The Project Gutenberg EBook of Das Judengrab. Aus Bimbos Seelenwanderungen, by 
Ricarda Huch

This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
almost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away or
re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
with this eBook or online at www.gutenberg.org


Title: Das Judengrab. Aus Bimbos Seelenwanderungen
       Zwei Erzählungen

Author: Ricarda Huch

Release Date: October 1, 2010 [EBook #33827]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS JUDENGRAB ***




Produced by Norbert H. Langkau, Alexander Bauer and the
Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net






Anmerkungen zur Transkription:

Es wurde größte Sorgfalt darauf verwendet den Text originalgetreu zu übertragen. Lediglich offensichtliche Fehler wurden korrigiert. Sämtliche vorgenommenen Änderungen sind markiert, der Originaltext erscheint beim Überfahren mit der Maus. Eine Liste aller Änderungen befindet sich am Ende des Textes.

Das Judengrab
Aus Bimbos Seelenwanderungen

Zwei Erzählungen
von
Ricarda Huch

Verlagslogo

Im Insel-Verlag zu Leipzig

21.–30. Tausend

[Seite 3]

Das Judengrab

In Jeddam gab es nur einen einzigen Juden, der auf folgende Weise dorthin verschlagen war: Seine Frau, mit der ihn treueste Liebe verband, war aus Jeddam gebürtig, und als ihr Vater mit Hinterlassung bedeutender Ländereien starb, war es wünschenswert, daß sie sich zur Regelung ihrer Erbschaft selbst hinbegebe. Mit der Möglichkeit, das Vaterhaus wiederzusehen, erwachte in ihr das Heimweh, und die Familie, die aus Vater, Mutter und zwei kaum erwachsenen Kindern bestand, trat die weite Reise an. Da nun der Ort Jeddam, mit mehr dörflichem als städtischem Charakter, so trotzig und anmutig zwischen mäßig hohen Bergen, reichen Saatfeldern und grünen Geländen lag, die das Flüßchen Melk bewässerte, und da die Frau sich in ihrer vertrauten Kinderheimat so wohl fühlte, willigte der gutmütige Mann ein, ganz und gar überzusiedeln. Er konnte freilich nicht daran denken, das große Gut seiner Frau selbst zu bewirtschaften, sondern stellte dazu einen jungen Verwalter an, während er selbst ein Geschäft in dem Ort eröffnete, wie er es früher betrieben hatte. Da es ein solches in Jeddam bisher nicht gegeben hatte und die Einkäufe in der nächsten größeren Stadt besorgt worden waren, hätte das Geschäft wohl gedeihen können, wenn nicht der Inhaber ein Jude gewesen wäre, von welchem Volke die Bewohner von Jeddam durchaus nichts wissen wollten. Verkauft wurde zwar genug, aber wenig bezahlt, und wenn Herr Samuel die ausstehenden Gelder einklagen wollte, mußte er erleben, daß sich die Behörden seiner nicht annahmen und er höchstens Prozeßkosten [Seite 4] zahlen mußte, ohne zu seinem offenkundigen Recht kommen zu können. Es machte ihm oft Sorgen, was daraus werden sollte, und er wäre gern mit den Seinigen auf und davon gegangen, wenn er gewußt hätte, wie er in dieser feindseligen Umgebung zu seinem Gelde kommen und die Güter seiner Frau ohne zu großen Schaden verkaufen sollte.

Eine Reihe von Jahren ging es so weiter, bis eines Tages Herr Samuel krank wurde und nach dem Arzte im nächsten Städtchen schickte; als er auf seine zweite Bitte, schleunig zu kommen (denn die erste hatte keinerlei Erfolg gehabt), die Antwort erhielt, der Doktor sei sehr beschäftigt und bedaure, dem Rufe nicht Folge leisten zu können, wurde es ihm unheimlich zumute, und er bedachte zum ersten Male gründlich, wie er hier elend sterben und verderben könne. Während die Familie sorgenvoll und ratschlagend um sein Bett herumsaß, sagte er: „Das beste wäre, da ich doch einmal krank bin, wenn ich stürbe, dann könntet ihr unangefochten hier leben und glücklich sein.“ Seine Frau Rosette und die beiden Kinder, Anitza und Emanuel, verwiesen ihm so zu reden, da sie ohne ihn auch im Paradiese nicht glücklich sein könnten, und Herr Ive, der Verwalter, der Anitzas Verlobter war, sagte, daß es auch deshalb unrichtig sei, weil die Bewohner von Jeddam die abtrünnige Frau, die einen Juden geheiratet hatte, und dessen Kinder ebensowenig unter sich leiden möchten wie ihn selber.

„Wie wäre es aber,“ sagte Anitza, „wenn wir dich, Vater, als tot ausgäben und begrüben, während du heimlich in deine Heimat zurückkehrtest, und Ive, als unser natürlicher Freund und Vormund, unsre Angelegenheiten ordnete und uns dann zu dir führte?“

[Seite 5] Herr Samuel wollte anfänglich von solchen Schlichen nichts hören, aber da der Verwalter erklärte, er getraue sich wohl, die Sache zu einem guten Ende zu bringen, und da Frau und Kinder zu dem Abenteuer, mittels dessen zugleich denen von Jeddam ein Streich gespielt wurde, voll Lust und Ungeduld waren, willigte er schließlich ein, es ins Werk zu setzen. Kaum war er wieder einigermaßen hergestellt, als er nächtlicherweile Jeddam verließ; es glückte ihm, unbemerkt zu dem nächsten größeren, am Meere gelegenen Ort zu gelangen, wo er sich einschiffte.

Unterdessen stopften Frau Rosette und Anitza mit Herrn Ives Hilfe einen netten Balg aus, befestigten eine passende Larve mit einem Bart aus Roßhaar vor dem Strohkopfe und legten diese Figur, in ein reinliches Sterbehemd gekleidet, auf Herrn Samuels Bett. Die Larve bedeckten sie mit einem Schnupftuch, doch die wachsenen Hände, die sie der Echtheit und Ähnlichkeit halber mit dem schönen Diamantring geschmückt hatten, den Samuel auf dem Zeigefinger zu tragen pflegte, blieben sichtbar. Der Betrug wäre wohl doch entdeckt worden, wenn das Haus des Juden nicht wie das eines Aussätzigen gemieden worden wäre; als die Nachricht von seinem Tode ausgesprengt war, fehlte es zwar nicht an Neugierigen, aber sie hielten an sich und spähten aus der Ferne, so daß nur die eignen Dienstboten scheu von der Türschwelle aus den künstlichen Leichnam betrachteten.

Demnächst begab sich Herr Ive zum Gemeinderat, um den Tod des Herrn Samuel anzuzeigen und die Beerdigung zu bestellen, wurde dort aber an den Pfarrer verwiesen, der diese Dinge zu erledigen habe. Der Pfarrer war ein Mann mit dichtem, lockigem Haar und kurzer, hölzerner Stirn [Seite 6] über einem breiten Gesicht, für gewöhnlich schweigsam, nicht aus Neigung oder Anlage, sondern weil er nichts zu sagen wußte. Seine großen Augen flackerten ängstlich und bekümmert vor der großen Leere seines Schädels, und er war im ganzen ein mehr hilflos trauriger und unschädlicher Mann als ein bösartiger, außer wenn es sich um gewisse kirchliche Fragen handelte. Sowie nämlich irgendeine Sache vorkam, in der er sein Urteil, sei es auch ein noch so verkehrtes, hatte, und in der er überhaupt maßgebend war, bemächtigte er sich derselben mit Heftigkeit, blähte sich auf und spie Gift gegen alle, die ihm nahe kamen, im unbewußten Drange, sich dafür zu rächen, daß sie ihn so oft als einen unwichtigen, blöden Tölpel unbrauchbar in der Ecke hatten stehen sehen. Als Herr Ive sich bei ihm meldete, wußte er schon, um was es sich handelte, und empfing ihn mit den Worten: „Was gibt es, Herr Ive? Da muß etwas Gewaltiges im Schwange sein, daß Ihr zu mir kommt! Ihr pflegt mich nicht zu überlaufen, weder in meinem Hause, noch im Hause Gottes! Diese Leute bedürfen der Seelsorge nicht; aber jetzt gilt es wohl eine Erbschaft oder eine Heirat, wo sie immer bei der Hand sind!“

Herr Ive entschuldigte sich höflich und sagte, daß er nur den Tod des verstorbenen Herrn Samuel anzeigen wolle, was ihm als Vormund der hinterbliebenen Familie zukomme. „Da habt Ihr Euch ein sauberes Amt ausgelesen,“ sagte der Pfarrer; „wer Pech angreift, besudelt sich, wißt Ihr das nicht? Bleibt mir mit Euerm toten Juden vom Leibe, ich habe nichts damit zu schaffen!“ Herr Ive erklärte, daß der Gemeinderat ihn an den Pfarrer gewiesen hätte, der die Beerdigungsförmlichkeiten samt und sonders zu erledigen [Seite 7] pflegte. „Ja,“ rief der Pfarrer aufbrausend, „die Beerdigungen von Christenmenschen freilich! Den Juden mögen seine Rabbiner und Pharisäer in ihre Erde graben und sich selber dazu, was desto besser für sie und uns wäre.“

Der Herr Pfarrer wüßte wohl, sagte Herr Ive, daß es in Jeddam weder Pharisäer noch Sadduzäer gäbe, noch weniger einen jüdischen Kirchhof, weswegen der Wunsch des Herrn Pfarrers nicht könnte ausgeführt werden; es müßte der verstorbene Samuel wohl oder übel neben den übrigen Bürgern Jeddams bestattet werden. Der Pfarrer zog die schwachen Brauen über den großen rollenden Augen hoch, schlug mit der geballten Faust dreimal auf den Tisch und rief: „Nichts da! Heraus mit Euch! Werft Euern toten Juden wohin Ihr wollt, aber laßt Euch nicht mit ihm auf unserm christlichen Kirchhof blicken!“ Worauf Herr Ive, dem das Blut bereits zu kochen anfing, sich herumdrehte, die Tür laut hinter sich zuschlug und spornstreichs zurück zum Gemeinderat eilte.

Dort gab es ein Köpfezusammenstecken und eiliges Hin- und Herlaufen, bis es Herrn Ive endlich gelang, zum Bürgermeister vorzudringen, der es im allgemeinen nicht liebte, in seinen Geschäften gestört zu werden. Er war ein beleibter Herr, der unter seiner Freundlichkeit äußerste Verachtung der meisten übrigen Menschen verbarg und sich einbildete, seine Stellung als Bürgermeister einzig seiner weltmännischen Gewandtheit und geistigen Überlegenheit zu verdanken. Ihm war alles gleichgültig, außer daß er den Ruf seiner Unfehlbarkeit und seine Beliebtheit nicht einbüßte, und es war deshalb ebenso angenehm, mit ihm zu [Seite 8] verkehren, wie schwer, irgend etwas von ihm zu erreichen und in Gang zu bringen.

Herr Ive erzählte atemlos und heftig, was ihm beim Pfarrer begegnet war, häufig unterbrochen vom Bürgermeister, der sich nach unzähligen Einzelheiten erkundigte, teils um seine sachkundige Gründlichkeit und menschliche Teilnahme zu beweisen, teils um im allgemeinen Zeit zu gewinnen. Als Herr Ive durchaus nichts mehr zur Klärung der Sachlage beizubringen wußte und augenscheinlich auf eine Antwort erpicht war, legte der Bürgermeister den Kopf auf die Seite, faltete die Hände über dem Bauche und sagte nachdenklich: „Schade, schade, daß der Herr Samuel sterben mußte! Ein fleißiger Herr, ein braver Herr, als Familienvater ausgezeichnet und als nützlicher Bürger, aber ein Jude. Unleugbar ein Jude! Er hätte noch eine Weile länger leben dürfen.“

Herr Ive sagte ungeduldig: „Euer Gnaden werden Ihre rühmlich bekannte Gerechtigkeitsliebe beweisen und nicht dulden, daß Leute, die Euer Gnaden selbst als nützliche Bürger bezeichnen, wie faules Obst in den Graben geworfen, anstatt rechtlich begraben werden.“

„Wie faules Obst in den Graben werfen!“ rief der Bürgermeister erschrocken. „Das wäre in der Tat ein Unfug, den ich scharf ahnden würde. Die Geistlichkeit läßt sich oft, wie wir alle wissen, vom frommen Eifer hinreißen, allein das bürgerliche Haupt der Gemeinde folgt unbestechlich der Gerechtigkeit. Es soll mir nimmermehr ein verstorbener Jude, der tugendhaft gelebt hat, wie faules Obst auf der Gasse liegen!“

So würde, fragte Herr Ive, der Bürgermeister Befehl [Seite 9] geben, daß der Verstorbene schicklich auf dem allgemeinen Friedhof beerdigt würde. Das würde er freilich, antwortete jener, nachdem er zuvor die Herren Gemeinderäte versammelt und ihre Meinung eingeholt hätte: „Denn“, sagte er lächelnd, „den Tyrannen möchte ich nicht spielen, gerade weil ich es könnte.“

Herr Ive mußte sich bescheiden, unverrichteter Sache heimzukehren, und eilte zur Familie des Samuel, um von dem Vorgefallenen Bericht zu erstatten. Er hatte im Laufe der Verhandlungen fast vergessen, daß sein Schwiegervater nicht in Wirklichkeit tot war, wie er aber zu Hause die vergnügten Gesichter sah, kam es ihm wieder zur Besinnung, und er mußte lachen, daß der Pfarrer sich dermaßen über eine Sache erhitzt hatte, die nur in der Einbildung bestand. Die zierliche Anitza warf sich auf einen Teppich und lachte lautlos in ein Kissen, so daß ihr die Tränen über das Gesicht liefen, aber ihre Mutter, eine hohe, kräftige Frau, die nicht mit sich spaßen ließ, stand auf und sagte: „Ive, du bist gut, aber du hast einen Lammsmut, du verstehst mit diesen Leuten nicht umzugehen, die man nicht höflich, sondern grob und unverschämt, wie sie selber sind, behandeln muß. Du wirst bescheiden vor der Tür gestanden und um Erlaubnis gefragt haben, anstatt zu sagen: ‚Kurz und gut, morgen begraben wir meinen Schwiegervater, und wer sich mir in den Weg stellt, dem zerschmettere ich mit diesen Fäusten die Knochen zu Butter.‘“

„Ich habe mich so fest und entschlossen benommen, wie ich glaube, daß ein Mann soll,“ sagte Herr Ive, dessen helles, hübsches Gesicht über und über rot geworden war, als ihm Zaghaftigkeit vorgeworfen wurde. „Wenn es nötig [Seite 10] ist, kann ich auch dreinschlagen, doch ich dachte, es wäre dazu immer noch Zeit.“

Der junge Emanuel sagte: „Mama, die Leute haben im Grunde ganz recht. Auf einen christlichen Kirchhof gehören Christen, auf einen jüdischen Juden. Die Frage ist nicht so leicht zu entwirren, wie du dir einbildest.“

Nun loderte Frau Rosette in lichtem Zorne auf und rief: „Geh mir mit deinen Spitzfindigkeiten! Dein Vater ist kein Dieb oder Mörder, sondern ein besserer Mann als alle die Ochsenköpfe von Jeddam, die froh sein können, einen solchen auf ihrem Friedhof begraben zu dürfen. Glaubst du, sie würden dich und mich und Anitza, obwohl wir gut katholische Christen sind, achtungsvoller behandeln? Sie würden uns auch in das erste beste Loch werfen; aber sie haben sich in mir verrechnet. Ich nehme es mit andern Leuten auf als mit dem hohlköpfigen Pfarrer und dem windigen Bürgermeister.“

Anitza klatschte vor Vergnügen in die Hände und sagte zu ihrem Bruder: „Mama möchte, daß wir beide stürben, nur damit sie uns dem Pfarrer zum Tort ein christliches Begräbnis herrichten könnte!“ Und Emanuel, der es liebte, seine Mutter zu necken, sagte: „Frau und Kinder gehen nach des Vaters Seite, und ich bezweifle, ob wir das Recht haben, uns auf dem Jeddamer Friedhof beerdigen zu lassen.“

„Gelbschnabel!“ rief seine Mutter. „Meine Urgroßväter, Großväter und mein Vater sind hier begraben, und ich möchte den sehen, der mich hindern kann, an ihrer Seite zu liegen. Ich gehe bis zum Kaiser, wenn es nötig ist, um diesen Prahlhänsen zu zeigen, wo ich mich begraben lassen kann!“

Es gelang Herrn Ive, die zürnende Frau zu bewegen, [Seite 11] daß sie den Bescheid abwartete, den er jetzt vom Gemeinderate bekommen würde, und er machte sich alsbald auf, um denselben in Empfang zu nehmen. Ehe er in das Beratungszimmer geführt wurde, wo sich unter den übrigen Herren auch der Pfarrer befand, sagte der Bürgermeister: „Es kommt mir nicht in den Sinn, nach Tyrannenweise das Recht zu beugen, und daß dem Rechte nach kein Jude auf unserm christlichen Gottesacker bestattet werden darf, sehe ich ein; doch halte ich mich gern an den alten lateinischen Spruch, der besagt, daß man zwar unerschütterlich im Handeln, aber gefällig und lieblich in der Form sein soll, und werde deshalb dem jungen Manne den abschlägigen Bescheid so sanft wie möglich eingehen lassen.“

Als hierauf Herr Ive vorgelassen wurde, empfing er ihn mit wohlwollenden Blicken, streichelte kosend über das Protokollpapier, das vor ihm lag, und sagte: „Sie sind ein geschätzter Mitbürger, Herr Ive, auch der verstorbene Herr Samuel war es, soweit er Bürger war, als Bekenner stand er mir fern. Sagen Sie selbst, gibt es eine jüdische Gemeinde hier?“

Diese Frage konnte Herr Ive nicht anders als mit nein! beantworten, worauf der Bürgermeister fortfuhr: „Es gibt hier keine jüdische Gemeinde, oder, was dasselbe sagen will, keine Juden. Gibt es aber keine Juden hier, so gibt es auch keinen Juden, und so hat auch Herr Samuel, der ein Jude war, im rechtlichen Sinne niemals hier existiert. Seine Familie mag ihn beweinen, seine Freunde, ja alle fühlenden Herzen mögen seinen Hinschied betrauern, die Gemeinde als solche muß ihn als nie dagewesen betrachten und kann ihn infolgedessen auch nicht begraben.“

[Seite 12] „So bitte ich den Herrn Bürgermeister, mir zu sagen,“ rief Herr Ive drohend, „wo ich ihn begraben soll, denn begraben muß er doch einmal werden.“

„Das wäre zu wünschen,“ sagte der Bürgermeister, „und es sei ferne von mir, den Hinterbliebenen darin auch nur das geringste in den Weg zu legen. Nur den christlichen Gottesacker bitte ich auszunehmen, und daß innerhalb der Stadtgrenzen kein Toter sich aufhalten darf, ist Ihnen sowie jedermann bekannt.“

Jetzt aber war es mit Herrn Ives Geduld zu Ende, und indem ihm das Blut heiß in die Wangen schoß, rief er: „Wenn ihr den lebenden Juden unter euch dulden konntet, werdet ihr auch den toten ertragen. Ich verlange kein Geläut und kein Geplärr und Gezeter an seinem Grabe, aber ein Fleckchen Erde, wo er ruhig liegen kann, das soll er trotz euch haben. Laßt es euch gesagt sein, daß ich ihn morgen selber auf den Kirchhof bringen und jeden niederschlagen werde, der mich dabei stören will.“

Diese groben Worte entzündeten ein heftiges Wortgemenge, das durch den plötzlichen Eintritt Frau Rosettens unterbrochen wurde, die, des Wartens überdrüssig, selbst gekommen war, um mit ein paar kernigen Worten die Leute zur Vernunft und die Sache zu Ende zu bringen. Als sie in großer Majestät, vom Kopf bis zu den Schuhen in Schwarz gekleidet, auf der Schwelle stand, verstummten alle, und der Bürgermeister beeilte sich, ihr entgegenzugehen und einige Worte des Beileids zu sprechen. „Laßt die Phrasen, Herr Bürgermeister,“ sagte sie abwehrend, „auf die ich keinen Wert lege. Ich verlange von Euch nichts als mein Recht, ich will meinen Mann auf den Kirchhof [Seite 13] bringen, wo mir Vater und Mutter, Großväter und Urgroßväter ruhen, und darin verlange ich von Euch mehr unterstützt als behindert zu werden.“

„Euer verewigter Vater war mein geschätzter Freund,“ sagte der Bürgermeister, indem er sich mit einem großen buntseidenen Taschentuche den Schweiß von der Stirn wischte, „und sein Grab gereicht unserm Gottesacker zur Ehre. Er war ein guter Bürger und ein guter Christ, und mehr braucht es nicht, um in Jeddam gut aufgenommen und begraben zu werden.“

„So denke ich,“ sagte Frau Rosette, sich stolz umsehend, „daß ich diese Ehre verdiene. Ich wünsche aber, was niemand einem christlichen Eheweibe verargen wird, dereinst an meines Gatten Seite zu ruhen.“

Der Bürgermeister trocknete sich den Angstschweiß ab und besann sich, welche Gelegenheit der Pfarrer, der sich nur ungern das Wort so lange hatte nehmen lassen, ergriff und losfuhr: „Bückt ihr euch vor dieser stolzen und abgöttischen Jesebel? Du hast einen Greuel in deine Familie und unsre Gemeinde gebracht, Weib, aber auf unsern Friedhof sollst du ihn nicht bringen. Es gibt genug Kehricht auf der Erde, wohin ihr eure ungläubigen Knochen werfen könnt, unserm heiligen Gottesgarten sollen sie fernbleiben!“

Frau Rosette trat dicht an den Pfarrer heran und sagte: „Höre du, ich mache mir zwar keine Ehre daraus, zwischen euern hohlen Gerippen begraben zu liegen, aber mein angeborenes und angestammtes Recht lasse ich mir von euch nicht rauben und möchte gleich auf dem Flecke sterben, damit ihr mit ansehen müßtet, wie ich auf euern Schutthaufen Einzug halte.“

[Seite 14] Die Anzüglichkeit der Frau Rosette hatte auch die übrigen Gemeinderäte in Zorn versetzt, von denen einer sagte: „Die Frau eines Juden hat keinerlei Recht mehr in Jeddam.“

„Ja, ich hätte meine Mitgift einem von euch hungrigen Bären bringen sollen!“ höhnte sie.

„Besser ein Bär als ein Schwein!“ rief ein andrer; denn so pflegte man die Juden in Jeddam zu nennen.

Frau Rosette erbleichte und sagte: „Du mußt wohl ein Hund sein, daß du einen edeln Toten beschimpfst.“ Dann legte sie eine Hand auf Herrn Ives Arm und sagte, indem sie ihn mit sich zog: „Komm, wir werden uns selber helfen.“

Während der Bürgermeister auseinandersetzte, daß der Weise und Weltmann nicht schimpfe, sondern fest und gelinde auf dem Buchstaben des Rechtes beharre, trug der Pfarrer Sorge, daß die übermütige Frau Rosette ihren Samuel nicht insgeheim in den Kirchhof einschmuggelte.

Das war diese allerdings willens, aber nicht verstohlenerweise, sondern öffentlich und prächtig, am hellen Tage, indem sie darauf rechnete, daß man es nicht zu einer Prügelei auf dem Kirchhof würde kommen lassen. Der Pfarrer hatte aber noch zur rechten Zeit eine Menge von Bauern versammelt und zu ihnen gesagt: „Kinder, der tote Jude wird unsre gute Erde verpesten! Leidet es nicht! Mag er draußen auf dem Felde liegen, wo es nur Raben und Krähen gibt! Wenn ihr nicht auf der Hut seid, werdet ihr Gift und Pestilenz und Viehseuche haben!“ Die Folge davon war, daß die Knechte, die den Sarg mit dem künstlichen Samuel trugen, die Kirchhofpforte verrammelt und von feindseligen Bauern besetzt fanden, die ihnen den Eingang wehrten. Frau Rosette, Herr Ive und die Kinder, die in einem [Seite 15] offenen Wagen folgten, sahen voll Erstaunen, wie sich ein tüchtiges Handgemenge entspann, in dem ihre Knechte bald den kürzeren zogen, da sie bedeutend in der Minderzahl waren. Herr Ive verfolgte den Kampf eine Weile mit dem Kennerblick eines jungen Straßenbuben und wachsender Ungeduld, bis er schließlich nicht mehr an sich zu halten vermochte, aus dem Wagen sprang, die Jacke abwarf und sich mit einem lauten, schnalzenden Schrei unter die Prügelnden mischte. Emanuel, dessen dunkle Augen vor Kampflust feucht geworden waren, schickte sich an, es seinem Schwager nachzutun, und die Mutter hatte Mühe, ihn festzuhalten und Anitzas Heiterkeit, die sich ihrer beim Anblick des tapfer ringenden Bräutigams bemächtigt hatte, durch Zupfen, Winken und Warnen in etwas zu mäßigen. Ihren Schwiegersohn sah Frau Rosette zwar mit Genugtuung und Billigung im Kampfgewühl, dennoch bat sie ihn, angesichts der immer wachsenden Zahl seiner Gegner, für heute abzustehen, da man mit so geringen Streitkräften nicht hoffen könne, den Sieg davonzutragen. Herr Ive, da er einmal im Raufen war, hörte nur ungern auf, doch sah er ein, daß seine Schwiegermutter recht hatte, und führte die Familie unter hellem Übermut der Kinder und prasselndem Zornfeuer Frau Rosettens nach Hause zurück.

Die Zurückgebliebenen prügelten sich weiter und waren so eifrig dabei, daß es der Gemeindepolizei kaum gelang, sie bei einbrechender Nacht auseinander zu treiben. Dieser Auflauf machte den Bürgermeister und mehrere Herren vom Rate so bedenklich, daß sie sich nochmals in einem verschwiegenen Zimmer des Wirtshauses, das öfter zu wichtigen Beratschlagungen diente, versammelten, um [Seite 16] einen gütlichen Ausweg dieser heiklen Angelegenheit zu finden.

„Es ist nicht zu leugnen,“ begann der Bürgermeister freundlich, indem er tändelnd den Deckel seines Bierkrugs auf- und zuklappte, „daß ein toter Mensch irgendwo begraben werden sollte. Auch kann man der Frau Rosette nicht zumuten, daß sie ihren verstorbenen Gatten zwischen ihren Getreidefeldern und Kartoffeläckern beerdigt.“

„Beileibe nicht!“ rief der Pfarrer drohend. „Soll er unsern christlichen Erdboden verpesten? Hinaus mit ihm! Weit weg mit ihm! Werden doch auch die toten Pferde und Hunde da draußen eingescharrt.“

Der Bürgermeister klapperte sinnend mit seinem Deckel und sagte: „Ich gebe zu, Ehrwürden, daß ein Jude kein Christ ist, sollte er aber deswegen unter die Tiere fallen?“

Hieran knüpfte sich eine längere Beratung, und nachdem in dieser Weise genugsam hin und her gestritten war, machte einer der Gemeinderäte folgenden Vorschlag: „Es wird den Herren bekannt sein,“ sagte er, „daß wir in einer Ecke des Kirchhofes, wo wildes Unkraut wächst und der Totengräber zu keiner Pflege und Säuberung verpflichtet ist, die kleinen Kinder begraben, die totgeboren wurden oder gleich nach der Geburt starben, so daß sie leider die heilige Taufe nicht empfangen konnten. Diese scheinen mir insofern mit dem Juden vergleichbar, als sie, wie er, ungetauft sind, und es dünkt mich deshalb nicht unschicklich, wenn man ihn dort in aller Stille vergrübe.“

Der Bürgermeister wollte eben einen mäßigen Beifall dieses Vorschlages laut werden lassen, als der Pfarrer, die Hände über dem Kopfe zusammenschlagend, ausrief: „Wo [Seite 17] ist euer Christentum? Ihr schwatzt wie Heiden und Türken daher! Wißt ihr nicht, daß die vor und während der Geburt gestorbenen Christenkinder Engel sind? Kleine Engelkinder, die ihre schwarzen Augen niemals aufgetan und durch den Anblick unsrer häßlichen Erde getrübt haben! die mit ihren kleinen Rosenfüßen niemals den Dreck berührt haben, durch den wir waten! Auf der Schwelle unsers Lebens haben sie die Flügel geschüttelt und sind wieder davongeflogen in den Himmel.“

Hier fing der Pfarrer, der die kleinen Kinder zärtlich liebte, an zu weinen, und auch einige Gemeinderäte wischten sich die Augen, indessen der Bürgermeister sagte: „Es bleibt den Kindern unbenommen, in den Himmel zu fliegen, und dem Juden, in die Hölle zu fahren, nichtsdestoweniger sind sie vom bürgerlichen Standpunkte aus alle ungetauft, und es scheint mir daher billig und recht, daß sie am selben Orte begraben werden.“ Er fürchtete nämlich die große und behäbige Verwandtschaft Frau Rosettens, die sich zwar um Herrn Samuel wenig bekümmert hatte, von der es aber doch anzunehmen war, daß sie die Kränkung einer von ihrer Sippschaft übel vermerken würde.

Der Pfarrer konnte gegen den Gemeinderat, der einmütig war, nichts ausrichten, machte sich aber an das Volk, stellte ihm die Unbill vor, die ihm angetan werden sollte, und ermunterte es, dieselbe in Gottes Namen mit Fäusten abzuwehren. „Würdet ihr ruhig zusehen,“ rief er, „wenn man einen Wolf in euern Schafstall ließe? Und sie wollen einen falschen Judas zwischen eure unschuldigen Kinder legen, die am Throne der Dreieinigkeit für arme Sünder beten. Pestilenz! Feuersbrunst! Wassernot! Kriegsnot [Seite 18] und Hungersnot werden über euch kommen, wenn ihr zulaßt, daß der heilige Gottesacker durch diesen Verräter vergiftet wird.“

Die Bürger von Jeddam ließen sich dies nicht zweimal sagen, rotteten sich zusammen und schwuren, jedweden totzuschlagen, der den toten Samuel auf ihren Friedhof bringen würde. Am furchtbarsten unter den Aufwieglern war ein Großbauer namens Pomilko, ein hünengroßer Mann mit dickem Kopf und weißblonden Haaren, der mit seinem Gefolge von Angehörigen, Verwandten, Abhängigen und Knechten das ganze Gemeinwesen hätte über den Haufen werfen können. Pomilko hatte vor kurzem eine zweite Frau genommen, die ihm ein totes Kind geboren hatte. Demselben hatte er zwar keinen Blick geschenkt, sondern, als ihm die Botschaft gebracht worden war, hatte er sich fluchend und zähneknirschend aufs Feld begeben und sich zwei Tage lang nicht im Hause blicken lassen; jedoch sah er es als eine gröbliche Ehrenkränkung an, daß ein Jude in der Nähe seines Sprößlings begraben sein sollte, und er erklärte laut, er fürchte weder den Bürgermeister noch den Kaiser und würde diesen zeigen, was Pomilko vermöchte, wenn sie sich ihn zu beleidigen getrauten. Er hatte aus erster Ehe eine erwachsene Tochter namens Sorka, ein großes, starkes Mädchen mit kecken, blitzenden Augen, einem feinen Munde und Zähnen, die fest wie Kieselsteine und gelbglänzend wie Marmor waren. Als das Mädchen hörte, daß eine Stiefmutter ins Haus ziehen sollte, erklärte sie dem Vater, sie wolle das nicht leiden, er möchte davon abstehen, was ihn bewog, die Heirat um so schneller zu vollziehen. Als Sorka beim ersten gemeinsamen Mittagsmahle fehlte, der Vater [Seite 19] sie hereinrief und die Stiefmutter ihr mit saurer Miene die Suppe in den Teller füllte, schob Sorka denselben so heftig zurück, daß das reine Tischtuch über und über bespritzt wurde, sagte: „Ich esse nicht, was du gekocht hast!“ und schaute dem Vater und seiner Frau herausfordernd und mit verhaltenem Frohlocken ins Gesicht. „So magst du hungern,“ rief der Vater zornig, „andre Speise gibt es hier für dich nicht!“ Sorka lachte und sagte: „Lieber such ich mir selbst mein Brot,“ und zog stracks mit einem Bündel Habseligkeiten aus dem Hause.

Sie nahm, da sie nicht gleich etwas andres fand, bei einem kleinen Bauer einen Dienst an und hatte bald eine Liebschaft mit dessen Sohn, was der Vater, der alte Darinko, geschehen ließ, weil er wußte, daß Pomilko seiner Tochter ihr mütterliches Erbe nicht vorenthalten konnte. Diese Vorgänge hatten den Pomilko mit übler Laune, Ärger, Zorn und Rachsucht ganz angefüllt, weshalb er die Gelegenheit, zu zanken, zu raufen und allenfalls jemand totzuschlagen, sogleich ergriffen hatte.

Der Bürgermeister konnte sich nicht verhehlen, daß eine förmliche Revolution im Anzuge sei, und in seiner Verlegenheit hielt er eine Ansprache an das Volk, er würde die Frage wegen des Judengrabes Seiner Majestät dem Kaiser zur Entscheidung vorlegen, inzwischen möchten sie ihren Geschäften nachgehen und sich still verhalten, das Gemeinwesen ruhe sicher in seinen Händen. In Wirklichkeit begab er sich nicht zum Kaiser, sondern zu dem Kommandanten einer Garnison, die im nächsten Orte lag, und dieser erklärte sich vollständig damit einverstanden, daß Herr Samuel in jener Ecke des Jeddamer Kirchhofes, wo die ungetauften [Seite 20] Kinder lägen, beerdigt würde, bewilligte auch dem Bürgermeister eine kleine Abteilung Soldaten für den Fall, daß bei der Bestattung Ruhestörungen vorkämen.

Es wurde nun der Frau Rosette mitgeteilt, wo und wie sie ihren Gemahl beerdigen dürfe, und sie wurde zugleich ersucht, das Begräbnis bei Nacht vor sich gehen zu lassen, damit Ärgernis vermieden würde. Frau Rosettens Stolz wurde dadurch zwar nicht ganz befriedigt, doch sagte sie sich, daß es sich eigentlich nicht um ihren Samuel, sondern nur um eine nachgemachte Puppe handle, und daß sie froh sein müsse, wenn die Schwindelei so bald wie möglich von der Erde verschwände, und versprach infolgedessen, sich gemäß der empfangenen Weisung zu verhalten.

Die Bürger von Jeddam hatten angesichts der Soldaten beschlossen, sich in diese Sache nicht mehr zu mischen, hielten sich aber während des Begräbnisses in den Häusern, da sie es doch nicht anständig fanden, gegenwärtig zu sein und keinen Tumult zu veranstalten. Es trabte also der schwarzverhangene Wagen durch die stille Mitternacht, als wäre das Dorf durch Zauberei gebannt oder versteinert, und nichts war hörbar als das Trotten der Pferde, das Rollen der Räder und das leise Schwatzen von Frau Rosette und Herrn Ive, die im leichten Gefährt dem Sarge folgten. Mit Hilfe des Totengräbers wurde der vermeintliche Samuel aufs Geratewohl in jene verwilderte Ecke gestopft, worauf die Familie, die unterdessen schon die Koffer gepackt hatte, sich schleunig auf die Reise begab, um sich mit dem Vater wieder zu vereinigen. Herr Ive blieb einstweilen wegen der Angelegenheiten, um derentwillen der ganze Betrug angezettelt war, in Jeddam zurück.

[Seite 21] Dort war aber der Kampf noch keineswegs beendet. Es fanden sich nämlich am Tage nach dem Begräbnis auf der Kirchhofmauer, da, wo die ungetauften Kinder lagen, allerlei fürwitzige Inschriften angemalt, wie zum Beispiel: Hier ist Schweinemarkt! oder: Misthaufen von Jeddam! oder: Kehrichthof! und andre Witze dieser Art, was bald zu den Ohren der Leute kam, die Kinder an dieser Stelle begraben hatten. An die Spitze der Beleidigten stellte sich der mächtige Pomilko, dem es ohnehin lieber war, auf seiten der Regierung zu stehen, und der nicht zweifelte, daß der alte Darinko, bei dem sich seine Tochter befand, ihm diese Beschimpfung angetan hätte. Dadurch wurde dieser das Haupt einer geistlichen Partei, die fortfuhr, gegen die Anwesenheit des verstorbenen Samuel auf dem Kirchhof zu meutern; er leugnete zwar, die Inschriften an der Mauer verfaßt zu haben, war es aber übrigens wohl zufrieden, aus seiner ärmlichen Bedeutungslosigkeit herausgerissen zu sein, und raufte und hetzte fröhlich unter dem Schutze der Kirche und des Pfarrers. Allmählich geriet der tote Jude, der die Ursache des langwierigen Kampfes gewesen war, bei den beiden Rotten in Vergessenheit, und sie benutzten die Gelegenheit, um allerlei alten Hader auszufechten, taten sich alle erdenklichen Übel an, und es gab so viel blutige Köpfe, gebrochene Gliedmaßen und brennende Scheuern, daß Ärzte, Bader, Polizei und Löschmannschaft Tag und Nacht vollauf zu tun und zu laufen hatten. Der Bürgermeister hätte gern zum Pomilko gehalten, der der mächtigste und begütertste unter den Bauern war und zudem die gerechte Sache vertrat, allein die geistliche Partei war bei weitem zahlreicher, so daß er es mit dieser auch nicht [Seite 22] verderben wollte. Der Pfarrer war trunken vom Gefühl seiner Wichtigkeit und triumphierte außer sich: „Feuer ist da! Brand ist da! Vatermord und Brudermord ist da! Habe ich es nicht prophezeit? Habe ich euch nicht gewarnt? Jeddam ist verpestet! Durch Unglauben ist es verpestet! Heraus mit der Eiterbeule von Jeddam! Heraus mit dem ungetauften Gebein aus Jeddam, oder wir werden alle verderben! Kinder, wir werden alle verderben!“ Und er weinte, weil er durchaus nicht mehr zweifelte, daß es wirklich so wäre. Der Bürgermeister bat ihn, gleichfalls unter Tränen, dergleichen aufreizende Reden zu unterlassen und lieber das wütende Heer zu beruhigen, aber er brachte den Pfarrer dadurch nur noch mehr auf, der entrüstet sagte, er würde seinen Gott nicht verkaufen und wenn man ihm hundert Goldgulden dafür böte.

Vielleicht wäre Jeddam in Blut und Flammen untergegangen, wenn sich der Bürgermeister nicht aufgemacht hätte, um noch einmal die Hilfe des Kommandanten in Anspruch zu nehmen. Die Nachricht, daß der Kaiser an der Spitze eines Regimentes daherziehe und die Aufrührer niederschmettern würde, verbreitete lähmenden Schrecken, und einer nach dem andern schlich sich nach Hause und an seine Arbeit.

„Darinko,“ sagte der Pfarrer an diesem Tage zum Sohne des kleinen Bauern, der an der Spitze der geistlichen Partei gestanden hatte, „ich verspreche dir, daß du Sorka heiraten und ihr Erbe ungeschmälert erhalten wirst, wenn du diese Nacht auf den Kirchhof gehst, den Samuel ausgräbst und in die Melk wirfst.“

„Das will ich wohl tun,“ sagte der junge Darinko, [Seite 23] „und ich wundere mich, daß wir es nicht schon längst getan haben.“

„Tu es heute,“ sagte der Pfarrer, „und es wird dich nicht gereuen,“ was alles Darinko der Sorka getreulich wieder erzählte. Sorka erklärte, dem Geliebten in diesem Unternehmen beistehen zu wollen, da es für ihn allein eine schwierige Sache gewesen wäre, denn er mußte sich mit vielen Werkzeugen versehen, nicht nur um das Grab, sondern auch um den schweren Sarg aus Eichenholz zu öffnen, den er nicht bis zum Flusse hätte tragen können. Als es völlig Nacht und rings alles still war, stahlen sie sich aus dem väterlichen Hof und machten sich auf den Weg. Es war eine lange und harte Arbeit, das Grab des Samuel zu finden, das auf keinerlei Art bezeichnet war, und sie mußten graben und wühlen, daß ihnen der Schweiß von der Stirne troff, bis sie endlich auf den großen Sarg stießen, den sie als den richtigen erkannten. Sie atmeten erleichtert auf, und da sie noch eine Weile Zeit hatten, kauerten sie sich nebeneinander auf die aufgeworfene Erde nieder, und Sorka holte Brot, Käse und eine Flasche Bier hervor, die sie zur Stärkung mitgenommen hatte. Ohnehin vergnügt über die Aussicht auf die Heirat, die ihnen der Pfarrer eröffnet hatte, teilten sie das Essen miteinander, faßten sich bei den Händen und küßten sich, und Sorka sagte: „Meinetwegen hätte der alte Jude hier können liegen bleiben, der Stiefmutter zum Tort.“

„War sie wirklich so schrecklich böse?“ fragte Darinko neugierig.

„Sie war nicht böser als ich,“ sagte Sorka, „aber ich mochte sie nicht leiden, und darum bin ich weggelaufen und [Seite 24] lache, wenn sie sich ärgert,“ und sie lachte, daß ihre gelben Zähne glänzten.

Sie hatten inzwischen die Arbeit wieder aufgenommen und machten sich daran, den Sarg zu öffnen, was um so schwieriger war, als sie sich bemühen mußten, so wenig Lärm wie möglich dabei zu machen. Als es gelungen war, hielt Darinko einen Augenblick inne und sagte: „Jetzt kommt das schwerste Geschäft; es ist dunkle Mitternacht, und wir sind ganz allein.“ Sorka sah ihn listig an und sagte: „Fürchtest du dich? Hast du dich doch nicht gefürchtet, als du mir den ersten Kuß gabst, und ich hätte dir doch ebensogut eine Ohrfeige geben können wie der tote Jude?“

Darinko fühlte seinen Mut durch die Erinnerung an dieses Heldenstück neu belebt, schlug den Deckel zurück und faßte den, der im Sarge lag, um den Leib, in der Absicht, geschwind, ohne ihn anzusehen, mit ihm davonzulaufen und ihn in die Melk zu werfen. Kaum hatte er ihn aber gefaßt, als er ihn mit einem Schrei wieder fallen ließ, etwas so Unerwartetes und Unheimliches war es, den Strohbalg zu berühren. Sorka lachte hell auf über die Bangigkeit des Darinko und beugte sich über die zusammengefallene Puppe, um zu sehen, was es da Fürchterliches gäbe. Als sie inne wurden, daß sie wirklich nur eine ausgestopfte Figur mit Larve und Wachshänden vor sich hatten, blieb dem Darinko vor Erstaunen der Mund offen stehen, während Sorka so unmäßig lachte, daß sie sich auf die Erde werfen und hin und her wälzen mußte. „Was kann das bedeuten?“ fragte endlich Darinko, der unsicher war, ob es sich vielleicht um eine zauberhafte Verwandlung oder sonst eine höllische Kunst handelte. „Was geht das uns an?“ sagte Sorka. [Seite 25] „Wir können keinen andern Samuel in die Melk werfen als den, den wir gefunden haben; ob es der richtige ist, das ist nicht unsre Sache.“ Sie war unterdessen aufgestanden und untersuchte die Puppe eifrig unter fortwährendem Gelächter, wobei sie denn auch den herrlichen Diamantring entdeckte, der noch am Zeigefinger der einen Wachshand saß, sei es, daß Frau Rosette ihn vergessen hatte, oder daß sie ihn absichtlich als ein freiwilliges Opfer zum glücklichen Ausgang des dreisten Abenteuers hatte mit begraben lassen. Jetzt erschrak auch Sorka und fuhr zurück im Gedanken, es könnte hier Gott weiß was für eine Teufelsschlinge verborgen sein; doch gewöhnte sie sich schnell an die Seltsamkeit und kam zu der Überzeugung, der Ring sei ein kostbarer Ring und nichts weiter, den sie mit Fug und Recht als Belohnung für ihre Arbeit an sich nehmen und für sich behalten könnten. Sie bemächtigten sich des Ringes, gaben sich gegenseitig das Wort, über ihre Entdeckungen gegen jedermann zu schweigen, und fast berauscht vor Glückseligkeit kugelten und tummelten sie sich noch eine geraume Weile auf dem nächtlichen Friedhof; dann schleppte Darinko den Balg in die Melk, während Sorka den leeren Sarg wieder eingrub, die Erde darüberschaufelte und alles so machte, wie es zuvor gewesen war.

Die Soldaten, die am andern Tage in Jeddam einrückten, fanden nichts mehr zu tun, und da die Rädelsführer bei den verschiedenen Brandstiftungen, Raufereien und andern Missetaten schwer festzustellen waren, kam es auch nicht zu erheblichen Bestrafungen.

Nach einiger Zeit, als in weiter Ferne der arglose Herr Samuel, dem die Familie die Vorfälle in Jeddam verschwiegen [Seite 26] hatte, damit er sich nicht etwa eine Kränkung daraus zöge, das gute alte häßliche Gesicht von Wiedersehensfreude glänzend, seine Lieben in die Arme schloß, saß der Pfarrer von Jeddam beim Bürgermeister zu Tisch, und der letztere sagte: „Jedermann weiß, daß Ehrwürden in der Theologie und allen Dingen der Gottesfurcht weiser sind als meine Wenigkeit. Doch kann ich die Bemerkung nicht unterdrücken, daß Pestilenz, Feuersbrunst und Kriegsnot vorüber sind, seit die Soldaten bei uns einrückten, wiewohl der tote Samuel nach wie vor inmitten der ungetauften Kinder begraben liegt.“

„Das tut er bei Gott nicht,“ triumphierte der Pfarrer und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß es klirrte. „In der Nacht, ehe die Soldaten kamen, habe ich ihn ausgraben und in die Melk werfen lassen, die ihn wohl längst ins Meer geschwemmt hat, wo er bei Fischen und anderm Unrat liegen bleiben mag.“

Der Bürgermeister war so verblüfft, daß er nicht wußte, ob er lachen oder zornig werden sollte. „Meint Ihr wirklich,“ fragte er endlich, „daß das die Ursache ist, warum Frieden und Wohlergehen wieder bei uns eingekehrt sind?“

„Was sonst?“ rief der Pfarrer; „unser Gemeinwesen war in großer Gefahr, und ich habe es gerettet, doch prahle ich nicht laut damit, sondern gebe Gott die Ehre.“ Und er erhob das volle Weinglas und hielt es dem Bürgermeister zum Anstoßen hin, der, obwohl ihn seine Niederlage wurmte, es für das Feinste hielt, zu schweigen und zu trinken.


[Seite 27]

Aus Bimbos Seelenwanderungen

Fragment

Vor mehreren Jahrhunderten, erzählte Bimbo, war ich der Sohn eines Scharfrichters in einer kleinen Stadt des Nordens. Damals war dieselbe frei und mächtig, ein kleines Reich für sich, nur daß der römische Kaiser noch einige Titular- und Ehrenrechte darin besaß, die ein Burgvogt mit Schall und Gepränge, aber ohne etwas Wesentliches zu bedeuten und vermögen, vertrat. Mein Vater, obgleich er der Scharfrichter war, dem niemand die Hand reichen mochte, ohne sich mit unauslöschlicher Schmach zu beflecken, war der allerschönste Mann im Lande und glich der furchtbaren Waffe, die er führte; denn er war groß, gerade und schlank wie ein Schwert, mit schneidenden Blicken im Auge, und seine Bewegungen, wenn er sich einmal bewegte, waren wie sicher treffende Blitze.

Aber, wie die Frauen sind, trotzdem ist ihm meine Mutter untreu gewesen, nachdem ich einige Jahre auf der Welt war. Es scheint, daß sie schwach und eitel und nicht einmal besonders schön war, aber daß sie gerade in ihrer Schwäche und Hilflosigkeit einen großen Zauber besaß. Das Gespräch der Leute war, daß mein Vater, als er ihre Untreue erfuhr, sie mit seinen eignen Händen erwürgt habe, was allerdings nur ein Gerede gewesen sein kann, wie vieles andre, was über ihn im Umlauf war. Denn weil er ein kluger Mann war und mehr wußte als die übrigen, namentlich in der Arzneikunde und Chirurgie, glaubte man, daß er mit Dämonen im Bunde stehe und mit ihrer Hilfe übermenschliche Dinge verrichten könne. So sagte man zum [Seite 28] Beispiel, es habe ihn noch niemand mit den Augen blinzeln sehen, er bedürfe des Schlafes nicht, ja sei wohl sogar des Todes überhoben, wenn ihm nicht die Geister, die er jetzt beherrschte, einmal den Hals brächen. Wahr ist das, daß er Tage und Nächte hintereinander wachen konnte, ohne darunter zu leiden, und ich erinnere mich, wie ich ihn manchmal mit heimlichem Grauen betrachtete, ob er nicht die Augenlider bewegen würde, ohne daß es geschah. Weiter sagte man von meinem Vater, daß er die Leute behexen und mit dem bloßen Blick seiner Augen krank machen, ja totschauen könne, und namentlich daß er, wen er wolle, und wäre er Papst von Rom, auf das Blutgerüst unter sein Schwert zu bringen vermöchte, indem er denselben nur einmal flüchtig mit der Spitze seines Schwertes berührte. Deswegen, obschon sie seiner Hilfe in allerlei öffentlichen und heimlichen Sachen benötigten und diese auch meistens gutwillig, wenn auch gegen reichliches Entgelt, geleistet wurde, hatten sie doch Furcht vor ihm, und die Regierung hätte sich vielleicht seiner auf irgendeine Weise entledigt, wenn sie seiner Rache sich auszusetzen gewagt hätte. Gegen die Untergebenen in unserm kleinen Reiche, das, viele Gehöfte umfassend, weit außerhalb der Stadt lag, war er, soweit es die Roheit der wüsten Knechte zuließ, großmütig und nachsichtig. Mich behandelte er sogar mit Zärtlichkeit, wenn ich von einigen Anfällen rasender Wut absehe, die ihn bei Gelegenheit von ein paar unbedeutenden kindlichen Vergehungen ergriff, und so grausam er mich auch in diesen Fällen behandelte, liebte ich ihn doch abgöttisch, ja ich hätte mir von ihm mit Freuden die Seele aus dem Leibe martern lassen. Nur manchmal überkam mich ein Gefühl [Seite 29] des Hasses von derselben Stärke, nämlich dann, wenn mir zufällig, indem ich seine Hände ansah, in den Sinn kam, daß er mit ihnen meine Mutter erwürgt hatte.

Unser Haus lag auf der Heide, die sich bis an das Meer erstreckte; vom Hause aus konnte man es nicht sehen, wohl aber auf dem weiter nordwärts gelegenen Richtplatze, wo es nichts als Sand gab außer einigen uralten, verwitterten Steinen, die halb darin versunken waren. Man hielt sie für Grabsteine vornehmer Gerichteter; denn hier war seit undenklichen Zeiten die Richtstätte der Republik gewesen; wahrscheinlicher ist es freilich, daß das Meer die Blöcke angeschwemmt und ebbend auf der Heide zurückgelassen hatte. Wie dem auch sei, wir pflegten uns oft des Abends auf diese Steine niederzusetzen und auf das glänzendschwarze Geflimmer des Meeres hinzusehen, und wenn er dann seine Hand auf dem Steine neben mir ruhen ließ, kam sie mir zuweilen wie eine weiße Tigerin vor, die schläft, weil sie satt von Blut ist, oder die sich schlafend stellt und lauert, um ein argloses Opfer zu zerfleischen. Dann dachte ich an meine Mutter, deren Bild ich deutlich vor Augen hatte und der ich selbst innen und außen vielfach glich, und malte mir aus, wie sie sich in dem eisernen Arme des schönen Blutmannes gekrümmt hatte, bis mir der Haß in die Kehle stieg und ich eine verzweifelte Lust spürte, mich auf ihn zu werfen und die Ader an seinem Halse aufzubeißen, damit er verblutete. Mein Vater sagte nie etwas darüber, obgleich er es mir ansah, und ich glaube sogar, er hätte mir nicht gewehrt, auch wenn ich es getan hätte. Dieser Gewaltige, der, wie man sagte, sechs Männer mit einem Schwertschlage enthaupten konnte, daß ihre Köpfe wie [Seite 30] Disteln abschnellten, hätte sich von meinen schwachen Händen umbringen lassen, so etwa wie Erwachsene stillhalten, wenn spielende Kinder mit ihren winzigen Schlägen über sie herfahren.

Mich mächtig, berühmt und gelehrt zu machen, war der Ehrgeiz seines Lebens, und mit dem Gelde, das er aufhäufte, ermöglichte er es, mir so viele Bildungsmittel zuzuführen, wie den strebsamsten und vermöglichsten Menschen der Zeit zugänglich waren. Er schickte mich in andre Länder, damit ich an hohen Schulen studierte, und ließ es sich Hunderte und Tausende kosten, daß mein Herkommen und Stand verborgen blieben. Aber er dachte nicht etwa daran, mich in höhere Kasten einzuschmuggeln, nein, ich sollte nach ihm Scharfrichter werden, wie das einmal seit unvordenklichen Zeiten das Los unsers Geschlechtes war, nur sollte ich aus Schmach und Elend heraus sie alle durch meinen Geist überglänzen und beherrschen, auf den Knien sollten sie nachts mit Lebensgefahr zu mir rutschen, die mich am Tage wie einen tollen Hund von ihrer Schwelle hetzen durften. Ich freilich hatte an allen Schulen nichts gelernt als höfliche Sitten und Herrenleben, weniger aus Faulheit als aus Torheit, die mich den Wert der Zeit nicht bedenken ließ; im Innersten hoffte ich, es würde so in Saus und Braus in Ewigkeit weitergehen. Dem Befehle meines Vaters wagte ich aber nicht mich zu widersetzen, und es hatte auch etwas grausig Verlockendes für mich, einst Blutkönig in dem einsamen Reich auf der Heide zu werden. Nur suchte ich den Augenblick, wo ich selbst das Handwerk ausüben sollte, hinauszuschieben, worauf mein Vater auch bereitwillig einging, weil ich schlank und zierlich von Wuchs [Seite 31] war und er meinte, ich müßte mich noch durch viele körperliche Übungen auf meinen Beruf vorbereiten.

Da kam eines Tages die Gelegenheit, die meinem Vater schicklich erschien, mich einzuführen; es handelte sich nämlich darum, einen Papageien öffentlich mit dem Schwerte zu richten.

Herr Quarre, der kaiserliche Vogt, saß zwar bis über den Hals in Schulden, achtete sich aber der Majestät, die er vertrat, in allem gleich, war hochmütig wie ein Pfau und dumm wie ein Pfannenstiel, worüber die Gassenbuben auf der Straße Spottlieder genug zu singen wußten. Um seine Lage zu verbessern und seine Stimme im Rat zu verstärken, trachtete er nach der Hand der Tochter des regierenden Bürgermeisters, deren lockende Güte und Holdheit sich in aller Leute Herz schmeichelte, so daß selbst die bösen Kramverkäuferinnen auf dem Markte sie die kleine Wonne nannten, nämlich Wunneke in jener altniederdeutschen Sprache. In ihrer übermütigen Jugend lachte sie über den abgeschmackten Freier, der zu allem andern ein dicker alternder Mann und trunksüchtig war, und gab sich nicht die Mühe, ihre Verachtung seiner ungefügen Person zu verbergen. Darüber war ihr Vater, der Bürgermeister, des Kaisers wegen in großen Ängsten, und wenn er auch nicht daran dachte, seine Tochter zu einer solchen lächerlichen Verbindung zu zwingen, hätte er die Sache doch gern aufs glimpflichste geordnet.

Nun geschah es, daß Herr Quarre den Bürgermeister besuchen wollte, ihn aber nicht zu Hause fand und in guter Zuversicht die Jungfrau Tochter bitten ließ, die auch in wenigen Minuten zu erscheinen versprach. Während er in [Seite 32] einem stattlichen Empfangszimmer ihrer wartete, hörte er im Nebenzimmer erst ein Pfeifen und Knarren, dann ein Singen, in dem er deutlich die Melodie und schließlich auch die Textworte unterscheiden konnte; es lautete nämlich:

Herr Quarre wär ein Held
Und hätt auch Gott geprellt
Ums Regiment der Welt,
Wenn nicht das Beste fehlt':
Die Grütze und das Geld.

Sogleich geriet Herr Quarre in einen brennenden Zorn, und als nun lächelnden Mundes Wunneke ins Zimmer trat, ergoß er sich in wütenden Reden und forderte tobend, daß ihm der Name des unverschämten Rebellen genannt würde, der so aufreizende Lieder von sich gäbe, damit eine nachdrückliche Strafe über ihn verhängt würde. Wunneke entgegnete sanftmütig, der Herr Vogt werde besagten Gesang auf der Straße vernommen haben, wo man leider oft von liederlichen Leuten die gottlosesten Dinge hören müsse. Herr Quarre blieb aber dabei, es sei im Nebenzimmer gewesen, und ließ auch einfließen, es sei eine helle und gewissermaßen lieblich pfeifende Stimme gewesen, wobei er drohende Blicke auf das Fräulein schoß. Wunneke veränderte aber ihre unschuldige Miene nicht und sagte ruhig, im Nebenzimmer sei niemand anders gewesen als Flämmchen, der Papagei, der dort seinen Standort habe und allerdings, was sie nicht leugnen wolle, sowohl sprechen wie singen könne, so daß es, wenn auch unwahrscheinlich, doch nicht unmöglich sei, daß er den Unfug getrieben habe. Herr Quarre verlangte murrend die angebliche Bestie in Augenschein zu nehmen und wurde von Wunneke höflich in das [Seite 33] Nebenzimmer geführt, wo auf einer goldenen Stange Flämmchen saß, mit einem Kettlein am Fuße daran festgebunden. Sie forderte den Vogel unter Streicheln und Liebkosen auf, zu wiederholen, was er vorher gesungen habe; aber man vernahm nur ein leises wollüstiges Knarren, das er von sich gab, indem er sein grüngoldiges Köpfchen langsam an der weißen Mädchenwange rieb.

Herr Quarre hielt sich nunmehr für gefoppt und schnaubte von dannen unter der Androhung, daß er den Bürgermeister und sein ganzes Haus wegen Majestätsbeleidigung vor Gericht ziehen werde. Sein Zorn verdoppelte sich noch, als Herr Schmitz, der Bürgermeister, obwohl er sich verschworen hatte, alles zu tun, um den Gekränkten zu begütigen, sich mit Vorbringung fadenscheiniger Ausflüchte entschuldigte, als der Vogt sich Wunneke selber zur Entschädigung ausbat. Er brachte eine Klage bei dem Rat ein, und es wurde schleunig eine Sitzung anberaumt, bei der der Bürgermeister, als selbst beklagt und beteiligt, den Vorsitz Herrn Muslieb, dem zweiten Bürgermeister, abtreten mußte.

Dieser war zwar dem kaiserlichen Vogte, der beständig die Gerechtsame der Republik schmälern wollte, so feind, wie es ihm zukam, andrerseits aber war es ihm angenehm, dartun zu können, daß, wenn auch seine Stellung bescheidener als die des regierenden Bürgermeisters, doch sein Name nicht minder fleckenlos war, und er beschloß, die Gerechtigkeit alle Partei-, Privat- und Sonderinteressen überwiegen zu lassen. Er ersuchte zunächst Herrn Quarre, das Lied vorzutragen, das die Ursache des Prozesses war, was derselbe nicht ohne Unwillen tat; sämtliche Ratsherren konnten nicht umhin, mit strengem Kopfschütteln sich dahin [Seite 34] zu erklären, daß es keine geringe Keckheit und Unanständigkeit sei, wenn Lieder so schandbaren Inhalts in einem obrigkeitlichen Hause in aller Fröhlichkeit laut würden. Der Bürgermeister und seine Tochter beteuerten, daß keiner außer dem Papagei das Lied hätte singen können, und das Fräulein führte zu seiner Entschuldigung an, daß er wahrscheinlich, am offenen Fenster stehend, das Schelmenstückchen gehört und in seiner Torheit nachgeplappert hätte. Herr Quarre zog dies in Zweifel, da noch nicht einmal bewiesen und überhaupt sehr unwahrscheinlich sei, daß das dumme und eitle Tier sprechen könne, welcher Beweis denn nun freilich auf der Stelle geleistet wurde. Indessen war Flämmchen nicht zu bewegen, etwas andres zu sagen als: Guten Morgen, Wunneke! Komm mit, Wunneke! Küß mich, Wunneke! welche Reden er süßlich quäkend und unter geschwindem Augenrollen mehr als nötig wiederholte. Daraufhin erklärte der vorsitzende Bürgermeister den Papageien für wohlbefähigt, das Verbrechen, dessen er geziehen wurde, begangen zu haben, und Herr Quarre, der den Vogel nunmehr zwischen Furcht und Staunen für einen Zauberer ansah, neigte zu der Ansicht, daß er der Täter sei.

Trotzdem glaubte der Rat ohne weiteren Beweis nicht zu einem Urteil schreiten zu dürfen, und die Herren gingen dem Vogel mit Singen und Pfeifen eifrig zu Leibe; denn sie hofften ihn zur Wiederholung des Liedes zu bewegen, indem sie die Melodie und ersten Worte desselben anhüben. Über diese Zurüstungen war Flämmchen so erschreckt, daß er nur den Schnabel auf und zu machte, ohne einen hörbaren Laut zu äußern, was Herr Quarre als Berechnung [Seite 35] und Verstellung auslegte. Die übrigen Herren zögerten in großer Verlegenheit, bis das Fräulein den Vorschlag machte, es möchten einige Vertrauenspersonen ausgewählt und beauftragt werden, Flämmchen während einer gewissen Zeit scharf zu beobachten; denn es sei anzunehmen, falls er das Lied wirklich einmal gewußt hätte, daß er es wiederholen würde, sowie er nicht wie jetzt durch eine hohe und majestätische Versammlung eingeschüchtert wäre. Hierauf gingen alle mit Freuden ein, und es wurden sofort drei kundige und anstellige Ratsherren mittels geheimer Abstimmung ausgewählt, die drei Tage und Nächte hintereinander das Gestell des Vogels umgeben und auf alle seine Äußerungen achten sollten. Da ihnen Reden sowie Gespräch und Gelächter jeder Art der größeren Aufmerksamkeit wegen verboten war, vertrieben sie sich die Zeit mit schweigendem Würfeln und Kartenspielen, das nur zuweilen dadurch unterbrochen wurde, daß ein jeder die Ausrufungen des Papageien auf einem Pergamentstreifen verzeichnete. Es war aber nach Verlauf der Zeit nichts vorgefallen, was auf Flämmchens Kenntnis des bezüglichen Liedes schließen ließ, und man hätte ihn freigesprochen, wenn sich nicht Herr Quarre mit äußerster Wut dagegen gesetzt hätte. Ein sauberes Regiment, sagte er, das sich von einem ausländisch aufgeputzten Vogel über das Ohr hauen lasse; er würde die ganze Republik zusammenstampfen wie ein Äpfelmus, wenn der ihm zugefügte Schimpf nicht an dem Missetäter gerächt würde. Nachdem Bürgermeister und Rat eine Zeitlang in den Gesetzen nachgeschlagen und geblättert hatten, erklärten sie einmütig, daß sie zunächst das Mittel der Tortur versuchen müßten, um ein gutwilliges Geständnis zu erpressen.

[Seite 36] Und so ist es gekommen, daß ich Wunneke sah. Denn trotzdem es allgemeiner Mißbilligung unterlag, daß sie unser verfemtes Reich betreten und einer Handlung so schauriger Art beiwohnen wollte, hatte sie sich nicht davon zurückhalten lassen, ihren Liebling auf seinem Martergange zu begleiten. Ich Unglücklicher stand an meines Vaters Seite, als sie in das moderige Gewölbe eintrat, wie ein wandelnder Narzissenstrauß, wie ein Kelch aus Milchglas voller Veilchen, mit dem ein duftendes Frühlingsgewölk in die kalte Finsternis hineinschwebt. Ach mehr – wie vor dem ermattenden Schwimmer, der sich eben in den unvermeidlichen Untergang geschickt hat, mitten aus dem öden Wassermeer eine blühende Insel auftaucht, mit Orangenhainen bewaldet, denen die Tropfen noch von den glatten Blättern rieseln, so stand sie plötzlich vor mir und schaute mir mit lächelnden Augen ins Gesicht. Nur mich lächelte sie an, gegen die andern bewahrte sie eine absichtliche Feierlichkeit, und vor meinem Vater schien sie zu erschrecken; von Abscheu war nichts darin, nur Erstaunen und Bangen. Woher wußte sie, daß meine Augen alles so sahen wie ihre? Obgleich wir nie ein Wort miteinander gesprochen hatten, sahen wir, während die Handlung sich entfaltete, einander an wie zwei schelmische Kinder, die eine Falle gestellt haben und aus ihrem Versteck aufpassen, wie die Geneckten hineintappen. Und nun ertönte das silberne Harfenspiel ihrer Stimme, wie sie zu meinem Vater sagte: „Herr Marx Grave, wollt bedenken, daß der Beklagte ein zartes und verwöhntes Geschöpf ist, dem das Lebensfädchen leicht völlig zerreißen könnte, wenn man allzuhart daran zerrte.“

Mein Vater antwortete laut und ernsthaft: „Die Vernunft [Seite 37] und die Gesetze gebieten, edles Fräulein, die Pein nicht über das Vermögen des Delinquenten hinausgehen zu lassen. Seid versichert, daß ich es bei den ersten und angenehmsten Graden der Folter bewenden lassen werde.“

In dem Augenblick, als das Tier meinem Vater übergeben wurde und seine rechte Hand sich ihm mit einem schraubenartigen Werkzeug näherte, brach der Papagei in ein lautes Gezeter aus, das sich deutlich in einige Worte zerlegen ließ, und zwar in ebendieselben, die den Anfang des Spottliedchens über Herrn Quarre bildeten. Dieser, der, um sich an den Qualen seines Feindes zu ergötzen, ganz nahe bei meinem Vater gestanden hatte, triumphierte hoch und verlangte, daß er dem überführten Übeltäter augenblicklich den Hals umdrehe. Mein Vater entgegnete kühl: „Und wenn der Papagei Euch, Herr Quarre, das Herz aus dem Leibe gehackt hätte und dessen geständig wäre, würde ich ihm doch kein Federchen krümmen, bis er nach Recht gerichtet und mir in herkömmlicher Form zur Vollstreckung des Urteils übergeben wäre.“

Herr Quarre brach in gräßliches Schimpfen aus und rief: „Hört den Mistfinken! das Blutschwein! ich kenne euch alle, frei möchtet ihr sein und schert euch einen Kuckuck um die Majestät des Kaisers, der euer Dreckgehirn wie Nüsse mit dem Absatz zerknacken könnte!“ In welchen giftigen Reden ihn aber Herr Muslieb mit ernster Höflichkeit unterbrach, indem er ihn auf das Unbedachte seines Geschwätzes aufmerksam machte. Dem Papagei, sagte er, werde sein verdientes Urteil gesprochen werden, ohne daß das Recht um ein Tüttelchen geschmälert würde, danach aber werde man untersuchen, ob der Kaiser in Wahrheit [Seite 38] Anspruch darauf habe, eines ehrbaren Rats reichsfreier Stadt Köpfe abschätzig zu betiteln und mit Füßen zu treten, was, soviel er wisse, nicht einmal in der Türkei und andern üppigen Sultansländern Sitte sei.

„Wenn die Narren den hübschen Vogel wirklich zum Schwerte verurteilen,“ sagte mein Vater, nachdem sich alle entfernt hatten, „sollst du an meiner Stelle amtieren;“ denn, meinte er, er selbst sei für solche Albernheiten zu alt, würde auch nötigenfalls den Herren mit seiner Dienstordnung in der Hand beweisen, daß er zu ernstem, vernünftigem Geschäft, nicht aber zu eitelm Firlefanz berufen sei. Mir aber würde es wohl anstehen, mich bei dieser Gelegenheit zum ersten Male öffentlich zu zeigen, denn fehlen könnte ich bei so leichter Arbeit nicht, dagegen den Beifall von Mädchen und Toren, deren es viele gäbe, erwerben.

Gott weiß, wie mir damals Tage und Nächte vergingen. Mein Herz war wie ein junger Falke, der unaufhörlich mit den Flügeln rauscht, um sich zum ersten Fluge aufzuschwingen, und zwischen Furcht und ungeduldigem Mute zaudert. Auf der Heide lag mein Leib, aber ich selbst fuhr wie eine Sturmschwalbe darüber hinweg, schreiend und die salzige Meerluft schlingend, daß ich sie kühl und berauschend bis in die tiefste Seele hinein fühlte. Ich sauste um den alten Leuchtturm, schlug mit klatschenden Flügeln an sein starres Gemäuer, stürzte mich in die brennende Pechpfanne auf seiner Zinne, peitschte mit der schwarzroten Flamme die fliehende Luft und empfand mit Wonne, wie ich mich dehnte, indem ich mich selber verzehrte. Dabei war ich mir wohl bewußt, wer sie war und wer ich war, und daß ich eher die Wange des Mondes als die ihre je mit meinen Lippen berühren [Seite 39] könnte. Aber diese Unmöglichkeit eben erhöhte meinen Wahnsinn, denn was mir in den Eingeweiden brauste, hätte mich vor mir selber lächerlich gemacht, wenn es sich um ein alltägliches Lieben und Werben gehandelt hätte. Auch war in meinem Gefühl das Bewußtsein von einer magnetischen Kraft, die sie doch einmal an mein Herz reißen müßte, wenn ich auch nicht darüber nachdachte, wie das geschehen könnte. Und als ich vollends am Tage der Papageihinrichtung mein neues Amtsgewand trug, ganz aus schwarzem Tuch, das kurze Mäntelchen, mit karmesinroter Seide gefüttert, schwarze und rote Federn auf dem Barett, zweifelte ich nicht, daß der Himmel sich über meiner Schönheit öffnen und Rosen auf mich herabschütten würde, Rosen von jenseits, mit Ambrosia betaute, die ich alle der erbleichenden Wunneke in den Schoß werfen würde.

Von weitem her sah ich den Armesünderkarren durch den braunen herbstlichen Wohlgeruch der Heide stolpern, auf dem sie saß in ihrem schwarzsamtenen Kleide, den Papageien an einem silbernen Kettlein haltend, der, von dem Anblick der weiten hohen Welt und der unübersehbaren Menschenmenge betäubt, bald in sich zusammensank als ein erlöschendes Flämmchen, bald mit gesträubten Federn, heftig kreischend und schimpfend, auf dem Arme seiner Herrin auf und ab lief. Ihr gegenüber saß der Propst, welcher auf ihr Verlangen dem Sünder als Trost auf seinem letzten Gange beigegeben war. Dies hatte sie allerdings nicht ohne Mühe durchgesetzt, denn die Räte waren in der Mehrzahl der Ansicht gewesen, bei einer vernunftlosen Bestie sei geistlicher Zuspruch nicht nur unnötig, [Seite 40] sondern sogar übel angebracht. Aber Wunneke wendete ein, wenn Flämmchen denn vernunftlos sei, dürfe man ihm auch sein schelmisches Singen nicht zum Vorwurf machen, worauf Herr Quarre in einen glühroten Zorn geriet, seinen borstigen Schnurrbart sträubte, daß man an der Spitze jedes Haares ein Fröschlein hätte aufspießen können, und sagte, ohne Vernunft sei der Vogel zwar nicht, aber seine Vernunft sei des Teufels, und wenn ihn die sämtlichen Kirchenväter mit dem Papst an der Spitze zum Schafotte geleiteten und ihm die ganze Bibel aufsagten, würde das dem ruchlosen Federvieh nur zu Spott und Gelächter dienen. Hierauf aber sagte der Propst, den man nebst mehreren andern Theologen zu Rate gezogen hatte, damit sie die heikelige Sache beurteilten, wenn dem so sei, müsse man um so mehr dazu tun, daß der göttliche Vernunftsinn dem Teufel entrissen würde, und er wollte sich der Aufgabe wohl unterziehen. Überhaupt, sagte er, fehlten zwar auch dem gescheitesten Tier die vernünftigen Begriffe, weil es nicht unterwiesen sei, aber man gebe ja auch einem neugeborenen oder gar idiotischen Kinde die heilige Taufe, das sei eins wie das andre, man müsse eben den Heiligen Geist spenden, wie der liebe Gott die Sonne und ein Sämann die Körner, soviel als möglich und aufs Geratewohl, schaden könne es nicht und zuviel sei besser als zuwenig. Auf diesen gelehrten Sermon wußte niemand etwas zu erwidern, auch fürchteten Bürgermeister und Rat den Propst, der weit und breit großes Ansehen genoß und die dumme, lenksame Riesenseele des Volkes in der Hand hielt.

So saßen der Propst und das Fräulein auf dem Karren und unterhielten sich leise und lächelnd, und mir schien es, [Seite 41] wie ich das weiße Seelengesicht über dem schwarzen Kleide schweben sah, als führe man in feierlicher Prozession eine auf ferner neuentdeckter Insel gefundene Wunderblume durch das Land, damit alles Volk sie sähe und ihren Duft einatmete. Das Schafott hatte mein Vater selbst mit hochrotem Samt überzogen, und ich eilte die Stufen hinan, als wäre ich der Königssohn und sollte mich dem Volke zeigen. Das war auch in lustiger Bewegung, weil es ein so seltsames Schauspiel mit ansehen sollte, und viele Männer und Frauen hoben ihre Kinder hoch und riefen: Schau, Lütte Grave; denn da ich wie mein Vater Marx hieß, nannte man mich zum Unterschiede den Kleinen, das ist Lütte in jener niederdeutschen Sprache. Flämmchen hatte ich am Kettlein auf der Hand sitzen wie einen Edelfalken, und ich fühlte meine zierliche Schönheit ordentlich aus mir herausblühen. Wie mein Vater mich gelehrt hatte, kniete ich mich zuerst nieder und sagte: Gott walte deiner und meiner! stand dann wieder auf, neigte meines kleinen Schwertes Spitze dahin, wo die Obrigkeit versammelt war, und schickte mich an, meinen Delinquenten zu richten.

In diesem Augenblick sah ich zum erstenmal, wie schön Flämmchen war: das grüne Köpfchen glänzte, als wäre Goldschaum darüber geblasen, und die roten und blauen Federn im Schwanz und in den Flügeln flammten wie edle Steine. Er bemerkte meine Bewunderung sogleich, und seine runden, spiegelnden Augen sagten halb flehentlich, halb listig: Töte mich nicht, Lütte Grave! Willst du mich, das hübsche Flämmchen, den kriechenden Breitmäulern da unten zuliebe umbringen? Fliegen wirst du mich lassen … Es fehlte nicht viel, so hätte ich ihn wirklich fliegen und [Seite 42] als ein goldenes Flämmchen in den lachenden blauen Himmel steigen lassen; aber ich besann mich, daß er als ein unfreier, halbbeseelter Menschengeselle auf Wunnekes Schulter zurückfliegen und dem Tode doch nicht entgehen würde, daher entschloß ich mich und hieb mit einem kurzen geschwinden Streich das kleine Schelmenhaupt vom Rumpfe. So geschickt führte ich es aus, daß ich den abfliegenden Kopf mit der Spitze meines Schwertes auffing und ihn so dem Volke zeigen konnte als Beweis der völlig und glücklich ausgeführten Exekution. Bei diesem Anblick brach die Menge in helles Freudengeschrei aus, die Kinder klatschten in die Hände, und über die warme, träumende Heideluft verbreitete sich blitzschnell Jubel und Gelächter. Die Obrigkeit trollte sich eilig und unzufrieden davon, denn sie trauten sich nicht, der unanständigen Ausgelassenheit zu steuern; aber das Volk wogte noch bis zum kühlen Abend auf der Heide umher, als ob Jahrmarkt wäre.

Wunneke hatte ich während der ganzen Handlung nicht einmal angeschaut, aber gefühlt hatte ich sie, wo sie war, wie sie unter Tränen lächelte und was sie dachte, und ihr Herz blieb bei mir zurück, und ich legte mich damit in das blühende Kraut, seliger, als wenn es ihr schöner warmer Leib gewesen wäre. Erst am andern Morgen flohen mir die guten Glücksgeister davon, und das Gestrige lag unter der neuen Sonne wie ein elendes, abgegriffenes Rumpelkammerspielwerk, das man als Kind einmal für das herrlichste Kleinod gehalten hat. Und gerade am Abend dieses wüsten Tages kam sie. Sie kam wie ein leichtes, flüsterndes Blatt, das der Wind vor sich her weht, und schien sich an die Dunkelheit anschmiegen und in sie verbergen zu [Seite 43] wollen. Ein andrer hätte sie ohne weiteres in seine Arme genommen – denn war sie nicht fast ein Strandgut an unsre fürchterliche Küste geworfen –, mir aber kam das nicht in den Sinn, vielmehr hielt ich mich weit von ihr, während ich sie in unser Haus geleitete. Auf meines Vaters Frage sagte sie, daß sie gekommen sei, um sich Flämmchens Leichnam auszubitten, den sie begraben wolle, und unter seinem Blick errötend, setzte sie hinzu, ihr Vater würde ihr die unschuldige Bitte ausgeschlagen haben, darum sei sie heimlich bei der Dunkelheit gekommen.

„Habt Ihr nicht gewußt,“ sagte mein Vater, „daß Ihr des Scharfrichters Haus nicht betreten dürft? Und daß er mit seinem Leben bezahlen muß, wenn er Euch empfängt, bewirtet oder berührt?“

Es quälte mich, daß Wunneke nicht ein Wort zu entgegnen vermochte, obschon sie sich Mühe gab, zu sprechen; sie starrte ihm ins Gesicht und hätte sich, glaub ich, von ihm niederschlagen lassen, ohne den leisesten Versuch zur Verteidigung oder zur Flucht zu machen. Nach einer langen Pause fuhr mein Vater fort: „Nehmt das zu Herzen, wenn mir oder meinem Sohne ein Haar sollte gekrümmt werden um Euretwillen, weil es Euerm buhlerischen Leichtsinn nach Abenteuern gelüstet, so müßt Ihr zahlen: unsre Tränen mit Euerm Blut, unser Blut mit Eurer Seele.“ Ich war so gewohnt, mich unter dem tyrannischen Willen meines Vaters zu beugen, daß ich mich währenddessen ganz still verhalten hatte, dazu stand ich auch unter dem Eindrucke seiner wilden Schönheit, die sich immer dann am prächtigsten auftat, wenn das Blut in ihm zu kochen anfing. Erst nach einer Weile, als er sie mit einem milderen Blick [Seite 44] musterte, in dem etwas kalt wollüstig Abschätzendes war, gewann ich mich selbst wieder, trat vor und sagte: „Warum erschreckst du das Fräulein, Vater, das ohne böse Absicht als eine Bittende zu uns gekommen ist? Erlaube, daß ich ihr den Vogel suche und sie dann wieder heimbegleite.“

Mein Vater sah mich scharf an, und ich glaube, daß er in diesem Augenblick alles durchschaute, was ich fühlte, wünschte und hoffte, und vielleicht auch, welchen Ausgang es nehmen würde, denn es schlich sich ein mehr mitleidiges und vorwurfsvolles als spottendes Lächeln um seinen Mund; aber er winkte mir nur mit der Hand, zu gehen, ohne noch einen Blick auf das Mädchen zu werfen. Sie drängte sich an mich und folgte mir, und als wir draußen waren, sahen wir uns heimlich lachend an und schüttelten uns wie Kinder, die Schelte bekommen haben; dann liefen wir spornstreichs mitten in die Heide hinein.

Das tote Flämmchen hatte ich bald gefunden und aus dem Sande herausgewühlt, von dem es nur eben bedeckt gewesen war; danach setzten wir uns auf das samtbeschlagene Gerüst, das in der Dämmerung hoch und schwarzrot dastand, und blickten auf das gleichmäßig brandende Meer. Ich erzählte ihr dunkle Geschichten von den Männern und Frauen, die seit Jahrhunderten auf diesem Stück Heide von meinen Vorvätern waren hingewürgt worden, die ich zum Teil in meiner Kindheit von unsern Knechten gehört hatte. Die Seelen der Gerichteten hausten im Meere, sagte ich, die meisten hielten sich dicht am Ufer, und wenn frisches Blut vergossen würde, schlichen sie sich nachts heran und tränken davon in schrecklicher Lüsternheit nach dem irdischen Leben. Die Ferne war schwarz bis auf einen weißgelben [Seite 45] Streifen, der wie ein einsamer Pfad über die dunkeln Berge der Ewigkeit schimmerte; aber dicht vor uns bewegten sich vom Wasser her über das Heidegestrüpp kriechende Nebel, die man in Wirklichkeit für geisterhafte Phantome hätte halten können. Einige schienen verzweifelt die dünnen stehenden Arme zu ringen, während sich andre auf die Erde gekrümmt, verstohlen, ihrer verfluchten Blutgier sich schämend, auf uns zuschlichen. Über diesen Anblick begann Wunneke plötzlich sich zu fürchten, und ich geleitete sie in Sicherheit heim, versprach ihr aber zuvor, daß ich Flämmchens zeitliche Überreste auf dem nächsten Gottesacker ordentlich und lieblich bestatten wollte, was ich mir unter dem Schutze des Totengräbers, den ich gut kannte, wohl auszuführen getraute.

Dieser gestand mir auch gleich alles zu, um was ich ihn bat, und nachdem ich ihn in seiner Gefälligkeit noch durch ein namhaftes Trinkgeld bestärkt hatte, wählte ich mir ein Plätzchen an der Hecke aus, wo lauter alte, verfallene Gräber lagen, um die sich niemand mehr bekümmerte. Dort warf ich ein schmales Hüglein auf und bepflanzte es über und über mit blühenden Astern, daß es wie ein einziger großer Blumenstrauß aussah. Am folgenden Abend kam Wunneke, wie sie mir aus freien Stücken angesagt hatte, und wir setzten uns auf einen halb eingesunkenen Stein unter einer hohen Pappel, die der Wind rauschend auf und nieder bewegte. Welke Blätter sausten in Schwärmen an uns vorüber, und weiterhin sahen wir sie wie ein dunkles Gewölk über die bleichen Gräber jagen. Vielleicht war die feuchte, gärende Luft voll von den Lebenskeimen aller der Begrabenen, die seit Jahren und Jahrhunderten hier moderten, [Seite 46] denn mir war es, als saugten wir mit jedem Atemzuge mehr treibenden, schwellenden Drang in uns hinein. Bis dahin hatte ich sie noch nicht ein einziges Mal berührt, und jetzt auch hätte ich es nicht getan, wenn sie sich mir nicht selber an die Brust geworfen und meine ehrlosen Mordknechtshände mit Küssen bedeckt hätte.

Aber trotzdem sie nun viele Abende, ich erinnere mich nicht mehr, wie viele es waren, zu mir auf den Kirchhof kam, wurde ich immer trauriger. Ich mußte immer darüber nachdenken, ob sie wohl zärtlicher gegen mich sei, als sie gegen Flämmchen gewesen war, und ob sie mich wohl so innig liebkosen würde, wenn Flämmchen noch lebte, und ob sie wohl gerade das an mich gezogen hätte, daß ich verfemt war, und meinen Leib, so jung und schön er war, anzurühren Schande und Tod brachte. Sie übrigens meinte es treu mit den überschwenglichsten Liebesworten, wie sie denn ganz unfähig gewesen wäre, Liebe zu heucheln. Alles, was folgte, war einzig meine Schuld, denn ich wußte schon damals, was sie nicht wußte, nämlich, daß sie mich nicht liebte, mich nicht liebte, trotzdem sie es mir allabendlich heilig beteuerte. Ein einziges Mal hatte ich den Mut, es ihr zu sagen, worauf sie mich wohl eine Minute lang nachdenklich und erschrocken ansah; dann stürzten ihr plötzlich Tränen aus den Augen, und sie umarmte mich, als ob sie mich nicht mehr von sich lassen wollte. Während ich bebend die kühle Tränenflut über mein Gesicht rinnen fühlte, sagte sie unter Schluchzen, wie sie mich liebte, ewig, ewig nur mich, wie wenn ich ein goldener Stern des Himmels wäre, der nachts zu ihr herunterstiege, um sich von ihr küssen zu lassen. Auf meine Frage, weshalb sie weine, wußte sie [Seite 47] nichts zu erwidern. Aber das war das merkwürdigste, daß ich seitdem, obwohl ich nie mehr darauf zurückkam, noch weniger an ihre Liebe glaubte als vorher. Und daß ich recht hatte, zeigte sich nun bald, nachdem der Totengräber mich verraten hatte.

Der Totengräber war ein kurzes, dickes Männchen mit dickem Kopfe, nicht böse, nicht gewinnsüchtig, nicht streitsüchtig noch schadenfroh, obwohl er lauter Handlungen beging, aus denen man das und Ärgeres hätte schließen müssen. Nur war er hilflos und unberaten, tappte blindlings und tolpatschig ins Leben hinein, bis er plötzlich an ein beliebiges Steinchen im Wege anstieß, zur Besinnung kam und nun plötzlich von unaufhaltsamer Angst überfallen wurde, daß er eine große Unvorsichtigkeit begangen habe, in diese oder jene Falle geraten werde und überhaupt verloren sei. In solchen Augenblicken schonte er niemand, denn er glaubte alle samt und sonders wider sich verschworen und konnte andre ins Verderben stürzen, während er sich für ein armes Opfer hielt, das eben schlau genug sei, sich aus der Schlinge zu ziehen. Er hatte ein paar runde, braunglänzende Augen, denen er den Ausdruck alles durchdringender Pfiffigkeit zu geben suchte, obgleich er eigentlich gar nichts mit ihnen sah oder beobachtete. Aber er wollte um jeden Preis die Dummheit, die er deutlich in sich spürte, vor der Welt verbergen, damit er nicht übervorteilt und ausgelacht würde.

Er hatte mir damals bereitwillig die Erlaubnis gegeben, den Papagei auf dem ihm unterstellen Kirchhof zu begraben, mir sogar geholfen, das kleine Grab zu graben und den Hügel aufzuwerfen. Er hatte sich, außerordentlich dabei [Seite 48] belustigt, und wenn Wunneke kam, pflegte er mir heimliche Zeichen zu machen, in sich hineinzukichern und sich die Hände zu reiben; ohne daß ich ihn darum gebeten hätte, ließ er um unsertwillen die Friedhoftür länger geöffnet als gewöhnlich und schloß sie hinter uns, kurz, er war uns in jeder Hinsicht bei der Ausführung unsrer Zusammenkünfte behilflich. Plötzlich nun klärte ihn seine Frau, die hinter die Sache gekommen war, darüber auf, was das eigentlich auf sich habe und was für unübersehbare und verderbliche Folgen daraus entstehen könnten. Denn daß ich des Scharfrichters Sohn war, wußte sie so gut, wie sie sah, daß Wunneke ein vornehmes Fräulein war; das allerärgste schien ihr aber merkwürdigerweise das zu sein, daß wir den Vogel in geweihter Erde begraben hatten.

Die warnenden Reden seiner Frau erschreckten den Totengräber so, daß er schnurstracks, um Leib und Leben zu retten, hinlief und seine Anzeige vor Gericht machte. Er erzählte aufs glaubwürdigste, wie ich ihn mit nacktem Schwert bedroht hätte, weil er den Greuel nicht hätte dulden wollen, wie aber sein Gewissen ihm keine Ruhe gelassen hätte, besonders seit das feine Fräulein in meiner Gesellschaft gewesen wäre, das leider wohl auch ein Opfer meines Frevelmutes sein möchte. Als ich, ohne hiervon einen Verdacht zu haben, plötzlich vor einen heimlichen Rat gestellt wurde, war ich nicht wenig bestürzt, konnte mich aber doch so weit fassen, daß ich beschloß, nichts auszusagen, was Wunneke gefährlich werden könnte. So kam es, daß ich auf die Frage, was mich bewogen hätte, einen ganz gemeinen ausländischen Vogel an heiliger Stätte zu begraben, antwortete – denn es wollte mir in der Bedrängnis und Eile [Seite 49] nichts Besseres einfallen – das hätte ich getan, weil ich es ihm auf dem Schafott in seiner Sterbestunde als seinen letzten Wunsch tröstlicherweise versprochen hätte. Dies Geständnis rief ein gewaltiges Erstaunen hervor, und es wurden Beratschlagungen veranstaltet, wie meine Worte aufzufassen wären. Viele erinnerten sich, daß ich in der Tat mit gezücktem Schwerte einige Augenblicke gezögert und, dem Papagei ins Auge blickend, mit dem Zuschlagen gewartet habe, gerade als ob ich Zwiesprache mit ihm pflöge, so daß meiner Aussage wohl Glauben zu schenken sei; wie denn überhaupt nicht wenige wegen meines überaus hübschen und freundlichen Aussehens mir wohlwollten. Daß der Papagei der Sprache mächtig gewesen sei und auch vernünftig habe reden können, sei ohnehin bewiesen, meinten diese, denn sonst hätte er ja den kaiserlichen Vogt nicht verlachen und beschimpfen können. Ob das vernünftig reden heiße, ihn und Seine Majestät zum besten haben, grollte Herr Quarre; worauf sich jene wieder verantworteten, daß man vernünftig, das heißt vernünftigen Inhalts, und vernunftgemäß, das heißt den Gesetzen des Denkens entsprechend, unterscheiden müsse. Indessen blieb man doch, selbst wenn es festgestellt sei, daß der Papagei hätte vernünftig denken und reden können, im Zweifel darüber, ob seine Gedanken sich auch auf das Jenseits und ein ewiges Leben erstrecken können, welche Frage wiederum die Geistlichkeit sollte zu entscheiden haben.

Noch sehe ich in meiner Erinnerung den Propst eintreten mit seiner hohen, etwas gebeugten und zierlich gebauten Gestalt in den prächtigen Ratssaal, und wie er mit seinen Feueraugen umhersah und alles ruhig und geschwinde [Seite 50] musterte. Halbversunken waren diese alten Augen, und die Blicke kamen aus der Tiefe hervor wie Drachenzungen aus einer dunkeln Höhle, nur daß sie keinerlei Gift oder Bosheit an sich hatten, aber scharf, schnell und sicher trafen sie ins Herz. Als ich sie auf mir ruhen fühlte, nachdem man ihm meine Aussage samt allen daran geknüpften Bedenklichkeiten vorgetragen hatte, wurde es mir ganz wohl und glückselig zumute, und es schien mir auf einmal alles nichts weiter als ein schönes Fastnachtsspiel zu sein, dem ich zuschauen dürfte.

Warum, begann sogleich der Propst, ohne auf dem ihm dargebotenen Sessel Platz zu nehmen, die Hände auf den langen Ratstisch gestützt, warum sollte es eine Sünde sein, den hübschen Papageien auf den Gottesacker zu begraben, da er doch kein Türke, Heide oder Jude, sowie kein Henker, Selbstmörder, Hexenmeister oder Seiltänzer gewesen sei?

Der Vorsitzende erwiderte, Flämmchen sei allerdings nur ein Vogel gewesen, aber ein von Rechts wegen geköpfter; worauf der Propst erklärte, man müsse die Strafe anders ansehen als eine über Menschen verhängte, denn einem Menschen würde ein so kleines Vergehen nicht mehr als einen Verweis oder eine Ohrfeige eingetragen haben, was aber hätte man mit einem Vogel anfangen sollen? Geld besäße er keines, und gefangen wäre er so wie so, jede Körperstrafe würde aber in Ansehung seines gebrechlichen Leibchens ohnehin in Todesstrafe ausgeartet sein. Also sei er eigentlich nur zufällig und aus Not geköpft und brauchte das weiter keine Entehrung über den Tod hinaus im Gefolge zu haben.

Aber ob eben ein Vogel schlechthin würdig sei, auf dem [Seite 51] christlichen Friedhof begraben zu werden, das sei die Frage, wandte der Vorsitzende ein.

Wie? sagte der Propst, ob man denn nicht wisse, daß der Heilige Geist in Gestalt einer Taube die Menschen heimsuche? Wer könne wissen, ob nicht in jenen antipodischen Ländern, wo es vielleicht keine Tauben gäbe, der Geist durch Papageien verbreitet würde? Jedenfalls sei erwiesen, daß ein Vogel nichts Unreines sei, sonst würde es dem Heiligen Geist nicht belieben, hineinzufahren, und es sei die Frage, ob nicht mancher Christ in der geweihten Erde liege, in dem er vor aufgehäuftem Unrat nicht hätte hausen mögen noch können.

„Flausen!“ rief nun der kaiserliche Vogt, kirschbraun im Gesicht und mit starrendem Schnurrbart, „Tiere sind Tiere und gehören auf den Schindanger, wenn sie nicht nach Gottes Ordnung als Speise gegessen und verdaut werden.“

Jetzt aber beugte sich der Propst weit vor, so daß er dem Vogte dicht in die Augen sah, und sagte, indem er seine feine Hand zur Faust ballte und fest auf die Bibel legte, die zum Zwecke der Eidesleistung der Zeugen auf dem Ratstische lag: „Es steht geschrieben im ersten Buche Moses: Und Gott sprach zu Noah, ich richte einen Bund mit euch auf und mit allem lebendigen Tier bei euch an Vögeln, an Vieh und an allen Tieren auf Erden bei euch, daß hinfort keine Sündflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe. Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken, der soll das Zeichen des Bundes sein zwischen mir und der Erde. – Gott in seiner Majestät also hat mit Vögeln und andern Tieren einen Bund geschlossen, wie man mit Ebenbürtigen zu tun pflegt, und wir, vor Gott nichts als Tiere, denen er mit [Seite 52] seinem Atem ein wenig Licht in die Seele geblasen hat, besinnen uns, ob wir einem guten Papageien zwischen andern armen Sündern seine Ruhe lassen wollen!“

Nach einer Pause, während deren kein Wort, nicht einmal ein Räuspern laut wurde, fügte der Propst, indem er die Stimme etwas fallen ließ, gelassener hinzu, gleichsam als einen überflüssigen Beweis ohnehin offenbarer Wahrheit: „Gott hat den Lieblingen seiner Schöpfung, den Vögeln, das überirdische Luftreich zur Wohnung angepriesen; sollten wir schmutzige Kriechtiere ihnen eine Handvoll schwarzer Erde mißgönnen?“

Alle waren sehr beschämt und blickten vor sich nieder, ausgenommen der kaiserliche Vogt, der trotzend die Augen rollte und den Mund spitzte, als ob er pfeifen wollte, was er denn freilich doch nicht in Ausübung setzte. Der Propst hob die Sitzung auf, indem er sagte: „Es ist dies meine erwogene Meinung, daß Lütte Grave wegen eigenmächtiger Beerdigung des Papageien nicht zu bestrafen sei, vielmehr sogleich der Freiheit zurückgegeben werden sollte.“

Mit diesem unschädlichen Ausgang wäre aber dem Vogte nicht gedient gewesen, der liebte, daß auch etwas Ordentliches dabei herauskam, wenn einmal zu Gericht gesessen wurde, und ebenso schürte der Totengräber, daß man das angezündete Feuer beileibe nicht ausgehen lasse. Denn dieser, der von der ganzen Verhandlung nichts verstanden hatte, war bei sich überzeugt, wenn ich freigesprochen würde, ginge es ihm an den Hals, einer müsse das Opfer sein, und natürlicherweise wünschte er sehnlich, daß ich es wäre. Also fingen diese wieder an, von dem Fräulein zu reden und nachzuforschen, wer diese gewesen sein könne, und da [Seite 53] geschah es denn, daß Wunneke ihrem Vater alles gestand. Nicht weil die Liebe zu mir sie überängstlich und besinnungslos gemacht hätte, sondern weil sie hoffte, ihr Vater, der Bürgermeister, könne die ganze Sache niederschlagen, damit nichts an den Tag käme, und es sei, wie wenn nichts geschehen wäre. Sie hatte sich aber in ihrem Vater verrechnet; dieser war zwar gutmütig und unentschlossen im Handeln, so daß er sich tagelang besann, bevor er einen vorlauten Schwätzer ein Stündchen am Pranger stehen ließ, wenn aber einmal eine Leidenschaft in ihm aufgeregt wurde, die seine schwere Maschine in Tätigkeit setzte, war er wie eine losgeschossene Bombe, Feuer und Verderben im Bauche, die sich nicht halten läßt, bis sie ihr Ziel erreicht und alles zusammengeäschert hat.

Ohne zu denken, was für Folgen daraus für seine Tochter erwachsen könnten, bezeichnete er mich als ihren Verführer, ließ mich in den Kerker werfen und verlangte mit derselben Erbitterung mein Blut fließen zu sehen wie damals der Vogt das des armen Papageien. Damit hatte er aber einen Gegner in die Schranken gerufen, der mächtiger als alle war, nämlich meinen Vater.

Ich sollte ohne Sorge sein, sagte er mir, es würde mir kein Haar gekrümmt werden, denn die Herren wüßten, sagte er, daß er auf meinem Grabe so lange Menschen schlachten und Blut vergießen würde, bis ich selbst mein Haupt aus der Erde hübe und sagte: Ich bin gesättigt. Dergleichen wilde Prahlereien kamen mir halb komisch, halb grausig vor, aber ich glaubte in Wahrheit, mein Vater würde schon Mittel und Wege finden, mich zu erretten, so daß ich in aller Gemächlichkeit dahinlebte, bis ich eines [Seite 54] Abends erfuhr, was mein Vater im Schilde führte und wie er, um mich zu retten, mich als erstes Opfer mit den Füßen zertrat.

Es war der Abend, als sich die Tür auftat und Wunneke zu mir eintrat, nicht mehr ein blühender Veilchenstrauß, den Kinder und Frauen im Triumphe geleiten, sondern wie ein losgerissenes Blatt, vom Nordwinde hereingeblasen, wie ein Seufzer über die Erde huschend, todmüde und ruhelos kam sie herein, setzte sich neben mich und weinte. In einem Augenblick fühlte ich die höchste Seligkeit, da ich sie sah, und Todesschmerz, als ich inne wurde, was mit ihr vorgegangen war und was sie wollte. Noch ehe sie ein Wort gesprochen hatte, wußte ich, daß sie mich nicht mehr liebte und daß sie gekommen war, es mir zu sagen und mich um Verzeihung zu bitten. Wenn es nur das gewesen wäre! Aber nachdem ich ihr freundlich gesagt hatte, daß ich ihr nicht zürnte, sah sie mich immer noch mit beschwörenden Augen an, als sei das von allem das Geringste gewesen, als sollte ich noch mehr erraten. Nichts warnte mich, nichts brachte mich darauf; erst als sie es mir gestanden hatte, stand es hell vor meinen Augen, als ob ich es immer gewußt hätte, daß sie ihn, meinen Vater, liebte.

Sowie er erfahren hatte, daß mein Leben in Gefahr war, hatte er es ermöglicht, sie zu sehen und zu sprechen, hatte sie gemahnt an das, was er ihr angedroht hatte, und ihr mit entsetzlichen, mitleidlosen Anklagen die Seele zermalmt. Seine Forderung war, daß sie mich unter dem Schafott, wie es das Recht gestattete, für sich zum Manne begehrte und mit mir außer Landes ginge; für Geld, um uns draußen weiterzuhelfen, wollte er schon sorgen. Sich ihm zu widersetzen, [Seite 55] fehlte ihr der Mut, weniger aus Furcht oder weil sie sich im Unrecht wußte, sondern aus sklavischer Liebe, die ihr das Mark aus den Knochen gezogen hatte. In ihrer Not kam sie zu mir und klagte, daß sie zwar alles tun und auch mit mir entfliehen wollte, meine Frau aber nicht werden könnte mit der fürchterlichen Flamme für meinen Vater im Busen. Nachdem das Geständnis einmal von ihren Lippen gekommen war, wurde es ihr sichtlich leichter ums Herz, sie drängte sich zutraulich an mich und erzählte mir, wie alles gekommen war, und von ihrem Zustande und Leiden, als ob ich ihr Bruder wäre. Seine Blicke voll wütender Verachtung, seine strafenden Worte hatte sie zu seinen Füßen aufgesammelt, die Stacheln in die Brust gedrückt, Dornenkränze daraus geflochten und sich aufs Haupt gesetzt. Ich kann nicht sagen, wie groß mein Haß und meine Liebe war. Aber erst nachdem sie mich verlassen hatte, kam es aus meinem Gemüt herausgequollen und überschwemmte meine Seele. Ich preßte mich mit ganzem Leibe an die kalte Mauer und gab mich ohne Widerstand meinem Jammer hin; unter tausend Einfällen und Gedanken kam es mir wieder zu Sinne, wie sie meinem Vater das erstemal gegenübergestanden hatte und wie, während sie blaß, erschrocken und ohne Worte auf ihn schaute, sein Blick plötzlich wie mit kostenden Zungen an ihr heruntergeglitten war. Es schien mir zweifellos, daß er darum wissen mußte. Warum hatte ich sie von mir gehen lassen? Wußte ich nicht, daß er sie zu mir begleitet und draußen im Hofe des Kerkers auf sie gewartet hatte? Denn wie wäre sie sonst zu mir gekommen?

Auf einmal sah ich sie deutlich mit meinem inneren Auge nebeneinander die lange Straße über die Heide gehen. Der [Seite 56] Wind fuhr hinter ihnen her und lüftete den schwarzen Mantel meines Vaters, daß er wie eine Wolke über ihren Häuptern flatterte. Sie gingen den graden unabsehbaren Weg, von dem ich als Kind geglaubt hatte, er habe kein Ende und führe ins Jenseits; und als sie an der Schmiede vorüberkamen, warf das Feuer einen roten Schein auf ihre Gesichter, und ich konnte erkennen, wie sie sich mit starren verlangenden Augen ansahen. Das alles war viel näher und springender vor mir, als wenn ich es in Wirklichkeit gesehen hätte, die beiden heißbeleuchteten Gesichter waren so dicht, daß ich das blanke Weiß in ihren Augen sah, und wollten sich nicht verscheuchen lassen, bis meine Tränen hinüberflossen und sie auslöschten.

Da waren Eifersucht, Haß und Wut ganz vorbei, und ich fühlte nichts weiter als eine grenzenlose Verlassenheit in meinem Herzen. Es schien mir, als wäre ich mein Leben lang in diesem Kerker gewesen und hätte nie einen andern Freund gehabt als die geduldige Spinne, die in einer Ecke des Kerkers ihr Netz hatte. Als hätte niemand je mich freundlich angesehen, niemand mein feines Angesicht und meinen schlanken Körper gelobt, und doch würden meinem Herzen bei der leisesten Liebkosung glitzernde Tränen des Glückes entströmen. Es hätte klingen können, lauter wie eine Glocke, läuten, daß die blauen Luftwellen aufgerauscht und am roten Ufer der Sonne gebrandet wären – aber nun war es vermauert, und niemand würde es je hören, begraben war es schon, eh noch das Todesurteil an mir vollstreckt war.

Ich konnte somit wohl gelassen sein, als mir das Urteil verkündet wurde, und war es wirklich im Innern so sehr, [Seite 57] daß mir nur eine schwache Erinnerung davon geblieben ist. Aber bald darauf kam mein Vater, dessen ich in diesen Tagen so oft mit Bitterkeit, Fluch und Raserei gedacht hatte; kaum daß ich seinen Schritt und seine Stimme vernahm, die mich anrief, vergaß ich alles und warf mich an seine Brust, wie ich als Kind getan hatte. Wie aus einem leichten Schlummer heraus, hörte ich, was er erzählte: wie sie einen Scharfrichter aus dem Nachbarland hätten kommen lassen, unter dem Vorwande, daß ein Henker nicht könne gezwungen werden, seinem eignen Kinde den Kopf vom Rumpf zu schlagen, daß er aber Einspruch getan hätte, weil der Ordnung nach in unsrer Stadt Gebiet kein Richtschwert von Rechts wegen schalten dürfe als das seine, ferner wie sie ihn fürchteten und wie ich ohne Sorge sein sollte, da er alles aufs beste eingerichtet hätte und es nicht fehlschlagen könne. Solange er bei mir war, glaubte ich alles Gute, aber sowie er fortging, schwand mir die Hoffnung wie ein Licht, das einer im Lämpchen einen langen dunkeln Gang hinunterträgt; schwächer und bleicher wird der Schimmer, bis er endlich in der Dunkelheit verrinnt.

Ich wußte sicher, daß ich sterben müsse, und glaubte es vollends, als ich das Folgende gesehen hatte: Am Abend nämlich vor dem Tage meiner Hinrichtung geschah es mir noch einmal, daß ich mich von mir selber loslöste und über die Heide ging, während mein Körper bewußtlos auf den Strohbündeln des Kerkers lag. Ich ging schnell und trotzdem langsamer als der graue Schatten einer Wolke, der vor mir her lief. Sie flog, als wenn ein Sturm sie vor sich her bliese, obwohl es ganz windstill war; nur weiter weg, wo das Meer war, pfiff ein dunkles Sausen. Ich fühlte [Seite 58] mein kleines furchtsames Kinderherz in der Brust, das vor vielen Jahren so angstvoll geschlagen hatte, wenn ich abends allein die lange Straße gehen mußte, und freute mich so wie damals, als ich ein Licht vom Hofe meines Vaters in der Ferne erblickte. Indessen war es, als ich näher kam, das Feuer der Schmiede, das ungewöhnlich hoch brannte, und wie ich neugierig hinzutrat, sah ich meinen Vater davorstehen und sein großes Schwert schärfen, während der Schmied mit der Zange die Glut schürte. Ich wußte wohl, daß mein Vater das Schwert für mich gebrauchen wollte, aber das kümmerte mich nicht; ich starrte ihn nur bewundernd an, wie schrecklich schön er aus diesem Höllenscheine ragte. Erst als mein Blick auf seine Hand fiel, die mit dem Hammer mitten durch die Flamme fuhr und aussah wie von Blut überströmt, kam es mir in den Sinn, daß er mit derselben meine Mutter erwürgt hatte und nun mich, ihr armes Kind, töten wollte, und Haß und Rache stiegen in mir auf, so heftig und plötzlich, daß ich fast die Besinnung darüber verlor. Zugleich wußte ich aber auch, daß, so nah ich auch bei ihm stand, mein Vater mich nicht sehen konnte, ebensowenig wie ich ihn hätte anreden oder berühren können, und in diesem Gefühl von Ohnmacht brach ich in Tränen aus, die mir wie das erstemal das Bild auswischten.

Am andern Morgen erwachte ich mit einem ungeduldigen Freudengefühl, weil ich nun Erde und Sonne wiedersehen sollte; was danach kommen würde, lag außerhalb meines Bewußtseins, und sowie mein Geist diese traurige Schattenregion betrat, schauderte er zurück, um sich wieder im Lichte zu baden. Was für ein Tag war es aber auch! Die Sonne war wie ein riesiger Springbrunnen am Himmel, der die [Seite 59] Erde mit goldenem Schaumwein überflutete, so daß nicht nur die Menschen, sondern alles bis auf die Steine herab davon trunken war. Das Himmelsgewölbe glich einem blauen gläsernen Pokal, angefüllt mit dem funkelnden Safte der süßesten Sonnentrauben, damit die körperlosen Geister drüben sich den Rausch ewiger Seligkeit daraus tränken. Es war mir klar, daß die Menschenmenge, die die Heide erfüllte, nur deshalb hier zusammengelaufen war, um an diesem Festwein, den der Herrscher umsonst fließen ließ, sich satt zu trinken. An meiner Seite war der Propst, und am Wege stand der Totengräber, kläglich weinend und mit dem dicken Kopfe nach mir nickend, den ich wohl freundlich grüßte, aber ohne das mindeste dabei zu empfinden; denn meine Gedanken waren beschäftigt, auszumalen, daß ich, wenn ich da oben auf dem Gerüst stünde, das Meer überblicken würde. Ich hörte es schon rauschen und dachte, es erwartete mich, und wenn wir uns erblickten, würde es ein Wiedersehen geben, daß die Erde davon erzitterte. Wie ich nun die Stufen hinangesprungen war, sah ich es liegen; schwarz, denn während der Wind zu Lande nur mäßig ging, wühlte er mitten ins Meer hinein; aber durchsichtig schwarz wie Menschenaugen, und zuweilen loderte eine grüne Flamme in den blanken Wasserleibchen hinauf. Die Kähne, die am Ufer lagen, flogen auf und nieder, und man hörte das Klirren der Ketten, mit denen sie angebunden waren, durch das Brüllen der Brandung.

Am höchsten gingen die Wellen da, wo der klotzige Leuchtturm aus dem Schwall starrte; sie sprangen an ihm in die Höhe und warfen sich klatschend gegen seine Mauer, daß sie zerbarsten und in schaumigen Fetzen mit den aufgeregten [Seite 60] Möwen um seine Zinne flogen. Als sie meiner ansichtig wurden, faßten sie sich bei den kalten Händen und tanzten einen wilden Ringelreihen um den Leuchtturm herum, wobei sie mit gellenden Trompetenstimmen schrien: Tanz mit mir, Lütte Grave, tanz mit mir! und dazwischen pfiffen sie in gewissen springenden Rhythmen, wie kleine Jungen einander Zeichen zu geben pflegen.

Während ich nichts andres fühlte und dachte, als wie ich zu diesen Kameraden gelangen könnte, war um mich herum allerlei vorgegangen, was mich betraf und was ich, als der Propst selber mich anfaßte und meine Aufmerksamkeit darauf lenkte, nach allem, was mir bekannt war, wohl erraten konnte. Ich sah auf einmal meinen Vater in schwarzer Amtstracht, sein Schwert unter dem Arme, und Wunneke nicht weit von ihm, die Augen starr auf ihn geheftet, und eine große Bewegung unter der Volksmenge, weil die Tochter des Bürgermeisters mich vom Schwerte losgebeten hatte zu ihrem Manne. Sie stand da, ohne sich zu rühren, festgeklammert in dem eisernen, unentrinnbaren Blick meines Vaters, der über sie herrschte, matt und glanzlos wie ein abgerissener, sterbender Schmetterling. Ich begriff, daß es nun auf mich ankam, ein Zeichen zu geben, ob ich wollte, und schüttelte heftig den Kopf zur Verneinung; das tat ich weniger, weil sie mich damals im Kerker angefleht hatte, daß ich sie nicht zur Frau nehmen sollte, denn merkwürdigerweise war ich jetzt eigentlich innig überzeugt davon, daß sie mich lieb hatte und lieber auch als meinen Vater – als weil mir das alles so unendlich weit weg zu liegen schien, und so unwichtig und beinahe lächerlich kam es mir vor, daß so ungeheuer viele Menschen um so geringfügiger Sache [Seite 61] wegen in Bewegung und Erregung waren. Ich hatte ein ganz leises süßes Gefühl zärtlichen Mitleids für Wunneke, aber nur so, wie man für ein Kind hat, das wegen eines Schmerzes weint, der in kurzen Minuten vorüber sein wird, und als der Probst mir dringlich zuflüsterte: Sag ja, Lütte Grave! rief ich laut und ärgerlich: Nein, nein, nein, ich will nicht! und fürchtete fast, sie würden mich mit Gewalt vom Schafott reißen und in ihr Gewühl hineinzerren, da ich den Bürgermeister heftige Zeichen und Winke geben sah. Diese bezweckten aber ganz etwas andres; denn nun stieg ein schwarz umhüllter Mann zu mir hinauf, der, von mir unbemerkt, dicht unter dem Gerüst bereitgestanden hatte und von dem ich sofort wußte, daß es der fremde Scharfrichter war, der gekommen war, um mir den Garaus zu machen. In diesem Augenblick änderte sich plötzlich alles in mir; es war, als ob sich alles Blut in meinem Körper in einer Springflut über mein Herz ergösse, eine solche Todesfurcht packte mich, so jäh anprallend, daß ich auf die Knie fiel und abwehrend meine Arme ausstreckte und auch, wie ich glaube, laut aufschrie. Ja, in diesem Augenblicke stand es mir fest, eher sollte die Welt untergehen, als daß ich den Tod erlitte. Aber gleich darauf, als mein Vater kam, war alles vorüber. Ich hörte ihn meinen Namen rufen und blickte nach ihm hin, der etwas weiter weg von mir gestanden hatte. Die Obrigkeit hatte in seiner Nähe eine Reihe bewaffneter Männer aufgestellt, für den Fall, daß er etwas Gewalttätiges unternehmen sollte; diese alle drängte er nun ohne Mühe beiseite, um sich den Weg zu mir zu bahnen. Da sah ich etwas Entsetzliches: ich sah, wie er den kaiserlichen Vogt, die Ratsherren allesamt, [Seite 62] beide Bürgermeister und Wunneke im Vorbeigehen mit der Spitze seines Schwertes streifte, und erinnerte mich an das Gerede des Volkes, daß er damit, wen er wolle, auf das Blutgerüst bringen könne. Ich sah im Geiste über die graue Heide Blut rinnen, Blut, Blut und Blut, sah, wie sie es einschluckte, bis sie fett und feucht war wie dunkles Moos, und wie es zusammensickerte und in das Meer rann, daß es von grün rot wurde und purpurn und schwarz – aber das war alles nur ein Bild, das wie ein Blitz kam und ging. Denn nicht eine Minute, nachdem mein Vater mich gerufen hatte, war er schon oben bei mir, packte den fremden Scharfrichter bei der Brust, warf ihn über das Gerüst hinunter und beugte sich über mich. Mir war zumute wie als Kind, wenn ich mich in einsamer Dunkelheit gefürchtet hatte und meinen Vater kommen sah: ein seliges Gefühl von Geborgensein wickelte mich ganz ein wie ein dunkelpurpurner Samtmantel. Dem kleinen Knaben Tells, als er sich von seinem Vater den Apfel vom Kopfe schießen ließ, kann nicht leichter und zutraulicher ums Herz gewesen sein als mir. Das letzte, dessen ich mich entsinne, war, daß ich auf das Pfeifen des Meeres horchte, wie es rief: Tanz mit mir, Lütte Grave! aber dumpfer als vorher, weil ich den Kopf auf den Block gelegt und der weite Mantel meines Vaters sich wie ein Vorhang über mir herabgelassen hatte.


Druck von der Offizin
Fr. Richter in Leipzig

Die folgende Änderung gegenüber dem Originaltext wurde vorgenommen:

Die erste Zeile entspricht dem Original, die zweite Zeile enthält die Korrektur.
  • Seite 57:
    das einer im Lämpchen einen langengen dunkeln Gang hinunterträgt
    das einer im Lämpchen einen langen dunkeln Gang hinunterträgt





End of the Project Gutenberg EBook of Das Judengrab. Aus Bimbos
Seelenwanderungen, by Ricarda Huch

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS JUDENGRAB ***

***** This file should be named 33827-h.htm or 33827-h.zip *****
This and all associated files of various formats will be found in:
        http://www.gutenberg.org/3/3/8/2/33827/

Produced by Norbert H. Langkau, Alexander Bauer and the
Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net


Updated editions will replace the previous one--the old editions
will be renamed.

Creating the works from public domain print editions means that no
one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
(and you!) can copy and distribute it in the United States without
permission and without paying copyright royalties.  Special rules,
set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark.  Project
Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
charge for the eBooks, unless you receive specific permission.  If you
do not charge anything for copies of this eBook, complying with the
rules is very easy.  You may use this eBook for nearly any purpose
such as creation of derivative works, reports, performances and
research.  They may be modified and printed and given away--you may do
practically ANYTHING with public domain eBooks.  Redistribution is
subject to the trademark license, especially commercial
redistribution.



*** START: FULL LICENSE ***

THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK

To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
distribution of electronic works, by using or distributing this work
(or any other work associated in any way with the phrase "Project
Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project
Gutenberg-tm License (available with this file or online at
http://gutenberg.org/license).


Section 1.  General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm
electronic works

1.A.  By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
and accept all the terms of this license and intellectual property
(trademark/copyright) agreement.  If you do not agree to abide by all
the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy
all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession.
If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project
Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the
terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or
entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.

1.B.  "Project Gutenberg" is a registered trademark.  It may only be
used on or associated in any way with an electronic work by people who
agree to be bound by the terms of this agreement.  There are a few
things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
even without complying with the full terms of this agreement.  See
paragraph 1.C below.  There are a lot of things you can do with Project
Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
works.  See paragraph 1.E below.

1.C.  The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
Gutenberg-tm electronic works.  Nearly all the individual works in the
collection are in the public domain in the United States.  If an
individual work is in the public domain in the United States and you are
located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
copying, distributing, performing, displaying or creating derivative
works based on the work as long as all references to Project Gutenberg
are removed.  Of course, we hope that you will support the Project
Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by
freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of
this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with
the work.  You can easily comply with the terms of this agreement by
keeping this work in the same format with its attached full Project
Gutenberg-tm License when you share it without charge with others.

1.D.  The copyright laws of the place where you are located also govern
what you can do with this work.  Copyright laws in most countries are in
a constant state of change.  If you are outside the United States, check
the laws of your country in addition to the terms of this agreement
before downloading, copying, displaying, performing, distributing or
creating derivative works based on this work or any other Project
Gutenberg-tm work.  The Foundation makes no representations concerning
the copyright status of any work in any country outside the United
States.

1.E.  Unless you have removed all references to Project Gutenberg:

1.E.1.  The following sentence, with active links to, or other immediate
access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently
whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the
phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project
Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed,
copied or distributed:

This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
almost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away or
re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
with this eBook or online at www.gutenberg.org

1.E.2.  If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived
from the public domain (does not contain a notice indicating that it is
posted with permission of the copyright holder), the work can be copied
and distributed to anyone in the United States without paying any fees
or charges.  If you are redistributing or providing access to a work
with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the
work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1
through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the
Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or
1.E.9.

1.E.3.  If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
with the permission of the copyright holder, your use and distribution
must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional
terms imposed by the copyright holder.  Additional terms will be linked
to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the
permission of the copyright holder found at the beginning of this work.

1.E.4.  Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
License terms from this work, or any files containing a part of this
work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.

1.E.5.  Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
electronic work, or any part of this electronic work, without
prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
active links or immediate access to the full terms of the Project
Gutenberg-tm License.

1.E.6.  You may convert to and distribute this work in any binary,
compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any
word processing or hypertext form.  However, if you provide access to or
distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than
"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version
posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org),
you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a
copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon
request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other
form.  Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm
License as specified in paragraph 1.E.1.

1.E.7.  Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.8.  You may charge a reasonable fee for copies of or providing
access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided
that

- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
     the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
     you already use to calculate your applicable taxes.  The fee is
     owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he
     has agreed to donate royalties under this paragraph to the
     Project Gutenberg Literary Archive Foundation.  Royalty payments
     must be paid within 60 days following each date on which you
     prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
     returns.  Royalty payments should be clearly marked as such and
     sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the
     address specified in Section 4, "Information about donations to
     the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."

- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
     you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
     does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
     License.  You must require such a user to return or
     destroy all copies of the works possessed in a physical medium
     and discontinue all use of and all access to other copies of
     Project Gutenberg-tm works.

- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
     money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
     electronic work is discovered and reported to you within 90 days
     of receipt of the work.

- You comply with all other terms of this agreement for free
     distribution of Project Gutenberg-tm works.

1.E.9.  If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
electronic work or group of works on different terms than are set
forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1.  Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
collection.  Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
works, and the medium on which they may be stored, may contain
"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by
your equipment.

1.F.2.  LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
fees.  YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3.  YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.

1.F.3.  LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
written explanation to the person you received the work from.  If you
received the work on a physical medium, you must return the medium with
your written explanation.  The person or entity that provided you with
the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a
refund.  If you received the work electronically, the person or entity
providing it to you may choose to give you a second opportunity to
receive the work electronically in lieu of a refund.  If the second copy
is also defective, you may demand a refund in writing without further
opportunities to fix the problem.

1.F.4.  Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5.  Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
the applicable state law.  The invalidity or unenforceability of any
provision of this agreement shall not void the remaining provisions.

1.F.6.  INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
with this agreement, and any volunteers associated with the production,
promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
business@pglaf.org.  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     gbnewby@pglaf.org


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     http://www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.