervorkehrt, ein solcher Glanz erscheint, eben das hab’ ich[S. 250] mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.«

»Wohlan denn, Ānando, so magst du auch diese Eigenschaft des Vollendeten als erstaunlich und außerordentlich dir merken: da steigen, Ānando, Gefühle dem Vollendeten bewusst auf, bewusst halten sie an, bewusst gehn sie unter; steigen Wahrnehmungen bewusst auf, bewusst halten sie an, bewusst gehn sie unter; steigen Gedanken bewusst auf, bewusst halten sie an, bewusst gehn sie unter. Eben das ist, Ānando, eine Eigenschaft des Vollendeten, die du als erstaunlich und außerordentlich dir merken magst.«

{238} »Dass freilich, o Herr, Gefühle dem Erhabenen bewusst aufsteigen, bewusst anhalten, bewusst untergehn; Wahrnehmungen bewusst aufsteigen, bewusst anhalten, bewusst untergehn; Gedanken bewusst aufsteigen, bewusst anhalten, bewusst untergehn: auch das hab’ ich mir, o Herr, als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des Erhabenen gemerkt.«

Also sprach der ehrwürdige Ānando. Zugestimmt hatte der Meister. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des ehrwürdigen Ānando.[122]


[S. 251]

124.

Dreizehnter Theil

Vierte Rede

BAKKULO

{239} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der ehrwürdige Bakkulo bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen. Da nun begab sich der Nackte Büßer[123] Kassapo, ein ehemaliger Hausgenosse des ehrwürdigen Bakkulo, dorthin wo der ehrwürdige Bakkulo weilte, wechselte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend sprach nun der Nackte Büßer Kassapo zum ehrwürdigen Bakkulo also:

»Wie lang ist es her, Bruder Bakkulo, dass du Pilger bist?«

»Achtzig Jahre, Bruder, bin ich Pilger.«

»Während dieser achtzig Jahre aber, Bruder Bakkulo, hast du wie oft der Paarung gepflegt?«

»Nicht wohl darfst du mich, Bruder Kassapo, also befragen, sondern die Frage kannst du mir stellen: ›Während dieser achtzig Jahre aber, Bruder Bakkulo, ist dir wie oft eine begehrliche Wahrnehmung zuerst aufgestiegen?‹ Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keiner begehrlichen Wahrnehmung, die mir zuerst aufgestiegen wäre.«

»Dass aber der ehrwürdige Bakkulo seit achtzig Jahren von einer begehrlichen Wahrnehmung, die zuerst aufgestiegen wäre, nichts mehr weiß, eben das wollen wir uns als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des ehrwürdigen Bakkulo merken.«[124]

[S. 252]

»Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keiner gehässigen, keiner rachgierigen Wahrnehmung, die mir zuerst aufgestiegen wäre.«

»Dass aber der ehrwürdige Bakkulo seit achtzig Jahren von einer gehässigen, einer rachgierigen Wahrnehmung, die zuerst aufgestiegen wäre, nichts mehr weiß, eben das wollen wir uns als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des ehrwürdigen Bakkulo merken.«

{240} »Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keinem begehrlichen Gedanken, der mir zuerst aufgestiegen wäre.«

»Dass aber der ehrwürdige Bakkulo seit achtzig Jahren von einem begehrlichen Gedanken, der zuerst aufgestiegen wäre, nichts mehr weiß, eben das wollen wir uns als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des ehrwürdigen Bakkulo merken.«

»Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keinem gehässigen, keinem rachgierigen Gedanken, der mir zuerst aufgestiegen wäre.«

»Dass aber der ehrwürdige Bakkulo seit achtzig Jahren von einem gehässigen, einem rachgierigen Gedanken, der zuerst aufgestiegen wäre, nichts mehr weiß, eben das wollen wir uns als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des ehrwürdigen Bakkulo merken.«

»Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keinem bürgerlichen Kleide, das ich angenommen hätte.«

»Dass aber der ehrwürdige Bakkulo seit achtzig Jahren von keinem bürgerlichen Kleide weiß es angenommen zu haben, eben das wollen wir uns als erstaunliche,[S. 253] außerordentliche Eigenschaft des ehrwürdigen Bakkulo merken.«

»Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keiner Scheere, mit der ich mir den Mantel zugeschnitten, von keiner Nadel, mit der ich mir den Mantel genäht, von keiner Farbe, mit der ich mir den Mantel gefärbt, von keinem Flecken, mit dem ich mir den Mantel geflickt hätte, weiß nicht, dass ich mit den Ordensbrüdern die Kleidung ausgebessert hätte.[125] Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keiner Einladung, der ich zugesagt hätte, von keinerlei Gedanken, der mir etwa gekommen wäre, ›O dass mich doch jemand einlüde‹, weiß nicht, dass ich in einem Hause gesessen, in einem Hause gegessen hätte. Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich nicht, dass ich ein Weib erblickend es angesehn hätte, weiß nicht, dass ich einem Weibe die Lehre dargelegt, und wär’ es auch nur ein Spruch von vier Silben gewesen. Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keiner Nonnenzelle, der ich genaht wäre, von keiner Nonne, keiner Jüngerin, {241} keiner Schülerin, der ich die Lehre dargelegt hätte.[126] Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keiner Aufnahme, keiner Ordensweihe, die von mir ertheilt worden, weiß nicht, dass ich beigestanden wäre, dass von mir ein Schüler unterwiesen worden[127]. Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich nicht, dass ich im Badhause gebadet, ein Seifenpulver gebraucht, von den Ordensbrüdern mich abreiben hätte lassen. Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich von keinerlei[S. 254] Krankheit, die mich etwa befallen, und wär’ es auch nur ein Hustenreiz in der Gurgel gewesen[128], weiß von keinem Heilkraute, das ich genommen, und wär’ es auch nur ein Grashalm gewesen. Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich nicht auf der Seite gelegen zu sein, mich niedergelegt zu haben. Die achtzig Jahre, Bruder Kassapo, wo ich Pilger bin, weiß ich nicht, dass ich über die Regenzeit in der Nähe eines Dorfes Obdach aufgesucht hätte.«

»Dass freilich der ehrwürdige Bakkulo seit achtzig Jahren also gelebt hat, eben das wollen wir uns als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des ehrwürdigen Bakkulo merken.«

»Sieben Tage erst hatt’ ich da, Bruder Kassapo, als Asket Almosenbissen genossen, als am achten die Gewissheit aufging.«

»Dass eben da der ehrwürdige Bakkulo sieben Tage erst als Asket Almosenbissen genossen, als am achten die Gewissheit aufging, auch das wollen wir uns als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des ehrwürdigen Bakkulo merken. Könnte ich doch, Bruder Bakkulo, in diese Lehre und Ordnung aufgenommen, mit der Weihe belehnt werden!«

Und der Nackte Büßer Kassapo wurde in diese Lehre und Ordnung aufgenommen, wurde mit der Weihe belehnt.

Nicht lange aber war der ehrwürdige Kassapo in den Orden aufgenommen, da hatte er, einsam, abgesondert, unermüdlich, in heißem, innigem Ernste gar bald {242} was edle Söhne gänzlich vom Hause fort in die Hauslosigkeit lockt, jenes höchste Ziel des Asketenthums[S. 255] noch bei Lebzeiten sich offenbar gemacht, verwirklicht und errungen. ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ verstand er da. Auch einer war nun der ehrwürdige Kassapo der Heiligen geworden.


Und der ehrwürdige Bakkulo begab sich nach einiger Zeit, in seinen weiten Mantel gehüllt, von Klause zu Klause und sprach also: ›Schreitet herbei, ihr Brüder, schreitet herbei, ihr Brüder: heute werd’ ich vom Wahne vollkommen erlöschen.‹ Dass aber der ehrwürdige Bakkulo, in seinen weiten Mantel gehüllt, von Klause zu Klause gegangen ist und gesagt hat: ›Schreitet herbei, ihr Brüder, schreitet herbei, ihr Brüder: heute werd’ ich vom Wahne vollkommen erlöschen‹, auch das wollen wir uns als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des ehrwürdigen Bakkulo merken.

Und der ehrwürdige Bakkulo ist, in der Mitte der Ordensbrüder sitzend, vom Wahne vollkommen erloschen. Dass aber der ehrwürdige Bakkulo, in der Mitte der Ordensbrüder sitzend, vom Wahne vollkommen erloschen ist, auch das wollen wir uns als erstaunliche, außerordentliche Eigenschaft des ehrwürdigen Bakkulo merken.[129]


[S. 256]

125.

Dreizehnter Theil

Fünfte Rede

RANG DER GEBÄNDIGTEN

{243} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen. Um diese Zeit aber lebte Aciravato, ein junger Asket, im Walde, in einer Hütte.

Da kam denn Jayaseno der Königsohn, auf einem Spaziergange sich ergehend, dorthin wo Aciravato der junge Asket weilte. Dorthin gekommen tauschte er höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend wandte sich nun Jayaseno der Königsohn also an Aciravato den jungen Asketen:

»Sagen lassen hab’ ich mir, o Aggivessano, dass da ein Mönch, der ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, Einigung des Herzens finden mag.«

»Also ist es, Königsohn, also ist es, Königsohn, dass da ein Mönch, der ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, Einigung des Herzens finden mag.«

»Gut wär’ es, wollte mir Herr Aggivessano die Lehre, wie sie von ihm gehört, von ihm aufgefasst worden, darlegen.«

»Nicht kann ich dir, Königsohn, die Lehre, wie sie von mir gehört, von mir aufgefasst worden, darlegen. Denn wollt’ ich dir gleich, Königsohn, die Lehre, wie sie von mir gehört, von mir aufgefasst worden, darlegen, und du den Sinn meiner Rede nicht verständest, hätt’ ich nur Mühe, hätte nur Plage.«

[S. 257]

»Möge mir Herr Aggivessano die Lehre, wie sie von ihm gehört, von ihm aufgefasst worden, darlegen, auf dass ich doch etwa den Sinn seiner Rede verstehn könnte.«

»Mag ich dir nun, Königsohn, die Lehre, wie sie von mir gehört, von mir aufgefasst worden, darlegen, und du kannst da den Sinn meiner Rede verstehn, so soll es recht sein; {244} kannst du aber den Sinn meiner Rede nicht verstehn, so magst du deinen Glauben behalten und mich darum nicht weiter befragen.«

»Möge mir Herr Aggivessano die Lehre wie sie von ihm gehört, von ihm aufgefasst worden, darlegen: und kann ich da den Sinn seiner Rede verstehn, so soll es recht sein; kann ich aber den Sinn seiner Rede nicht verstehn, so werd’ ich meinen Glauben behalten und Herrn Aggivessano darum nicht weiter befragen.«

Da gab denn Aciravato der junge Asket dem Königsohne Jayaseno eine Darlegung der Lehre, wie er sie gehört, wie er sie aufgefasst hatte. Also berichtet sagte nun Jayaseno der Königsohn zu Aciravato dem jungen Asketen:

»Unmöglich ist es, o Aggivessano, es kann nicht sein, dass da ein Mönch, der ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, Einigung des Herzens finden mag.«

Als nun Jayaseno der Königsohn Aciravato dem jungen Asketen Unmöglichkeit vorgehalten, stand er von seinem Sitze auf und ging weiter. Aciravato aber, der junge Asket, begab sich, bald nachdem Jayaseno der Königsohn fortgegangen, dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt begrüßte er den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend erzählte da Aciravato der junge Asket dem Erhabenen[S. 258] Wort um Wort das ganze Gespräch, das er mit Jayaseno dem Königsohne geführt hatte. Nach diesem Berichte wandte sich nun der Erhabene also an Aciravato den jungen Asketen:

»Woher denn, Aggivessano, sollt’ es möglich sein, dass was durch Entsagung erkennbar, durch Entsagung ersehbar, durch Entsagung erreichbar, durch Entsagung erwirkbar ist, {245} etwa auch von Jayaseno dem Königsohne, der mitten in Begehren lebt, Begehren genießt, von begehrlichen Gedanken verzehrt wird, von begehrlichem Fieber entzündet ist, eifrig dem Begehren nachgeht, erkannt oder ersehn oder erreicht oder verwirklicht werden könnte? Das ist unmöglich.[130] Gleichwie etwa, Aggivessano, wenn da zwei junge Elephanten oder junge Rosse oder junge Stiere wären, wohlgebändigt, wohlabgerichtet, und zwei junge Elephanten oder junge Rosse oder junge Stiere, ungebändigt, unabgerichtet; was meinst du nun, Aggivessano: jene beiden jungen Elephanten oder jungen Rosse oder jungen Stiere, die wohlgebändigten, wohlabgerichteten, würden die wohl als gebändigte thun was Gebändigten zukommt, als gebändigte den Rang der Gebändigten einnehmen?«

»Gewiss, o Herr!«

»Aber die beiden anderen jungen Elephanten oder jungen Rosse oder jungen Stiere, die ungebändigten, unabgerichteten, würden die wohl als ungebändigte thun was Gebändigten zukommt, als ungebändigte den Rang der Gebändigten einnehmen, gleichwie etwa jene ersteren?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Ebenso nun auch, Aggivessano, dass was durch Entsagung[S. 259] erkennbar, durch Entsagung ersehbar, durch Entsagung erreichbar, durch Entsagung erwirkbar ist, etwa auch von Jayaseno dem Königsohne, der mitten in Begehren lebt, Begehren genießt, von begehrlichen Gedanken verzehrt wird, von begehrlichem Fieber entzündet ist, eifrig dem Begehren nachgeht, erkannt oder ersehn oder erreicht oder verwirklicht werden könnte: das ist unmöglich. — Gleichwie etwa, Aggivessano, wenn da in der Nähe eines Dorfes oder einer Burg ein hoher Felsen stände. Zu diesem gingen zwei Freunde, aus dem Dorfe oder der Burg Arm in Arm hinschreitend, heran, dem Felsen entgegen. Dort angelangt bliebe der eine der Freunde unten, {246} am Fuße des Felsens, stehn, während der andere auf den Scheitel des Felsens emporstiege. Und es riefe der Freund unten, am Fuße des Felsens, dem Freunde zu, der auf den Scheitel des Felsens gestiegen: ›Was denn, Bester, siehst du oben vom Felsen aus?‹ Der aber sagte: ›Ich sehe da, Bester, oben vom Felsen aus einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft, einen lichten Wasserspiegel.‹ Und jener spräche: ›Unmöglich ist es, Bester, es kann nicht sein, dass du oben vom Felsen aus einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft, einen lichten Wasserspiegel sähest.‹ Da stiege der Freund oben vom Scheitel herab bis zum Fuße, ergriffe den Freund unterm Arme, führte ihn auf den Felsen empor, und nachdem er ihn eine Weile ausruhen lassen, fragte er ihn: ›Was denn, Bester, siehst du oben vom Felsen aus?‹ Und jener spräche: ›Ich sehe da, Bester, oben vom Felsen aus einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft,[S. 260] einen lichten Wasserspiegel.‹ Der aber sagte: ›Eben erst haben wir, Bester, deine Rede also vernommen: ‚Unmöglich ist es, Bester, es kann nicht sein, dass du oben vom Felsen aus einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft, einen lichten Wasserspiegel sähest‘; und jetzt eben wiederum, Bester, haben wir deine Rede also vernommen: ‚Ich sehe da, Bester, oben vom Felsen aus einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft, einen lichten Wasserspiegel‘.‹ Und jener spräche: {247} ›So lange ja mich eben, Bester, dieser hohe Felsen gehindert hat, hab’ ich das Sichtbare nicht gesehn.‹ Ebenso nun auch, aber noch mächtiger, hat, Aggivessano, gewaltiges Unwissen Jayaseno den Königsohn gehindert, gehemmt, angehalten, eingeschlossen. Dass der etwa da was durch Entsagung erkennbar, durch Entsagung ersehbar, durch Entsagung erreichbar, durch Entsagung erwirkbar ist, auch mitten in Begehren lebend, Begehren genießend, von begehrlichen Gedanken verzehrt, von begehrlichem Fieber entzündet, eifrig dem Begehren nachgehend, erkennen oder ersehn oder erreichen oder verwirklichen könnte: das ist unmöglich. Hättest du aber, Aggivessano, diese beiden Gleichnisse Jayaseno dem Königsohne dargestellt, ohne Zweifel wäre dann Jayaseno der Königsohn mit dir zufrieden geworden und hätte zufrieden dir zugestimmt.«

»Wie doch nur hätt’ ich, o Herr, Jayaseno dem Königsohne diese beiden Gleichnisse darzustellen vermocht, die unzweifelhaften, nie zuvor gehörten, gleichwie etwa der Erhabene!«

[S. 261]


»Gleichwie etwa, Aggivessano, wenn der König, der Herrscher, dessen Scheitel gesalbt ist, den Elephantensteller zu sich beruft: ›Wohlan denn, bester Elephantensteller, besteige den Königselephanten, reite in den Elephantenwald, erspähe einen wilden Elephanten und halt’ ihn mit der Fessel am Halse des Königselephanten fest.‹ ›Wohl, o König!‹ sagt da, Aggivessano, der Elephantensteller, dem Herrscher gehorchend; und er besteigt den Königselephanten, reitet in den Elephantenwald, erspäht einen wilden Elephanten und hält ihn mit der Fessel am Halse des Königselephanten fest. So nun zieht ihn der Königselephant in eine Lichtung heraus. Bis dahin aber ist, Aggivessano, der wilde Elephant in die Lichtung gekommen. {248} Da verlangen sich denn, Aggivessano, wilde Elephanten nach ihrem Walde zurück. Und der Elephantensteller erstattet dem Herrscher Meldung über ihn: ›In die Lichtung gebracht hab’ ich dir, o König, den wilden Elephanten.‹ Den übergiebt nun der Herrscher dem Elephantenbändiger: ›Geh’ hin, bester Elephantenbändiger, und bändige den wilden Elephanten, um ihm sein waldgewohntes Betragen eben auszutreiben, um ihm seine waldgewohnte Sehnsucht eben auszutreiben, um ihm seine waldgewohnte Widerspänstigkeit, Verstocktheit, Heftigkeit eben auszutreiben; lass’ ihn in der Umgebung des Dorfes heimisch werden, Sitten annehmen, wie sie bei Menschen beliebt sind.‹ ›Wohl, o König!‹ sagt da, Aggivessano, der Elephantenbändiger, dem Herrscher gehorchend; und er gräbt einen großen Pfahl in die Erde ein und fesselt den wilden Elephanten mit dem Halse daran, um ihm sein waldgewohntes Betragen eben auszutreiben, um ihm[S. 262] seine waldgewohnte Sehnsucht eben auszutreiben, um ihm seine waldgewohnte Widerspänstigkeit, Verstocktheit, Heftigkeit eben auszutreiben; er lässt ihn in der Umgebung des Dorfes heimisch werden, Sitten annehmen, wie sie bei Menschen beliebt sind. Nun gebraucht der Elephantenbändiger Worte, die sanft sind, wohlklingend, liebevoll, herzlich, höflich, wie sie dem Volke zusagen, dem Volke behagen: mit solchen Worten behandelt er ihn. Sobald nun, Aggivessano, der wilde Elephant bei solcher Behandlung aufhorcht, Gehör giebt, sein Herz dem Verständnisse zukehrt, dann lässt ihm der Elephantenbändiger nunmehr Heu und Wasser vorsetzen. {249} Und wenn nun, Aggivessano, der wilde Elephant Heu und Wasser annimmt, so weiß der Elephantenbändiger: ›Am Leben bleiben wird jetzt der wilde Elephant.‹ Nun lässt ihn der Elephantenbändiger fernerhin Uebungen ausführen, als Aufladen und Abladen. Sobald nun, Aggivessano, der wilde Elephant dem Befehle aufzuladen und abzuladen nachkommt, der Forderung genügeleistet, dann lässt ihn der Elephantenbändiger fernerhin Uebungen ausführen, als Hinschreiten und Herschreiten. Sobald nun, Aggivessano, der wilde Elephant dem Befehle hinzuschreiten und herzuschreiten nachkommt, der Forderung genügeleistet, dann lässt ihn der Elephantenbändiger weitere Uebungen ausführen, als Niederknien und Aufstehn. Sobald nun, Aggivessano, der wilde Elephant dem Befehle niederzuknien und aufzustehn nachkommt, der Forderung genügeleistet, dann lässt ihn der Elephantenbändiger weiterhin die ‚Unverstörung‘ genannte Uebung durchmachen. Ein großer Schild wird ihm vor den Rüssel gebunden, ein Mann mit[S. 263] einer Lanze bewaffnet nimmt oben auf dem Nacken Platz, allenthalben sind Männer mit Lanzen in der Hand im Umkreise aufgestellt, und der Elephantenbändiger hat einen langen Speer genommen und steht voran. Während ihm nun Unverstörte Uebung angewöhnt wird, darf er weder die Vorderfüße bewegen noch die Hinterfüße, darf er weder den Vorderleib bewegen noch den Hinterleib, darf er nicht das Haupt bewegen, nicht die Ohren bewegen, nicht die Hauer bewegen, nicht Schwanz und nicht Rüssel bewegen. So wird er ein Königselephant und erträgt geduldig stechende Spitzen, {250} schneidende Schwerdter, reißende Pfeile, feindlichen Ansturm, Trommelwirbel und Paukenschlag, Trompeten- und Fanfarenstöße, ist gänzlich von Tücke und Untugend entledigt, entwöhnt worden von Unart: königswürdig, königstauglich wird er eben als ›Königsgut‹ bezeichnet:

»Ebenso nun auch, Aggivessano, erscheint da der Vollendete in der Welt, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerheerde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schaar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketenthum dar. Diese Lehre hört ein Hausvater, oder der Sohn eines Hausvaters, oder einer, der in anderem Stande neugeboren ward. Nachdem er[S. 264] diese Lehre gehört hat, fasst er Vertrauen zum Vollendeten. Von diesem Vertrauen erfüllt denkt und überlegt er also: ›Ein Gefängniss ist die Häuslichkeit, ein Schmutzwinkel; der freie Himmelsraum die Pilgerschaft. Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketenthum Punkt für Punkt zu erfüllen. Wie, wenn ich nun, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinauszöge?‹ Und nach einiger Zeit verlässt er einen kleinen Besitz oder er verlässt einen großen Besitz, verlässt er einen kleinen Verwandtenkreis oder er verlässt einen großen Verwandtenkreis, scheert sich Haar und Bart, legt die fahlen Gewänder an und zieht aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinaus. {251} Bis dahin aber ist, Aggivessano, der heilige Jünger in die Lichtung gekommen.

»Da verlangen sich denn, Aggivessano, Götter und Menschen nach den fünf Begehrungen zurück.

»Den weist nun der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, sei tugendhaft, in reiner Zucht richtig gezügelt bleibe lauter im Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpfe beharrlich weiter, Schritt um Schritt.‹ Sobald nun, Aggivessano, der Mönch tugendhaft ist, in reiner Zucht richtig gezügelt lauter im Handel und Wandel bleibt, vor geringstem Fehl auf der Hut beharrlich weiterkämpft, Schritt um Schritt, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, die Thore der Sinne lasse dich hüten: hast du mit dem Gesichte eine Form erblickt, so magst du keine Neigung fassen, keine Absicht fassen; da Begierde und Missmuth, böse und schlechte Gedanken[S. 265] gar bald den überwältigen, der unbewachten Gesichtes verweilt, befleißige dich dieser Bewachung, hüte das Gesicht, wache eifrig über das Gesicht. Hast du mit dem Gehöre einen Ton gehört — hast du mit dem Geruche einen Duft gerochen — hast du mit dem Geschmacke einen Saft geschmeckt — hast du mit dem Getaste eine Tastung getastet — hast du mit dem Gedenken ein Ding erkannt, so magst du keine Neigung fassen, keine Absicht fassen; da Begierde und Missmuth, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbewachten Gedenkens verweilt, befleißige dich dieser Bewachung, hüte das Gedenken, wache eifrig über das Gedenken.‹ Sobald nun, Aggivessano, der Mönch die Thore der Sinne behütet hält, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, beim Essen wisse Maaß zu halten, gründlich besonnen wolle die Nahrung einnehmen, nicht etwa zur Letzung und Ergetzung, nicht zur Schmuckheit und Zier, sondern nur um diesen Körper zu erhalten, zu fristen, um Schaden zu verhüten, um ein heiliges Leben führen zu können: ‚So werd’ ich das frühere Gefühl abtödten und ein neues Gefühl nicht aufkommen lassen, und ich werde ein Fortkommen haben, ohne Tadel bestehn, mich wohl befinden.‘‹ Sobald nun, Aggivessano, der Mönch beim Essen Maaß zu halten weiß, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, der Wachsamkeit weihe dich: bei Tage sollst du gehend und sitzend das Gemüth von trübenden Dingen läutern; in den ersten Stunden der Nacht gehend und sitzend das Gemüth von trübenden Dingen läutern; in den mittleren Stunden der Nacht magst du auf die rechte Seite wie der Löwe dich[S. 266] hinlegen, einen Fuß über dem anderen, gesammelten Sinnes, der Zeit des Aufstehns gedenkend; sollst in den letzten Stunden der Nacht, wieder aufgestanden, gehend und sitzend das Gemüth von trübenden Dingen läutern.‹ Sobald nun, Aggivessano, der Mönch sich der Wachsamkeit geweiht hat, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, mit klarem Bewusstsein wolle dich wappnen: klar bewusst beim Kommen und Gehn, klar bewusst beim Hinblicken und Wegblicken, klar bewusst beim Neigen und Erheben, klar bewusst beim Tragen des Gewandes und der Almosenschaale des Ordens, klar bewusst beim Essen und Trinken, Kauen und Schmecken, klar bewusst beim Entleeren von Koth und Harn, klar bewusst beim Gehn und Stehn und Sitzen, beim Einschlafen und Erwachen, beim Sprechen und Schweigen.‹ Sobald nun, Aggivessano, der Mönch sich mit klarem Bewusstsein gewappnet hat, dann weist ihn der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, suche einen abgelegenen Ruheplatz auf, den Fuß eines Baumes, einen Hain, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene.‹ Und er sucht einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht. Er hat weltliche Begierde verworfen und verweilt begierdelosen Gemüthes, von Begierde läutert er sein Herz. Gehässigkeit hat er verworfen, hasslosen Gemüthes verweilt er,[S. 267] voll Liebe und Mitleid zu allen lebenden Wesen läutert er sein Herz von Gehässigkeit. Matte Müde hat er verworfen, von matter Müde ist er frei; das Licht liebend, einsichtig, klar bewusst, läutert er sein Herz von matter Müde. Stolzen Unmuth hat er verworfen, er ist frei von Stolz; innig beruhigten Gemüthes läutert er sein Herz von stolzem Unmuth. Das Schwanken hat er verworfen, der Ungewissheit ist er entronnen; er zweifelt nicht am Guten, vom Schwanken läutert er sein Herz. Er hat nun diese fünf Hemmungen aufgehoben, hat die Schlacken des Gemüthes kennen gelernt, die lähmenden: beim Körper wacht er über den Körper, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns; bei den Gefühlen wacht er über die Gefühle, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns; beim Gemüthe wacht er über das Gemüth, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns; bei den Erscheinungen wacht er über die Erscheinungen, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns.

»Gleichwie nun, Aggivessano, der Elephantenbändiger einen großen Pfahl in die Erde eingräbt und den wilden Elephanten mit dem Halse daranfesselt, um ihm sein waldgewohntes Betragen eben auszutreiben, um ihm seine waldgewohnte Sehnsucht eben auszutreiben, um ihm seine waldgewohnte Widerspänstigkeit, Verstocktheit, Heftigkeit eben auszutreiben, und ihn in der Umgebung des Dorfes heimisch werden lässt, Sitten annehmen, wie sie bei Menschen beliebt sind: ebenso nun[S. 268] auch, Aggivessano, {252} hat der heilige Jünger seinen Geist an diese vier Pfeiler der Einsicht gleichsam festgebunden, um sich das hausgewohnte Betragen eben auszutreiben, um sich die hausgewohnte Sehnsucht eben auszutreiben, um sich die hausgewohnte Widerspänstigkeit, Verstocktheit, Heftigkeit eben auszutreiben, um das Aechte zu gewinnen, die Wahnerlöschung zu verwirklichen.

»Den weist nun der Vollendete weiter zurecht: ›Willkommen, du Mönch, beim Körper wache über den Körper, auf dass du keinen Gedanken, der den Körper angeht, in dir bergen magst; bei den Gefühlen wache über die Gefühle, auf dass du keinen Gedanken, der die Gefühle angeht, in dir bergen magst; beim Gemüthe wache über das Gemüth, auf dass du keinen Gedanken, der das Gemüth angeht, in dir bergen magst; bei den Erscheinungen wache über die Erscheinungen, auf dass du keinen Gedanken, der die Erscheinungen angeht, in dir bergen magst.‹ So erwirkt er denn nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. In heiterer Ruhe verweilt er gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt er die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung.

[S. 269]

»Solchen Gemüthes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlackengeklärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtet er das Gemüth auf die erinnernde Erkenntniss früherer Daseinsformen. Er erinnert sich an manche verschiedene frühere Daseinsform, als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, und so weiter, mit je den eigenthümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen.

»Solchen Gemüthes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlackengeklärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtet er das Gemüth auf die Erkenntniss des Verschwindens-Erscheinens der Wesen. Mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden kann er die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sehn, gemeine und edle, {253} schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, er kann erkennen wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren.

»Solchen Gemüthes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, schlackengeklärt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtet er das Gemüth auf die Erkenntniss der Wahnversiegung. ›Das ist das Leiden‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist die Leidensentwicklung‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist die Leidensauflösung‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist der zur Leidensauflösung führende Pfad‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist der Wahn‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist die Wahnentwicklung‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist die Wahnauflösung‹ erkennt er der Wahrheit gemäß. ›Das ist der zur Wahnauflösung führende Pfad‹ erkennt er der Wahrheit gemäß.[S. 270] Also erkennend, also sehend wird da sein Gemüth erlöst vom Wunscheswahn, erlöst vom Daseinswahn, erlöst vom Nichtwissenswahn. ›Im Erlösten ist die Erlösung‹, diese Erkenntniss geht auf. ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht er da.

»Das ist ein Mönch, der erträgt Kälte und Hitze, Hunger und Durst, Wind und Wetter, Mücken und Wespen und plagende Kriechthiere, boshafte, böswillige Redeweisen, körperliche Schmerzgefühle, die ihn treffen, heftige, schneidende, stechende, unangenehme, leidige, lebensgefährliche dauert er duldend aus, ist gänzlich von Gier, Hass und Irre entledigt, entwöhnt worden von Unart: Opfer und Spende, Gabe und Gruß verdient er als heiligste Stätte der Welt.

»Ist ein alter Königselephant, Aggivessano, ungebändigt, unabgerichtet gestorben: ungebändigten Tod erlitten hat der alte Königselephant, ist gestorben, heißt es da; {254} ist ein mittlerer, ist ein junger Königselephant, Aggivessano, ungebändigt, unabgerichtet gestorben: ungebändigten Tod erlitten hat der mittlere, hat der junge Königselephant, ist gestorben, heißt es da:

»Ebenso nun auch, Aggivessano, ist ein alter Mönch unversiegten Wahnes gestorben: ungebändigten Tod erlitten hat der alte Mönch, ist gestorben, heißt es da; ist ein mittlerer, ist ein neuer Mönch, Aggivessano, unversiegten Wahnes gestorben: ungebändigten Tod erlitten hat der mittlere, hat der neue Mönch, ist gestorben, heißt es da.

»Ist ein alter Königselephant, Aggivessano, wohlgebändigt,[S. 271] wohlabgerichtet gestorben: gebändigten Tod erlitten hat der alte Königselephant, ist gestorben, heißt es da; ist ein mittlerer, ist ein junger Königselephant, Aggivessano, wohlgebändigt, wohlabgerichtet gestorben: gebändigten Tod erlitten hat der mittlere, hat der junge Königselephant, ist gestorben, heißt es da:

»Ebenso nun auch, Aggivessano, ist ein alter Mönch versiegten Wahnes gestorben: gebändigten Tod erlitten hat der alte Mönch, ist gestorben, heißt es da; ist ein mittlerer, ist ein neuer Mönch, Aggivessano, versiegten Wahnes gestorben: gebändigten Tod erlitten hat der mittlere, hat der neue Mönch, ist gestorben, heißt es da.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich Aciravato der junge Asket über das Wort des Erhabenen.[131]


126.

Dreizehnter Theil

Sechste Rede

BHŪMIJO

{255} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen.

Da nun begab sich der ehrwürdige Bhūmijo, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schaale versehn, nach dem Hause des Königsohns Jayaseno. Dort angelangt nahm er auf dem dargebotenen Sitze Platz. Und Jayaseno der[S. 272] Königsohn trat an den ehrwürdigen Bhūmijo heran, tauschte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite hin. Zur Seite sitzend wandte sich nun Jayaseno der Königsohn also an den ehrwürdigen Bhūmijo:

»Es giebt, o Bhūmijo, manche Asketen und Priester, die sagen und lehren: ›Wer etwa mit Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen; wer etwa ohne Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen; wer etwa mit Hoffnung und ohne Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen; wer etwa weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen.‹ Des werthen Bhūmijo Meister aber, was sagt der, was lehrt der, was verkündet der?«

»Ich selber, Königsohn, habe darüber vom Erhabenen nichts gehört, nichts vernommen; doch mag es wohl sein, dass der Erhabene also aussage: ›Wer etwa mit Hoffnung ein Asketenleben nicht von Grund aus führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen; wer etwa ohne Hoffnung ein Asketenleben nicht von Grund aus führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen; wer etwa mit Hoffnung und ohne Hoffnung ein Asketenleben nicht von Grund aus führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen; wer etwa weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung ein Asketenleben nicht von Grund aus führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen. Wer etwa mit Hoffnung ein Asketenleben von Grund aus führt, kann das Ziel doch wohl gewinnen; wer etwa ohne Hoffnung ein Asketenleben von Grund aus führt, kann das Ziel doch wohl gewinnen;[S. 273] wer etwa mit Hoffnung und ohne Hoffnung ein Asketenleben von Grund aus führt, kann das Ziel doch wohl gewinnen; {256} wer etwa weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung ein Asketenleben von Grund aus führt, kann das Ziel doch wohl gewinnen.‹ Ich selber, Königsohn, habe darüber vom Erhabenen nichts gehört, nichts vernommen; doch mag es wohl sein, dass der Erhabene also aussage.«

»Wenn des werthen Bhūmijo Meister solches sagt, solches lehrt, solches verkündet, dann freilich hat des werthen Bhūmijo Meister eben all den übrigen Asketen und Priestern gleichsam aufs Haupt geschlagen.«

Und Jayaseno der Königsohn bediente nun den ehrwürdigen Bhūmijo mit Speise von der eigenen Tafel.

Als nun der ehrwürdige Bhūmijo, nach dem Mahle, vom Almosengange zurückgekehrt war, begab er sich dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend erzählte nun der ehrwürdige Bhūmijo dem Erhabenen Wort um Wort das ganze Gespräch, {257} das er mit Jayaseno dem Königsohne geführt hatte. Nach diesem Berichte wandte sich dann der ehrwürdige Bhūmijo also an den Erhabenen:

»Hab’ ich nun, o Herr, mit solcher Antwort auf solche Frage wirklich die Worte des Erhabenen gebraucht und den Erhabenen nicht mit Unrecht angeführt und der Lehre gemäß geredet, so dass sich da kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen kann?«

»In der That hast du, Bhūmijo, mit solcher Antwort {258} auf solche Frage meine eigenen Worte gebraucht und mich nicht mit Unrecht angeführt und der Lehre gemäß[S. 274] geredet, so dass sich da kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen kann. — Wer da auch immer, Bhūmijo, als Asket oder als Priester falsch erkennt, falsch bedenkt, falsch redet, falsch handelt, falsch wandelt, falsch bemüht ist, falsch besonnen, falsch vertieft, und also etwa mit Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen; also etwa ohne Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen; also etwa mit Hoffnung und ohne Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen; also etwa weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel unmöglich gewinnen: und warum nicht? Weil er, Bhūmijo, das Ziel gewinnen nicht von Grund aus versteht.

»Gleichwie etwa, Bhūmijo, wenn ein Mann, der Sesamöl begehrt, Sesamöl sucht, auf Sesamöl ausgeht, einen Trog mit Sand anfüllte und mit Wasser verrührte, verquirlte, verriebe; mag der auch also mit Hoffnung bemüht sein, Sesamöl kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also ohne Hoffnung bemüht sein, {259} Sesamöl kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also mit Hoffnung und ohne Hoffnung bemüht sein, Sesamöl kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung bemüht sein, Sesamöl kann er unmöglich gewinnen: und warum nicht? Weil er, Bhūmijo, Sesamöl gewinnen nicht von Grund aus versteht. Ebenso nun auch, Bhūmijo, können dergleichen Asketen oder Priester das Ziel unmöglich gewinnen: und warum nicht? Weil sie, Bhūmijo, das Ziel gewinnen nicht von Grund aus verstehn.

»Gleichwie etwa, Bhūmijo, wenn ein Mann, der Milch[S. 275] begehrt, Milch sucht, auf Milch ausgeht, eine Kuh, die gekalbt hat, am Horne zu melken begänne; mag der auch also mit Hoffnung bemüht sein, Milch kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also ohne Hoffnung bemüht sein, Milch kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also mit Hoffnung und ohne Hoffnung bemüht sein, Milch kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung bemüht sein, Milch kann er unmöglich gewinnen: und warum nicht? {260} Weil er, Bhūmijo, Milch gewinnen nicht von Grund aus versteht. Ebenso nun auch, Bhūmijo, können dergleichen Asketen oder Priester das Ziel unmöglich gewinnen: und warum nicht? Weil sie, Bhūmijo, das Ziel gewinnen nicht von Grund aus verstehn.

»Gleichwie etwa, Bhūmijo, wenn ein Mann, der Butter begehrt, Butter sucht, auf Butter ausgeht, Wasser in das Fass eingösse und mit dem Stämpel zu kernen begänne; mag der auch also mit Hoffnung bemüht sein, Butter kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also ohne Hoffnung bemüht sein, Butter kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also mit Hoffnung und ohne Hoffnung bemüht sein, Butter kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung bemüht sein, Butter kann er unmöglich gewinnen: und warum nicht? Weil er, Bhūmijo, Butter gewinnen nicht von Grund aus versteht. Ebenso nun auch, Bhūmijo, können dergleichen Asketen oder Priester das Ziel unmöglich gewinnen: und warum nicht? Weil sie, Bhūmijo, das Ziel gewinnen nicht von Grund aus verstehn.

»Gleichwie etwa, Bhūmijo, wenn ein Mann, der[S. 276] Feuer begehrt, Feuer sucht, auf Feuer ausgeht, ein feuchtes, leimiges Holzscheit mit dem Reibholze anzureiben begänne; {261} mag der auch also mit Hoffnung bemüht sein, Feuer kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also ohne Hoffnung bemüht sein, Feuer kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also mit Hoffnung und ohne Hoffnung bemüht sein, Feuer kann er unmöglich gewinnen; mag der auch also weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung bemüht sein, Feuer kann er unmöglich gewinnen: und warum nicht? Weil er, Bhūmijo, Feuer gewinnen nicht von Grund aus versteht. Ebenso nun auch, Bhūmijo, können dergleichen Asketen oder Priester das Ziel unmöglich gewinnen: und warum nicht? Weil sie, Bhūmijo, das Ziel gewinnen nicht von Grund aus verstehn.

»Wer da auch immer, Bhūmijo, als Asket oder als Priester recht erkennt, recht bedenkt, recht redet, recht handelt, recht wandelt, recht bemüht ist, recht besonnen, recht vertieft, und also etwa mit Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel doch wohl gewinnen; also etwa ohne Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel doch wohl gewinnen; also etwa mit Hoffnung und ohne Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel doch wohl gewinnen; also etwa weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung ein Asketenleben führt, kann das Ziel doch wohl gewinnen: und warum das? Weil er, Bhūmijo, das Ziel gewinnen von Grund aus versteht.

»Gleichwie etwa, Bhūmijo, wenn ein Mann, der Sesamöl begehrt, Sesamöl sucht, auf Sesamöl ausgeht, einen Trog mit Sesammehl anfüllte und mit Wasser verrührte, verquirlte, verriebe; {262} mag der auch also mit Hoffnung[S. 277] bemüht sein, Sesamöl kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also ohne Hoffnung bemüht sein, Sesamöl kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also mit Hoffnung und ohne Hoffnung bemüht sein, Sesamöl kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung bemüht sein, Sesamöl kann er doch wohl gewinnen: und warum das? Weil er, Bhūmijo, Sesamöl gewinnen von Grund aus versteht. Ebenso nun auch, Bhūmijo, können dergleichen Asketen oder Priester das Ziel doch wohl gewinnen: und warum das? Weil sie, Bhūmijo, das Ziel gewinnen von Grund aus verstehn.

»Gleichwie etwa, Bhūmijo, wenn ein Mann, der Milch begehrt, Milch sucht, auf Milch ausgeht, eine Kuh, die gekalbt hat, am Euter zu melken begänne; mag der auch also mit Hoffnung bemüht sein, Milch kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also ohne Hoffnung bemüht sein, Milch kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also mit Hoffnung und ohne Hoffnung bemüht sein, Milch kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung bemüht sein, Milch kann er doch wohl gewinnen: und warum das? Weil er, Bhūmijo, Milch gewinnen von Grund aus versteht. Ebenso nun auch, Bhūmijo, können dergleichen Asketen oder Priester das Ziel doch wohl gewinnen: und warum das? Weil sie, Bhūmijo, das Ziel gewinnen von Grund aus verstehn.

{263} »Gleichwie etwa, Bhūmijo, wenn ein Mann, der Butter begehrt, Butter sucht, auf Butter ausgeht, Rahm in das Fass eingösse und mit dem Stämpel zu kernen begänne; mag der auch also mit Hoffnung bemüht sein,[S. 278] Butter kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also ohne Hoffnung bemüht sein, Butter kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also mit Hoffnung und ohne Hoffnung bemüht sein, Butter kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung bemüht sein, Butter kann er doch wohl gewinnen: und warum das? Weil er, Bhūmijo, Butter gewinnen von Grund aus versteht. Ebenso nun auch, Bhūmijo, können dergleichen Asketen oder Priester das Ziel doch wohl gewinnen: und warum das? Weil sie, Bhūmijo, das Ziel gewinnen von Grund aus verstehn.

»Gleichwie etwa, Bhūmijo, wenn ein Mann, der Feuer begehrt, Feuer sucht, auf Feuer ausgeht, ein trockenes, ausgedörrtes Holzscheit mit dem Reibholze anzureiben begänne; mag der auch also mit Hoffnung bemüht sein, Feuer kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also ohne Hoffnung bemüht sein, Feuer kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also mit Hoffnung und ohne Hoffnung bemüht sein, Feuer kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also weder mit Hoffnung noch ohne Hoffnung bemüht sein, Feuer kann er doch wohl gewinnen: und warum das? Weil er, Bhūmijo, Feuer gewinnen von Grund aus versteht. Ebenso nun auch, Bhūmijo, {264} können dergleichen Asketen oder Priester das Ziel doch wohl gewinnen: und warum das? Weil sie, Bhūmijo, das Ziel gewinnen von Grund aus verstehn. — Hättest du aber, Bhūmijo, diese vier Gleichnisse Jayaseno dem Königsohne dargestellt, ohne Zweifel wäre dann Jayaseno der Königsohn mit dir zufrieden geworden und hätte zufrieden dir zugestimmt.«

»Wie doch nur hätt’ ich, o Herr, Jayaseno dem[S. 279] Königsohne diese vier Gleichnisse darzustellen vermocht, die unzweifelhaften, nie zuvor gehörten, gleichwie etwa der Erhabene!«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Bhūmijo über das Wort des Erhabenen.[132]


127.

Dreizehnter Theil

Siebente Rede

ANURUDDHO

{265} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Da nun wandte sich Pañcakaṉgo der Baumeister an einen seiner Leute:

»Komm’, lieber Mann, und begieb dich zum ehrwürdigen Anuruddho hin und bringe dem ehrwürdigen Anuruddho zu Füßen meinen Gruß dar: ›Pañcakaṉgo‹, sage, ›o Herr, der Baumeister bringt dem ehrwürdigen Anuruddho zu Füßen Gruß dar;‹ und füge hinzu: ›möge, o Herr‹, lässt er sagen, ›der ehrwürdige Anuruddho Pañcakaṉgo dem Baumeister die Bitte gewähren, morgen selbviert bei ihm zu speisen. Und möchte sich doch, o Herr, der ehrwürdige Anuruddho etwas früher schon einfinden: Pañcakaṉgo, o Herr, der Baumeister hat viel zu thun, viel auszuführen, im Auftrage des Königs.‹«

»Wohl, o Herr!« entgegnete da gehorsam jener Mann Pañcakaṉgo dem Baumeister. Und er begab sich[S. 280] dorthin wo der ehrwürdige Anuruddho weilte, bot ehrerbietigen Gruß dar und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach er dann also zum ehrwürdigen Anuruddho:

»Pañcakaṉgo, o Herr, der Baumeister, bringt dem ehrwürdigen Anuruddho zu Füßen Gruß dar; und er lässt sagen: möge, o Herr, der ehrwürdige Anuruddho Pañcakaṉgo dem Baumeister die Bitte gewähren, morgen selbviert bei ihm zu speisen. Und möchte sich doch, o Herr, der ehrwürdige Anuruddho etwas früher schon einfinden: Pañcakaṉgo, o Herr, der Baumeister, hat viel zu thun, viel auszuführen, im Auftrage des Königs.«

{266} Schweigend gewährte der ehrwürdige Anuruddho die Bitte.[133]

Und der ehrwürdige Anuruddho begab sich am nächsten Morgen, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schaale versehn, nach dem Hause Pañcakaṉgo des Baumeisters. Dort angelangt nahm der ehrwürdige Anuruddho auf dem dargebotenen Sitze Platz. Und Pañcakaṉgo der Baumeister bediente und versorgte eigenhändig den ehrwürdigen Anuruddho mit ausgewählter fester und flüssiger Speise.

Nachdem nun der ehrwürdige Anuruddho gespeist und das Mahl beendet hatte, nahm Pañcakaṉgo der Baumeister einen von den niederen Stühlen zur Hand und setzte sich zur Seite hin. Zur Seite sitzend sprach nun Pañcakaṉgo der Baumeister zum ehrwürdigen Anuruddho also:

»Da haben mich, o Herr, erfahrene Mönche besucht und haben mir gesagt: ›Unbeschränkte Gemütherlösung, Hausvater, übe du‹; einige ihrer haben wieder gesagt: ›Großartige Gemütherlösung, Hausvater, übe du.‹ Was nun, o Herr, unbeschränkte Gemütherlösung ist, und[S. 281] dann wieder großartige Gemütherlösung: sind das von einander verschiedene Begriffe, die auch eine verschiedene Bezeichnung haben, oder sind sie einander gleich und ist nur die Bezeichnung verschieden?«

»Wohlan denn, Hausvater, sage nur, was du hierüber denkst: so wirst du alsbald Gewissheit erlangen.«

»Mir will scheinen, o Herr, als ob die unbeschränkte Gemütherlösung und wiederum die großartige Gemütherlösung Begriffe seien, die einander gleich sind, und dass nur die Bezeichnung eine verschiedene ist.«

»Die unbeschränkte Gemütherlösung, Hausvater, und die großartige Gemütherlösung: das sind Begriffe, die von einander verschieden sind und auch verschiedene Bezeichnung haben. Daher aber muss man es, Hausvater, je nach dem Umstand beurtheilen, warum eben diese Begriffe verschieden sind und verschiedene Bezeichnung haben. {267} Was ist also, Hausvater, unbeschränkte Gemütherlösung? Da strahlt, Hausvater, ein Mönch liebevollen Gemüthes weilend nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüthe, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. Erbarmenden Gemüthes — freudevollen Gemüthes — unbewegten Gemüthes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit erbarmendem Gemüthe, mit freudevollem Gemüthe, mit unbewegtem Gemüthe,[S. 282] mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. Das heißt man, Hausvater, unbeschränkte Gemütherlösung.[134]

»Was ist aber, Hausvater, großartige Gemütherlösung? Da hat ein Mönch, Hausvater, einen einzelnen mächtigen Baum als ›großartig‹ aufgefasst und beruhigt sich dabei. Das heißt man, Hausvater, großartige Gemütherlösung. Da hat ferner, Hausvater, ein Mönch etwa noch zwei bis drei mächtige Bäume als ›großartig‹ aufgefasst und beruhigt sich dabei. Das heißt man, Hausvater, großartige Gemütherlösung. Da hat ein Mönch, Hausvater, ein einzelnes Wiesenfeld als ›großartig‹ aufgefasst und beruhigt sich dabei. Das heißt man, Hausvater, großartige Gemütherlösung. Da hat ferner, Hausvater, ein Mönch etwa noch zwei bis drei Wiesenfelder als ›großartig‹ aufgefasst und beruhigt sich dabei. Das heißt man, Hausvater, großartige Gemütherlösung. Da hat ein Mönch, Hausvater, {268} ein einzelnes Königreich als ›großartig‹ aufgefasst und beruhigt sich dabei. Das heißt man, Hausvater, großartige Gemütherlösung. Da hat ferner, Hausvater, ein Mönch etwa noch zwei bis drei Königreiche als ›großartig‹ aufgefasst und beruhigt sich dabei. Das heißt man, Hausvater, großartige Gemütherlösung. Da hat ferner, Hausvater, ein Mönch etwa noch die vom Ozean umschlossene Erde als ›großartig‹ aufgefasst und beruhigt sich dabei.[135] Das heißt man, Hausvater, großartige Gemütherlösung. — Auf solche Weise muss man es, Hausvater, je nach dem Umstand beurtheilen, wie eben diese Begriffe verschieden sind und verschiedene Bezeichnung haben.

[S. 283]

»Vier Arten giebt es da, Hausvater, wie man zu wesen wiederkehrt: und welche vier? Da hat einer, Hausvater, einen bestimmten Glanz aufgefasst und beruhigt sich dabei; der mag, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit Göttern von einem bestimmten Glanze wiederkehren. Da hat ferner, Hausvater, einer unermesslichen Glanz aufgefasst und beruhigt sich dabei; der mag, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit Göttern von unermesslichem Glanze wiederkehren. Da hat einer, Hausvater, unlauteren Glanz aufgefasst und beruhigt sich dabei; der mag, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit Göttern von unlauterem Glanze wiederkehren. Da hat ferner, Hausvater, einer vollkommen reinen Glanz aufgefasst und beruhigt sich dabei; der mag, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit Göttern von vollkommen reinem Glanze wiederkehren. Das sind, Hausvater, vier Arten, wie man zu wesen wiederkehrt.

»Es giebt, Hausvater, eine Zeit wo da solche Gottheiten zusammenkommen; und sind sie zusammengekommen, {269} so zeigt sich wohl bei ihnen verschiedene Farbe, doch kein verschiedener Glanz. Gleichwie etwa, Hausvater, wenn ein Mann gar mancherlei Oellampen in ein Haus hineintrüge; da würde sich wohl unter ihnen verschiedene Flamme zeigen, doch kein verschiedener Glanz: ebenso nun auch, Hausvater, giebt es eine Zeit wo da solche Gottheiten zusammenkommen; und sind sie zusammengekommen, so zeigt sich wohl bei ihnen verschiedene Farbe, doch kein verschiedener Glanz.

[S. 284]

»Es giebt, Hausvater, eine Zeit wo da solche Gottheiten dann auseinandergehn; und sind sie dann auseinandergegangen, so zeigt sich eben bei ihnen verschiedene Farbe wie auch verschiedener Glanz. Gleichwie etwa, Hausvater, wenn ein Mann jene mancherlei Oellampen aus dem Hause hinwegtrüge; da würde sich eben unter ihnen verschiedene Flamme zeigen wie auch verschiedener Glanz: ebenso nun auch, Hausvater, giebt es eine Zeit wo da solche Gottheiten dann auseinandergehn; und sind sie dann auseinandergegangen, so zeigt sich eben bei ihnen verschiedene Farbe wie auch verschiedener Glanz.

»Nicht aber, Hausvater, haben die Gottheiten Gedanken wie: ›So bleiben wir beständig, beharrend, ewig‹, sondern sobald eben da die Gottheiten einander genaht sind, sind alsbald eben da die Gottheiten einander genehm. Gleichwie etwa, Hausvater, wenn Fliegen in einem Glase oder in einem Korbe zusammenschwärmen nicht Gedanken haben wie: ›So bleiben wir beständig, beharrend, ewig‹, sondern sobald eben da die Fliegen einander genaht sind, sind alsbald eben da die Fliegen einander genehm[136]: {270} ebenso nun auch, Hausvater, haben die Gottheiten nicht Gedanken wie: ›So bleiben wir beständig, beharrend, ewig‹, sondern sobald eben da die Gottheiten einander genaht sind, sind alsbald eben da die Gottheiten einander genehm.«

Nach diesen Worten wandte sich der ehrwürdige Abhayakaccāno[137] also an den ehrwürdigen Anuruddho:

»Sehr schön, werther Anuruddho. Ich möchte nun hier noch eine fernere Frage stellen. Die Gottheiten, o Herr, die da glänzen, haben die alle einen bestimmten[S. 285] Glanz, oder giebt es wirklich auch Gottheiten, deren Glanz unermesslich ist?«

»Je nachdem, Bruder Kaccāno. Es giebt wohl manche Gottheiten von bestimmtem Glanze: es giebt aber auch manche Gottheiten, deren Glanz unermesslich ist.«

»Was ist nun, werther Anuruddho, der Anlass, was ist der Grund, dass unter Gottheiten, im selben Götterbereiche geboren, manche einen bestimmten Glanz aufweisen, und wiederum manche einen Glanz, der unermesslich ist?«

»Da will ich dir denn, Bruder Kaccāno, eben hierüber eine Frage stellen: wie es dir gutdünkt magst du sie beantworten. Was meinst du wohl, Bruder Kaccāno: wenn da jener Mönch einen einzelnen mächtigen Baum als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt; und ein anderer Mönch etwa noch zwei bis drei mächtige Bäume als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt: so ist nun welche von diesen beiden geistigen Uebungen die großartigere?«

»Wenn da, o Herr, ein Mönch etwa noch zwei bis drei mächtige Bäume als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt, so ist diese von den beiden geistigen {271} Uebungen die großartigere.«

»Was meinst du wohl, Bruder Kaccāno: wenn da jener Mönch etwa noch zwei bis drei mächtige Bäume als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt; und ein anderer Mönch ein einzelnes Wiesenfeld als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt: so ist nun welche von diesen beiden geistigen Uebungen die großartigere?«

[S. 286]

»Wenn da, o Herr, ein Mönch ein einzelnes Wiesenfeld als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt, so ist diese von den beiden geistigen Uebungen die großartigere.«

»Was meinst du wohl, Bruder Kaccāno: wenn da jener Mönch ein einzelnes Wiesenfeld als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt; und ein anderer Mönch etwa noch zwei bis drei Wiesenfelder als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt: so ist nun welche von diesen beiden geistigen Uebungen die großartigere?«

»Wenn da, o Herr, ein Mönch etwa noch zwei bis drei Wiesenfelder als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt, so ist diese von den beiden geistigen Uebungen die großartigere.«

»Was meinst du wohl, Bruder Kaccāno: wenn da jener Mönch etwa noch zwei bis drei Wiesenfelder als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt; und ein anderer Mönch ein einzelnes Königreich als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt: so ist nun welche von diesen beiden geistigen Uebungen die großartigere?«

»Wenn da, o Herr, ein Mönch ein einzelnes Königreich als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt, so ist diese von den beiden geistigen Uebungen die großartigere.«

»Was meinst du wohl, Bruder Kaccāno: wenn da jener Mönch ein einzelnes Königreich als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt; und ein anderer Mönch etwa noch zwei bis drei Königreiche als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt: so ist nun[S. 287] welche von diesen beiden geistigen Uebungen die großartigere?«

»Wenn da, o Herr, ein Mönch etwa noch zwei bis drei Königreiche als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt, so ist diese von den beiden geistigen Uebungen die großartigere.«

»Was meinst du wohl, Bruder Kaccāno: wenn da {272} jener Mönch etwa noch zwei bis drei Königreiche als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt; und ein anderer Mönch etwa noch die vom Ozean umschlossene Erde als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt: so ist nun welche von diesen beiden geistigen Uebungen die großartigere?«

»Wenn da, o Herr, ein Mönch etwa noch die vom Ozean umschlossene Erde als ›großartig‹ aufgefasst hat und dabei sich beruhigt, so ist diese von den beiden geistigen Uebungen die großartigere.«

»Das ist nun, Bruder Kaccāno, der Anlass, das ist der Grund, dass unter Gottheiten, im selben Götterbereiche geboren, manche einen bestimmten Glanz aufweisen, und wiederum manche einen Glanz, der unermesslich ist.«[138]

»Sehr schön, werther Anuruddho. Ich möchte nun hier noch eine fernere Frage stellen. Die Gottheiten, o Herr, die da glänzen, haben die alle unlauteren Glanz, oder giebt es wirklich auch Gottheiten, deren Glanz vollkommen rein ist?«

»Je nachdem, Bruder Kaccāno. Es giebt wohl manche Gottheiten von unlauterem Glanze: es giebt aber auch manche Gottheiten, deren Glanz vollkommen rein ist.«

[S. 288]

»Was ist nun, werther Anuruddho, der Anlass, was ist der Grund, dass unter Gottheiten, im selben Götterbereiche geboren, {273} manche unlauteren Glanz aufweisen, und wiederum manche einen Glanz, der vollkommen rein ist?«

»Da lasse mich denn, Bruder Kaccāno, ein Gleichniss dir geben: auch durch Gleichnisse wird da manchem verständigen Manne der Sinn einer Rede klar. — Gleichwie etwa, Bruder Kaccāno, wenn bei einer angezündeten Oellampe das Oel nicht vollkommen rein ist und der Docht nicht vollkommen rein ist, sie wegen der unvollkommenen Reinheit des Oels und der unvollkommenen Reinheit des Dochtes gar dunkel und düster schauen wird: ebenso nun auch, Bruder Kaccāno, hat da ein Mönch unlauteren Glanz aufgefasst und beruhigt sich dabei. Der hat körperliche Schwerfälligkeit nicht vollkommen beschwichtigt, hat matte Müde nicht vollkommen ausgerodet, hat stolzen Unmuth nicht vollkommen ausgetrieben. Weil er körperliche Schwerfälligkeit nicht vollkommen beschwichtigt hat, matte Müde nicht vollkommen ausgerodet hat, stolzen Unmuth nicht vollkommen ausgetrieben hat, wird er gar dunkel und düster schauen. Der kehrt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit Göttern von unlauterem Glanze wieder. Gleichwie aber, Bruder Kaccāno, wenn bei einer angezündeten Oellampe das Oel vollkommen rein ist und der Docht vollkommen rein ist, sie wegen der vollkommenen Reinheit des Oels[139] und der vollkommenen Reinheit des Dochtes gar nicht dunkel und düster schauen wird: ebenso nun auch, Bruder Kaccāno, hat da ein Mönch vollkommen reinen Glanz[S. 289] aufgefasst und beruhigt sich dabei. Der hat körperliche Schwerfälligkeit vollkommen beschwichtigt, hat matte Müde vollkommen ausgerodet, hat stolzen Unmuth vollkommen ausgetrieben. Weil er körperliche Schwerfälligkeit vollkommen beschwichtigt hat, matte Müde vollkommen ausgerodet hat, stolzen Unmuth vollkommen ausgetrieben hat, wird er gar nicht dunkel und düster schauen. {274} Der kehrt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit Göttern von vollkommen reinem Glanze wieder. — Das ist nun, Bruder Kaccāno, der Anlass, das ist der Grund, dass unter Gottheiten, im selben Götterbereiche geboren, manche unlauteren Glanz aufweisen, und wiederum manche einen Glanz, der vollkommen rein ist.«

Derart berichtet wandte sich nun der ehrwürdige Abhayakaccāno also an den ehrwürdigen Anuruddho:

»Sehr schön, werther Anuruddho. — Nicht hat, o Herr, der ehrwürdige Anuruddho gesagt ›Das hab’ ich gehört‹ oder ›So dürfte es sein‹, sondern es hat eben, o Herr, der ehrwürdige Anuruddho ›So ist es mit diesen Gottheiten, so ist es mit jenen Gottheiten‹ schlechthin gesprochen. Da ist mir, o Herr, der Gedanke gekommen: ›Gewiss hat der ehrwürdige Anuruddho mit jenen Gottheiten ehemals Verkehr gehabt, ehemals Rede und Rath mit ihnen gepflogen.‹«

»Gewiss hast du, Bruder Kaccāno, diese Frage versuchend gestellt, um weiter auszuholen: aber ich will dir Antwort geben. Lange Zeiten hab’ ich, Bruder Kaccāno, mit jenen Gottheiten ehemals Verkehr gehabt, ehemals Rede und Rath mit ihnen gepflogen.«[140]

[S. 290]

Auf diese Worte wandte sich der ehrwürdige Abhayakaccāno an Pañcakaṉgo den Baumeister und sagte:

»Gesegnet bist du, Hausvater, hochgesegnet bist du, Hausvater, dass dir ein Zweifel da gelöst wurde, und wir dann diesen Gedankengang zu hören bekamen.«


128.

Dreizehnter Theil

Achte Rede

VERSCHLACKUNG

{275} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Kosambī, in der Gartenstiftung. Zu jener Zeit nun war unter den Mönchen von Kosambī Zank und Streit ausgebrochen, sie haderten mit einander und scharfe Wortgefechte fanden statt.

Da begab sich denn einer der Mönche dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und stellte sich seitwärts hin. Seitwärts stehend sprach nun jener Mönch zum Erhabenen also:

»Es ist da, o Herr, zu Kosambī unter den Mönchen Zank und Streit ausgebrochen, sie hadern mit einander und scharfe Wortgefechte finden statt. Gut wär’ es, o Herr, wenn sich der Erhabene zu jenen Mönchen hinbegeben wollte, von Mitleid bewogen.«

Schweigend gewährte der Erhabene die Bitte.

Und der Erhabene begab sich zu jenen Mönchen hin und sprach also zu ihnen:

[S. 291]

»Genug, ihr Mönche: gemieden sei Zank und Streit, gemieden Zwist und Hader.«

Also ermahnt wandte sich ein anderer der Mönche an den Erhabenen und sagte:

»Möge, o Herr, der Erhabene, der Wahrheit Gebieter, hingehn: selbstgenugsam möge, o Herr, der Erhabene säliger Gegenwart genießen; wir werden uns in diesem Zank und Streite, Zwist und Hader verständigen.«

{276} Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal sprach der Erhabene also zu jenen Mönchen:

»Genug, ihr Mönche: gemieden sei Zank und Streit, gemieden Zwist und Hader.«

Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal sprach jener andere Mönch also zum Erhabenen:

»Möge, o Herr, der Erhabene, der Wahrheit Gebieter, hingehn: selbstgenugsam möge, o Herr, der Erhabene säliger Gegenwart genießen; wir werden uns in diesem Zank und Streite, Zwist und Hader verständigen.«

Und der Erhabene, zeitig gerüstet, mit Mantel und Schaale versehn, machte sich auf den Gang nach Kosambī um Almosenspeise, trat in der Stadt von Haus zu Hause hin, nahm das Mahl ein, kehrte zurück, räumte sein Lager zurecht, behielt Mantel und Schaale und ließ nun, schon aufgebrochen, folgende Weise verlauten:

»Wo jeder lärmend ein sich mengt,
Als Thor Vernunft erlangt man nie;
Den Brüderbund, zerbrecht ihr ihn,
Hört keiner auf den andern mehr.
[S. 292]
»Vergessen ward ein weiser Spruch
Des Kenners, der erfahren sprach;
Die Zunge zügeln, das ist noth,
Und lenken sie: man lernt es nicht.
»‚Gescholten hat man mich, verletzt,
Hat mich besiegt, hat mich verlacht:
Wer solchen Sinn im Herzen hegt,
Von Feindschaft lässt er nimmer ab.
»‚Gescholten hat man mich, verletzt,
Hat mich besiegt, hat mich verlacht:
Wer solchen Sinn zu bannen weiß,
Von Feindschaft lässt er eilig ab.
»‚Es wird ja Feindschaft nimmermehr
Durch Feindschaft wieder ausgesöhnt:
Nichtfeindschaft giebt Versöhnung an;
Das ist Gesetz von Ewigkeit.‘
{277}
»Die Menschen sehn es selten ein,
Dass Dulden uns geduldig macht:
Doch wer es einsieht, wer es weiß
Giebt alles Eifern willig auf.[141]
»Der Henker, Scherge, Mörder, Dieb,
Wer Rinder, Rosse, Schätze rafft,
Landstreichersippe, Räubervolk,
Zusammen halten solche schon:
Warum nur solltet ihr es nicht?
»Hat man den abgeklärten Freund gefunden,
Der mitgeht, muthig mitbestrebt in Tugend,
Entgangen aller dräuenden Bedrängniss
Mit ihm zufrieden wandern mag der weise Mann.
[S. 293]
»Muss man den abgeklärten Freund vermissen,
Der mitgeht, muthig mitbestrebt in Tugend,
Als König, der sein Königreich verloren,
Alleinig wandern mag man wie der wilde Ilph.
»Allein ist bessre Wanderschaft,
Mit Thoren schließt man keinen Bund;
Alleinig wandre man und meide böse That,
Geworden selbstgenugsam wie der wilde Ilph.«

Als nun der Erhabene, schon aufgebrochen, diese Weise gesagt hatte, ging er hinweg, nach dem Dorfe Niedersoolenbrunn.[142] Damals aber weilte der ehrwürdige Bhagu bei dem Dorfe Niedersoolenbrunn. Und es sah der ehrwürdige Bhagu den Erhabenen von ferne herankommen, und als er ihn gesehn machte er einen Sitz bereit und Wasser für die Füße. Es setzte sich der Erhabene auf den dargebotenen Sitz, und als er saß spülte er sich die Füße ab. Und auch der ehrwürdige Bhagu setzte sich, nach des Erhabenen Begrüßung, zur Seite nieder. An den ehrwürdigen Bhagu, der zur Seite saß, wandte sich nun der Erhabene also:

»Geht es dir, Mönch, leidlich, kommst du wohl aus, ohne Mangel an Nahrung?«

»Leidlich, Erhabener, geht es mir, wohl, Erhabener, komme ich aus, ich ermangle, o Herr, nicht der Nahrung.«

{278} Und der Erhabene ermunterte und ermuthigte, erregte und erheiterte den ehrwürdigen Bhagu in lehrreichem Gespräche, erhob sich alsdann von seinem Sitze und begab sich nach dem östlichen Bambushaine.

Um diese Zeit aber weilte der ehrwürdige Anuruddho,[S. 294] der ehrwürdige Nandiyo und der ehrwürdige Kimbilo im östlichen Bambushaine. Da sah ein Waldhüter den Erhabenen von ferne herankommen, und als er den Erhabenen gesehn sprach er also zu ihm:

»Gehe nicht in diesen Forst, o Asket: drei edle Jünglinge weilen hier, die selbstzufrieden scheinen, störe sie nicht!«

Der ehrwürdige Anuruddho hörte aber des Waldhüters Gespräch mit dem Erhabenen, und als er es gehört sprach er also zum Waldhüter:

»Wehre nicht, Bruder Waldhüter, dem Erhabenen: unser Meister, der Erhabene ist gekommen.«

Und der ehrwürdige Anuruddho begab sich nun zum ehrwürdigen Nandiyo und zum ehrwürdigen Kimbilo und sprach also zu ihnen:

»Kommt herbei, ihr Brüder, kommt herbei, ihr Brüder: unser Meister, der Erhabene ist da.«

Und der ehrwürdige Anuruddho, der ehrwürdige Nandiyo und der ehrwürdige Kimbilo gingen nun dem Erhabenen entgegen. Einer nahm dem Erhabenen Mantel und Schaale ab, einer machte einen Sitz zurecht, einer brachte Wasser zur Fußwaschung herbei. Es setzte sich der Erhabene auf den dargebotenen Sitz, und als er saß spülte er sich die Füße ab. Jene Ehrwürdigen aber setzten sich, nach des Erhabenen Begrüßung, zur Seite nieder. Und der Erhabene wandte sich nun an den ehrwürdigen Anuruddho, der zur Seite saß, und sprach also:

»Geht es euch, Anuruddher, leidlich, kommt ihr wohl aus, ohne Mangel an Nahrung?«

{279} »Leidlich, Erhabener, geht es uns, wohl, Erhabener, [S. 295] kommen wir aus, wir ermangeln, o Herr, nicht der Nahrung.«

»Vertragt ihr euch aber, Anuruddher, einig, ohne Zwist, mild geworden, und seht euch sanften Auges an?«

»Freilich, o Herr, vertragen wir uns, einig, ohne Zwist, mild geworden, und sehn uns sanften Auges an.«

»Inwiefern aber, Anuruddher, vertragt ihr euch, einig, ohne Zwist, mild geworden, und seht euch sanften Auges an?«

»Da gedenk’ ich, o Herr, also: ›Erreicht habe ich’s, wohl getroffen, fürwahr, der ich mit solchen wahren Asketen vereint lebe.‹ Und ich Glücklicher, o Herr, diene diesen Ehrwürdigen mit liebevoller That, so offen als verborgen, mit liebevollem Wort, so offen als verborgen, mit liebevoller Gesinnung, so offen als verborgen. Und also verweilend, o Herr, denke ich: ›Wenn ich nun meinen eigenen Willen aufgäbe und mich nur dem Willen dieser Ehrwürdigen unterwürfe?‹ Und ich habe, o Herr, meinen eigenen Willen aufgegeben und mich dem Willen dieser Ehrwürdigen unterworfen. Verschieden, o Herr, sind zwar unsere Körper, aber ich glaube wir haben nur einen Willen.«

Und der ehrwürdige Nandiyo, und der ehrwürdige Kimbilo sprach zum Erhabenen:

»Auch ich, o Herr, gedenke also: ›Erreicht habe ich’s, wohl getroffen, fürwahr, der ich mit solchen wahren Asketen vereint lebe.‹ Und ich Glücklicher, o Herr, diene diesen Ehrwürdigen mit liebevoller That, so offen als verborgen, mit liebevollem Wort, so offen als verborgen, mit liebevoller Gesinnung, so offen als[S. 296] verborgen. {280} Und also verweilend, o Herr, denke ich: ›Wenn ich nun meinen eigenen Willen aufgäbe und mich nur dem Willen dieser Ehrwürdigen unterwürfe?‹ Und ich habe, o Herr, meinen eigenen Willen aufgegeben und mich dem Willen dieser Ehrwürdigen unterworfen. Verschieden, o Herr, sind zwar unsere Körper, aber ich glaube wir haben nur einen Willen.[143]

»Also, o Herr, verweilen wir verträglich, einig, ohne Zwist, mild geworden, und sehn uns sanften Auges an.«

»Recht so, recht so, Anuruddher. Und verweilt ihr auch ernsten Sinnes, Anuruddher, eifrig, unermüdlich?«

»Freilich, o Herr, verweilen wir ernsten Sinnes. eifrig, unermüdlich.«

»Inwiefern aber, Anuruddher, verweilt ihr ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich?«

»Wer da zuerst von uns, o Herr, vom Almosengang aus dem Dorfe zurückkehrt, der bereitet die Plätze und setzt Trinkwasser, Waschwasser und den Spülnapf vor. Wer zuletzt vom Almosengang aus dem Dorfe zurückkehrt, und es ist noch Speise übrig, und er verlangt danach, so nimmt er davon; wo nicht, so wirft er sie fort, auf grasfreien Grund oder in fließendes Wasser. Dann ordnet er die Sitze, räumt Trinkwasser, Waschwasser und Spülnapf weg und fegt den Speiseplatz rein. Wer bemerkt, dass man den Trinknapf oder den Waschkrug oder den Mistkübel nicht mehr braucht, der stellt ihn gesäubert auf. Wenn er es allein nicht kann, so winkt er einen Zweiten herbei, und wir kommen und helfen, ohne dass wir, o Herr, aus solchem Grunde das Schweigen brächen.[144] {281} Und jeden fünften Tag, o Herr, sitzen wir die ganze Nacht hindurch in Gesprächen über die[S. 297] Lehre beisammen. Also, o Herr, verweilen wir ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich.«

»Recht so, recht so, Anuruddher. Habt ihr aber, Anuruddher, die ihr also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilet, ein überirdisches, reiches Heilthum errungen, sälige Ruhe?«

»Während wir da, o Herr, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilen, nehmen wir einen Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse.[145] Aber dieser Abglanz entschwindet uns alsbald und der Anblick der Umrisse; und diese Erscheinung ergründen wir nicht.«

»Aber diese Erscheinung, Anuruddher, muss nun von euch ergründet werden. Auch ich hatte einst, Anuruddher, noch vor der vollen Erwachung, als unvollkommen Erwachter, Erwachung erst Erringender, einen Abglanz wahrgenommen und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Schwankend war ich geworden; Schwanken aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. {282} Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl[S. 298] der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Unachtsam war ich geworden; Unachtsamkeit aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Matt und müde war ich geworden; matte Müde aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Entsetzt war ich geworden; Entsetzen aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine[S. 299] Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse.‹ Gleichwie etwa, Anuruddher, wenn ein Mann auf der Landstraße hinschritte, und es träten ihm von beiden Seiten Mörder entgegen; da würde er alsbald in Entsetzen gerathen: ebenso nun auch, Anuruddher, war ich entsetzt geworden; Entsetzen aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. ›So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ {283} Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Entzückt war ich geworden; Entzücken aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse.‹ Gleichwie etwa, Anuruddher, wenn ein Mann einer Schatzgrube nachspürte[146] und auf einmal fünf Schatzgruben entdeckte; da würde er alsbald in Entzücken gerathen: ebenso nun auch, Anuruddher, war ich entzückt geworden; Entzücken aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. ›So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch[S. 300] in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Schwerfällig war ich geworden; Schwerfälligkeit aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu straff gespannt war ich geworden; zu straffe Spannung aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse.‹ Gleichwie etwa, Anuruddher, wenn ein Mann eine Wachtel mit beiden Händen fest umklammert hielte, sie alsbald verschmachten müsste: ebenso nun auch, Anuruddher, war ich zu straff[S. 301] gespannt geworden; zu straffe Spannung aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. ›So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ {284} Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu schlaff gespannt war ich geworden; zu schlaffe Spannung aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse.‹ Gleichwie etwa, Anuruddher, wenn ein Mann eine Wachtel lose umklammert hielte, sie alsbald seiner Hand entflatterte: ebenso nun auch, Anuruddher, war ich zu schlaff gespannt geworden; zu schlaffe Spannung aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. ›So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung, noch in zu schlaffe Spannung.‹ Und während ich nun, Anuruddher,[S. 302] ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Beifällig war ich geworden; Beifall aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung, noch in zu schlaffe Spannung, noch in Beifall.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Vielheit hatte ich wahrgenommen; Vielheitwahrnehmen aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. {285} So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung,[S. 303] noch in zu schlaffe Spannung, noch in Beifall, noch in Vielheitwahrnehmen.‹ Und während ich nun, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilte, nahm ich den Abglanz wahr und den Anblick der Umrisse. Aber dieser Abglanz war mir alsbald entschwunden und der Anblick der Umrisse. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass mir der Abglanz entschwindet und der Anblick der Umrisse?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu scharf hatte ich die Umrisse betrachtet; zu scharfe Betrachtung der Umrisse aber ist der Anlass gewesen, dass meine Sammlung zerfiel: und weil meine Sammlung zerfiel, ist der Abglanz entschwunden und der Anblick der Umrisse. So will ich darauf hinarbeiten, nicht mehr in Schwanken zu gerathen, noch in Unachtsamkeit, noch in matte Müde, noch in Entsetzen, noch in Entzücken, noch in Schwerfälligkeit, noch in zu straffe Spannung, noch in zu schlaffe Spannung, noch in Beifall, noch in Vielheitwahrnehmen, noch in zu scharfe Betrachtung der Umrisse.‹

»So hatte ich denn, Anuruddher, Schwanken als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte das Schwanken, die Herzensverschlackung, ab; hatte Unachtsamkeit als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die Unachtsamkeit, die Herzensverschlackung, ab; hatte matte Müde als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die matte Müde, die Herzensverschlackung, ab; hatte Entsetzen als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte das Entsetzen, die Herzensverschlackung, ab; {286} hatte Entzücken als Herzensverschlackung richtig entdeckt und[S. 304] schaffte das Entzücken, die Herzensverschlackung, ab; hatte Schwerfälligkeit als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die Schwerfälligkeit, die Herzensverschlackung, ab; hatte zu straffe Spannung als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die zu straffe Spannung, die Herzensverschlackung, ab; hatte zu schlaffe Spannung als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die zu schlaffe Spannung, die Herzensverschlackung, ab; hatte Beifall als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte den Beifall, die Herzensverschlackung, ab; hatte Vielheitwahrnehmen als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte das Vielheitwahrnehmen, die Herzensverschlackung, ab; hatte zu scharfe Betrachtung der Umrisse als Herzensverschlackung richtig entdeckt und schaffte die zu scharfe Betrachtung der Umrisse, die Herzensverschlackung, ab.

»So verweilte ich denn, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich, und nahm nun wohl den Abglanz wahr, aber nicht den Anblick der Umrisse; und nahm wohl den Anblick der Umrisse wahr, aber nicht den Abglanz: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass ich nun wohl den Abglanz wahrnehme, aber nicht den Anblick der Umrisse; und wohl den Anblick der Umrisse wahrnehme, aber nicht den Abglanz: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu einer Zeit wo ich ohne auf die Erscheinung[S. 305] der Umrisse achtzuhaben auf die Erscheinung des Abglanzes achthabe, nehm’ ich da wohl den Abglanz wahr, aber nicht den Anblick der Umrisse; und wieder zu einer Zeit wo ich ohne auf die Erscheinung des Abglanzes {287} achtzuhaben auf die Erscheinung der Umrisse achthabe, nehm’ ich da wohl den Anblick der Umrisse wahr, aber nicht den Abglanz: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch.‹

»So verweilte ich denn, Anuruddher, ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich, und nahm einen bestimmten Abglanz wahr und den Anblick bestimmter Umrisse; und nahm unermesslichen Abglanz wahr und den Anblick unermesslicher Umrisse: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch. Da hab’ ich, Anuruddher, bei mir gedacht: ›Was ist wohl der Grund, was ist die Ursach, dass ich einen bestimmten Abglanz wahrnehme und den Anblick bestimmter Umrisse; und unermesslichen Abglanz wahrnehme und den Anblick unermesslicher Umrisse: eine ganze Nacht hindurch, einen ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch?‹ Da hab’ ich mir, Anuruddher, gesagt: ›Zu einer Zeit wo meine Sammlung eine bestimmte ist, ist da mein Auge ein bestimmtes, und mit einem bestimmten Auge nehm’ ich einen bestimmten Abglanz wahr und den Anblick bestimmter Umrisse; und wieder zu einer Zeit wo meine Sammlung unermesslich ist, ist da mein Auge unermesslich, und mit dem unermesslichen Auge nehm’ ich unermesslichen Abglanz wahr und den Anblick unermesslicher Umrisse: eine ganze Nacht hindurch, einen[S. 306] ganzen Tag hindurch, eine ganze Nacht, einen ganzen Tag hindurch.‹

»Sobald nun von mir, Anuruddher, Schwanken als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und das Schwanken, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Unachtsamkeit als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die Unachtsamkeit, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; {288} matte Müde als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die matte Müde, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Entsetzen als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und das Entsetzen, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Entzücken als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und das Entzücken, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Schwerfälligkeit als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die Schwerfälligkeit, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; zu straffe Spannung als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die zu straffe Spannung, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; zu schlaffe Spannung als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die zu schlaffe Spannung, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Beifall als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und der Beifall, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; Vielheitwahrnehmen als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und das Vielheitwahrnehmen, die Herzensverschlackung, abgeschafft war; zu scharfe Betrachtung der Umrisse als Herzensverschlackung richtig entdeckt worden und die zu scharfe Betrachtung der Umrisse, die Herzensverschlackung, abgeschafft war: da hab’ ich mir,[S. 307] Anuruddher, gesagt: ›Was bei mir Herzensverschlackung gewesen hab’ ich abgeschafft. Wohl denn: jetzt will ich dreifach die Sammlung vollbringen.‹

»So hab’ ich denn, Anuruddher, mit Sinnen und Gedenken Sammlung vollbracht, habe ohne Sinnen, nur gedenkend Sammlung vollbracht, habe ohne Sinnen und Gedenken Sammlung vollbracht; und habe erheiternde Sammlung vollbracht, habe entheiternde Sammlung vollbracht, {289} habe hellmüthige Sammlung vollbracht; und habe gleichmüthige Sammlung vollbracht.

»Sobald nun von mir, Anuruddher, mit Sinnen und Gedenken Sammlung vollbracht war, ohne Sinnen, nur gedenkend Sammlung vollbracht war, ohne Sinnen und Gedenken Sammlung vollbracht war; und erheiternde Sammlung vollbracht war, entheiternde Sammlung vollbracht war, hellmüthige Sammlung vollbracht war; und gleichmüthige Sammlung vollbracht war: da ist mir dann das Wissen und der Anblick aufgegangen:

Auf ewig bin erlöst ich,
Das ist das letzte Leben,
Und nicht mehr giebt es Wiedersein.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Anuruddho über das Wort des Erhabenen.[147]


[S. 308]

129.

Dreizehnter Theil

Neunte Rede

DER THOR UND DER WEISE

{290} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Drei giebt es, ihr Mönche, beim Thoren der Kennzeichen des Thoren, der Merkmale des Thoren, der Offenbarungen des Thoren: und welche drei? Da mag, ihr Mönche, der Thor Uebelgedachtes denken und Uebelgesprochenes sprechen und übelgethane That begehn. Wär’ es nicht, ihr Mönche, des Thoren Art Uebelgedachtes zu denken und Uebelgesprochenes zu sprechen und übelgethane That zu begehn, welcher Weise könnte ihn wohl erkennen: ›Ein Thor ist es, ein schlechter Mensch‹? Weil nun aber, ihr Mönche, der Thor Uebelgedachtes denkt und Uebelgesprochenes spricht und übelgethane That begeht, darum erkennen ihn Weise: ›Ein Thor ist es, ein schlechter Mensch.‹

»Ein solcher Thor nun, ihr Mönche, wird in dreifachem Maaße schon bei Lebzeiten Trauer und Trübsinn erfahren. Wenn sich, ihr Mönche, der Thor in Gesellschaft befindet oder auf der Straße befindet oder auf dem Markte befindet, so führen die Leute von ihm veranlasste, auf ihn bezügliche Gespräche. Wenn, ihr Mönche, der Thor Lebendiges umbringt, Nichtgegebenes[S. 309] nimmt, Ausschweifung begeht, Lüge spricht, berauschende und berückende Getränke, betäubende und bethörende Mittel gebraucht, so wird ihm da also, ihr Mönche, zumuthe: ›Haben die Leute davon Anlass, darauf Beziehung im Gespräche genommen, so ist dergleichen bei mir anzutreffen: auch mich kann das angehn.‹ {291} Das wird, ihr Mönche, der Thor zuerst schon bei Lebzeiten als Trauer und Trübsinn erfahren.

»Weiter sodann, ihr Mönche, sieht der Thor wie Könige einen Räuber, einen Verbrecher ergreifen lassen und mancherlei Strafen verhängen, als wie Peitschen-, Stock- oder Ruthenhiebe; Handverstümmlung, Fußverstümmlung oder Verstümmlung der Hände und Füße; Ohrenverstümmlung, Nasenverstümmlung, Verstümmlung der Ohren und der Nase; den Breikessel, die Muschelrasur, das Drachenmaul; den Pechkranz, die Fackelhand; das Spießruthenlaufen, das Rindenliegen, den Marterbock; das Angelfleisch, den Münzengriff, die Laugenätze; den Schraubstock, das Bastgeflecht; die siedende Oelbeträufelung, das Zerreißen durch Hunde, die lebendige Pfählung, die Enthauptung. Da wird, ihr Mönche, dem Thoren also zumuthe: ›Um welcher Uebelthaten willen Könige einen Räuber, einen Verbrecher ergreifen lassen und so mancherlei Strafen verhängen, dergleichen ist ja bei mir anzutreffen: auch mich kann das angehn. Wenn Könige auch mich kennten, sie ließen auch mich ergreifen und so mancherlei Strafen verhängen.‹ Das aber wird, ihr Mönche, der Thor zuzweit schon bei Lebzeiten als Trauer und Trübsinn erfahren.

{292} »Weiter sodann, ihr Mönche: wenn der Thor auf [S. 310] einem Stuhle Platz genommen oder auf ein Lager sich hingelegt hat oder auf der Erde ausruht, so sind es die bösen Thaten, die er früher gethan, schlechte Handlungen in Werken, in Worten, in Gedanken, die um diese Zeit über ihn kommen, über ihn niedersinken, über ihn herabziehn. Gleichwie etwa, ihr Mönche, die Schatten der Gipfel hoher Gebirge um Sonnenuntergang über die Ebene kommen, über sie niedersinken, über sie herabziehn: ebenso nun auch, ihr Mönche, sind es, wenn der Thor auf einem Stuhle Platz genommen oder auf ein Lager sich hingelegt hat oder auf der Erde ausruht, die bösen Thaten, die er früher gethan, schlechte Handlungen in Werken, in Worten, in Gedanken, die um diese Zeit über ihn kommen, über ihn niedersinken, über ihn herabziehn. Da wird, ihr Mönche, dem Thoren also zumuthe: ›Nicht hab’ ich doch günstig gewirkt, habe nicht heilsam gewirkt, habe keinerlei Scheu gekannt: Böses hab’ ich gethan, grausam bin ich gewesen, Frevel hab’ ich verübt; wo da ungünstig wirken, unheilsam wirken, keinerlei Scheu kennen, Böses thun, grausam sein, Frevel verüben hingelangen lässt, dahin werd’ ich nach dem Tode gelangen.‹ So wird er bekümmert, beklommen, er jammert, schlägt sich stöhnend die Brust, geräth in Verzweiflung. Das aber wird, ihr Mönche, der Thor zudritt schon bei Lebzeiten als Trauer und Trübsinn erfahren.

»Ein solcher Thor nun, ihr Mönche, der in Werken übel gewandelt, in Worten übel gewandelt, in Gedanken übel gewandelt ist, gelangt bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt. Mag nun einer, ihr Mönche, mit rechter Rede sagen ›Einzig unerwünscht,[S. 311] einzig unbegehrt, einzig unangenehm‹, mag er es eben von höllischer Welt mit rechter Rede sagen: ›Einzig unerwünscht, einzig unbegehrt, einzig unangenehm‹; da man es ja, ihr Mönche, {293} auch im Gleichnisse nicht wohl darthun kann, wie tief die Leiden höllischer Welten reichen.«

Auf diese Worte wandte sich einer der Mönche an den Erhabenen und fragte:

»Kann man aber, o Herr, ein Gleichniss geben?«

»Man kann es, Mönch«, sprach der Erhabene. »Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn man einen Räuber, einen Verbrecher ergriffe und vor den Herrscher brächte: ›Hier, o König, ist ein Räuber, ein Verbrecher: was du ihm bestimmst, diese Strafe gebiete!‹ Und der König verkündete ihm: ›Geht, ihr Leute, und gebt diesem Manne am Morgen hundert Klingenhiebe.‹ Und man gäbe ihm am Morgen hundert Klingenhiebe. Da fragte der König zu Mittag: ›Sagt doch, was macht jener Mann?‹ — ›Er ist noch, o König, am Leben.‹ Und der König verkündete ihm: ›Geht, ihr Leute, und gebt dem Manne zu Mittag hundert Klingenhiebe.‹ Und man gäbe ihm zu Mittag hundert Klingenhiebe. Da fragte der König am Abend: ›Sagt doch, was macht jener Mann?‹ — ›Er ist noch, o König, am Leben.‹ Und der König verkündete ihm: ›Geht, ihr Leute, und gebt dem Manne am Abend hundert Klingenhiebe.‹ Und man gäbe ihm am Abend hundert Klingenhiebe. Was meint ihr wohl, Mönche: würde da nicht dieser Mann, mit dreihundert Klingenhieben gezüchtigt, infolge davon Trauer und Trübsinn erfahren?«

»Auch nur, o Herr, mit einem Klingenhiebe gezüchtigt[S. 312] würde dieser Mann infolge davon Trauer und Trübsinn erfahren, geschweige denn mit dreihundert Klingenhieben.«

Da hob nun der Erhabene einen mäßigen, handgroßen Stein auf und wandte sich an die Mönche:

»Was meint ihr wohl, Mönche: was ist größer, dieser mäßige, handgroße Stein, den ich da habe, oder der Himālayo, der König der Berge?«

{294} »Geringfügig ist, o Herr, dieser mäßige, handgroße Stein, den der Erhabene da hat: gegen den Himālayo, den König der Berge, kann er nicht gezählt, nicht gerechnet, nicht verglichen werden.«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, kann was ein Mensch, mit dreihundert Klingenhieben gezüchtigt, infolge davon an Trauer und Trübsinn erfährt gegen das Leiden höllischer Welt nicht gezählt, nicht gerechnet, nicht verglichen werden. Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter Fünffache Schmiede geheißene Strafe durchmachen. Einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in die eine Hand, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in die andere Hand, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in den einen Fuß, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in den anderen Fuß, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm mitten in die Brust. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter überfallen und mit Aexten zerspalten; Fuß oben, Kopf unten anpacken und mit Messern zerschlitzen. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle[S. 313] zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter an einen Wagen schirren und treiben ihn über eine feurige, flammende, flackernde Fläche hinüber, herüber. Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter einen hohen, glühenden, feurigen, flammenden, flackernden Felsen emporklimmen, herabklimmen. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht {295} sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter Fuß oben, Kopf unten anpacken und in einen siedenden, feurigen, flammenden, flackernden Schmelzofen werfen, wo er bis zu schaumigem Gischte aufgekocht wird und also bald emporsteigt und bald herabsinkt und bald queerdurchtreibt. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.[148]

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter in die Erzhölle werfen. Die Erzhölle aber, ihr Mönche, hat vier Winkel und vier Thore, genau nach den Seiten vertheilt, ist mit eisernem Walle umschlossen, mit Eisen überwölbt. Ihr Boden, aus Eisen bestanden, von glühender Röthe durchdrungen, erstreckt sich rings umher dreihundert Meilen weit überall hin. Wollte ich gleich, ihr Mönche, auf mancherlei Weise höllische Dinge euch deuten, so könnte man es doch, ihr Mönche, nicht wohl durch Worte erfassen, wie tief die Leiden höllischer Welten reichen. —

[S. 314]

»Es giebt, ihr Mönche, thiergewordene Wesen, die Gras fressen; sie befeuchten das Gras mit Speichel und zerkauen es zwischen den Zähnen. Was sind das aber, ihr Mönche, für thiergewordene Wesen, die Gras fressen? Rosse, Rinder, Esel, Ziegen, Antilopen, und was es sonst noch irgend an thiergewordenen Wesen giebt, die Gras fressen. Ein solcher Thor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Thaten gethan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die als Grasfresser leben.

»Es giebt, ihr Mönche, thiergewordene Wesen, die Mist fressen; haben die von weitem schon Mistgeruch gewittert, so eilen sie herbei: ›Daran wollen wir uns laben, daran wollen wir uns laben.‹ Gleichwie etwa, ihr Mönche, {296} Priester beim Opfergeruche herbeieilen: ›Daran wollen wir uns laben, daran wollen wir uns laben‹: ebenso nun auch, ihr Mönche, giebt es thiergewordene Wesen, die Mist fressen; haben die von weitem schon Mistgeruch gewittert, so eilen sie herbei: ›Daran wollen wir uns laben, daran wollen wir uns laben.‹ Was sind das aber, ihr Mönche, für thiergewordene Wesen, die Mist fressen? Hühner, Schweine, Hunde, Schackale, und was es sonst noch irgend an thiergewordenen Wesen giebt, die Mist fressen. Ein solcher Thor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Thaten gethan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die als Mistfresser leben.[149]

»Es giebt, ihr Mönche, thiergewordene Wesen, die im Dunkeln entstehn, im Dunkeln vergehn, im Dunkeln[S. 315] ersterben. Was sind das aber, ihr Mönche, für thiergewordene Wesen, die im Dunkeln entstehn, im Dunkeln vergehn, im Dunkeln ersterben? Käfer, Motten, Asseln, und was es sonst noch irgend an thiergewordenen Wesen giebt, die im Dunkeln entstehn, im Dunkeln vergehn, im Dunkeln ersterben. Ein solcher Thor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Thaten gethan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die im Dunkeln entstehn, im Dunkeln vergehn, im Dunkeln ersterben.[150]

»Es giebt, ihr Mönche, thiergewordene Wesen, die im Wasser entstehn, im Wasser vergehn, im Wasser ersterben. Was sind das aber, ihr Mönche, für thiergewordene Wesen, die im Wasser entstehn, im Wasser vergehn, im Wasser ersterben? Fische, Schildkröten, Krokodile, und was es sonst noch irgend an thiergewordenen Wesen giebt, {297} die im Wasser entstehn, im Wasser vergehn, im Wasser ersterben. Ein solcher Thor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Thaten gethan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die im Wasser entstehn, im Wasser vergehn, im Wasser ersterben.

»Es giebt, ihr Mönche, thiergewordene Wesen, die in Unrath entstehn, in Unrath vergehn, in Unrath ersterben. Was sind das aber, ihr Mönche, für thiergewordene Wesen, die in Unrath entstehn, in Unrath vergehn, in Unrath ersterben? Es sind, ihr Mönche, Wesen, die da in faulendem Fische entstehn, in faulendem Fische vergehn, in faulendem Fische ersterben, oder in[S. 316] faulendem Fleische, oder in faulender Speise, oder in Pfuhl oder Pfütze entstehn, in Pfuhl oder Pfütze vergehn, in Pfuhl oder Pfütze ersterben, und was es sonst noch irgend an thiergewordenen Wesen giebt, die in Unrath entstehn, in Unrath vergehn, in Unrath ersterben. Ein solcher Thor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Thaten gethan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die in Unrath entstehn, in Unrath vergehn, in Unrath ersterben.[151] Wollte ich gleich, ihr Mönche, auf mancherlei Weise Dinge der Thierheit euch deuten, so könnte man es doch, ihr Mönche, nicht wohl durch Worte erfassen, wie tief die Leiden der Thierheit reichen.

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Mann eine einkehlige Reuse in den Ozean würfe; die würde da vom östlichen Winde nach Westen getrieben, vom westlichen Winde nach Osten getrieben, vom nördlichen Winde nach Süden getrieben, {298} vom südlichen Winde nach Norden getrieben; und es wäre da eine einäugige Schildkröte, die alle hundert Jahre einmal emportauchte; was meint ihr nun, Mönche: sollte da etwa die einäugige Schildkröte mit ihrem Halse in jene einkehlige Reuse hineingerathen?«

»Wohl kaum, o Herr; oder doch nur, o Herr, irgend einmal vielleicht, im Verlaufe langer Zeiten.«

»Eher noch mag, ihr Mönche, die einäugige Schildkröte mit ihrem Halse in jene einkehlige Reuse hineingerathen: aber schwieriger, sag’ ich, ihr Mönche, ist Menschenthum erreichbar, sobald der Thor einmal in die Tiefe hinabgesunken. Und warum das? Weil es dort,[S. 317] ihr Mönche, keinen gerechten Wandel, geraden Wandel, kein heilsames Wirken, hülfreiches Wirken giebt: einer den anderen auffressen ist dort, ihr Mönche, der Brauch, den Schwachen ermorden.[152]

»Ein solcher Thor nun, ihr Mönche, wenn der irgend einmal vielleicht, im Verlaufe langer Zeiten, Menschenthum erwirbt, so ist es ein niederer Stand, wie der von Treibern oder von Jägern, von Korbflechtern oder von Radmachern oder von Gärtnern: in einem solchen Stande wird er neugeboren, in einem bedürftigen, an Speise und Trank darbenden, der sich kümmerlich fortbringt, wo man kümmerlich Kost und Gewand erhält. Und er ist hässlich, unschön, unansehnlich, mit Gebrechen behaftet, ist einäugig oder lahm, er hinkt oder ist halb vom Schlage gerührt, es mangelt ihm an Speise und Trank und Kleidung, an Wagen und Schmuck und duftenden Salben, an Lager und Obdach und Licht. Und er wandelt übel in Werken, wandelt übel in Worten, wandelt übel in Gedanken; und ist er in Werken übel gewandelt, in Worten übel gewandelt, in Gedanken übel gewandelt, so gelangt er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, wieder in höllische Welt.

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Würfelspieler eben auf den ersten Misswurf um sein Kind spielen, um sein Weib spielen, {299} um sein ganzes Hab und Gut spielen und endlich sich selber in Knechtschaft dahingeben mag; geringfügig ist da, ihr Mönche, der Misswurf, wann der Würfelspieler eben auf den ersten Misswurf um sein Kind spielen, um sein Weib spielen, um sein ganzes Hab und Gut spielen und endlich sich selber in[S. 318] Knechtschaft dahingehen mag: sondern es ist eben das ein gewichtigerer Misswurf als jener, wann der Thor in Werken übel gewandelt, in Worten übel gewandelt, in Gedanken übel gewandelt ist und bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt wiederkehrt.

»Das ist, ihr Mönche, der vollkommen ausgefüllte Rang des Thoren.[153]

»Drei giebt es, ihr Mönche, beim Weisen der Kennzeichen des Weisen, der Merkmale des Weisen, der Offenbarungen des Weisen: und welche drei? Da mag, ihr Mönche, der Weise Wohlgedachtes denken und Wohlgesprochenes sprechen und wohlgethane That begehn. Wär’ es nicht, ihr Mönche, des Weisen Art Wohlgedachtes zu denken und Wohlgesprochenes zu sprechen und wohlgethane That zu begehn, welcher Weise könnte ihn wohl erkennen: ›Ein Weiser ist es, ein guter Mensch‹? Weil nun aber, ihr Mönche, der Weise Wohlgedachtes denkt und Wohlgesprochenes spricht und wohlgethane That begeht, darum erkennen ihn Weise: ›Ein Weiser ist es, ein guter Mensch.‹

»Ein solcher Weise nun, ihr Mönche, wird in dreifachem Maaße schon bei Lebzeiten Freude und Frohsinn erfahren. Wenn sich, ihr Mönche, der Weise in Gesellschaft befindet oder auf der Straße befindet oder auf dem Markte befindet, so führen die Leute von ihm veranlasste, auf ihn bezügliche Gespräche. Wenn, ihr Mönche, der Weise von Todtschlag absteht, von Diebstahl sich zurückhält, keine Ausschweifung begeht, keine Lüge spricht, berauschende und berückende Getränke,[S. 319] betäubende und bethörende Mittel meidet, so wird ihm da also, ihr Mönche, zumuthe: {300} ›Haben die Leute davon Anlass, darauf Beziehung im Gespräche genommen, so ist dergleichen bei mir anzutreffen: auch mich kann das angehn.‹ Das wird, ihr Mönche, der Weise zuerst schon bei Lebzeiten als Freude und Frohsinn erfahren.[154]

»Weiter sodann, ihr Mönche, sieht der Weise wie Könige einen Räuber, einen Verbrecher ergreifen lassen und mancherlei Strafen verhängen, als wie Peitschen-, Stock- oder Ruthenhiebe; Handverstümmlung, Fußverstümmlung oder Verstümmlung der Hände und Füße; Ohrenverstümmlung, Nasenverstümmlung, Verstümmlung der Ohren und der Nase; den Breikessel, die Muschelrasur, das Drachenmaul; den Pechkranz, die Fackelhand; das Spießruthenlaufen, das Rindenliegen, den Marterbock; das Angelfleisch, den Münzengriff, die Laugenätze; den Schraubstock, das Bastgeflecht; die siedende Oelbeträufelung, das Zerreißen durch Hunde, die lebendige Pfählung, die Enthauptung. Da wird, ihr Mönche, dem Weisen also zumuthe: ›Um welcher Uebelthaten willen Könige einen Räuber, einen Verbrecher {301} ergreifen lassen und so mancherlei Strafen verhängen, dergleichen ist ja bei mir nicht anzutreffen: und mich kann das nicht angehn.‹ Das aber wird, ihr Mönche, der Weise zuzweit schon bei Lebzeiten als Freude und Frohsinn erfahren.

»Weiter sodann, ihr Mönche: wenn der Weise auf einem Stuhle Platz genommen oder auf ein Lager sich hingelegt hat oder auf der Erde ausruht, so sind es die günstigen Thaten, die er früher gethan, gute Handlungen in Werken, in Worten, in Gedanken, die um diese Zeit[S. 320] über ihn kommen, über ihn niedersinken, über ihn herabziehn. Gleichwie etwa, ihr Mönche, die Schatten der Gipfel hoher Gebirge um Sonnenuntergang über die Ebene kommen, über sie niedersinken, über sie herabziehn: ebenso nun auch, ihr Mönche, sind es, wenn der Weise auf einem Stuhle Platz genommen oder auf ein Lager sich hingelegt hat oder auf der Erde ausruht, die günstigen Thaten, die er früher gethan, gute Handlungen in Werken, in Worten, in Gedanken, die um diese Zeit über ihn kommen, über ihn niedersinken, über ihn herabziehn. Da wird, ihr Mönche, dem Weisen also zumuthe: ›Nicht hab’ ich doch Böses gethan, bin nicht grausam gewesen, habe keinen Frevel verübt: günstig hab’ ich gewirkt, heilsam hab’ ich gewirkt, habe Scheu gekannt; wo da nicht Böses thun, nicht grausam sein, keinen Frevel verüben, günstig wirken, heilsam wirken, Scheu kennen hingelangen lässt, dahin werd’ ich nach dem Tode gelangen.‹ So wird er nicht bekümmert, nicht beklommen, er jammert nicht, schlägt sich nicht stöhnend die Brust, geräth nicht in Verzweiflung. {302} Das aber wird, ihr Mönche, der Weise zudritt schon bei Lebzeiten als Freude und Frohsinn erfahren.

»Ein solcher Weise nun, ihr Mönche, der in Werken wohl gewandelt, in Worten wohl gewandelt, in Gedanken wohl gewandelt ist, gelangt bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in himmlische Welt. Mag nun einer, ihr Mönche, mit rechter Rede sagen ›Einzig erwünscht, einzig begehrt, einzig angenehm‹, mag er es eben von himmlischer Welt mit rechter Rede sagen: ›Einzig erwünscht, einzig begehrt, einzig angenehm‹; da man es ja, ihr Mönche, auch im Gleichnisse[S. 321] nicht wohl darthun kann, wie hoch die Freuden himmlischer Welten reichen.«

Auf diese Worte wandte sich einer der Mönche an den Erhabenen und fragte:

»Kann man aber, o Herr, ein Gleichniss geben?«

»Man kann es, Mönch«, sprach der Erhabene. »Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein König Kaiser geworden ist, mit den sieben Juwelen begabt und den vier Vermögen: da wird er infolge davon Freude und Frohsinn erfahren. Das aber sind seine sieben Juwelen, und zwar[155]: das beste Land, der beste Elephant, das beste Ross, die beste Perle, das beste Weib, der beste Bürger, und siebentens der beste Staatsmann. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist mit diesen sieben Juwelen begabt. {307} Was aber sind die vier Vermögen? Da ist, ihr Mönche, der König als Kaiser schön, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmuth begabt, weit mehr als andere Menschen. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist zuerst mit diesem Vermögen begabt.[156] Weiter sodann, ihr Mönche: ein König als Kaiser hat lange Lebensdauer, langen Bestand, weit mehr als andere Menschen. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist zuzweit mit diesem Vermögen begabt. Weiter sodann, ihr Mönche: ein König als Kaiser ist gesund und munter, seine Kräfte sind gleichmäßig gemischt, weder zu kühl noch zu heiß, weit besser als bei anderen Menschen. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist zudritt mit diesem Vermögen begabt.[157] Weiter sodann, ihr Mönche: ein König als Kaiser ist Priestern und Hausvätern lieb und werth. Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein Vater den Kindern lieb ist und werth, ebenso nun auch, ihr Mönche, ist ein König als Kaiser[S. 322] Priestern und Hausvätern lieb und werth. Und einem Könige, ihr Mönche, als Kaiser sind Priester und Hausväter lieb und werth. Gleichwie etwa, ihr Mönche, einem Vater die Kinder lieb sind und werth, {308} ebenso nun auch, ihr Mönche, sind einem Könige als Kaiser Priester und Hausväter lieb und werth. Vormals, ihr Mönche, geschah es, da ein König als Kaiser, gefolgt von dem viermächtigen Heerbanne[158], zur Frühjahrsfeier hinauszog, dass ihm Priester und Hausväter entgegengingen und also sprachen: ›Verweile, Gebieter, auf deinem Zuge, auf dass wir länger deinen Anblick erschauen.‹ Und auch ein König, ihr Mönche, als Kaiser mahnte den Wagenlenker: ›Ohne Eile, Wagenlenker, lasse weiter uns fahren, auf dass ich länger den Anblick der Priester und Hausväter vor mir habe.‹ Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist zuviert mit diesem Vermögen begabt. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist mit diesen vier Vermögen begabt. Was meint ihr nun, Mönche: könnte da nicht ein König als Kaiser, mit den sieben Juwelen begabt und den vier Vermögen, daran Freude und Frohsinn erfahren?«

»Auch nur, o Herr, mit einem einzigen der Juwelen begabt könnte ein König als Kaiser daran Freude und Frohsinn erfahren, geschweige denn mit den sieben Juwelen, mit den vier Vermögen.«

Da hob nun der Erhabene einen mäßigen, handgroßen Stein auf und wandte sich an die Mönche:

»Was meint ihr wohl, Mönche: was ist größer, dieser mäßige, handgroße Stein, den ich da habe, oder der Himālayo, der König der Berge?«

»Geringfügig ist, o Herr, dieser mäßige, handgroße Stein, den der Erhabene da hat: gegen den Himālayo,[S. 323] den König der Berge, kann er nicht gezählt, nicht gerechnet, nicht verglichen werden.«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, kann was ein solcher König als Kaiser, mit den sieben Juwelen begabt und den vier Vermögen, dabei an Freude und Frohsinn erfährt gegen himmlische Freude nicht gezählt, {309} nicht gerechnet, nicht verglichen werden.[159]

»Ein solcher Weise nun, ihr Mönche, wenn der irgend einmal vielleicht, im Verlaufe langer Zeiten, Menschenthum erwirbt, so ist es ein hoher Stand, wie der von mächtigen Fürsten oder von mächtigen Priestern oder von mächtigen Bürgern: in einem solchen Stande wird er neugeboren, in einem wohlhabenden, mächtig bemittelten, mächtig begüterten, der reichlich mit Gold und Silber, reichlich mit Besitz und Hausrath, reichlich mit Geld und Gut versehn ist. Und er ist schön, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmuth begabt, entbehrt nicht Speise und Trank und Kleidung, Wagen und Schmuck und duftende Salben, Lager und Obdach und Licht. Und er wandelt wohl in Werken, wandelt wohl in Worten, wandelt wohl in Gedanken; und ist er in Werken wohl gewandelt, in Worten wohl gewandelt, in Gedanken wohl gewandelt, so gelangt er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, wieder in himmlische Welt.

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Würfelspieler eben auf den ersten Hauptwurf mächtigen Reichthum gewinnen mag; geringfügig ist da, ihr Mönche, der Hauptwurf, wann der Würfelspieler eben auf den ersten Hauptwurf mächtigen Reichthum gewinnen mag: sondern es ist eben das ein gewichtigerer Hauptwurf als[S. 324] jener, wann der Weise in Werken wohl gewandelt, in Worten wohl gewandelt, in Gedanken wohl gewandelt ist und bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in himmlische Welt wiederkehrt.

»Das ist, ihr Mönche, der vollkommen ausgefüllte Rang des Weisen.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[160]


130.

Dreizehnter Theil

Zehnte Rede

DIE GÖTTERBOTEN

{310} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn da zwei Häuser wären, mit Thüren, und es betrachtete ein scharfsehender Mann, in der Mitte stehend, die Menschen, wie sie das Haus betreten und verlassen, kommen und gehn[161]: ebenso nun auch, ihr Mönche, seh’ ich mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, erkenne wie die Wesen je[S. 325] nach den Thaten wiederkehren. ›Diese lieben Wesen sind freilich in Thaten dem Guten zugethan, in Worten dem Guten zugethan, in Gedanken dem Guten zugethan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, thun Rechtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie auf gute Fährte, in himmlische Welt wieder. Und auch diese lieben Wesen sind in Thaten dem Guten zugethan, in Worten dem Guten zugethan, in Gedanken dem Guten zugethan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, thun Rechtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie unter die Menschen wieder. Jene lieben Wesen sind aber in Thaten dem Schlechten zugethan, in Worten dem Schlechten zugethan, in Gedanken dem Schlechten zugethan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, thun Verkehrtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie in das Gespensterreich wieder. {311} Und auch jene lieben Wesen sind in Thaten dem Schlechten zugethan, in Worten dem Schlechten zugethan, in Gedanken dem Schlechten zugethan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, thun Verkehrtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie in die Thierheit wieder. Und auch jene lieben Wesen sind in Thaten dem Schlechten zugethan, in Worten dem Schlechten zugethan, in Gedanken dem Schlechten zugethan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, thun Verkehrtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt wieder.

»Ein solcher, ihr Mönche, wird von den höllischen Wächtern unter den Armen ergriffen und vor den Richter der Schatten gebracht: ›Da ist, o König, ein Mann, der[S. 326] unbarmherzig war, kein Entsagen kannte, keine Lauterkeit, vor keinem ehrwürdigen Haupte Achtung hatte[162]; ihm soll der König die Strafe erkennen.‹ Ein solcher, ihr Mönche, wird vom Richter der Schatten über den ersten Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den ersten Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab’ ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen ein kleines Kind, einen unvernünftigen Säugling, mit Koth und Harn beschmutzt daliegen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Das hab’ ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst[163], hast du bedacht: ‚Auch ich bin der Geburt unterworfen, habe die Geburt nicht überstanden; wohl denn, günstig will ich wirken, in Werken, in Worten, in Gedanken‘?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt’ es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, {312}aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die Mutter gethan und nicht der Vater, hat nicht der Bruder gethan und nicht die Schwester, hat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹[164]

»Ein solcher, ihr Mönche, vom Richter der Schatten[S. 327] also über den ersten Götterboten belehrt, wird über den zweiten Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den zweiten Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab’ ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen ein Weib oder einen Mann gesehn, im achtzigsten oder neunzigsten oder hundertsten Lebensjahre, gebrochen, giebelförmig geknickt, abgezehrt, auf Krücken gestützt schlotternd dahinschleichen, siech, welk, zahnlos, mit gebleichten Strähnen, kahlem, wackelndem Kopfe, verrunzelt, die Haut voller Flecken?‹ Er aber antwortet: ›Das hab’ ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst, hast du bedacht: ‚Auch ich bin dem Alter unterworfen, habe das Alter nicht überstanden; wohl denn, günstig will ich wirken, in Werken, in Worten, in Gedanken‘?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt’ es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die Mutter gethan und nicht der Vater, {313} hat nicht der Bruder gethan und nicht die Schwester, hat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹

[S. 328]

»Ein solcher, ihr Mönche, vom Richter der Schatten also über den zweiten Götterboten belehrt, wird über den dritten Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den dritten Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab’ ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen ein Weib oder einen Mann gesehn, unwohl, leidend, schwerkrank, mit Koth und Harn beschmutzt daliegend, von anderen gehoben, von anderen bedient?‹ Er aber antwortet: ›Das hab’ ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst, hast du bedacht: ‚Auch ich bin der Krankheit unterworfen, habe die Krankheit nicht überstanden; wohl denn, günstig will ich wirken, in Werken, in Worten, in Gedanken‘?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt’ es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die Mutter gethan und nicht der Vater, hat nicht der Bruder gethan und nicht die Schwester, hat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: {314} du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹

»Ein solcher, ihr Mönche, vom Richter der Schatten also über den dritten Götterboten belehrt, wird über den[S. 329] vierten Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den vierten Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab’ ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen gesehn wie Könige einen Räuber, einen Verbrecher ergreifen lassen und mancherlei Strafen verhängen, als wie Peitschen-, Stock- oder Ruthenhiebe; Handverstümmlung, Fußverstümmlung oder Verstümmlung der Hände und Füße; Ohrenverstümmlung, Nasenverstümmlung, Verstümmlung der Ohren und der Nase; den Breikessel, die Muschelrasur, das Drachenmaul; den Pechkranz, die Fackelhand; das Spießruthenlaufen, das Rindenliegen, den Marterbock; das Angelfleisch, den Münzengriff, die Laugenätze; den Schraubstock, das Bastgeflecht; die siedende Oelbeträufelung, das Zerreißen durch Hunde, die lebendige Pfählung, die Enthauptung?‹ Er aber antwortet: ›Das hab’ ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst, hast du bedacht: ‚Wer da wahrlich Uebelthaten verübt, wird schon bei Lebzeiten mit gar mancher Strafe gestraft: wie erst mag es dann drüben sein! Wohl denn, günstig will ich wirken, {315} in Werken, in Worten, in Gedanken‘?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt’ es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die[S. 330] Mutter gethan und nicht der Vater, hat nicht der Bruder gethan und nicht die Schwester, hat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹

»Ein solcher, ihr Mönche, vom Richter der Schatten also über den vierten Götterboten belehrt, wird über den fünften Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den fünften Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab’ ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen ein Weib oder einen Mann gesehn, einen Tag oder zwei Tage oder drei Tage nach dem Verscheiden, aufgedunsen, blauschwarz gefärbt, in Fäulniss übergegangen?‹ Er aber antwortet: ›Das hab’ ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst, hast du bedacht: ‚Auch ich bin dem Sterben unterworfen, habe das Sterben nicht überstanden; wohl denn, günstig will ich wirken, in Werken, in Worten, in Gedanken‘?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt’ es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die Mutter gethan und nicht der Vater, {316} hat nicht der Bruder gethan und nicht die[S. 331] Schwester, hat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹ Und hat einen solchen, ihr Mönche, der Richter der Schatten über den fünften Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet, so verstummt er.[165]

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter Fünffache Schmiede geheißene Strafe durchmachen. Einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in die eine Hand, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in die andere Hand, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in den einen Fuß, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in den anderen Fuß, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm mitten in die Brust. So hat er da schmerzliche, {317} brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter überfallen und mit Aexten zerspalten; Fuß oben, Kopf unten anpacken und mit Messern zerschlitzen; lassen ihn an einen Wagen schirren und treiben ihn über eine feurige, flammende, flackernde Fläche hinüber, herüber; lassen ihn einen hohen, glühenden, feurigen, flammenden, flackernden Felsen emporklimmen, herabklimmen; lassen ihn Fuß oben, Kopf unten anpacken und in einen siedenden, feurigen, flammenden, flackernden Schmelzofen werfen, wo er bis zu schaumigem Gischte aufgekocht wird und also bald emporsteigt und bald herabsinkt und bald queerdurchtreibt. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu[S. 332] empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter in die Erzhölle werfen. Die Erzhölle aber, ihr Mönche, hat vier Winkel und vier Thore, genau nach den Seiten vertheilt, ist mit eisernem Walle umschlossen, mit Eisen überwölbt. Ihr Boden, aus Eisen bestanden, von glühender Röthe durchdrungen, erstreckt sich rings umher dreihundert Meilen weit überall hin. In dieser Erzhölle aber, ihr Mönche, steigt von der östlichen Wand eine Stichflamme auf und stößt bis an die westliche Wand, steigt von der westlichen Wand eine Stichflamme auf und stößt bis an die östliche Wand, steigt von der nördlichen Wand eine Stichflamme auf und stößt bis an die südliche Wand, steigt von der südlichen Wand eine Stichflamme auf und stößt bis an die nördliche Wand, steigt von unten eine Stichflamme auf und stößt bis oben empor, steigt von oben eine Stichflamme auf und stößt bis unten herab. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, {318} und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Es kommt wohl, ihr Mönche, dann und wann einmal, im Verlaufe langer Zeiten vor, dass sich das östliche Thor der Erzhölle aufthut. Da sucht er in eiliger Hast zu entfliehen: und wie er in eiliger Hast zu entfliehen sucht, wird ihm das Antlitz verzehrt und die Haut verzehrt und das Fleisch verzehrt und das Gerippe verzehrt und die Knochen gehn in Qualm auf, und emporgestiegen ist er wiederum der selbe geworden; und hat er es nun, ihr Mönche, oftmals erprobt, dann schließt sich das Thor[S. 333] wieder zu. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Es kommt wohl, ihr Mönche, dann und wann einmal, im Verlaufe langer Zeiten vor, dass sich das westliche Thor, das nördliche Thor, das südliche Thor der Erzhölle aufthut. Da sucht er in eiliger Hast zu entfliehen: und wie er in eiliger Hast zu entfliehen sucht, wird ihm das Antlitz verzehrt und die Haut verzehrt und das Fleisch verzehrt und das Gerippe verzehrt und die Knochen gehn in Qualm auf, und emporgestiegen ist er wiederum der selbe geworden; und hat er es nun, ihr Mönche, oftmals erprobt, dann schließt sich das Thor wieder zu. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.[166]

»Es kommt wohl, ihr Mönche, dann und wann einmal, im Verlaufe langer Zeiten vor, dass sich das östliche Thor der Erzhölle aufthut. Da sucht er in eiliger Hast zu entfliehen: und wie er in eiliger Hast zu entfliehen sucht, wird ihm das Antlitz verzehrt und die Haut verzehrt und das Fleisch verzehrt und das Gerippe verzehrt und die Knochen gehen in Qualm auf, und emporgestiegen ist er wiederum derselbe geworden, und er flüchtet sich durch das Thor hinaus. Dieser Erzhölle aber, ihr Mönche, ist rings herum sogleich die große Dreckhölle angeschlossen: da stürzt er hinein.[167] In der großen Dreckhölle nun, ihr Mönche, giebt es nadelmäulige Maden, die bohren sich in die Haut ein, und haben sie die Haut durchbohrt so bohren sie sich in das Fett ein, und haben sie das Fett durchbohrt so bohren sie sich in das[S. 334] Fleisch ein, und haben sie das Fleisch durchbohrt so bohren sie sich in die Sehnen ein, und haben sie die Sehnen durchbohrt so bohren sie sich in die Knochen ein, und haben sie die Knochen durchbohrt so fressen sie das Knochenmark auf.[168] So hat er da schmerzliche, {319} brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Dieser Dreckhölle aber, ihr Mönche, ist rings herum sogleich die große Hundehölle[169] angeschlossen: da stürzt er hinein. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Dieser Hundehölle aber, ihr Mönche, ist rings herum sogleich der große Dornenwald angeschlossen, drei Meilen hoch gewachsen, mit sechzehnzölligen Saamenstacheln besät, feurig, flammend, flackernd: den muss er da bald emporklettern, bald herabklettern. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Diesem Dornenwalde aber, ihr Mönche, ist rings herum sogleich der große Wald der Schwerdtblätter angeschlossen: da geräth er hinein. Da wird ihm von den sturmgeschwungenen Blättern die Hand abgehauen, der Fuß abgehauen, Hand und Fuß abgehauen, das Ohr abgehauen, die Nase abgehauen, Ohr und Nase abgehauen. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Diesem Walde der Schwerdtblätter aber, ihr[S. 335] Mönche, ist rings herum sogleich das Gewässer der großen Laugenätze angeschlossen: da stürzt er hinein. Da wird er stromabwärts gerissen, stromaufwärts gerissen, stromabwärts, stromaufwärts gerissen.[170] So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter mit einem Angel herausfischen und an das Ufer werfen und reden also zu ihm: ›Lieber Mann, was willst du?‹ Er aber sagt: ›Mich hungert, o Herr!‹ Da lassen ihm denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter mit eisernem Haken den Mund aufsperren, {320} mit feurigem, flammendem, flackerndem, und eine glühende Eisenkugel durch den Mund hinabschlingen, eine feurige, flammende, flackernde.[171] Da werden ihm alsbald die Lippen verzehrt, der Rachen verzehrt, die Kehle verzehrt, der Magen verzehrt, und Gedärm und Eingeweide mitreißend kehrt sie aus dem After hervor. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da fragen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter: ›Lieber Mann, was willst du?‹ Er aber sagt: ›Mich dürstet, o Herr!‹ Da lassen ihm denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter mit eisernem Haken den Mund aufsperren, mit feurigem, flammendem, flackerndem, und flüssiges Kupfer durch den Mund hinabgießen, feuriges, flammendes, flackerndes. Da werden ihm alsbald die Lippen verzehrt, der Rachen verzehrt, die Kehle verzehrt, der Magen verzehrt, und Gedärm und Eingeweide[S. 336] mitreißend kehrt es aus dem After hervor. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter wiederum in die Erzhölle hinabwerfen.

»Vor Zeiten einmal, ihr Mönche, hat der Richter der Schatten innig erwogen: ›Wer da wahrlich Uebelthaten in der Welt verübt, wird mit solchen manigfachen Strafen gestraft. O dass ich doch Menschenthum erreichte, und ein Vollendeter in der Welt erschiene, ein Heiliger, vollkommen Erwachter, und ich um Ihn, den Erhabenen, sein könnte: und dass Er, der Erhabene, mir die Satzung darlegte, und ich seine, des Erhabenen, Satzung verstände!‹ — Das aber sag’ ich, ihr Mönche, und hab’ es{321}nicht etwa von irgend einem Asketen oder Priester reden hören: sondern was ich eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden habe, das nur sage ich.«

Also sprach der Erhabene. Als der Willkommene das gesagt hatte, sprach fernerhin also der Meister:

»Wer Götterboten nicht vernimmt,
Als Mensch die Mahnung nicht gewahrt,
in langen Kummer kehrt er ein
Und leibt und lebt in arger Noth.
»Doch wer die Götterboten hier
Beherzigt hat als guter Mensch,
Der Edle, der die Mahnung merkt,
Der ächten Kunde nie vergisst,
[S. 337]
»Anhangen hat als arg erkannt,
Geburten schaffend und den Tod:
Anhangen lässt er, ist erlöst,
Geburt erschöpfend und den Tod.
»Gewiss geworden, sälig so,
Im Leben schon verglommen bald,
Entgangen gänzlich banger Furcht,
Entfahren ist er allem Weh.«[172]


[S. 339]

VIERZEHNTER THEIL
BUCH DER ABZEICHEN



[S. 341]

131.

Vierzehnter Theil

Erste Rede

GLÜCKSÄLIGEINSAM

{322} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Vom Glücksäligeinsamen will ich euch Mönchen Stämpel und Abzeichen weisen: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Ja, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Kein Sehnen nach vergangner Zeit,
Kein Hoffen auf die Zukunft hin;
Ist abgethan was vorher war
Und was noch künftig kommen wird,
»Und hat man immer Ding um Ding
Gewärtig in der Gegenwart:
Was keiner rauben, rütteln kann,
Durchbohrend finden mag man das.[173]
»Noch heute gilt der heiße Kampf:
Ob morgen todt, wer weiß es wohl?
[S. 342]
Es muss die Schlacht geschlagen sein,
Mit seiner Heerschaar Er, der Mord.
»Wer also ausharrt unverzagt
Und unermüdlich Tag und Nacht,
Glücksäligeinsam ist er da,
Der stille Denker, wie man sagt.

»Wie aber, ihr Mönche, sehnt man sich nach vergangener Zeit? ›Also war einst meine Form gewesen‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also war einst mein Gefühl gewesen‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also war einst meine Wahrnehmung gewesen‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also war einst mein Unterscheiden gewesen‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also war einst mein Bewusstsein gewesen‹: {323} daran findet man seine Befriedigung. Also, ihr Mönche, sehnt man sich nach vergangener Zeit.

»Wie aber, ihr Mönche, sehnt man sich nicht nach vergangener Zeit? ›Also war einst meine Form gewesen‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also war einst mein Gefühl gewesen‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also war einst meine Wahrnehmung gewesen‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also war einst mein Unterscheiden gewesen‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also war einst mein Bewusstsein gewesen‹: daran findet man keine Befriedigung. Also, ihr Mönche, sehnt man sich nicht nach vergangener Zeit.

»Wie aber, ihr Mönche, hofft man auf die Zukunft hin? ›Also will ich einst meine Form haben‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Gefühl haben‹: daran findet man seine Befriedigung;[S. 343] ›Also will ich einst meine Wahrnehmung haben‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Unterscheiden haben‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Bewusstsein haben‹: daran findet man seine Befriedigung. Also, ihr Mönche, hofft man auf die Zukunft hin.

»Wie aber, ihr Mönche, hofft man nicht auf die Zukunft hin? ›Also will ich einst meine Form haben‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Gefühl haben‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also will ich einst meine Wahrnehmung haben‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Unterscheiden haben‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Bewusstsein haben‹: daran findet man keine Befriedigung. Also, ihr Mönche, hofft man nicht auf die Zukunft hin.

»Wie aber, ihr Mönche, wird man bei gegenwärtigen Dingen aus der Fassung gebracht? Da hat einer, ihr Mönche, nichts erfahren, ist ein gewöhnlicher Mensch, ohne Sinn für das Heilige, der heiligen Lehre unkundig, der heiligen Lehre unzugänglich, ohne Sinn für das Edle, der Lehre der Edlen unkundig, der Lehre der Edlen unzugänglich und betrachtet die Form als sich selbst, {324} oder sich selbst als formähnlich, oder in sich selbst die Form, oder in der Form sich selbst; er betrachtet das Gefühl, die Wahrnehmung, die Unterscheidungen, das Bewusstsein als sich selbst, oder sich selbst als diesen ähnlich, oder in sich selbst diese, oder in diesen sich selbst. Also, ihr Mönche, wird man bei gegenwärtigen Dingen aus der Fassung gebracht.

»Wie aber, ihr Mönche, wird man bei gegenwärtigen[S. 344] Dingen nicht aus der Fassung gebracht? Da hat einer, ihr Mönche, als erfahrener heiliger Jünger das Heilige gemerkt, ist der heiligen Lehre kundig, der heiligen Lehre wohlzugänglich, hat das Edle gemerkt, ist der Lehre der Edlen kundig, der Lehre der Edlen wohlzugänglich und betrachtet die Form nicht als sich selbst, noch sich selbst als formähnlich, noch in sich selbst die Form, noch in der Form sich selbst; er betrachtet das Gefühl, die Wahrnehmung, die Unterscheidungen, das Bewusstsein nicht als sich selbst, noch sich selbst als diesen ähnlich, noch in sich selbst diese, noch in diesen sich selbst. Also, ihr Mönche, wird man bei gegenwärtigen Dingen nicht aus der Fassung gebracht.

»Kein Sehnen nach vergangner Zeit,
Kein Hoffen auf die Zukunft hin;
Ist abgethan was vorher war
Und was noch künftig kommen wird,
»Und hat man immer Ding um Ding
Gewärtig in der Gegenwart:
Was keiner rauben, rütteln kann,
Durchbohrend finden mag man das.
»Noch heute gilt der heiße Kampf:
Ob morgen todt, wer weiß es wohl?
Es muss die Schlacht geschlagen sein,
Mit seiner Heerschaar Er, der Mord.
»Wer also ausharrt unverzagt
Und unermüdlich Tag und Nacht,
Glücksäligeinsam ist er da,
Der stille Denker, wie man sagt.

[S. 345]

»‚Vom Glücksäligeinsamen will ich euch Mönchen Stämpel und Abzeichen weisen‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


132.

Vierzehnter Theil

Zweite Rede

GLÜCKSÄLIGEINSAM
– ĀNANDO –

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Um diese Zeit nun war der ehrwürdige Ānando in der Halle des Vorhauses mit den Mönchen in lehrreichem Gespräche beisammen, ermunterte und ermuthigte, erregte und erheiterte sie, sprach von Stämpel und Abzeichen des Glücksäligeinsamen.

Da nun begab sich der Erhabene gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, zur Halle heran des Vorhauses und nahm, dort angelangt, auf dem angebotenen Sitze Platz. Als nun der Erhabene da Platz genommen, wandte er sich also an die Mönche:

»Wer hat wohl, ihr Mönche, in der Halle des Vorhauses die Mönche in lehrreichem Gespräche ermuntert und ermuthigt, erregt und erheitert, von des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen gesprochen?«

[S. 346]

»Der ehrwürdige Ānando, o Herr, hat in der Halle des Vorhauses die Mönche in lehrreichem Gespräche ermuntert und ermuthigt, erregt und erheitert, von des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen gesprochen.«

Und der Erhabene wandte sich an den ehrwürdigen Ānando:

»Auf welche Weise aber hast du, Ānando, die Mönche in lehrreichem Gespräche ermuntert und ermuthigt, erregt und erheitert, von des Glücksäligeinsamen {326} Stämpel und Abzeichen gesprochen?«

»Also hab’ ich, o Herr, die Mönche in lehrreichem Gespräche ermuntert und ermuthigt, erregt und erheitert, von des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen gesprochen:

»‚Kein Sehnen nach vergangner Zeit,
Kein Hoffen auf die Zukunft hin;
Ist abgethan was vorher war
Und was noch künftig kommen wird,
»‚Und hat man immer Ding um Ding
Gewärtig in der Gegenwart:
Was keiner rauben, rütteln kann,
Durchbohrend finden mag man das.
»‚Noch heute gilt der heiße Kampf:
Ob morgen todt, wer weiß es wohl?
Es muss die Schlacht geschlagen sein,
Mit seiner Heerschaar Er, der Mord.
»‚Wer also ausharrt unverzagt
Und unermüdlich Tag und Nacht,
Glücksäligeinsam ist er da,
Der stille Denker, wie man sagt.

[S. 347]

»‚Wie aber, ihr Brüder, sehnt man sich nach vergangener Zeit? ›Also war einst meine Form gewesen‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also war einst mein Gefühl gewesen‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also war einst meine Wahrnehmung gewesen‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also war einst mein Unterscheiden gewesen‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also war einst mein Bewusstsein gewesen‹: daran findet man seine Befriedigung. Also, ihr Brüder, sehnt man sich nach vergangener Zeit.

»‚Wie aber, ihr Brüder, sehnt man sich nicht nach vergangener Zeit? ›Also war einst meine Form gewesen‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also war einst mein Gefühl gewesen‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also war einst meine Wahrnehmung gewesen‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also war einst mein Unterscheiden gewesen‹: {327} daran findet man keine Befriedigung; ›Also war einst mein Bewusstsein gewesen‹: daran findet man keine Befriedigung. Also, ihr Brüder, sehnt man sich nicht nach vergangener Zeit.

»‚Wie aber, ihr Brüder, hofft man auf die Zukunft hin? ›Also will ich einst meine Form haben‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Gefühl haben‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also will ich einst meine Wahrnehmung haben‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Unterscheiden haben‹: daran findet man seine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Bewusstsein haben‹: daran findet man seine Befriedigung. Also, ihr Brüder, hofft man auf die Zukunft hin.

»‚Wie aber, ihr Brüder, hofft man nicht auf die Zukunft[S. 348] hin? ›Also will ich einst meine Form haben‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Gefühl haben‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also will ich einst meine Wahrnehmung haben‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Unterscheiden haben‹: daran findet man keine Befriedigung; ›Also will ich einst mein Bewusstsein haben‹: daran findet man keine Befriedigung. Also, ihr Brüder, hofft man nicht auf die Zukunft hin.

»‚Wie aber, ihr Brüder, wird man bei gegenwärtigen Dingen aus der Fassung gebracht? Da hat einer, ihr Brüder, nichts erfahren, ist ein gewöhnlicher Mensch, ohne Sinn für das Heilige, der heiligen Lehre unkundig, der heiligen Lehre unzugänglich, ohne Sinn für das Edle, der Lehre der Edlen unkundig, der Lehre der Edlen unzugänglich und betrachtet die Form als sich selbst, oder sich selbst als formähnlich, oder in sich selbst die Form, oder in der Form sich selbst; er betrachtet das Gefühl, die Wahrnehmung, die Unterscheidungen, das Bewusstsein als sich selbst, oder sich selbst als diesen ähnlich, oder in sich selbst diese, oder in diesen sich selbst. Also, ihr Brüder, wird man bei gegenwärtigen Dingen aus der Fassung gebracht.

{328} »‚Wie aber, ihr Brüder, wird man bei gegenwärtigen Dingen nicht aus der Fassung gebracht? Da hat einer, ihr Brüder, als erfahrener heiliger Jünger das Heilige gemerkt, ist der heiligen Lehre kundig, der heiligen Lehre wohlzugänglich, hat das Edle gemerkt, ist der Lehre der Edlen kundig, der Lehre der Edlen wohlzugänglich und betrachtet die Form nicht als sich selbst, noch sich selbst als formähnlich, noch in sich selbst die[S. 349] Form, noch in der Form sich selbst; er betrachtet das Gefühl, die Wahrnehmung, die Unterscheidungen, das Bewusstsein nicht als sich selbst, noch sich selbst als diesen ähnlich, noch in sich selbst diese, noch in diesen sich selbst. Also, ihr Brüder, wird man bei gegenwärtigen Dingen nicht aus der Fassung gebracht.

»‚Kein Sehnen nach vergangner Zeit,
Kein Hoffen auf die Zukunft hin;
Ist abgethan was vorher war
Und was noch künftig kommen wird,
»‚Und hat man immer Ding um Ding
Gewärtig in der Gegenwart:
Was keiner rauben, rütteln kann,
Durchbohrend finden mag man das.
»‚Noch heute gilt der heiße Kampf:
Ob morgen todt, wer weiß es wohl?
Es muss die Schlacht geschlagen sein,
Mit seiner Heerschaar Er, der Mord.
»‚Wer also ausharrt unverzagt
Und unermüdlich Tag und Nacht,
Glücksäligeinsam ist er da,
Der stille Denker, wie man sagt.‘

»Also hab’ ich, o Herr, die Mönche in lehrreichem Gespräche ermuntert und ermuthigt, erregt und erheitert, von des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen gesprochen.«

»Gut, gut, Ānando, gut hast du, Ānando, die Mönche in lehrreichem Gespräche ermuntert und ermuthigt, erregt[S. 350] und erheitert, von des {329} Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen gesprochen.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.


133.

Vierzehnter Theil

Dritte Rede

GLÜCKSÄLIGEINSAM
– KACCĀNO –

{330} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, in der Aue am Tapodo.

Da verließ denn der ehrwürdige Samiddhi bei Nacht, vor Sonnenaufgang, sein Lager und schritt zum Tapodo hinab, ein Bad zu nehmen. Als er das Bad im Tapodo genommen und sich erfrischt hatte, hing er den Mantel um, nachdem er die Glieder getrocknet.

Wie nun die Dämmerung anbrach, ließ irgend eine Gottheit die ganze Fläche des Tapodo in immer hellerem Glanze erstrahlen und kam bis dorthin wo der ehrwürdige Samiddhi weilte. Dort angelangt stand sie beiseite, und beiseite stehend sprach sie den ehrwürdigen Samiddhi also an:

»Kennst du, o Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen?«

»Nein, o Bruder, ich kenne des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen nicht: du aber, Bruder, kennet du des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen?«

[S. 351]

»Auch ich, o Mönch, kenne nicht des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen: kennst du aber, o Mönch, den glücksäligeinsamen Sang?«

»Nein, o Bruder, ich kenne den glücksäligeinsamen Sang nicht: du aber, Bruder, kennst du den glücksäligeinsamen Sang?«

»Auch ich, o Mönch, kenne nicht den glücksäligeinsamen Sang; erforsche du, Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen, erfasse du, Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen, bewahre du, Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen: sinnreich ist, o Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen, urasketenthümlich.«

{331} Also sprach jene Gottheit. Als sie das gesagt, war sie alsbald verschwunden.

Wie es nun Tag geworden, begab sich der ehrwürdige Samiddhi dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt bot er dem Erhabenen ehrerbietigen Gruß dar und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend erzählte da der ehrwürdige Samiddhi dem Erhabenen Wort um Wort die ganze Begegnung, die er mit jener Gottheit gehabt hatte. Dann sprach er also:

{332} »Gut wär’ es, o Herr, wollte mir der Erhabene des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen aufweisen.«

»Wohlan denn, Mönch, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« sagte da der ehrwürdige Samiddhi zum Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Kein Sehnen nach vergangner Zeit,
Kein Hoffen auf die Zukunft hin;
[S. 352]
Ist abgethan was vorher war
Und was noch künftig kommen wird,
»Und hat man immer Ding um Ding
Gewärtig in der Gegenwart:
Was keiner rauben, rütteln kann,
Durchbohrend finden mag man das.
»Noch heute gilt der heiße Kampf:
Ob morgen todt, wer weiß es wohl?
Es muss die Schlacht geschlagen sein,
Mit seiner Heerschaar Er, der Mord.
»Wer also ausharrt unverzagt
Und unermüdlich Tag und Nacht,
Glücksäligeinsam ist er da,
Der stille Denker, wie man sagt.«

Also sprach der Erhabene. Als der Willkommene das gesagt hatte, stand er auf und zog sich in das Wohnhaus zurück.

Da gedachten denn die Mönche, bald nachdem der Erhabene fortgegangen war, unter sich: ›Diesen Stämpel, ihr Brüder, hat uns der Erhabene im Umrisse dargestellt, ohne die Abzeichen ausführlich zu erläutern, ist aufgestanden und hat sich in das Wohnhaus zurückgezogen. {333} Wer könnte nun wohl dieser kurzen Andeutung Inhalt ausführlich begründen?‹ Da sagten sich nun jene Mönche: ›Der ehrwürdige Mahākaccāno wird selbst vom Meister gepriesen, von den verständigen Ordensbrüdern aber verehrt: wohl wäre der ehrwürdige Mahākaccāno imstande, den Inhalt dieser kurzen Andeutung ausführlich zu begründen; wie, wenn[S. 353] wir uns nun zum ehrwürdigen Mahākaccāno begeben und ihn bitten würden, uns den Inhalt darzulegen?‹ Und jene Mönche begaben sich zum ehrwürdigen Mahākaccāno, wechselten höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit ihm und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprachen nun jene Mönche zum ehrwürdigen Mahākaccāno also:

»Diesen Stämpel, Bruder Kaccāno, hat uns der Erhabene im Umrisse dargestellt, ohne die Abzeichen ausführlich zu erläutern, ist aufgestanden und hat sich in das Wohnhaus zurückgezogen. Da kam uns, Bruder Kaccāno, bald nachdem der Erhabene fortgegangen war, der Gedanke: {334} ›Diesen Stämpel, ihr Brüder, hat uns der Erhabene im Umrisse dargestellt, ohne die Abzeichen ausführlich zu erläutern, ist aufgestanden und hat sich in das Wohnhaus zurückgezogen. Wer könnte nun wohl dieser kurzen Andeutung Inhalt ausführlich begründen?‹ Da sagten wir uns, Bruder Kaccāno: ›Der ehrwürdige Mahākaccāno wird selbst vom Meister gepriesen, von den verständigen Ordensbrüdern aber verehrt: wohl wäre der ehrwürdige Mahākaccāno imstande, den Inhalt dieser kurzen Andeutung ausführlich zu begründen; wie, wenn wir uns nun zum ehrwürdigen Mahākaccāno begeben und ihn bitten würden, uns den Inhalt darzulegen?‹ Mög’ es der ehrwürdige Mahākaccāno thun!«

»Gleichwie etwa, Brüder, wenn ein Mann, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, über Wurzel und Stamm eines großen kernig dastehenden Baumes hinaufkletterte und im Laubgezweige Kernholz finden wollte: so ergeht es nun hier euch Ehrwürdigen, die ihr vor dem Meister gewesen seid, den Herrn übergangen[S. 354] habt und von mir die Lösung der Frage erwartet. Doch der Erhabene, ihr Brüder, ist der kennende Kenner und der sehende Seher, der Auggewordene, Erkenntnissgewordene, Wahrheitgewordene, Heiligkeitgewordene, der Künder und Verkünder, der Eröffner des Inhalts, der Spender der Unsterblichkeit, der Herr der Wahrheit, der Vollendete. Und es war ja wohl noch an der Zeit gewesen, dass ihr den Erhabenen selbst befragen und {335} diesen Gegenstand der Erklärung des Erhabenen gemäß bewahren konntet.«

»Freilich, Bruder Kaccāno, ist der Erhabene der kennende Kenner und der sehende Seher, der Auggewordene, Erkenntnissgewordene, Wahrheitgewordene, Heiligkeitgewordene, der Künder und Verkünder, der Eröffner des Inhalts, der Spender der Unsterblichkeit, der Herr der Wahrheit, der Vollendete. Und es war ja wohl noch an der Zeit gewesen, dass wir den Erhabenen selbst befragen und diesen Gegenstand der Erklärung des Erhabenen gemäß bewahren konnten. Aber der ehrwürdige Mahākaccāno wird ja selbst vom Meister gepriesen und von den verständigen Ordensbrüdern verehrt: wohl wäre der ehrwürdige Mahākaccāno imstande, den Inhalt jener vom Erhabenen kurz gegebenen Andeutung ausführlich darzulegen. Mög’ es der ehrwürdige Mahākaccāno thun und es nicht übel nehmen!«

»Wohlan denn, ihr Brüder, so höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Bruder!« antworteten da aufmerksam jene Mönche dem ehrwürdigen Mahākaccāno. Der ehrwürdige Mahākaccāno sprach also:

»Den Stämpel, ihr Brüder, den uns der Erhabene im[S. 355] Umrisse dargestellt hat, ohne die Abzeichen ausführlich zu erläutern: diese kurze Andeutung, ihr Brüder, stelle ich ihrem Inhalt gemäß in folgender Weise ausführlich dar. — Wie also, ihr Brüder, sehnt man sich nach vergangener Zeit? ›So war einst mein Gesicht gewesen, so die Formen‹: so wird das Bewusstsein mit Willensbegier daran gefesselt; und weil das Bewusstsein mit Willensbegier gefesselt ist, hat man daran Befriedigung; und weil man daran Befriedigung hat, sehnt man sich nach vergangener Zeit. ›So war einst mein Gehör gewesen, so die Töne‹, {336} ›So war einst mein Geruch gewesen, so die Düfte‹, ›So war einst mein Geschmack gewesen, so die Säfte‹, ›So war einst mein Getast gewesen, so die Tastungen‹, ›So war einst mein Gedenken gewesen, so die Dinge‹: so wird das Bewusstsein mit Willensbegier daran gefesselt; und weil das Bewusstsein mit Willensbegier gefesselt ist, hat man daran Befriedigung; und weil man daran Befriedigung hat, sehnt man sich nach vergangener Zeit. Also, ihr Brüder, sehnt man sich nach vergangener Zeit.

»Wie aber, ihr Brüder, sehnt man sich nicht nach vergangener Zeit? ›So war einst mein Gesicht gewesen, so die Formen‹: so wird das Bewusstsein nicht mit Willensbegier daran gefesselt; und weil das Bewusstsein nicht mit Willensbegier gefesselt ist, hat man keine Befriedigung daran; und weil man keine Befriedigung daran hat, sehnt man sich nicht nach vergangener Zeit. ›So war einst mein Gehör gewesen, so die Töne‹, ›So war einst mein Geruch gewesen, so die Düfte‹, ›So war einst mein Geschmack gewesen, so die Säfte‹, ›So war einst mein Getast gewesen, so die Tastungen‹, ›So war[S. 356] einst mein Gedenken gewesen, so die Dinge‹: so wird das Bewusstsein nicht mit Willensbegier daran gefesselt; und weil das Bewusstsein nicht mit Willensbegier gefesselt ist, hat man keine Befriedigung daran; und weil man keine Befriedigung daran hat, sehnt man sich nicht nach vergangener Zeit. Also, ihr Brüder, sehnt man sich nicht nach vergangener Zeit.

»Wie aber, ihr Brüder, hofft man auf die Zukunft hin? ›So will ich einst mein Gesicht haben, so die Formen‹: so hat man das Herz auf die Erlangung des Unerlangten gerichtet; und weil das Herz darauf gerichtet ist, hat man daran Befriedigung; und weil man daran Befriedigung hat, hofft man auf die Zukunft hin. ›So will ich einst mein Gehör haben, so die Töne‹, ›So will ich einst meinen Geruch haben, so die Düfte‹, ›So will ich einst meinen Geschmack haben, so die Säfte‹, {337} ›So will ich einst mein Getast haben, so die Tastungen‹, ›So will ich einst mein Gedenken haben, so die Dinge‹: so hat man das Herz auf die Erlangung des Unerlangten gerichtet; und weil das Herz darauf gerichtet ist, hat man daran Befriedigung; und weil man daran Befriedigung hat, hofft man auf die Zukunft hin. Also, ihr Brüder, hofft man auf die Zukunft hin.

»Wie aber, ihr Brüder, hofft man nicht auf die Zukunft hin? ›So will ich einst mein Gesicht haben, so die Formen‹: so hat man das Herz nicht auf die Erlangung des Unerlangten gerichtet; und weil das Herz nicht darauf gerichtet ist, hat man keine Befriedigung daran; und weil man keine Befriedigung daran hat, hofft man nicht auf die Zukunft hin. ›So will ich einst mein Gehör haben, so die Töne‹, ›So will ich einst meinen Geruch[S. 357] haben, so die Düfte‹, ›So will ich einst meinen Geschmack haben, so die Säfte‹, ›So will ich einst mein Getast haben, so die Tastungen‹, ›So will ich einst mein Gedenken haben, so die Dinge‹: so hat man das Herz nicht auf die Erlangung des Unerlangten gerichtet; und weil das Herz nicht darauf gerichtet ist, hat man keine Befriedigung daran; und weil man keine Befriedigung daran hat, hofft man nicht auf die Zukunft hin. Also, ihr Brüder, hofft man nicht auf die Zukunft hin.

»Wie aber, ihr Brüder, wird man bei gegenwärtigen Dingen aus der Fassung gebracht? Gesicht, ihr Brüder, und Formen: beides ist gegenwärtig; weil es aber gegenwärtig ist, wird das Bewusstsein mit Willensbegier daran gefesselt; und weil das Bewusstsein mit Willensbegier gefesselt ist, hat man daran Befriedigung; und weil man daran Befriedigung hat, wird man bei gegenwärtigen Dingen aus der Fassung gebracht. Gehör, ihr Brüder, und Töne, Geruch, ihr Brüder, und Düfte, Geschmack, ihr Brüder, und Säfte, Getast, ihr Brüder, und Tastungen, {338} Gedenken, ihr Brüder, und Dinge: beides ist gegenwärtig; weil es aber gegenwärtig ist, wird das Bewusstsein mit Willensbegier daran gefesselt; und weil das Bewusstsein mit Willensbegier gefesselt ist, hat man daran Befriedigung; und weil man daran Befriedigung hat, wird man bei gegenwärtigen Dingen aus der Fassung gebracht. Also, ihr Brüder, wird man bei gegenwärtigen Dingen aus der Fassung gebracht.

»Wie aber, ihr Brüder, wird man bei gegenwärtigen Dingen nicht aus der Fassung gebracht? Gesicht, ihr Brüder, und Formen: beides ist gegenwärtig; weil es aber gegenwärtig ist, wird das Bewusstsein nicht mit[S. 358] Willensbegier daran gefesselt; und weil das Bewusstsein nicht mit Willensbegier gefesselt ist, hat man keine Befriedigung daran; und weil man keine Befriedigung daran hat, wird man bei gegenwärtigen Dingen nicht aus der Fassung gebracht. Gehör, ihr Brüder, und Töne, Geruch, ihr Brüder, und Düfte, Geschmack, ihr Brüder, und Säfte, Getast, ihr Brüder, und Tastungen, Gedenken, ihr Brüder, und Dinge: beides ist gegenwärtig; weil es aber gegenwärtig ist, wird das Bewusstsein nicht mit Willensbegier daran gefesselt; und weil das Bewusstsein nicht mit Willensbegier gefesselt ist, hat man keine Befriedigung daran; und weil man keine Befriedigung daran hat, wird man bei gegenwärtigen Dingen nicht aus der Fassung gebracht. Also, ihr Brüder, wird man bei gegenwärtigen Dingen nicht aus der Fassung gebracht.

»Das, ihr Brüder, betrachte ich als den ausführlich dargelegten Inhalt jener Andeutung, die uns der Erhabene in kurzer Fassung gegeben hat. Wenn es euch Ehrwürdigen nun recht ist, {339} so gehet hin und befragt den Erhabenen selbst hierüber: wie es uns der Erhabene erklärt wollet es behalten.«

Da waren nun jene Mönche über des ehrwürdigen Mahākaccāno Rede erfreut, erhoben sich befriedigt von ihren Sitzen und begaben sich dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend berichteten da jene Mönche dem Erhabenen Wort um Wort die ganze Begegnung, {340} die sie mit dem ehrwürdigen Mahākaccāno gehabt hatten: »Da hat uns, o Herr, der ehrwürdige Mahākaccāno auf solche Weise, in solcher Art, mit solchen Bestimmungen den Inhalt dargestellt.«

[S. 359]

»Weise, ihr Mönche, ist Mahākaccāno, wissensmächtig, ihr Mönche, ist Mahākaccāno. Wolltet ihr mich, ihr Mönche, um Aufklärung angehn, ich würde den Gegenstand genau so erläutern, wie ihn Mahākaccāno erläutert hat: denn eben das ist der Inhalt, und den sollt ihr derart bewahren.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


134.

Vierzehnter Theil

Vierte Rede

LOMASAKAṈGIYO

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Um diese Zeit nun weilte der ehrwürdige Lomasakaṉgiyo im Lande der Sakker, bei Kapilavatthu, im Park der Feigenbäume.

{341} Da ließ nun bei einbrechender Dämmerung Candano[174] der Göttersohn die ganze Umgegend des Feigenparkes in immer hellerem Glanze erstrahlen und kam bis dorthin wo der ehrwürdige Lomasakaṉgiyo weilte. Dort angelangt stand er beiseite, und beiseite stehend sprach er den ehrwürdigen Lomasakaṉgiyo also an:

»Kennst du, o Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen?«

»Nein, o Bruder, ich kenne des Glücksäligeinsamen[S. 360] Stämpel und Abzeichen nicht: du aber, Bruder, kennst du des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen?«

»Auch ich, o Mönch, kenne nicht des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen: kennst du aber, o Mönch, den glücksäligeinsamen Sang?«

»Nein, o Bruder, ich kenne den glücksäligeinsamen Sang nicht: du aber, Bruder, kennst du den glücksäligeinsamen Sang?«

»Ich kenne, o Mönch, den glücksäligeinsamen Sang.«

»Woher denn aber, Bruder, kennst du den glücksäligeinsamen Sang?«

»Es war einmal, o Mönch, da weilte der Erhabene bei den Dreiunddreißig Göttern, im Schatten des himmlischen Baumes, am weißen Flockenfels. Dort nun hat der Erhabene den Dreiunddreißig Göttern des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen aufgewiesen. Also kenne ich, o Mönch, den glücksäligeinsamen Sang. {342} Erforsche du, Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen, erfasse du, Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen, bewahre du, Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen: sinnreich ist, o Mönch, des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen, urasketenthümlich.«

Also sprach Candano der Göttersohn. Als er das gesagt, war er alsbald verschwunden.

Wie es nun Tag geworden, brach der ehrwürdige Lomasakaṉgiyo sein Lager ab, nahm Mantel und Almosenschaale und begab sich auf die Wanderung nach Sāvatthī. Von Ort zu Ort weiterziehend näherte er sich der Stadt. Und er kam in den Siegerwald, in den Garten Anāthapiṇḍikos, dorthin wo der Erhabene weilte. Dort[S. 361] angelangt begrüßte er den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend erzählte nun der ehrwürdige Lomasakaṉgiyo dem Erhabenen Wort um Wort die ganze Begegnung, die er da vorher, im Lande der Sakker, bei Kapilavatthu, im Park der Feigenbäume, mit jenem Göttersohne gehabt hatte. Dann sprach er also:

{343} »Gut wär’ es, o Herr, wollte mir der Erhabene des Glücksäligeinsamen Stämpel und Abzeichen aufweisen.«

»Weißt du aber, Mönch, wer jener Göttersohn war?«

»Nein, o Herr, ich weiß nicht, wer jener Göttersohn war.«

»Candano geheißen, Mönch, ist jener Göttersohn. Candano, Mönch, der Göttersohn, hat achtsam, aufmerksam, mit ganzem Gemüthe hingegeben, offenen Ohres der Lehre gelauscht. Wohlan denn, Mönch, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

{344} »Gewiss, o Herr!« sagte da aufmerksam jener Mönch zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Kein Sehnen nach vergangner Zeit,
Kein Hoffen auf die Zukunft hin;
Ist abgethan was vorher war
Und was noch künftig kommen wird,
»Und hat man immer Ding um Ding
Gewärtig in der Gegenwart:
Was keiner rauben, rütteln kann,
Durchbohrend finden mag man das.
[S. 362]
»Noch heute gilt der heiße Kampf:
Ob morgen todt, wer weiß es wohl?
Es muss die Schlacht geschlagen sein,
Mit seiner Heerschaar Er, der Mord.
»Wer also ausharrt unverzagt
Und unermüdlich Tag und Nacht,
Glücksäligeinsam ist er da,
Der stille Denker, wie man sagt.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der {346} ehrwürdige Lomasakaṉgiyo über das Wort des Erhabenen.[175]


135.

Vierzehnter Theil

Fünfte Rede

KENNZEICHNUNG DER WERKE
– I –

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Da begab sich denn Subho, ein junger Brāhmane, der Sohn Todeyyos, dorthin wo der Erhabene weilte, wechselte mit dem Erhabenen höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun Subho der junge Brāhmane, der Sohn Todeyyos, zum Erhabenen also:

»Was ist wohl, o Gotamo, der Anlass, was ist der Grund, dass man auch unter menschlichen Wesen, die als Menschen geboren sind, Verkommenheit und Vorzüglichkeit[S. 363] findet? Man sieht, o Gotamo, kurzlebige Menschen und man sieht langlebige, man sieht bresthafte und man sieht rüstige, man sieht unschöne und man sieht schöne, man sieht wenig vermögende und man sieht viel vermögende, man sieht wenig besitzende und man sieht viel besitzende, man sieht niedrig gestellte und man sieht hoch gestellte, {347} man sieht stumpfsinnige und man sieht scharfsinnige: was ist da, o Gotamo, der Anlass, was ist der Grund, dass man auch unter menschlichen Wesen, die als Menschen geboren sind, Verkommenheit und Vorzüglichkeit findet?«

»Eigner der Werke, Brāhmane, sind die Wesen, Erben der Werke, Kinder der Werke, Geschöpfe der Werke, Knechte der Werke: das Werk scheidet die Wesen ab, nach Verkommenheit und Vorzüglichkeit.«

»Nicht kann ich was da Herr Gotamo in Kürze gesagt, nicht ausführlich dargestellt hat, dem ganzen Sinne nach verstehn; gut wär’ es, wenn mir Herr Gotamo die Satzung dergestalt zeigen wollte, dass ich den ganzen Sinn dieser kurzgefassten Worte verstehn könnte.«

»Wohlan denn, Brāhmane, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Ja, Herr!« sagte da Subho, der junge Brāhmane, der Sohn Todeyyos, aufmerksam zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Da bringt, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann Lebendiges um, ist grausam und blutgierig, an Mord und Todtschlag gewohnt, ohne Mitleid gegen Mensch und Thier. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen, auf schlechte[S. 364] Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, kurzlebig sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu kurzem Leben führt, dass man da Lebendiges umbringt, grausam und blutgierig ist, an Mord und Todtschlag gewohnt, ohne Mitleid gegen Mensch und Thier.

»Da hat wieder, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann das Tödten verworfen, vom Tödten hält er sich fern: ohne Stock, ohne Schwerdt, fühlsam, voll Theilnahme, {348} hegt er zu allen lebenden Wesen Liebe und Mitleid. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen, in himmlische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, langlebig sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu langem Leben führt, dass man da das Tödten verworfen hat, vom Tödten sich fernhält, ohne Stock, ohne Schwerdt, fühlsam, voll Theilnahme zu allen lebenden Wesen Liebe und Mitleid hegt.

»Da behandelt, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann die Wesen heftig und quaalvoll, geht mit Fäusten, mit Steinen, mit Stöcken, mit Waffen gegen sie vor. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, bresthaft sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu Gebresten führt, dass man da[S. 365] die Wesen heftig und quaalvoll behandelt, mit Fäusten, mit Steinen, mit Stöcken, mit Waffen gegen sie vorgeht.

»Da behandelt wieder, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann die Wesen nicht heftig und quaalvoll, geht nicht mit Fäusten, mit Steinen, mit Stöcken, mit Waffen gegen sie vor. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen, in himmlische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, rüstig sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu Rüstigkeit führt, dass man da die Wesen nicht heftig und quaalvoll behandelt, {349} nicht mit Fäusten, mit Steinen, mit Stöcken, mit Waffen gegen sie vorgeht.

»Da ist, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann zornig gesinnt, macht viel Geschrei; wenn ihm auch wenig gesagt wird fährt er auf, erregt sich, ärgert sich, widersetzt sich, legt Verdrossenheit, Hass und Misstrauen an den Tag. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, unschön sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zur Unschönheit führt, dass man da zornig gesinnt ist, viel Geschrei macht, wenn einem auch wenig gesagt wird auffährt, sich erregt, sich ärgert, sich widersetzt, Verdrossenheit, Hass und Misstrauen an den Tag legt.

»Da ist wieder, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann nicht zornig gesinnt, macht nicht viel Geschrei;[S. 366] wenn ihm auch viel gesagt wird fährt er nicht auf, erregt sich nicht, ärgert sich nicht, widersetzt sich nicht, legt nicht Verdrossenheit, Hass und Misstrauen an den Tag. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen, in himmlische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, anmuthig sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zur Anmuth führt, dass man da nicht zornig gesinnt ist, nicht viel Geschrei macht, wenn einem auch viel gesagt wird nicht auffährt, sich nicht erregt, {350} sich nicht ärgert, sich nicht widersetzt, nicht Verdrossenheit, Hass und Misstrauen an den Tag legt.

»Da ist, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann eifersüchtig: wenn andere Verdienste haben, werthgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt, gefeiert werden, ist er neidig, missgünstig, fröhnt der Eifersucht. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, wenig vermögen. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu wenig vermögen führt, dass man da eifersüchtig ist, wenn andere Verdienste haben, werthgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt, gefeiert werden, neidig, missgünstig ist, der Eifersucht fröhnt.

»Da ist wieder, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann nicht eifersüchtig: wenn andere Verdienste haben, werthgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt, gefeiert werden, ist er nicht neidig, nicht missgünstig, fröhnt[S. 367] keiner Eifersucht. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen, in himmlische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, viel vermögen. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu viel vermögen führt, dass man da nicht eifersüchtig ist, wenn andere Verdienste haben, werthgehalten, hochgeschätzt, geachtet, geehrt, gefeiert werden, nicht neidig, nicht missgünstig ist, keiner Eifersucht fröhnt.

»Da wendet, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann Asketen oder Priestern keine Gabe zu, Speise und Trank und Kleidung, Wagen und Schmuck und duftende Salben, Lager und Obdach und Licht. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, {351} nach dem Tode, abwärts gerathen, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, wenig besitzen. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu wenig Besitz führt, dass man da Asketen oder Priestern keine Gabe zuwendet, Speise und Trank und Kleidung, Wagen und Schmuck und duftende Salben, Lager und Obdach und Licht.

»Da wendet wieder, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann Asketen oder Priestern Gaben zu, Speise und Trank und Kleidung, Wagen und Schmuck und duftende Salben, Lager und Obdach und Licht. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen, in himmlische Welt; oder wenn er nicht dahin[S. 368] gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, viel besitzen. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu viel Besitz führt, dass man da Asketen oder Priestern Gaben zuwendet, Speise und Trank und Kleidung, Wagen und Schmuck und duftende Salben, Lager und Obdach und Licht.

»Da ist, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann trotzig und hochmüthig, grüßt keinen, der Gruß verdient, erhebt sich vor keinem, vor dem man sich erheben soll, bietet keinen Sitz an wem ein Sitz gebührt, weicht auf dem Wege nicht aus wem auszuweichen ist, hält einen Werthzuhaltenden nicht werth, schätzt einen Hochzuschätzenden nicht hoch, achtet keinen Achtbaren, ehrt keinen Ehrwürdigen. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt; {352} oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, niedrig gestellt sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu niedriger Stellung führt, dass man da trotzig und hochmüthig ist, keinen grüßt, der Gruß verdient, sich vor keinem erhebt, vor dem man sich erheben soll, keinen Sitz anbietet wem ein Sitz gebührt, auf dem Wege nicht ausweicht wem auszuweichen ist, einen Werthzuhaltenden nicht werthhält, einen Hochzuschätzenden nicht hochschätzt, keinen Achtbaren achtet, keinen Ehrwürdigen ehrt.

»Da ist wieder, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann nicht trotzig, nicht hochmüthig, grüßt, wenn einer Gruß verdient, erhebt sich, wenn man sich vor einem erheben soll, bietet Sitz an wem ein Sitz gebührt, weicht[S. 369] auf dem Wege aus wem auszuweichen ist, hält einen Werthzuhaltenden werth, schätzt einen Hochzuschätzenden hoch, achtet einen Achtbaren, ehrt einen Ehrwürdigen. Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen, in himmlische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, hoch gestellt sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zu hoher Stellung führt, dass man da nicht trotzig, nicht hochmüthig ist, grüßt, wenn einer Gruß verdient, sich erhebt, wenn man sich vor einem erheben soll, Sitz anbietet wem ein Sitz gebührt, auf dem Wege ausweicht wem auszuweichen ist, einen Werthzuhaltenden werthhält, einen Hochzuschätzenden hochschätzt, einen Achtbaren achtet, einen Ehrwürdigen ehrt.

»Da ist, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann einem Asketen oder einem Priester begegnet und erkundigt sich nicht: {353} ›Was ist heilsam, o Herr, was ist unheilsam, was ist unrecht und was ist recht, was ist zu betreiben und was ist nicht zu betreiben? Was kann mir indem ich es thue lange zum Unheil und Leiden gereichen, und was kann mir wieder indem ich es thue lange zum Wohle, zum Heile gereichen?‹ Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, wird er, wo er da neugeboren wird, unverständig sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zur Unverständigkeit führt, dass man da einem Asketen[S. 370] oder einem Priester begegnet und sich nicht erkundigt: ›Was ist heilsam, o Herr, was ist unheilsam, was ist unrecht und was ist recht, was ist zu betreiben und was ist nicht zu betreiben; was kann mir indem ich es thue lange zum Unheil und Leiden gereichen, und was kann mir wieder indem ich es thue lange zum Wohle, zum Heile gereichen.‹

»Da ist wieder, Brāhmane, irgend ein Weib oder ein Mann einem Asketen oder einem Priester begegnet und erkundigt sich: ›Was ist heilsam, o Herr, was ist unheilsam, was ist unrecht und was ist recht, was ist zu betreiben und was ist nicht zu betreiben? Was kann mir indem ich es thue lange zum Unheil und Leiden gereichen, und was kann mir wieder indem ich es thue lange zum Wohle, zum Heile gereichen?‹ Da lässt ihn solches Wirken, also vollzogen, also vollbracht, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen, in himmlische Welt; oder wenn er nicht dahin gelangt und Menschenthum erreicht, {354} wird er, wo er da neugeboren wird, wissensmächtig sein. Das ist der Uebergang, Brāhmane, der zur Wissensmacht führt, dass man da einem Asketen oder einem Priester begegnet und sich erkundigt: ›Was ist heilsam, o Herr, was ist unheilsam, was ist unrecht und was ist recht, was ist zu betreiben und was ist nicht zu betreiben; was kann mir indem ich es thue lange zum Unheil und Leiden gereichen, und was kann mir wieder indem ich es thue lange zum Wohle, zum Heile gereichen.‹

»So lässt denn, Brāhmane, der Uebergang, der zu kurzem Leben führt, kurzlebig werden; der Uebergang, der zu langem Leben führt, langlebig werden; der Uebergang,[S. 371] der zu Gebresten führt, bresthaft werden; der Uebergang, der zu Rüstigkeit führt, rüstig werden; der Uebergang, der zur Unschönheit führt, unschön werden; der Uebergang, der zur Anmuth führt, anmuthig werden; der Uebergang, der zu wenig vermögen führt, wenig vermögend werden; der Uebergang, der zu viel vermögen führt, viel vermögend werden; der Uebergang, der zu wenig Besitz führt, wenig besitzend werden; der Uebergang, der zu viel Besitz führt, viel besitzend werden; der Uebergang, der zu niedriger Stellung führt, niedrig gestellt werden; der Uebergang, der zu hoher Stellung führt, hoch gestellt werden; der Uebergang, der zur Unverständigkeit führt, unverständig werden; der Uebergang, der zur Wissensmacht führt, wissensmächtig werden. Eigner der Werke, Brāhmane, sind die Wesen, Erben der Werke, Kinder der Werke, Geschöpfe der Werke, Knechte der Werke: das Werk scheidet die Wesen ab, nach Verkommenheit und Vorzüglichkeit.«

Nach dieser Rede sprach Subho der junge Brāhmane, der Sohn Todeyyos, zum Erhabenen also:

{355} »Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Gleichwie etwa, o Gotamo, als ob einer Umgekehrtes aufkehrte, oder Verborgenes enthüllte, oder Verirrten den Weg wiese, oder Licht in die Finsterniss brächte: ›Wer Augen hat wird die Dinge sehn‹: ebenso auch ist von Herrn Gotamo die Lehre gar manigfach dargelegt worden. Und so nehm’ ich bei Herrn Gotamo Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger möge mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu.«[176]


[S. 372]

136.

Vierzehnter Theil

Sechste Rede

KENNZEICHNUNG DER WERKE
– II –

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen. Um diese Zeit aber lebte der ehrwürdige Samiddhi im Walde, in einer Hütte.

Da kam denn ein Pilger, der junge Potali, auf einem Spaziergange sich ergehend, dorthin wo der ehrwürdige Samiddhi weilte. Dorthin gekommen tauschte er höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend wandte sich nun Potaliputto der Pilger also an den ehrwürdigen Samiddhi:

»Von Angesicht hab’ ich es, Bruder Samiddhi, vom Asketen Gotamo gehört, von Angesicht vernommen: ›Eitel ist That in Werken, eitel ist That in Worten, That in Gedanken ist einzig ächt.‹ Giebt es nun eine Einkehr, wohin eingekehrt man nichts empfindet?«

»Nicht also, Bruder Potaliputto, wolle du reden und nicht den Erhabenen bezichtigen, nicht gut ist ja eine Bezichtigung des Erhabenen; {356} nicht kann ja der Erhabene gesagt haben: ›Eitel ist That in Werken, eitel ist That in Worten, That in Gedanken ist einzig ächt.‹ Aber es giebt, Bruder, eine Einkehr, wohin eingekehrt man nichts empfindet.«

»Wie lang ist es her, Bruder Samiddhi, dass du Pilger bist?«

[S. 373]

»Nicht lange, Bruder, drei Jahre.«[177]

»Was werden wir da erst noch die älteren Mönche angehn, wenn ja schon so ein junger Mönch den Meister vertheidigen zu müssen glaubt! — Wer mit Absicht, Bruder Samiddhi, eine That begangen hat, in Werken, in Worten, in Gedanken, was empfindet der?«

»Wer mit Absicht, Bruder Potaliputto, eine That begangen hat, in Werken, in Worten, in Gedanken, der empfindet Schmerz.«

Da mochte Potaliputto der Pilger des ehrwürdigen Samiddhi Worte weder billigen noch abweisen; ohne zu billigen, ohne abzuweisen erhob er sich von seinem Sitze und ging fort. Bald aber nachdem Potaliputto der Pilger gegangen war, begab sich der ehrwürdige Samiddhi zum ehrwürdigen Ānando hin. Dort angelangt tauschte er höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend theilte nun der ehrwürdige Samiddhi das ganze Gespräch, das er mit Potaliputto dem Pilger geführt hatte, Wort um Wort dem ehrwürdigen älteren Ānando mit. Auf diesen Bericht wandte sich der ehrwürdige Ānando also an den ehrwürdigen Samiddhi:

»Es ist, Bruder Samiddhi, dieser Mittheilung halber gerathen, den Erhabenen aufzusuchen. Wir wollen, Bruder Samiddhi, zum Erhabenen hingehn und davon berichten: wie es uns der Erhabene erklären wird, so wollen wir es halten.«

{357} »Gern, Bruder!« sagte da der ehrwürdige Samiddhi, dem ehrwürdigen Ānando zustimmend.

Und der ehrwürdige Samiddhi begab sich nun mit dem ehrwürdigen Ānando zum Erhabenen hin. Dort angelangt,[S. 374] begrüßten sie den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend theilte nun der ehrwürdige Ānando das ganze Gespräch, das der ehrwürdige Samiddhi mit Potaliputto dem Pilger geführt hatte, Wort um Wort dem Erhabenen mit. Auf diesen Bericht wandte sich der Erhabene also an den ehrwürdigen Ānando:

»Auch nur vom Sehn aus ist mir, Ānando, Potaliputto der Pilger nicht bekannt, geschweige denn dass ich ihm das gesagt hätte. Aber auch Samiddhi, Ānando, hat da als ein Unverständiger Potaliputto dem Pilger die mehrfach zu beantwortende Frage einseitig beantwortet.«

Auf diese Worte wandte sich der ehrwürdige Udāyī also an den Erhabenen:

»Wenn aber, o Herr, der ehrwürdige Samiddhi es in Beziehung darauf gesagt hat: ‚Was irgend empfunden wird ist schmerzlich‘?«

Also gefragt wandte sich der Erhabene an den ehrwürdigen Ānando und sagte:

»Sieh’ doch, Ānando, wie da Udāyī als ein Unverständiger irrt: gewusst hab’ ich es, Ānando, dass da eben jetzt Udāyī als ein Unverständiger in Irrthum gerathen, unachtsam sich irren wird. Gleich am Anfang, Ānando, hat Potaliputto der Pilger drei Arten von Gefühlen gemeint. Hätte da, Ānando, Samiddhi, der Unverständige, Potaliputto dem Pilger auf seine Frage also geantwortet: ›Wer mit Absicht, Bruder Potaliputto, eine That begangen hat, in Werken, in Worten, in Gedanken, die freudig zu empfinden ist, der empfindet Freude; wer mit Absicht, Bruder Potaliputto, eine That begangen hat, in[S. 375] Werken, in Worten, in Gedanken, die leidig zu empfinden ist, der empfindet Schmerz; {358} wer mit Absicht, Bruder Potaliputto, eine That begangen hat, in Werken, in Worten, in Gedanken, die weder leidig noch freudig zu empfinden ist, der empfindet weder Schmerz noch Freude‹: so würde mit dieser Antwort, Ānando, Samiddhi, der Unverständige, Potaliputto dem Pilger recht geantwortet haben. Sind nun freilich, Ānando, jene anderen Büßer und Pilger thöricht und unerfahren, wer soll dann des Vollendeten mächtige Kennzeichnung der Werke verstehn, es sei denn dass ihr, Ānando, zuhört, wann der Vollendete mächtige Kennzeichnung der Werke kennzeichnet.«

»Da ist es, Erhabener, Zeit, da ist es, Willkommener, Zeit, dass der Erhabene mächtige Kennzeichnung der Werke kennzeichne: des Erhabenen Wort werden die Mönche bewahren.«

»Wohlan denn, Ānando, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« sagte da aufmerksam der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Vier Arten von Menschen, Ānando, finden sich hier in der Welt vor: welche vier? Da ist, Ānando, einer, der ist ein Mörder und Dieb, ein Wüstling, Lügner, Verleumder, ein Zänker und Schwätzer, voll Gier und Hass und Eitelkeit: der gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt; da ist wieder, Ānando, einer, der ist ein Mörder und Dieb, ein Wüstling, Lügner, Verleumder, ein Zänker und Schwätzer, voll Gier[S. 376] und Hass und Eitelkeit: der gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in himmlische Welt; {359} da ist, Ānando, einer, der ist kein Mörder und Dieb, kein Wüstling, Lügner, Verleumder, kein Zänker und Schwätzer, nicht begehrlich, nicht gehässig, recht gesinnt: der gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in himmlische Welt; und da ist, Ānando, einer, der ist kein Mörder und Dieb, kein Wüstling, Lügner, Verleumder, kein Zänker und Schwätzer, nicht begehrlich, nicht gehässig, recht gesinnt: der gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt.

»Da hat, Ānando, irgend ein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Uebung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, jenen Menschen erblickt, der da ein Mörder und Dieb gewesen, ein Wüstling, Lügner, Verleumder, ein Zänker und Schwätzer, voll Gier und Hass und Eitelkeit, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen ist, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt. Der sagt sich nun: ›Es giebt ja wahrlich böse Thaten, es giebt eine Ernte schlechter Handlungen: hab’ ich doch jenen Menschen erblickt, der da also übel gewandelt war, {360} wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen ist, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt.‹ Der sagt sich nun: ›Wer da wahrlich also übel gewandelt ist, ein jeder[S. 377] solche gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinab. Die das erkennen, erkennen recht: die anders erkennen, haben falsche Erkenntniss.‹ So wird er was er eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden hat eben einzig dabei beharrlich pflegen, sich aneignen, behaupten: ›Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes.‹

»Da hat wieder, Ānando, irgend ein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Uebung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, jenen Menschen erblickt, der da ein Mörder und Dieb gewesen, ein Wüstling, Lügner, Verleumder, ein Zänker und Schwätzer, voll Gier und Hass und Eitelkeit, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen ist, in himmlische Welt. Der sagt sich nun: ›Es giebt ja wahrlich keine bösen Thaten, es giebt keine Ernte schlechter Handlungen: hab’ ich doch jenen Menschen erblickt, der also übel gewandelt war, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen ist, in himmlische Welt.‹ Der sagt sich nun: ›Wer da wahrlich also übel gewandelt ist, ein jeder solche gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinauf. Die das erkennen, erkennen recht: {361} die anders erkennen, haben falsche Erkenntniss.‹ So wird er was er eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden hat eben einzig dabei beharrlich pflegen, sich aneignen, behaupten: ›Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes.‹

[S. 378]

»Da hat, Ānando, irgend ein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Uebung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, jenen Menschen erblickt, der da kein Mörder und Dieb gewesen, kein Wüstling, Lügner, Verleumder, kein Zänker und Schwätzer, nicht begehrlich, nicht gehässig, recht gesinnt, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen ist, in himmlische Welt. Der sagt sich nun: ›Es giebt ja wahrlich günstige Thaten, es giebt eine Ernte guter Handlungen: hab’ ich doch jenen Menschen erblickt, der also wohl gewandelt war, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen ist, in himmlische Welt.‹ Der sagt sich nun: ›Wer da wahrlich also wohl gewandelt ist, ein jeder solche gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinauf. Die das erkennen, erkennen recht: die anders erkennen, haben falsche Erkenntniss.‹ So wird er was er eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden hat eben einzig dabei beharrlich pflegen, sich aneignen, behaupten: ›Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes.‹

{362} »Da hat wieder, Ānando, irgend ein Asket oder Priester in heißer Buße, in stetem Kampfe, in ernster Uebung, in unermüdlichem Eifer, in tiefer Bedachtsamkeit eine geistige Einigung errungen, wo er innig im Herzen mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, jenen Menschen erblickt, der da kein Mörder und Dieb gewesen,[S. 379] kein Wüstling, Lügner, Verleumder, kein Zänker und Schwätzer, nicht begehrlich, nicht gehässig, recht gesinnt, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen ist, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt. Der sagt sich nun: ›Es giebt ja wahrlich keine günstigen Thaten, es giebt keine Ernte guter Handlungen: hab’ ich doch jenen Menschen erblickt, der also wohl gewandelt war, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen ist, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt.‹ Der sagt sich nun: ›Wer da wahrlich also wohl gewandelt ist, ein jeder solche gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinab. Die das erkennen, erkennen recht: die anders erkennen, haben falsche Erkenntniss.‹ So wird er was er eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden hat eben einzig dabei beharrlich pflegen, sich aneignen, behaupten: ›Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes.‹

»Hat da nun, Ānando, ein Asket oder ein Priester gesagt: ›Es giebt ja wahrlich böse Thaten, es giebt eine Ernte schlechter Handlungen‹, so gesteh’ ich ihm das zu. Wenn er dann weiter sagt: ›Hab’ ich doch jenen Menschen erblickt, der da übel gewandelt war, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen ist, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt‹, so gesteh’ ich ihm auch das zu. Wenn er aber dann sagt: {363} ›Wer da wahrlich also übel gewandelt ist, ein jeder solche gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinab‹, so gesteh’ ich ihm das nicht zu. Wenn er dann weiter sagt: ›Die das erkennen, erkennen recht: die anders erkennen, haben falsche Erkenntniss‹,[S. 380] so gesteh’ ich ihm auch das nicht zu. Wenn er dann was er eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden hat eben einzig dabei beharrlich pflegen, sich aneignen, behaupten mag: ›Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹, so gesteh’ ich ihm auch das nicht zu; und warum nicht? Weil die Erkenntniss, Ānando, bei des Vollendeten mächtiger Kennzeichnung der Werke eine andere ist.

»Hat da nun, Ānando, ein Asket oder ein Priester gesagt: ›Es giebt ja wahrlich keine bösen Thaten, es giebt keine Ernte schlechter Handlungen‹, so gesteh’ ich ihm das nicht zu. Wenn er aber dann sagt: ›Hab’ ich doch jenen Menschen erblickt, der also übel gewandelt war, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen ist, in himmlische Welt‹, so gesteh’ ich ihm das zu. Wenn er aber dann sagt: ›Wer da wahrlich also übel gewandelt ist, ein jeder solche gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinauf‹, so gesteh’ ich ihm das nicht zu. Wenn er dann weiter sagt: ›Die das erkennen, erkennen recht: die anders erkennen, haben falsche Erkenntniss‹, so gesteh’ ich ihm auch das nicht zu. Wenn er dann was er eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden hat eben einzig dabei beharrlich pflegen, sich aneignen, behaupten mag: ›Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹, so gesteh’ ich ihm auch das nicht zu; und warum nicht? Weil die Erkenntniss, Ānando, bei des Vollendeten mächtiger Kennzeichnung der Werke eine andere ist.

{364} »Hat da nun, Ānando, ein Asket oder ein Priester gesagt: ›Es giebt ja wahrlich günstige Thaten, es giebt eine Ernte guter Handlungen‹, so gesteh’ ich ihm das[S. 381] zu. Wenn er dann weiter sagt: ›Hab’ ich doch jenen Menschen erblickt, der also wohl gewandelt war, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen ist, in himmlische Welt‹, so gesteh’ ich ihm auch das zu. Wenn er aber dann sagt: ›Wer da also wohl gewandelt ist, ein jeder solche gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinauf‹, so gesteh’ ich ihm das nicht zu. Wenn er dann weiter sagt: ›Die das erkennen, erkennen recht: die anders erkennen, haben falsche Erkenntniss‹, so gesteh’ ich ihm auch das nicht zu. Wenn er dann was er eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden hat eben einzig dabei beharrlich pflegen, sich aneignen, behaupten mag: ›Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹, so gesteh’ ich ihm auch das nicht zu; und warum nicht? Weil die Erkenntniss, Ānando, bei des Vollendeten mächtiger Kennzeichnung der Werke eine andere ist.

»Hat da nun, Ānando, ein Asket oder ein Priester gesagt: ›Es giebt ja wahrlich keine günstigen Thaten, es giebt keine Ernte guter Handlungen‹, so gesteh’ ich ihm das nicht zu. Wenn er aber dann sagt: ›Hab’ ich doch jenen Menschen erblickt, der also wohl gewandelt war, wie er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen ist, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt‹, so gesteh’ ich ihm das zu. Wenn er aber dann sagt: ›Wer da wahrlich also wohl gewandelt ist, ein jeder solche gelangt, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinab‹, {365} so gesteh’ ich ihm das nicht zu. Wenn er dann weiter sagt: ›Die das erkennen, erkennen recht: die anders erkennen, haben falsche Erkenntniss‹, so gesteh’ ich ihm auch das[S. 382] nicht zu. Wenn er dann was er eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden hat eben einzig dabei beharrlich pflegen, sich aneignen, behaupten mag: ›Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹, so gesteh’ ich ihm auch das nicht zu; und warum nicht? Weil die Erkenntniss, Ānando, bei des Vollendeten mächtiger Kennzeichnung der Werke eine andere ist.

»Ist da nun, Ānando, ein Mensch, der ein Mörder und Dieb, ein Wüstling, Lügner, Verleumder, ein Zänker und Schwätzer, voll Gier und Hass und Eitelkeit war, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt, so hat er seine böse That, die leidig empfunden wird, eben früher begangen, oder später begangen, oder hat in seiner Sterbezeit eine falsche Erkenntniss vollzogen und vollbracht: darum ist er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinab gerathen. Wenn er aber hier also übel gewandelt war, hat er sich die Folge davon schon bei Lebzeiten fühlbar gemacht, oder bei der Auferstehung, oder bei nachmaliger Wiederkehr.

»Ist da nun, Ānando, ein Mensch, der ein Mörder und Dieb, ein Wüstling, Lügner, Verleumder, ein Zänker und Schwätzer, voll Gier und Hass und Eitelkeit war, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen, in himmlische Welt, so hat er seine günstige That, die freudig empfunden wird, eben früher begangen, oder später begangen, oder hat in seiner Sterbezeit eine rechte Erkenntniss vollzogen und vollbracht: darum ist er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinauf gerathen. {366} Wenn er aber hier also[S. 383] übel gewandelt war, hat er sich die Folge davon schon bei Lebzeiten fühlbar gemacht, oder bei der Auferstehung, oder bei nachmaliger Wiederkehr.

»Ist da nun, Ānando, ein Mensch, der kein Mörder und Dieb, kein Wüstling, Lügner, Verleumder, kein Zänker und Schwätzer, nicht begehrlich, nicht gehässig, recht gesinnt war, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte gerathen, in himmlische Welt, so hat er seine günstige That, die freudig empfunden wird, eben früher begangen, oder später begangen, oder hat in seiner Sterbezeit eine rechte Erkenntniss vollzogen und vollbracht: darum ist er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinauf gerathen. Wenn er aber hier also wohl gewandelt war, hat er sich die Folge davon schon bei Lebzeiten fühlbar gemacht, oder bei der Auferstehung, oder bei nachmaliger Wiederkehr.

»Ist da nun, Ānando, ein Mensch, der kein Mörder und Dieb, kein Wüstling, Lügner, Verleumder, kein Zänker und Schwätzer, nicht begehrlich, nicht gehässig, recht gesinnt war, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts gerathen, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt, so hat er seine böse That, die leidig empfunden wird, eben früher begangen, oder später begangen, oder hat in seiner Sterbezeit eine falsche Erkenntniss vollzogen und vollbracht: darum ist er, bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, da hinab gerathen. Wenn er aber hier also wohl gewandelt war, hat er sich die Folge davon schon bei Lebzeiten fühlbar gemacht, oder bei der Auferstehung, oder bei nachmaliger Wiederkehr.

[S. 384]

»So giebt es denn, Ānando, ein Wirken, das unmöglich ist und unmöglich erscheint; {367} giebt ein Wirken, das unmöglich ist und möglich erscheint; giebt ein Wirken, das möglich ist und auch möglich erscheint; giebt ein Wirken, das möglich ist und unmöglich erscheint.«[178]

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.


137.

Vierzehnter Theil

Siebente Rede

SECHSFACHEN GEBIETES ABZEICHEN

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Sechsfachen Gebietes Abzeichen will ich euch Mönchen weisen: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Ja, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Sechs innere Gebiete sind zu merken und sechs äußere Gebiete, sechs bewusstsame Reiche sind zu merken und sechs berührsame Reiche, achtzehn geistige Angehungen sind zu merken und sechsunddreißig Fesselpfade;[S. 385] dann habt ihr auf eines gestützt ein anderes abzustoßen; drei Pfeiler der Einsicht dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig; ein solcher heißt der Fahrkundigen vorzüglichster, Leiter der Menschenheerde. Das ist der Stämpel von den Abzeichen sechsfachen Gebietes.

»‚Sechs innere Gebiete sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Gebiet des Gesichts, das Gebiet des Gehörs, das Gebiet des Geruchs, {368} das Gebiet des Geschmacks, das Gebiet des Getastes, das Gebiet des Gedenkens. ‚Sechs innere Gebiete sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Sechs äußere Gebiete sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Gebiet der Formen, das Gebiet der Töne, das Gebiet der Düfte, das Gebiet der Säfte, das Gebiet der Tastungen, das Gebiet der Gedanken. ‚Sechs äußere Gebiete sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Sechs bewusstsame Reiche sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Sehbewusstsein, das Hörbewusstsein, das Riechbewusstsein, das Schmeckbewusstsein, das Tastbewusstsein, das Denkbewusstsein. ‚Sechs bewusstsame Reiche sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Sechs berührsame Reiche sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um Sehberührung, Hörberührung, Riechberührung, Schmeckberührung, Tastberührung, Denkberührung. ‚Sechs berührsame[S. 386] Reiche sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Achtzehn geistige Angehungen sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Hat man mit dem Gesichte eine Form erblickt, so geht man die erfreulich bestehende Form an, geht die unerfreulich bestehende Form an, geht die gleichgültig bestehende Form an. Hat man mit dem Gehöre einen Ton gehört, hat man mit dem Geruche einen Duft gerochen, hat man mit dem Geschmacke einen Saft geschmeckt, hat man mit dem Getaste eine Tastung getastet, hat man mit dem Gedenken ein Ding erkannt, so geht man das erfreulich bestehende Ding an, geht das unerfreulich bestehende Ding an, geht das gleichgültig bestehende Ding an. So giebt es sechs erfreuliche Angehungen, sechs unerfreuliche Angehungen, sechs gleichgültige Angehungen. {369} ‚Achtzehn geistige Angehungen sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Sechsunddreißig Fesselpfade sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um sechs mit dem Hause verbundene Fröhlichkeiten, sechs mit der Entsagung verbundene Fröhlichkeiten, sechs mit dem Hause verbundene Traurigkeiten, sechs mit der Entsagung verbundene Traurigkeiten, sechs mit dem Hause verbundene Gleichheiten, sechs mit der Entsagung verbundene Gleichheiten.

»Was sind nun die sechs mit dem Hause verbundenen Fröhlichkeiten? Wer bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen, den ersehnten, geliebten, angenehmen, herzerfreuenden, süchtigem Genusse entsprechenden,[S. 387] die Erlangung erreicht, oder erhofft, oder an einst Erlangtes, das vergangen, entschwunden, verändert ist, zurückdenkt, wird fröhlich bewegt: eine solche Fröhlichkeit, die heißt mit dem Hause verbundene Fröhlichkeit. Wer bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen, durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften, durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften, durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen, den ersehnten, geliebten, angenehmen, herzerfreuenden, süchtigem Genusse entsprechenden, die Erlangung erreicht, oder erhofft, oder an einst Erlangtes, das vergangen, entschwunden, verändert ist, zurückdenkt, wird fröhlich bewegt: eine solche Fröhlichkeit, die heißt mit dem Hause verbundene Fröhlichkeit. Das sind die sechs mit dem Hause verbundenen Fröhlichkeiten.

»Was sind nun die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten? Wer ebenda bei den Formen Vergänglichkeit gemerkt hat, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Formen von einst wie von heute, alle die Formen sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet, wird fröhlich bewegt: eine solche Fröhlichkeit, {370} die heißt mit der Entsagung verbundene Fröhlichkeit. Wer ebenda bei den Tönen, den Düften, den Säften, den Tastungen, den Dingen Vergänglichkeit gemerkt hat, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Dinge von einst wie von heute, alle die Dinge sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet, wird fröhlich bewegt: eine solche[S. 388] Fröhlichkeit, die heißt mit der Entsagung verbundene Fröhlichkeit. Das sind die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten.

»Was sind nun die sechs mit dem Hause verbundenen Traurigkeiten? Wer bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen, den ersehnten, geliebten, angenehmen, herzerfreuenden, süchtigem Genusse entsprechenden, die Erlangung nicht erreicht, nicht erhofft, oder an einst nicht Erlangtes, das vergangen, entschwunden, verändert ist, zurückdenkt, wird traurig bewegt: eine solche Traurigkeit, die heißt mit dem Hause verbundene Traurigkeit. Wer bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen, durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften, durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften, durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen, den ersehnten, geliebten, angenehmen, herzerfreuenden, süchtigem Genusse entsprechenden, die Erlangung nicht erreicht, nicht erhofft, oder an einst nicht Erlangtes, das vergangen, entschwunden, verändert ist, zurückdenkt, wird traurig bewegt: eine solche Traurigkeit, die heißt mit dem Hause verbundene Traurigkeit. Das sind die sechs mit dem Hause verbundenen Traurigkeiten.

»Was sind nun die sechs mit der Entsagung verbundenen Traurigkeiten? Wer ebenda bei den Formen Vergänglichkeit gemerkt hat, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Formen von einst wie von heute, alle die Formen sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet und nun der höchsten Erlösungen in Sehnsucht[S. 389] gedenkt, {371} ›Wann doch nur werde ich das Gebiet erobert haben, das die Heiligen schon besitzen?‹, so der höchsten Erlösungen sehnsüchtig eingedenk ist, wird aus Sehnsucht traurig bewegt: eine solche Traurigkeit, die heißt mit der Entsagung verbundene Traurigkeit.[179] Wer ebenda bei den Tönen, den Düften, den Säften, den Tastungen, den Dingen Vergänglichkeit gemerkt hat, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Dinge von einst wie von heute, alle die Dinge sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet und nun der höchsten Erlösungen in Sehnsucht gedenkt, ›Wann doch nur werde ich das Gebiet erobert haben, das die Heiligen schon besitzen?‹, so der höchsten Erlösungen sehnsüchtig eingedenk ist, wird aus Sehnsucht traurig bewegt: eine solche Traurigkeit, die heißt mit der Entsagung verbundene Traurigkeit. Das sind die sechs mit der Entsagung verbundenen Traurigkeiten.

»Was sind nun die sechs mit dem Hause verbundenen Gleichheiten? Hat man mit dem Gesichte eine Form erblickt und bleibt gleichgültig, als Thor unbewusst, ein gewöhnlicher Mensch, der Einwirkung und Befruchtung nicht entfremdet, ohne das Elend zu sehn, ein unerfahrener gewöhnlicher Mensch, so kann ein solcher Gleichmuth eine Form nicht überwinden: darum wird dieser Gleichmuth mit dem Hause verbunden geheißen. Hat man mit dem Gehöre einen Ton gehört, hat man mit dem Geruche einen Duft gerochen, hat man mit dem Geschmacke einen Saft geschmeckt, hat man mit dem Getaste eine Tastung getastet, hat man mit dem Gedenken ein Ding erkannt und bleibt gleichgültig, als Thor unbewusst, ein gewöhnlicher Mensch, der Einwirkung[S. 390] und Befruchtung nicht entfremdet, ohne das Elend zu sehn, ein unerfahrener, gewöhnlicher Mensch, so kann ein solcher Gleichmuth ein Ding nicht überwinden: darum wird dieser Gleichmuth mit dem Hause verbunden geheißen. Das sind die sechs mit dem Hause verbundenen Gleichheiten.

{372}»Was sind nun die sechs mit der Entsagung verbundenen Gleichheiten? Hat man ebenda bei den Formen Vergänglichkeit gemerkt, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Formen von einst wie von heute, alle die Formen sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet und bleibt gleichgültig, so kann ein solcher Gleichmuth eine Form überwinden: darum wird dieser Gleichmuth mit der Entsagung verbunden geheißen. Hat man ebenda bei den Tönen, den Düften, den Säften, den Tastungen, den Dingen Vergänglichkeit gemerkt, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Dinge von einst wie von heute, alle die Dinge sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet und bleibt gleichgültig, so kann ein solcher Gleichmuth ein Ding überwinden: darum wird dieser Gleichmuth mit der Entsagung verbunden geheißen. Das sind die sechs mit der Entsagung verbundenen Gleichheiten. — ‚Sechsunddreißig Fesselpfade sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Dann habt ihr auf eines gestützt ein anderes abzustoßen‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Da mögt ihr denn, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit[S. 391] dem Hause verbundenen Fröhlichkeiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, das ist die Art, wie man diese überschreiten kann. Dann mögt ihr, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Traurigkeiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit dem Hause verbundenen Traurigkeiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, das ist die Art, wie man diese überschreiten kann. Dann mögt ihr, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Gleichheiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit dem Hause verbundenen Gleichheiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, {373} das ist die Art, wie man diese überschreiten kann. Dann mögt ihr, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit der Entsagung verbundenen Traurigkeiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, das ist die Art, wie man diese überschreiten kann. Dann mögt ihr, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Gleichheiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, das ist die Art, wie man diese überschreiten kann.

»Es giebt, ihr Mönche, einen Gleichmuth, der vielfach, mit Vielheit verbunden ist, es giebt einen Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist. Was ist das nun, ihr Mönche, für ein Gleichmuth, der vielfach, mit Vielheit verbunden ist? Es giebt, ihr Mönche, einen[S. 392] Gleichmuth bei Formen, giebt ihn bei Tönen, bei Düften, bei Säften, bei Tastungen: das ist, ihr Mönche, ein Gleichmuth, der vielfach, mit Vielheit verbunden ist. Was aber ist das, ihr Mönche, für ein Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist? Es giebt, ihr Mönche, einen Gleichmuth, der an die unbegränzte Raumsphäre gebunden ist, der an die unbegränzte Bewusstseinsphäre gebunden ist, der an die Nichtdaseinsphäre gebunden ist, der an die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung gebunden ist: das ist, ihr Mönche, ein Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist. Da mögt ihr denn, Mönche, den Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist, als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um den Gleichmuth, der vielfach, mit Vielheit verbunden ist, abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diesen abstoßen kann, das ist die Art, wie man diesen überschreiten kann. Unmittelbarkeit mögt ihr, Mönche, als Stütze gebrauchen, Unmittelbarkeit als Staffel gebrauchen um den Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist, abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diesen abstoßen kann, das ist die Art, wie man diesen überschreiten kann. — ‚Dann habt ihr auf eines gestützt ein anderes abzustoßen‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

{374} »‚Drei Pfeiler der Einsicht dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Da legt, ihr Mönche, ein Meister den Jüngern die Lehre dar, mitleidig, wohlwollend, von Mitleid bewogen: ›Das dient euch zum Wohle, das dient euch zum Heile.‹ Und die Jünger horchen nicht auf ihn,[S. 393] leihen ihm kein Gehör, wenden das Herz nicht dem Verständnisse zu, und übertreten in ihrem Betragen die Satzung des Meisters. Da wird, ihr Mönche, der Vollendete nicht unzufrieden, empfindet keine Unzufriedenheit, unbetrübt verweilt er besonnen, klar bewusst. Das heißt man, ihr Mönche, ersten Pfeiler der Einsicht, dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig.

»Weiter sodann, ihr Mönche: da legt ein Meister den Jüngern die Lehre dar, mitleidig, wohlwollend, von Mitleid bewogen: ›Das dient euch zum Wohle, das dient euch zum Heile.‹ Und manche der Jünger horchen nicht auf ihn, leihen ihm kein Gehör, wenden das Herz nicht dem Verständnisse zu, und übertreten in ihrem Betragen die Satzung des Meisters; und manche der Jünger horchen auf ihn, leihen ihm Gehör, wenden das Herz dem Verständnisse zu, und nicht übertreten sie in ihrem Betragen die Satzung des Meisters. Da wird, ihr Mönche, der Vollendete weder zufrieden, empfindet keine Zufriedenheit, noch unzufrieden, empfindet keine Unzufriedenheit: Zufriedenheit und Unzufriedenheit, beides hat er von sich gewiesen, gleichmüthig verweilt er besonnen, klar bewusst. Das heißt man, ihr Mönche, zweiten Pfeiler der Einsicht, dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig.

»Weiter sodann, ihr Mönche: da legt ein Meister den Jüngern die Lehre dar, mitleidig, wohlwollend, von Mitleid bewogen: ›Das dient euch zum Wohle, das dient euch zum Heile.‹ {375} Und die Jünger horchen auf ihn, leihen ihm Gehör, wenden das Herz dem Verständnisse zu, und[S. 394] nicht übertreten sie in ihrem Betragen die Satzung des Meisters. Da wird, ihr Mönche, der Vollendete nicht zufrieden, empfindet keine Zufriedenheit, ungetrübt verweilt er besonnen, klar bewusst.[180] Das heißt man, ihr Mönche, dritten Pfeiler der Einsicht, dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig. — ‚Drei Pfeiler der Einsicht, dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Ein solcher heißt der Fahrkundigen vorzüglichster, Leiter der Menschenheerde‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Der Elephantenlenker, ihr Mönche, lässt den Reitelephanten eben nach einer Richtung laufen, nach Osten oder nach Westen, nach Norden oder nach Süden. Der Rosselenker, ihr Mönche, lässt das Wagenross eben nach einer Richtung laufen, nach Osten oder nach Westen, nach Norden oder nach Süden. Der Stiertreiber, ihr Mönche, lässt den Zugstier eben nach einer Richtung laufen, nach Osten oder nach Westen, nach Norden oder nach Süden. Der Vollendete, ihr Mönche, der Heilige, vollkommen Erwachte, lässt das Menschenthier[181] acht Richtungen durchlaufen. Formhaft ist es und sieht die Formen: das ist die erste Richtung. Innen ohne Formwahrnehmung sieht es außen Formen: das ist die zweite Richtung. Schönheit nur hat es im Sinne[182]: das ist die dritte Richtung. Durch völlige Ueberwindung der Formwahrnehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Vielheitwahrnehmungen gewinnt es in dem Gedanken ›Gränzenlos ist der Raum‹ das Reich des unbegränzten[S. 395] Raumes: das ist die vierte Richtung. Nach völliger Ueberwindung der unbegränzten Raumsphäre gewinnt es in dem Gedanken {376} ›Gränzenlos ist das Bewusstsein‹ das Reich des unbegränzten Bewusstseins: das ist die fünfte Richtung. Nach völliger Ueberwindung der unbegränzten Bewusstseinsphäre gewinnt es in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins: das ist die sechste Richtung. Nach völliger Ueberwindung der Nichtdaseinsphäre erreicht es die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung: das ist die siebente Richtung. Nach völliger Ueberwindung der Gränzscheide möglicher Wahrnehmung erreicht es die Auflösung der Wahrnehmbarkeit: das ist die achte Richtung. Der Vollendete, ihr Mönche, der Heilige, vollkommen Erwachte, lässt das Menschenthier diese acht Richtungen durchlaufen. — ‚Ein solcher heißt der Fahrkundigen vorzüglichster, Leiter der Menschenheerde‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[183]


138.

Vierzehnter Theil

Achte Rede

DES STÄMPELS ABZEICHEN

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die[S. 396] Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Des Stämpels Abzeichen will ich euch Mönchen weisen: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Ja, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Mehr und mehr, ihr Mönche, mag der Mönch Obacht üben, dass ihm da wie er Obacht übt nach außen das Bewusstsein nicht zerstreut, nicht zerfahren werde, innen nicht zuständig, ohne anzuhangen unerschütterlich sei; ist nach außen, ihr Mönche, das Bewusstsein nicht zerstreut, {377} nicht zerfahren, innen nicht zuständig, wird man ohne anzuhangen unerschütterlich ein Entstehn und Hervorgehn von Geburt und Alter, Tod und Leiden künftig nicht mehr finden.«

Also sprach der Erhabene. Als der Willkommene das gesagt hatte, stand er auf und zog sich in das Wohnhaus zurück.

Da gedachten denn die Mönche, bald nachdem der Erhabene fortgegangen war, unter sich: ›Diesen Stämpel, ihr Brüder, hat uns der Erhabene im Umrisse dargestellt, ohne die Abzeichen ausführlich zu erläutern, ist aufgestanden und hat sich in das Wohnhaus zurückgezogen. Wer könnte nun wohl dieser kurzen Andeutung Inhalt ausführlich begründen?‹ Da sagten sich nun jene Mönche: ›Der ehrwürdige Mahākaccāno wird selbst vom Meister gepriesen, von den verständigen Ordensbrüdern aber verehrt: wohl wäre der ehrwürdige Mahākaccāno imstande, den Inhalt dieser kurzen Andeutung ausführlich zu begründen; wie, wenn wir uns nun[S. 397] zum ehrwürdigen Mahākaccāno begeben und ihn bitten würden, uns den Inhalt darzulegen?‹ Und jene Mönche begaben sich zum ehrwürdigen Mahākaccāno, wechselten höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit ihm und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprachen nun jene Mönche zum ehrwürdigen Mahākaccāno also:

{378} »Diesen Stämpel, Bruder Kaccāno, hat uns der Erhabene im Umrisse dargestellt, ohne die Abzeichen ausführlich zu erläutern, ist aufgestanden und hat sich in das Wohnhaus zurückgezogen: ›Mehr und mehr, ihr Mönche, mag der Mönch Obacht üben, dass ihm da wie er Obacht übt nach außen das Bewusstsein nicht zerstreut, nicht zerfahren werde, innen nicht zuständig, ohne anzuhangen unerschütterlich sei; ist nach außen, ihr Mönche, das Bewusstsein nicht zerstreut, nicht zerfahren, innen nicht zuständig, wird man ohne anzuhangen unerschütterlich ein Entstehn und Hervorgehn von Geburt und Alter, Tod und Leiden künftig nicht mehr finden.‹ Da kam uns, Bruder Kaccāno, bald nachdem der Erhabene fortgegangen war, der Gedanke: ›Diesen Stämpel, ihr Brüder, hat uns der Erhabene im Umrisse dargestellt, ohne die Abzeichen ausführlich zu erläutern, ist aufgestanden und hat sich in das Wohnhaus zurückgezogen. Wer könnte nun wohl dieser kurzen Andeutung Inhalt ausführlich begründen?‹ Da sagten wir uns, Bruder Kaccāno: ›Der ehrwürdige Mahākaccāno wird selbst vom Meister gepriesen, von den verständigen Ordensbrüdern aber verehrt: wohl wäre der ehrwürdige Mahākaccāno imstande, den Inhalt dieser kurzen Andeutung ausführlich zu begründen; wie, wenn wir uns nun[S. 398] zum ehrwürdigen Mahākaccāno begeben und ihn bitten würden, uns den Inhalt darzulegen?‹ {379} Mög’ es der ehrwürdige Mahākaccāno thun!«

»Gleichwie etwa, Brüder, wenn ein Mann, der Kernholz begehrt, Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, über Wurzel und Stamm eines großen kernig dastehenden Baumes hinaufkletterte und im Laubgezweige Kernholz finden wollte: so ergeht es nun hier euch Ehrwürdigen, die ihr vor dem Meister gewesen seid, den Herrn übergangen habt und von mir die Lösung der Frage erwartet. Doch der Erhabene, ihr Brüder, ist der kennende Kenner und der sehende Seher, der Auggewordene, Erkenntnissgewordene, Wahrheitgewordene, Heiligkeitgewordene, der Künder und Verkünder, der Eröffner des Inhalts, der Spender der Unsterblichkeit, der Herr der Wahrheit, der Vollendete. Und es war ja wohl noch an der Zeit gewesen, dass ihr den Erhabenen selbst befragen und diesen Gegenstand der Erklärung des Erhabenen gemäß bewahren konntet.«

»Freilich, Bruder Kaccāno, ist der Erhabene der kennende Kenner und der sehende Seher, der Auggewordene, Erkenntnissgewordene, Wahrheitgewordene, Heiligkeitgewordene, der Künder und Verkünder, der Eröffner des Inhalts, der Spender der Unsterblichkeit, der Herr der Wahrheit, der Vollendete. Und es war ja wohl noch an der Zeit gewesen, dass wir den Erhabenen selbst befragen und diesen Gegenstand der Erklärung des Erhabenen gemäß bewahren konnten. Aber der ehrwürdige Mahākaccāno wird ja selbst vom Meister gepriesen und von den verständigen Ordensbrüdern verehrt: wohl wäre der ehrwürdige Mahākaccāno imstande, den Inhalt[S. 399] jener vom Erhabenen kurz gegebenen Andeutung ausführlich darzulegen. Mög’ es der ehrwürdige Mahākaccāno thun und es nicht übel nehmen!«

»Wohlan denn, ihr Brüder, so höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Bruder!« antworteten da aufmerksam jene Mönche dem ehrwürdigen Mahākaccāno. Der ehrwürdige Mahākaccāno sprach also:

{380} »Den Stämpel, ihr Brüder, den uns der Erhabene im Umrisse dargestellt hat, ohne die Abzeichen ausführlich zu erläutern: ›Mehr und mehr, ihr Mönche, mag der Mönch Obacht üben, dass ihm da wie er Obacht übt nach außen das Bewusstsein nicht zerstreut, nicht zerfahren werde, innen nicht zuständig, ohne anzuhangen unerschütterlich sei; ist nach außen, ihr Mönche, das Bewusstsein nicht zerstreut, nicht zerfahren, innen nicht zuständig, wird man ohne anzuhangen unerschütterlich ein Entstehn und Hervorgehn von Geburt und Alter, Tod und Leiden künftig nicht mehr finden‹: diese kurze Andeutung, ihr Brüder, stelle ich ihrem Inhalt gemäß in folgender Weise ausführlich dar. — Wie also wird, ihr Brüder, das Bewusstsein als nach außen zerstreut und zerfahren bezeichnet? Hat da, ihr Brüder, ein Mönch mit dem Gesichte eine Form erblickt, so folgt das Bewusstsein den Spuren der Form nach, wird von den anziehenden Spuren der Form verlockt, von den anziehenden Spuren der Form gefangen, von den anziehenden Spuren der Form fesselverstrickt: nach außen, sagt man, ist das Bewusstsein zerstreut und zerfahren. Hat er mit dem Gehöre einen Ton gehört, hat er mit dem Geruche einen Duft gerochen, hat er mit dem Geschmacke[S. 400] einen Saft geschmeckt, hat er mit dem Getaste eine Tastung getastet, hat er mit dem Gedenken ein Ding erkannt, so folgt das Bewusstsein den Spuren des Dinges nach, wird von den anziehenden Spuren des Dinges verlockt, von den anziehenden Spuren des Dinges gefangen, von den anziehenden Spuren des Dinges fesselverstrickt: nach außen, sagt man, ist das Bewusstsein zerstreut und zerfahren. Also wird, ihr Brüder, das Bewusstsein als nach außen zerstreut und zerfahren bezeichnet.

»Wie aber wird, ihr Brüder, das Bewusstsein als nach außen nicht zerstreut, nicht zerfahren bezeichnet? Hat da, ihr Brüder, ein Mönch mit dem Gesichte eine Form erblickt, so folgt das Bewusstsein den Spuren der Form nicht nach, wird von den anziehenden Spuren der Form nicht verlockt, von den anziehenden Spuren der Form nicht gefangen, von den anziehenden Spuren der Form nicht fesselverstrickt: nach außen, sagt man,{381} ist das Bewusstsein nicht zerstreut, nicht zerfahren. Hat er mit dem Gehöre einen Ton gehört, hat er mit dem Geruche einen Duft gerochen, hat er mit dem Geschmacke einen Saft geschmeckt, hat er mit dem Getaste eine Tastung getastet, hat er mit dem Gedenken ein Ding erkannt, so folgt das Bewusstsein den Spuren des Dinges nicht nach, wird von den anziehenden Spuren des Dinges nicht verlockt, von den anziehenden Spuren des Dinges nicht gefangen, von den anziehenden Spuren des Dinges nicht fesselverstrickt: nach außen, sagt man, ist das Bewusstsein nicht zerstreut, nicht zerfahren. Also wird, ihr Brüder, das Bewusstsein als nach außen nicht zerstreut, nicht zerfahren bezeichnet.

»Wie aber wird, ihr Brüder, das Herz als innen zuständig[S. 401] bezeichnet? Da hat, ihr Brüder, ein Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit die Weihe der ersten Schauung erwirkt. Dessen Bewusstsein folgt ruhegeborener säliger Heiterkeit nach, wird von ruhegeborener säliger Heiterkeit verlockt, von ruhegeborener säliger Heiterkeit gefangen, von ruhegeborener säliger Heiterkeit fesselverstrickt: innen zuständig, sagt man, ist das Herz. Weiter sodann, ihr Brüder, hat der Mönch nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens die innere Meeresstille erwirkt, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Dessen Bewusstsein folgt der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit nach, wird von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit verlockt, von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit gefangen, von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit fesselverstrickt: innen zuständig, sagt man, ist das Herz. Weiter sodann, ihr Brüder, verweilt der Mönch in heiterer Ruhe, gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Dessen Bewusstsein folgt dem Gleichmuthe nach, wird von dem anziehenden Glücke des Gleichmuthes verlockt, von dem anziehenden Glücke des Gleichmuthes gefangen, von dem anziehenden Glücke des Gleichmuthes fesselverstrickt: innen zuständig, sagt man, ist das Herz. Weiter sodann, ihr Brüder, hat der Mönch nach Verwerfung der Freuden und Leiden,{382} nach Vernichtung [S. 402] des einstigen Frohsinns und Trübsinns die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen, vollkommenen Reine, die vierte Schauung erwirkt. Dessen Bewusstsein folgt dem leidlos Freudlosen nach, wird von dem anziehenden leidlos Freudlosen verlockt, von dem anziehenden leidlos Freudlosen gefangen, von dem anziehenden leidlos Freudlosen fesselverstrickt: innen zuständig, sagt man, ist das Herz. Also wird, ihr Brüder, das Herz als innen zuständig bezeichnet.

»Wie aber wird, ihr Brüder, das Herz als innen unzuständig bezeichnet? Da hat, ihr Brüder, ein Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit die Weihe der ersten Schauung erwirkt. Dessen Bewusstsein folgt ruhegeborener säliger Heiterkeit nicht nach, wird von ruhegeborener säliger Heiterkeit nicht verlockt, von ruhegeborener säliger Heiterkeit nicht gefangen, von ruhegeborener säliger Heiterkeit nicht fesselverstrickt: innen unzuständig, sagt man, ist das Herz. Weiter sodann, ihr Brüder, hat der Mönch nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens die innere Meeresstille erwirkt, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Dessen Bewusstsein folgt der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit nicht nach, wird von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit nicht verlockt, von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit nicht gefangen, von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit nicht fesselverstrickt: innen unzuständig, sagt man, ist das Herz. Weiter sodann, ihr Brüder, verweilt[S. 403] der Mönch in heiterer Ruhe, gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Dessen Bewusstsein folgt dem Gleichmuthe nicht nach, wird von dem anziehenden Glücke des Gleichmuthes nicht verlockt, von dem anziehenden Glücke des Gleichmuthes nicht gefangen, von dem anziehenden Glücke des Gleichmuthes nicht fesselverstrickt: innen unzuständig, sagt man, ist das Herz. Weiter sodann, ihr Brüder, hat der Mönch nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung erwirkt. Dessen Bewusstsein folgt dem leidlos Freudlosen nicht nach, wird von dem anziehenden leidlos Freudlosen nicht verlockt, von dem anziehenden leidlos Freudlosen nicht gefangen, von dem anziehenden leidlos Freudlosen nicht fesselverstrickt: innen unzuständig, sagt man, ist das Herz. {383} Also wird, ihr Brüder, das Herz als innen unzuständig bezeichnet.

»Wie aber wird man, ihr Brüder, ohne anzuhangen erschüttert? Da hat einer, ihr Brüder, nichts erfahren, ist ein gewöhnlicher Mensch, ohne Sinn für das Heilige, der heiligen Lehre unkundig, der heiligen Lehre unzugänglich, ohne Sinn für das Edle, der Lehre der Edlen unkundig, der Lehre der Edlen unzugänglich und betrachtet die Form als sich selbst, oder sich selbst als formähnlich, oder in sich selbst die Form, oder in der Form sich selbst. Nun wandelt sich ihm seine Form um, verändert sich. Wie sich ihm die Form umwandelt[S. 404] und verändert, dreht sich ihm das Bewusstsein um den Wandel der Form herum. Aus dem Herumdrehn um den Wandel der Form gehn Erschütterungen, wie es die Dinge mit sich bringen, hervor, umspannen ihm rings das Herz. Weil ihm das Herz rings umspannt ist, kommt ihn Zittern und Quaal und Verzagen an: und ohne anzuhangen wird er erschüttert. Das Gefühl, die Wahrnehmung, die Unterscheidungen, das Bewusstsein betrachtet er als sich selbst, oder sich selbst als bewusstseinähnlich, oder in sich selbst das Bewusstsein, oder im Bewusstsein sich selbst. Nun wandelt sich ihm sein Bewusstsein um, verändert sich. Wie sich ihm das Bewusstsein umwandelt und verändert, dreht sich ihm das Bewusstsein um den Wandel des Bewusstseins herum. Aus dem Herumdrehn um den Wandel des Bewusstseins gehn Erschütterungen, wie es die Dinge mit sich bringen, hervor, umspannen ihm rings das Herz. Weil ihm das Herz rings umspannt ist, kommt ihn Zittern und Quaal und Verzagen an: und ohne anzuhangen wird er erschüttert. Also wird man, ihr Brüder, ohne anzuhangen erschüttert.

»Wie aber wird man, ihr Brüder, ohne anzuhangen nicht erschüttert? Da hat einer, ihr Brüder, als erfahrener heiliger Jünger das Heilige gemerkt, ist der heiligen Lehre kundig, der heiligen Lehre wohlzugänglich, hat das Edle gemerkt, ist der Lehre der Edlen kundig, der Lehre der Edlen wohlzugänglich und betrachtet die Form nicht als sich selbst, noch sich selbst als formähnlich, noch in sich selbst die Form, noch in der Form sich selbst. {384} Nun wandelt sich ihm seine Form um, verändert sich. Wie sich ihm die Form umwandelt[S. 405] und verändert, dreht sich ihm das Bewusstsein um den Wandel der Form nicht herum. Ohne Herumdrehn um den Wandel der Form gehn Erschütterungen, wie es die Dinge mit sich bringen, nicht hervor, umspannen ihm nicht das Herz. Weil ihm das Herz nicht umspannt ist, kommt ihn kein Zittern, keine Quaal, kein Verzagen an: und ohne anzuhangen wird er nicht erschüttert. Das Gefühl, die Wahrnehmung, die Unterscheidungen, das Bewusstsein betrachtet er nicht als sich selbst, noch sich selbst als bewusstseinähnlich, noch in sich selbst das Bewusstsein, noch im Bewusstsein sich selbst. Nun wandelt sich ihm sein Bewusstsein um, verändert sich. Wie sich ihm das Bewusstsein umwandelt und verändert, dreht sich ihm das Bewusstsein um den Wandel des Bewusstseins nicht herum. Ohne Herumdrehn um den Wandel des Bewusstseins gehn Erschütterungen, wie es die Dinge mit sich bringen, nicht hervor, umspannen ihm nicht das Herz. Weil ihm das Herz nicht umspannt ist, kommt ihn kein Zittern, keine Quaal, kein Verzagen an: und ohne anzuhangen wird er nicht erschüttert. Also wird man, ihr Brüder, ohne anzuhangen unerschütterlich.

»Das, ihr Brüder, scheinen mir die ausgeführten Abzeichen jenes Stämpels zu sein, den uns der Erhabene im Umrisse dargestellt hat: ›Mehr und mehr, ihr Mönche, mag der Mönch Obacht üben, dass ihm da wie er Obacht übt nach außen das Bewusstsein nicht zerstreut, nicht zerfahren werde, innen nicht zuständig, ohne anzuhangen unerschütterlich sei; ist nach außen, ihr Mönche, das Bewusstsein nicht zerstreut, nicht zerfahren, innen nicht zuständig, wird man ohne anzuhangen unerschütterlich[S. 406] ein Entstehn und Hervorgehn von Geburt und Alter, Tod und Leiden künftig nicht mehr finden.‹ {385} Wenn es euch Ehrwürdigen nun recht ist, so gehet hin und befragt den Erhabenen selbst hierüber: wie es uns der Erhabene erklärt wollet es behalten.«

Da waren denn jene Mönche über des ehrwürdigen Mahākaccāno Rede erfreut, erhoben sich befriedigt von ihren Sitzen und begaben sich dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend berichteten nun {386} jene Mönche dem Erhabenen Wort um Wort die ganze Begegnung, die sie mit dem ehrwürdigen Mahākaccāno gehabt hatten. »Da hat uns, o Herr, der ehrwürdige Mahākaccāno auf solche Weise, in solcher Art, mit solchen Bestimmungen den Inhalt dargestellt.«

»Weise, ihr Mönche, ist Mahākaccāno, wissensmächtig, ihr Mönche, ist Mahākaccāno. Wolltet ihr mich, ihr Mönche, um Aufklärung angehn, ich würde den Gegenstand genau so erläutern, wie ihn Mahākaccāno erläutert hat: denn eben das ist der Inhalt, und den sollt ihr derart bewahren.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[184]


[S. 407]

139.

Vierzehnter Theil

Neunte Rede

STREITLOSE ABZEICHEN

{387} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Streitlose Abzeichen will ich euch Mönchen weisen: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Ja, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Keinem Begierdenwohle sich hingeben, dem gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, und auch keiner Selbstkasteiung sich hingeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen: eben diese beiden Enden hat der Vollendete beiseite gelassen und den mittleren Pfad aufgefunden, auf dessen Fährte man sehend und wissend wird, der zur Ebbung, Durchschauung, Erwachung, Erlöschung führt. Zurede kennen und Abrede kennen; weil man Zurede kennt und Abrede kennt, weder zureden noch abreden: die Satzung eben aufweisen. Wohl ergründen verstehn; weil man Wohl ergründen versteht, innigem Wohle sich hingeben. Heimlich keine Rede führen, öffentlich keine flüsternde Sprache; und ohne sich zu eilen reden und nicht eilfertig. Was die Leute zu sagen belieben keiner Beachtung würdigen, den Namen nicht überschätzen. Das ist der Stämpel der streitlosen Abzeichen.

[S. 408]

»‚Keinem Begierdenwohle sich hingeben, dem gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, und auch keiner Selbstkasteiung sich hingeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? {388} Wann Begierden ergetzen vergnüglich sich hingeben, gewöhnlich, gemein, alltäglich, unheilig, unheilsam, das ist ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn. Wann Begierden ergetzen vergnüglicher Hingabe sich nicht ergeben, der gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, das ist ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn. Der Selbstkasteiung sich hingeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen, das ist ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn. Der selbstkasteienden Hingabe sich nicht ergeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen, das ist ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn. ‚Keinem Begierdenwohle sich hingeben, dem gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, und auch keiner Selbstkasteiung sich hingeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Eben diese beiden Enden hat der Vollendete beiseite gelassen und den mittleren Pfad aufgefunden, auf dessen Fährte man sehend und wissend wird, der zur Ebbung, Durchschauung, Erwachung, Erlöschung führt‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um ebendiesen heiligen achtfältigen Weg, der da ist rechte Erkenntniss, rechte Gesinnung, rechte Rede,[S. 409] rechtes Handeln, rechtes Wandeln, rechtes Mühn, rechte Einsicht, rechte Einigung. ‚Eben diese beiden Enden hat der Vollendete beiseite gelassen und den mittleren Pfad aufgefunden, auf dessen Fährte man sehend und wissend wird, der zur Ebbung, Durchschauung, Erwachung, Erlöschung führt‘: {389} wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Zurede kennen und Abrede kennen; weil man Zurede kennt und Abrede kennt, weder zureden noch abreden: die Satzung eben aufweisen‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wie redet man also, ihr Mönche, zu, und wie redet man ab, und wie weist man die Satzung nicht auf? ‚Wann Begierden ergetzen vergnüglicher Hingabe sich ergeben, der gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, das ist für jeden leidig, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrt vorgegangen‘: also sprechend redet man so manchen ab. ‚Wann Begierden ergetzen vergnüglicher Hingabe sich nicht ergeben, der gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, das ist für jeden ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, recht vorgegangen‘: also sprechend redet man so manchen zu. ‚Der selbstkasteienden Hingabe sich ergeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen, das ist für jeden leidig, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrt vorgegangen‘: also sprechend redet man so manchen ab. ‚Der selbstkasteienden Hingabe sich nicht ergeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen, das ist für jeden ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, recht vorgegangen‘: also sprechend redet man[S. 410] so manchen zu. ‚Wer es auch sei, der die Fessel des Daseins nicht abgestreift hat, ein jeder solche hat Leid, hat Quaal, hat Jammer, hat Schmerz, ist verkehrt vorgegangen‘: also sprechend redet man so manchen ab. ‚Wer es auch sei, der die Fessel des Daseins abgestreift hat, ein jeder solche hat kein Leid, keine Quaal, keinen Jammer, keinen Schmerz, ist recht vorgegangen‘[185]: also sprechend redet man so manchen zu. Also, ihr Mönche, redet man zu, und redet man ab, und weist man die {390} Satzung nicht auf.

»Wie aber wird, ihr Mönche, weder zugeredet noch abgeredet, nur die Satzung aufgewiesen? ‚Wann Begierden ergetzen vergnüglicher Hingabe sich ergeben, der gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, das ist für jeden leidig, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrt vorgegangen‘: das sagt man nicht. ‚Die Hingabe freilich, das ist ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn‘: also sprechend weist man eben die Satzung auf. ‚Wann Begierden ergetzen vergnüglicher Hingabe sich nicht ergeben, der gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, das ist für jeden ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, recht vorgegangen‘: das sagt man nicht. ‚Keine Hingabe freilich, das ist ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn‘: also sprechend weist man eben die Satzung auf. ‚Der selbstkasteienden Hingabe sich ergeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen, das ist für jeden leidig, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrt vorgegangen‘: das sagt man nicht.[S. 411] ‚Die Hingabe freilich, das ist ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn‘: also sprechend weist man eben die Satzung auf. ‚Der selbstkasteienden Hingabe sich nicht ergeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen, das ist für jeden ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, recht vorgegangen‘: das sagt man nicht. ‚Keine Hingabe freilich, das ist ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn‘: also sprechend weist man eben die Satzung auf. ‚Wer es auch sei, der die Fessel des Daseins nicht abgestreift hat, ein jeder solche hat Leid, hat Quaal, hat Jammer, hat Schmerz, ist verkehrt vorgegangen‘: das sagt man nicht. ‚Ist freilich die Fessel des Daseins nicht abgestreift, ist das Dasein nicht abgestreift worden‘: also sprechend weist man eben die Satzung auf. ‚Wer es auch sei, der die Fessel des Daseins abgestreift hat, ein jeder solche hat kein Leid, keine Quaal, keinen Jammer, keinen Schmerz, ist recht vorgegangen‘: das sagt man nicht. ‚Ist freilich die Fessel des Daseins abgestreift, ist das Dasein abgestreift worden‘: {391} also sprechend weist man eben die Satzung auf. Also wird, ihr Mönche, weder zugeredet noch abgeredet, nur die Satzung aufgewiesen. ‚Zurede kennen und Abrede kennen; weil man Zurede kennt und Abrede kennt, weder zureden noch abreden: die Satzung eben aufweisen‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Wohl ergründen verstehn; weil man Wohl ergründen versteht, innigem Wohle sich hingeben‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Fünf Begehrungen, ihr Mönche, giebt es: welche fünf? Die[S. 412] durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Töne, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säfte, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden; die durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, reizenden. Das sind, ihr Mönche, die fünf Begehrungen. Was da, ihr Mönche, Wohl und Erwünschtes diesen fünf Begehrungen gemäß geht, das nennt man Begierdenwohl, kothiges Wohl, gemeines Menschenwohl, unheiliges Wohl.[186] Nicht zu pflegen, nicht zu hegen, nicht zu mehren ist es: zu hüten hat man sich vor solchem Wohle, sag’ ich. — Da weilt, ihr Mönche, ein Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt er die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. In heiterer Ruhe verweilt er gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der[S. 413] dritten Schauung. Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt er die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. {392} Das nennt man Wohl der Entsagung, Wohl der Einsamkeit, Wohl der Beruhigung, Wohl der Erwachung. Zu pflegen und zu hegen und zu mehren ist es: nicht zu hüten hat man sich vor solchem Wohle, sag’ ich. ‚Wohl ergründen verstehn; weil man Wohl ergründen versteht, innigem Wohle sich hingeben‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Heimlich keine Rede führen, öffentlich keine flüsternde Sprache‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wer da, ihr Mönche, von einer heimlichen Rede weiß, dass sie unwahr, unächt, unheilsam ist, soll diese heimliche Rede gewiss nicht sagen. Weiß man aber von einer heimlichen Rede, dass sie wahr und ächt und unheilsam ist, soll man eben bestrebt sein, sie nicht zu sagen. Weiß man dagegen von einer heimlichen Rede, dass sie wahr und ächt und heilsam ist, mag man da die Zeit ermessen, diese heimliche Rede zu sagen. Wer da, ihr Mönche, von öffentlichem Geflüster weiß, dass es unwahr, unächt, unheilsam ist, soll dieses öffentliche Geflüster gewiss nicht sagen. Weiß man aber von einem öffentlichen Geflüster, dass es wahr und ächt und unheilsam ist, soll man eben bestrebt sein, es nicht zu sagen. Weiß man dagegen von einem öffentlichen Geflüster, dass es wahr und ächt und heilsam ist, mag man da die Zeit ermessen, dieses öffentliche Geflüster zu sagen. ‚Heimlich keine Rede[S. 414] führen, öffentlich keine flüsternde Sprache‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.[187]

»‚Und ohne sich zu eilen reden und nicht eilfertig‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wer da, ihr Mönche, in Eile redet, wird körperlich müde, geistig matt, die Stimme versagt, die Kehle wird heiser: undeutlich ist und unverständlich des Eilfertigen Rede. Wer da, ihr Mönche, ohne Eile redet, wird nicht körperlich müde, nicht geistig matt, die Stimme versagt nicht, die Kehle wird nicht heiser: {393} deutlich ist und verständlich die Rede dessen, der nicht eilt. ‚Und ohne sich zu eilen reden und nicht eilfertig‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.[188]

»‚Was die Leute zu sagen belieben keiner Beachtung würdigen, den Namen nicht überschätzen‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wie also wird, ihr Mönche, was die Leute zu sagen belieben der Beachtung gewürdigt und der Name überschätzt? Da wird man, ihr Mönche, wie es eben in mancherlei Gegenden üblich ist, ‚Beschützer‘ genannt, ‚Behüter‘ genannt, ‚Behälter‘ genannt, ‚Geschirr‘ genannt, ‚Geschmeiß‘ genannt, ‚Schmarotzer‘ genannt, ‚Geziefer‘ genannt, ‚Gesindel‘ genannt. Wie man bald so und bald so in diesen und jenen Gegenden genannt wird, giebt man da mehr und mehr genau und geflissentlich acht: ‚Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes.‘ Also wird, ihr Mönche, was die Leute zu sagen belieben der Beachtung gewürdigt und der Name überschätzt.

»Wie aber wird, ihr Mönche, was die Leute zu sagen belieben keiner Beachtung gewürdigt und der Name nicht überschätzt? Da wird man, ihr Mönche, wie es[S. 415] eben in mancherlei Gegenden üblich ist, ‚Beschützer‘ genannt, ‚Behüter‘ genannt, ‚Behälter‘ genannt, ‚Geschirr‘ genannt, ‚Geschmeiß‘ genannt, ‚Schmarotzer‘ genannt, ‚Geziefer‘ genannt, ‚Gesindel‘ genannt. Wie man bald so und bald so in diesen und jenen Gegenden genannt wird, giebt man in dem Gedanken ›Das bringen wohl die Ehrwürdigen in Beziehung auf mich vor‹ minder und minder geflissentlich acht. {394} Also wird, ihr Mönche, was die Leute zu sagen belieben keiner Beachtung gewürdigt und der Name nicht überschätzt. ‚Was die Leute zu sagen belieben keiner Beachtung würdigen, den Namen nicht überschätzen‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»Da ist nun, ihr Mönche, wann Begierden ergetzen vergnüglich sich hingeben, gewöhnlich, gemein, alltäglich, unheilig, unheilsam, ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. Da ist nun, ihr Mönche, wann Begierden ergetzen vergnüglicher Hingabe sich nicht ergeben, der gewöhnlichen, gemeinen, alltäglichen, unheiligen, unheilsamen, ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn, ist darum ein streitloses Ding. Da ist nun, ihr Mönche, der Selbstkasteiung sich hingeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen, ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. Da ist nun, ihr Mönche, der selbstkasteienden Hingabe sich nicht ergeben, der leidigen, unheiligen, unheilsamen, ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne[S. 416] Schmerz, rechtes Vorgehn, ist darum ein streitloses Ding.

»Da ist nun, ihr Mönche, der mittlere Pfad, den der Vollendete aufgefunden, auf dessen Fährte man sehend und wissend wird, der zur Ebbung, Durchschauung, Erwachung, Erlöschung führt, ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn, ist darum ein streitloses Ding.

»Da ist nun, ihr Mönche, zureden und abreden und nicht die Satzung aufweisen ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. {395} Da ist nun, ihr Mönche, weder zureden noch abreden, nur die Satzung aufweisen ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn, ist darum ein streitloses Ding.

»Da ist nun, ihr Mönche, Begierdenwohl, kothiges Wohl, gemeines Menschenwohl, unheiliges Wohl ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. Da ist nun, ihr Mönche, Wohl der Entsagung, Wohl der Einsamkeit, Wohl der Beruhigung, Wohl der Erwachung ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn, ist darum ein streitloses Ding.

»Da ist nun, ihr Mönche, heimliche Rede, die unwahr, unächt, unheilsam ist, ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. Da ist nun, ihr Mönche, heimliche Rede, die wahr und ächt und unheilsam ist, ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll,[S. 417] reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. Da ist nun, ihr Mönche, heimliche Rede, die wahr und ächt und heilsam ist, ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn, ist darum ein streitloses Ding.

»Da ist nun, ihr Mönche, öffentliches Geflüster, das unwahr, unächt, unheilsam ist, ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. Da ist nun, ihr Mönche, öffentliches Geflüster, das wahr und ächt und unheilsam ist, ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. Da ist nun, ihr Mönche, öffentliches Geflüster, das wahr und ächt und heilsam ist, ein Ding ohne Leid, {396} ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn, ist darum ein streitloses Ding.

»Da ist nun, ihr Mönche, in Eile reden ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. Da ist nun, ihr Mönche, ohne Eile reden ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn, ist darum ein streitloses Ding.

»Da ist nun, ihr Mönche, was die Leute zu sagen belieben der Beachtung würdigen und den Namen überschätzen ein leidiges Ding, ist quaalvoll, ist jammervoll, reich an Schmerzen, verkehrtes Vorgehn, ist darum ein streithaftes Ding. Da ist nun, ihr Mönche, was die Leute zu sagen belieben keiner Beachtung würdigen und den Namen nicht überschätzen ein Ding ohne Leid, ist ohne Quaal, ohne Jammer, ohne Schmerz, rechtes Vorgehn, ist darum ein streitloses Ding.

[S. 418]

»Darum aber, ihr Mönche: ›Streithaftes Ding wollen wir verstehn und streitloses Ding; haben wir streithaftes Ding verstanden und streitloses Ding, werden wir auf streitlosem Pfade vorschreiten‹: so habt ihr, Mönche, euch wohl zu üben.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[189]


140.

Vierzehnter Theil

Zehnte Rede

SECHSFACHER ARTUNG ABZEICHEN

{397} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit wanderte der Erhabene im Lande Magadhā von Ort zu Ort weiter und kam nach Rājagaham, begab sich zu Bhaggavo[190] dem Hafner, sprach Bhaggavo den Hafner also an:

»Wenn es dir, Bhaggaver, nicht ungelegen ist, bleiben wir über Nacht im Vorsaale.«

»Es ist mir, o Herr, nicht ungelegen; doch ist ein Pilger da, der schon sein Lager hier aufgeschlagen hat: wenn es dem recht ist, mögt ihr bleiben, o Herr, nach Belieben.«

Um diese Zeit nun war ein edler Sohn, Pukkusāti mit Namen, um des Erhabenen willen, von Zutrauen bewogen, aus dem Hause in die Hauslosigkeit gezogen. Der hatte im Vorsaale bei jenem Hafner sein Lager schon aufgeschlagen. Da schritt nun der Erhabene an den ehrwürdigen Pukkusāti heran und sprach also zu ihm:

[S. 419]

»Wenn es dir, Mönch, nicht ungelegen ist, bleiben wir über Nacht im Vorsaale.«

»Geräumig, Bruder, ist der Vorsaal des Hafners: bleibe der Ehrwürdige nach Belieben.«

Da trat nun der Erhabene in den Vorsaal des Hafners ein, spreitete an der einen Wand die Strohmatte auf und setzte sich nieder, die Beine verschränkt, den Körper gerade aufgerichtet, der Pflege der Einsicht oblegen. Und der Erhabene brachte einen großen Theil der Nacht im Sitzen zu. Und auch der ehrwürdige Pukkusāti brachte einen großen Theil der Nacht im Sitzen zu. Da gedachte denn der Erhabene bei sich: ›Ob wohl dieser edle Sohn fröhlich beflissen ist? Wie, wenn ich ihn nun fragte?‹ Und der Erhabene wandte sich also an den ehrwürdigen Pukkusāti:

»Um wessen willen, o Mönch, bist du hinausgezogen? {398} Wer ist wohl dein Meister? Oder zu wessen Lehre bekennst du dich?«

»Es ist, o Bruder, der Asket Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat! Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: ›Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter der Männerheerde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene.‹ Um des Erhabenen willen bin ich hinausgezogen, Er, der Erhabene ist mein Meister, und zu seiner, zu des Erhabenen Lehre bekenne ich mich.«

»Wo aber, Mönch, weilt Er jetzt, der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte?«

[S. 420]

»Es ist, o Bruder, oben im nördlichen Reiche eine Stadt gelegen, die Sāvatthī heißt: dort hat Er, der Erhabene gegenwärtig seinen Aufenthalt, der Heilige, vollkommen Erwachte.«

»Hast du aber, Mönch, Ihn, den Erhabenen schon einmal gesehn, und würdest du ihn, wenn du ihn sähest, erkennen?«

»Nein, Bruder, ich habe Ihn, den Erhabenen noch nicht gesehn, und sähe ich ihn, würd’ ich ihn nicht erkennen.«

Da gedachte denn der Erhabene bei sich: ›Um meinetwillen ist dieser edle Sohn hinausgezogen; wie, wenn ich ihm nun die Lehre darlegte?‹ Und der Erhabene wandte sich an den ehrwürdigen Pukkusāti und sprach:

»Die Lehre will ich dir, Mönch, darlegen: höre sie und achte wohl auf meine Rede.«

»Gern, Bruder!« sagte da zustimmend der ehrwürdige Pukkusāti dem Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Sechsfache Artung, Mönch, hat der Mensch an sich, sechsfache Berührung, achtzehn geistige Angehungen, vier Belehnungen; Weisheit soll er nicht preisgeben, Wahrheit bewahren, Entsagung vollziehn, den Frieden eben zu finden suchen; auf dass ihn wo er steht kein dünkendes Wähnen ankommen kann: kann aber kein dünkendes Wähnen ankommen, wird er der ›Stille Denker‹ genannt. Das ist der Stämpel der Abzeichen sechsfacher Artung.

»‚Sechsfache Artung, Mönch, hat der Mensch an sich‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? {399} Sechs giebt es, Mönch, der Artungen: Art der[S. 421] Erde, Art des Wassers, Art des Feuers, Art der Luft, Art des Raumes, Art des Bewusstseins. ‚Sechsfache Artung, Mönch, hat der Mensch an sich‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Sechsfache Berührung, Mönch, hat der Mensch an sich‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Gesicht ist Berührung, Gehör ist Berührung, Geruch ist Berührung, Geschmack ist Berührung, Getast ist Berührung, Gedenken ist Berührung. ‚Sechsfache Berührung, Mönch, hat der Mensch an sich‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Achtzehn geistige Angehungen, Mönch, hat der Mensch an sich‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Hat man mit dem Gesichte eine Form erblickt, so geht man die erfreulich bestehende Form an, geht die unerfreulich bestehende Form an, geht die gleichgültig bestehende Form an. Hat man mit dem Gehöre einen Ton gehört, hat man mit dem Geruche einen Duft gerochen, hat man mit dem Geschmacke einen Saft geschmeckt, hat man mit dem Getaste eine Tastung getastet, hat man mit dem Gedenken ein Ding erkannt, so geht man das erfreulich bestehende Ding an, geht das unerfreulich bestehende Ding an, geht das gleichgültig bestehende Ding an. So giebt es sechs erfreuliche Angehungen, sechs unerfreuliche Angehungen, sechs gleichgültige Angehungen. ‚Achtzehn geistige Angehungen, Mönch, hat der Mensch an sich‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Vier Belehnungen, Mönch, hat der Mensch an sich‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um die Belehnung mit Weisheit, die Belehnung[S. 422] mit Wahrheit, die Belehnung mit Entsagung, die Belehnung mit Beruhigung. ‚Vier Belehnungen, Mönch, hat der Mensch an sich‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

{400} »‚Weisheit soll er nicht preisgeben, Wahrheit bewahren, Entsagung vollziehn, den Frieden eben zu finden suchen‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wie also, Mönch, giebt man die Weisheit nicht preis? Sechs Artungen sind da, Mönch, vorhanden: Art der Erde, Art des Wassers, Art des Feuers, Art der Luft, Art des Raumes, Art des Bewusstseins. Was ist nun, Mönch, Art der Erde? Art der Erde mag innerlich sein oder äußerlich. Was ist aber, Mönch, innerliche Erdenart? Was sich innerlich einzeln fest und hart dargestellt hat, als wie Kopfhaare, Körperhaare, Nägel, Zähne, Haut, Fleisch, Sehnen, Knochen, Mark, Nieren, Herz, Leber, Zwerchfell, Milz, Lunge, Magen, Eingeweide, Weichtheile, Koth, oder was sich irgend sonst noch innerlich einzeln fest und hart dargestellt hat: das nennt man, Mönch, innerliche Erdenart. Was es nun da an innerlicher Erdenart und was es an äußerlicher Erdenart giebt, ist eben Art der Erde. Und: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹: so ist das, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit anzusehn. Hat man das also, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit erkannt, wird man der Erdenart satt, löst den Sinn von der Erdenart ab.

»Was ist nun, Mönch, Art des Wassers? Art des Wassers mag innerlich sein oder äußerlich. Was ist aber, Mönch, innerliche Wasserart? Was sich innerlich einzeln flüssig und wässerig dargestellt hat, als wie[S. 423] Galle, Schleim, Eiter, Blut, Schweiß, Lymphe, Thränen, Serum, Speichel, Rotz, Gelenköl, Harn, oder was sich irgend sonst noch innerlich einzeln flüssig und wässerig dargestellt hat: das nennt man, Mönch, innerliche Wasserart. Was es nun da an innerlicher Wasserart und was es an äußerlicher Wasserart giebt, {401} ist eben Art des Wassers. Und: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹: so ist das, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit anzusehn. Hat man das also, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit erkannt, wird man der Wasserart satt, löst den Sinn von der Wasserart ab.

»Was ist nun, Mönch, Art des Feuers? Art des Feuers mag innerlich sein oder äußerlich. Was ist aber, Mönch, innerliche Feuerart? Was sich innerlich einzeln flammig und feurig dargestellt hat, als wie wodurch Wärme erzeugt wird, wodurch man verdaut, wodurch man sich erhitzt, wodurch gekaute Speise und geschlürfter Trank einer vollkommenen Umwandlung erliegen, oder was sich irgend sonst noch innerlich einzeln flammig und feurig dargestellt hat: das nennt man, Mönch, innerliche Feuerart. Was es nun da an innerlicher Feuerart und was es an äußerlicher Feuerart giebt, ist eben Art des Feuers. Und: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹: so ist das, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit anzusehn. Hat man das also, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit erkannt, wird man der Feuerart satt, löst den Sinn von der Feuerart ab.

»Was ist nun, Mönch, Art der Luft? Art der Luft mag innerlich sein oder äußerlich. Was ist aber, Mönch,[S. 424] innerliche Luftart? Was sich innerlich einzeln flüchtig und luftig dargestellt hat, als wie die aufsteigenden und die absteigenden Winde, die Winde des Bauches und Darmes, die Winde, die jedes Glied durchströmen, die Einathmung und die Ausathmung: dies, oder was sich irgend sonst noch innerlich einzeln flüchtig und luftig dargestellt hat, {402} das nennt man, Mönch, innerliche Luftart. Was es nun da an innerlicher Luftart und was es an äußerlicher Luftart giebt, ist eben Art der Luft. Und: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹: so ist das, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit anzusehn. Hat man das also, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit erkannt, wird man der Luftart satt, löst den Sinn von der Luftart ab.

»Was ist nun, Mönch, Art des Raumes? Art des Raumes mag innerlich sein oder äußerlich. Was ist aber, Mönch, innerliche Raumart? Was sich innerlich einzeln räumlich und örtlich dargestellt hat, als wie die Ohrhöhle, die Nasenhöhle, die Mundöffnung, wodurch man gekaute Speise und geschlürften Trank einnimmt, wo gekaute Speise und geschlürfter Trank sich aufhält, wodurch gekaute Speise und geschlürfter Trank unten abgeht, oder was sich irgend sonst noch innerlich einzeln räumlich und örtlich dargestellt hat, das nennt man, Mönch, innerliche Raumart. Was es nun da an innerlicher Raumart und was es an äußerlicher Raumart giebt, ist eben Art des Raumes. Und: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹: so ist das, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit anzusehn. Hat man das also, der Wahrheit gemäß,[S. 425] mit vollkommener Weisheit erkannt, wird man der Raumart satt, löst den Sinn von der Raumart ab.

»Es bleibt nunmehr noch das Bewusstsein übrig, das geläuterte, das geklärte. Mit diesem Bewusstsein wird man wessen bewusst?[191] Wohles wird man da bewusst, Wehes wird man da bewusst, weder Wehes noch Wohles wird man da bewusst. Auf eine Berührung, Mönch, die wohlig zu empfinden ist, erfolgt ein wohliges Gefühl. {403} Und ein wohliges Gefühl empfindend erkennt man: ›Ein wohliges Gefühl empfind’ ich.‹ Weil aber die wohlig zu empfindende Berührung aufhört, hört ein dadurch fühlbar gewordenes, auf wohlig empfundene Berührung erfolgtes wohliges Gefühl auf, und man erkennt: ›Es löst sich auf.‹ Auf eine Berührung, Mönch, die wehe zu empfinden ist, erfolgt ein wehes Gefühl. Und ein wehes Gefühl empfindend erkennt man: ›Ein wehes Gefühl empfind’ ich.‹ Weil aber die wehe zu empfindende Berührung aufhört, hört ein dadurch fühlbar gewordenes, auf wehe empfundene Berührung erfolgtes wehes Gefühl auf, und man erkennt: ›Es löst sich auf.‹ Auf eine Berührung, Mönch, die weder wehe noch wohl zu empfinden ist, erfolgt ein weder wehes noch wohliges Gefühl. Und ein weder wehes noch wohliges Gefühl empfindend erkennt man: ›Ein weder wehes noch wohliges Gefühl empfind’ ich.‹ Weil aber die weder wehe noch wohlig zu empfindende Berührung aufhört, hört ein dadurch fühlbar gewordenes, auf weder wehe noch wohlig empfundene Berührung erfolgtes weder wehes noch wohliges Gefühl auf, und man erkennt: ›Es löst sich auf.‹

»Gleichwie etwa, Mönch, wann da zwei Scheite mit einander gerieben, mit einander geraspelt werden,[S. 426] Wärme entsteht, Feuer hervorbricht; und wann ebendiese beiden Scheite auseinandergerathen, sich trennen, die erst entstandene Wärme wieder vergeht und sich auflöst[192]: ebenso nun auch, Mönch, erfolgt auf eine Berührung, die wohlig zu empfinden ist, ein wohliges Gefühl. Und ein wohliges Gefühl empfindend erkennt man: ›Ein wohliges Gefühl empfind’ ich.‹ Weil aber die wohlig zu empfindende Berührung aufhört, hört ein dadurch fühlbar gewordenes, auf wohlig empfundene Berührung erfolgtes wohliges Gefühl auf, und man erkennt: ›Es löst sich auf.‹ Auf eine Berührung, Mönch, die wehe zu empfinden ist, erfolgt ein wehes Gefühl. {404} Und ein wehes Gefühl empfindend erkennt man: ›Ein wehes Gefühl empfind’ ich.‹ Weil aber die wehe zu empfindende Berührung aufhört, hört ein dadurch fühlbar gewordenes, auf wehe empfundene Berührung erfolgtes wehes Gefühl auf, und man erkennt: ›Es löst sich auf.‹ Auf eine Berührung, Mönch, die weder wehe noch wohlig zu empfinden ist, erfolgt ein weder wehes noch wohliges Gefühl. Und ein weder wehes noch wohliges Gefühl empfindend erkennt man: ›Ein weder wehes noch wohliges Gefühl empfind’ ich.‹ Weil aber die weder wehe noch wohlig zu empfindende Berührung aufhört, hört ein dadurch fühlbar gewordenes, auf weder wehe noch wohlig empfundene Berührung erfolgtes weder wehes noch wohliges Gefühl auf, und man erkennt: ›Es löst sich auf.‹

»Es bleibt nunmehr noch der Gleichmuth übrig, der geläuterte, der geklärte, der geschmeidige, biegsame, durchleuchtige. Gleichwie etwa, Mönch, wenn ein geschickter Goldschmidt oder Goldschmidtgeselle ein Schmelzfeuer anmachte, und hat er das Schmelzfeuer angemacht[S. 427] den Schmelztiegel zusetzte, und hat er den Schmelztiegel zugesetzt mit der Zange ein Stück Gold fasste und in den Schmelztiegel hineinlegte, und es nun von Zeit zu Zeit auftriebe, von Zeit zu Zeit mit Wasser beträufelte, von Zeit zu Zeit in Augenschein nähme: da wird dieses Stück Gold dann bald getrieben sein, gut getrieben, fein getrieben, fein gesäubert, gereinigt von Unrath, geschmeidig, biegsam, durchleuchtig geworden; und zu was für Schmucksachen auch immer er es verarbeiten will, sei es zu einem Armreifen oder einem Ohrringe, zu einem Halsbande oder einer güldenen Kette, es wird seinem Zwecke entsprechen: ebenso nun auch, Mönch, bleibt nunmehr noch der Gleichmuth übrig, der geläuterte, der geklärte, der geschmeidige, biegsame, durchleuchtige.

{405} »Also gewahrt man da: ›Mag ich nun diesen Gleichmuth, den also geläuterten, also geklärten, der unbegränzten Raumsphäre zukehren und dementsprechend das Gemüth ausbilden, mag mir also dieser Gleichmuth, daran gewohnt, daran gehangen, geraume lange Zeiten hindurch ausdauern. Mag ich nun diesen Gleichmuth, den also geläuterten, also geklärten, der unbegränzten Bewusstseinsphäre zukehren und dementsprechend das Gemüth ausbilden, mag mir also dieser Gleichmuth, daran gewohnt, daran gehangen, geraume lange Zeiten hindurch ausdauern. Mag ich nun diesen Gleichmuth, den also geläuterten, also geklärten, der Nichtdaseinsphäre zukehren und dementsprechend das Gemüth ausbilden, mag mir also dieser Gleichmuth, daran gewohnt, daran gehangen, geraume lange Zeiten hindurch ausdauern. Mag ich nun diesen Gleichmuth, den also geläuterten,[S. 428] also geklärten, der Gränzscheide möglicher Wahrnehmung zukehren und dementsprechend das Gemüth ausbilden, mag mir also dieser Gleichmuth, daran gewohnt, daran gehangen, geraume lange Zeiten hindurch ausdauern.‹

»Also gewahrt man da: ›Mag ich nun diesen Gleichmuth, den also geläuterten, also geklärten, der unbegränzten Raumsphäre zukehren und dementsprechend das Gemüth ausbilden: es ist zusammengesetzt. Mag ich nun diesen Gleichmuth, den also geläuterten, also geklärten, der unbegränzten Bewusstseinsphäre zukehren und dementsprechend das Gemüth ausbilden: es ist zusammengesetzt. Mag ich nun diesen Gleichmuth, den also geläuterten, also geklärten, der Nichtdaseinsphäre zukehren und dementsprechend das Gemüth ausbilden: es ist zusammengesetzt. Mag ich nun diesen Gleichmuth, den also geläuterten, also geklärten, der Gränzscheide möglicher Wahrnehmung zukehren und dementsprechend das Gemüth ausbilden: es ist zusammengesetzt.‹

»Man setzt aber nichts zusammen und sinnt nichts zusammen, weder an Sein noch an Nichtsein. {406} Weil man nichts zusammensetzt, nichts zusammensinnt, an Sein oder Nichtsein, ist man an nichts in der Welt gehangen. An nichts gehangen ist man unerschütterlich. Unerschütterlich erlangt man eben die eigene Wahnerlöschung: ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht man da.

»Empfindet man nun ein wohliges Gefühl, so erkennt man ›es ist vergänglich‹, erkennt ›ist unangelegen‹, erkennt ›ist unangenommen‹. Empfindet man ein wehes[S. 429] Gefühl, so erkennt man ›es ist vergänglich‹, erkennt ›ist unangelegen‹, erkennt ›ist unangenommen‹. Empfindet man ein weder wehes noch wohliges Gefühl, so erkennt man ›es ist vergänglich‹, erkennt ›ist unangelegen‹, erkennt ›ist unangenommen‹.

»Empfindet man nun ein wohliges Gefühl, so empfindet man es als ein Losgelöster. Empfindet man ein wehes Gefühl, so empfindet man es als ein Losgelöster. Empfindet man ein weder wehes noch wohliges Gefühl, so empfindet man es als ein Losgelöster.

»Empfindet man nun ein körpergefährdendes Gefühl, so erkennt man: ›Ein körpergefährdendes Gefühl empfind’ ich.‹ Empfindet man ein lebengefährdendes Gefühl, so erkennt man: ›Ein lebengefährdendes Gefühl empfind’ ich.‹ Man erkennt: ›Wann der Körper sich auflöst, bis das Leben verbraucht ist, wird noch hienieden alles was empfinden und annehmen heißt erloschen sein‹.

»Gleichwie etwa, Mönch, das Oel und der Docht eine Oellampe leuchten lassen; wann aber Oel und Docht verbraucht sind und neue Nahrung nicht zugeführt wird, sie ohne Nahrung erlischt: ebenso nun auch, Mönch, erkennt man, ein körpergefährdendes Gefühl empfindend, ›Ein körpergefährdendes Gefühl empfind’ ich‹; erkennt man, ein lebengefährdendes Gefühl empfindend, ›Ein lebengefährdendes Gefühl empfind’ ich‹; erkennt man ›Wann der Körper sich auflöst, bis das Leben verbraucht ist, {407} wird noch hienieden alles was empfinden und annehmen heißt erloschen sein‹.

»So ist nun ein dahin gelangter Mönch mit dieser höchsten Weisheit belehnt. Das ist ja, Mönch, die[S. 430] höchste, heilige Weisheit, nämlich alles Leiden versiegt wissen. Der hat eine Freiheit gefunden, die wahrhaft besteht, unantastbar. Das ist ja, Mönch, falsch, was eitel ist: und das ist wahr, was ächt ist, Wahnerlöschung.

»So ist nun ein dahin gelangter Mönch mit dieser höchsten Wahrheit belehnt. Das ist ja, Mönch, die höchste, heilige Wahrheit, nämlich was ächt ist, die Wahnerlöschung.

»Was er aber da einst als Unwissender für Anhaftungen vollzogen und vollbracht hatte, die hat er überstanden, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, so dass sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln können.

»So ist nun ein dahin gelangter Mönch mit dieser höchsten Entsagung belehnt. Das ist ja, Mönch, die höchste, heilige Entsagung, nämlich aller Anhaftungen sich entäußern.

»Was er aber da einst als Unwissender für Begier hatte und Willen und Eigensucht, die hat er überstanden, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, so dass sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln können.

»Was er aber da einst als Unwissender für Aerger hatte und Hass und Verbitterung, die hat er überstanden, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht, so dass sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln können.

»Was er aber da einst als Unwissender für Unkenntniss hatte und Blödigkeit und Verblendung, die hat er überstanden, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf[S. 431] gleichgemacht, so dass sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln können.

»So ist nun ein dahin gelangter Mönch mit dieser höchsten Beruhigung belehnt. Das ist ja, Mönch, die höchste, heilige Beruhigung, nämlich Gier, Hass und Irre aufgelöst haben. — {408} ‚Weisheit soll er nicht preisgeben, Wahrheit bewahren, Entsagung vollziehn, den Frieden eben zu finden suchen‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‚Auf dass ihn wo er steht kein dünkendes Wähnen ankommen kann: kann aber kein dünkendes Wähnen ankommen, wird er der ›Stille Denker‹ genannt‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? ›Ich bin‹ ist, Mönch, ein Dünken, ›Ich bin nicht‹ ist ein Dünken, ›Ich werde sein‹ ist ein Dünken, ›Ich werde nicht sein‹ ist ein Dünken; ›Formhaft werde ich sein‹ ist ein Dünken, ›Formlos werde ich sein‹ ist ein Dünken; ›Bewusst werde ich sein‹ ist ein Dünken, ›Unbewusst werde ich sein‹ ist ein Dünken, ›Weder bewusst noch unhewusst werde ich sein‹ ist ein Dünken. Dünken, Mönch, ist krank sein, Dünken ist wund sein, Dünken ist weh sein: ist aber alles Dünken, Mönch, überstanden, so wird man ›Stiller Denker‹ genannt. Und der Denker nun, Mönch, der stille, entsteht nicht, vergeht nicht, erstirbt nicht, erbebt nicht, verlangt nicht. Das eben, Mönch, giebt’s nicht bei ihm, dass er entstände; weil er nicht entsteht, wie sollt’ er vergehn? weil er nicht vergeht, wie sollt’ er ersterben? weil er nicht erstirbt, wie sollt’ er erbeben? weil er nicht erbebt, wonach sollt’ er verlangen? — ‚Auf dass ihn wo er steht kein dünkendes Wähnen ankommen kann: kann aber kein dünkendes[S. 432] Wähnen ankommen, wird er der ›Stille Denker‹ genannt‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»Das magst du nun, Mönch, als kurz von mir umrissene Abzeichen sechsfacher Artung betrachten.«

Da wusste ja der ehrwürdige Pukkusāti: ›Der Meister, wahrlich, hat mich besucht, der Willkommene, wahrlich, hat mich besucht, der vollkommen Erwachte, wahrlich, hat mich besucht‹; und er stand auf, entblößte die eine Schulter, fiel dem Erhabenen zu Füßen und sprach also[193]:

»Möchte mir, o Herr, der Erhabene selbst die Ordensweihe {409} ertheilen!«

»Hast du denn, Mönch, Mantel und Almosenschaale schon erhalten?«

»Noch nicht erhalten, o Herr, hab’ ich Mantel und Almosenschaale.«

»Nicht mögen, o Mönch, Vollendete ohne Mantel und Almosenschaale die Ordensweihe ertheilen.«

Und der ehrwürdige Pukkusāti, durch des Erhabenen Rede erfreut und befriedigt, stand auf, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig, ging rechts herum und zog von dannen, Mantel und Almosenschaale sich zu verschaffen.

Wie nun der ehrwürdige Pukkusāti nach Mantel und Almosenschaale umherzog, wurde er durch eine Kuh des Lebens beraubt.[194]

Da begaben sich denn viele Mönche zum Erhabenen hin, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprachen nun die Mönche zum Erhabenen also:

[S. 433]

»Der da, o Herr, Pukkusāti hieß, der edle Sohn, den der Erhabene in kurzer Aufklärung aufgeklärt hatte, der ist gestorben. Wo ist er jetzt, was ist aus ihm geworden?«

»Weise, ihr Mönche, ist Pukkusāti der edle Sohn gewesen, nachgefolgt ist er der Lehre gelehrig, und nicht hat er an meiner Belehrung Anstoß genommen. Pukkusāti, ihr Mönche, der edle Sohn, ist nach Vernichtung der fünf niederzerrenden Fesseln emporgestiegen, {410} um von dort aus zu erlöschen, nicht mehr zurückzukehren nach jener Welt.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[195]


141.

Vierzehnter Theil

Elfte Rede

DER WAHRHEIT ABZEICHEN

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Benāres, am Sehersteine, im Wildparke. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Der Vollendete, ihr Mönche, der Heilige, vollkommen Erwachte hat zu Benāres, am Sehersteine, im Wildparke das höchste Reich der Wahrheit dargestellt: und darwiderstellen kann sich kein Asket und kein Priester, kein Gott, kein böser und kein heiliger Geist, noch[S. 434] irgend wer in der Welt; es ist das Anzeigen, Aufweisen, Darlegen, Darstellen, Enthüllen, Entwickeln, Offenbarmachen der vier heiligen Wahrheiten. Welcher vier? Der heiligen Wahrheit vom Leiden, der heiligen Wahrheit von der Leidensentwicklung, der heiligen Wahrheit von der Leidensauflösung, der heiligen Wahrheit von dem zur Leidensauflösung führenden Pfade. Der Vollendete, ihr Mönche, der Heilige, vollkommen Erwachte hat zu Benāres, {411} am Sehersteine, im Wildparke das höchste Reich der Wahrheit dargestellt: und darwiderstellen kann sich kein Asket und kein Priester, kein Gott, kein böser und kein heiliger Geist, noch irgend wer in der Welt; es ist das Anzeigen, Aufweisen, Darlegen, Darstellen, Enthüllen, Entwickeln, Offenbarmachen dieser vier heiligen Wahrheiten.

»Wendet euch, Mönche, an Sāriputto und Moggallāno, haltet euch, Mönche, an Sāriputto und Moggallāno: weise Mönche sind Wohlthäter ihrer Ordensgenossen. Wie ein Erzeuger, ihr Mönche, ist Sāriputto, wie des Erzeugten Ernährer Moggallāno zu gewahren. Sāriputto, ihr Mönche, führt euch dem Ziele der Hörerschaft zu, Moggallāno bestem Gewinne. Sāriputto, ihr Mönche, ist imstande die vier heiligen Wahrheiten je einzeln anzuzeigen, aufzuweisen, darzulegen, darzustellen, zu enthüllen, zu entwickeln, offenbar zu machen.«

Also sprach der Erhabene. Als der Willkommene das gesagt hatte, stand er auf und zog sich in das Wohnhaus zurück.

Da wandte sich denn der ehrwürdige Sāriputto, bald nachdem der Erhabene fortgegangen war, an die Mönche:[S. 435] »Brüder Mönche!« — »Bruder!« antworteten da jene Mönche dem ehrwürdigen Sāriputto aufmerksam. Der ehrwürdige Sāriputto sprach also:

»Der Vollendete, ihr Brüder, der Heilige, vollkommen Erwachte hat zu Benāres, am Sehersteine, im Wildparke das höchste Reich der Wahrheit dargestellt: und darwiderstellen kann sich kein Asket und kein Priester, kein Gott, kein böser und kein heiliger Geist, noch irgend wer in der Welt; es ist das Anzeigen, Aufweisen, Darlegen, Darstellen, Enthüllen, Entwickeln, Offenbarmachen der vier heiligen Wahrheiten. Welcher vier? Der heiligen Wahrheit vom Leiden, der heiligen Wahrheit von der Leidensentwicklung, {412} der heiligen Wahrheit von der Leidensauflösung, der heiligen Wahrheit von dem zur Leidensauflösung führenden Pfade.

»Was ist aber, Brüder, die heilige Wahrheit vom Leiden? Geburt ist Leiden, Alter ist Leiden, Sterben ist Leiden, Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung sind Leiden, was man begehrt nicht erlangen, das ist Leiden, kurz gesagt: die fünf Stücke des Anhangens sind Leiden. — Was ist nun, Brüder, die Geburt? Der jeweiligen Wesen in jeweilig wesender Gattung Geburt, Gebärung, Bildung, Keimung, Empfängniss, das Erscheinen der Theile, das Ergreifen der Gebiete: das nennt man, Brüder, Geburt. Was ist nun, Brüder, das Alter? Der jeweiligen Wesen in jeweilig wesender Gattung altern und abnutzen, gebrechlich, grau und runzelig werden, der Kräfteverfall, das Abreifen der Sinne: das nennt man, Brüder, Alter. Was ist nun, Brüder, das Sterben? Der jeweiligen Wesen in jeweilig wesender Gattung Hinschwund, Auflösung, Zersetzung,[S. 436] Untergang, Todessterben, Zeiterfüllung[196], das Zerfallen der Theile, das Verwesen der Leiche: das nennt man, Brüder, Sterben. Was ist nun, Brüder, der Kummer? Was da, Brüder, bei solchem und solchem Verluste, den man erfährt, bei solchem und solchem Unglücke, das einen betrifft, Kummer, Kümmerniss, Bekümmerung, innerer Kummer, innere Verkümmerung ist: das nennt man, Brüder, Kummer. Was ist nun, Brüder, der Jammer? Was da, Brüder, bei solchem und solchem Verluste, den man erfährt, bei solchem und solchem Unglücke, das einen betrifft, {413} Klage und Jammer, Beklagen und Bejammern, Wehklage, Wehjammer ist: das nennt man, Brüder, Jammer. Was ist nun, Brüder, der Schmerz? Was da, Brüder, körperlich schmerzhaft, körperlich unangenehm ist, durch körperhafte Berührung schmerzhaft, unangenehm empfunden wird: das nennt man, Brüder, Schmerz. Was ist nun, Brüder, der Gram? Was da, Brüder, geistig schmerzhaft, geistig unangenehm ist, durch gedankenhafte Berührung schmerzhaft, unangenehm empfunden wird: das nennt man, Brüder, Gram. Was ist nun, Brüder, die Verzweiflung? Was da, Brüder, bei solchem und solchem Verluste, den man erfährt, bei solchem und solchem Unglücke, das einen betrifft, Verzagen und Verzweifeln, Verzagtsein und Verzweifeltsein ist: das nennt man, Brüder, Verzweiflung. Was ist nun, Brüder, was man begehrt nicht erlangen für Leiden? Die Wesen, Brüder, der Geburt unterworfen, kommt das Begehren an: ›O dass wir doch nicht der Geburt unterworfen wären, dass uns doch keine Geburt bevorstände!‹; aber das kann man durch Begehren nicht erreichen: das nun eben nicht erlangen, was man begehrt,[S. 437] ist Leiden. Die Wesen, Brüder, dem Alter, dem Sterben, dem Kummer, Jammer, Schmerz, dem Gram, der Verzweiflung unterworfen, kommt das Begehren an: ›O dass wir doch nicht dem Alter, dem Sterben, dem Kummer, Jammer, Schmerz, dem Gram, der Verzweiflung unterworfen wären, dass uns doch kein Altern und Sterben, kein Kummer und Jammer und Schmerz, kein Gram und keine Verzweiflung bevorstände!‹; aber das kann man durch Begehren nicht erreichen: das nun eben nicht erlangen, was man begehrt, ist Leiden.[197] Was sind nun, Brüder, kurz gesagt, die fünf Stücke des Anhangens für Leiden? Es ist da ein Stück Anhangen an der Form, ein Stück Anhangen am Gefühl, ein Stück Anhangen an der Wahrnehmung, {414} ein Stück Anhangen an der Unterscheidung, ein Stück Anhangen am Bewusstsein: das nennt man, Brüder, kurz gesagt, die fünf Stücke des Anhangens als Leiden. — Das heißt man, Brüder, heilige Wahrheit vom Leiden.

»Was ist aber, Brüder, die heilige Wahrheit von der Leidensentwicklung? Es ist dieser Durst, der Wiederdasein säende, gnügensgierverbundene, bald da bald dort sich ergetzende, ist der Geschlechtsdurst, der Daseinsdurst, der Wohlseinsdurst. Das heißt man, Brüder, heilige Wahrheit von der Leidensentwicklung.

»Was ist aber, Brüder, die heilige Wahrheit von der Leidensauflösung? Es ist ebendieses Durstes vollkommen restlose Auflösung, ihn abstoßen, austreiben, fällen, vertilgen. Das heißt man, Brüder, heilige Wahrheit von der Leidensauflösung.

»Was ist aber, Brüder, die heilige Wahrheit von dem zur Leidensauflösung führenden Pfade? Dieser heilige[S. 438] achtfältige Weg ist es, der zur Leidensauflösung führende Pfad, nämlich: rechte Erkenntniss, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Handeln, rechtes Wandeln, rechtes Mühn, rechte Einsicht, rechte Einigung. — Was ist nun, Brüder, rechte Erkenntniss? Das Leiden kennen, ihr Brüder, die Entwicklung des Leidens kennen, die Auflösung des Leidens kennen, den zur Auflösung des Leidens führenden Pfad kennen: das nennt man, Brüder, rechte Erkenntniss. Was ist nun, Brüder, rechte Gesinnung? Entsagung sinnen, keinen Groll hegen, keine Wuth hegen: das nennt man, Brüder, rechte Gesinnung. Was ist nun, Brüder, rechte Rede? Lüge vermeiden, Verleumdung vermeiden, barsche Worte vermeiden, Geschwätz vermeiden: das nennt man, Brüder, rechte Rede. Was ist nun, Brüder, rechtes Handeln? Lebendiges umzubringen vermeiden, Nichtgegebenes zu nehmen vermeiden, Ausschweifung zu begehn vermeiden: das nennt man, Brüder, rechtes Handeln. Was ist nun, Brüder, rechtes Wandeln? Da hat, Brüder, der heilige Jünger falschen Wandel verlassen und fristet sein Leben auf rechte Weise: {415} das nennt man, Brüder, rechtes Wandeln. Was ist nun, Brüder, rechtes Mühn? Da weckt, Brüder, der Mönch seinen Willen, dass er unaufgestiegene üble, unheilsame Dinge nicht aufsteigen lasse, er müht sich darum, muthig bestrebt, rüstet das Herz, macht es kampfbereit; weckt seinen Willen, dass er aufgestiegene üble, unheilsame Dinge vertreibe, er müht sich darum, muthig bestrebt, rüstet das Herz, macht es kampfbereit; weckt seinen Willen, dass er unaufgestiegene heilsame Dinge aufsteigen lasse, er müht sich darum, muthig bestrebt, rüstet das Herz, macht es kampfbereit; weckt[S. 439] seinen Willen, dass er aufgestiegene heilsame Dinge sich festigen, nicht lockern, weiterentwickeln, erschließen, entfalten, erfüllen lasse, er müht sich darum, muthig bestrebt, rüstet das Herz, macht es kampfbereit: das nennt man, Brüder, rechtes Mühn. Was ist nun, Brüder, rechte Einsicht? Da wacht, Brüder, ein Mönch beim Körper über den Körper, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns; wacht bei den Gefühlen über die Gefühle, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns; wacht beim Gemüthe über das Gemüth, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns; wacht bei den Erscheinungen über die Erscheinungen, unermüdlich, klaren Sinnes, einsichtig, nach Verwindung weltlichen Begehrens und Bekümmerns: das nennt man, Brüder, rechte Einsicht. Was ist nun, Brüder, rechte Einigung? Da weilt, Brüder, ein Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt er die innere Meeresstille[198], die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. In heiterer Ruhe verweilt er gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt[S. 440] er die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Das nennt man, Brüder, rechte Einigung. — Das heißt man, Brüder, heilige Wahrheit von dem zur Leidensauflösung führenden Pfade.

»Der Vollendete, ihr Brüder, der Heilige, vollkommen Erwachte hat zu Benāres, am Sehersteine, im Wildparke das höchste Reich der Wahrheit dargestellt: {416} und darwiderstellen kann sich kein Asket und kein Priester, kein Gott, kein böser und kein heiliger Geist, noch irgend wer in der Welt; es ist das Anzeigen, Aufweisen, Darlegen, Darstellen, Enthüllen, Entwickeln, Offenbarmachen dieser vier heiligen Wahrheiten.«

Also sprach der ehrwürdige Sāriputto. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des ehrwürdigen Sāriputto.[199]


142.

Vierzehnter Theil

Zwölfte Rede

LAUTERE SPENDE

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Lande der Sakker, bei Kapilavatthu, im Park der Feigenbäume.

Da begab sich denn Mahāpajāpatī die Gotamidin mit einem neuen Stücke Tuches zum Erhabenen hin, bot ehrerbietigen Gruß dar und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun Mahāpajāpatī die Gotamidin also zum Erhabenen:

[S. 441]

»Dieses neue Stück Tuch, o Herr, hab’ ich für den Erhabenen selbst gesponnen, selbst gewebt: das möge, o Herr, der Erhabene von mir annehmen, aus Mitleid zu mir.«

Auf diese Bitte sprach der Erhabene Mahāpajāpatī der Gotamidin also zu:

»Der Jüngerschaft gieb es, Gotamī; giebst du ’s der Jüngerschaft, wirst du mich verehrt haben und die Jüngerschaft.«

{417} Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal bat Mahāpajāpatī die Gotamidin den Erhabenen:

»Dieses neue Stück Tuch, o Herr, hab’ ich für den Erhabenen selbst gesponnen, selbst gewebt: das möge, o Herr, der Erhabene von mir annehmen, aus Mitleid zu mir.«

Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal sprach der Erhabene Mahāpajāpatī der Gotamidin also zu:

»Der Jüngerschaft gieb es, Gotamī; giebst du ’s der Jüngerschaft, wirst du mich verehrt haben und die Jüngerschaft.«

Da wandte sich der ehrwürdige Ānando, auf diesen Bescheid hin, also an den Erhabenen:

»Annehmen möge, o Herr, der Erhabene Mahāpajāpatī der Gotamidin ihr neues Stück Tuch: viel gethan, o Herr, hat Mahāpajāpatī die Gotamidin für den Erhabenen, hat als Muhme Nahrung, Speise, Milch dargeboten, den Erhabenen, da die Mutter gestorben war, an ihrer Brust aufgesäugt. Und auch der Erhabene, o Herr, hat viel gethan für Mahāpajāpatī die Gotamidin: zum Erhabenen, o Herr, gekommen, hat Mahāpajāpatī die Gotamidin beim Erwachten Zuflucht gefunden, bei der[S. 442] Lehre Zuflucht gefunden, bei der Jüngerschaft Zuflucht gefunden; zum Erhabenen, o Herr, gekommen, hat Mahāpajāpatī die Gotamidin Lebendiges umbringen meiden gelernt, Nichtgegebenes nehmen meiden gelernt, Ausschweifung meiden gelernt, Lüge meiden gelernt, berauschende und berückende Getränke, betäubende und bethörende Mittel meiden gelernt; zum Erhabenen, o Herr, gekommen, hat Mahāpajāpatī die Gotamidin ihre Liebe zum Erwachten erprobt, ihre Liebe zur Lehre erprobt, ihre Liebe zu den Jüngern erprobt, hat Eigenschaften erworben, wie sie Heiligen lieb sind; zum Erhabenen, o Herr, gekommen, hat Mahāpajāpatī die Gotamidin den Zweifel am Leiden verloren, den Zweifel an der Leidensentwicklung verloren, den Zweifel an der Leidensauflösung verloren, den Zweifel am Pfade verloren, der zur Leidensauflösung führt: auch der Erhabene, o Herr, hat viel gethan für Mahāpajāpatī die Gotamidin.«

{418} »So ist es, Ānando, so ist es, Ānando. Denn hat man, Ānando, einander begegnet und beim Erwachten Zuflucht gefunden, bei der Lehre Zuflucht gefunden, bei der Jüngerschaft Zuflucht gefunden, so kann man, sag’ ich, Ānando, einander schwerlich genugthun, indem man da höflichen Gruß entbietet, geziemende Achtung erweist, Kleidung, Nahrung, Obdach und Arzenei für den Fall einer Krankheit darreicht. Denn hat man, Ānando, einander begegnet und Lebendiges umbringen meiden gelernt, Nichtgegebenes nehmen meiden gelernt, Ausschweifung meiden gelernt, Lüge meiden gelernt, berauschende und berückende Getränke, betäubende und bethörende Mittel meiden gelernt, so kann man, sag’ ich, Ānando, einander schwerlich genugthun, indem man[S. 443] da höflichen Gruß entbietet, geziemende Achtung erweist, Kleidung, Nahrung, Obdach und Arzenei für den Fall einer Krankheit darreicht. Denn hat man, Ānando, einander begegnet und seine Liebe zum Erwachten erprobt, seine Liebe zur Lehre erprobt, seine Liebe zu den Jüngern erprobt, Eigenschaften erworben, wie sie Heiligen lieb sind, so kann man, sag’ ich, Ānando, einander schwerlich genugthun, indem man da höflichen Gruß entbietet, geziemende Achtung erweist, Kleidung, Nahrung, Obdach und Arzenei für den Fall einer Krankheit darreicht. Denn hat man, Ānando, einander begegnet und den Zweifel am Leiden verloren, den Zweifel an der Leidensentwicklung verloren, den Zweifel an der Leidensauflösung verloren, den Zweifel am Pfade verloren, der zur Leidensauflösung führt, so kann man, sag’ ich, Ānando, einander schwerlich genugthun, indem man da höflichen Gruß entbietet, geziemende Achtung erweist, Kleidung, Nahrung, Obdach und Arzenei für den Fall {419} einer Krankheit darreicht.[200]

»Vier Arten, Ānando, von Lauterkeit giebt es da bei Spenden: und welche vier? {421} Es giebt, Ānando, eine Spende, wobei der Geber geläutert wird, nicht der Empfänger. Es giebt, Ānando, eine Spende, wobei der Empfänger geläutert wird, nicht der Geber. Es giebt, Ānando, eine Spende, wobei nicht der Geber geläutert wird und nicht der Empfänger. Es giebt, Ānando, eine Spende, wobei der Geber geläutert wird und der Empfänger.

»Wie aber wird, Ānando, bei einer Spende der Geber geläutert, nicht der Empfänger? Da ist, Ānando, der Geber sittenrein, edelgeartet, und die Empfänger sind[S. 444] sittenlos, übelgeartet: so wird, Ānando, bei einer Spende der Geber geläutert, nicht der Empfänger. Wie aber wird, Ānando, bei einer Spende der Empfänger geläutert, nicht der Geber? Da ist, Ānando, der Geber sittenlos, übelgeartet, und die Empfänger sind sittenrein, edelgeartet: so wird, Ānando, bei einer Spende der Empfänger geläutert, nicht der Geber. Wie aber wird, Ānando, bei einer Spende nicht der Geber geläutert und nicht der Empfänger? Da ist, Ānando, der Geber sittenlos, übelgeartet, und die Empfänger sind sittenlos, übelgeartet: so wird, Ānando, bei einer Spende nicht der Geber geläutert und nicht der Empfänger. Wie aber wird, Ānando, bei einer Spende der Geber geläutert und der Empfänger? Da ist, Ānando, der Geber sittenrein, edelgeartet, und die Empfänger sind sittenrein, edelgeartet: so wird, Ānando, bei einer Spende der Geber geläutert und der Empfänger. {422} Das sind, Ānando, bei Spenden vier Arten von Lauterkeit.«

Also sprach der Erhabene. Als der Willkommene das gesagt hatte, sprach fernerhin also der Meister:

»Wer sittenrein an Sittenlose hingiebt
Als Gabe recht erworben Gut, im Herzen heiter,
Wohl eingedenk hülfreicher Thaten Reife:
Bei solcher Spende mag der Geber lauter sein.
»Wer sittenlos an Sittenreine hingiebt
Unrecht erworben Gut als Gabe, herzverdrossen,
Uneingedenk hülfreicher Thaten Reife:
Bei solcher Spende mag wer sie empfangen lauter sein.
[S. 445]
»Wer sittenlos an Sittenlose hingiebt
Unrecht erworben Gut als Gabe, herzverdrossen,
Uneingedenk hülfreicher Thaten Reife:
Nicht solche Spende, sag’ ich, heißt man reifereich.
»Wer sittenrein an Sittenreine hingiebt
Als Gabe recht erworben Gut, im Herzen heiter,
Wohl eingedenk hülfreicher Thaten Reife:
Ja, solche Spende, sag’ ich, heißt man reifereich.
»Wer heil von Süchten Suchtgeheilten hingiebt
Als Gabe recht erworben Gut, im Herzen heiter,
{423}
Wohl eingedenk hülfreicher Thaten Reife:
Der Nothdurftgaben ist es beste Gabe.«


[S. 447]

FÜNFZEHNTER THEIL
BUCH DES SECHSFACHEN GEBIETES



[S. 449]

143.

Fünfzehnter Theil

Erste Rede

ANĀTHAPIṆḌIKO

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Um diese Zeit nun war Anāthapiṇḍiko der Hausvater unwohl geworden, leidend, schwerkrank. Und Anāthapiṇḍiko der Hausvater wandte sich an einen seiner Leute:

»Geh’, lieber Mann, und begieb dich zum Erhabenen hin und bring’ dem Erhabenen zu Füßen meinen Gruß dar: ›Anāthapiṇḍiko, o Herr, der Hausvater, ist unwohl, leidend, schwerkrank: er bringt dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar‹; dann geh’ zum ehrwürdigen Sāriputto hin und bring’ dem ehrwürdigen Sāriputto zu Füßen meinen Gruß dar: ›Anāthapiṇḍiko, o Herr, der Hausvater, ist unwohl, leidend, schwerkrank: er bringt dem ehrwürdigen Sāriputto zu Füßen Gruß dar;‹ {424} und füge hinzu: ›gut wär’ es‹, sagt’ er, o Herr, ›wenn der ehrwürdige Sāriputto sich zur Wohnung Anāthapiṇḍiko des Hausvaters begeben wollte, von Mitleid bewogen.‹«

»Wohl, o Herr!« entgegnete da gehorsam jener Mann Anāthapiṇḍiko dem Hausvater. Und er begab sich dorthin wo der Erhabene weilte, bot ehrerbietigen Gruß dar[S. 450] und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach er also zum Erhabenen:

»Anāthapiṇḍiko, o Herr, der Hausvater, ist unwohl, leidend, schwerkrank: er bringt dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar.«

Dann begab er sich zum ehrwürdigen Sāriputto hin, bot ehrerbietigen Gruß dar und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach er also zum ehrwürdigen Sāriputto:

»Anāthapiṇḍiko, o Herr, der Hausvater, ist unwohl, leidend, schwerkrank: er bringt dem ehrwürdigen Sāriputto zu Füßen Gruß dar; und er lässt sagen, gut wär’ es, o Herr, wenn der ehrwürdige Sāriputto sich zur Wohnung Anāthapiṇḍiko des Hausvaters begeben wollte, von Mitleid bewogen.«

Schweigend gewährte der ehrwürdige Sāriputto die Bitte.

Und der ehrwürdige Sāriputto rüstete sich, nahm Mantel und Schaale und begab sich, gefolgt vom ehrwürdigen Ānando, zur Wohnung Anāthapiṇḍiko des Hausvaters. Dort angelangt nahm er auf dem dargebotenen Sitze Platz. Und er wandte sich also an Anāthapiṇḍiko den Hausvater:

»Fühlst du dich, Hausvater, schon wohler, geht es dir etwas besser, nehmen die Schmerzen wieder ab und nicht zu, merkt man, dass sie nachlassen und nicht zunehmen?«

»Nicht fühl’ ich mich, werther Sāriputto, wohler, es geht mir nicht besser, {425} heftig nehmen die Schmerzen zu und nicht ab, man merkt, dass sie zunehmen und nicht nachlassen. Gleichwie etwa, werther Sāriputto,[S. 451] wenn ein starker Mann mit scharfer Dolchspitze die Schädeldecke zerhämmerte, ebenso nun auch, werther Sāriputto, schlagen mir überheftige Strömungen auf die Schädeldecke auf: nicht fühl’ ich mich, werther Sāriputto, wohler, es geht mir nicht besser, die heftigen Schmerzen nehmen zu und nicht ab, man merkt, dass sie zunehmen und nicht nachlassen. Gleichwie etwa, werther Sāriputto, wenn ein starker Mann feste Riemenstränge auf dem Kopfe peitschend tanzen ließe, ebenso nun auch, werther Sāriputto, hab’ ich im Kopfe betäubende Kopfgefühle: nicht fühl’ ich mich, werther Sāriputto, wohler, es geht mir nicht besser, die heftigen Schmerzen nehmen zu und nicht ab, man merkt, dass sie zunehmen und nicht nachlassen. Gleichwie etwa, werther Sāriputto, wenn ein geschickter Schlächter oder Schlächtergeselle mit scharfem Schlachtmesser den Bauch durchschlitzte, ebenso nun auch, werther Sāriputto, schneiden mir überheftige Strömungen durch den Bauch: nicht fühl’ ich mich, werther Sāriputto, wohler, es geht mir nicht besser, die heftigen Schmerzen nehmen zu und nicht ab, man merkt, dass sie zunehmen und nicht nachlassen. Gleichwie etwa, werther Sāriputto, wenn zwei starke Männer einen schwächeren Mann an beiden Armen ergriffen und in eine Grube voll glühender Kohlen hineinquälten, hineinrollten, ebenso nun auch, werther Sāriputto, hab’ ich im Körper überheftig glühende Quaal: nicht fühl’ ich mich, werther Sāriputto, wohler, es geht mir nicht besser, heftig nehmen die Schmerzen zu und nicht ab, man merkt, dass sie zunehmen und nicht nachlassen.«

{426} »Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: [S. 452] ›Das Auge werd’ ich nicht anhangen lassen, und nicht an das Auge gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Das Ohr werd’ ich nicht anhangen lassen, und nicht an das Ohr gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Die Nase werd’ ich nicht anhangen lassen, und nicht an die Nase gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Die Zunge werd’ ich nicht anhangen lassen, und nicht an die Zunge gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Den Leib werd’ ich nicht anhangen lassen, und nicht an den Leib gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Den Geist werd’ ich nicht anhangen lassen, und nicht an den Geist gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben.

»Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keiner Form werd’ ich anhangen, und keiner Form verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem Tone werd’ ich anhangen, und keinem Tone verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem Dufte werd’ ich anhangen, und keinem Dufte verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich,[S. 453] Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem Safte werd’ ich anhangen, und keinem Safte verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keiner Tastung werd’ ich anhangen, und keiner Tastung verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem Dinge werd’ ich anhangen, und keinem Dinge verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben.

»Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem Sehbewusstsein werd’ ich anhangen, und keinem Sehbewusstsein verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: {427} ›Keinem Hörbewusstsein werd’ ich anhangen, und keinem Hörbewusstsein verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem Riechbewusstsein werd’ ich anhangen, und keinem Riechbewusstsein verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem Schmeckbewusstsein werd’ ich anhangen, und keinem Schmeckbewusstsein verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem Tastbewusstsein werd’ ich anhangen, und keinem Tastbewusstsein verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich[S. 454] also zu üben: ›Keinem Denkbewusstsein werd’ ich anhangen, und keinem Denkbewusstsein verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben.

»Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keiner Sehberührung werd’ ich anhangen, und keiner Sehberührung verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keiner Hörberührung werd’ ich anhangen, und keiner Hörberührung verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keiner Riechberührung werd’ ich anhangen, und keiner Riechberührung verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keiner Schmeckberührung werd’ ich anhangen, und keiner Schmeckberührung verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keiner Tastberührung werd’ ich anhangen, und keiner Tastberührung verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keiner Denkberührung werd’ ich anhangen, und keiner Denkberührung verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben.

»Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem durch Sehberührung entstandenen Gefühle werd’ ich anhangen, und keinem durch Sehberührung entstandenen Gefühle verbunden sein wird mein Bewusstsein‹:[S. 455] also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem durch Hörberührung entstandenen Gefühle werd’ ich anhangen, und keinem durch Hörberührung entstandenen Gefühle verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem durch Riechberührung entstandenen Gefühle werd’ ich anhangen, und keinem durch Riechberührung entstandenen Gefühle verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem durch Schmeckberührung entstandenen Gefühle werd’ ich anhangen, und keinem durch Schmeckberührung entstandenen Gefühle verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem durch Tastberührung entstandenen Gefühle werd’ ich anhangen, und keinem durch Tastberührung entstandenen Gefühle verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Keinem durch Denkberührung entstandenen Gefühle werd’ ich anhangen, und keinem durch Denkberührung entstandenen Gefühle verbunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben.

»Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der Erdenart werd’ ich nicht anhangen, und nicht an Erdenart gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: {428} ›Der Wasserart werd’ ich [S. 456] nicht anhangen, und nicht an Wasserart gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der Feuerart werd’ ich nicht anhangen, und nicht an Feuerart gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der Luftart werd’ ich nicht anhangen, und nicht an Luftart gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der Raumart werd’ ich nicht anhangen und nicht an Raumart gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der Art des Bewusstseins werd’ ich nicht anhangen, und nicht an Art des Bewusstseins gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben.

»Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der Form werd’ ich nicht anhangen, und nicht an die Form gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Dem Gefühle werd’ ich nicht anhangen, und nicht an das Gefühl gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der Wahrnehmung werd’ ich nicht anhangen, und nicht an die Wahrnehmung gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Den Unterscheidungen werd’ ich nicht anhangen,[S. 457] und nicht an die Unterscheidungen gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Dem Bewusstsein werd’ ich nicht anhangen, und nicht an das Bewusstsein gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben.

»Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der unbegränzten Raumsphäre werd’ ich nicht anhangen, und nicht an die unbegränzte Raumsphäre gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der unbegränzten Bewusstseinsphäre werd’ ich nicht anhangen, und nicht an die unbegränzte Bewusstseinsphäre gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der Nichtdaseinsphäre werd’ ich nicht anhangen, und nicht an die Nichtdaseinsphäre gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Der Gränzscheide möglicher Wahrnehmung werd’ ich nicht anhangen, und nicht an die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben.

»Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Nicht dieser Welt werd’ ich anhangen, und nicht an diese Welt gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Nicht jener Welt werd’ ich anhangen, und nicht an jene Welt gebunden sein[S. 458] wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben. {429} Da hast du denn, Hausvater, dich also zu üben: ›Und was ich gesehn, gehört, gedacht, erkannt, untersucht, im Geiste erforscht habe, auch daran werd’ ich nicht hangen, und nicht daran gebunden sein wird mein Bewusstsein‹: also hast du dich, Hausvater, wohl zu üben.«

Auf diese Rede kam Anāthapiṇḍiko den Hausvater Seufzen an und Thränen traten ihm in die Augen. Da wandte sich denn der ehrwürdige Ānando also an Anāthapiṇḍiko den Hausvater:

»Beruhige dich, o Hausvater, beschwichtige dich, o Hausvater!«

»Ich kann mich, werther Ānando, nicht beruhigen, nicht beschwichtigen: hab’ ich doch lange Zeiten hindurch dem Meister gedient und geistesmächtigen Mönchen, und habe nie zuvor eine so tief gedachte Rede vernommen.«

»Es ist, o Hausvater, weiß gekleideten Hausleuten so tief gedachte Rede nicht klar genug: Asketen, Hausvater, ist sie klar genug.«

»Doch mag eben, werther Sāriputto, auch weiß gekleideten Hausleuten so tief gedachte Rede klar genug sein. Es giebt ja, werther Sāriputto, edle Söhne, die nicht ganz verdorben sind: hören die solche Dinge nicht, verlieren sie sich; die werden es verstehn.«

Als da nun Anāthapiṇḍiko der Hausvater mit dieser Belehrung belehrt worden, standen Sāriputto und Ānando die Ehrwürdigen von ihren Sitzen auf und entfernten sich.

[S. 459]

Bald aber, nachdem Sāriputto und Ānando die Ehrwürdigen fortgegangen, starb Anāthapiṇḍiko der Hausvater und kehrte in Sälige Gestalt wieder.[201]


144.

Fünfzehnter Theil

Zweite Rede

CHANNO

{431} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen.

Um diese Zeit aber hielt sich der ehrwürdige Sāriputto und der ehrwürdige Mahācundo und der ehrwürdige Channo im Gebirge, am Geierkulm auf. Damals war nun der ehrwürdige Channo unwohl geworden, leidend, schwerkrank.

Da begab sich denn der ehrwürdige Sāriputto gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, dorthin wo der ehrwürdige Mahācundo weilte, und er sprach also zu ihm:

»Komm’, Bruder Cundo, wir wollen den ehrwürdigen Channo besuchen, {432} nach seinem Befinden uns erkundigen.«

»Gern, Bruder!« erwiderte da der ehrwürdige Mahācundo, dem ehrwürdigen Sāriputto gehorchend.

Und der ehrwürdige Sāriputto begab sich nun mit dem ehrwürdigen Mahācundo dorthin wo der ehrwürdige Channo weilte. Dort angelangt tauschten sie höflichen[S. 460] Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit einander und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend wandte sich nun der ehrwürdige Sāriputto also an den ehrwürdigen Channo:

»Fühlst du dich, Bruder Channo, schon wohler, geht es dir etwas besser, nehmen die Schmerzen wieder ab und nicht zu, merkt man, dass sie nachlassen und nicht zunehmen?«

»Nicht fühl’ ich mich, Bruder Sāriputto, wohler, es geht mir nicht besser, heftig nehmen die Schmerzen zu und nicht ab, man merkt, dass sie zunehmen und nicht nachlassen. — {433} Zur Waffe, Bruder Sāriputto, werde ich greifen[202], nicht länger begehr’ ich das Leben.«

»Nicht möge der ehrwürdige Channo zur Waffe greifen, fristen möge sich der ehrwürdige Channo, wir bitten den ehrwürdigen Channo sich zu fristen. Wenn der ehrwürdige Channo geeigneter Nahrung ermangelt, so werde ich dem ehrwürdigen Channo geeignete Nahrung zu verschaffen suchen; wenn der ehrwürdige Channo geeigneter Arzenei ermangelt, so werde ich dem ehrwürdigen Channo geeignete Arzenei zu verschaffen suchen; wenn der ehrwürdige Channo entsprechender Aufwartung ermangelt, so werde ich dem ehrwürdigen Channo Aufwärter sein. Nicht möge der ehrwürdige Channo zur Waffe greifen, fristen möge sich der ehrwürdige Channo, wir bitten den ehrwürdigen Channo sich zu fristen.«

»Nein, Bruder Sāriputto, ich ermangle keiner geeigneten Nahrung, ermangle keiner geeigneten Arzenei, ermangle keiner entsprechenden Aufwartung. Doch ist nun, Bruder Sāriputto, {434} der Meister seit langem bedient,[S. 461] anmuthig nur, nicht unmuthig: das kommt ja, Bruder Sāriputto, einem Jünger zu, dass er den Meister nur anmuthig bediene, nicht unmuthig. ›Untadelhaft wird Channo der Mönch zur Waffe greifen‹: das magst du, Bruder Sāriputto, also dir merken.«

»Wir hätten noch einige Fragen an den ehrwürdigen Channo, wenn uns der ehrwürdige Channo darauf Antwort geben will.«

»Frage, Bruder Sāriputto: dann werden wir sehn.«

»Beim Auge, Bruder Channo, beim Sehbewusstsein, bei den durch das Sehbewusstsein bewusstbaren Dingen, gewahrst du da wohl: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹? beim Ohre, Bruder Channo, bei der Nase, bei der Zunge, beim Leibe, beim Denken, bei den Dingen, beim Denkbewusstsein, bei den durch das Denkbewusstsein bewusstbaren Dingen, gewahrst du da wohl: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Beim Auge, Bruder Sāriputto, beim Sehbewusstsein, bei den durch das Sehbewusstsein bewusstbaren Dingen gewahr’ ich da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹; beim Ohre, Bruder Sāriputto, bei der Nase, bei der Zunge, beim Leibe, beim Denken, bei den Dingen, beim Denkbewusstsein, bei den durch das Denkbewusstsein bewusstbaren Dingen gewahr’ ich da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹.«

»Beim Auge, Bruder Channo, beim Sehbewusstsein, bei den durch das Sehbewusstsein bewusstbaren Dingen hast du was gesehn, was verstanden und gewahrst da wohl: {435} ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist[S. 462] nicht mein Selbst‹? beim Ohre, Bruder Channo, bei der Nase, bei der Zunge, beim Leibe, beim Denken, bei den Dingen, beim Denkbewusstsein, bei den durch das Denkbewusstsein bewusstbaren Dingen hast du was gesehn, was verstanden und gewahrst da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹?«

»Beim Auge, Bruder Sāriputto, beim Sehbewusstsein, bei den durch das Sehbewusstsein bewusstbaren Dingen hab’ ich die Auflösung gesehn, die Auflösung verstanden und gewahre da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹; beim Ohre, Bruder Sāriputto, bei der Nase, bei der Zunge, beim Leibe, beim Denken, bei den Dingen, beim Denkbewusstsein, bei den durch das Denkbewusstsein bewusstbaren Dingen hab’ ich die Auflösung gesehn, die Auflösung verstanden und gewahre da wohl: ›Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst‹.«

Nach diesen Worten wandte sich der ehrwürdige Mahācundo also an den ehrwürdigen Channo:

»So magst du denn, Bruder Channo, auch diese Weisung von Ihm, dem Erhabenen, unwandelbar im Geiste bewahren: ›Eingepflanzt erzittert man: nicht eingepflanzt erzittert man nicht; erzittert man nicht, ist man still: still geworden neigt man sich nicht; neigt man sich nicht, kommt man und geht man nicht: kommt man und geht man nicht, {436} erscheint und verschwindet man nicht; erscheint und verschwindet man nicht, giebt es kein hüben und kein drüben noch beider inmitten sein: es ist eben das Ende vom Leiden.‹«

Als da nun der ehrwürdige Channo mit dieser Ansprache angesprochen worden, standen Sāriputto und[S. 463] Mahācundo die Ehrwürdigen von ihren Sitzen auf und schritten von dannen.

Bald aber, nachdem Sāriputto und Mahācundo die Ehrwürdigen fortgegangen, hat der ehrwürdige Channo zur Waffe gegriffen.

Da begab sich denn der ehrwürdige Sāriputto zum Erhabenen hin, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun der ehrwürdige Sāriputto zum Erhabenen also:

»Der ehrwürdige Channo, o Herr, hat zur Waffe gegriffen. Wo ist er jetzt, was ist aus ihm geworden?«

»Hat dir denn nicht, Sāriputto, Channo der Mönch selber schon untadelig sein erklärt?«

»Es liegt, o Herr, ein Ort, Pubbajiram geheißen, im Vajji-Gebiete. Dort wohnen die Freunde, wohnen die Genossen des ehrwürdigen Channo: denen gilt es als Tadel.«

»Es giebt ja wohl dort, Sāriputto, solche Freunde, solche Genossen von Channo dem Mönche, denen es als Tadel gilt. Ich sage nicht, Sāriputto, dass man darum Tadel habe. Wer da, Sāriputto, den einen Körper ablegt und einen anderen Körper annimmt, der, sag’ ich, ist tadelhaft. Das gilt von Channo dem Mönche nicht. Untadelhaft hat Channo der Mönch zur Waffe gegriffen.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Sāriputto über das Wort des Erhabenen.[203]


[S. 464]

145.

Fünfzehnter Theil

Dritte Rede

PUṆṆO

{437} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Da nun begab sich der ehrwürdige Puṇṇo gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun der ehrwürdige Puṇṇo zum Erhabenen also:

»Huldreich, o Herr, möge mir der Erhabene in der Kürze eine Anleitung geben, dass ich, vom Erhabenen recht gewiesen, einsam, abgesondert, unermüdlich, in heißem, innigem Ernste weilen kann.«

»Wohlan denn, Puṇṇo, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« sagte da der ehrwürdige Puṇṇo aufmerksam zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Es giebt, Puṇṇo, durch das Gesicht ins Bewusstsein tretende Formen, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in Liebe und Freude und Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in Liebe und Freude und Neigung sich zukehrt, Lust auf; ist Lust aufgegangen geht Leid auf: das, Puṇṇo, sage ich. Es giebt, Puṇṇo, durch das Gehör ins Bewusstsein tretende Töne, durch den Geruch ins Bewusstsein tretende Düfte, durch den Geschmack ins Bewusstsein tretende Säfte, durch[S. 465] das Getast ins Bewusstsein tretende Tastungen, durch das Gedenken ins Bewusstsein tretende Dinge, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in Liebe und Freude und Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in Liebe und Freude und Neigung sich zukehrt, Lust auf; ist Lust aufgegangen geht Leid auf: das, Puṇṇo, sage ich. — {438} Es giebt, Puṇṇo, durch das Gesicht ins Bewusstsein tretende Formen, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung sich zukehrt, Lust unter; ist Lust untergegangen geht Leid unter: das, Puṇṇo, sage ich. Es giebt, Puṇṇo, durch das Gehör ins Bewusstsein tretende Töne, durch den Geruch ins Bewusstsein tretende Düfte, durch den Geschmack ins Bewusstsein tretende Säfte, durch das Getast ins Bewusstsein tretende Tastungen, durch das Gedenken ins Bewusstsein tretende Dinge, ersehnte, geliebte, entzückende, angenehme, dem Begehren entsprechende, reizende; wenn der Mönch diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung zugekehrt ist, geht ihm, während er diesen in keiner Liebe, keiner Freude, keiner Neigung sich zukehrt, Lust unter; ist Lust untergegangen geht Leid unter: das, Puṇṇo, sage ich. — So hab’ ich nun, Puṇṇo, dir in der Kürze eine Anleitung gegeben. In was für einem Lande wirst du weilen?«

»Da ich, o Herr, vom Erhabenen in der Kürze eine solche Anleitung erhalten, werde ich mich nach dem[S. 466] Lande der westlichen Suner, wie man sie nennt, begeben und dort weilen.«

»Ein wildes Volk, Puṇṇo, sind die westlichen Suner, ein rohes Volk, Puṇṇo, sind die westlichen Suner. Wenn dich, Puṇṇo, die westlichen Suner schelten und beschimpfen werden, wie wird dir dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner schelten und beschimpfen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie mich nicht mit Fäusten schlagen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Fäusten schlagen werden, wie wird dir wohl dann, {439} Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Fäusten schlagen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie mich nicht mit Steinen werfen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Steinen werfen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Steinen werfen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie[S. 467] mich nicht mit Stöcken prügeln.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Stöcken prügeln werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Stöcken prügeln werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie mich nicht mit Säbeln treffen.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Säbeln treffen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Säbeln treffen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Wie gnädig sind doch diese westlichen Suner, wie so gnädig sind doch diese westlichen Suner, dass sie mich nicht mit Säbelhieben umbringen.‹ {440} Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Wenn dich aber, Puṇṇo, die westlichen Suner mit Säbelhieben umbringen werden, wie wird dir wohl dann, Puṇṇo, zumuthe sein?«

»Wenn mich, o Herr, die westlichen Suner mit Säbelhieben umbringen werden, dann wird mir also zumuthe sein: ›Es giebt Jünger des Erhabenen, die Leib und Leben verabscheuen und verachten, tödtliche Waffe zu finden suchen: die hab’ ich nun, diese tödtliche Waffe,[S. 468] und ohne sie zu suchen, gefunden.‹ Also wird mir da, Erhabener, zumuthe sein, also wird mir da, Willkommener, zumuthe sein.«

»Recht so, recht so, Puṇṇo. Imstande sein wirst du, Puṇṇo, mit so milder Geduld begabt, im Lande der westlichen Suner zu weilen. Wie es dir nun, Puṇṇo, belieben mag.«

Und der ehrwürdige Puṇṇo, durch des Erhabenen Rede erfreut und befriedigt, stand von seinem Sitze auf, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig, ging rechts herum, räumte sein Lager zusammen, nahm Mantel und Almosenschaale und zog hinweg, dem Lande der westlichen Suner entgegen. Von Ort zu Ort weiter wandernd kam er allmälig hin.

Da war denn nun der ehrwürdige Puṇṇo im Lande der westlichen Suner gesiedelt. Und der ehrwürdige Puṇṇo hatte da schon während der Regenzeit gegen fünfhundert Anhänger zu gewinnen vermocht, hatte da schon während der Regenzeit gegen fünfhundert Anhängerinen zu gewinnen vermocht, hatte da schon während der Regenzeit das dreifache Wissen sich offenbar gemacht.[204] Und der ehrwürdige Puṇṇo war nach einiger Zeit vom Wahne erloschen.

Aber gar manche Mönche begaben sich nun zum Erhabenen hin, begrüßten den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprachen sie zum Erhabenen also:

{441} »Der da, o Herr, Puṇṇo genannt war, der edle Sohn, dem der Erhabene in der Kürze eine Anleitung gegeben hatte, der ist gestorben. Wo ist er jetzt, was ist aus ihm geworden?«

[S. 469]

»Weise, ihr Mönche, ist Puṇṇo der edle Sohn gewesen, nachgefolgt ist er der Lehre gelehrig, und nicht hat er an meiner Belehrung Anstoß genommen. Vom Wahne erloschen, ihr Mönche, ist Puṇṇo der edle Sohn.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[205]


146.

Fünfzehnter Theil

Vierte Rede

NANDAKO

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Da nun begab sich Mahāpajāpatī die Gotamidin, gefolgt von einer Schaar von fünfhundert Nonnen, zum Erhabenen hin, bot ehrerbietigen Gruß dar und stellte sich seitwärts. Seitwärts stehend sprach nun Mahāpajāpatī die Gotamidin zum Erhabenen also:

»Belehren möge, o Herr, der Erhabene die Nonnen, unterrichten möge, o Herr, der Erhabene die Nonnen, spenden möge, o Herr, der Erhabene den Nonnen ein lehrreiches Gespräch!«

Damals nun lag es den Ordensälteren, der Reihe nach, ob, den Nonnen Vortrag zu halten. Als aber die Reihe an den ehrwürdigen Nandako gekommen war, mochte dieser den Nonnen keinen Vortrag halten.

[S. 470]

Und der Erhabene wandte sich an den ehrwürdigen Ānando:

»An wem ist doch, Ānando, heute die Reihe, den Nonnen Vortrag zu halten?«

{442} »Wir alle, o Herr, haben schon der Reihe nach den Nonnen Vortrag gehalten. Der ehrwürdige Nandako hier, o Herr, der mag den Nonnen keinen Vortrag halten.«

Und der Erhabene wandte sich an den ehrwürdigen Nandako:

»Belehre, Nandako, die Nonnen, unterrichte, Nandako, die Nonnen, spende du, Heiliger, den Nonnen ein lehrreiches Gespräch.«

»Wohl, o Herr!« sagte da der ehrwürdige Nandako, dem Erhabenen gehorchend. Und er rüstete sich beizeiten, nahm Mantel und Schaale und ging nach Sāvatthī um Almosenspeise. Als er dort, von Haus zu Hause tretend, Almosen erhalten, kehrte er zurück, nahm das Mahl ein und begab sich dann selbander nach dem Königsgarten.

Es sahn aber jene Nonnen den ehrwürdigen Nandako von ferne herankommen, und als sie ihn gesehn stellten sie einen Stuhl zurecht und Wasser für die Füße. Es setzte sich der ehrwürdige Nandako auf den angebotenen Sitz, und als er saß spülte er sich die Füße ab. Jene Nonnen boten nun dem ehrwürdigen Nandako ehrerbietigen Gruß dar und setzten sich seitwärts hin. Zu jenen Nonnen, die da seitwärts saßen, sprach der ehrwürdige Nandako also:

»Ein Gespräch, ihr Schwestern, mit Frage und Antwort mag stattfinden. Da habt ihr, versteht ihr es, ›Wir verstehn es‹ zu sagen; versteht ihr es nicht, ›Wir verstehn[S. 471] es nicht‹ zu sagen. Hat aber eine etwa einen Zweifel oder ein Bedenken, so bin ich eben da um gefragt zu werden: ›Wie ist das, o Herr, was ist der Sinn davon?‹«

»Wir wissen es, o Herr, dem ehrenreichen Nandako gar froh zu Danke, dass uns der ehrenreiche Nandako dies gestattet.«

»Was meint ihr wohl, Schwestern: ist das Auge unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: {443} ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Was meint ihr wohl, Schwestern: ist das Ohr, die Nase, die Zunge, der Leib, der Geist unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Wir haben es ja schon vormals, o Herr, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit klar gesehn: ›So und so sind bei mir die sechs inneren Gebiete vergänglich.‹«

[S. 472]

»Recht so, recht so, ihr Schwestern. Also, freilich, ihr Schwestern, sieht es der heilige Jünger der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit an. Was meint ihr wohl, Schwestern: sind die Formen unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Was meint ihr wohl, Schwestern: sind die Töne, die Düfte, die Säfte, die Tastungen, die Gedanken unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

{444} »Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Wir haben es ja schon vormals, o Herr, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit klar gesehn: ›So und so sind bei mir die sechs äußeren Gebiete vergänglich.‹«

»Recht so, recht so, ihr Schwestern. Also, freilich, ihr Schwestern, sieht es der heilige Jünger der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit an. Was meint ihr wohl, Schwestern: ist das Sehbewusstsein unvergänglich oder vergänglich?«

[S. 473]

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Was meint ihr wohl, Schwestern: ist das Hörbewusstsein, das Riechbewusstsein, das Schmeckbewusstsein, das Tastbewusstsein, das Denkbewusstsein unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Wir haben es ja schon vormals, o Herr, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit klar gesehn: ›So und so sind bei mir die sechs bewusstsamen Reiche vergänglich.‹«

»Recht so, recht so, ihr Schwestern. Also, freilich, ihr Schwestern, sieht es der heilige Jünger der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit an. Gleichwie etwa, ihr Schwestern, {445} bei einer brennenden Oellampe das Oel vergänglich, wandelbar ist, der Docht vergänglich, wandelbar ist, die Flamme vergänglich, wandelbar ist, der Schein vergänglich, wandelbar ist; wer da nun, ihr Schwestern, etwa sagte: ›Bei dieser brennenden[S. 474] Oellampe ist zwar Oel und Docht und Flamme vergänglich, wandelbar, aber ihr Schein, der ist unvergänglich, beharrend, ewig, unwandelbar‹: würde der wohl, ihr Schwestern, solches mit Recht sagen?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Bei dieser brennenden Oellampe, o Herr, ist ja Oel und Docht und Flamme vergänglich, wandelbar: wie erst ihr Schein!«

»Ebenso nun auch, ihr Schwestern, wenn einer etwa sagte: ›Die sechs inneren Gebiete sind bei mir vergänglich, wandelbar: was mich aber da auf Grund der inneren Gebiete Wohl und Weh oder weder Weh noch Wohl empfinden lässt, das ist unvergänglich, beharrend, ewig, unwandelbar‹: würde der etwa, ihr Schwestern, solches mit Recht sagen?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Durch eine also und also bedingte Ursache, o Herr, kommt eine also und also bedingte Empfindung zustande: durch einer also und also bedingten Ursache Auflösung wird eine also und also bedingte Empfindung aufgelöst.«

»Recht so, recht so, ihr Schwestern. Also, freilich, ihr Schwestern, sieht es der heilige Jünger der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit an. Gleichwie etwa, ihr Schwestern, bei einem großen, kernig dastehenden Baume die Wurzel vergänglich, wandelbar ist, der Stamm vergänglich, wandelbar ist, Ast- und Laubwerk vergänglich, wandelbar ist, {446} der Schatten vergänglich, wandelbar ist; wer da nun, ihr Schwestern, etwa[S. 475] sagte: ›Bei diesem großen, kernig dastehenden Baume ist zwar Wurzel und Stamm, Ast- und Laubwerk vergänglich, wandelbar, aber sein Schatten, der ist unvergänglich, beharrend, ewig, unwandelbar‹: würde der wohl, ihr Schwestern, solches mit Recht sagen?«[206]

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Bei diesem großen, kernig dastehenden Baume, o Herr, ist ja Wurzel und Stamm, Ast- und Laubwerk vergänglich, wandelbar: wie erst sein Schatten!«

»Ebenso nun auch, ihr Schwestern, wenn einer etwa sagte: ›Die sechs äußeren Gebiete sind bei mir vergänglich, wandelbar: was mich aber da auf Grund der äußeren Gebiete Wohl und Weh oder weder Weh und Wohl empfinden lässt, das ist unvergänglich, beharrend, ewig, unwandelbar‹: würde der etwa, ihr Schwestern, solches mit Recht sagen?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Durch eine also und also bedingte Ursache, o Herr, kommt eine also und also bedingte Empfindung zustande: durch einer also und also bedingten Ursache Auflösung wird eine also und also bedingte Empfindung aufgelöst.«

»Recht so, recht so, ihr Schwestern. Also, freilich, ihr Schwestern, sieht es der heilige Jünger der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit an. Gleichwie etwa, ihr Schwestern, wenn ein geschickter Schlächter oder Schlächtergeselle eine Kuh schlachtete und mit scharf geschliffenem Messer die Kuh zerlegte, ohne die inneren Fleischtheile zu zerreißen, ohne das äußere[S. 476] Fell zu zerreißen; und was innen an Muskeln, innen an Flechsen, {447} innen an Sehnen da ist, eben das mit dem scharf geschliffenen Messer abtrennte, abschnitte, rings herabschnitte; und nachdem er es abgetrennt, abgeschnitten, rings herabgeschnitten, das äußere Fell losgelöst hätte, mit eben diesem Felle die Kuh wieder bedeckte und nun sagte: ›Ganz wiederverbunden ist hier die Kuh mit ihrem Felle‹: würde der wohl, ihr Schwestern, solches mit Recht sagen?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Und warum nicht?«

»Mag auch, o Herr, ein geschickter Schlächter oder Schlächtergeselle eine Kuh schlachten und mit scharf geschliffenem Messer die Kuh zerlegen, ohne die inneren Fleischtheile zu zerreißen, ohne das äußere Fell zu zerreißen; und was innen an Muskeln, innen an Flechsen, innen an Sehnen da ist, eben das mit dem scharf geschliffenen Messer abtrennen, abschneiden, rings herabschneiden; und nachdem er es abgetrennt, abgeschnitten, rings herabgeschnitten, das äußere Fell losgelöst hätte, mit eben diesem Felle die Kuh wieder bedecken, und mag er nun gleich sagen: ›Ganz wiederverbunden ist hier die Kuh mit ihrem Felle‹: so ist da die Kuh eben nicht mehr verbunden mit ihrem Felle.«

»Ein Gleichniss habe ich da, ihr Schwestern, gegeben, um den Sinn zu erklären. Das aber ist nun der Sinn. Die inneren Fleischtheile: das ist, ihr Schwestern, eine Bezeichnung der sechs inneren Gebiete. Das äußere Fell: das ist, ihr Schwestern, eine Bezeichnung der sechs äußeren Gebiete. Innen die Muskeln, innen die Flechsen, innen die Sehnen: das ist, ihr Schwestern, eine[S. 477] Bezeichnung der Lustbegier. Das scharf geschliffene Messer: das ist, ihr Schwestern, eine Bezeichnung der heiligen Weisheit, jener heiligen Weisheit, die was innen an Klammern, innen an Fesseln, innen an Sehnen ist abtrennt, abschneidet, rings herabschneidet.[207]

{448} »Sieben Erweckungen sind es, ihr Schwestern, durch deren Uebung und Ausbildung ein Mönch den Wahn versiegen und die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und erringen kann: und welche sieben? Da übt, ihr Schwestern, ein Mönch der Einsicht Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt des Tiefsinns Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt der Kraft Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt der Heiterkeit Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt der Lindheit Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt der Innigkeit Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht; übt des Gleichmuths Erweckung, die abgeschieden gezeugte, abgelöst gezeugte, ausgerodet gezeugte, die in Endsal übergeht. Das sind, ihr Schwestern, die sieben Erweckungen, durch deren Uebung und Ausbildung ein Mönch den Wahn versiegen und die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und erringen kann.«

[S. 478]

Nachdem nun der ehrwürdige Nandako jene Nonnen also aufgeklärt hatte, ermahnte er sie:

»Geht nun, ihr Schwestern, es ist an der Zeit.«

Da waren denn jene Nonnen durch des ehrwürdigen Nandako Rede erfreut und befriedigt; und sie standen von ihren Sitzen auf, boten dem ehrwürdigen Nandako ehrerbietigen Gruß dar, schritten rechts herum und begaben sich dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt boten sie dem Erhabenen ehrerbietigen Gruß dar und stellten sich seitwärts hin. Zu jenen Nonnen, die da seitwärts standen, sprach der Erhabene also:

»Geht nun, ihr Nonnen, es ist an der Zeit.«

Und jene Nonnen boten dem Erhabenen ehrerbietigen Gruß dar, schritten rechts herum und entfernten sich.

Da wandte sich denn der Erhabene, bald nachdem jene Nonnen fortgegangen, an die Mönche:

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, am Feiertage, in der Nacht vor dem Vollmonde, {449} gar manche Leute in Zweifel und Bedenken gerathen, ›Nimmt der Mond noch zu, oder ist er schon voll geworden?‹, aber es nimmt eben der Mond noch zu: ebenso nun auch, ihr Mönche, sind jene Nonnen durch Nandakos Darlegung der Lehre zwar erfreut worden, doch nicht vollkommen zufriedengestellt.« Und der Erhabene wandte sich an den ehrwürdigen Nandako: »Darum magst du nur auch morgen, Nandako, ebendieselbe Aufklärung den Nonnen angedeihen lassen.«

»Wohl, o Herr!« sagte da der ehrwürdige Nandako, dem Erhabenen gehorchend. Und der ehrwürdige Nandako rüstete sich am nächsten Tage beizeiten, nahm Mantel und Schaale und ging nach Sāvatthī um Almosenspeise. Als er dort, von Haus zu Hause tretend,[S. 479] Almosen erhalten, kehrte er zurück, nahm das Mahl ein und begab sich dann selbander nach dem Königsgarten.

Es sahn aber jene Nonnen den ehrwürdigen Nandako von ferne herankommen, und als sie ihn gesehn stellten sie einen Stuhl zurecht und Wasser für die Füße. Es setzte sich der ehrwürdige Nandako auf den angebotenen Sitz, und als er saß spülte er sich die Füße ab. Jene Nonnen boten nun dem ehrwürdigen Nandako ebrerbietigen Gruß dar und setzten sich seitwärts hin. Und der ehrwürdige Nandako ließ jenen Nonnen, die da seitwärts saßen, Wort um Wort ebendieselbe Aufklärung angedeihen wie am Tage vorher. Nachdem nun der ehrwürdige Nandako jene Nonnen aufgeklärt hatte, ermahnte er sie:

»Geht nun, ihr Schwestern, es ist an der Zeit.«

Da waren denn jene Nonnen durch des ehrwürdigen Nandako Rede erfreut und befriedigt; und sie standen von ihren Sitzen auf, boten dem ehrwürdigen Nandako ehrerbietigen Gruß dar, schritten rechts herum und begaben sich dorthin wo der Erhabene weilte. {456} Dort angelangt boten sie dem Erhabenen ehrerbietigen Gruß dar und stellten sich seitwärts hin. Zu jenen Nonnen, die da seitwärts standen, sprach der Erhabene also:

»Geht nun, ihr Nonnen, es ist an der Zeit.«

Und jene Nonnen boten dem Erhabenen ehrerbietigen Gruß dar, schritten rechts herum und entfernten sich.

Da wandte sich denn der Erhabene, bald nachdem jene Nonnen fortgegangen, an die Mönche:

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, am Feiertage, in der vollen Mondnacht, gar manche Leute nicht mehr in Zweifel und Bedenken gerathen, ›Nimmt der Mond noch[S. 480] zu, oder ist er schon voll geworden?‹, sondern es ist eben der Mond schon voll geworden: ebenso nun auch, ihr Mönche, sind jene Nonnen durch Nandakos Darlegung der Lehre erfreut worden und vollkommen zufriedengestellt. Wer da, ihr Mönche, jener fünfhundert Nonnen geringste Nonne ist, ist zur Hörerschaft gelangt, dem Verderben entronnen, eilt zielbewusst der vollen Erwachung entgegen.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.[208]


147.

Fünfzehnter Theil

Fünfte Rede

RĀHULO

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Da kam dem Erhabenen in einsamer Abgeschiedenheit der Gedanke in den Sinn: ›Reif geworden sind bei Rāhulo Dinge, die Erlösung reif werden lassen; wie, wenn ich nun Rāhulo mehr noch zur Wahnversiegung bereit machte?‹

Und der Erhabene, zeitig gerüstet, nahm Mantel und Schaale und ging nach Sāvatthī um Almosenspeise, erhielt in der Stadt, von Haus zu Hause tretend, das Almosen, kehrte zurück, nahm das Mahl ein und wandte sich dann an den ehrwürdigen Rāhulo:

[S. 481]

{457} »Versieh’ dich, Rāhulo, mit der Strohmatte: wir wollen nach dem Dunkeln Walde gehn, dort bis gegen Abend verweilen.«

»Wohl, o Herr!« sagte da der ehrwürdige Rāhulo, dem Erhabenen gehorchend; und er versah sich mit der Strohmatte und folgte dem Erhabenen Schritt um Schritt nach.

Um diese Zeit aber war der Erhabene von einer vieltausendfachen Geisterschaar gefolgt: ›Heute wird der Erhabene den ehrwürdigen Rāhulo mehr noch zur Wahnversiegung bereit machen.‹

Und der Erhabene zog sich ins Innere des Dunkeln Waldes zurück und setzte sich am Fuß eines Baumes, an geeignetem Orte nieder. Und auch der ehrwürdige Rāhulo nahm, nach des Erhabenen Begrüßung, an der Seite Platz. An den ehrwürdigen Rāhulo, der da zur Seite saß, wandte sich nun der Erhabene also:

»Was meinst du wohl, Rāhulo: ist das Auge unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Was meinst du wohl, Rāhulo: sind die Formen unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

[S. 482]

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Was meinst du wohl, Rāhulo: ist das Sehbewusstsein unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

{458} »Was meinst du wohl, Rāhulo: ist die Sehberührung unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Was meinst du wohl, Rāhulo: was auch da durch Sehberührung bedingt an Gefühl hervorgeht, an Wahrnehmung hervorgeht, an Unterscheidung hervorgeht, an Bewusstsein hervorgeht, ist eben das unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann[S. 483] man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Was meinst du wohl, Rāhulo: ist das Ohr, die Nase, die Zunge, der Leib, der Geist unvergänglich oder vergänglich? Sind die Töne, die Düfte, die Säfte, die Tastungen, die Gedanken unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Was meinst du wohl, Rāhulo: ist das Hörbewusstsein, das Riechbewusstsein, das Schmeckbewusstsein, das Tastbewusstsein, {459} das Denkbewusstsein unvergänglich oder vergänglich? Ist die Hörberührung, die Riechberührung, die Schmeckberührung, die Tastberührung, die Denkberührung unvergänglich oder vergänglich? Was meinst du wohl, Rāhulo: was auch da durch Hörberührung, durch Riechberührung, durch Schmeckberührung, durch Tastberührung, durch Denkberührung bedingt an Gefühl hervorgeht, an Wahrnehmung hervorgeht, an Unterscheidung hervorgeht, an Bewusstsein hervorgeht, ist eben das unvergänglich oder vergänglich?«

»Vergänglich, o Herr!«

»Was aber vergänglich, ist das weh’ oder wohl?«

»Weh’, o Herr!«

»Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann[S. 484] man etwa davon behaupten: ›Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst‹?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Bei solcher Betrachtung, Rāhulo, wird der erfahrene heilige Jünger des Auges überdrüssig, der Formen überdrüssig, des Sehbewusstseins überdrüssig, der Sehberührung überdrüssig: und was auch da durch Sehberührung bedingt an Gefühl hervorgeht, an Wahrnehmung hervorgeht, an Unterscheidung hervorgeht, an Bewusstsein hervorgeht, eben dessen wird er überdrüssig; er wird des Ohres, der Nase, der Zunge, des Leibes, des Geistes überdrüssig, der Töne, der Düfte, der Säfte, der Tastungen, der Gedanken überdrüssig, des Hörbewusstseins, des Riechbewusstseins, des Schmeckbewusstseins, des Tastbewusstseins, des Denkbewusstseins überdrüssig, der Hörberührung, der Riechberührung, der Schmeckberührung, der Tastberührung, der Denkberührung überdrüssig: und was auch da durch Hörberührung, durch Riechberührung, durch Schmeckberührung, durch Tastberührung, {460} durch Denkberührung bedingt an Gefühl hervorgeht, an Wahrnehmung hervorgeht, an Unterscheidung hervorgeht, an Bewusstsein hervorgeht, eben dessen wird er überdrüssig. Ueberdrüssig wendet er sich ab. Abgewandt löst er sich los. ›Im Erlösten ist die Erlösung‹, diese Erkenntniss geht auf. ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht er da.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Rāhulo über das Wort des Erhabenen.

Während da nun diese Darlegung stattgefunden,[S. 485] hatte sich beim ehrwürdigen Rāhulo das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst.

Jener vieltausendfachen Geisterschaar aber war das abgeklärte, abgespülte Auge der Wahrheit aufgegangen:

›Was irgend auch entstanden ist
Muss alles wieder untergehn.‹[209]

148.

Fünfzehnter Theil

Sechste Rede

SECHSFACHE SECHSHEIT

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Die Lehre werd’ ich euch Mönchen aufweisen, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, das vollkommen geläuterte, geklärte Asketenthum werde ich darlegen; und zwar die sechsfache Sechsheit: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« sagten da aufmerksam jene Mönche zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Sechs innere Gebiete sind zu merken und sechs äußere Gebiete, sechs bewusstsame Reiche sind zu merken und sechs berührsame Reiche, {461} sechs fühlsame Reiche sind zu merken und sechs durstsame Reiche.

[S. 486]

»‚Sechs innere Gebiete sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Gebiet des Gesichts, das Gebiet des Gehörs, das Gebiet des Geruchs, das Gebiet des Geschmacks, das Gebiet des Getastes, das Gebiet des Gedenkens. ‚Sechs innere Gebiete sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die erste Sechsheit.

»‚Sechs äußere Gebiete sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Gebiet der Formen, das Gebiet der Töne, das Gebiet der Düfte, das Gebiet der Säfte, das Gebiet der Tastungen, das Gebiet der Gedanken. ‚Sechs äußere Gebiete sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die zweite Sechsheit.

»‚Sechs bewusstsame Reiche sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Durch das Gesicht und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, durch das Gehör und die Töne entsteht das Hörbewusstsein, durch den Geruch und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein, durch den Geschmack und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein, durch das Getast und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein, durch das Gedenken und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein. ‚Sechs bewusstsame Reiche sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die dritte Sechsheit.

»‚Sechs berührsame Reiche sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Durch das Gesicht und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung; durch das Gehör und die Töne entsteht das Hörbewusstsein,[S. 487] der Einschlag der drei giebt Berührung; durch den Geruch und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung; durch den Geschmack {462} und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung; durch das Getast und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung; durch das Gedenken und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung. ‚Sechs berührsame Reiche sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die vierte Sechsheit.

»‚Sechs fühlsame Reiche sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Durch das Gesicht und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch das Gehör und die Töne entsteht das Hörbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch den Geruch und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch den Geschmack und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch das Getast und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt; durch das Gedenken und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt. ‚Sechs fühlsame Reiche[S. 488] sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die fünfte Sechsheit.

»‚Sechs durstsame Reiche sind zu merken‘: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Durch das Gesicht und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl bedingt ist der Durst; durch das Gehör und die Töne entsteht das Hörbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt; durch den Geruch und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt; durch den Geschmack und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt; durch das Getast und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt; durch das Gedenken und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, {463} der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung ist das Gefühl bedingt, durch das Gefühl ist der Durst bedingt. ‚Sechs durstsame Reiche sind zu merken‘: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. Das ist die sechste Sechsheit. —

»‚Das Auge ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Auge wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn[S. 489] und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Das Auge ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst. — ‚Die Formen sind das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; bei den Formen wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Die Formen sind das Selbst‘ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst. — ‚Das Sehbewusstsein ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Sehbewusstsein wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Das Sehbewusstsein ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst, ist das Sehbewusstsein nicht das Selbst. — ‚Die Sehberührung ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; bei der Sehberührung wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an {464} ‚Die Sehberührung ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst, ist das Sehbewusstsein nicht das Selbst, ist die Sehberührung nicht das Selbst. — ‚Das Gefühl ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn;[S. 490] beim Gefühle wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Das Gefühl ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst, ist das Sehbewusstsein nicht das Selbst, ist die Sehberührung nicht das Selbst, ist das Gefühl nicht das Selbst. — ‚Der Durst ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Durste wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Der Durst ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist das Auge nicht das Selbst, sind die Formen nicht das Selbst, ist das Sehbewusstsein nicht das Selbst, ist die Sehberührung nicht das Selbst, ist das Gefühl nicht das Selbst, ist der Durst nicht das Selbst.

»‚Das Ohr ist das Selbst‘ — ‚Die Nase ist das Selbst‘[210] — ‚Die Zunge ist das Selbst‘ — ‚Der Leib ist das Selbst‘ — ‚Der Geist ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Geiste wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Der Geist ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst. — ‚Die Gedanken sind das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; bei den Gedanken wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei[S. 491] nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an {465} ‚Die Gedanken sind das Selbst‘ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die Gedanken nicht das Selbst. — ‚Das Denkbewusstsein ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Denkbewusstsein wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Das Denkbewusstsein ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die Gedanken nicht das Selbst, ist das Denkbewusstsein nicht das Selbst. — ‚Die Denkberührung ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; bei der Denkberührung wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Die Denkberührung ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die Gedanken nicht das Selbst, ist das Denkbewusstsein nicht das Selbst, ist die Denkberührung nicht das Selbst. — ‚Das Gefühl ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Gefühle wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Das Gefühl ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die[S. 492] Gedanken nicht das Selbst, ist das Denkbewusstsein nicht das Selbst, ist die Denkberührung nicht das Selbst, ist das Gefühl nicht das Selbst. — ‚Der Durst ist das Selbst‘, eine solche Behauptung, die kann nicht angehn; beim Durste wird ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen; wobei nun aber ein Entstehn und Vergehn wahrgenommen wird, muss einer {466} ‚Mein Selbst entsteht und vergeht‘ als Ergebniss gelten lassen; darum geht es nicht an ‚Der Durst ist das Selbst‘ zu behaupten: somit ist der Geist nicht das Selbst, sind die Gedanken nicht das Selbst, ist das Denkbewusstsein nicht das Selbst, ist die Denkberührung nicht das Selbst, ist das Gefühl nicht das Selbst, ist der Durst nicht das Selbst.

»Das aber ist, ihr Mönche, der Pfad, der zur Entstehung der Persönlichkeit hinführt: ›Das Auge‹, sagt man sich, ›das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst.‹ ›Die Formen‹, sagt man sich, ›das Sehbewusstsein, die Sehberührung, das Gefühl, der Durst: das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst.‹ ›Das Ohr‹, sagt man sich, ›die Nase, die Zunge, der Leib, der Geist, die Gedanken, das Denkbewusstsein, die Denkberührung, das Gefühl, der Durst: das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst.‹

»Das aber ist, ihr Mönche, der Pfad, der zur Auflösung der Persönlichkeit hinführt: ›Das Auge‹, sagt man sich, ›das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹ ›Die Formen‹, sagt man sich, ›das Sehbewusstsein, {467} die Sehberührung, das Gefühl, der Durst: das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹ ›Das Ohr‹, sagt man sich, ›die Nase, die Zunge, der Leib, der Geist, die Gedanken, das Denkbewusstsein,[S. 493] die Denkberührung, das Gefühl, der Durst: das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst.‹

»Durch das Gesicht, ihr Mönche, und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung entsteht eine Empfindung von Wohl, oder von Wehe, oder weder von Wehe noch von Wohl. Von einem wohligen Gefühle getroffen empfindet man Freude, Befriedigung, Ergetzen daran, und begehrliche Anwandlung kommt einen an. Von einem wehen Gefühle getroffen wird man bekümmert, beklommen, man jammert, schlägt sich stöhnend die Brust, geräth in Verzweiflung, und widerwillige Anwandlung kommt einen an. Von einem weder wehen noch wohligen Gefühle getroffen mag man dieser Empfindung Beginn und Vergehn, Labsal und Elend und Ueberwindung nicht der Wahrheit gemäß verstehn, und unwissende Anwandlung kommt einen an. Dass aber einer, ihr Mönche, der beim wohligen Gefühle begehrliche Anwandlung nicht verleugnet, beim wehen Gefühle widerwillige Anwandlung nicht von sich gewiesen, beim weder wehen noch wohligen Gefühle unwissende Anwandlung nicht ausgetilgt, Unwissen nicht verloren, Wissen nicht erworben hat, {468} noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen werde: das ist unmöglich.

»Durch das Gehör, ihr Mönche, und die Töne entsteht das Hörbewusstsein; durch den Geruch, ihr Mönche, und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein: durch den Geschmack, ihr Mönche, und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein; durch das Getast, ihr Mönche, und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein;[S. 494] durch das Gedenken, ihr Mönche, und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung entsteht eine Empfindung von Wohl, oder von Wehe, oder weder von Wehe noch von Wohl. Von einem wohligen Gefühle getroffen empfindet man Freude, Befriedigung, Ergetzen daran, und begehrliche Anwandlung kommt einen an. Von einem wehen Gefühle getroffen wird man bekümmert, beklommen, man jammert, schlägt sich stöhnend die Brust, geräth in Verzweiflung, und widerwillige Anwandlung kommt einen an. Von einem weder wehen noch wohligen Gefühle getroffen mag man dieser Empfindung Beginn und Vergehn, Labsal und Elend und Ueberwindung nicht der Wahrheit gemäß verstehn, und unwissende Anwandlung kommt einen an. Dass aber einer, ihr Mönche, der beim wohligen Gefühle begehrliche Anwandlung nicht verleugnet, beim wehen Gefühle widerwillige Anwandlung nicht von sich gewiesen, beim weder wehen noch wohligen Gefühle unwissende Anwandlung nicht ausgetilgt, Unwissen nicht verloren, Wissen nicht erworben hat, noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen werde: das ist unmöglich.

»Durch das Gesicht, ihr Mönche, und die Formen entsteht das Sehbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung entsteht eine Empfindung von Wohl, oder von Wehe, oder weder von Wehe noch von Wohl. Von einem wohligen Gefühle getroffen empfindet man da keine Freude, {469} keine Befriedigung, kein Ergetzen, und begehrliche Anwandlung kommt einen nicht an. Von einem wehen Gefühle getroffen wird man da nicht bekümmert, nicht beklommen,[S. 495] man jammert nicht, schlägt sich nicht stöhnend die Brust, geräth nicht in Verzweiflung, und widerwillige Anwandlung kommt einen nicht an. Von einem weder wehen noch wohligen Gefühle getroffen mag man dieser Empfindung Beginn und Vergehn, Labsal und Elend und Ueberwindung der Wahrheit gemäß verstehn, und unwissende Anwandlung kommt einen nicht an. Dass aber einer, ihr Mönche, der beim wohligen Gefühle begehrliche Anwandlung verleugnet, beim wehen Gefühle widerwillige Anwandlung von sich gewiesen, beim weder wehen noch wohligen Gefühle unwissende Anwandlung ausgetilgt, Unwissen verloren, Wissen erworben hat, noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen werde: das ist möglich.

»Durch das Gehör, ihr Mönche, und die Töne entsteht das Hörbewusstsein; durch den Geruch, ihr Mönche, und die Düfte entsteht das Riechbewusstsein; durch den Geschmack, ihr Mönche, und die Säfte entsteht das Schmeckbewusstsein; durch das Getast, ihr Mönche, und die Tastungen entsteht das Tastbewusstsein; durch das Gedenken, ihr Mönche, und die Dinge entsteht das Denkbewusstsein, der Einschlag der drei giebt Berührung, durch die Berührung entsteht eine Empfindung von Wohl, oder von Wehe, oder weder von Wehe noch von Wohl. Von einem wohligen Gefühle getroffen empfindet man da keine Freude, keine Befriedigung, kein Ergetzen, und begehrliche Anwandlung kommt einen nicht an. Von einem wehen Gefühle getroffen wird man da nicht bekümmert, nicht beklommen, man jammert nicht, schlägt sich nicht stöhnend die Brust, geräth nicht in Verzweiflung, und widerwillige[S. 496] Anwandlung kommt einen nicht an. Von einem weder wehen noch wohligen Gefühle getroffen mag man dieser Empfindung Beginn und Vergehn, Labsal und Elend und Ueberwindung der Wahrheit gemäß verstehn, {470} und unwissende Anwandlung kommt einen nicht an. Dass aber einer, ihr Mönche, der beim wohligen Gefühle begehrliche Anwandlung verleugnet, beim wehen Gefühle unwillige Anwandlung von sich gewiesen, beim weder wehen noch wohligen Gefühle unwissende Anwandlung ausgetilgt, Unwissen verloren, Wissen erworben hat, noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen werde: das ist möglich.

»Bei solcher Betrachtung, ihr Mönche, wird der erfahrene heilige Jünger des Auges überdrüssig, der Formen überdrüssig, des Sehbewusstseins überdrüssig, der Sehberührung überdrüssig, des Gefühles überdrüssig, des Durstes überdrüssig; er wird des Ohres, der Nase, der Zunge, des Leibes, des Geistes überdrüssig, der Töne, der Düfte, der Säfte, der Tastungen, der Gedanken überdrüssig, des Hörbewusstseins, des Riechbewusstseins, des Schmeckbewusstseins, des Tastbewusstseins, des Denkbewusstseins überdrüssig, der Hörberührung, der Riechberührung, der Schmeckberührung, der Tastberührung, der Denkberührung überdrüssig, des Gefühles überdrüssig, des Durstes überdrüssig. Ueberdrüssig wendet er sich ab. Abgewandt löst er sich los. ›Im Erlösten ist die Erlösung‹, diese Erkenntniss geht auf. ›Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketenthum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt‹ versteht er da.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.

[S. 497]

Während aber diese Darlegung stattgefunden, hatte sich bei etwa sechzig Mönchen das Herz ohne Hangen vom Wahne abgelöst.[211]


149.

Fünfzehnter Theil

Siebente Rede

MÄCHTIGE ABZEICHEN

{471} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« — »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Mächtige Abzeichen will ich euch Mönchen vom sechsfachen Gebiete angeben: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« sagten da aufmerksam jene Mönche zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Wer das Auge, ihr Mönche, nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, die Formen nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, das Sehbewusstsein nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, die Sehberührung nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, was da durch Sehberührung bedingt an Gefühl hervorgeht als Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, eben das nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, wird am Auge ergetzt, an den Formen ergetzt,[S. 498] am Sehbewusstsein ergetzt, an der Sehberührung ergetzt, was da durch Sehberührung bedingt an Gefühl hervorgeht als Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, eben daran ergetzt. Weil er ergetzt ist, sich anschließt, sich verlocken lässt, das Labsal beharrlich erspäht, schichten sich ihm die fünf Stücke des Anhangens weiterhin auf; und sein Durst, der Wiederdasein säende, gnügensgierverbundene, bald da bald dort sich ergetzende, der wächst ihm weiter. Dem wachsen körperliche Spaltungen weiter, wachsen geistige Spaltungen weiter, wachsen körperliche Quaalen weiter, wachsen geistige Quaalen weiter, wachsen körperliche Brünste weiter, wachsen geistige Brünste weiter; und körperlichen Schmerz und geistigen Schmerz erfährt er an sich.

»Wer das Ohr, ihr Mönche, nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht; wer die Nase, ihr Mönche, nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht; {472} wer die Zunge, ihr Mönche, nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht; wer den Leib, ihr Mönche, nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht; wer den Geist, ihr Mönche, nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, die Gedanken nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, das Denkbewusstsein nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, die Denkberührung nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, was da durch Denkberührung bedingt an Gefühl hervorgeht als Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, eben das nicht der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, wird am Geiste ergetzt, an den Gedanken ergetzt, am Denkbewusstsein ergetzt, an der Denkberührung ergetzt, was da durch Denkberührung bedingt an Gefühl hervorgeht[S. 499] als Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, eben daran ergetzt. Weil er ergetzt ist, sich anschließt, sich verlocken lässt, das Labsal beharrlich erspäht, schichten sich ihm die fünf Stücke des Anhangens weiterhin auf; und sein Durst, der Wiederdasein säende, gnügensgierverbundene, bald da bald dort sich ergetzende, der wächst ihm weiter. Dem wachsen körperliche Spaltungen weiter, wachsen geistige Spaltungen weiter, wachsen körperliche Quaalen weiter, wachsen geistige Quaalen weiter, wachsen körperliche Brünste weiter, wachsen geistige Brünste weiter; und körperlichen Schmerz und geistigen Schmerz erfährt er an sich.

»Wer das Auge, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, die Formen der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, das Sehbewusstsein der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, die Sehberührung der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, was da durch Sehberührung bedingt an Gefühl hervorgeht als Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, eben das der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, wird am Auge nicht ergetzt, an den Formen nicht ergetzt, am Sehbewusstsein nicht ergetzt, an der Sehberührung nicht ergetzt, was da durch Sehberührung bedingt an Gefühl hervorgeht als Wohl, {473} oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, eben daran nicht ergetzt. Weil er nicht ergetzt ist, sich nicht anschließt, sich nicht verlocken lässt, das Elend beharrlich erspäht, schichten sich ihm die fünf Stücke des Anhangens weiterhin ab; und der Durst, der Wiederdasein säende, gnügensgierverbundene, bald da bald dort sich ergetzende, der schwindet ihm weg.[S. 500] Dem schwinden körperliche Spaltungen weg, schwinden geistige Spaltungen weg, schwinden körperliche Quaalen weg, schwinden geistige Quaalen weg, schwinden körperliche Brünste weg, schwinden geistige Brünste weg; und körperliches Wohl und geistiges Wohl erfährt er an sich.

»Was ein Dahingelangter erkennt, das gilt ihm als rechte Erkenntniss; was ein Dahingelangter ersinnt, das gilt ihm als rechte Gesinnung; was ein Dahingelangter sich müht, das gilt ihm als rechtes Mühn; was ein Dahingelangter einsieht, das gilt ihm als rechte Einsicht; was ein Dahingelangter ertieft, das gilt ihm als rechte Vertiefung; schon vorher aber war er in Werken, in Worten, im Wandel durchaus lauter geworden: und so wird dieser heilige achtfältige Weg von ihm zur Vollendung gebracht. Während er also diesen heiligen achtfältigen Weg vollendet, werden die vier Pfeiler der Einsicht von ihm zur Vollendung gebracht; werden die vier gewaltigen Kämpfe von ihm zur Vollendung gebracht; werden die vier Machtgebiete von ihm zur Vollendung gebracht; werden fünf der Fähigkeiten von ihm zur Vollendung gebracht; werden fünf der Vermögen von ihm zur Vollendung gebracht; werden die sieben Erweckungen von ihm zur Vollendung gebracht. Da dienen ihm zwei Dinge als doppelte Rüstung: Ruhe und Klarsicht. Was für Dinge da weise zu durchschauen sind, diese Dinge durchschaut er weise; was für Dinge da weise zu verleugnen sind, {474} diese Dinge verleugnet er weise; was für Dinge da weise zu vollenden sind, diese Dinge vollendet er weise; was für Dinge da weise zu verwirklichen sind, diese Dinge verwirklicht er weise.

»Was für Dinge aber, ihr Mönche, sind da weise zu[S. 501] durchschauen? Die fünf Stücke des Anhangens, sei geantwortet; und zwar ein Stück Anhangen an der Form, ein Stück Anhangen am Gefühl, ein Stück Anhangen an der Wahrnehmung, ein Stück Anhangen an der Unterscheidung, ein Stück Anhangen am Bewusstsein: diese Dinge sind weise zu durchschauen. Was für Dinge aber, ihr Mönche, sind da weise zu verleugnen? Unwissen und Durst nach Dasein: diese Dinge sind weise zu verleugnen. Was für Dinge aber, ihr Mönche, sind weise zu vollenden? Ruhe und Klarsicht: diese Dinge sind weise zu vollenden. Was für Dinge aber, ihr Mönche, sind weise zu verwirklichen? Wissen und Erlösung: diese Dinge sind weise zu verwirklichen.

»Wer das Ohr, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß erkennt und versteht; wer die Nase, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß erkennt und versteht; wer die Zunge, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß erkennt und versteht; wer den Leib, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß erkennt und versteht; wer den Geist, ihr Mönche, der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, die Gedanken der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, das Denkbewusstsein der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, die Denkberührung der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, was da durch Denkberührung bedingt an Gefühl hervorgeht als Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, eben das der Wahrheit gemäß erkennt und versteht, wird am Geiste nicht ergetzt, an den Gedanken nicht ergetzt, am Denkbewusstsein nicht ergetzt, an der Denkberührung nicht ergetzt, was da durch Denkberührung bedingt an Gefühl hervorgeht als Wohl, oder Wehe, oder weder Wehe noch Wohl, eben daran nicht ergetzt. Weil[S. 502] er nicht ergetzt ist, {475} sich nicht anschließt, sich nicht verlocken lässt, das Elend beharrlich erspäht, schichten sich ihm die fünf Stücke des Anhangens weiterhin ab; und der Durst, der Wiederdasein säende, gnügensgierverbundene, bald da bald dort sich ergetzende, der schwindet ihm weg. Dem schwinden körperliche Spaltungen weg, schwinden geistige Spaltungen weg, schwinden körperliche Quaalen weg, schwinden geistige Quaalen weg, schwinden körperliche Brünste weg, schwinden geistige Brünste weg; und körperliches Wohl und geistiges Wohl erfährt er an sich.

»Was ein Dahingelangter erkennt, das gilt ihm als rechte Erkenntniss; was ein Dahingelangter ersinnt, das gilt ihm als rechte Gesinnung; was ein Dahingelangter sich müht, das gilt ihm als rechtes Mühn; was ein Dahingelangter einsieht, das gilt ihm als rechte Einsicht; was ein Dahingelangter ertieft, das gilt ihm als rechte Vertiefung; schon vorher aber war er in Werken, in Worten, im Wandel durchaus lauter geworden: und so wird dieser heilige achtfältige Weg von ihm zur Vollendung gebracht. Während er also diesen heiligen achtfältigen Weg vollendet, werden die vier Pfeiler der Einsicht von ihm zur Vollendung gebracht; werden die vier gewaltigen Kämpfe von ihm zur Vollendung gebracht; werden die vier Machtgebiete von ihm zur Vollendung gebracht; werden fünf der Fähigkeiten von ihm zur Vollendung gebracht; werden fünf der Vermögen von ihm zur Vollendung gebracht; werden die sieben Erweckungen von ihm zur Vollendung gebracht. Da dienen ihm zwei Dinge als doppelte Rüstung: Ruhe und Klarsicht. Was für Dinge da weise zu durchschauen sind,[S. 503] diese Dinge durchschaut er weise; was für Dinge da weise zu verleugnen sind, diese Dinge verleugnet er weise; was für Dinge da weise zu vollenden sind, diese Dinge vollendet er weise; {476} was für Dinge da weise zu verwirklichen sind, diese Dinge verwirklicht er weise.

»Was für Dinge aber, ihr Mönche, sind da weise zu durchschauen? Die fünf Stücke des Anhangens, sei geantwortet; und zwar ein Stück Anhangen an der Form, ein Stück Anhangen am Gefühl, ein Stück Anhangen an der Wahrnehmung, ein Stück Anhangen an der Unterscheidung, ein Stück Anhangen am Bewusstsein: diese Dinge sind weise zu durchschauen. Was für Dinge aber, ihr Mönche, sind da weise zu verleugnen? Unwissen und Durst nach Dasein: diese Dinge sind weise zu verleugnen. Was für Dinge aber, ihr Mönche, sind da weise zu vollenden? Ruhe und Klarsicht: diese Dinge sind weise zu vollenden. Was für Dinge aber, ihr Mönche, sind da weise zu verwirklichen? Wissen und Erlösung: diese Dinge sind weise zu verwirklichen.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


150.

Fünfzehnter Theil

Achte Rede

DIE NAGARAVINDER

Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit wanderte der Erhabene im Lande Kosalo von Ort zu Ort und kam, von[S. 504] vielen Mönchen begleitet, in die Nähe eines kosalischen Brāhmanendorfes Namens Nagaravindam. Und es hörten die brāhmanischen Hausleute in Nagaravindam reden: ›Der Asket, wahrlich, Herr Gotamo, der Sakyersohn, der dem Erbe der Sakyer entsagt hat, wandert in unserem Lande von Ort zu Ort und ist mit vielen Mönchen in Nagaravindam angekommen. Diesen Herrn Gotamo aber begrüßt man allenthalben mit dem frohen Ruhmesrufe, so zwar: ‚Das ist der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte, der Wissens- und Wandelsbewährte, der Willkommene, der Welt Kenner, der unvergleichliche Leiter {477} der Männerheerde, der Meister der Götter und Menschen, der Erwachte, der Erhabene. Er zeigt diese Welt mit ihren Göttern, ihren bösen und heiligen Geistern, mit ihrer Schaar von Priestern und Büßern, Göttern und Menschen, nachdem er sie selbst verstanden und durchdrungen hat. Er verkündet die Lehre, deren Anfang begütigt, deren Mitte begütigt, deren Ende begütigt, die sinn- und wortgetreue, er legt das vollkommen geläuterte, geklärte Asketenthum dar. Glücklich wer da nun solche Heilige sehn kann!‘‹

Und die brāhmanischen Hausleute von Nagaravindam begaben sich nun dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt verneigten sich einige vor dem Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder, andere wechselten höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, einige wieder falteten die Hände gegen den Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder, andere wieder gaben beim Erhabenen Namen und Stand zu erkennen und setzten sich zur Seite nieder, und andere[S. 505] setzten sich still zur Seite nieder.[212] Zu den brāhmanischen Hausleuten von Nagaravindam, die da zur Seite saßen, sprach nun der Erhabene also:

»Wenn euch, ihr Hausväter, andere Büßer und Pilger die Frage stellen: ›Was sind das, ihr Hausväter, für Asketen und Priester, die man nicht werthhalten und hochschätzen, die man nicht achten und ehren kann?‹, so mögt ihr auf diese Frage, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern also Bescheid geben: ›Wer da von Asketen und Priestern bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre sich erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt hat, gerade und ungerade wandelt in Werken, in Worten, in Gedanken, einen solchen Asketen oder Priester, den kann man nicht werthhalten und hochschätzen, den kann man nicht achten und ehren: und warum nicht? Wir selber haben uns ja bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt, wandeln gerade und ungerade in Werken, in Worten, in Gedanken: {478} wer nichts Besseres kennt als den geraden Wandel, den wir selber führen, solch einen lieben Asketen oder Priester kann man eben darum nicht werthhalten und hochschätzen, kann ihn nicht achten und ehren. Wer da von Asketen und Priestern bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen, bei den durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften, bei den durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften, bei den durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, bei den durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden[S. 506] Dingen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre sich erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt hat, gerade und ungerade wandelt in Werken, in Worten, in Gedanken, einen solchen Asketen oder Priester, den kann man nicht werthhalten und hochschätzen, den kann man nicht achten und ehren: und warum nicht? Wir selber haben uns ja bei diesen Dingen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt, wandeln gerade und ungerade in Werken, in Worten, in Gedanken: wer nichts Besseres kennt als den geraden Wandel, den wir selber führen, solch einen lieben Asketen oder Priester kann man eben darum nicht werthhalten und hochschätzen, kann ihn nicht achten und ehren.‹ Also mögt ihr, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern auf eine solche Frage Bescheid geben.

»Wenn euch aber, ihr Hausväter, andere Büßer und Pilger die Frage stellen: ›Was sind das, ihr Hausväter, für Asketen und Priester, die man werthhalten und hochschätzen, die man achten und ehren kann?‹, so mögt ihr auf diese Frage, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern also Bescheid geben: ›Wer da von Asketen und Priestern bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen ohne Gier, ohne Hass, ohne Irre sich erwiesen, das eigene Herz beschwichtigt hat, den geraden Wandel bewahrt in Werken, in Worten, in Gedanken, einen solchen Asketen oder Priester, den kann man werthhalten und hochschätzen, den kann man achten und ehren: {479} und warum das? Wir selber haben uns ja bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht[S. 507] ohne Irre erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt, wandeln gerade und ungerade in Werken, in Worten, in Gedanken: wer da nun Besseres kennt als den geraden Wandel, den wir selber führen, solch einen lieben Asketen oder Priester kann man eben darum werthhalten und hochschätzen, kann ihn achten und ehren. Wer da von Asketen und Priestern bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen, bei den durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften, bei den durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften, bei den durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, bei den durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen ohne Gier, ohne Hass, ohne Irre sich erwiesen, das eigene Herz beschwichtigt hat, den geraden Wandel bewahrt in Werken, in Worten, in Gedanken, einen solchen Asketen oder Priester, den kann man werthhalten und hochschätzen, den kann man achten und ehren: und warum das? Wir selber haben uns ja bei diesen Dingen nicht ohne Gier, nicht ohne Hass, nicht ohne Irre erwiesen, das eigene Herz nicht beschwichtigt, wandeln gerade und ungerade in Werken, in Worten, in Gedanken: wer da nun Besseres kennt als den geraden Wandel, den wir selber führen, solch einen lieben Asketen oder Priester kann man eben darum werthhalten und hochschätzen, kann ihn achten und ehren.‹ Also mögt ihr, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern auf eine solche Frage Bescheid geben.

»Wenn euch nun, ihr Hausväter, die anderen Büßer und Pilger die Frage stellen: ›Was eignen doch den Ehrwürdigen für Merkmale, was für Kennzeichen, dass ihr von ihnen also redet: ‚Freilich haben jene Ehrwürdigen[S. 508] die Gier verloren oder sind auf dem Wege die Gier zu verleugnen, haben den Hass verloren oder sind auf dem Wege den Hass zu verleugnen, haben die Irre verloren oder sind auf dem Wege die Irre zu verleugnen‘?‹, so mögt ihr auf diese Frage, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern also Bescheid geben: ›Darum eben {480} suchen jene Ehrwürdigen tief im Walde abgelegene Orte auf: dort aber giebt es keinerlei durch das Gesicht ins Bewusstsein tretende Formen, die man sehn und sehn und begehren könnte; dort aber giebt es keinerlei durch das Gehör ins Bewusstsein tretende Töne, die man hören und hören und begehren könnte; dort aber giebt es keinerlei durch den Geruch ins Bewusstsein tretende Düfte, die man riechen und riechen und begehren könnte; dort aber giebt es keinerlei durch den Geschmack ins Bewusstsein tretende Säfte, die man schmecken und schmecken und begehren könnte; dort aber giebt es keinerlei durch das Getast ins Bewusstsein tretende Tastungen, die man tasten und tasten und begehren könnte. Das sind, ihr Brüder, Merkmale, das sind Kennzeichen, um deren willen wir von jenen Ehrwürdigen also reden: ‚Freilich haben jene Ehrwürdigen die Gier verloren oder sind auf dem Wege die Gier zu verleugnen, haben den Hass verloren oder sind auf dem Wege den Hass zu verleugnen, haben die Irre verloren oder sind auf dem Wege die Irre zu verleugnen.‘‹ Also mögt ihr, Hausväter, den anderen Büßern und Pilgern auf eine solche Frage Bescheid geben.«

Nach dieser Rede sprachen die brāhmanischen Hausleute von Nagaravindam also zum Erhabenen:

[S. 509]

»Vortrefflich, Herr Gotamo, vortrefflich, Herr Gotamo! Gleichwie etwa, Herr Gotamo, als ob man Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Verirrten den Weg zeigte, oder ein Licht in die Finsterniss hielte: ›Wer Augen hat wird die Dinge sehn‹: ebenso auch ist von Herrn Gotamo die Lehre gar vielfach gezeigt worden. Und so nehmen wir bei Herrn Gotamo unsere Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger möge uns Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu.«[213]


151.

Fünfzehnter Theil

Neunte Rede

ALMOSENLÄUTERUNG

{481} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rājagaham, im Bambusparke, am Hügel der Eichhörnchen.

Da begab sich denn der ehrwürdige Sāriputto gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, zum Erhabenen hin, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Zum ehrwürdigen Sāriputto, der da seitwärts saß, sprach nun der Erhabene also:

»Heiter, Sāriputto, ist dein Angesicht, hell die Hautfarbe und rein; was hast du wohl, Sāriputto, in dieser Zeit am meisten erfahren mögen?«

»Armuth erfahren hab’ ich, o Herr, in dieser Zeit am meisten gemocht.«

[S. 510]

»Recht so, recht so, Sāriputto. Großer Männer Erfahrung erfahren hast du wahrlich, Sāriputto, in dieser Zeit am meisten gemocht. Großer Männer Erfahrung heißt es ja, Sāriputto, ist die Armuth. — Darum aber, Sāriputto, so ein Mönch sich wünscht ›Armut erfahren möcht’ ich am meisten‹, hat ein solcher Mönch, Sāriputto, sich also zu erforschen: ›Auf dem Wege wo ich nach dem Dorfe um Almosen hinging, an dem Orte wo ich um Almosen stand, auf dem Wege wo ich aus dem Dorfe vom Almosengange wiederkam, ist mir da etwa bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen Wille, oder Gier, oder Hass, oder Irre, oder Widerstreit im Geiste aufgestiegen?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Auf dem Wege wo ich nach dem Dorfe um Almosen hinging, an dem Orte wo ich um Almosen stand, auf dem Wege wo ich aus dem Dorfe vom Almosengange wiederkam, {482} da ist mir bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen Wille, oder Gier, oder Hass, oder Irre, oder Widerstreit im Geiste aufgestiegen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um Befreiung von ebendiesen bösen, schlechten Dingen zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Auf dem Wege wo ich nach dem Dorfe um Almosen hinging, an dem Orte wo ich um Almosen stand, auf dem Wege wo ich aus dem Dorfe vom Almosengange wiederkam, da ist mir bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen Wille, oder Gier, oder Hass, oder Irre, oder Widerstreit im Geiste nicht aufgestiegen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

[S. 511]

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Auf dem Wege wo ich nach dem Dorfe um Almosen hinging, an dem Orte wo ich um Almosen stand, auf dem Wege wo ich aus dem Dorfe vom Almosengange wiederkam, ist mir da etwa bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen, bei den durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften, bei den durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften, bei den durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, bei den durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen Wille, oder Gier, oder Hass, oder Irre, oder Widerstreit im Geiste aufgestiegen?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Auf dem Wege wo ich nach dem Dorfe um Almosen hinging, an dem Orte wo ich um Almosen stand, auf dem Wege wo ich aus dem Dorfe vom Almosengange wiederkam, da ist mir bei den durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen Wille, oder Gier, oder Hass, oder Irre, oder Widerstreit im Geiste aufgestiegen‹, {483} so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um Befreiung von ebendiesen bösen, schlechten Dingen zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Auf dem Wege wo ich nach dem Dorfe um Almosen hinging, an dem Orte wo ich um Almosen stand, auf dem Wege wo ich aus dem Dorfe vom Almosengange wiederkam, da ist mir bei den durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen Wille, oder Gier, oder Hass, oder Irre, oder Widerstreit im Geiste nicht aufgestiegen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

[S. 512]

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie aufgehoben, die fünf Begehrungen?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht aufgehoben hab’ ich sie, die fünf Begehrungen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Aufhebung der fünf Begehrungen zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Aufgehoben hab’ ich sie, die fünf Begehrungen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese {484} sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie aufgehoben, die fünf Hemmungen?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht aufgehoben hab’ ich sie, die fünf Hemmungen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Aufhebung der fünf Hemmungen zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Aufgehoben hab’ ich sie, die fünf Hemmungen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie durchschaut, die fünf Stücke des Anhangens?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht durchschaut hab’ ich sie, die fünf Stücke des Anhangens‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Durchschauung der fünf Stücke des Anhangens zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Durchschaut hab’ ich sie, die fünf Stücke des Anhangens‹, so hat[S. 513] ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie vollendet, die vier Pfeiler der Einsicht?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht vollendet hab’ ich sie, die vier Pfeiler der Einsicht‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Vollendung der vier Pfeiler der Einsicht zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Vollendet hab’ ich sie, die vier Pfeiler der Einsicht‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie vollendet, die vier gewaltigen Kämpfe?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht vollendet hab’ ich sie, die vier gewaltigen Kämpfe‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Vollendung der vier gewaltigen Kämpfe zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Vollendet hab’ ich sie, die vier gewaltigen Kämpfe‹, {485} so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie vollendet, die vier Machtgebiete?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht vollendet hab’ ich sie, die vier Machtgebiete‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Vollendung der vier Machtgebiete zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner[S. 514] Betrachtung erkennt: ›Vollendet hab’ ich sie, die vier Machtgebiete‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie vollendet, die fünf Fähigkeiten?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht vollendet hab’ ich sie, die fünf Fähigkeiten‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Vollendung der fünf Fähigkeiten zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: Vollendet hab’ ich sie, die fünf Fähigkeiten‹, so hat ein solcher Mönch, {486} Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie vollendet, die fünf Vermögen?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht vollendet hab’ ich sie, die fünf Vermögen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Vollendung der fünf Vermögen zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Vollendet hab’ ich sie, die fünf Vermögen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie vollendet, die sieben Erweckungen?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht vollendet hab’ ich sie, die sieben Erweckungen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Vollendung der sieben Erweckungen zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner[S. 515] Betrachtung erkennt: ›Vollendet hab’ ich sie, die sieben Erweckungen‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich ihn vollendet, den heiligen achtfältigen Weg?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht vollendet hab’ ich ihn, den heiligen achtfältigen Weg‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Vollendung des heiligen achtfältigen Weges zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Vollendet hab’ ich ihn, den heiligen achtfältigen Weg‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich sie vollendet, Ruhe und Klarsicht?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht vollendet hab’ ich sie, Ruhe und Klarsicht‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Vollendung von Ruhe und Klarsicht zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Vollendet hab’ ich sie, Ruhe und Klarsicht‹, so hat ein solcher Mönch, {487} Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Weiter sodann, Sāriputto, hat ein Mönch sich also zu erforschen: ›Hab’ ich es verwirklicht, Wissen und Erlösung?‹ Wenn da, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Nicht verwirklicht hab’ ich es, Wissen und Erlösung‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, um die Verwirklichung von Wissen und Erlösung[S. 516] zu kämpfen. Wenn aber, Sāriputto, der Mönch bei seiner Betrachtung erkennt: ›Verwirklicht hab’ ich es, Wissen und Erlösung‹, so hat ein solcher Mönch, Sāriputto, ebendiese sälig heitere Uebung im Guten Tag und Nacht zu bewahren.

»Denn wer immer auch, Sāriputto, von den Asketen oder den Priestern in vergangenen Zeiten Almosen geläutert hat, ein jeder hat also und also betrachtend und betrachtend Almosen geläutert. Und wer immer auch, Sāriputto, von den Asketen oder den Priestern in künftigen Zeiten Almosen läutern wird, ein jeder wird also und also betrachtend und betrachtend Almosen läutern. Und wer immer auch, Sāriputto, von den Asketen oder den Priestern in der Gegenwart Almosen läutern mag, ein jeder mag also und also betrachtend und betrachtend Almosen läutern.

»Darum aber, Sāriputto: ›Betrachtend und betrachtend wollen wir Almosen läutern‹: so habt ihr, Sāriputto, euch wohl zu üben.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Sāriputto über das Wort des Erhabenen.[214]


152.

Fünfzehnter Theil

Zehnte Rede

SINNESGEWALT

{488} Das hab’ ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Kajaṉgalā[215], im Hain der Glockenbäume.

[S. 517]

Da begab sich denn Uttaro, ein junger Brāhmane, der Schüler Pārāsariyos, zum Erhabenen hin, wechselte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzte sich seitwärts nieder. An Uttaro den jungen Brāhmanen, den Schüler Pārāsariyos, der da zur Seite saß, wandte sich nun der Erhabene also:

»Lehrt, Uttaro, Pārāsariyo der Priester den Jüngern die Sinne in der Gewalt haben?«

»Es lehrt, o Gotamo, Pārāsariyo der Priester den Jüngern die Sinne in der Gewalt haben.«

»Auf welche Weise, Uttaro, lehrt wohl Pārāsariyo der Priester den Jüngern die Sinne in der Gewalt haben?«

»Da sieht man, o Gotamo, mit dem Auge keine Form und hört mit dem Ohre keinen Ton: also lehrt, o Gotamo, Pārāsariyo der Priester den Jüngern die Sinne in der Gewalt haben.«[216]

»Ist es also, Uttaro, dann mag ein Blinder Gewalt über die Sinne haben, und mag ein Tauber Gewalt über die Sinne haben, dem Worte des Priesters Pārāsariyo gemäß: denn ein Blinder, Uttaro, sieht mit dem Auge keine Form, und ein Tauber hört mit dem Ohre keinen Ton.«

Also beschieden blieb Uttaro, der junge Brāhmane, der Schüler Pārāsariyos, verstummt und verstört, die Schultern gebeugt, den Kopf gesenkt, sprachlos vor sich hinstarrend sitzen. Und der Erhabene sah wie Uttaro also dasaß und wandte sich an den ehrwürdigen Ānando:

»Auf andere Weise, Ānando, lehrt eben Pārāsariyo der Priester den Jüngern die Sinne in der Gewalt haben,[S. 518] {489} und auf andere Weise wieder hat man im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt.«

»Da ist es, Erhabener, Zeit, da ist es, Willkommener, Zeit, dass der Erhabene zeige, wie man im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt hat: des Erhabenen Wort werden die Mönche bewahren.«

»Wohlan denn, Ānando, so höre und achte wohl auf meine Rede.«

»Gewiss, o Herr!« sagte da aufmerksam der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen. Der Erhabene sprach also:

»Wie also hat man, Ānando, im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt? Da hat, Ānando, ein Mönch mit dem Auge eine Form gesehn und wird angenehm bewegt, wird unangenehm bewegt, wird angenehm und unangenehm bewegt. Und er erkennt: ›Bewegt worden bin ich da angenehm, bewegt worden unangenehm, bewegt worden angenehm und unangenehm: das aber ist zusammengesetzt, ist grob geartet, bedingt entstanden; es giebt eine Ruhe, es giebt ein Ziel, und zwar den Gleichmuth.‹ Und das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein hört bei ihm auf, der Gleichmuth hält an. Gleichwie etwa, Ānando, ein scharfsehender Mann blicks die Augen aufschlagen und schließen, blicks die Augen schließen und aufschlagen kann: ebenso nun auch, Ānando, kann wer da also rasch, also eilig, also mühelos das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein bei sich aufhören lässt den Gleichmuth anhalten lassen. Das heißt man, Ānando, im Orden des Heiligen die Sinne[S. 519] in höchster Gewalt haben, bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen.

»Weiter sodann, Ānando, hat ein Mönch mit dem Ohre einen Ton gehört und wird angenehm bewegt, wird unangenehm bewegt, wird angenehm und unangenehm bewegt. {490} Und er erkennt: ›Bewegt worden bin ich da angenehm, bewegt worden unangenehm, bewegt worden angenehm und unangenehm: das aber ist zusammengesetzt, ist grob geartet, bedingt entstanden; es giebt eine Ruhe, es giebt ein Ziel, und zwar den Gleichmuth.‹ Und das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein hört bei ihm auf, der Gleichmuth hält an. Gleichwie etwa, Ānando, ein kräftiger Mann gar leicht einen Schnalzer schlagen kann: ebenso nun auch, Ānando, kann wer da also rasch, also eilig, also mühelos das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein bei sich aufhören lässt den Gleichmuth anhalten lassen. Das heißt man, Ānando, im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt haben, bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen.

»Weiter sodann, Ānando, hat ein Mönch mit der Nase einen Duft gerochen und wird angenehm bewegt, wird unangenehm bewegt, wird angenehm und unangenehm bewegt. Und er erkennt: ›Bewegt worden bin ich da angenehm, bewegt worden unangenehm, bewegt worden angenehm und unangenehm: das aber ist zusammengesetzt, ist grob geartet, bedingt entstanden; es giebt eine Ruhe, es giebt ein Ziel, und zwar den Gleichmuth.‹ Und das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein[S. 520] hört bei ihm auf, der Gleichmuth hält an. Gleichwie etwa, Ānando, auf einem leicht geneigten Lotusblatte Wassertropfen herabgleiten, keinen Halt finden: ebenso nun auch, Ānando, kann wer da also rasch, also eilig, also mühelos das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein bei sich aufhören lässt den Gleichmuth anhalten lassen. Das heißt man, Ānando, im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt haben, bei den durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften.

»Weiter sodann, Ānando, hat ein Mönch mit der Zunge einen Saft geschmeckt und wird angenehm bewegt, {491} wird unangenehm bewegt, wird angenehm und unangenehm bewegt. Und er erkennt: ›Bewegt worden bin ich da angenehm, bewegt worden unangenehm, bewegt worden angenehm und unangenehm: das aber ist zusammengesetzt, ist grob geartet, bedingt entstanden; es giebt eine Ruhe, es giebt ein Ziel, und zwar den Gleichmuth.‹ Und das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein hört bei ihm auf, der Gleichmuth hält an. Gleichwie etwa, Ānando, ein kräftiger Mann an der Spitze der Zunge einen Speichelball ansammeln und ohne Mühe ausspeien kann: ebenso nun auch, Ānando, kann wer da also rasch, also eilig, also mühelos das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein bei sich aufhören lässt den Gleichmuth anhalten lassen. Das heißt man, Ānando, im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt haben, bei den durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften.

[S. 521]

»Weiter sodann, Ānando, hat ein Mönch mit dem Leibe eine Tastung getastet und wird angenehm bewegt, wird unangenehm bewegt, wird angenehm und unangenehm bewegt. Und er erkennt: ›Bewegt worden bin ich da angenehm, bewegt worden unangenehm, bewegt worden angenehm und unangenehm: das aber ist zusammengesetzt, ist grob geartet, bedingt entstanden; es giebt eine Ruhe, es giebt ein Ziel, und zwar den Gleichmuth.‹ Und das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein hört bei ihm auf, der Gleichmuth hält an. Gleichwie etwa, Ānando, ein kräftiger Mann seinen eingezogenen Arm ausstrecken oder seinen ausgestreckten Arm einziehn kann: ebenso nun auch, Ānando, kann wer da also rasch, also eilig, also mühelos das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein bei sich aufhören lässt den Gleichmuth anhalten lassen. Das heißt man, Ānando, im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt haben, bei den durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen.

»Weiter sodann, Ānando, hat ein Mönch mit dem Geiste ein Ding gedacht und wird angenehm bewegt, wird unangenehm bewegt, {492} wird angenehm und unangenehm bewegt. Und er erkennt: ›Bewegt worden bin ich da angenehm, bewegt worden unangenehm, bewegt worden angenehm und unangenehm: das aber ist zusammengesetzt, ist grob geartet, bedingt entstanden; es giebt eine Ruhe, es giebt ein Ziel, und zwar den Gleichmuth.‹ Und das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt[S. 522] sein hört bei ihm auf, der Gleichmuth hält an. Gleichwie etwa, Ānando, wenn ein Mann auf eine tagüber am Feuer glühende eiserne Pfanne zwei oder drei Wassertropfen herabträufeln ließe — langsam, Ānando, wäre der Fall der Tropfen, aber gar eilig würden sie aufgelöst und verschwunden sein —: ebenso nun auch, Ānando, kann wer da also rasch, also eilig, also mühelos das angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein bei sich aufhören lässt den Gleichmuth anhalten lassen. Das heißt man, Ānando, im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt haben, bei den durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen. — So aber hat man, Ānando, im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt.

»Wie aber ist man, Ānando, als Kämpfer vorgeschritten? Da hat, Ānando, ein Mönch mit dem Auge eine Form gesehn und wird angenehm bewegt, wird unangenehm bewegt, wird angenehm und unangenehm bewegt. Und vor diesem angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein kommt ihn ein Grauen an, Entsetzen an, Abscheu an. Er hat mit dem Ohre einen Ton gehört, mit der Nase einen Duft gerochen, mit der Zunge einen Saft geschmeckt, mit dem Leibe eine Tastung getastet, mit dem Geiste ein Ding gedacht und wird angenehm bewegt, wird unangenehm bewegt, wird angenehm und unangenehm bewegt. Und vor diesem angenehm bewegt sein, unangenehm bewegt sein, angenehm und unangenehm bewegt sein kommt ihn ein Grauen an, {493} Entsetzen an, Abscheu an. So aber ist man, Ānando, als Kämpfer vorgeschritten.

[S. 523]

»Wie aber ist man, Ānando, als Heiliger sinnesgewaltig? Da hat, Ānando, ein Mönch mit dem Auge eine Form gesehn und wird angenehm bewegt, wird unangenehm bewegt, wird angenehm und unangenehm bewegt. Und wenn er sich wünscht: ›Bei Widerwärtigem will ich unwiderwärtig gewahrbleiben‹, so bleibt er dabei unwiderwärtig gewahr; wenn er sich wünscht: ›Bei Unwiderwärtigem will ich widerwärtig gewahrbleiben‹, so bleibt er dabei widerwärtig gewahr; wenn er sich wünscht: ›Bei Widerwärtigem und Unwiderwärtigem will ich unwiderwärtig gewahr bleiben‹, so bleibt er dabei unwiderwärtig gewahr; wenn er sich wünscht: ›Bei Unwiderwärtigem und Widerwärtigem will ich widerwärtig gewahrbleiben‹, so bleibt er dabei widerwärtig gewahr; wenn er sich wünscht: ›Widerwärtiges und Unwiderwärtiges, beides will ich von mir weisen und gleichmüthig bleiben, besonnen, klar bewusst‹, so bleibt er dabei gleichmüthig, besonnen, klar bewusst. Weiter sodann, Ānando, hat ein Mönch mit dem Ohre einen Ton gehört, mit der Nase einen Duft gerochen, mit der Zunge einen Saft geschmeckt, mit dem Leibe eine Tastung getastet, mit dem Geiste ein Ding gedacht und wird angenehm bewegt, wird unangenehm bewegt, wird angenehm und unangenehm bewegt. Und wenn er sich wünscht: ›Bei Widerwärtigem will ich unwiderwärtig gewahrbleiben‹, so bleibt er dabei unwiderwärtig gewahr; wenn er sich wünscht: ›Bei Unwiderwärtigem will ich widerwärtig gewahrbleiben‹, so bleibt er dabei widerwärtig gewahr; wenn er sich wünscht: ›Bei Widerwärtigem und Unwiderwärtigem will ich unwiderwärtig gewahrbleiben‹, so bleibt er dabei unwiderwärtig gewahr;[S. 524] wenn er sich wünscht: ›Bei Unwiderwärtigem und Widerwärtigem will ich widerwärtig gewahrbleiben‹, so bleibt er dabei widerwärtig gewahr; {494} wenn er sich wünscht: ›Widerwärtiges und Unwiderwärtiges, beides will ich von mir weisen und gleichmüthig bleiben, besonnen, klar bewusst‹, so bleibt er dabei gleichmüthig, besonnen, klar bewusst. So aber ist man, Ānando, als Heiliger sinnesgewaltig.

»Und so hab’ ich, Ānando, gezeigt wie man im Orden des Heiligen die Sinne in höchster Gewalt hat, gezeigt wie man als Kämpfer vorgeschritten ist, gezeigt wie man als Heiliger sinnesgewaltig ist. Was ein Meister, Ānando, den Jüngern aus Liebe und Theilnahme, von Mitleid bewogen, schuldet, das habt ihr von mir empfangen. Da laden, Ānando, Bäume ein, und dort leere Klausen. Wirket Schauung, Ānando, auf dass ihr nicht lässig werdet, später nicht Reue empfindet: das haltet als unser Gebot.«

[S. 525]

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich der ehrwürdige Ānando über das Wort des Erhabenen.



[S. 527]

ANMERKUNGEN

[S. 528]

[1] Devadaham, i. e. Deorum lacuna. Der Ort ist auch im Mahāvaṃso II, v. 16 als Devadaho, im Mahāvastu I, p. 355 f. als Devaḍaho, und Jātakam I, p. 52 als Devadahanagaram gut überliefert. Noch heute führt die Straße über die Ruinen von Kapilavatthu nach Rummin-deī, dem einstigen Luṃminī, und von da ein paar weitere Tagereisen hinauf ins Gebirge bis zur sakkischen Gränzfeste, der stolz emporragenden Burgstadt Deonyagarh, wie sie gegenwärtig heißt. Die Angabe eines chinesischen Pilgers, der Weg von Kapilavatthu nach Devadaham betrage 800 li (ca. 350 km), von WATTERS im Journal Roy. As. Soc. 1898 p. 547 mitgetheilt, wird daher der Wahrheit ziemlich nahegekommen sein. — Vergl. unser Göttweig, von vicus, wîch: der Götter Hof, hoch auf steilem Felsen, gegenüber Stein an der Donau gelegen; (schott.) Lochnagar, Interlaken, Laach etc., von lacus. Die Ruinen von Devadaham mögen dermaleinst unter dem heutigen Deonyagarh aufgefunden werden, sobald nur erst Männer wie PRINSEP oder CUNNINGHAM wieder am Werke sind. Wenn Babu MUKHERJI noch jüngst nahe bei Rummin-deī danach gesucht, Report on etc. Antiquities in the Tarai etc. (Archaeological Survey of India XXVI 1 Imp. Ser.), Kalkutta 1901, S. 58, so hat er eben den gänzlich unwissenschaftlichen, bloß willkürlichen Behauptungen von Leuten wie Major WADDELL und VINCENT A. SMITH muthlos gehorcht, ohne auch nur den Versuch eigener Quellenuntersuchung zu wagen: weil ja historisches Forschen und Verstehnlernen mehr noch als dem alten dem modernen Inder versagt ist. Die neu von ihm gelieferten, leider nur spärlichen photographischen Aufnahmen in situ der zumeist schon von dem ehemaligen Jesuiten und trotz der argen Anschuldigungen immerhin verdienstvollen A. FÜHRER entdeckten Reste und Alterthümer aus der sakkischen, künstlerisch ungemein hoch stehenden Periode sollen dagegen mit lebhaftem Danke begrüßt werden. — Auf Tafel XXVIII findet man die in der 109. Anmerkung erwähnte krystallene Phiole sowie die Urne mit der Inschrift nebst den anderen drei im selben Sarkophage (salilanidhanam Leichenschrein) verwahrt gewesenen Reliquiengefäßen photograviert. Die von mir a. a. O. vorgebrachte Hypothese einer geographischen Differenzierung von Sakko und Sakyo lässt sich durch unsere Manuskripte und Inschriften doch wohl nicht genügend stützen.

[2] »ez ist allez ein vorgewürket dinc«, sagt Meister ECKHART, ed. PFEIFFER p. 487, in Uebereinstimmung mit dieser alten, auch nach Aupapātikasūtram § 129–155 und Sarvadarśanasaṃgrahas 3. Kap. gegen Ende, von den Jainās angenommenen Upanischadenlehre, die, im Bṛhadāraṇyakam noch als Geheimniss behandelt, später Gemeinplatz wurde, wie e. g. im Kathāsaritsāgaras 40, 113 prākkarmopārjitaṃ sarvam eva śubhāśubham, fast wörtlich wie oben ib. 41 sarvaṃ tiṣṭhati pūrvakarmavaśād eva.

[3] Zu sallena savisena gāḷhapalepanena cf. Ṛgvedas X, 87, 23 viṣeṇa tigmena śociṣā. — In Griechenland die philoktetischen Pfeile; im HORAZ die venenatis gravida sagittis pharetra, Carm. I, 22. Auch parabolisch: »glühend bittre Pfeile«, wie Faust II im Anf.

[4] Puna ca param bis parisodheti ist hier, wo bereits der Mönch dargestellt, übernommene Einschaltung: lies Puna ca param bhikkhave bhikkhu vivicc’ eva kāmehi viviccādi. — Zum vorhergehenden Gleichnisse cf. die 109. Anmerkung.

[S. 529]

[5] Diese Rede ist eine gründliche, wenn auch nicht allzu leicht verständliche Exposition ideal immanenter Betrachtung gegenüber der real transscendenten der Freien Brüder. Laetus in praesens animus quod ultra est oderit curare. Vergl. auch den 14., 56. und andere verwandte Dialoge.

Die Schmerzensaskese der Freien Brüder, Stetigsteher und anderer Büßer findet man insbesondere in der 45. und 57. Rede ausführlich geschildert: Gebräuche, die noch heute in Indien und gelegentlich, en miniature, sogar bei uns üblich sind; wie z. B. die alljährliche Springprozession zu Echternach zeigt. Και ταυτη Ινδων επανεληλυθυια, nach SUIDAS über THEOPHILOS.

Zur Lehre āyatim anavassavo »Ferner kein Zufluss« cf. die 67. Rede S. 202 u. d. Anm. 58; auch Annapūrṇopaniṣat V, v. 71 duḥkhasyāvasaras und des apokritischen MAKARIOS θαλαττα του βιου und πελαγος της θνητης ζωης, ed. BLONDEL p. 72, des MAKARIOS Aigyptios διελθειν και ὑπερβηναι και διαπερασαι την πικραν θαλασσαν της ἁμαρτιας, Homil. XLIV § 6, ed. PRITIUS p. 508.

Gute, unseren und den jinistischen Texten entsprechende Darstellungen büßend beharrender Stetigsteher, d. i. Freier Brüder, bieten die zahlreichen Kolossalstatuen in den Felsenwänden und -grotten auf dem Wege zur Gwaliorburg, einer der großartigsten natürlichen Festungen, die ich gesehn. Zumal die Gruppen am östlichen und am südlichen Abhange, ungefähr je zwanzig gewaltige, meist zehn, aber auch bis zwanzig Meter hohe Gestalten, zeichnen sich durch erhabene Schönheit aus; daher denn auch ein Missionar des 16. Jahrh. eine dieser Gruppen, freudig überrascht und nicht blöde, als Christus und seine Jünger beanspruchen wollte —

Virtutis verae custos rigidusque satelles.

[S. 530]

[6] Dieses Gleichniss, das man fast als eine gewisse Humoreske nicht unschicklich ansehn könnte, hat SOKRATES ganz ebenso naiv, zu Ende des Gesprächs im Euthyphron, gebraucht: Εμπορικη αρα τις αν ειη τεχνη ἡ ὁσιοτης θεοις και ανθρωποις παρ’ αλληλων. Ja auch ECKHART, p. 34: Diz sint allez koufliute... wan sie wellent daz eine umbe daz ander geben unde wellent alsô koufen mit unserm herren.

[7] sā gaddulabandho, »ein Hund mit einem Kehlbande«. Vergl. Saṃyuttakanikāyo vol. III. p. 150, taṇhāgaddulam, Niddeso II. p. 11.

[8] Der Text hat richtig nibbānasappāyam.

[9] Cf. die 1. Rede des 1. Bandes. — Tao-te-king, ed. JULIEN, 1. Buches letztes Kap. i. f.

Das Erforschen der Vergangenheit und der Zukunft aufgeben ist öfters eingehend behandelt, wie Saṃyuttakanikāyo vol. V. p. 263/4, oder Theragāthā 397: yathā pure tathā pacchā | yathā pacchā tathā pure|. Vergl. die vedische Gāthā: yad asya pūrvam aparaṃ tad asya | yadvasyāparaṃ tadvasya pūrvam|: Aitareyabrāhmaṇam III, 43. Zu den Antinomien, S. 28 passim, finden sich mancherlei scholastische Beispiele im 3. Kap. des Sarvadarśanasaṃgrahas. Näher steht das schöne Wort des DEMONAX: Εξεταζοντων τινων, ει ὁ κοσμος εμψυχος, και αυθις, ει σφαιροειδης· Ὑμεις, εφη, περι δε της ἑαυτων βκοσμιας ου φροντιζετε. Aehnlich SOKRATES in der Einleitung zum Phaidros.

[10] lies abhiṇham. — Zur Sache cf. die 77. Rede.

[11] diṭṭhipaḷāso, paḷāso = parāśas, von √śaṃs (L’ORANGE).

[12] Der Stelle S. 37, »dem Sinne nach und dem Worte nach«, atthato ca vyañjanato ca, entspricht das Ende des dritten Felsenediktes, wo Asoko, an unseren Texten herangebildet, in schlichter Würde und ihm so eigenthümlich gewordener Umsicht bestimmt: Parisā pi yute āñapayisati gaṇanāyaṃ hetuto ca vyaṃjanato ca, »Die Behörden aber werden das Gebührende veranlassen unter den Leuten, der Wirklichkeit nach und dem Worte nach.« — Vergl. den alten Spruch Yathāvādī tathākārī, wie Theragāthā 1277; oder bei uns im Speculum monachorum BERNARDI CASINENSIS, II i. f.:

Voci vita non discordet:
Cum vox vitam non remordet
Dulcis est symphonia.

[S. 531]

[13] Unter sumpfiger Ablagerung heute begraben, darüber wahrscheinlich der Weiler Sāma-devī, wie FÜHRER vermuthet, vier bis fünf Stunden südwestlich vor Niglīvā gelegen: cf. Tafel II in dessen Monograph on Buddha Sakyamuni’s Birth Place in the Nepalese Tarai, Allahabad 1897, und ib. p. 37.

[14] Das Gleichniss von der Lehre als Kuppelbau, als geistiges Obdach, ein wahres Denkmal, wohl zu hüten, wie es die 89. Rede weiter ausführt, hat uns ARRIAN vortrefflich überliefert: Λεγεται δε και ταδε, μνημηια ὁτι Ινδοι τοισι τελευτησασιν ου ποιεουσιν, αλλα τας αρετας γαρ των ανδρων ἱκανας ες μνημην τιθενται τοισν αποθανουσι, και τας ῳδας αἱ αυτοισιν επᾳδονται: Indica § 10.

[15] Der Text hat richtig patissayamānarūpā. — Vergl. Maitryupaniṣat VII, 9 die mūḍhāḥ paṇḍitaṃmanyamānāḥ, i. e. ātmānaṃ p0.

[16] Zu gihipaṭisaṃyuttam cf. tyaktaṃ sannyāsayogena gṛhadharmādikaṃ vratam, Sannyāsopaniṣat v. 89; vergl. auch die Anmerkungen 45 u. 186.

[S. 532]

[17] Der Ausdruck dhammanetti, Richtschnur der Lehre, S. 47, ist noch im Mahāvastu gut erhalten, vol. III. p. 234 als dharmanetrī und saddharmanetrī, vol. II. p. 373: pralujyamāne jinavaraśāsanasmiṃ | dhāreti śāstu varadharmanetrī. Zu netti in anderer Komposition und allgemein cf. HARDY, Nettipakaraṇam p. VII f. und Lieder der Mönche Anm. zu v. 135.

Der sāmukkaṃsiko vinayo der beiden letzten Reden erinnert einigermaaßen an die correptio fraterna, wie sie S. ANTONIO DA PADOVA geübt wissen wollte. Ist auch natürlich bei ihm jene Klarheit nicht zu finden, so zeigt sich doch eine ähnlich eindringende, sorgfältig abwägende, liebevoll prüfende, mannhaft nüchterne Behandlung von Fall zu Fall wie bei uns, und immer eingedenk des hohen Zieles. Als ein Gegenstück z. B. der Geständnissannahme, oben S. 49, folge hier die korrelate kurze Stelle aus dem Sermo der feria tertia hebdom. tert. in Quadrag., ed DE LA HAYE 1739 fol. 87: »Debet haec correctio esse de praeterito, admonitio pro futuro, ut scilicet dicatur his verbis, Tale quid commisisti? sed super praeteritum admonitio non cadit: igitur caveas de futuro.«

[S. 533]

Zum gesammten ursprünglichen vinayo, der radikal einfach gegründet, erst später aus dem śrautamūlam zu einem ārbudaghoṣadharmaśāstraśākhāntarajāṉgalam entwickelt wurde, cf. die wichtige 65. Rede S. 178 der Uebersetzung, ‚je schlechter der Orden, desto mehr der Regeln‘: ein Motto, das genau einem solchen des TACITUS entspricht, »corruptissima re publica plurimae leges.« Vorher nämlich hatte der große Beobachter der Menschen und Dinge dieses Verhältniss schon ganz in unserem Sinne, eben der indischen und der antiken Anschauung überall gemäß, erklärt: »Vetustissimi mortalium, nulla adhuc mala libidine, sine probro, scelere, eoque sine poena aut coercitionibus agebant, neque praemiis opus erat, cum honesta suopte ingenio peterentur; et ubi nihil contra morem cuperent, nihil per metum vetabantur.« Ab exc. Aug. III, 26, 27. — Cf. dazu die Anm. 62.

[18] Zum Reich des Nichtdaseins cf. die S̀ruti-Stellen, die im 2. Bande Anm. 169 angegeben sind. Ein »demgemäßes Gespräch« hat PLATON, als ein Gleicher Gleiches darstellend, im Parmenides vollendet ausgeführt. Die Hauptstelle darin, p. 160, Ουδεν γαρ ἡτιον γιγνωσκεται τι το λεγομενον μη ειναι, και ὁτι διαφορον των αλλων, begründet nicht nur die logische Berechtigung, sondern quasi die geistige Vorstellbarkeit einer solchen Sphäre: mit höchster poetischer Kraft schon im Ṛgvedas X, 90, 3–4 vom Seher gezeigt. Erstaunlich tief erschlossen von ECKHART in der 99. Rede; vergl. auch den vorhergehenden drittletzten Absatz i. f.: »Ein meister sprichet: der himel hât kein lieht, er ist ze hoch dar zuo.«

[S. 534]

[19] der siam. Text hat richtig jānamāno; für anupādiseso ist saupādiseso zu setzen. — Der Schluss der ärztlichen Rathschläge findet sich ebenso fein in einem Gleichnisse des ARISTOTELES beobachtet: Ουτε γαρ ιατρος σκοπει ει δει ὑριεινειν η μη, αλλ ει περιπατειν η μη: Ethic. Eudem. lib. II. cap. XI. Zur ärztlichen Kunst, von welcher hier eine hübsche Probe gegeben, cf. auch die 75. Rede und No. 129 Anmerkung 157. — Einer der berühmtesten Aerzte ist bekanntlich unser Jīvako gewesen, zugleich ein feinsinnig gebildeter Geist, als den ihn die 55. Rede kundgiebt. Sein offizieller Rang als kaumārabhṛtyas, komārabhacco ist von kumāras Prinz abzuleiten: also der Prinzenarzt, d. i. der Hofarzt. Kaum nöthig zu betonen, dass kumāras der Titel für Prinz ist; wie denn auch Asoko das Wort nur in diesem Sinne anwendet: cf. Dhauli No. I, 23, II, 1, Säulenedikt VII, 2, 6 und BÜHLERS Anmerkung l hierzu, Epigraphia Indica II, 274. Kumāras heißt wohl auch »Kind«, aber in demselben höfischen Sinne wie unser kint Ortlieb, Gîselher daz kint, wo erwachsene Prinzen gemeint sind, Nib. 1961, 1098, oder wie altenglisch Childe (cf. Harold). Kaumārabhṛtyas etwa streng fachsimpelhaft als »Kinderarzt« ausweisen, wie noch JOLLY, Medizin p. 68, ist daher nicht anders als ob man D. CARLOS, Infant von Spanien, als »Kind von Spanien« übersetzen wollte. Barbarische Machwerke vom Schlage der BOWER-Mss. etc., die nicht nur den Begriff des kumāras verkannt haben, sind überhaupt für die Kunde der ächten wissenschaftlichen Medizin der Inder recht unfruchtbar, dienen vielmehr als Materialien zu einem Kodex der Quacksalberei, auch der Zaubermittel und Horoskopien, sowie einer indianisch germanistischen Kritiklosigkeit, die alles, altes und neues, meisterhafte Diagnosen wie scharlatanische Alfanzereien kunterbunt durcheinanderstreicht. Die Geschichte der indischen Medizin kann von keinem Philologen und von keinem Arzte, nur von einem, der beides ist und dazu noch ein halbes Gran vom Geiste BICHATS mitbringt, vielleicht einmal geschrieben werden: so nämlich wie COLEBROOKE jetzt vor hundert Jahren mit der indischen Jurisprudenz den Anfang gemacht.

[20] Vergl. die 67. Rede S. 205, die 22ste S. 260 der Uebersetzung. Dazu das patristische und dann das klassische Citat im Speculum monachorum BERNARDI CASINENSIS, III 1 B 4 e: Lubricus est antiquus serpens et, nisi capite teneatur, statim totus illabitur. Et ideo dicit poeta [OVIDIUS]:

Principiis obsta; sero medicina paratur,
Cum mala per longas convaluere moras.

[S. 535]

[21] Lies mit dem siam. Texte alañ ca me.

[22] Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack, Getast, Gedenken.

[23] Eine Parataxis wie sie der zweite Theil der Rede giebt, taṇhā sallam, avijjā visadoso, chandarāgavyāpādena ruppati, erscheint gleichartig in der Maitryupaniṣat VI i. m., dhanuḥ śarīram, om ityetaccharaḥ, śikhā ’sya manas, tamo lakṣaṇam. Vergl. auch Anm. 173. — Das nibbānam, die Wahnerlöschung, Wunschlosigkeit, von √van, vana, vani = vāna, vāni, ist, wie ROBERT L’ORANGE erkannt hat, zwar in die Smṛti als nirvāṇam übergegangen, wurde aber bald unverständlich, wie z. B. unsere 75. Rede zeigt, und daher später durch brahmanirvāṇam, i. e. paramanirvāṇam, nach dem Muster brahmaṃ yānam = paramaṃ yānam, oder auch durch bhoganirvāṇam, wie Harakelināṭake Taf. II Z. 36, glossiert. ECKHART, p. 578, hat das Selbe, aber positiv, gesagt: »Der allen sînen willen hât unde sînen wunsch, der hât fride.« Das Gleichniss von der Gesundheit findet sich bei ihm wieder, wenn er von uns kranken Leuten, von der kranken Natur und von dieser kranken Welt redet; ausführlich und merkwürdig genau unserem Texte entsprechend schon bei MAKARIOS, dem Jünger des ANTONIOS und ersten christlichen Mönche, unter dessen Namen — bereits ECKHART, p. 366, sagt »die heiligen veter Macharius unde die andern« — uns Aufzeichnungen erhalten sind, De patientia et discretione cap. IX. Auch SOKRATES hat ganz ähnlich im Gorgias gesprochen.

[S. 536]

[24] Cf. Bd. 2, Anm. 76. Auch im 36. Divyāvadānam als Kalmāṣadamyam erhalten. Vielleicht auf der Humus das heutige Kamasin, im Kurukṣetram der Jamna-Ebene, eine Tagesfahrt westlich von Allahabad. Schon bei PTOLEMAEUS ist der Ort schlechthin als Καρμαρα, ungenau aber deutlicher als andere, überliefert, Geogr. Lib. VII. cap. I. § 91, No. 7.

[25] Lies... upādāya, sabbaṃ rūpam. — Die vier Hauptstoffe sind Erde, Wasser, Feuer, Luft. Vergl. die 28. Rede; besonders die Uebungen der 62sten.

[26] Lies nāhaṃ kvacani kassaci kiñcanatasmiṃ, na ca mama kvacani kismiñci: kiñcanaṃ nātthi. — »Er mir niht und ich ime niht« und »unbewegelîcher werden denne niht« sagt ECKHART, p. 508 u. 510.

[27] Eine ähnlich wichtige und meisterhafte Darstellung der Gedanken dieser Rede ist im Aṉguttaranikāyo X No. 29 theilweise weiter ausgeführt. Vergl. auch Suttanipāto v. 759–761.

[S. 537]

Die abschließende Mahnung mā pamādattha, wie noch in Nr. 8, 19 und 152, entspricht den letzten Worten Gotamos, als appamādena sampādetha im Dīghanikāyo Nr. 16 überliefert. Achthundert Jahre später vom großen ANTONIOS dem Eremiten wiederholt als μη εκκακειν εν τῃ ασκησει, nach des ATHANASIOS autoptischer Biographie, p. 56 der Ausgabe von 1611: und noch einmal als frohen Scheidegruß vor seinem Ende, den Jüngern zum Vermächtnisse, treu bewahrt von den andächtigen Freunden, χαιρον διελεγετο και παρηγγειλεν αυτοις· μη ολιγωρειν εν τοις πονοις, μη δε εκκακειν τῃ ασκησει, αλλ ὡς καθ’ ἡμεραν αποθνησκοντας ζῃν, ib. p. 116. — Die vielmehr hindustanische als palaestinensische Natur dieses ächten ANTONIOS der Augenzeugen, der allerdings dem Zerrbilde frommer Lügner, Zeloten und Legendenjäger recht unähnlich sieht, kommt in der Sterbestunde ganz unverkümmert zum Vorschein, wo er allein mit den beiden Hauptjüngern, aggasāvakā möchte man sagen, MAKARIOS und AMMATAS, wieder auf seine entlegene Bergfeste zurückgezogen die Abmachung trifft, ihn verborgen zu begraben (vergl. Lieder der Mönche v. 919), und ihnen endlich den ebenso unchristlichen als rein buddhistischen Rath ertheilt, ζησατε προσεχοντες ἑαυτοις, και μνημονευοντες ὡν ηκουσατε παρ’ εμου παραινεσεων, l. c. p. 117, d. i. attadīpā viharatha attasaraṇā anaññasaraṇā, dhammadīpā dhammasaraṇā anaññasaraṇā: also die wörtliche Paraphrase eines der letzten Rathschläge Gotamos an Ānando, wiederum Dīghanikāyo No. 16, 2. Abschnitt i. f.

[28] »Willst du beschieden sein rechter Nothdurft?« — »Ja.« — »Das ist Brunnen und Brot und ein Rock: das ist rechte leibliche Nothdurft.« ECKHART, p. 461. — Vergl. noch Mahābhāratam XIV, 46, 23 und 32.

[29] ανθρωποι κενεης οιησιος εμπλεοι ασκοι: TIMONIS PHLIASII Sillus 14.

[30] Die Pforten der Sinne verschlossen haben, sagt ECKHART, p. 624; auch hat er nach den fünf Sinnen das Denken als sechsten Sinn richtig erkannt, p. 109, 590.

[31] Cf. Lieder der Mönche Seite 306 Anm. 1. — S̀ukasaptati 52:

Prajñāvisphāritākṣāṇāṃ
vidravanti vipattayaḥ
hastodyatapradīpānām
andhakāra ivāgrataḥ.

[32] Ein ganz erstaunliches, bis in die feineren Einzelheiten deutlich erkennbares Spiegelbild dieser Rede stellt PLATONS Menon dar; sogar findet man da, auch gegen Ende des Dialogs, unseren Weg nach Rājagaham als Weg nach Larisa, und unseren Wegweiser, maggakkhāyī, als ἡγεμων επι το ορθον wieder.

[S. 538]

Zum liebevollen Herzen, S. 78 passim, cf. zumal die 62. Rede S. 144 bis 146 und die vier Allegorien der 21. Rede. Dieselben wurden, z. Th. wörtlich, in die S̀ruti aufgenommen; so die zweite, vom weiten, tiefen, unbeschränkten, himmelsraumgleichen Gemüthe, als vyomavannirupādhikaḥ in die Varāhopaniṣat II, 53. Letzteres Bild auch bei ECKHART, p. 222: »Der himel enmac keinen fremden îndruk enpfangen, ime mac kein pînlîchiu nôt în gedrücket werden daz in entsetze: alsô muoz diu sêle gevestet unde bestêtet sîn« etc. Vergl. noch die 127. Rede, Anm. 134.

[33] Lies mit dem Texte dhammasāmaggiyā.

[34] Im Text ist hier eine Wiederholung von Frage und Antwort interpoliert.

[35] Ebenso ECKHART ‚hören und behalten‘; fünfmal auf einer Seite, 290.

[36] Ein Gleiches berichtet der Doctor seraphicus vom Professor paupertatis, Vita, cap. V. vorletzter Absatz.

[37] Και γαρ και τουτο μν μεγα της ασκησεως του Αντωνιου, ὡτι χαρισμα διακρισεως πνευματων εχων, επεγινωσκεν αυτων τα κινηματα· και προς ὁ τις αυτων ειχε την σπουδην ηαι την ὁρμην, τουτο ουκ ηγνοει]: ATHANASIOS p. 113.

[38] Vergl. MAKARIOS, Homil. XXXIII fin. & XIV § 6 i. f.: ουτε ... ὁραται τοις σαρκικοις οφθαλμοις, τοις δε πνευματικοις φαινεται, τῳ οφθαλμῳ της καρδιας, και ἡ σατανικη του σκοτους και ἡ φωτεινη της θεοτητος.

[39] Νυν δ’ εμοι μεν ὡρα ποι ιεναι: von PLATON, ebenso gern wie bei uns, am Ende gewisser Dialoge idiomatisch gebraucht, bei Menon, Theaitetos, Protagoras, Laches etc.

[40] Der Topus vom himmlischen Gehör, S. 88, ist auf Chāndogyopaniṣat V, 1, 4 gegründet: Yo ha vai sampadaṃ veda, saṃ hāsmai kāmāḥ padyante daivāśca mānuṣāśca: śrotraṃ vā va sampat. Ja, er reicht in eine weit fernere Vergangenheit hinauf, da wir schon im Sāmavidhānabrāhmaṇam (I, 8) beide Arten der Töne, die himmlischen und die irdischen, die der Götter und die der Menschen, zugleich mit den fünf übrigen der diatonischen Skala, der Reihe nach absteigend bis zu den Geistern, Thieren, Dämonen, Bäumen und Kräutern, als Substrat der ganzen Welt — wie später den praṇavas (om) oder den pythagorischen αριθμος — genannt hören.

[S. 539]

Dem einsam nachdenkenden Hüter und Hirten, S. 91, steht der thätig erfahrene Hüter und Hirt der 33. u. 34. Rede gegenüber: ὁ ποιμην ὁ καλος des Ev. Joh. X. 12–18 (Luk. XV, 4–6), der ebenso beliebte als problematische »gute Hirt«, schon auf einem Fresko der Lucina-Krypte zu Rom aus dem Anfange des 2. Jahrh. pompejanisch anmuthig nachgebildet; während auf den etwa 300–350 Jahre älteren asokischen Skulpturen zu Sāñci, Barāhat etc. anstelle der Heerdenbehütung das strengere Motiv der Einsamkeit im Wildparke prototypisch behandelt ist.

[41] Das Axiom eso ’ham asmi ›Das bin ich‹ kann auf Bṛhadāraṇyakopaniṣat I, 4, 1 so ’ham asmi etc. Bezug haben; n’etam mama ›Das gehört mir nicht‹ ιδιον τε μηδεν ἡγεισθαι, PYTHAGORAS bei DIOG. LAERT. VIII, 23. Ebenso »Thou art not thyself«, Measure for Measure III, 1, 19. — Die topische Frage und Antwort am Schlusse dieser und ähnlicher Reden (vergl. namentlich die 146ste) ist der Strophe und Gegenstrophe im chorischen Dialog am Schlusse der Perser des AISCHYLOS vollkommen koordinat.

[42] Cf. Manus II, 147 f; opapātiko: utpādayati yasmiṃ saḥ. Vergl. bes. noch Vasiṣṭhas II, 5.

[S. 540]

[43] Zum ādiśrautam von der Saat und Ernte cf. die Rede nebst Anm. 176. Bekanntlich in die synoptischen Evangelien aufgenommen; bei uns am schönsten von GOTTFRIED im Tristan ausgesprochen, ed. pr. v. 12239 f.:

Wir muezen snîden unde maejen
Daz selbe, daz wir dar gesaejen.

Die Bemerkung, dass Gute gleich und ungleich, Schlechte auch nicht gleich und gleich zu erkennen vermögen — ähnlich wie Korinth. I, 2, 14, 15 eine Vertiefung des antiken Axioms vom Gleichen für Gleiches, das z. B. bei uns im ersten Theile der 105. Rede, S. 56–59, ausgeführt ist — wird von den beiden Asketen gegen Ende des vierten Aktes der S̀akuntalā bestätigt, vanaukaso ’pi santo laukikajñā vayam, und na khalu dhīmatāṃ kaścid aviṣayo nāma; bei uns vom ehrwürdigen Illuministen MERSWIN, im Buche von den Neun Felsen p. 115: »dis sint menschen, die der welte unbekant sint, abber die weit ist diesen menschen gar wol bekant.«

Das Hauptergebniss, ‚Den Guten gesellt sein‘, eine Erinnerung, die in unseren Texten immer wiederkehrt, ist am Ende der 75. Rede mit lakonischer Meisterschaft entwickelt. Es ist derselbe Satz, den ARISTOPHANES in den Sphekes 1238 citiert, τους αγαθους φιγει, und den der Chor 1457/61 ausführt:

το γαρ αποστηναι χαλεπον
φυσεος, ὁν εχοι τις αει.
Καιτοι πολλοι ταυτ’ επαθον·
ξυνοντες γνωμαις ἑτερον
μετεβαλλοντο τους τροπσυς.

[S. 541]

[44] Analog von DIOGENES deutlich erkannt, ὁς ελεγε, μητε εν πολει πλουσιᾳ μητε εν οικιᾳ αρετην οικειν δυνασθαι, STOB. Flor. XCIII, 35.

[45] gāmadhammo gemein, im Rāmāyaṇam und Bhāratam ebenso grāmyadharmas, ein recht zutreffender Ausdruck, wörtlich: dorfartig, d. i. (mhd) doerperlich; nämlich αγροικος, rusticus, villanus, villano, vilain: country matters, wie Hamlet (III, 2) dieselbe Sache ebenso bezeichnend sagt. Dagegen agrāmyatā »Ungemeinheit«, d. i. edle Sitte, hovischeit, kurtoisîe.

[46] porī wörtlich: städtisch, πολιτικος; nämlich αστειος, urbanus, also nach heutigem Sprachgebrauche höflich, poli: auch dem bäuerisch u. s. w. widergesetzt, aber nur formal, kṛtrimam, gegenüber dem realen Begriffe, svābhāvikam, der vorangehenden Erklärung.

[47] Cf. MAKARIOS, Homil. XXX § 6 i. f.: Η ὡσπερ πετεινον, επαν εν ὑψει πετασθῃ, αμεριμνον εστιν, κτλ. Ein ähnliches Gleichniss von der Seele als einer unbeschwerten Flaumfeder bei ECKHART p. 360. Vergl. noch Relations etc. de la Trappe, Paris 1702, I. p. 11: »Je suis comme une feuille, que le vent enleve de dessus la terre«; Lieder der Mönche v. 104.

[S. 542]

[48] Vergl. ATHANASIOS über ANTONIOS, Vita p. 92: Ουδεποτε γαρ εταραττετο, γαληνιωσης αυτου της ψυχης· ουδεποτε σκυθρωπος εγινετο, χαιρουσης αυτον της διανοιας. Dann CELANO (Vita II, cap. 65 & 68) über S. FRANCESCO: Tutissimum remedium contra mille inimici astutias laetitiam spiritualem sanctus iste firmabat. — Studebat proinde sanctus in iubilo cordis semper existere, servare unctionem spiritus oleumque laetitiae. Morbum accidiae pessimum summa cura vitabat. — Pro generali commonitione in quodam capitulo scribi fecit haec verba: Caveant fratres, ne se ostendant extrinsecus nubilosos et hypocritas tristes, sed ostendant se gaudentes in Domino, hilares et iucundos, et convenienter gratiosos. — Wie sein »lieber herre sant Franciscô« hat in diesem Sinne auch Meister ECKHART (p. 467) gesagt, »daz der mensche nimmer cleglich wort gesprichet... daz er nimmer mê ervrewet wird: er ist selber diu vreude.«

[49] τον εσωτεραν ερημον Αντωνιου, p. 68.

[S. 543]

[50] Der siam. Text hat richtig samanupassāma. — Zum Topus kataṃ karaṇīyam, »Gewirkt das Werk«, cf. Lieder der Mönche v. 541 Anm.; und die selben Worte S. FRANCESCOS in seinen letzten Tagen: »Ego quod meum est feci.« — Die Unterscheidung, bez. Unterscheidungen, S. 119 passim, entsprechen ganz prachtvoll der ειδοποιος διαφορα, bez. den διαφοραι des ARISTOTELES; auch der platonischen επιστημη διαφορτητος. Vergl. noch p. XXIII-XXV meiner Buddhistischen Anthologie; und die letzte Anmerkung zur 64. Rede. Gegensatz: »Ein ding ân’ underscheide«, wie es bei uns schon GOTTFRIED als höchsten Begriff der Einheit giebt, Tristan v. 18358. Ueber das Anhangen, bez. die fünf Stücke des Anhangens, ibid., sagte mir einmal ROBERT L’ORANGE: »Die ‚Theologia deutsch‘ enthält das häufig wiederkehrende Wort ‚Annehmen‘, ‚Sich-einer-Sache-annehmen‘, und unter diesem Wort beschreibt der Frankfurter das buddhistische upādānam.« Ebenso spricht der Hochheimer, der große ECKEHART: »Dir ist nôt vor allen dingen, daz dû dich nihtesniht annemest« p. 22; p. 634 mit dem Gleichnisse vom Hagedorn, der nur glatt geschlichtet durch das Heu dieser kranken Welt ohne anzuhaften hindurchgezogen wird; p. 561: »waz an dir und in dir ist, ez ist allez gar siech unde verdorben.« Etc. Endlich sei noch auf MERSWINS Buch von den Neun Felsen verwiesen, wo p. 105 das ledig und unangenommen stehn erörtert ist.

[51] Es ist gleich uḷārabhogakulā zu lesen; vergl. die 96. Rede, ed. Siam. p. 592. — Cf. das kulagṛham, Ṛtusaṃhāre VI, 21, zumal die kulīnatā, Harṣacarite 2p. 168. Die Liste seltener Wörter aus dem zweitgenannten Werke, die THOMAS im Journal Roy. As. Soc. 1899 p. 485–517 zusammengestellt hat, weist denn auch manche lehrreiche Pālizismen auf, wie piṇḍapātī u. a. Letzteres Wort ist mir noch Yogaśikhopaniṣadi I, v. 124 begegnet, ed. Bomb.

[52] Das bāhusaccam, bez. diṭṭhupādānam im allgemeinen, den Hang zur Vielwisserei, hat ROBERT L’ORANGE treffend erklärt als »die Gelehrtenkünstlerdichterphilosophenweiseneitelkeit, das sich zueignen jeder intellektuellen Eigenschaft, von der falschen, aber blendenden und vor der Welt glänzenden Philosophie des puthujjano bis zur Weisheit des dhammānusārī«.

[53] piṇḍapātiko, der von Haus zu Hause schweigend hintritt, einen Brocken, einen Bissen abzuwarten, einzusammeln; cf. Theragāthā 849 f. — Vergl. CELANO (Vita II, cap. 17) über S. FRANCESCO: Pater sanctus utebatur eleemosynis ostiatim quaesitis multo libentius quam oblatis; verecundiam mendicandi inimicam saluti dicebat, verecundiam in mendicando eam, quae pedem non retrahit, sanctam esse confirmans.

[54] Cf. die 65. Rede, Anfang. — Ησθιεν τε ἁπαξ της ἡμερας: ANTONII Eremitae Vita p. 13.

[55] »Sit vobis, fratres, non cibus sed caritas in exemplum«, hat S. FRANCESCO gesagt und es, wie oben, den Brüdern oft wiederholt: »De omni eo quod peccator potest, nemo sibi debet iniquo applausu blandiri. Peccator ieiunare potest, orare, plangere, carnemque propriam macerare; hoc solum non potest, Domino scilicet suo esse fidelis.« BONAVENTURA cap. 5–6; CELANO II, 74. Gleichwohl aber hat auch S. FRANCESCO als guter Mensch die strenge Observanz geübt: cum quandoque corpusculum suum somni beneficio recrearet, sedens saepius nec aliter se deponens dormiebat, pro cervicali ligno vel lapide utens. CELANO I, 19.

[S. 544]

[56] Zum Unbestand cf. das Unzulänglich der 66. Rede, in fine; dann auch die 28., die, nebenbei gesagt, in der recht buddhistischen Einleitung zum 3. Buche der Yājñavalkyasmṛti gut monographiert ist: gantrī vasumatī nāśam udadhir daivatāni cādi. — Es ist mit dem siam. Texte agammayatā zu lesen; die Variante atammayatā ‚Unmittelbarkeit‘ (vergl. die 137. Rede gegen Ende) passt hier nicht, wäre sīlasmiṃ, wie tammayo in der 47., sīlamayo in der 78. Rede. Aehnlich Tejabindūpaniṣat v. 4: agamyagamyakartā: a0, yadanyair agamyaṃ sthalaṃ tad api prayatnena gamyaṃ karoti yaḥ saḥ. Desgl. MERSWIN, bei den Neun Felsen. — Der Spruch = Suttanipāto 588, 757 a b. Die ariyāvāsāgammayatā mag nach dem Ende der 53. Rede, p. 358, vijjāsampanne gelten: die vorangehende paṭipadā aber caraṇasampanne; beide zusammen also vijjācaraṇasampanne.

[57] Cf. das Gleichniss von den reflektierten Sonnenstrahlen, Saṃyuttakanikāyo vol. V. p. 218.

[58] Der letzte Absatz ͠= Bṛhadāraṇyakopaniṣat II, 4, letzter Absatz.

Das Gesetz der Wandelbarkeit, von dem diese Rede handelt, arbeitet eigentlich schon mit den variablen Infinitesimalen, wie sie den Indern von alters her geläufig waren (cf. kuṭṭakādi); das selbe Gesetz wird in der 137sten, bei Darstellung der sechsunddreißig Fesselpfade, seinem Inhalte nach genau gekennzeichnet. Es ist, beiläufig bemerkt, auch von EPICHARMOS richtig erkannt worden, Fragm. philos. Graec. ed. MULLACH vol. I. p. 142:

εν μεταλλαγᾳ δε παντες εντι παντα τον χρονον·
ὁ δε μεταλλασσει κατα φυτιν κωυποκ’ εν τωυτῳ μενει.

Desgleichen von SENECA in seinem durchaus indischen 36. Briefe: omnia quae videntur perire mutari.

[S. 545]

[59] Mit antamaso mālāguṇaparikkhittā pi, bis herab zu der blumengeschmückten Tänzerin, vergl. man die Parallele antamaso tiracchānagatāya[*] pi, bis herab zur thierischen Liebe, nämlich mit einer Dirne — nicht etwa „mit einem Thier“, wie noch OLDENBERG hat, Buddha, 3. Aufl. S. 401, nach SPIEGEL, Kammavākyam p. 9, etc. Diese Berichtigung stammt von ROBERT L’ORANGE.

[*] tiracchānagatā = gemeine Person, cf.: tiracchānakatthā = gemeines Gespräch.

[60] Vergl. Yājñavalkyadharmaśāstre II, 77: na dadāti ca yaḥ sākṣyaṃ jānannapi etc.

[61] Κρατης λεγεται ὁ Θηβαιος τοις στασιαζουσιν οικοις επιφοιτων λογοις ειρηνης διακρινειν τας εριδας.

[62] Ein solches Betragen wie hier dargestellt, und wie es Asoko vom ersten bis zum letzten seiner Edikte praktisch verherrlicht, hat PLATON als Orphisches Leben beschrieben; wozu ERASMUS in den Adagia s. v. sehr schön bemerkt: »Orphicam vitam PLATO libro de legibus sexto [p. 782] dixit vitam innoxiam, et a luxu sanguinolentisque dapibus puram. — Videtur ORPHEUS hoc connatus apud Thraces, quod PYTHAGORAS tentavit apud Ionios, NUMA apud Romanos.« Unter den Thrakern sind vornehmlich die asketischen Κτισται zu verstehn, von denen POSEIDINIOS, bei STRABO p. 296, ausführlich berichtet und sie δικαιοτατους ανθρωπους nennt.[**] In diesem Zusammenhange darf hier noch an die trefflichen beiden Reden PLUTARCHS über die Sarkophagie erinnert und endlich auch der drei Merkmale gedacht werden, die MANES, der Brāhmane und Jünger des Buddas, als welchen ihn SUIDAS bezeichnet, dem Christenthum viel zu edel und unkirchlich zugrunde legen mochte.

[**] Das Lob jener rechtschaffenen Menschen ist schon in der Ilias XIII Anf. gepriesen, bei STRABO nur wiederholt.

[S. 546]

[63] atthi yiṭṭham = yaṣṭavyam iti nirṇayas, 60. Kap. S̀āntiparvaṇi.

[64] Es ist richtig, wie vol. I. p. 390, passim, 0bajjham zu lesen. Zum Begriffe des pariniṭṭhitabhāvo cf. den pariniṣṭhitakāryas im S̀āntiparva, loc. cit. v. 20. — Das heilsame Bemühn ähnlich bei PINDAR, letzte Pythionike i. f.: ει δε τις ολβος εν ανθρωποισιν, ανευ καματου | ου φαινεται.

[65] Ausführung und Wiederholung gehört in die Sphäre des späteren Vaipulyam.

[66] Mit dem Inhalte dieser Rede ist die siebzehnte des ersten Bandes zu vergleichen; auch das Dvayatānupassanāsuttam des Suttanipāto.

Der Topus von der kurzen und von der ausgeführten Darstellung, saṉkhittena und vitthārena, wie oben und oft gebraucht, ist auch bei Asoko auf seinem letzten Felsenedikte als saṃkhitena und vistat[e]na wiederzufinden.

[67] Aehnlich bei SENECA, epist. LXXV. i. f., des Weisen tranquillitas animi et, expulsis erroribus, absoluta libertas; non homines timere, non deos; in se ipsum habere maximam potestatem: inaestimabile bonum est suum fieri. Kürzer und noch genauer von DEMOKRITOS als σοφιη αθαμβος αξιη παντων gekennzeichnet, τιμιωτατη εουσα. — Vergl. Anm. 132; Lieder der Mönche v. 187.

[68] Vergl. die 9. Rede, S. 86 der Uebersetzung.

[69] Der Text der P. T. S. ist hier, wie passim, unbrauchbar.

[S. 547]

[70] nāmarūpam, ein dvaṃdvasamāsas, dessen letztes, nach indischem Usus wichtigere Glied voran zu übersetzen ist. — Die Erläuterungen der Kommentatoren, wie Buddhaghoso im Visuddhimaggo, haben natürlich wenig Werth; vielmehr die schönen nāmarūpam-Parallelen und -Gleichnisse der alten Upanischaden, die man nach JACOBS Upaniṣadvākyakośas aufsuchen mag: wo eben wie bei uns »Bild und Begriff« überall zutrifft. Cf. auch Anmerkung 90 und Längere Sammlung Bd. II, S. 99.

[71] Vergl. Mahābhāratam XIV, 44, 20: sarvaṃ kṛtaṃ vināśāntam, und Yogasūtram II, 15: pariṇāmatāpasaṃskāraduḥkhair, guṇavṛttivirodhācca, sarvaṃ duḥkham eva vivekinaḥ.

[72] »alle crêatûre tragent inne bitterkeit«: ECKHART p. 300.

[73] »each thing’s a thief« heißt es, positiv, im Timon IV, 3, gegen Ende.

[74] der Erderoberer, cakkavattī, schon Maitryupaniṣat I, 4 genannt und als sārvabhaumas erklärt; in späteren Zeiten dafür pṛthivīvallabhas allgemeines virudam. Cf. FLEET in der Epigraphia Indica vol. VI, p. 168, Anm. 6, zu welcher man noch Vikramorvaśīyam IV, v. 19 beifügen mag, wo sich der König zu erkennen giebt als

svayaṃ vṛtaḥ patir dvābhyām,
Urvaśyā ca bhuvā ca yaḥ.

[75] sakkattaṃ, mārattam, brahmattaṃ kareyya. — »Ich weiz wol, kein vrouwe mac zuo dem himel komen, si enwerde ê ein man. Daz sult ir alsô verstân: sie müezen menlîchiu werc wirken unde müezen menlîchiu herzen hân mit voller kraft, daz sie in selber mügen widerstân und allen gebresthaften dingen«: Schwester KATREI zu ECKHART, p. 456. Das ewig Weibliche, das Jungfrauengemüth ist denn auch bei ECKHART nur Vorstufe zur höheren Entwickelung, eine Phase des zunehmenden Menschen, p. 346.

[S. 548]

[76] Ein gleicher Titelreichthum Dīghanikāyo I, 1, Ende; vergl. die Wiener Zeitschr. f. d. Kunde d. Morgenl. XI, 159 f.

Ein quasi signaculum des paṭiccasamuppādo (S. 164 f.) findet sich, recht auffällig, in den auch sonst so merkwürdigen, schönen Episteln JACOBI, und zwar 1, 14, 15, worauf mich DE LORENZO hingewiesen. Gerade diese Stelle aber hat der aegyptische ANTONIOS inniger Betrachtung empfohlen, bei ATHANASIOS p. 32. Besser noch freilich hat der Pythagoriker BRYSON mit indischer, oder sagen wir kantischer Konzinnität die kausale Verkettung gelehrt: Οὑτως εχει ποτ’ αλλαλα τ’ ανθρωπινα πραγματα καθαπερ και τας ἁλυτιος τοι κρικοι. τηνοι τε γαρ εξ αλλαλων αρτηνται, αλλαλοις τ’ ακολουθιοντι, και ἑνος εξ αυτων ἑλκυσθεντος ὁποιου δη ποκα το τε ὁλον και τα εξ αρχας ακολουθει· και των τω βιω δε πραγματων ὁποια αν βουλῃ ἑλεσθαι, εὑρησεις και τα λοιπα εξ αναγκας κατα το ἑξης αλλαλοις ἑπομενα. — Και τ’ αλλα δε παντα, μαστευομενος και ανερευνων, οὑτως εὑρησεις εχοντα ποτ’ αλλαλα. STOB. Flor. LXXXV. 15. — Die ṭhānāṭṭhānakusalata, Kunde des Möglichen und Unmöglichen, in dieser Rede theils ungemischt, theils mythisch versetzt überliefert, erscheint im Christenthum als Kenntniss der futuribilia scholastisch dogmatisiert.

[77] Der siam. Text hat richtig imassa kho pana bhikkhave Isigilissa pabbatassa.

[78] paccekabuddhā.

[79] Es wird Nīpo zu lesen sein; cf. Theragāthā 84. Der Name kommt schon in der Ṛksaṃhitā und dann öfters im Bhāratam und in den Purāṇen vor.

[S. 549]

[80] Die außerhalb des Textes angefügte Liste ist tertiäre Zuthat; das Intermezzo an sich apokryphe Improvisation. Doch braucht man darum den Begriff des paccekabuddho nicht etwa schlechthin als mythisch zu betrachten, darf ihn vielmehr im ächt antiken Sinne mit SOKRATES dahin auslegen, ὁτι τον σοφον αυτον αὑτῳ μαλιστα δει σοφον ειναι, wie er es im größeren Hippias als uralte Maxime giebt. Vergl. auch Lieder der Mönche S. 241 Anm.; und als Parallele hierzu die S. ROSALIA, Breviar. Rom. 4. Sept.

[81] Die Redner der Regenzeit sind irreguläre Asketen, die nur während dieser drei Monate Genossenschaften bilden. — Vergl. die 77. Rede, S. 316 der Uebersetzung.

Mit dem dvayaṃ, sāsavañcānāsavañca, S. 174–179, vergl. das mano dvividhaṃ, śuddhañcāśuddhañca, und dhyānaṃ saguṇaṃ nirguṇaṃ, Maitriśāṇḍilyādyup. Zum ariyamaggo, dem heiligen Wege, cf. den paramahaṃsamārgas der Upanischaden; auch PINDARS verwandten Ausdruck ει δε νοῳ τις εχει θνατων αλαθειας ὁδον, v. 103 der 3. Pythionike, sowie ECKHARTS »ûf dem wege stên zur êwigen sêlikeit«, p. 128.

Der Titel der Rede ist von ungefähr dem Cātvāriṃśam brāhmaṇam, das Pāṇinis kannte, beigeordnet. — Nach Form und Gehalt verschieden, aber quasi quossum analog ist des IACOBUS SARUGENSIS dritte Homilie mit der Auflösung der Zahl Vierzig in vier Elemente u. a. m., alter Ueberlieferung folgend, beschäftigt, bei ZINGERLE S. 29–36. »Quadragenarium numerum ueteres magna obseruatione colebant«, hat AGRIPPA richtig bemerkt.

[82] Zur Offenbarung: nämlich der Ordensregel; und zwar im Herbste, am Ende der Regenzeit, zum letzen Mal vor Beginn der Wanderschaft. Vergl. die 108. Rede, S. 86, und die 65., S. 167 der Uebersetzung. — Eine gleiche Einrichtung hatte S. FRANCESCO alljährlich für Pfingsten getroffen.

Im allgemeinen zur Mondnacht cf. die 32. u. 146. Rede, Dīghanikāyo No. 2, Lieder der Mönche v. 1234. Der ganze Zauber der herbstlichen Lunarien, wie er da und sonst mit ein paar Strichen angedeutet, ist in eine Gemme Kālidāsas’ meisterhaft eingeschnitten, Ṛtusaṃhāram III, 22:

S̀aradi kumudasaṉgād vāyavo vānti śītā,
vigatajaladavṛndā digvibhāgā manojñaḥ,
vigatakaluṣam ambhaḥ śyānapaṉkā dharitrī,
vimalakiraṇacandraṃ vyoma tārāvicitram.

[S. 550]

[83] Cf. Lieder der Mönche Seite 276 Anm. 1.

[84] Cf. BERNARDI CASINENSIS Speculum monachorum I, 1, 1, 2: »Omnium bonorum operum officina cella est et stabilis perseverantia.« — »Impossibile est hominem fideliter figere in uno animum suum, qui non prius in aliquo loco perseveranter affixerit corpus suum.« Vergl. noch PASCAL, Pensées I, 7, 1: »C’est pourquoi... j’ai souvent dit que tout le malheur des hommes vient de ne savoir pas se tenir en repos dans une chambre.«

[85] Est dies, in quo color in alium colorem mutatur, et pro colore vitae color mortuorum induitur: EPHRAEMI Carmen Nisibenum ultimum, ed. BICKELL 77, 11.

[86] Αποβλεψατε γαρ προς το τελος ἑκαστου των γενομεμων βασιλεων, ὁτι τον κοινον πασι θανατον απεθανον: IUSTINUS Martyr, Apol. 1, 18.

[87] Das selbe Gleichniss behandelt MAKARIOS im 1. Th. der 20. Homilie.

[S. 551]

[88] Cf. das vedische Gleichniss, e. g. Bṛhadāraṇyakam II, 4, 11, Sayathā sarvāsām apāṃ samudra ekāyanam evamādi; Praśnopaniṣat VI, 5, Sayathemā nadyaḥ syandamānāḥ samudrāyaṇāḥ samudraṃ prāpyās taṃ gacchanti, bhidyete tāsāṃ nāmarūpe, samudra ityevaṃ procyate, etc.; und ebenso Tao-te-king Kap. 32 i. f., MERSWIN, Neun Felsen p. 138. — Vergl. Ilias XXI, 195–197: βαθυρρειταο μεγα σθενος Ωκεανοιο, εξ οὑ περ παντες ποταμοι και πασα θαλασσα και πασαι κρηναι και φρειατα μακρα ναουσιν.

[89] Holzscheit und Reibholz stellen das vedische und ebenso altgriechische Feuerzeug dar, wie es z. B. des SOPHOKLES Philoktet bei sich in der Höhle verwahrt, v. 36. Der erste Feuerreiber ist bekanntlich Prometheus, pramanthayas, gewesen, dessen Thätigkeit von DIOGENES, im Widerspruch zur dichterischen Darstellung aber im Einklang mit unserem obigen Gleichnisse, als eine unheilsame bezeichnet wurde, δια την εὑρεσιν και μεταδοσιν του πυρος, ὡς αρχην τουτ’ ον και αφορμην τοις ανθρωοις μαλακιας και τρυφης, bei MULLACH, Fragm. philos. Graec. vol. II. p. 327.

[90] Και ὡσπερ τι παιδιον μικρᾳ ψηφιδι τειχος βεβληκος ουδεν ηνησεν, κτλ.: MAKARIOS, De elevatione mentis cap. XVI.

[91] Diese hier dargebotenen drei Doppelgleichnisse können als meisterliche Ausführung von Bṛhadāraṇyakam I, 5, Ende gelten, so zu sagen als Auflösung des dort gegebenen Siegels: Tasmād ekam eva vrataṃ caret, prāṇyāccaivāpānyācca, nenmā pāpmā mṛtyur āpnuvad: iti yadyucaret samāpipayiṣet. — Cf. noch S. FRANCESCO, bei CELANO I, 16: Docebat eos non solum mortificare vitia et carnis incentiva reprimere, verum etiam et ipsos exteriores sensus, per quos mors intrat ad animam.

[92] So auch das sokratische Gleichniss von den vollen Fässern, im Gorgias p. 493/4.

[S. 552]

[93] Vergl. Kaṭhādyup. III, 3: Ātmānaṃ rathinaṃ viddhi | śarīraṃ ratham eva tu | buddhin tu sārathiṃ viddhi | manaḥ pragraham eva ca|. — S. BERNARDUS, Serm. 49 i. m.: »Est ergo discretio non tam virtus quam quaedam moderatrix et auriga virtutum ordinatrixque affectuum et morum doctrix.« Das selbe ritterliche Gleichniss »discretio auriga virtutum« von S. FRANCESCO gebraucht, bei BONAVENTURA cap. 5 in med. Vor ihnen schon vom säligen MAKARIOS, ed. PRITIUS, Homil. 15 § 34 & 40 § 5 i. f., και γαρ ὁ νους ἡνιοχος εστι κτλ. Und wiederum auch bei PLATON, e. g. im Phaidros p. 247.

[94] Lies hier arati-r-atisaho.

[95] Die klassische Leichenbetrachtung, wie oben S. 199 f., mit dem Ende »Gebeine, verwest, in Staub zerfallen«, erinnert an die grandiose Szene in SENECAS Hercules Oetaeus i. f., wo Alcmena mit der Aschenurne ihres Sohnes im Arme auftritt:

Timete, Superi, fata: tam parvus cinis
Herculeus est: huc ille decrevit gigas.
O quanta, Titan, in nihil moles abit:
Anilis, heu me, recipit Alciden sinus.
Hic tumulus illi est. Ecce, vix totam Hercules
Complevit urnam; quam leve est pondus mihi,
Cui totus aether pondus incubuit leve.

Kürzer gefasst im Hamlet, Todtengräberszene, Schlussverse:

Imperious Caesar, dead and turn’d to clay,
Might stop a hole to keep the wind away:
O, that that earth which kept the world in awe
Should patch a wall t’expel the winter’s flaw!

Auch GOETHES Geistesgruß klingt hier an.

[S. 553]

[96] Wie hier und oft devā dīghāyukā hat EMPEDOKLES θεοι δολιχαιωνες, den αθανατοισιν HOMERS und der anderen entgegen, gesagt: ist also identische Uebersetzung. — Wenn man die vornehmlich indischen Bilder und Gleichnisse, in die EMPEDOKLES seine Lehre gekleidet hat, und nun noch das obige, an sich zwar belanglose, eben darum aber so vielsagende Paralipomenon betrachtet, lässt sich die Vermuthung eines auch historischen Zusammenhanges, bez. frühen Verkehrs zwischen Hindustan und Magna Graecia — durch Ariana-Media, Syrien-Aegypten — nicht mehr verschweigen.

[97] paranimmitavasavattino devā ͠= sa brahmaṇaḥ para etā bhavati... akṣayyam aparimitam anāmayaṃ sukham aśnute: Maitryupaniṣat IV, i. 4.

[98] Lies . — Nb. die Uebereinstimmung mit dem wunderbaren Puruṣasūktam, Ṛgvedas X, 90, 1: Sahasraśīrṣā puruṣaḥ... bhūmiṃ viśvato vṛtvā atyatiṣṭhad daśāṉgulaṃ. Die wahre Bedeutung von vṛtvā hier ergiebt sich aus unserem entsprechenden pharitvā. Vergl. WESTERGAARDS Radices s. v. vṛ No. 4 ferre. — Bhagavadgītā X, 42.

[99] Es ist das ursprüngliche subho jotimā wiederherzustellen, wie die ed. Siam., e. g. vol. II. p. 333, richtig hat. — Vergl. dosinā-jyotsnā.

[100] Ebenso hat PINDAR in der vierten Nemeonike i. f. ὁ χρυτος ἑψομενος αυγας εδειξεν ἁπασας, und die erste Olympionike begonnen: ὁ δε χρυσος αιθομενον πυρ ἁτε διαπρεπει νυκτι μεγανορος εξοχα πλουτου. Ein gleiches Bild dann bei unserem GOTTFRIED, Tristan, v. 12944f.:

in dem tigele gebrant
Und geliutert als ein golt.

[S. 554]

[101] Das Leitmotiv dieser Rede, das Thema von der Allmacht der Uebung, wird auch am Ende von Gautamas’ Dharmaśāstram intoniert, bei Manus VI, 80 phrasiert. Es ist im Abendlande vielleicht von keinem so innig erkannt und bekräftigt worden wie vom großen DIOGENES: ουδεν γε μην ελεγε το παραπαν εν τῳ βιῳ χωρις ασκητεως κατορθουσθαι, δυντην δε ταυτην παν εκνικησαι, DIOG. LAERT. VI, 71. Vor ihm hatte schon PERIANDROS gesagt: Μελετη το παν.

Dem Verständnisse der Phaenomena vom tausendfachen Brahmā durch immer höhere und höhere Kreise bis zu den letzten Noumena möglicher Wahrnehmung kann, wie DE LORENZO bemerkt hat, unsere kantische Naturgeschichte und Theorie des Himmels als würdiger Eingang dienen.

[102] Es ist, wie der siam. Text richtig hat, vigatavalikam und khāṇukaṇṭakaddhānam zu lesen. Desgl. adhimuccati etc. etc. etc. — Vergl. die 127. Rede.

[103] Die parisuddhā paramānuttarā suññatā findet sich in einigen Upanischaden, wie Tejabindūp. v. 11 als sarvaṃ tat paramaṃ śūnyam, Ātmaprabodhop. ed. Bomb. p. 397a ādiśūnyas »Der Urarme«, Maitryup. II, 4 sa vā eṣa śuddhaḥ pūtaḥ śūnyādi.

Vergl. ECKHART, p. 418: »Daz ist diu allernêhste armuot des geistes, wan ez ist nieman rehte arm, wan der niht enwil unde niht enweiz unde niht enhât, weder ûzwendic noch inwendic.« Ib. 283: Diu hoehste, diu klâreste unde diu nêhste armuot; 22: Sîns selbes und aller dinge wüeste sîn; 27: »Aller stillest stân und aller lêrest ist dâ dîn allerbestez.« Etc. — Cf. noch zur Antwort auf Ānandos Frage, S. 219, das bündige Wort des MAKARIOS bei FLOSS p. 163: »melior omnibus est paupertas«; sowie die Anm. 214.

[S. 555]

[104] Mit dem siam. Texte tattha tahāgatena zu lesen. — Aller Vorstellungen sich begeben: πτωχευσαι απο παντων των φαινομενων, MAKARIOS, Homil. XI § 6 i. f.; paupertatem colere, quasi coelestem vitam agere in terris, ab omni caducarum rerum cura et cupiditate alienam, nach BERNARDUS. Die ajjhattaṃ suññatā = der inwendigen Armuth, der Armuth des inneren Menschen, ECKHART p. 280, 626.

[105] Zur Armuth innen und außen cf. den Gedanken PASCALS II, 17, 82: »Si j’avais le coeur aussi pauvre que l’esprit, je serais bienheureux; car je suis merveilleusement persuadé que la pauvreté est un grand moyen pour faire son salut.« Die scheinbare Antinomie vom Aufnehmen der Armuth ist in den Versen eines großen, unendlich reichen asketischen, d. i. wohl eingeübten Geistes angemessen gelöst:

La lieta povertà, fugiendo, acquista
Ogni tesor, nè pensa come o quando;
Secur nei boschi, in panni rozzi e bigi,
Fuor d’obrigi, di cure e di letigi.

[S. 556]

Letzterem Hinweise, den ich DE LORENZO, dem genauen Kenner MICHELANGELOS, verdanke, mag noch in diesem Zusammenhange die so anschauliche Illustration Meister ECKHARTS, p. 576, beigefügt sein: »Dar umbe sprach der, der in der kuofen blôz saz, zuo dem grôzen Alexander, der alle welt under ime hete: ‚ich bin‘, sprach er, ‚vil ein groezer herre denne dû bist; wan ich hân mêr versmêhet denne dû besezzen hâst. Daz dû grôz ahtest ze besitzenne, daz ist mir ze kleine ze versmêhenne.‘« Das Helldunkel einer solchen einmüthig erfahrenen indo-ārischen Armuth, die heiter über Kaiser und Könige wegblickt, findet man denn auch im Bildnisse eines kynischen Pilgers und kosmopolitischen Palitanten auf einem jüngst entdeckten pompejanischen Fresko zu Boscoreale und zwar voce melius beglaubigt, »daz ist wortelôs«.

[106] Der siam. Text hat richtig yo kho imesu pañcasu kāmaguṇesu chandarāgo so me appahīno. Etc. — Zur Selbsterforschung cf. die 15. u. 151. Rede ͠= Aureum Pythagoreorum carmen v. 40–44.

[107] Der Text hat richtig sotum.

[108] Lies mucchā nikāmayati.

[109] Der Schluss der Rede, yo sāro so ṭhassati, ist mit v. 204 der Lieder der Mönche, sāram buddhāna sāsanam, nebst Anmerkung zu vergleichen. — Ein ähnliches Bild S̀āṭyāyanīyopaniṣadante: Ekākṣarapradātāraṃ | yo guruṃ nābhinandati | tasya śrutaṃ tathā jñānaṃ | sravatyāmaghaṭāmbuvat |; ferner Vāsiṣṭhadharmaśāstre VI, 31 f.:

Āmapātre yathā nyastaṃ
kṣīraṃ dadhi ghṛtaṃ madhu
vinaśyet pātradaurlabhyāt,
kṣatapātram rasāśca te:
evaṃ gā vā hiraṇyaṃ vā
vastram aśvaṃ mahīṃ tilān
avidvān pratigṛhṇāno
bhasmībhavati kāṣṭhavat.

DE LORENZO weist mit Recht darauf hin, dass HORAZ das selbe, so anschaulich lehrreiche Gleichniss gewählt hat, im berühmten 2. Briefe des 1. Buches. Er schreibt mir: „Il verso

Sincerum est nisi vas, quodcumque infundis acescit allude proprio a vasi di creta; prima di tutto perchè i romani e i greci non adoperavano che tali vasi, e non di metallo, e poi perchè ORAZIO stesso alla fine della medesima epistola spiega ancor meglio il paragone con i versi:

Nunc adbibe puro
Pectore verba, puer, nunc te melioribus offer.
Quo semel est imbuta recens servabit odorem
Testa diu.

I quali versi corrispondono esattamente alla chiusa del discorso 122: »Darum aber mögt ihr mit Liebe mir begegnen und nicht mit Feindschaft; das wird euch lange zum Wohle, zum Heile gereichen.«“

Mit Liebe und nicht mit Feindschaft dem Meister begegnen, Gehör leihen u. s. w. hat MAKARIOS getreu nachempfunden, bei FLOSS p. 205: Ου γαρ πιστευειν μονον δει Χριστῳ, αλλα και συμρασχειν αυτῳ: und AGATHON hat auch zugleich Vertrauen schlechthin wie oben S. 236–238 sehr besonnen als Ohnmacht und Unbill erkannt, ib. p. 151: Non est peior altera passio quam fiducia: genetrix est enim omnium passionum; convenit ergo operatio monacho non sumere fiduciam, vel si solus sit in cella.

Die ewige Stille, S. 229 (asāmāyikam akuppam ~ asamayavimokho No. 29 i. f.), ist wohl zumeist von ECKHART beschrieben worden, theils in Paradoxen wie ‚Alle Beweglichkeit ist sterben‘, p. 536, oder ‚Ganze Ruhe ist Freiheit aller Bewegungen‘, 605, theils gegenüber der ‚Unstetigkeit und dem Sturme des Weltenflusses‘, 247, als ‚das Wesen in einer stillen Stillheit‘, 389; ferner als wesentliche Stillheit 668, heimliche Stillheit der Einigkeit 520, Tiefe der Stillheit 517, lautere Stillniss 120, unbewegliche Stillekeit 583, stete Stillheit 600, stille Ewigkeit 375, etc. Vergl. Anmerkung 195.

Zur Bezeichnung Sakker in dieser Rede und Sakyer in der vorhergehenden sei bemerkt, dass die Namen, obwohl an sich identische Denominativa von √śak »vermögen«, insofern leicht differenziert erscheinen, als einige nördlichere Städte und Burgen wie etwa Kapilavatthu oder Devadaham stetig den Sakkern, und wieder andere südlichere wie z. B. Nagarakam oder Metāḷumpam stetig den Sakyern zugesprochen sind. Gotamo nennt seinen Vater Sakko, in der 36. und 85. Rede: er selbst aber wird allgemein Sakyaputto, Sohn der Sakyer, geheißen, so in der 41. Rede etc. Der engere Kreis Sakkos, des stolzen S̀akras’, als der er gegolten, und seiner Sakker, S̀ākrer, mag sich immerhin dem umfassenderen der Sakyer, S̀ākyer, eingeordnet haben, die Linie der Dynastie, der Zweig dem Stamme. Darum also haben auch die nächsten Verwandten Gotamos auf der Urneninschrift um die krystallene Phiole, die sie den Aschenresten ihres erlauchten Bruders gewidmet, sich selber als Sakyer bekannt:

Das ist ein Leichenschrein des Erwachten, Erhabenen:
Der Sakyer Stiftung, der Brüder mit Schwestern, mit Kindern und Frauen.

Diesem nüchternen und doch beredten Epitaph ist wohl ferner noch zu entnehmen, dass die Brüder, bez. Halbbrüder Gotamos das Erbe Sakkos gemeinsam angetreten hatten. Zerstörender Habsucht an 2400 Jahre verborgen wurde Urne und Phiole im Januar 1898 aus einem kostbar schützenden Topenhügel bei Piprāvā an der nepālischen Gränze ausgegraben und noch von BÜHLER als das erste historische Sakyer-Dokument erkannt, Journ. Roy. As. Soc. 1898 p. 389, die Inschrift aber erst von PISCHEL im 56. Bande d. Zeitschr. deutsch. morgenländ. Ges. S. 157 f. richtig erklärt. — Der Unfug mit dem S̀akaśākagargādibhyo yañ ist späterer Missverstand, wie die gute alte Theragāthā 533 u. 536 zeigt.



[S. 559]

[110] Sälige Gestalt, tusito kāyo, im Reiche der Säligen Götter, vor der Herabkunft zur Erde. — Zu bodhisatto, erwachsam, d. h. der Erwachung angeschlossen sein, ihr nachhängen, sie erringen, cf. die Anmerkung 5 des ersten Bandes. Asokos Eigenbericht auf dem VIII. Felsenedikte, Piyadasi rājā dasavasābhisito saṃto ayāya saṃbodhiṃ, entspricht sehr schön unserem Topus, e. g. erster Band l. c., pubbe ’va sambodhā bodhisatto ’va santo: man hat also damals die wahre Etymologie von bodhisatto noch recht wohl verstanden. Später haben dann die nordbuddhistischen Uebersetzer und Bearbeiter das so natürliche, mit dem Sprachgebrauche vollkommen übereinstimmende tatpuruṣam (bodhisaktas) aus Unkenntniss in ein gekünsteltes, barbarisches, ja unmögliches bahuvrīhi (bodhisattvas) verballhornt und der wüsten tibetischen Spekulation vorgearbeitet.

[111] asuryā nāma te lokāḥ, andhena tamasāvṛtāḥ: Bṛhadāraṇyake IV, 4, 14; weiterhin bloß alokas genannt, sc. cakravālas, e. g. Raghuvaṃśe I, 68. — Vergl. die syntopischen Parallelen Mahāvastu I, 230, Divyāvadānam p. 204, Lalitavistaras V, v. 77. Irgendwie vermittelt ist diese Vorstellung bei den Scholastikern als Lehre vom Limbus rezipiert: »Juxta s. THOMAM limbus Patrum et infernus qualitate quidem locorum differunt, at situ probabiliter sunt quasi idem tractus continuus, sic tamen, ut magno spatio una commoratio ab altera distet«; rursus: »Multi cum s. THOMA in spatio intermedio purgatorium situm esse censent«: VIDMAR, Comp. rep. theol. dogm. p. 599. — Eine gleiche Phraseologie vom Lichtglanze durch die ganze Welt etc. im langen Hymnus des syrischen Propheten EPHRAEM auf die Geburt des göttlichen Knaben.

[S. 560]

[112] Die spezielle Parallele hierzu im MAKARIOS, Apophthegm. ed. PRITIUS p. 266, bei εκ μερους τις θεωρει tτο προσωπον του ἑτερου, κτλ. — Die zehntausendfache Welt, wie die zehntausend Wesen im Tao-te-king Kap. 16, passim, oder die homerischen δμωες μαλα μυριοι, Od. XVII, 422, s. v. a. unzählig manigfach, unendlich reich.

[113] Vergl. Mantrabrāhmaṇam I, 4, 6 (= Ṛgvedas X, 184, 1):

Viṣṇur yoniṃ kalpayatu,
Tvaṣṭā rūpāṇi piṃśatu,
āsiñcatu Prajāpatir,
Dhātā garbhaṃ dadhātu te.

Komm.: Prajāpatiḥ: prajānāṃ pālako devaḥ. Etc. Es wird also hier, der S̀ruti gemäß, der Cattāro mahābrahmāṇo gedacht sein: die Lokapālā kommen erst später.

[114] pakatiyā sīlavatī; von sīlam - ηθος, suetum, Sitte: es ist das συγγενες ηθος PINDARS (Ol. XIII, 13), die angeborene Art.

[115] Vgl. Bhāgavatapurāṇam X, 2, 20, passim. — Eine schwangere Maria, in deren durchsichtigem Schooße man das strahlende Knäblein erblickt, ist kunstvoll geschnitzt auf dem linken Flügel des inneren 500 Jahre alten Kirchenportals zu Irrsdorf (einem kleinen Weiler neben Straßwalchen, auf bedeutsamen römischen Ueberresten errichtet), neuerdings kopiert auf dem Kapellenthore der Burg Kreuzenstein bei Stockerau dargestellt; vom Volke um Kindersegen angegangen. Ein Freskobild dieser Art hat RHYS DAVIDS erwähnt gefunden, Buddhist Birth Stories S. 65 Anm. Dergl. Kunstwerke mögen zunächst auf eine im Mittelalter beliebte, sinnige Vorstellung zurückweisen: cf. Band 2, Anm. 125; und von da wohl auf AUGUSTINUS, wie Meister ECKHART bemerkt hat, S. 411 i. f., eigentlich schon auf MAKARIOS MG., ed. BLONDEL p. 216: Ὡς γαρ εις ὑγροτητα καταβαινων ἡλιος ουχ ὑγροτητα δεχεται ουδε πηλωδης εὑρισκεται, την δ’ὑγροτητα του πηλου ξηραινων στεγανοι αυτος ὁλως την αυγην ουκ αποθολουμενος· οὑτως ὁ Θεος Λογος, ων ἡλιος νοητος, εις σαρκα κατελθων κτλ. — Nb. noch das »Marienglas«, lapis specularis.

Vielleicht lassen sich solche spezifisch ārische Begriffe, um nicht Dogmen zu sagen, zuletzt in den ṛgvedischen Hiraṇyagarbhas ohne Mühe und heiter auflösen, von dem der Seher, X, 121, 1, singt:

Hiraṇyagarbhaḥ samavartatāgre,
bhūtasya jātaḥ patir eka āsīt.

Als jüngsten Spross der langen Ahnenreihe hätten wir da in unseren Tagen RICHARD WAGNERS Rheingold zu begrüßen.

[S. 561]

[116] An dem Orte, wo die Legende das Ereigniss stattfinden lässt, in einem Haine nahe dem Dorfe Luṃminī (cf. Bd. II, Anm. 237), hat Asoko unter anderem eine Denksäule errichten lassen, mit der Inschrift: »Hier wurde der Erhabene geboren.« Vergl. auch die plastischen Darstellungen der Szene, auf Ruinen aus Sārnāth etc. — Aehnlich im homerischen Hymnus auf die Geburt des Apollo, wo es, in der Uebersetzung GOETHES, v. 106–109 heißt:

. . . . es nahte Letos Entbindung.
Mit den Armen umschloss die Göttin den Palmbaum; die Füße
Stemmte sie gegen das Gras, die Erde lächelte. Mächtig
Sprang ans Licht der göttliche Sohn.

[S. 562]

[117] Diese vier Göttersöhne, die Hüter der Weltgegenden Lokapālā, auch die »Vier großen Könige« Cattāro mahārājāno genannt, sind im Christenthum zu den heiligen Drei Königen aus dem Morgenlande geworden. Noch andere, spätere Beziehungen bei SEYDEL, Buddha-Legende, 2. Aufl. S. 35. Aber die älteste christliche Darstellung zeigt richtig Vier huldigende Könige, und zwar auf einem Fresko eingangs der Domitilla-Katakombe. Als dann in der Kirche einer der Könige, etwa der Dreifaltigkeit zuliebe, allmälig verschwunden war, sehn wir doch wieder Vier schützende Erzengel an den Seiten die Tradition unserer Vier großen Könige weiter erhalten: so eben noch in Rom auf einem musivischen Bilde links am Triumphbogen der Santa Maria Maggiore, auch im Sant’ Apollinare Nuovo zu Ravenna. Sogar die unbiblische Bartlosigkeit anderer sehr alter, antiker Magiertypen verdient einige Beachtung. Cf. DUCHESNE et BAYET, Mémoire sur une mission au Mont Athos, Paris 1876, p. 284–296, wo die Abbildungen nachgewiesen.

Noch bei der Königskrönung in der karolingischen Sage von Reinolt etc., ed. PFAFF v. 1201/03,

kamen vier engel von her oben
iglich in einer tuben wyß geflogen
und brachten, das man han solt.

[118] Im gleichen Sinne ist die Beata Maria Virgo in der Lauretanischen Litanei als »Mater purissima, Mater intemerata, Mater admirabilis, Vas spirituale, Domus aurea« gepriesen. Letzteres Bild wird zwar auf Lib. Reg. I [III], 6, 22 gedeutet, gehört aber dem Mahāmāyāsupinam des Avidūrenidānam zu, wo es dem kanakavimānam entspricht, yam pavisitvā... kucchim paviṭṭhasadiso ahosi bodhisatto: Jātakam vol. I, p. 50. — Die Vermittelung scheint über Mesopotamien erfolgt zu sein. »Omnino nulla fere ecclesia tam constanter et unanimiter anhamartesiam S. Mariae semper docuit, quam syriaca«, sagt BICKELL in seiner Ausgabe der Nisibena p. 29 und fügt p. 30 den zahlreichen ephraemitischen und anderen Sentenzen noch die Stimme eines folgenden Patriarchen hinzu, die gar deutlich dem Lalitavistaras nachklingt: »Si fuisset in anima Mariae ulla macula aut defectus, aliam utique, eamque immaculatam matrem elegisset sibi Dominus.«

[S. 563]

[119] Diese mehr oder minder symbolische Taufe kommt bekanntlich schon in den Gṛhyasūtren vor, e. g. Gobhilas II, 8, 1, saśiraskaṃ kumāram āplāvya; sie reicht übrigens in praehistorische Zeiten hinauf. — Vergl. Iacobi Sarugensis, bei ZINGERLE S. 22 f., JESU Jordantaufe, »auch die Abgründe erbebten bei deinem Herabkommen, und die Wolken ergossen Wasser.« (JESU Epiphanie hat neuerdings JACOBY ausführlich besprochen. Ein bisher unbeachteter apokrypher Bericht über die Taufe Jesu, Straßburg 1902, namentlich S. 43 f.)

Ein ungemein schönes indo-baktrisches Hochrelief dieser Szene, ächt künstlerisch komponiert und ausgeführt, im Swāt-Gebiete gefunden, ist bei GRÜNWEDEL-BURGESS, Buddhist Art in India, London 1901, als No. 92 wiedergegeben. Noch andere bedeutende Momente, ähnlich ausgezeichnet behandelt, ib. No. 40, 65, 7. — Zur Sache: Lieder der Mönche S. 327 Anm. 2.

[S. 564]

[120] Symbol der Königsmacht: lokajit, yasya chattraṃ sitam, wie es z. B. Ṛtusaṃhāram v. ult. heißt. Im Bhāgavatapurāṇam hält Hanumān diesen Schirm zuhäupten des siegreichen Rāmas IX. 10. 42., u. s. w., namentlich auf Inschriften alter wie neuer Zeit stereotyp. — Lies mit dem siam. Texte anuhīramāne, von harati; vorher sattapadavītihārena. Das sāptapadam weist vielleicht schon auf eine symbolische Darstellung der saptarṣayas (Sieben Weisen, Siebengestirn, Septemtrio maior) zurück; vergl. auch das traivikramam. — Der weiße Schirm, dem athenischen σκιρον parallel, ist im Christenthum zur weißen Taube geworden; wohl missverständlich, weil man das ursprüngliche Symbol nicht mehr zu deuten vermochte, śvetacchattram, den weißen Schirm, mit śvetacchadas, dem weißen Fittich, verwechselte.

[121] Quasi eine Illustration dieser Art ist es wohl, wenn man noch heute auf Zeilon, z. B. im Vidyodayapariveṇa, auf dem blumenbekränzten Altar eine krystallene Buddho-Statuette mit einem Lämpchen dahinter ein mildes und zugleich strahlendes Licht ringsumher verbreiten sieht.

[122] Der urasketenthümliche Abschluss dieser Rede, so außerordentlich in seinem tiefen Humor, möchte erstaunen lassen, wären wir eben nicht schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge, da gerade an unseren Texten des AUGUSTINUS feine Bemerkung, Civ. XXI. 4., sich oft bestätigt: »Quarum vero rerum ante nostros oculos cotidiana documenta versantur, non genere minus mirabili, sed ipsa assiduitate vilescunt, ita ut ex ipsa India, quae remota est pars orbis a nobis, desierimus nonnulla mirari, quae ad nos potuerunt miranda perduci.«

[123] Zu den Nackten Büßern cf. der 71. Rede letzte Anmerkung. Schon AUGUSTINUS hat diese Asketen — Ājīvikās, keine Digambarajainās — richtig beschrieben, Civ. XIV. 17. i. f.: »Per opacas quoque Indiae solitudines, cum quidam nudi philosophentur, unde gymnosophistae nominantur, adhibent tamen genitalibus tegmina, quibus per cetera membrorum carent.«

[S. 565]

[124] Ebenso vom hundertjährigen APOLLONIOS VON TYANA berichtet, bei PHILOSTRAT Lib. I. cap. X. i. f., De mira eius castitate. Auch MAKARIOS, Homil. XV § 51, hat erklärt: Εισι δε τινες κρατουμενοι ὑπο θειας δυναμεως, ὁτι εαν ιδωσι τινα μετα γυμαικος νεον, οὑτοι ει και διαλογιζνται τκνα, ὁμως ου μιαινεται ὁ νους αυτων, ουτε δπιτελει ενον ἁμαρτιαν, während DOSITHEOS der Kilikier, das Haupt der Enkratiten, Apotaktiten und Eremiten, in einem lapidaren Satze, von MAKARIOS MG. ed. BLONDEL p. 151 überliefert, eigentlich und ehrlich Zweck und Ziel schon angegeben hatte: Δια μεν κοινωνιας ὁ κοσμος την αρχην εσχε· δια δε της εγκρατειας το τελος θελει θαβειν. — Vergl. noch ECKHART, p. 460: »Ez ist ein vrâge under den meistern, ob der mensche dâ zuo müge komen, daz er niht sünden müge in diesem lîbe? Die besten meister sprechent: jâ. Daz sult ir alsô verstân. Die liute hânt sich alsô durchüebet innen und ûzen, daz sie sich zuo keime gebresten geneigen mügent.«

[125] Nec vero saccum HILARION, quo semel amictus est, umquam aut lavit aut mutavit, cum supervacaneum esse diceret, munditias in cilicio quaerere: Breviar. Rom. d. XXI Oct. Pariter iam eiusdem magister, Actis Sanctorum Ian. t. II, 116, 48 ac 119, 66.

[126] Vergl. Nāradaparivrājakopaniṣat IV, 3: Na sambhāṣet striyaṃ kāṃcit | pūrvadṛṣṭāṃ ca na smaret | kathāṃ ca varjayet tāsāṃ | na paśyellikhitām api. — BONAVENTURA, Vita S. Francisci cap. V.: Mulierum familiaritates, colloquia et aspectus, quae multis occasio sunt ruinae, sollicitius evitari iubebat, asserens, per huiusmodi debilem frangi et fortem saepe spiritum infirmari.

[127] Cf. SOZOMENI lib. I cap. 13, De S. ANTONIO in AASS l. c. 119, 64 i. f.: Litteras neque novit neque magni aestimavit; sed puram mentem, utpote litteris antiquiorem et earum inventricem, laudavit plurimum. — Vergl. noch die Ablehnung und endlich nur durch das stille Beispiel gewährte Aufnahme, die PAULUS SIMPLICISSIMUS als beharrlicher Antonianer schweigsam nachfolgend gefunden, l. c. 147–148.

[S. 566]

[128] zu gaddu Gurgel, Kehle cf. Anmerk. 7; von √gard = γαργαρειν. Gaddūhanamattam pi dann gelegentlich schlechthin ein Ausdruck für »auch noch so gering«. An dadrughnādi, TRENCKNER, Pāli Miscellany p. 59, ist nicht zu denken.

[129] Ein Leben wie Bakkulo hat der aegyptische PAULOS, »Eremitarum auctor et magister«, wie ihn die christliche Kirche zu rühmen beliebt, bis zu seinem Tode, im Alter von hundertdreizehn Jahren, geführt: und gleichwie Bakkulo dem Kassapo hat er es, am letzten Tage vom neunzigjährigen ANTONIOS aufgesucht, diesem noch berichtet. Der heitere Abschied unseres Bakkulo hat gleichsam eine Gegenstrophe im säligen Scheidegruß der aegyptischen MARIA, nach vierzigjähriger Buße, der sie treu in Wüsten blieb, von ihr im Sande niedergeschrieben, wie GOETHE sie nach den Acta Sanctorum (Apr. I, 82, 38) gegen Ende des Faust bekennen lässt; während ein anderer achtzigjähriger Meister, MICHELANGELO in einem Briefe an VASARI uns das alte, ächt solonische Motiv dazu insofern leichter verstehn lehrt, wenn er die festliche Feier einer Geburt nicht eher und nicht anders begangen haben will als »con quella allegrezza che s’à a serbare alla morte di chi è ben vissuto.«

Die unbeugsame Stärke bakkulischer und verwandter Geister mahnt allenthalben an die Gestalten der älteren Thebais: so deutlich, dass der letzteren historische Ahnen weiter als in Jerusalem aufgesucht werden möchten. Eine in den Acta Sanctorum vom 17. Jan. De S. ANTONIO Magno fol. 113 § 7 i. f. beigebrachte Bemerkung des IOANNES DAMASCENUS, der Ruhm der aegyptischen Eremiten sei bis an die Gränzen der Erde gedrungen, »ipsisque didita Indis esset, eos quoque ad eiusdem (sc. monasticae) vitae studium excitavit«, erheitert zunächst durch die ungeahnte Heuristik des biederen Kirchenvaters, dient aber sodann uns drüben stehenden als fein richtig weisender chrysorrhoischer Index. Namentlich nun sind es die mancherlei makarischen Denkmale, die immer wieder ihre indische Abstammung anzeigen. Die Ausgabe von PRITIUS bietet eine Hülle und Fülle der schönsten Beispiele. Hier folge als kürzeres Musterstück ein parabolischer Dialog, den man bei FLOSS p. 63 findet. »Frater convenit abbatem Macarium Aegyptium, cui: Abba, inquit, effare mihi verbum, quonam modo salvus ero? Ait senex: Vade in sepulchrum et maledictis mortuos impete. Abiens igitur frater eos conviciis et lapidibus appetiit, reversusque annuntiavit seni. Qui ab eo quaerit: Nihilne tibi responderunt? Frater: Nihil. Tum senex: Iterum, inquit, proficiscere cras, laudibus eos effer. Pergens itaque frater collaudavit eos vocans: Apostoli, sancti, iusti. Tum adiit senem dixitque: Laudavi. Qui: Nihilne, inquit, tibi responderunt? Frater: Nihil. Tunc senex infit: Nosti, quantis eos contumeliis affeceris, nec quidquam responderunt tibi, et quantis eosdem laudibus ornaveris, nihilque ad te prolocuti sunt: ita etiam tu, si salutem consequi desideras, mortuus fias, nec iniurias hominum nec laudes eorum cogites instar mortuorum; sic enim poteris salvus fieri.« Diese Thebais konnte nun freilich keine längere Blüthe erleben, und es folgte, wie eben überall, rascher Verfall, Auflösung, Umwandlung, abusus optimi als pessimus, auf den Helden und Heros der Zelot und Hesychiast, der Monk of Misrule, Abbot of Unreason und eine »affenheit« anstelle der »wîsheit«; oder um zur makarischen Parabel den speziellen Beleg zu liefern, die jesuitische Lehre vom Gehorsam perinde ac si cadaver. — Hier hinken manche Pfaffen an, sagt Meister ECKHART.


[S. 568]

Die erstaunliche Rüstigkeit unseres Bakkulo, der von keinerlei Krankheit wusste, wie oben S. 254 gesagt, ist später sprichwörtlich geworden, im Aṉguttaranikāyo I, 14, 4, 8 bestätigt, wo er der gesündeste aller Jünger geheißen wird. Sein Andenken, zwar nur mehr der Name, ist noch im Lalitavistaras I im Anf. erhalten.

[130] Der selbe Gedanke oft im MAKARIOS, e. g. Homil. XVII § 3 & XV § 41–42, XXVII § 20.

[131] Aggivessano ist Aciravatos nomen patronymicum, der Zuname.

Der auf S. 259 und sonst, wie z. B. im 1. Bande S. 142, 313 etc., im 2. Bande S. 503 etc., mit unübertrefflicher Prägnanz geschilderten indischen Landschaft darf die ebenso rein anschaulich stilisierte Landschaft RUISDAELS als nahe verwandtes Kunstwerk verglichen werden.

Eine Art Auszug der großen Elephantenperipetie, oben S. 261–267, giebt Vers 320–324 des Dhammapadam. Cf. auch die anderen Elephantenparabeln, wie z. B. in der 61. u. 66., 27. u. 28. Rede. Das Muster der letzteren ist, nebenbei bemerkt, wörtlich in das Mahābhāratam aufgenommen worden, XII, 63, 25: Yathā hastipade padāni saṃlīyante sarvasattvodbhavāni, evaṃ dharmān rājadharmeṣu sarvān etc.

Zum Gleichnisse von den gebändigten und den ungebändigten Rossen, S. 258, cf. DIOG. LAERT. II, 69: Ερωτηθεις (Αριστιππος), τινι διαφερουσιν οἱ πεπαιδευμενοι των απαιδευτον, εφη· Ὡσπερ οἱ δεδαμασμενοι ἱπποι των αδαμαστον. Schon SOKRATES, im Gorgias p. 516: Ουκουν οἱ γε δικαιοι ἡμεροι, ὡς εφη Ὁμηρος. Aber geradezu emblematisch genau, bis in die Einzelheiten entsprechend, ist es im unerschöpflichen MAKARIOS wiederzufinden, als Thema seiner 23. Homilie, § 2–3.

Ueber die Bedeutung von saṉkhalikhitam »Punkt für Punkt«, S. 264, hat neuerdings LUDWIG in der Wiener Zeitschr. f. d. Kunde des Morgenl. Bd. 15 S. 307–310 geschrieben. Seine durch eine Glosse des Viśvalocanas angeregte, recht moderne Ableitung von śaṉkhas, dem Schläfenschwibbogen, ist nicht ohne Geist, doch bei dem hohen Alter des überlieferten brahmacariyaṃ saṉkhalikhitam unhaltbar. Eine mögliche Etymologie findet man Ende der 48. Rede Anmerk. 36, Lieder der Mönche S. 336: wahrscheinlich wird aber die in der 3. Anmerkung des 2. Bandes gegebene besser begründet sein. — Als letzten Ausläufer des saṉkhalikhitam kann man das Muschelabzeichen auch noch unserer heutigen Wallfahrer betrachten: ein längst vergessenes Symbol strenger Asketenschaft, das auf die jakobitischen Mönche des 6. Jahrh. und daher wohl auf ihren Stifter IAKOBOS ZANZALOS zurückreicht, der als Eremit in der Fetzenkutte Syrien durchzogen und viele Jünger hinterlassen hatte, Nachfolger in Aegypten, Arabien, Persien bis in die Zeiten der Kreuzzüge; woher dann endlich jenes ursprünglich indische, auf den ältesten Skulpturen schon dargestellte Büßerwappen, freilich arg verkannt, uns überkommen ist. Noch im 17. Jahrh. sind übrigens unter den »Muschelträgern« an sich die »Jakobsbrüder« verstanden worden, so im Simplicissimus; während es im Tasso, vorletzter Auftritt, mehr allgemein anschaulich heißt:

Die Pilgermuschel und den schwarzen Kittel,
Den langen Stab erwählst du dir und gehst
Freiwillig arm dahin.

cf. auch Hamlet IV. 5, 25 f.

By his cockle hat and staff
And his sandal shoon.

[S. 569]

[132] Von der Hoffnung im weiteren Sinne handelt die 131.-134. Rede. Gegensatz: Chāndogyopaniṣat VII, 14, 2: āśayāsya sarve kāmāḥ samṛdhyanti, amoghā hāsyāśiṣo bhavanti. — THALES: Τι κοινοτατον; ελπις· και γαρ οἱς αλλο μηθεν, αὑτη παρεστι. LUCANUS II, 15: Liceat sperare timenti SHAKESPEARE: The miserable have no other medicine, But only hope: Measure for Measure III, 1.

[S. 570]

Anacchariyam »unzweifelhaft«, »unerstaunlich«, hat mir HIKKAḌUWE SUMAṈGALA recht hübsch als thokam abbhutam erklärt, SUBHŪTI dagegen künstlich gezwungen als an-uccāriyam. — Das nur im Pāli, und auch da nur in einigen Reden erhaltene Wort assutapubbam »nie zuvor gehört« hat dem Dichter Bāṇas gar sehr gefallen, so dass er es in sein Harṣacaritam als aśrutapūrvatvam aufgenommen. Cf. Anm. 51.

[133] Die selbe Gepflogenheit im Umgang mit Menschen von griechischen Weisen oft empfohlen; so von SOLON: Σφραγιζε τουζ μεν λογους σιγῃ. Desgleichen sehr schön von MAKARIOS: Ὁ νεν γαρ σιγων ωφελει, Apophthegm. ed. PRITIUS p. 235. Auch von S. FRANCESCO als Evangelicum silentium der Brüder, »ut videlicet ab omni otioso verbo omni tempore abstinerent sollicite«, wie BONAVENTURA im 5. Kapitel der Vita berichtet. — Cf. Anm. 212.

[134] Cf. Bd. II, Anm. 14; Maṇḍalabrāhmaṇopaniṣat II, 4 i. f.: sarvaṃ jagad ātmatvena paśyaṃs tyaktāhaṉkāro brahmāham asmīti cintayann, idaṃ sarvaṃ yad ayam ātmeti bhāvayan, kṛtakṛtyo bhavati. Kurz als Monogramm: sarvatrātmaiveti paśyanti, Bhikṣukop. i. f. — Unter den heiligen Anachoreten der Bergschluchten, in Wald, Fels, Einöde gebirgauf vertheilt, gelagert zwischen Klüften, ertönt aus der tiefen Region des Pater profundus durch seine innig umfassende Naturerschauung zu Beginn der letzten Szene des Faust ein gleicher Vorklang empor:

So ist es die allmächtige Liebe,
Die Alles bildet, Alles hegt.

[S. 571]

[135] Cf. Chāndogyopaniṣat III, 11, 6: imām adbhiḥ parigṛhītāṃ dhanasya pūrṇām. Eine gleiche Zonognosie bekanntlich in der Ilias und in der Edda.

[136] altvedisches Gleichniss, e. g. im Ṛk IV, 45, 4; cf. GELDNER in PISCHELS Vedischen Studien 2. Bd. S. 180.

[137] einer der drei begleitenden Mönche, mit welchen Anuruddho, wie eingangs erwähnt, selbviert geladen war.

[138] Hiermit vergl. man die ähnlich gesteigerten, immer sublimierter, immer reinlicher befriedigenden Begriffe des sokratischen Eros, im Symposion des PLATON p. 210–212.

[139] Vergl. Theragāthā 927, Yogacūḍāmaṇyupaniṣat v. 80 ͠= Theaitetos p. 144.

[140] Vergl. Bd. 2, Anm. 70 über das Kevaṭṭasuttantam. Auch die verwandte Tripādvibhūtimahānārāyaṇopaniṣat VI i. f., wo der upāsakas immer höhere Gegenden ersteigend, immer höhere Kreise und Himmel erkundend endlich den Ādinārāyaṇas antrifft, von ihm begrüßt wird »Du bist Brahmā: ich bin Brahmā« — worauf dieser verschwindet und er selbst sich seiner bewusst ist. Ebenso ECKHARTS Darstellung des „Klimmenden Geistes“, p. 275, und den Gang in den eigenen Grund, wo der Mensch einig geworden als vor tausend Jahren und als nach tausend Jahren und als im Nu verkehren und mitwirken mag: »unt daz ist wîsen liuten ze wizzene unde groben ze gloubenne«, p. 189–190. — Vergl. schon das altvedische Aufsteigen zum Sonnenrade, e. g. S̀atapathabrāhm. I, 9, 3, 15: und wiederum ECKHARTS Fliegen an das Rad der »gewâren sunnen«, p. 303.

[S. 572]

Zum Gleichnisse von der hell brennenden Oellampe cf. Triśikhibrāhmaṇopaniṣat v. 157: nivātadīpasadṛśaḥ und ein Scholion zu Maitryupaniṣat VI i. m.: nirvātadeśasthapradīpaśikhāvadacalatayā’vasthānaṃ samādhiḥ. Aehnlich noch Maṇḍalabrāhmaṇopaniṣat II, 3 im Anf. (cf. Anm. 198), Yogatattvop. II, 4, Bhagavadgītā VI, 19, etc. Auch MAKARIOS, bei FLOSS p. 197: »Sicut lampas splendida in loco tenebroso... sic monachus perfectus in sobrietate et castitate« etc. — Form und Technik der indischen Lampe entspricht genau der griechischen. Von der antiken bis zur modernen Welt hat man die Metapher der Lampe immer gern gebraucht; auch in anderer Gestalt, z. B. in der 43., bez. 146. Rede unserer Sammlung, ferner in den Liedern der Mönche v. 906, der Nonnen v. 116, woselbst weitere Belege angemerkt sind. Wie beliebt solche Gleichnisse in Rom gewesen sein müssen erhellt aus dem 30. Briefe SENECAS, wo er haec non tamquam nova, sed tamquam in rem praesentem perductus mit Wohlgefallen anführt, indem er, ganz wie Lieder der Mönche v. 702, das schöne Bild entwickelt: »Ignis qui valentem materiam occupavit aqua et interdum ruina extinguendus est; ille qui alimentis deficitur sua sponte subsidit.« Vergl. auch das Testament EPHRAEMS im Anf. Aus neueren Zeiten seien hier noch zwei Stellen aus den Relations de la mort de quelques réligieux de l’abbaye de la Trappe, Paris 1702, I. p. 171 u. II. p. 227 gegeben, wo es vom abbé DE CHASTILLON heißt »il cessa de vivre comme une lampe qui s’éteint et qui cesse d’éclairer«, und vom frère ACHILLES »on le voioit diminuer de jour en jour et s’éteindre, pour ainsi dire, comme une lampe qui manque d’huile.«

[141] »Krieget man mit mir und ich gibe ime als vil worte wider, daz er geswîgen muoz, sô hân ich niht überwunden, sô bin ich überwunden. Aber geswîgen ich von rehter diemüetikeit, sô hân ich überwunden. Mit überwindenne ist man überwunden, überwunden bliben hêt man überwunden.« ECKHART, p. 639. — Zum ersten Verse cf. PERSIUS V, 52–53:

Mille hominum species et rerum discolor usus:
Velle suum cuique est, nec voto vivitur uno.

[S. 573]

[142] Bālakaloṇakāragāmo.

[143] Aehnlich hat das altlombardische Rittergeschlecht der TRIVULZIO drei Gesichter, tre volti, im Wappen mit der Legende mens unica. Bemerkenswerth noch, wenn auch vielleicht hyperbolisch, ist was CELANO in seiner Vita S. Francisci, I, 8, genau so von den ursprünglichen Clarissinen berichtet: Praecipue namque ante omnia in eis viget virtus mutuae ac continuae charitatis, quae ita ipsarum in unum copulat voluntates, ut cum quadraginta vel quinquaginta pariter alicubi morentur, idem velle ac idem nolle unum in eis spiritum faciat de diversis. Der eigenen Einsicht aber sei endlich der ausführlichere, wundervolle Bericht über unsere Fünf Gottesfreunde vom Oberlande, um 1370, empfohlen, der wohl das innigste, zarteste, feinste Gegenstück zu den Anuruddhern darbietet und in solcher Vollkommenheit ohnegleichen dasteht: bei PREGER, Gesch. der deutsch. Mystik Bd. III, S. 364–367.

[S. 574]

[144] Cf. CELANO, l. c. 17: Dicebat enim (fratribus) eis ipse beatus pater, veram obedientiam fore non solum prolatam sed excogitatam, non solum imperatam sed desideratam; hoc est, si frater fratris praelati subditus non solum audiat vocem, sed comprehendat voluntatem, statim ad obedientiam totum se debet colligere ac facere quod eum velle signo aliquo comprehendet. Bald darauf berichtet er weiter: Sic enim eos repleverat sancta simplicitas, sic eos cordis puritas possidebat, ut duplicitatem animi penitus ignorarent; quia sicut una fides, ita unus spiritus erat in eis, una voluntas, una charitas, animorum cohaerentia, semper morum concordia, virtutum cultus, conformitas mentis, et pacis actionum. Ebenso auch schon MAKARIOS, in der III. Homilie: Οφειλουσιν ουν οἱ αδελφοι, ει τι ποιουσι, εν αγαπῃ και χαρᾳ ειναι μετ’ αλληλων, κτλ.

[145] dassanañ ca rūpānam: rūpam = ειδος, Bild, Form, Umriss; cf. BÖTHLINGK-ROTH 1s. v. 1e. Es ist eine geistige Wahrnehmung der Grundbegriffe, d. i. der Urbilder der Dinge.

[146] Wie einst ist auch heute noch schatzgraben in manchen Gegenden, z. B. an den alten, längst unter Wüstensand verschütteten, ehedem so blühenden gräko-buddhistischen Kulturstätten im Taklamakan des östlichen Turkestan gebräuchlich und zuweilen recht ergiebig. Cf. HOERNLES interessante Belege in seinen Antiquities from Central Asia, Journ. As. Soc. Bengal. Extra No. 1, 1899, p. XXVII.

[147] Zum Anblick der Umrisse, der geistigen Wahrnehmung der Urbilder der Dinge, S. 297–303, cf. PLATONS Ideenlehre; sowie Fausts Abstieg in den allertiefsten Grund, zur Gestaltung und Umgestaltung bei den Müttern (Mahāmātaras, Lokamātaras, Μεγαλαι θεαι, Matres materiae; Magna Mater, Mater deum Aestiorum, Nerthus, Nornen); dann Tao-te-king Kap. 21. — Vergl. auch die spätere Darstellung der Mütter in den Felsenhöhlen der Tempel, Ruinen und Torsi, so zu Elurā.

Es mag nebenher angemerkt sein, dass recht eigentlich hier das nachspürende, aufschürfende, sehr allmälig vordringende Verständniss jüngerer Epochen indischer Architektur und Skulptur, der autochthonen Meisterwerke, — der Dutzenddurchschnitt und die barbarisch, d. i. fremdartig, persisch oder griechisch oder chinesisch behandelte Schablone verdient nur kulturhistorische Betrachtung — einfahren und anbohren muss: weil eben zumal der indische Künstler geheimnissvoll wie die Natur einzig von innen nach außen geschaffen, gebildet, gestaltet hat und so bei all dem Ueberflusse und der unendlichen Fülle noch immer großartig, ja erhaben zu wirken vermag; und nun trotz der scheinbaren Regellosigkeit, die den erstaunten Gast oft wie bei REMBRANDT befremden wird, wirklich doch eine höhere Einheit und Ordnung erreicht ist. Aber wenn man große Maler ohne Anschauung der Originale kaum verstehn lernen, wenn man sich Pyramiden und Amenophien durch Bilder oder Modelle schwerlich gut vorstellen kann, viel weniger erst die Art und Wirkung jener hindustanischen Denkmale, die gar tief gegründet in der heimischen Erde wurzeln, aus dem Schooße ihrer Felsenklüfte und -grüfte emporgewachsen, hinangewölbt, so zu sagen aus dem Reiche der indischen Mütter an den Tag hervorgestiegen scheinen. Immerhin einen mächtigen Kontrast zur Wirkung dieser Architektur bieten unsere gothischen Dome, in Straßburg, Rheims, in Mailand, Toledo etc., deren felsige Gestalt bekanntlich als freie Weiterentwickelung des hindustanischen Grottenstils anzusehn, uns in Europa von den Arabern und Mauren maskiert übermittelt worden ist. Denn wo der Islam dabei irgend selbständig zuwerke gehn wollte, hat er lediglich zierlich nette Kleinschmiedearbeit zustande gebracht, nicht mehr und nicht weniger, selbst in den ungeheueren Dimensionen der mogulischen Moscheen und Mausoleen zu Delhi und Agra: während schon der erste beste gewöhnliche indische oder gothische Thurm unser Gemüth bedeutsam wie die Natur anspricht, als ein Monolith vor dem Altar der Gabenmutter Demeter oder der unerschöpflich reichen Diana der Epheser. Wenn also SCHOPENHAUER die, freilich zu seiner Zeit ganz unzulänglich gekannte, hindustanische Skulptur als bloß symbolisch bezeichnet hat, so wäre hier eben bei »des Lebens Bildern, regsam, ohne Leben«, wo »Alles Melodie wird« und Säulenschaft und Triglyphe klingen, vielleicht noch eine höhere, fast unbeschreibliche Aussicht und Einsicht erreichbar und etwa der Erinnerung zu gedenken:

Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichniss.


[S. 576]

[148] Vergl. BAKCHYLIDES, Theseus v. 42–45: δικας αδικοισιν οφρα μησεται — παντ’ εν τῳ δολιχῳ χρονῳ τελειται. Auch Hamlet I, 5, 10–22; namentlich die der Schlussfolge obiger Absätze merkwürdig entsprechende Stelle:

. . . . . . confined to fast in fires,
Till the foul crimes done in my days of nature
Are burnt and purg’d away.

[149] Die Opferpriester gefräßigen Hunden vergleichen ist nicht etwa ironische Erfindung unserer Texte, vielmehr schon im 12. Kapitel des 1. Buches der Chāndogyopaniṣat mit dramatischem Humor dargestellt, ganz analog der kostbaren Szene in des ARISTOPHANES Eirene v. 1043 ff., wann der Mantis Hierokles κατα την κνισαν εισεληλυθεν.

[150] Vergl. Chāndogyopaniṣat V, 10, 8 die kṣudrāṇi bhūtāni und ihr jāyasva mriyasvetyetattṛtīyaṃ sthānam.

[151] Vergl. die kuṇimāhāraneraiyā der Jainās, wie Aupapātikasūtre § 56; wo auch, beiläufig gesagt, unser Cūḷasīlam neben anderem sorgsam rezipiert erscheint.

[S. 577]

[152] Dieser Kampf ums Dasein ist schon im Vedas erkannt worden, S̀atapathabrāhmaṇam I, 8, 1, 3. — Das Gleichniss von der Schildkröte und der Reuse scheint das Original zu jener mühsäligen, kaum verständlichen Parabel vom Kameel und dem Nadelöhr abzugeben, wie DE LORENZO in der Flegrea vom 5. Juni 1901 S. 410 f. des näheren ausführt. Doch was nach indischer Anschauung unschwer begreiflich, ist, durch diverse Medien und Metamorphosen mehr und mehr verdunkelt, im N. T. endlich zu einer Art Hieroglyphe geworden, mit der die Exegese, die sogar einen vikarierenden Elephanten aufgefunden, nicht fertig werden konnte, da ihr eben die ursprüngliche, in der Natur begründete, wenn auch hyperbolische Eikasie unseres Gleichnisses nicht zugänglich war; daher denn auch der sinnige MAKARIOS MG. es vorgezogen hat, καμηλος von καμειν abzuleiten und auf die πενια zu beziehen, ed. BLONDEL p. 58/59. Aber in einem der ältesten christlichen Briefe und zwar des BARNABAS, den freilich die Kirchentyrannis gerade seiner unzweideutig überirdischen Gesinnung wegen infam wie PETRUS verleugnet, findet man unsere obige Anschauung unvertrübt wieder, ohne Möglichkeit zu opportunem Missverstehn und theokratischer Umwerthung, in der Mitte des X. Kapitels, wo BARNABAS die Schlechten und Frevler den Polypen und anderen Thieren der Seetiefe vergleicht, ὡς και ταυτα τα ιχθυδια μονα επικαταρατα εν τῳ βυθῳ νηχεται, μη κολυμβωντα ὡς τα λοιπα, αλλ’ εν τῃ γῃ κατω του βυθου κατοικει. — Noch mag hier bemerkt sein, dass bei VERGIL, wann er den ατερπεα χωρον des EMPEDOKLES abbildet, die Stelle von der Schwierigkeit zum Menschenthum zu gelangen wiederkehrt, Aen. VI, 703–751. Bis in die Gegenwart hat sich im Volke ein solches, man möchte sagen metaphysische Gefühl hie und da erhalten. »Ziemlich verbreitet«, erzählt uns z. B. VERNALEKEN in seinen Mythen und Bräuchen des Volkes in Oesterreich S. 119 f., »ist in Steiermark die Meinung, dass die Soldaten nicht in den Himmel kämen, sondern die ‚grüne Wiese‘ zu ihrem Sammelplatz hätten. Dort auf der ‚grünen Wiese‘ harren sie, bis der Tag kommt, an welchem sie in der Welt wieder erscheinen werden.« Diese grüne Wiese nun gleicht aber mehr noch als den prata der Aeneis dem ασφοδελος λειμων der Odyssee, und dieser wiederum mehr dem heillos tiefen Sacer Oceanus, aus dem die uralte Schildkröte aufsteigt. Eine wunderbare Ahnung darum hat unseren WOLFRAM, im Titurel Str. 166, von »jâmersôten« reden lassen, nachdem er, Str. 120, das Gleichniss gegeben:

Ez ’n wart ûf mer geworfen ûz kocken noch ûz kiele
nie anker alsô swaere der ze tal durch wâc sô tiefe geviele,
als mîn herze in jâmer ist versenket.

[S. 578]

[153] Genau entsprechend sagt SOKRATES, im Gorgias p. 522: Πολλων γαρ αδικηματων γεμοντα την εις Ἁιδου αφικεσθαι παντων εσχατον κακων εστιν.

[154] Ist das ευ ακουειν PINDARS. 1. Pythionike i. f., 4. Isthmionike v. 13: das bene audire, der gute Ruf; oder wie unser HARTMANN den Îwein gar schön eröffnet:

Swer an rehte güete
Wendet sîn gemüete,
Dem volget saelde unde êre.

Vergl. die 60. u. 76. Rede und Dhammapadam v. 1–2.

[155] Es ist, wie im Brahmāyusuttam p. 514, zu lesen: tass’ imāni satta ratanāni bhavanti, seyyathīdamādi. Die spectamina munditiae gehören in den Kommentar, der, wie gewöhnlich, manches missverstanden, manches recht volksthümlich weiter ausgeführt hat. Diesem entspricht denn auch ihre Darstellung im Relief, so zu Amarāvati, vorbuddhaghosisch.

[S. 579]

[156] Vergl. der Smṛti Urbild: abhibhavati nṛpaḥ sarvabhūtāni tejasā, wie Manus VII, 5 etc. Auch das homerische Seitenstück, Od. II, 230/31: προφρων αγανος και ηπιος εστω σκηπτουχοσ βασιλευς, φρεσιν αισιμα ειδως. Dann des PLINIUS Glückwunsch an TRAIAN zur Thronbesteigung: Fortem te et hilarem, imperator optime, et privatim et publice opto; sowie das Ideal im Rolandslied, v. 531/33:

l’emperere est ber:
tant nel vus sai ne preisier ne loer,
que plus n’i ait d’onur e de bontet.

[157] Vergl. Bd. 2, S. 405, 470, 517. Zur antiken Auffassung der Gesundheit als einer gleichmäßigen Kräfte- und Säftemischung ist bekanntlich die neueste Medizin wiederzurückgekehrt. — Aehnlich hat SHAKESPEARE, Julius Caesar i. f., Brutus preisen lassen:

His life was gentle, and the elements
So mix’d in him that Nature might stand up
And say to all the world: This was a man.

Imgleichen hat er, als höchstes Lob Horatios, blood and judgment well commingled, Hamlet III, 2, 74; während SIMONIDES den ganzen Begriff anmuthig epigraphiert, fragm. 116:

ουδε καλας σοφιας εστιν φαρις,
ει μη τις εχει σεμναν ὑγιειαν.

[S. 580]

[158] Der viermächtige Heerbann, caturaṉginī senā, das caturaṉgam balam der Smṛti, stellt die gesammte Kriegsmacht, und zwar Wagen-, Elephanten-, Reiter- und Fußtruppen dar: ist in der Skulptur mit Vorliebe, besonders gelungen und oft prachtvoll zu Amarāvati, behandelt; und wie bei unserem ALEXANDER, ATTILA, NAPOLEON auch in Indien selbstverständliches Attribut des Erderoberers, von der mythischen Larve des Naciketās bis zur historischen Person Asokos. Purāṇischer Ueberlieferung entstammt es, dass der Titel cakkavattī populär geworden und noch heute nicht selten als cognomen erscheint, eben wie bei uns der Name »Kaiser«. — Hier sei noch eine andere Eigenheit eines cakkavattī besser untersucht, zu Bd. 2, 1. Aufl. S. 520. Bei der Wiedergabe von jālahatthapādo war ich unvorsichtig genug einmal einer kommentariellen Tradition gefolgt, die von den fein verschlungenen Linien der Hand- und Fußflächen redet und sie einem Filigrangeflechte ähnlich beschreibt. In Wahrheit aber müssen auch hier die scholastischen Interpreten abgewiesen und die klassischen Texte zur Erklärung herangezogen werden. In der ersten Hälfte des letzten Aktes der S̀akuntalā wird nämlich unser obiges Merkmal eines dhammarājā oder cakkavattī richtig und naturgemäß der aufblühenden Lotusknospe verglichen, wo die aufstrebenden schlanken Blätter den Fingern und die unten zusammenhaltenden Blatthäutchen der Bindehaut am Ursprung der Finger entsprechen. Bei wem sich ein solches Merkmal vollkommen schön entwickelt zeigt, der mag, nach indischer Idealphysiognomik, die Laufbahn eines Welteroberers oder aber eines Weltüberwinders vollenden. So ruft denn der König, als er seines noch unerkannten, löwenwürgenden Heldenknaben emporgestreckte Hand mit der rosig durchsichtigen Bindehaut zwischen den Fingern wahrgenommen, freudig erregt aus: kathaṃ, cakravartilakṣaṇam apy anena dhāryate, tathā hy asya

pralobhyavastupraṇayaprasārito
vibhāti jālagrathitāṉguliḥ karaḥ,
alakṣyapatrāntaram iddharāgayā
navoṣasā bhinnam ivaikapaṉkajam.

Jālahatthapādo kho pana so bhavaṃ Gotamo heißt daher: »Eine Bindehaut aber an Händen und Füßen hat er, der Herr Gotamo.« — Vergl. noch die als Ausnahme einmal gute Parallele im VII. Kapitel des Lalitavistaras: jālāṉgulihastapādaḥ.

Die zweiunddreißig Merkmale eines großen Mannes, die unsere Texte angeben, theilen übrigens eine Reihe mehr oder minder gleichartiger und auch gegensätzlicher Kennzeichen mit dreißig Merkmalen SAN FRANCESCOS, die CELANO in seiner Vita I cap. 29 i. f. autoptisch überliefert: Facundissimus homo (1), facie hilaris (2), vultu benignus (3), immunis ignaviae (4), insolentiae expers (5), statura mediocris parvitati vicinior (6), caput mediocre ac rotundum (7), facies utcumque oblonga et protensa (8), frons plana et parva (9), mediocres oculi nigri et simplices (10), fusci capilli (11), supercilia recta (12), nasus aequalis subtilis et rectus (13), aures erectae sed parvae (14), tempora plana (15), lingua placabilis ignea et acuta (16), vox vehemens dulcis clara atque sonora (17), dentes coniuncti aequales et albi (18), modica labia atque subtilia (19), barba nigra pilis non plene respersa (20), collum subtile (21), humeri recti (22), brevia brachia (23), tenues manus (24), digiti longi (25), ungues producti (26), crura subtilia (27), parvuli pedes (28), tenuis cutis (29), caro paucissima (30).


[S. 582]

[159] Cf. die Parallele in der Bṛhadāraṇyakopaniṣat IV, 3, 32–39: Sa yo manuṣyānāṃ rāddhaḥ samṛddho bhavatyanyeṣām adhipatiḥ, sarvair mānuṣyakair bhogaiḥ saṃpannatamaḥ, sādi. — MERSWIN, Neun Felsen, p. 120.

[S. 583]

Zu der, wie oben ausgeführt, kaum gleichnissweise andeutbaren Art der Extreme des Daseins mögen hier einige Worte von ROBERT L’ORANGE mitgetheilt sein: »Was würde dieser (Philosoph) sagen, wenn man ihn an einen Ort versetzte, wo allen Sinnen dauernd nur Abscheuliches und obendrein dem Geiste lauter Widersprüche, Undinge, Wahnsinnsvorstellungen dargeboten würden? Und was würde er anderseits sagen, wenn man ihn an einen Ort versetzte, wo allen Sinnen dauernd nur Erfreuliches dargeboten würde und obendrein dem Geiste das, was er sieht, harmonisch, verständlich erschiene? Dass beide Orte existieren, daran dürfen wir nicht zweifeln, nach so vielen, zum Theil wörtlich übereinstimmenden, unabhängigen Zeugnissen glaubwürdiger Menschen — zumal kein Grund a priori dagegen spricht.« Er fügte dann noch hinzu: »Vergleiche übrigens die Worte JAKOB BÖHMES: Wenn alle Berge Bücher wären und alle Seen Tinte und alle Bäume Schreibfedern: noch wäre es nicht genug, um all den Schmerz zu beschreiben.« Indischer Prägnanz in grässlicher Nāśa-Nekadologie zunächstgekommen ist freilich AISCHYLOS mit seinem απεραντος ταρταρος und απεραντον ηικτυον ατης, Prom. 153, 1078. Beide Orte werden von MAKARIOS wundervoll tief dahin ausgelegt, ει ουν ἡ καρδια βαθος τι εχει απεραντον, εκει τρικλινοι και κοιτωνες, θυραι και προθυρα, και διακονιαι πολλαι και διεξοδοι· εκει εστι το εργαστηριον της δικαιοσυνης και αδικιας· εκει εστιν ὁ θανατος, εκει εστιν ἡ ζωη· εκει εστιν ἡ αγαθη εμπορια και ἡ εναντα: Homil. XV § 32 fine, XLIII § 8; ein vollkommen indischer Kommentar zu dem Spruche cittaṃ kāraṇam arthānāṃ | tasmintsati jagattrayaṃ | tasmin kṣīṇe jagatkṣīṇaṃ | taccikitsyaṃ prayatnataḥ |: Yogaśikhopaniṣat VI, 59.

[160] Der Weise, paṇḍito, ist hier als der Kluge nach der Seite möglicher Zuträglichkeit, wie vorher bālo, der Thor, pariyāyena entwickelt. — Zum Gleichniss vom Würfelspiele cf. die 60. Rede S. 104–115, Lieder der Mönche v. 462; Chāndogyopaniṣat IV, 1. u. 3. Kapitel. Dieses drastische Bild hat denn auch Asoko wiederholt dargestellt, namentlich auf dem IX. Felsenedikt i. f.: Tato ubhayasa ladhaṃ bhoti, iha ca so aṭho paratra ca anaṃtaṃ puñaṃ prasavati tena dharma[ma]ṃgalena. Item: XI., XIII. Felsened., III. Säulenedikt. — In der gräko-italischen Kultur ist das Gleichniss nicht minder beliebt gewesen, von EPICHARMOS, frgm. v. 280 κυβους απο τυχας βαλειν, bis auf CÄSARS »Iacta alea est« herab. Weitere interessante Nachweise findet man in den Adagia des ERASMUS s. v. alea, und in SCHRADERS Reallexikon der indogerm. Alterthumskunde s. v. Spiele. Die selbe, bei uns weniger gebrauchte Metapher vom großen Wurfe hat SCHILLER angewandt, in der Ode an die Freude. In neuerer Zeit ist dafür das große Loos und der Haupttreffer, schon bei JEAN PAUL zu begegnen, volksthümlich geworden. Vergl. auch PASCALS »Il faut parier«, Pensées II, 3, 5.


[S. 585]

Es verdient Beachtung, dass die Todesstrafe, von der oben S. 309 und besonders wichtig im zweiten Bande S. 434 die Rede ist, auch in Indien für schwere Vergehn stets allgemein üblich gewesen. Nicht als ob man sich etwa zu wundern hätte, den milden Hindu, wie man gern spöttisch sagt, doch nicht so ganz modern nachsichtig, sogar zu Zeiten von antiker Grausamkeit erkennen zu müssen; vielmehr die indischen Juristen, die zumeist von der ehrlichen Anschauung ausgehn, hier eine Ausnahme, gleichsam einen salto mortale machen zu sehn. Denn ein solcher wäre es für den unbiblischen Rechtsverstand, auf Menschenmord Todesstrafe zu setzen, solange der Thiermord, z. B. Metzgerei, Jagd, völlig straflos, ja in gewisser Sanktion bleibt. Oder mit anderen Worten: da der Inder, entgegen dem Christen, das Leben des Menschen im Durchschnitte keineswegs als unendliche Werthgröße betrachtet, sondern nur als das was es ist, nämlich eine dem Grade nach höhere Wesenstufe, dürfte man konsequent erwarten, bei geduldetem Thiermord auch den Menschenmord eben nur geduldet (Krieg, Duell), bez. graduell bestraft zu finden (impetus, dolus). Das ist nun in Indien wirklich, und zwar von den frühesten Rechtslehrern bis zu den spätesten Kasuisten, wenigstens theilweise, zu normieren versucht worden. So sehn wir also hier das ius talionis durchaus nicht unantastbar bestehn; und noch Asoko, der kein stammelnder Moralprediger, wofür ihn der Unverstand hält, sondern selbstbewusst wie ALEXANDER jeder Zoll ein König war, dieser in Krieg und Frieden gleich große, man muss wirklich sagen ideale Monarch berichtet auf seinem V. Säulenedikt i. f., er habe fünfundzwanzigmal seit seiner Thronbesteigung (d. i. jedes Jahr) eine Anzahl Verbrecher begnadigt. Aber eben nur eine Anzahl: wie die Stelle im IV. Säulenedikt besagt, wo nāsaṃtaṃ als acc. sing. part. praes. act. von √naś zu erklären ist, und jīvitāye tānaṃ nāsaṃtaṃ va nijhapayitave wörtlich heißt, man lässt (die Hinzurichtenden, patavadhā) an das eilige Schwinden ihrer Lebensfrist denken, d. h., wie Asoko des näheren ausführt, drei Tage lang in Gesellschaft ihrer Angehörigen auf den Tod sich vorbereiten, durch Einkehr in sich, Hingabe des letzten Besitzes und Fasten im Anblick des nahen Endes. »Denn mein Wunsch ist es«, so schließt der König dieses Edikt, »dass man also selbst bei der Hinrichtung sich mit dem Jenseits versöhnen kann. Das Volk aber gedeihe vielfach im rechten Wandel, beherrsche sich, reiche Almosen dar.«

[161] Das selbe Gleichniss »ex domo in domum videri migrare« bei CORNELIUS NEPOS, Atticus i. f.

[162] na kulejeṭṭhāpaccāyī, i. e. na kule jeṭṭhā[ya] paccāyī. — Vergl. das sinngemäße gurūnaṃ apaciti, vuḍh[ā]naṃ suśruṣ[ā] etc. bei Asoko, Felsenedikt IX, IV, Säulenedikt VII, 2, 8.

[163] mahallako, wörtlich: groß geworden, d. i. in das Alter der Reife eingetreten sein: nicht etwa in das Greisenalter, wie die nordbuddhistischen Lexikographen vermeint haben. Vergl. mahilā = adulta; āyuṣmān, in aetatem esse, etc. — Aehnlich heißt bei uns »zu seinen Jahren gekommen sein« zunächst nur, das Alter der Pubertät erreicht haben: wie z. B. der Sachsenspiegel 1, 42 ausdrücklich erklärt.

[164] Genau so der platonische Mythos, den SOKRATES, im Gorgias p. 523/4, vorträgt, wo RHADAMANTHYS, »der Richter aus Asien«, den nackten Geist des Verstorbenen, ερημον παντων των συγγενον και καταλιποντα επι της γης παντα εκεινον τον κοσμον, der gerechten Krisis überantwortet. Noch schöner, ohne Mythos, nur klar Manus IV, 239–241; Raṭṭhapālo in der 82. Rede.

Jene häufige Übereinstimmung mit den Griechen ist schon dem feinsinnigen Forscher und Beobachter MEGASTHENES aufgefallen, der da, bei STRABO p. 713, von den Indern sagt: περι πολλων δε τοις Ἑλλησιν ὁμοδοξεινπαραπ, und bald darauf, gerade als ob er unsere obige Stelle im Sinne hätte, fortfährt: παραπλεκουσι δε και μυθους, ὡσπερ και Πλατων περι τε αφθαρσιας ψυχης και των παθ’ ᾁδου κρισεων, και αλλα τοιαυτα. — Vergl. übrigens das altägyptische Todtengericht.

Geistesverwandt sind bei SHAKESPEARE the visible spirits of the heavens, the justicers, Lear IV, 2.

[S. 586]

[165] Zum letzten Götterboten, dem Lehrer Tod, dem Musageten der Philosophie, wie er von SCHOPENHAUER nach der berühmten sokratischen Definition genannt wird, cf. Lieder der Mönche Seite 285 Anm. 1. — Wie oben der Richter der Schatten im Dialoge die reflektierende Frage stellt, genau entsprechend lässt PETRARCA im ersten Dialoge De contemptu mundi seinen Augustinus, als ob er eben jene Frage vernommen, antworten: »dum aequaevum quisque comitatur ad sepulchrum, necesse est, ipse etiam ad alieni casus praecipitium contremiscat, et de se incipiat esse sollicitus. — Eo autem vehementius movebitur qui iuniorem, qui validiorem formosioremque videat repentina morte subtractum, sese ante circumspiciet et dicet: securius hic habitare videbatur, et tamen eiectus est, nec aetas profuit nec forma nec robur: mihi securitatem quis spopondit deusve magusve? Mortalis sum profecto.« — Und merkwürdig: die selbe Anschauung findet sich, etwa ein viertel Jahrtausend später, beim gewaltigen Demiourgen des Rinascimento, dem Künstler, von dem VASARI gesagt hat, »non nasceva pensiero in lui, che non vi fusse scolpita la morte«, also bei MICHELANGELO wieder, der, gleichfalls in einem seiner Dialoge, nachdem er in bekannter Weise tiefernst gelächelt, »Io vi dico che in questo mondo è da piangere«, dann fortfährt: »bisogna pensare alla morte. Questo pensiero è solo quello che ci fa riconoscere noi medesimi, che ci mantiene in noi uniti, senza lasciarci rubare dai parenti, dagli amici, dai gran maestri, dall’ ambizione, dall’ avarizia, e dagli altri vizii e peccati, che l’uomo all’uomo rubano, e lo tengono disperso e dissipato, senza mai lasciarlo ritrovarsi e riunirsi. Ed è meraviglioso l’effetto di questo pensiero della morte; il quale, distruggendo ella per natura sua tutte le cose, conserva e mantiene coloro che a lei pensano, e da tutte le umane passioni li difende.« Und noch einmal merkwürdig: wiederum etwa ein viertel Jahrtausend später hat der herrlichste aller Melodiker, also MOZART, dessen Werk allmälig von KÖCHEL und JAHN erschlossen zwar heute noch recht ungekannt ist, in der Blüthe seines 31. Jahres genau das Selbe ausgesprochen, hat den Tod als »Schlüssel zu unserer wahren Glücksäligkeit« bezeichnet, und gesagt: »da der Tod, genau zu nehmen, der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes.«

Den schlichtesten Auszug der letzten Götterbotschaft geben vielleicht die Lieder der Mönche Seite 173, wo es heißt »Ein einzig Tüchlein deckt ihn, das ist alles, Am Hingeschiednen haftet keine Habe« etc.; sowie der alte Spruch:

Povre et riche, par tout le mont,
De tout l’avoir qu’assamblé ont,
Qu’enportent ils quant ils s’en vont?
Un drapelet tant seulement.

[S. 587]

[166] Vergl. PLATON, Rep. X. No. 14; die Höllenschilderung und den Feuerwirbelsturm im Faust, 2. Theil, bei der Grablegung,

Die rothe Brandung schlägt hervor etc.

[S. 588]

[167] Ειτα βορβορον πολυν και σκωρ αεινων· εν δε τουτῳ κειμενους κτλ. ARISTOPHANES, Batr. 145/6. Von PLATON als alte Ueberlieferung bezeichnet Phaid. p. 69.

[168] Ir vleisch die maden âzen | unz ûf daz gebeine. KONRAD, Der werlte lôn 222/3.

[169] kukkulanirayo, kukkuranirayo = sārameyādanam, der Hundehölle des Bhāgavatapurāṇam V, 26, 7; cf. die uralten Höllenhunde des Ṛg- und Atharvavedas, auch den hesiodischen Κερβερον ωμηστην Αϊδεω κυνα πεντηκοντακεφαλον. Dann: Aen. VI. 417 ff.; Inferno VI, 13 ff.: »Cerbero, fiera crudele e diversa... graffia gli spirti gli scuoia, ed isquatra.« Ebenso hat DANTE die anderen mehr oder minder traumhaften Höllen, die gleichfalls im Bhāgavatapurāṇam l. c., bei Manus etc. etc. kurz angedeutet sind, wahrscheinlich vermittelst der sog. Paulusapokalypse überkommen und seiner katholischen Komödie kunstvoll eingefügt. — Auch die höllischen »dogs of war« im Julius Caesar, III, 1, 273, gehören hierher.

[170] Vergl. die Stygia unda, Aen. VI, 385, bis hinauf zur δεινη Στυξ des HESIOD, Theog. 776 ͠= dem vāḍavam der Smṛti.

[171] Vergl. Manaus VIII, 271: niḥkṣepyo ’yomayaḥ śaṉkur jvalann āsye daśāṉgulaḥ, mit dem Kommentar lohakīlo ’gninā pradīpto daśāṉgulo mukheṣu kṣeptavyaḥ. — Analog bei uns der nicht etwa nur dantesk visionäre sondern realchristliche »Schwedentrunk«, im dreißigjährigen Kriege vom rechtgläubigen Soldaten dem geplünderten Bauer mit Vorliebe verabfolgt, indem er ihn fesselte, zu Boden warf, ihm ein Sperrholz in den Mund steckte, einen Melkkübel Mistjauche in den Magen goß und ihm dann auf den Bauch trat, dass es wieder herausspritzte: cf. GRIMMS Wörterbuch s. v. Schwedentrunk, Simplicissimus I, 4, und zumal des Dr. LAMMERT Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth etc. Wiesbaden 1890, S. 132, wo aus einer handschriftlichen Chronik noch viel andere, jeder Phantasie spottende Gräuel enthüllt werden, »unerhörte Martter, davon auch der teuffel in der höll mit Wissenschaft haben mochte, so sie den Menschen angethan.« Auch aus neuerer Zeit erzählen Augenzeugen wie treu noch unsere vereinigten apostolischen Streiter in China höllische Art bewährt haben.

Man hat gelegentlich gesagt, die Inder gefielen sich in überschwänglicher Höllenphantasie. Aber leider ist nicht nur unser „Schwedentrunk“ einer teuflischen Wirklichkeit bedenklich nahegekommen. Zahllose Beispiele erscheinen als leibhaftige Zeugen, beweisen wie genau jene Alten ja nicht den satanischen sondern eben den menschlichen Geist auch auf diesem Gebiete beobachtet und geschildert haben. Wir Deutsche stehn da gar nicht so fern ab, wie man meinen möchte, und können uns schon etliche der Akten verrathen lassen, die Dr. LAMMERT ein langes Leben hindurch aus Archiven und Urkunden unermüdlich zusammengetragen hat: und manche Zweifel an höllischer Objektität werden da schwinden. Man vergegenwärtige sich etwa folgende typische Fälle, aus tausenden gleicher herausgegriffen, und sei dabei der kantischen Lehre von der Idealität des Raumes und der Zeit wohl eingedenk. Der kgl. Bezirksarzt Dr. LAMMERT also berichtet l. c. S. 174 f.: „So meldet die Augsburger Chronik am 17. Mai 1634: »Die speerreiterische Soldaten haussen in schwaben sehr tyrannisch, tractieren die bauren mit köpff Reitlen, wasser eingießen, die Mäuler bis auf die Ohren aufschneiden u. dergl.« S. 193 ff.: In Landau und Umgegend steigerte sich der Hunger so, dass die Leichen aus den Gräbern gestohlen und verzehrt wurden. »Auch Lebende wurden hin und her erschlagen und verzehrt; so schlachtete eine Frau ihr eigenes Kind, salzte es ein, verzehrte es; sie starb darüber im Gefängniss.« Nahe bei Zweibrücken stritten zwei Weiber um den Besitz eines von Würmern bedeckten Stückes Aas, wobei eine die andere erwürgte. Rudelweise durchzogen die Wölfe Elsass und Kurpfalz und die sonst blühenden Landstriche hatten das Aussehen verödeter Kirchhöfe. Der Rektor GOTTFRIED ANDREÄ (von Worms) erzählt in seiner Lebensbeschreibung, dass sich die Leute vor den Bäckerläden einander todt gedrückt haben und dass der Magistrat auch hier den Kirchhof mit einer Wache hat versehen müssen; zur selben Zeit sah genannter Rektor vor dem Thore ein todtes Pferd liegen, »dabei sich eine Weibsperson befand, welche das Fleisch abschnitt, in ihr Fürtuch nahm und zugleich roh davon aß, dabei etliche Hunde, welche an der Mitte des Pferdes fraßen und auf dem Kopfe desselben unterschiedliche Raben.« Graf JOHANN VON NASSAU-SAARBRÜCKEN sagt in seinem Schreiben an Kaiser FERDINAND aus eigener Erfahrung, dass er in Städte, Flecken und Dörfer gekommen sei, da nicht ein Haus gefunden worden, darin nicht ein vor Hunger verschmachteter Körper gelegen wäre. »Ja, ich habe gesehen, dass die Leut vor Hunger nicht allein allerhand unnatürliche Speisen und sich untereinander selbst aufgefressen, sondern rasend worden, wie die unvernünftigen Thiere, die Sprach verloren, dagegen als Hund und Wölf geheult, nicht mehr aufrecht, sondern auf allen Vieren gelaufen.« CALMET in seiner Geschichte von Lothringen berichtet aus dieser Zeit zum Jahre 1638: Der Hunger war so groß, dass die Menschen Aas, und zuletzt sich selbst aufzehrten. Der Sohn vergriff sich an der Leiche des Vaters, der Vater an jener des Kindes, die Mutter an der Leiche der Tochter, der Reisende schlief nicht sicher neben seinem Reisegefährten, aus Furcht, dass er ihn todtschlage, um an ihm den Hunger zu stillen. Auch in der Mainzer Gegend haben sie (nach KHEVENHILLER) »die Gottesäcker durchsucht, die Gräber aufgebrochen, die Hochgerichte erstiegen und die Todten zur Speise genommen.« S. 219: In Ruppertshofen und Castorf waren alle Männer gestorben. Die Kuhhirtin in Ruppertshofen »hat von ihrem todten Manne gerissen und geschnitten, solches gekocht und mit ihren Kindern gegessen; auch ihrem Vater die Schenkel abgehauen, gewaschen, gekocht, dergleichen den Kopf aufgethan, gesotten und gefressen. Als sie gefragt worden, wie es geschmeckt, hat sie geantwortet, wenn sie nur ein wenig Salz dazu gehabt hätte, hätt’ es gut geschmeckt.« Der Kommandant von Rheinfels, Junker GEORG PHIL. VON BUSECK, hat dies nach genauem Erforschen wahr befunden. Dergleichen Jammerszenen sollen auch in anderen Gegenden, am Rhein, Main, an der Lahn, Dill und Sieg vorgekommen sein. S. 228 f.: Im Fuldaischen und Koburgischen bildeten sich »sogar förmliche Mordbanden, welche in Höhlen oder leerstehenden Häusern wohnten und von diesen aus auf Menschenraub ausgingen.« »Wie im vergangenen, so schlachteten auch in diesem Jahre Mütter ihre Kinder und verzehrten sie, während sich andere ertränkten.« — »Haufen Bettler lauerten auf die Vorübergehenden und tödteten sie, wie denn bei Worms eine solche Bande von ihrem Feuer verjagt und in den Töpfen die schaurigen Ueberbleibsel von Händen und Füßen gefunden wurden.« S. 239: Gefangene, im Stockhause verwahrte weimarische Soldaten, litten so große Noth, dass sie die vor Hunger gestorbenen Kameraden roh auffraßen. S. 132: Vernehmen wir, zu weiterer Beleuchtung des Zeitbildes, noch eine Stimme jener Leidensgenossen über die bestialische Raffiniertheit, mit welcher die schutzlosen Leute von den Mordgesellen gequält, geschunden und zum Tode gebracht wurden. »Zu dieser Zeit«, berichtet eine handschriftliche Chronik von Redwitz, »gieng jammer und Noth an in Unsrem Lande, vnd hat gewehret bis uff das 1637. Jahr, do man den baldt nichts anderst hörte, alss Rauben, stelen, Morden, brennen vnd sengen, die armen Leuth wurden niedergehauen, gestochen, geschossen, auch geraitelt, vielen die Augen ausgestochen, Arm vnd Beine entzwey geschlagen, Ohren vnd Nasen, auch Männliche Glieder vnd Säugende Brüst wurden ab- vnd ausgeschnitten, ettliche von Ferne beim Feuer gebratten, theils im Rauchschloth vffgehenket vnd Fever vnter sie geschieret, ettliche in die Backöffen gestossen, stroh fürgemacht vnd angezündet, Khün vnd schweffel vnter die Nägel gestecket vnd angezündet, die Daumen geschraubet, spitzige Knöbel ins Maul gestecket, dass das Bluth hauffenweiss herauss geloffen, hernacher den gantzen leib, durch den Mundt, mit Urin und Mistwasser gefüllet, die Fuesssohlen aufgeschnitten, hernach Salz hineingestreuet, Riemen auss den leibern geschnitten, und vielen die Rippen in den leib entzwey geschlagen, Jn Summa die grosse pein vnd vorhin unerhörte Martter (davon auch der teuffel in der höll mit Wissenschaft haben mochte) so sie den Menschen angethan, biss sie gestorben vnd verschmachtet oder presshaft worden, ist nicht zu schreiben.«“




[S. 592]

Das wären denn einige flüchtige Streiflichter in unsere eigene Hölle einer verwichenen Zeit, gräulich genug, um uns die kokytischen Welten der Heiden nicht mehr so fremdartig wie dem Mephistopheles dämmern zu lassen. Andeutungen höllischer Phänomene aus der Gegenwart aber sind ebensowenig da wie dort verschieden: vergl. das unverblümte Wort im Wahrheitpfade 1S. 155.

[172] Vergl. des DIONYSIUS Ueberfahrt in das ungeschaffene Leben, bei ECKHART p. 530.

[S. 593]

Das schmerzlich bewegte Aufseufzen des Richters der Schatten, am Ende obiger Symphonia horrifica, erinnert im letzten fernen Grunde an das berühmte, von SCHOPENHAUER, I § 57 i. m., interpretierte ῳμωξεν ιδων εις ουρανον ευρυν des unerbittlich vergeltenden Peliden, Mitte der XXI. Ilias. — Cf. noch Lieder der Mönche v. 217/218.

[173] Mit dem siam. Texte taṃ viddhā zu lesen; cf. Muṇḍakopan. II, 2, 2: tad veddhavyaṃ (cetasā bhāvanīyam), ib. 4: apramattena veddhavyaṃ śaravat.

[174] Von cando Mond; vergl. Haimadhātupārāyaṇam I, 313 candati dīpyate āhlādayati ca, und die beliebten nom. person. deriv. Candrasomaharidattādi, e. g. auch Theragāthā 299 Candano und den Candranavihāras, bei FOUCHER, Iconographie bouddhique, Paris 1900, p. 62.

[175] Von dem hier so oft genannten Kampfe ζξοχα πβντων gilt Asokos Wort vom dhammavijayo, dem wahren Siege, welchem gegenüber jeder andere, und noch so ungeheuere — der König spricht als Eroberer ganz Hindustans, von Baktrien bis Zeilon, vom Ganges bis zum Indus — nur von recht geringem Geschmacke ist; der dhammavijayo allein, sagt Asoko als erfahrener Held auf dem XIII. Felsenedikt, Girnār l. 11, ist sa-rasako, mit ächtem Geschmacke begabt: und nur ihn kann man für sättigend und beschwichtigend halten, den wahren Sieg.

Das maraṇaṃ suve = dem śvomaraṇaṃ der Smṛti, e. g. Mahābhāratam XII, 152, 12, »morgen todt«. — Vergl. JAKOBS Epist. 4, 14, Korinther I, 15, 30 & 55, und den Scheidegruß des Eremiten ANTONIOS, Anm. 27, ferner das Adagium στιγμω χρονου, von DEMETRIOS PHALEREUS überliefert, und GOETHE, Aus meinem Leben I, 3 i. m. Auch den schönen Spruch »Chi tempo aspetta, tempo perde«, bei RINALDO D’AQUINO, um 1250; sowie das Wort des Königs D. Rodrigo, im D. Quijote II, 26 i. m.:

Ayer fuí señor de España,
Y hoy no tengo una almena
Que pueda decir que es mia.

[S. 595]

[176] Hier vergl. man die 57. Rede; sowie auch der 98sten drittletzten Vers, kammunā vattatī loko: vielleicht zeigt dieser Ausspruch, nächst den zur 57. Rede beigebrachten orakelartigen Stellen der Bṛhadāraṇyakopaniṣat, die früheste und ergo schärfste Prägung des faustischen Wortes: »Im Anfang war die That.« — Genau entsprechend hat der Pythagoriker TIMAIOS gelehrt: ταν ψυχαν των μεν δειλων ες γυναικεια σκανεα ποθ’ ὑβριν εκδιδομενα, των δε μιαιφονων ες θηριων σωματα ποτι κολασιν, λαγνων δ’ ες συων η καπρων μορφας, κουφων δε και μετεωρων ες πτηνων αεροπορων, αργων δε αι απρακτων αμαθων τε και ανοητων ες ταν των ενυδρων ιδεαν, De anima mundi i. f. Eine solche Palingenesie hat auch LAO-TSE, Kap. 23, dargestellt; ja sogar unser MEISTER ECKHART, p. 333, 334, 589, der mit siegreicher Geisteskraft ausführt, wie die Natur aus einem Kraut, das im Garten wächst, allmälig den Menschen zu entwickeln vermag: den Menschen, der „aller Kreatur Wesen hat, mit den Steinen, mit den Bäumen, und fürbass mit allen anderen Kreaturen.“ In diesem Sinne will er auch seine 56., so geheimnissvolle, aus verborgenster Tiefe schöpfende Rede verstanden wissen, mit dem indo-aegypto-empedokleischen Thema: »Daz edelste, daz an dem menschen ist, daz ist bluot, sô ez wol wil; aber daz ergeste, daz an dem menschen ist, daz ist bluot, sô ez übel wil.« — Vergl. noch die schöne Stelle in JAKOBS Ep. 3, 13: Τις σοφος και επιστημων εν ὑμιν, δειξατω εκ της καλης αναστροφης τα εργα αυτου εν πραϋτητι σοφιας, und insbesondere ib. 17 mit oben S. 366 dem Uebergange, der zur Anmuth führt.

[177] Vergl. der 124. Rede Anfang, S. 251: und wiederum der 85. Rede Ende, S. 471. — Beide modi sind pariyāyena anwendbar, nach Dhammapadam v. 64 u. 65, oder weil, nach HIPPOKRATES, ὁ βιος βραχυς, ἡ δε τεχνη μακρη, ὁ δε καιρος οξυς, ἡ δε πειρα σφαλερη, ἡ δε κρισις χαλεπη, Aphor. I, 1.

[178] Diese knappe, so kühn wie besonnen dargestellte Logik aller Möglichkeit ist zwar oft versucht worden, hat aber in der wichtigsten Frage, aus Mangel deutlicher Begriffe, nur paradoxe Thesen ergeben; so z. B. bei MAKARIOS, nach FLOSS p. 148, »qui se ipsum cogit ad omnia, is est monachus«, bei ECKHART p. 358 u. 447, wo er sagt: »Socrates sprichet, daz tugende machent unmüglîchiu dinc müglich.« Cf. noch Lieder der Mönche v. 536 Anm. Negativ aber doch identisch ist auch der, freilich trivial gewordene, Satz LESSINGS »Kein Mensch muss müssen.« Erst in der Lehre von der Vereinigung der Natur und Freiheit, der größten aller Leistungen des menschlichen Tiefsinns, wie SCHOPENHAUER sie nennt, hat KANT die vollkommene Auflösung und Ausführung des Problems gegeben.

Zur heißen Busse, ātappam etc. S. 376–378, cf. das vedische tapas, bez. die ebenso übermächtigende dīkṣā, von √dakṣ tüchtig sein: entspricht der ασκησις, bez. μελετη in der Anmerkung 101; auch dem αναμιμνησκεσθαι, σοχιαν τε και αρετην ασκειν PLATONS, und nicht minder GOETHES

Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei.

[S. 596]

Die geistige Einigung, der cetosamādhi, ibid., hat ein schönes Analogon in der pythagorischen συναρμογα und im gleichen ἑν γενεσθαι και τον ανθρωπον δει: und ist dann von unserem großen BRUNO, wie mir DE LORENZO mittheilt, sehr innig erkannt worden, da er im Spaccio, ziemlich gegen Ende, jene libertà di spirito preist, »a cui tal volta amministra il monachismo (non dico quello de’ cocchiaroni), l’eremo, la solitudine: che sogliono parturir quel divino sigillo, ch’ è la buona contrazione.« Es ist, im Grunde genommen, ECKHARTS und LAOS Rückkehr zur Einfalt.

[179] Ὁ τοιουτος παντα τα του κοσμου πραγματα ενδοξα, πλουτον και τρυφην, και πασαν απολαυσιν, αυτην αυτην τε την γμωσιν, και παντα τα του αιωνος τουτου βδελυκτα ἡγειται και μισητα, MAKARIOS, Homil. IX § 8 i. f.

[180] Cf. die 22. Rede, p. 140.

[181] purisadammo; analog puruṣapaśus in der Chāndogyopaniṣat II, 6, und το θρεμμα ανθρωπος im PLATON, De legibus p. 777.

[182] Vergl. den »desiderio della bellezza«, nach PLATON, bei MICHELANGELO, wie e. g. in den Rime e prose, Chieti 1847, p. 174.

[183] Die aṭṭha disā acht Richtungen bezeichnen s. v. a. die acht Freiungen aṭṭha vimokhā der 77. Rede, passim; vergl. auch Lieder der Mönche, Anmerkung zu v. 1172. — Die Makarismen MATTH. V, 3–10, im Mittelalter die aht saelekeiten genannt, bieten ein christliches Gegenstück dar; desgl. die, wiederum andersartigen, octo beatitudines der Scholastiker, vielleicht auch schon des IRENÄUS Abhandlung περι ογδοαδος; mehr noch das Durchwandeln der sechserlei Bilder, in FRITZLARS Blume der Schauung. Ueber die Unmittelbarkeit, S. 392, sagt ECKHART, S. 5: Als nû ie ein meister wîser unde mehtiger ist, alsô ouch sîn werc unmitelîcher geschiht und einveldiger ist.

Zur ganzen Stelle oben S. 390, ‚Dann habt ihr auf eines gestützt ein anderes abzustoßen‘, sei der geübteren Beobachtung ein gewiss analoger Spruch GOETHES empfohlen, aus der Säligen Sehnsucht, im West-östlichen Divan, 1. Buch, vorletzter Vers:

Und so lang du Das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunkeln Erde.

Der selbe Gedanke, »Dies um Das«, ist im Tao-te-king wiederholt vorgetragen.

Die Reihenfolge der Thiere auf S. 394, wie im Gleichnisse der 125. Rede S. 258, ist auch auf den schönen Friesen und Reliefgruppen rein indischer Meisterskulptur noch ebenso erhalten: es geht der Elephant voran, dann folgt das Ross, der Stier etc. Cf. e. g. REA, South Indian Buddhist Antiquities, Madras 1894, S. 36 und Tafel XXII. — Vorzüglich ausgeführte Elephanten und Rosse bietet später die hochentwickelte Bildhauerkunst von Amarāvati, nahe der Krischna Mündung, etwa 600 Jahre nach Gotamo. Kräftig, anmuthig, edel, zugleich individuell sehr verschieden, je nach dem gewählten Moment, und immer ungemein anschaulich, lebendig, durchgeistigt, im ganzen und im einzelnen wie bei den besten Antiken feinsinnig beobachtet und fixiert: sei es nun in einem sanft blickenden oder aber wild anstürmenden Elephantenauge oder in der seiden glänzenden muskelgeschwellten Haut oder in der wogenden Macht der zermalmenden Vorderfüße; sei es wieder an den ausdrucksvoll erregten Ohren der Rosse, ihrem stolz geschwungenen Nacken, den beweglichen Nüstern, dem rhythmischen Tritt ihrer leichten zierlichen Hufe u. s. w., u. s. w. Photographien der Reste und Fragmente — die Muhammedaner haben natürlich auch hier was sie konnten dem Erdboden gleichgemacht und kein einziges Stück unversehrt lassen, und die moderne Sammelwuth hat die Zerstörung so ziemlich vollendet — findet man, freilich dazu noch in einem gar dürftig verkleinerten Maaßstabe, in FERGUSSONS Tree and Serpent Worship, London 1868: als Beispiel der Rosse namentlich auf Tafel 59, 1, 82, 1, 96, 1; der Elephanten auf Tafel 61, 1, 64, 1, 91, 3. Vergl. auch die z. Th. ergänzenden Blätter in BURGESS’ Archaeological Survey of Southern India (Amarāvati and Jaggayyapeta), London 1887, e. g. No. 27, 1, 2, 5, etc.


[S. 598]

[184] Die letzten Ausführungen Mahākaccānos entsprechen dem Bṛhadāraṇyakam IV, 3, 17: Sa yad atra kiṃcit paśyaty, ananvāgatas tena bhavaty: asaṉgo hyayaṃ puruṣa ity. Evam evaitad Yājñavalkyādi. Ebenso ECKHART p. 144 l. 1–2. Cf. noch Faust v. 11954/57: Ohne Erdenrest, »Und wär’ er von Asbest, Er ist nicht reinlich.« Die Darstellung des innen zuständigen Herzens, S. 401 f., hat ein mythisch gegründetes Gegenstück in der Schilderung der Menschen auf dem siebenten der Neun Felsen im Buche MERSWINS, p. 103. — Wie auch nur Gedanken nachspüren unförderlich sei wo Einigung noth, S. 400 ͠= sarvacintāvivarjitas, e. g. Nādabindūp. ed. Bomb. v. 51, hat unser WALTHER schon tief und klar erkannt, 56, 23, 24:

Liezen mich gedanke frî,
So ’nwiste ich niht umb’ ungemach.

[S. 599]

[185] Vergl. Maitryup. VI, 25: sarvabhāvaparityāgo yoga ityabhidhīyate.

[186] Zu kāmasukham, mīḷhasukham etc. cf. der S̀ruti und Smṛti grāmyakāmān, grāmyasukham wie Kuṇḍikop. v. 3 etc. mit Anm. 45. Gegensatz vīrasukham, heroisches Wohl; dann das asaṉkiliṭṭhaṃ yogakkhemam der 26. Rede: το αθογωτον καλλος des MAKARIOS MG., p. 85. Vergl. auch das klassische luto ludere, wie PLAUTUS, Mil. glor. II, 3 gegen Ende; und BRUNO, Spaccio II, 3 eb.: »Meditantur sua stercora scarabaei.« Die ganze Antinomie hat unser Divus BERNARDUS CLARAEVALLENSIS in einen, dem Gehalte wie der Form nach eigenthümlich indisch anmuthenden, Denkspruch gefasst: Modi diligendi sunt quatuor. Carnem amare carnaliter, spiritum carnaliter, carnem spiritualiter, spiritum spiritualiter: Sententiae et Soliloquia fol. 506 ed. Par. 1621. Sie ist schon in dem alten, von PRODIKOS überlieferten, von LEOPARDI übersetzten Gleichnisse »Herakles am Scheideweg« meisterhaft veranschaulicht.

[S. 600]

[187] Vergl. Bd. 2. Anm. 30. — Noch spät allgemein indisch, e. g. S̀ukasaptati 50: na vaktavyaṃ pāpaṃ dṛṣṭaṃ śrutaṃ... kathāpi khalu pāpānām alam aśreyase yataḥ. — Aehnlich die pythagorische, der THEANO zugeschriebene Maxime: Περι ὡν λεγειν καλον, περι τουτων σιωπαν αισχρον· και περι ὡν αισχρον λεγειν, περι τουτων σιωπαν αμεινον; sowie die andere, von ARISTOXENOS überlieferte: Μη ειναι προς παντας παντα ῥωτα. Auch von S. FRANCESCO heißt es, bei CELANO I2, 3: Expertus namque fuerat, magnum fore malum, cuncta communicare cunctis. Besonders genau aber entspricht das sechste der Octo punctorum, meditantibus quibus pervenitur ad perfectionem etc., S. BERNARDI l. c. fol. 1755–1756, und ib. die zu Ende des vierten dargelegte salutis via und ihre principia: Fuge, tace, quiesce.

[188] Βιας εφη· Μισει το ταχυ λαλειν, μη ἁμαρτῃς· μετανοια γαρ ακολουθει.

[189] Subhūti ist Glosse, nach Aṉguttaranikāyo I, 14, 2, 4. — Einen allgemeinen, κατ’ αθαμβιαν entsprechenden Kommentar zu dieser Rede mit der abschließenden Maxime »Keiner Beachtung würdigen« findet man vielleicht am schönsten im dritten Kapitel des vierten Buches der nikomacheischen Ethik des ARISTOTELES bei Ausführung der Grundsätze Ὁ δε μεγαλοψυχος δικαιως καταφρονει, οἱ δε πολλοι τυχοντως, und Ουδεν γαρ μεγα αυτῳ εστιν, und Ου γαρ μεγαλοψυχου το απομνημονευειν, αλλως δε και κακα, αλλα μαλλον παροραν; und wieder anders und doch sehr ähnlich bei dem großartig versöhnenden Urtheile des aegyptischen ANTONIOS και πασι παντα συγχωρητομεν , Vita p. 29, dem wirklich vorgeprägten Stämpel zur berühmten, von SCHOPENHAUER gepriesenen Botschaft in der letzten Szene der Cymbeline »Pardon’s the word to all«, sowie auch in CASTILLEJOS Diálogo entre Memoria y Olvido mit dem Facit:

Olvidar es lo mejor.

[190] Vergl. Bd. II, Anm. 142. — Der Aufenthalt bei Hafnern, deren Handwerk ja frei von Tadel ist, wird von Asketen bevorzugt: cf. die kulālaśālā in der Jābālopaniṣat fine.

[191] Lies tena viññāṇena kiṃ vijānāti.

[S. 601]

[192] Das selbe Gleichniss hat PLATON, De Rep. IV, p. 435: Και ταχα αν γαρ’ αλληλα σκοπουντες και τριβοντες, ὡρπερ εκ πυρειων εκλαμψαι ποιησαιμεν την δικαιοσυνην. Cf. Anm. 89.

[193] Der āvusovādaccayo ist commentatio protreptica.

[194] Wer in den langen schmalen indischen Gassen und Höfen nicht sehr auf der Hut ist kann im Gedränge von einer der zahlreichen Kühe leicht unversehens niedergestoßen oder tödtlich verletzt werden. — Wie ein spezieller Kommentar dazu liest sich ein kürzlich vorgekommener Fall, den mir DE LORENZO aus Neapel, nach dem Pungolo vom 2. Januar 1902, berichtet: »Ieri sera fu trasportato all’ ospedale dei Pellegrini, con grave commozione generale, un giovanotto diciottenne, ARNALDO MUROLO, ferito con un colpo di corna al petto da una delle vacche, che girano per la città, continuando una usanza barbara per quanto indecente.«

[195] Der Schluss der Rede, S. 432, giebt das ächte Που στω an. — Cf. vorher Bṛhadāraṇyakam III. 4; IV, 3, 17; 4, 16:

kim icchan kasya kāmāya.

[S. 602]

Vergl. noch ECKHART, p. 242: Ohne Dünken und Wähnen und Glauben, p. 284: »Und hier umbe sô bin ich geborn unde nâch mîner gebürtewîse, diu êwic ist, sô enmac ich niemer ersterben. Nâch mîner êwigen gebürtewîse sô bin ich êweclich gewesen unde bin nû unde sol êweclîche belîben. — Dâ bin ich daz ich was, unde dâ nime ich weder abe noch zuo. — Wer dise rede niht verstêt, der bekümber sîn herze niht damite. Wan als lange der mensche niht gelîch ist dirre wârheit, alsô lange wirt er dise rede niht verstên.« Vergl. KANT KRV II, 2, 2, 2, 9 (R. 432): »Die Kausalität der Vernunft im intelligibelen Charakter entsteht nicht, etc.« Der berühmte, von PAPPOS Lib. VIII propos. 11 prooem. überlieferte Ausruf Δος μοι που στω και κινω την γην ist von HEATH in seinem schönen Werke über ARCHIMEDES, Cambridge 1897, S. XIX, treulich erörtert. — Noch einige Sigla ähnlicher Gattung werden durch eine Reihe entsprechender Bilder hie und da veranschaulicht: wie etwa Aṉguttaranikāyo, Sattakanipāto p. 13 ed. Siam. thale tiṭṭhati brāhmaṇo, Majjhimanikāyo No. 98 v. 42 amatogadham anuppatto, Suttanipāto 359 pāraṉgato ṭhitatto.

[196] kālakiriyā, von kālaṃ karoti die Zeit erfüllen, wörtl. »die Zeit machen«, d. i. sterben [Augenblick des Todes]; vergl. das gegenüberstehende kālaṃ gacchati die Zeit erlangen, wörtl. »in die Zeit gehn«, d. i. keimen [Augenblick der Empfängniss]: Chāndogyopaniṣat II, 13, 1.

[197] Vergl. Raṭṭhapālo vor König Koravyo, in der 82. Rede; = THEOGNIS v. 727/8:

ουδ’ αν αποινα διδους θανατον ουδε βαρειας
νουσους ουδε κακον γηρας επερχομενον

[198] ajjhattaṃ sampasādanam = nistaraṉgasamudravan (nirvātasthitadīpavad acalasampūrṇabhāvābhāvavihīnakaivalyajyotir bhavati): Maṇḍalabrāhmaṇopaniṣat II, 3 im Anf.; cf. auch Bd. II, Anmerkung 4.

[199] Das Exordium der buddhistischen Lehre, die heilige Wahrheit vom Leiden, S. 435–437 und sonst ausführlich begründet, ist mit anderen Worten als »Heiligthum des Schmerzes« von GOETHE das Würdigste genannt worden, als »jene letzte Religion, die aus der Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist, entspringt«, Wilhelm Meisters Wanderjahre, 2. Buch, 2. Kap. gegen Ende. Bei uns ist diese erste der heiligen Wahrheiten allerdings nur als Basis rechter Erkenntniss dargestellt, während die vierte ein Zenith erreicht, wo Leiden nicht mehr bestehn kann: »dâ kein leit stat enhât«, wie ECKHART, p. 42, erkannt. — Cf. das Gleichniss vom Pfeilschmidt, in der 101. Rede, S. 19.

[S. 603]

[200] Vergl. Dhammapadam 354a, Sabbadānaṃ dhammadānaṃ jināti und ähnliche Stellen. Von Asoko auf dem IX. (Girnār-) und XI. Felsenedikt frei wiedergegeben: siehe BÜHLERS Ausführungen in der Zeitschr. d. deutsch. morgenländ. Gesellsch. Bd. 48 S. 57 f. In diesem Sinne aber fasst der König seine Gedanken über den Werth des Gebens im allgemeinen zu Ende des kurzen VII. Felsenediktes in die Maxime zusammen: »Denn wer auch eine reiche Gabe nicht geben kann: sich selbst beherrschen, das Herz läutern, erkenntlich und rechtschaffen sein bleibt immer gültig.« —

Cuddasa bis mahapphalataraṃ vadāmi ist micchāvādo, kenacideva pariyāyena infarciert.

[201] Vergl. Anm. 110. — Upapajjīti zeigt den Schluss des Berichtes an. Der Kommentar fügt noch ein paar Verse hinzu. — Anāthapiṇḍiko, der Almosenspender, war allmälig der Beiname des gabenreichen und ungewöhnlichen Mannes geworden: von Hause aus hieß er Sudatto, d. i. OTTO. Cf. Aṉguttaranikāyo I, 14, 6, 2.

Das Thema dieser meisterlichen Fugenrede findet man bei ECKHART, p. 14, also wieder: »Wil dîn ouge alliu dinc sehen unde dîn ôre alliu dinc hoeren unde dîn herze alliu dinc gedenken, in der wârheit, in allen disen dingen muoz dîn sêle zerströuwet werden. Dar umbe sprichet ein meister: swenne der mensche ein indewendic werc sol wirken, sô muoz er alle sîne krefte în ziehen, rehte als in einen winkel sîner sêle, unde sich verbergen vor allen bilden unde formen, und aldâ mag er wirken.«

[S. 604]

Der Garten Anāthapiṇḍikos war, nebenher bemerkt, bei uns, vierzig Jahre nach ECKHARTS Tode, von MERSWIN durch die Stiftung des Grünen Werder, auf einer Insel der Ill bei Straßburg, in seiner ganzen Eigenart erstaunlich getreu wiedergeschaffen worden; worüber das Nähere PREGERS Geschichte der deutschen Mystik 3. Band S. 373 einzusehn ist.

[202] Nämlich die Ader öffnen.

[203] Zu Mahācundos Hypomnem cf. die 140. Rede i. f.; auch Kaivalyopaniṣat 24: sadasadvihīnas, Mahopaniṣat V, v. 69: sadasator madhye paśyati, ja schon Chāndogyopaniṣat III, 11, 1: Atha tata ūrdhva uditya naivodetā nāstametā, ekalā eva madhye sthātā. Ebenso Tao-te-king Kap. 33 i. f., ECKHART p. 535: »ûf der mite stên.«

Das letzte Gespräch Channos und das letzte des ATTICUS mit den Freunden vor seinem freiwilligen Tode zeigt nach Inhalt und Form paarweise Gleichheit, bei CORNELIUS NEPOS XXV, 21. Mythisches Vorbild ist die bhṛguide Wanderung durch den Tod zum Leben (vergl. auch das Bhṛgupatanam Bd. 2, Anm. 176); das herakleische Ende; und der Vogel Phoenix. »Mortalis immortalis flere si foret fas, Flerent divae Camoenae Naevium poetam« deutet uns heiter gelassen das altrömische Epitaph an.

[204] Zum dreifachen Wissen cf. e. g. Bd. II, S. 456 f.

[205] Die westlichen Suner sind in der Legende des zweiten Divyāvadānam, bei Wiedergabe unseres obigen Berichtes, zu S̀roṇāparāntakās geworden: in Wirklichkeit aber wird an die Hūnā0, Hūṇā0, die Hunu des Avesta und des PTOLEMÄUS Χουνοι, zu denken sein, zu welchen die Lage von Sāvatthī als Ausgang wohl passt.

Es ist bei diesem Dialoge kaum nöthig wiederum auf das berühmte Gespräch des S. FRANCESCO im 8. Fioretto hinzuweisen, wiewohl auf Tao-te-king Kap. 13. — Zur kurzen Anleitung S. 464 f., ib. Kap. 58. Vergl. LOTHARS Wahlspruch »Ubi mel, ibi fel«, den der vielerfahrene Kaiser vielleicht einst von S. BERNARD vernommen; dann später von HARTMANN im Gregorius v. 284, 286 als »nach liebe leit — daz honec mit der gallen« vorgetragen; zumal aber cf. ECKHART, p. 424: »Allez leit kumet von liebi unt minne; wan minne unt liebi ist leides anevanc unt ûzganc.«

[S. 605]

[206] Vergl. Dhyānabindūpaniṣat v. 8: vṛkṣaṃ tu sakalaṃ vidyācchāyā tasyaiva niṣkalā. — Den selben Gedankengang oder vielmehr die selbe Anschauung haben alle die großen Griechen mit den Indern gemein: und der welterfahrene, reiflich gewitzigte ARISTOPHANES hat ihr sogar, wie mir scheint, den beredtesten Ausdruck verliehen, Orn. 685/87:

φυσιν ανδρες αμαυροβιοι, φυλλον γενεᾳ προσομνιοι,
ολιγοδρανεες, πλασματα πηλου, σκιοειδεα φυλ’ αλενθνα,
απτηνες εφημεριοι, ταλαοι βροτοι, ανερες εικελονειροι.

[207] Das öfter gegebene Gleichniss von der geschlachteten Kuh ist insbesondere in der Atharvasaṃhitā nicht selten anzutreffen. Es spricht für das hohe Alter und die gute Ueberlieferung unserer Texte. Denn spätere Generationen, etwa seit Asokos ersten Felsen-, bez. fünften Säulenedikten vom praktischen Buddhismus bereits mächtig beeinflusst, hätten es, als anachronistisch, nicht mehr anwenden können. Daher galten denn auch der Smṛti die gavāśanās als antyajās, e. g. Vyāsīyadharmaśāstre I, 12. — Vergl. Anm. 62; und die unpatriarchalische, tief asketenthümliche Art wie der greise, naive HILARION in seiner Unterredung mit dem Judenchristen und kyprischen Bischofe EPIPHANIOS, der ihm zu Ehren ein Fleischgericht hatte vorsetzen lassen, der Speiseregel der Mönche unserer 55. Rede wohl entsprechend geantwortet hat: »Ignosce mihi, pater, quia ex quo accepi habitum istum, non manducavi quidquam occisum«, nach den AASS Oct. tom. IX fol. 29 No. 57 i. f.

[S. 606]

[208] Der Anschauung gemäß betrachtet der Inder die noch zunehmende, bez. eben erst voll gewordene Mondnacht als Kulmination: während wir, ohne Rücksicht auf die Anschauung, die astronomische Tageszeit berechnen; daher fällt in Indien die Feier des Vollmondes in der Regel auf den Vorabend. — Ein anderes Mondgleichniss im 2. Bande S. 635, Lieder der Mönche S. 234: ebenso doppelartig bedeutsam in dem Bilde eines Fra MARIANO da Volterra »SAN FRANCESCO è simile alla luna piena per la activa et contemplativa vita«, bei SABATIER, BARTHOLI Tractatus etc. p. 149.

Ein schönes, ob auch tiefer stehendes Gegenstück zum obigen Berichte von Nandako und den Nonnen darf man bei uns wohl in Meister ECKHARTS Gesprächen mit Schwester KATREI erkennen: so wenn diese Heilige, nicht unähnlich wie es oben von der geringsten der Nonnen ausgesagt ist, von sich den Bescheid giebt, »daz ich nie hinder mich gesach, sît ich ûf den wec gewîset wart zuo mîner êwigen sêlicheit, unde daz ich keiner crêatûre rât nie gevolgete, wan daz ich allez für mich gienc in eime rehten ernste«, p. 468; oder p. 474 das Wort von der Uebung bis an den Tod; u. a. m.

[209] Vergl. Bd. 2. S. 68. 271, 541. — Zu nibbindam, überdrüssig, cf. die 74. Rede i. f. und Lieder der Mönche S. 278 Anm. 1; sowie den nirvedas der S̀ruti, namentlich im Bṛhadāraṇyakam III, 4. Dann auch den nivveo der Jainās etc. Bei uns hat Meister ECKHART, p. 374, gesagt: »Ez enist dehein krêatûre sô gelustlich, der mensche möhte sî sô lange anesehen, ez enverdrüzze in.« In einem ähnlichen aber allgemeineren Sinne, mehr objektiv nach außen gewendet, haben wieder andere grübelnde Geister »Cui bonum« gefragt und »Quien querrà la vida si sabe lo que es?«, GRACIAN, Criticòn III, 1, »Wer erfreute sich des Lebens, | Der in seine Tiefen blickt!«, SCHILLER, Kassandra 87/88, etc.

Den Ausdruck einer solchen Gesinnung hat vielleicht erhaben wie keine andere die buddhistische Kunst getroffen, zumal auf einer der so fein gearbeiteten Meisterstatuetten aus getriebenem Golde, in Anurādhapura gefunden, jetzt im Museum zu Kolombo, mit dem herrlichen nach rechts geneigten Antlitze, von rein indo-ārischem Typus. Auch die Züge des lysippischen Apoxyomenos gleichwie die verklärteren des glykonischen Herakles und etwa die des lateranensischen St. Hippolytus sind von einem verwandten Geiste belebt; obwohl der letztgenannte kirchlich, also κακιστῳ κομματι.

Der pacchāsamaṇo, upaṭṭhāko, antevāsī, der eine, jeweilig andere begleitende Jünger, der dem Meister nachfolgt, ihm aufwartet, wie oben S. 481, 2. Bd. S. 476, 1. Bd. S. 152, passim, reicht bis in die alten Upanischaden hinauf, e. g. Bṛhadāraṇyake VI, 3, Ende: Taṃ haitam Uddālaka Āruṇir Vājasaneyāya Yājñavalkyāyāntevāsina uktvā... etam u haiva Vājasaneyo Yājñavalkyo Madhukāya Paiṉgyāyāntevāsina uktvā... Madhukaḥ Paiṉgyaś Cūḍāya Bhāgavittaye ’ntevāsina uktvādi. So schließt auch bei uns das vorletzte Fioretto nach SAN FRANCESCO ab, ed. SABATIER No. 54: »Hanc historiam habuit frater Iacobus de Massa ab ore fratris Leonis, et frater Hugolinus de Monte Sanctae Mariae ab ore dicti fratris Iacobi, et ego qui scripsi ab ore fratris Hugolini viri per omnia fide digni.«

Die Gestalt eines so getreuen Jüngers ist in der Skulptur, z. B. der von Sārnāth, und in der Malerei, wie auf den Fresken zu Ajaṇṭā — die Skizze eines derartigen Bildes findet man in FERGUSSONS und BURGESS’ Cave Temples of India, London 1880, p. 311 No. 59 — anmuthig dargestellt: und hat wiederum ein überraschend entsprechendes Gegenstück auf elf der ausgezeichneten sechsundzwanzig theodericischen Mosaiken vom Leben Jesu im Sant’ Apollinare Nuovo zu Ravenna. Mag nun dergl. durch zufällige oder nothwendige Anlässe oder etwa durch byzantinische Tradition à la bricole begegnet sein: der Künstler hat da wie dort eine große Anschauung bewundernswürdig groß und gleichartig nachgebildet. Athavā bhavitavyānāṃ dvārāṇi bhavanti sarvatra.

Vergl. noch das wohlbekannte sāvakayugam, d. i. Sāriputto und Moggallāno, das aggam bhaddayugam: ein gleiches auch in der 50. Rede, p. 333; und die cattāri purisayugāni, viermal je zwei erlauchte Jünger, 7. Rede p. 37, passim.

Die sinnige Vorstellung, dass in heiliger Nähe auch einer Geisterschaar das abgeklärte Auge aufgehn mag, wie oben Ende des Berichtes S. 485, hat bei uns GOETHE veranschaulicht, wenn der Pater seraphicus den Säligen Knaben seine Augen verleiht und als die eigenen brauchen lässt, »diese Gegend« anzuschauen, und die Säligen nun »in sich nimmt«, ihnen Bäume, Felsen, Wasserstrom liebreich offenbart und sie zu höherem Kreise hinansteigen, durch Geisternahrung immer unvermerkt wachsen lehrt, in den freiesten Aether entfaltet: die »junge Geisterschaar«, die — gleich jener anderen oben S. 481 — erst wie ein Morgenwölkchen durch den Dunkeln Wald herangeschwebt war, mit der Frage:

Sag’ uns, Vater, wo wir wallen,
Sag’ uns, Guter, wer wir sind?
Glücklich sind wir, allen, allen
Ist das Dasein so gelind.



[S. 609]

[210] Chāndogyopaniṣat I, 2, 2: te ha nāsikyaṃ prāṇam udgītham upāsāṃ cakrire. Etc. — Και καλως Ἡρακλειτος ειπεν, ὁτι αἱ ψυχαι οσμωνται καθ’ ἁδην, PLUTARCHI De facie etc. cap. 28 i. f. — Faust v. 6473/78 (Der Hauch des Paris); ib. v. 8265 f. (Das Gruneln des Homunculus), und ebenso W. Ö. Div. I, 16, VIII, 28. In diesem Sinne möchte sich wohl auch der gandharvas, gandhabbo, der Δαιμων, Genius, Keimling — vergl. die 93. Rede gegen Ende — als Duftes lebendige Fühlung, ohne Ferne geflogen und gebannt, wirkend offenbaren: colla parte keine ganz ungehörige, recht artige Probe höherer indo-ārischer Physiologie. Bei uns von GUSTAV JÄGER umfassend erneut.

Eine solche Anschauung, die bis zu einem gewissen Grade gültig ist, wird von ECKHART mit großer Besonnenheit mehrfach beleuchtet, z. B. p. 81 »diu sêle ist in eime ieklîchen gelide alzemâle«, p. 268 »diu sêle ist ganz und ungeteilt alzemâle in dem fuoze und in den ougen«, p. 397 »ist ganz in eime ieglîchen gelide, in den vingern, in den ougen, in dem herzen und in eime ieglîchen teil aller gelide grôzer und kleiner«, p. 537 »diu sêle ist an ir nâtûre alsô gestalt, wâ si iht ist, dâ ist si alzemâle, an ieglîchem lide ist si alzemâle, unt daz ist des schult, swâ der nâtûre iht ist, dâ ist si alzemâle«. KANT: »Ich bin ebenso unmittelbar in der Fingerspitze wie in dem Kopfe. Meine Seele ist ganz im ganzen Körper und ganz in jedem seiner Theile.« ed. ROSENKR. VII, 42.

[S. 610]

[211] Wenn bei der 120. Rede in anderem Zusammenhange eine kantische Einführung empfohlen sein durfte, so wird hier als Vorschule das 1.-2. Hauptstück des 2. Buches der transscendentalen Dialektik das Verständniss z. Th. erleichtern. Da kommt unser Ergebniss vom »Entstehn und Vergehn des Selbstes« bei der Kritik des 1. Paralogismus zustande: »Denn das Ich ist zwar in allen Gedanken; es ist aber mit dieser Vorstellung nicht die mindeste Anschauung verbunden, die es von anderen Gegenständen der Anschauung unterschiede. Man kan also zwar wahrnehmen, daß diese Vorstellung bey allem Denken immer wiederum vorkömt, nicht aber, daß es eine stehende und bleibende Anschauung sey, worin die Gedanken (als wandelbar) wechselten. Hieraus folgt: daß der erste Vernunftschluß der transscendentalen Psychologie uns nur eine vermeintliche neue Einsicht aufhefte, indem er das beständige logische Subiect des Denkens vor die Erkentniß des realen Subiects der Inhärenz ausgiebt, von welchem wir nicht die mindeste Kentniß haben, noch haben können, weil das Bewustseyn das einzige ist, was alle Vorstellungen zu Gedanken macht, und worin mithin alle unsere Wahrnehmungen, als dem transscendentalen Subiecte, müssen angetroffen werden, und wir, außer dieser logischen Bedeutung des Ich, keine Kentniß von dem Subiecte an sich selbst haben, was diesem, so wie allen Gedanken, als Substratum zum Grunde liegt.« K. R. V., 1S. 350.

[S. 611]

[212] Zum stillen Niedersitzen, der lautlosen Versammlung, dem heiligen Schweigen cf. Bd. 2, S. 354 u. 391, und die 118. Rede, oben S. 183 f. So hat denn auch S. IOANNES SINAITICUS, der unverzagte asketische Felsenklimmer, auf seiner 3. Klimas den σιωπης βυθον wahrgenommen und auf der 27. Staffel dann wundersam entsprechend erklärt: προερχομενος, ὁ λογῳ ου προερχομενος, ηπιος, αγαπης ὁλος οικς, p. 28 u. 403 der Ausgabe von 1633. — In diesem Sinne hat bei uns CARLYLE gesagt: »Speech is of Time, Silence is of Eternity«, Sartor resartus III, 3.

[213] Wie das Vorspiel dieser und ähnlicher Reden lautet der Bericht in CELANOS Vita S. FRANCISCI, I, 22: Ingrediente ipso aliquam civitatem, laetabatur clerus, pulsabantur campanae, exultabant viri, congaudebant foeminae, applaudebant pueri, et saepe ramis arborum sumptis psallentes ei obviam procedebant.

Diese, zumal im 2. Bande, oft dargestellte cārikā kalyāṇena kittisaddena abbhuggatā ist gewissermaaßen eine vihārayātrā höherer Art, oder recht eigentlich eine dhammayātrā; und man erinnert sich da gern, dass Asoko gerade den letzteren Ausdruck auf dem VIII. Felsenedikt gebraucht, auch wohl im Gegensatze zur gewöhnlichen devayātrā, um alsdann, ein seltener Herrscher, zufrieden den Schluss zu ziehen, er habe, auf der anderen Seite, dabei, nämlich bei der dhammayātrā, mehr Genuss erfahren als die vorangegangenen Könige bei ihren vihārayātrās, Prozessionen, Jagdfahrten und sonstigen dergleichen Vergnügungen. — Nb: bhāge aṃñe, bez. bhagi aṃñi, ist loc.: parte alteri; wodurch mit ächt indischem feinsten Humor implicite das ‚bessere Theil‘ bedeutet ist. Aehnlich Säulenedikt VII, 2, 9, wo Asoko völlig bewusst des Unzulänglichen selbst seines großartigen Wirkens, das umfassend und allgemein wie es ist zugleich auch die mindesten Einzelheiten zum Schutze der Menschen sowie der zahmen und der wilden Thiere sorgsam vorgesehn hat, endlich — ubique princeps — mit innig melancholischem Lächeln sagt: Tata cu lahu se dhaṃmaniyame, nijhatiyā va bhuye: „Dennoch aber ist wenig gethan mit gerechtem Betragen, Einsicht üben ist wohl mehr.“ Eine solche Mahnung ist übrigens auch bei uns, zwar von keinem Kaiser und König, doch von einem Meister verkündet worden: „Ihr sollt wissen, dass die Leute die nützesten Uebungen üben. — Wisset, dass das Königreich sälig ist, wo der Mensch eins ist innen. Sie schaffen mehr ewigen Nutzes in einem Augenblicke, als alle äußeren Werke, die je auswendig gewirkt wurden“: ECKHART, p. 129; vielleicht also wie kein anderer kühn bekräftigend was der Panagios GREGORIOS Phoster ein Jahrtausend vorher schon an den Abhängen des Ararat gelebt und gelehrt: Ωθελιμωτατον γαρ ὑπαρχει απο παντων των κοσμικων περισπασμων ἡσυχιαν αγειν, και ιδιαζειν, Act. Sanct. Sept. tom. VIII fol. 393 C.

[S. 612]

Der Bescheid über jene Ehrwürdigen, am Schlusse der obigen Rede, ist eine schlichte Auflösung der bedenklichen Frage JAKOBS, Ep. 4, 4, ουκ οιδατε ὁτι ἡ φιλια του κοσμου εχθρα του θεου εστιν; und des paradoxen Spruches, den ECKHART p. 483 aus einem gleichen Sanctus EXPERGITUS Illuminator beibringt: „Weltliche Ehre und weltliche Freude ist nichts anderes als eine ungerechte Bosheit“; wie denn sogar unser frohgemuthe und doch tiefsinnige Ritter WIRNT ebenso gesagt hatte, »daz diu werlt niht fröuden hât, ir hoehstez leben mit grimme stât |«: Wîgâlois v. 11677/78.

[214] Cf. zum Eingange dieser Rede einen Ausspruch des DIOGENES, in STOB. Flor. XCV, 19: την πενιαν αυτοδιδακτον κιναι αρετην und, ib. 11, γπικουρηλα προς φιλοσοφιαν. Ebenso der Pythagoriker HIPPODAMOS, ib. XCVIII, 71 i. f.; und noch mancher Große, der uns von SENECA in seinem encomium paupertatis, epist. LXXXVII bei Erklärung des deesse, vorgeführt wird: eine Reihe, die man beliebig von ARISTOPHANES, Plut. 593: παντ’ εστ’ αγαθ’ ὑμιν εια την πενιαν, bis zu PLOTIN, Enn. III. 2. 5: πενιαι συμφορα, und weiter ergänzen und erkunden mag. Ist nun zwar der griechische Begriff der πενια, bez. ανυπαρξια viel kleiner als der indische der śūnyatā, so stellt er doch wohl einen Bruchtheil des letzteren dar; gleichwie auch die povertà des S. FRANCESCO und die armuot MEISTER ECKHARTS, zumeist aber die himmlische Oede LAO-TSES. Bei ihnen allen gilt eben BRUNOS tiefbedachte Definition: »nessuno può gustar che cosa sia tranquillità di spirito, se non è povero o simile al povero«; und nicht minder was ein alter Barde an DON GOZIMAS dem Eremiten naiv gerühmt hat:

Mas preçiava el su pobredat
Que algun conde su riquedat.

[S. 613]

[215] an der südöstlichen Gränze von Nepāl, vielleicht im Gebiete von Khajauli, unfern Janakapur, dem alten Mithilā.]

[216] Nach dem Bṛhadāraṇyakam I, 5, 8: manasā hyeva paśyati, manasā śṛṇoti; wo auch II & IV i. f. Pārāśaryas als Altmeister überliefert ist.


[S. 615]

Zu S. 485, Z. 5 v. o.: Auch Geister und Götter sind bekanntlich dem Entstehn und Vergehn unterworfen. Vergl. Anm. 96 und S. 284. Dieser Begriff der nur lange, nicht ewig bestehenden Götter, wie er in Indien gang und gäbe und unvermuthet wieder bei EMPEDOKLES erscheint, ist mir recht merkwürdig einmal auch bei uns begegnet. Eine muntere Schrättin sagte einst im Gespräch, es war an einem Karfreitage, sehr klug zu mir: »Wie kann Eins denn immer noch an Christus glauben? In so langer Zeit muss er ja längst anders worden sein und aufgelöst.« — »Freilich doch nur was den Leib angeht«, warf ich ein, »aber sein Geist?« — »Auch der, mein’ ich«, sagte sie, »mag nimmer der selbe geblieben und verschwunden sein.« Einem solchen Zeugnisse wohlgesättigten Mutterwitzes ließen sich gelegentlich mancherlei tiefere Stimmen gesellen, wie etwa Anm. 152 von anderen Ripien berichtet ist, deren finale Gestalt uns VERNALEKEN aufbewahrt hat. Es sind gewissermaaßen chladnische Klangfiguren; oder historisch betrachtet, versprengte Reste ārischen Glimmers im semitischen Kalke, die heute nur mehr in labyrinthisch verborgen rieselnden Quellen altüberkommener Weissagung, allmälig fast ununterscheidbar zerschliffen, immer weiter zersetzt, hinweggetragen und verschwemmt, kaum reinlich wiedergewinnbar sein werden: und ihnen glücklich nachspüren kann selten gelingen. Noch seltener freilich durch Schlamm und Gerölle, Mergel, Kies und Quarz bis zum Urgebirge vordringen und Edelkrystalle finden und schätzen lernen: »denn die wahren Heiligen sind«, nach des MATTHIAS CLAUDIUS einsichtiger Kleinodienkunde, »die Diamanten gegen die ungeheure Menge Feldsteine.« Am seltensten aber erst KANT ergründen und Kopf und Herz buddhistischer Mönche abwägen, dann Gleichmuth in entlegenen Wäldern vollbringen und endlich wortlos in ägyptischer Einöde sich verlieren: wie es ROBERT L’ORANGE gethan.



[S. 617]

NACHWEISE

MS = Die Reden Gotamo Buddhos aus der Mittleren Sammlung Majjhimanikāyo des Pāli-Kanons zum ersten Mal übersetzt von Karl Eugen Neumann. Drei Bände, 1. Aufl. 1896–1902.
LS = Die Reden Gotamo Buddhos aus der Längeren Sammlung Dīghanikāyo des Pāli-Kanons übersetzt von Karl Eugen Neumann. Drei Bände, 1. Aufl. 1907–1918.
BK = Das buddhistische Kunstwerk. Vier Aufsätze von Karl Eugen Neumann. Süddeutsche Monatshefte 1904–1906.
H = Karl Eugen Neumanns Handexemplar.

102. DIE FÜNF UND DIE DREI

p. 24 31f sei es einfach oder manigfach: ‚Nichts ist da‘ so verkünden dann andere das Reich des Nichtdaseins.... = H; an dieser Stelle war es möglich ohne die Worte »in dem Gedanken«, die der Pāli-Text nicht aufweist, auszukommen.

p. 28 9–11 manche Asketen und Priester, die der Vergangenheit anhängen, eke samaṇabrāhmaṇā pubbantokappikā = H.

p. 33 25 das eben, tad api vergl. B K IV 188.

104. VOR SĀMAGĀMO

p. 42 21 wie das eintritt vergl. LS III 119 2: der knappe Ausdruck yathā tam, früher »wie’s zu erwarten« übersetzt, ist dort derart kongenial wiedergegeben.

[S. 618]

111. DIE REIHE

p. 117 13–19 vergl. mit LS III 85 14–17. — 21 lies das höchste Reich der Lehre.

117. VIERZIGMÄCHTIG

p. 173 11 »Heilige, ihr Mönche, rechte Vertiefung«, ariyaṃ vo bhikkhave sammāsamādhiṃ.... »samādhi« ist in LS zumeist mit »Einigung« übersetzt, in LS II 312 12 ist ariyo sammāsamādhi dementsprechend mit »heilige vollkommene Einigung« wiedergegeben. Der konsequenten Durchführung stellen sich innerhalb dieser Rede Schwierigkeiten entgegen, und im Ganzen betrachtet, entspricht hier »Vertiefung« wohl besser. Vergl. noch LS III 299 17–20 »der recht Vertiefte hat falsche Vertiefung abgetragen.....«

122. ARMUTH

p. 227 21 die Gedenkensruhe aufgehoben hatte, patisallānā vuṭṭhito, müsste hier und anderwärts in Uebereinstimmung mit LS III 81 7–8 »die Eingezogenheit gelöst hatte« lauten. Diese spätere und genauere Fassung kommt nur an dieser Stelle vor, als eine der letzten Korrekturen Karl Eugen Neumanns.

p. 229 7 eine Stätte ausgefunden = Korrektur in H.

123. ERSTAUNLICHE, AUSSERORDENTLICHE EIGENSCHAFTEN

p. 240 7 die zur Erlöschung gelangten, parinibbute, so im Handexemplar bei der entsprechenden Stelle LS II 10 30. p. 243 4–5

atikamm’ eva devānaṃ devānubhāvam
überstrahlend sogar der Götter göttliche Pracht

[S. 619]

cf. LS II 13 15; ist gleichzeitig ein Beispiel für unzählige andere, wie Karl Eugen Neumann es vermochte eine Interlinearversion zu geben, die trotzdem den Schmelz und Rhythmus des Originals behalten hatte.

p. 244 6 ihrer Natur nach, vergl. LS II 14 3. p. 246 kehrt in Sälige Gestalt empor, vergl. LS II 15 8.

p. 248 1 rein und abgeklärt = LS 16 2.

124. BAKKULO

p. 253 18–19 und wär’ es auch nur ein Spruch von vier Silben gewesen, antamaso catuppadaṃ pi gātham = H.

128. VERSCHLACKUNG

p. 297 19 bis 303 ist »Grund-Ursach« geblieben, anstelle des späteren »Anlass-Grund«, da es Zeile 23 heißt »Schwanken aber ist der Anlass gewesen usw.«, sodass hier eine Kollision in Wirklichkeit verschiedener Begriffe entstanden wäre. Das selbe Verhältniss am Anfang der 81. und 83. Rede.

144. CHANNO

p. 462 28 kein hüben und kein drüben noch beider inmitten sein, n’ ev’ idha na huraṃ na ubhayam antarena, = H.

148. SECHSFACHE SECHSHEIT

p. 488 29 ‚Das Auge ist das Selbst‘, cakkhuṃ attā ti, und 489–492 vergl. mit BK IV 189 f.

p. 497 2 bei etwa sechzig Mönchen, saṭṭhimattānaṃ bhikkhūnam = H.

Alle übrigen in diesem Bande geänderten Stellen sind bereits anlässlich ihres ersten Vorkommens in den früheren Bänden nachgewiesen.


[S. 620]

ANMERKUNGEN DES HANDEXEMPLARS

Anm. 59 2–3. p. 545 27–28 (0katthā ist Druckfehler, es soll natürlich tiracchānakathā heißen).

Anm. 67 7.

Anm. 84 5–8.

Anm. 109, p. 557 12 und Agathon hat.

Anm. 131, p. 569 26–28.

Anm. 166 1.

Anm. 195 26–28.

Anm. 219 23–26.

[S. 621]

REGISTER

I. STELLENLESE — II. GLEICHNISSE — III. ORDENSZUCHT — IV. ANHÄNGER — V. GOTAMO — VI. BÜSSERWESEN — VII. BRĀHMANENTHUM — VIII. VOLK UND SITTE — IX. EIGENNAMEN UND ÖRTER — X. SUTTAMĀTIKĀ — XI. VARIA



[S. 623]

I – STELLENLESE

Abglanz und Anblick 297305

Abstammung 117

Allmäliger Ansatz 75

Allmälig gemerkt 182184

Alter 435

Aneinanderreihen 175179

Angehungen 386

Angenehm und unangenehm 518523

Anhaften 66 f.; 430

Anhangen 33, 73, 119122, 452458
Fünf Stücke 95101, 119 f., 234 f., 435 f., 498502, 512

Anleitung 464 f.

Armuth 219239; 509 f.

Artungen 120 f., 162164, 198, 422425

Auflösung 116, 144, 395; 425 f., 462; 474

Aufschichten, Abschichten 498 f.

Ausgeglichen 190, 192

Belehnungen 421 f.

Berührung 97, 385, 425 f.; 486496

Besonnen 116; 524

Bestimmt und unermesslich 305

Bewusstsein 97, 120; 205; 400405; 425; 486488

Bleibt dieses, bleibt jenes 220226

Dahingelangt 500502

Dasein 21; 74; 411

Der stille Denker 431 f.

Doppelte Art 145160; 174179

Doppelte Rüstung 500

Dünken 60; 431

Durchbohrend 341

Die vier Durchstrahlungen 281 f.

Durst 60; 122; 437; 488; 498 f.

Eigner der Werke 363

Einheit 173; 224; 391 f.

Einsam 229

Einsicht in den Körper 195208

Die vier Pfeiler der Einsicht 35, 188194; 268; 513

Ende 462; 496

Entstehn und Vergehn 235; 485; 488492

Die bedingte Entstehung 164
bedingt entstanden 518 f.

Erforschen 510516

Erlösung 180, 194, 503, 515 f.

[S. 624]

Erstarkt 183

Erstaunlich 250; 255

Einzeln Erwachte 171

Erwachung 185, 233, 408, 480

Die sieben Erweckungen 35, 190194, 477, 514

Erwirkbar 206208; 258260

Ewige Stille 228 f.

Fassung 343 f.

Fesselpfade 386390

Folge 382 f.

Form 96, 229; 386389, 399 f.

Freiheit 73 f.; 116 f.; 430

Frieden finden 431

Der Friedenspfad 34

Fruchtbar 1622

Furcht 161 f.

Gar nichts vermeinen 144

Geburt 435

Gefühl 97, 487496

Gegenwärtig halten 1618; 341 ff. 357

Geistige Uebungen 285287

Gewalt 207

Höchste Gewalt 522

Gewissheit 54 f.; 254

Gleichheit 389 f.

Gleichmuth 72 f.; 426 f.; 518; 524

Glücksäligeinsam 341362

Göttermacht oder Menschenmacht 108; 264; 325

Großer Männer Erfahrung 510

Von Grund aus 272 f.

Hausgewohnte Erinnerungen 196203

Hausgewohnte Sehnsucht 268

Die Häuslichkeit 123, 264

Heilsam und unheilsam 146159; 180; 369

Heiterkeit 20, 191; 401; 509

Die fünf Hemmungen 127, 512

Herzensverschlackung 303306

Himmlische Welt 323

Hingabe 410

Hoffnung 272278

Hölle oder Thierheit 105

Heilige Hut 393 f.

Ichheit 99 f; 123, 128, 235

Innen- und Außengebiete 121 f., 164, 385, 486

Innig 193

Je nachdem 285, 287

Je nach den Thaten 21

Kennzeichen des Thoren 308 f.

Kennzeichen des Weisen 318

Recht gekennzeichnet 118122

Mächtige Kennzeichnung 375384

Klar bewusst 230234; 523 f.

Köder der Welt 56 f.

Kraft 191

Kundig 98

Lange zum Wohle 53; 160; 369 f.

Leer 71

Leichenbetrachtung 199 f.

Die Wurzel des Leidens 66 f.

Das letzte Leben 249; 307

Lind 193

Lust und Leid 464 f.

[S. 625]

Das Menschenthier 394 f.

Menschenthum 316, 364

Merkmale 507 f.

Milde Geduld 468

Möglich und unmöglich 165169; 384; 493496

Name 414 f.

Nicht mehr ist diese Welt 54, 128, 255, 270, 428, 496

Nicht sein und nicht mir sein 72

Nichtwissen 60

Nicht zugeneigt und nicht abgeneigt 112116, 119

Nirgend wieder 215

Obacht üben 396

Oftmals gezeigt 35, 44

Ohne Herumdrehn 405

Ohne Selbst 100; 462; 481484

Der Orden des Heiligen 518

Persönlichkeit 97 f.; 492

Der mittlere Pfad 408 f.

Rechenschaft 119123

Rede 176 f., 413 f.

Das höchste Reich 117, 433

Der Reihe nach 112115

Ruhe und Klarsicht 501, 515

Sälige Gegenwart 79

Sammlung 307

Schauung 74; 92 f.; 524

Die vier Schauungen 20

Schlecht und gut 102108; 129144

Sehnsucht 389

Spaltungen 220225; 498 f.

Spende 443 f.

Spuren 399 f.

Von Staffel zu Staffel 73

Stämpel und Abzeichen 341418

Die heiligste Stätte der Welt 184, 270

Sterben 435 f.

Stille 6972

Streitlos 407

Stütze 390 f.

That 374 f., 379383; 444 f.

Tiefe 191

Tod und tödtlicher Schmerz 62 f.

Gebändigter Tod 271

Des Todes Weideland 68

Ueberdrüssig 101, 484, 496

Uebergang 209 ff.; 370 f.

Ueberstanden 16

Unangenommen 428 f.

Unbeschränkt und großartig 280282

Unbestand 139144

Uneigen 121; 166

Unmittelbarkeit 392

Untadelhaft 463

Unterscheidung 165 f.

Unverbrüchlich 226

Unverstörung 57, 69 f., 230 f.

Unzuständig 403

Unzweifelhaft 260, 279

Urasketenthümlich 351

Verändern 188 f.

Verändert 387; 403 f.

Vergangenheit und Zukunft 3032, 361 ff.

[S. 626]

Verkommenheit und Vorzüglichkeit 362 f.

Verschiedenheit 96

Verwirklichen 183, 208, 503

Vorangehn 174180

Vorwiegendes Bewusstsein 6972

Wahnerlöschung 430

Wahnhaft und wahnlos 174179

Wahrheit weisen 55

Die vier heiligen Wahrheiten 21; 433440

Wandel 168 f.

Wanderschaft 293

Der heilige achtfältige Weg 35, 438, 500, 515

Weise 500503

Widerwärtig und unwiderwärtig 523 f.

Wille 96; 111 f.; 430; 438; 510 f.

Wirken 363370

Wissen 203; 496, 503, 516

Wohl 228; 411413, 500

Wo stehn 431

Zehn entsprechende Begriffe 22 f.; 181

Zehn förderliche Eigenschaften 207 f.

Zehn huldreiche Eigenschaften 8899

Ziel 521

Zusammengesetzt 428, 518 ff.

Zweierlei Ausgang 9

Zweifel verlieren 442 f.


II – GLEICHNISSE

Der Arm 521

Der Arzt 66

Der Augenblick 518

Baum und Schatten 474 f.

Mächtige Bäume 285

Das welke Blatt 57

Butter 275, 277

Der Edelstein 245

Der wilde Elephant 261

Die Erde 287

Der Fadenknäul 205

Der hohe Felsen 259

Feuer 276, 278

Fliegen 284

Die Gebändigten 258

Das Gefängniss 123, 264

Der Gesättigte 58

Der Getreidesack 198

Die Giftsalbe 66

Die Giftschlange 67

Die Gipfelschatten 310, 320

Durchleuchtiges Gold 426 f.

Gediegenes Gold 213

Die Händler 27

Die Häuser 324

Der freie Himmelsraum 123, 264

Das Holzscheit 204, 205

Der weiße Jasmin 82

Das Juwel 213

Kernholz 353, 398

Der Kettenhund 27

Königreiche 286 f.

Königselephanten 270

[S. 627]

Kuh und Fell 476

Die geschlachtete Kuh 198

Die Kuppel 42

Die Kur 61

Das Licht 82

Das Lotusblatt 520

Der weiße Mantel 203

Das große Meer 203

Das Messer 66; 477

Milch 274, 277

Der zunehmende Mond 478

Die Mörder 293

Das kühle Nass 202

Oel und Docht 288

Die Oellampe 429; 473 f.

Oellampen 283

Der Palmstumpf 59, 430

Die Perle 248

Die glühende Pfanne 522

Der Pfeil 66

Der Pfeilschmidt 19

Der Weg nach Rājagaham 80

Die Reifen 212

Das Rohrdach 161

Der schwarze Rosenlauch 82

Das edle Ross 75

Der Rosselenker 207

Der rothe Sandel 82

Fünf Schatzgruben 299

Der Schaumball 200

Zwei Scheite 425 f.

Die einäugige Schildkröte 316

Der Schmutzwinkel 123, 264

Der Schnalzer 519

Die Seequelle 201

Sesamöl 274, 276

Die Sonde 66

Sonne und Schatten 30

Der Speichelball 520

Der handgroße Stein 312, 322

Der Steinblock 58

Die Steinkugel 204

Die Stierhaut 220

Der Teich 206

Die Terrasse 219

Thongefäße 239

Die Trinkschaale 66

Der Verliebte 16 f.

Der Verreiste 56

Der Verwundete 6

Der beschwingte Vogel 125

Die Wachtel 300 f.

Der Wassereimer 204, 205, 206

Wiesenfelder 286

Die Wunde 66

Der Würfelspieler 317, 323


III – ORDENSZUCHT

Kleidung 123, 125, 134, 159, 228, 255

Nicht ohne Mantel und Almosenschaale 432

Nahrung 76 f., 125, 138, 159, 265, 296, 480
Leidliches Auskommen 293, 294 f.

Arzenei 131 f.; 460

[S. 628]

Aufenthalt 71, 74, 78, 126, 136138, 159, 196, 352, 396, 419, 480, 524
Unter freiem Himmel 183
Einsam wie Feldhüter und Hirten 91
Tief im Walde 508
Hütte 372
Lager 291, 350, 468

Schlaf 77, 265 f.

Umgang 159
Zusammenkunft 86
Am letzten herbstlichen Vollmonde 183 f.
Ansprache 38
Ohne Hader 3538; 295 f.
Nicht um Kleinlichkeiten 37
Nicht ungehörig 41, 274
Gleichmuth 39
Bescheid 41
Erinnern 4850
Gras darüber streuen 51
Ausjäten 46
Eintracht 52 f.
Unterweisen 182184
Lehrreiches Gespräch 95102; 293; 296 f.; 349
Schweigen 266; 296
Gedenkensruhe 195, 219, 240, 345, 459, 464, 509
Aufwartung 460
Fußwaschung 293 f., 470, 479
Bad 350
Begleitung 481
Selbander 450, 459, 470, 479
Selbviert 279

Der Tugendpfad 78 f., 123127, 264267
Der Weg 45; 174179; 183
Wandel 130139
Hohe Förderung 186 f., 196203
Almosen läutern 516
Wachsamkeit 77, 188 f., 265
Unser Gebot 74, 524
Nachfolge 94; 236
Richtschnur 48
Zuflucht 86

Die Jüngerschaft 184186
Der ächte Asket 129
Rein aus dem Kerne 184
Ohne Hangen 102, 485, 497
Weise Mönche 434
Heilige 180, 523
Kämpfer 79, 180, 510, 522
Edle Söhne 82; 254; 418, 469
Gelehrig 433, 469
Anmuthig, nicht unmuthig 461
Liebevoll 295
Erzeuger und Ernährer 434
Zur Waffe greifen 463; 467
Achtzig Jahre Pilgerschaft 251255
Drei Jahre 372 f.
Unbill 238
Schismatische Symptome 40, 45, 100, 290

Nonnen 469480


[S. 629]

IV – ANHÄNGER

Besuch 74, 504

Gruß 280, 449

Beitritt 83, 509

Gabe 273, 280, 441 f.

Ansichten 107

Gerade und ungerade 505

Einander begegnen 442

Gewinnen 468

Anāthapiṇḍiko 459

Pañcakaṉgo 279


V – GOTAMO

Andere Erkenntniss 380382

Selbst erkannt 336; 504

Wegweiser 81

Der Wegeskundige 85

Der Fahrkundigen vorzüglichster 394

Arzt 66

Mitleidig 35, 74, 239, 290, 393, 524

Gespräch mit den Leuten 229

Herankommen 293

Frage stellen 80

In Kürze 146, 160, 363, 407, 432, 465

Stämpel 396

Bereit machen 480

Bezichtigung 372

Der frohe Ruhmesruf 419, 504

Die beste Belehrung in heutiger Zeit 82

Der Erwachsame 241; 297

Der Erwachte 84, 118, 167, 263

Der Erhabene 3, 111, 209, 341, 497

Der Erlauchte 3, 111, 209, 341, 497

Der Willkommene 263, 352, 375, 396, 432, 434, 466, 518

Der Meister 432; 524

Der Vollendete 33, 55, 66, 76, 117, 123, 250, 263, 354, 375, 393 f., 433

HERVORRAGENDE JÜNGER

Die Anuruddher 294

Anuruddho 182, 279

Ānando 42, 72, 83, 162, 182, 219, 227, 241, 346, 378, 441, 450, 517

Kaccāno 182, 359, 406

Kassapo 182

Cundo 459

Channo 459

Nandako 469

Puṇṇo 464

Bakkulo 251

Moggallāno 182, 434

Sāriputto 111, 117, 146, 161, 182, 434, 509

Mahāpajāpatī 440, 469


[S. 630]

VI – BÜSSERWESEN

Freie Brüder
Nāthaputto 42
Eifrig 1214
Heftig 10
Ferner kein Zufluss mehr 4
Geborstene Kuppel 42

Freie Brüder
Kuṇimāhāranerayikā Anm. 151, 333

Nackte Büßer
Kassapo 251


VII – BRĀHMANENTHUM

Die Ziffern dieses Abschnittes beziehen sich auf die Anmerkungen.

Die Veden
Mantras 3, 18, 98, 113, 115, 136
Brāhmaṇam 9, 40, 113, 140, 152
Upaniṣat 2, 5, 15, 16, 23, 32, 40, 41, 51, 56, 58, 70, 74, 81, 88, 91, 93, 97, 103, 109, 111, 126, 132, 134, 135, 139, 140, 149, 150, 159, 160, 173, 181, 184, 185, 186, 190, 195, 196, 198, 203, 206, 209, 210, 216

S̀ruti
Pārāśaryas 216

Smṛti
Gautamas 101
Vasiṣṭhas 42, 109
Manus 42, 101, 156, 164, 171
Yājñavalkyas 56, 60
Vyāsas 207
Gobhilas 119
Rāmāyaṇam 45
Bhāratam 28, 45, 63, 64, 71, 79, 131, 175
Bhagavadgītā 98, 140
Bhāgavatam 115, 120, 169
Yogasūtram 71

S̀akuntalā 43, 158

Vikramorvaśīyam 74

Raghuvaṃśam 111

Ṛtusaṃhāram 51, 82, 120

Harṣacaritam 51, 132

Kathāsaritsāgaras 2

S̀ukasaptati 31, 187

Harakelināṭakam 27

Sarvadarśanasaṃgrahas 2, 9

Haimadhātupārāyaṇam 174


[S. 631]

VIII – VOLK UND SITTE

Stände
Fürst 160, 209, 229, 323
Marschall 84, 90
Feldherr 90
Bogenschütze 75
Soldat 232
Priester 75, 160, 210, 314, 323
Rechner 75
Meier 83
Baumeister 279
Arzt 6, 61, 64
Bürger 160, 210, 236, 323
Handwerker 200, 213, 220, 426 f., 476
Bauer 236
Elephantenbändiger, Elephantenlenker 261, 394
Elephantensteller 261
Rossebändiger, Rosselenker, Wagenlenker 75, 207, 322, 394
Stiertreiber 394
Treiber, Jäger, Korbflechter, Radmacher, Gärtner 317
Waldhüter, Feldhüter, Hirt 294, 91
Töpfer, Hafner 239, 418
Diener 160

Der König 261
Rechtspflege 309, 311
Der Augenzeuge 149
Erderoberer, Kaiser 167, 321 f.
Die sieben Juwelen 321
Königsgut 263
Die Frühjahrsfeier 322

Hunderttausend Welten 213

Die zehntausendfache Welt 243

Die vom Ozean umschlossene Erde 282, 287

Vollmond 479

Mann und Weib 167

Gesundheit 321

Der Wasserguss 248

Würfelspiel 317, 223

SAGE

Höllische Welt 310313
Erzhölle 313, 332 f.
Dreckhölle 333
Hundehölle 334
Dornenwald 334
Schwerdtblätter 334
Laugenätze 335
Eisen und Kupfer 335

Thiergewordene Wesen 314 f.
Einer den anderen auffressen 317

Das Gespensterreich 325

Die Zwischenwelten 243, 249

Menschen oder Götter 108

[S. 632]

Himmlische Welt 320324
Die Dreiunddreißig 210, 360
Der himmlische Baum 360
Der weiße Flockenfels 360
Vier Göttersöhne 243; 247
Sälige Gestalt 210, 241 f., 246, 459
Der Erwachsame 241249
Der tausendfache-hunderttausendfache Brahmā 211214
Götter von bestimmtem Glanze 283
Heller Glanz 350
Candano 359361
Götter von unermesslichem Glanze 283
Götter von unlauterem Glanze 283
Götter von verschiedenem Glanze, verschiedener Farbe 283
Götter von vollkommen reinem Glanze 283


Götter wie schwärmende Fliegen 284
Die vieltausendfache Geisterschaar 481, 485

Die Götterboten 326331, 336

Der Richter der Schatten 325; 336

Böse und heilige Geister 160, 433, 504


IX – EIGENNAMEN

I – PERSONEN

Aggivessano 258, 271

Aciravato 256

Ajātasattu 83

Anāthapiṇḍiko 449

Anuruddho 182, 279, 293

Abhayakaccāno 284

Ānando 42, 72, 83, 162, 182, 219, 227, 241, 346, 378, 441, 450, 517

Uttaro 517

Udāyī 374

Upanando 90

Kaccāno 182, 352, 396

Kappino 182

Kassapo (I) 182

Kassapo (II) 251

Kāḷakhemako 227

Kimbilo 294

Koṭṭhito 182

Ghaṭāyo 227

Candano 359

Cundo (I) 182, 459

Cundo (II) 42

Channo 459

[S. 633]

Jayaseno 256, 271

Todeyyo 362

Nandako 469

Nandiyo 294

Nāthaputto 42

Pañcakaṉgo 279

Pajjoto 83

Pārāsariyo 517

Pukkusāti 418

Puṇṇo 464

Potaliputto 372

Bakkulo 251

Bhagu 293

Bhaggavo 418

Bhūmijo 271

Mahāpajāpatī 440, 469

Moggallāno (I) 182, 434

Moggallāno (II) 74

Moggallāno (III) 83

Rāhulo 480

Revato 182

Licchavī 54

Lomasakaṉgiyo 359

Vassakāro 84

Vedehī 83

Sakko, Sakyer 3, 41, 227, 359, 440, 504

a middhi 350, 372

Sāriputto 111, 117, 146, 161, 182, 434, 509

Sunakkhatto 54

Subho 362

II – ÖRTER

Kajaṉgalā 516

Kapilavatthu 227, 359, 440

Kammāsadammam 68

Kuru 68

Kusinārā 34

Kosambī 290

Kosalo 503

Tapodo 350

Devadaham 3

Nagaravindam 504

Pāvā 42

Pubbajiram 463

Bālakaloṇakāragāmo 293

Benāres 433

Magadhā 83, 418

Rājagaham 83, 251, 256, 261, 350, 372, 418, 459, 509

Vajjī 463

Vesālī 54, 92

Sāmagāmo 41

Sāvatthī 23, passim

Die Suner 466468

Himālayo 312

[S. 634]

Der Garten Anāthapiṇḍikos 23, passim

Der Bambuspark 83, 91, 251, 256, 271, 372, 459, 509

Das Breite Joch 170

Der Brockenstein 170

Der Dunkle Wald 481

Der Hügel der Eichhörnchen 83, 251, 256, 271, 372, 459, 509

Ghaṭāyos Einsiedelei 227

Die Halle der Einsiedelei 54, 92

Kāḷakhemakos Einsiedelei 227

Der Park der Feigenbäume 227, 359, 440

Gabenhain 34

Die Gartenstiftung 290

Der Geierkulm 170, 459

Der Hain der Glockenbäume 516

Das Graue Horn 170

Der Große Wald 54, 92

Der Königsgarten 470, 479

Die Terrasse der Mutter Migāros 74, 95, 102, 182, 219

Meier Moggallānos Wirthschaft 83

Der Osthain 74, 95, 102, 182, 219

Der Seherschlund 170

Der Seherstein 433

Der Siegerwald 23, passim

Der Wildpark 433


X – SUTTAMĀTIKĀ
UPARIPAṆṆĀSAM

VAGGO EKĀDASAMO
DEVADAHAVAGGO

101.  Devadahasuttam 3

102.  Pañcattayasuttam 23

103.  Kintisuttam 34

104.  Sāmagāmasuttam 41

105.  Sunakkhattasuttam 54

106.  Āneñjasappāyasuttam 68

107.  Gaṇakamoggallānasuttam 74

108.  Gopakamoggallānasuttam 83

109.  Mahāpuṇṇamasuttam 95

110.  Cuḷapuṇṇamasuttam 102

VAGGO DVĀDASAMO
ANUPADAVAGGO

111.  Anupadasuttam 111

112.  Chavisodhanasuttam 118

113.  Sappurisasuttam 129

114.  Sevitabbāsevitabbasuttam 145

115.  Bahudhātukasuttam 161

116.  Isigilisuttam 170

117.  Cattārīsakasuttam 173

118.  Ānāpānasatisuttam 182

119.  Kāyagatāsatisuttam 195

120.  Saṉkhāruppattisuttam 209

VAGGO TERASAMO
SUÑÑATAVAGGO

121.  Cuḷasuññatasuttam 219

122.  Mahāsuññatasuttam 227

123.  Acchariyabbhutadhammasuttam 239

[S. 635]

124.  Bakkulasuttam 251

125.  Dantabhūmisuttam 256

126.  Bhūmijasuttam 271

127.  Anuruddhasuttam 279

128.  Upakkilesiyasuttam 290

129.  Bālapaṇḍitasuttam 308

130.  Devadūtasuttam 324

VAGGO CATUDDASAMO
VIBHAṈGAVAGGO

131.  Bhaddekarattasuttam 341

132.  Ānandabhaddekarattasuttam 345

133.  Kaccānabhaddekarattasuttam 350

134.  Lomasakaṉgiyabhaddekarattasuttam 359

135.  Cūḷakammavibhaṉgasuttam 362

136.  Mahākammavibhaṉgasuttam 372

137.  Saḷāyatanavibhaṉgasuttam 384

138.  Uddesavibhangasuttam 395

139.  Araṇavibhaṉgasuttam 407

140.  Dhātuvibhaṉgasuttam 418

141.  Saccavibhaṉgasuttam 433

142.  Dakkhiṇāvisuddhisuttam 440

VAGGO PAÑCADASAMO
SALĀYATANAVAGGO

143. Anāthapiṇḍikovādasuttam 449

144. Channovādasuttam 459

145. Puṇṇovādasuttam 464

146. Nandakovādasuttam 469

147. Rāhulovādasuttam 480

148. Chachakkasuttam 485

149. Mahāsaḷāyatanikasuttam 497

150. Nagaravindeyyasuttam 503

151. Piṇḍapātapārisuddhisuttam 509

152. Indriyabhāvanāsuttam 516

UPARIPAṆṆĀSAṂ SAMATTAM


XI – VARIA

Ziffer = Anmerkung

Etyma 1, 11, 23, 42, 59, 70, 97, 98, 99, 109, 110, 128, 131, 132, 145, 158, 162, 163, 174, 178, 205

Asoko 12, 19, 62, 66, 110, 116, 160, 162, 175, 200, 207

Nepālischer Buddhismus 110

Mahāvastu 1, 17, 111

Lalitavistaras 111, 129, 158

Divyāvadānam 24, 111, 205

Griechische Zeugen 14, 24, 164, 205


[S. 636]

CORRIGENDA

Seite 20 Zeile 21 richtig ohne Anmerkungsziffer
58 1 Reich
138 19 folgt
167 nach fünfter Zeile Zwischenraum, keinen nach der zwölften Zeile.
168 nach dritter Zeile Zwischenraum, keinen nach der elften.
186 Zeile 24 richtig ohne Anmerkungsziffer.
236 27 Meisters
243 20 233 (Marginalziffer)
269 14 hinausreichenden,
475 14 weder Weh noch Wohl
488 8 ist der Durst bedingt
545 viertletzte Zeile 0kathā

R. PIPER & CO. VERLAG  MÜNCHEN


IN DER ÜBERTRAGUNG VON

KARL EUGEN NEUMANN

SIND FERNER ERSCHIENEN:

DIE REDEN GOTAMO BUDDHOS

LÄNGERE SAMMLUNG

DREI BÄNDE, NEBST ERGÄNZUNGSBAND WELCHER NOCH ERSCHEINEN WIRD


DIE REDEN GOTAMO BUDDHOS

SAMMLUNG DER BRUCHSTÜCKE

EINE TASCHENAUSGABE ERSCHEINT NOCH 1921


DIE LETZTEN TAGE GOTAMO BUDDHOS

EINE MONUMENTAL-AUSGABE WIRD VORBEREITET
SUBSKRIPTIONEN NIMMT DER VERLAG ENTGEGEN


DER WAHRHEITPFAD

DHAMMAPADAM

TASCHENAUSGABE


DIE LIEDER DER MÖNCHE UND NONNEN GOTAMO BUDDHOS


KRISCHNAS WELTENGANG

EIN INDISCHER MYTHOS


UNTER DER LEITUNG VON JUSTINIAN FRISCH WURDE DIESE TASCHENAUSGABE DER MITTLEREN SAMMLUNG DER REDEN GOTAMO BUDDHOS IN EINER AUFLAGE VON 5000 EXEMPLAREN BEI DER WALDHEIM-EBERLE A. G. IN WIEN IN DEN JAHREN 1920–1921 HERGESTELLT

Weitere Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der 1921 erschienenen Buchausgabe erstellt; Interpunktionsfehler wurden dabei stillschweigend korrigiert. Die Rechtschreibung des Originals wurde beibehalten, sofern es sich nicht um offensichtliche Fehler handelt. Der Seitenverweis ‚332‘ wurde zu ‚233‘ korrigiert; die anderen in den Corrigenda aufgeführten Punkte wurden aber wie im Original belassen.

Die folgenden Stellen wurden korrigiert: