The Project Gutenberg eBook of Verkettung: Gedichte

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Title: Verkettung: Gedichte

Author: Martin Gumpert

Release date: January 7, 2014 [eBook #44612]

Language: German

Credits: Produced by Jens Sadowski

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK VERKETTUNG: GEDICHTE ***

Verkettung
Gedichte
von
Martin Gumpert

Leipzig
Kurt Wolff Verlag
1917

Gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R.
Januar 1917 als achtunddreißigster Band
der Bücherei „Der jüngste Tag“

Die Gedichte sind 1914—16 entstanden,
sie gehören meinen toten Freunden

Nicht mehr will ich den Tag vertrinken

Unter allen der abseits Weinende sein,

Wortlos und müde hinauszusinken

Die Arme empor des Nachts zwischen Kissen zu schrein.

Oder in Straßenbahnen voller Gesichter

Plötzlich hochrot und in Tränen Erwachter zu stehn

Um dann erfüllt, doch bezwungen vom Spruche der Richter

Flackerndes Feuer geduckt zu vergehn.

Heute begriff ich die jammernden Stunden des Knaben,

Flehend, bei Spielen der andern mitjubeln zu können,

Nicht immer nach Wildheit der Lechzende sein, erschüttert von Gaben,

Die sich unzeigbar verschenken und selten zu nennen.

Harte Schwielen wünscht ich mir in die Hände

Oder auf Bäumen zu sitzen und Zweige zu brechen,

Doch mir wuchsen die Tage in endlose schmerzende Brände

Und ich verschloß mich stumm, meine Schlaffheit zu rächen.

Ich trug die Gesichter der groben ungläubigen Lehrer

In meine zitternden Träume, zaghaften Nächte hinein,

Wurde mir selber aufhorchend und wundernd der Hörer,

Ließ mich gleiten, wurde in Qualen gemein,

Ließ mich verleiten von jedem, das mich bewegte,

Der nicht mehr da war, dunkel und trunken den Blick,

Was mich so maßlos erbitterte und erregte

Von mir gebracht fiel dröhnend auf mich zurück.

Jugend, Verrat, schwerträumend, bewußtlos verübt,

Geschändet, verstoßen, verschlossen, wehrlosen Willens.

Großes, hartherziges Grauen der höhnenden Stadt,

Lachende, riesige Menschen, die mich in Händen gehabt,

Die mir zerknickten die wachsenden Glieder zum Stoß:

Ich blieb an den Wolken hängen

Ich blieb an den himmlischen Winden hängen

Ich sank in die Wiesen, Gras nickte mir zu,

Den hohen Gesängen

Der wissenden Wälder

Gab ich mein brennendes brüderlich: Du.

Aufgehender Tag, teilhaft des Sinns solcher Zeit,

Mutter, Dein Schoß regt sich verkündungsvoll,

Stolz Deines Sohnes will donnernd erwachen,

Heiliger Stunde dröhnt das Geläute der Welt.

Kirchen stürzen zerschmettert, Gott geht zu Gast,

Der fromme Geist zeigt schluchzend sein Herz,

Süß liegt die ruhende Kraft bereit,

Unseliger Schlaf auftut die Augen

Zu vollstrecken des Geistes Geheiß:

Denn Gott ist zornig, ist streng und zornig!

Durch Jungsein leergebrannt

Die eingekreiste Glut,

Vielmals vergossen

Weg abendlicher Qual.

Denn da genügt kein Wort,

Ist nirgends ein Wort,

Das der Nacht Verhängnis

Gerecht ermißt.

Wir sehen uns an Wänden

Verrunzelt winzig stehn,

Zwischen weichen Fingern zermalmend

Überschreitet uns riesig die Frau.

Wir strecken um ein wenig Glück

Die Hand, um enge Güte,

Um einen Hof der Scham, uns stürzt

Zärtlichkeit vom Angesicht.

Aber Feindschaft ist so groß,

Kein Schoß verheißt Empfang,

Ekel überspannt den Leib

Seiner Unzulänglichkeit.

Blühte doch ein Tal der Ruhe,

Käme Zeit des Morgens,

Der ins Innen dringt

Und Erlösung kennt.

Auf dem Rücken der Stadt

Hockt der häßliche Zwerg,

Die kreischende Nacht,

Das Tor voll Qual.

Tränenlied

Soll ich mein kleines

Lustliedlein singen,

Mein Herzlein bringen

Vor Deinen Mund,

Knie will ich falten,

Hände hinhalten,

Mach mich gesund!

Hebe mir Schwere

Vom Haupt,

O ich ersticke,

Aller Geschicke

Steh ich beraubt.

Laß mich die Leere

Mit meinen bloßen

Armen durchstoßen,

Bin ich doch nackt

Ausgegossen in Deine Hände,

O so beende

Was mich da packt.

Zärtlichkeit hasse ich,

Schwäche versehrt mich,

Liebe zerstört mich,

Ich bin gar unfähig.

Im Fensterriß errötend rings von Tag

Der Häusermauern eckiges Gesicht,

Beglotzt den Traum, lang rasselndes Gewicht,

Das mich die ganze starre Nacht umlag.

Der Baum im Hof erhebt sich kraß und dicht

Sirenenbrunst und kurzer Uhrenschlag;

Das schon ganz tief im hellen Himmel stak:

Erschrocken unterm Dach verlischt ein Licht.

Hundegebell, es häufen sich die Zeichen,

Ich werde bald mich aufrecht stehend wissen,

Wind wird mich, zärtliches Gefühl, umschleichen,

Ich fand mich nie zurecht in meinen Kissen,

Ich will die Sonne sehn, sie soll Dir gleichen,

Soll Mädchen sein und meine Augen küssen.

Der Alternde

1

Mein Frauenhimmel zerstürzt,

Mein Freundeswille erstickt,

Unnatur ist der Kampf.

Und war doch einst ein Fließen

Und Händereichen

Und Hingeben.

Meine Tage verstreut,

Mein Blut zu Ende,

Meine Zärtlichkeit tot.

Schwäche besteigt das Haupt,

Darauf ruht keine Hand.

2

Die Nächte stehen leer von Tanz,

Die höchsten Feste sind versäumt,

Die Kette der Freundschaft ist einender Haß,

Der macht unseliger noch verloren.

Die Männer sind vor Scham verwüstet,

Sie wagen nicht, sich zu erkennen,

Überall sind Freunde einzeln

Ohne Frau, Gewalt und Inbrunst.

Der Mensch ist entzweigeteilt!

Er will Erniedrigung,

Aber ich lasse den Himmel nicht los.

Ein hohes Feuer ist meine Not,

Es hüllt die Erde ein

In edle Trunkenheit!

Hohler Spalt, offner Schlaf

Hört den Wind der Reise,

Wo er Traumeskreise traf

Rauschen Ähren leise.

Meine Hand führt Deine Hand

Feuerfluß der Sterne,

Rings ist still ein Wellenland

Lockung in die Ferne.

Stadtgesicht schwillt wüst empor

Maul bis zu den Ohren,

Fürchterlich erdröhnt ein Chor:

Du auch bist verloren.

In der schweren gelben Luft

Hängt ein Meer von Armen,

Steine fallen, Stimme ruft

Gellend um Erbarmen.

Welche Reise muß ich tun?

Selig sei Du, weine,

Traum zerreiße, Nacht will ruhn,

Weiße Sonne, scheine!

Beim Tode einer alten Frau

Wir werden uns leise

Um sie versammeln,

Zu Häupten zwei graue

Zu Füßen zwei weiße,

Einer wird mitten zur Hülle gesunken

In Händen halten Haut wie Laub. —

Schön sind Blumen

Rings gelegt.

Wir hörten Worte toll Sturm durch die Straßen rollen,

Die sind auf einmal still geworden.

Wir müssen uns ganz nah begeben,

Sonst trägt, was kommen wird, uns weit.

Kannst du laut lachen einmal,

Zerteilen mein’ Angst,

Ich glaube — wir sind nicht mehr.

Wir wandern alle schon im Herbst,

Auch was so neu und kühn: ist Herbst;

Wir werden bald uns wechseln müssen,

Schon löst die Krone sich vom Haupt.

Ich bin schon alt wie hundert Jahr,

Mein Blut ist früh so schwer geworden,

Alte Frau, ich bin Dir nah.

Sind Deine Augen immer zu,

Ich bin aus Dir ein Blätterbaum,

Viel Zweige werden von mir gehn,

Blitz fällt mich kaum.

Ich bin geschehn

Stark dazustehn,

Doch Du brauchst Ruh.

Abendgang

Zu doppelt Teil zerfällt der Kern,

Wenn die anschwellende Grauenfrucht

Durchstieß die Narbe, verschlang die Hütten:

Entsetzen — Gelächter.

Gegen die Augen Stoß der Dächer,

Und die Erde will in den Mund,

Musik und Ruf durchstechen das Ohr,

In mich flüchtet der ganze Lärm

Aber wenn ich ins Weite will

Versagt ein jedes und ist am Ende.

Verheißungslos in mein Fleisch zurück:

In kahler Kammer bin ich da.

Zuviel dies Land zerfurcht von Blut,

Mord regungsloser Turm darin.

Hier kann mir keine Heimat sein,

Hilf suchen doch mein fernes Land.

Wenn sich die Nacht nun an mich hängt,

Die treibt durch Straße, Park, Café,

Erst lachen wir, dann weinen wir,

Dann schließt uns Wahn die Augen zu.

1

Ich liege wie ein Unheil auf der Stadt,

Ich liege ganz berauscht von Stadt,

Meine Worte sind Gift.

Jetzt kommen alle, wollen kosten,

Geschlagen sein, zu nichte sein,

Von mir das Sterben erfahren.

Die Schwachen wollen sich zügeln lassen,

Ich kann ihre wunden Augen nicht sehn,

Sie sind, Verachtete, feige im Licht.

Kinderhände ringen um Führung,

Hände auch verkrüppeln vor Angst,

Hände können die Tränen nicht halten.

Durch mich, in mich stürzt alles zurück,

Ich singe hart, grausam laut:

Ich liege wie ein Unheil auf der Stadt.

2

Ihr Gotterfüllten in der Zeit

Von jeher Euer Erbe Inbrunst:

Des Gottes Ehre ist mißbraucht.

Sein Tempel ist ein offnes Haus,

Sein heilig Blut tropft schwer dahin:

Des Gottes Ehre ist mißbraucht.

Schreit auf, da Euch Gebet versagt,

Ihr wart die Hüter, Ihr das Tor:

Des Gottes Ehre ist mißbraucht.

Ihr seid der Welt Verderber,

Des großen Sterbens seid Ihr schuld:

Des Gottes Ehre ist mißbraucht.

Sein hehrer Leib klagt krank und wund,

Ein Grauenvolles starrt sein Mund,

O, meines Gottes Ehre ist zerstört!

3

Tragt seinen Fluch in Euren Tod,

Es soll ein neuer Glanz geschehn,

Ein Fest wird sein, ein strahlend Rot

Soll über Euren Häuptern stehn

Und Wirklichkeit, die furchtbar droht,

Aus leeren Augen auf Euch sehn.

Uns komme Licht, uns sei das Wort,

Ein Gang auf Wellen, Hand in Hand,

Gesang, an dem die Kraft verdorrt,

Die heute nicht Erlösung fand.

O erster Morgen, letzter Mord,

Rauchender Welt entsteigt mein Land!

Loslösung

Während ich mit Euch bin, mit Euch teile

Trennt sich schon tastend die suchende Saat,

Einheit versagt sich zu jagender Meile,

Heilige Forderung wird der Verrat.

Sind wir mit waltenden Waffen Bescherte,

Trifft uns vereinsamt gemeinsames Ziel,

Nur wer den Geist seines Gottes versehrte,

Bröckelt verlodernd am eignen Gefühl.

Gestern im Tempel der treuste der Wächter,

Heute der Schänder am heiligsten Gut,

Dennoch gewertet als Harter, Gerechter,

Wehrlos gewappnet der Wut nur durch Blut,

Das schon vom donnernden Schalle durchrauscht

Keinen vermag der Gestürzten zu schonen,

Entrückt dem rasenden Trommelklang lauscht

Kommender Revolutionen.

Eroberte Stadt

Die ganze Stadt ist eine große Kirche

Voll Andacht, Inbrunst, Reue und Gebet,

Vom Gipfelsturm der Glocken überweht.

Der Tag erbraust in Tätigkeit und Kraft,

Doch nirgends ist ein emsig Herz am Werke,

Die Seelen alle sind zu Gott erschlafft,

Die Augen ruhn, in sich dahingerafft.

Nur in den Glocken rast noch Sinn und Stärke.

Da fällt ein Beben auf die Stadt herab

Und ein Erzittern und ein Fliehenwollen,

Die Mauern stöhnen qualvoll, und ein Grollen

Hebt an und alle Tore spreizen sich

Und aus den übervollen

Jammergetränkten Wänden birst ein Schrei

Und Schreien,

Von Flammen, Steinen überschüttet

Steigt das Grauen

Steil in die Luft:

„Wir taten nichts,

Wir nahten

Uns Dir in Blöße,

Wir ahnten Deines Angesichts

Endlose Größe,

Doch Du spiest Granaten.“

1916

Zersprengte Jugend!

Uns die Zeit

Zerbiß die Stirn,

Es schreit, schreit,

Kann nicht ruhn,

Lauert bereit

Ohne zu tun.

Abendgang,

Nacht in Straßen,

Zwang zu hassen

Hilflos, krank, —

Verflucht solche Jugend,

O Alter und Ende,

Pack fort das Grauen,

Zerhauen

Sind unsere Hände,

Die schaffen sollen!

Durchlöchert, zerfressen

Rinnen wir aus,

Wir wollen

Hinaus!

Sonst Mord! Sonst Mord!

Raserei

Laßt uns frei!

Laßt uns fort!

Totes Europa

Ist ohne Jugend,

Ach erschlagen

Ist die Jugend.

Offnes Grab,

Kalt und hart,

Narren, Helden,

Entflammte Juden,

Überreste

Erreichen die Wüste!

Im dritten Jahr ist der Gruß Geschrei,

Mattes Ächzen, gestöhnte Qual

Hebt an, stimmt ein!

Im Genick die modernde Faust verhöhnt.

Meiner Freunde zerfressene Augen,

Die zerbrachen im ersten Sturm,

Sind gewandert in jedes Gesicht.

Beinhaus Erde! Es wandeln die Toten.

Du bist mir fremd, da Du noch bist,

Es quillt noch Blut, wenn man Dich sticht,

Wer lebt, ist Mörder, Euch liebe ich nicht.

Du warst mein Freund? So stürze ein,

Geschleift, gestoßen vor ein Gericht

Wollen wir Feindschaft in uns schrein!

Haß, den vereint wir schufen

Als letzten Feind,

Aus Nacht, aus Bett gerufen

Krumm und verweint.

Fremder, mit dem ich ging,

Soll ich Dich schlagen,

Qual, die Dich rings umhing,

Muß ich nun tragen.

Alles liegt da zerdrückt

Kraft, Weichheit, Wut,

Haß, auf den Sinn gezückt,

Haß, Du bist gut.

Auge

Was soll die Furcht vor diesen fremden Augen!

Komisches Grauen wirft mich rücklings hin,

Sie schleppen schwarzes Feuer in den Brauen,

Asche wie Blut betropft das Kinn.

Gehöhlt gezackte Landschaft, hoch zu schauen,

Bergkreuz der Augen: der durchbohrte Sinn,

Er will sich wütend in die Sonne bauen,

Dort steht auf Mauern, brausend, der ich bin.

Jed’ Wesen ist nur Käfig für sein Leid,

Gefüllt mit Tränen, ausgebrannte Kehle,

Nur noch ein Wimmern, weinend, unbefreit.

Faust, brich hernieder in die Augenhöhle,

Spreize die Finger, zerreiße die Seele,

Rasende Faust meiner „herrlichen“ Zeit.

Komme über alle

Starre Wut,

Totes Auge

Und der Glieder Besessenheit.

Dumpf versunken

In der Not Anblick,

Stumm für Zuruf,

Unfähig der Tat.

Nicht sich verlieren

Nur stierend sagen

Hassend kalt sagen:

Da — ist — Mord

Da — ist — Schande

Da — ist — Mord.

Ich weiß nicht mehr

Wie Morgen ist

Und Tag beginnt.

Sind noch die Wasser

Und das Tal,

Mond, dem die Nacht erliegt?

Niemehr kommt Sommer,

Ganz gefangen

Starrt mein Gesicht,

Lauert grausam

Und erwürgt

Die kleine Hoffnung.

Schon tänzelt um mich

Die Dirne

Im Kreis,

Heißer Atem,

Ein Fetzen

Zur Haut.

Werft doch alle

Euch hin

Wo Ihr seid,

Stoßt doch alle

Heraus!

Euer Leid

Im Schrei

Erdrosselt

Die Zeit.

Jungfrau

1

Unmut hängt von der Stirn,

Ich schlage lang in Härte.

Wölfe überfallen mich

Und die drohend erstandene Nacht.

Ich will mich niederwerfen,

Den Kindern kommt Hilfe,

Aber mein Wachstum erstickt,

Ich habe schlecht getan.

Grausamer Traum

Nistet sich ein,

Mit meiner Verhöhnung

Bedeckt sich die Leere.

Ich tat nichts,

Doch trifft mich Schuld.

Trotz und Demut

Einen sich.

2

Das Mal der Gerecktheit,

In die man verfällt

Außer sich trunken,

Ist kein Makel an mir.

Mich zeichnet Erschlaffung

Nach so viel Aufruhr.

Käme der Herr jetzt,

Mich tötete Scham.

Ich verginge.

Vor seiner Güte

Ich müßte knieen.

Ich könnte weinen.

3

Nun bin ich die Herrin der Tänze

Im Kreis meiner Mühe.

Mich durchschreiten die Paare

Am Tag der Vermählung.

Vor so viel Entzücken

Erreicht meine Seele

Einsamen Schmerz,

Ich darf nicht teilen.

Doch kommt das Feuer

An meinen Brunnen,

Ich stürze es in mich

Ohne Abwehr.

Mein Tag

Ist der Tag Gottes,

An dem

Ich ohne Volk bin.

Tahiti

1

In Tahiti kämmen am Meer die Mädchen schweres Haar mit schwankenden Händen,

Zu dem nahen Ton der Muscheln neigen sie die braunen Nacken,

Frucht verheißt des Landes Fülle,

Sonnenfeuer folgt zur Frühe jeder Nacht voll fremder Kühle.

In Tahiti weht der Meerwind weiße Vögel durch die Luft,

Kleine Federn fallen wirbelnd in den flinken Tanz der Kinder,

Zarte Finger, steif vor Vorsicht, fassen die verlornen Flocken,

Weiße Zähne funkeln Freude,

Flache Hände fordern mehr.

Nicht am Tor fragt die Arbeit jeden Morgen,

Aller Traum wird ausgeträumt,

Reif verlangt das Weib zum Manne

Und die Falter fliegen nie vergebens

Und die Feinde fliehen nie einander.

In das Spiel des Alltags klingt die Flöte,

Doch zur Feier tönen weiche Harfen

Von den Ufern Duft der Wasserblumen

Und die leise Fahrt der bunten Kähne,

In den dunklen Wäldern Sturm der Wipfel

Und das Flüstern schlankgewachsner Gräser.

Über Wiesen in Tahiti fließen rieselnd frische Bäche,

Streifen leichte Weidenzweige hauchgebeugt die helle Nässe,

Gelber Sand und grüner Halm fangen wechselnd schmale Füße,

Jeder Blick ermahnt zu bleiben

Jede Ferne treibt zu eilen.

Karge Männer gehen nach einem nimmermüden Werke,

Wenn ihr Steinbeil Stämme fällt

Sehn sie stumm der Frauen Sorgfalt,

Und die Liebe lichter Lieder mischt sich ihrem rauhen Sange.

2
Spruch der Frauen

Solln wir schaun zur Gruft der Fluten

Und des Sturmes Gut ergründen?

Hundert schlug sein Zorn zurück.

Oder solln in weiter Wölbung

Augen wandern, wundersuchend,

Der Gestirne Gang zu folgen?

Soll der Sprung die Glieder tragen

Über Gräben und Gemäuer,

Und der Schlag der Herzen fliegen

Bis wir matt an Eure straffen

Muskelschweren Kniee sinken?

Oder Eure kleinen Söhne

Mit uns nehmen, gehen lehren,

Ihren guten Schlaf bewachen

Und den ahnungslosen Augen

Täglich Ding zu schauen geben?

3
Spruch der Mutter fürs Kind

Sei nicht Führer vieler,

Weiser sei am Weg

Wachsend zwischen Wolken

In den reinsten Himmel.

Suche nicht nach Glück,

Anderen vergönnt

Sei dem Herz kein Sänger,

Wecker sei der Seele.

Sieh nicht ins Gesicht der Welt

Wenn Du schweigst, sind andre stumm,

Und Dein Wort durchstürzt das Fleisch

Un—endlich.

Weich von Elend

Überstürmt von Tod

Halten wir Güte

In geschlossner Faust.

Wir sind so

Wie die Kinder,

Bloß daß wir

Schreiten müssen.

Da steigen uns

Schwere verworrene

Heimlichkeiten

Vor die Sinne.

Die stürzen uns

In Härte,

Sonst frißt uns

Fremde Lockung.

Güte ist kein Weg,

Helfen kann nur Weisung,

Der Führer ist

Geht einsam voran.

Er kennt kein Opfer,

Ihm sticht das Licht

Der eigenen Augen

Erinnerung aus,

Nur im Schlafe

Umrauscht ihn

Eine Ahnung

Kommender Liebe.

Fleisch hat die Augen geschlagen,

Ich muß darein gehn,

Wie soll ich nun sehn?“

„Fleisch wird Dich aufwärts tragen.“

„Da ist der Leib sehr wund,

Verzehrt, schwach und heiß.

Wie wird mein Leib nun weiß?“

„Liebe macht ihn gesund.“

„Doch wer gelangt zu mir

Und reicht bis an ein Ende.

Wer greift an meine Hände?“

Gott ist genug in Dir.“

„Wo find ich seine Zeichen

Und weiß sie zu erfüllen?

Wer kann so hohem Willen

Mit seiner Armut gleichen?“

„Feuer begehrt Dich schwer,

Laß Dich erfassen

Außer allen Maßen

Ist der Geist Dein Herr.

Wachse an diesem Berg,

Wie wirst Du glühend sehn,

Wie wird Dir groß geschehn,

Höchste Lust im Werk.“

Zukunft

1

Der ich schon längst nicht schenke

Aus kleinem Krug an Mensch und Welt,

Wohin es mich auch lenke

Bleibst Du mir immer beigesellt.

Aussend ich wilde Mannheit

Um Deinen milden Frauenleib,

Eingehen mußt Du meiner Zeit,

Zu geben großes Bild vom Weib.

Ich will aus Dir herlesen

Was in der Zeit noch grauend liegt,

Einbrechen in Dein Wesen

Wie man in glühend Eisen biegt.

Gewiß verbirgt Dein guter Schoß

Das Sterben und die ganze Not,

Verschlossen hüpft und riesengroß

In Dir schon unser aller Tod.

Drum laß ich nieder, wo Du bist,

Die müdgespannte Muskellast

O sei Du heilig rein geküßt

Da Du mich eingelassen hast.

2

Die Erde tat am Mond Verrat,

Nun kann ihr keine Obhut sein,

Rot Feuer fällt auf unsere Stadt,

In Trümmern Du und ich allein.

Zweifach durch schwarze Nacht gescheucht

Scharlachentzündet Firmament,

O mein zerschrienes Herz schrill keucht,

Daß mein Gesicht Dich nicht mehr kennt.

Da nimmst Du meinen Kopf an dich,

Aus der unsagbar Edles spricht,

Ins Auge ungeheuerlich

Bricht überströmend neu das Licht.

3

Schwingt Anemonen trunken

Der traumersehnte See,

Die Zeiten sind gesunken,

Aus Blumen bleicht der Schnee.

Die Schädel vieler Leichen

Sind in die Luft gepflanzt,

Auf Feldern ohnegleichen

Wird wundersam getanzt.

Aus Klängen Bäche bluten,

In Eins zuspitzt die Welt,

Aus Lärm und Ruf und Gluten

Wird Heiland neu bestellt.

*

Die jungen Juden haben

Dräuend die Hand gestreckt,

Was ihre Herzen gaben

Hält süß ihn zugedeckt.

Aus ihren Hungergassen

Wächst Jubel langsam auf,

Noch können sie nicht fassen.

Starr geht ihr Blick hinauf.

Doch dann sind sie unbändig

Und Leid bricht rot heraus,

Das schleudern tausendhändig

Sie in die Zeiten aus.

*

Es ist nur ein Gesicht,

Das auf der Erde geht,

Nur einer ist, der spricht,

Jed Wort wird zum Gebet.

Den Schnitter in der Hitze

Springt Grausen geltend an,

Kein Zweiter bleibt, der stütze,

Nicht kennt sich Weib noch Mann.

Gott sind die Menschen alle

Und Auge, das erlischt,

Sie schrein, bereit zum Falle,

Einander ins Gericht.

*

Hört Glockenrasen ragen,

Hell aufgebäumt von Stoß,

Die schuldig sind, sie sagen

Sich voneinander los.

Ein heulend Stürzen nieder

Gepackt von aller Last

Zerspringen ihre Glieder —

Gott hat sie angefaßt.

Die Erde überwehen

Kühler und schwarzer Wind.

Dann bleibt die Erde stehen.

Gott wurde trauernd blind.

*

Schwingt Anemonen trunken

Der traumersehnte See,

Die Zeiten sind versunken,

Aus Blumen bleicht der Schnee.

Still kommen hergefahren

In Nachen singend Lied

Unzählbar Seelenscharen,

Aus denen Himmel blüht.

Sie tragen ihre Helle

An den verwünschten Ort.

Aufnimmt sie Sonnenwelle,

Sie leben herrlich fort!

4

Du gib die überhelle Kraft,

Aus der der Stern der Güte stammt,

Zerspreng die Haft, gib Wissenschaft

Und unermeßlich machtvoll Amt.

Was gab denn Haß, da ich vergaß

Und Liebe, die in Qual verrann,

Wenn ich mich alles des vermaß

Sag an, was blieb mir dann!

Mein Schlaf schwimmt in verzagten Tag

Und ahnt die Ufer nicht,

Wie leicht erlag dem starren Schlag

Mein helles Traumgesicht.

So gib, daß ich der Hüter einst

Nah Deinem Atem bin,

Wenn Gott Du weinst, Licht, wenn Du scheinst,

Wie stürzt da alles selig hin!

Aus dem Dienst

Die weiße Straße führt heraus ins Weite,

Am Wege rasten Schnitter, rufen Grüße,

Sanft steigen Berge nackt aus weichen Wiesen,

Am Felsen hockt Kind Schnee, schwankt hin Gestrüpp,

Mit aufgerissnen Augen blauer See

Singt stille Fahrt und müde Gondellieder.

Den heißen Hals küßt ferner Wind,

Ein Wolkennacken überm Dorf sich stemmt,

Beugt an den Mauern Blumen bunt zu Boden.

Es läuten Glocken, Mittag träumend liegt,

Heim kommen Herden, Kinder knien im Hof;

Am Baum ein Mädchen: Mund und Haar und Erde. —

Schweigende Trauer am Himmel gelehnt

Führe heran deine milden Hände,

Gleite um Schulter kühler Hauch,

In die Augen drücke die Schmerzenlast —

Einhalten die Glieder und ein Wirbel

Stürzt durch dich. Da schreit dein Haupt.

Die Sonne floh, um uns ist Nacht,

Wir sinken eisig in schwarze Starre,

Nur ein Krächzen noch laut,

Dunkeljammernde hasten vorüber —

Drücke, Trauer, mir sanft die Kehle tot:

Atmen kann ich nicht mehr.