The Project Gutenberg EBook of Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzlaender by Richard Andree This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at http://www.gutenberg.org/license Title: Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzlaender Author: Richard Andree Release Date: January 7, 2010 [Ebook #30883] Language: German Character set encoding: US-ASCII ***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ABESSINIEN, DAS ALPENLAND UNTER DEN TROPEN UND SEINE GRENZLAeNDER*** Das Buch der Reisen und Entdeckungen. Afrika. *Abessinien,* das Alpenland unter den Tropen. Malerische Feierstunden. Das Buch der Reisen und Entdeckungen. _Neue illustrirte_ *Bibliothek der Laender- und Voelkerkunde* zur Erweiterung der Kenntniss der Fremde. *Afrika.* *Abessinien, das Alpenland unter den Tropen.* Bearbeitet von *Dr. Richard Andree.* Mit 80 in den Text gedruckten Abbildungen, sechs Tonbildern, sowie einer Uebersichtskarte von Abessinien *Leipzig.* Verlag von Otto Spamer. 1869. [Illustration: Koenig Theodoros, Audienz ertheilend. _Originalzeichnung von __H. Leutemann__, nach Lejean._] *Abessinien,* _das Alpenland unter den Tropen_ und *seine Grenzlaender.* Schilderungen von Land und Volk vornehmlich unter *Koenig Theodoros* (1855-1868). Nach den Berichten aelterer und neuerer Reisender bearbeitet von *Dr. Richard Andree.* Mit 80 Text-Abbildungen, 6 Tonbildern nach Originalzeichnungen von E. Zander, R. Kretschmer, H. Leutemann u. A. nebst einer Uebersichtskarte von Abessinien. _Leipzig._ Verlag von Otto Spamer. 1869. Verfasser und Verleger behalten sich das Recht der Uebersetzung vor. Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig. VORWORT. Ein afrikanisches Alpenland, ueberreich an Schoenheiten und Wundern der Natur, bewohnt von einem begabten Volke, das gleich uns zum kaukasischen Stamme gehoert und mit den Negern nichts zu schaffen hat, eine an fesselnden Abenteuern reiche Folge von Reisen in dieses Land, endlich der Feldzug Englands gegen den eisernen, blutigen _Theodor_, der maechtig ueber Abessinien geherrscht, wie noch kein dunkelfarbiger Koenig vor ihm - das ist es, was wir in diesem Bande des "Buches der Reisen und Entdeckungen" den Lesern vorfuehren wollen. Abessinien hat von jeher der gebildeten Welt ein grosses Interesse eingefloesst und nicht etwa erst die neueste romantische Episode seiner Geschichte uns diese "unter die Tropen gerueckte Schweiz" naeher gefuehrt. Dort, in der muthmasslichen Heimat des schwarzhaeutigen der durch die Bibel eingefuehrten heiligen drei Koenige, besteht ja noch, abgeschieden und vergessen von den abendlaendischen Glaubensgenossen, inmitten heidnischer und muhamedanischer Voelker, ein christliches Reich; dorthin verlegte das Mittelalter auch den Staat des fabelhaften Erzpriesters Johannes, dort entspannen sich Glaubenskaempfe gegen den Islam, die an Heftigkeit und blutigen Greueln ihresgleichen suchen, dort muehten sich endlich unsere Missionaere bis in die neueste Zeit erfolglos ab, die Bevoelkerung zu einem reineren Glauben zurueckzufuehren. Staatsumwaelzungen, Buergerkriege folgen im bunten Wechsel einander. So erhebt sich vor unserem geistigen Blicke auf dem farbenreichen Hintergrund, den die Natur bietet, ein interessantes geschichtliches Bild, beginnend mit der sagenhaften Koenigin von Saba, endigend mit dem blutigen _Theodor_, und fesselt unser Interesse an denselben afrikanischen Boden, der, wenn man von Aegypten und den durch die Araber begruendeten Reichen absieht, im Grunde eine eigentliche Geschichte nicht hat. Nachdem der Verfasser die Erforschung Abessiniens von den aeltesten Zeiten bis auf unsere Tage herab geschildert hat, fuehrt er in den ersten vier Abschnitten Land und Leute in einem gedraengten Bilde vor, alles Wesentliche zusammenfassend, was ueber Geologie und Oberflaechengestaltung, ueber die natuerlichen Felsenfestungen und periodisch anschwellenden Stroeme, jene Grundursache der Nilueberschwemmungen, was ueber die klimatischen Verhaeltnisse und die Vegetationsguertel, ueber die Thierwelt jenes interessanten Gebietes gesagt werden kann. Dabei wandert das Volk an uns vorueber mit seinen guten Anlagen und seinem tiefen sittlichen Verfall, seinen verschiedenen Staemmen und Sprachen, Sitten und Gebraeuchen. Handel und Industrie finden gleichfalls gebuehrende Beruecksichtigung, nicht minder die religioesen Verhaeltnisse, das afrikanisch gefaerbte Christenthum des Landes mit seiner byzantinischen Scheinrechtglaeubigkeit und lasterhaften Priesterschaft. Die Missionsgeschichte, reich an Enttaeuschungen und arm an Erfolgen, wird unparteiisch berichtet und dann mit einer Abhandlung ueber den Landbau und die sozialen Verhaeltnisse des Landes der allgemeine Theil beschlossen. Nachdem der Leser dergestalt orientirt ist, kann er an der Hand der neuesten Reisenden das weite Land durchwandern; er lernt den Norden wie den Sueden kennen, die brennendheissen Kuestenstriche und die fieberschwangere, feuchte Kollaregion, hinauf bis zu den schneegekroenten, majestaetischen Alpengipfeln. Geleitet von solchen Forschern, deren Schilderungen zu den farbenpraechtigsten gehoeren, die wir ueber jene fernen Gegenden besitzen, gewinnt der Leser alsobald die vorgefuehrten Persoenlichkeiten um so lieber, je fesselnder deren oft ueberaus romantische Fahrten sind. Waehrend die aelteren Reisenden bereits frueher besprochen waren, bieten wir in diesem Abschnitte einen Einblick in das verdienstvolle Wirken der neueren Laendererforscher. Wir lernen den geistreichen und kuehnen Franzosen _Guillaume Lejean_ kennen, durchstreifen an der Hand _Werner Munzinger's_ und der Gefaehrten des _Herzogs Ernst von Sachsen-Koburg_ die noerdlichen Grenzgebiete, die Laender der Bogos und Kunama, begleiten den deutschen Fuersten selbst auf seinen Puerschgaengen und Elefantenjagden und werden schliesslich durch den englischen Major _W. Cornwallis Harris_ in die fast maerchenhaft erscheinende Welt von Schoa, diesen suedlichen Theil Abessiniens, eingefuehrt, wo in malerischen Einzelschilderungen das Hof- und Kriegsleben des Negus _Sahela Selassie_ an uns voruebergeht. Naturgemaess gipfeln die Mittheilungen in der Darstellung des heutigen Abessinien. Verfallen und zerrissen durch nimmer ruhende Buergerkriege, zuckend und verblutend liegt es da. Wuest liegen die fruchtbaren Aecker und das geplagte Volk verkommt: da scheint ein Hoffnungsstrahl aufzudaemmern! Gleich einem glaenzenden Meteor steigt der maechtige _Theodor_, der Sohn einer armen Kussohaendlerin, am abessinischen Himmel auf. Noch einmal scheint es, als ob das altaethiopische Reich aus seinen Truemmern, aus Schutt und Moder wieder erstehen wolle. Doch der Glanz truegt, und nach Tagen blutiger Schrecken sinkt unter der ueberlegenen Macht der "rothhaarigen Barbaren" auch der afrikanische Napoleon dahin, mit ihm sein Reich. Indessen nicht blos Schatten wirft die Regierungsgeschichte dieses unzweifelhaft bedeutenden Mannes; es sind Lichtpunkte genug in derselben zu finden, und der Verfasser hat sich bemueht, Licht und Schatten in gerechter Wuerdigung der Schwierigkeiten, die sich einem Reformator in der Eigenartigkeit von Land und Menschen jener fernen Gegenden entgegenstellen, billig zu vertheilen. Was die Quellen, aus denen das vorliegende Buch geschoepft, betrifft, so wurde von _Hiob Ludolf_ an bis auf _Th. von Heuglin_, sowie die Berichte der englischen Korrespondenten herab keine wichtige Publikation uebersehen. Ausser den angefuehrten Reisenden, deren Berichte im Auszuge wiedergegeben sind, wurden hauptsaechlich _James Bruce_, _Henry Salt_, _Eduard Rueppell_, _Karl Wilhelm Isenberg_, _Ludwig Krapf_ und (fuer den zoologischen Theil) _A. E. Brehm_ benutzt. Als ganz besonders werthvoll muessen wir die Originalabhandlung ueber die _Agrikultur Abessiniens_ von _Eduard Zander_ hier hervorheben. - Das Leben dieses deutschen Landsmannes haben wir im Texte geschildert. Fuer die Erlaubniss zur Veroeffentlichung der genannten Arbeit ist der Herausgeber _Sr. Hoheit dem Herzoge Leopold Friedrich von Anhalt_, in dessen Besitze sich das Original-Manuskript befindet, zu tiefgefuehltem Danke verpflichtet. Die Kundgebung dieser zu Magdala im Jahre 1859 verfassten Arbeit erfolgt hier, mit Weglassung einer allgemeinen Einleitung, vollstaendig. Da jedoch unserm wackern Landsmanne nach laengerer Abwesenheit vom Heimatlande der fluessige Gebrauch der deutschen Sprache abhanden gekommen war, so erschienen stylistische Aenderungen in seiner Darstellung unerlaesslich, wie denn auch die Schreibart der Eigennamen mit der in vorliegendem Werke befolgten in Uebereinstimmung gebracht werden musste. In der Orthographie abessinischer Namen herrscht bekanntlich die groesste Anarchie, ganz entsprechend jener, welche das Land zerruettet; um ihr womoeglich zu entgehen, schloss sich der Verfasser in seiner Rechtschreibung an diejenigen deutschen Reisenden an, welche von allen die meiste Uebereinstimmung zeigen und diesen Gegenstand am eifrigsten ihrer Aufmerksamkeit gewuerdigt haben, naemlich _K. W. Isenberg_ und _Th. von Heuglin_. Zur ganz besonderen Freude gereicht es uns, mittheilen zu koennen, dass der bei Weitem groessere Theil der Illustrationen dieses Werkes nach an Ort und Stelle aufgenommenen Originalen gezeichnet ist. Zwei Kuenstler, die das Land bereisten, haben dieselben geliefert: _Robert Kretschmer_, der den Herzog von Koburg als Maler begleitete, und _Eduard Zander_, dessen werthvolle Federzeichnungen, weit ueber hundert an der Zahl, die landschaftlichen, architektonischen und ethnographischen Verhaeltnisse Abessiniens ungemein gut charakterisiren. Sie befinden sich gleichfalls im Besitze Sr. Hoheit des Herzogs von Anhalt und werden hier, mit dessen hoher Erlaubniss, als wesentlicher Schmuck unsres Buches, wiedergegeben. Die uebrigen Illustrationen, bei denen die Quelle stets angegeben ist, wurden den Werken von H. Salt, E. Rueppell, W. C. Harris, Bernatz, G. Lejean u. a. entlehnt. Schon in dem uns hier entgegentretenden Reichthum an gelungenen Holzschnitten ist uns ein vollstaendiges Bild des afrikanischen Alpenlandes geliefert, das in keinem hier in Betracht kommenden andern Werke reicher illustrirt zur Anschauung kommen duerfte. Das am Schlusse mitgetheilte Kaertchen endlich wird zur allgemeinen Orientirung ueber das besprochene Gebiet willkommen geheissen werden. _Leipzig_, im Juli 1868. *Die Redaktion des "Buches der Reisen und Entdeckungen".* INHALTSVERZEICHNISS. Seite _Einleitung._* Historischer Ueberblick und Geschichte der 1 Erforschung Abessiniens.* Mit 11 Illustrationen Aethiops (2). - Die Koenigin von Saba (3). - Menilek und die salomonische Dynastie (3). Beruehrungen mit den Voelkern des Alterthums (4). - Die Koenigsstadt Axum und ihre Ruinen (5). - Einfuehrung des Christenthums (6). - Wechsel der Dynastie (8). - Die Invasion der Muhamedaner unter Granje (10). - Portugiesen und Jesuiten in Abessinien (11). - Ihre Vertreibung (12). - Zerfall des Reiches und Buergerkriege (13). - Die Verfassung (18). - Erforschungsgeschichte (19). - Portugiesische Reisende (20). - Hiob Ludolf (21). - Bruce (22). - Salt und Pearce (23). - Hemprich und Ehrenberg (23). - Rueppell (23). - Tamisier und Combes (26). - v. Katte (26). - Schimper (26). - Aubert und Dufey (27). - Lefebvre (27). - Gebrueder d'Abbadie (27). - Rochet d'Hericourt (28). - Beke (29). - Zander (30). - Sapeto (32). - Munzinger (32). - Lejean (33). - Die deutsche Expedition (33). *Das Land, seine Pflanzen- und Thierwelt.* Mit 14 35 Illustrationen Begrenzung (35). - Das Hochland (36). - Geologie Abessiniens (36). - Der versteinerte Wald (39). - Heisse Quellen (40). - Oberflaechengestaltung (40). - Natuerliche Felsenfestungen (42). - Die Alpen Semiens (42). - Charakter der Fluesse (46). - Ihr Anschwellen (46). - Ursachen der Nilueberschwemmungen (47). - Der Tanasee und der Abai (47). - Klimatische Verhaeltnisse (50). - Die Vegetationsguertel (51). - Kola (51). - Woina Deka (56). - Deka (61). - Die niederen Thiere (62). - Voegel (65). - Saeugethiere. Ihre Lebensweise, Nutzanwendung, Jagd (71). *Das Volk, seine Sitten und Gebraeuche, Handel und 85 Industrie.* Mit 9 Illustrationen Physischer Charakter des Volks (85). - Die Juden oder Falaschas (86). - Muhamedaner (87). - Gamanten (88). - Heidnische Ueberreste (90). - Waito (90). - Die Sprachen Abessiniens (90). - Literatur und Malerei (93). - Charakter und Sittenlosigkeit der Abessinier (94). - Blutrache (95). - Justiz (96). - Aberglauben (97). - Das Verzehren von rohem Fleische (100). - Nahrungsweise (102). - Kleidung (103). - Krankheiten und Aerzte (103). - Industrie und Handel (106). *Religion, Kirche und Geistlichkeit. Das Missionswesen.* Mit 111 8 Illustrationen Das Christenthum Abessiniens, dessen Lehren und Verwahrlosung (111). - Der Abuna (114). - Art des Gottesdienstes (120). - Die lasterhafte Geistlichkeit (122). - Moenche und Kloester (122). - Politische Asyle (123). - Zeitrechnung (123). - Feste (123). - Taufe, Ehe, Begraebniss (124). - Die Kirchen, ihre Einrichtung und Ausschmueckung (126). - Die verschiedenen Missionsversuche in Abessinien, deren Misslingen und Urtheile darueber (128). *Der Ackerbau und die Viehzucht Abessiniens.* Mit 5 139 Illustrationen Die Kulturflaeche Abessiniens (139). - Die Getreidearten, ihre Anpflanzung und Verwendung (141). - Gewuerze, Gemuese, Wein, Baumwolle, Gescho (144). - Ernteertrag (146). - Nuk (146). - Einfelderwirthschaft (146). - Ackerwerkzeuge (147). - Regenzeit (148). - Bewaesserung (148). - Soziale Stellung der Landleute (149). - Die Viehzucht (150). - Aussicht fuer europaeische Ansiedelungen (153). - Die Regierung und der Grundbesitz (153). - Das Frohnwesen (153). - Steuern (153). - Wiesen und Moorgrund (154). - Bienenzucht (154). - Die Wohnungen der Landleute (155). - Die Muehlen Abessiniens (157). *Massaua und die abessinische Kuestenlandschaft.* Mit 5 158 Illustrationen Die Bedeutung des Rothen Meeres (158). - Der Dahlak-Archipel und die Perlenfischerei (160). - Die Stadt Massaua und ihre Bewohner (162). - Sklavenhandel (164). - Die Cisternen (166). - Der Markt (167). - Karawanenhandel mit Abessinien (167). - Die Bai von Adulis (168). - Schoho und Danakil (170). - Die Samhara (171). - Eine abessinische Karawane (172). - Der Tarantapass und Halai (174). *G. Lejean's Reise durch Abessinien.* Mit 10 Illustrationen 176 Metemme (177). - Der Markt Wochni (178). - Grenzwaechter (178). - Eine abessinische Festung (180). - Eine deutsche Familie (182). - Das Land am Tanasee (182). - Schnapphaehne (184). - Missionsstation Gafat (185). - Gefangennahme Lejean's durch Koenig Theodor (187). - Theodor's Loewen (187). - Gondar und seine Bauten (188). - Wasserfall des Reb (192). - In einem Kloster (194). - Besuch in Korata (195). - Binsenfloesse (198). - Besteigung des hohen Guna (200). - Fuenf Frauengenerationen (200). - Befreiung (202). - Hochebene Wogara (202). - Lamalmon-Pass (203). - Reise durch Tigrie nach Massaua (204). *Reisen in den noerdlichen und nordwestlichen Grenzlaendern 207 von Abessinien.* Mit 4 Illustrationen Das Land der Mensa und Bogos (207). - Reise des Herzogs Ernst (208). - Monkullo (209). - Labathal (209). - Plateau von Mensa (210). - Das Volk der Mensa (211). - Ausflug nach Keren (212). - Elephantenjagd (214). - Rueckkehr (216). - Munzinger ueber die Bogos (217). - Geschichtliches (217). - Ein aristokratisches Volk (218). - Rechtsverhaeltnisse (218). - Aberglauben (219). - Das Christenthum der Bogos (219). - Der Marebfluss (221). - Die demokratischen Bazen und Barea (220). *Schoa und die britische Gesandtschaft unter Major Harris.* 224 Mit 9 Illustrationen Begrenzung (224). - Englische Gesandtschaft unter Harris (225). - Tadschurra (225). - Zug durch die Adalwueste (226). - Salzsee (227). - Mord im Thale Gungunte (228). - Versammlung der Eingeborenen (230). - Sklavenkarawane (232). - Myrrhen (233). - Der Hawasch (234). - Der Grenzdistrikt (234). - Alio Amba, ein Marktort (236). - Empfang beim Koenige Sahela Selassie (240). - Die Hauptstadt Ankober (242). - Debra Berhan, die Sommerresidenz (245). - Sklavendepot (246). - Truppenrevue (246). - Angollala (249). - Schlucht der Tschatscha (250). - Medoko, der Rebell (252). - Das Gallavolk (252). - Kriegszug gegen dasselbe (258). - Siegesfest (260). - Abschluss des Handelsvertrags (262). - Rueckkehr (263). *Theodoros II., Negus von Aethiopien.* Mit 6 Illustrationen 264 Bewegte Jugend (264). - Der Emporkoemmling (265). - Schlacht von Debela und Koenigskroenung (266). - Rebellenkriege (267). - Reformen (272). - Abessinische Heere und Kriegspraxis (275). - Verwickelungen mit den Missionaeren (280). - Gefangennahme Cameron's und Streitigkeiten mit England (281). - Magdala (284). - Beginn der englischen Invasion (287). - Erstuermung von Magdala und Tod Theodor's (293). - Rueckzug der Englaender (297). Die hierzu gehoerigen Tonbilder sind einzuheften: Koenig Theodoros, Audienz ertheilend Titelbild. Teiit, Partie von Totscha in Semien Seite 43 Charakter des Hochgebirges Awirr in Semien " 49 Herzog Ernst von Sachsen-Koburg-Gotha auf der Jagd in " 215 Mensa Im Lager des Negus. Priester und Krieger " 276 Innerer Theil der Bergfeste Magdala. Suedliche Ansicht " 286 [Illustration: Obelisken von Axum. Nach Rueppell.] EINLEITUNG. Historischer Ueberblick und Geschichte der Erforschung Abessiniens. Aethiops. - Die Koenigin von Saba. - Menilek und die salomonische Dynastie. - Beruehrungen mit den Voelkern des Alterthums. - Die Koenigsstadt Axum und ihre Ruinen. - Einfuehrung des Christenthums. - Wechsel der Dynastie. - Die Invasion der Muhamedaner unter Granje. - Portugiesen und Jesuiten in Abessinien. - Ihre Vertreibung. - Zerfall des Reiches und Buergerkriege. - Die Verfassung. - Erforschungsgeschichte. - Portugiesische Reisende. - Hiob Ludolf. - Bruce. - Salt und Pearce. - Hemprich und Ehrenberg. - Rueppell. - Tamisier und Combes. - v. Katte. - Schimper. - Aubert und Dufey. - Lefebvre - Gebrueder d'Abbadie. - Rochet d'Hericourt. - Beke. - Zander. - Sapeto. - Munzinger. - Lejean. - Die deutsche Expedition. "In den ersten Jahrhunderten unserer Aera stand Abessinien auf der Hoehe der damaligen Kultur; das Christenthum, das ununterbrochen von Aegypten den Nil hinauf bis hierher reichte, schuf einen stetigen Verkehr mit dem roemischen Reiche. In Glauben, Sitte, Recht und Feinheit des Lebens war es uns aehnlich; doch seit es von dem Abendlande durch die Fortschritte des Islam abgeschnitten ist, blieb seine Entwicklung stehen, und wie, wer steht, zurueckgeht, so ist auch Abessinien zurueckgegangen und ist verwildert, wenn es auch jetzt noch Europa viel naeher steht als dem nachbarlichen Afrika. Es ist umringt von Feinden, wie die Rose von Dornen; im Norden, wo das Hochland in Stufen abfaellt und endlich in unabsehbare Tiefebenen sich endet, wohnen muhamedanische Voelker, meist rebellische Kinder des Hochlandes, die hellfarbigen Habab, die Leute von Barka; ihnen folgen noch noerdlicher die altnomadischen fremdredenden Hadendoa. Im Westen begrenzt Abessinien das Nilland, tuerkischer Herrschaft unterworfen, im Sueden das halb muhamedanische, halb teufelanbetende Volk der Galla. Wohl brauchte es Jahrhunderte, das Hochland vor allen diesen Feinden dem Christenthume zu wahren. Doch jetzt steht Abessinien gegen aussen unabhaengig da; es hat nur die inneren Feinde zu fuerchten, die Anarchie, den freiwilligen Verfall seiner Religion und Sitte, den Selbstmord." So charakterisirt einer der besten Kenner des Landes, Werner Munzinger, die Lage der "afrikanischen Schweiz", die von alters her das Interesse der europaeischen Voelker wach zu halten wusste, schon wegen der Gleichartigkeit der Religion, welche uns mit ihren Bewohnern verbindet. Dorthin verlegte man den Sitz des schwarzen Erzpriesters Johannes, dorthin zogen Glaubensboten und wissenschaftliche Forscher in grosser Zahl und uebermittelten uns Kunde von den Wundern des so verschiedenartig gestalteten Landes. Bald sind es die heissfeuchten Niederungen mit toedtlichem Klima, tropischem Pflanzenwuchs und belebt von den Riesen der Thierwelt, bald kahle, vom Winde gepeitschte Hochebenen, ueber denen die gezackten, kuppel- und domfoermigen Bergriesen bis in die Eisregion hineinragen, dann wieder die verschiedenen Staemme des Landes, ausgezeichnet vor ihren Nachbarn durch leibliche und geistige Vorzuege, doch tief gesunken, die uns jene Berichte vorfuehren. Endlich aber ist es die mehr als tausendjaehrige, wol anfangs in den Schleier der Sage gehuellte Geschichte des Landes, die mit ihrem Dynastienwechsel, ihren blutigen Buergerkriegen und Religionskaempfen uns unwillkuerlich anzieht. Ja, _Geschichte auf afrikanischem Boden_! Welche Anomalie! Denn sehen wir ab von den muhamedanischen Staaten und den alten, voruebergehenden Kulturreichen im Norden des schwarzen Erdtheils, so bietet uns allein Abessinien eine Geschichte, ein Reich in Afrika dar. Staatenbildungen, Historie bei den Negervoelkern zu suchen, waere vergebliche Muehe; Abessinien aber hat beides, und der Grund dafuer liegt in der Abstammung, der Begabung seiner Bewohner, die gleich uns zur kaukasischen Rasse gehoeren, denn sie sind aethiopische Semiten, Verwandte der Araber, Phoenizier, Juden. Nach der Ueberlieferung der Abessinier kam _Kusch_, ein Sohn Ham's, in ihr Land, liess sich dort nieder, gruendete die Stadt Axum und bevoelkerte weit und breit die Umgebung. Er hinterliess zwoelf Soehne, unter welchen der aelteste, _Aethiops_, dem ganzen Lande den Namen _Aethiopia_ gab. So hiess es wenigstens bei den Griechen und heisst es heute noch offiziell. Der allgemein uebliche Ausdruck Abessinien jedoch ist aus dem arabischen Habesch abgeleitet. Nach dieser dunklen Sage schweigt die Tradition wieder, und nur Erinnerungen an heidnische Gebraeuche und Schlangenkultus fuellen den Zeitraum aus, bis die Geschichte Abessiniens - wenn auch immer noch sagenhaft - mit derjenigen der schoenen _Koenigin Maketa von Scheba_ (Saba) zusammenfaellt. Zu Axum hatte sie im 11. Jahrhundert vor Christus ihren Thron aufgeschlagen; dort herrschte sie, ihr Volk beglueckend, voller Milde und Guete. Eines Tags erschienen Fremdlinge aus einem fernen noerdlichen Lande bei ihr, die viel von dem weisen Koenige Salomo zu Jerusalem berichteten, der alle uebrigen Menschen an Klugheit weit uebertraf. Ihn zu sehen, reiste die Koenigin nach Kanaan, und kaum hatte der Judenkoenig sie erblickt, als er sich in sie verliebte und sie zur Frau nahm. Nachdem die aethiopische Fuerstin dem Koenige einen Sohn Namens _Menilek_ Ebn Hakim, der spaeter den Koenigsnamen David I. empfing, geboren hatte, riefen sie die Pflichten der Herrschaft wieder nach Abessinien zurueck, waehrend der Sohn beim Vater blieb, um dort in allen Tugenden erzogen zu werden. Er wuchs heran und nahm zu an Weisheit und Gnade, sodass aller Menschen Augen mit Wohlgefallen auf ihm ruhten. Eines Nachts, berichtet die Tradition, erschien ihm der Herr im Traume, hiess ihn wieder in die Heimat zurueckkehren und dort den Gottesdienst nach juedischer Weise einrichten. Heimlich warb er zwoelf Priester, unter denen Asarja obenan steht, nahm in der Nacht die alte Bundeslade aus dem Tempel zu Jerusalem und fluechtete mit ihr zu seiner Mutter nach Axum, wo das angebliche Heiligthum noch jetzt gezeigt wird. Von seinem Vater Salomo wurde Menilek lange Zeit verfolgt, allein Gottes Wundermacht schuetzte ihn und sicherte ihn vor allen Nachstellungen, so dass er 29 Jahre ueber Aethiopien regierte. Seit jener Zeit nun regiert nominell eine _salomonische Dynastie_ in Abessinien, und der Glaube hieran ist unter dem ganzen Volke vom Hoechsten bis zum Niedrigsten so fest gewurzelt und weit verbreitet, dass nichts sie von dieser Vorstellung abzubringen vermag. [Illustration: Abessinische Muenzen. Nach Rueppell. 1. Kupfermuenze des Kaisers Armah (644 bis 658), 2. Goldmuenze des Kaisers Aphidas (536 bis 542), 3. Goldmuenze des Kaisers Gersemur (603 bis 614).] Die Bewohner Abessiniens scheinen in der vorchristlichen Zeit auf einer sehr niedrigen Kulturstufe gestanden zu haben. Mit den durch die Aegypter civilisirten Staemmen, welche in Aethiopien den Nilstrom entlang wohnten und das Reich Meroe gegruendet hatten, scheinen sie durchaus keinen Verkehr gehabt zu haben, ja es ist ausgemacht, dass den alten Aegyptern das Land erst durch die Kriegszuege Alexander's d. Gr. und durch die von ihm an die Kueste verpflanzte Kolonie von Syrern (wahrscheinlich juedischer Religion) bekannt wurde. Die Ptolemaeer, welche ihre Handelsverbindungen mit dem Rothen Meere ausdehnten, errichteten Emporien und Stationen fuer die Elephantenjagd laengs der "Kueste der Troglodyten" und Aethiopier, und der zweite Nachkomme des grossen Soter gruendete Adulis am Golf von Zula, nahe dem heutigen Massaua. Seine Truppen drangen, nach der von Kosmas Indikopleustes im 6. Jahrhundert aufgefundenen sogenannten adulitischen Inschrift, siegreich bis ueber den Takazziefluss in die damals schon erwaehnten Schneegebirge Semien's und verpflanzten griechische Sprache und Gesittung in das Land. In Tigrie entstand das koenigliche Axum mit seinen hohen Obelisken, Inschrifttafeln und Koenigsgraebern, und die aethiopischen Fuersten schlugen Gold- und Kupfermuenzen. - Doch griff diese Art hoher Kultur, deren Bluete in das 4. bis 7. Jahrhundert faellt, erst nach der Einfuehrung des Christenthums um sich. Laut predigen heute noch von der alten Herrlichkeit die Ruinen der einst maechtig bluehenden Koenigsstadt in der Provinz Tigrie. Sie sind, wenige andere zerstreute Reste abgerechnet, das einzige, was an die alte Glanzzeit Abessiniens erinnert und der Zielpunkt aller Reisenden, welche das aethiopische Hochland aufsuchen. Noch zu Anfang des 16. Jahrhunderts, als der Portugiese Alvarez sich dort aufhielt, muessen manche merkwuerdige Bauwerke daselbst vorhanden gewesen sein, die seitdem verschwunden sind. In einer alten deutschen Uebersetzung seines Reiseberichtes heisst es: "Chaxuma hat vieler schoener Wohnungen uff der Erde gebavet, da eine jede seinen springenden Brunnen hat, und das Wasser den Lewen zum Rachen herausspringet, welche aus gesprenkelten Marmelsteinen zierlich gemacht sind.... Man findet auch an den Haeusern viel alter seltzamer Figuren, in gar reine und harte Steine gehawen, als Lewen, Hunde, Vogel u. s. w." Auch jetzt enthaelt Axum noch sehenswerthe Monumente, Obelisken, Stelen, Koenigsgraeber, Opferaltaere, ueber die wir durch Salt, Rueppell und Heuglin genaue Auskunft erhalten haben. Der Anblick der in einer Niederung zwischen vulkanischen Huegeln ausgebreiteten Stadt mit ihren zahlreichen Kirchen, Obelisken, Wachholder- und Feigenbaeumen ist ueberraschend schoen. Noch ehe man das Thal betritt, begegnet man von Osten kommend einem kleinen schlanken Obelisk, um den mehrere aehnliche umgestuerzt in Truemmern liegen; etwas weiter sind Schutthuegel mit Opfersteinen und einer 7 Fuss hohen Stele (Inschriftstein), deren eine Seite eine aethiopische, die andere eine griechische Inschrift vom Axumitenkoenig Aizanas enthaelt. Von hier fuehrt ein in den Fels gehauener Weg oder Wasserleitung in die Stadt. Ueber den geraeumigen Marktplatz gehend, erreicht man bald ein niedriges Plateau mit einem riesigen Feigenbaum, dessen Stamm an 50 Fuss Umfang hat. Hier ist das eigentliche Obeliskenfeld. Einen sonderbaren Kontrast bilden diese schlanken, oft mit einfachen und zierlichen Ornamenten fast ueberladenen Monolithe und Stelen zur bescheidenen Bauart der meist runden, mit Stroh gedeckten Steinhuetten der heutigen Axumiten, die oft dicht gedraengt in einzelnen ummauerten Gehoeften zusammenstehen, beschattet von immergruenen Wanzabaeumen, deren dichtes Laubwerk Schneeflocken gleich mit Blueten uebersaeet ist. Das heutige Axum hat eine Laenge von etwa einer halben Stunde, aber Haeuser, Gehoefte und Gaerten stehen nicht dicht beisammen und sind zuweilen durch Felder und mit Truemmern bedeckte Plaetze unterbrochen. Die Einwohnerzahl veranschlagt Heuglin auf 2-3000. Sie treiben Ackerbau und Viehzucht und leben in verhaeltnissmaessig glaenzenden Umstaenden, da die vielen kirchlichen Feste und Wallfahrten und namentlich das politische Asyl - ein von Mauern umgebener Platz beim Markte - zahlreiche Fremde nach Axum ziehen. [Illustration: Der sogenannte Koenigssitz zu Axum. Nach Salt.] Die Obelisken, etwa 60 an der Zahl, bedecken eine niedrige Terrasse fast vollstaendig. Die meisten sind jetzt umgestuerzt und alle scheinen aus in der Naehe gebrochenen vulkanischen Gesteinen zu bestehen. Einzelne sind nur rohe Steinmassen, die vollendetsten dagegen 60-70 Fuss hohe Monolithe, die schon in der Form von aehnlichen aegyptischen Monumenten abweichen, namentlich durch den oblongen Querschnitt, sowie durch Mangel der Inschriften und ganz abweichende Ornamentik. Das Ganze scheint einen (natuerlich nicht hohlen) Thurm mit 8-10 Stockwerken darzustellen, an dem Fenster und Thor angedeutet sind. Die vor den Obelisken liegenden Platten umfassen dieselben theilweise; sie haben zwei Stufen, eine kleine Schwelle und vier runde Vertiefungen (Opferschalen). An verschiedenen Stellen der Stadt stoesst man noch auf alte Baureste, namentlich auf kolossale Quadersteine. Allerlei Toepfergeschirre, Amphoren, Schalen, Loewenkoepfe, die als Brunnenroehren dienten, sind in Truemmer zerstreut und es koennte hier sicher noch durch Nachgrabungen manches historisch wichtige Monument zu Tage gefoerdert werden. Der Eindruck, welchen die verschiedenen Monumente auf einzelne Reisende hervorbrachten, war ein sehr ungleicher. Waehrend z. B. Rueppell, wol mit Recht, deren Kunstwerth nicht hoch schaetzt, ist Salt von den Obelisken ganz entzueckt. Ja, von dem 60 Fuss hohen Obelisk, der sich praechtig an dem alten Sykomorenbaum erhebt, sagt er sogar: "Nach Vergleichung mit vielen Spitzsaeulen von aegyptischer, griechischer und roemischer Arbeit scheint mir dieser Obelisk das bewundernswuerdigste und vollkommenste Werk, wozu man schwerlich ein Gegenstueck findet". Nahe bei dem Haupteingange der beruehmten Kirche des Ortes stoesst man auf elf in einer Reihe dicht nebeneinander stehende _Altaere_ von eigenthuemlicher Bauart, deren einen Salt als "Koenigssitz" abbildet. Jeder derselben besteht aus drei sich auf den vier Seiten verkuerzenden Stufen, von welchen die unterste etwa neun Fuss im Quadrat hat. Auf der zweiten Stufe befinden sich vier Wuerfel, die an den Eckkanten der dritten anliegen und von welchen jeder eine achteckige Saeule traegt, aller Wahrscheinlichkeit nach zur Stuetze der verschwundenen Deckplatte. Eine Stunde nordoestlich von der Stadt liegen die sogenannten "Fuchsloecher" oder Koenigsgraeber auf einem Huegel mit herrlicher Aussicht. Auf dem schmalen Gebirgsruecken bemerkt man ein aus grossen Quadern und Saeulen bestehendes Fundament einer Art Grabkirche, in dessen Mitte ein Weg zum Eingange eines Felsengrabes fuehrt, das wie sein einfaches Portal in den Fels gearbeitet und nachher mit kuenstlicher Mauerung aus grossen Bloecken ausgekleidet worden ist. Aehnlich den Koenigsgraebern von Theben fuehrt von da aus dann ein Gang schraeg abwaerts; dieser muendet in drei Kammern, deren mittlere mit einer Thuer verschlossen werden konnte. Erwaehnen wir nun noch die aufgefundenen Muenzen (eine kupferne des Koenigs Armah, der von 644 bis 658 regierte, zwei goldene der Koenige Aphidas und Gersemur aus dem 6. und 7. Jahrhundert, theilt Rueppell mit), so haben wir so ziemlich alles erwaehnt, was von dem koeniglichen Axum uebrig blieb, das ums Jahr 1535 von dem muhamedanischen Stuermer Granje eingeaeschert wurde. Die Bluetezeit der Stadt faellt mit der Einfuehrung des Christenthums zusammen, das, lange bevor noch in Deutschland der heilige Bonifacius (725) dem Evangelium Eingang verschaffte, durch einen Zufall an die aethiopische Kueste verpflanzt wurde. Ein christlicher Kaufmann, _Meropius_ mit Namen, machte naemlich mit seinen beiden Gehuelfen _Frumentius_ und _Aedisius_ im Jahre 330 eine Geschaeftsreise laengs den Kuesten des Rothen Meeres, landete in der Gegend des heutigen Massaua und wurde hier nebst einem Theile seiner Schiffsmannschaft von den wilden Eingeborenen erschlagen. Nur den beiden Juenglingen schenkte die wuethende Bande das Leben. Man brachte sie an den koeniglichen Hof, wo sie gute Aufnahme fanden und bald vom Koenige Sara-Din mit wichtigen Aemtern betraut wurden. Auf ihre Veranlassung kamen noch mehrere christliche Kaufleute nach Abessinien, die nun eine kleine Gemeinde bildeten und auch mehrere Einheimische bekehrten. Die beiden Juenglinge reisten dann spaeter in ihr Vaterland zurueck, zur Zeit als Athanasius Erzbischof von Alexandria war. Aedisius wurde Priester in Tyrus; Frumentius aber wandte sich mit der dringenden Bitte an den Erzbischof, der kleinen christlichen Gemeinde in Abessinien einen Hirten zu senden, damit sie nicht verwaise. Athanasius wusste hierzu aber keinen bessern zu finden, als den Bittsteller, gab dem ehemaligen Handlungsgehuelfen die Weihe und sandte ihn nach Abessinien zurueck. Hier angelangt fuehrte er den Namen Abba Salama, Vater des Friedens, uebersetzte das Neue Testament in die aethiopische Sprache und breitete das Christenthum weit ueber das Land aus, wenn auch noch ein grosser Theil des Volkes bei der altheidnischen Religion verharrte. Die fernere Geschichte Abessiniens ist sehr dunkel und nur durch lange Reihen von Koenigsnamen ausgefuellt, an welche sich nur hier und da einzelne historische Thatsachen knuepfen. Aus diesen entnehmen wir, dass zur Zeit des griechischen Kaisers Justinian (um 522) eine heftige Christenverfolgung durch die Juden im suedlichen Arabien stattfand. Justinian wandte sich deshalb an den abessinischen Koenig _Kaleb_; dieser eilte mit einer Armee ueber das Rothe Meer, schlug die Juden und unterwarf sich den groesseren Theil des suedlichen Arabiens, in dessen Besitz die Abessinier auch blieben, bis sie kurz vor Muhamed's Auftreten durch die Blattern, die in ihrem Heere stark wuetheten, gezwungen wurden, sich wieder in ihr Land zurueckzuziehen. Im uebrigen ist aus der langen Periode des aethiopischen Reiches bis ins 8. Jahrhundert nicht viel Erwaehnenswerthes ueberliefert; das Volk vergeudete seine Kraefte in unfruchtbaren Religionsstreitigkeiten und kam mit seinen Nachbarn nicht aus dem Kriegszustande heraus. Unterdessen trat, den ganzen Orient erschuetternd, Muhamed mit seiner Lehre auf. Allein der Islam fand in Abessinien wenig Eingang, jedoch wurde das damals noch bluehende Reich Adal fuer diese neue Lehre gewonnen, und dieses gab den zwischen beiden Laendern bestehenden Streitigkeiten bedeutende Nahrung, indem zu den politischen nun noch religioese Kaempfe sich gesellten, welche das Land mit Blut ueberschwemmten. Doch bevor noch diese muhamedanischen Invasionen erfolgten, hatte Abessinien eine gewaltige Revolution durchzukaempfen und es war fraglich, ob die Juden oder die Christen die Oberhand erhalten sollten. Die ersteren erhoben sich naemlich unter dem Namen der _Falaschas_ zu einer furchtbaren Macht. Durch Heirathsverbindung zwischen der Familie ihrer Haeuptlinge und der abessinischen Koenigsfamilie brachten sie den Koenigsthron an sich und suchten nun die salomonische Linie ganz auszurotten. Es sind jetzt etwa 1000 Jahre darueber hingegangen, dass der letzte salomonische Koenig, _Delnaod_, vom Throne seiner Vaeter gestossen wurde, und zwar durch eine Juedin aus Lasta Agau, welche die ganze koenigliche Familie, einen Knaben ausgenommen, der nach Schoa fluechtete, ermorden liess. Sie hiess _Judith_, wie zu vermuthen steht, ein selbstbeigelegter Name mit dem beabsichtigten Hinweis auf die alttestamentliche Heldin. Drei Jahrhunderte spaeter wurde die Judendynastie wieder durch einen christlichen Herrscher aus dem Hause Sague vertrieben, dessen Nachkommen bis zum Jahre 1268 regierten, also zur selben Zeit, als in Deutschland die Hohenstaufen kraftvoll das Scepter fuehrten. Elf Koenige soll das Haus Sague (Zagye) den Abessiniern geliefert haben, die fuer das Christenthum eifrig wirkten, unter denen der spaeter heilig gesprochene _Lalibela_ durch die vielen kunstvoll in Felsen ausgehauenen Kirchen, die aegyptische Werkmeister auffuehrten, beruehmt geworden ist. Die meisten dieser Felsenkirchen sind zur Zeit der muhamedanischen Invasion im 16. Jahrhundert zerstoert worden, doch haben sich einzelne derselben bis auf unsere Tage erhalten. Der englische Reisende Pearce schildert uns die Felsenkirche Dschumada Mariam noerdlich von den Quellen des Takazzie, sein Landsmann Salt jene von Abba os Guma bei Schelicut, v. Heuglin die Felsenkirche von Tenta in Wollo. Die seltsamste duerfte aber wol jene sein, welche der Missionaer Isenberg im Jahre 1838 bei dem Dorfe Hauazien in der Provinz Tembien besuchte, als er gerade im Begriff war, das Land nach dem Scheitern seines Missionswerkes zu verlassen. "Obgleich ich aus leicht erklaerlichen Gruenden nicht aufgelegt war, die Kirche dieses Ortes zu untersuchen, so konnte ich doch nicht umhin, ihre aeussere Form anzustaunen. Sie scheint aus einem einzigen Granitblock zu bestehen, der zu dem Zwecke ausgehoehlt ist, kann aber, nach dem aeussern Umfange des Steins zu urtheilen, nur sehr wenig Raum im Innern haben. Auch die aeussere Form des Steines ist sehr auffallend. Er ist kaum 20 Fuss hoch und in der mittleren Hoehe, wo er am breitesten ist, da er die Form eines stehenden Kreuzes anstrebt, mag er auch etwa 20 Fuss breit sein; seine Tiefe aber von vorn nach hinten ist geringer. Er hat einen engen Eingang, in jedem Seitenfluegel des Kreuzes und ueber der Thuere eine Fensteroeffnung; alles dieses in den Fels gehauen." Gewiss ist zu beklagen, dass Isenberg diese interessante Felsenkirche nicht auch im Innern untersuchte, da, wie es scheint, er der einzige europaeische Reisende war, welcher sie zu Gesicht bekam. Zu Ende des 13. Jahrhunderts lebte in Schoa der achte Nachkomme jenes zur Zeit der Judenherrschaft nach Schoa gefluechteten letzten Prinzen der salomonischen Dynastie. Sein Name war Tesfa Jesus oder _Jekuno-Amlak_. In Abessinien aber herrschte _Nakwetolaab_, der Sague. Als eigentlicher Herrscher des Landes musste aber der maechtige Abuna oder Erzbischof _Tekla Haimanot_ angesehen werden, heute noch der beruehmteste Heilige der abessinischen Kirche und Gruender des grossen Klosters Debra Libanos in Schoa, durch dessen Eifer und Beistand die Wiedereinsetzung der alten Dynastie ermoeglicht wurde. Aus freiem Willen, wenn auch auf dringendes Einreden dieses Erzbischofs, leistete Nakwetolaab Verzicht auf die Krone und stieg vom Throne herab, um jenem Nachkoemmling der salomonischen Dynastie, nach abessinischer Vorstellung dem legitimen Sprossen Menilek's, Platz zu machen. Zum Entgelt fuer sich und seine Leibeserben wurde Nakwetolaab zum Herrscher in der Provinz Waag unter der Lehensoberhoheit des Koenigs bestellt und dazu der Vorbehalt ausbedungen, dass fuer den Fall des Aussterbens der Linie Menilek's die Krone an die Linie Nakwetolaab's zurueckgelange, ein Uebereinkommen, welches solche Lebenskraft besitzt, dass es bis in die juengste Zeit zurueckwirkt. - Von dieser Zeit an bietet die politische Geschichte des Landes eine Reihe von kriegerischen Expeditionen dar, welche ihre Koenige, zum Theil ausgezeichnete Helden, gegen auswaertige Voelker unternahmen, waehrend die muhamedanische Macht an der Grenze sich immer drohender entwickelte. [Illustration: Felsenkirche von Hauazien. Nach Isenberg.] In dieser Noth fand eine naehere Verbindung zwischen Europa und Abessinien statt, ja es war die Rede von einer Verschmelzung der Landeskirche mit der roemisch-katholischen, die durch Pilgerfahrten nach Jerusalem angeregt worden war. Dort hatten die frommen abessinischen Wallfahrer von dem aufstrebenden Glanze Portugals gehoert, und die Berichte derselben erregten in Koenig _Jakob_, der von 1421 bis 1470 regierte, den Wunsch, mit dem abendlaendischen Reiche in Verbindung zu treten. Eine Gesandtschaft wurde nach Lissabon geschickt, um dort vom Koenige Alphons Huelfe gegen die Unglaeubigen zu erbitten. Diesem, der damals mit kriegerischen Plaenen gegen die Mauren Nordafrika's umging, kam der Wunsch Jakob's sehr gelegen, obgleich damals der Weg ums Kap der guten Hoffnung herum noch nicht entdeckt war; allein er konnte, ohne den maechtigen Papst gefragt zu haben, auf die Allianz mit Abessinien nicht eingehen, und dieser forderte als erste Bedingung eines Buendnisses die unbedingte Unterwerfung der getrennten aethiopischen Kirche unter den Stuhl Petri. Die abessinischen Gesandten mussten deshalb 1441 auf dem Florentiner Konzil erscheinen, wo eine vorlaeufige Ausgleichung zwischen beiden Kirchen stattfand. Schon im folgenden Jahre erschienen neue Bevollmaechtigte auf dem lateranischen Konzil zu Rom, um den Ausgleich zu bestaetigen und dringend aufs neue um Huelfe zu bitten. Diese jedoch verzoegerte sich und an ihre Stelle trat nach langem Briefwechsel 1490 eine von Koenig Johann II. an Koenig Eskander von Abessinien geschickte Gesandtschaft, welche mit den groessten Ehrenbezeugungen aufgenommen wurde. Dabei blieb es aber vor der Hand und die Muhamedaner rueckten immer mehr gegen die Abessinier an. Im Jahre 1527 wurde der Hafenplatz Massaua von den Tuerken eingenommen und von diesen mit dem an der Kueste herrschenden Dankali-Koenige _Muhamed Granje_, dem "Linkshaendigen", ein Buendniss abgeschlossen, welches den Zweck hatte, Abessinien gaenzlich zu unterwerfen und an die Stelle des Evangeliums den Koran zu setzen. Granje, dessen Vaeter von den abessinischen Koenigen mit dem Schwerte erschlagen worden waren, hatte blutige Rache geschworen und fiel gleich einem reissenden Strome mit einem zahlreichen Heere in das Land ein. Durch den gelben Sand der duerren Adalebenen und die gluehend heissen Gestadelaender ziehend, stieg er hinauf in die kuehleren, gesegneten Berglandschaften Schoa's, alles vor sich niederwerfend, sengend und brennend. Weit und breit dampfte das Land vom Blute der Erschlagenen; nicht Weib noch Kind wurde geschont, die Kirchen und Staedte, darunter der Koenigssitz Axum, wurden niedergebrannt, die koenigliche Familie aus ihrer Felsenburg Endoto verjagt und fluechtig von dannen getrieben. Damals war es, dass die nur mit Schwertern und Lanzen bewaffneten Abessinier zum ersten male den Feuerwaffen der Muhamedaner begegneten, vor deren ungewohntem Klange sie davoneilten, wie gescheuchte Rehe des Waldes. Die Muhamedaner aber ergossen sich ueber das wehrlose Land, veruebten die groessten Greuel und waren eben im Begriffe, sich dauernd dort niederzulassen, als die laengst erwartete Huelfe aus Portugal eintraf. Don _Christoph da Gama_, ein Verwandter des beruehmten Vasco da Gama, kam mit einer kleinen portugiesischen Flotte in Massaua an und landete mit 400 wohlgeruesteten Kriegern, mit denen er rasch nach Tigrie eilte, sie dort mit den Resten der geschlagenen abessinischen Armee vereinigte und nun muthig den Streitern des Islams entgegenfuehrte. Das erste groessere Gefecht der Portugiesen gegen die Muhamedaner verlief ungluecklich. Da Gama wurde verwundet und fluechtete in eine Hoehle, wo ihn eine muhamedanische Sklavin von ausserordentlicher Schoenheit, welche er als Dienerin mit sich fuehrte, ihren Glaubensgenossen verrieth. Er wurde vor Granje gefuehrt, welcher ihm eigenhaendig mit der linken Hand den Kopf abschlug, der nach Konstantinopel gesandt wurde, waehrend die Stuecke des geviertheilten Koerpers nach verschiedenen Gegenden Arabiens wanderten. Die Portugiesen, anfangs durch den Verlust ihres Feldherrn bestuerzt gemacht, rafften sich indessen von neuem auf, schlugen die Muhamedaner, toedteten Muhamed Granje und setzten den rechtmaessigen Koenig Claudius (Galaudios) wieder in den Besitz seines Thrones. Nichts umsonst! So lautete damals schon der Wahlspruch, und die Portugiesen, die ihr Blut nicht ohne Gewinn verspritzt haben wollten, traten nun mit zwei Forderungen auf. Zunaechst verlangten sie den dritten Theil des Landes und dann unbedingte Unterwerfung der aethiopischen Kirche unter den roemischen Papst. Die Abessinier sahen ein, dass sie einen Feind losgeworden, dafuer aber einen andern, kaum minder schlimmen, aufs neue sich zugezogen hatten. Claudius, welcher sich in seinem Glauben nicht irre machen liess, auch der Portugiesen jetzt nicht mehr zu beduerfen glaubte, verweigerte beide Forderungen kurzweg und holte einen neuen Abuna (Vorstand der aethiopischen Kirche) aus Alexandrien, waehrend er den roemischen Geistlichen, an deren Spitze _Bermudez_ stand, befahl heimzukehren. Die Portugiesen waren aber weit davon entfernt, so ohne weiteres die Fruechte ihres Sieges aufzugeben. Im Jahre 1555 kam eine Jesuitenmission in Abessinien an, welcher bald darauf eine zweite unter dem Bischofe Orviedo folgte, aber alle ihre Anstrengungen waren vergeblich, indem Koenig Claudius selbst ueber Glaubenssachen mit Orviedo disputirte, ihn zu widerlegen suchte und, als dieser darauf die ganze abessinische Kirche in den Bann that, ihn mit seinen Genossen aus dem Lande verwies. Nur mit Widerstreben gehorchten die Patres, die nach Japan versetzt wurden, wo sie, anfangs zu Einfluss gelangend, auch spaeter wieder, wegen ihrer Einmischung in die Regierung des Landes, vertrieben wurden. Von Indien aus versuchten es die Juenger Loyola's nun zu wiederholten Malen, in Abessinien festen Fuss zu fassen, bis es ihnen endlich zur Zeit der Regierung des Koenigs _Sosneos_ (Seltan Seggad) gelang, sich festzusetzen. Unter diesem Koenige, der ausserordentlich viel auf eine Verbindung mit Portugal gab, wurde auf Betreiben der Jesuiten die roemische Kirche fuer die alleinseligmachende erklaert, die bisherigen abweichenden Lehren und Gebraeuche abgeschafft und die Einfuehrung des roemischen Gottesdienstes und Glaubens im ganzen Reiche eifrig betrieben. Vergeblich warnten den Koenig seine Freunde, flehten seine Geistlichen mit dem hundertjaehrigen Abuna Simeon an der Spitze, den Eingebungen der Jesuiten nicht zu folgen und treu am Glauben der Vaeter festzuhalten. Wer nicht wollte, musste gehorchen oder des koeniglichen Missfallens und schwerer Strafen gewaertig sein. Allein aufgestachelt von den Priestern liess das Volk die Glaubenstyrannei sich nicht gefallen und griff zu den Waffen, um die alte Religion zu vertheidigen. Der Koenig, durch die fanatischen Jesuiten immer mehr angefeuert, schickte den Scheftas (Rebellen) ein maechtiges Heer unter dem Oberbefehl seines Bruders entgegen, dem es auch bald gelang, die Revolution blutig niederzuwerfen. Dieser Sieg veranlasste das Einstroemen zahlreicher portugiesischer Geistlichen, die, den Erzbischof _Mendez_ an der Spitze, nun mit dem groessten Eifer fuer Ausbreitung des Katholizismus in Abessinien Sorge trugen. In einer feierlichen Versammlung wurde das alexandrinische Bekenntniss fuer abgeschafft erklaert und jeder mit dem Bannfluche belegt, der sich der neuen Ordnung nicht fuegte. Die Herrschaft der Jesuiten ruhte nun schwer auf dem Lande, und vor ihrem Fanatismus blieben nicht einmal die Graeber verschont. Einer der vornehmsten Priester, der sich der neuen Ordnung nicht gefuegt hatte, starb und wurde auf dem Kirchhofe begraben; auf Befehl des Erzbischofs Mendez grub man jedoch die Leiche aus und warf sie den Hyaenen vor. Diese und aehnliche Handlungen erweckten die Wuth des Volkes aufs neue, und wiederum brach eine Empoerung aus, diesmal mit dem Zwecke, _Melea Christos_, einen Vetter des Koenigs, auf den Thron Abessiniens zu erheben. Die zahlreiche Armee des Sosneos wurde nun geschlagen und dieser zu einer Vermittelung zwischen dem alten und neuen Glauben gezwungen. Erzbischof Mendez gestattete, dass die alte Liturgie und die alten Festtage wiedereingefuehrt, sowie die Feier des Sonnabends neben dem Sonntage geduldet wurde. Mit Ausnahme der Einwohner der Provinz Lasta ergaben sich alle Abessinier hierein; jene aber, die konservativsten unter allen, zogen 20,000 Mann stark den Koeniglichen entgegen, wurden aber namentlich durch die aus Galla bestehende Reiterei des Sosneos geschlagen, sodass 8000 tapfere Maenner von Lasta mit ihren blutigen Leichen das weite Schlachtfeld deckten. Gegenueber diesem Anblick, bei den verstuemmelten Koerpern ihrer dahingeopferten Brueder, die fuer den alten Glauben gefallen waren, erweichte das Herz der Sieger und, den Kronprinzen _Fasilides_ an der Spitze, ging - was wol einzig in der Kriegsgeschichte dastehen duerfte - der Sieger zu dem Besiegten ueber, dessen Sache zur seinigen machend und den Koenig Sosneos zwingend, zur Religion der Vaeter zurueckzukehren. Nach diesem Siege, der zur Niederlage des Katholizismus wurde, durchzog ein Herold das Land, welcher laut verkuendigte: "Hoert, hoert! Frueher haben wir euch den roemischen Glauben empfohlen, in der Meinung, dass er der wahre sei. Da aber grosse Scharen unserer Unterthanen fuer den alten Glauben ihrer Vaeter das Leben geopfert haben, so soll auch die freie Ausuebung desselben wieder gestattet sein. Eure Priester moegen ihre Kirchen wieder in Besitz nehmen und darin dem Gott ihrer Vaeter dienen." Damit war der Untergang des Katholizismus besiegelt; laut jubelnd stroemten die Abessinier in die alten Gotteshaeuser, und als im Jahre 1632, nach dem Tode des Koenigs Sosneos, dessen Sohn Fasilides an die Regierung kam, waren auch die Stunden der Jesuitenvaeter gezaehlt. Sie wurden zunaechst in das Kloster Mai Goga bei Adoa verbannt, fluechteten aber von hier vor den Verfolgungen des Poebels. Mendez selbst gerieth auf der Flucht zu Sauakin in die Sklaverei und statt seiner nahm wieder ein Abuna aus Alexandrien den hoechsten Kirchensitz zu Gondar ein. Ist auch die Invasion der Portugiesen, die Herrschaft der Jesuiten ueber das Land nicht ohne Einfluss in kulturhistorischer Beziehung geblieben, so wurde doch ein guter Theil des Volks und Reiches in den inneren Zwisten dem Ruin zugefuehrt. In der folgenden Periode regierten bis 1753 acht Koenige, mehr oder minder kraeftig, die aber alle nicht hindern konnten, dass die Macht der Haeuptlinge wuchs, die Herrscherwuerde im Ansehen immer mehr sank und das Reich sich unaufhaltsam in seine Theile aufloeste, sodass allmaelig die drei Staaten _Amhara_ in der Mitte, _Tigrie_ im Norden, _Schoa_ im Sueden sich unter eigenen Fuersten herausbildeten, die den ohnmaechtigen Koenig im Palaste zu Gondar nur dem Scheine nach anerkannten. Unter Koenig _Joas_ (1753-1769) hatte der Statthalter von Tigrie, der furchtbare _Ras Michael_, als eine Art von Major Domus die ganze Macht an sich gerissen, den Kaiser umbringen lassen und dessen bejahrten Grossoheim, Johannes, gleich einer Puppe auf den Thron erhoben, und als dieser fuenf Monate spaeter starb, dessen jungen Sohn Tekla Haimanot II. zu seinem Nachfolger ernannt. Jene Zeiten, die uns Bruce mit grosser Anschaulichkeit als Augenzeuge schildert, bilden eines der blutigsten Blaetter in der Geschichte Abessiniens. [Illustration: Krieger von Schoa. Nach Harris.] Sturz und Erhebung, Buergerkrieg und Mord wechseln miteinander ab und die Menge der auftretenden Namen, der unzufriedenen Haeuptlinge, der ermordeten Statthalter ist geradezu verwirrend. Durch stete Treulosigkeit suchten sich die abessinischen Haeuptlinge gegenseitig zu ueberlisten, wobei ihnen meist eheliche Verbindungen als Deckmantel dienten, um das unglueckliche Land fortwaehrenden Verheerungskriegen preiszugeben, welche stets nur zur Befriedigung des individuellen Ehrgeizes, niemals aber im Interesse des Reiches gefuehrt wurden. Durch so viele Veraenderungen und durch die bestaendigen Buergerkriege war die Herrschermacht so in Verfall gerathen, dass das Koenigthum nur noch in dem Palaste des jeweiligen Koenigs zu Gondar thatsaechlich bestand, ausserhalb desselben aber so wenig, dass die meisten der nominellen Unterthanen _nicht einmal den Namen des Herrschers kannten_. Die Existenz des Koenigs war nur eine Aegide fuer den _Ras_ oder Protektor des Reiches, der nur durch Erhebung eines Koenigs auf seinen Thron und durch Beschuetzung desselben seine eigene Wuerde erhielt, sonst aber ganz nach seinem eigenen und seiner Grossen Gutduenken schaltete. Unter ihm standen die vielen Reichsvasallen, die Provinzial-Gouverneure, deren Wuerde erblich ist, die aber ebenfalls so viel Unabhaengigkeit zu erstreben suchten, als sie nur konnten. Jeder Gouverneur war verpflichtet, bei militaerischen Expeditionen seinem Obern mit so vielen Soldaten zu Huelfe zu eilen, als er selbst unterhalten konnte, und sein buergerlicher Rang im abessinischen Staatskoerper wurde nach der Stelle bestimmt, die ihm im Heere, d. h. im koeniglichen Lager und auf dem Marsche angewiesen wurde. Vorzueglich aber hatten diese Statthalter das Recht sich angemasst, Gegenkaiser zu ernennen und die ihnen missfaelligen Thronbesitzer zur Abdankung zu zwingen. Da sie ueberdies noch die Tributzahlungen einstellten, wurde das Ansehen und die Macht der Koenige so herabgewuerdigt, dass sich das Einkommen derselben zu Anfang unseres Jahrhunderts auf dreihundert Thaler belief. Welche Civilliste fuer einen Herrscher Aethiopiens! Um sich aber von der Wandelbarkeit der abessinischen Koenigswuerde eine rechte Vorstellung machen zu koennen, sei hier bemerkt, dass seit dem Abdanken des Koenigs Tekla Haimanot II. (1778) bis zum Jahre 1833 vierzehn verschiedene Fuersten zweiundzwanzigmal als Koenige in Gondar auf dem Throne gesessen haben. Ein Nebenstueck hierzu finden wir allerdings in den sogenannten Republiken Suedamerika's, wo der Praesidentenstuhl nicht minder haeufig wechselt. Nachdem der erwaehnte Ras Michael durch den Statthalter der Provinz Lasta, _Wend Bowosen_, am 4. Juni 1771 besiegt und gefangen worden war, bemaechtigte sich der Befehlshaber von Tembien, _Kefla Jesus_, der Provinz Tigrie. Derselbe bat, um sich in seinem Besitzthum moeglichst zu befestigen, seinen Verbuendeten, den Wend Bowosen, ihren gemeinschaftlichen Gegner, den furchtbaren Ras Michael, der zu Dobuko gefangen sass, aus der Welt zu schaffen; allein jener that das Gegentheil: er setzte den Gefangenen in Freiheit und machte ihn mit dem Plane des Kefla Jesus bekannt. Ergrimmt zog nun der alte tapfere Ras Michael mit wenigem Gefolge nach Tigrie, und fast die ganze Armee seines Gegners Kefla Jesus ging zu ihm, ihrem alten General, unter dem sie so oft gesiegt hatte, ueber. Jener wurde hierauf gefangen und von Ras Michael 1772 aufs grausamste ums Leben gebracht, der auch bis zu seinem 1779 erfolgten Tode ueber Tigrie herrschte und seinen Sohn _Ras Walda Selassie_ zum Nachfolger erhielt; dieser Fuerst, welcher aus den Erzaehlungen der englischen Reisenden Salt und Pearce bekannt geworden ist, regierte, wiewol keineswegs ungestoert, bis zum Mai 1816 ueber Tigrie; nach seinem Tode war das Land sechs Jahre in einem hoechst anarchischen Zustande, indem nicht weniger als vier Haeuptlinge nacheinander um die Obergewalt kaempften. Im Jahre 1822 gelang es _Sabagadis_, dem Statthalter der Provinz Agamie, sich in der Obergewalt zu befestigen und ueber acht Jahre lang in Tigrie zu regieren. Er soll damals den kuehnen Gedanken gefasst haben, sich die Alleinherrschaft in Abessinien zu erringen, wozu er wahrscheinlich durch verschiedene bei ihm befindliche Europaeer veranlasst wurde. Allein auch er theilte das Schicksal seiner Vorgaenger und erhielt in _Ubie_, einem talentvollen, kuehnen und grausamen Manne, einen noch weit bedeutenderen Nachfolger. Ubie war der Schwiegersohn des Sabagadis und Detschasmatsch der gebirgigen Provinz Semien; das hinderte aber den Schwiegervater nicht, gegen ihn, dessen aufstrebende Macht er fuerchtete, zu intriguiren. Vereinigt mit Ras Maria, dem Befehlshaber der Provinzen Begemeder und Dembea, rueckte nun Ubie an den Takazzie, schlug dort am 15. Februar 1831 seinen Schwiegervater Sabagadis vollstaendig und liess ihn am folgenden Tage hinrichten. Waehrend nun Ubie von den Grossen zu Axum als Herr Tigrie's ausgerufen wurde, kaempfte der aeltere Sohn des Sabagadis, Walda Michael, gegen ihn fort, doch ohne Erfolg; er wurde gleichfalls getoedtet, und auch der zweite Sohn, Kassai, musste sich Ubie ergeben. Aber Kassai blieb nicht treu, sondern versuchte abermals zu rebelliren. Um ihn fester an sich zu knuepfen, schenkte ihm Ubie im Spaetjahre 1836 seine siebenjaehrige Tochter zur Frau, sowie ein bedeutendes Gebiet in Tembien zur Mitgift und liess sich dabei alle Hauptanhaenger Kassai's nennen, die in Verwahrsam gebracht wurden. Als darauf Kassai 1838 wieder rebellirte, zog Ubie mit einer bedeutenden Armee gegen ihn, schlug ihn und setzte ihn in einer Bergveste gefangen, wo seine Frau nicht von ihm wich. Dann befestigte sich seine Macht immer mehr und erreichte ihren Gipfel durch den Fall Balgadaraia's, eines maechtigen Fuersten in Ost-Tigrie, der zeitweise die Abwesenheit Ubie's zu raschen Verheerungs- und Raubzuegen bis nach Adoa und zum Takazzie benutzte. Im Jahre 1850 stellte sich Balgadaraia freiwillig dem Ubie und wurde von demselben mit Laendereien belehnt. Im centralen Staate Abessiniens, in Amhara, regierte unterdessen nicht minder gewaltig, doch mit weniger Glueck, _Ras Ali_, welcher die ganze Herrlichkeit an sich gerissen hatte und den Koenig oder Kaiser _Saglu Denghel_ noch mehr zur Unbedeutendheit herabdrueckte, als dieses bisher mit den Herrschern geschehen war. Fuer seinen Lebensunterhalt waren diesem Herrscher ueber Abessinien nur 300 Maria-Theresia-Thaler jaehrlich geblieben, welche die in Gondar wohnenden Muhamedaner als eine Art Kopfsteuer zu entrichten hatten. Mit dieser unbedeutenden Summe und dem Betrage einiger wenigen zufaellig eingehenden Strafgelder musste die ganze Hofhaltung bestritten werden. Die hierdurch entstehende grosse finanzielle Bedraengniss, bei welcher der Titularkoenig des Reiches kaum die noethigsten Mittel zur Anschaffung seiner Nahrung hatte, war es wol, welche Saglu Denghel auf den Gedanken brachte, dass, da in Abessinien der Herrscher zugleich als das hoechste Haupt der Landeskirche angesehen wird, er auch das Recht haben muesse, diejenigen Schenkungen, welche seine Vorfahren in gluecklichen Zeiten der Kirche gemacht hatten, jetzt, da der Thron dieselbe zu seinem eigenen Bestehen nothwendig habe, wenigstens theilweise zurueckzuverlangen. Er erklaerte dieses im Anfange des Jahres 1833 den in Gondar anwesenden Geistlichen, brachte aber dadurch den ganzen Klerus gegen sich auf - also genau so wie bei uns, wenn z. B. ein Koenig von Italien die Kirchengueter zum Besten des Landes einzieht, nur mit anderm Erfolge. Dass Soldaten sich der Einkuenfte vieler Kirchengueter bemeisterten, hatte man freilich geschehen lassen muessen, weil es nicht verhindert werden konnte; aber in die Schmaelerung der kirchlichen Revenuen als etwas Gesetzliches von freien Stuecken einzuwilligen, dazu war die abessinische Geistlichkeit ebenso wenig zu bewegen, wie irgend ein Klerus Europa's. Saemmtliche Geistliche von Gondar verfuegten sich also zum Kaiser und protestirten energisch gegen die Neuerung, ja, sie fingen sogar an, die Kirchen zu schliessen und jegliche geistliche Funktion einzustellen, worueber besonders die alten Frauen in Bestuerzung geriethen. Am 19. Januar 1833 begab sich die ganze Geistlichkeit in feierlichem Aufzuge zum Protektor Ras Ali nach Fangia und bat denselben dringend, dem Saglu Denghel die Koenigswuerde zu nehmen, weil er sich derselben durch die Einfuehrung ketzerischer Neuerungen in dem zwischen Staat und Kirche bestehenden Verhaeltnisse unwuerdig gemacht habe. Solche Versuche, fuegten sie hinzu, wuerden ohne allen Zweifel den Ruin des Reiches nach sich ziehen und von jeher sei ja auch ein Angriff auf die geistlichen Rechte von allen Synoden als verdammenswerth anerkannt worden. Indem wir diese uns von Rueppell, der als Augenzeuge spricht, mitgetheilten Einzelheiten lesen, kommt es uns vor, als sei hier etwa von Oesterreich und dem Jahre 1867 die Rede, wo beim Streite ueber die Aufhebung des Konkordates der Klerus der Regierung gegenueber die naemliche Sprache, die naemlichen Argumente gebrauchte. So sehr gleicht sich die Geistlichkeit in allen Theilen unserer Erde. Der Klerus erreichte seinen Zweck vollkommen, denn Ras Ali schickte sogleich einen seiner Offiziere mit dem Befehle nach Gondar, dass der Koenig augenblicklich das Schloss verlasse und die Krone niederlege, fuer welche er bei seiner Rueckkehr von einem Kriegszuge einen Wuerdigeren ernennen werde, und diesem Befehle wurde ohne die mindeste Widersetzlichkeit Folge geleistet. So endete die nominelle Herrschaft Saglu Denghel's nach einer Dauer von nur vier und einem halben Monate und so gingen damals die Protektoren mit dem "Koenige" um. Ras Ali wies dem abgesetzten Herrscher ein kleines Dorf in der Naehe des Tanasees als zukuenftigen Wohnsitz und die geringen Einkuenfte desselben zu seinem ferneren Unterhalte an. Lange Zeit blieb der Thron unbesetzt, und die folgenden Koenige sind auch nur von chronologischem Interesse, da eine Bedeutung ihnen nicht mehr zukam und das Land in der That aus drei gaenzlich getrennten Staaten, aus Schoa unter Koenig Sahela Selassie, Amhara unter Ras Ali und Tigrie unter Ubie bestand. Im Verfolge unseres Werkes werden wir noch oft Gelegenheit haben, diese drei Theilfuersten zu erwaehnen, von welchen namentlich der erstere und der letztere unser Interesse um deswillen in Anspruch nehmen, weil sie mit den Europaeern in nahe Verbindungen traten und von verschiedenen Reisenden aufgesucht wurden. Ubie, etwa im Jahre 1800 geboren, war, nach Rueppell's Bericht, ein Mann von hagerer Statur und mittlerer Groesse; in der Kopfform und Koerperhaltung sprach sich ein gewisser Adel aus und seine schoenen lebhaften Augen verriethen Geist und Gewandtheit; seine Gesichtsfarbe war gelbbraun; sein schoengelocktes Haar kurz verschnitten. Man ruehmte ihm Tapferkeit, Grossmuth, Freigebigkeit und Gerechtigkeitsliebe nach. "Die Art, wie er den Frieden in Tigrie herzustellen und zu befestigen suchte," sagt Rueppell, "giebt eine offene und loyale Handlungsweise zu erkennen, wie sie die jetzigen Abessinier leider nicht verdienen." Auch mit Huelfe der Geistlichkeit suchte er seine Macht zu befestigen. Denn schon seit vierzehn Jahren war der Sitz des Metropoliten von Abessinien verwaist, als Ubie im Jahre 1841 mehr aus politischem als kirchlichem Interesse in _Abba Salama_ einen neuen Abuna (Erzbischof) aus Kairo holen liess. Er hatte schon laengst darauf gesonnen, Ras Ali zu stuerzen und durch Einsetzung eines neuen Koenigs auf den Thron von Gondar sich selbst zum Ras oder Protektor des Reiches, also zum obersten Machthaber des ganzen Landes, zu erheben. Der Abuna sollte durch seinen Einfluss auf die Kirche seine Macht verstaerken und wol auch den neuen Koenig salben, zu welchem der Prinz Tekla Georgis bestimmt war, der jedoch bald starb. Allein keiner von beiden Rivalen, weder Ubie noch Ras Ali, sollte auf den alten Thron Abessiniens gelangen, - die Herrschaft fiel einem dritten zu, der, vom Gluecke beguenstigt, mit Thatkraft ausgeruestet, wenigstens zeitweilig dem grauenhaften Zustande ein Ende machte, welcher seit langem das Land zerfleischte und Rueppell die Worte abdraengte: "Ich muss gestehen, dass bei dem jetzigen gesetzlosen Zustande des ganzen Landes nicht der geringste Hoffnungsstrahl einer sittlichen Regenerirung der Nation leuchtet und dass der vollkommene Mangel einer kraeftigen Regierung das Haupthinderniss dabei ist und um so schwerer zu beseitigen sein wird, da gegenwaertig auch nicht eine einzige Fraktion des Volkes an die Herstellung einer solchen denkt. Der letzte Schatten eines gemeinsamen politischen Oberhauptes ist mit der Absetzung des Kaisers Saglu Denghel geschwunden. Die Geschichte der letzten sechzig Jahre zeigt eine vollkommene politische Aufloesung des Landes und dreht sich blos um die Haeuptlinge, welche in den verschiedenen Provinzen, als gleichsam voneinander unabhaengigen Staaten, sich zu unumschraenkten Herrschern aufwarfen, durch List und Kuehnheit ihre Nebenbuhler verdraengten und dann meistens selber wieder durch Treulosigkeit ihrer Verbuendeten gestuerzt wurden. So herrschen denn fortwaehrend Buergerkriege, welche in der Regel keinen andern Zweck haben, als einen durch Versprechungen und Eidschwuere eingeschlaeferten Gegner zu verdraengen, und die Bewohner einiger Distrikte, die in einem kurzen Frieden etwas Eigenthum erlangt haben, auszupluendern. Die nothwendige Folge davon ist eine stets zunehmende Verarmung; das Grundeigenthum hat beinahe gar keinen Werth mehr; der Ackerbau wird immer mehr vernachlaessigt; die Viehherden sind ungemein zusammengeschmolzen und der Verkehr ist wegen der grossen Unsicherheit oft ganz unterbrochen." Rueppell bezieht diese Worte auf das Jahr 1833; allein sie hatten noch Geltung in der Mitte dieses Jahrhunderts; der traurige Zustand des armen Landes und Volkes, das nach Erloesung aus diesen Uebeln jammerte, war bis dahin und ist auch noch heute derselbe. Auf eine Hoffnung aber baute seit alten Zeiten jedermann in Abessinien. Nach der Tradition sollte ein Koenig _Theodoros_ erscheinen, um dem Lande den ewigen Frieden zu bringen. Dieser Theodoros regierte einst schon im 15. Jahrhundert und ward heilig gesprochen; aber wie unser Barbarossa wird er, so glaubt der Abessinier, wiederkehren zu seiner Zeit, um das Reich des ewigen Friedens in Aethiopien einzufuehren. An der Spitze seiner Scharen wird er das heilige Grabmal den Haenden der Unglaeubigen entreissen, die Tuerken aus Europa in ihre urspruengliche asiatische Wildniss zuruecktreiben, Mekka und Medina zerstoeren und die ganze muhamedanische Religion von der Erde vertilgen. Wo er hinkommt, weilt der Friede, und Jerusalem wird der Hauptsitz der abessinischen Kirche, welche sich dann zu Glanz und unerhoerter Bluete entfalten wird. - - Wohl kam der Held, der den Thron bestieg, allein der ersehnte Friede blieb aus. Theodoros II., der Sohn einer armen Frau, vereinigte das Reich wieder in seiner starken Hand und hob es zu einer Stellung, wie zuvor nie. -------------- Ueber die Verfassung Abessiniens koennen wir kurz berichten. Der Herrscher (Kaiser oder Koenig) fuehrt den Titel _Negus_ oder _Negus Nagast za Aitiopija_, d. h. Koenig der Koenige von Aethiopien. Die Residenz war in der aelteren Zeit zu Axum; gegen Ende des 13. Jahrhunderts, als die alte salomonische Dynastie wieder zur Regierung kam, eine Zeit lang zu Tegulet in Schoa, spaeter zu Gondar, wenn auch das ehrwuerdige Axum noch immer Kroenungsort blieb. Allein der duestere Palast, den die Jesuiten zur Zeit des Koenigs Fasilides in Gondar errichtet hatten, behagte den Herrschern nicht, die lieber in ihrem rothen Zelte im freien Feldlager residirten und dort ihre Einkuenfte an Herden, Getreide, Gold, Zeugen in Empfang nahmen, waehrend sie die Zoelle und Wegegelder den Verwaltern der Provinzen ueberliessen. Im Grunde aber war der Negus Herr des ganzen Landes; er konnte nach Belieben jedem Verwalter seinen Grund und Boden nehmen, um denselben einem andern zu schenken, und von dieser Macht haben die Koenige auch fortwaehrend reichlich Gebrauch gemacht. Ihre Macht war in der That unumschraenkt, und nur ueber gewisse, durch Jahrhunderte alte Sitten und geheiligte Fundamentalordnungen wagten auch sie sich nicht wegzusetzen. Ein Adel existirte dem Namen nach; doch nur die Mitglieder des koeniglichen Geschlechtes erschienen bevorzugt, wenn auch die Brueder des Herrschers bis ins vorige Jahrhundert hinein in Staatsgefaengnissen gehalten wurden, um keine Intriguen anzetteln zu koennen. Ein besonderes Ministerium gab es nicht, wohl aber zahlreiche Hof- und Staatsaemter. Welche Rolle die Gouverneure und Majordomen (Ras) spielten, zu welchem Ansehen sie gelangten und wie sie ihre Gewalt an Stelle der Koenigsmacht setzten, wurde bereits gezeigt. Naechst dem Ras war frueher der maechtigste Gouverneur der von Tigrie, der den Titel Lika Kahenat (Hoherpriester) und Nabr Id als Hueter der Bundeslade in Axum fuehrte. Der hoechste Wuerdentraeger ist gegenwaertig der Herzog oder _Detschasmatsch_ (Dadjazmatsch, Djeaz, Djeatsch, Kasmati). Das Wort bedeutet eigentlich einen, "der an der Thuere kaempft", um anzudeuten, dass im koeniglichen Heerlager dieser Wuerdentraeger mit seinen Truppen die Stelle vor der Thuere des koeniglichen Zeltes hat und sich an die Leibgarde des Herrschers anschliesst. Auf den Detschasmatsch folgt der _Fit Auri_, der Fuehrer der Avantgarde. Er zieht mit seinen Truppen dem Heere rekognoscirend voran und lagert sich zwischen diesem und dem Feinde oder, wenn kein Feind da ist, in der Vorhut des Lagers. Niedere Wuerdentraeger sind der Kanjasmatsch, der mit seinen Truppen zur Rechten des koeniglichen Zeltes lagert, und der Gerasmatsch zur Linken desselben. Neben diesen kriegerischen Wuerden gab es auch friedliche. Bei Hofe war eine Anzahl gelehrter Maenner, Lik geheissen, die zusammen eine Art Gerichtshof bildeten und mit deren Huelfe schwierige Faelle entschieden wurden. Die Justiz war von der Verwaltung nicht geschieden und das Gesetzbuch _Feta Negust_, d. h. Richtschnur der Koenige, umfasste das weltliche und kanonische Recht. [Illustration: Koenig Salomo (abessinische Malerei). Nach Harris.] Dies ist in kurzen Umrissen die politische Geschichte Abessiniens, die zu derjenigen der europaeischen Staaten nicht in der geringsten Beziehung stehen wuerde, waere das Land nicht ein christliches Reich. Gerade aber dem Christenthum verdankt es das Interesse, welches fuer dasselbe stets im Abendlande wach war und welches eine Reihe ausgezeichneter Forscher und Missionaere nach jenem bergigen Lande in Nordostafrika wallfahrten liess, um uns Kunde von seinen Wundern, seinen Naturschoenheiten, seinen Bewohnern und deren Religion zu bringen. Sehen wir ab von der schon erwaehnten Fahrt des _Kosmas __Indikopleustes_, eines christlichen Kaufherrn aus Alexandria, welcher im 6. Jahrhundert die Bai von Adulis besuchte und dort eine wichtige Inschrift kopirte, die er in seiner "_Topographia christiana_" veroeffentlichte, so treffen wir zunaechst wieder im Dogenpalast zu Venedig in dem Weltbilde des _Fra Mauro_ (15. Jahrhundert) auf ein Gemaelde Abessiniens von wunderbarer Treue. Nicht blos kennt der Venetianer den rechten Nebenfluss des Nil, den Takazzie, unter seinem wahren Namen, sondern er zeigt uns auch den spiralfoermig gekruemmten Lauf des Blauen Nil, den er mit seinem abessinischen Namen Abai bezeichnet. Mehrere abessinische Landschaften, wie Gozan, Bagamidre (Begemeder), Hamara (Amhara) und Saba (Schoa), kommen bereits bei ihm vor. Auch die Kuestenstriche des Osthorns von Afrika waren ihm wohlbekannt. In die Naehe der Bab el Mandeb verlegt er die Sitze der Danakil, die Stadt Zeyla und den Landstrich Adal. Er zeichnet uns dann den Lauf des Awasi (Hawasch), in dessen Naehe er die Stadt Haerraer setzt. Im 13. Jahrhundert unterhielt man von Rom aus einen schriftlichen Verkehr mit dem christlichen Abessinien und seit 1243 hoeren wir auch von Missionen, die dorthin entsendet wurden. _Marino Sanuto_ machte deshalb zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Christen Europa's aufmerksam, wie nuetzlich ein Buendniss mit den Glaubensgenossen in Nubien oder Habesch bei einem Kreuzzuge gegen Aegypten sein muesste. Seit der Mitte jenes Jahrhunderts wurde auch auf die abessinischen Koenige der Titel des _Erzpriesters Johannes_ uebertragen und die Kunde von einem angeblich maechtigen Christenreich im Morgenlande vom chinesischen Himmelsgebirge ploetzlich nach den Alpenlaendern am Blauen Nil verlegt. Botschafter dieser Erzpriester erreichten nicht blos die roemische Kurie, sondern auch andere europaeische Hoefe, und die von ihnen eingezogene Kunde wurde getreulich auf den Karten niedergelegt. Als daher die Portugiesen unter _Prinz Heinrich dem Seefahrer_ im 15. Jahrhundert ihre afrikanischen Entdeckungsreisen antraten, war das ferne christliche Reich, das die Geographen jener Zeit das "dritte Indien" nannten, das aeusserste Ziel, welches sie anfaenglich ins Auge fassten und auf dem Wege des fabelhaften "Goldflusses", der ganz Afrika der Quere nach durchstroemen sollte, zu erreichen hofften. Spaeter, als der Seeweg nach Ostindien gefunden war und die Portugiesen sich dort festgesetzt hatten, beschifften sie auch das Rothe Meer und gelangten am 16. April 1520 nach Massaua, dem Ausfuhrhafen der Abessinier. Dort erreichten sie also das urspruengliche Ziel des Infanten Heinrich, des Seefahrers, das Reich des afrikanischen Erzpriesters Johannes. Statt einer maechtigen Herrschaft, wie sie erwartet hatten, fanden sie aber nur ein beschraenktes, in ihren Augen aermliches Gebiet, rohe Bewohner und ein verwahrlostes Christenthum. Die bald darauf folgende portugiesische Invasion und die Bemuehungen der Jesuiten, die Abessinier zur katholischen Kirche zu bekehren, wurden bereits oben erwaehnt. Durch die Berichte der Jesuiten-Missionaere erhielt man dann die erste ausfuehrliche Kunde von den Glaubensbruedern im Innern Afrika's und ihrem Lande. Viele wichtige Nachrichten gelangten namentlich durch die Reise des _Alvarez_ (1520-1526) zu uns, der ganz Aethiopien durchpilgerte und suedwaerts in ferne, noch jetzt beinahe unerforschte Gegenden vor mehr als 300 Jahren gedrungen ist. _Bermudez_ hat uns einen kurzen Bericht ueber seine Gesandtschaftsreise (1555) hinterlassen; ausfuehrlicher sind die fast gleichzeitigen _Barreto_ und _A. Orviedo_, ferner _Paez_ (1618), _Ameida_, _Mendez_ (1625) und endlich _P. Lobo_, der 1640 nach Europa zurueckkehrte. Nun sollten auch die Deutschen ihren Theil an der Erforschung oder vielmehr Bekanntmachung Abessiniens haben. Im Jahre 1681 erschien zu Frankfurt am Main ein glaenzendes literarisches Meisterstueck deutscher Gelehrsamkeit, _Hiob Leutholf's_ (Ludolf's) klassische "_Historia aethiopica, sive brevis et succincta descriptio regni Habessinorum, quod vulgo male Presbyteri Joannis vocatur_", welcher noch mehrere Kommentare und Anhaenge folgten. Die Natur des Landes und seine Einwohner, die Geschichte, die Religion und kirchlichen Verhaeltnisse, die Literatur Abessiniens werden darin ausfuehrlich behandelt. Grosse Huelfe bei der Ausarbeitung seiner Werke erhielt Leutholf von dem amharischen Patriarchen _Abba Gregorius_, der kurze Zeit am Hofe des Herzogs Ernst von Sachsen-Gotha weilte und dessen Portraet in dem Kommentar mitgetheilt ist. Die Kleidung der Einwohner, Abbildungen der Pflanzen und Thiere, der Alterthuemer des Landes sind in einer fuer die damalige Zeit sehr treuen Wiedergabe in den Werken Leutholf's enthalten, der uns auch die Korrespondenz der abessinischen Koenige mit den Koenigen Spaniens, ein Verzeichniss aethiopischer Manuskripte, Gebete und Liturgien, den abessinischen Kalender u. s. w. uebermittelt hat und dessen Werk fast ein Jahrhundert lang die vorzueglichste Quelle ueber Abessinien blieb. Kurz darauf, nachdem Leutholf seine aethiopische Historie veroeffentlicht hatte, durchzog 1698 der franzoesische Arzt _Poncet_ das ganze Land, indem er, von Sennar ausgehend, ueber Amhara und Tigrie bis Massaua gelangte. Gruendlicher als alle seine Vorgaenger foerderte aber 70 Jahre spaeter, durch Leutholf's Geschichte angeregt, der Schotte James Bruce unsere Kenntniss des Landes durch Sammlung geschichtlicher Urkunden und Quellen, sowie durch genaue astronomische Ortsbestimmungen. [Illustration: Hiob Ludolf. Nach dem Kupferstiche in dessen "_Historia aethiopica_".] _James Bruce_, geboren den 14. Dezember 1730 zu Kinnaird in Schottland, wird fuer alle Zeiten als einer der bedeutendsten unter den abessinischen Reisenden dastehen. In Algier, wo er 1763 als englischer Konsul angestellt worden war, beschaeftigte er sich eifrig mit dem Studium der morgenlaendischen Sprachen und machte von dort aus Reisen laengs der Kueste des Mittelmeers, den Nil aufwaerts bis Syene und nach Baalbek und Palmyra in Asien, wo er die beruehmten Alterthuemer zeichnete. So vorbereitet trat er im Jahre 1769 seine grosse Reise an, auf der er von Massaua unter grossen Muehen und Gefahren bis Gondar gelangte, wo er sich bei der hier ausgebrochenen Blatternseuche durch Anwendung europaeischer Heilmittel sowol bei Hofe als im Volke grosses Ansehen erwarb und Gelegenheit fand, in alle Einzelheiten des Volkslebens einzudringen, sowie mit dem furchtbaren Ras Michael freundlich zu verkehren. Er blieb ueber drei Jahre in Abessinien, fand die Quelle des Abai oder Blauen Nil im Suedwesten des Tanasees und brachte ein ganzes Jahr damit zu, seine Reise noerdlich durch das Land der wilden Schankela oder Schangalla (Heiden) und Nubien nach Alexandria fortzusetzen, das er im Mai 1773 gluecklich erreichte. Seine Reisebeschreibung (_Travels into Abyssinia_) gab er in fuenf Baenden erst 1790 zu Edinburg heraus, worauf er bald (16. April 1794) durch einen Sturz von der Treppe sein Leben endete. Er, der so vielen Gefahren getrotzt, so grosse Muehen und Beschwerden muthig ertragen, endete auf diese Weise! Die letzten vier Jahre seines Lebens waren ihm noch ausserordentlich verbittert worden. Als er sein umfangreiches Werk veroeffentlichte, fand das Publikum darin eine solche Menge von ungewoehnlichen Nachrichten, Uebertreibungen und Ungeheuerlichkeiten, dass man den Reisenden kurzweg fuer einen Luegner erklaerte. Er wurde mit Zuschriften bestuermt, die weisen Kritiker behandelten ihn unbarmherzig, und namentlich konnte man sich ueber die Angabe, dass die Abessinier rohes Fleisch von lebenden Thieren genoessen, nicht beruhigen, eine Angabe, auf die wir ausfuehrlich zurueckkommen. Man nannte ihn Mr. Mendax, Herr Luegner; aber die Zeit hat ihn gerechtfertigt, wenn er selbst auch nicht die Genugthuung erlebte, die Zweifler bekehrt zu sehen. Drei Jahrzehnte waren seit Veroeffentlichung von Bruce's so oft angefochtener Beschreibung verflossen, als die englische Regierung den ersten Entschluss fasste, mit dem merkwuerdigen abessinischen Volke in Verbindung zu treten. _Lord Valentia_ wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts beauftragt, eine Reise ums Kap der guten Hoffnung herum nach dem Rothen Meere zu machen, die ganze ostafrikanische Kueste wissenschaftlich zu untersuchen, besonders die genauesten Nachrichten ueber Abessinien einzuziehen und die geeigneten Schritte zu thun, eine Verbindung mit diesem Lande anzuknuepfen. Diese Reise war von vielen wichtigen Resultaten fuer die genauere Bekanntschaft mit den hervorragendsten Punkten an der ostafrikanischen Kueste, sowie fuer die Belebung des indischen Handels begleitet; jedoch hatte sie fuer Abessinien nicht den Erfolg, den sie haette haben koennen, wenn die Unterhandlungen kraeftiger betrieben worden waeren. Valentia selbst blieb in Mocha an der arabischen Kueste, waehrend er seinen wissenschaftlich gebildeten, tuechtigen Sekretaer _Henry Salt_ mit der Sendung nach Abessinien betraute. Dieser machte die Reise ueber Massaua, Arkiko, Halai, Dixan nach der Provinz Enderta, wo er, da er nicht zum Koenige selbst in Gondar gelangen konnte, mit dem Ras Walda Selassie unterhandelte. (Vergl. oben S. 14.) Es gelang dem gewandten Salt durch die glaenzenden Geschenke, welche er dem Ras im Namen Georg's III. von England ueberreichte, denselben vom Wohlwollen der englischen Regierung zu ueberzeugen und ihn zu einer Verbindung mit England zu bewegen. Er kehrte mit ausfuehrlichen Nachrichten ueber das Land und seine Bewohner und mit der Ueberzeugung zurueck, dass sich hier England fuer die Erweiterung seines Handels als auch der Kultur ein weites und guenstiges Feld eroeffne. Einer von Salt's Begleitern, _Pearce_, blieb am Hofe des Ras zurueck. Dieser ersten Reise folgte bald darauf, gegen das Jahr 1814, nachdem Salt's Goenner, Lord Valentia, in den Pairsstand erhoben worden war, eine zweite Gesandtschaft unter Salt's eigener Fuehrerschaft. Diese hatte den Erfolg, dass das gute Vernehmen zwischen England und dem alten Ras gestaerkt und durch Pearce's laengeren Aufenthalt die Bekanntschaft mit Abessinien vermehrt wurde. Wieder traten nun politische Wirren in Tigrie ein, welche England die Lust benahmen, weiter in die Angelegenheiten des Landes einzugreifen, bis im Jahre 1841 Kapitaen _Harris_ nach Schoa ging und jene politische Mission ausfuehrte, von welcher wir eine ausfuehrliche Schilderung weiter unten nach dessen 1844 zu London erschienenem dreibaendigen Werke "_The highlands of Aethiopia_" mittheilen. Es konnte nicht fehlen, dass bei den merkwuerdigen Sagen, die ueber Abessinien umgingen, und bei der Unbekanntschaft, die ueber dessen Volk und Natur noch herrschten, auch die Deutschen ihren Antheil an der naeheren Erschliessung des Landes nahmen, nachdem Ludolf mit so gutem Beispiele, wenn auch nur theoretisch, vorangegangen war. Den Reigen eroeffneten zwei der besten deutschen Naturforscher: _W. F. Hemprich_ und _C. G. Ehrenberg_, welche schon frueher Nubien durchzogen hatten und nun, von der preussischen Regierung unterstuetzt, das Rothe Meer besuchten. Von Massaua aus durchwanderte Hemprich die Kuestengebirge, waehrend Ehrenberg nach den heissen Quellen von Eilat zog. Nach Massaua zurueckgekehrt, traf ihn der harte Verlust, am 30. Juni 1825 seinen Begleiter Hemprich dem Fieber erliegen zu sehen. Trotzdem war die naturgeschichtliche Ausbeute der Expedition ungemein reich, da nicht nur eine Menge ganz neuer Thierformen entdeckt, sondern auch in den Oscillatorien, Wesen zwischen Thier und Pflanzen, die Farbe des Rothen Meeres erkannt worden war. Die bedeutendste und ergebnissreichste Reise in Abessinien fuehrte nach Bruce abermals ein Deutscher, _Eduard Rueppell_, geboren 20. November 1794 zu Frankfurt a. M., aus. Reich beguetert und vortrefflich in naturwissenschaftlicher wie astronomischer Beziehung vorbereitet, hatte er nach einem kleineren Ausflug nach dem Orient, Nubien, Kordofan und das Petraeische Arabien 1823-1825 besucht und sich dann Abessinien als Hauptziel seiner Forschungsthaetigkeit erkoren. Am 17. September 1831 landete er auf Massaua an der abessinischen Kueste, wo er den Rest des Jahres und den naechsten Fruehling zu Ausfluegen in die Umgebung, nach Arkiko, dem Thale Modat, den Dahalakinseln und nach den Ruinen von Adulis benutzte. Am 29. April 1832 trat er dann den Marsch nach dem inneren Hochlande an, welches vor ihm wissenschaftlich nur von Bruce und Salt beschrieben worden war. Wurde auch die ganze Reise gluecklich zurueckgelegt, so verlief sie doch nicht ohne grosse Gefahren, denn in Tigrie, wo gerade Ubie ans Ruder gelangt war, wuetheten noch die grausamsten Buergerkriege. Fuer diesen Herrscher hatte Rueppell ein sonderbares Geschenk, naemlich eine schwere Kirchenglocke bestimmt, deren Transport auf dem Ruecken von Maulthieren viel Muehe verursachte, aber mit grosser Freude angenommen wurde, da Glocken in Abessinien sehr selten sind. Um sich einen Schutz auf der Reise zu verschaffen, lieh Rueppell einem abessinischen Grosshaendler 600 Maria-Theresia-Thaler und zog nun durch den Tarantapass auf Halai, die abessinische Grenzstation, zu. Schon hatte er sein Gepaeck in Massaua zur Ueberfahrt nach dem Festlande zurechtgelegt, als ihm von einem betrunkenen tuerkischen Soldaten, der eine Pistole auf ihn abschoss, fast das Leben geraubt und die grosse, wohl vorbereitete Reise verhindert worden waere. Von Halai wandte sich Rueppell in suedlicher Richtung nach Atigrat am Fusse des hohen Alequa, kreuzte am 20. Juli das tiefe Thal des reissenden Bergstroms Takazzie und stieg hierauf in die hohen, oft von Schnee bedeckten, kuehn geformten Alpen der Provinz Semien, wo er den fast 12,000 Fuss hohen Pass am Selkiberge ueberschritt und auf den Alpenwiesen in jener Region neben Ericabueschen jene seltsame, in ihrer Form an die Palmen erinnernde Pflanze, die Dschibarra, entdeckte, welcher Fresenius den Namen _Rhynchopetalum montanum_ gegeben hat. Am 12. Oktober hielt er seinen Einzug in die Koenigsstadt Gondar, wo er der Absetzung des Koenigs Saglu Denghel beiwohnte und bis zum 18. Mai 1833 verweilte. Die Zwischenzeit benutzte er zu einem Ausfluge in die heissfeuchte Niederung (Kolla) von Workemeder und Ermetschoho, noerdlich von Gondar, wo seine Elephantenjaeger reichliche Beute fanden. Dann zog er dem Ostufer des Tanasees entlang, dessen Hoehe ueber dem Meere er zum ersten male zu 5732 Fuss bestimmte. Weiterhin gelangte er dann zu der Stelle, wo unfern der beruehmten _Bruecke von Deldei_ der Abai oder Blaue Nil dem Tanasee entstroemt. Am 18. Mai 1833 brach Rueppell von Gondar auf, um ueber die alte Kroenungsstadt Axum, wo er eine wichtige altaethiopische Inschrift entdeckte, und ueber Adoa, die Hauptstadt Tigrie's, wieder nach Massaua zurueckzukehren, das er am 29. Juni gluecklich erreichte. Seine Ausbeute, die er von dieser Reise mit heimbrachte, war eine ungemein reiche, denn nicht nur hatte er viele Orts- und Hoehenbestimmungen vorgenommen, die der Karte Abessiniens ein wesentlich anderes Gepraege geben, sondern auch archaeologische, historische und ethnographische Forschungen angestellt, vor allem aber die zoologische Kenntniss des Landes bereichert, wie seine "Neue Wirbelthiere zur Fauna Abyssiniens gehoerig" und seine "Uebersicht der Voegel Nordostafrika's" beweisen. [Illustration: _Rhynchopetalum montanum_. Im Hintergrunde der Bachit, im Vordergrunde Klippspringer. Originalzeichnung von Robert Kretschmer.] Seine "Reise in Abyssinien" erschien 1840 zu Frankfurt a. M. Fuer alle seine Arbeiten wurde ihm denn auch die wohlverdiente Auszeichnung zu Theil, dass ihm die Londoner geographische Gesellschaft die grosse goldene Medaille verlieh. Seine reichen Sammlungen vermachte er seiner Vaterstadt Frankfurt, wofuer diese ihm eine lebenslaengliche Pension aussetzte. Auf Rueppell folgten 1835 zwei Franzosen, die Stiefbrueder _Tamisier_ und _Combes_, mit dem angeblichen Zwecke des einen, Menschenkenntnisse zu sammeln, des andern, sich fuer die Poesie zu begeistern. Sie kamen unter vielen Gefahren bis Schoa. Beide Herren waren Mitglieder der Sekte der Saint-Simonisten und haben nach ihrer Rueckkehr 1846 zu Paris vier starke Baende ("_Voyage en Egypte, en Nubie etc._") einer sehr romantischen und wenig glaubhaften Erzaehlung ihrer Erlebnisse und Abenteuer veroeffentlicht. Mit nicht viel mehr Glueck machte im Jahre 1836 Baron _von Katte_ einen kurzen Ausflug nach Adoa in Tigrie, kehrte jedoch bald wieder zurueck und beschenkte Deutschland mit einer Reiseschilderung, an deren Genauigkeit der gewissenhafte Rueppell gar manches auszusetzen hat. ("Reise in Abyssinien im Jahre 1836". Stuttgart und Tuebingen 1838.) Im Januar 1837 traf dann der deutsche Botaniker Schimper in Adoa, damals der Hauptstadt Ubie's, ein. _Wilhelm Schimper_ wurde im Jahre 1804 zu Mannheim geboren. Zuerst als Drechslerlehrling, dann als Unteroffizier, fand er keine Befriedigung seines Wissensdranges, weshalb er sich nach Muenchen wandte, um dort Botanik zu studiren. Nachdem er eine tuechtige Ausbildung erlangt, trat er groessere Reisen nach dem Orient an; er besuchte, vom wuerttembergischen Reiseverein unterstuetzt, Algerien, Aegypten, die Sinaihalbinsel und Arabien, von wo er ueberall reiche Sammlungen nach Hause brachte. Im Jahre 1835 ging er, um seine durch Fieber untergrabene Gesundheit wiederherzustellen, ueber Massaua in die abessinischen Hochlande, wo er bei Ubie in Adoa eine freundliche Aufnahme fand und seinen wissenschaftlichen Sammlungen nachgehen konnte. Sein Einfluss bei diesem Fuersten stieg immer mehr, sodass Schimper als Statthalter zuerst einen Distrikt an der Gallagrenze, dann den Distrikt Antitscho in Tigrie zu verwalten hatte. Mit einem Worte, er wurde die rechte Hand Ubie's, als dessen Baumeister und Minister er sich unentbehrlich zu machen wusste. Schimper war bereits frueher in Rom zum Katholizismus uebergetreten, weshalb er die Lazaristenmissionen unter de Jacobis in Abessinien unterstuetzte, was er um so leichter mit Einfluss auszufuehren wusste, als er mit einer Tochter des Landes sich vermaehlt hatte. Auch begann er fuer Frankreich zu wirken, von wo aus er Unterstuetzungsgelder bezog, um dafuer seine Sammlungen an den _Jardin des plantes_ in Paris einzusenden. Nach dem Sturze Ubie's hatte Schimper anfangs viel Ungemach auszustehen, doch kam er spaeter bei Theodoros wieder in Gnade. Im Jahre 1861 schrieb Theodor von Heuglin ueber ihn: "Mein alter Freund Schimper wird bald wieder im Stande sein, seine botanischen und zoologischen Sammlungen fortzusetzen, die in den letzten fuenf bis sechs Jahren ausschliesslich nach Frankreich gegangen sind. Dr. Schimper zaehlt jetzt 57 Jahre, ist aber immer noch der alte ruestige und bewegliche Mann, voll unverwuestlichen Humors, als den ich ihn vor vielen Jahren hier kennen zu lernen das Vergnuegen hatte." Bald nachdem Schimper in Abessinien sich niedergelassen hatte, beauftragte die franzoesische Regierung die Aerzte _Aubert_ und _Dufey_, wieder ein gutes Vernehmen mit den Eingeborenen herzustellen, das durch das Auftreten verschiedener franzoesischer Abenteurer gestoert worden war. Leider waren diese beiden Gesandten keineswegs die einer solchen Aufgabe gewachsenen Maenner, denn durch eine Kette von Thorheiten und Schlechtigkeiten setzten sie den europaeischen Charakter in der Achtung des Volks ganz herunter und vermehrten die Schwierigkeiten, die dem europaeischen Verkehr im Lande schon im Wege standen. Dr. Aubert kehrte im Februar 1838 von Adoa nach Kairo zurueck, waehrend Dufey durch Schoa nach der Kueste des Rothen Meeres ging und als der erste Europaeer die gefaehrliche Strasse von Ankober nach Tadschurra zuruecklegte. Die Sendung dieser beiden Maenner wurde, da das franzoesische Interesse an Abessinien sich mehrte, die Vorlaeuferin einiger andern politischen und wissenschaftlichen Expeditionen von Frankreich aus, die vom Jahre 1839 an erfolgten. Zwei derselben waren 1839 und 1841 unter _Lefebvre's_, eine 1840 unter _Combes'_ Anfuehrung (welcher zum zweiten male Abessinien besuchte) nach Tigrie und auch nach Amhara gegangen. Ubie, der damals noch in Tigrie herrschte, behandelte namentlich Lefebvre sehr veraechtlich, musterte die ihm vom Koenige Ludwig Philipp uebersandten Geschenke und sagte zu seinem Schatzmeister: "Nimm diesen Unrath in die Schatzkammer hinueber." Der Gesandte wurde trotzdem aufgefordert, am Essen mit theilzunehmen, wobei reichlich Honigwein kredenzt wurde, der den Herrscher bald trunken machte. In diesem Zustande forderte er den Herrn Gesandten auf, vor ihm zu tanzen, was nur durch das muthige Auftreten des Dolmetschers verhindert werden konnte. In Verbindung mit den franzoesischen Gesandtschaften stand auch die Reise des belgischen Generalkonsuls in Kairo _Blodell_, im Jahre 1841, die um deswillen zu erwaehnen ist, weil sie, von Massaua ausgehend, ganz Abessinien von Osten nach Westen durchkreuzte, indem Blodell ueber Sennar und Chartum nach Kairo zurueckkehrte. Reiche wissenschaftliche Arbeiten lieferte um dieselbe Zeit die Expedition des Franzosen _Galinier_ nach Tigrie, Semien und Amhara. Combes war von Ubie gut aufgenommen worden, aber die freundschaftlichen Verhandlungen wurden bald abgebrochen durch die Ankunft der Gebrueder _d'Abbadie_, von denen der eine Ubie beleidigt hatte durch seinen Antheil an einem Streifzuge gegen seine Truppen. Die d'Abbadie's wurden mit der Drohung verwiesen, dass, wenn sie je wieder ihre Fuesse in Ubie's Gebiet tragen sollten, dieselben ihnen abgehauen wuerden. Ebenso mussten infolge dieses Vorfalles Combes und Lefebvre das Land verlassen. Abgesehen von ihren politischen Intriguen waren die Gebrueder Anton und Michael d'Abbadie ausgezeichnete, mit tuechtigen Kenntnissen versehene und reich begueterte Maenner, die nicht unwesentlich fuer die Erweiterung unserer Kunde Abessiniens thaetig waren und sind, wenn sie auch ihr Hauptaugenmerk auf die Verbreitung des Katholizismus und auf die Foerderung der Interessen Frankreichs gewandt haben moegen. Nach langen Vorbereitungen und einigen missglueckten Versuchen gelang es 1842 Anton d'Abbadie, ueber Tigrie in das Binnenland einzudringen, wo er sich mit der Erforschung Enarea's, Kaffa's und des Quellgebiets des Uma beschaeftigte. Nach zehnjaehriger Abwesenheit kehrten beide Brueder 1848 nach Frankreich zurueck, wo sie die Resultate ihrer Arbeiten in einzelnen Abhandlungen veroeffentlichten. Politik und Religions- oder Missionsangelegenheiten begannen ueberhaupt allmaelig bei den abessinischen Reisenden die Hauptsache, die Wissenschaft aber die Nebensache zu werden. Englische Reisende und protestantische Missionaere wirkten im Interesse Grossbritanniens, katholische Sendboten und franzoesische Reisende im Interesse Frankreichs. Kein Wunder also, dass die abessinischen Fuersten, welche die Plane bald durchschauten, misstrauisch wurden und einzelne Reisende schlecht behandelten. Der abenteuerlichste unter allen war wohl _Rochet d'Hericourt_, nach Isenberg's Bericht ein franzoesischer Gluecksritter, der sich mehrere Jahre hindurch in Kairo als Chemiker und Mineralog aufhielt und bestaendig mit dem Plane umging, nach Abessinien zu reisen, um sich dort Geld zu machen. Nachdem ihm mehrere Versuche misslungen waren, setzte er endlich 1839 sein Vorhaben ins Werk, indem er den deutschen Missionaeren nach Schoa folgte. Als er dort jedoch nicht gleich zu grossen Reichthuemern gelangte, wurde er ungehalten und von dem Koenige fuer halb verrueckt angesehen. Bald sollte sich die Sache jedoch wenden und Rochet zu grossem Ansehen gelangen. Da der Koenig, dessen erste Frage an jeden ankommenden Europaeer gewoehnlich die war, was er verstehe, Rochet's chemische Fertigkeiten in Pulvermachen, Seifensieden, Zuckerfabriziren und andern Dingen bemerkte, stieg letzterer hoch in seiner Achtung. Ausserdem versprach der Franzose, ihn von einer gewissen heimlichen Krankheit zu heilen, und als diese Kur zu gelingen schien, wurde er dem Koenige unentbehrlich. Rochet benutzte nun, wie es die Franzosen gewoehnlich thun, die steigende Gunst beim Koenige, sich politisch maechtig zu machen, indem er Schoa dem franzoesischen Einflusse zu eroeffnen und den Englaendern entgegenzuwirken suchte. Als er nach neunmonatlichem Aufenthalte wieder in sein Vaterland zurueckkehren wollte, bestimmte er den Negus dahin, ihm einen Brief und Geschenke an den Koenig Ludwig Philipp von Frankreich mitzugeben und auf diese Weise eine politische Verbindung zwischen Frankreich und Schoa einzuleiten. Dieses einseitige Vorgehen suchten aber in Englands Interesse die deutschen Missionaere, namentlich Krapf, zu verhindern, indem sie den Koenig bewogen, eine Botschaft nach Bombay zu senden, um einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit England abzuschliessen. Als Erwiederung dieser Botschaft erschien dann die glaenzende Ambassade unter Kapitaen Harris. Inzwischen war Rochet in Paris angekommen und hatte die dortige Regierung seinem Wunsche, mit Schoa in Verbindung zu treten, geneigt gefunden. Nachdem er eine Beschreibung seiner Reise herausgegeben hatte ("_M. Rochet d'Hericourt, Voyage sur la cote occidentale de la Mer Rouge, dans le pays __d'Adel et le Royaume de Choa._" Paris 1841), kehrte er im Auftrage seiner Regierung und der Pariser Akademie der Wissenschaften wieder nach Schoa zurueck. Kaum an der Kueste angelangt, wusste er es durchzusetzen, dass der Koenig von Schoa befahl, keinen andern Europaeer, sei er Franzose oder Englaender, ausser ihm nach Schoa kommen zu lassen, bei Verlust des Lebens. Infolge dessen mussten denn die deutschen Missionaere Krapf, Isenberg und Muehleisen von Zeyla aus, wohin sie sich 1842 zu einer zweiten Reise nach Schoa begeben hatten, unverrichteter Dinge umkehren. Rochet bereiste nun weit und breit das Innere des Landes und gab uns in einem zweiten Werke ("_Second voyage_", Paris 1846) neue werthvolle Nachrichten ueber Schoa. Nach Isenberg erhielt Rochet nur durch ein listiges Vorgeben die Erlaubniss des Koenigs, in das Innere von Schoa vorzudringen. Er behauptete naemlich, nur dann den Koenig heilen zu koennen, wenn er ein Praeparat von einem ungeborenen Hippopotamus mache, das er aus einem fernen See holen muesse. Das nachtheiligste Licht auf Rochet's Wahrheitsliebe und Glaubwuerdigkeit wirft indessen wol, was der deutsche Missionaer Ludwig Krapf ueber ihn berichtet. Beide befanden sich im November 1839 im Kriegslager des Koenigs Sahela Selassie von Schoa, der auf einem Feldzuge gegen die Galla begriffen war. Man war in der Naehe der Quellen des Hawaschflusses, allein beide Europaeer bekamen sie nicht zu Gesicht, waehrend Rochet sich in seinem Reisewerke fuer deren Entdecker ausgiebt. Der biedere Krapf giebt uns den noethigen Kommentar zu dieser wissenschaftlichen Schwindelei. "Rochet" so schreibt Krapf, "sagte zu mir im Verlaufe des Feldzuges, dass wir angeben muessten, die Quellen des Hawasch wirklich gesehen zu haben. Als ich ihm erwiederte, dass dieses ja nicht der Fall gewesen, antwortete er laechelnd: Oh, wir muessen Philosophen sein." - So erlauben sich gewissenlose Reisende Geographie zu machen oder vielmehr zu faelschen. Die Anzahl der Reisenden, welche Abessinien besuchten, beginnt sich nun ungemein zu haeufen, sodass wir nur die wichtigsten unter ihnen hervorheben koennen. Dr. _Beke_, frueher englischer Konsul in Leipzig, reiste 1840 von London nach Aden, unterstuetzt von den Freunden Afrika's, um in Schoa und den angrenzenden Laendern Nachrichten ueber das Innere und besonders ueber den geistigen Zustand der dasselbe bewohnenden Voelker einzusammeln. Gluecklich kam er ueber Tadschurra in Ankober an, wo der Missionaer Krapf ihm Huelfe leistete und sich in den Verhandlungen zwischen Beke und dem Koenige manche Beschwerden und Unannehmlichkeiten zuzog. Spaeter, nach Ankunft der englischen Gesandtschaft und von dieser unterstuetzt, reiste er nach Godscham, von wo er durch die Provinzen Jedschau, Waag und Enderta nach Antalo ziehend, Tigrie erreichte. Die Frucht seines langen Aufenthalts waren verschiedene wissenschaftliche Werke; namentlich widmete er sein Augenmerk der politischen Rivalitaet der Franzosen und Englaender im Rothen Meere, welche die grossen Fragen des Suezkanals und des ostindischen Ueberlandwegs einschliesst und ueber welche er in seinem Werke "_The French and the English in the Red Sea_" seine Ansichten niedergelegt hat. [Illustration: Eduard Zander. Nach einem Gemaelde im Besitze Sr. Hoheit des Herzogs von Anhalt.] Mit Schimper's Schicksal im engsten Zusammenhange steht ein anderer deutscher Landsmann, dem wir bei Abfassung dieses Werkes zu ganz besonderm Danke verpflichtet sind. _Christoph Eduard Zander_, von dem ein Theil der charakteristischen Illustrationen dieses Buches herruehrt, ward am 22. Oktober 1813 in der kleinen anhaltischen Stadt Radegast geboren. In seiner Heimat, wo er noch immer den besten Ruf geniesst, wird er als ein Mann von bescheidenem, anspruchslosem Wesen und tief religioesem Charakter geschildert, der eine ganz besondere Fertigkeit in den verschiedensten technischen Dingen besass. Zander erlernte die Landwirthschaft, wandte sich dann aber zur Malerei und hielt sich zu seiner Ausbildung laengere Zeit in Muenchen auf. Neben seiner Kunst interessirte er sich aber auch lebhaft fuer das Artilleriewesen, eine Neigung, die ihm spaeter sehr zu statten kam. Da es ihm nicht gelang, als Maler und Zeichner seinen Unterhalt hinreichend zu erwerben, ging er auf den Rath einiger Freunde zu Dr. Schimper. Nach einer langen Fahrt durch das Rothe Meer, auf welcher er von Krankheit und Hunger geplagt wurde, warf seine Barke am 12. September 1847 bei Massaua Anker. Durch den Tarantapass stieg er in das abessinische Hochland hinauf und schrieb in Halai einen Brief an Schimper, in welchem er diesen von seiner Ankunft in Kenntniss setzte. Trotz einer niederschlagenden, ihn zurueckweisenden Antwort beschloss er dennoch, nach Antitscho, Schimper's Distrikt, vorzudringen. Da aber ringsum das Land von Rebellen verwuestet wurde, konnte dies nicht ohne Lebensgefahr geschehen; doch gelangte er gluecklich an sein Ziel, wo er von dem Landsmann gut aufgenommen wurde. Als Gehuelfe Schimper's bei dessen naturwissenschaftlichen Arbeiten durchstreifte er weit und breit das Land, sammelnd und zeichnend, bis er endlich zum Oberhofbaumeister des Regenten Ubie vorrueckte, von diesem Laendereien und Vieh erhielt und den Auftrag bekam, die Kirche von Debr Eskie in Semien zu bauen, dieselbe, in welcher am 11. Februar 1855 Theodor II. vom Abuna zum Herrscher ueber Gesammt-Abessinien gekroent wurde. In Ubie's Gunst immer mehr steigend, wurde Zander in den Adel erhoben; auch verheirathete ihn dieser Fuerst mit einem schoenen Gallamaedchen. In der grossen Schlacht von Debela am 9. Februar 1855, in welcher der alte Ubie von dem Emporkoemmling Theodor besiegt wurde, kommandirte Zander die Artillerie des ersteren. Als alles fuer Ubie verloren war, trat Zander in die Dienste Theodor's und wurde Befehlshaber der befestigten Insel Gorgora im Tanasee, wo er die Schatzkammer und ein Zeughaus des Koenigs zu hueten hatte. Dieser, der den tuechtigen, in allen technischen Dingen erfahrenen Mann zu schaetzen wusste, machte ihn zu seinem Vertrauten und hoechsten militaerischen Wuerdentraeger. Als solcher stand Zander auch noch 1868 an der Seite Theodor's. Seine werthvollen Arbeiten ueber Abessinien, die uns in vieler Beziehung neue Gesichtspunkte eroeffnen, sind in dem vorliegenden Buche benutzt worden und gereichen demselben als Originalbeitraege zur besondern Zierde. [Illustration: Werner Munzinger.] In jene Zeit, in welcher Abessinien gleichsam von europaeischen Reisenden durchschwaermt war und ein Missionsversuch dem andern folgte, fallen auch die geographisch nicht unwichtigen Zuege des italienischen Moenches _Giuseppe Sapeto_ durch die noerdlichen Grenzlaender der Mensa, Bogos und Habab. Begleitet von den Bruedern d'Abbadie landete er im Jahre 1838 in Massaua und erreichte am 3. Maerz desselben Jahres Adoa. Er wusste sich bei Ubie in Gunst zu setzen und gruendete zu Adoa nach Vertreibung der protestantischen Geistlichen (siehe darueber weiter unten) eine katholische Mission, besuchte Gondar, sah sich aber nach fuenfjaehrigem Aufenthalt - wie Isenberg angiebt, infolge liederlichen Lebens - durch Krankheit genoethigt, nach Aegypten zurueckzukehren; aber 1850 begab er sich aufs neue nach Massaua, indem er laengs der Westkueste des Rothen Meeres hinaufreiste und nun mit dem Missionaer Stella in die Laender der Bogos, Mensa und Habab vordrang, ueber die wir einen ausfuehrlichen Bericht mittheilen werden. Es war dies gleichsam eine neue Entdeckung, denn in der That kannte man kaum den Namen der Habab, und die andern beiden Voelker existirten bis dahin fuer uns nicht. Sapeto's Werk erschien erst 1857 zu Rom und fuehrt den Titel: "_Viaggio e missione cattolica fra i Mensa, i Bogos e gli Hahab_." Das in Rede stehende Gebiet ist wegen seiner leichten Zugaengigkeit dann haeufig das Ziel europaeischer Reisenden geworden und uns nun fast so genau bekannt wie ein Land Europa's. Am 13. Juli 1857 brach ein oesterreichischer Loewenjaeger, _Graf Ludwig Thuerheim_, nach Mensa auf, besuchte Keren, wo die katholischen Missionaere sich niedergelassen hatten, und gelangte gluecklich durch Barka und Taka nach Chartum. Die vorzueglichsten Nachrichten ueber jene Laender, werthvolle, bleibende Schaetze der geographischen Literatur, verdanken wir indessen dem Schweizer _Werner Munzinger_. Dieser gelehrte, unternehmende Mann wurde 1832 zu Olten geboren. Er studirte in Bern und Muenchen Geschichte, Naturwissenschaften und orientalische Sprachen; in den letzteren vervollkommnete er seine Kenntnisse zu Paris. Schon im Jahre 1852, also im Alter von zwanzig Jahren, begab er sich nach Kairo, trat dort spaeter in ein Handelsgeschaeft, unternahm dann 1854 eine kaufmaennische Reise nach dem Rothen Meere und benutzte die guenstige Gelegenheit zu einem Ausfluge nach den Bogoslaendern. Es war schon damals sein Plan, sich dort niederzulassen, und er fuehrte denselben unverweilt aus. Im Jahre 1855 ging er, mit Saemereien und Waffen wohl versehen, nach Keren, wo er dann laengere Zeit gewohnt hat. Dort verfasste er auch sein 1859 zu Winterthur erschienenes Werk "Ueber die Sitten und das Recht der Bogos", dessen Vorrede aus Keren vom 31. November 1858 datirt ist. Er lebte wissenschaftlichen Forschungen, trieb dabei auch Handelsgeschaefte und machte sich bei dem Volke so beliebt, dass er oft das Richteramt ausuebte und mit Regierungsgeschaeften betraut wurde. Er fand aber auch Musse zur Ausarbeitung seiner Studien und schrieb nicht nur eine Grammatik des Belem, der Sprache der Bogos, sondern uebersetzte in dieselbe einzelne Abschnitte der Bibel. Die inhaltreiche Arbeit ueber die Bogos war jedoch nur die Vorlaeuferin eines groesseren Werkes: "Ostafrikanische Studien" (Schaffhausen 1864), in welchem auch das Land der Marea, der Kunama oder Bazen und deren physikalische Verhaeltnisse in mustergiltiger Weise geschildert werden. Auf beide Arbeiten kommen wir spaeter zurueck; ebenso auf die Reise des _Herzogs Ernst von Sachsen-Koburg-Gotha_ in jenen solchergestalt erschlossenen Gegenden im Jahre 1862. Nicht unerwaehnt darf hier bleiben, was die verschiedenen Missionaere, namentlich _Isenberg_ und _Krapf_, fuer unsere Kenntniss Abessiniens gethan haben, deren Wirken bei der Schilderung der Missionsversuche die gebuehrende Wuerdigung erhaelt, waehrend die Reise des vortrefflichen Franzosen _Wilhelm __Lejean_ im Jahre 1863, der in die Gefangenschaft des Koenigs Theodoros II. gerieth, gleich so vielen andern Europaeern, in einem besondern Kapitel besprochen wird. Hier soll nur noch die _deutsche Expedition_, oder wenigstens der Theil derselben, welche unter v. Heuglin und Steudner bis Etschebed in Dschama-Gala vordrang, als wuerdiger Schluss dieser Aufzaehlung der Reisen in Abessinien, ihre Erwaehnung finden. Es handelte sich bekanntlich darum, das Schicksal des in Afrika verschollenen deutschen Reisenden Eduard Vogel aus Leipzig aufzuhellen, von dem man glaubte, dass ihn der Sultan von Wadai zu Wara in Gefangenschaft halte. Zu dem Ende trat auf Anregung des Dr. August Petermann in Gotha ein Comite zusammen, welches in ganz Deutschland Sammlungen veranstaltete, eine Instruktion entwarf und mit der Leitung der Expedition _Theodor v. Heuglin_ betraute. Ihm wurden als Botaniker beigegeben Dr. _Hermann Steudner_, geboren 1832 zu Greiffenberg in Schlesien, der Mechaniker _Kinzelbach_ aus Stuttgart, welcher Positionsbestimmungen vornehmen sollte, _M. L. Hansal_, ein mit den Gegenden am oberen Weissen Nil schon vertrauter Mann, und endlich _Werner Munzinger_, der sich in Massaua an die Expedition anschliessen sollte. [Illustration: Theodor von Heuglin] Theodor v. Heuglin, einer der bedeutendsten Reisenden der Gegenwart, geboren den 20. Maerz 1824 zu Hirschlanden in Wuerttemberg, unternahm bereits im Jahre 1850 eine Reise laengs dem Rothen Meere, durchzog dann 1853 mit dem oesterreichischen Konsul Dr. Reitz von Galabat aus einen bedeutenden Theil Abessiniens, worueber er in seinen "Reisen in Nordostafrika" (Gotha 1857) berichtete. Er wurde oesterreichischer Konsul in Chartum, erforschte die Somalikueste, sowie abermals das Rothe Meer, und trat schliesslich an die Spitze der deutschen Expedition, die sich Glueck zu wuenschen hatte, einen so umsichtigen, thaetigen und mit den Verhaeltnissen des Landes vertrauten Fuehrer zu erhalten. Am 17. Juni 1861 landeten die Mitglieder gluecklich in Massaua, von wo sie sich nach Mensa und Keren in Bogos begaben, um sich auf die grosse Reise gehoerig vorzubereiten. Mit Anfang Oktober, nachdem die eigentliche Sommerregenzeit zu Ende war, ruestete man sich zum Aufbruch, zog durch die bergige Provinz Hamasien und trennte sich zu Mai Scheka in Serawie. Munzinger und Kinzelbach reisten von hier aus am 11. November laengs dem Mareb weiter nach Westen, um Nachrichten ueber Eduard Vogel einzuziehen, waehrend Heuglin und Steudner einen hoechst beschwerlichen, an Abenteuern, aber auch an Ausbeute reichen Zug nach Sueden unternahmen, der sie bis ins Gallaland und das Feldlager des Koenigs Theodoros II. fuehrte. Die Reisenden besuchten in Adoa den greisen Botaniker Schimper, machten mit ihm einen Ausflug nach den Ruinen von Axum, kreuzten den Takazzie, ueberstiegen die Alpen von Semien und zogen am 23. Januar 1862 in der Hauptstadt Gondar ein. Ihre Absicht, in westlicher Richtung weiter nach Westen vordringen zu duerfen, wurde vereitelt, denn aufs strengste hatte der Negus Befehl ertheilt, die Reisenden vor sich zu fuehren. Geleitet von deutschen Missionaeren begaben sie sich nun, am Nordufer des Tanasees hin, ueber Gafat und Magdala, das 15,000 Fuss hohe Kollogebirge durchziehend, in das Feldlager des Koenigs zu Etschebed im Lande der Dschama-Gala. Der Empfang war ein ausserordentlich gnaediger, und reich beschenkt durften die Reisenden am 25. April den Rueckweg antreten, auf welchem sie das 13,000 Fuss hohe Gunagebirge passirten, bei Wochni die abessinische Grenze erreichten und ueber Meteme und Gedaref nach Chartum gelangten, dessen Moschee ihnen am 7. Juli 1862 entgegenleuchtete. Die grossen Reisen Heuglin's und Steudner's auf dem Weissen Nil und dem Gazellenfluss in Gemeinschaft mit den Damen Tinne, wobei Steudner im Dschurdorfe Wau am 10. April 1863 dem Klimafieber erlag, gehoeren nicht hierher. Ausser in geographischer Beziehung war das Ergebniss der deutschen Expedition, welche allerdings das urspruengliche Ziel, die Aufsuchung Eduard Vogel's, aus den Augen verlor, namentlich fuer die Botanik und Zoologie von grossem Werthe. Nachdem die Berichte derselben einzeln in den "Geographischen Mittheilungen" und der Berliner "Zeitschrift fuer Erdkunde" erfolgt, fasste sie Heuglin nochmals in seiner "Reise nach Abessinien" (Jena 1868) zusammen. [Illustration: Debra Damo in Tigrie. Nach einer Originalzeichnung von Zander.] DAS LAND, SEINE PFLANZEN- UND THIERWELT. Begrenzung. - Das Hochland. - Geologie Abessiniens. - Der versteinerte Wald. - Heisse Quellen. - Oberflaechengestaltung. - Natuerliche Felsenfestungen. - Die Alpen Semiens. - Charakter der Fluesse. - Ihr Anschwellen. - Ursachen der Nilueberschwemmungen. - Der Tanasee und der Abai. - Klimatische Verhaeltnisse. - Die Vegetationsguertel. - Kola. - Woina Deka. - Deka. - Die niederen Thiere. - Voegel. - Saeugethiere. Ihre Lebensweise, Nutzanwendung, Jagd. Am suedlichen Ende des Rothen Meeres, schroff gegen dessen Gestade abstuerzend, aber langsam und allmaelig gegen Ost-Sudan sich abstufend, liegt zwischen dem 16. und 8. Grade noerdlicher Breite das afrikanische Alpenland Abessinien. Ringsum dehnen sich weite, ungesunde und gluehende Sandwuesten aus, natuerliche Grenzen, die den Verkehr erschweren und die ungeheure Bergfeste gegen feindliche Angriffe von aussen zu schuetzen scheinen. Im Norden sind die Hochlande von Mensa, Bogos und die von den Beni-Amer am Barka bewohnten Gegenden die Grenze; im Westen das Gebiet der heidnischen Bazen, die wild- und steppenreichen, vom Setit und Salam durchflossenen Theile Ost-Sudans, der Neger-Freistaat Galabat und ein Guertel von groesstentheils unbewohnten, feuchten, mit Bambus und Waldregion bedeckten neutralen Gebiets, das sich gegen Ost-Senaar ausdehnt; im Sueden bildet eine Strecke weit der Blaue Nil die Grenze, dann aber fast unbekannte, von den Gala bewohnte Distrikte; endlich im Osten, wo die Gebirgsmauern Abessiniens am steilsten abfallen, sind es die wasserlosen, von raeuberischen muhamedanischen Hirtenvoelkern bewohnten Kuestenlandschaften, welche die Grenze ausmachen. Ganz Abessinien ist im wesentlichen ein Hochland, das von allen Seiten mit steilen Raendern aus dem Flachlande aufsteigt. Wenn der Reisende diesen jaehen Rand muehsam erklommen hat, waehrend seine Fuesse von den scharfen Steinen geritzt, seine Kleider von den Stacheln der Mimosen zerrissen wurden, sieht er ein zweites und bald ein drittes Plateau vor sich, ebenso jaeh wie das erste, ebenso rauh und zerklueftet. Wie an ein zerstoertes Titanenwerk erinnernd, draengen sich die Berge in den wunderbarsten Formen durcheinander. Hier Tafelberge gleich zertruemmerten Mauern, dort runde Massen in Gestalt von Domen, hier gerade oder geneigte, oder umgestuerzte Kegel, spitz wie Kirchthuerme, dort Saeulenreihen in Gestalt ungeheurer Orgeln. In der Ferne verschmelzen sie mit Wolken und Himmel, und in der Daemmerung meint man ein aufgeregtes Meer vor sich zu sehen. Aber dieses Felsenmeer ist in seinem Innern keineswegs so starr und oede, als es der aeussere Anblick erwarten laesst. Obgleich sich seine Berge in weiten Flaechen oft zu einer Hoehe von 10,000 Fuss erheben und ihre hoechsten, sich in die Wolken verlierenden Gipfel ueber 15,000 Fuss hoch aufragen, birgt sich doch in seinen Thaelern und Klueften manche Abwechselung, manche Landschaft voll tropischer Fuelle. Der _geologische Charakter_ Abessiniens ist ziemlich einfoermig und zeigt keineswegs grosse Abwechselung bezueglich der vorkommenden Formationen. Zander, der sich sehr eingehend mit der Bodenbeschaffenheit des Landes abgab, nimmt an, dass nur zwei allgemeine vulkanische Revolutionen und Hebungen des Landes stattfanden, dass dagegen partielle geologische Oberflaechenveraenderungen nicht vorhanden sind. Er bemerkt hierueber in dem erwaehnten Manuskripte: "Die Uroberflaeche des Landes war fast ueberall eben, und nur hier und da wurde dieselbe von Huegelketten durchzogen, deren hoechste Spitzen bis zu 6000 Fuss ueber dem Meere anstiegen. Die allgemein herrschende Gebirgsart in jener Periode war Trachyt, dessen groesste Maechtigkeit zwischen 6000 und 7000 Fuss betraegt und der oft von maechtigen Basalten durchsetzt ist, so in den Laendern Daunt, Woadla und Wollo, wo wir 70-100 Fuss maechtige Basalte antreffen. "Diese "Uroberflaeche" Abessiniens wurde durch zwei nacheinander folgende vulkanische Revolutionen zerrissen, zerklueftet, zerspalten; es entstanden jene unzaehligen groesseren und kleineren Risse, von denen manche jetzt noch eine Tiefe von 4000-5000 Fuss haben, andere dagegen im Laufe der Zeit durch Erdbeben und Zersetzungen aller Art wieder verschuettet oder in sanfte Thaeler umgewandelt wurden. "Die _erste_ dieser grossen Umwaelzungen hob das Land allgemein, nur waren ihre Wirkungen in den verschiedenen Theilen des Landes bald staerker, bald schwaecher. Die hoechsten Hebungen fanden statt in Semien, Woggera, Begemeder, Daunt, Woadla, Lasta, Talanta, Wollo und Schoa, waehrend in Godscham die Hebungen bereits im Abnehmen sind, um sich in der Naehe des Nil ganz zu verlieren. Alle obengenannten Laender stehen in einem innigen Zusammenhange und zeigen durchweg den kraeftigsten Verlauf der Hebung von Suedost nach Nordwest. Zwischen der Wasserscheide des Rothen Meeres und des Nilgebietes im Osten und den Hochlanden von Semien im Westen war ein grosses Becken entstanden, das die heutigen Laender Hamasien, Tigrie und Enderta umschloss. Hier, eingerahmt von den Hochlanden, breitete sich ein grosser Suesswassersee aus, als dessen Ablagerungsprodukte und Zeugen seines einstigen Vorhandenseins der rothe Eisenthon, der Sandstein und die Grauwacke gelten muessen, welche hier in der ruhigen Periode zwischen der ersten und zweiten vulkanischen Umwaelzung abgesetzt wurden. Neben diesen Floetzformationen treten als eigentliche Bildner des Landes folgende drei Gebirgsarten in Abessinien auf: zu oberst _Trachyt_, unter diesem _Urthonschiefer_ von verschiedener, bis zu 1500 Fuss ansteigender Maechtigkeit, und zu unterst _Granit_, welcher oft mit Porphyr und Syenit wechselt. "Die Wirkungen und Bewegungen der _zweiten Umwaelzung_ waren jenen der ersten ziemlich gleich. Die bedeutendsten Hebungen fanden jetzt auf der heutigen Wasserscheide des Rothen Meeres und Nilgebietes statt; die niedrigsten in den Laendern Semien, Woggera, Begemeder, Lasta und Wollo. Der grosse Suesswassersee im heutigen Tigrie verschwand, und sein horizontal gelagerter Absatz, das Eisenthongebirge und der Sandstein, erhielt eine sanfte Schraegung nach Westen hin, infolge der allgemeinen und ueberall gleichmaessigen Hebung; und in der That gewahren wir, wie heute _das rothe Eisenthonplateau_ sich ununterbrochen und allmaelig in westlicher Richtung bis Semien und von da noch noerdlich bis Woggera und Wolkait absenkt. Die Gesammtsenkung betraegt ungefaehr 2000 Fuss, denn die Eisenthone liegen an der Wasserscheide zwischen dem Rothen Meere und Nilgebiete 8000, an der Grenze von Wolkait und Semien dagegen nur 6000 Fuss hoch. So weit ausgebreitet dieses Eisenthonplateau auch ist, so wenig maechtig erscheint seine Lagerung; denn waehrend es an der oestlichen Grenze nur einige Zoll stark auftritt und im Innern Tigrie's, seinem Centrum, eine Maechtigkeit von nahe an 12 Fuss erreicht, nimmt es am Fusse der Laender Semien, Woggera und Wolkait wieder bis zu 1 oder 2 Fuss Maechtigkeit ab. "Unter diesem rothen Eisenthone folgt der _Sandstein_, dessen Oberflaeche gleichfalls eben wie jene der Eisenthone verlaeuft, dessen Maechtigkeit aber von der Gestaltung der Urthonschiefer abhaengig ist, welche seine Unterlage bilden. Risse und Spalten, welche die Eisenthone wie die Sandsteine (oder Grauwacke) durchziehen, zeigen einen aeusserst wilden und romantischen Charakter, der selbst im Laufe der Jahrtausende, welche seit ihrer Bildung verflossen, nicht zerstoert wurde. "Auch durch die zweite gewaltsame Umwaelzung entstanden viele neue groessere und kleinere Risse, aus denen sich, wie bei der ersten Revolution, grosse _Lavastroeme_ auf die Oberflaeche des Landes ergossen, namentlich auf der dem Rothen Meere zugekehrten Seite des oestlichen Gebirgsabfalles. Wenn der Reisende von Massaua aus den Weg nach Halai einschlaegt, so bieten sich seinem Auge am Fusse des Tarantagebirges und noch bis zur Haelfte an diesem hinauf in Rissen und Spalten grosse Lavastroeme dar. So muendet ungefaehr zwei Stunden oberhalb Hamhamo (im Tarantapass) linker Hand ein Spalt in das grosse Thal, aus welchem sich ein etwa 40 Fuss hoher, gut erhaltener Lavastrom herabstuerzt, und in vielen Spalten desselben Thales sind die Felswaende noch hier und da mit Lava ueberzogen. Die hier stets herrschende heisse trockene Luft, die geringe Regenmenge waren der Erhaltung dieser Lavamassen besonders guenstig, was vom Innern Abessiniens nicht behauptet werden kann, wo fortwaehrend starke Regen und feuchte Luft die Zersetzung der Laven beguenstigen. Im Innern fanden ueberhaupt auch weniger Lavaergiessungen statt und sind deren Spuren ueberhaupt aeusserst selten. Einen merkwuerdigen Lavaueberrest aus der Zeit der ersten Revolution fand ich am Flusse Mareb unterhalb der Ortschaft Gundet am Wege nach Hamasien. Er bildete die Spitze eines abgeplatteten Huegels, war fest auf den Trachyt gelagert, 21/2-3 Fuss maechtig und bestand aus lauter Roehren von 1/2-11/2 Zoll Durchmesser, die theils hohl, theils mit schmuziggelbem Eisenocker ausgefuellt waren." So viel berichtet Zander ueber die geologischen Verhaeltnisse des Landes. Zur weiteren Erlaeuterung fuegen wir hier noch Rueppell's kurze Bemerkungen bei: "Jenseit des flachen Meeresufers und in geringer Entfernung von der Kueste erhebt sich ein mit diesem ziemlich paralleler Gebirgszug von imposanter Hoehe, welcher zehn Stunden landeinwaerts bereits durchschnittlich 8-9000 Fuss ueber die Flaeche des Arabischen Busens hervorragt. Er besteht durchgehends aus Schiefer- und Gneisfelsen; an seiner oestlichen Basis aber erblickt man mehrere Trachyt-Lava-Stroeme; isolirte vulkanische Kegel tauchen aus der aufgeschwemmten Uferflaeche des Annesleygolfs bei Afte und Zula hervor und das von Salt beobachtete Vorkommen des Obsidians zu Amphila ist ein Beweis fuer die Verbreitung einer frueheren vulkanischen Thaetigkeit laengs der ganzen Kueste hin. Westlich von dieser Kuestengebirgskette bildet durchaus das naemliche Schiefergebilde den Kern der ganzen Landschaft und wird namentlich in allen tief eingewuehlten Strombetten beobachtet. Diese Schieferformation ist mit einem weitverbreiteten, horizontal geschichteten Sandsteinplateau ueberdeckt, das aber durch spaetere vulkanische Thaetigkeit auf eine merkwuerdige Weise theils senkrecht gespalten und verschoben, theils verschiedentlich emporgehoben wurde. An mehreren Orten, z. B. vermittelst der beiden Berge Alequa in den Provinzen Ategerat (Atigrat) und Schirie, durchbrach die Lavamasse die bereits sehr zerarbeitete Sandsteindecke und erhob sich, isolirte zugespitzte Kegelberge bildend, ueber dieselbe; anderwaerts, wie in der Umgebung von Axum, entstanden durch diese Lavaergiessungen zusammenhaengende vulkanische Huegelzuege; stellenweise endlich senkte sich eine weite Strecke entlang die ganze Sandsteinformation und bildete die auf ihrer einen Seite durch steile Felswaende begrenzte Verflachung der Landschaften von Geralta und Tembien, deren mittlere Erhebung ueber die Meeresflaeche auf sechstausend Fuss anzuschlagen ist. Diese allgemeine Einfoermigkeit in dem geognostischen Charakter des ganzen oestlichen Abessinien sah ich nur durch zwei andere Gebirgsformationen unterbrochen. Die eine derselben sind die aus Kreide und Kalkmergel bestehenden Hoehen, welche zu Sanafe (in Agamie) zu Tage kommen und die ich ausserdem noch auf dem Wege von Adoa nach Halai zu Agometen und Gantuftufie sah. Die andere Ausnahme bilden die Granitmassen, welche theils als stark verwitterte kolossale Bloecke, theils als plumpe Massen etwas suedlich von Amba Zion und unfern des Staedtchens Magab sichtbar sind und die ich in Schirie, unter einem fast gleichen Breitengrade, als die Seitenwaende der von dem Kamelo durchflossenen Thalausfloetzung wiederfand." Spaetere Reisende, namentlich Heuglin, haben dann noch einzelne andere geologische Gebilde angetroffen. So tertiaere Gesteine in Hamazien, und nach demselben Forscher zeigt sich dolomitischer Kalk ueberall lose in der Dammerde; dann, an einzelnen Stellen, wie in Dembea, Gyps und Mergel. Als Zersetzungsprodukte von Laven und Basalt erscheinen Thone und fette Dammerde von schwarzer und rother Farbe. Sehr betraechtliche _Braunkohlenlager_, die jedoch nicht ausgebeutet werden, finden sich im Goangthal zwischen Dembea und Tschelga; ebensowenig benutzt man andere mineralische Artikel, mit Ausnahme von Schwefel und Salz. Besonders hervorzuheben in geologischer Beziehung ist noch die Entdeckung einer Menge von _versteinerten Baumstaemmen_ bei Tenta, zwischen dem Kollogebirge und dem Beschlofluss durch Steudner und v. Heuglin. Sie sind verkieselt und zeigen deutlich die Jahresringe, Spuren von Rinde und Gaenge von Insektenlarven. Offenbar sind diese Staemme durch den Einfluss heisser, kieselerdehaltiger Quellen versteinert worden; sie sollen sich auch auf den Hochebenen von Woadla, Talanta und im Galaland finden. Nach Professor Unger, welcher dieses Holz _Nicolia aegyptiaca_ nannte, besteht der sogenannte "versteinerte Wald" bei Kairo aus derselben Spezies; die ihn bildenden Staemme wurden durch Hochwasser aus den oberen Nilgebieten nach ihrer jetzigen Lagerstaette gefuehrt und unter Verhaeltnissen begraben, die ihre Konservirung zur Folge hatten. Trotz der grossen vulkanischen Thaetigkeit, welche in Abessinien geherrscht, zeigt keine der hoeheren Gebirgskuppen Spuren eines Kraters. Doch ganz unten im Schoadathale, sowie an einigen Stellen in der Flaeche von Woggera und in Telemt, erheben sich einige isolirte Kegel mit deutlicher kraterfoermiger Vertiefung, welche sicherlich Spaetlinge der vulkanischen Thaetigkeit waren. Jedenfalls sind in historischer Zeit nur vereinzelte Vulkanausbrueche bekannt geworden, zuletzt im Jahre 1861, als der Vulkan von Ed an der Danakilkueste des Rothen Meeres zwei heftige Eruptionen hatte. Auch fuehrt Rueppell nach den Landeschroniken einen heftigen Aschenregen an, der fuer ganz Abessinien ein unerhoertes Ereigniss war. Erdbeben sind dagegen ziemlich haeufig. Bei der vulkanischen Natur des Landes kann es nicht Wunder nehmen, dass _heisse Quellen_ in demselben keineswegs selten vorkommen. Die beruehmtesten Quellen sind in Begemeder, bei Ailat (Eilet) in der Naehe Massaua's im Kuestenlande und zu Filamba im noerdlichen Schoa. Letztere, fuenf an der Zahl, in einer lieblichen Gegend der Provinz Giddem gelegen, umgeben von praechtigen Baeumen, sind der Zufluchtsort aller Kranken und Siechen von weit und breit, die hier Heilung von den verschiedensten Uebeln suchen. Die heilkraeftigste dieser Quellen fuehrt den Namen Aragawi nach einem der neun griechischen Sendboten, welche das Christenthum in Abessinien ausbreiten halfen. Nahe dabei liegt der Quell "Heilige Dreieinigkeit", dessen Temperatur 48 deg. C. betraegt. Die Zulassung zu den Baedern muss mit einem Stueck Salz im Werthe von etwa 21/2 Groschen erkauft werden. Der Geschmack des klaren Wassers ist leicht nach Schwefelwasserstoffgas. _Oberflaechengestaltung._ Betrachten wir nun die Oberflaechengestaltung des Landes und seine Gebirgsbildungen. Schroff gegen die Gestade des Rothen Meeres abstuerzend, nur durch wenige Paesse durchbrochen, zieht sich an der ganzen Westgrenze des Landes eine lange Bergkette hin, die sich durchschnittlich 8000 bis 9000 Fuss ueber dem Meere erhebt. Westlich von dieser treffen wir im Herzen Tigrie's auf theils isolirte, theils zusammenhaengende Berge, die, namentlich in der Umgebung der Hauptstadt Adoa, unter dem Namen der _Aukerkette_ zusammengefasst werden. Alle die vielen Gipfel derselben gehen wenig ueber 9000 Fuss hinauf; die meisten erheben sich nur zwischen 7000 und 8000 Fuss. Der hoechste unter ihnen, der Semajata im Osten Adoa's, steigt bis zu 9518 Fuss. Von diesem Systeme verzweigt sich durch die Provinzen Agamie und Haramat eine andere Reihe von Gebirgen, die in Bezug auf groteske Formen alles hinter sich zuruecklassen, was wir in den Alpen, den Cordilleren Amerika's oder in den malerischen Gebilden der Saechsischen Schweiz zu sehen gewohnt sind, und die in der That einzig auf unsrer Erde dazustehen scheinen als Ausgeburten einer seltsamen Laune der Natur. Ihre hoechste Erhebung finden sie in dem Tatsen oder Alequa bei Adigrat mit 10,390, und im Sanafe mit 10,242 Fuss. Die Reisenden, welche diese Gegenden durchwanderten, werden nicht muede, die seltsamsten Vergleiche heranzuziehen, um dem Leser einen Begriff von diesen wunderbaren Formen zu machen. Alle uebrigen Berggestaltungen unsrer Erde, die verschiedensten Bauformen - Rueppell spricht sogar von aegyptischen Tempeln - werden angefuehrt, doch ist das geschriebene Wort nur wenig dazu geeignet, in uns eine lebhafte Vorstellung zu erwecken. Hier tritt der Griffel des Kuenstlers in sein volles Recht, und die Abbildungen, die wir gluecklicherweise in dieser Beziehung vorfuehren koennen, sind vollkommen geeignet, eine klare Anschauung der betreffenden Gebirgsformationen herzustellen. Isenberg, der von Adoa aus einen Theil Haramats auf seinem Zuge in das Lager Ubie's 1838 beruehrte, ist ganz entzueckt ueber jene herrlichen Gestalten und schildert eine dieser _Amben_ - so nennt man jene Bergformen - folgendermassen: "Wir gelangten in ein Thal, ringsum von hohen steilen Felsen eingeschlossen, an dessen oestlichem Ende auf der Spitze eines Granitfelsens - aus welchem ueberhaupt meistens diese Berge bestehen - ueber einem Engpasse ein Kloster Namens Debra Berberi (Pfefferberg) liegt. Dieses Thal durchschritten wir und bestiegen dann ein wellenfoermiges Plateau, welches links von einer majestaetischen von Norden nach Sueden ziehenden Felswand begrenzt ist, welche einen unbeschreiblichen Eindruck auf mich machte. Dieser Amba oder Berg zieht sich mit meist senkrechten maechtigen Waenden fuenf oder sechs Stunden weit hin und gleicht einem ungeheuren gothischen Naturgebaeude in kolossalster Form und Vollendung. [Illustration: Amba Zion in Haramat. Originalzeichnung von Eduard Zander.] Die in regelmaessigen Dimensionen voneinander stehenden zahlreichen Saeulen, womit die ganze ungeheure Wand besetzt ist, vermehren bedeutend den Anblick eines Kunstwerkes, und nicht minder einige fensteraehnliche Oeffnungen, durch welche man, weil an diesen Stellen der Fels sehr duenn ist, hindurchschauen kann. Dieser Berg heisst _Amba Saneiti_. An seinem suedlichen Ende steht ein grosser isolirter konischer Fels, der einer hoechst kolossalen alten Ritterburg aehnlich ist. Diese und aehnliche Berge, an welchen besonders Agamie so reich ist, dienen haeufig, da sie in der Regel von den meisten Stellen unzugaenglich, und sehr haeufig oben, wo sie meist platt sind, Wasser haben, Empoerern und ueberhaupt kriegfuehrenden Haufen als _natuerliche Festungen_, wo sie, wenn sie sonst Vorraethe an Lebensmitteln haben, sich lange gegen den belagernden Feind vertheidigen und leicht Ausfaelle auf ihn machen koennen." Prachtvoll ist auch der Anblick der _Amba Zion_, welche sich suedlich von Atigrat in der Landschaft Haramat bis zu 9269 Fuss erhebt. Rueppell zog durch wiesenreiche Gruende am 1. Juni 1832 an dieser maerchenhaften Felswand hin. "Die Sandsteinterrasse bildete zur Rechten unsres heutigen Weges ein schroffes Vorgebirge, das sich bei 1200 Fuss ueber die Thalebene erhob und einen ausgezeichneten Punkt zur geographischen Orientirung darbot; sein Name ist Amba Zion. Der Boden der Landschaft fing nun an, ziemlich eben zu werden (nach Sueden zu) und bestand in einer nackten, unfruchtbaren und stellenweise mehrere Fuss breit auseinandergerissenen Sandsteinmasse, deren Spalten durchaus von emporgehobener Lava ausgefuellt waren." Von all den eben angefuehrten Gebirgen werden die noch hoeheren und majestaetischeren Berge Semien's durch den Takazziestrom, eine der Hauptwasseradern Abessiniens, getrennt. Der Reisende, welcher auf dem hohen Plateau, das sich im Osten des Takazzie in Tigrie ausdehnt, dem Lande _Semien_ zuschreitet, erblickt bald vor sich ein wunderbares Panorama. Die Thaeler von Telemt und Semien liegen noch in Fruehnebel eingehuellt, auf den dunkle Purpurschatten fallen. Wie ein Meer breiten sich die obern Flaechen der Duenste horizontal und leicht vom Winde bewegt ueber dem tiefen Bette des Takazzie und andern unzaehligen Rissen und Thaelern aus, daraus ragen im Morgensonnengolde Zacken und Kegel wie Inseln und Burgen aus einem blauen Ozean und dahinter als hohe Mauer der hoch zum Himmel aufstrebende Gebirgsstock von Semien mit weit vorgeschobenen, Tausende von Fuss senkrecht abfallenden Massen. Diese Gebirge sind durchaus vulkanischer Natur, aber laengs ihrer vom Takazzie bespuelten Basis findet sich dieselbe Formation wie auf dem oestlichen Ufer dieses Stromes, Schiefer in der Tiefe mit horizontalem Sandstein ueberdeckt und vulkanische Lavakegel, die den letztern durchbrochen haben. Die hoechsten Spitzen von Semien reichen bis in die Eisregion und sind namentlich waehrend der Regenzeit zuweilen auf mehrere tausend Fuss herab mit hagel- oder firnartigem, sehr koernigem _Schnee_ bedeckt, der jedoch schnell schmilzt, und nur auf der Nordseite sieht man an sehr vor der Sonne geschuetzten Felsbaenken und in Schluchten fast das ganze Jahr ueber Eis, d. h. gefrorene, in den Bergen entspringende Wasser, oft in ansehnlichen Massen, theilweise allerdings auch von etwas derber Textur; von Gletschern und ewigem Schnee kann aber hier nicht die Rede sein. In der Tigriesprache heisst der Schnee Berit. Bruce, welcher nur ueber die niedrige Kette des Lamalmon in Semien gekommen war, glaubte nicht, dass jemals Schnee auf den Bergen gesehen werde, obgleich die Thatsache in der fruehesten Nachricht vom Lande, in der adulitanischen Inschrift des Kosmas Indikopleustes, und spaeter von den am besten unterrichteten Jesuiten, welche in Abessinien reisten, erwaehnt wird. Rueppell fand im Juni das obere Viertheil der ganzen Gebirgskette mit Schnee bedeckt, eine Erscheinung, die im Kontrast mit dem dunklen Lazur des Himmels und den ueppig gruenen Pflanzen des Vordergrundes etwas in Afrika hoechst Fremdartiges an sich hatte. Der durchaus aus vulkanischer Felsmasse bestehende schroffe Gebirgskamm, welcher die Provinz Semien von Ostsuedost nach Westnordwest zu begrenzt, umzieht in seinem weiteren Verlaufe in gewissermassen ellipsoidischer Form den ganzen ungeheuren Dembeasee wie ein weiter Kesselrand, und der _Buahat_ (Bachit), welcher die ganze Gruppe ueberragt, kroent gleichsam den Gebirgskreis mit seiner erhabenen Kuppe. Hier ist die echte "afrikanische Schweiz", die unter die Tropen gerueckte Alpenwelt, wie Munzinger in Erinnerung an seine Heimat Abessinien getauft hat. Und in der That, der Alpencharakter springt jedem, der es sah, in die Augen. "Unser Marsch am 26. Juni", schreibt Rueppell, "brachte uns in eine Landschaft, welche ganz den Charakter der schoeneren europaeischen Hochgebirgspartien hatte. Coulissenartig springen auf den Seiten die Hoehen mit Nebenthaelern hervor, welche theils beholzt, theils mit einem gruenen Teppich der schoensten Gerstensaat besaeet sind. Das Ganze aber umgiebt amphitheatralisch ein Kranz von hohen Bergen, deren schneeige Gipfel ueber fette Alpenweiden emporragen. Bald erweitert sich das Hauptthal etwas nach Suedwesten zu, und nun zeigt sich in pittoresker Gestalt der weit herab mit Eis bedeckte Berg _Abba Jaret_, einer der hoechsten der ganzen Kette. Wasserreiche Kaskaden umgeben auf beiden Seiten den Ataba, um ihm den Tribut der Berge zu bringen, und hier und da schmueckt eine ehrwuerdige Baumgruppe die grasreichen Ufer desselben. Ueber der ganzen Landschaft aber schwebte das herrliche, ganz reine Lasurgewoelbe des Himmels tropischer Hochgebirgsregionen. Kurz, alles vergegenwaertigt hier den Charakter der Hochalpen Europa's, und es fehlten nur die malerisch gelegenen Sennhuetten." [Illustration: Teiit, Partie vom Totscha in Semien. Originalzeichnung von E. Zander.] Der Ataba ist ein sehr wasserreicher, dem Takazzie zustroemender Gebirgsfluss, dessen Bett mit Felsbloecken gleichsam durchsaeet ist. An seinem Ufer erhebt sich der 11,500 Fuss hohe _Dschinufra_, dessen trachytische, mit Mandelsteinen und Basalten durchsetzte Gebirgsmassen hier 3000 Fuss jaeh abfallen und namentlich in seinem _Woikall_ genannten Zweige von Sueden her einen imposanten Anblick gewaehren. Ueberreich ist Semien an aehnlichen grotesken Fels- und Berggestaltungen, sodass es schwer haelt, aus der grossen Zahl der herrlichen Partien nur einige der schoensten auszuwaehlen, um sie dem Leser vorzufuehren. Da ist der _Awirr_, der sich nach Norden zu mit dem hohen _Selki_ verbindet und der nach Osten zu ins Takazziethal abfaellt, waehrend sich sein Westabhang ins Appenathal senkt; ferner treffen wir hier auf die malerische Felspartie _Teiit_, ein Theil des Totscha. Unsere schwindelerregenden Alpenpaesse mit ihren grausigen Schluenden, sie reichen in ihrer Gefaehrlichkeit nicht an die Berge Semiens hinan. Der Weg windet sich oft an einer senkrechten Felswand neben furchtbaren Abgruenden hin, sodass auf ihm kaum ein unbeladenes Maulthier sicher hindurchkommen kann. An mehreren Stellen wuerde es sogar fuer Menschen unmoeglich sein, vorbeizuklettern, wenn nicht an der ganz lothrechten Felsmasse auf kuenstlich angelegten Baumstaemmen ein Pfad geschaffen waere; aber auch dies ist mit so wenig Geschick gemacht, dass man oft in grosser Lebensgefahr schwebt. Dazu gesellt sich das dornige Gestraeuch, welches aus jedem Felsspalt dieser vulkanischen Massen wildwuchernd hervorstarrt und das Beschwerliche des Marsches im hohen Grade vermehrt. Diese Gefahren werden besonders von Heuglin in seiner Ueberschreitung des Amba-Ras in anschaulicher Weise geschildert. "Der Pfad, den kein Maulthier zu erklimmen im Stande ist, fuehrt ueber zwei sehr enge, tiefe Schluchten hinweg von einem Felsgrat zum andern, uebrigens haeufig durch ueppigen Baumschlag und gruenes Gebuesch, an Quellen mit moosigem Gestein und blumigen Rasenplaetzen hin, steiler und immer steiler aufwaerts. Ueber schwindelnder Kluft liegt ein halbmorscher Baumstamm als Bruecke, links erhebt sich eine starre Felswand; rechts herabzublicken in den Abgrund wagt keiner, ehe er die verhaengnissvolle Passage hinter sich hat. An steilen Gelaenden windet man sich immer hoeher, zuweilen ueber weite Eisstrecken weg. Da scheint der hoechste senkrechte Abfall des Amba-Ras wirklich jedes weitere Vordringen unmoeglich zu machen, doch es oeffnet sich eine Felsspalte von nur zwei bis drei Fuss Weite, wie in einem Schornstein klettert man vorsichtig, damit kein Stein lose wird, in alle moeglichen Situationen uebergehend, von Vorsprung zu Vorsprung und kommt zuletzt mit wunden Koepfen, Haenden und Fuessen auf der Plattform zwischen Bachit und Amba-Ras wieder zu Tage." So sind die Wege in Semien beschaffen und doch haben sie Armeen, aber abessinische Armeen, durchzogen und entscheidende Schlachten auf den Eisfeldern des Landes geliefert. Die meisten der angefuehrten Bergriesen Semiens, ausser denen wir hier noch den Walia-Kant, den Jotes-Saret, Barotschuha, Taffalesser und Ras-Tetschen nennen, erreichen eine Hoehe von mehr als 14,000 Fuss ueber dem Meere und werden nur noch durch das Kollogebirge in den Galalaendern uebertroffen. Suedwestlich von Semien setzen sich die Gebirge in der _Hochflaeche von Woggera_ fort, einer Art von gestaffelter Terrasse, die in ihrer hoechsten Ebene bis zu 9500 Fuss emporragt, sich allmaelig aber nach Suedosten verflacht, unfern von Gondar aber immer noch ziemlich steil nach dem kesselfoermig von Hoehen umgebenen grossen Becken des _Tanasees_ abfaellt. Woggera und alle Bergzuege in der Umgebung dieses grossen Binnensees bestehen ganz aus vulkanischen Felsmassen und der durch ihre Zersetzung hoechst fruchtbar gewordene Boden bildet eine herrliche Weidelandschaft. Von Gondar aus wendet sich, an die Abfaelle Woggera's anschliessend, ein schmaler Gebirgszug ohne Unterbrechung nach Suedosten, der die Verbindung mit dem Hochlande Begemeder herstellt und bei Derita seine groesste Hoehe zwischen 9000 und 10,000 Fuss erreicht. In Begemeder selbst treffen wir auf das hohe, von Heuglin erstiegene _Gunagebirge_ (13,000 Fuss). Die Gipfel bestehen aus kahlen Trachytmassen, die ein milchweisses, feldspathartiges Gestein einschliessen; an einzelnen Stellen der Gehaenge sieht man Wacken und Thone und der ganze Gebirgsstock hat einen ansehnlichen Umfang. Nach Sueden und Osten faellt er steiler ab und verlaeuft nach Westen nach und nach gegen den Blauen Nil und den Tanasee. Nach Osten zu schliessen sich wieder, zum Theil mit dem Beschlostrome parallel laufend, hohe Gebirge an die Guna an, deren eines sich unmittelbar mit den Hochebenen der Laender Woadla, Talanta, Daunt, Jedschu und Lasta verbindet. [Illustration: Suedansicht des Woikall, eines Zweiges des Dschinufra, vom Hai aus gesehen. Originalzeichnung von Eduard Zander.] Die Plateaux der zuerst genannten Laender steigen bis 9000 Fuss ueber das Meer an, waehrend die hoechsten Spitzen von Lasta wieder in die Eisregion hineinragen. Jenseit des Beschlo aber, im Lande der Wollo-Gala, steigt Abessiniens hoechstes Gebirge, die _Kollo_, bis ueber 15,000 Fuss an, und auch in dem benachbarten, nach Westen zu gelegenen Gischem treffen wir auf 10,000 Fuss hohe Gipfel. Jenseit des Nil aber begegnen wir der durchschnittlich 8000 Fuss hohen Berglandschaft Godscham, die im Talbawaha mit 11,000 Fuss ihre groesste Erhebung findet. Endlich im Sueden steigen kuehn und malerisch wie die Gebirge Semiens die Felsmassen von Schoa auf, die in der "Mutter der Gnade", dem _Mamrat_ (13,000 Fuss), einen wuerdigen Abschluss finden. _Fluesse._ Die nach Westen und Nordwesten geneigten Hochflaechen Abessiniens werden von zahlreichen Baechen und Stroemen durchschnitten, die nach kurzem Laufe auf dem Plateau ploetzlich in tiefeingeschnittene Thaeler fallen, in welchen sie oft sehr schnell eine Tiefe von 3000 bis 4000 Fuss unter der Flaeche des Tafellandes erreichen. So behauptet das Hochland von Semien in seinem ziemlich gleichfoermigen Rande eine Hoehe von 10,000 Fuss. Aber das Bett des Bellegas im Schoadathale liegt nur etwa 5400 Fuss, das des Takazzie an der Nordostgrenze gar nur 3000 Fuss ueber dem Meere. Die groesseren Flussthaeler, z. B. des Takazzie und des Abai im Sueden, sind ziemlich weit; das letztere hat eine Breite von wenigstens fuenf deutschen Meilen. Deshalb stellen die Abessinier ihr Tafelland stets als eine aus dem umgebenden Tieflande emporragende Insel dar. Die Thaeler sind ausserordentlich wild und unregelmaessig, im ganzen aber von ziemlich uebereinstimmendem Charakter. Die obere Haelfte des Abfalls ist immer ungemein steil, oft aus vielfach zerrissenen horizontalen Baenken von Lava, Trachyt und Basalttuff gebildet; dann folgen terrassenfoermig uebereinander liegende Plateaux mit sanfteren Abfaellen, oft aus fest zusammengebackenen Brocken vulkanischer Gesteine der Nachbarschaft und Dammerde bestehend. Auf der Thalsohle dagegen erscheinen wieder die vulkanischen Massen in ihrer Urgestalt, und die dort hausenden Hochwasser haben sich in denselben tiefe, rinnenartige Betten mit meist senkrechten Waenden eingerissen. In der trockenen Jahreszeit sind die Stroeme in diesen Thaelern theilweise ohne Wasser, kaum schlammigen Baechen aehnlich; in der Regenzeit ueberfluten sie das ganze Flachland. Da, wo die Fluesse das Flachland verlassen, bilden sie meistens Katarakte von bedeutender Hoehe, und in solchen Wasserfaellen und Stromschnellen senkt sich ihr Bett auf eine Strecke von wenigen Meilen um mehrere tausend Fuss. Praechtig hat vor allen andern Werner Munzinger dieses Anschwellen der abessinischen Stroeme geschildert. Er fuehrt uns in die tiefe Thalschlucht, in der es fast den ganzen Tag ueber dunkel ist, denn nur wenige Mittagsstunden dringt die Sonne in die schauerliche Tiefe. "Hier wird selbst der Vogel scheu und stumm und die am spaerlichen Wasser sich labende Gazelle lauscht aengstlich auf bei jedem Geraeusch in der fluchtwehrenden Enge. Da ist fast ewige Stille, nur unterbrochen von dem Murmeln des sich ins Freie draengenden Baches, selten gestoert von dem Geheul der an den jaehen Abgrund sich klammernden Affen. "Weh dem, der hier weilt in der Regenzeit! Von langer Fahrt muede bettet sich der Wanderer in dem Thal. Er ist von der Hitze so erschoepft, selbst diese finstern Gruende laden ihn zur Ruhe. Im heissesten Mittag wiegt er sich in suesse Traeume; seiner harret das freundliche Heim - da droehnt es dumpf im Hochgebirge; ein Schuss, ein zweiter, dann der schreckliche, den ganzen Himmel durchrasende Donner. "Doch fuerchtet er noch nichts, das Gewitter ist ja so fern. Er weilt und traeumt, er sei schon bei den Lieben. Da erhebt sich von oben ein Rauschen, wie wenn der Wind durch die Blaetter fuehre. Es wird lauter, gewaltiger, es zischt, es prasselt, es toset, es bruellt, als wenn die boesen Geister anfuehren - nun naht es, mauergleich, sich schaeumend und ueberstuerzend - _es ist der Waldstrom_. Der Bach, vom Regen angeschwollen, ist ein maechtiger Strom geworden, doch seines kurzen Lebens gedenk stuerzt er wild und feurig in das Thal hinab. Die tiefgewurzelten Sykomoren sinken unter seiner Wucht und die grasige Ebene wird von Schutt ueberrollt; das Wasser fuellt das ganze Thal und langt hoch an die Felsen hinauf. Wehe dir, du armer Mann! Wo solltest du hin entfliehen? Hast du die Fluegel des Adlers, hast du die Krallen des Affen, der ueber dir schwebend deiner Noth hoehnt? Bist du im Bunde mit den Geistern, dass sie dich forttruegen? Hier ist sie nicht dein Knecht die Natur, sie ist dein dich vernichtender Feind. Es sind wenige Jahre her, dass ein ganzes Zeltlager, in einem breiten, trockenen Strombette gelagert, die Beduinen mit ihren Herden und Zelten von dem ungeahnten Waldstrom ueberfallen und fortgerissen wurden. Hundert Menschen, Tausende von Ziegen wurden seine Beute." Tritt hier der abessinische Strom vernichtend auf, so erfuellt er andererseits eine hohe Aufgabe. Unser Landsmann Eduard Rueppell war der erste, welcher 1832 darauf hinwies, dass _diese Stroeme die Bildner des fruchtbaren Erdreichs in Aegypten und die Ursache der Nilueberschwemmungen_ sind. "Die aufgeloesten vulkanischen Massen Abessiniens", sagt er, "sind, indem sie von den zur Regenzeit anschwellenden Fluessen fortgefloesst werden, die Elemente jener befruchtenden Erdablagerungen, welche der Nilstrom laengs seinem ganzen Laufe seit Jahrtausenden alljaehrlich absetzt. Bedenkt man die ungeheure Erstreckung des von diesem Flusse angeschwemmten Landes in Nubien und Aegypten, so wird man mit Erstaunen erfuellt ueber die Masse der nach und nach durch die Verwitterung zerstoerten Vulkane Abessiniens." (Reise in Abyssinien, II, 319.) Erst volle dreissig Jahre spaeter widmete der Englaender Baker dieser Thaetigkeit der abessinischen Stroeme sein Augenmerk; ein ganzes Jahr lang zog er im Gebiete derselben umher und hielt sich dann schliesslich fuer den Entdecker der schon frueher von Rueppell aufgestellten Thatsache, die allerdings von ihm in vielen Stuecken erlaeutert wurde. Der _Atbara_, der _Takazzie_ oder _Setit_, der _Salam_, _Angrab_, _Rahad_, _Dender_ und der _Abai_ oder _Blaue Nil_ sind die grossen Entwaesserungskanaele Abessiniens; sie haben alle einen gleichfoermigen Lauf von Suedost nach Nordwest und treffen den Hauptnil in zwei Muendungen, durch den Blauen Nil bei Chartum und durch den Atbara. Alle die genannten Stroeme gehoeren zum Gebiete des Nil. Als Hauptquelland des Abai (Blauer Fluss, Bahr el Asrek) muss das Becken des _Tanasees_ (Zana, Tsana) betrachtet werden. In einem ungeheuren, vom Hochland umlagerten Becken sammeln sich ungefaehr im Mittelpunkte von Amhara die meisten Gewaesser von Godscham, Begemeder und Dembea und bilden in einer Meereshoehe von 5732 Fuss einen herrlichen Alpensee mit zahlreichen Inseln, eingesaeumt von gruenen Matten und reichen Kulturebenen, durch welche in Schlangenwindungen zahlreiche Bergwasser rinnen. Der Tanasee, welcher in elliptischer Form einen Raum von etwa einhundertfuenfzig Quadratstunden einnimmt, war einst wol um die Haelfte groesser, aber im Laufe der Jahrtausende haben die fortwaehrenden Schlammniederschlaege von zersetzter Lava, welche die Gewaesser waehrend der Regenzeit von den vulkanischen Hoehen abspuelen, eine wagerechte Bodenflaeche an vielen Stellen seiner Ufer gebildet und so nach und nach seinen Umkreis verengt. In einer mehr als 60 Fuss tiefen Felsschlucht, deren senkrecht abstuerzende Seitenwaende an mehreren Stellen kaum zwei Klaftern weit voneinander entfernt sind, rauscht der Nil in einer ununterbrochenen Reihe von Kaskaden aus dem See hervor. Waehrend der Regenzeit ist nicht allein dieser ganze Felsenspalt mit Wasser ausgefuellt, sondern der Strom ueberflutet dann auch eine betraechtliche Strecke des suedlichen Ufers, welche mit stark abgeschwemmten vulkanischen Geroellen von kolossaler Groesse bedeckt ist. Hier woelbt sich ueber ihn die _Bruecke von Deldei_, welche aus acht Bogen besteht, die alle untereinander von ungleicher Groesse sind und von denen der noerdlichste, ueber die Felsenschlucht selbst gesprengte und somit allein immer vom Strom durchflossene, bei weitem der groesste von allen ist. Die Laenge der Bruecke betraegt neunzig Schritt und ihre Breite fuenfzehn Fuss. Sie bildet in ihrer Laengenerstreckung keine gerade Linie, indem sie an den drei noerdlichen Bogen sich etwas nach Westen wendet. Die Woelbung der Bogen ist aus kleinen behauenen Sandsteinen erbaut, das Uebrige aber aus Lavafels. In der Mitte der Bruecke befindet sich eine Quermauer mit einem Thore und an ihrem Nordende ist eine Art von Vertheidigungsthurm, der aber jetzt in Truemmern liegt. Von hier aus umfliesst der Blaue Nil in spiralfoermigem Laufe, sich den Grenzen Schoa's naehernd, Godscham und Damot und nimmt erst in Fasogl und den Ebenen von Sennar nordwestlichen Lauf an, welchen er beibehaelt bis zu seiner Vereinigung mit dem Weissen Nil bei Chartum. Der Abai erhaelt noch reichliche Zufluesse von Osten und Sueden her, namentlich den _Beschlo_ und die _Dschama_, und endlich in Sennar den Dinder und Rahad, welche den westlichen Rand von Abessinien zum Quellgebiet haben. Der Blaue Nil ist waehrend der trockenen Jahreszeit so klein, dass er nicht Wasser genug fuer kleinere Fahrzeuge hat, die mit dem Transporte von Produkten von Sennar nach Chartum beschaeftigt sind. In dieser Zeit ist das Wasser schoen hell, und da es den wolkenlosen Himmel reflektirt, hat seine Farbe zu dem wohlbekannten Namen Bahr el Asrek oder Blauer Fluss Anlass gegeben. Es giebt kein koestlicheres Wasser als das des Blauen Nil; es sticht ganz ab gegen das des Weissen Flusses, welches nie hell ist und einen unangenehmen Vegetationsgeschmack hat. Diese Verschiedenheit in der Beschaffenheit des Wassers ist ein unterscheidendes Merkmal der beiden Fluesse; der eine, der Blaue Nil, ist ein reissender Gebirgsstrom, der mit grosser Schnelligkeit steigt und faellt; der andere entspringt im Mwutan Nzige und fliesst durch ungeheure Marschen. Der Lauf des Blauen Nil geht durch fruchtbaren Boden; er erleidet daher nur einen geringen Verlust durch Absorption, und waehrend der starken Regen liefern seine Wasser einen maechtigen Beitrag erdigen Stoffs von rother Farbe zu dem allgemein befruchtenden Niederschlag des Nil in Unteraegypten. [Illustration: Charakter des Hochgebirges Awirr in Semien. Nach Originalzeichnung von E. Zander.] Der _Atbara_ entspringt ganz nahe am Nordrande des Tanasees in Dembea und ist, obgleich in der Regenzeit ein so bedeutender Strom, doch mehrere Monate des Jahres hindurch vollkommen trocken oder auf wenige Pfuetzen beschraenkt, in welche sich Krokodile, Fische, Schildkroeten und Flusspferde zusammendraengen, bis sie der Beginn der Regenzeit wieder in Freiheit setzt, indem eine frische Wassermasse dem Flusse zustroemt. Die Regenzeit beginnt in Abessinien im Juni; von da an bis zur Mitte des September sind die Gewitter furchtbar; jede Schlucht wird ein tobender Giessbach; Baeume werden von den ueber ihre Ufer geschwollenen Bergstroemen entwurzelt, der Atbara wird ein ungeheurer Fluss, der mit einer alles ueberwaeltigenden Stroemung den ganzen Ablauf von fuenf grossen Fluessen (des Takazzie, Salam, Dinder und Angrab nebst seiner eigenen urspruenglichen Wassermasse) herabbringt. Seine Fluten sind getruebt vom Erdreich, das von den fruchtbarsten Laendereien weit von seinem Vereinigungspunkte mit dem Nil abgewaschen wurde. Massen von Treibholz nebst grossen Baeumen und haeufig die Leichen von Elephanten und Bueffeln werden von seinen schlammigen Wassern in wilder Verwirrung fortgeschleudert und bringen den an seinen Ufern wohnenden Arabern eine reiche Ernte an Brenn- und Nutzholz. Der Blaue Nil und der Atbara, die fast den ganzen Wasserabfluss Abessiniens aufnehmen, ergiessen ihre Hochwasser in der Mitte des Juni gleichzeitig in den Hauptnil. In dieser Zeit hat auch der Weisse Nil einen betraechtlich hohen, obwol nicht seinen hoechsten Stand, und der ploetzliche Wassersturz, der von Abessinien in den Hauptkanal herabkommt, welcher schon durch den Weissen Nil auf einen bedeutenden Stand gebracht worden ist, verursacht die jaehrliche Ueberschwemmung in Unteraegypten. Als Haupt- und Charakterstrom Abessiniens kann der _Takazzie_ gelten, wenngleich er nur ein Nebenfluss des Atbara ist. Er entspringt oestlich vom Tanasee zwischen Begemeder und Lasta aus drei kleinen Quellen, die bei den Eingeborenen Ain (das Auge des) Takazzie heissen. Diese ergiessen sich in einen Behaelter, aus welchem das Wasser zuerst in einem vereinigten Bache herausfliesst. Der Strom, die grosse Scheide zwischen den Landen Amhara in seinem Westen und Tigrie in seinem Osten, geht erst in noerdlicher Richtung weiter und rauscht dann in schaeumenden Kaskaden an den Alpen Semien's am Awirr hin, durch welche er sich sein mit steilen Waenden eingefasstes Bett wuehlt. Hier, in diesem tiefen, nur 3000 Fuss ueber dem Meere liegenden Thale, neben dem sich die Berge bis in die Eisregion erheben, herrscht eine heisse ungesunde Luft und wohnen wenig Menschen. Selbst die Thiere meiden diesen Aufenthalt, und nur die unfoermigen Koepfe der Nilpferde erscheinen ueber dem Spiegel des in Stromschnellen ueber Kiesgrund dahinschiessenden Flusses. Von Semien an nimmt der Takazzie eine westliche Richtung an und tritt durch das heisse Land Wolkait auf aegyptisches Gebiet ueber, wo er den Rojan auf- und den Namen _Setit_ annimmt. Durch das Land der Homranaraber und eine ueberaus wildreiche Gegend, das Paradies der Jagdfreunde, waelzt er endlich seine Wasser, die nie ganz austrocknen, dem Atbara zu. Als ein weiterer Zufluss desselben kann der in Hamasien entspringende, die Provinz Serawie in einem Bogen umfliessende _Mareb_ betrachtet werden, welcher durch das Land der wilden Kunama zieht, in der aegyptischen Provinz Taka den Namen _Chor el Gasch_ erhaelt und jenseit Kassala entweder versandet oder bei Hochwasser den Atbara erreicht. Die Wasser der noerdlichen Grenzlaender Abessiniens endlich sammelt der _Barka_, die er bei Tokar suedlich von Sauakin dem Rothen Meere zufuehrt. Aber alle diese Fluesse, so grosse Gaben sie sonst fuer das Land sind, verlieren dadurch bedeutend an Werth, dass sie nicht als Kommunikationsmittel dienen koennen. Es fehlen die Stroeme, die sich schiffbar in das Rothe Meer ergiessen; es fehlen auch, um diesen Mangel zu ersetzen, die allmaelig nach Osten sinkenden Ebenen, die, gegen die Kueste auslaufend, den Kameeltransport ermoeglichen. Mehr noch als das: die Fluesse verhindern sogar in der Regenzeit allen Verkehr, denn Bruecken baut der Abessinier nicht und die alten, von den Portugiesen hergestellten zerfallen. Schoa schliesslich, der suedliche Theil Abessiniens, sendet seine nach Westen gehenden Stroeme dem Abai zu, im Osten zieht sich dagegen der aus Gurague kommende _Hawasch_ um das Land, allein er erreicht das Rothe Meer nicht und versandet in den Salzebenen und Lagunen der Danakilkueste. -------------- _Klimatische Verhaeltnisse._ Unter den Tropen gelegen, von der Meereskueste bis zu 15,000 Fuss Hoehe an die Grenze der Eisregion hinaufragend, die suedliche Hitze und nordische Kaelte vereinigend, bietet Abessinien auf seinem verhaeltnissmaessig beschraenkten Raume alle Erscheinungen der ostafrikanischen Pflanzenwelt von der Flora der Wueste bis zu jener der Hochlande in seltener Fuelle und unendlichem Reichthum dar. Aus dieser so verschiedenen Hoehenlage ergiebt sich auch ein bedeutender Wechsel des _Klimas_, und in der That kann man an einigen Orten binnen wenigen Stunden aus der Region der Palmen bis auf die eisigen Hochebenen gelangen, wo die Vegetation ein Ende nimmt. Schliesst man die heissen Kuestenstriche, die tiefgelegenen Niederungen und die nicht minder tief in das Land eingerissenen Thaeler, wie jenes des Takazzie, aus, so kann das Hochland als ein klimatisch sehr beguenstigtes bezeichnet werden. Nach Rueppell sind die taeglichen Abwechselungen in der Lufttemperatur von wenig Belang; starke Stuerme sind eine grosse Seltenheit; die Feuchtigkeit der Regenzeit hat gar keinen nachtheiligen Einfluss auf die Gesundheit, ja waehrend dieser Zeit ist sogar am Vormittag fast stets der Himmel heiter und nur zwischen zwei bis sechs Uhr bricht ein starkes Gewitter aus, welchem gewoehnlich eine bewoelkte Nacht folgt. Die Witterung der Sommerzeit, d. h. der Monate November bis Juni, ist im westlichen Abessinien die angenehmste, die man sich denken kann, da in der Regel alle acht Tage ein leichter Regenschauer faellt und die Waerme der sonst heiteren Luft wegen der relativen Hoehe des Landes nichts weniger als drueckend ist. Welchen Gegensatz bietet dieses Klima zu demjenigen des groesseren Theils von Afrika, das so viele Opfer fordert! In dem uns zu Gebote stehenden Manuskripte Zander's finden sich ueber den Wechsel der Temperatur in Abessinien von den hoechsten Berggipfeln bis zu den tiefsten Thaelern des Landes herab, also zwischen 14,000 und 3000 Fuss, folgende mittlere Werthe in Graden nach Reaumur angefuehrt. Zwischen 14,000 und 13,000 Fuss: frueh und Abends im Sommer + 1 bis 3 deg.; in den Wintermonaten zu derselben Zeit - 3 bis - 6 deg.; des Mittags + 3 bis 4 deg.. Zwischen 13,000 und 12,000 Fuss: frueh und Nachts 0 deg. in den Wintermonaten; im November, Dezember, Januar, Februar - 1 bis 3 deg.; Mittags + 5 bis 7 deg.. Zwischen 12,000 und 10,000 Fuss: Morgens und Nachts + 5 bis 7 deg.; Mittags 10 bis 12 deg.. Zwischen 10,000 und 8000 Fuss: Morgens und Abends + 7 bis 9 deg.; Mittags 12 bis 15 deg.. Zwischen 8000 und 6000 Fuss: frueh und Abends + 14 bis 18 deg.; Mittags 20 bis 23 deg.. Zwischen 5000 und 3000 Fuss: frueh und Abends + 24 bis 28 deg.; Mittags 30 bis 32 deg.. Nach v. Heuglin unterscheidet der Abessinier in seinem in klimatischer Beziehung so viele Abwechselung darbietenden Vaterlande zwei Hauptregionen oder Vegetationsguertel, die Kola oder Kwola und die Deka, nebst einem vermittelnden Gliede fuer beide, Woina-Deka genannt. Hiernach laesst sich, wenn auch begreiflicherweise diese Regionen ineinander uebergehen, die _Flora des Landes_ in drei Abtheilungen zerlegen. _Die Kola._ Kola heisst das Tiefland unter 5500 Fuss. Seine Vegetation zeichnet sich nach dem genannten Forscher dadurch aus, dass sie im Allgemeinen zur heissen Jahreszeit abfallendes Laub hat. Zu dieser Region gehoeren die Provinzen Wochni, Saragao, Ermetschoho, Walkait, Kola-Wogara, das Takazzie-, Mareb-, Hawasch-, Dschida- und Beschlothal. "Im September und Oktober herrschen in diesen Flussthaelern aeusserst gefaehrliche, meist todbringende Fieber. Zu dieser Zeit sind die Luefte verpestet, theils durch die aeusserst ueppige Vegetation, welche dann abstirbt und abfault, theils durch die stagnirenden Gewaesser, die nach der Regenzeit in Lachen und unzaehligen Vertiefungen ohne Abfluss verdunsten muessen und in denen sich oft ungeheure Massen von zusammengeflutetem Laub, Gras und Reisig in hohen Schichten finden. Viele hundert Abessinier erliegen jaehrlich dieser Krankheit, die auch zugleich ansteckend ist, und oft ereignet es sich, dass der Getreidewaechter, welcher dort unten krank wurde, sich in sein hoch und gesund gelegenes Heimatsdorf zurueckbegiebt, wo er das Fieber den Bewohnern mittheilt, das sich nun von da ueber die naechsten Ortschaften weiter verbreitet. So kommt es denn manchmal vor, dass ganze Doerfer rein aussterben. Die beste Zeit in diesen tiefen Laendern faellt in die Monate Dezember, Januar, Februar; aber auch dann ist es dort nicht immer geheuer." (Zander's Manuskript.) Gern meidet der Europaeer diese fieberschwangern Thaeler und Niederungen, oder er eilt, wenn er sie auf seiner Reise unumgaenglich beruehren muss, wie z. B. das Takazziethal, schnell hindurch, und nur wenige Forscher sind in die Kola eingedrungen, um dort laengere Zeit zu weilen; so Munzinger in jene am Mareb, Rueppell in die von Eremetschoho. Letzterer brach von Gondar aus am 27. Dezember 1832 nach Norden hin auf und gelangte in einer Hoehe von 8200 Fuss auf die Wasserscheide, welche die nach dem Tanasee und nach dem Atbara fliessenden Gewaesser trennt. Hier breitete sich vor seinen Blicken nach Nord und Nordost zu ein weites Amphitheater aus, gebildet durch wild zerrissene Berge, isolirte vulkanische Kegel und schroff aufgethuermte pyramidalische Felsmassen. Die ganze nach Norden zu gelegene Gegend erniedrigt sich allmaelig und wird von mehreren betraechtlichen Gewaessern durchflossen, welche sich insgesammt in einen Hauptstrom, den Angrab, vereinigen, welcher die Gefilde der Provinz Walkait durchschlaengelt und sich in den Salam (Nebenfluss des Atbara) ergiesst. In der Thalniederung angelangt, marschirte er ueber eine wellenfoermige, mit schoenen Baumgruppen bestandene Ebene, oft ueberragt von zehn Fuss hohem, schilfartigem Rohr. Hier war der Tummelplatz der wilden Thiere. Zahlreiche Herden furchtbarer Bueffel, kleine Familien von Elephanten, einige menschenscheue Rhinozeros, blutduerstige Loewen und Leoparden, verschiedene Affen und Antilopen tummeln sich hier auf den grossen gemeinschaftlichen Weideplaetzen herum. Fast alle zehn Schritt finden sich die vertrockneten Spuren von Elephantenfusstritten, aber diese weite Thalniederung wird wegen ihrer verderblichen Luft von den Menschen gaenzlich gemieden. Wenn waehrend der Regenzeit bei abwechselnd heiterm Himmel in diesem Bereich einer ueppig vegetirenden Pflanzenwelt die Feuchtigkeit von der Sonne etwas verdunstet wird, so verhindert das Rohrdickicht und die ganze Form der Gegend den Luftzug und somit die Zertheilung der Duenste, und schon derjenige, welcher nur durch die Landschaft fluechtigen Fusses dahineilt, wird vom boesartigen Fieber ergriffen. Eine Nacht daselbst zuzubringen, dazu ist in keiner Jahreszeit Jemand von den Anwohnern zu vermoegen. Die in Rede stehende Kola schaetzt Rueppell auf 4700 Fuss Hoehe ueber dem Meeresspiegel. Betrachten wir nun die einzelnen Repraesentanten der Pflanzenwelt in diesen Niederungen und den sich ihnen anschliessenden bergigen Gegenden bis zur Hoehe von 5500 Fuss. Aus dem heissen ungesunden Tieflande aufwaerts steigend, gewahren wir grosse gewaltige Baeume nur in den Tiefen des Thales. Die Waende sind zwar ueppig begruent, doch nur von kleinen Baeumen bestanden; namentlich wuchert die _Akazie_ empor und nur an den guenstigsten Stellen treten andere Baeume zwischen sie hinein; im Thalgrunde dagegen erheben sich die _Tamarinden_ mit ihren blaugruenlich schimmernden Kronen; die _Kigelien_ mit dem herrlichen Laubgewoelbe, aus welchem die grossen, wurstfoermigen, an langen, elastischen Stielen haengenden Fruechte hervorschauen; der _Baobab_ (_Adansonia digitata_), die Mimosen, welche hier zu hohen schoenen Baeumen geworden sind, und viele andere herrliche Gewaechse. Blumen aller Art, Graeser, Cacteen und Euphorbien, schmarotzende Loranthusarten und Parasiten ohne Zahl bemaechtigen sich des von den Baeumen selbst nicht in Besitz genommenen Erdreichs und verleihen den Waenden auf grosse Strecken hin schmueckende Farben. Je hoeher man im Thale aufwaerts steigt, um so kraeftiger und reicher erscheint die Pflanzenwelt. Von etwa 4000 Fuss ueber dem Meere an tritt die Sykomore, bald darauf der Oelbaum und mit ihm die praechtige Kronleuchter-Euphorbie auf. Gleich diesen tragen die _Oelbaeume_ wesentlich dazu bei, diesem Guertel einen gewissen Charakter zu verleihen; doch kommen letztere an und fuer sich langweilige Pflanzen nie so zur Herrschaft, dass ihr Anblick unangenehm werden koennte. Ihr ungewisses Graugruen sticht praechtig ab von den auf grosse Strecken hin durch die bluehende Aloe rothgelb erscheinenden Felspartien, von den Blaettern und Blueten mancher Schlingpflanzen oder dem dunklen Laube anderer Baeume. Mit dem Wachholder und der Eibe bildet der Woira oder Oelbaum zwischen 5000 und 5500 Fuss den vorzueglichsten Waldbaum Abessiniens; ein ganz anderer Gesell, als sein kleiner suedeuropaeischer Verwandter, erreicht er eine durchschnittliche Hoehe von sechzig bis achtzig Fuss und einen Durchmesser von vier Fuss. Die erbsengrossen fleischlosen Fruechte werden nicht benutzt, dagegen liefert der Stamm ausgezeichnetes Zimmer- und Brennholz. Die Tamarinde (_T. indica_) erreicht eine majestaetische Groesse, wird aber von den Eingeborenen wenig beachtet; verschiedene Senna-Arten kommen vor. In den wuesten, sandigen und vulkanischen Grenzdistrikten werden die Akazien (_A. eburnea_, _planifrons_ u. s. w.) und andere Kameeldornbaeume von grosser Wichtigkeit, da in ihrem Schatten sich Menschen und Vieh sammeln koennen. Einige liefern Gummi arabicum und die dornigen Zweige dienen den Kameelen als Futter. Eine sehr eigenthuemliche Erscheinung in der Kolaregion ist die papierrindige _Boswellia_ (_B. papyrifera_). Sie ist ein stattlicher Baum mit grossen ahornartigen Blaettern und kleinen rothen Bluetenbuescheln. Unmittelbar nach der Regenzeit zeigt der Stamm eine blassgruene glatte Rinde, die in der Trockenheit bald springt und sich in grossen papierduennen Blaettern abloest. Wo ein Einschnitt gemacht wird, entquillt in reichlicher Menge ein klebriger Milchsaft, der bald an der Luft erhaertet und klare Bernsteinfarbe annimmt. Neben den genannten Pflanzen sind noch die Gattungen Zizyphus, Balanites, Dahlbergia, Sterculia, Salvadora, das stachelige Pterolobium und die langfruechtige Baum-Cassia in der Kola vorzugsweise vertreten. Der graublaetterige Uscher (_Calotropis procera_) ueberrascht durch seine ballonartigen, mit atlasglaenzender Wolle gefuellten Fruechte. Mehrere Euphorbia-Arten kommen in ausserordentlicher Groesse vor. Unter denselben zeichnet sich als Charakterpflanze die schoene, armleuchterartige, oft bis vierzig Fuss hohe _Kronleuchter-Euphorbie_ (_E. abessinica_), der _Kolqual_, besonders aus. Er gleicht einem Cactus, der zum Baum geworden ist, aber seine Regelmaessigkeit, sein eigenthuemliches Wesen, die Fuelle seiner Blaetter, die gleichartige Verzweigung derselben beibehalten hat. [Illustration: Baobab mit Schlingpflanzen, im Vordergrunde Agaseen-Antilopen. Zeichnung von Robert Kretschmer.] [Illustration: Landschaft mit Kronleuchter-Euphorbien und Mimosen. Zeichnung von Robert Kretschmer.] Licht hebt er sich ab von dem dunklen Gelaende und verleiht der Landschaft einen wunderbaren Schmuck. An dem Milchsafte dieser Pflanze ist schon mancher erblindet, waehrend er andererseits als Arznei gegen Hautkrankheiten u. s. w. gebraucht wird. Das Holz des Kolqual wird zum Hausbau benutzt, um Querbalken zu belegen; aus der Kohle desselben fabrizirt man Schiesspulver. Der Kolqual erreicht seine groesste Verbreitung zwischen 4500 und 5000 Fuss Meereshoehe, allein er kommt selbst bis 11,000 Fuss Hoehe vor. In den tiefer liegenden Gegenden ist die _Sykomore_ sein Begleiter, der ihn aber bald verlaesst. Diese Feigenart, welche von den Abessiniern Worka, die Goldene, genannt wird, steht bei den heidnischen Gallas in grosser Verehrung. Oft hainartig gruppirt ragen die Sykomoren mit maechtigem Laubdach ueber ihre Umgebung hervor. Rueppell sah ein Exemplar, dessen Stamm einen Durchmesser von dreizehn Fuss hatte. Andere Exemplare von vielleicht tausendjaehrigem Alter und einer Groesse, dass eine ganze Reisegesellschaft mit Thieren, Zelten und Gepaeck in ihrem Schatten bequem ruhen koennen, sind gerade keine Seltenheit. Neben ihnen sieht man Sykomoren, die, eine ganze Welt fuer sich bildend, so von Schmarotzerpflanzen ueberdeckt sind, dass man nur Waende von diesen, selten aber ein Stueckchen Stamm erblicken kann; so wandeln die Schlinger die von ihnen in Besitz genommenen Baeume in Lauben um, welche der Kunst jedes Gaertners zu spotten scheinen. Die Botaniker haben gezeigt, dass _kryptogamische Pflanzen_ in vielen ihrer Unterabtheilungen ueber die ganze Erde mit denselben Arten vertreten sind. Unter gleichen Umstaenden bedeckt dieselbe Flechte die Felsen in Europa wie in Abessinien, und derselbe Schwamm ist dort wie hier auf den Baumrinden zu entdecken. Auch in den heisseren, tiefer gelegenen Gegenden wundert man sich, dass selbst die oedesten, aermsten Stellen des Gebirges begruent und belebt sind; man begreift kaum, wie in dieser Sonnenglut, ungeachtet der Regen, eine ziemlich reichhaltige Flechtenwelt sich auf den Gesteinen festsetzen kann. Jede parasitische Pflanze wird von den Abessiniern mit einer Art von Misstrauen betrachtet, namentlich die Gefaess-Kryptogamen, welche den Zauberern ihre hauptsaechlichen Wundermittel liefern. Doch Pilze und Boviste werden fuer giftig angesehen und gemieden. Wo das Klima sehr feucht ist, erscheint der Schimmel, bekanntlich auch eine kryptogamische Pflanze, als eine wahre Landplage, die grosse Zerstoerungen unter den Vorraethen anrichtet. Der Feuerschwamm, die phantastisch gleich Gewinden von den Baeumen herabhaengende Bartflechte (_Parmelia_) sind in Abessinien haeufig; selten dagegen die Moose. Unter den _Farrnkraeutern_ finden wir allerdings keine baumartigen, aber viele Gattungen, wie Aspidium, Polypodium, Asplenium, Adiantum, Scolopendrium, Ophioglossum und Pteris, die auch in Deutschland ihre Vertreter haben. Die _Woina-Deka_ oder vermittelnde Region, die von 5500 bis 7500 Fuss hinaufreicht, fuehrt ihren Namen nach dem Weinstock. In ihr gedeihen die hauptsaechlichsten Kulturpflanzen, die in einem besondern Abschnitte besprochen werden sollen. Die _Weinrebe_ anlangend, so fand Rueppell noch 1832 eine grosse Menge Trauben zu aeusserst billigen Preisen auf dem Markte bei der Kirche von Bada, suedlich von der Hauptstadt Gondar. Man erhielt etwa zehn Pfund derselben fuer ein Stueck Salz oder dritthalb Centner fuer einen Maria-Theresia-Thaler. Die grossbeerigen, blauen und sehr suessen Trauben (_Woin saf_) wurden in den Distrikten Wochni und Wascha schon seit uralten Zeiten gezogen. Vermuthlich kam naemlich der Weinstock schon zur Zeit der axumitischen Koenige aus Arabien nach Abessinien, wo ihm allerdings keine besondere Kultur zu Theil wurde. Von einer Veredelung und besondern Pflege der Pflanze beim Anbau weiss man nichts. Der groesste Theil der Trauben wird frisch gegessen, und nur wenig verwendet man zur Gewinnung eines Weins, welcher feurig und kraeftig ist. Durch Heuglin wissen wir, dass im Beginn der fuenfziger Jahre diese Weinstoecke durch eine Traubenkrankheit alle zu Grunde gegangen sind. Somit kann der Weinstock, obgleich er den Namen fuer diese Region hergab, keineswegs als Charakterpflanze fuer die Woina-Deka gelten. Statt seiner uebernimmt diese Rolle eine Menge anderer Gewaechse, die an Zahl, Ueppigkeit und Reichthum der Entfaltung selbst jene der Kola uebertreffen. Dahin gehoert zunaechst der _Wanzabaum_ (_Cordia abessinica_), der das beliebteste Bauholz liefert. Der Wanza wird ein grosser, starker Baum, dessen Stamm oft vier Fuss im Durchmesser erreicht. Seine Fruechte stehen in Buescheln und nehmen zur Zeit der Reife eine hochgelbe durchsichtige Farbe an. Der Geschmack derselben ist sehr suess und oft sind sie die einzige Nahrung der Armen, wenn Hungersnoth eintritt. Der _Kuaraf_ (_Gunnera spec._), eine Artocarpee, gewinnt waehrend der Fastenzeit an Bedeutung, weil dann die geschaelten Blattrippen, die aehnlich unserm Sauerampher schmecken, gegessen werden. Er waechst in Suempfen und an Baechen, ist eine jaehrige Pflanze, die aus einer perennirenden Wurzel entspringt und einen laublosen Stengel mit einem Bueschel kleiner Blueten traegt. Auch die haeufig bis zu fuenf Fuss hoch werdende Nessel wird in der Fastenzeit als Gemuese verspeist. An diese Pflanzen schliessen sich an die reich vertretenen Polygonum-Arten, ein Ampher (_Rumex arifolius_), dessen fleischige Wurzel zum Rothfaerben der Butter benutzt wird. Als eine Nutzpflanze dieser Region muss hier ein uns allen bekanntes Gewaechs besonders hervorgehoben werden. Nach der Tradition sollen die suedabessinischen Landschaften Enarea und Kaffa die Urheimat des _Kaffees_ sein, wie denn auch der Name desselben mit dem letztgenannten Distrikte sicher in Zusammenhang steht. In Schoa war der Anbau und Genuss des Kaffees untersagt, weil er das Lieblingsgetraenk der Muhamedaner ist, und auch in Amhara trinken die Christen denselben in der Regel nicht, wenn er auch bei Korata (Kiratza) am Tanasee gebaut wird und dort auf basaltischem Boden und gewissermassen ohne Pflege gedeiht. Allein dort ist er fast nur Handelswaare. In Kaffa und Enarea dagegen waechst er wie Unkraut weit und breit im Lande, dessen Bewohner ihn als Lieblingsgetraenk betrachten und fast nur einen nominellen Preis fuer ihn zahlen; nur dem Mangel an Verbindungswegen ist es zuzuschreiben, dass er von dort aus nicht ganz Europa ueberschwemmt und alle uebrigen Sorten dort durch Guete und Billigkeit vom Markte verdraengt. Der kurz vor der Regenzeit gepflanzte Samen erscheint bald als Setzling ueber der Erde, wird verpflanzt, bewaessert und mit Schafmist geduengt, um nach sechs Jahren als erwachsenes Baeumchen waehrend der Monate Maerz und April dreissig bis vierzig Pfund Kaffee zu liefern. Namentlich auf zersetztem vulkanischen Gestein, in geschuetzten Thallagen gedeiht der acht bis zehn Fuss hohe, mit dunkelglaenzendem Laube und fruchtbeladenen Zweigen versehene Baum vortrefflich. Die dunkelgruenen Beeren werden zur Reifezeit roth und umschliessen mit milchweissem Fleische die Samen. Nachdem sie geschuettelt und gesammelt sind, werden sie in der Sonne getrocknet, worauf der Wind das Geschaeft des Reinigens von den duerren Schalen uebernimmt, das gewoehnlich im Laufe eines Monats vollendet ist. Diejenigen Samen jedoch, welche zur Fortpflanzung dienen sollen, behalten ihre Schale. Theuer wird das Produkt nur durch den weiten Transport, die schlechte Beschaffenheit und Unsicherheit der Strassen, die nach dem Meere fuehren, und durch die Abgaben, welche an alle kleinen Haeuptlinge im Danakillande gezahlt werden muessen, ehe die Karawane die Seehaefen Zeyla oder Tadschurra erreicht. Was den Geschmack des suedabessinischen Kaffees anbelangt, so versichern Kenner, dass er dem feinsten arabischen, selbst dem edlen Mocha, noch vorzuziehen sei. Aber so wie die Lage Abessiniens jetzt ist und namentlich wegen der Unsicherheit der Karawanenstrassen ist so leicht nicht daran zu denken, dass Kaffa-Kaffee die arabischen, ostasiatischen und amerikanischen Produkte auf unsern Maerkten verdraengen wird. Die _Lilien_, welche weite Gebirgswiesen mit einem lieblichen Bluetenschmuck ueberziehen, gelten als vorzuegliche Charakterpflanzen Abessiniens. Aber nur die essbaren Arten werden kultivirt, da Ziergaerten den Eingeborenen ein unbekanntes Ding sind. Waehrend die Spargelarten und die Aloe trockene, wueste Stellen aufsuchen, erfreuen auf sumpfigen Wiesen _Commelina africana_ und _Tradescentia_ das Auge, deren "Vogeleier" genannte Knollen von den Abessiniern gegessen werden. An sie schliessen sich Ixia-, Haemanthus-, Amaryllis- und Gloriosa-Arten an. Mit saftigen, hellgruenen Blaettern und schoengestalteten Bluetenaehren leuchtet aus den gruenen Wiesen _Obitus abessinica_ hervor, waehrend unter den Spargeln der kletternde _Asparagus retrofractus_ Erwaehnung verdient, dessen in das Haar des Vorderhauptes gesteckte Zweige anzeigen, dass der Traeger ein wildes Thier erfolgreich bekaempft hat. _Orchideen_ giebt es nur wenige in Abessinien; ihr hauptsaechlichster Vertreter ist das auf der Rinde des wilden Oelbaums schmarotzende _Epidendrum capense_. Aus der Gruppe der _Pisange_ sind die gemeine Banane (_Musa paradisica_) und die kultivirte Ensete, sowie zwei Urania-Arten zu erwaehnen, aus deren Fasern Seile und Matten bereitet werden. Die _Palmen_ haben in Abessinien keinen Boden; sie kommen nur in den Kuestenlandschaften des Danakil und Adal vor und auch dort in keineswegs besonderer Ausdehnung. Vertreter dieser Familie sind namentlich die Dattel-, Dum- und Faecherpalme. [Illustration: _Obitus abessinica_. Nach Lejean.] Die Teich- oder Seerosen sind spaerlich vertreten; ebenso die Aristolochien, von denen _A. bracteata_ gegen die Wunden vergifteter Pfeile angewandt wird. Reichlich auftretend bilden die _Nadelhoelzer_ den Stolz der abessinischen Waelder; in den noerdlichen Hochlanden gedeiht die Cederfichte, waehrend weiter landeinwaerts schoene _Ded-_ oder _Wachholderbaeume_ (_Juniperus excelsa_) die Kirchen und Friedhoefe mit ihren duestern, aber hochaufstrebenden Kronen beschatten. Kaum einem Gotteshaus im ganzen Lande fehlt der Schmuck dieser bis zu 100 Fuss hohen Baeume, deren Stamm am Fussende vier bis fuenf Schuh im Durchmesser erreicht. Fast in der Form einer Pyramide wachsend, wirft dieser Baum stets die unteren Aeste ab, die im rechten Winkel vom Stamme ausgehen, sodass etwa zwei Drittel desselben des gruenen Schmuckes beraubt sind; die Krone ist immer pyramidenfoermig, wenn auch nie dicht. Das Holz, wenn auch keineswegs gut und dauerhaft, wird doch zu Balken bei Kirchenbauten und in Ermangelung anderer Holzarten als Brennholz gebraucht. Das Harz wird nicht benutzt; mit den Zweigen schmueckt man jedoch die Leichen, bevor sie in die Gruft gesenkt werden. Die niedrige, in den Hochgebirgslandschaften herrschende Temperatur verhindert keineswegs die kraeftige Entwicklung der _Feigenarten_, die in ihrem ganzen Habitus den strengsten Gegensatz zu den Nadelhoelzern bilden. Der _Schoala_, eine Art von Banyane mit breiten, eifoermigen, zugespitzten und gesaegten Blaettern, mit Fruchttrauben, die nur am Stamme und den Hauptaesten sitzen, erreicht oft einen Durchmesser von sieben Fuss, bei einer Hoehe von 40 Fuss. Seine Wurzeln ragen ueber den Boden empor; doch fehlen ihm alle Zweigwurzeln. Da er bei seiner Ausdehnung keinen geringen Raum einnimmt, steht er gewoehnlich allein oder am Rande der Waelder, in seinem tiefen Schatten alle andern Gewaechse erdrueckend. Die braunen, taubeneigrossen Fruechte werden vom Volke in Zeiten der Noth gegessen. Unter den polypetalen Gymnoblasten, in welchen das Pflanzenreich in Gestalt und Farbe den hoechsten Grad seiner Vollkommenheit erreicht hat, fehlen gerade einige der wichtigsten Familien in der abessinischen Flora. Aepfel, Birnen, Mandeln - ueberhaupt die Pomaceen und Amygdaleen sind so schwach vertreten, dass man in der That einen hoechst auffallenden Mangel an Fruchtbaeumen, wilden und kultivirten, dort empfindet. Die Berberitze liefert gelben Farbstoff zu Trauerkleidern; das Hirtentaeschchen (_Thlaspi bursa pastoris_), dieses kosmopolitische Unkraut, folgt der Agrikultur in Abessinien so gut wie in Europa; der schwarze Senf waechst wild und dient als Zusatz zu den ohnehin scharfen Pfeffersaucen; Kuerbisse, welche Flaschen liefern, afrikanische Gurken und Koloquinten wachsen an duerren Stellen, letztere namentlich in der Samhara und der heissen Kuestenzone. Die Samen der _Phytolacca abessinica_ (Septe oder Endott) dienen statt der Seife, und die getrockneten Blaetter der _Callanchoe verna_ werden von Schwindsuechtigen statt des Tabaks geraucht. Wir fuegen hier die Citronen an, die in den koeniglichen Fruchtgaerten gebaut werden oder in den tieferen Lagen wild wachsen; die Brombeeren (_Rubus pinnatus_), welche die besten aller wildwachsenden Fruechte liefern, und die gleichfalls als Nahrung dienende Hagebutte (_Rosa abessinica_). Waehrend der schwarze Pfeffer, die unentbehrliche Zuthat zu allen abessinischen Speisen, eingefuehrt und theuer bezahlt wird, kultivirt man den allerdings botanisch ihm fernstehenden rothen Pfeffer (_Capsicum frutescens_) in den Tieflanden sehr sorgfaeltig. Von den uebrigen Solaneen wird der Tabak eingefuehrt; vom Umboistrauch (_Solanum marginatum_) benutzt man die Samen, um damit die Fische zu betaeuben, welche nichtsdestoweniger essbar bleiben; der rothe Saft einer Tollkirsche (_Atropa arborea_) dient zum Faerben der Naegel bei den abessinischen Damen, und die narkotischen Eigenschaften des Stechapfels (_Datura __Strammonium_) sind den Zauberern und Diebsentdeckern wohlbekannt, da sie durch Verbrennen des Laubes die Leute betaeuben. Gefaehrlich fuer kleine Thiere ist eine giftige Asclepiadee (_Kannahia laniflora_), die an den Ufern der meisten abessinischen Gewaesser vorkommt, nur mit dem Unterschiede, dass sie, je nach den verschiedenen Distrikten, in ganz entgegengesetzter Jahreszeit blueht. In den Kuestenthaelern unfern Massaua findet die Entwicklungsperiode ihrer vortrefflich duftenden Blume im Mai statt; bei Gondar dagegen blueht die Pflanze im Oktober. Merkwuerdig ist die toedtlich-betaeubende Eigenschaft, welche ihr verfuehrerischer Geruch oder suesser Nektarsaft auf verschiedene Insekten ausuebt; denn nur ihm kann man es zuschreiben, dass in dem Kelche der meisten Blueten sich todte Wespen, Kaefer u. s. w. finden. Durch zahlreiche Repraesentanten sind die Familien der Kontorten, Rubiaceen und Ligustrineen vertreten. Am hervorragendsten sind eine Aasblume (_Stapelia pulvinata_) und _Calotropis gigantea_. Die erstere hat einen fleischigen, viereckigen und zwei Fuss hohen Stengel, dem man, wenn er seine Blueten entfaltet, wegen des ueblen Geruches jedoch nicht zu nahen vermag; die letztere liefert gute Kohle zu Schiesspulver. _Die Deka_ nimmt ihrer Ausdehnung nach den groessten Theil Abessiniens ein. Sie reicht von 7500 Fuss bis zur Vegetationsgrenze bei 13,000 Fuss. Bis zu 12,000 Fuss Hoehe gedeihen noch mehrere Getreidearten und bis 11,000 Fuss findet man den _Kussobaum_ (_Brayera anthelmintica_), der als Wahrzeichen des Landes gelten kann. Wegen der Schoenheit seines Wuchses und seiner Brauchbarkeit wird er allgemein geschaetzt; denn infolge des rohen Fleischgenusses sind die Abessinier sehr stark von Eingeweidewuermern (_Taenia_ und _Strongilus_) geplagt, gegen welche sie sich regelmaessig und zwar meist allmonatlich einer Abkochung der Kussoblueten bedienen. Drei Loth der getrockneten Blueten mit Wasser gekocht und getrunken, reinigen den Koerper auf eine merkwuerdig schnelle und sichere Weise von den gefraessigen Schmarotzern; indessen ist die dadurch bewirkte Befreiung nur eine voruebergehende und keine Heilung des Uebels. Der Kussobaum erreicht eine Hoehe von fuenfzig bis sechzig Fuss und verleiht mit seinen weitausgedehnten und dichtbelaubten Zweigen dem Wanderer kuehlen Schatten; jedoch soll es gefaehrlich sein, zur Bluetezeit unter ihm zu schlafen; so berichtet wenigstens Isenberg. In Schoa wird unter Kusso die _Hagenia abessinica_ verstanden, die gleichfalls wurmtreibend wirkt. Als eine abessinische Charakterpflanze verdient die _stachelige Kugeldistel_ (_Echinops horridus_), die bis zu zehn Fuss Hoehe erreicht, hervorgehoben zu werden. Es ist eine stattliche Staude mit straff aufstehenden Stengeln, dornig gezaehnten Blaettern und runden Bluetenkoepfen, aus denen Dornen hervorragen. Neben ihr finden wir eine andere nicht minder auffaellige Art, die riesige Kugeldistel (_Echinops giganteus_), deren kopfgrosse Blueten auf 15 Fuss hohem Stengel stehen; beide Arten steigen bis zu 13,000 Fuss an. Wir sind nun allmaelig hinaufgelangt in die hoechsten Regionen der Deka. Die Hochbaeume erscheinen immer spaerlicher und finden sich vorzueglich noch laengs den Ufern der Wildbaeche und Schluchten, die dornigen Akazien und Pterolobien sind verschwunden. Vor uns liegen Alpenmatten mit tausenden von kleinen, schoen bluehenden Alpenpflanzen bedeckt, unter denen sich blaubluehende Salbeiarten besonders auszeichnen. Daneben stehen Senecionen und der fiebervertreibende _Celastrus obscurus_, die _Primula semiensis_. Ueber diesen erheben sich Straeucher, besonders Hypericum und Cytisus. Den europaeischen Eindruck, welchen diese Pflanzen etwa hervorbringen koennen, vertreiben die _baumartigen Eriken_ oder Zachdi (_Erica arborea_), die bis zu 30 Fuss heranwachsen und einen 11/2 Fuss im Durchmesser haltenden Stamm besitzen, dessen Holz eine vorzuegliche Schmiedekohle liefert, waehrend die reiche weisse Bluetenfuelle den suessesten Honigseim den Bienen darbietet. Jetzt aber entwickelt sich vor unsern erstaunten Blicken in der Hoehe von 12,000 Fuss ein neues, ueberraschendes Bild, eine Pflanze tritt auf, die fuer den Charakter ihres Bereichs bestimmend ist, die _Dschibarra_ (_Rhynchopetalum montanum_). Diese Lobeliacee ueberrascht den Wanderer in den kalten Hochgebirgen an der aeussersten Grenze der Vegetation mit einer dort gewiss von ihm nicht gesuchten Form: naemlich der der Palme. Auf einem hohlen, etwa acht bis zehn Fuss hohen benarbten und armdicken Markstengel mit einer Krone von grossen, ueberhaengenden, lanzettfoermigen Blaettern erhebt sich eine fuenf Fuss lange Bluetenaehre, deren einzelne blaeuliche Knospen der Bluete des Loewenmauls aehneln. Fuer Feuerung oder sonstigen technischen Gebrauch untauglich, dient der lange hohle Markstengel der Jugend zur Anfertigung von Schalmeien. Sobald die Dschibarra abgeblueht hat, knickt der Stengel um und die Pflanze stirbt. Auf ihren Bluetenschossen wiegt sich paarweise die einzige Glanzdrossel (_Oligomydrus tenuirostris_), die in diesen Gegenden lebt und die feinen Dschibarrasamen allen uebrigen vorzuziehen scheint. Drei bis vier Stunden Marsch fuehren uns aus dem tropischen Walde auf diese mit Dschibarra bewachsenen Alpenflaechen, ueber denen nur noch wenige kahle Felsgipfel auf etwa 1000 Fuss relative Hoehe in die Wolken ragen; drunten haust die fluechtige Gazelle, Meerkatzen necken sich in den Hochbaeumen; hier aber setzt kuehn der Springbock (_Oreotragus saltatrix_) ueber die Felsen, grast friedlich der Steinbock (_Ibex Walia_) und warnt durch einen gellenden Ruf seine Herde vor der herannahenden Gefahr; Alpenkraehen umschwaermen geschwaetzig und in rauschendem Fluge die hoechsten Felsen und drueber schwebt in weiten Kreisen der Koenig der Alpen, der Laemmergeier. Auch die gefleckte Hyaene steigt bis in diese Hoehen, seltener der Leopard und ein Fuchs (_Canis semiensis_), der ausschliesslich von den aeusserst zahlreich hier hausenden Ratten und Maeusen lebt. Auch Tauben (_Columba albitorques_) schwaermen in grossen Fluegen in diesen hoechsten abessinischen Alpengegenden umher. _Die Fauna Abessiniens._ Fast noch reicheren Stoff als die Pflanzenwelt bietet dem Beobachter die _Thierwelt_ Abessiniens dar. Nicht genuegend erforscht sind die niederen Thierklassen, unter denen auch wenige Mitglieder ein allgemeines Interesse in Anspruch nehmen. Von der Plage der Eingeweidewuermer und ihrer Vertreibung durch Kusso war bereits die Rede; die hoeher stehenden Insekten treten im Hochlande nur in der waermeren Jahreszeit in grossen Mengen auf, werden aber durch die kalten Regen wieder in die tiefer liegenden Gegenden getrieben. Die _Heuschrecken_, amharisch Anbasa, richten oft grossen Schaden an, wie in den andern Nillaendern auch. [Illustration: Die riesige Kugeldistel. Originalzeichnung von E. Zander.] Ihr ploetzliches Verschwinden wird in der Regel der gnaedigen Fuersprache der Heiligen zugeschrieben und diesen daher ein Dankopfer gebracht. Die Wanderheuschrecke dehnt ihre Zuege bis hoch in die Gebirgsgegenden aus. Rueppell fand das Land am Takazzie von Myriaden dieser Thiere geradezu abgefressen. Der Boden der ganzen Gegend war buchstaeblich von ihnen bedeckt. Er fuegt hinzu: "Wenn uebrigens manche Reisende von einer Verdunkelung des Sonnenglanzes durch Heuschreckenzuege reden, so ist diese Erscheinung lediglich auf die gleichzeitige dunstige und staubige Atmosphaere zu beziehen und nicht der vermeintlich so ungeheuren Menge von Heuschrecken zuzuschreiben, deren Wandern allein durch schwuelen suedlichen Luftzug veranlasst wird. Der ganze Boden schien mit diesen Thieren ueberdeckt zu sein, bei genauem Zaehlen aber fanden sich nur etwa 12 bis 30 Heuschrecken in dem Raume eines Quadratfusses". Die christlichen Abessinier essen die Heuschrecken nicht; sie betrachten sie als verbotene Speise und unter den Muhamedanern bequemen sich nur arme Leute zu dieser Nahrung. Ein nuetzliches, allgemein gepflegtes und in Bienenkoerben gezuechtetes Insekt ist die _aegyptische Honigbiene_, von der grosse Mengen des suessen Seims gewonnen und zu dem landesueblichen Meth benutzt werden. Es giebt auch eine kleinere wilde Biene, die in Erdloechern ihre Baue aufschlaegt und einen Dasma genannten Honig liefert, der als Medikament sehr geschaetzt ist. Diese Dasma wirkt leicht abfuehrend, hat eine roethlichere Farbe als gewoehnlicher Honig und einen bittern Nachgeschmack. In Gegenden, wo die Bienen viel Honig von Kronleuchtereuphorbien und andern giftigen Pflanzen sammeln, wirkt derselbe selbst im Meth sehr nachtheilig auf die Gesundheit, er erzeugt Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen und andere Symptome einer leichten Vergiftung. Fliegen und Moskitos kommen wol in den kuehlern Hochlanden vor, werden jedoch nicht zur Landplage, in der Weise wie die Floehe. Die schwarze Ameise, welche sich wasserdichte Wohnungen gegen den Regen baut, wird dem Menschen oft laestig, waehrend die Termiten nur selten in die Haeuser dringen und meist unter losen Steinen ihre kleinen Kolonien anlegen. _Kaefer_, amharisch Densissa, sind in grosser Menge vorhanden, besonders die Koth- und Pillenkaefer, die man auch in Aegypten antrifft. _Spinnen_ und _Skorpione_ werden als unrein gemieden und vernichtet. _Fische_ sind im Hochlande Abessiniens nicht allzu haeufig, um genuegende Fastenspeise liefern zu koennen. Der Takazzie allein ist besonders reich an grossschuppigen, olivengrauen Karpfenarten mit lebhaft wachsgelben Flossen und enthaelt einen Heterobranchus von enormer Groesse, welcher mit der Angel gefangen oder mit abessinischem Fischgift betaeubt wird. In Atbara kommt ein Wels vor, der schoene Hausenblase liefert, welche jedoch nicht eingesammelt wird. Die _Amphibien_ sind Gegenstaende des Abscheus und des Aberglaubens. Die Schlangen der Hochlande sind klein und nicht giftig, doch sehr gefuerchtet; in der Kola, sowie in den Kuestengegenden fehlen jedoch grosse Pythonarten und giftige Exemplare keineswegs. In den Niederungen werden auch Schildkroeten gefunden, unter denen die grosse _Geochelone senegalensis_ hervorragt; im Anseba-Gebiet und in Schoa kommt eine Cinixys in vielen Suempfen und Baechen vor, und die _Pentonyx Gehafie_ steigt ueberall aus dem Tieflande bis zu 8000 Fuss empor. Neben diesen gepanzerten Amphibien sind die Krokodile (Aso) namentlich in der Kola sehr haeufig; im Setit, Atbara und Mareb werden sie von den Eingeborenen harpunirt und ihr moschusduftendes Fleisch verzehrt. Faelschlich jedoch hat man ihr Vorkommen im Tanasee behauptet. Sonst sind unter den Sauriern noch zu nennen der Skink (_Scincus officinalis_), das Chamaeleon, der Gekko und _Stellio cyanogaster_ als Gesellschafter der Klippdachse. Die Warneidechse (_Varanus niloticus_) ist auch in Abessinien haeufig und hat hier ihren einheimischen Namen, Angoba, auf viele Fluesse uebertragen. Schwer haelt es, bei dem grossen Reichthum der verschiedenen Arten abessinischer _Voegel_, welche sich dem Auge des Forschers zeigen, einen Ueberblick nur der wichtigsten zu geben und eine Auswahl aus der Menge dieser prachtvoll gefaerbten, eigenthuemlich gestalteten und hinsichtlich ihrer Lebensweise merkwuerdigen Geschoepfe zu treffen. Aber gerade auf dem Gebiete der Ornithologie Abessiniens ist von Rueppell, Heuglin, Brehm Vorzuegliches geleistet worden, sodass man wohl behaupten darf, besser als das Pflanzenreich und die uebrigen Klassen des Thierreichs sei die Vogelwelt der "afrikanischen Schweiz" durchforscht. [Illustration: Wanderheuschrecke.] Es giebt wol kein zweites Land, das so reich an _Tag-Raubvoegeln_ ist wie Abessinien. Vermoege der hoehern Lage der Plateaux bieten sich in den Felspartien guenstige Lebensbedingungen fuer Adler, Geier und Falken, die hier ihre Horst- und Zufluchtsstaetten finden. Die Vegetation prangt in ausserordentlicher Fuelle; in allen Thaelern und Schluchten sprudeln Gebirgswasser; im dichten Gestruepp und in den Graesern hausen Reptilien in Menge, von der Pythonschlange und Naja bis zur kleinsten Baumschlange herab; Schildkroeten weiden gemuethlich an Hecken und Teichen; an Saeugethieren von der Groesse der Feldmaus aufwaerts ist Ueberfluss vorhanden, waehrend schattige, fast undurchdringliche Waldpartien, abgelegene Schluchten, die selten eines Menschen Fuss betritt, und fast unersteigliche Felsen und kolossale Hochbaeume den Raubvoegeln jeden Schutz und Schirm gewaehren. Da horstet denn der maechtige _Gyps Rueppellii_, der gemeine ostabessinische Moenchsgeier (_Neophron pileatus_), der Schmuzgeier (_N. percnopterus_), der Bartgeier (_Gypaetos meridionalis_) und Schlangenadler (_Gypogeranus serpentarius_), die viele Schlangen verzehren und maessig starke Wuestenschildkroeten mit einem Schlag ihrer starken Faenge zerschmettern. Zahlreiche Weihen, Milane, Falken und Sperber machen den Beschluss der Tagraubvoegel. Der unreinliche Mensch giebt den Schmuzgeiern tagtaeglich neue Nahrung und damit neue Beschaeftigung; deshalb vermisst man diese wohlthaetigen Voegel an keinem Orte. Sie folgen den Herden wie den Handelszuegen, umschweben die Doerfer und Schlachtplaetze und raeumen schnell allen Unrath auf. Der grosse, von Brehm zuerst genau beschriebene Rueppell'sche Aasgeier erscheint erst dann, wenn irgend ein Aas ihn heranlockt. In ungemessenen Hoehen, wohin ihm des Menschen Auge nicht zu folgen vermag, zieht er dahin; aber sein Auge beherrscht ein weites Gebiet und die maechtigen Schwingen tragen ihn schnell nach dem Orte, wo ein Stueck Wild verendet oder einem Schaf die Kehle durchschnitten wird. Kaum fliesst das Blut, so ist auch der Aasgeier da; reiche Beute aber wird ihm zu Theil, wenn das Land weit und breit mit Menschenleichen uebersaeet ist, wenn die grausamen Buergerkriege wuethen und den Zug der Heere gefallene Rinder und Schafe bezeichnen. Wo er erscheint, da fehlen auch selten seine kleineren Verwandten, der Schopf- und der Ohrengeier (_Vultur occipitalis_ und _V. auricularis_). Unter den Adlern begleitet der Augur, ein naher Verwandter unsers Bussards, den Zug der Reisenden, waehrend der "_Himmelsaffe_" oder Gaukler (_Helotarsus ecaudatus_) sowol durch die Kuehnheit seines Fluges, als durch die Schoenheit seines Gefieders jeden Beschauer in Entzuecken versetzt. Unter allen Raubvoegeln ist er der stolzeste Flieger: er jagt foermlich durch die Luft. Nur waehrend des Fluges zeigt er seine volle Schoenheit. Sitzend blaeht er die Federn auf, straeubt Kopffedern und Halskrause und gestaltet sich in einen Federklumpen um. Eine der haeufigsten Erscheinungen ist der Schmarotzer-Milan (_Milvus parasiticus_), dessen scharfem Auge nichts entgeht und der durch seine Allgegenwart an den Schlachtplaetzen, wo kein Stueckchen Fleisch vor ihm sicher ist, sich laestig macht oder durch die groesste Frechheit, mit welcher er dem Menschen das Fleisch fast unter den Haenden wegzieht, diese in Erstaunen versetzt. Auch der Singhabicht (_Melierax polyzonus_) kommt suedlich vom 17. Grade in allen Steppenwaldungen haeufig vor; er verweilt am liebsten auf einzelnstehenden Baeumen, hat jedoch keinen besonders schoenen Flug und giebt ein langgezogenes, eintoeniges Pfeifen, keineswegs aber einen melodischen Gesang von sich. Seine Hauptnahrung besteht in Insekten, vorzugsweise aber in Heuschrecken, an denen Abessinien eben nicht arm ist. Unsere Weihen vertritt der in Nordostafrika haeufige Steppenweih (_Circus pallidus_); er meidet jedoch das Gebirge und zieht die breiten Niederungen mit kurzem Gestruepp vor, aus welchem er auf kluge Weise das kleine Gefluegel aufscheucht. Unter den _Eulen_ finden wir unsere Schleiereule und den Kauz, die kurzoehrige Eule (_Otus brachyotus_) und die Zwergohreule (_Ephialtes Scops_). Im Gebirge haust ein Uhu (_Bubo cinerascens_), der zu den gemeinsten Eulen gehoert. Dieser Uhu horstet am liebsten auf Baeumen und wird nicht wie unsere europaeische Art von kleinern Voegeln verfolgt. In den Steppen wie im Gebirge trifft man auf die Ziegenmelker (Caprimulgusarten), jene unheimlichen Voegel mit leisem Fluge und eigenthuemlichem Nachtgesange. Gleich grossen Nachtfaltern umschweben sie die Wipfel der Baeume und die Daecher der Haeuser, um ihrer Kerbthierjagd nachzugehen. Reich vertreten sind die _schwalbenartigen Voegel_ (_Hirundo_, _Cypselus_). Die meisten derselben sind auch hier Zugvoegel und kommen vor Beginn der Regenzeit, im Mai und Juni, um zu brueten. [Illustration: Abessinische Voegel. Originalzeichnung von Robert Kretschmer. Hornvogel. Ohrengeier. Webervoegel. Schmuzgeier. Eisvogel. Hornrabe. Schlangenadler. Schattenvogel.] Die Hausschwalbe ist _Hirundo_ oder _Cecrops rufifrons_; sie erscheint kurz vor den Sommerregen und beginnt, sobald diese letzteren die Erde etwas erweicht haben, aus Lehm ein sehr solides, rundes Nest zu bauen, das sie mit der Basis auf Dachsparren aufsetzt, nicht seitwaerts anklebt wie unsere Schwalbe. Sie macht zwei bis drei Bruten und verlaesst die Hoehen erst im Dezember. - Durch schoenen Flug zeichnet sich der abessinische Segler (_Cypselus abessinicus_) aus, der in den Baeumen nistet; er ist ein ausgezeichneter Flieger, wie alle seines Geschlechtes. An manchen Stellen vertritt ihn die Felsenschwalbe (_Cotyle obsoleta_), die ihr Nest in den Ritzen und Spalten der Felsen baut, doch nur an solchen Orten, wo die raeuberischen Affen nicht hingelangen koennen. Praechtig gefaerbte Bewohner Abessiniens sind neben der Mandelkraehe (_Coracias abessinicus_) und dem Eisvogel (_Ispidina cyanotis_) vor allen andern die _Bienenfresser_ (_Merops Lafrenayi_) und die Narina (_Trogon Narina_), die lautlos ueber den Mimosenbueschen dahinschwebt, die Schmetterlinge oder andere Insekten faengt und durch ihr glaenzendes Gefieder das Auge des Beobachters erfreut. Ihnen schliesst sich der Wiedehopf (_Upupa_) an, der neben den Aasgeiern fleissig allen Unrath wegraeumt und mit Recht in keinem guten Geruche steht. Seine Verwandten sind die Baumwiedehopfe (_Promerops erythrorhynchus_), die in Gesellschaften gleich Spechten auf den Baeumen umherklettern, die Ameisen aufsuchen und von dieser Nahrung einen durchdringenden Geruch annehmen. Den Kolibri vertreten in Abessinien die metallglaenzenden _Honigsauger_ (_Nectarinia metallica_, _abessinica_, _affinis_), welche von den Arabern "Abu Risch", Federtraeger, genannt werden und als die ersten Tropenvoegel in Nordostafrika auftreten, auf welche man, aus kaelteren Gegenden kommend, stoesst. Die reizenden Voegelchen leben meist paarweise auf den Mimosen und ziehen im brennenden Sonnenstrahle von Bluete zu Bluete, um dort Insekten zu fangen, zu singen, die Federn zu straeuben, den Schwanz zu heben und das glaenzende Gefieder im Sonnenlichte glaenzen zu lassen. Keineswegs fehlt es Abessinien an Sang und Klang in der Vogelwelt; neben dem glaenzenden Gefieder findet auch der melodische Schmelz der Toene seine Vertretung. Im Rohre schmettert froehlich der Buschschluepfer (_Drymoica rufifrons_) oder die Caricola (_C. cisticola_), an welche sich die abessinische Baumnachtigall (_Aedon minor_) anschliesst, die schon dem Wanderer entgegenschlaegt, wenn er, vom Rothen Meere kommend, bei Massaua seinen Fuss ans Gestade setzt. An Steinschmaetzern (Saxicola-Arten), Vertretern unserer Drosseln (_Thamnolaea_), Bachstelzen (_Motacilla alba_ und _flava_) ist kein Mangel. Zu letztern, uns aus der Heimat bekannten Arten gesellen sich die verwandten Schafstelzen (_Budytes_), niedliche Voegel, welche in grosser Zahl den Herden folgen, deren treueste Begleiter sind und diesen das Ungeziefer ablesen. Im Hochgebirge, namentlich in Semien, lebt eine Drossel (_Turdus simensis_), welche unsrer Singdrossel sehr aehnelt, neben der als regelmaessige Wintergaeste die Steindrosseln (_Petrocincla saxatilis_) erscheinen. Als guter Saenger wird der von Lichtenstein entdeckte Drossling (_Picnonotus Arsinoe_) bald der Liebling aller Reisenden, vor denen er sich durchaus nicht scheut. Anschliessend hieran erwaehnen wir aus der Familie der Fliegenfaenger den Paradiesfaenger (_Tchitrea melanogastra_), den Wuergerschnaepper (_Dicrourus_), die zahlreich vertretenen Wuerger (_Lanius_) und unsre Nebelkraehe, die als Wintergast nach Abessinien kommt. Diese trifft als Verwandte hier den Wuestenraben (_Corax umbrinus_), ein Mittelglied zwischen Rabe und Kraehe, der aber nicht blos in der Wueste vorkommt, sondern auch die Flecken und Doerfer besucht, wo er den Hunden und Geiern das Aas streitig macht, waehrend er draussen nach Fruechten, am Strande nach Muscheln sucht und eben Alles verschlingt, was sich ihm darbietet. Ein echter Gebirgsvogel ist der kurzschwaenzige Rabe (_Corvus affinis_), der bis zu 11,000 Fuss aufsteigt und dort in grossen Scharen weilt. Durch seinen kurzen Schwanz macht er sich vor allen Verwandten leicht kenntlich; er vertritt in Abessinien unsern Kolkraben, lebt nur paarweise und bedeckt Abends, wenn er zur Rast geht, oft grosse Felsbloecke. Die Staare sind durch mehrere Geschlechter, die dohlenartigen Felsenstaare (_Ptilonorhynchus_), Glanzdrosseln (_Lamprocolius_) und Glanzelstern (_Lamprotornis_) vertreten. Bei Weitem der interessanteste Vogel aus dieser Familie ist aber der afrikanische _Madenhacker_ (_Buphaga erythrorhyncha_), der von der Suedspitze Afrika's an bis nach Abessinien hinein vorkommt und der treueste Begleiter der Herden ist, sodass es scheint, als koennten Rinder, Kameele, Pferde kaum ohne ihn leben. Da wo diese wunde Stellen haben, in welche die Fliegen ihre Eier legen, aus denen die Maden entstehen, erscheint auch die Buphaga, klettert an dem Thiere herum, wie ein Specht am Baume und sucht ihm die Maden ab. Das Thier kennt seinen Wohlthaeter recht gut, aber die Abessinier hassen den Madenhacker, weil sie glauben, dass er durch sein Picken die aufgeriebenen Stellen reize. Die _finkenartigen Voegel_ kommen gleichfalls in grosser Menge vor. Reichlich treffen wir vorzueglich Amadina, Vidua, Estrelda, Serinus, alles gute Saenger, waehrend der _Weber_ (_Textor alecto_) nur einen drosselartigen Ruf und unschoenes Gezwitscher ertoenen laesst. Dafuer baut er aber ein zusammenhaengendes Nest, in dem ganze Gesellschaften brueten. Es besteht aus duerrem Reisig, von dem eine grosse Masse, oft von 5 bis 8 Fuss Laenge und 3 bis 5 Fuss Breite und Hoehe, zwischen tauglichen Astgabeln der Baobab-Baeume aufgehaeuft wird. In einem solchen sind 3 bis 8 Nester tief im Innern angelegt und diese mit feinem Gras und Federn ausgefuettert. Die Farbe der Eier wechselt zwischen rein weiss, roth, gruen, braun mit allen moeglichen Zeichnungen, sodass man glaubt, Eier verschiedener Arten vor sich zu haben. Der Eingang zu dem unordentlichen Neste ist im Anfange so gross, dass man bequem mit der Faust eindringen kann, verengert sich aber und geht in einen Kanal ueber, gerade fuer den Vogel passend. Durch prachtvollen Federschmuck sind die Witwen (_Viduae_) ausgezeichnet, und leicht unterscheidet man das Maennchen durch seine langen, am Fluge hindernden Schwanzfedern von dem Weibchen. Hat es aber im Winter das praechtige Gefieder abgelegt, dann fliegt es leicht dahin, aehnlich wie unsere Ammern. Als Haussperling tritt, unserm Spatz das Recht streitig machend, in Nordostafrika der rothrueckige Sperling (_Passer rufidorsalis_) auf, dessen Sitten und Lebensweise ganz die unseres Haussperlings sind, nur ist er schoener gefaerbt. Gemein, wie bei uns, ist auch in Abessinien die Haubenlerche (_Galerita abessinica_), welcher sich als Verwandte die seltenere Wuestenammerlerche (_Ammomanes deserti_) anschliesst. Haben wir bisher viele, unsern europaeischen Arten verwandte Voegel gefunden, so treffen wir in der folgenden Familie, jener der Pisangfresser, durchaus auf fremdartige Gestalten. Da sind zunaechst die Maeusevoegel (_Colius_), die in dichten Bueschen leben, durch die schmalsten Oeffnungen der Verzweigungen sich zwaengen und im Klettern eine grosse Geschicklichkeit entwickeln. Der von Rueppell entdeckte Helmvogel (_Corythaix leucotis_) tritt erst da auf, wo die Kronleuchter-Euphorbie beginnt; er ist ein praechtiger, rastloser, unsern Hehern im Betragen aehnlicher Geselle, der die Sykomoren, Tamarinden und Aloepflanzen gern besucht und auf diesen sich in grosser Anzahl sammelt. Der eigentliche Pisangfresser (_Schizorhis zonurus_), der sich durch ein affenartiges Geschrei auszeichnet, hat Vieles mit seinen Verwandten, den Nashornvoegeln ueberein, von denen mehrere kleine Arten (_Tockus erythrorhynchus_ und _nasutus_) haeufige Bewohner der Steppen und des Urwaldes sind. Je mehr man in das Gebirge kommt, desto haeufiger werden sie, desto oefter vernimmt man ihren charakteristischen Ruf. Weit groesser als die nur anderthalb Fuss langen Nashornvoegel, aber auch seltener sind die kraeftigen, fast 4 Fuss langen, sehr scheuen Hornraben (_Bucorax abessinicus_). Wenig ist aus der Ordnung der Klettervoegel zu berichten. Die Papageien finden im abessinischen Gebirge keineswegs, wie in ganz Afrika, ergiebigen Boden, obgleich einige Arten von ihnen vorkommen. So liebt der Zwergpapagei (_Psittacula Tarantae_) die Kolkwal-Euphorbie, auf welcher er haeufig anzutreffen ist, der Halsbandpapagei (_Palaeornis torquatus_) aber dichte Waelder, in welchen er in grossen Familien und Fluegen gewoehnlich mit den Affen zusammen erscheint. Die Bartvoegel (_Pogonias Saltii_) kommen nur einzeln im dichtesten Gebuesche vor und sind still, bis auf den Perlvogel (_Trachyphonus margaritatus_), welcher im Verein mit dem Weibchen einen lustigen Gesang vortraegt und die Gaerten der Doerfer belebt. Die Spechte treten nur als kleine Baumspechte (_Dendropicus Hemprichii_) auf. Unter den _Kukuksarten_ spielt der _Honigvogel_ eine grosse Rolle in der Ornithologie der Abessinier; obgleich selten vorkommend, kennt ihn Jedermann, und schon die aeltesten Nachrichten ueber das Land (so Ludolf in seiner "_Historia aethiopica_") erwaehnen der Eigenschaft dieses unscheinbaren Thierchens, den Menschen zu den Bienenstoecken zu fuehren. Die Honigvoegel (_Indicator_) halten sich vorzueglich an baumreichen Bachufern auf, flattern von einem Baume zum andern und lassen dabei ihre starke, wohlklingende Stimme hoeren. Dass sie so rufend haeufig zu Bienenschwaermen fuehren, weiss jeder Eingeborene Afrika's vom Kap bis zum Senegal und von der Westkueste bis nach Abessinien herueber, doch fuehrt der Indicator den ihm folgenden Menschen ebenso haeufig auf gefallene Thiere, die voller Insektenlarven sind; er verfolgt mit seinem Geschrei den Loewen und Leoparden, kurz Alles, was ihm auffaellt; auch ist er dem Menschen gegenueber nichts weniger als scheu und trotz der unscheinbaren Groesse und Faerbung sind alle Arten an der eigenthuemlichen Weise des Flugs leicht zu erkennen. In Nordostafrika giebt es vier Arten von Honigvoegeln, von denen jedoch nur zwei (_Indicator minor_ und _albirostris_) in Abessinien vorkommen. Ueberall wo man in Abessinien Voegel findet, wird man auch _Tauben_ wahrnehmen in den verschiedenartigsten schoen gestalteten und gefaerbten Formen. Die abessinische Taube (_Treron abessinica_) bewohnt in kleinen Familien die tieferen Gebirgsthaeler, wo sie die Mimosen, Kizelien und Sykomoren sich zum schattigen Ruhesitz aussuchen, um ihre Liebesspiele zu treiben und gleich dem Papagei durch das Laub zu klettern. Unsere Felsentaube vertritt die blaurueckige Taube (_Columba glauconotos_), als eigentliche Waldtaube tritt die Guineataube (_Stictoenas guinea_) auf; auch die Turteltaube (_Turtur auritus_), die Lachtaube (_T. risorius_) finden sich; eigenthuemlich ist aber die Erscheinung der Erdtaube (_Chalcopelia afra_), die nicht ueber den 16. Grad noerdlicher Breite hinaufgeht und friedlich das dichtverschlungenste Gebuesch an der Erde bewohnt, auf welcher sie auch, ihren Verwandten unaehnlich, ihr Nest baut. Von Huehnern tritt in zahlloser Menge das lautschreiende Perlhuhn (_Numida ptilorhyncha_), die Wachtel als Wintergast und an Stelle unserer Rebhuehner die verschiedenen, schoen gezeichneten und in Einweibigkeit lebenden Frankoline (_Francolinus rubricollis_, _Erkelii_ u. s. w.) auf; auch die Flughuehner (_Pterocles_) sind vertreten und die Laufvoegel beginnen mit der in den Steppen haeufigen Trappe (_Otis arabs_), die nicht die Groesse unserer grossen Trappe erreicht, aber weniger scheu ist und besonders von Insekten lebt. Kommt der _Strauss_ (_Struthio Camelus_) auch nirgends im abessinischen Hochland vor, so umzieht er dasselbe doch ringsum in den Steppen und Wuesten. Unter den Regenpfeifern und Kiebitzen faellt nur der Dickfuss (_Oedicnemus affinis_) wegen seiner naechtlichen, eulenartigen Lebensweise auf; an feuchten, fischreichen Stellen wimmelt es oft von Reihern, Storcharten, Schattenvoegeln und Stoerchen und an den Kuesten des Rothen Meeres sind Moeven, Pelikane, Seeschwalben und Toelpel im Ueberfluss vorhanden. Reich an Wassergefluegel ist auch der Tanasee, dessen breite, mit Inseln durchzogene Flaeche demselben einen guenstigen Aufenthaltsort gewaehrt. Dort wimmelt es von Seeschwalben, Enten (_Anas clypeata_, _sparsa_ u. s. w.), Strandlaeufern, Kiebitzen, Regenpfeifern; da stehen unbeweglich der Riesenreiher und der schwarzkehlige Fischreiher (_Ardea Goliath_ und _A. atricollis_), auf Reptilien lauernd, da plaetschern Wasserhuehner, Gaense und Spornschwaene in der Flut. Weil mehr mit dem Menschen im Verkehr und ihn als Raub-, Jagd- oder Hausthier meist naeher angehend, fesselt auch das Reich der Saeugethiere mehr unser Interesse als jenes der Voegel. Abessinien mit seinen Grenzlaendern kennt etwa sechs bis acht _Affenarten_. Ruhig und gemuethlich verfliesst das Leben der graugruenen _Meerkatze_ (_Cercopithecus griseo-viridis_), eines echten Baumaffen, der in starken Banden gesellig zusammenlebt und von der Hoehe seines Aufenthaltes selten auf den Boden herabkommt, gleichviel ob er dort in Dornen der Mimosen oder im Laub der Sykomore sitzt. Seine Behendigkeit ist unglaublich gross und mit Huelfe des steuernden Schwanzes fuehrt er die kuehnsten Spruenge aus. Als unumschraenkter Herr und Gebieter steht der lustigen Herde ein altes, geprueftes Maennchen vor, das alle jungen Nebenbuhler von den seiner Obhut unterstehenden Damen fernhaelt. Diese zeigen gegen ihre haesslichen Sproesslinge eine ausserordentliche Mutterliebe, welche sie durch fortwaehrendes Reinigen und Liebkosen des Kindchens bethaetigen. Nur nebenbei verzehrt diese Meerkatze Heuschrecken und andere Insekten; Fruechte, Knospen und Getreide sind ihre Lieblingsgerichte und wehe dem Durrah- oder Maisfelde, in das die verschmitzte Bande luestern eindringt! Das Wenigste wird nur verzehrt, das Meiste unbarmherzig verwuestet und dann auf der Staette des Diebstahls ein Tummelplatz freudiger Spiele fuer Alt und Jung bereitet. Vor Menschen weniger, wohl aber vor Hunden, Schlangen, Froeschen und ihrem besondern Feinde, dem Habichtsadler, fuerchtet sich die Meerkatze sehr. Weit wuerdevoller als die Meerkatzen treten die Paviane auf, unter denen der _Silberpavian_ oder _Hamadryas_ (_Cynocephalus Hamadryas_) der haeufigste ist. Dieses merkwuerdige Geschoepf, dem schon die alten Aegypter Achtung zollten und das man auf ihren Denkmalen abgebildet findet, lebt zwischen 1000 und 7000 Fuss Meereshoehe und findet sich um so haeufiger, je pflanzenreicher das Gebirge ist. Jede Bande behauptet im Gebirge ein bestimmtes Gebiet und zaehlt etwa fuenfzehn bis zwanzig erwachsene und kampftuechtige Maennchen, wahre Ungeheuer mit einem Gebiss, welches fast mit dem eines Loewen wetteifern kann, dasjenige des Leoparden jedoch uebertrifft. Schon von Weitem unterscheidet man die Maennchen an ihrem langen graugruenlichen Mantel und der hervorragenden Gestalt von den braeunlicher gefaerbten Weibchen, die vollauf mit ihren uebermuethigen Jungen zu thun haben. Greift auch der Pavian so leicht einen Mann nicht an, so ist er doch den Frauen ein Gegenstand des Entsetzens, von welchen eine groessere Anzahl von Pavianen als von Loewen und Leoparden umgebracht wird. Der aergste Feind des Silberpavians ist der Leopard, der ihm Tag und Nacht nachschleicht und sich ebenso listig wie kuehn auf jedes von der Herde isolirte Thier stuerzt. Auch mit ihren Verwandten leben diese Paviane nicht immer auf gutem Fusse, namentlich mit den _Tscheladas_ (_Cercopithecus Gelada_), gegen welche sie in Semien oft foermliche Schlachten liefern. Letzterer Mantelpavian bewohnt einen Hoehenguertel von 7-11,000 Fuss ueber dem Meere, waehrend der Hamadryas mehr die Tiefen-Gegenden liebt; jedoch steigen die Tscheladas von ihren Bergen herab, um die unten liegenden Felder zu pluendern, wobei dann die Schlachten mit den Silberpavianen stattfinden. Der _schwarze Pavian_ (_Cercopithecus obscurus_) wurde erst 1862 von Heuglin entdeckt. Dieser stattliche Affe lebt in grossen Rudeln auf 6 bis 10,000 Fuss Hoehe meist an felsigen Schluchten. Man sieht ihn selten auf Baeumen, gewoehnlich auf Weideplaetzen oder Felsen, von denen herab er nicht selten gegen seine Verfolger Steine schleudert. Die Nacht verbringt er in Gesellschaft in Klueften und Hoehlen, steigt in der Morgensonne auf Huegel, wo er zusammengekauert sich erwaermt und zieht dann in die Thaeler nach Nahrung, die aus Blaettern zu bestehen scheint. Gewoehnlich fuehren zwei bis sechs alte Maennchen gravitaetischen Schrittes eine Herde von 20 bis 30 Weibchen und Jungen an, welche theils spielend um den Trupp sich tummeln, theils von den Muettern getragen und zuweilen tuechtig geohrfeigt werden. Naht Gefahr, so fluechtet auf ein leises Bellen des Warners die ganze Gesellschaft in Felsenschluchten. Der schoenste Affe Abessiniens ist der von Rueppell entdeckte _Colobus Gueraza_, dessen durch den starken Kontrast von schwarz und weiss ausgezeichnetes Fell ein beliebtes Pelzwerk und eine Zierath fuer die Kriegsschilder liefert. Er lebt in der Waldregion der Kola auf den hoechsten Baeumen. Waehrend Afrika im Allgemeinen reich an Flatterthieren ist, kommen dieselben in dem hier in Rede stehenden Gebiete weniger vor. Die Ursache davon hat Heuglin ergruendet. Namentlich in den noerdlichen Grenzlaendern Abessiniens, in Bogos u. s. w. wird starke Viehzucht getrieben, und die Herden kommen, wenn in ferneren Gegenden bessere Weide und mehr Trinkwasser sich finden, oft monatelang nicht zu den Wohnungen der Besitzer zurueck. Die Rinder sind gewoehnlich mit Myriaden Fliegen bedeckt, die ihnen nachfolgen und wiederum die _Fledermaeuse_, welche von letzteren leben, veranlassen, gleichfalls eine Wanderung zu unternehmen. Mit der letzten Rinderherde verschwinden auch die Fledermaeuse spurlos, um mit dem Einruecken derselben in ihre alten Standquartiere auch wieder zu erscheinen. Die gemeinste Art der in Ostabessinien, namentlich um Massaua vorkommenden Fledermaeuse ist der kleine von Rueppell entdeckte _Nyctinomus pumilus_. Auch haessliche Glattnasen (Phyllorina-Arten) kommen vor, die nicht nur in der Daemmerzeit, sondern die ganze Nacht hindurch fliegen. Der grosse _Pteropus schoensis_ zeigt sich auch am Tage und lebt von den Fruechten der Feigen und Bananen. Abessinien beherbergt mehrere Mitglieder der Katzenfamilie: die kleinpfotige Katze, welche von Einigen fuer die Stammutter unsrer Hauskatze gehalten wird, den _Gepard_ (_Cynailurus guttatus_), den _Leoparden_ (_Felis Leopardus_) und den _Loewen_ (_Felis Leo_), doch verdienen nur die beiden letzteren hier eingehendere Beachtung. Gehen sie auch in die Berglandschaften hinauf, so ist doch ihr Lieblingsaufenthalt in den tieferen Gegenden, in der Kola, den noerdlichen Grenzlaendern, der Samhara. Der Loewe (amharisch Anbasa) ist gerade nicht selten, der Leopard geradezu gemein und oft genug hoert man des Nachts die Stimme des Koenigs der Thiere erschallen. Doch fuerchtet man ihn verhaeltnissmaessig wenig, denn sein Jagdgebiet ist so reich, dass ihn nur selten der Hunger treibt, sich am Menschen zu vergreifen. Es kommt haeufig vor, dass junge, noch saeugende Loewen von den Abessiniern gefangen und aufgezogen werden; doch verkaufen und verschenken diese die allmaelig kostspielig werdenden Thiere bald an reiche Leute, und aus solcher Quelle stammen auch die beruehmten Loewen des Koenigs Theodoros. Das Fell eines erlegten Loewen gehoert dem Koenige, der tapfere Krieger wird mit einem breiten Streifen davon beschenkt, der seinen Schild ziert. Weit haeufiger und auch gefaehrlicher als der Loewe ist der _Leopard_ (Nemr auf amharisch), den man naechst der Hyaene und dem Schakal als das gemeinste Raubthier Abessiniens ansehen kann. Von der Ebene an bis hoch in das Gebirge hinein, bei Tag und bei Nacht, ueberall ist dieser freche Raubmoerder zu finden. Er scheut den Menschen gar nicht und kaum das allen Raubthieren so entsetzliche Feuer; frech dringt er in die Huetten der Eingeborenen, raubt ein Kind und zieht sich mit seiner Beute in das Dickicht zurueck. Von der Antilope bis zur Maus bewaeltigt er alle Saeugethiere. Brehm erzaehlt, dass im Dorfe Mensa ein einziger Leopard waehrend eines Vierteljahrs nicht weniger als 8 Kinder, ungefaehr 20 Ziegen und 4 Hunde wegschleppte. In ganz Abessinien kann man Hunde und Huehner kaum vor ihm sichern. Mit dem Feuergewehr jagen die Abessinier das ihnen so verhasste Raubthier ebenso wenig wie den Loewen; bei Weitem die meisten Leoparden, welche man erlegt, werden erst in Fallen gelockt und in diesen gewoehnlich durch Lanzenstiche getoedtet. Diese Fallen sind ganz nach dem Grundsatze starker Mausefallen gebaut, d. h. sie bestehen aus einem Pfahlgitterwerk mit Fallthuer; ein lebendiges Thier, ein Stueck Fleisch sind der Koeder, mit dem der Leopard angelockt wird; haeufig bringt man auch eine lebende, klaeglich meckernde Ziege in die Falle. Mit grosser Vorsicht umgeht der Raeuber oft zwei oder drei Naechte lang den Kaefig, bis er endlich sich hineinwagt und gefangen ist. Von der Meereskueste geht dieser kuehne Raeuber bis zu 12,000 Fuss Hoehe an die Eisgrenze hinauf. Der _Gepard_ findet sich ausschliesslich in der Samhara und nicht im Gebirge; er ist ein Tagraeuber und keine gemeine Katze; denn er ist nicht blutgierig und raubt niemals mehr als er zu seinem Unterhalte bedarf. Draussen in der freien Steppe betreibt er seine Jagd auf Antilopen, Hasen, Maeuse, Perlhuehner. Gegen den Menschen vertheidigt er sich nicht, doch macht dieser meist auf ihn Jagd, um das bunte Fell zu verwerthen, das nur selten im Handel vorkommt. Aber zur Jagd wird er in Abessinien nicht abgerichtet, wenn auch einzelne gezaehmte Thiere hier und da gehalten werden. Bis zu den hoechsten Spitzen der Berge Semiens in die Region der Dschibarra streift der _Walgie_ (_Canis simensis_), um den Ratten nachzustellen. Er ist eine haeufige Erscheinung unter den hundeartigen Raubthieren; dagegen ist der _Wolfshund_ (_Canis Anthus_) ziemlich selten, desto gemeiner aber wieder der _Schakal_ (_Canis mesomelas_), der nicht mit dem weiter noerdlich vorkommenden eigentlichen Schakal verwechselt werden darf. Der abessinische, schwarzrueckige Schakal ist etwas groesser als sein Verwandter und in der Samhara wie im Gebirge in jedem groesseren Dickicht anzutreffen. Seine eigentliche Jagdzeit auf Hasen, Huehner, Perlhuehner, Ziegen, ja selbst Maeuse und Heuschrecken ist in der Nacht; dann ist er ein frecher, regelmaessiger Gast in den Doerfern oder am Lagerplatz der Karawane, welcher er ohne Scheu, selbst wenn das Feuer hell lodert, sich naehert. Auch wo gefallene Thiere liegen, stellt er sich heulend ein und an solchen Plaetzen trifft er mit der _gefleckten Hyaene_ (_Hyaena crocuta_, amharisch Dschib) zusammen, einem der gemeinsten Raubthiere Abessiniens. Durch langgezogene Klagetoene kuendigt sie ihren Wunsch nach irgendwelcher Nahrung an, um den ewig verlangenden Magen zu befriedigen. Auch sie wird von den Eingeborenen arg gehasst, obgleich sie ihnen nicht gerade erheblichen Schaden zufuegt, sondern als Landreiniger, Aas- und Auswurfvertilgerin eher nuetzlich wird. Die Eingeborenen fangen die Hyaene in Gruben, die in einem von Dorngebuesch umgebenen Gange ausgegraben werden, an dessen Ende ein bloeckendes Zicklein angebracht wird. Die heisshungerige Bestie bricht, indem sie auf ihre Beute zueilt, in die mit Reisig und Sand sorgfaeltig ueberdeckte Grube ein, in welcher man sie moeglichst bald toedten muss, weil sie sonst sich einen Ausweg wuehlt. Es gelingt nicht leicht, in derselben Grube mehr als eine Hyaene zu fangen, da die Thiere durch ihr feines Geruchsorgan die Gefahr erkennen. Neben ihr kommt noch ein anderes hyaenenartiges Raubthier, der "_gemalte Hund_" (_Lycaon pictus_) truppweise vor; er ueberfaellt die Herden und richtet unter ihnen grosse Verheerungen an. Die Steppenlandschaften sind die eigentliche Heimat dieses geselligen, rauf- und mordlustigen Geschoepfes, das niemals allein jagt. Seinen Namen fuehrt es von den grossen, dunkeln, auf dem hellen Felle stehenden Flecken, an denen es schon weithin leicht zu unterscheiden ist. [Illustration: Gemalter Hund (_Lycaon pictus_).] Von kleineren Raubthieren beherbergt Abessinien die _gestreifte Manguste_, einen weit verbreiteten, schlanken Moerder, der kleinen Saeugethieren und Voegeln nachstellt, und den _Honigdachs_ oder das _Ratel_ (_Ratelus capensis_), ein in jeder Hinsicht merkwuerdiges Thier, welches die Bienenstaende pluendert, Aas liebt und der kleinen Jagd mit Eifer obliegt, unangegriffen ruhig seine Strasse zieht, angegriffen aber aus seinen Stinkdruesen einen ekelhaften knoblauchartigen Gestank verbreitet, der weit und breit die Luft verpestet. Das Thier bewohnt Baue, welche es sich mit seinen gewaltigen Klauen leicht graebt und in denen es den Tag ueber verborgen liegt, um Abends seiner Beute nachzugehen. Die nordoestlich vom Tanasee gelegene Stadt Emfras, in welcher der Koenig einen sogenannten Palast besitzt, ist nicht nur als Hauptsklavenmarkt, sondern auch wegen der Zucht von _Zibethkatzen_ (_Viverra Civetta_) beruehmt. Poncet berichtet, dass dort von diesen Thieren eine so grosse Menge vorhanden ist, dass manche Kaufleute deren mehr als 300 im Hause halten. Die Thiere werfen einen nicht geringen Nutzen ab. Die Zibethkatze bekommt als Futter dreimal in der Woche rohes Rindfleisch und viermal einen Milchbrei; sie wird dann und wann mit Wohlgeruechen beraeuchert und in jeder Woche kratzt man ihr mit hoelzernen Loeffeln einmal eine salbenartige Materie ab, das Zibeth, welches in wohlverwahrte Ochsenhoerner gethan wird und einen eintraeglichen Handelsartikel bildet. Ihr heimischer Name ist Dering. Ein dem Hausgefluegel, den Maeusen und Ratten sehr gefaehrliches Raubthier ist die _Genettkatze_ (_Viverra abessinica_), ein schlankes, elegantes Thier mit langem Ringelschwanz. Sowol anatomisch, als durch den Mangel der Rueckenmaehne und andere Schwanzzeichnung unterscheidet sie sich von der vorigen, mit der sie sonst viel Aehnlichkeit hat. Auch ein _Fischotter_ (_Lutra inunguis_) kommt, wiewol selten, in den abessinischen Gewaessern vor. Derselbe ist so gross wie unsere Art und schoen kaffeebraun. Unter den Nagethieren ist zunaechst zu erwaehnen das _bunte Eichhorn_ (_Sciurus multicolor_), ein keineswegs munteres Thierchen, vielmehr ein langweiliges scheues Geschoepf, das sich einzeln versteckt in den hohen Baumwipfeln aufhaelt und niemals kuehne Spruenge wagt, sondern immer an den Aesten klebt. Viel haesslicher, aber anziehender und unterhaltender ist sein Verwandter, das _rothe Erdhoernchen_ (_Xerus rutilus_), das Schillu der Abessinier. Leicht und beweglich treibt es sich nur auf der Erde, nie auf Baeumen umher, bald hier, bald da aus seiner Hoehle hervorschauend, oder sich possirlich auf die Spitze eines Huegels setzend. Unter allen Nagethieren ist keines, selbst der Hamster nicht ausgenommen, welches im Verhaeltniss zu seiner Groesse solchen Muth entwickelte, ja es wehrt sich sogar knurrend und fauchend gegen Hunde. Gleich ihm lebt auch das _Filfil_ (_Bathyergus splendens_), das zu den Ratten gerechnet wird, in maulwurfsaehnlichen Erdhoehlen, die es im dichten Gebuesch anlegt, waehrend die Baue des _Stachelschweins_ (_Hystrix cristata_), das bis zu 6000 Fuss Hoehe hinaufgeht, meist in sandigen Ebenen stehen. Bei Tage verlaesst das Stachelschwein seine Hoehle nie, Abends jedoch zieht es in die Waldungen und Felder. Jedenfalls verdient unter den Nagethieren der _abessinische Hase_ (_Lepus aethiopicus_) die meiste Beachtung, da er sich von unserm gewoehnlichen Hasen vielfach unterscheidet und im Hochgebirge wie in der Niederung zu den gewoehnlichsten Erscheinungen gehoert. Da der christliche Abessinier so gut wie der Muhamedaner ihn wegen der gespaltenen Klauen zu den unreinen Thieren rechnet, so wird er nicht verfolgt, und da er dieses weiss, so faellt es ihm gar nicht ein, vor dem Menschen zu fluechten, wie unser Lampe, von dem ihn schon das dunklere, schwarz, weiss, grau und ockerfarbig gefleckte Fell unterscheidet. [Illustration: Erdferkel. Nach Wood.] Aus der Ordnung der zahnlosen Thiere ist das _Erdferkel_ (_Orycteropus aethiopicus_) zu erwaehnen, das vom Tiefland bis in die Woina-Deka vorkommt. Das scheue Thier, mit seinem Geruch und Gehoer, haust in selbstgegrabenen Hoehlen, zeichnet sich durch lebhafte Spruenge und eine kaenguruartige Stellung aus, wobei es durch den kraeftigen Schwanz unterstuetzt wird. Es geht haeufig nur auf den Hinterfuessen und beschnuppert mit der langen, in steter Bewegung befindlichen, einem Schweineruessel gleichenden Nase die Erde, um nach Ameisen zu suchen. Hat es eine solche Stelle entdeckt, so beginnt es sehr gewandt und kraeftig mit den Vorderfuessen zu graben und die aufgewuehlte Erde mit den Hinterfuessen zurueckzustossen. Ist der Ameisenbau erbrochen, so geht es hastig an die Mahlzeit; nach v. Heuglin faengt es die Ameisen mit den Lippen und diese fallen in Menge ueber den Ruhestoerer her, dessen dicke Haut keineswegs vor den Bissen schuetzt. Fuer Urin und Mist graebt das Erdferkel eine kleine Grube, die dann wieder sorgfaeltig verdeckt wird. Im Bau selbst schlaeft es zusammengerollt auf der Seite liegend. Verfolgt eilt es in raschen Saetzen davon und graebt sich rasch ein, die Roehre hinter sich schliessend. Das Fleisch ist fein, weiss und saftig. Ueber Pferde, Maulthiere und Esel Abessiniens berichten wir spaeter. Das _Kameel_, in den Kuestengegenden reichlich als Lastthier vertreten, spielt im Hochgebirge eine traurige, unnuetze Rolle, da sein Wirkungskreis die Wueste ist. Ebenso ist die _Giraffe_ nur Bewohnerin der Tieflandsteppen, dort aber, in den Niederungen zwischen Setit und Atbara, auch in grosser Menge vertreten und wegen des saftigen Fleisches der jungen Thiere als edles Wildpret hoch angesehen. Am meisten Interesse unter den abessinischen Thieren floessen uns die Wiederkaeuer ein. Antilopen, Ziegen, Schafe, Rinder sind da vertreten und alle in ihren schoensten Repraesentanten, namentlich sind die Antilopen herrliche Thiere, bei denen man nicht weiss, welcher man den Preis der Schoenheit und Zierlichkeit zuerkennen soll. Die _Tedal-Antilope_ (_Antilope Soemmeringii_) lebt namentlich in den breiten Niederungen und in der Samhara, kommt von da wol noch ins Huegelland, nie aber ins Hochgebirge hinauf. Nur am Tage zieht sie in kleinen Trupps umher, ruht des Mittags wiederkaeuend im Schatten und ist gegen den Menschen sehr misstrauisch. - Die Art, wie sie in der Samhara eingefangen werden, wird von Rueppell folgendermassen geschildert. In der Mitte der Ebene, in einem Bezirk, wo diese Thiere regelmaessig gegen Sonnenuntergang ihren Wechsel haben, legen die Jaeger viele an Pfaehle befestigte Schlingen. Sobald nun die Antilopen kommen, laufen von verschiedenen Verstecken her einzelne Leute herbei, von denen Jeder eine Menge kleiner, mit einem Bueschel Straussenfedern versehener Stoecke hat; diese werden mit grosser Schnelligkeit so in die Erde gesteckt, dass sie lange nach der Gegend der Schlingen gerichtete Linien bilden; der Antilopen ganze Aufmerksamkeit wird von den im Winde wehenden Federn in Anspruch genommen, die sie mit scheuem Blick fixiren. Nun beginnt das Treibjagen; das Wild sieht zum Entkommen keine freie Strecke, als die Gegend, wo die Fallstricke liegen, und eilt dahin; gewoehnlich bleiben mehrere darin haengen und hier schlagen ihnen die Jaeger mit Knueppeln die Beine entzwei, um sie dann zu schlachten. Auf dieselbe Weise werden auch die Strausse gejagt. Noch haeufiger als der Tedal ist die _Gazelle_ (_Antilope Dorcas_), die da, wo Mimosen stehen, von denen sie aest, fast nie in der Samhara fehlt. Sehr oft einzeln, meist aber in Trupps von drei bis acht Stueck beieinander zieht sie nur am Tage in der Ebene, wie im Gebirge umher. Zur Traenke geht die Gazelle nicht, denn ihr genuegt der Nachtthau auf den Blaettern der Baeume, die sie alle Morgen eifrig ableckt, und diese Genuegsamkeit macht sie zum echten Wuestenthier. Als die lebhafteste, behendeste und anmuthigste der Antilopen vermag sie Saetze von vier bis sechs Fuss Hoehe auszufuehren und ein fluechtiges Rudel gewaehrt einen wahrhaft prachtvollen Anblick. Waehrend die Gazelle alle dicht bewaldeten Stellen aengstlich meidet, sucht das "Judenkind" oder die _Zwerg-Antilope_ (_A. Hemprichiana_) gerade die verschlungensten und undurchdringlichsten Gebuesche zu ihrem Wohnsitze auf. Nur paarweise in zaertlicher Ehe und nicht wie die uebrigen Antilopen es den Tuerken oder Mormonen gleich thuend, findet man die Zwerg-Antilope von der Kueste bis zu 2000 Fuss Hoehe im Gebirge sehr haeufig. [Illustration: Agaseen- oder Kudu-Antilopen.] Die Faerbung des weichen schoenen Haars stimmt mit dem Blaetterdunkel des niedern Gebuesches so vollkommen ueberein, dass es schwer haelt, die zarte, kleine Gestalt inmitten des Gebuesches wahrzunehmen. Beim geringsten verdaechtigen Geraeusch erhebt sich der Bock vom Boden, stellt sich, nach der verdaechtigen Gegend hin gerichtet, starr wie eine Bildsaeule auf, wendet die Ohren vorwaerts und lauscht nun regungslos. Der Lauf, welcher erhoben wurde, bleibt erhoben, Auge und Ohr haften an derselben Stelle und nur der Haarschopf zwischen den Hoernern deutet durch sein Senken oder Heben an, dass in dem Geschoepf Leben wohnt. Das Wildpret der Zwerg-Antilope ist nicht besonders zu empfehlen; es hat immer einen moschusartigen Geschmack und ist ausserdem sehr zaehe. Sind Soemmerings-Antilope und Gazelle echte Wuestenthiere, so sucht der _Klippspringer_ oder _Sassa_ (_Oreotragus saltatrix_) nur felsige Gegenden auf. (Abbildung siehe S. 25.) Rueppell war der erste, der nachwies, dass diese vom Kap schon lange bekannte Antilope auch in Abessinien in den buschigen, felsigen Bergen lebe. Wie eine Gemse steht das schoene Thier mit zusammengehaltenen Hufen auf einem steilen Felsgrat, oft stundenlang in das Land hineinschauend. Auch der Klippspringer lebt paarweise, am gewoehnlichsten in einer Meereshoehe von 2000 bis zu 12,000 Fuss. Bei heiterem Wetter zieht er mehr in die Berge; bei Regen, Nebel, Kaelte steigt er in die Thaeler hinab. Die Bezeichnung "afrikanische Gemse" ist fuer ihn gut gewaehlt, denn an den steilsten Felswaenden entlang, neben Abgruenden vorueber, welche jeden Fehltritt mit dem Tode bezahlen wuerden, eilt er mit Leichtigkeit und Zierlichkeit dahin, als ginge er auf ebenem Boden. Die geringste Unebenheit genuegt ihm, um festen Fuss zu fassen; jeder Sprung schnellt ihn hoch in die Luft; bald zeigt er sich ganz frei den Blicken, bald ist er im Gebuesch verschwunden, und wenige Minuten genuegen, ihn allen Verfolgungen zu entziehen. Die stolzeste und groesste Antilope Abessiniens ist der _Agaseen_ (_Antilope strepsiceros_), welcher die Gebirge in einer Hoehe von 2000 bis 7000 Fuss bewohnt. Dieses stattliche, an unsern Edelhirsch erinnernde Thier, welches durch ein Paar 3 Fuss lange, praechtig gewundene Hoerner ausgezeichnet ist, gehoert einem grossen Theil Mittel- und Suedafrika's an und ist am Kap unter dem Namen Kudu bekannt. Es lebt einzeln oder in kleinen Trupps, die, ungestoert, majestaetisch und langsam an den Bergwaenden hinschreiten, aufgescheucht aber, unter Schnauben und Bloeken davoneilen. Die Araber in den Steppen noerdlich von Abessinien hetzen den Agaseen mit Pferden und toedten ihn mit Lanzenstichen, waehrend er im Hochlande nur von denen verfolgt wird, die Flinten besitzen. Sein Fleisch ist vorzueglich, dem des Hirsches im Geschmack aehnlich und aus den grossen gewundenen Hoernern verfertigen die Eingeborenen Fuellhoerner zum Aufbewahren des Salzes und Honigs. Auch die in Suedafrika haeufigere _Oryx-Antilope_ (_Antilope Beisa_) findet sich in den das Land umgebenden Steppen und Niederungen. Stets traegt sie ihre schnurgeraden Hoerner aufrecht, die von der Seite gesehen wegen ihres nahen Beieinanderstehens wie ein einziges aussehen und zu der Sage vom Einhorn Veranlassung gegeben haben koennen. Es wuerde uns zu weit fuehren, wollten wir alle Antilopen hier aufzaehlen, die in den Hochlanden oder den diese umgebenden Steppen leben. Nur noch zu erwaehnen sind die grosse Marif-Antilope (_Hippotragus Bakeri_), die Defassa (_Antilope defassa_), der Bohor (_A. redunca_), _Bubalis mauritanica_, _Antilope montana_, _madoqua_, _decula_, _leptoceros_ u. s. w. Die meisten dieser Thiere gehen bis zu 9000 Fuss Hoehe in die Gebirge. Das ist der Reichthum Abessiniens an Antilopen; weniger zahlreich sind die Ziegen vertreten, aber unter ihnen finden wir im Hochgebirge zunaechst den stolzen _Steinbock_ (_Ibex Walia_). Rueppell entdeckte dieses Thier auf den hoechsten Bergen Semiens, nachdem ihm die Eingeborenen eine wunderbare Geschichte ueber dasselbe aufgetischt hatten. Dieser Walie, so erzaehlten sie, ist im hoechsten Grade scheu, hat sehr lange und krumme Hoerner und einen Bart am Kinn, stellt sich oft auf zwei Beine und ist wegen der Erziehungsweise seiner Jungen sehr merkwuerdig. Die Mutter hat naemlich, so fabeln die Abessinier, unter dem Bauch einen nach hinten zu geoeffneten Sack, in welchem das Junge eine Zeit lang lebt und sich dadurch naehrt, dass es von Zeit zu Zeit den Kopf aus dem Beutel heraussteckt und auf der Erde grast; doch ist es sehr scheu und zieht sich bei dem geringsten Geraeusch in seinen Behaelter zurueck. So lebt es wochenlang, bis es zu gross geworden und in seinem lebendigen Kerker keinen Platz mehr findet; es springt heraus, laeuft davon und sieht seine Mutter nie wieder. Europaeische Reisende haben gefunden, dass der abessinische Steinbock in Lebensweise und Koerperbildung nicht im mindesten von dem allgemeinen Charakter der Gattung abweicht. Von der Ziege (_Hircus aethiopicus_) wird in dem Abschnitte ueber die Viehzucht die Rede sein. Sie ist kleiner als unsere Ziege und kennzeichnet sich durch kurze Beine, lange, rueckwaerts niedergedrueckte Hoerner und sehr langen Bart. Ziegenherden sind durch das ganze Land in grosser Zahl verbreitet und namentlich in der Steppe begegnet man ihnen an allen Brunnen. In Bezug auf Behendigkeit und Schnelligkeit steht die abessinische Ziege kaum der Gazelle nach. Von _Schafen_ werden verschiedene Arten gezuechtet. An den Kuesten und in den heissen Steppen findet man das arabische _Fettschwanzschaf_, mit schwarzem Kopf, ausgezeichnet durch den Mangel der Hoerner und Wolle und einen dicken Fettklumpen statt des Schwanzes; das gemeine Schaf der Hochlande (Beg) hat braeunliche oder schwarze Wolle; die Galla zuechten eine mit langen weissen Haaren versehene Art, deren schwarzgefaerbte Felle eine Lieblingskleidung ihrer Haeuptlinge ausmachen. Das Rind Abessiniens ist der _afrikanische Buckelochse_ (_Bos africanus_), ausgezeichnet durch schlanken Bau und den kleinen Hoecker. Der Berie, wie er in Amhara heisst, ist ein aeusserst geschicktes, gewandtes und bewegliches, dabei gutmuethiges und lenksames Thier; er bildet den Reichthum des Hirten, dient als Pack- oder Reitthier, zieht den einfachen Pflug, drischt durch Austreten das Getreide und wird zum Danke fuer alle Liebesdienste schliesslich oft bei lebendigem Leibe verzehrt, worueber weiter unten mehr gesagt wird. In einigen suedlichen Provinzen lebt der _Sanga_, eine besondere Art, die sich durch gewaltige, weit geschwungene Hoerner auszeichnet, aber von nur wenigen Reisenden beobachtet wurde. Die Hoerner kommen in den Handel und gelten auch als schaetzbares Geschenk. Salt erhielt drei dieser Thiere geschenkt, allein sie waren so wild, dass er sie erschiessen lassen musste. Das laengste Horn hatte beinahe 4 Fuss und sein Umfang an der Basis betrug 21 Zoll. Stier und Kuh, beide tragen diesen Schmuck, sind aber trotz des kolossalen Gehoerns nicht groesser als anderes Rindvieh. In der Kolla haust der _wilde Bueffel_ (_Bos Pegasus_ und _Caffer_), der Gosch der Abessinier, ein unzaehmbarer, gefuerchteter Geselle, dessen Jagd zu den gefaehrlichsten Beschaeftigungen der Eingeborenen zaehlt. Seine Haut wird blos zur Bereitung von Schildern benutzt; ist das Thier bereits ausgewachsen und seine Haut durch Speere nicht sehr zerfetzt, so koennen aus einer Haut vier Schilde gemacht werden, welche einen Preis von je zwei bis drei Thalern haben. Aus den enormen Hoernern dieses Bueffels verfertigt man Trinkbecher. Aus der Ordnung der Dickhaeuter oder Vielhufer haben wir ein _Rhinozeros_ (_Rh. africanus_), das Worsisa, anzufuehren, welches die Eigenschaften der asiatischen und afrikanischen Art, die Platten und Falten des ersteren mit den zwei Hoernern des letzteren vereinigt und aus den Suempfen der Kolla bis in die Berge 8000 Fuss hoch aufsteigt. Der _Hippopotamus_ fehlt weder in den Seen, noch in den groesseren Fluessen des Landes. Im Allgemeinen meiden die Abessinier dieses fuer unrein gehaltene Thier, nur die am Tanasee angesiedelten heidnischen Waito beschaeftigen sich mit der Jagd dieses "Gomari", indem sie die Thiere mit hoelzernen Lanzen zu verwunden suchen, deren Spitzen mit einem Pflanzengift bestrichen sind, durch welches jene gewoehnlich nach zwoelf Stunden sterben. Das Fleisch trocknen sie grossentheils, um es aufzubewahren, und aus der Haut verfertigen sie kleine Reitpeitschen. Eine wahre Landplage ist in Abessinien das haessliche, mit grossen Hauern versehene _Warzenschwein_ (_Phacochoerus africanus_), das die mit Gebuesch und Gras bewachsenen Ebenen bewohnt, kommt aber auch bis zu 9000 Fuss im Gebirge vor. Es lebt aehnlich wie unser europaeisches Schwarzwild und geht seiner Nahrung erst nach Sonnenuntergang nach. Die Eingeborenen halten es natuerlich fuer unrein und geben sich nicht mit der Jagd des Thieres ab, dessen Fleisch einen vortrefflichen Geschmack hat. Abessinien beherbergt auch ein eigenthuemliches _Nachtschwein_ (_Nyctochoerus Hassama_), das nach Aussage der Eingeborenen sich vorzueglich gern von Aas naehrt. Es hat die Groesse unsrer Wildschweine, ist aber gedrungener von Figur, lebt in dichtem Gebuesch und Felsen in einem grossen Theile des Landes von 4000 bis 9000 Fuss Meereshoehe, ist scheu, soll sich angegriffen wuethend zur Wehre setzen, ruht den Tag ueber in undurchdringlichen Verstecken und faellt Nachts verheerend in die Felder ein. Jedenfalls ist unter den Vielhufern der kleinste der interessanteste, naemlich der _Klippschliefer_ oder Klippdachs (_Hyrax abessinicus_). Schon Bruce erwaehnt, dass dieser Aschkoko unmittelbar in der Naehe der Staedte geeignete Felswaende bewohnt und vor den Augen der Menschen sein possirliches, an Kaninchen und Murmelthiere erinnerndes Wesen treibt. Seine Bewegungen sind ungemein mannichfaltig und grazioes; er versteht ausgezeichnet zu klettern, mit dem Kopfe nach oben und unten. Grosse Sanftmuth und Aengstlichkeit zeichnen ihn aus, und seine Feinde sind nur im Thierreich zu suchen, da er vom Menschen, der ihn gleichfalls fuer unrein haelt, nicht verfolgt wird. Sie selbst sind sehr gefraessig und naehren sich von Graesern, Kraeutern und Tamarindenzweigen. Wahrscheinlich kommen zwei verschiedene Arten vor, die vom Tiefland bis zu 12,000 Fuss Meereshoehe aufsteigen. Heuglin war der erste, welcher die Bemerkung machte, dass der Klippschliefer in bestem Einvernehmen mit einer Ichneumon-Art (_Herpestes Zebra_) und einer Eidechse (_Stellio cyanogaster_) auf seinen Felsen zusammen lebt. Naehert man sich einem solchen Felsen, so erblickt man zuerst einzeln oder gruppenweise vertheilt die munteren und possirlichen Klippschliefer auf Spitzen und Absaetzen sich gemuethlich sonnend oder mit den zierlichen Pfoetchen den Bart kratzend; dazwischen sitzt oder laeuft ein behender Ichneumon und am steilen Gestein klettern oft fusslange Stellionen. Wird ein Feind der Gesellschaft von dem auf dem erhabensten Punkte des Felsbaues als Schildwache aufgestellten Klippdachs bemerkt, so richtet sich dieser auf und verwendet keinen Blick mehr von dem fremden Gegenstand, aller Augen richten sich nach und nach dahin, dann erfolgt ploetzlich ein gellender Pfiff der Wache, und im Nu ist die ganze Gesellschaft in den Spalten des Gesteins verschwunden. Untersucht man letzteres genauer, so findet man Klippschliefer und Eidechsen vollstaendig in die tiefsten Ritzen zurueckgezogen, der Ichneumon dagegen setzt sich in Vertheidigungszustand und klaefft zornig den Feind an. Hat dieser sich entfernt, so rekognoszirt zunaechst die Eidechse das Terrain, ob Alles sicher sei, dann erscheint der Ichneumon und zuletzt, vorsichtig den Kopf hervorstreckend, der Klippschliefer. Der Ichneumon, obgleich ein arger Raeuber, verkehrt mit ihm in der groessten Eintracht; dagegen ist der Leopard sein Hauptfeind, der trotz aller Vorsicht dann und wann einen Klippschliefer faengt und mit Ausnahme von Wolle und Magen verspeist. Uebrigens werden diese Thiere durch Raben gewarnt, die unablaessig schreiend auf den Leoparden stossen, sobald sie seiner ansichtig werden. [Illustration: Klippschliefer (_Hyrax abessinicus_).] Den Beschluss unter den Saeugethieren macht der Riese unter denselben, der _Elephant_ (amharisch Sochen). Aus den heissfeuchten Niederungen steigt er auf seinen Wanderungen regelmaessig bis hoch ins Gebirge hinauf; Steilungen, welche einem Pferde unersteiglich sind, werden von ihm ohne Muehe ueberwunden; denn wie ein berechnender Strassenbaumeister geht er zu Werke, bedaechtig und verstaendig waehlt er den Weg. Vor allem in den noerdlichen Grenzlaendern, in Kunama, Bogos, Mensa ist er haeufig; dort jagt ihn der wilde Schankalla, indem er ihm die Flechsen der Hinterbeine durchsaebelt; aber Bogos und Mensa, welche das Feuergewehr noch nicht besitzen, lassen ihn ungestoert seine Wanderungen machen. Die reiche Natur bietet ihm Alles, was er bedarf, in Fuelle, und wenn oben in der Hoehe die Nahrung knapp wird, wenn die Wasser sich unter der Thalsohle bergen und der zweimal im Jahre eintretende Fruehling, d. h. die Regenzeit, noch fern ist, zieht sich das gewaltige Thier nach den wasserreichen Niederungen zurueck. Wie der Elephant in Nordabessinien haeufig den Feldern schaedlich wird, so verwuestet er im Sueden die Zuckerrohrpflanzungen; da er selten gejagt wird, so steht seiner Vermehrung nichts im Wege und der Handel Abessiniens mit Elfenbein ist gering. Nach von Heuglin lebt im Tanasee auch ein manatiartiges Thier, ueber das wir jedoch noch keine naehere Kunde haben. [Illustration: Afrikanische Bueffel.] [Illustration: Landschaft in der Provinz Wochni (Westabessinien). Nach v. Heuglin.] DAS VOLK, SEINE SITTEN UND GEBRAeUCHE, HANDEL UND INDUSTRIE. Physischer Charakter des Volks. - Die Juden oder Falaschas. - Muhamedaner. - Gamanten. - Heidnische Ueberreste. - Waito. - Die Sprachen Abessiniens. - Literatur und Malerei. - Charakter und Sittenlosigkeit der Abessinier. - Blutrache. - Justiz. - Aberglauben. - Das Verzehren von rohem Fleische. - Nahrungsweise. - Krankheiten und Aerzte. - Kleidung. - Industrie und Handel. Abessinien, von der Natur zur Buehne eines einheitlichen Lebens geschaffen, durch seine Felsenwaelle streng abgeschieden von den Nachbarlaendern, ist dennoch der Sitz verschiedener Voelkerstaemme und Nationalitaeten, die keineswegs immer miteinander harmoniren und auch sprachlich voneinander geschieden sind. Einzelne versprengte, angesessene oder spaeter eingedrungene Staemme abgerechnet, gehoeren die Abessinier dem aethiopischen Zweig der semitischen Rasse an. Die Mehrzahl der Bevoelkerung ist ein schoengeformter, mittelgrosser Menschenschlag von hellbraeunlicher bis dunkelschwarzbrauner Farbe. Das Charakteristische seines Aeussern besteht hauptsaechlich in einem ovalen Gesicht, einer fein zugeschaerften Nase, einem wohlproportionirten Munde mit regelmaessigen, nicht im geringsten aufgeworfenen Lippen, lebhaften schwarzen Augen, schoen gestellten Zaehnen, etwas gelocktem oder auch glattem Haupthaar und einem schwachen krausen Barte. Das weibliche Geschlecht zeichnet sich nicht selten durch reizende Gesichtszuege, schlanken Bau und aeusserst zierliche und elegante Haende sowie Fuesse aus. Negerphysiognomien gewahrt man nur an den eingefuehrten Sklaven und deren Nachkommen. Ehe wir uns jedoch zu dem eigentlichen, sich zum Christenthum bekennenden Hauptvolke wenden, muessen wir die verschiedenen, theils durch die Religion, theils auch durch ihre Nationalitaet von ihm abweichenden Voelkersplitter des Landes betrachten. Eine gewiss auffaellige Erscheinung in Abessinien sind die dortigen Juden oder _Falaschas_, d. h. Wanderer oder Verbannte, die frueher eine bedeutende Rolle spielten, aber von ihrer einstigen Hoehe sehr herabgesunken sind. Fast alle Reisenden beschaeftigten sich mit ihnen, und namentlich waren es die protestantischen Missionaere, die ihnen ihre Aufmerksamkeit zuwandten. Gobat gab zunaechst einige Nachrichten von diesem Volke, doch bemerkt er, dass die Falaschas so von den Christen abgesondert lebten, dass letztere weder von ihrem Glauben noch von ihren Gebraeuchen etwas wuessten. Sie haben sich hauptsaechlich in der Gegend von Gondar, Tschelga und auf der nordwestlichen Seite des Tanasees niedergelassen. Die Falaschas behaupten, ihre Stammvaeter seien schon zur Zeit Salomo's mit Koenig Menilek, dem Sohne der Koenigin von Saba, ins Land eingewandert; andere unter ihnen meinen, sie seien erst nach dem Sturze Jerusalems von den Roemern in die abessinischen Gebirge verjagt worden. Doch unterscheiden sie sich von den uebrigen Juden durch ihre Unbekanntschaft mit der hebraeischen Sprache und dadurch, dass die endliche Erscheinung des Messias fuer sie keinerlei Reiz hat; denn fragt man sie hierueber, so erwidern sie kalt, dass sie ihn in der Person eines Eroberers, Theodor genannt, dem auch die abessinischen Christen entgegenblicken, in kurzer Zeit erwarteten. Dieser Theodor war nun freilich gekommen, aber mit ihm kein Messias fuer die Juden. Alle reden die amharische Sprache, unter sich jedoch gebrauchen sie eine eigene Mundart (den Koara-Dialekt), welche vom Hebraeischen und Abessinischen gleich weit entfernt ist. Gobat bemerkt: "In ihre Wohnungen kann kein Christ, ausgenommen mit Gewalt, hineintreten; auch haben die Christen nicht grosse Lust dazu, weil sie alle als Zauberer gefuerchtet sind. Sie selbst tragen keine Waffen und bedienen sich derselben nicht einmal zur Vertheidigung. Fuer ihre Armen wird von ihnen gesorgt und diese duerfen nie betteln gehen." Der Missionaer Stern, ein Hesse von Geburt und zum Christenthum uebergetretener Israelit, versuchte mit seinem Collegen Rosenthal, die Falaschas zu bekehren, machte jedoch wenig Proselyten, veroeffentlichte aber ein Buch ("_Wanderings among the Falashas_"), in welchem wir die besten Nachrichten ueber das seltsame Volk finden. Nach ihm ruehmen sich die Falaschas, unmittelbar von Abraham, Isaak und Jakob abzustammen und ihr altjuedisches Blut rein erhalten zu haben. Mischheirathen mit andern Staemmen sind durchaus verboten; ja es gilt schon fuer Suende, das Haus eines Andersglaeubigen zu betreten. Wer eine solche Suende begeht, muss sich einer Reinigung unterwerfen und ganz frische Kleider anziehen; dann erst darf er wieder in seine Wohnung gehen. Diese Ausschliesslichkeit hat uebrigens gute Folgen gehabt, denn sie bewahrte die Falaschas vor der Ausschweifung und Sittenlosigkeit, welche sonst in Abessinien allgemein sind. Jedermann gesteht ein, dass die Falaschas, Frauen wie Maenner, die zehn Gebote streng befolgen. Heirathen in frueher Jugend sind bei ihnen nicht gestattet, da Maenner erst zwischen dem zwanzigsten und dreissigsten, Maedchen zwischen dem fuenfzehnten und zwanzigsten Jahre sich vermaehlen. Ehescheidungen kommen nicht vor; Vielweiberei, wie bei den abessinischen Christen, ist nicht erlaubt; Frauen und Maedchen gehen unverschleiert frei umher. Die Tempel haben wie die christlichen Kirchen drei Abtheilungen; der Eingang liegt nach Osten, und auf der Spitze des kegelfoermigen Daches ist allemal ein rother Topf angebracht. Barbarisch ist eine Sitte, welche mit den ueberstrengen Begriffen von Reinigung zusammenhaengt. Neben jedem Falaschadorfe befindet sich eine "unreine Huette". Dorthin schafft man die Kranken, deren Tod fuer unabwendbar gilt und laesst sie verlassen liegen; kein Verwandter darf bei ihnen sein und nur Menschen, welche fuer unrein gelten, duerfen sich um sie kuemmern. Merkwuerdig erscheint die Thatsache, dass diese abessinischen Juden _dem Handel aeusserst abgeneigt sind_ und ihn geradezu verachten. Stern schreibt: "Diese Falaschas sind von exemplarischer Sittlichkeit, ungemein sauber, sehr andaechtig und glaubensstreng und dabei sehr fleissig und thaetig. Sie treiben Ackerbau und Viehzucht und auch einige Handwerke: man findet z. B. unter ihnen Weber, Toepfer und Schmiede. Der Handel gilt ihnen fuer unvertraeglich mit dem mosaischen Glauben, und man findet unter dieser Viertelmillion Menschen nicht einen einzigen Kaufmann." Es kann bei Leuten, welche so abgeschlossen leben, nicht befremden, dass sie alle andern Religionen verabscheuen; ohnehin sind sie zumeist von Goetzendienern umgeben, und auch die christlich-abessinische Kirche hat in ihrem Verfall nichts Anlockendes. Im Aeussern und seinem Typus nach unterscheidet sich der Falaschas uebrigens von den andern Abessiniern keineswegs. Was die oft verfolgten _Muhamedaner_ Abessiniens betrifft, so stehen sie in den meisten Beziehungen ueber den einheimischen Christen. Bei dem niedrigen Charakter der christlichen Abessinier ist die Regierung oft genoethigt gewesen, die verschiedenen Aemter, deren Verwaltung, Treue und Redlichkeit erfordert, namentlich Zollaemter, durch Muhamedaner zu besetzen. Dieselben wohnen theils zerstreut, theils in ganzen Ortschaften angesessen. So besteht der Flecken Takeragiro in der Landschaft Tembien nur aus Muhamedanern, deren Frauen sich mit Landwirthschaft und Baumwollenspinnen beschaeftigen. Die Maenner sind meist Kaufleute, die im Lande umherziehen und eine gewisse praktische Gewandtheit erlangen. Arbeitsamkeit zeichnet alle aus und einen weiteren Vorzug vor den Christen haben sie dadurch, dass jeder Muhamedaner seine Soehne lesen und schreiben lernen laesst, waehrend jene dieses nur dann lernen, wenn sie sich dem geistlichen Stande widmen wollen. Der Muhamedanismus nimmt fortwaehrend zu, was bei dem versunkenen Zustande des abessinischen Christenthums keineswegs zu verwundern ist. Muhamedaner und Christen leben auf gutem Fusse miteinander, wenn auch keine der beiden Parteien animalische Speise von der andern nimmt, weil die Muhamedaner beim Schlachten des Viehs sich der Formel bedienen: "Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen", die Christen aber: "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes". Frueher wohl, zu Muhamed Granje's Zeiten, stuermten die Bekenner des Korans mit Waffengewalt gegen das christliche Abessinien und wurden zurueckgeschlagen; jetzt aber breitet sich der Islam stillschweigend aus, da er den christlichen Abessiniern ueberlegen ist. "Er benutzt", sagt Munzinger, "die Schwaechen seines uneinigen Gegners, er erringt nur vereinzelte Erfolge und dennoch darf man nicht verschweigen, dass er einer steten Zunahme sich erfreut. Waehrend er schon halb Afrika beherrscht und immer suedlicher dringt, hat er sich wol den dritten Theil der Bevoelkerung des eigentlichen Abessinien schon unterworfen und die Grenzen gegen alle Weltgegenden sind dem Christenthum jedenfalls fuer immer verloren. Die Galla werden in kurzer Zeit alle muhamedanisch sein, die Grenzvoelker im Norden, die Habab und die Marea, sind erst in unserer Zeit dem Kreuz abtruennig geworden und die Bogos selbst sind kaum zu retten." Ausser den Muhamedanern und Juden giebt es in Abessinien noch besondere religioese Sekten. Zu diesen gehoeren die _Gamanten_, die sich ueber mehrere Provinzen des suedlichen und westlichen Abessinien und selbst ueber Schoa ausgebreitet haben und als Heiden verachtet werden. Sie glauben nur an einen Gott und die Unsterblichkeit; Moses ist ihr von Gott inspirirter Prophet, doch erkennen sie kein Religionsbuch an, haben keine Festtage, ruhen aber am Sonnabend vom Ackerbau aus. Nach Krapf und Isenberg verrichten sie ihre Religionsuebungen im dichtesten Gebuesche, welches kein Sonnenstrahl durchdringt. Eine besondere Verehrung zollen sie verschiedenen Pflanzen, die zu beschaedigen sie aengstlich vermeiden. Unter diesen nimmt die Aloe die erste Stelle ein und zwar deshalb, weil sie dieselbe als von einer menschlichen Seele belebt denken und fuer den Stammvater des menschlichen Geschlechtes halten. Da die Gamanten keine Fasten halten und das auf jede Art geschlachtete Fleisch essen, werden sie schon um deswillen von den Juden verachtet. Trotz der Verfolgungen, denen sie ausgesetzt sind, leben sie als ruhige, fleissige und bescheidene Ackerbauer, von ihren andersglaeubigen Nachbarn durch mancherlei Sitten geschieden. So durchbohren z. B. die Frauen nach ihrer ersten Niederkunft das Ohr und zwaengen in die Oeffnung nach und nach immer groessere Holzpfropfen, die schliesslich einen Durchmesser von drei Zoll und mehr erlangen, sodass das Ohrlaeppchen oder jetzt der Ohrlappen bis auf die Schulter herabhaengt, wie dies aehnlich bei suedamerikanischen Voelkern gefunden wird. Die Sprache der Gamanten, das Koara, ist mit jener der einheimischen Juden uebereinstimmend, aus denen sie hervorgegangen sein sollen. Aeusserlich zeichnen sie sich durch hohen Wuchs, schlanken ovalen Kopf, eine etwas aufwaerts gekruemmte Nase und einen kleinen Mund aus. Sie haben schoengelockte, etwas gekraeuselte Haare und grosse lebhafte Augen. Die Hauptsitze der Gamanten sind in der Umgebung Gondars, dann in Tschelga, Koara und bei Wochni, wo sie speziell die Pflicht haben, die Bergpaesse zu hueten. Ackerbau und Viehzucht sind ihre liebste Beschaeftigung, gelegentlich auch Strassenraeuberei. [Illustration: Schangalla vom Mareb, Zither spielend, und Raucher aus Tigrie. Originalzeichnung von Eduard Zander.] Spuren vom ehemaligen _Heidenthum_ lassen sich bei den abessinischen Christen immer noch erkennen. Rueppell sah z. B., wie im Thale Saheta, in der Provinz Haramat, die Frauen der Umgegend sich in grosser Anzahl an eine wasserreiche Quelle, welche unter einer schoenen Baumgruppe hervorsprudelt, begaben, dort Haende und Fuesse wuschen und sich dann vor einem grobbehauenen, mit zwei eifoermigen Vertiefungen versehenen Sandsteinwuerfel einige Mal auf die Erde niederwarfen. Rueppell hielt den Stein fuer einen Opferaltar, konnte jedoch ueber den Kultus nichts Naeheres erfahren, obgleich seine Begleiter erklaerten, es handle sich hier um einen Rest heidnischer Abgoetterei. Eine besondere Sekte, welche den allgemeinen Namen _Waito_ fuehrt und als heidnisch verschrieen ist, wohnt rings um den Tanasee. Von den Gamanten unterscheiden sie sich dadurch, dass sie keinerlei religioese Ceremonie haben. Auch essen sie Wasservoegel, Nilpferdfleisch, wilde Schweine u. s. w., was alles ihren Nachbarn als Graeuel erscheint. Sie haben keine eigene Sprache, sondern reden das Amharische, wie sie sich denn auch weder durch Gesichtszuege, noch durch andere koerperliche Eigenschaften von den uebrigen Abessiniern unterscheiden. Als heidnisch ist noch die _Schlangenverehrung_ zu nennen, die Pearce in der Provinz Enderta zu beobachten Gelegenheit hatte, und auch Bruce berichtet, dass die _Agows_ (im westlichen Abessinien) in ihren Huetten zahme Schlangen aufziehen, denen sie goettliche Verehrung zollen. Ein Fremder bemerkt zwischen diesen eigenthuemlichen Menschen und den echten Abessiniern keinen grossen Unterschied, ausser dass die Agows im ganzen vielleicht ein staerkerer, aber nicht so ruhiger Menschenschlag sind als jene. Ihre Sprache jedoch, wie bei den Falaschas und Gamanten das Koara, ist durchaus verschieden und klingt sanfter und weniger kraeftig als die von Tigrie. Die Agows in der Provinz Avergale werden unter der Benennung der Tschertz unterschieden, und das Land, welches sie bewohnen, erstreckt sich von Lasta bis an die Grenzen von Schirie. Nach der Sage waren die Agows einst Verehrer des Nil, aber im 17. Jahrhundert wurden sie zur christlichen Religion bekehrt. Die Agows hegen eine sehr hohe Meinung von ihrer ehemaligen Wichtigkeit und behaupten, nur von den Bewohnern Tigrie's, sonst niemals, unterjocht worden zu sein. Es ist leicht moeglich, dass dieses Volk einen Theil der Urbevoelkerung Abessiniens ausmacht. Hier muss der Ausdruck _Schangalla_ oder _Schankela_ erwaehnt werden, unter dem man sich faelschlicherweise einen besondern Volksstamm im Nordwesten Abessiniens vorstellte und worunter man namentlich die Bazen oder Kunama verstand. Allein es ist nur ein generischer Name, welcher auf die heidnischen, ausserhalb Abessinien wohnenden Voelker, namentlich die Neger und Negersklaven, angewandt wird. Abessinien besitzt gegenwaertig _zwei Hauptsprachen_, die sich wieder in mehrere zum semitischen Stamme gehoerige Dialekte trennen. Als ausgestorbene (seit wann ist unbekannt) Ursprache gilt die _aethiopische_ oder das Geez, das zur Zeit der Einfuehrung des Christenthums geredet und in welchem alle Buecher abgefasst wurden. Ueber dieselbe hat Hiob Ludolf, der sich um die aeltere Kunde Aethiopiens die groessten Verdienste erwarb, im Jahre 1691 eine noch heute vielfach mustergiltige Grammatik verfasst. Denkmaeler der alten aethiopischen Sprache, in Stein eingegraben, sind an verschiedenen Orten des Landes aufgefunden und entziffert worden; besonders aber in der alten Koenigsstadt Axum in Tigrie. Auf einem Schutthaufen daselbst entdeckte Rueppell drei gleichgrosse Kalksteinplatten, jede ueber vier Fuss lang und mit ziemlich wohl erhaltenen aethiopischen Lettern bedeckt. Ein abessinischer Geistlicher entzifferte spaeter diese Inschriften, und die von ihm veranstaltete Uebersetzung stimmt ziemlich mit jener des Professors Roediger in Halle ueberein. Wir geben, um die altaethiopischen Schriftzeichen zu zeigen, hier den Anfang der einen Tafel wieder, welche von dem Kriegszuge des Koenigs La San nach Magasa handelt, von wo er mit grosser Beute heimkehrte: [Illustration: Inschrift des Koenigs La San] Die Uebersetzung lautet: 1. La San, Sohn des Siegreichen, des Gottbefreundeten 2. Halen Koenig von Axum und von Hamara 3. und von Raidan, und von Saba, und von Sala- 4. hen, und von Tiamo, und von Bega und von Kas. 5. Der Sohn des Unglaeubigen bisher unbesiegt 6. bekaempfte als Feind; ihr Oberhaupt ward 7. verjagt, das uns unguenstig war, und ihre Tapfern erschlagen; 8. Darauf ergriffen sie die Flucht. Vorher 9. schickten sie aber das Heer; ihr Anfuehrer, der Tapfere 10. zog aus mit Gezelt und dem Anfuehrer der Vornehmsten. Das Geez hat 26 einfache Buchstaben, denen 6 Vokalzeichen angehaengt werden, wozu noch vier Doppellaute kommen. Man liest von links nach rechts und jedes Wort wurde vom naechstfolgenden frueher durch einen vertikalen Strich, jetzt durch zwei uebereinanderstehende Punkte getrennt. Wie bemerkt, ist die Sprache jetzt ausgestorben, doch gilt sie noch als Kirchensprache und wird von der Geistlichkeit aufrecht erhalten, welche die von Isenberg eingefuehrten, in die modernen Sprachen uebersetzten Bibeln als Ketzerwerke erklaerten. An die Stelle des ausgestorbenen Geez traten zwei lebende Sprachen, das _Amharische_ und _Tigrische_, von denen das erstere in den vom Takazzie suedlich und westlich, das letztere in den von diesem Flusse oestlich gelegenen Landschaften geredet wird. Das Amharische, das am meisten gesprochen wird, obgleich ein Dialekt des Aethiopischen und also semitischen Charakters, hat doch mehr Fremdartiges als seine Mutter- oder seine Schwestersprache, das Tigrische, angenommen, welches die groesste Aehnlichkeit mit dem alten Geez behalten hat. Das Tigrische ist reich an kraeftigen Gutturalen und hat eine Abart in dem Dialekte von Gurague, einer suedabessinischen Landschaft; das Amharische dagegen, zur Regierungssprache erhoben, hat in der Sprache von Haerraer, oestlich vom Hawaschflusse, eine Tochter. Waehrend die tigrische Sprache nicht geschrieben wird, hat die amharische sogar noch 6 Zeichen mehr als das Geez mit sechserlei denselben angehaengten Vokalzeichen, wozu noch 4 Diphthongformen kommen. Die Charaktere sind wie das ganze Alphabet syllabarisch, naemlich _Schaat_ lautet in der Form [Aethiopisch: sha] _scha_. [Aethiopisch: shu] ist = _schu_ u. s. w. Ebenso wird aus _Tjawi_ in der Form [Aethiopisch: ca] (_tja_) durch Hinzufuegung eines kleinen Zeichens in der Mitte rechts [Aethiopisch: cu] _tju_, [Aethiopisch: ci] ist _tji_, [Aethiopisch: caa] _tja_, [Aethiopisch: cee] _tje_ u. s. w. Die andern fuenf dem Amharischen eigenthuemlichen Charaktere sind: _Gnahas_ [Aethiopisch: nya] (_gna_; es ist also [Aethiopisch: nyu] _gnu_ und [Aethiopisch: nyee] _gne_ auszusprechen); _Chaf_ [Aethiopisch: xwa], _cha_; _Jai_ [Aethiopisch: zha], _ja_ (franzoesisch auszusprechen); _Djent_ [Aethiopisch: ja], _dja_ und _Tschait_ [Aethiopisch: cha], _tscha_. Das Aethiopische und Amharische wird von der Linken zur Rechten gelesen. Wenn _sakaja_, anklagen, geschrieben wird [Aethiopisch: sa][Aethiopisch: xwa][Aethiopisch: ya], so bezeichnet also das dem grossen _P_ im Lateinischen gleichende Zeichen die Silbe _ja_ und man wird sofort einsehen, dass [Aethiopisch: yu] wieder _ju_, [Aethiopisch: yaa] _ja_ ist. Als untergeordnete Dialekte muessen noch erwaehnt werden, das Baze-Tigre (nicht zu verwechseln mit dem Tigrischen oder Tigrenja), die in der Samhara und weiter noerdlich herrschende Sprache, das erwaehnte Idiom der Falascha oder Juden, der Gamanten und Agows, die den Koara-Dialekt (Hauaraza) sprechen, und die Sprache der Gallastaemme im Sueden von Habesch, ueber die weiter unten mehr gesagt wird. Soviel ueber die Sprachen des Landes. Von einer _Literatur_, welche das ganze Volk durchdringt, kann keine Rede sein, zumal Lesen und Schreiben ein Privilegium der hoeher gestellten Klassen, namentlich der Geistlichkeit ist. In frueheren Zeiten war die geistige Regsamkeit in Abessinien eine ungleich ruehrigere als heutzutage, und aus jenen Perioden stammen auch die meisten Buecher, Chroniken und Bibelabschriften, von denen aber viel im Laufe der Kriege verloren gegangen ist. Alle abessinischen Manuskripte sind auf Pergament geschrieben und zwar meistentheils recht sauber und elegant. Die Linien laufen ganz symmetrisch miteinander parallel und auf der ersten Seite, sowie am Anfange jedes Kapitels sind immer die Zeilen abwechselnd mit rother und schwarzer Tinte geschrieben. Zum Schreiben bedient man sich eines zugespitzten Rohrhalmes. Haeufig sind kolorirte Vignetten in den Text angebracht, die in aelterer Zeit weit schoener als jetzt gemalt wurden. Viel Sorgfalt verwendet man auf die Ledereinbaende, in welche man mit heissen Eisen zierliche Arabesken einbrennt. Die Art und Weise, wie die Geistlichkeit mit den seltensten alten Werken umgeht, ist geradezu barbarisch; sie verschleudert sie oft um einen Spottpreis oder laesst sie verschimmeln. Durch die Bemuehungen der deutschen Missionaere, namentlich des wackeren Isenberg, sind in London auch mehrere Buecher in amharischer Sprache gedruckt worden, darunter eine vollstaendige Bibeluebersetzung, eine kleine Geographie und ein Abriss der Weltgeschichte. Obgleich man diese zu Tausenden verbreitet hat, so haben sie dennoch keinen Nutzen gestiftet, da die den Missionaeren feindlich gesinnte abessinische Geistlichkeit den Gebrauch hinderte und die Werke vernichtete. So liegen sie da als ein Werk deutschen Fleisses, ohne lebendige Anwendung zu finden. [Illustration: St. Georg (aus einem abessinischen Manuskripte). Nach Harris.] Nach Krapf umfasst die ganze abessinische Literatur 130 bis 150 Werke, von denen viele nur Uebersetzungen der griechischen Kirchenvaeter sind. Die saemmtlichen Buecher werden in vier Sektionen oder Gabaioch getheilt, deren erste das Alte, deren zweite das Neue Testament allein ausmacht. Die dritte enthaelt juristische Schriften, wie das Gesetzbuch, den Chrysostomus u. s. w., die vierte endlich besteht aus Moenchsschriften und dem Leben der Heiligen. Die grossen Sammlungen von aethiopischen und amharischen Schriften, welche die Gebrueder d'Abbadie nach Frankreich, Rueppell nach Frankfurt, Krapf nach Tuebingen brachten, lassen uns jetzt einen tiefen Einblick in das Schriftthum jenes abgelegenen christlichen Volks thun. Da finden wir "den Glauben der Vaeter" (_Haimanot Abau_), eine Dogmensammlung der abessinischen Kirche, das Leben des Koenigs Lalibela (_Gadela Lalibela_), der im 13. Jahrhundert nach dem Untergange der Judendynastie lebte, die Biographie Tekla Haimanot's, eine Menge wichtiger Chroniken u. s. w. Die Art und Weise, wie die Abessinier ihre Gemaelde entwerfen, die oft auch die Pergamentmanuskripte schmuecken, beschreibt Salt. Der Maler machte zunaechst einen genauen Entwurf seiner Zeichnung mit Kohle und ueberzog denselben dann mit Tusche. Der Gegenstand stellte zwei abessinische Reiter im Kampfe mit den Galla dar; die Kleider der Krieger, das Geschirr der Pferde, der Gesichtscharakter waren getreu nachgeahmt. Die Abessinier vergroessern in ihren Gemaelden auf eine besondere Art das Auge und zeichnen die Figuren _en face_; nur Juden, Teufel u. s. w. werden im Profil gemalt. Die Farben sind aeusserst grell: Gruen, Roth, Blau und Gelb herrschen vor. -------------- Wenden wir uns nun zur Betrachtung des _Charakters der Abessinier_, so treffen wir hier auf sehr widersprechende Urtheile, doch kann im allgemeinen behauptet werden, dass derselbe nach unsern europaeischen Begriffen ein keineswegs vorzueglicher ist. Waehrend z. B. Munzinger und Heuglin dem Volke mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen, sind die Urtheile von Bruce, Rueppell, Krapf, Isenberg sehr herbe, und auch im eigenen Lande giebt es Leute genug, welche in die Verdammung einstimmen. Dahin gehoerten vor allem der Koenig Theodoros II. selbst und der im Jahre 1867 gestorbene Abuna (Erzbischof). Einzelne vorzuegliche, durch Liebenswuerdigkeit, edlen Charakter und Gelehrsamkeit ausgezeichnete Persoenlichkeiten hat es jedoch immer gegeben und sie beweisen, dass in dem befaehigten Volke noch nicht alle besseren Eigenschaften eingeschlummert sind. Der hoechste Kirchenfuerst des Landes, allerdings ein Auslaender, von dem selbst kein sehr erfreuliches Bild entworfen wird, schrieb 1843 an Isenberg: "Die Abessinier sind ein Volk, das weder nach Erkenntniss verlangt, noch Liebe zum Lernen zeigt, noch auch begreifen kann, dass Sie sein Bestes suchen. Was es will, ist, dass Sie ihm von Ihrer Habe mittheilen, nichts anderes. Wie kurz oder wie lange Sie sich auch in Abessinien aufgehalten haben moegen - koennen Sie immer noch glauben, dass die Abessinier seien wie andere Menschen, welche lernbegierig sind und nach Erkenntniss verlangen?" Isenberg selbst ist von dem Volke keineswegs erbaut und hatte bei der ihm widerfahrenen Behandlung auch wenig Ursache hierzu. Rueppell, ein sehr nuechterner Beobachter, fasst sein Urtheil folgendermassen zusammen: "Die Hauptzuege des moralischen Charakters der Abessinier sind: Indolenz, Trunkenheit, Leichtsinn, ein hoher Grad von Ausschweifung, Treulosigkeit, Hang zum Diebstahl, Aberglaube, dummstolze Selbstsucht, grosse Gewandtheit im Verstellen, Undankbarkeit, Unverschaemtheit im Fordern von Geschenken und eine des spruechwoertlichen Gebrauches wuerdige Luegenhaftigkeit." Mildernd setzt er hinzu: "In der Regel ist ihnen uebrigens ein leutseliges, ungezwungenes Betragen eigen, weshalb eine oberflaechliche Beurtheilung zu ihren Gunsten ausfaellt." Dann weiter: "Zur Erregung eines bessern moralischen Gefuehls traegt gar nichts in ihrem Leben bei, und ich muss durchaus dem beistimmen, was der Missionaer S. Gobat als das Resultat eines beinahe einjaehrigen Aufenthalts in Gondar ueber den sittlichen Zustand dieser Stadt ausspricht, naemlich: "Alle Abessinier, wenn sie keine Regierungsgewalt zu fuerchten haben, treiben das Raeuberhandwerk. Ich kenne die Abessinier zu gut, als dass ich einen grossen Werth auf ihre suessen Worte legen sollte. Ich bin traurig und niedergeschlagen, weil es mir vorkommt, als sei jeder Rettungsversuch vergeblich."" Rueppell fuehrt eine Menge diese Aussprueche charakterisirende Einzelheiten an, welche allerdings schlagende Illustrationen bilden; allen Staenden schreibt er gleich grosse Rohheit zu. Auch die Traegheit der Abessinier ist unglaublich. Jeder Ackerbautreibende bestellt nicht mehr Feld, als fuer den Bedarf seiner Familie noethig ist, und an ein Aufspeichern von Vorraethen ist nicht zu denken. Jede Art von Handarbeit halten sie fuer etwas Entehrendes, und daher kommt es denn, dass fast die ganze Industrie des Landes in den Haenden der Muhamedaner und Juden ist. Betrug im Handel, Verfaelschung der Waaren sind gang und gaebe. Alledem gegenueber klingt als Lobrede, was Werner Munzinger, allerdings einer der ersten Kenner des Landes und Volkes, sagt: "Ueber dieses Land darf ich wohl reden, denn auch sein Mensch steht uns kaum so fern. Er denkt, er traeumt, er liebt und hasst ja auch; er fuehlt wie wir, nur roher und oft viel natuerlicher und freimuethiger. Soll denn das schwarze Gesicht immer ein schwarzes Herz bergen? Auch dort findest du mitleidige Herzen! Wenn der schneidende Abendwind dichte Nebel auf die Hochebene hinabregnet, da kann der Wegfahrer getrost anklopfen und auch des erfrorenen Bettlers harrt ein freundlicher Gruss, ein froehlich loderndes Feuer und ein warmes, in Milch eingebrocktes Brot. Auch dort giebt es Ritter, Beschuetzer der Frauen und Schwachen. Der Misshandelte findet seinen Advokaten. Auch Freunde kannst du erwerben, wenn auch nicht schnell, die am Tage der Gefahr dich beschirmen. Treue Liebe, glueckliche Gatten sind nicht selten, und wie oft folgt die trauernde Gattin ihrem Herrn freiwillig in den fruehen Tod! Du siehst in Hungersnoethen die Mutter mit hohlen Wangen, die Kinder frisch und munter, denn das letzte Brot spart sie fuer ihre Lieben auf. Unermuedet wacht die Gattin bei ihrem kranken Manne. Brave Soehne opfern jahrelange Arbeit, um ihrem alten Vater sorgenfreie Tage zu bereiten, Gefuehl fehlt nicht und auch nicht Muth und Frohsinn; sie singen und tanzen die sternenhelle Nacht durch; Rhapsodien loben den Helden, den Loewentoedter, den Menschenbezwinger. Freude und Leid wird ausgesungen; das Lied dient auch der Klage, es begleitet die Arbeit, es bejubelt die Hochzeit." Im grellen Gegensatz steht - gegenueber fast allen andern Berichten - was Munzinger hier ueber die ehelichen Verhaeltnisse bemerkt, und es scheint uns fast, als sei wenigstens hier ein rosiger Schimmer ueber seine Darstellungen ausgebreitet. Hier muss erwaehnt werden, dass die _Blutrache_ in ganz Abessinien allgemein herrscht und dass eine ausgebreitete und maechtige Verwandtschaft daher als ein sehr bedeutendes Schutzmittel gilt. Zu Isenberg kam einst eine Frau in der groessten Angst gelaufen mit der Bitte, er moege fuer ihren Mann beten, der am Morgen ohne Begleitung und ohne Waffen ausgegangen sei; dies habe sein ihm feindlicher Vetter benutzt, um ihm bewaffnet zu folgen. "Wir erfuhren, dass diese Feindschaft zwischen den beiden Vettern von ihren Vaetern herruehrt, die einander in toedtlicher Feindschaft umgebracht haben sollen. Auch die Vettern haben in ihren Streitigkeiten schon zehn ihrer Leute verloren." Salt lernte einen jungen Haeuptling (Schum) Namens Schelika Negusta kennen, der einen Feind im Zweikampfe erschlagen hatte. Mehrere maechtige Verwandte des Gebliebenen bemaechtigten sich seiner Person und fuehrten ihn vor den Ras, welcher ihn nach dem Gesetze zum Tode verdammte und zwar wurde er nach mosaischem Gebrauch den Verwandten des Ermordeten uebergeben, damit diese nach Gefallen mit ihm umgehen moechten. Gewoehnlich wird bei solchen Gelegenheiten der Thaeter nach dem Markte gefuehrt und dort zu Tode gespeert, und so sollte es auch dem Schelika Negusta ergehen, als die Osoro's (Prinzessinnen), von seiner Schoenheit geruehrt, sich hinter die Geistlichkeit steckten und durch deren Banndrohungen es vermochten, dass der der Blutrache Geweihte gegen eine hohe Geldsumme freigegeben wurde. Die _Justiz_ wird in Abessinien ungemein willkuerlich gehandhabt. Ein oberster Gerichtshof hatte in der Residenz seinen Sitz und entschied in weltlichen Angelegenheiten als letzte Instanz. Bezueglich der Todesurtheile steht dem Koenige die Entscheidung zu. Dieser haelt woechentlich mehrere Mal oeffentliche Audienz in seinem Palaste, wobei Jedermann Zutritt hat. Hier laesst er sich Klagen und Vertheidigung vortragen, verhoert die vorgeladenen Zeugen und giebt nach Berathung mit den Gerichtsbeisitzern seinen Spruch ab, dem jedoch die ausuebende Kraft fehlt und der daher mehr als Gutachten angesehen werden muss. Ist der Koenig verreist, so waehlen sich die Parteien selbst ihren Schiedsrichter. In den Provinzen entscheidet der Gouverneur und zwar gleichfalls oeffentlich, in der Regel auf einem Huegel in der Naehe der Stadt. Rueppell wohnte einer solchen Gerichtssitzung zu Angetkat in Semien bei. Der Gouverneur sass auf einem Flechtstuhle und ringsumher lagen die Zuhoerer im feuchten Grase. Es handelte sich um eine Ehescheidung, bei der sowol Mann wie Frau ihre Sache persoenlich vortrugen und zwar beide mit vieler natuerlicher Beredsamkeit. Die Umstehenden sprachen fortwaehrend laut dazwischen und machten ihre Bemerkungen ueber den Gang der Unterhandlungen. Endlich ward Ruhe geboten und der Gouverneur verkuendigte das Urtheil, worauf er beide Parteien mit einem "Marsch!" entliess. Bei diesen Verhandlungen wird das geschriebene Gesetzbuch Abessiniens, das _Feta Negust_ (die Richtschnur des Koenigs) nur selten angewandt, da man es meist nur bei verwickelten Rechtsfaellen zu Rathe zieht. Es soll angeblich unter Konstantin dem Grossen durch die auf dem Konzil zu Nicaea versammelten Kirchenvaeter zusammengestellt worden sein. Das Feta Negust besteht aus zwei Abtheilungen, von welchen die eine das kanonische, die andere das buergerliche Recht behandelt; beide zusammen haben 51 Unterabtheilungen. Die 22 Paragraphen des kanonischen Rechts handeln von der Rechtglaeubigkeit, der Geistlichkeit, der Kirche, der Verwaltung von deren Eigenthum, vom Gottesdienst, den Feiertagen, der Ketzerei u. s. w.; die 29 Paragraphen des buergerlichen Rechtes von der Dienstbarkeit, der Ehe, dem Wucher, Erbschaft, Kauf, Zeugnissen, gefundenen Sachen, Grundeigenthum, Todtschlag, Diebstahl, Strafen u. s. w. Interessant ist die von Rueppell nicht ohne Grund ausgesprochene Ansicht, dass als Verfasser dieses Gesetzbuches vielleicht der protestantische deutsche Missionaer _Pater Heyling von Luebeck_ anzusehen sei, der im Jahre 1634 nach Abessinien kam. Alle Gesetze jedoch, so gut sie sein moegen, hindern das Volk nicht in seinem faulen, zuegellosen und namentlich in geschlechtlicher Beziehung ausserordentlich liederlichen Lebenswandel fortzufahren, und die zahlreiche Geistlichkeit thut nicht das Geringste, um dem wuesten Treiben Einhalt zu thun, ja sie geht mit schlechtem Beispiel voran. Da kann es denn, wo fuer Aufklaerung und Schulen so gut wie gar nicht gesorgt wird, nicht Wunder nehmen, dass unter diesen Christen die abenteuerlichsten Vorstellungen und der seltsamste Aberglaube im Schwunge ist. Nach den aberglaeubigen Ansichten der Abessinier hat jeder Moench, jeder Einsiedler, jeder Zwerg die Faehigkeit, in die Zukunft schauen und weissagen zu koennen. Geschriebene _Talismane_ werden unter die Saat gemischt, damit sie gut keime, und kein Abessinier besteigt sein Maulthier, ohne sich vorher mit einer solchen Papierruestung versehen zu haben, die ihn angeblich stich- und kugelfest machen soll. Amulete spielen derart eine grosse Rolle und schuetzen den Inhaber gegen jede vorhergesehene oder unvorhergesehene Gefahr. Der _Tulsim_, ein Guertel, an dem kleine Ledertaeschchen haengen, enthaelt diese schuetzenden Papierschnitzel, welche Maenner, Weiber, Kinder tragen und die selbst der Koenig fuer unentbehrlich haelt. Auch uebt der Einfluss des boesen Auges eine grosse Macht auf alle Abessinier aus; boese Geister durchschwaermen nach ihrer Vorstellung die Erde und das Wasser. Haeufig wendet man das _Besa_ oder Krankenopfer an, indem man unter Singen und Schreien um das Lager des Patienten einen Ochsen treibt und denselben dann vor dem Hause schlachtet. Kein Abessinier wird an einem Sonnabend oder Sonntag eine Schlange zu toedten wagen, weil an diesen Tagen jene Thiere als ein glueckverheissendes Omen erscheinen. Uebereinstimmend mit den heidnischen Galla bringen die Christen im Juni dem _Sar_ (boesen Geiste) Dankopfer dar, obgleich dieser Goetzendienst durch Verordnungen aufs strengste untersagt ist. Drei Maenner und eine Frau, die mit dem Boesen in Verbindung stehen, versammeln sich dann, um in einem frisch ausgekehrten Hause die Ceremonie vorzunehmen; eine ingwerfarbige Henne, eine roethliche Gais oder ein Ziegenbock mit weissem Halsringe werden geopfert und das Blut der Thiere, mit Fett und Butter gemischt, waehrend der Nacht auf einen engen Pfad gesprengt, damit alle Daruebergehenden das Uebel des Kranken an sich nehmen, zu dessen Gunsten das Opfer dem Sar dargebracht wurde. Das Aechzen der Wassernixen hoert der aberglaeubige Abessinier in jedem Wasserfall, und der Unglueckliche, welcher im ploetzlich angeschwollenen Wildbache ertrinkt, wird als Speise der boesen Wassergeister angesehen. Verschiedene Pflanzen und Kraeuter besitzen zauberische Eigenschaften, so ein Gras (Fegain), das, heimlich auf den Gegner geworfen, diesem Krankheit und schleunigen Tod bringt. Zauberer und Sterndeuter, durchaus keine seltenen Erscheinungen in Abessinien, erreichen nach der Volksmeinung das anstaendige Alter von vier- oder fuenfhundert Jahren; sie fliegen mit der Windsbraut durch das ganze Land, erscheinen ploetzlich und ungesehen in der schmausenden Gesellschaft und nehmen ihr die leckersten Fleischbissen vor der Nase weg. Vor dem sterblichen Auge verborgen liegt irgendwo im Lande das zauberhafte Dorf _Duka Stephanos_, ein Paradies auf Erden, das, alle irdischen und himmlischen Freuden in sich vereinigend, die Sehnsucht des wunderliebenden Volkes im hohen Grade erregt. Seine grasigen Auen und praechtigen Waelder laden zum suessen Schlummer ein, und am heitern Ufer des Nil, der seine blauen Fluten durch die praechtige Landschaft rollt, wandern die schoensten Weiber. Dort fliessen die koestlichsten Getraenke in nimmer versiechendem Strome, und die Erde bringt saftige Fruechte in unendlicher Fuelle ohne Arbeit hervor. Doch in zauberische Nebel verhuellt, oeffnet dieses Elysium seine Pforten nur Menschen von untadelhaft schoenem Aeussern, die das Wohlgefallen der Bewohner von Duka Stephanos erregten. [Illustration: Eine Lima-Galla, Baumwolle schnellend. Zeichnung von E. Zander.] _Zwerge_ werden mit einem gewissen Respekt behandelt und sind Gegenstaende der Furcht; viele unter ihnen sind gerade die gelehrtesten Leute des Landes. So war der Beichtvater Sahela Selassie's, des Koenigs von Schoa, ein wahrer Asmodeus in seiner Erscheinung, doch dabei ein liebenswuerdiger und ungemein weiser Mann, der sich vor seinen Landsleuten in geistiger Beziehung bedeutend auszeichnete. Auch die Grossen des Landes waehlen sich gern missgestaltete und zwerghafte Leute zu Sekretaeren. Ganz besonders mit uebernatuerlichen Kraeften ausgestattet erscheint aber der _Grobschmied oder Budak_, da er sich nach Belieben in einen Wolf oder eine Hyaene zu verwandeln und Menschenfleisch zu fressen vermag. Dem boesen Blicke eines Schmiedes wird gewoehnlich Krankheit und Unglueck zugeschrieben. Hailo, der Vater Ubie's, des frueheren Herrschers von Tigrie, gab einst Befehl, alle Schmiede, die in seinem Reiche wohnten, niederzumachen, um weiteres Unglueck zu verhueten. Ueberall bluteten die unschuldigen Opfer, dem Manne aber, der dieses aberglaeubige Werk vollbracht, jubelten dankbar die Herzen des Volkes zu, das sich von einem Alp befreit glaubte. Nicht weniger als 1300 der nuetzlichen Eisenarbeiter sollen damals (zu Anfang dieses Jahrhunderts) ihr Leben auf diese grausame Art verloren haben. So berichtet wenigstens Harris, dem wir hier gefolgt sind. Indessen genuegt die Gegenwart irgend eines christlichen Emblems oder der Heiligen Schrift, um die ueblen Wirkungen der Schmiede zu neutralisiren. Kein Metall kann in Gegenwart des Kreuzes geschweisst werden. Als die britische Gesandtschaft in Schoa war, muehten sich ein paar eingeborene Schmiede mit ihren kleinen Blasebaelgen vergeblich ab, einen Reifen um das Rad einer Kanonenlaffete zu schmieden. Sie erklaerten nun, dass die Gegenwart irgend eines Theils der Heiligen Schrift ihrem Geschaefte hinderlich sei. Schnell warfen alle Anwesenden ihre Amulete weg; die Blasebaelge arbeiteten von Neuem, aber das Metall war nicht in Fluss zu bringen. Nun wurden englische Blasebaelge gebracht, und als die Funken vor der Windroehre davon spruehten, war das Eisen in fuenf Minuten weissgluehend und der Reif aufgeschweisst. Die einheimischen Magier baten aber, dergleichen Proben in Zukunft zu unterlassen, da sonst ihr Ansehen verloren ginge! [Illustration: Abessinierin, Baumwolle spinnend. Zeichnung von E. Zander.] Da der Handel grossentheils in den Haenden der Muhamedaner, die Gewerbthaetigkeit meistens bei den Juden ist, so bleiben fuer den christlichen Abessinier das Kriegshandwerk, die Geistlichkeit, Jagd, Ackerbau und Viehzucht als Erwerbszweige uebrig. In der wildreichen Kola, die mit ihren grasreichen Niederungen den Elephanten, Bueffeln und Antilopen ein willkommener Aufenthalt ist, tritt uns der Eingeborene oft als kuehner _Jaeger_ entgegen. In den meisten Huetten der Kola von Eremetschoho fand Rueppell getrocknete Elephantenruessel oder die Schweife von Bueffeln, welche als Zeichen des persoenlichen Muthes aufbewahrt wurden. Als einzige Waffe dient den Riesen der Wildniss gegenueber der Speer. Doch ist im Allgemeinen die Jagd nur ein nebensaechlicher Erwerbszweig. Der Abessinier der Hochlande dagegen ist vorzugsweise _Ackerbauer_ und _Viehzuechter_, und nach den Produkten dieser Thaetigkeit richtet sich auch seine Nahrungsweise. Die Nachricht, dass die Abessinier grosse Freunde rohen Fleisches (_Brundo_) seien, drang zuerst durch Bruce nach Europa. Man glaubte ihm jedoch nicht, bis dann spaetere Reisende Alles bestaetigten, was er erzaehlt hatte. Bruce berichtete, dass, wenn die Gesellschaft zum Essen versammelt gewesen sei, man eine Kuh oder einen Ochsen vor die Huette gefuehrt habe. Man bindet dem Thiere die Fuesse, macht unten am Halse in die Haut einen Einschnitt bis an das Fett und laesst fuenf bis sechs Tropfen Blut auf die Erde fallen. Dieses geschieht, um das Gesetz zu beobachten. Dann fallen einige Leute ueber das Thier her, ziehen ihm die Haut vom Koerper bis in die Mitte der Rippen ab und schneiden aus den Hintervierteln dicke viereckige Stuecke Fleisch heraus. Das schreckliche Gebruell des ungluecklichen Thieres ist ein Zeichen fuer die Gesellschaft, sich zu Tische zu setzen. Statt der Teller legt man jedem Gaste runde Tiefkuchen vor, die als Zuspeise und Serviette zugleich dienen. Herein treten zwei oder drei Diener mit viereckigen Stuecken Rindfleisch, welches sie in den blossen Haenden tragen; sie legen dasselbe auf Tiefkuchen; der Tisch ist ohne Tafeltuch. Die Gaeste halten schon ihre Messer bereit. Jeder Mann schneidet mit seinem krummen Saebelmesser kleine Stuecken Fleisch herunter, in welchen man noch die Bewegung der Fasern, das Leben, wahrnimmt. In Abessinien speist sich kein Mann selbst und ruehrt seine Kost nicht an. Die Frauenzimmer nehmen diese Stuecken und schneiden sie erst in Streifen von der Dicke eines kleinen Fingers und dann in Wuerfel. Diese legt man auf ein Stueck Tiefbrot, das stark mit Pfeffer und Salz bestreut ist und wie eine Rolle zusammengewickelt wird. Dann steckt der Mann sein Messer ein, setzt beide Haende auf die Kniee seiner Nachbarinnen und wendet sich mit vorgebeugtem Leibe, gesenktem Kopfe und aufgesperrtem Maule zu derjenigen Nachbarin, welche die Rolle zuerst fertig hat. Diese stopft ihm das ganze Stueck in den Mund, der davon so voll wird, dass der Mann in Gefahr geraeth zu ersticken. Je vornehmer der Mann, um so groesser ist das Stueck, und es wird fuer sehr fein gehalten, wenn er beim Essen recht stark schmatzt. Wie gesagt, dieses Verzehren von rohem Beefsteak erregte in England allgemeines Aufsehen und Bruce stand als Luegner gebrandmarkt da. Hoeren wir nun, was spaetere Reisende ueber diesen Gegenstand berichten. _Salt_, der mehr als dreissig Jahre spaeter in Abessinien war, bezuechtigte Bruce der Unwahrheit, indem er erzaehle, es sei _Gewohnheit_ bei den Abessiniern, sich am Fleische noch lebender Thiere nach Art des Polyphem zu ergoetzen; doch stellt er keineswegs in Abrede, dass rohes Fleisch, je frischer, je lieber, ihr groesster Leckerbissen sei. Rueppell (1832) berichtet an mehr als einer Stelle seines Reisewerkes, wie er gesehen habe, dass die Leute _noch zuckendes_ Fleisch genossen haetten. Er sagt: "Dasjenige Fleisch, welches noch seine natuerliche Waerme hat und bei dem die Muskelfasern noch unter dem Messerschnitte zucken, gilt fuer einen besondern Leckerbissen. Das Fleisch wird von den Abessiniern meistens roh verzehrt, wiewol in den von mir bereisten Provinzen jetzt nie anders, als nachdem das geschlachtete Thier ausgeblutet hat. Der barbarische Gebrauch, Stuecke Fleisch von einem noch lebenden Thiere herauszuschneiden, welchen Bruce beschrieben hat, mag zur Zeit seines Aufenthaltes in Gondar stattgefunden haben, ist aber sicherlich dort in neuerer Zeit nicht mehr etwas Gewoehnliches. Dass derselbe indessen in andern Gegenden Abessiniens auch jetzt noch zuweilen vorkommt, behaupte ich trotz des Widerspruchs Salt's und der ganz grundlosen Kritiken, welche die Franzosen Combes und Tamisier ueber Bruce veroeffentlichten." Der Missionaer Isenberg (1843) bezweifelt dagegen wieder die allgemeine Richtigkeit der Angabe von Bruce und stellt jene Thatsache als Aushuelfe in Nothfaellen hin, "wo z. B. auf einem Marsche befindliche Soldaten in gewisser Entfernung von ihrem Lagerplatz, wenn sie der Hunger ereile, dem Vieh, welches sie vor sich hertreiben, ein Stueck Fleisch aus dem Hinterviertel herausschneiden und verzehren, die leere Stelle mit Heu oder anderm Material ausfuellen, die abgeloeste Haut wieder darueberziehen und dann das Thier bis zu ihrem Lagerplatz treiben, wo seinem Leben ein Ende gemacht werde." Entscheidend moechte jedoch Folgendes sein. Als der Reisende _Apel_ im Januar 1865 zu Wochni gefangen genommen und nach Gondar geschleppt wurde, setzte man ihn auf ein Pferd, das vermittels eines Seiles von etwa 3 Ellen Laenge an dasjenige eines ungeheuren Abessiniers befestigt war. "Auf diesem Ritt von Wochni nach Gondar habe ich mit eigenen Augen das gesehen, was von Bruce so standhaft behauptet und von der unglaeubigen Civilisation bestritten wurde, - naemlich das _Herausschneiden des Fleisches von noch lebenden Thieren_ und das Geniessen desselben, waehrend das Thier noch im Todeskampfe liegt. Es wurden ihm von den Christen die Fuesse gebunden, es fiel auf die Seite, und alsbald schnitt man ihm Stuecke Fleisches aus dem Rumpfe, welche, noch zuckend von der Muskelbewegung, gierig von den Christen verschlungen wurden. Das Thier verblutete und blieb dann eine Beute der Schakale. Mir wurde ein blutiges zuckendes Stueck Fleisch zugeworfen und ich habe, so widerwaertig mir das Ganze auch war, doch den groessten Theil desselben verzehrt, so arg hatte mich der Hunger mitgenommen, denn seit zwei Tagen hatte ich nichts genossen. Dieselbe Kost wurde mir waehrend der ganzen Reise angeboten." Krapf endlich sah in Schoa, wie Soldaten einem lebendigen Schafe ein Bein abschnitten, das Thier nicht toedteten und das rohe Fleisch vom Knochen sogleich abnagten! Nicht viel weniger widerwaertig ist die Art und Weise, wie die Abessinier ihr uebriges Fleisch zubereiten und ueberhaupt ihre Nahrung zu sich nehmen, sodass man bei ihnen wol vom "Fressen" sprechen kann. Schafe und Ziegen werden in Gegenwart der Gaeste geschlachtet und abgehaeutet, dann die noch zuckenden Glieder etwa fuenf Minuten ueber ein Flammenfeuer gehalten und die aeusserste Lage Fleisch, die kaum durchroestet ist, mit Brotkuchen und reichlicher Pfeffersauce genossen. Salz wird in langen, gewundenen Antilopenhoernern umhergereicht. Waehrend des Essens selbst wird nicht getrunken, unmittelbar nach demselben gehen jedoch Glasflaschen, sogenannte Berille, mit gegohrenem Honigwasser herum. Der Ueberbringer desselben giesst dabei, indem er eine Flasche darreicht, eine Kleinigkeit davon in die hohle Hand und trinkt sie vor dem Gaste aus, um demselben damit zu zeigen, dass der Trank nicht vergiftet sei. Auch die zubereiteten Speisen erscheinen fuer einen Europaeer sehr widerlich, denn bei vielen wird ein Oel aus den Samenkoernern der Nukpflanze von sehr unangenehmem Geschmack zugesetzt. Die Abessinier koennen ganz unglaubliche Portionen verschlingen und die Gefahr, dabei zu ersticken, welche Bruce scheinbar uebertreibend anfuehrt, wird auch von Rueppell hervorgehoben. Eine Hauptsache beim Essen ist jedoch, dass sie die Kauwerkzeuge unter lautem Geschmatze und Geschnalze bewegen muessen. Laendlich, sittlich! und diese "Sitte" gilt nicht nur in den niederen Klassen, sondern auch bei Hofe, selbst in unsern Tagen bei Theodoros II. Dieser hatte den Missionaer Stern zur Tafel geladen; die Mahlzeit bestand, da gerade Fasttag war, einfach aus Tiefkuchen und Honigwasser. "Da machte ich", erzaehlt Stern, "einen Verstoss gegen die Sitten des vornehmen Lebens. Nach abessinischen Begriffen muss jeder Mann aus der Aristokratie beim Essen schmatzen wie ein Schwein. Davon wusste ich leider nichts; ich ass so, wie wir in Europa es fuer schicklich halten, aber das trug mir den Tadel der Gesellschaft ein; die Leute raunten sich allerlei ins Ohr. Endlich fiel mir die Sache auf, und ich fragte den Englaender Bell, ob ich etwas Unangemessenes gethan habe. Bell entgegnete: Gewiss haben Sie das. Ihr Betragen ist so _ungentlemanly_, dass alle Gaeste glauben muessen, Sie seien ein Mensch ohne alle Erziehung und Bildung und gar nicht gewohnt, sich in anstaendiger Gesellschaft zu bewegen. - Nun, wodurch habe ich denn eine so schmeichelhafte Meinung verdient? - Einfach durch die Art und Weise wie Sie essen. Wenn Sie ein Gentleman waeren, so wuerden Sie das bei Tafel beweisen; Sie muessen recht laut und derb schmatzen und Keiner wird bezweifeln, dass Sie ein Mann von Stande seien. Da Sie aber nicht schmatzen und die Speisen lautlos kauen, so glaubt hier Jeder, dass Sie ein armer Tropf sind. - Ich erklaerte dann den abessinischen Aristokraten, dass bei mir zu Lande, in Europa, eine andere Sitte herrsche, und damit brachte ich die Dinge wieder in richtigen Zug." - -------------- [Illustration: Ein schneidernder Abessinier in Gondar. Nach Lejean.] In der _Kleidung_ der Abessinier walten selbstgesponnene und gewebte Baumwollenstoffe vor. Wie im Orient noch immer, so spinnen auch die Frauen die gereinigte Baumwolle mit der Spindel aus freier Hand; mit dem Weben beschaeftigen sich jedoch vorzugsweise die Muhamedaner. Die Kleidung der _Maenner_ besteht aus weiten Unterhosen, einem langen, um die Brust und den Leib geschlungenen Guertel, der eine Ausdehnung von zuweilen 100 Ellen hat, und einem weiten faltigen Mantelueberwurf, welcher aus einem grossen Stuecke Zeug besteht, das bei Vornehmen mit einem faltigen Rande versehen ist. Mehr ist von der _weiblichen Kleidung_ zu berichten. Sie besteht aus einem grossen Hemde mit weiten, jedoch an der Handwurzel eng zulaufenden Aermeln. Darueber tragen sie den Umschlagmantel gleich den Maennern. Ausser einigen Seidenstickereien am Hemde zeichnet noch der Putz die abessinischen Schoenen aus. Ohrringe oder Rosetten, welche eine Goldblume vorstellen, sind ein sehr beliebtes Schmuckmittel, desgleichen silberne Halsketten und dicke Ringe an den Fussknoecheln, beide oefter mit kleinen Silbergloeckchen behaengt. Das Haupthaar der Frauen ist gewoehnlich kurz abgeschnitten oder es wird, wenn es in seinem natuerlichen Zustande bleibt, mit Anwendung von vieler Butter in duenne anliegende Zoepfchen geflochten. Auch hier ruft, wie bei unseren Damen, die Mode sehr haeufig Aenderungen der Haartracht hervor, die genau befolgt werden. Stirnbaender oder Schuhe von rothem Leder kommen nur ausnahmsweise vor. Luxusartikel der maennlichen Kleidung sind Arm- und Stirnbaender als Ehrendekorationen. Die blaue Schnur von Seide oder Baumwolle, welche als Zeichen des Christenthums gilt, wird allgemein getragen. Diese allgemeine Tracht erleidet natuerlich vielerlei Ausnahmen. In den Grenzlaendern findet man fast ganz nackte Leute, die nur den Leibschurz tragen; in Schoa hatte allein der Koenig das Recht, sich mit goldenen Dingen zu schmuecken. In Foggera, oestlich vom Tanasee, tragen Frauen und Maedchen grosse gegerbte Lederhaeute, welche zugleich Nachts als Schlafmatratze dienen. Beim Gehen verursacht dieser lederne Leibrock ein sonderbares Geraeusch. In den hohen Alpengegenden der Provinz Semien schuetzen sich die Bewohner gegen das harte Klima durch eine Art von ambulantem, aus Rohrdecken zusammengeflochtenem Schutzdache (Gassa), welches sie bestaendig mit sich herumtragen, um ihre durch duerftige Lumpen nur zum Theil bedeckten Koerper gegen ploetzliche Regenguesse und Schneegestoeber zu verwahren; ein anderes Schutzmittel gegen die schneidende Luft in den Hochlanden sind Kappen von Ziegenhaar, die bis ueber die Ohren gehen. Als Zeichen der Ehrerbietung zieht der Abessinier bei Begegnungen den die Schultern bedeckenden Theil seines Kleides (Schama) herab und vor dem Landesherrn erscheint er nur geguertet, d. h. er schlaegt die den Oberkoerper bedeckenden Theile des Kleides ueber dem Guertel um den Leib, waehrend ein Hochgestellter in Gegenwart untergeordneter Personen sich das Gesicht vom Kinn bis ueber den Mund verhuellt. _Sauberkeit_ ist keine Tugend der Abessinier, und ihre Wohnungen wie ihre Koerper zeigen oft den hoechsten Grad von Schmuz. Merkwuerdig ist, dass in ganz Abessinien das Waschen der Kleidungsstuecke Sache der Maenner und nicht der Frauen ist. Statt der Seife bedienen sie sich der getrockneten Samenkapseln des Septestrauches (_Phytolacca abessinica_), welche zwischen Steinen zu Mehl gerieben und dann auf einem Leder mit Wasser gemischt werden; das zu waschende Tuch wird hierauf in dieser Mischung mit den Fuessen gestampft, worauf es, nachdem die Operation einige Male wiederholt wurde, von jedem Schmuze befreit ist. Die Bewohner der Kuestengegend bei Massaua, wo es keine Septe giebt, bedienen sich statt der Seife beim Waschen getrockneten Kameelmistes. -------------- Das sehr ungeregelte Leben der Abessinier ist auch die Ursache vieler _Krankheiten_, die grosse Verheerungen unter ihnen anrichten. Geschlechtliche Vergehen und Krankheiten sind allgemein verbreitet, ebenso Kraetze und die arabische Gliederkrankheit; bei letzterer schnurrt die Haut an den Finger- oder Zehengelenken zusammen, das Glied stirbt nach und nach ab und loest sich endlich ganz vom Koerper. So verliert der Kranke ein Glied der Finger und der Zehen nach dem andern, bis der nackte Stumpf der vier Gliedmassen allein uebrig geblieben ist und der sonst scheinbar gesunde Mensch zum huelflosen Geschoepf wird. Der Verlauf und die Unheilbarkeit dieser erblichen Krankheit ist in Abessinien sehr wohl bekannt, und den Kranken ueberfaellt, wenn er die ersten Anzeichen spuert, natuerlicherweise Schwermuth. Die _Filaria_ oder der Medinawurm kommt ziemlich haeufig vor, ist aber meistens nur eingeschleppt. Der Keim dieses Schmarotzers dringt in das Wadenfleisch der Menschen ein, bildet sich dort aus und verursacht die groessten Schmerzen, gegen welche man mit Glueck Zibethmoschus anwendet; Kroepfe und Kretinismus finden sich in einigen Gegenden; die Blattern richten periodisch grosse Verwuestungen an; Schwindsucht und Augenentzuendungen sind haeufig. Die einheimischen _Aerzte_ (Tabib) koennen nur als Charlatans angesehen werden. Es existiren auch medizinische Werke, darunter eins mit dem Titel "El Falasfa", dessen mitunter hoechst laecherliche Vorschriften sympathetischer und mystischer Art sind. Auch die Geistlichkeit verlegt sich auf das Kuriren, und Rueppell sah, wie ein Knabe, der ueber und ueber mit Brandwunden bedeckt war, mit Honig und dem Blute eines schwarzen Huhns von einem Priester bestrichen wurde. Nach vier Stunden gab derselbe seinen Geist auf. Die "boesen Geister" werden von den Priestern gleichfalls vertrieben, wie Isenberg selbst zu beobachten Gelegenheit hatte. Der Geistliche liess sich einen Topf mit Wasser geben, las darauf schnell einige Gebete aus dem Buche Haimanot (Glaube) und spuckte dann mehrere Male in das Wasser. Isenberg machte ihm Vorwuerfe hierueber, allein der Priester liess sich nicht aus der Fassung bringen und besprengte mit der Fluessigkeit das Haus, welches solchergestalt von allen Unholden befreit wurde. Freilich ist dieses Verfahren von dem bei uns immer noch geuebten Exorzismus nicht weit entfernt, und es steht uns daher wenig an, darueber viele Worte zu verlieren, so lange wir selbst nicht frei von aehnlichen Thorheiten sind. Auch das Heilverfahren der abessinischen Wundaerzte erinnert an die "gute alte Zeit". Ein Zahn wird mittels Zange und Hammer von einem Schmiede ausgezogen, d. h. mit denselben Instrumenten, mit denen er sein Metall zu bearbeiten pflegt. Aderlass wird mit einem Rasirmesser, Schroepfen mit einem Ziegenhorn vollzogen, dessen Luftinhalt durch Erhitzen verduennt wurde. Schlecht geheilte Knochenbrueche, die verkuerzte Glieder hinterliessen, werden einfach nochmals gebrochen und so zu kuriren versucht. Indessen Amulete stehen in weit hoeherem Ansehen, als der _Bala medanit_ oder Meister der Arzneien. Wahnsinn, Epilepsie, Delirium, Veitstanz und aehnliche oft unheilbare Uebel, fuer welche man keine Heilmittel kennt, werden einfach dem Einflusse von Daemonen zugeschrieben und der Patient hiernach behandelt. Blaue Papierstreifen sollen gegen Kopfweh helfen; gewisse Pflanzensamen, in Saeckchen bei sich getragen, schuetzen gegen den Biss toller Hunde und gegen Unglueck auf Reisen. Doch muessen diese Saemereien mit der linken Hand gepflueckt werden zu einer guenstigen Zeit, wenn die Sterne dem Pflueckenden hold sind - sonst hilft das Mittel zu nichts. Wie wir schon aus Bruce wissen, verwuesten die Pocken oft das Land und fordern ihre Opfer. Eine Art Impfung, wobei die Lymphe mit Honig vermischt wird, findet dann von den _menschlichen_ Pusteln statt, in deren Folge oft viele Leute sterben. In allen Faellen wendet man sich indessen, dem Aberglauben huldigend, lieber an den Priester als an den Quacksalber, was im Grunde genommen einerlei ist, da beide von der Medizin nach unsern Begriffen nichts verstehen. -------------- Wenngleich es den Abessiniern nicht an der noethigen Faehigkeit und Geschicklichkeit fehlt, so ist doch bei der allgemein herrschenden Indolenz die _Industrie_ und Gewerbthaetigkeit sehr gering entwickelt, ja, sie erhebt sich kaum ueber den allgemein afrikanischen Standpunkt, und manche Gewerbzweige werden in derselben primitiven Weise wie bei den benachbarten Negervoelkern betrieben. Ein grosser Theil der industriellen Thaetigkeit liegt in den Haenden der fleissigeren Juden und Muhamedaner. Von den Schmieden war schon die Rede; das Verfahren, wie das Metall aus dem rothen Eisenthon in Tigrie bereitet wird, ist genau dasselbe wie es in Madagascar, am Zambesi oder in Westafrika stattfindet. Feinere Metallarbeiten liefern eingewanderte Armenier und Indier. Die Holzschnitzereien sind zum Theil prachtvoller Art. In der Kirche Lalibela in Gondar z. B. sind Flachreliefs an Thueren und Fenstern angebracht und theilweise bemalt. Ausser den Arabesken, deren freie Erfindung und schoene Harmonie einen vorzueglichen Eindruck hervorbringt, sieht man Darstellungen aus dem Leben der Heiligen oder fabelhafte Ungeheuer, wie den _Sebetat_, der halb Mensch, halb Loewe ist. Sein Schwanz bestand aus zwei Schlangen; seine Waffen waren Pfeil und Bogen. Doch diese schuetzten ihn nicht gegen den Stier Meskitt, welcher ein silbernes und ein goldenes Horn trug und den Sebetat toedtete. Eine andere Holzschnitzerei zeigt uns den Kaiser Konstantin; dann - figuerlich ausgedrueckt - dessen Gewalt und schliesslich die Fuerstin Menene, die Mutter des Ras Ali und Erbauerin der Kirche. Bei der oft herrschenden grossen Kaelte werden die sonst wenig industrioesen Abessinier wenigstens mit Gewalt zur Weberei gezwungen. Die rohe Baumwolle, welche ungemein billig und ausgezeichnet im Lande ist, wird gegen einige Salzstuecke eingehandelt und auf der einfachen, urthuemlichen Spindel gesponnen. Zeit ist in Abessinien kein Geld, und so kommt es denn gar nicht darauf an, dass die Frauen recht lange mit dem Spinnen einer kleinen Partie Baumwolle zubringen. Das Garn kommt dann auf einen ganz gewoehnlichen, einfachen Webstuhl und wird mit Huelfe des Schiffchens in einen warmen, dauerhaften Mantel (Schama) umgewandelt. (Siehe die Abbildungen S. 98 und 99.) Auch Schaf- und Ziegenwolle wird verwebt. Lederfabrikation zu Sattelzeug, Schilden, Riemen, Schuhen fuer die Priester ist ein weitverbreitetes Gewerbe. Toepferei und Pfeifenfabrikation treiben die Falaschas. Drechsler liefern aus den Hoernern des Sanga-Ochsen oder des Rhinozeros geschnitzte Becher (Wantscha). Zierliche Koerbchen und Sonnenschirme aus Rohr, Binsen oder Stroh flechten die Frauen; Schneider giebt es dagegen nicht, da jeder Abessinier selbst fuer seinen Kleiderbedarf sorgt; ebenso mangeln Baecker und Mueller, und von groesseren Industriezweigen, die an einem Export ihrer Erzeugnisse arbeiteten, ist gar nicht die Rede, da nur Rohprodukte zur Ausfuhr gelangen. Der _Handel_ Abessiniens kann nach keiner Richtung hin ein bedeutender genannt werden, wenn er auch durch Massaua mit dem Rothen Meere in Verbindung steht. Die hohen, steil abfallenden Gebirgsketten mit den schwer zugaengigen Paessen erschweren die Kommunikation ganz bedeutend, und die saemmtlichen Fluesse des Landes sind fuer die Schiffahrt nicht im geringsten geeignet. Dazu kommt vor Allem die geringe eigene Produktion von Handelswaaren, sodass schliesslich fuer den abessinischen Handel - von den Sklaven abgesehen - nur die aus den suedwestlichen Laendern kommenden Erzeugnisse, wie Gold, Elfenbein u. s. w. als Durchgangswaaren in Betracht kommen. Hierdurch erklaert sich auch das geringe Interesse, welches man - Missionsfragen ausgenommen - in Europa an Abessinien vom praktischen Gesichtspunkte hatte und das erst durch Koenig Theodoros und die Gefangenhaltung der Englaender wieder aufgefrischt wurde. [Illustration: Sebetat, ein fabelhaftes Ungeheuer. Holzschnitzerei in der Kirche Lalibela. Originalzeichnung von E. Zander.] Fuer den Grosshandel haben die Abessinier wenig Sinn, dem kleinen Schacher ist aber jeder zugethan und sucht auf alle moegliche Weise sein Geschaeftchen zu machen. Auf den Messen und Maerkten, die sich meist an die Kirchen knuepfen, geht es lebhaft zu, und grosse Menschenmengen sind dann versammelt. So traf Rueppell zu Ende Februar 1832 bei der Kirche von Bada, oestlich vom Tanasee, gegen 10,000 Marktbesucher beisammen, von denen allerdings viele nur des Zuschauens wegen gekommen waren. Der europaeische Handel hat sich in Abessinien noch verhaeltnissmaessig wenig Einfluss verschaffen koennen. Die bestaendigen Kriege, die schlechten Kommunikationsmittel und Wege, endlich die Zollplackereien lassen ihn nicht recht aufkommen. Die Produktion des Landes selbst, Getreide, Huelsenfruechte, Tabak, Kaffee, ist verhaeltnissmaessig viel zu gering, waehrend doch alle Nutzpflanzen der Tropen und der gemaessigten Zone praechtig gedeihen wuerden. Dagegen werden Haeute, Maulthiere und gute Gebirgspferde in grosser Menge exportirt. _Honig_ und Wachs werden in sehr grosser Menge ausgefuehrt. Der erstere, Mar genannt, wird in Toepfen zugleich mit dem Wachs feilgeboten, weil er nur so zur Bereitung des Honigwassers dienlich ist, wozu er beinahe ausschliesslich verbraucht wird. Die betruegerischen Abessinier wenden ihre ganze Verschlagenheit beim Verkauf des Honigs an, indem sie die untern Schichten der Toepfe mit Mehl, Wachs oder andern Stoffen ausfuellen. Neben dem Honig kommt auch Butter (Tesmi) in pfundschweren Kugeln auf den Markt. Unter den _Manufakturen_ spielen die Baumwollenwaaren (Schama) eine grosse Rolle; sie werden zu Leibbinden, Umschlagtuechern, Beinkleidern u. s. w. verarbeitet und sind entweder rein weiss oder mit blauen und rothen Seitenstreifen versehen; ganz blaue und ganz rothe Kattune kommen aus Indien ueber Massaua; die blaue Farbe hat in den meisten Faellen den Vorzug, und namentlich sind es blaue Seidenschnuere (Mareb), die sich stets eines grossen Absatzes erfreuen. Jede Schnur muss ziemlich dick und fuenf Fuss lang sein, sodass sie bequem um den Hals getragen werden kann. Da kein abessinischer Christ ohne eine solche geht, so sind sie eine stets begehrte Handelswaare, die auch immer hoch im Preise steht. Andere gangbare, meist eingefuehrte Handelsartikel sind: Spiessglanz, zum Faerben der Augenlider, Weihrauch, zum Raeuchern beim Gottesdienst, Zibethmoschus, um die als Pomade benutzte Butter damit zu parfumiren, "Tombak" (indischer Tabak), entweder um Schnupftabak daraus zu machen, oder um ihn in Wasserpfeifen zu rauchen, schwarzer Pfeffer (Berberi), der auch zu Zollzahlungen dient; Naehnadeln mit grossem Oehr; Glasperlen, Kaurimuscheln, Sandelholz zum Raeuchern. Ein Handelsartikel, nach dem namentlich die abessinischen Frauen greifen, sind duenne silberne Ringe, die am kleinen, und Hornringe, die am Mittelfinger getragen werden. _Gummi_, das in grosser Menge gewonnen werden koennte, kommt nicht auf die abessinischen Maerkte, obwol es in Massaua gut bezahlt werden wuerde. Bei der Schilderung des genannten Hafenortes werden wir sehen, wie bedeutend selbst heute noch dort die Ausfuhr von abessinischen _Sklaven_ ist, die in der That noch immer, trotz aller zeitweiligen Verbote gegen den Sklavenhandel, einen wichtigen Artikel ausmachen. Adoa, Gondar und Massaua sind die grossen abessinischen Sklavenmaerkte, zu denen die lebende Waare von den verschiedensten Gegenden hergeschleppt wird. Die eingeborenen freien Abessinier koennen nur durch Kriegsgefangenschaft oder Raub in die Sklaverei gerathen; diese bilden den kleineren Theil, die meisten Sklaven stammen aus den Grenzlanden, sowol im Norden als im Sueden; entweder sind es Schangalla vom Setit, Galla aus den Laendern suedlich vom Blauen Nil, oder eigentliche Neger, die von den Aegyptern aus Fazogl oder Sennaar eingefuehrt werden. Da die _Christen_ sich eigentlich mit dem Sklavenhandel nicht befassen sollen, so umgehen sie dieses dadurch, dass sie den Kauf oder Verkauf scheinbar durch Muhamedaner abschliessen lassen. Die Behandlung der Sklaven ist in der Regel eine milde und ihr Verhaeltniss zu dem Herrn dem des freigeborenen Dieners gleich; die Zuechtigungen sind selten hart und bestehen nur in voruebergehender Fesselung. "Wenn sich Voelker auch bekaempfen", schreibt Munzinger, "so sind die Opfer doch nur die Soldaten und die Gueter; Weib und Kind sind respektirt. Kein freier Abessinier wird von seinem Mitbuerger in die Sklaverei verkauft. Die Leibeigenschaft erstreckt sich nur auf die von aussen eingefuehrten Schwarzen, die nur den kleinsten Theil der Bevoelkerung ausmachen. Der Sklavenhandel ist den Christen (durch Theodor) bei Todesstrafe verboten. Die Frau ist unverletzlich und hat ihre bestimmten grossen Rechte." _Werthmesser_ in Abessinien sind das Salz und der oesterreichische Maria-Theresia-Thaler. Das _Salz_ kommt aus den am Meeresufer liegenden natuerlichen Seewasserlagunen und wird durch Austrocknung durch die Sonnenhitze gewonnen; man bringt es dann ins Gebirge, um es dort an bestimmten Plaetzen gegen Getreide umzutauschen. Alles Salz, welches im nordoestlichen Abessinien verbraucht wird, ist solches Seesalz, waehrend in den uebrigen Theilen des Landes eine Art Steinsalz aus der oestlich von der Provinz Agamie gelegenen Ebene Taltal benutzt wird. Viele Gesellschaften aermerer Leute, von denen jeder nur ueber ein Kapital von einigen Thalern zu verfuegen hat, ziehen regelmaessig mit ein paar Eseln aus dem Innern nach den oestlichen Provinzen, um dort Salz einzukaufen, und machen dabei einen Gewinn, der zu ihrer und ihrer Familie Unterhaltung ausreicht. Verliert ein solcher Haendler sein Kapital durch Pluenderung, so muss er fuer wohlhabendere Leute die Reise machen und sich mit geringerem Gewinn begnuegen. Das Salz wird in Taltal in regelmaessige Stuecken von der Gestalt eines Wetzsteins ausgehauen, die dann als _Scheidemuenze_ in ganz Abessinien cirkuliren. Sie sind etwa 8-1/8 Zoll lang, 11/2 Zoll dick, an beiden Enden abgestutzt und wiegen durchschnittlich vierzig Loth. Ihr Verhaeltniss zu den Speziesthalern ist sehr verschieden und haengt theils von der Entfernung eines Ortes von der Salzebene, theils von den ruhigen oder unruhigen Zustaenden der Gegenden ab, durch welche diese Stuecken transportirt werden muessen. Sie schwanken also genau so wie unsere europaeischen Werthpapiere je nach den politischen Verhaeltnissen, haben jedoch vor diesen den Vorzug, stets einen reellen Werth zu repraesentiren. In der Amharasprache heisst das Salz ueberhaupt Schau; als Scheidemuenze in der beschriebenen Form benennt man es jedoch Amole oder Galep. Rueppell fand den Werth eines _Maria-Theresia-Thalers_ in Gondar je nach den politischen Zustaenden zwischen 20 und 32 Salzstuecken schwankend, oder, dem Gewichte nach ausgedrueckt, man erhielt etwa 27 bis 41 Pfund Salz fuer den Thaler. Dieser letztere selbst schwankt nicht etwa nach dem Silbergehalt, sondern nach dem Gepraege bedeutend im Werthe und ist der Agiotage unterworfen. Nach dem in ganz Ostsudan und Abessinien herrschenden Vorurtheile sind die mit dem Bilde der Kaiserin Maria Theresia versehenen Thaler die besten und allen uebrigen Muenzen vorzuziehen, und zwar muss bei ihnen das Diadem im Haare sieben wohlausgedrueckte Perlen zeigen, der Schleier am Haupte sich deutlich abheben, der Stern auf der Schulter gross und der Avers mit den Muenzbuchstaben _S. F._ deutlich versehen sein. Ohne diese Zeichen und die Jahreszahl 1780 sinkt der Thaler gleich bedeutend im Werthe, und selbst wenn der Kopf der Kaiserin ungluecklicherweise Locken statt des Schleiers zeigt, ist es schwer, ein solches Muenzstueck anzubringen. Dieselben Vorurtheile herrschen in ganz Nordostafrika, wo ein der obigen Muenzpraegung entsprechender Maria-Theresia-Thaler dafuer jedoch zum "Abu gnuchte", zum "Vater der Zufriedenheit" wird. Durchloecherte Thaler oder solche, die mit dem Bilde des Kaisers Franz versehen sind, haben geringeren Werth und sind nur mit Verlust anzubringen; desgleichen spanische Saeulenpiaster (Colonnaten) oder andere harte Silbermuenzen. Noch fuer lange Zeit hinaus wird der Maria-Theresia-Thaler Werthmesser in Nordostafrika bleiben und das sonst an Silbergeld arme Oesterreich praegt fuer diesen afrikanischen Handel noch Jahr aus Jahr ein Thaler mit dem alten Stempel, ja es hat sich sogar in der Muenzuebereinkunft mit Frankreich (1867) vorbehalten, fortwaehrend Maria-Theresia-Thaler praegen zu duerfen. Noch ist zu erwaehnen, dass in der Umgebung von Adoa das dort gefertigte Baumwollenzeug an Zahlungsstatt gegeben wird. Es besteht aus Grans oder Stuecken von 8 Ellen Laenge und 1 Elle Breite, deren Werth sehr schwankend ist. Dieser Stoff dient blos zur Verfertigung von Beinkleidern, welche in Tigrie von Jedermann getragen werden. Einkaeufe von geringem Betrag berichtigt man mit Getreide. [Illustration: Maria-Theresia-Thaler.] [Illustration: Die Kirche zu Axum in Tigrie. Nach H. Salt.] RELIGION, KIRCHE UND GEISTLICHKEIT ABESSINIENS. DAS MISSIONSWESEN. Das Christenthum Abessiniens, dessen Lehren und Verwahrlosung. - Der Abuna. - Art des Gottesdienstes. - Die lasterhafte Geistlichkeit. - Moenche und Kloester. - Politische Asyle. - Zeitrechnung. - Feste. - Taufe, Ehe, Begraebniss. - Die Kirchen, ihre Einrichtung und Ausschmueckung. - Die verschiedenen Missionsversuche in Abessinien, deren Misslingen und Urtheile darueber. Unter den Sonderkirchen des Morgenlandes, die durch das Dogma der Dreieinigkeit mit der allgemein christlichen zusammenhaengen, aber nach zwei verschiedenen Richtungen hin von ihr infolge der Bestimmungen sich loesten, denen im fuenften Jahrhundert die Vorstellung von der Gottheit und Menschheit Christi unterworfen wurde, giebt es zwei Volkskirchen, die beide fast monophysitisch sind, beide von selbstaendigen Sprachen, Stiftungen und Ueberlieferungen getragen werden, die beide tief verfallen und entartet sind: die armenische und abessinische Kirche. Die letztere, die entlegenste, abgesperrteste, ist auch die entartetste, die am meisten von Heidenthum, Judenthum und Muhamedanismus durchsetzte und ueberhaupt dem Christenthum am fernsten stehende. Byzantinische Scheinrechtglaeubigkeit hat diese Kirche in den Fanatismus der Formel versetzt, und die Waffen des Geistes werden vor dem priesterlichen Bann gestreckt; das Leben dieser Kirche basirt auf dem Anblasen und Handauflegen des Abuna, des obersten Bischofs, und leere Ceremonien gelten fuer Gottesverehrung. Dazu gesellt sich, dass die Traeger dieser Kirche, vom hoechsten Kirchenfuersten an bis zum niedrigsten Moenche herab, durch eine grenzenlose Sittenlosigkeit dem ganzen Volke mit ueblem Beispiel vorangehen und dass sie die bedeutende Macht, welche sie ausueben, meistentheils zum eigenen Nutzen verwenden. Selbst die grosse Versunkenheit, in welche die europaeische Geistlichkeit im Mittelalter zum Theil verfallen war, reicht noch lange nicht an jene der abessinischen Priester heran. Von der Einfuehrung des Christenthums war bereits die Rede, sehen wir nun, wie dasselbe heute beschaffen ist. Die Abessinier sind koptische Christen. Sie glauben an eine goettliche Offenbarung in der Heiligen Schrift, doch hat die kirchliche Tradition genau dieselbe Geltung wie die Bibel. Nach dem Missionaer Isenberg haben sich bei ihnen die Hauptlehren des Christenthums von dem Dreieinigen Gott, dessen Wesen, Eigenschaften und Werken, von der Schoepfung der Welt, von den Engeln, von der Schoepfung, dem Fall, der Erloesungsbeduerftigkeit des Menschen, von der Erloesung durch Christum, von dem Heiligen Geiste, der christlichen Kirche, den Sakramenten, von der Auferstehung und dem letzten Gericht erhalten; aber zum Theil durch allerlei Zuthaten so veraendert, dass nur noch mit Muehe ein biblisches Moment darin zu erkennen ist. Den Heiligen Geist lassen sie nur vom Vater ausgehen, leugnen jedoch nicht, dass er nur durch Christus vermittelt ist. In Christus nehmen sie mit den uebrigen _Monophysiten_ nur eine Natur an, sind jedoch ueber die Art der Vereinigung des Goettlichen und Menschlichen in ihm verschiedener Meinung. Ihre Lehre von der Schoepfung und Regierung der Welt, sowie ihre Engellehre ist voll von heidnischen, juedischen und muhamedanischen Vorstellungen. Sie glauben an das durch Christus vollbrachte Heilswerk, beschraenken dasselbe jedoch durch Pelagianismus, d. h. sie leugnen die Verderbniss der menschlichen Natur durch die Folgen der Suende Adam's und erklaeren die natuerlichen Anlagen und Kraefte des Menschen fuer hinreichend zur Erlangung der Seligkeit. Die Jungfrau Maria geniesst unter den Abessiniern eine ganz besondere Verehrung; allgemein ist der Glaube unter ihnen verbreitet, dass sie fuer die Suenden der Welt starb und 144,000 Seelen dadurch errettete. Aus diesem Grunde sagte dem Volke auch die Lehre der katholischen Missionaere weit mehr zu als diejenige der Protestanten. Viel zu schaffen machte den Abessiniern vor etwa 70 Jahren die Lehre von den _drei Geburten Christi_, ein Dogma, das von einem Moenche in Gondar aufgebracht wurde. Hiernach war Christus vor allem Weltanfang schon aus dem Vater hervorgegangen (erste Geburt), dann Mensch aus der Jungfrau Maria geworden (zweite Geburt) und durch die Taufe im Jordan durch den Heiligen Geist zum dritten Male geboren. Nach einem langen Kampfe mit der Gegenpartei, die nur zwei Geburten annahm, wurde 1840 durch Befehl Sahela Selassie's, des Koenigs von Schoa, der Glaube an die drei Geburten als allein rechtglaeubig durchgesetzt und die Anhaenger der zwei Geburten mussten das Feld raeumen. Sie flohen zum Abuna in Gondar, der sie in seinen Schutz nahm und vom Koenige verlangte, dass er die Vertriebenen wieder aufnehme, da ihr Glaube, als mit demjenigen des heiligen Markus uebereinstimmend, der einzig rechte sei. Als Sahela Selassie sich nicht fuegen wollte, bedrohte ihn der Abuna mit Krieg, der jedoch erst 1856 unter Koenig Theodoros gegen Sahela's Sohn zur Ausfuehrung kam. Dieser unterwarf Schoa und fuehrte die Lehre von den zwei Geburten wieder ein, die nun allein herrschend ist, nichtsdestoweniger aber als "Karra-Haimanot", d. h. Messer-Glauben bezeichnet wird, da sie die dritte Geburt Christi gleichsam "abschnitt". Suendentilgungsmittel der Abessinier sind strenge Fasten, Almosengeben, Kasteiungen, Moenchthum und Einsiedlerleben, nebst Lesen und Abbeten groesserer oder kleinerer Abschnitte aus der Heiligen Schrift und andern Buechern. Der Priesterstand uebernimmt fuer Geld ebenso wie in der katholischen Kirche diese Verrichtungen, daher _Ablass_ und eine Art von Seelenmessen auch hier stattfinden. Die Abessinier fasten in jeder Woche des Jahres, mit Ausnahme der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten, zwei Tage, und zwar, gleichwie es in alten Zeiten bei den Juden Gebrauch war, am Mittwoch und Freitag. Ausserdem enthalten sie sich noch an folgenden Tagen des Essens: an den drei letzten Tagen des Monats Ter, zum Andenken der Busse von Ninive's Bewohnern; waehrend der 55 Tage, die unmittelbar dem Osterfeste vorangehen, wovon 41 Tage dem Andenken an die Fasten Christi in der Wueste, 7 der Passionswoche und 7 andern Erinnerungen geweiht sind; die Fasten der Apostel sind von verschiedener Laenge, je nachdem Pfingsten frueher oder spaeter faellt; die Fasten zu Ehren der Jungfrau Maria, wozu 15 Tage des August bestimmt sind, von ihrem Sterbetage bis zu ihrer Himmelfahrt; vierzigtaegiges Fasten zur Vorbereitung auf das Fest der Geburt Christi vor Weihnachten. Man sieht aus diesem Verzeichniss der Fastenzeiten, von welchen die letzten beiden nicht von allen christlichen Abessiniern gehalten werden, dass ein diesen Enthaltungsvorschriften nachlebender Christ im Laufe des Jahres beilaeufig 192 Tage, d. h. weit ueber die Haelfte des Jahres zu fasten hat. Rechnet man hierzu noch einzelne Straffasten, so kommt _dreivierteljaehriges Fasten_ heraus! Dass dieses nicht streng gehalten werden kann, liegt auf der Hand, aber vor Ostern, sowie den Mittwoch und Freitag, beobachtet man die Regeln unweigerlich. Aehnlich wie die Juden verachten die Abessinier das Nilpferd, den Hasen, die Gaense und Enten und meistens auch das Schwein als unreine Thiere. Was den Heiligen Geist angeht, so kennt der Abessinier nur die Wunderkraefte, mit denen er Propheten und andere Heilige ausruestete; auch glauben sie an eine Mittheilung des Heiligen Geistes durch die Taufe. Was die Kirche betrifft, so gelten hier die alten Ueberlieferungen von einer _Verlosung der bewohnten Welt unter die Apostel_, sie koennen aber nicht nachweisen, welchen Theil gerade jeder Apostel bekommen habe. Dass Petrus und Paulus Rom und Europa, Johannes Antiochien, Kleinasien und Syrien, Marcus Aegypten bekommen habe, steht ihnen fest; daher halten sie diese drei Kirchen fuer einander gleichstehend. Sie erkennen dem Papste als Nachfolger Petri einen gewissen Vorzug als dem Ersten unter Gleichgestellten zu. Ihre Kirchenverfassung ist episkopal. Der zu Kairo residirende koptische Patriarch von Alexandrien ist das Oberhaupt der abessinischen Kirche und von ihm erhalten sie ihren Bischof, den sie vorzugsweise _Abuna_, unser Vater, nennen. Als einziger Bischof des Landes, und zugleich in der Hauptstadt residirend, ist er zugleich Metropolitan. Seit Abuna Tekla Haimanot, der im 13. Jahrhundert die sogenannte salomonische Dynastie wieder herstellte, besteht die Verordnung, dass _kein Abessinier_ mehr zu dieser Wuerde gelangen darf, sondern immer nur ein Kopte dieselbe bekleiden kann, um der Hoffnung Raum zu geben, immer einen neuen Zufluss theologischer Anregung von aussen zu bekommen, da jener Heilige selbst, der letzte Abuna aus abessinischem Stamm, daran verzweifelte, tuechtiges theologisches Leben in der Geistlichkeit seines Landes zu erhalten. Dieser Tekla Haimanot (ums Jahr 1284) setzte ein Drittel des Bodens des ganzen Landes fuer kirchliches Einkommen fest, von welchem er den bedeutendsten Theil fuer seine Person erhielt. Der Abuna allein hat das Recht, Koenige zu salben und Priester und Diakonen zu ordiniren; in andern theologischen und kirchlichen Angelegenheiten entscheidet er gemeinschaftlich mit dem _Etschege_, dem Oberhaupte der Moenche. Beim Amtsantritt des Abuna muss die abessinische Regierung dem Patriarchen ein Geschenk von 7000 Thalern einhaendigen. Lejean erzaehlt, dass die stolze Fuerstin Menene ueber den letzten im Herbste 1867 gestorbenen _Abuna Abba Salama_ geaeussert habe: "Dieser Sklav, den wir aus unserm Beutel bezahlt haben, benimmt sich sehr hochmuethig." Das kam dem Oberpriester zu Ohren und er antwortete: "Allerdings bin ich ein Sklave, aber einer, der viel werth ist. Hat man doch 7000 Thaler fuer mich gezahlt! Mit der Fuerstin Menene verhaelt es sich freilich anders. Man koennte sie auf dem Markte zu Wochni ausstellen und bekaeme nicht zehn Thaler fuer sie." Auf jenem Markte werden naemlich sehr schlechte Maulthiere feilgeboten. - Andraos (Abba Salama oder Frumentius ist sein Bischofname) war etwa 1815 geboren und kam 1841 unter Ubie zu seiner Stellung. Dem Kaiser Theodor gegenueber hatte er eine eigenthuemliche wandelbare Stellung. Beide beobachteten einander, legten sich gegenseitig Hindernisse in den Weg, hassten und fuerchteten sich und stellten sich doch, als ob sie gute Freunde seien. Sehr oft machte Theodoros gar keine Umstaende mit dem Seelenhirten; er sperrte ihn in eine Feste und legte ihn in Ketten, worauf ihm Leute vom Hofgesinde auf den Knieen Speise reichen und die Fuesse kuessen mussten. Salama, ein geborener Aegypter, galt fuer einen Freund der Englaender. Als er sich frueher in Kairo der Studien halber aufhielt, besuchte er die protestantisch-englische Schule des deutschen Missionaers Lieder, der im Auftrage der anglikanischen Missionsgesellschaft arbeitete. Diese glaubte an ihm einen Proselyten gemacht zu haben, sah sich aber arg getaeuscht, denn der Abuna erklaerte spaeter die Protestanten fuer Ketzer. Als er einmal auf das Aeusserste gebracht war, drohte er Theodor in den Bann zu thun, dieser aber liess eine Huette aus duerren Zweigen errichten, worin der Abuna verbrannt werden sollte. Dies that er, um sich nicht in "blutiger" Weise an dem Gesalbten vergreifen zu muessen. Schleunig hob jedoch nach solchem Vorgange der Abuna den Bann auf. [Illustration: Debteras vor dem Abuna singend und tanzend. Nach Lefebvre.] Bald nachdem Theodoros zur Macht gelangt war, fand sich David (Daud), der Patriarch von Alexandria, im Auftrage des aegyptischen Vizekoenigs in Abessinien ein und benahm sich dort sehr hochfahrend, gleichsam als Herr und Gebieter. Theodoros seinerseits begegnete ihm mit Spott und Hohn und jener schleuderte ihm dafuer muendlich den Bann ins Gesicht. Theodor blieb ruhig, spannte eine geladene Pistole, schlug auf den Patriarchen an und bat ganz sanft: "Bester Vater, gieb mir deinen Segen!" David fiel auf die Kniee, stand wieder auf und ertheilte mit zitternden Haenden den Segen. Der Reisende _Apel_ schildert den Abuna Salama folgendermassen: "Er ist ein trauriges Bild des lasterhaften, ignoranten Zustandes der ganzen abessinischen Kirche. Stolz, unwissend, grausam, intrigant, sucht er auf jede Weise sich Gewalt und Reichthum zu erwerben. Er treibt sogar Sklavenhandel und nimmt nicht einmal Anstand, sich die Kirchengefaesse anzueignen, sie nach Aegypten zu senden und dort zu verkaufen. Er ist der geschworene Feind aller Europaeer." Der Empfang, welchen der Reisende bei diesem "Kirchenfuersten" fand, war nichts weniger als erbaulich. Als er gefangen in Gondar eingebracht wurde, empfing ihn dort mit finsterer Miene ein Mann, der ihn italienisch anredete. Es war der Abuna. "Bist du wieder", so begann er seine Schimpfrede, "einer von diesen vermaledeiten Ketzern, welche unsere Religion, die wir von den Heiligen Frumentius und Aedilius selbst empfangen haben, umstuerzen wollen?" Apel antwortete, dass er sich keineswegs hiermit befasse, und wurde nun weiter gefragt: "Hast du keine Bibel mitgebracht, das Volk irre zu fuehren und unsere heilige Kirche zu untergraben?" Als nun der Fremdling sagte, er sei Arzt und kein Geistlicher, bemerkte der Abuna: "Ihr seid aber alle Raeuber und Luegner, ihr Englaender! Ihr kommt zu uns als Werkleute verkleidet, gebt vor, euch mit der Arbeit zu beschaeftigen, unterrichtet aber das ganze Volk und fuehrt es zum Verderben." Schimpfreden gegen die Missionaere beschlossen den Sermon des Kirchenfuersten. Guenstiger urtheilt Heuglin von dem Manne, den er 1862 besuchte: "Er mag 45 Jahre alt sein, ist ein schoener Mann von kraeftiger Statur, jedoch viel leidend und in Folge eines Katarakts auf dem linken Auge erblindet. Sein Schicksal, fuer Lebzeiten an dieses Land gebannt zu sein, traegt der Abuna mit mehr Humor als christlicher Ergebung. Auf die abessinische Geistlichkeit ist der Bischof sehr schlecht zu sprechen, er haelt dieselbe fuer vollkommen unverbesserlich, auch spricht er sich unumwunden ueber die vielen Maengel und angestammten Krebsschaeden der hiesigen Kirche aus; trotzdem ist er aber den europaeischen Missionaeren hoechst abhold und erklaert, er halte sich unter den obwaltenden Umstaenden fuer verpflichtet, jede Art von Propaganda zu unterdruecken." Abba Salama, der 27 Jahre ueber Abessinien als Kirchenfuerst regierte, starb am 25. Oktober 1867. So traurig steht es heute um den hoechsten Kirchenfuersten Abessiniens, und ihn uebertreffen die uebrigen niedrigeren Geistlichen an Schlechtigkeit und Unwissenheit noch bedeutend. Diese sind an Rang und Wuerde zwar untereinander verschieden, allein ausser dem Abuna hat keiner das Recht, zu ordiniren. Ausser den Priestern und Diakonen besteht noch das Amt des kirchlichen Thuerhueters und Brotbaeckers. Jede Kirche hat noch ihren Aleka, dessen Geschaeft darin besteht, die Geistlichen anzustellen, zu beaufsichtigen und zu besolden und die Verbindung zwischen Kirche und Staat zu vermitteln. [Illustration: Erzbischoefliche Wuerdezeichen des Abuna. Nach Lefebvre.] Die Kirche hat ferner diejenigen, welche sich ihrem Dienste widmen wollen, zu unterrichten. Zum Diakonenamte wird jeder ordinirt, der sich dazu meldet, wenn er nur lesen kann. Will sich darauf einer dem Priesterstande ganz widmen, so heirathet er in der Regel vorher, weil es ihm spaeter nicht mehr erlaubt ist. Die Ordination ist sehr einfach: der Diakon sagt das Nicaeische Glaubensbekenntniss her, bezahlt zwei Salzstuecke an den Abuna, der ihm das Kruzifix entgegenhaelt und den Segen ueber ihn spricht. Unter dem Abuna Kyrillos, der vor etwa dreissig bis vierzig Jahren lebte, sollen Priester aus Kaffa nach Gondar gekommen sein und einen Ledersack mitgebracht haben, in welchen der Abuna Luft hauchen sollte, um mittels derselben diejenigen ihrer fernen Landsleute zu ordiniren, die sich dem Dienste der Kirche weihen wollten! Die Thaetigkeit der Priester besteht in taeglichem drei- bis viermaligen Gottesdienst bei Tag und Nacht, wobei des Morgens frueh die Priesterschaft mit Moenchen und Schuelern zum Genusse des Abendmahls zusammenkommt. Ausserdem fallen Taufen, Trauungen, Messelesen, Beichtehoeren in ihr Bereich. Der _Kirchengesang_ ist, obgleich hoechst unerbaulich, doch sehr kuenstlich und mit Mimik verbunden; das Studium desselben, sowie das Einlernen der langen Liturgie kostet den angehenden Priestern viele Jahre Zeit. Laecherlich erscheint uns auch die Art und Weise, wie die Priester aus ihren heiligen Buechern lesen, denn das Lesen an und fuer sich gilt schon als verdienstlich. Das Wort, mit dem sie dasselbe benennen, entspricht unserm "plappern" und passt daher gut, um das gedankenlose, ueberaus schnelle Lesen zu bezeichnen. Ein Priester, der seine oft ungemein lange Liturgie schnell zu Ende bringen will, liest oft mit solcher Behendigkeit, dass das Ohr in seinem Lesen die Artikulation der Stimme kaum besser unterscheiden kann, als das Auge die einzelnen Speichen eines schnell kreisenden Rades. - Was die Zahl der _Sakramente_ betrifft, so scheinen sie nur zwei, Taufe und Abendmahl, anzunehmen. Zum letzteren bedienen sie sich gesaeuerten Weizenbrotes, das von bestimmten Personen gebacken sein muss, und des Saftes ausgepresster Weintrauben. Dieses wird im Abendmahlskelch zusammengemischt, etwas Wasser zugegossen, das Ganze geweiht und mit einem Loeffel den Abendmahlsgenossen gegeben. Ihre Beichte uebertrifft alles, was in dieser Art anderweitig noch vorkommt. Nach einem vorgeschriebenen Formulare (Nusasie) fragt der Priester den Beichtenden, ob er gewisse Suenden, die in einer ungeheuren Schandliste alle auseinandergesetzt sind, nicht begangen habe. Auf jeder Suende steht nun eine vorgeschriebene kirchliche Strafe, die durch Fasten oder Bezahlung abgebuesst wird. Diese Bezahlungen und andere zusammengebettelte Summen dienen dem Priester dazu, ueber Massaua und Kairo eine Wallfahrt nach Jerusalem zu machen, die ueberhaupt das hoechste Ziel der Wuensche eines Abessiniers zu sein scheint, weil er dadurch nach seiner Rueckkehr gleichsam das Recht erhaelt, seine wohlhabenderen Landsleute auf die unverschaemteste Art um Geschenke zu bestuermen. Der Einfluss, welchen sich die Priester auf die Bevoelkerung zu verschaffen wissen, ist trotz ihres offenbaren unsittlichen Lebenswandels ein ausserordentlich grosser. Wenn in der Hauptstadt Gondar eine Frau einem Priester ihrer Bekanntschaft auf der Strasse begegnet, so kuesst sie demselben ehrfurchtsvoll die innere Seite der Hand; Maenner thun dies wohl auch, aber doch nicht in der Regel. Zwei sich begegnende Priester kuessen zur Begruessung einander gegenseitig die rechte Schulter. Schon durch die _Tracht_ unterscheidet sich der Priester vor seinen Mitmenschen. Sie, sowie diejenigen, welche sich zur gebildeten Klasse zaehlen, tragen am Kinn einen kurzen Bart, rasiren sich das Haupt und umwinden es turbanartig mit einem weissen Tuche. Den Oberkoerper deckt eine weisse Weste mit weiten Aermeln; ausserdem haben sie weisse, weite Beinkleider, eine schmale Leibbinde und ein grosses weisses Umschlagetuch mit farbigem Randstreifen. Grosse Schnabelschuhe vollenden den Anzug. Selten fehlt dem Priester ein Kruzifix, das die ihm begegnenden frommen Personen kuessen, und ein bunter, aus Haaren verfertigter Fliegenwedel. Um den Hals tragen sie ausser einer blauen Seidenschnur, ohne welche man nie einen abessinischen Christen sieht, meistens einen Rosenkranz, der aus Jerusalem stammt. Die Priester jeder Kirche (die normale Zahl derselben an einer Hauptkirche betraegt nicht weniger als _einundzwanzig_!) wohnen immer in kleinen Haeusern, die sich innerhalb der Mauer befinden, welche die Kirche sammt den sie umschattenden Baumgruppen gewoehnlich umfasst. Dieser abgeschlossene Raum wird oder wurde als ein heiliger Ort betrachtet, der gegen Pluenderungen gesichert ist. [Illustration: Abessinischer Klostergeistlicher und Student der Theologie aus Schoa. Originalzeichnung von Eduard Zander.] Auch den _Bannfluch_ kennt die abessinische Kirche. Als Isenberg mit seinem Mitarbeiter 1843 nach Adoa kam, musste er vor der versammelten Geistlichkeit der Stadt ein foermliches Examen ueber seinen Glauben ablegen. Man fragte ihn: ob er das Kreuz und die Kirche kuesse? ob er an eine Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi beim Abendmahl glaube? und ob er glaube, dass die Jungfrau Maria und die Heiligen uns mit ihrer Fuerbitte bei Christo vertreten? Vom protestantischen Standpunkt setzte er nun seine Ansichten lang und weitlaeufig auseinander, allein dieses genuegte, um ihn als Ketzer erscheinen zu lassen. Kaum hatte er daher mit seinem Genossen der Versammlung den Ruecken gewandt, als ein Priester feierlich ueber beide den Bannfluch aussprach, indem er ihre Seelen dem Satan, ihre Leiber den Hyaenen, ihr Eigenthum den Dieben uebergab und jeden, der ihnen nahe kommen oder sie bedienen wuerde, gleichfalls exkommunizirte. Eine besondere Stellung in der abessinischen Kirche nehmen noch die _Debteras_ ein. Debtera ist allgemeiner Gelehrtentitel, den Alle erhalten, die sich hauptsaechlich mit Buechern beschaeftigen, sobald sie eine gewisse Bekanntschaft mit denselben erhalten haben. Die eigentliche Bedeutung des Wortes ist nach Isenberg Zelt; es wird gebraucht von der Stiftshuette, und der zu Grunde liegende Gedanke dieses Titels ist wahrscheinlich der, dass die Gelehrten ebenso das Heilige in ihrem Lande einschliessen sollen, wie es die Stiftshuette that. Ein Debtera wird nicht ordinirt; seine Beschaeftigung besteht im Unterrichtertheilen, im Kopiren der heiligen Buecher auf Pergament und - wenn es nothwendig ist - im Assistiren in der Kirche. Unordinirt sind auch die _Alekas_, die Kirchensuperintendenten, die das Eigenthum der Kirche verwalten und die Vermittelung zwischen Geistlichkeit und Staat herstellen. Schon sehr fruehzeitig widmen sich die Abessinier dem geistlichen Stande; die Kenntnisse, welche diese Studenten der Theologie zu erlangen haben, sind gering. Sie lernen die Kirchensprache, einige Geez-Woerter, die Geheimnisse des abessinischen Gesanges und Tanzes. Das Anhauchen des Abuna und die Zahlung von zwei Salzstuecken an denselben macht sie dann zu fertigen Priestern. Unsre Abbildung (S. 119) zeigt einen Studenten der Theologie aus Schoa, der in Schafpelz gekleidet ist und den Bettelstab und Bettelkorb - seine einzigen Lebensstuetzen - bei sich fuehrt. Neben ihm sitzt ein Bursche aus Gondar mit einem Sonnenschirm aus Grasgeflecht (Eipras). Die Art und Weise, wie der Gottesdienst, zumal bei grossen Festen, abgehalten wird, erinnert in vieler Beziehung mehr an das heidnische Schamanenthum, als an christliche Ceremonien. Als Rueppell die Kirche von _Koskam_, etwa anderthalb Stunden nordwestlich von der Hauptstadt Gondar, besuchte, um dort dem Feste zum Andenken der Rueckkehr Christi aus Aegypten beizuwohnen, fand er dieselbe ausserordentlich mit Menschen angefuellt, sodass er nur sehr schwierig einen Platz in derselben erhalten konnte. Vor dem Gebaeude hatte man grosse Tuecher von fussbreiten blauen, weissen und rothen Streifen aufgespannt, um der Menschenmenge Schutz gegen die Sonne zu gewaehren. Die Aufmerksamkeit der Anwesenden war auf eine im Vordergrunde befindliche Gruppe von Priestern gerichtet, welche unter schrecklichem Geheul konvulsivische Bewegungen mit dem ganzen Koerper machten und mitunter auch abwechselnd wild in die Hoehe sprangen. Jeder Priester hatte in der einen Hand eine Rassel (Sanasel), in der andern einen langen krueckenartigen Stab. Die Rassel hat die Form einer zweizinkigen Gabel, welche durch Querstaebchen oben geschlossen ist, und in ihr befinden sich mehrere Metallringe, welche hin und her bewegt durch ihren rasselnden Ton den singenden und tanzenden Priestern zum Taktschlagen dienen. Dieser Gebrauch muss ein sehr alter sein, denn schon unser Landsmann Christoph Fuhrer berichtet in seiner 1646 zu Nuernberg gedruckten "Reisbeschreibung in Egypten": "Gegenueber unter den Armeniern haben die Abyssinier ihren Ort, welche gar seltsame Ceremonien halten. Wann sie Mess singen, brauchen sie wunderbarliche Instrumenta, als zwei Trummel, wie die Heerpauke, darauf sie unter dem Singen schlagen; einer hat ein Schloetterlein, welches voll Schellen haengt, daran er mit der andern Hand schlaegt, dass es klingelt: ein andrer hat ein Instrument, wie es die Moren gebrauchen, einer halben Trummel gleich, auch mit Schellen behaengt, die stehen beieinander, huepfen und tanzen zugleich miteinander, singen viel Alleluja, welches laecherlich zuzusehen und zu hoeren ist, seynd aber dabei fromme und gottesfuerchtige Leute." - Inmitten der Gruppe sich verzerrender Priester sass einer auf dem Boden und schlug eine grosse, von Silberblech gearbeitete tuerkische Trommel. Nachdem diese religioese Belustigung einige Zeit gedauert hatte, hielten saemmtliche Priester innerhalb der Kirche singend einen Umzug um das die Bundeslade enthaltende Heiligthum. Zwei von ihnen trugen auf dem Kopfe sehr grosse Helme von Goldblech, mit getriebener Arbeit reich verziert. Dies waren die beiden Kronen, welche einst der Kaiser Joas und sein Vater, der Kaiser Jasu, bei grossen Feierlichkeiten zu tragen pflegten und die spaeter der Kirche geschenkt worden waren. Diese Kronen, welche von einem Griechen aus Smyrna gefertigt wurden, sind von Gold- und Silberblechen in getriebener Arbeit gemacht und mit farbigen Steinen oder Stuecken Glasfluss verziert. Einige der Priester hatten eine Art Messgewand von Brokat an, das jedoch sehr verschabt war; andere trugen Staebe mit Bronzekreuzen und ueber dem vornehmsten wurde ein blauer, mit Goldfranzen besetzter Sammetschirm getragen. Die ganze Feierlichkeit entbehrte aller Ordnung und erregte in Rueppell mehr Neigung zum Lachen als religioese Empfindung. [Illustration: Krone des Kaisers Jasu. Nach Rueppell.] Neben dieser Weltgeistlichkeit, die sich mit sehr geringen Ausnahmen durch Hochmuth, Unwissenheit und lasterhaftes Leben wenig vortheilhaft auszeichnet, steht noch eine grosse Schar von Moenchen und Nonnen in Abessinien, die nach den uralten Regeln des Pachomius zusammen leben. Dieser, ein Schueler des heiligen Antonius, war der erste, der die Einsiedler ums Jahr 340 auf der Nilinsel Tabenna im Kloster zusammenfuehrte und auch spaeter das erste Nonnenkloster gruendete. Seine keineswegs strengen Regeln eignen sich fuer die immer noch lebenslustigen abessinischen Moenche und Nonnen am besten, die aber oft genug dieselben ueberschreiten. Abessinien ist ueberfuellt mit Moenchen und Einsiedlern, die sich in gelbe Gewaender, das Zeichen der Armuth, oder in gegerbte Antilopenfelle huellen. Gewoehnlich fuehren diese Leute einen unsittlichen Lebenswandel, schwaermen durch das ganze Land und sind die Pest und Plage der Gegend, welche sie heimsuchen. Die Maenner koennen in jeder Periode Moenche werden; die, welche mit schweren Krankheiten behaftet sind, thun das Geluebde, nach ihrer Heilung ins Kloster zu gehen, und vermachen diesem ihre ganze Habe. Reiche uebergeben ihr Vermoegen den Kindern, werden Moench und lassen sich dann von ihren Erben bis ans Lebensende unterhalten; arme Moenche dagegen leben von der Gnade des Koenigs und der Gemeinde. Viele dieser Klostergeistlichen sehen aber niemals ihre Zellen, sondern leben gemuethlich mit Weib und Kind zu Hause und betteln auf Grund ihres gelben Gewandes oder der Agaseenhaut, die mit dem ungewaschenen Aeussern zusammen an die Legende von ihrem grossen Ordensstifter Eustathius erinnert, welcher sich ruehmte, niemals seinen Koerper gewaschen zu haben, und wunderbarlich auf dem fettigen Mantel ueber die Fluten des Jordan schwamm, ohne dass ihn ein Tropfen Wasser feindlich, d. h. reinigend, beruehrte. Eins der beruehmtesten Kloester befindet sich auf dem _Debra Damo_ in Tigrie, vier Stunden nordoestlich von Ade Pascha. (Siehe S. 35.) Dort oben leben gegen 300 Moenche in kleinen Huettchen zusammen. Nach Zander's Bericht fuehrt kein Weg hinauf und Menschen wie Nahrung werden an der Nordseite des Felsens mit Seilen hinaufgezogen. Das Kloster ist stets auf viele Jahre hinaus mit Lebensmitteln versehen und gilt in unruhigen Zeiten als ein besonders sicherer Zufluchtsort. Oben findet man eine Quelle, die das ganze Jahr hindurch vorzuegliches Trinkwasser liefert und niemals versiecht. An Handschriften und Buechern, die noch keinem europaeischen Reisenden zugaengig waren, ist es sehr reich. Der senkrechte Fels besteht aus Grauwacke und Sandstein, die Grundlage desselben ist Urthonschiefer, die Hoehe ueber dem Meere 6800 Fuss. In frueheren Zeiten galt Debra Damo als Gefaengniss der juengeren Zweige des herrschenden Geschlechts. Diese Sitte soll im Jahre 1260 durch den Koenig Jakuno Amlak eingefuehrt und bis ins vorige Jahrhundert beobachtet worden sein. In Schoa vertrat die Festung Godscho dieselbe Stelle bis auf unsere Tage herab. Zahlreiche Klosteranstalten finden sich auch in Walduba; beruehmt sind noch die Kloester von Axum und Debra Libanos, wo der erwaehnte Abuna Tekla Haimanot geboren wurde. Nie darf ein Frauenzimmer ein Moenchskloster betreten, allein das haelt die Insassen keineswegs ab, einen liederlichen Lebenswandel zu fuehren. Die Nonnen zeichnen sich durch ein schwefelgelbes baumwollenes Hemd und ein Kaeppchen von derselben Farbe aus; sie haben alle das Keuschheitsgeluebde abgelegt, befinden sich jedoch meist in vorgerueckten Jahren. Wichtig werden die Kloester namentlich dadurch, dass viele derselben als _politisches Asyl_ gelten, nach dem zur Zeit der Buergerkriege viele Fluechtlinge sich retten. Dieser Umstand fuehrte zu grossen Missbraeuchen und gestaltete die Aufenthaltsorte der Moenche zu ewigen Sitzen der Unruhe um, zumal die Unantastbarkeit der Freistaette meistens streng eingehalten wurde, bis Koenig Theodoros auch hier einen gewaltigen Schritt that und mit kuehner Hand seine Feinde selbst aus den Asylen hervorholte. Neben der Unsittlichkeit der Geistlichen, der frechen Simonie, der uebermaessigen Bilderverehrung, dem Glauben an Weissagereien und Vorbedeutungen, der Auslegung von Traeumen, Furcht vor Hexerei und boesen Kuensten muss andererseits hervorgehoben werden, dass jedenfalls im Lande kein Unglauben und keine Gottesverachtung herrscht. Der Formengeist, der allen Semiten eigen ist, klebt auch den Abessiniern an, jene Wichtigmachung von Gebraeuchen und aeussern Werken, die Unterscheidung zwischen Rein und Unrein, die Beschneidung, das Haengen am Buchstaben. Fuer das Hauptuebel Abessiniens aber erklaert Munzinger den Stolz, der, von dem kleinsten Erfolg aufgeblasen, sich ueberheilig und ueberweise waehnt und nur ungern von Fremden sich Raths erholt. Der Stolz, von dem kein Abessinier frei ist und eigentlich kein Semite, hat eine andere gefaehrliche Seite; der Messias ist ihm immer ebenso gut wie den Aposteln ein weltlicher Herr; die Herrschsucht der Eingeborenen wird dem fremden Missionaer sehr gefaehrlich, da sie ihn, ohne dass er es ahnt, in die Landespolitik hineinzieht. -------------- Die _abessinische Zeitrechnung_ ist eine keineswegs christliche, da sie von der Erschaffung der Welt und nicht von der Geburt Christi an rechnen. Nach ihnen ist das Jahr 1868 das siebentausenddreihunderteinundsechzigste. Der Jahresanfang faellt auf den 10. September. Sie theilen das Jahr in zwoelf Monate von je dreissig Tagen und zur Ausgleichung fuegen sie denselben am Jahresschluss noch einen verkrueppelten dreizehnten Monat bei, der in drei Jahren fuenf, in dem vierten aber sechs Tage hat. Im gewoehnlichen Leben und auch in ihren historischen Annalen werden die vier Jahre nach den Namen der Evangelisten bezeichnet und zwar in folgender Reihe: Johannes, Matthaeus, Marcus und Lucas, letzteres hat am Schluss den eingeschalteten sechsten Tag des dreizehnten Monats. Es heisst oft in den Landeschroniken schlechtweg: Dieses ereignete sich in dem Jahre des Evangelisten Matthaeus oder Lucas u. s. w. Die Namen der dreizehn Monate sind: Maskarem, Tekemt, Hedar, Tachsas, Ter, Jacatit, Magabit, Mijazia, Ginbot, Sene, Hamle, Nahasse, Paguemen. Kein einziger faellt natuerlich ganz mit einem unserer Monate zusammen; so reicht der Maskarem vom 10. September bis 9. Oktober und so fort, bis endlich der verkrueppelte dreizehnte Monat, der Paguemen, vom 5. bis 10. September reicht. Die Abessinier setzen die Geburt Christi in das Jahr der Welt 5500; aber von dieser Periode bis zu unserer Zeit rechnen sie 7 Jahre und 122 Tage weniger als wir Europaeer; die Ursache dieses Unterschieds ist die von den alexandrinischen Bischoefen befolgte Chronologie des Julius Africanus und spaeter durch den Bischof Anatolius von Laodicea daran gemachte zehnjaehrige Abaenderung. Am 10. September, dem Neujahrstage, machen sich die Bewohner der Hauptstadt wie bei uns Gratulationsbesuche und die Frauen ueberreichen ihren Bekannten Blumenstraeusse, wobei sie ausrufen: "Glueck bringe dir das neue Jahr". Auch finden Taenze mit Gesang und Schmausereien statt. Das groesste Fest in Abessinien feiert man jedoch am 16. Maskarem (26. September) zum Andenken an die infolge eines Traumgesichts der heiligen Helena stattgefundene Entdeckung des Kreuzes Christi. Um die Kunde dieses Ereignisses moeglichst schnell nach Konstantinopel zu bringen, bediente man sich der Feuersignale, und die Versinnlichung dieses Ereignisses ist der Hauptzweck der Ceremonien des _Maskalfestes_. Am Vorabend lodern Freudenfeuer auf den Huegeln, Maenner mit Rohrfackeln ziehen in Prozessionen auf und kriegerische Taenze werden abgehalten. Der Anblick der bronzefarbigen, halbnackten Gestalten, die in dunkler Nacht, vom Scheine der Brandfackeln beleuchtet, sich taktmaessig hin und her bewegen, ist ungemein malerisch. Die Hauptprozession findet jedoch erst am folgenden Tage statt. Dann ziehen alle waffenfaehigen Maenner zu Fuss oder zu Pferde nach einem nahen Huegel, auf welchem bei Sonnenaufgang ein Feuer angezuendet wird. Dem Zuge voran gehen Musikanten mit Hoernern und Pauken; nachdem die Menge an dem Scheiterhaufen sich gewaermt, kehrt sie zurueck, um mit Reiterspielen und kriegerischen Taenzen die Feierlichkeit zu beschliessen. Der Gouverneur haelt offene Tafel und ungeheuere Portionen rohen Fleisches werden verschlungen. Andere Feste sind Ledat (Weihnachten), Domkat (Taufe Christi), Fasaga (Ostern) und die verschiedenen Heiligenfeste. Die _Taufen_ finden in der Kirche statt und zwar bei den Knaben 40 Tage, bei den Maedchen 80 Tage nach der Geburt, weil nach der Tradition der Abessinier Adam erst 40 Tage nach der Schoepfung in das irdische Paradies eingefuehrt wurde und Eva ihm dahin 40 Tage spaeter nachfolgte. Die Ceremonie selbst ist von der bei uns ueblichen in vieler Hinsicht abweichend. Jedes Kind hat seinen Pathen; als Taufstein gilt eine thoenerne Schuessel, deren Wasser erst beraeuchert und dann mit dem Fusse des Geistlichen beruehrt wird, worauf dieses fuer geweiht gilt; Loblieder zu Ehren der Jungfrau Maria und das schnelle Ablesen eines Kapitels aus dem Evangelium Johannes vollenden die Vorbereitungen; dann werden die Taeuflinge nach allen vier Himmelsgegenden geneigt und bis ueber den Kopf ins Wasser getaucht; schliesslich wird dem Taeuflinge eine in geweihtes Oel getauchte Schnur um den Hals gebunden und die Ceremonie ist vorueber. Vorher aber sind die Kinder beiderlei Geschlechts beschnitten worden. Die _Ehe_ ist in Abessinien, wo allgemeine Sittenlosigkeit und die allergroesste Freiheit im Umgang der Geschlechter herrscht, eine rein aeusserliche und sehr lose. Die Trauungen werden nur selten kirchlich geschlossen, was einfach dadurch geschieht, dass die Brautleute das Abendmahl zusammen nehmen. Werden die Gatten einander untreu, so trennen sie sich einfach und haben dann das Recht, noch zweimal sich kirchlich trauen zu lassen. Da jedoch die meisten Ehen wild sind, so betrachtet man die kirchliche Trauung als Nebensache. Wie entsetzlich die Zustaende in dieser Beziehung sind, geht aus der Bemerkung Isenberg's hervor, dass er waehrend der ganzen Zeit seines Aufenthaltes in Abessinien unter einer sehr grossen Zahl kirchlich getrauter Leute _kein einziges_ Paar kennen lernte, dass einander treu blieb. Das Gesetz, dass man sich nur dreimal trauen lassen darf, gilt jedoch nur in der Theorie. Rueppell traf zu Ategerat ein huebsches, erst _siebzehnjaehriges_ Frauenzimmer, welche bereits von _sieben_ mit ihr ehelich vermaehlten Maennern geschieden war und im Begriffe war, sich zum _achten Male zu vermaehlen_! Ehescheidungen sind blosse Privatangelegenheiten, welche nur dann vor die Behoerden gebracht werden, wenn man in Betreff der Vermoegenstheilung sich nicht miteinander verstaendigen kann. Sonst hat die Obrigkeit damit gar nichts zu thun, und die Ehe besteht nur so lange, als beide Theile damit zufrieden sind. Eifersucht ist in Abessinien ein unbekanntes Ding und eheliche Untreue das Gewoehnliche, besonders noch dadurch beguenstigt, dass die Zahl der Frauen ueberwiegt. Dies mag auch ein Grund dafuer sein, dass unter jenen Christen die _Vielweiberei_ geduldet ist; aber nur die Reichen pflegen an dem naemlichen Orte mehrere Frauen zu haben, von denen jede einzelne in einem besonderen Hause wohnt. Diejenigen Abessinier, welche sich ihrer Geschaefte halber an verschiedenen Orten aufhalten, haben gewoehnlich an jedem derselben eine Frau. Im Allgemeinen benimmt sich die Frau sehr aufmerksam, dienstwillig und selbst demuethig unterwuerfig gegen ihren Mann. Sie darf ihn nur als ihren Herrn und im Plural anreden, waehrend der Gatte gegen sie das "Du" gebraucht; sie muss ihm, wenn er es verlangt, die Fuesse waschen und ihm bei Tische haeufig die Speisen in den Mund stopfen! Jenes Betragen der abessinischen Frauen geht jedoch nicht aus Liebe hervor, sondern ist berechnete Schmeichelei. Liebe in reinerem Sinne kennt man in jenem durch die groesste Sittenverderbniss ausgezeichneten Lande gar nicht. Zum Heirathen genuegt schon ein Vermoegen von wenigen Thalern, ein baumwollenes Hemd fuer die Braut, etwas Geld fuer die Eltern sind die Geschenke bei Armen. Bei reichen Leuten werden grosse Gelage gehalten, welche mehrere Tage dauern. Gegen Ende derselben fuehrt der Braeutigam, auf einem Maulthier reitend, die Braut scheinbar aus dem aelterlichen Hause in das seinige. Die Maedchen werden in der Regel noch ungemein jung, zuweilen schon in ihrem neunten Jahre verheirathet; so erzaehlt Pearce, dass ein mehr als siebenzigjaehriger Landesfuerst die noch nicht zehnjaehrige Tochter des Kaisers heirathete! Sieht ein Abessinier seine Todesstunde herannahen, so laesst er den Geistlichen rufen, dem er eine Beichte ablegt, um die Absolution zu empfangen. Der wuerdige Priester benutzt dann gewoehnlich diese Gelegenheit, um moeglichst viel von dem weltlichen Gute des Sterbenden fuer sich und die Kirche zu erlangen, waehrend er fuer das _Begraebniss_ selbst keinen Heller nimmt. Dieses findet meistens noch am Todestage statt. Der Koerper wird mit gekreuzten Armen in ein baumwollenes Tuch geschlagen, dann mit einer Lederhaut umwickelt, in der Kirche eingesegnet und in einer kleinen Grube bestattet. Nach der Beerdigung versammeln sich Freunde und Verwandte im Sterbehause, wo das Klagegeheul angestimmt und dann ein grosses Mahl gehalten wird. Um tiefe Trauer wegen des Todes eines Verwandten auszudruecken, pflegt man sich das Haupthaar abzuscheren, den Kopf mit Asche zu bestreuen und die Schlaefen zu zerkratzen, bis Blut fliesst. Alles dieses ist jedoch blos aeusserliche Heuchelei und fern von tiefgefuehlter Betruebniss, denn grenzenloser Leichtsinn ist ein Hauptcharakterzug der Abessinier. Abessinien ist reich an _Kirchen_, doch sind dieselben meistentheils nur klein. Viele stehen als Wallfahrtsorte in hohem Ansehen und werden von grossen Scharen frommer Pilger besucht, die, oft aus weiter Ferne herziehend, haeufig zugleich den bei der Kirche aufgeschlagenen Markt zu Einkaeufen benutzen. So knuepfen sich auch hier die Messen an die Kirchen, wie in den meisten anderen Laendern der Erde gleichfalls. Gewoehnlich sind die Kirchen im Grundrisse rund und 20-24 Fuss hoch; viereckige gehoeren zu den seltenen Ausnahmen. Beinahe jede abessinische Kirche oder Kapelle hat an ihrer Facade zwei gleich grosse, dicht nebeneinander stehende Thueren und im Innern eine Art von grossem hoelzernen Sessel oder Thron, der die Bundeslade der Israeliten vorstellt. Dieser Sessel, auf welchem Brot und Wein fuer das Abendmahl eingesegnet werden, fuehrt den Namen Manwer oder Tabot und ist ueberall in Abessinien der Gegenstand der groessten Verehrung. Glocken befinden sich nur in wenigen Kirchen der groesseren Staedte; statt ihrer behelfen sich die Priester mit duennen Steinplatten, die schwebend aufgehaengt sind und durch deren Anschlagen die Glaeubigen zusammenberufen werden. Die gewoehnlichen Kirchen auf dem Lande bestehen aus zwei Gemaechern, deren Inneres beinahe ganz dunkel ist und welche durch eine Fluegelthuere miteinander in Verbindung stehen. Sie sind mit einem gemeinschaftlichen kegelfoermigen Strohdache ueberdeckt und fast immer von schoenen Baeumen umgeben, welche den um die Kirche herumliegenden Friedhof beschatten, der jedoch keinerlei Grabsteine aufweist. Einige dabei befindliche kleine Huetten beherbergen die den Kirchendienst versehenden Priester. Das Ganze ist durch eine niedrige Mauer umschlossen. Wer Schuhe oder Sandalen traegt - uebrigens eine Seltenheit in Abessinien - zieht dieselben beim Eingange des Kirchhofes aus. In der vorderen Abtheilung, der eigentlichen Kirche, versammeln sich die Leute, nachdem sie beim Eingange die mit schreckhaften kolossalen Engelsfiguren bemalten Thueren ehrfurchtsvoll gekuesst haben. _Gemalte_ Bilder werden in Abessinien verehrt, keineswegs jedoch _geformte_, und deshalb zeigt das abessinische Kreuz auch keinen Christusleib, weil dies nach Auffassung jener Kirche gegen das zweite Gebot verstossen wuerde. Das Kuessen der Kirche ist als Zeichen der Gottesverehrung ueblich, sodass der Ausdruck "die Kirche kuessen" gleichbedeutend mit unserem "in die Kirche gehen" ist. Ueberhaupt werden alle fuer heilig gehaltenen Gegenstaende, Kirchen, Kreuz, Bilder und Buecher gekuesst. Die Eingetretenen setzen sich oder knieen auf den Boden hin. Durch die offene Fluegelthuer erblickt man im zweiten Gemache den Tabot, um den Priester in zerlumpten seidenen Kitteln umherstehen, jeder von ihnen haelt eine brennende Wachskerze in der Hand, ausserdem Schelle und Rauchfass, die sie beim Heulen der Psalmen schwingen. Zuweilen liest einer eine kurze Phrase aus einem auf der Bundeslade liegenden Buche oder reicht den Anwesenden das Kreuz zum Kuessen dar - von einer christlichen Erbauung gewahrt man jedoch bei diesen keine Spur; sie plappern zwar fortwaehrend mit den Lippen Gebete her, aber ihren Blicken nach zu urtheilen sind ihre Gedanken bei ganz anderen Gegenstaenden. [Illustration: Grundriss der Kirche Lalibela. Nach E. Zander.] Besser sind die Kirchen in den grossen Staedten beschaffen, namentlich zu Gondar, wo es allein gegen fuenfzig giebt. Die groesste ist die _Bada-Kirche_, welche Kaiser Tekla Haimanot um das Jahr 1775 erbauen liess. Mit ihrem hohen konischen Dache ueberragt sie alle anderen Gebaeude der Stadt und zeichnet sich ausserdem durch ein grosses griechisches Kreuz von Messing auf dem Giebel aus. In ihr, sowie in anderen Kirchen Gondars zeigt man mehrere etwa fuenf Fuss lange Kisten aus Sykomorenholz, welche ringsum mit Heiligenbildern und auf dem Deckel mit der Figur eines in ein Leichentuch gehuellten Menschen bemalt sind. Sie enthalten die Gebeine von Personen, welche in ganz besonderem Ansehen standen. Diese muessen jedoch erst herkoemmlicher Weise fuenfzig Jahre lang in der Erde geruht haben, ehe sie zu der Ehre gelangen, auf diese Art aufbewahrt zu werden. Die uebrigen Kirchen sind gewoehnlich von Bogengaengen umgeben, von denen aus mehrere grosse Thueren in das Innere fuehren. Waende, Thueren und Querbalken des Gebaeudes sind mit Malereien bedeckt und die innere Seite der Thuergesimse mit kleinen Porzellanplatten ausgekleidet; Teppiche decken den Boden; doch Lampen sind eine seltene Erscheinung. Vorzueglich schoene und geschmackvolle Holzschnitzereien, die, was die Arabesken betrifft, auch einem europaeischen Kuenstler Ehre machen wuerden, enthaelt die _Kirche Lalibela_ zu Gondar, ein Bauwerk der Fuerstin Menene. Ihr Grundriss ist rund, das Dach, wie allgemein ueblich, konisch und an der Spitze mit dem Kreuz geziert. Ihr Inneres besteht aus drei konzentrischen Abtheilungen. Der aeussere, von Saeulen getragene Kreis, ist der allgemeine Raum fuer die Kirchgaenger; der zweite, mittlere Raum ist fuer die Abendmahlempfaenger bestimmt; der innerste, viereckige, enthaelt die Bundeslade. Die erwaehnten reichen Holzschnitzereien sind flachrelief an Thueren und Fenstern angebracht. Wohl die beruehmteste Kirche in ganz Abessinien ist jene zu _Axum_ in Tigrie, in der ehemaligen Hauptstadt des den Griechen und Roemern bekannten axumitischen Reiches. Sie liegt inmitten des politischen Asyls und wurde, wie schon ihre Bauart zeigt, unter portugiesischem Einfluss 1657 an der Stelle der 1535 von Muhamed Granje zerstoerten alten Kirche erbaut. Durch Groesse, Reichthum und Heiligkeit uebertrifft sie alle anderen Kirchen Tigrie's. Auf einer mit Stufen versehenen, aus gut behauenen Quadern erbauten Terrasse schreitet man zu ihr hinauf. Vier dicke Pfeiler bilden eine Art Porticus, von welchem man durch drei Thueren in den inneren Raum gelangt. Dieser ist durch zwei Reihen plumper Pfeiler in drei Schiffe von gleicher Hoehe abgetheilt, welche durch einige kleine und sehr schmale Fenster ein sehr spaerliches Licht erhalten; die Decken bilden horizontal liegende Balken; die Waende sind mit geschmacklosen, stark beschaedigten Malereien beklext, der Boden mit Teppichen belegt. (Rueppell fand ihn voller Schmuz.) Ein kleiner Thurm enthaelt eine Treppe, die zu dem flachen, mit Zinnen gekroenten Dache fuehrt. Salt, welcher die Kirche gemessen hat, giebt ihre Laenge zu 111, ihre Breite zu 51 Fuss an. In der Naehe steht ein kleines niedriges Haus, in welchem zwei sehr roh in Abessinien selbst gegossene Glocken haengen, und in einem anderen Gebaeude werden die Pretiosen der Kirche, die Metallkronen, Kreuze und Manuskripte aufbewahrt. Nach der Ansicht der Abessinier ist die hier aufbewahrte Bundeslade die echte juedische aus der Zeit des Koenigs Salomo, welche Menilek, der Sohn der Koenigin von Saba, in Jerusalem stahl und hierher brachte (vergl. S. 3). Der Name der Kirche ist Hedar Sion und ihr Hueter, der Gouverneur von Tigrie, fuehrt den Titel Nabr Id (Hueter der Bundeslade). Die Abbildung zeigt unsere Anfangsvignette. *Die Missionen in Abessinien.* Schon bald nach Entstehung der englischen "Missionsgesellschaft fuer Afrika und den Osten" wandte diese ihre Aufmerksamkeit auf Abessinien, in der Absicht, dem dortigen Christenthume frische Anregungen zuzufuehren und dasselbe aus seiner Versunkenheit herauszuziehen, sowie vor dem Untergange im Muhamedanismus zu bewahren. Zu diesem Zwecke wurden nun Missionsstationen in Malta, Kairo, Smyrna u. s. w. angelegt, von denen aus man allmaelig bis Abessinien vordringen wollte, und durch einen abessinischen, nach Jerusalem gepilgerten Moench die ganze Bibel in die amharische Sprache uebersetzt, welche die verbreitetste unter den abessinischen Mundarten ist. Die ersten Missionaere, welche nach Ategerat (Adigrat) in Tigrie im Jahre 1830 vordrangen, waren die beiden Deutschen _Gobat_ und _Kugler_. Der Detschasmatsch Sabagadis empfing sie freundlich, indessen die politischen Verhaeltnisse, die immerwaehrenden Kriege zwischen Sabagadis und Ubie um die Herrschaft Tigrie (vergl. S. 107) waren ihrem Werke nicht guenstig. Trotzdem drang Gobat bis nach der Hauptstadt Gondar vor, waehrend Kugler in Tigrie zurueckblieb, um bald an den Folgen einer Verwundung, welche er sich auf der Jagd zugezogen, zu sterben. Als nun zu derselben Zeit Sabagadis von Ubie geschlagen und getoedtet wurde, brach auch fuer den wackern Gobat eine Zeit der Verfolgungen herein. Laengere Zeit hielt er sich in den politischen Asylen, namentlich im Kloster Debra Damo, verborgen, musste schliesslich aber nach Aegypten fliehen. Die Erfahrungen, die er bezueglich seines Missionswerkes gemacht hatte, waren jedoch nur trauriger Art; er fand, "dass der Leichtsinn dieses Volkes nicht leicht die Wahrheit des Evangeliums auf Herz und Leben wirken laesst". _Der erste misslungene Versuch._ [Illustration: Gefangennahme des Missionaers Krapf durch Adara Bille. Nach Krapf's Reisewerk.] In Karl Wilhelm _Isenberg_ aus Barmen erhielt 1834 der zurueckgekehrte Gobat einen treuen Freund und Unterstuetzer, der mit neuem Eifer das schwierige Geschaeft anzugreifen begann. Nach langer Fahrt durch das Rothe Meer und dreimonatlichem Aufenthalte in Massaua kamen beide im April, begleitet von ihren Frauen, in Tigrie an, wo die Buergerkriege immer noch fortwuetheten. Ubie sicherte indessen den Missionaeren seinen Schutz zu, die nun mit der Verbreitung von Bibeln begannen. Gobat jedoch war infolge von Krankheit genoethigt, schon 1836 zurueckzukehren und gegen den bleibenden Isenberg richtete sich nun der Hass der abessinischen Geistlichkeit, die ihren Einfluss durch seine Anwesenheit bedroht sah. Indessen Isenberg hielt wacker aus und fand in dem Deutschen _C. H. Blumhardt_ einen Unterstuetzer in seiner aufreibenden Arbeit. Um auf die Jugend, die man zunaechst im Auge hatte, besser wirken zu koennen, begann man mit dem Schulunterricht und baute ein grosses Missionshaus in Adoa, das jedoch bald die Eifersucht und den Verdacht des Kirchenvorstehers wie des Herrschers Ubie erregte, da es fuer eine Festung angesehen wurde, von welcher unterirdische Gaenge zum Waffen- und Truppentransport bis Massaua fuehren sollten! Als mit Ende des Jahres 1837 auch Ludwig _Krapf_ aus Wuerttemberg zu der kleinen Mission stiess, fand er schon grosse Schwierigkeiten, um zugelassen zu werden, und bereits im Sommer 1838 erhielten die Missionaere den Befehl, das Land wieder zu verlassen. Wie Isenberg bemerkt, geschah dieses nicht ohne Zuthun der mittlerweile gleichfalls nach Abessinien gekommenen katholischen Missionaere, namentlich Sapeto's, dessen wir bereits oben S. 31 gedachten. _Der zweite misslungene Versuch._ Nachdem so im Norden Abessiniens keine Aussichten mehr fuer eine gedeihliche Wirksamkeit vorhanden schienen, beschloss man mit zaeher Ausdauer im Sueden, in Schoa, das Werk fortzusetzen. Schon im Jahre 1837 kam zu den deutschen Missionaeren in Adoa ein Bote des Koenigs von Schoa, welcher einen in deutscher Sprache geschriebenen Brief ueberbrachte, der von Martin Bretzka, dem ehemaligen Jaeger Rueppell's, herruehrte. Durch diesen liess Sahela Selassie die Missionaere um Arznei und einen tuechtigen Mechaniker bitten, ja er verlangte, dass die Missionaere womoeglich selbst zu ihm kommen moechten. Arznei wurde sofort nebst einem langen Briefe von Isenberg ueberschickt, ein Mechaniker aber war nicht vorhanden. In dem Schreiben fragte der Missionaer, ob der Koenig ihm sein Missionswerk in Schoa gestatten wolle. Wenn er diese Frage bejahe, wuerde er sammt seinem Kollegen Blumhardt kommen, sei dieses aber nicht der Fall, so muesse er von der Reise nach Schoa absehen. Da Blumhardt jedoch auf eine indische Station gesandt wurde, machten sich 1839 Krapf und Isenberg auf den Weg nach Schoa und kamen nach einer hoechst beschwerlichen Reise auf einem bis dahin unbekannten Wege ueber Tadschurra und das Adal-Land am 6. Juni in Ankober beim Koenige Sahela Selassie an, der sie mit der groessten Freundschaft aufnahm und behandelte. "Hier nun gelang es unter sehr guenstigen Umstaenden einen guten Anfang mit der Verkuendigung des Evangeliums und dem Schulunterrichte zu machen." Da es jedoch an Buechern und Lehrmitteln fehlte, kehrte Isenberg nach freundlichem Abschiede im November 1839 nach Europa zurueck, um das zur Fortfuehrung der uebernommenen Aufgabe Noethige zu holen. Krapf blieb nun laengere Zeit allein in Schoa, fuehlte sich aber wohl sehr einsam und beschloss, ehe er sein Werk weiter fortfuehrte, seine Braut heimzufuehren. Am 11. Maerz 1842 unternahm er die aeusserst gefahrvolle Reise von Ankober nach Massaua. Er hatte seine Richtung durch das noerdliche Schoa und das Land der muhamedanischen Wollo-Galla genommen. Er wollte ueber Gondar gehen und dort die Bekanntschaft des neuen, erst ein Jahr vorher berufenen Abuna machen. [Illustration: Ludwig Krapf. Nach dem Stahlstich in dessen Reisewerk.] Vom Koenige Sahela Selassie mit einem silbernen Schwerte beschenkt, welches ihm den Rang eines Gouverneurs ertheilte, und wohl versehen mit amharischen Bibeln, machte sich der muthige Glaubensbote, nachdem er vom Koenige und der damals in Schoa weilenden britischen Gesandtschaft Abschied genommen, auf den gefahrvollen Weg. In Sella Dengai stattete er noch der einflussreichen Mutter des Koenigs, welche beinahe halb Schoa unabhaengig beherrschte, einen Besuch ab. Sie empfing ihn, auf ihrem Lager sitzend und umgeben von Dienerinnen, sehr friedlich, liess sich einen bunten Schal, einige Scheren, sowie ein Neues Testament in aethiopischer Sprache schenken, und entliess darauf unseren Landsmann, der in die hohen kalten Berge hinaufstieg, die sich an der Grenze der Provinzen Mans und Tegulet hinziehen. Mans ist die groesste Provinz Schoa's und wird als Gut der Koenigin-Witwe betrachtet; doch leben die Eingeborenen unabhaengig und mit allen Nachbarn im ewigen Kampfe. Auch gegen Krapf waren sie hoechst unfreundlich, der sich freute, ihr kaltes Land bald verlassen zu koennen. Er passirte verschiedene nach Westen fliessende kleine Zufluesse des Nil und stieg dann von den Hoehen beim Dorfe Amad-Wascha in das Thal des Flusses Katscheni hinab, der die Grenze gegen die von den Wollo-Galla bewohnte Provinz Gesche ausmacht. Der Haeuptling der Galla, Adara Bille, residirte damals im Distrikte Lagga Gora und stand mit Schoa in friedlichen Beziehungen; er empfing den Gast freundschaftlich und entliess ihn am naechsten Tage mit einem Fuehrer versehen. Am 23. Maerz gelangte der Reisende an das Ufer des Flusses Beschlo und erstieg die Hochebene von Talanta. Hier kamen ihm zahlreiche Fluechtlinge entgegen, die mit Weib und Kind vor der Invasion eines Galla-Stammes davon flohen und auch Krapf veranlassten, zu dem anscheinend freundlichen Adara Bille umzukehren, der auch noch immer die alten Sympathien fuer den Reisenden zu hegen schien. Als jedoch nach Verlauf von zwei Tagen das Land sich einigermassen beruhigt hatte und Krapf seine Reise fortsetzen wollte, erklaerte ihm Adara Bille, dass er ihn nach Schoa zuruecksenden muesse, da er nur fuer _einmal_ die Erlaubniss erhalten haette, das Land zu verlassen. Vergebens war alles Protestiren. Man suchte Gold bei ihm, nahm ihm seine Maulthiere und Pferde und liess ihn durch Soldaten bewachen. Als er nun trotzdem seine uebrig gebliebene Habe zusammenpackte und aufzubrechen versuchte, wurde er ergriffen und in ein kleines Gemach abgefuehrt, wo man ihm, unter Androhung der Todesstrafe, sein ganzes Gut, sogar seinen Mantel wegnahm. Selbst die Taschen kehrte man ihm um und raubte ihm die letzten Kleinigkeiten. In diesem Zustande hielt man ihn mehrere Tage gefangen, und auf vieles Bitten gelang es ihm endlich sein Tagebuch, 3 Thaler und das schlechteste Maulthier wieder zu bekommen. Dagegen waren fuenf Maulthiere, 140 Thaler, die Pistolen und Flinten, der Kompass, die Uhr und viele andere werthvolle Dinge unwiderbringlich verloren. Gott war der einzige Trost des frommen Mannes in diesen Leiden, der nun, von sechs Soldaten begleitet, ueber die Grenze transportirt wurde.(1) Bettelnd gelangte er in das schoene, vom Dscherado durchstroemte Thal Totola, in dem ein lebhafter, aus allen Theilen Abessiniens besuchter Markt abgehalten wird. Zu beiden Seiten desselben erheben sich hohe mit Doerfern, Weilern und Wachholderbaeumen bestandene Bergketten, die den gebeugten Krapf durch ihre wunderbare Schoenheit entzueckten. Allein die rohen Soldaten trieben ihn mit den Worten fort: "Du bist unser Vieh, wir koennen mit dir anfangen, was uns beliebt." Am Ufer des Flusses Berkona, der dem Hawasch zufliesst, traf man auf einen Kaufmann, der nicht wenig erstaunt war, einen weissen Mann auf diese Art durch das Land gefuehrt zu sehen. Dieser, in dessen Brust wol Mitleid rege wurde, ertheilte Krapf den Rath, er solle laut schreien, wenn er viele Leute in den Feldern bemerke; diese wuerden alsbald herbeieilen und ihn zum Gouverneur Amadie fuehren, der auf einem hohen Berge zu Mofa, in der Naehe des Sees Haik, residire. Krapf befolgte diese Weisung und sah sich bald von Landleuten umringt, die ihn trotz des Straeubens der Soldaten befreiten und zu Amadie fuehrten, dem Haeuptlinge der Tehulladarie-Galla. Dieser schickte die Soldaten Adara Bille's augenblicklich zurueck und liess den geprueften Mann ruhig seine Strasse ziehen. Auf muehevollem Wege wanderte Krapf nun von Station zu Station durch wilde ungastliche Voelker von dem See Haik an der nordoestlichen Grenze von Schoa ueber Jedschau, Angot, Wafila, Lasta, Enderta und das oestliche und nordoestliche Tigrie bettelnd bis Massaua, wo der franzoesische Konsul de Goutin ihm die Heimreise moeglich machte, die er am 4. Mai antrat. In Schoa aber befand sich keine Mission mehr. _Der dritte misslungene Versuch._ Wer jedoch glauben wuerde, die eifrigen Missionaere haetten sich durch solchen betruebenden Ausgang abhalten lassen, weiter zu wirken, wuerde arg irren. Mit einer Menge Lehrmittel, Bibeluebersetzungen und Woerterbuechern versehen, preiswuerdigen Zeugnissen echt deutschen Fleisses, gingen 1842 Isenberg, Krapf und Muehleisen abermals nach der Somalikueste, um ueber Zeyla nach Schoa vorzudringen, wo immer noch die britische Gesandtschaft unter Kapitaen Harris weilte. Schon an der Kueste stellten sich die groessten Schwierigkeiten einem weiteren Vordringen nach Schoa entgegen und man traf auf Intriguen aller Art. Auch soll der franzoesische Reisende Rochet seinen ganzen Einfluss bei Sahela Selassie angewandt haben, um den deutschen Maennern den Eingang nach Schoa zu verschliessen. (Vergl. S. 29.) Krapf hatte einen Brief an Sahela Selassie geschrieben und angezeigt, dass er nach Ankober gehen wuerde. Nach der Ankunft des Schreibens wurden Versammlungen in allen Kirchen der Hauptstadt gehalten, und Deputationen der Geistlichkeit, Priester und Moenche verfuegten sich geraden Weges zum Palaste, um den Koenig anzuflehen, dass weder Krapf noch Isenberg zugelassen werden moechten. "Ihre Werke sind nicht die unserigen und ihr heiliges Buch ist verschieden von dem, was in unserem Lande als das wahre betrachtet worden ist. Erlaubt man ihnen zurueckzukehren, so wird das Volk vom Glauben seiner Vaeter abfallen." Dergestalt gedraengt, entschied Sahela Selassie gegen Kapitaen Harris, welcher sich fuer die Missionaere verwandte: "Isenberg und Krapf koennen nicht wieder in mein Land kommen, mein Volk will es ihnen nicht erlauben. Ich habe lange darueber nachgedacht und es ist besser, wenn sie wegbleiben; ich will keinem wieder erlauben, je wieder ueber den Hawasch zu kommen." Und dabei blieb es, die Missionaere zogen betruebt ab. Man kann sich vorstellen, wie dieses abermalige Scheitern aller Hoffnungen auf die glaubenseifrigen Priester zurueckwirken musste, welche durch ein Schreiben des Kapitaen Harris von diesen Vorgaengen in Schoa in Kenntniss gesetzt wurden. "Gern haetten wir unseren Augen und Ohren und ebenso dem Zeugnisse dieses Briefes nicht getraut, gern uns die Sache anders gedeutet und dargestellt; dazu fehlte uns aber alles Material, und wir mussten bei der ersten Thatsache stehen bleiben: die Mission in Schoa ist aufgehoben, sie ist nicht mehr." _Der vierte misslungene Versuch._ Waren dergestalt alle Aussichten im Sueden benommen, so wollte man abermals das alte Feld im Norden, in Tigrie, aufsuchen und sehen, ob sich hier die Verhaeltnisse seit 1838 nicht etwa guenstiger gestaltet haetten. Im April 1843 brachen Isenberg und Muehleisen, fortwaehrend grosse Massen von Bibeln verbreitend, von Massaua aus, die Provinz Hamasien durchziehend, nach Adoa, der Hauptstadt Tigrie's, auf, wo sie ihr altes Haus zum Theil verwuestet fanden. Gleich nach ihrer Ankunft wurde die Priesterschaft und das Volk gegen sie aufgehetzt und ihre Lage gestaltete sich von allem Anfange an noch schwieriger als zuvor. Die Missionaere hatten ein foermliches theologisches Examen vor den abessinischen Geistlichen zu bestehen und wurden, als dieses nicht nach dem Wunsche der letzteren ausfiel, in Bann gethan. Auch soll der katholische Bischof de Jacobis, welcher damals in Adoa eine Mission leitete, gegen sie intriguirt haben. Isenberg reiste nun selbst in das Feldlager des Herrschers Ubie, wurde aber von diesem nicht vorgelassen, sondern mit dem Bescheid abgewiesen: "er habe die Abessinier lange genug durch Abendmahlhalten, Taufen, Trauen, Begraben in seinem Hause beleidigt, deshalb sei er frueher aus dem Lande gewiesen; jetzt sei er wiedergekommen und verharre in seiner Hartnaeckigkeit; er habe die Jungfrau Maria gelaestert, ja, er sei soweit gegangen, dass er in den Schriften der Apostel unterrichten wolle. Er solle also in sein Land zurueckkehren, denn in Tigrie duerfe er nicht bleiben." So mussten die Missionaere also auch jetzt wieder umkehren, und nun schien der letzte Hoffnungsstrahl vernichtet. Isenberg troestete sich dann ueber das Scheitern seines Missionswerkes folgendermassen: "Durch das ganze Land hindurch hat sich ein bestimmter Eindruck von dem Zwecke unserer Mission verbreitet, und was noch weit mehr ist, sie haben mehr als 8000 Exemplare verschiedener Theile der Heiligen Schrift in amharischer und aethiopischer Sprache, unter welchen sich eine Anzahl amharischer ganzer Bibeln befindet, erhalten, welche nun auch nicht muessig liegen, sondern gewiss eine stille Wirksamkeit auf manche ihrer Besitzer und Leser ausueben werden. Die Abessinier haben sich durch gleichgiltige Vernachlaessigung und unglaeubige Verachtung des Evangeliums, durch ihr starres Anhangen an ihren eingewurzelten Thorheiten und Suenden, durch ihre allgemeine Traegheit und Habsucht einer laengeren Fortdauer der evangelischen Mission in ihrem Lande fuer unwerth erklaert, und dem Herrn hat es in seinem Wunderrathe gefallen, sie fuer die naechste Zukunft aufzuheben." _Der fuenfte misslungene Versuch._ Ehe wir die ferneren Anstrengungen der protestantischen Missionaere hier schildern, die trotz Allem keineswegs gewillt waren, das unfruchtbare Feld aufzugeben, muessen wir hier die Thaetigkeit der kaum minder eifrigen katholischen Glaubensboten anfuehren, die aber fast ebenso wenig Erfolge aufzuweisen haben, wie jene. Es ist eine betruebende Thatsache, dass ueberall katholische und protestantische Missionaere einander befeinden. Kaum ist ein Katholik auf irgendeinem neuen Gebiete erschienen, um fuer seinen Glauben Propaganda zu machen, so folgt ihm ein Protestant, macht ihm das Feld streitig und beginnt unter den braunen, schwarzen, gelben oder rothen Menschen fuer seine Sache zu wirken. Oder umgekehrt. Leicht waere es, hierfuer viele Beispiele anzufuehren, denn in Afrika, Nordamerika, auf Madagascar, in der Suedsee, ueberall wiederholt sich dasselbe Schauspiel, und die Eingeborenen sollen schliesslich Richter sein zwischen den Lehren des Protestantismus und Katholizismus. Dass auf diese Weise die Sache nicht gefoerdert wird, ist nur zu natuerlich. Jeder Theil schiebt indessen die Schuld auf den andern, und dem Unparteiischen faellt es schwer, anders zu entscheiden, als dass _beide_ gefehlt. So auch in Abessinien. Die katholische Kirche betrachtete das Land seit der Verjagung der Jesuiten im 17. Jahrhundert immer nur wie eine abgefallene, aber wieder zu erobernde Provinz und beschloss, auch diese Eroberung zu beginnen, kurz nachdem die Protestanten sich in Tigrie niedergelassen hatten. Der Anfang damit wurde im Maerz 1838 gemacht, als der italienische Priester _Giuseppe Sapeto_ zugleich mit dem Reisenden _M. Abbadie_ in Adoa ankam. Bei Ubie stellte er sich als Eins mit den Abessiniern in der Religion dar und gewann bald Einfluss, den er, eingestandenermassen, gegen die Ketzer Isenberg und Krapf verwandte, sodass diese mit Recht seinem Einflusse ihre Verjagung aus Adoa zuschreiben. Sapeto besuchte nun die abessinischen Kirchen, schloss sich dem Gottesdienst an und geberdete sich in Allem als abessinischer Christ und arbeitete nicht ohne Erfolg. Er machte 22 Proselyten, die jedoch spaeter wieder zu ihrer Landeskirche zuruecktraten. Ehe er Abessinien verliess, bewog er den Etschege, das Oberhaupt der abessinischen Moenche, einen Brief an den Papst zu schreiben, dessen Primat als Nachfolger Petri die Abessinier im Allgemeinen anerkennen, ohne ihm jedoch eine Macht ueber ihre Kirche einzuraeumen. Die verschiedenen Sendungen der franzoesischen Regierung trugen ohnehin dazu bei, das Werk der roemischen Mission in Adoa zu foerdern, und so entschloss sich denn der Papst, mit noch groesserem Nachdrucke aufzutreten. Der Pater de Jacobis, ein Piemontese von Geburt und frueher Beichtvater der Koenigin von Neapel, ein durch grosse Kenntnisse und geistige Gaben ausgezeichneter Mann, ging mit sechs Gefaehrten nach Adoa, wo er bei Ubie zu bedeutendem Einflusse gelangte und von diesem mit der Gesandtschaft betraut wurde, welche 1841 den neuen Abuna Abba Salama abholen sollte. Waehrend de Jacobis weiter nach Rom ging, wo er einige junge Abessinier als "Gesandte des Koenigs von Aethiopien an den Papst" vorstellte, agitirte der junge Abuna hinter seinem Ruecken und griff zu allen moeglichen Mitteln, um die katholischen Proselyten wieder zur Landeskirche zurueckzubringen, was ihm auch gelang, sodass Jacobis nach seiner Rueckkehr in Adoa sich darauf beschraenken musste, seiner zahlreichen Dienerschaft im Missionshause Gottesdienst zu halten. Wie der Abuna ueber den katholischen Missionaer dachte, sieht man aus einem Schreiben, welches er 1843 an Isenberg kurz vor dessen Abgang richtete und in welchem es heisst: "Wenn Sie selbst den "Jakob" vertreiben koennen _und dann in Ruhe hier bleiben_, so wird Alles gut gehen; wenn Sie das aber nicht koennen, so werde ich auch ihm nicht erlauben, in unserm Lande zu bleiben. Wenn ich ihn aber vertreibe, so werden wir verhasst werden, und man wird sagen, ich sei ein Freund der Englaender. Wenn Sie mir aber sagen, ich solle ihn vertreiben, so will ich ihn vertreiben." Die Katholiken hatten eine lange Zeit in Abessinien wirken koennen, denn erst im Fruehjahr 1855, als Theodor ueber seinen Gegner Ubie siegte, wurden sie von ersterem, dem es an der Einheit der Staatskirche lag, verjagt. Justin de Jacobis sollte Anfangs getoedtet werden, allein Theodoros liess sich durch den Abuna bestimmen, ihn einfach ueber die Grenze zu weisen und mit 100 Stockstreichen zu bedrohen, wenn er wieder nach Habesch kommen sollte. Theodoros hielt sich zu diesem Schritte berechtigt, so lange der Papst in Rom anders lehrende Priester in seinem Gebiete und seiner Kirche nicht dulde und weil er neben seinem eigenen Papste (dem Abuna) einen fremden nicht zulassen koenne. Die Anhaenger der roemisch-katholischen Kirche mussten zum abessinischen Glauben zurueckkehren, und so war die siebzehnjaehrige Thaetigkeit derselben mit einem Schlage vernichtet. Jacobis zog sich nach dem Grenzorte Halai zurueck, wo er am 31. Juli 1860 starb. Indessen sollen noch mehrere Gemeinden in Okulekusai und das Hirtenvolk der Irop zu den eifrigen Anhaengern der katholischen Mission zaehlen. Auch in der Provinz Agamie und Bogos (zu Keren) waren Jesuiten angesessen, und mehr als 30 eingeborene Priester, die fuer das Land sehr gebildet sind, breiteten den Glauben um so eifriger aus, da sie als Landeskinder nicht das Misstrauen, das jeden Fremden empfaengt, zu bekaempfen hatten. Die Kirchen wurden fleissiger besucht, die Ehen regelmaessiger geschlossen und das Volk darum schon eher fuer den Katholizismus gewonnen, weil die Jesuiten namentlich den Mariendienst stark kultivirten, der den Abessiniern zusagt. Allein gegen die Feindschaft Theodor's und des Abuna konnten auch die Katholiken nicht aufkommen, und ihre Mission hatte ein Ende. _Der sechste misslungene Versuch._ Zu derselben Zeit nun, als die Katholiken aus Abessinien vertrieben wurden und dort die grossen politischen Umwaelzungen stattfanden, welche Theodor ans Ruder brachten, beschloss Bischof Gobat die protestantische Mission, die in Tigrie seit 1838 unterbrochen war, abermals zu erneuern und sandte zu diesem Zwecke Ludwig Krapf, den unermuedlichen Kaempfer, und _Martin Flad_, gleich jenem ein Wuerttemberger, im Dezember 1854 nach Abessinien. Die Sendboten landeten am 20. Februar 1855 zu Massaua. Hier traf nun bald der fluechtige de Jacobis ein, dessen Stelle zu besetzen die protestantischen Missionaere sich schleunig anschickten. Alles stand fuer sie guenstig; sie brachen ins Innere auf und fanden den Koenig im Lager in der Naehe von Debra Tabor, der sich ungemein freundlich gegen die Missionaere benahm. Dass er die Protestanten schuetzen, die Katholiken aber keineswegs dulden wolle, war eine angenehme Nachricht fuer Krapf, der sofort seine Geschenke auspackte. Diese bestanden in einem aegyptischen Teppich, einem Revolver, einem silbernen Becher, einem Taschentuch, auf dem eine Flaggenkarte abgedruckt war, und aus einer Bibel in amharischer Sprache. Das Taschentuch freute den Koenig sehr, und als er bemerkte, dass die Flagge von Jerusalem nicht in der Mitte stehe, fragte er nach der Ursache. Krapf theilte nun dem Koenige mit, dass Bischof Gobat ihm eine Anzahl christlicher Handwerker, Buechsenmacher, Schmiede u. s. w. schicken wolle. Dieser Plan fand guenstige Aufnahme, um so mehr als der Koenig bereits die Absicht hatte, nach Deutschland, England und Frankreich zu schreiben, um sich von dort Arbeiter kommen zu lassen. Die Freiheit der Religion wurde diesen Leuten ausdruecklich gewaehrleistet, eine Missionsthaetigkeit unter den christlichen Abessiniern ihnen jedoch nicht gestattet. Krapf und Flad zogen hierauf ueber Wochni, Metemme und Sennar, den Nil abwaerts nach Europa, wo sie Bericht ueber ihre Reise erstatteten. Schon im April 1856 gingen denn unter Flad's Leitung mehrere Laienbrueder aus dem Chrischona-Institute bei Basel nach Abessinien. Sie wurden Anfangs gut aufgenommen und zu Dschenda bei Gondar und Gafat bei Debra Tabor angesiedelt. Ihre spaetere Wirksamkeit faellt indessen mit der politischen Geschichte des Koenigs Theodoros zusammen, weshalb wir hier darauf verzichten, sie zu schildern. Wohl waren sie als Handwerker thaetig, indessen konnten sie fuer die Ausbreitung des Protestantismus so gut wie gar nichts thun, und ihre Anwesenheit in Abessinien bezeichnet den _siebenten misslungenen Missionsversuch_. Gleich ihnen waren auch die etwas spaeter eintreffenden Judenmissionaere _Stern_ und _Rosenthal_ ungluecklich, deren Beginnen als der _achte missglueckte Versuch_ hier angefuehrt werden muss. -------------- Wohl ist das Missionswerk ein preiswuerdiges, wohl verdienen jene Maenner wegen ihres Eifers, ihrer unermuedlichen Ausdauer unser Lob. Allein von Missgriffen waren die wenigsten frei und das stete Einmischen in die politischen Verhaeltnisse des Landes ein arger Fehler. Auch ist ihr Blick selten vorurtheilsfrei den gegebenen Verhaeltnissen gegenueber gewesen und leere Hoffnungen traten stets an die Stelle wirklicher Erfolge. Reisende, die ungetruebten Blickes Land und Leute kennen lernten, waren deshalb auch ferne von den gleichen argen Taeuschungen und stellten mit seltener Einmuethigkeit das Erfolglose der Missionsbestrebungen in Abessinien dar. Allein ihre klaren, fuer uns unumstoesslichen Anschauungen und Beweise haben fuer die Missionaere nicht die geringste Geltung, die beim Buchstaben der Schrift stehen bleiben. Doch halten wir mit dem eigenen Urtheile zurueck und lassen wir die Aussprueche einiger der bewaehrtesten Reisenden ueber die Missionen in Abessinien folgen. _Werner Munzinger_ ist mit der Handwerkermission, insofern dieselbe einfach Bildung verbreiten hilft, einverstanden. "Abessinien aber protestantisch machen zu wollen, faehrt er fort, das waere ein Beginnen, so radikal allem Hergebrachten ins Gesicht schlagend, dass die Leute, denen man ploetzlich ihren frommen Glauben und besonders die Verehrung der Mutter Gottes rauben wollte, von allem Christenthum abwendig wuerden. Das ruecksichtslose Abreissen wuerde sie so stutzig und verwirrt machen, dass sie das Kind mit dem Bade ausschuetten und den Glauben allen zusammen, sogar an Gott, wegwerfen wuerden, und mit der Verkuendigung einer Religion, die keine Verwandtschaft mit dem hat, was bis jetzt fuer schoenes goldenes Christenthum galt, wird allein ein krasser, gedankenloser Unglaube gepflanzt, der dem Volke den moralischen Halt nimmt, den ihm sein alter Glaube verliehen hatte. Wo aber ein Volk einmal den Glauben der Apostel rein bewahrt zu haben glaubt, da darf man des Systemes halber nicht in ein Extrem fallen; man muss nur das Moegliche versuchen, nur das Moegliche ist gut." Weit unumwundener spricht sich _Alfred Brehm_ aus. Er schreibt: "Die Bemuehungen der Missionaere sind zeitweilig von grossen Erfolgen gekroent gewesen. Zeitweilig, sage ich, das heisst, so lange die Mission Geschenke der verschiedensten Art, namentlich Schnaps und Wein, zu verabreichen hatte. Je mehr aber der Vorrath an diesen beliebten Getraenken abnahm, um so lauer wurden auch die Christen, und in den Zeiten der Duerre benahmen sie sich regelmaessig so, als waeren sie niemals Christen gewesen. Es geht hier eben wie fast ueberall, wo christliche Missionaere wirken: sie gewinnen in kurzer Zeit eine Menge Leute, welche sich dazu verstehen, einige Gebraeuche des Christenthums nachzuaeffen! Dass man sich in der Lehre, wie in der Ausuebung auf Aeusserlichkeiten beschraenkt, versteht sich ganz von selbst. - - Es verdient endlich einmal gesagt zu werden, dass die christlichen Missionen in Afrika in Glaubenssachen eben nichts anderes bewirken, als ueberspannten oder glaubenskranken Europaeern eine gewisse Genugthuung zu geben." Der klar blickende _Baker_, welcher in Galabat mit ein paar von den Chrischona-Missionaeren zusammentraf, unter denen sich ein Grobschmied befand, machte ihnen bemerklich, dass daheim in Europa ein sehr grosses Feld fuer die Missionsthaetigkeit offen liege und dass es sicherer und besser sei, dieses zu bebauen. "Ich konnte aber den Grobschmied, dessen Kopf so hart wie sein Amboss war, nicht ueberzeugen. Er hatte sich vollstaendig eingeredet, dass das Wort Gottes der Hammer sei, mit dem er, seinem Handwerk entsprechend, seine Ansichten von der Wahrheit den Leuten in die dicken Schaedel treiben muesse. Ich rieth ihm wieder zu seinem Handwerk zu greifen, das ihm mehr Respekt verschaffen werde als sein Predigen. Er antwortete, das Wort Gottes muesse in allen Laendern gepredigt werden; der Apostel Paulus sei auch Gefahren und Schwierigkeiten begegnet, aber er habe nichtsdestoweniger gepredigt und die Heiden bekehrt. So oft ich einem uebermaessig unwissenden Missionaer begegnet bin, hat er sich immer mit dem Apostel Paulus verglichen." Endlich urtheilt der fromme und religioese _Zander_, hart aber wahr, folgendermassen: "Alle abessinischen Missionen, die bisher hier waren, haben ihre Aufgabe durchaus falsch angegriffen, indem sie sich an die Erwachsenen wandten. Das Volk koennte nur einzig und allein dadurch gehoben werden, dass man sich der Kinder von frueh auf sorgfaeltig annaehme und sie gut erzoege. Eine Mission, die sich ungehindert dieser Aufgabe hingeben wuerde, koennte unendlichen Segen und Nutzen stiften, allerdings nicht fuer die Gegenwart, wohl aber fuer die Zukunft. Doch die bisherigen Leiter aller Missionen sammt ihren Gehuelfen waren rein unfaehig, eine solche Aufgabe zu vollfuehren, und die Missionshaeupter wurden stets von Eitelkeit, Hochmuth und grenzenloser Selbstsucht regiert. Sie schuetteten stets das Kind mit dem Bade aus." Diese vorurtheilsfreien Stimmen, neben welchen leicht noch viele aehnlich lautende Aussprueche angefuehrt werden koennten, moegen zur Bildung eines Urtheils ueber das abessinische Missionswesen genuegen. [Illustration: Abessinierin, Getreide reinigend. Originalzeichnung von Eduard Zander.] DER ACKERBAU UND DIE VIEHZUCHT ABESSINIENS. Von Eduard Zander. Die Kulturflaeche Abessiniens. - Die Getreidearten, ihre Anpflanzung und Verwendung. - Gewuerze, Gemuese, Wein, Baumwolle, Gescho. - Ernteertrag. - Nuk. - Einfelderwirthschaft. - Ackerwerkzeuge. - Regenzeit. - Bewaesserung. - Soziale Stellung der Landleute. - Die Viehzucht. - Die Regierung und der Grundbesitz. - Das Frohnwesen. - Steuern. - Wiesen und Moorgrund. - Bienenzucht. - Aussicht fuer europaeische Ansiedelungen. - Die Wohnungen der Landleute. - Die Muehlen Abessiniens. Abessinien besitzt sehr viel Land, welches sich vortrefflich zum Anbau eignet; jedoch kann man mit Sicherheit annehmen, dass von allem kultivirbaren Boden kaum die Haelfte benutzt wird, sodass ungefaehr von der gesammten Bodenoberflaeche kaum ein Drittel bebaut erscheint. Die zwischen 8000 und 10,000 Fuss ueber dem Meere gelegenen Hochlaender, wie Semien, die Wasserscheide des Rothen Meeres und Nilgebietes, Begemeder, das Innere von Godscham, namentlich die Gebirge um die Quellen des Blauen Nil, Sebit, Woadla, Daunt, Talanta, Lasta, Jedschu Wollo und Schoa sind meist eben und abwechselnd mit sanften Huegeln und Hoehen bedeckt, die eine zwei bis acht Fuss maechtige, sich nie erschoepfende Humusdecke tragen. In allen diesen Laendern wird, manchmal bis zu 11,000 Fuss hinaufreichend, die vierreihige Gerste kultivirt, waehrend die zweireihige nur zwischen 7000 und 8000 Fuss Meereshoehe angebaut wird. Die verschiedenen Arten des Weizens, unter denen die Eidscha genannte die vorzueglichste ist, gedeihen nur zwischen 8000 und 9000 Fuss; in derselben Hoehe kommt der Flachs am besten fort, obwol er bis zu 6000 Fuss hinabgeht. Die Flachsbereitung zu Webereien kennt der Abessinier nicht; er baut das nuetzliche Gewaechs nur, um aus den Samen zur Fastenzeit ein Lieblingsgericht herzustellen. Die Bereitung desselben ist sehr einfach. Man roestet zunaechst die Samen in einem flachen Tiegel ueber Feuer, doch nicht zu stark, und zerstoesst sie hierauf in einem hoelzernen Moerser sehr fein. So zubereitet laesst sich die gestossene Masse in Kugeln formen und fuer lange Zeit aufbewahren. Um aus diesen ein Leingericht herzustellen, werden einige Kugeln in Wasser zu einer dicken Suppe zerruehrt, und in diese taucht der Abessinier seine gesaeuerten, duenn gebackenen Brote. Fuer weitere Reisen ist diese Speise ausserordentlich praktisch, ja fast unschaetzbar; ich selbst habe mich derselben haeufig bedient und kann nur sagen, dass sie eine wohlschmeckende ist. Linsen und Saubohnen gehen bis zu einer Hoehe von mehr als 9000 Fuss. Als Gemuese werden in dieser Hoehe angebaut: Kohl, Senf und Knoblauch. Zwischen 6000 und 8000 Fuss Meereshoehe finden wir auch ganz vortreffliche zum Ackerbau geeignete Landschaften: Hamasien und Serawie mit durchgaengig urbarem Boden, liegen 7000-7500 Fuss ueber dem Meere; die Distrikte Dixan, Adigrat, Schumnesanie, Hausien, Faresmai, Adoa, Okulekusai, Adiarwate, Schirie, Tembien, Axum, Auker, Enderta u. s. w., die zu Tigrie gerechnet werden, und von Amhara: Bellesa, das niedere Woggera, ganz Dembea, das niedere Begemeder, Dakussa, Halefa, das niedere Lasta u. s. w. In den genannten Laendern auf einer Hoehe von 7000 bis herab zu 5500 Fuss gedeihen vorzueglich folgende Getreidearten: Tief, das werthvollste und wohlschmeckendste Korn, von dem viele Abarten gebaut werden; Mais oder Maschilla, der gleichfalls in verschiedenen Varietaeten vorkommt; Dakuscha, die besonders zur Bierbereitung dient; Nuk, dessen Samen ein vortreffliches Speiseoel liefert und der in grosser Menge angebaut wird. Schimbera, eine Wickenart; Erbsenarten; Saubohnen; als Gemuese gelten: viele Melonensorten, spanischer Pfeffer, Zwiebeln, Kohl u. s. w. Von 5000 Fuss bis zu 3000 Fuss ueber dem Meere werden noch besonders Mais und Dakuscha gebaut, die dort vorzueglich gedeihen. Dann Schimbera, spanischer Pfeffer und besonders Melonen. Auch kommt die Baumwolle gut fort. Nach diesem fluechtigen Umriss, der nur dazu dient, die Kulturpflanzen nach der Hoehe ihres Standpunktes und Vorkommens ueber dem Meere anzufuehren, gehe ich ausfuehrlicher auf deren Nutzbarkeit und Anwendung, deren Ertrag und Preis, sowie auf Saatzeit und Ernte einer jeden ein. _Gerste_ kommt zwei- und vierzeilig vor; letztere wird zwischen 8000 und 11,000 Fuss angebaut; da sie gegen Kaelte und rauhe Witterung nicht so empfindlich ist wie die erstere, laesst sich ihre Kultur mit mehr Gewinn betreiben. Allein sie hat sehr dicke Huelsen und deshalb geben die Koerner nicht viel Mehl, naemlich 16 Metzen Gerste nur 10 Metzen Mehl. Wenn, wie gewoehnlich, im Maerz und April einiger Regen gefallen ist, findet die Aussaat statt. Ende Juni folgt dann eine - meist missrathende - Nachsaat. Jedoch ist die Aussaat nicht ueberall gleichzeitig. So saeet man im Hochlande von Wollo die Gerste fast zu jeder Zeit. Gewoehnlich faellt die Ernte Mitte Oktober bis Ende November; auf den Hoehen ueber 11,000 Fuss aber in den Dezember. Unregelmaessige Aussaaten und Ernten sind von der Lage und Hoehe des Feldes abhaengig. Die gewonnene Gerste wird zur Bierbereitung und zum Brotbacken benutzt. Die _Gerstenbrote_ sind 2-3 Linien dicke, anderthalb Fuss im Durchmesser haltende runde Kuchen. Der Teig zu denselben wird sehr duennfluessig angestellt, einer zwoelfstuendigen Gaehrung ueberlassen und ist dann sofort zum Backen geeignet. Die fluessige Masse wird in eine flache, thoenerne Schuessel gegossen, mit der Hand gleichmaessig vertheilt, mit einem gewoelbten Deckel ueberdeckt und in einer Minute ueber freiem Feuer gar gebacken. Diese Art der Bereitung von gesaeuertem Brote wird bei allen Getreidearten ohne Ausnahme angewandt. Zur _Bierbrauerei_ wird die Gerste ohne vorheriges Malzen schwach braun geroestet, dann grob gemahlen, das erhaltene Mehl in einen grossen thoenernen Krug geschuettet und unter stetem Umarbeiten so viel Wasser zugegossen, bis das Ganze in einen nicht zu dicken Brei verwandelt worden ist. Nun wird auf folgende Art die eigentliche Wuerze bereitet. Man quellt Gerste in einem Thonkruge 24 Stunden lang, schuettet das Wasser davon ab und schichtet das gequollene Getreide in einem spitzen Haufen auf, den man mit Gras oder Laub dicht zudeckt und mit Steinen beschwert. Dieser bleibt so lange in Ruhe, bis die Gerste 2-3 Zoll lange Keime getrieben hat; dann trocknet man diese schnell und bewahrt sie auf. Dieses Malz wird zur Bierbereitung nun auf folgende Art verwendet. Man nimmt auf 32 Metzen geroestetes Gerstenmehl 1/2 Metze Malz, das vorher zu Mehl zerrieben und, mit 3 Metzen geroestetem Gerstenmehl vermischt, zu Teig angeruehrt ist. Diese Masse laesst man kurze Zeit gaehren und baeckt aus dem so erhaltenen Teige duenne brotartige Kuchen, die am Feuer hart getrocknet und in kleine Stueckchen zerbroeckelt werden. Die Quantitaet derselben und das geroestete Gerstenmehl stehen in einem genauen Verhaeltnisse. Die gemischte Masse wird in ein trichterfoermiges Pferdehaarsieb, das auf einem Thonkruge steht, gestellt, dann Wasser darueber gegossen und nun unter fortwaehrendem Wasserzugiessen so lange durchgeruehrt, bis aller Mehlstoff, mit Zuruecklassung der Huelsen, in den Krug geflossen ist. Nach vier bis sechs Stunden tritt in dem mit Wasser noch verduennten Inhalte des Kruges Gaehrung ein und das Bier ist zum Trinken fertig. Biere von anderen Getreidearten, wie Dakuscha oder Mais, werden auf dieselbe Weise bereitet. In Thonkruegen, deren Deckel mit Lehm und frischem Kuhmist verstrichen sind, haelt sich das Gebraeu oft geraume Zeit. Der _Weizen_ wird zwischen 7000 und 9000 Fuss ueber dem Meere angebaut. Die Saatzeit faellt mit jener der Gerste zusammen; die Ernte ist etwas spaeter. Wie schon bemerkt wurde, kultivirt man verschiedene Sorten. Die gewoehnliche Benutzung des Weizens ist zur Bereitung von Hampascha-Brot, dessen Teig mit Bierhefe angestellt, dick und steif ausgewirkt und zu Broten von 11/2 Zoll Dicke, aber beliebiger Groesse, verbacken wird. _Dakuscha_ (_Eleusine_) wird zwischen 3500 und 6500 Fuss gebaut, ist aber besonders in den Hoehen zwischen 4000 und 5000 Fuss sehr ergiebig. Dieses Getreide dient vorzueglich zur Bier-, weniger zur Brotbereitung; verbaeckt man es jedoch, so sind die warmen Kuchen sehr wohlschmeckend und naehrend. Die Saatzeit faellt Anfang Maerz; die Ernte in den November und Dezember. Es giebt schwarze und weisse Dakuscha. _Tief_ oder Tef (_Eragrostis_), zwischen 5500 und 7500 Fuss gebaut, ist das beliebteste, in einer Menge Arten vorkommende Getreide Abessiniens und das aus diesem bereitete Brot das allerwohlschmeckendste im Lande, besonders das rein weisse. Die Saatzeit richtet sich nach den verschiedenen Sorten. Sie faellt von April bis Mitte Juni und danach die Ernte von Ende September bis Anfang November. _Mais_ oder Maschilla, in verschiedenen Sorten gebaut zwischen 3000 und 7000 Fuss, gedeiht am besten zwischen 3000 und 5000 Fuss, wo er oft zwei- und dreihundertfaeltigen Ertrag liefert. Man verwendet ihn zum Brotbacken und zur Bierbereitung. Die Aussaat beginnt im April, die Ernte faellt - je nach Sorte und Standort - in den November und Dezember; in Woro Haimano gar schon zu Anfang Oktober. _Schimbera_ (_Lathyrus_), eine Wickenart, zwischen 4000 und 7000 Fuss angebaut, wird vorzueglich zu Schiro, einem Lieblingsgerichte der Abessinier, verwendet. Man roestet hierzu die Samen, enthuelst sie auf der Muehle, setzt spanischen Pfeffer, geroestete Zwiebeln und Salz zu und mahlt die ganze Masse zu Pulver. In siedendes Wasser nach und nach eingeruehrt, mit Schmalzbutter oder Oel gefettet, bildet es ein gutes Gericht. Auch backt man aus dem Mehle ungesaeuerte Kuchen, die als Reiseprovision geschaetzt sind. Die Saat beginnt gleich nach der Regenzeit - da die Pflanze trockene Luft und Sonne liebt - also Anfang September. Wo die Felder nass und sumpfig sind, beginnt die Aussaat erst im Oktober oder gar im November. Die Ernte erfolgt drei Monate spaeter. Man unterscheidet eine weisse und eine gelbe Schimbera. Zwei Arten _Saubohnen_ und eine _Erbse_ werden wie die vorige verwendet. Man baut sie zwischen 6000 und 9000 Fuss, saet zu Anfang Juli und erntet im Oktober. [Illustration: Henset-Bananenpflanzung (_Musa Ensete_). Nach v. Heuglin (Natur 1861).] Die _Linse_ kultivirt man zwischen 6000 und 9500 Fuss. Die Saat derselben erfolgt Anfang Juli, die Ernte Anfang Oktober. Gewoehnlich enthuelst man die Linsen auf der Muehle, kocht sie, wuerzt sie mit Pfeffer, Salz und Butter und geniesst sie auf diese Weise. Wo sie aber, wie in Woadla und Daunt, viel gebaut wird, baeckt man auch gesaeuertes Brot daraus, das allerdings nicht sonderlich gut ist. _Eiwisch_, eine Bohnen- oder Kleeart, zwischen 6000 und 7000 Fuss, wird im August gesaet und im Dezember geerntet. Die abgekochten und fein zerriebenen, dann so lange umgeruehrten Samen, bis sie einen kleisterartigen Brei liefern, der mit Knoblauch und Pfeffer gewuerzt wird, sind die beliebteste Fastendelikatesse der Abessinier. _Atunkere_, eine Schlingbohne, zwischen 5000 und 6500 Fuss gebaut, im April gesaet, Anfang November geerntet, wird wie die Linsen gegessen. Der rothe oder _spanische Pfeffer_ ist das hauptsaechlichste und beliebteste Gewuerz der Abessinier, das diesen so unentbehrlich geworden ist, dass sie es handvollweise den Speisen beimischen. Die abgekochten, aber fortwaehrend feuchtgehaltenen Fruechte werden auf der Muehle zu feinem Pulver zerrieben, dann eine gleiche Quantitaet geroesteter, feingemahlener Zwiebeln zugesetzt, einige wohlriechende, pulverisirte Pflanzen und Salz beigemischt und die so bereitete Wuerze aufbewahrt. Manchmal reibt man den Pfeffer auch nur mit Salz und Wasser ab. Man baut den Pfeffer zwischen 4000 und 6500 Fuss und bewaessert ihn wohl; in Dembea wird er ohne Bewaesserung gezogen und Ende Oktober geerntet. Andere Gewuerze sind Sinjewil, eine beliebte, dem Pfeffer beigemischte Kalmuswurzel; gleich dieser benutzt man noch Adees, eine Rubiacee, die Samen der Awoseda, einer Umbellifere, und Schenadam, eine Labiate. Die Samen des Foeto, welches unserer Gartenkresse gleicht, werden gleichfalls gegessen; jene des Schuf, einer Compositee, wie Schiro zubereitet. Dinnitsch ist ein Convolvulus, dessen den Kartoffeln aehnliche Wurzelknollen eine wohlschmeckende Speise liefern. Zu den _Gemuesen_ uebergehend, erwaehne ich zunaechst zwei sehr beliebte, wie unser Raps aussehende Kohlarten, deren Blaetter wie Spinat gekocht werden. Im Tiefland gedeiht der Kohl nur in der Regenzeit bis zu Anfang Oktober; im Hochland aber bis zu 10,000 Fuss gruent er das ganze Jahr hindurch. Der reichliche, oelige Samen wird nur zur Aussaat und zum Einreiben der Backschuesseln benutzt, damit sich das Brot gut loese. Das einzige Gemuese, auf dessen Anbau die Abessinier neben dem rothen Pfeffer noch Fleiss verwenden, sind verschiedene Melonenarten, die nicht roh, wohl aber gekocht genossen werden. Die Samen legt man Anfang April; fehlen dann die Regen, so muessen die jungen Pflaenzchen bis zum Eintritt der Regenzeit bewaessert werden. Die Fruechte beginnen Anfang September zu reifen. In einigen Gegenden baut man auch vortreffliche Gurken (Wuschisch). Das Gewuerz Bello, eine Solanumart, dessen Samen aehnlich wie der rothe Pfeffer benutzt werden, kultivirt man besonders in Walduba bis zu 6000 Fuss Hoehe. Man bedient sich seiner namentlich in den 60taegigen Osterfasten. In der gleichen Zeit bildet auch der Knoblauch, der zwischen 7000 und 8500 Fuss haeufig gebaut wird, einen betraechtlichen Handelsartikel. Er wird dann stark gegessen, und man sieht sehr oft, wie der Abessinier ganze Haende voll der rohen Zwiebeln hinabwuergt. Es kann nichts Unangenehmeres geben als die Beruehrung mit einem Knoblauchsfresser, dessen stinkender Athem unertraeglich ist. Die Reife des Knoblauchs beginnt im Januar und Februar. Mit dem Ausgange der Regenzeit pflanzt man eine kleine, rothe, laengliche Zwiebel; sie wird bewaessert und reift zugleich mit dem Knoblauch. Ihre Verbreitungsregion ist zwischen 5500 und 8000 Fuss; der Handel damit sehr bedeutend. Die _Banane_ oder Mus (_Musa paradisiaca_) wird zwischen 5000 und 6500 Fuss kultivirt. Hoeher hinauf bis zu 7500 Fuss kommt eine zweite ihr ganz aehnliche Art, die _Henset_, vor. Ihre kleinen Fruechte sind aber nicht essbar, dagegen liefern der fleischige Stamm und die starken Blattrippen im gekochten Zustande eine nahrhafte, wohlschmeckende, den Kartoffeln aehnliche Speise. Diese Riesenpflanze liefert in manchen Gegenden die Hauptnahrung der Bewohner. Sie wird angebaut von 5500 bis zu 8000 Fuss ueber dem Meere. Der _Wein_ kommt zwischen 5000 und 7500 Fuss ueber dem Meere vor, ist aber nur sehr wenig in Abessinien verbreitet, doch von ganz vortrefflichem Geschmack; ja, ich kann behaupten, dass, wenn man denselben mit europaeischer Umsicht, Geschicklichkeit und Pflege behandelte, er seines Gleichen nicht finden wuerde. Doch der Abessinier kennt weder Pflege noch Wartung des edlen Gewaechses, dessen Verschneiden ihm ein unbekanntes Ding ist; er ueberlaesst die Rebe ganz sich selbst. Aber es giebt ungemein viel Strecken im Lande, die unter verstaendigen Haenden sich ganz vorzueglich zur Weinkultur eignen wuerden. Man baut nur eine Sorte mit grossen, blaubeerigen Trauben, die je nach Stand und Ort von Anfang Maerz bis Mitte April reifen. (Vergl. S. 57.) Citronen, Pomeranzen, Pfirsiche gedeihen im verwilderten Zustande sehr gut, sind aber wenig verbreitet. Eine Citronensorte, Trunki genannt, erreicht die Groesse eines Menschenkopfes; ihr angenehm schmeckendes Fleisch ist sehr beliebt. Hier und da finden sich auch saure Granataepfel. Die _Baumwolle_ wird nicht in dem Masse gebaut, um die Beduerfnisse des Volkes decken zu koennen. Abermals ein trauriger Beweis von der Unbetriebsamkeit und dem Unfleisse der Abessinier! Und doch fehlt es nicht an geeigneten Laendereien. Man koennte sehr leicht den achten Theil Abessiniens mit der nuetzlichen Pflanze bestellen - leider ueberlaesst man denselben lieber den wilden Bestien als Tummelplatz. Zwischen 3000 und 5000 Fuss gedeiht eine vorzuegliche Qualitaet, und dabei bezieht man Baumwolle aus fremden Laendern! Rauchtabak wird im Lande selbst gebaut und fabrizirt; Schnupftabak dagegen, den man nicht zu bereiten versteht, von Massaua bezogen. Die Summe, welche jaehrlich aus Abessinien nach Massaua wandert, ist sehr gross, und welchen Ersatz hat das Land fuer das viele ihm entgehende Geld? Antwort: keinen. Die Blaetter des _Geschobaumes_, die einen nicht unbetraechtlichen Handelsartikel bilden, vertreten in Abessinien die Stelle des Hopfens und werden beim Bierbrauen und bei der Herstellung des _Honigweines_ benutzt. Letzteren bereitet man auf folgende Art. Auf ein Mass Honig giebt man fuenf Mass Wasser, spuelt das Wachs aus und giesst die duenne Honigfluessigkeit in einen wohlgereinigten, sechs Mass fassenden Krug. Man fuegt eine Hand voll Geschoblaetter hinzu und laesst das Ganze bei maessiger Waerme vier bis fuenf Tage gaehren. Nun ist der Wein fertig - allein trinken darf ihn nicht Jedermann, da er koenigliches Monopol ist und der Herrscher den Genuss desselben nur seinen vorzueglichsten Dienern und den Fremden gestattet. Da der Abessinier weder Lust noch Liebe zur Arbeit und Thaetigkeit hat, so laesst er all den genannten Kulturpflanzen nur wenig Pflege und Wartung angedeihen; seine Felder, seine Anpflanzungen gleichen fast immer einer Wildniss. Liebe, Sinn fuer die Natur und ihre Schoenheiten sind ihm unbekannt; wie sein Feld, so ist auch sein Sinn und Herz stets eine Wildniss. Folgendes sind die _durchschnittlichen_ Ernteergebnisse, jedoch ist dabei zu bemerken, dass der Ertrag der Mais- und Dakuscha-Arten in den tiefer gelegenen Laendern am Mareb, Takazzie und Nil nicht als Norm anzunehmen ist, da hier der Ertrag, je nach der Bodenguete, oft drei- und vierhundertfaeltig ausfaellt. Je _ein_ Scheffel Tief giebt 30, Mais 150, Weizen 10, Dakuscha 20, Lein 24, Gerste 12, Linsen 6, Saubohnen 10, Schimbera 8 und Nuk 40 Scheffel Ernteertraegniss im Durchschnitt. Nur eine einzige Oelfrucht, _Nuk_ (_Guizotia olifera_) wird zwischen 5000 und 7000 Fuss angebaut. Die Aussaat beginnt mit dem Eintritte der Regenzeit zu Anfang Juli und 1 Scheffel liefert 30-40 Scheffel Ertrag. Das Nukoel ist sehr wohlschmeckend und dient in der Fastenzeit statt der dann verbotenen Butter. Um das Oel zu gewinnen, werden die Samen zuerst schwach geroestet, fein gestampft und unter Wasserzusatz bei stetem Umruehren unter Beibehaltung einer Waerme von etwa 50 deg. R. ueber dem Feuer erhalten. Alsdann scheidet sich das Oel aus, von dem die Samen etwa 35 Prozent enthalten. -------------- Der Abessinier hat durchschnittlich eine _Einfelderwirthschaft_ und nur hier und da Zweifelderwirthschaft. Er duengt nicht, obgleich er den Nutzen der Felderduengung sehr gut kennt. Allein seine Unlust zur Arbeit und sonstigen Thaetigkeit, seine Stellung zur Regierung sind fuer ihn Hindernisse, die er niemals zu ueberwinden vermag. Diese Indolenz wird vorzueglich durch die Groesse und durch den Reichthum seines Landbesitzes genaehrt, denn schon wenn der vierte Theil der Felder bestellt ist, sind die Lebensbeduerfnisse des Besitzers gesichert. Gewoehnlich liegt der dritte Theil brach; wo der Boden sehr humusreich ist, bestellt man jedoch nur die Haelfte. Man muss die traurigen Zustaende mit eigenen Augen gesehen haben, um einen Begriff von Brachfeldern zu erhalten, die drei Jahre, ohne vom Pfluge beruehrt zu werden, wuest liegen! Ein solches "Ackerfeld" gleicht gewissermassen einer gut aufkeimenden Waldung, denn die wilde Vegetation wuchert in Abessinien ungemein schnell; man scheut auch das Ausroden der Struenke und Wurzeln und begnuegt sich damit, die Baumstaemme 1-2 Fuss ueber dem Boden abzuhauen. So sieht man die Felder mit grossen und kleinen, oft Jahrhunderte alten Staemmen und Wurzeln bedeckt. Und nun erst die Steine, die gross und klein, oft so dicht, dass man kaum den Boden erkennt, ueber den Acker zerstreut liegen! Nicht einmal den kleinsten Stein entschliesst sich der Abessinier auf die Seite zu schaffen. Wie viel gutes Ackerfeld geht also auch hierdurch verloren! Naht die Zeit heran, dass diese Ackerwueste bestellt werden soll, so sendet der Eigenthuemer oder Bauer seinen Knecht dorthin; hat er Lust dazu, so geht er auch wol selbst auf das Feld. Dort angelangt, besteht die einzige Arbeit darin, das aufgewucherte Gestruepp, Strauchwerk und Holz niederzuhauen. Dies geschieht gewoehnlich gleich nach der Ernte im November, Dezember, Januar, und von dieser Periode bis zur Bestellzeit hat das abgehauene Reisig Zeit auszutrocknen; alsdann wird es in Brand gesetzt. Leicht und oft ereignet es sich nun hierbei, dass auch die benachbarten Wildnisse Feuer fangen und ein grosser Brand ueber viele Meilen Landes sich verwuestend erstreckt. Die von dem verbrannten Holzwerk zurueckgebliebene Asche macht die einzige Duengung des Landes aus. Stellen sich dann die ersten Regenguesse ein, so wird der Pflug angesetzt und der Boden hintereinander zweimal umgepfluegt, einmal der Laenge und einmal der Breite nach. Die Saat wird schon vorher ausgestreut und mit untergepfluegt; eine nachherige Aussaat kennt der Abessinier nur bei Tief und Dakuscha, bei welchen die Haende der Weiber und Kinder dann das Geschaeft des Eggens besorgen. Da, wo bei herrschender Zweifelderwirthschaft die Felder von Holz und Gestruepp frei sind, werden dieselben zweimal gepfluegt; einmal gleich nach der Regenzeit und das zweite Mal bei der Aussaat. In den Hochlaendern, wo Holzwuchs und Gestruepp seltener, ja in vielen Gegenden gar nicht anzutreffen ist, hat der Bauer leichteres Spiel, namentlich beim Gerstenbau. Das einzige Ackerwerkzeug ist der _Pflug_, aber was fuer ein Pflug! Ist die Umackerung und Einsaat vollendet, so gleicht die ehemalige Wueste einem Felde, das von einer Herde Schweine durchwuehlt wurde. Lange Furchen zieht der Abessinier nicht; schon nach 20-30 Schritten lenkt er wieder um, vollendet so ein gewisses Stueck und beginnt da, wo er abgesetzt, von Neuem. Man stelle sich vor, wie viel von dem bereits fertig gepfluegten Lande von den Zugthieren wieder zertreten wird. Letztere sind Ochsen, die in einem gemeinschaftlichen Joche gehen und nur durch die Stimme oder Peitsche des Pfluegers gelenkt werden. Da sie zuegellos sind, so wenden sie sich bald rechts, bald links und ziehen demgemaess krumme Furchen.(2) Egge und Walze sind in Abessinien unbekannte Dinge. Tritt nun die eigentliche Regenzeit ein, dann gruent das Feld lustig von Unkraeutern und Schmarotzerungethuemen, die von den Frauen und Kindern ausgejaetet werden muessen. Im Hochlande, namentlich auf den Plateaux, trifft man dagegen, weil auf diesen Punkten das Gestruepp mangelt, ungeachtet des unbehuelflichen Pfluges trefflich kultivirte und gereinigte Felder an. Tritt die Erntezeit ein, so wird alles Getreide mit gezaehnten Sicheln geschnitten und zwar nur eine Spanne lang unter der Aehre. Sensen sind in Abessinien unbekannt. Der Strohverlust kuemmert den Abessinier nicht; er bindet das Getreide auch nicht in Garben, sondern wirft es auf Haufen, die an Ort und Stelle mit langen Stoecken ausgedroschen oder von Ochsen ausgetreten werden. Nachdem das meiste Stroh entfernt, reinigt man das Getreide durch Emporwerfen mittels hoelzerner Gabeln; der Wind vertritt Wurfschippe und Sieb, doch bedient man sich in einzelnen Gegenden auch hoelzerner Schaufeln. Um die muehsame Reinigung von 6-8 Scheffeln Getreide zu vollenden, braucht ein Mann einen ganzen Tag. Scheunen giebt es nicht und selbige sind auch weniger nothwendig, da nach Schluss der Regenzeit kein Regen mehr eintritt. Die eigentliche _Regenzeit_ beginnt nach europaeischer Zeitrechnung am 24. Juni, nach abessinischer am 1. Juli und endigt mit dem 8. September. Waehrend dieser Periode regnet es alltaeglich im Tieflande. Vormittags herrscht meistens Sonnenschein, Nachmittags treten starke Regenguesse, begleitet von heftigen Gewittern unter Donner und Blitz ein; die Naechte sind heiter. Im Hochlande dagegen sind die Regen feiner, wie unsere Landregen, und ihr Eintreten ist sehr unregelmaessig. Bald regnet es frueh, bald Mittags, bald Abends, oft die ganze Nacht oder den ganzen Tag ohne Aufhoeren hindurch. Gewitter sind im Juli selten, im August haeufiger, besonders zu Ausgang der Regenzeit. Auf den Hoehen zwischen 12,000 und 14,000 Fuss faellt gewoehnlich ein feiner Hagel; allein, wenn die Sonne einige Vormittage geschienen, so verschwindet derselbe bald wieder. Stellt sich, was gewoehnlich der Fall ist, in den Monaten Dezember, Januar, Februar einiger Regen ein, so schneit es im Hochlande. Auch das Tiefland kennt in der Regenzeit starken Hagel und ich sah daselbst Schlossen von der Groesse eines Taubeneies. -------------- Ist eine Ackerwueste nur einigermassen fruchtbar, so erzielt man von Tief in zwei Jahren zwei Ernten, da dieses Getreide mit geringem Boden vorlieb nimmt. Ausser der Regenzeit wendet man beim Getreidebau auch die _Felderbewaesserung_ an, doch sind nur wenige und mangelhafte Wasserleitungen vorhanden. Wuerden durch vaterlaendischen Fleiss, Geschicklichkeit und Verstand diese Wasserleitungen vermehrt und verbessert, was ohne bedeutende Kosten leicht geschehen koennte, welch unberechenbarer Nutzen liesse sich alsdann erzielen! Die Hoehen zwischen 8000 und 11,000 Fuss eignen sich indessen fuer die Bewaesserung nicht, da die Naechte in den Monaten Dezember bis Maerz so kalt sind, dass das Wasser gefriert. [Illustration: Ackerpflug. Zeichnung von Robert Kretschmer.] Die Hauptursache der Unlust und Unthaetigkeit der Abessinier zu jeder ackerbautreibenden Beschaeftigung liegt in ihrer Stellung zur Regierung. Diese laesst es sich auch nicht im Geringsten angelegen sein, den Bauer zur Arbeit aufzumuntern, anzutreiben oder zu unterstuetzen. Der Regierung ist es vollkommen gleichgiltig, ob die Leute Ackerbau treiben und wie sie denselben treiben. Das Regiment war stets ein despotisches; erzielt der Bauer viel, so nimmt die Regierung viel, erntet er wenig, so nimmt sie trotzdem auch viel. Hierzu gesellen sich andere Lasten: stete Einquartierung und _Frohndienste_ aller Art. In einer unbestimmten, willkuerlichen Anzahl von Frohntagen muss der Landmann die Aecker der Regierung und der hohen Beamten bestellen; er muss Baufrohnen leisten, wenn ein hoher Herr bauen will, und dazu das noethige Holz oft viele Tagereisen weit auf dem Ruecken herbeischleppen. Es kommt vor, dass hundert Menschen an einem einzigen grossen Balken tragen muessen. Man bedenke dabei aber, welche Wege zu ueberschreiten, welche Abgruende zu passiren, welche Hoehen zu erklimmen sind! Gestruepp, Dornen, Steine, Alles hindert den Transport. Gebahnte Wege und Strassen besitzt das Land nicht. Ausser dem Holze muss der Bauer noch Steine, Stroh, Moertel, Wasser und was sonst von Noethen zum Bau herbeischaffen. Eine Hauptlast, die schwer auf dem Volke drueckt, ist der _Adel_. Es giebt einen niederen, Mosseso, und einen hoeheren, Mokunnen, genannt. An sie schliessen sich drueckend an die Dienerschaft des Regenten, die Heerfuehrer, alle aus der Adelsklasse, endlich die Raethe und Minister. Alle diese Menschen sind nicht von der Regierung besoldet. Der Herrscher giebt ihnen, je nach Rang und Stellung, Laendereien, von denen sie gesetzliche _Steuern_ zu beziehen haben; allein sie alle, gross und klein, erlauben sich Ausschreitungen und Bedrueckungen, gegen die der Bauer wol klagt, doch die Klagen gelangen nicht an den Thron. Oft wird der Landmann von diesen liebenswuerdigen Leuten bis auf die Haut ausgepluendert. Derjenige, welcher vom Herrscher mit einem Lande belehnt wird, ist unbeschraenkter Herr ueber alle Bewohner desselben und die Gerichtsbarkeit liegt ganz in seinen Haenden; diese weiss er vortrefflich in seinem Nutzen auszubeuten, und nur in halsnothpeinlichen Sachen ist der Regent Richter. Willkuerlich darf der Lehnsherr keine Steuern erheben, von denen der Regent uebrigens ein Drittheil zu beziehen hat. Erhebt nun der Regent seine Steuerquote, so kann jener in demselben Masse die seinigen einziehen. Sie bestehen in Geld, Getreide, Baumwollenzeug, Vieh, Butter, Honig, Pfeffer, Salz und Zwiebeln. Auch ausserordentliche Steuern kennt Abessinien. Werfen wir noch einen Blick auf die innere Wirthschaft des Abessiniers, die der aeusseren vollkommen gleicht und Sorglosigkeit sowie Faulheit erkennen laesst. Betrachten wir zunaechst den _Viehstand_. Man zuechtet Pferde, Maulthiere, Esel, Rindvieh, Ziegen, Schafe, Huehner. Die _Pferde_ und Maulthiere sind die einzigen Thiere, welche sich einiger Pflege zu erfreuen haben. Erstere sind kurz und gedrungen, doch meist von gut proportionirter Gestalt, kraeftig und feurig. Der Preis eines guten Pferdes betraegt 40-50 Maria-Theresia-Thaler. Die _Maulthiere_ sind stark, gedrungen, ausdauernd und in dem wildzerkluefteten, weg- und steglosen Lande fuer den Reisenden von sehr grossem Nutzen; auch weiss der Abessinier die Vorzuege des Maulthieres vor dem Pferde wohl zu schaetzen. Der Preis eines sehr guten Exemplares steigt oft bis zu 100 Maria-Theresia-Thalern, waehrend man geringere mit 10-25 Thalern bezahlt. Die Pferde werden eigentlich nur fuer die Kavallerie verwendet. [Illustration: Rinderhirt. Zeichnung von Robert Kretschmer.] Der _Esel_ gilt dem Abessinier als unreines Thier. Er erfreut sich weder der Pflege noch der Zucht und doch ist sein Nutzen als Lasttraeger ein ausgedehnter und bedeutender. Das Los des armen Geschoepfes ist ein recht beklagenswerthes, namentlich jenes der Kaufmanns-Esel, die oft 20 Tagereisen weit ohne Unterbrechung von frueh bis Abends schwere Lasten schleppen muessen. Abends hat das Thier dann noch selbst fuer seine Nahrung zu sorgen. Der Preis ist gering, naemlich nur 2-3 Thaler. _Rindvieh_ kommt in grosser Menge vor. Die Ochsen werden im gemeinsamen Joche vor dem Pfluge in den steinigen Feldern abgequaelt und erhalten fuer die muehsame Arbeit keinerlei Dank. Futterkraeuter baut der Abessinier nicht, die Thiere sind gleich dem Esel gezwungen, selbst ihre Nahrung zu suchen, oder in der langen, trockenen Jahreszeit allein auf Stroh angewiesen. Im Allgemeinen geben die Kuehe durch ihre Milch wenig Nutzen. Nur waehrend der Regenzeit, wo Nahrung in Huelle und Fuelle emporkeimt, fliesst diese Quelle reichlicher; aber vom Maerz bis oft in den Juni ist der Milchertrag aeusserst gering, zumal die abessinische Kuh ueberhaupt keine gute Milchkuh ist. Und doch eignet sich das Land ganz vortrefflich zum Anbau der Futterkraeuter, die dort nicht den schaedlichen Witterungseinfluessen ausgesetzt sind wie in meinem Vaterlande. Der Abessinier besitzt weder die noethigen Kenntnisse noch die noethigen Gefaesse, um sein unvollkommenes _Molkenwesen_ verbessern zu koennen; die Kaesebereitung ist ihm ganz fremd. Indem man die Kaelber ein ganzes Jahr und darueber saeugen laesst, wird auch viele Milch nutzlos vergeudet; um aber das Kalb nach vier- oder sechswoechentlichem Saeugen absetzen zu koennen, fehlt es wieder an Nahrung fuer dasselbe. Zur Sonnenzeit, in den Monaten November bis Juni, ist das Vieh von frueh bis Abend den gluehenden Strahlen ausgesetzt und leidet darunter sehr; auch das traegt dazu bei, die Rindviehzucht auf einer niedrigen Stufe zu erhalten. Trotzdem sind die Preise der Thiere nach unseren Begriffen niedrig. Ein guter Zugochse gilt 3 Maria-Theresia-Thaler; eine neumilchende Kuh nebst Kalb 3-4 Maria-Theresia-Thaler; eine Kuh zum Schlachten, je nachdem sie fett oder mager, 2-3 Maria-Theresia-Thaler. Das Rindvieh wird jeden Tag von frueh bis Abend auf die Weide getrieben und dort meist von kleinen Knaben gehuetet, die durchaus nicht darauf Acht geben, ob eine Kuh besprungen wird; so ereignet es sich haeufig, dass traechtige Kuehe geschlachtet werden; ja, ich habe gesehen, dass man Kuehe geschlachtet hat, die nach zwei oder drei Tagen geworfen haben wuerden. Von _Ziegen_ und _Schafen_ haben die Abessinier nur den Nutzen, welchen deren Fleisch und Felle liefern. Nur in den Hochlaendern kommt das Schaf gut fort, es gedeiht in den tiefen und heissen Gegenden nicht. Auf den Plateaux dagegen finden sich Tagereisen lange Hutungen, die einzig zur Schafzucht benutzt werden koennen. Die Wolle des abessinischen Schafes ist noch groeber als jene der lueneburger Heidschnucken; sie ist meistens schwarz, wird in einigen Gegenden gesponnen, gewebt und zu Kleidungsstuecken verwendet. Nicht im Geringsten kuemmert sich der Abessinier um die Veredelung der Schafzucht, er waehlt keine Boecke und Muetter aus und laesst diese, nebst den Laemmern stets beisammen. Das Haemmeln der Boecke ist unbekannt; Pferde, ausser den Gestuethengsten, Bullen und Ziegenboecke werden dagegen verschnitten. Wie die Schafe wild beisammen leben, so auch die Esel, das Rindvieh, die Ziegen. Der Preis der Schafe, je nach Groesse und Qualitaet, betraegt fuer 6-8 Stueck 1 Maria-Theresia-Thaler. Ihr Fleisch ist wohlschmeckend. Ziegen erhaelt man fuer denselben Preis nur 4-6 Stueck, und zwei grosse und fette, verschnittene Ziegenboecke kosten auch 1 Maria-Theresia-Thaler. Aus ihren Haeuten bereitet man Getreidesaecke ohne Naht, auch Pergament, das jedoch meist aus Schafleder gemacht wird. Rauh gegerbt dienen letztere auch als Kleidungsstuecke. Die Zucht der _aegyptischen Huehner_ ist sehr im Schwange. Ein Huhn bruetet jaehrlich fuenf- bis sechsmal 15-17, also im guenstigsten Falle 100 Eier aus. Anderes Gefluegel, wie Gaense, Enten, Tauben u. s. w. ist unbekannt. Braechte man sie jedoch hierher, so wuerden sie besser gedeihen als in meinem Vaterlande. Der Preis fuer drei bis vier Huehner ist 1 Stueck Salz oder fuer 90-100 Stueck 1 Maria-Theresia-Thaler. Das Kapaunen der Haehne, wiewol von einigen Abessiniern verstanden, wird selten ausgeuebt. -------------- Der Abessinier ist _fester Grundbesitzer_, und die Regierung kann ueber den Grundbesitz ihrer Unterthanen nicht willkuerlich verfuegen oder denselben nach Gutduenken an sich ziehen, es sei denn durch rechtskraeftigen Spruch. Dieser letztere kann nur dann eintreten, wenn der Eigenthuemer kinderlos oder ohne Verwandte, naehere oder fernere, stirbt. Dann zieht die Regierung die Laendereien des Verstorbenen fuer ewige Zeiten an sich. Zeitweilig wird die Regierung Besitzerin eines Grundstueckes, wenn dessen Eigenthuemer die darauf lastenden Abgaben und Steuern nicht zu entrichten vermag. Sie behaelt dieselben so lange, bis diese bezahlt sind, oder uebergiebt sie unterdessen einem anderen Wirthschafter, der die schuldige Summe vorstreckt, doch nur so lange, bis der rechtmaessige Eigenthuemer wieder zahlungsfaehig ist und die vollstaendigen Steuern entrichtet. Oft uebernimmt die Gemeinde dieses Geschaeft; Verkauf der Laendereien findet selten statt. Hier waere wohl der Ort, einige Worte ueber _Ansiedelungen_ vom Vaterlande aus nach Abessinien einzuschalten. Unter der gegenwaertigen Regierung koennen dieselben niemals stattfinden. Der Auswanderer, er komme woher er wolle, kann wol hier in Abessinien Grundstuecke kaeuflich erwerben, doch vermag er niemals sichere Garantie fuer deren dauernden Besitz zu erhalten, denn alle Regierungen des Landes waren bis zum heutigen Tage Willkuerherrschaften. Beim Regierungswechsel ist der Ansiedler sicher zu Grunde gerichtet, am gewissesten dann, wenn er das Land von einem Einwohner kaufte, dessen Verwandte ihm seinen Erwerb bei der neuen Regierung streitig machen koennen. Dann stellt sich gewoehnlich heraus, dass der Verkaeufer nur zeitweiliger Besitzer der Laendereien war, und das abessinische Recht giebt unter solchen Umstaenden den Verwandten das Land zurueck. Etwas besser ist der Ansiedler daran, wenn er von der Regierung ein Grundstueck erwirbt und den Kaufabschluss unter Zuziehung von Zeugen in das Kirchenbuch eintragen laesst. Aber wie lange ihm das Land gesichert bleibt, weiss Gott allein! Gesetz und Gerechtigkeit waren in Abessinien nur dem Namen nach vorhanden. _Doch die gegenwaertige Regierung des vortrefflichen Kaisers Theodoros laesst schoene Hoffnungen in meinem Herzen wach werden. Der liebe Gott wolle stets ueber meinem Kaiser, welchen ich von ganzer Seele lieb habe, seinen reichen Segen und Frieden walten lassen. Amen!_ Zum Schluss noch einige Worte ueber _Wiesen und Moorgrund_ Abessiniens. Besonders die Hochlaender Semien und Woggera zeichnen sich durch schoenen und reichen Wiesengrund aus. Dembea, ein Tiefland, hat am Tana-See unuebersehbare Wiesenflaechen, Begemeder im Hoch- und Tieflande; Sebit besteht ganz aus Wiesen; aehnlich verhaelt es sich mit Woadla, Daunt und Talanta. Am Fusse des Kollogebirges in Wollo ziehen sich gleichfalls grosse Wiesenflaechen hin. Schoa, Lasta und Godscham sind stellenweise reich daran. Vergleichsweise mit diesen Hochlaendern sind die Tieflaender arm an Wiesenwuchs; doch ist ihr Gras nahrhafter und saftiger. Das Heumachen ist ein den Abessiniern unbekanntes Ding, auch besitzen sie keinerlei Werkzeuge zum Maehen der Wiesen. Steht im September das Gras hoch, so wird alles Hausvieh auf die Weide getrieben, die meistens zertreten wird und hoechstens zwei Monate ausreicht. Sind so die reichen Weiden zerstoert, so tritt bittere Noth und Hunger fuer den Viehstand ein, ohne dass die Menschen dadurch zum Nachdenken veranlasst wuerden. Auf fast allen Wiesen findet sich viel Moorgrund und Sumpf, die durch vaterlaendischen Fleiss und Geschicklichkeit leicht in Reisgefilde umgeschaffen werden koennten. Jetzt liegen sie alle wuest und nutzlos da. Vor allem waeren die Moorgruende am Tanasee hierzu passend; sie koennten eine Quelle des Reichthums fuer das Land sein. Auch eine gute und verstaendige _Bienenzucht_ wuerde bedeutenden Nutzen abwerfen, denn kein Land eignet sich so vortrefflich zu derselben als Abessinien. Die Art und Weise, wie sie bisher von den Eingeborenen betrieben wird, gleicht genau dem liederlichen Verfahren im Ackerbau; trotzdem wird viel Honig und Wachs gewonnen; letzteres wird meist ausgefuehrt, ersterer zu Honigwein benutzt. Die abessinische Biene ist kleiner als unsere europaeische Art. Schwaermt ein Stock, oder wird der junge Schwarm ausgetrieben, so fliegt dieser oft drei bis vier Tage weit, bis die Koenigin in einem hohlen Baume oder einer Felsenhoehle einen passenden Ort zur Niederlassung ausfindig gemacht hat. Hat der Zug seine Auswanderungsreise angetreten, so geht derselbe viele Stunden weit rasch vorwaerts, bis Muedigkeit der Koenigin eintritt, die sich an irgendeiner Stelle niederlaesst, welche dann als Rastepunkt der Schar bis zum naechsten Tage gilt, wo die Reise fortgesetzt wird, bis eine Behausung gefunden ist. Will der Abessinier einen solchen Schwarm in einen Stock oder Korb einschlagen, so muss er zunaechst der Koenigin die Fluegel verschneiden; unterlaesst er dieses, so geht der Schwarm gewoehnlich wieder fort. Ich habe selbst den Versuch gemacht und einen solchen Schwarm dreimal eingesetzt; allein nach ein- bis dreitaegigem Aufenthalte ging er stets wieder fort, weil ich der Koenigin die Fluegel nicht verschnitten hatte. Die Form der Bienenstoecke ist walzenfoermig; sie werden aus Rohrstaeben zusammengesetzt, die man aeusserlich mit frischem Kuhmist, dem etwas Lehm zugesetzt ist, einen halben Zoll dick ueberzieht. Haeufig haengt man diese Koerbe in grosse Baeume, doch halten die meisten Abessinier dieselben bei ihren Haeusern. Die Bienenzucht wird in einer Meereshoehe von 5000-9000 Fuss betrieben. Der Preis fuer 50 Pfund Honig ist 1 Maria-Theresia-Thaler. Vermoege der Verschiedenartigkeit seines Klimas duerfte sich Abessinien zum Anbau aller europaeischen Kulturpflanzen eignen, die unter vaterlaendischer Geschicklichkeit herrlich gedeihen wuerden. Reis ist unbekannt, Kaffee wird so gut wie gar nicht und noch dazu recht ungeschickt angebaut; stark kultivirt wird er in den Gallalaendern Limu, Enarea und Kaffa, und die von dort stammenden Sorten sind besser als der arabische Kaffee aus Mocha. 40 Pfund Kaffee gelten in Abessinien 1 Maria-Theresia-Thaler. Schwarzer Pfeffer, Baumwolle, Indigo koennten vorzueglich gebaut werden; einige Arten Indigo wachsen wild. Fuer Zuckerrohr und Runkelrueben findet sich geeigneter Boden. Ich selbst habe in Tigrie Runkelrueben kultivirt, die eine bedeutende Groesse erreichten und viel zuckerhaltiger als die vaterlaendischen waren. Alle Gewuerze der Gewuerzinseln und die verschiedensten Oelpflanzen wuerden gedeihen; Oelgewinnung und die dazu nothwendigen Geraethe sind hier unbekannt. Desgleichen fehlt guter Hanf und Flachs zum Spinnen und Weben. Beeren, Fruechte, Wein - sie alle finden hier zusagenden Boden. Doch mit Schmerz muss ich bekennen, dass alles dieses, so lange der gegenwaertige Zustand des Landes dauert, so lange nicht eine radikal veraenderte Regierungsweise eintritt, eitler Wunsch bleiben wird. Denn erst, wenn die Regierung eine unbeschraenkte Kultivirung des Landes durch Deutsche, Englaender, Franzosen u. s. w. zulaesst und unterstuetzt, kann aus diesem etwas werden. Durch die Abessinier selbst kann eine nutzbringende Kultur niemals geschaffen werden, denn sie sind bitter arm; es fehlen ihnen alle Instrumente, welche den Anbau foerdern koennten, oder die Arbeiter, die sie zu verfertigen verstaenden. Auch ist ihr geistiges Besitzthum arm, duerftig, auf niederer Stufe stehend; sie sind entbloesst von allen guten Eigenschaften, Liebe und Lust zur Arbeit, Sinn fuer die Natur. Liesse sich das Vaterland den gegenwaertigen Zustand Abessiniens angelegen sein, setzte dasselbe kraeftige, wirksame und heilsame Hebel an den gegenwaertig verwahrlosten Agrikulturzustand Abessiniens, so wuerde reicher Segen seine Muehen und Opfer lohnen. Doch wie Hebel anlegen, dass sie nicht brechen? Oder will das Vaterland feste Gerechtsame in Abessinien erwerben, so koennen diese nur durch Waffengewalt aufrecht erhalten werden. Wie der Zustand der Felder und des Viehstandes, so ist auch die _Behausung des Abessiniers_ und deren Umgebung beschaffen. In und ausser seinem Hause oder vielmehr seiner Strohhuette, ist alles voller Schmuz und Unrath. In der Regenzeit gleichen die Wohnungen einer Kloake, der man sich nicht naehern kann, ohne Gefahr zu laufen, in diesen Mistsuempfen zu versinken. Um eine Wohnung zu errichten, haut der Eingeborene krumme und gerade, duenne und dicke Holzstangen ab, die er in einem Kreise in den Boden pflanzt und wobei er einen schmalen Raum fuer die Eingangsthuer freilaesst. Die Stangen werden nun mit Bast und duennen Ruthen gleichwie mit Fassreifen umwunden und die Zwischenraeume mit Reisig ausgefuellt. Im Innern wird diese Ringwand dann mit etwas Erdmoertel ueberzogen. Hierauf wird das Ganze mit einem pyramidenfoermigen Dache, das gleichfalls aus Stangen, Reisig und Bast zusammengesetzt ist, gekroent und mit einer 3 Fuss langen holzigen Grasart belegt. Nun ist die Wohnung vollendet und der Einzug kann stattfinden. Alle Familienmitglieder, nebst Knechten und Maegden, wohnen und schlafen hier beisammen; die Kuehe, die Muehle, das Maulthier, falls ein solches vorhanden, die Huehner - sie alle finden hier ihren Platz. Auch das Getreide hat hier in grossen aufrecht stehenden Erdtonnen oder wohl verdeckten Gruben seine Stelle. Der Hausherr ruht auf seiner Alga (oder Arat), einem hoelzernen Bettgestell mit vier 2 Fuss hohen Beinen, ueber das schmale Riemen von ungegerbter Rindshaut gezogen sind. Die uebrigen Bewohner legen Rindshaeute auf den Boden, die ihnen zur gemeinschaftlichen Schlafstaette dienen. Selten wird eine solche Behausung ausgekehrt und unzaehlige Floehe, Laeuse und Wanzen sind die regelmaessigen Insassen, um welche der Bewohner sich wenig oder gar nicht kuemmert. Der Kuechenrauch, Asche, Staub und Unrath aller Art haeufen sich im Verlaufe eines Jahres dermassen an, dass man das Innere mit einem Schornstein vergleichen kann. Uebrigens wendet man in Abessinien verschiedene Bauarten an. Oft bestehen die Waende aus Steinen, die mit Moertel verbunden oder ohne diesen aneinander gefuegt sind. Steinhaeuser finden sich fast durchgaengig im Hochlande, und da es hier in der Nacht sehr kalt ist, so findet auch Vieh aller Art in denselben seine Schlafstaette. Da, wo gute passende Erde vorkommt, baut man auch quadratische Haeuser mit plattem Dache. Dieses ist namentlich in Tigrie haeufig der Fall. Diese Decke wird dann durch starke Baumstaemme und Balken getragen, die mit einer 1 Fuss dicken Lage Erde ueberdeckt sind, welche zur Regenzeit kein Wasser durchlaesst. Hier sieht man auch oft grosse, auf diese Weise ueberdachte Saeulenhallen aus rohen Baumstaemmen, unter denen das Vieh zur Regenzeit Schutz und Obdach findet. Ueberhaupt herrscht im Lande Tigrie mehr Fleiss und Ordnung als in anderen Gegenden Abessiniens. Das hier von den Wohnungen Gesagte gilt nur von den Behausungen des ackerbautreibenden Theiles der Bevoelkerung. Die _Haeuser der Reichen_ und Grossen des Landes sind besser gestaltet. Sie sind gewoehnlich gut mit Erdmoertel aufgefuehrt und auch die innere Wand mit Moertel ueberzogen. Das Innere besteht oft aus Abtheilungen, von denen eine fuer Pferde und Maulthiere, eine als Speicher, eine dritte als Empfangszimmer, eine vierte fuer den Hausherrn und seine Familie bestimmt ist. Ist das Haus klein, so wird das Empfangszimmer besonders angebaut. Das Dach ist im Innern haeufig schoen mit zusammengesetzten Rohrstaeben verziert, ja manchmal mit farbigen Baumwollstoffen kuenstlich dekorirt, die Eingaenge mit Breterthueren, der Hof mit einer Mauer versehen. Doch herrscht im Innern derselbe Schmuz und das Ungeziefer wie bei den Landleuten. Die _Muehlen_ der Abessinier bestehen aus einem einzigen Stein, der 1 Fuss breit und 13/4 Fuss lang ist. Das Material besteht aus grobem Sandstein oder Trachyt; enthaelt der letztere viele kleine Blasenraeume, so wird er sehr geschaetzt. Die Muehle wird durch Klopfen mit einem harten kleinen Steine geschaerft. Der Laeufer, mit dem das Getreide zerrieben wird, ist ein 3/4 Fuss langer, 4 Zoll breiter Stein. Das Mahlgeschaeft wird nur von den Frauen besorgt. Eine Person zerreibt taeglich etwa 6 Metzen (Berliner Mass). Das Mahlsieb besteht aus Grasgeflecht. Weizen und Gerste werden, bevor sie auf die Muehle kommen, enthuelst; dieses geschieht in ausgehoehlten Baumstaemmen, welche die Moerser vertreten; der Stoessel ist ein 3 Fuss langer, 2-3 Zoll im Durchmesser haltender Knittel aus wildem Olivenholz. Die einzigen Instrumente, welche sonst noch bei der Agrikultur in Abessinien Dienste leisten, sind eine Axt, eine Erdhaue, eine gezaehnte Sichel und ein Messer. In Schoa wurde unter der Regierung des Koenigs Sahela Selassie von einem Europaeer eine Wassermuehle errichtet, doch als diese anfing zu mahlen, empoerte sich die Geistlichkeit gegen das Teufelswerk und bedrohte den Koenig mit dem Bannfluche, wenn das Mahlen nicht eingestellt wuerde. Die Muehle ist heute gaenzlich zerfallen. [Illustration: 1. Muehle (a. Laeufer, b. Bodenstein). 2. Erdhacke. 3. Sichel. 4. Messer. 5. Axt der Abessinier. Originalzeichnung von E. Zander.] [Illustration: Ansicht von Suez.] MASSAUA UND DIE ABESSINISCHE KUeSTENLANDSCHAFT. Die Bedeutung des Rothen Meeres. - Der Dahlak-Archipel und die Perlenfischerei. - Die Stadt Massaua und ihre Bewohner. - Sklavenhandel. - Die Cisternen. - Der Markt. - Karawanenhandel mit Abessinien. - Die Bai von Adulis. - Schohos und Danakil. - Die Samhara. - Eine abessinische Karawane. - Der Tarantapass und Halai. Das Rothe Meer, lange Zeit fuer den grossen Verkehr fast ohne Bedeutung, ist in unsern Tagen aus seiner Abgeschiedenheit hervorgetreten und nimmt lebhaften Antheil am Welthandel. In einer Laenge von fast vierhundert Meilen erstreckt es sich gleich einem Arm von Suez bis zur Bab-el-Mandeb zwischen dem nordoestlichen Afrika und der westlichen Kueste Arabiens. Regelmaessig wie bei uns die Eisenbahnen wird es fast tagtaeglich von Riesendampfern seiner ganzen Laenge nach durchkreuzt; Telegraphendraehte sind an seinen korallenreichen Gestaden hingelegt, und der Post- wie Handelsverkehr von Europa nach Indien nimmt jetzt seinen Weg zumeist ueber diese Strasse. Noch groessere Bedeutung wird das Rothe Meer jedoch erlangen, wenn einst der Suezkanal vollendet sein sollte, obgleich schon auf der von Alexandrien ueber Kairo nach Suez fuehrenden Eisenbahn alljaehrlich viele Tausende von Vergnuegungsreisenden zu ihm hingezogen kommen. Nach allen Seiten fuehren von seinen Kuesten wichtige Handelsbahnen in die umliegenden Laender, die zum Theil, wie das Innere Ostafrika's, ungemein produktenreich sind: Gummi und Straussenfedern, Droguen und Elfenbein, Wachs und Honig, nicht minder aber Sklaven werden in allen Hafenplaetzen feil gehalten und finden regelmaessigen Absatz gegen europaeische Produkte. Sowie aber die kommerzielle Bedeutung des Rothen Meeres sich gehoben hat, ist auch nicht minder jetzt die politische in den Vordergrund gelangt, und wie in so vielen andern Weltgegenden sind auch hier England und Frankreich als eifersuechtige Rivalen aufgetreten, die einander den Rang streitig zu machen suchen. Beide wissen, dass im Rothen Meere der Schluessel zu Indien liegt, und wenn auch Frankreich ein geringeres Interesse als England daran zeigt, denselben mit in Haenden zu haben, so ist es doch schon des Wettbewerbes wegen bestrebt gewesen, es in Besitzergreifungen den Englaendern gleichzuthun. Der Suezkanal, ein franzoesisches Unternehmen, hat mindestens in demselben Grade politische Bedeutung, wie kommerzielle; denn wie die Englaender Aden und die Insel Perim am suedoestlichen Ende des Rothen Meeres besetzten und so die Bab-el-Mandeb beherrschen, trachten die Franzosen danach, ihre Herrschaft am nordwestlichen Ausgang der Handelsstrasse zu errichten. Und auch noch andere Kuestenplaetze sind nach und nach in die Haende der beiden Rivalen gefallen: die Briten haben sich auf der Insel Kamaran an der arabischen Seite, die Franzosen auf Dessi vor der wichtigen Bai von Adulis und zu Oboc niedergelassen. Von hier aus ueberwachen sie den Handel und spinnen Intriguen mit den unzufriedenen Elementen der Bevoelkerung, um bei guter Gelegenheit sich ueberall in die Landesangelegenheiten mischen zu koennen. Europaeische Konsularagenten haben in den meisten Hafenplaetzen schon ihren Sitz, und mit dem arabischen oder banianischen (indischen) Handelsmann theilen sich jetzt europaeische Kaufherren in den Gewinn des Handels am Rothen Meere. Eine Abschliessung desselben ist jetzt nicht mehr denkbar, es wird mit allen seinen Gestadelaendern - mag es wollen oder nicht - immer mehr in unsere Beziehungen hineingezwungen. Freilich ein Hinderniss hat die Natur selbst geschaffen, welches die Bedeutung dieses Meerarmes fuer den Verkehr bedeutend abschwaecht. Das Rothe Meer ist fuer Segelschiffe bei den jetzigen Anforderungen an die Schnelligkeit des Verkehrs fast so gut wie unbefahrbar, da ziemlich das halbe Jahr hindurch Windstille herrscht und Mangel an guten Haefen ist. Zudem machen die Korallenklippen die Fahrt aeusserst gefaehrlich, und auch die Versorgung der Schiffe mit Wasser, Kohlen oder Lebensmitteln ist eine aeusserst mangelhafte. Nur der Dampfer, der seine Kohlen in Suez oder Aden liegen hat, beherrscht diesen Meeresarm vollstaendig und in vier bis fuenf Tagen durchfahren sie denselben von einem Ende bis zum andern, um dann weiter die Fahrt nach Indien anzutreten. Waehrend die grossen Dampfer der indischen Linie direkt das Rothe Meer durchkreuzen und nur selten den einen oder andern Hafenplatz an demselben besuchen, sind fuer letztere besondere Seitenlinien eingerichtet, die meist von einer tuerkischen Gesellschaft schlecht versehen werden. Von _Suez_, wo die Eisenbahn muendet, steuern wir zunaechst nach _Kosseir_, von wo eine Karawanenstrasse nach Keneh am Nil fuehrt, der in dieser Gegend einen weiten Bogen nach Osten macht und sich dem Rothen Meere naehert. Von Kosseir fahren wir in suedoestlicher Richtung nach der arabischen Kueste hinueber und landen in _Jembo_, dem Eingangsthor der heiligen Stadt, naemlich Medina, fuer welches dieser Platz den Hafen bildet. Weiter an demselben Gestade fortsteuernd erreicht der Dampfer _Dschidda_, "die Ebene ohne Wasser". Aber dieser Hafenplatz, das Seethor fuer Mekka, ist in vieler Beziehung wichtig und namentlich zur Zeit der Pilgerwanderungen sehr belebt. Wir verlassen auch diesen Ort, der schon Millionen Wallfahrer landen sah, und durchkreuzen abermals nach Suedwesten hin das Rothe Meer, um _Sauakin_ an der afrikanischen Kueste zu erreichen, von wo aus die grosse Karawanenstrasse nach dem oestlichen Sudan und Chartum an der Vereinigung des Weissen und Blauen Nil fuehrt. Und nun geht nochmals der Anker in die Hoehe, nach Sueden ist der Bug des Dampfers gerichtet, die afrikanische Kueste, das Land der nomadisirenden Beni-Amer und Habab bleibt zur Rechten liegen und die _Dahlak-Inseln_ kommen in Sicht. Auf diesem Archipel erhalten wir durch die Sprache der Bewohner schon einen Vorgeschmack Abessiniens, vor dessen Kueste, gegenueber dem Hafenplatze Massaua, die Gruppe liegt. Die drei Hauptinseln sind Gross-Dahlak, Nureh und Nakala. Die Grosshandelsfahrzeuge legen dort nicht an, obwol das erste der genannten Eilande einen sehr guten Hafen hat. Viele Spuren, namentlich Ruinen, deuten darauf hin, dass einst die Abessinier und im 16. Jahrhundert die Portugiesen eine Niederlassung auf demselben hatten. Dahlak hat nur etwa 1600 Einwohner, auf die andern beiden bewohnten Inseln kommen zusammen nur 200 Koepfe. Alle sind Muhamedaner, friedliche Menschen, die unter einem Scheich stehen; dieser erhaelt seine Belehnung von dem aegyptischen Gouverneur in Massaua, welchem er jaehrlich 1000 Maria-Theresia-Thaler zahlt. Wasserlaeufe giebt es auf den Inseln nicht, aber das Brunnenwasser ist gesund. Ueberaus reich ist hier das Meer an Fischen und Fischfang daher eine Hauptbeschaeftigung der Bewohner. Doch noch andere Schaetze bietet die salzige Flut, welchen die Dahlak-Inseln vorzueglich ihre Beruehmtheit verdanken. Namentlich kommt die _Perlenauster_ (_Pintatina_) in grosser Menge, foermliche Baenke bildend, hier vor, und sie ist es, die vom Mai bis in den August eine grosse Anzahl der Bewohner mit Tauchen beschaeftigt. Jeder kann sich an der Perlenfischerei nach Belieben betheiligen; Abgaben werden nicht erhoben und nicht selten kommen auch Taucher und Fischer von der gegenueberliegenden arabischen Kueste. Man bedient sich zum Fange der gewoehnlichen Barken, der sogenannten Sambuks, welche gerudert werden und auch Mattensegel haben. Von den zwoelf bis vierzehn Koepfen der Mannschaft sind sechs bis sieben Taucher. Mit einem Bismillah! (Im Namen Gottes!) stuerzt der Mann in die Tiefe, wo er nicht viel laenger als eine Minute bleibt, so viel Austern, als er kann, in einen Korb zusammenrafft und diesen durch die Gefaehrten an einem Seil in die Barke ziehen laesst. Mehr als dreissig, hoechstens vierzig Mal kann er an einem und demselben Tage nicht untertauchen. Eine mit guten, recht erfahrenen Tauchern bemannte Barke wird im Laufe eines Tages bis 3500 Perlenaustern und etwa 500 Perlmutteraustern erbeuten. Die Muschel, welche man bei den Dahlak-Inseln fischt, ist im allgemeinen nur klein und beinahe rund; der Durchmesser betraegt 5 bis 6 Centimeter. Unter 20 bis 30 Austern hat immer nur eine einzige eine kleine Perle, die man als Samen bezeichnet. Es scheint als ob eigentliche, voellig ausgebildete Perlen nur in ganz ausgewachsenen Muscheln gefunden werden. Die Insulaner bezeichnen die Perlenauster als Bebela oder Bereber. Ihr Fleisch ist weiss und geniessbar; man trocknet es an der Sonne und zieht es auf Faeden, worauf es dann einen Theil des Jahres hindurch die Hauptnahrung der Leute bildet. Alljaehrlich bringen die Fischer ihre Ausbeute an Perlen und Perlmutter nach dem Dorfe Debeolo, wo vierzehn Tage lang Markt gehalten wird. Dort legen sie die Erzeugnisse des Meeres zum Verkauf aus. Regelmaessig finden sich fremde Kaufleute, besonders indische Banianen ein, die gegen Silber oder Tauschwaaren, Lebensmittel, Holz, Baumwollenstoffe die Perlen zu ziemlich niedrigem Preise einhandeln. Man schaetzt diese nach ihrer Groesse, Gestalt und Reinheit ab. Erstere wird durch ein Haarsieb ermittelt, das Oeffnungen von verschiedener Groesse hat. Je nach den verschiedenen Gattungen wird der Preis bestimmt. Der Umsatz auf dem Markte von Debeolo betraegt im Durchschnitt an Geldwerth 50,000 bis 60,000 Thaler, ist also immerhin bedeutend. Zu den Ausfuhrgegenstaenden der Dahlak-Inseln gehoert ferner das feine Schildpatt (Baga); das der Schildkroetenweibchen ist durchgehends schwerer und dicker als das der Maennchen, und ein zwei Fuss langes Rueckenschild des ersteren giebt zwei Pfund Schildpatt. Auch die Kauris oder Geldmuscheln, die in Afrika als Scheidemuenze gelten, werden auf den Dahlak-Inseln in grosser Menge gefischt. Seltener aber ist ein hoechst interessantes Meersaeugethier, der _Dugong_ (_Halicore Dugong_), das wegen seiner starken Haut und perlmutterglaenzenden Zaehne sehr geschaetzt war und ist. Es kommt auch an den arabischen und afrikanischen Kuesten vor, an welcher letzteren es von den Danakil gefangen wird. Die Thiere leben paarweise und weiden auf den untermeerischen Tangwiesen, die ihre einzige Nahrung bilden. Das Land besuchen sie selten, meist schwimmen sie wie Meerjungfern mit erhobenem Oberkoerper in der See. Sie sind ueber 12 Fuss lang und schwer mit Harpunen zu erreichen. Die dem Walross aehnlichen Stosszaehne wurden frueher als Handelsartikel gesucht und zu Rosenkraenzen verarbeitet, waehrend die marklosen Knochen Dolch- und Messergriffe von grosser Dauerhaftigkeit liefern. Aus der Haut bereitet man Sandalen. Merkwuerdig erscheint uns der Dugong noch dadurch, dass er dasjenige Thier ist, aus welchem die alten Juden den Ueberzug ihrer Bundeslade gemacht haben sollen. Unsere Fahrt durch das Rothe Meer ist nun beendigt; von Dahlak wendet sich der Dampfer nach Westen, der abessinischen Kueste zu, von der aus die kuehnen und gewaltigen Bergmassen von Hamasien uns entgegenstarren. Wir naehern uns der Insel _Massaua_, deren Bucht, von Vorgebirgen eingeschlossen, nun in Sicht kommt. [Illustration: Ansicht von Massaua. Im Vordergrund Fischerknabe. Originalzeichnung von Robert Kretschmer.] Gleich darauf werden das kleine Vorwerk, die weissgetuenchten Doppelthuerme der Moschee, die tuerkischen Wachtschiffe und fremden hier ankernden Fahrzeuge sichtbar. Schon ehe man landet, erblickt man weit draussen auf der See eigenthuemlich gestaltete _Fischerfloesse_, die aus fuenf zusammengebundenen Baumstaemmen bestehen. In der Mitte sitzt ein Knabe, der mit einer beiderseits schaufelfoermigen Ruderstange geschickt und schnell seine Faehre regiert. Auf diesem gebrechlichen Dinge angelt er an Klippen und Baenken, faengt eine grosse Anzahl Fische und toedtet sie jedesmal sogleich durch einen Nagelstich in den Kopf. Die Stadt _Massaua_ oder Mesaueh ist der Hauptort fuer das Aegypten untergeordnete abessinische Kuestenland nebst den Inseln des perlenreichen Dahlak-Archipels, Sitz eines Kaimakan, der einige Soldaten zur Verfuegung hat. Ausserdem residiren hier aegyptische Zollbeamte und verschiedene europaeische Konsuln, denn Massaua ist die Pforte des Handels fuer fast ganz Abessinien und von groesster politischer Wichtigkeit durch seine Lage gegenueber dem letztgenannten Reiche, wie durch seinen in jeder Beziehung vorzueglichen Hafen, der sich auch dadurch vor andern Haefen am Rothen Meere auszeichnet, dass man sich hier leicht mit Schiffsprovisionen, Wasser, Holz, Schlachtvieh u. s. w. versehen kann. [Illustration: Wassertraegerin an den Cisternen. Derwisch von Massaua. Originalzeichnung von Robert Kretschmer.] Der Golf von Arkiko, in welchem die Inselstadt Massaua liegt, ist mit verschiedenen kleinen Koralleneilanden bedeckt. Auf einem derselben befindet sich der christliche Friedhof und hier ist es, wo auch die Leiche unseres Landsmannes, des Reisenden Hemprich, ruht, den am 30. Juni 1825 der Tod ereilte. Auf einem andern Koralleneilande liegt ein Heiliger, Seid Scheik, begraben, der seinerzeit Massaua verlassen und diese kleine Insel bezogen haben soll, weil er glaubte, dass der Lebenswandel seiner Mitbuerger allzu irreligioes sei. Vom Festlande sowol als von Massaua machen zahlreiche Gesellschaften naechtliche Ausfluege nach dem Grabe dieses Heiligen, wobei weniger religioese Absichten die Pilger leiten sollen, als der Schmuggel mit Sklaven. Die Insel Massaua selbst hat eine halbe Meile Laenge und beinahe eine Viertelmeile Breite. Die westliche Haelfte traegt die Stadt, die oestliche halb verfallene, alte Cisternen aus besserer Zeit und ein kleines, schlecht armirtes Fort. Die Anlage der Stadt ist eine ganz unregelmaessige, wenig aeltere Gebaeude bestehen aus Stein, die meisten sind Strohhuetten, die auf Pfaehlen im seichten Meerwasser ruhen. Unter ersteren zeichnen sich das Gouvernementsgebaeude, eine zweikuppelige Moschee (Diamet Scheik Hamal) und das Zollhaus aus. Im Ganzen hat Massaua etwa ein Dutzend religioeser Gebaeude; darunter jene bemerkenswerthe Moschee, die frueher eine christliche Kirche gewesen war und in welcher die Portugiesen 1520 Messe lasen, nachdem sie "Matzua", so nannten sie die Stadt, den Muhamedanern abgenommen hatten. Was den Namen des heutigen Ortes betrifft, der auch Masua, Massawa geschrieben wird, so leitet ihn Munzinger aus der Tigriesprache ab, in welcher Mesaua den Raum bedeutet, ueber welchen hin man den Ruf einer Menschenstimme hoeren koenne, und das trifft hier allerdings fuer die Meeresbreite zwischen Insel und Festland zu. Aber in der Landessprache der Eingeborenen heisst Stadt und Insel gar nicht Massaua, sondern Base. Die Bevoelkerung ist fast ganz muhamedanisch; die Ureinwohner gehoeren der aethiopischen Rasse an und sprechen eine semitische Sprache. Die uebrigen Bewohner, mit Ausnahme der tuerkischen Beamten und der Besatzung, sind Kaufleute aus Arabien, dann Somali, Danakil, Galla, Abessinier und Banianen (Indier). Die Massauaner selbst sind Fischer, Schiffsleute und Lasttraeger, welche das Trinkwasser herbeischleppen. Ausser etwas Weberei, Gerberei und Schiffsbau werden wenig Gewerbe getrieben. Die Staerke der Bevoelkerung schaetzte Rueppell 1832 auf 1500, Heuglin 1857 auf 5000 Seelen, einschliesslich des Militaers. Die Einkuenfte der Provinz, meist aus den Zollabgaben des abessinischen Handels bezogen, betrugen nach beiden Reisenden 40,000-50,000 Thaler. Die Massauaner sind ein in der Jugend durchweg sehr schoener Menschenschlag und haben eine kupferfarbige Haut, die mehr oder weniger dunkel ist. Die Maedchen zeichnen sich durch schlanken Wuchs, regelmaessige Zuege des ovalen Gesichts, grosse, lebhafte Augen und feinen Mund mit schoenen Zaehnen aus. Wenn sich zwei Bewohner nach laengerer Zeit wieder begegnen, kuessen sie sich gegenseitig die Haende und erkundigen sich mit vielen Schmeichelworten nach dem Befinden. Was den Charakter der Massauaner anbetrifft, so lauten die Urtheile darueber sehr unguenstig. Dem blossen Schacher ergeben, ueben sie alle moeglichen Verstellungskuenste und erfuellen selbst die heiligsten Versprechungen nicht. Dazu kommt, dass der fortwaehrende Sklavenhandel ihre moralischen Sitten untergraben und ihr Herz gegen jede edlere Empfindung verstockt machen musste. Diebereien und Einbruch sind gewoehnliche Verbrechen und gelten nicht als Schimpf. Die Anzahl der Bettler ist gross und die meisten derselben kommen durch Hunger und Elend ums Leben. Dankbarkeit ist den Massauanern nur dem Namen nach bekannt, und als Rueppell einst einen Mann von einer gefaehrlichen Schusswunde geheilt hatte, drueckte dieser seine Freude darueber folgendermassen aus: "Gott ist gross und wunderbar! Hat er doch diesen _Hund von Unglaeubigen_ hierhergeschickt, um mich zu heilen!" Eine Eigenthuemlichkeit der Massauaner besteht darin, dass sie Familiennamen haben, was bekanntlich sonst bei Muhamedanern nicht der Fall ist. So heissen einige Adulai, und diese stammen aus Adulis; andere Dankeli, Farsi (aus Persien), Yemeni (aus Yemen in Arabien). Unter den Kaufleuten spielen die _Banianen_ eine wichtige Rolle. Diese Indier haben einen grossen Theil des Verkehrs auf dem Rothen Meere in ihren Haenden und bewohnen in Massaua ein eigenes Quartier. Dort sitzen die wohlbeleibten Maenner nur halb bekleidet, mit geschorenem Kopfe, kleinem Schnauzbart und praechtigen schwarzen Augen in dem gelben, etwas weibischen Gesichte. Wer sie so sieht, glaubt sich in einen Bazar nach Delhi oder Bombay versetzt. Der Baniane traegt auf der Strasse einen rothen, mit Gold oder gelber Seide verbraemten Turban und eine silberne Kette um den Leib. Diese Inder essen kein Fleisch und moegen solches nicht einmal anruehren. Beklagten sie sich doch einmal, wie Lejean berichtet, ernstlich darueber, dass die Hunde der katholischen Mission einmal in der Naehe ihrer, der Banianen, Cisterne Knochen abgenagt haetten! Dadurch koenne das Wasser verunreinigt werden. Die Zahl der Europaeer ist in Massaua nie betraechtlich gewesen und besteht nur aus ein paar Konsularagenten, einigen Kaufleuten und Missionaeren. Unter den Konsularagenten war der englische, vor wenigen Jahren erst verstorbene _Raffaele Barroni_ den Tuerken besonders verhasst, weil er den Muth hatte, eine unablaessige Fehde gegen die Sklavenhaendler zu fuehren. Um recht mit Nachdruck auftreten zu koennen, hatte er sich sogar eine eigene Polizei eingerichtet. Er wusste allemal, wieviel Sklaven eine im Kuestenland aus Abessinien ankommende Kafle (Karawane) mit sich fuehre, zog ihr an der Spitze seiner wohlbewaffneten Dienerschaft entgegen, nahm, wenn noethig, mit offener Gewalt ihr alle Sklaven ab und verschaffte denselben die Freiheit. Die Kaufleute hassten ihn, sein Leben war oftmals bedroht, aber er hatte seine Vorkehrungen getroffen und sich eine Art von fester Burg gebaut, von welcher aus er mit seinen Kanonen und Buechsen die Umgegend bestreichen konnte. Im Nachlasse dieses muthigen Mannes fand der Reisende Lejean folgende Aufzeichnung: "Ich habe Sklaven befreit, nachdem der Konsul Plowden von hier abgereist war, im Jahre 1855: 2 Galla von Tehuladare, 1 aus Mensa, 158 aus Magatul, 1 von Atti Letta; 160, die man nach Dschidda schicken wollte, habe ich zurueckgehalten. Im Jahre 1856: 240. Ich hielt eine ganze Karawane auf ottomanischem Gebiete an und schickte sie nach Abessinien zurueck. Im Jahre 1857 befreit: 2 von Schoa, 2 von Mensa, 4 von mir unbekannter Herkunft" u. s. w. Eine andere Notiz lautet: "Die Bewohner dieser Stadt und namentlich die Sklavenhaendler sind hocherfreut, dass Abdul-Aziz den Thron bestiegen hat; sie hoffen unter ihm eine Wiederbelebung des Sklavenhandels im Rothen Meere." Wie die Englaender es uebrigens mit der Unterdrueckung des Sklavenhandels nicht immer ernst nehmen, dafuer bringt Lejean ein Beispiel bei. Barroni stand unter dem Oberbefehl des englischen Residenten in Aden. Dieser wandte allerdings gegen das, was Barroni that, nichts ein, gab ihm aber zu bedenken, dass man es mit dem Einschreiten gegen den Sklavenhandel unter tuerkischer Flagge nicht zu ernsthaft nehmen duerfe "damit diese befreundete Flagge im Rothen Meere in ihrem Ansehen nicht geschwaecht werde". Was Lejean sonst noch ueber einzelne Einwohner Massaua's berichtet, ist zu charakteristisch fuer die dortigen Zustaende, als dass wir es nicht hierher setzen sollten. Die tuerkische Regierung benahm sich gegen die Kapuziner, welche sich in Monkullo niederlassen wollten, sehr barsch. Ein Moench machte aber dem Gouverneur zu schaffen und forderte ihn sogar zum Zweikampf auf Saebel; dann erklaerte er, er werde den Gouverneur aus dem Fenster werfen und selbst regieren. Zuletzt wurde er Kaufmann und dann in Florenz Zeitungsredakteur. Im Jahre 1854 war ein gewisser Ibrahim Pascha Kaimakan von Massaua. Dieser Wuerdentraeger war stets durch Hanfrauchen benebelt und schwelgte in den wildesten Phantasien. Nach Konstantinopel berichtete er, dass er alles Land bis zu den Mondgebirgen erobert habe, waehrend doch wenige Stunden landeinwaerts seine Macht ein Ende hatte. Er wollte die Einwohner am Festlande besteuern, worauf diese aber keine Lebensmittel mehr nach der Insel brachten, sodass in Massaua sich Hungersnoth einstellte. Gegen die Europaeer erlaubte er sich allerlei Grobheiten; dieselben fuehrten Klage, infolge deren er 1855 von der Pforte kassirt wurde. Er nahm seine Absetzung gleichmuethig auf, schloss sich in seinen Harem ein und erhing sich an einer Saebelschnur. Was das Klima Massaua's anbetrifft, so ist es nicht ungesunder als das der andern Hafenplaetze am Rothen Meere. Das Spruechwort sagt, es sei eine Hoelle, wie Pondichery ein heisses Bad und Aden ein Backofen. Am empfindlichsten macht sich der Mangel an Trinkwasser auf der Insel selbst bemerkbar. Die _Cisternen_ auf der Ostseite der Insel nehmen etwa ein Drittel dieser letzteren ein. Der Ueberlieferung zufolge sind sie von den Farsi (Persern) gebaut worden und das kann richtig sein, denn es ist wahrscheinlich, dass einige Zeit, bevor Muhamed seine Lehre verkuendigte, der persische Koenig Chosroes diese Kuestengegend des Rothen Meeres beherrschte. Uebrigens bezeichnet man in Massaua alles, was nicht muselmaennisch oder abessinisch ist, als "Farsi", und so auch die Cisternen. Sie sind vortrefflich gearbeitet und haben eine Art gewoelbten Deckel, der aus wunderbar fest gekitteten Korallenstuecken besteht. Die inneren Waende der Cisternen sind meistens vollkommen glatt und von rosenrother Farbe. Die aegyptische Regierung thut nichts, um diese so hoechst nothwendigen und nuetzlichen Cisternen in gutem Zustande zu erhalten; was einfaellt wird nicht ausgebessert. Die Tuerken bekommen ihr Wasser von Monkullo oder Arkiko, und ob die armen Leute Trinkwasser haben, ist ihnen ganz einerlei. Massaua selbst hat gar kein eigenes Trinkwasser, wenn nicht etwa einige dieser Cisternen Regenwasser enthalten. Alltaeglich geht dagegen ein Regierungsschiff nach Arkiko, das viele Brunnen besitzt, deren Wasser indessen nicht besonders gut ist. Dasselbe wird dort in lederne, stark gethrante Schlaeuche gefuellt, dann mittels Lastthieren oder Traegern zum Gestade gebracht und nach der Stadt verschifft. Im August und September fallen nicht selten Regen, welche die Brunnen speisen. Das schon erwaehnte Arkiko, das frueher Dogen hiess, scheint wenigstens so alt wie Massaua zu sein, obgleich es keinen Hafen besitzt. Es ist von freundlichen Gaerten umgeben und dient als Militaerstation. Seine Wichtigkeit verdankt Massaua dem abessinischen Zwischenhandel. Alle dort wohnenden Nationalitaeten sind an demselben betheiligt. Es kommen bei guenstigen politischen Verhaeltnissen im Innern gewoehnlich zweimal im Jahre grosse Karawanen (Kafle) aus den Gallalaendern und ganz Abessinien nach der Kueste; der Gesammtwerth der durch sie abgesetzten Waaren wird von Heuglin auf eine Million Thaler, von Andern jedoch weit hoeher angegeben. Eine solche Karawane sammelt sich bei guenstiger Jahreszeit und bewegt sich, von bewaffneter Macht eskortirt und immer wachsend an Mitgliedern, ueber Adoa dem Meere zu. Sie steht unter dem Befehle eines Schech el Kafle und transportirt die Waaren auf Maulthieren und Eseln bis an den Abfall der Hochgebirge, wo dann die benachbarten Hirtenvoelker, die viele Kameele zu diesem Zwecke halten, die Weiterbefoerderung uebernehmen und die Waaren bis zum Meere bringen. Der groesste Theil der Verkaufsgeschaefte ist schon vor Ankunft der Karawane in Massaua durch Unterhaendler abgeschlossen; die Hauptartikel sind Kaffee aus der Umgebung des Tanasees, Godscham und den Gallalaendern, Elfenbein von den Galla- und Kolalaendern, Nashorn, Moschus, Gold von Damot, Fazogl, Galla u. s. w., Wachs, Honig, Butter, Schlachtvieh, Haeute, Maulthiere, Tabak, Straussenfedern und Sklaven. Der Schiffahrtsverkehr mit den Haefen am Rothen Meere, sowie mit Aden und Bombay, ist sehr lebhaft. Noch 1860 schrieb Moritz v. Beurmann: "Unter den von Massaua ausgefuehrten Handelsartikeln nehmen die Sklaven noch immer einen bedeutenden Posten ein, obgleich in der letzten Zeit auch dieser Handel bedeutend nachgelassen hat und die jaehrliche Ausfuhr in den letzten Jahren wol kaum auf 1000 Koepfe kommen moechte. Es war deshalb auch zu der Zeit, als ich in Massaua war, die Stimmung gegen die Europaeer eingenommen, da man wohl weiss, einen wie schaedlichen Einfluss dieselben auf diesen ergiebigen Handel haben." Nach Rueppell fuehrte man 1838 etwa 2000 Sklaven beiderlei Geschlechts aus, zu einem Durchschnittspreis von je 60 Speziesthalern. _Markt_ wird taeglich in der Stadt abgehalten. Ausser den gewoehnlichen Handelswaaren werden auch Lebensbeduerfnisse, Fleisch, Brot, Holz und Trinkwasser, feilgeboten. Die beiden zuletzt genannten Beduerfnisse machen die Erwerbsquelle fuer die armen Landleute aus. Mit dem thoenernen Topfe auf dem Haupte kommen die Wassertraegerinnen heran; schon am fruehen Morgen stellen sich Hirten ein, welche kleine, mit Milch gefuellte Koerbchen zum Verkauf bringen; diese Milch schmeckt sehr unangenehm, indem sie gleich nach dem Melken stark geraeuchert wird, was, um das Gerinnen zu verhueten, unumgaenglich noethig sein soll. Andere Landleute bringen in der Winterjahreszeit Nabakfruechte (_Rhamnus Nabac_) und kleine Citronen, die aus den verwilderten Klostergaerten stammen, sowie frische Hennablaetter (_Lawsonia inermis_), welche den Schoenen der Stadt zum Rothfaerben der Naegel und Handflaeche unentbehrlich sind. Fischerknaben bringen die reiche Ausbeute des Meeres, und im Fruehling verkauft man die Bluetenstengel einer spargelaehnlich schmeckenden Aloeart. Fast die ganze maennliche Bevoelkerung Massaua's treibt sich den Tag ueber faullenzend unter den Marktbuden umher, wo neben dem feinen Stutzer der zerlumpte Derwisch und der halbnackte Hirt einherzieht. Massaua, sowie Sauakin, gehoerten einst zum abessinischen Reiche. Die Stadt wurde 1557 durch eine tuerkische Flotte erobert und mit einer bosnischen Besatzung versehen. Unter Mehemed Ali gehoerte sie zu Aegypten, kam jedoch 1850 wieder unter tuerkische Oberhoheit und wurde 1865 abermals, nebst der ganzen Westkueste des Rothen Meeres an Aegypten abgetreten. -------------- Wendet man sich von Massaua gerade nach Sueden, nach dem bis zu 5000 Fuss ansteigenden Gedemgebirge, so uebersieht man von diesem den ganzen _Meerbusen von Annesley_ oder die _Bai von Adulis_ (jetzt bei den Eingeborenen Gubet Kafr genannt). Waehrend im Westen das Vorgebirge Gedem die Bai abschliesst, wird diese im Osten von der meist kahlen Halbinsel Buri begrenzt. Das Westufer, flach und durch Anschwemmungen entstanden, traegt eine ueppige Vegetation von Schorabaeumen, zwischen deren Wurzelgewirr Heuglin hier einen seltsamen Fisch (_Periophthalmus Koehlreuteri_) entdeckte, der, froschlarvenartig aussehend, im Schlamme, zwischen Steinen und sogar im Grase lebte und verfolgt in grossen Spruengen sich ins Wasser rettete. Die Bucht hat eine Laenge von 20, bei einer Breite von 8 Meilen, ist tief genug, um selbst die groessten Seeschiffe aufzunehmen, und besitzt den Vorzug, Trinkwasser wie auch Brennholz liefern zu koennen. Den Schluss der Bai bildet die den Franzosen gehoerige _Insel Dessi_, welche ohne grosse Kosten leicht befestigt werden koennte, doch haben die Franzosen es bei der einfachen Besitzergreifung bewenden lassen. Sie hat gleichfalls gutes Wasser und Weide fuer etwa 600 Stueck Rindvieh, die drei Rheden gewaehren guten Schutz und koennen in vortreffliche Haefen umgeschaffen werden. Im Jahre 1859, als Agau Negussi Gebieter Tigrie's und von den Franzosen als "_Empereur_" anerkannt war, gab er die Insel dem franzoesischen Agenten Russel und bot ihm ausserdem noch die ganze Bai von Adulis an. Dagegen that die ottomanische Pforte Einsprache, da sie das ganze Kuestenland fuer sich in Anspruch nimmt; indessen wurde darauf keine Ruecksicht genommen, und der franzoesische Konsul schloss auf der Halbinsel Buri mit den Haeuptlingen der Hasorta, welchen Dessi gehoerte, einen Vertrag. Die Schums (Haeuptlinge) erklaerten, dass sie nie der Pforte, sondern nur der abessinischen Krone unterthan gewesen seien. So ward Dessi franzoesisch und bestimmt, der von den Englaendern besetzten Insel Perim in der Bab-el-Mandeb Konkurrenz zu machen. Am westlichen Ufer, doch eine Stunde vom Meere entfernt, liegen an einem breiten, trockenen Strombette die Ruinen der beruehmten Stadt _Adulis_, Adule, _Zula_ oder Asule. Sie wurde unter Ptolemaeus Euergetes gegruendet und war zur Zeit der Ptolemaeer ein bluehendes Emporium, dessen Bewohner lebhaften Handel, besonders mit Elfenbein, Rhinozeros, Schildpatt, mit Affen und Sklaven trieben. Eine zweite Bluetezeit erlebte Adulis unter den Koenigen von Axum, fuer deren Staat es Hafenplatz bildete. [Illustration: Hirt mit Fettschwanzschafen. Zeichnung von Robert Kretschmer.] Als im 6. Jahrhundert hier der Indienfahrer Kosmas landete, fand er das _Monumentum adulitanum_, dessen Inschriften ueber die alte Geographie jener Gegenden wichtige Auskunft geben. Jetzt sind von der Stadt nur elende Ruinen noch uebrig, die zwei Meilen im Umfang haben. Schutthaufen von Wohnungen, die alle von kleinen unbehauenen Lavasteinen erbaut waren, in der Mitte die Truemmer einer ganz zerfallenen Kirche, dabei Saeulenreste und Kapitaele, alles ziemlich plump aus Lava gearbeitet und mit Buschwerk ueberwachsen - das ist, was von Adulis uebrig blieb. Keine Inschrift, kein Relief ist mehr zu sehen, aber die Begraebnissplaetze der Muhamedaner haben sich zwischen diesen alten christlichen Resten angesiedelt, bei denen der Mangel groesserer Gebaeude nicht auffallen kann, wenn man bedenkt, dass Adulis einst dieselbe Rolle spielte, wie heute Massaua, in dem auch alle grossen Gebaeude fehlen. Hier ist der Ort, einen kurzen Blick auf die Bewohner des Kuestenlandes zu werfen. Diejenigen der Samhara, des schoenen Thales von Modat, in welchem die heissen Mineralquellen von Ailet liegen, nennt man zusammenfassend _Beduan_. Sie sind gleich den Abessiniern Semiten und reden die Tigresprache. Alle bekennen sich zum Islam, doch vor einem Menschenalter waren sie noch Christen, wie es ihre naechsten Nachbarn im Nordwesten, die Mensa und Bogos, noch heute - wenigstens dem Namen nach - sind. Sie sind alle Nomaden, die besonders Viehzucht treiben und Kameele, Rindvieh, Ziegen und Schafe halten. Letztere sind verschieden von den eigentlichen abessinischen Schafen; sie kommen vielmehr ueberein mit dem arabischen oder persischen _Fettschwanzschafe_ und zeichnen sich durch einen schwarzen Kopf aus. In der Umgebung des Golfs von Adulis bis zur eigentlichen Grenze Abessiniens wohnen Hirtenvoelker, die Heuglin unter dem Namen _Schoho_ zusammenfasst und zu denen er auch die _Hasorta_ oder Saorto rechnet. Sie reden eine eigene Sprache, haben eine eigenthuemliche Gesichtsbildung, sind blos wilde Hirten, haben keine festen Wohnsitze und treiben keinen Ackerbau. Sie bekennen sich der Form nach allerdings zur muhamedanischen Religion, kuemmern sich im Grunde genommen jedoch wenig darum. Ihre Lebensweise ist einfach, ja duerftig, ihr Charakter leidenschaftlich. Rueppell sah in Arkiko Schoho, die sich durch einige Eigenthuemlichkeiten auszeichneten. Ihr Kopfhaar stand rund um den Kopf nach allen Seiten hin sechs Zoll weit steif ab und hatte durch die Menge des eingekneteten Hammelfettes eine graugelbe Farbe erhalten; mehrere bejahrte Maenner hatten ihre grauen Baerte ziegelroth gefaerbt; andere rochen bis in weite Ferne nach Zibethmoschus; dabei gingen sie in ganz zerlumpten Kleidern. Von den ihr Gebiet durchziehenden Fremden versuchen die Schohos auf alle moegliche Art Geld zu erpressen. So suchten sie Rueppell mehrere Schafe und Milch aufzudraengen; gluecklicherweise hatten ihn aber seine Reisegefaehrten gewarnt, von ihnen anders als gegen bestimmte Zahlung etwas zu nehmen, da solche Schenkungen nur ein Kunstgriff seien, um den zehnfachen Werth dafuer zu erzwingen. Uneingedenk dieser Warnung kostete er von einer freundlich dargebotenen Schale Milch, wofuer er einen halben Maria-Theresia-Thaler zahlen musste! Die Begruessungsart der Schoho ist das Darreichen der Hand; wenn sie ausruhen, nehmen sie eine Stellung an, die man unter den ostafrikanischen Negern (z. B. bei den Bari am Weissen Nil, bei den Leuten im Mondlande u. s. w.) wiederfindet. Sie setzen naemlich die linke Fusssohle an das rechte Knie, biegen dann, indem sie sich mit der Achselhoehle der rechten Schulter auf einen Stab stuetzen, den Koerper auf die rechte Seite und stehen so oft Viertelstunden lang unbeweglich still, apathisch denselben Gegenstand anstarrend. Folgt man in suedoestlicher Richtung der Kueste des Rothen Meeres, so trifft man abermals auf ein anderes Volk, auf die ohne ein gesetzliches Band, in kleinen Familien, ohne politisches Oberhaupt lebenden _Danakil_ (in der Einzahl Dankali), welche bei den Arabern Tehmi oder Hetem heissen. Sie sind in den Kuestenplaetzen am Rothen Meere ansaessige Fischer und Schiffer, die auch mit der gegenueberliegenden arabischen Kueste Handel treiben. Obgleich sie nur kleine offene Schiffe haben, die hinten und vorn in einen Schnabel auslaufen und gewoehnlich nur durch ein viereckiges, aus Matten verfertigtes Segel in Bewegung gesetzt werden, so wagten sie sich doch von je muthig weit in die See hinaus und waren frueher auch zuweilen kuehne Seeraeuber. In vieler Beziehung gleichen sie den Ostabessiniern, doch sind sie noch kraeftiger und heller als diese, tragen aber deren rothgeraendertes Umhaengetuch und verhuellen sich beim Sprechen damit den Mund; andere bekleiden sich mit der dicken abessinischen Leibbinde, die so breit ist, dass sie bis fast unter die Arme reicht. Sie tragen lange, krause, von Fett triefende Haare, gehen stets bewaffnet mit Lanzen, runden Schilden aus Antilopenfell und einem zweischneidigen Saebelmesser, das aus indischem Eisen geschmiedet und in einer ledernen Scheide an der rechten Seite getragen wird. Die Danakil bekennen sich zum Muhamedanismus; sie werden uebrigens von Heuglin, der sie in der Umgebung Ed's kennen lernte, als feiges, diebisches Gesindel voll des schamlosesten Eigennutzes, dabei faul und misstrauisch im hoechsten Grade, beschrieben. In ihrer Sprache heissen sie Afer. Seit alten Zeiten bewohnen sie Ostafrika und beherrschten sogar einige Jahrzehnte hindurch unter dem Eroberer Muhamed Granje ganz Abessinien. Jetzt sind die Danakil auf ein verhaeltnissmaessig kleines Terrain zurueckgedraengt, von der Halbinsel Buri im Osten der Bai von Adulis bis Gubbet-Harab im Sueden (11 deg. 30' noerdl. Br.). Ihre Westgrenze bildet der Abfall der abessinischen Hochlande und ein Salzwuestenland, das sich laengs deren Fuss von Norden nach Sueden erstreckt und mit der Samhara oder Samher theilweise zusammenfaellt. Diese _Samhara_, wie der Araber den schmalen Streifen nennt, welcher oestlich von den abessinischen Gebirgen zwischen diesen und dem Meere verlaeuft, ist ein hoechst interessantes Wuestenland. Dem Gesetze zufolge, dass die Wueste ueberall da, wo es regnet, Wueste zu sein aufhoert und Steppe zu werden anfaengt, sollte auch die Ebene zwischen dem Gebirgswall Abessiniens und dem Rothen Meere Steppe sein, weil es dort regnet - allein dies ist nicht der Fall. Gerade da, wo man glauben koennte, dass das Wasser seinen ewigen Kreislauf ununterbrochen ausfuehren koenne, an diesen Kuesten naemlich, zeigt sich diese Samhara als Ausnahme, die hoechstens als Mittelglied zwischen Steppe und Wueste angesehen werden kann. Auf grosse Strecken erinnert sie noch durchaus an die Wueste, nur in wenigen Thaelern aehnelt sie der Steppe und blos da, wo das Wasser so recht eigentlich waltet, beweist sie, dass sie innerhalb des Regenguertels liegt. Aber nicht die Lage macht die Samhara zu dem, was sie ist, sondern die Beschaffenheit. Sie ist blos eine Fortsetzung des Gebirgsstockes selbst, obgleich sie, die Ebene, nur von wenigen und niederen Huegeln unterbrochen wird. Sie gleicht gewissermassen, wie Brehm treffend bemerkt, dem Schlackenfeld am Fusse eines gewaltigen Vulkans. Eine Menge konischer Huegel, zum guten Theil aus Lava bestehend, wechselt hier mit schmaeleren oder breiteren Thaelern ab und bildet ein Wirrsal von Niederungen, welche, dem Faden eines Netzes vergleichbar, zwischen den Huegeln und Bergen verlaufen. So niedrig diese Huegel auch sind, so schroff erheben sie sich, und deshalb verliert auf ihnen das Wasser seine Bedeutung; denn so schnell es gekommen, rauscht es wieder zur Tiefe hernieder und nur in der Mitte des Thales gewinnt es Zeit, das Erdreich zu traenken und ihm die Feuchtigkeit zu gewaehren, welche zum Gedeihen der unter einer scheitelrecht strahlenden Sonne so wasserbeduerftigen Pflanzen unerlaesslich ist. Hier nun macht sich auch gleich ein reiches Leben bemerkbar. An den schwarzen Bergen klettern die Mimosen, so zu sagen, muehsam empor; an den schroffen Waenden finden sie kaum Nahrung genug zu ihrem Bestehen und koennen sich deshalb nur zu duerftigen Gestraeuchen entwickeln. Nur in wenigen Niederungen, die zeitweilig von Regenbaechen durchstroemt sind, findet man dunkelgruene Euphorbienbuesche, zu denen sich in noch besseren Lagen Tamarisken, Christusdorn, Balsamstraeuche, Asklepiasbuesche, Capparis, Stapelien, Ricinus gesellen, waehrend der Cissus ueberall an den Straeuchern umherklettert und reiche Guirlanden bildet. Hier erhaelt man einen Vorgeschmack jener reichen Natur, die im Gebirge herrscht, wo die Pracht der Tropen mit den Schoenheiten der Bergwelt sich vereinigt, wo immer neue Zauberbilder vor dem Auge auftauchen und sich das Schatzkaestlein ganz Afrika's eroeffnet. Dort im Westen winkt uns der hohe Gebirgswall des afrikanischen Alpenlandes, nach dem wir nun unsere Schritte lenken. Massaua ist fuer die weissen Europaeer die natuerliche Eingangspforte nach Abessinien. Gewoehnlich schliessen sie sich einer heimkehrenden _Kafle_ an, die immer mehr Sicherheit darbietet, als wenn der Reisende allein oder nur mit geringer Begleitung in das Innere einzudringen versucht. Bei den gesetzlosen Zustaenden des Landes, den fast stets stattfindenden Buergerkriegen, der Pluenderung und Verheerung, ist ein Reisen in Abessinien ausserordentlich gefaehrlich, und nur die Karawanen gewaehren einige Sicherheit, wenn sie auch starken Erpressungen, Zollabgaben und den verschiedensten Plackereien ausgesetzt sind. Als Lastthiere werden auf den steilen und schwer zugaenglichen Wegen vorzueglich Maulthiere verwendet. Das Verpacken der Effekten nimmt viel Zeit in Anspruch, da selbige in gleich grosse und wo moeglich gleich schwere Ballen zusammengeschnuert werden muessen. Eine grosse Anzahl Diener und Treiber ist deshalb noethig, um das Gras fuer die Thiere, Holz und Wasser fuer die Reisenden herbeizuschaffen, ferner um das Gepaeck jedesmal durch gehoeriges Zusammenlegen gegen den Regen zu schuetzen und des Nachts gegen die Raeuber und Raubthiere Wache zu halten. Die Karawane z. B., mit welcher Rueppell reiste, bestand aus 40 Kameelen, ebenso viel Maulthieren und ueber 200 Menschen. Man stelle sich vor, was diese allein an Wasser und Lebensmitteln in den unwegsamen Gebirgen brauchten, und man wird die Schwierigkeit, nach Abessinien einzudringen, schon hiernach beurtheilen koennen. [Illustration: Landschaftscharakter am Abfall der ostabessinischen Gebirge. Zeichnung von Robert Kretschmer.] Nur die angesehensten Reisemitglieder reiten; alle anderen gehen zu Fuss. Jedes Mitglied der Gesellschaft ist bewaffnet; entweder mit einem langen krummen Saebelmesser, das stets an der rechten Seite getragen wird, oder mit einem Speer und runden Schilde. In neuerer Zeit sind die Gewehre mehr in Aufnahme gekommen. Viele tragen ausserdem noch kleine, aus Rohr geflochtene Sonnenschirme, die aeusserst nuetzlich sind, wenn man nach abessinischer Sitte keine Kopfbedeckung traegt. Am Abend macht die Karawane gewoehnlich unter einigen Baeumen in der Naehe von Brunnen Halt. Es ist kein leichtes Stueck Arbeit, nach Abessinien einzudringen, wer es aber erreicht, der findet in der Natur auch Belohnung fuer seine Muehe, wenn auch die Menschen, welche jenes Paradies bewohnen, ihm desselben nicht werth erscheinen. Steigen auch wir nun hinauf in die Hochlande. Hinter uns liegt der ungesunde Kuestensaum und die Samhara, die wir in wenigen Tagemaerschen durchschritten, vor uns aber, am westlichen Rande derselben, steigt jaeh in einer Hoehe von durchschnittlich 8000 Fuss das _Taranta-Gebirge_, der natuerliche oestliche Grenzwall Abessiniens an, ueber dem zackige Gipfel in die Hoehe starren. Im Lichte der suedlichen Sonne spielt es in den praechtigsten Farben, die uns in Entzuecken versetzen; ein ewiger Wechsel von Licht und Schatten, Helle und Dunkel ist bemerkbar. Es wird Einem wohler in der Seele, wenn man dem Gebirge naeher und naeher kommt; man treibt das Maulthier zu schnellerem Laufe an, um bald die Luft der Gebirgsthaeler geniessen zu koennen. Die Paesse und Saumwege sind haeufig so eng, dass nur ein Lastthier hinter dem andern zu gehen vermag; stuerzt eines, so versperrt es den Weg und die Karawane muss Halt machen. Der am meisten begangene Pass ist jener von Halai, durch den zur Regenzeit ein wild angeschwollenes Gebirgswasser dem Rothen Meere zustuerzt. Schroffe Bergmassen, welche aus senkrechten Schichten von Schiefer bestehen, begrenzen den Weg. Das Ganze macht den Eindruck einer wilden Einoede: Bergwaende mit fast ganz nacktem Gestein ohne frischen Graswuchs erheben sich zu beiden Seiten, waehrend die Thalniederung nur hier und da Baumgruppen zeigt. In Zickzacklinien fuehrt der Weg weiter; es treten nun verschiedene Pflanzen auf: man bemerkt die ersten Tamarisken, dann die Kronleuchter-Euphorbien (Kolqual), die mit der Hoehe des Gebirges an Haeufigkeit zunehmen und aeusserst charakteristisch sind; vorherrschend ist jedoch die Mimose. Jetzt sind wir oben in der erfrischenden Bergeshoehe; in der Nacht ist kalter Tau gefallen und der kuehle Wind streicht ueber die Gipfel, von denen wir noch einen Blick rueckwaerts auf das Rothe Meer - gleichsam zum Abschied - werfen. Der naechste Fluss senkt sich schon westlich ab - er gehoert zum Gebiete des Nil. Abessiniens Grenze, die allerdings nicht so scharf gezogen erscheint, wie die Grenze eines europaeischen Staates, ist ueberschritten und das Dorf _Halai_, das erste des Landes, ist erreicht. Es schmiegt sich terrassenfoermig erbaut an die Kuppe eines Huegels an; die Wohnungen sind kaum mannshoch und mit flachen Daechern versehen. Diese haben einen bodenlosen Topf in der Mitte, durch welchen das Tageslicht in die Huette dringt und der Rauch hinauszieht. Diese Toepfe - Schornsteine kann man sie nicht nennen - werden mit einem Steine bedeckt, wodurch dann, da die Huette ausser einer kleinen Thuer keine andere Oeffnung hat, das Innere derselben ganz finster wird. Wir treten ein, um einen Vorgeschmack abessinischer Behausungen zu erhalten. Um ein nie verloeschendes Feuer gekauert, dessen Rauch nur muehsam Abzug findet und die Waende mit dickem Russ ueberzieht, lagern die halbnackten Insassen, zu denen sich Ziegen, Schafe und Esel gesellt haben, welche in einer Ecke des Gemachs Unterkunft fanden. Ermuedet werfen wir uns auf eine der mit Ledergeflecht ueberzogenen Ruhebaenke, reiben die thraenenden Augen, welche von dem beissenden Qualm zu leiden haben, und gedenken uns durch einen Schlaf von der anstrengenden Gebirgswanderung zu erholen - aber auch dieser wird uns verleidet, denn aus den Rohrmatten, die auf der Ruhebank liegen, stuerzen blutgierig Hunderte von Floehen ueber uns her, denen europaeisches Blut ein ganz besonderer Genuss zu sein scheint. Wir moechten hinaus ins Freie - aber auch das ist uns benommen, denn stroemender Regen giesst auf die Erde herab, und wir sind gezwungen, in dem ekelhaften Quartier auszuhalten. So gestaltet sich das Vordringen nach Abessinien von der Seite des Rothen Meeres her. Anders und mit noch groesseren Schwierigkeiten gelangt man laengs dem Nil oder laengs dessen Zufluessen in die Hochlande. Hier ist der Reisende genoethigt, bis nach der Metropole des oestlichen Sudan, Chartum am Zusammenflusse des Weissen und Blauen Nil, vorzudringen. Von hier aus kann er entweder am Blauen Fluss stromaufwaerts bis nach der zerfallenen Stadt Sennar reisen und dann nach dem oestlich liegenden Sklaven- und Gummimarkte _El Gedaref_ ziehen, oder er verlaesst den Blauen Nil schon frueher bei Abu-Haras und gelangt durch das Gebiet der Schukerie-Araber nach dem genannten Marktplatze. Von hier aus geht nun in suedoestlicher Richtung die vielbesuchte Karawanenstrasse am Elephantengebirge oder Ras el Fil vorbei in die Negerrepublik _Galabat_. Dieser merkwuerdige Grenzstaat, der von sehr fleissigen Schwarzen - Takruri - bewohnt wird, die aus Darfur und Wadai stammen und auf den Mekka-Wallfahrten hier sitzen blieben, hat sich unter einem Oberhaupte - Schum - eine Art von Selbstaendigkeit zu bewahren gewusst, die er allerdings durch gleichzeitige Abgaben an Aegypten und Abessinien theuer erkauft. Die Hauptstadt Metemme ist ein bedeutender Marktort, unfern vom Atbara. Auch haben die Baseler Missionaere hier eine Station errichtet, die indessen ganz erfolglos blieb. Metemme, nur wenige Meilen von der abessinischen Grenze gelegen, ist in der letzten Zeit ungemein haeufig von europaeischen Reisenden besucht worden, so von Baker, Schweinfurth, Graf Krockow, v. Heuglin. Das Hinaufsteigen in die Hochlande ist hier nicht sehr schwierig, keinenfalls so muehevoll wie von Massaua aus. Auch wir wollen hier in das Land eindringen und zwar unter der Fuehrung _G. Lejean's_, eines franzoesischen Reisenden, der sich um die Wissenschaft schon bedeutende Verdienste erworben hat. [Illustration: G. Lejean.] G. LEJEAN'S REISE DURCH ABESSINIEN. Metemme. - Der Markt Wochni. - Grenzwaechter. - Eine abessinische Festung. - Eine deutsche Familie. - Das Land am Tanasee. - Schnapphaehne. - Missionsstation Gafat. - Gefangennahme Lejean's durch Koenig Theodor. - Theodors Loewen. - Gondar und seine Bauten. - Wasserfall des Reb. - In einem Kloster. - Besuch in Korata. - Binsenfloesse. - Der Tanasee. - Besteigung des hohen Guna. - Fuenf Frauengenerationen. - Befreiung. - Hochebene Woggara. - Lamalmonpass. - Reise durch Tigrie nach Massaua. Guillaume Lejean ist ein vortrefflicher Mann. Er verbindet mit der Leichtigkeit und Liebenswuerdigkeit echt franzoesischen Wesens eine deutsche Gruendlichkeit. Dabei ist er kuehn, praktisch und vor keiner Gefahr zurueckschreckend. Diese hervorragenden Eigenschaften machten ihn zum Forschungsreisenden besonders geeignet, wozu noch sein offizieller Charakter als franzoesischer Konsul ihm mancherlei Erleichterungen verschaffte. Bekannter wurde er zuerst durch eine Abhandlung ueber die verwickelte Ethnographie der europaeischen Tuerkei, die er nach allen Seiten hin bereist hatte. Als die grosse Zeit der Nilquellenentdeckungen war und Speke, Grant, Baker ihre Erfolge errangen, beschloss auch Lejean sein Theil zur Loesung des Problems beizutragen; er ging den Weissen Nil hinauf, untersuchte dessen Nebenfluss, den Gazellenstrom, und kam bis Gondokoro. Hier warf ihn jedoch das klimatische Fieber dergestalt nieder, dass er umkehren musste. Nun wandte er sich nach Nubien, besuchte Kassala, eine der bedeutendsten Staedte im oestlichen Sudan, und durchstreifte die Bogoslaender. Von der franzoesischen Regierung zum Konsul in Massaua ernannt und mit einer Mission an den Koenig Theodor von Abessinien betraut, ging er abermals nach dem Sudan. Im Dezember 1862 finden wir ihn dann zu Metemme in Galabat, um weiter nach Abessinien vorzudringen. Von hier ab lassen wir ihn seine an persoenlichen Abenteuern reiche Reise auszugsweise selbst erzaehlen. Von dem deutschen Missionaer _Eperlein_, einem Badenser, wurde ich sehr freundlich aufgenommen. Bei ihm befand sich ein junger Englaender, Namens _Dufton_, der, gleichfalls vom Missionseifer getrieben, aus freien Stuecken sich hierher begeben hatte, um ein Noviziat durchzumachen und dann als Glaubensbote weiter zu ziehen. Er war ein gutes Exemplar jenes frostigen Enthusiasmus, welcher seine Landsleute in religioesen Dingen auszeichnet und zu so originellen Thaten treibt. Obgleich er als der Sohn eines reichen Fabrikanten in Leeds gemuethlich zu Hause haette leben koennen, beschloss er dennoch, gleich Krapf oder Livingstone Missionsreisen anzutreten. Nur mit acht Guineen in der Tasche wanderte er nach Schwaben, wo ihm Krapf anrieth, die Galla zum Christenthum zu bekehren. Er ging dann nach Aegypten, den Nil aufwaerts nach Chartum, lud dort sein winziges Gepaeck auf einen Esel, den er vor sich hertrieb, erlitt in Gedaref einen heftigen Fieberanfall und langte mit drei Thalern in der Tasche in Metemme an. Ich schlug ihm vor, sich meiner kleinen Karawane anzuschliessen; er wuerde so als mein Sekretaer angesehen werden und ohne Schwierigkeit die abessinische Grenze passiren koennen. Gern ging er auf meinen Vorschlag ein, und ich gewann einen tuechtigen, sehr gebildeten Reisegefaehrten, welcher sich in schwierigen Lagen voller Muthes erzeigte. Auf dem wohlversorgten Markte von Metemme kaufte ich zwei abessinische Maulesel, zu 9 Thaler das Stueck, und miethete ausserdem ein Kameel, welches mein Gepaeck bis Wochni bringen sollte, wo die steilen Bergabfaelle beginnen und Lastesel an die Stelle des Schiffs der Wueste treten. Nach viertaegigem Aufenthalt in Metemme sagten wir endlich dem braven Eperlein Lebewohl, traten die Reise nach Abessinien an und gelangten zunaechst in einen dichten Wald, der sich drei Tagereisen weit bis an den Fluss _Gandova_ (Nebenfluss des Atbara) hin erstreckt. Dies ist der Grenzstreifen oder Border, wie man in Schottland sagen wuerde, der von den Aegyptern und Abessiniern als neutrales Land betrachtet wird, den aber beide Theile schon haeufig mit ihrem Blute getraenkt haben. Am dritten Tage passirte ich die noch stark angeschwollene Gandova, an der Stelle, wo die kleine Insel _Kaokib_ den Karawanen den Durchgang erleichtert; mitten auf derselben erhebt sich ein prachtvoller Tamarindenbaum, welcher die Reisenden zur Rast in seinem kuehlen Schatten auffordert. Gegen Abend gelangten wir an die erste jener stufenfoermigen Terrassen, welche ringsum fast ganz Abessinien begrenzen. Wir erklommen sie mit einiger Schwierigkeit und fanden auf dem Gipfel ein schoenes Plateau, auf welchem man gerade das duerre Gras und Kraut behufs der Bestellung der Felder abbrannte. Hier wurde das Nachtlager aufgeschlagen, das Gepaeck abgeladen, schnell zu Abend gegessen und der muede Koerper auf dem Boden zum Schlafe ausgestreckt. Wir hatten nur kurze Zeit geruht, als sich ein wuester Laerm erhob; die Maulthiere begannen auszuschlagen und eins derselben riss sich los. Unser Diener schoss aufs Gerathewohl in die Finsterniss hinein. Wahrscheinlich hatte eine freche Hyaene einen Ueberfall versucht, war dabei aber gestoert worden. Das freigewordene Maulthier lief nach Metemme zurueck, wo es mit einem tiefen Biss in der Weiche bei Eperlein ankam. Schnell erhoben wir uns beim Morgengrauen von diesem unangenehmen Orte und gelangten nach vierstuendigem Marsche in _Wochni_, dem ersten abessinischen Orte an, der wegen seines Wochenmarktes, wo die Baumwolle von Gallabat und Sennar verkauft wird, beruehmt ist. (Abbildung siehe S. 85.) Ein fuer allemal muss ich hier bemerken, dass wir wegen unserer europaeischen Kleidung oder wegen unseres fremdartigen Aussehens von den Eingeborenen keineswegs belaestigt wurden. Wochni liegt tief in einem dunklen feuchten Walde. Hierher kommen die suedlichen Gallastaemme und Leute aus Tigrie, um Goldstaub und Elfenbein gegen Pulver, Tuch und Leinen einzutauschen; die Beduinen aus Ostsudan bringen ihre Pferde und aus Chartum langt Salz an, das in dem Reiche des Negus als Geld unentbehrlich ist. Die Wohnungen bestehen aus runden Huetten mit kegelfoermigem Dache; ausser Teppichen und Decken, welche als Divan dienen, sind darin keine Moebeln vorhanden. Wir lagerten uns unter einem Baum, und unser Fuehrer ging, um den _Nagadras_ oder Zollwaechter aufzusuchen. Unterdessen blaetterte ich in einem illustrirten Buche, waehrend Dufton die hohe steile Basaltterrasse des Maschelagebirges zeichnete, die sich noerdlich von Wochni mit senkrechten Raendern 1800 Fuss hoch erhebt. Neugierig, doch ohne uns gerade zu belaestigen, kamen die Leute des Ortes heran. Ein junges Maedchen fragte mich, ob ich ein Christ sei, und als ich ihre Frage bejahte, zeigte sie mir ihre blaue seidene Halsschnur und forschte dann weiter, ob ich auch die Denghel Mariam verehre? "Ja wohl, die _Jungfrau Maria_, die Mutter Christi!" lautete meine Antwort. Nichts kommt der Verehrung gleich, mit welcher die Abessinier der Mutter Maria ergeben sind; hierin liegt einer der zahlreichen Punkte, in welchen die Religion der Abessinier mit jener der romanischen Voelker uebereinstimmt. Die deutschen und englischen Missionaere mit ihrer kalten und schwerfaelligen Logik haben ungeschickterweise gegen dieses Nationalgefuehl, eine der schoensten Formen des Frauenkultus, geeifert und aus diesem Grunde, glaube ich, sind auch alle ihre Missionsbestrebungen erfolglos geblieben. Der Nagadras kam an. Nach einigem Wortwechsel bedeutete er uns, dass er ueber unsere Zulassung in das Reich erst mit dem _Bel-Amba-Ras Gilmo_, dem Markgrafen oder Grenzwaechter der vier Grenzprovinzen Tschelga, Sarago, Dagossa und Ermetschoho unterhandeln muesse. Bel-Amba-Ras Gilmo bestellte uns nach seinem Aufenthaltsort, dem Dorfe Kamauchela, welches auf dem Gipfel eines steilen, fast unzugaenglichen Berges liegt, einer Amba, wie derselbe in Abessinien genannt wird. Vier Tage brachten wir noch in Wochni zu, worauf wir dann auf Gilmo's Befehl, gefuehrt von einem Diener des Zollwaechters, nach Tschelga aufbrachen. [Illustration: _Oenanthus multiflorus_. Nach Lejean.] Der Weg fuehrt durch das Bel-Wocha-Thal, das der Kolla Abessiniens angehoert. An einzelnen Stellen zeigt dasselbe einen breiten Bambusguertel, der ueber die Huegel sich hinzieht und fast alle uebrige Baum- und Strauchvegetation erdrueckt hat. Andere Stellen zeigen praechtigen Blumenflor. Weisse Schwertwurz (_Gladiolus_) und Asphodelusarten, Muscari, Arum und duester erscheinende Takka; im Grase steht haeufig die Kaempferia, deren breite gelbe Bluete sich mitten zwischen vier grossen, platt auf der Erde liegenden, hellgruenen, rothgesaeumten Blaettern, die in einigen Gegenden als Salat genossen werden, erhebt. Dazu gesellen sich Orchideen, grossbluetige Amaryllis und Haemanthus mit scharlachrothen Bluetenknoepfen. Praechtig leuchtet vor allen andern Pflanzen der _Oenanthus multiflorus_ uns entgegen. Ueber Gestruepp und Gestein fuehrt in Zickzacklinien an steilem Gehaenge fort durch enge Tiefthaeler der Weg aufwaerts; dann folgt eine Ebene, von der man zum ersten Male einen weiten Blick in das gesegnete Land Abessinien hat. Von hier aus geniesst man eine herrliche Aussicht auf die Ebene von Tschelga und Dembea, auf den weiten Spiegel des Tanasees mit seinen Inseln und die hohen Berge jenseit desselben, die Guna und suedoestlich auf die Alpen Godschams. Unter stroemendem Regen langten wir in _Tschelga_ an, und dort wollten die ungastlichen Eingeborenen, da wir keinen _Mursal_ oder Pass besassen, uns zwingen, unter einem Baume zu kampiren, bis unsere Angelegenheit geordnet sei. Ich miethete jedoch zu dem maessigen Preise von einem Stueck Salz taeglich ein Haus, das zu beziehen unser Fuehrer, der Diener des Nagadras, uns jedoch verhindern wollte. Dufton, hierueber aufgebracht, stellte sich in nationale Boxerposition und schrie den Diener an: "Also du willst uns auch ein trockenes Obdach verwehren? Piff, paff, da hast du eins!" Nun drehte sich der Diener im Kreise, aber ein baumstarker Abessinier hielt Dufton fest, und die Lokalpolizei intervenirte. Nach langem Streiten erreichten wir dennoch unsern Zweck fuers erste: ein schuetzendes Gemach. Ich will die Leser nicht damit langweilen, wie der Bel-Amba-Ras uns volle 19 Tage in Tschelga aufhielt, unter dem Vorwande, erst Befehle vom Negus Theodor einholen zu muessen. Ich argwoehne nur, dass er mich fuer einen Missionaer hielt und auspressen wollte. Zuletzt ungeduldig geworden, beschloss ich, ihn in seiner luftigen Felsenfestung aufzusuchen. Gefolgt von Dufton, einem Takruri-Dolmetscher und einem Soldaten, der uns als Wache beigegeben war, machte ich mich nach der Amba auf den Weg, die nordnordoestlich von Tschelga liegt. Am ersten Abend schliefen wir, vier Stunden von der Stadt entfernt, in einem muhamedanischen Dorfe, dessen Einwohner in dem christlichen Abessinien dieselbe gedrueckte Stellung einnehmen, wie die Christen in der muhamedanischen Tuerkei. Mit dem Morgengrauen brachen wir wieder auf und erklommen eine Terrasse, von der aus wir den ersten Blick auf die Amba werfen konnten. Vor Verwunderung ueber das herrliche Naturgebilde standen wir beide ganz ueberrascht still. Man stelle sich am Ende einer mit gruenenden Huegeln ueberzogenen Terrasse einen jaeh und steil abfallenden Felsenberg von 700 bis 800 Fuss Hoehe vor, also doppelt so hoch als unsere hoechsten Thuerme und fast ebenso gerade aufschiessend wie diese, begrenzt von den bewaldeten Thaelern, die sich nach dem Goang, wie man hier den Atbara nennt, hinziehen. Ein Felsen, der in eine Plattform endigt, etwa von der Groesse der Place de la Concorde in Paris, und der weit und breit die umliegende Ebene beherrscht, verbindet sich wie eine Art von Vorwerk mit der Festung. Ein Felsgrat, so eng, dass zwei Personen nebeneinander ihn nicht passiren koennen, fuehrt zu dieser, und der Fussgaenger, welcher auf ihm hingeht, hat keinerlei Schutz zur Seite, welcher seinen Fall in den gaehnenden Schlund rechts oder links verhinderte. In diesem wilden Gibraltar wohnte der abessinische Feudalherr, dessen kleiner pomphafter Hof lebhaft an die merovingischen Herzoege zur Zeit Gregor's von Tours erinnert. Doch war es hier nicht das erste Mal, dass ich jene Sitten noch in voller Ausuebung fand, welche in meinem Vaterlande vor acht oder zehn Jahrhunderten herrschten, und manche dunklen Verhaeltnisse unsrer Geschichte wurden mir erst durch den Augenschein im heutigen Abessinien klar vor Augen gefuehrt. Wir schritten ohne Zoegern die schwindlige Bruecke entlang, die jener gleicht, welche in den muhamedanischen Legenden aus dem Paradiese in die Hoelle fuehrt, und nachdem wir ein Thor erreicht hatten, das von halb entbloessten Lanzentraegern bewacht war, kletterten wir langsam einen abschuessigen Abhang hinan, passirten ein zweites Thor und standen nun auf einer Plattform, wo uns Gilmo's Leute in eine Art Wartesaal fuehrten, indem sie uns bedeuteten, dass der Bel-Amba-Ras gerade mit einem Botschafter des Negus verhandle, dass wir aber nach dessen Abfertigung sofort eingelassen werden sollten. Nach Verlauf von zwei Stunden fuehrte man uns in einen weiten, mit Dienern, Vasallen und Leibwaechtern angefuellten Raum, in welchem der Festungskommandant auf einer Alga ruhte. Seine dunkeln Gesichtszuege zeigten zur Genuege an, dass er von Ursprung ein Gamante (vergl. S. 88) sei, welches Volk in diesen Grenzprovinzen sehr zahlreich wohnt und die grossen Sykomoren verehrt. Er hielt eine "Berille", weitbauchige Flasche von antiker Form mit langem Halse in der Hand und war schon angetrunken. Uns zutrinkend wuenschte er nichts sehnlicher, als uns in den gleichen Zustand versetzt zu sehen. Ich trug ihm meine Bitte vor, das Weihnachtsfest bei meinen "europaeischen Bruedern" in Dschenda zubringen zu duerfen. So nannte ich naemlich die dort wohnenden Missionaere, von denen ich in der Folge manche Unterstuetzung zu erhalten hoffte, und mit grosser Genugthuung vernahm ich alsdann seinen Ausspruch: "Etsche! Ich willige ein". Durch diesen guten Anfang kuehner gemacht, bat ich ihn um die Erlaubniss, seine Festung abzeichnen zu duerfen, die ich fuer ein Weltwunder erklaerte. Er wurde ernst und sagte: "Hast du in unserm Lande etwas verloren? Hat man dich bestohlen? Sprich, und ich will dir Gerechtigkeit widerfahren lassen!" Nichts dergleichen, antwortete ich. "Dann", nahm er das Wort, "hast du auch nichts zu verlangen, und aus welchem Grunde willst du diesen Ort "abschreiben", um dich spaeter seiner zu erinnern?" Sein Misstrauen lag klar auf der Hand, ich schwieg weislich still und nahm dankend Abschied. Kaum in mein Quartier zurueckgekehrt, erhielt ich vom Bel-Amba-Ras einen Hammel, einen Krug mit Honigwein, sowie Brot zugeschickt und hielt mit Dufton eine koestliche Mahlzeit. So war die Audienz gut abgelaufen und wir kehrten nach Tschelga zurueck, um uns zur Abreise vorzubereiten. Vor uns leuchtete der herrliche _Tanasee_, wie ein von Smaragden eingefasster Saphir. Er ist ein grosses vulkanisches Becken von ausserordentlicher Tiefe, auf dem die Stuerme heftig hausen. Zwanzig Stroeme und Baeche speisen ihn, fuehren aber auch zur Zeit der Sommerregenguesse ihm grosse Mengen von Schlamm zu und aendern dadurch stets seine Grenzen. Reizende Inseln, auf welchen Kirchen und Kloester sich im Gruen der Baeume verstecken, unterbrechen anmuthig seine Flaeche und verleihen dem lieblichen Bilde Abwechselung. Die Reise von Tschelga nach Dschenda wurde in drei Stunden ohne bemerkenswerthen Vorfall zurueckgelegt. Eine halbe Stunde hinter Tschelga passirten wir den _Goang_, welcher an seiner nahen Quelle, dem Gesetze aller abessinischen Stroeme folgend, eine Spirale um den Berg Anker herumzieht. Die Braunkohlen, auf welche 1855 bereits Krapf aufmerksam machte, wurden auch von mir in dieser Gegend gesehen. Spaeter liess Koenig Theodor diese Lager durchforschen, um seine Werkstaetten in Gafat damit versehen zu koennen. In _Dschenda_ wurde ich von einem grossen jungen Manne empfangen, der mit der abessinischen Schama, tuerkischen Pantoffeln und einer europaeischen Muetze bekleidet erschien. Es war der deutsche Missionaer _Martin Flad_, welcher sich mit der Bekehrung der in dieser Gegend sehr zahlreichen Juden befassen darf. Er stellte uns seine Frau vor, welche Diakonissin im Institute des Bischofs Gobat zu Jerusalem gewesen war. Diese deutsche Familie erschien mir in jeder Beziehung musterhaft und ausserordentlich gastfrei, ein Lob, das ihr alle jene Reisenden ertheilen muessen, welche auf dem Wege ueber Dschenda nach Abessinien eindrangen. Ich blieb vier Tage in Dschenda und unterhielt mich mit Flad viel ueber den Koenig Theodor II., der ihm grosse Gunst bezeugte und ihn ganz anders behandelte als seine Kollegen Stern und Rosenthal (Flad gehoerte jedoch sammt seiner Frau auch zu den Gefangenen in Magdala). Er erzaehlte mir, dass vor der Thronbesteigung Theodor's in Dschenda kein Markttag verging, ohne dass einige Mordthaten vorkamen, dass aber unter der neuen kraeftigen Regierung dieselben fast ganz aufgehoert haetten. Am 1. Januar 1863, nachdem ich meinem liebenswuerdigen Wirthe ein glueckliches neues Jahr gewuenscht, verliess ich ihn und seine drei Kollegen Steiger, Brandeis und Cornelius, um nach Debra Tabor zum Negus Theodorus II. zu reisen. Wir durchzogen eine weite, fruchtbare, von vielen Baechen durchschnittene Ebene, in der zahlreiche Dorfschaften zwischen Getreidefeldern und Gaerten mit rothem Pfeffer zerstreut lagen. Hier ist das Eden Abessiniens, die Provinz Dembea mit der Hauptstadt Gondar, der reichste und am besten bebaute Boden des ganzen Kaiserstaates. Ich passirte die Nordostecke des Tana-Sees und gelangte in die schoene Ebene _Arno-Garno_, wie sie nach dem vorzueglichsten, sie durchschneidenden Flusse heisst. Mir zur Rechten lag der glaenzende Spiegel des Sees, zur Linken eine hohe Reihe Berge, die in der Amba Mariam, dem Marienberge, bei Emfras ihren malerischesten Gipfel zeigten. Anderthalb Meilen von Emfras erhebt sich auf einem Huegel am Ufer des Arno ein unter der Regierung des Negus Fasilides von den Portugiesen erbautes Schloss _Qusara Giorgis_, dessen malerische Ruinen in diesem Lande der Strohhuetten ploetzlich eine ganz europaeische Staffage hervorzaubern, sodass man eine alte Burg am Rhein vor sich zu sehen glaubt. [Illustration: Der Tanasee bei Sturm. Zeichnung von Lejean.] Zwei tuechtige Stunden jenseit des Arno fuehrt der Weg durch das wilde und meist unfruchtbare Huegelland von _Tisba_, das nichtsdestoweniger stark bevoelkert ist; jetzt sind die Einwohner friedliche Leute, vor nicht zu langer Zeit waren sie jedoch raeuberisches Gesindel; aber Koenig Theodor II. hat ihnen die Lust zum Strassenraube benommen. Als er 1855 den Thron bestieg, erliess er eine Proklamation, in welcher er sagte, dass Jedermann wieder zu der Beschaeftigung seiner Vaeter zurueckkehren moege; der Soldat zum Pflug, der Kaufmann zu seinen Waarenballen. Die Leute von Tisba, welchen dieser Befehl missfiel, kamen remonstrirend und bis an die Zaehne bewaffnet in das Lager des Koenigs. "Lang lebe Se. Majestaet! riefen sie aus. Wir erscheinen hier nur, um besondere Erlaubniss zu erhalten, zum Geschaefte unserer Vaeter zurueckkehren zu duerfen!" "Und was war dies fuer ein Geschaeft?" "Schnapphaehne und Strassenraeuber waren alle, Vaeter und Kinder." "Wollt ihr nicht lieber", antwortete ihnen der Negus, "friedliche Buerger werden? Ich will euch die Mittel dazu an die Hand geben. Das Vergangene ist euch verziehen; ihr erhaltet Grund und Boden, das noethige Vieh und Ackerpfluege. Nehmt ihr dieses an?" "Niemals! Wir berufen uns auf das Edikt..." "Das ist euer letztes Wort?" "Ja wohl!" "Gut; kehrt heim." Vergnuegt reisten die Schnapphaehne nach Tisba zurueck, indem sie den Negus eingeschuechtert zu haben glaubten. Doch sie kannten diesen Mann noch nicht. Kaum waren sie zurueckgekehrt, als ein berittenes Corps in Tisba anlangte, dessen Kommandant folgendermassen zu ihnen sprach: "Meine Lieben! Es ist moeglich, dass euch der Kaiser Lalibela die Erlaubniss gab, Strassenraub zu treiben, aber Kaiser Claudius, der gleichfalls heilig gesprochen wurde, hat die Gensdarmerie (Neftenja) autorisirt, alle Strauchdiebe niederzumachen. Neftenjas, gebt Feuer!" Die Ueberlebenden nahmen sich die ihnen ertheilte Lektion aufrichtig zu Herzen, und die Leute von Tisba, die heutzutage die Felder bebauen, sind ganz brave Menschen geworden. Von Tisba an steigt der Pfad laengs den oestlichen Vorbergen an und wird dann eben bis zu dem Marktflecken _Eifag_ an der Kirche _Bada_ oder Bata (d. h. Empfaengniss). Jene ganze Gegend war einst beruehmt wegen der vor Alters eingefuehrten Weinkultur, die allerdings jetzt gaenzlich darniederliegt. Eifag ist keine eigentliche Stadt, sondern besteht aus vielen zerstreuten Doerfern und Kirchen. Um die Kirche Bada zieht sich ein praechtiger Juniperus-Hain. Der Marktplatz ist sehr ausgedehnt; der Nagadras (Zollbeamte) erhebt von jeder Waare hier eine gewisse Abgabe. An jedem Mittwoch versammeln sich an diesem wichtigen Stapelplatze, von dem aus der Handel zwischen dem Sueden und Norden Abessiniens von Godscham bis Massaua vermittelt wird, die Haendler von weit und breit mit Vieh, Tabak, Kaffee, Baumwolle, Baumwollenstoffen, Glasperlen, Wachs, Salz, Honig, Haeuten, Huelsenfruechten, Getreide, Butter, Schwefel, Salpeter, Honigwein und Bier. In Eifag hatte ich eine herrliche Aussicht auf die schoene Ebene von Fogara, welche sich bis an den Berg Dungurs erstreckt. Der oestliche Theil derselben ist durchaus flach und wird vom Hirtenvolke der Sellan durchschweift. Im Westen dagegen steigt das Terrain an, dort erheben sich, bewaldet, mit Doerfern und Kirchen besaeet, die Berge von Begemeder. Nach dreistuendigem Marsche langen wir am _Flusse Reb_ an, den wir auf einer immer mehr zerfallenden Bruecke von sieben Bogen passiren, deren Bau noch unter dem Kaiser Fasilides vor mehr als 200 Jahren stattfand. Die Pfeiler haben dem Zahne der Zeit gut widerstanden, allein die Bogen werden bald von der wuethenden Flut hinweggerissen werden, da der Reb in der Regenzeit grosse Massen von Schlamm mit sich fuehrt, immer mehr sein Bett erhoeht und so der Wassermenge nur ein geringer Ausweg bleibt. Der Reb, welchen ich im April vollkommen ausgetrocknet sah, ist zwei Monate spaeter ein praechtiger Strom, groesser als die Seine bei Paris. Die Abessinier, obwol sie vortreffliche Schwimmer sind, hueten sich dann, ihn zu passiren, da sie fuerchten, dass gewisse Wassergeister sie in den Abgrund ziehen koennten. Unter den Pflanzen, die ich in dieser Ebene bemerkte, nenne ich die schoene _Methonica superba_, welche von den Abessiniern Marienkelch genannt wird. Sie gehoert zu den Lilien und gleicht in ihrer Farbenpracht einer Flamme im dunklen Laubgruen. Die Nacht brachten wir in einem Dorfe in der Naehe der Bruecke zu; am Morgen brachen wir dann nach Debra Tabor auf. Rechts von uns blieb ein einzelner, steiler und kahler Felsen, Amora Gedel, d. h. Geierfelsen, liegen, dessen Spitze ganz mit Raubvoegeln bedeckt ist. Durch einen malerischen Schlund und sumpfige Wiesen fuehrt ein Fusspfad zu dem Plateau von Debra Tabor hinauf. Als wir oben angelangt waren, blieben wir vor Verwunderung stehen. Vor uns lag ein leicht wellenfoermiges Land, dicht besaeet mit Doerfern, zwischen lachenden Kulturflaechen und Weiden, auf denen zahlloses Vieh sich befand. Als Franzose wurde ich an die Bourgogne erinnert, waehrend Dufton eine Landschaft Yorkshire's vor sich zu sehen glaubte, und unwillkuerlich rief ich aus: "Hier ist gut Huetten bauen!" Rechts von uns blieb der Huegel von _Debra Tabor_ mit seinen 500 oder 600 Haeusern und dem koeniglichen Lager liegen. Denn Theodor II. hat hier grosse Getreidemagazine errichtet, die seine Armee in Kriegszeiten, d. h. so ziemlich immer, zu versorgen haben. Gondar, "die Stadt der Pfaffen und Schauspieler", wie der Koenig sich ausdrueckt, ist ihm zuwider. Endlich erreichte ich den Huegel von _Gafat_, nordoestlich von Debra Tabor, das provisorische Ziel meiner Reise. Der deutsche Missionaer Waldmeier, an den ich empfohlen war, nahm mich sehr freundlich auf; auch seine Kollegen, fast lauter Badenser und Wuerttemberger kamen herbei. Der einzige Franzose der kleinen Kolonie, Franz Bourgaud aus Saint-Etienne, ist der Waffenschmied des Negus und bei diesem sehr beliebt. Er giebt vor, sich recht ungluecklich zu befinden, und verlangte schon mehrere Male in seine Heimat zurueckkehren zu duerfen, aber Theodor antwortete ihm auf sein Gesuch: "Mein Sohn Bourgaud, deine Kinder sind noch zu jung, um die weite Reise ueberstehen zu koennen; bleib noch ein paar Jahre hier." Und Bourgaud blieb. Seine Kinder sprechen vorzueglich die Amharasprache, er selbst und seine Frau haben sich ein Mischmasch aus dieser und der franzoesischen zurecht gemacht, das nur ihnen verstaendlich ist. Eigenthuemer Gafats ist ein alter General ausser Dienst von noblem Aussehen. Um sein Haus herum haben sich die Deutschen Waldmeier, Kinzle, Bender, Mayer, Salmueller und Hall angesiedelt. Alle haben Abessinierinnen heirathen muessen; Bender eine Tochter Schimper's. Am zurueckhaltendsten war der junge, huebsche Salmueller, welcher schliesslich eine Tochter des Irlaenders Bell nahm. (Von letzterem wird weiter unten ausfuehrlich die Rede sein). Noch hatte ich den Negus nicht gesehen, als am 25. Januar ploetzlich Waldmeier auf mich zukam und ausrief: "Dort kommt Se. Majestaet!" Ich ging mit ihm vorwaerts und traf bald auf ein grosses Gefolge hoher Offiziere, welche alle den Margef, die bordirte weisse Tunica, trugen. Mitten unter ihnen stand ein Mann, barhaupt und barfuss, in eine gemeine Soldatenschama gekleidet, welche keineswegs noch ganz weiss war; in der Hand hielt er eine Lanze, an der Seite hatte er einen gekruemmten Saebel. Wer mit den abessinischen Gebraeuchen vertraut war, musste sofort den Rang dieser Persoenlichkeit erkennen; es war der einzige, welcher beide Schultern bedeckt hatte, und Niemand anders als _Koenig Theodor II._ Gut gelaunt redete er mich mit "Na deratscho (Wie geht es dir?)" an. Die Etikette erfordert, dass man hierauf nicht antwortet und sich nur tief verneigt. So that auch ich. Theodor zog sich darauf zurueck, setzte sich auf einen Teppich und fing an, mit dem kleinen Bourgaud zu spielen. Dieser sonderbare Mensch, dessen Leben so blutig verlief, beschaeftigte sich gern mit Kindern, fuer die er eine grosse Zuneigung besass. Nachdem er dann einige Hoeflichkeitsworte gewechselt, fragte er mich sehr verbindlich, wann ich offiziell empfangen sein wollte? Ich erwiederte, dass ich ganz zu seinen Befehlen stehe, worauf er den naechsten Tag zur Audienz in Debra Tabor bestimmte. Ich ward abermals gut von ihm aufgenommen, machte den ganzen Feldzug in Godscham mit, der nicht besonders gluecklich ausfiel, und kehrte dann mit ihm in das Lager von Debra Mai in Mietscha zurueck. Unterdessen waren verschiedene Umstaende vorgekommen, welche meine Anwesenheit auf dem Konsulatsposten dringend erforderten; ich begab mich deshalb in voller Uniform zum Negus, um ihn um eine Abschiedsaudienz zu bitten. Er liess drei Europaeer herbeirufen, welche die Amharasprache redeten, und fragte dann, was ich wolle. Ich antwortete: "Ich wuensche, dringender Angelegenheiten wegen, nach Massaua abzureisen, und dann will ich von dort zwei Kisten mit Geschenken fuer Ew. Majestaet von meinem Souveraen abholen, welche bereits angelangt sein duerften. Ich moechte auch gern gleich abreisen, damit ich vor Eintritt der Regenzeit wieder zurueck sein kann." Um zu verstehen, was nun folgt, muss man wissen, dass Theodor durch den ungluecklichen Feldzug in Godscham gedemuethigt war, dass die Aegypter damals gerade die Grenzprovinz Galabat besetzt hielten und dass er infolge des Genusses von schlechtem Cognac betrunken war. Kaum hatten die Dolmetscher ausgeredet, als der Negus in hoechster Wuth rief: "Ich behalte ihn auf jeden Fall zurueck. Nehmt ihn, legt ihn in Ketten, und wenn er entweichen will, so toedtet ihn!" Der Oberst, welcher zunaechst stand, winkte ein halbes Bataillon herbei. "Wozu das, fragte Theodor, 500 Mann, um einen Menschen zu fesseln?" "Ew. Majestaet sehen, erwiderte der Oberst, dass er ein merkwuerdig funkelndes Ding unter dem Arme traegt - es war mein goldbesetzter Konsulatshut -, das vielleicht eine Hoellenmaschine ist, die uns alle toedten kann." "Donkoro, Dummkopf! Glaubst du nicht auch, dass er dich mit seinen Augenbrauen toedten kann. Sechs Mann her und nicht mehr." Nun wurde ich, wie mein treuer Diener Achmed, an Haenden und Fuessen gefesselt, obgleich ich in grosser Uniform war, und in mein Zelt zurueckgefuehrt, wo ich streng bewacht wurde. Indessen schrieb ich, auf einen Umschlag der Gemuethsverfassung des Koenigs bauend, an ihn einen englischen kurzen Brief, in welchem ich um Erklaerungen bat. Am 3. Maerz schon erschienen die Europaeer wieder, welche mir anzeigten, dass ich frei sei, unter der Bedingung, dass ich in Gafat internirt bliebe. Ich zoegerte anfangs, doch ging ich auf Kinzle's Zureden, der meinte, es sei besser in Gafat als in Eisen weilen, auf diesen Vorschlag ein. Ueber den Negus selbst will ich hier nur wenige Worte sagen. In den Audienzen, welche er gab, entfaltete er allen moeglichen barbarischen Pomp. So liebte er es, dabei von vier zahmen Loewen umgeben zu sein, die sehr wild und grimmig drein schauten. Ich hatte Gelegenheit, mit denselben naehere Bekanntschaft zu machen. An einem hohen Festtage wurden sie von ihren Waertern in mein Zimmer gefuehrt, um ihre Aufwartung zu machen. Ein paar blanke Thaler verfehlten die Wirkung nicht, und ich konnte meine Gaeste ruhig abzeichnen, wobei ich nur durch deren aufdringliche Zutraulichkeit gestoert wurde. Der eine Loewe war von dem genannten Salmueller abgerichtet und dann an den Kaiser verkauft worden. Alle vier Loewen hatten ihre Namen; der Liebling des Kaisers hiess Kuara (der Stuermische). Dieses Halten und Zuechten von Loewen steht uebrigens bei den abessinischen Herrschern keineswegs als eine Ausnahme da und kam auch frueher vor, wol deshalb, weil der Loewe als Sinnbild Aethiopiens angesehen wird. Als Salt 1810 beim Ras Wolda Selassie in Antalo eine Abschiedsvisite machte, bot dieser ihm zwei Loewen als Geschenk fuer den Koenig von England an; "allein der weite Weg machte es unmoeglich, sie fortzubringen. Eins dieser Thiere ward von seinem Waerter bisweilen in das Zimmer gebracht, wo wir sassen: aber waehrend meines Aufenthaltes wurde es so wild und unlenkbar, dass man es einsperren musste." Da mir der Negus Gafat zum Aufenthaltsorte angewiesen hatte, mit der Erlaubniss, im Innern des Reiches Ausfluege nach Belieben machen zu koennen, so zoegerte ich nicht, dieses auszufuehren, und stattete zunaechst der _Hauptstadt __Gondar_ meinen Besuch ab. Von Gafat bis Ferka reiste ich zunaechst den Weg, welchen ich auf meiner ersten Tour bereits beschrieb. Im genannten Orte trennt sich die Strasse; links fuehrt sie nach Tschelga, rechts nach Gondar. Ungeachtet des koeniglichen Befehls, dass ich in den Doerfern, wo ich uebernachtete, gut beherbergt werden sollte, hatte ich mancherlei Verdriesslichkeiten zu bestehen, ja man bedrohte mich einmal sogar, und meine Leute fluechteten in Angst davon. Auf einer von den Portugiesen erbauten Bruecke passirte ich den Fluss Magetsch, ohne welche zur Regenzeit die Verbindung zwischen Nord- und Suedabessinien auf mehrere Monate im Jahre vollkommen gestoert sein wuerde. An Juniperusbaeumen vorbei gelangte ich auf einen Huegel, der verschiedene Haeusergruppen trug, zwischen denen sich wueste Plaetze hinzogen. Ich war jetzt schon mitten in Gondar, ohne dass ich eigentlich die Stadt bemerkt haette, und war nicht wenig verwundert ueber diese Kapitale der Kaiser Sosneos und Fasilides, von der ich mir eine durchaus andere Vorstellung gemacht hatte. Von welcher Seite aus man sich auch der Stadt naehert, fallen die vielen hohen Warten und Thuerme, Zinnen und Mauern des in mittelalterlich-portugiesischem Styl erbauten Koenigspalastes und einzelne Kirchen mit grossen kegelfoermigen Daechern unter malerischen Baumgruppen zuerst in die Augen: ein heimisches Bild fuer den Wanderer, der sich ploetzlich dem Innern des tropischen Afrika entrueckt und in eine mitteleuropaeische Landschaft versetzt glaubt. Ueber ueppigen Wiesengrund an schmalblaetterigen Weidenbaeumen mit ueberhaengender Krone hin rauschen klare Gebirgsbaeche zu Thal und schlaengeln sich, Silberfaden gleich, in der Ferne durch das gruene, flache Dembra, dem Tanasee zu. Das noerdlichste Quartier der Stadt ist das Abun-Bed mit der Wohnung des Bischofs. Ein nach Westen fliessendes Baechlein, kahle Flaechen und Ruinenfelder trennen es von der politischen Freistelle, dem Etschege-Bed, mit dem Sitze des Vorstandes der Moenche, Etschege genannt. Auf einem freien, erhabenen Punkt, oestlich von beiden, steht von einer runden Mauer umgeben, unter herrlichen Baumgruppen eine Kirche mit zwei von den Hollaendern dem Kaiser Jasu geschenkten Glocken. Suedlich und oestlich davon ist der Stadtbezirk Debra Berhan, Kirche des Lichts, mit gleichnamiger Kirche; westlich daran schliesst sich der Gempscha-Bed oder Schlossbezirk. Von einer weitlaeufigen, unregelmaessigen Mauer, mit Zinnen und Wartthuermen und mit verwilderten Gaerten und Kiosken umgeben, erhebt sich der grosse, leider mehr und mehr zerfallende _Gemp_ oder das Schloss selbst, das neben den armseligen, mit Stroh gedeckten Haeusern einen wahrhaft grossartigen Eindruck macht durch seine massive Bauart, seine vielen Thuerme, hohen Bogenfenster und weiten Hoefe. Die Facade des Hauptgebaeudes ist gegen Westen gekehrt und drei Thuerme mit grossen Thorbogen bilden die Eingaenge zu dem einst gepflasterten, jetzt halb in Schutt und Gestruepp begrabenen Vorhof. Der Hauptbau ist viereckig, zweistockig, mit flachem Dach und steinerner Brustwehr; auf jeder Ecke erhebt sich ein Thurm mit Cement-Kuppel, ein hoeherer viereckiger steht in der Mitte. Das Material ist ziemlich roher Basalt, die Einfassungen der Thore und Fenster bestehen aus rothem Sandstein. An das Hauptgebaeude lehnen sich noch verschiedene Hallen, Galerien, Saele, Kapellen, Bruecken und Thorwege an, Alles jetzt mehr oder weniger zerfallen und mit Schlingpflanzen ueberwuchert. [Illustration: Nordfront des Gemp in Gondar. Originalzeichnung von Eduard Zander.] Suedwestlich vom Gempscha-Bed breitet sich, von verschiedenen Quartieren umgeben, der grosse Marktplatz aus. Am Abhange und Fusse des Huegels liegt das Quartier der Muhamedaner, Islam-Bed, und suedwestlich, jenseit des Kacha-Flusses, die Judenvorstadt, Falascha-Bed. Die Strassen Gondars sind eng und krumm, theils mit natuerlichen Basaltplatten gedeckt, theils durch Schmuz und Schutt unwegsam gemacht. Die Einwohnerzahl duerfte 6000-7000 nicht uebersteigen; doch war die Stadt einst volkreicher. Koenig Theodor vernachlaessigt sie "als Pfaffenstadt" gaenzlich, ja er hat einmal zur Strafe sein Heer gegen sie losgelassen, ihr enorme Geldbussen auferlegt und das Quartier der Muhamedaner zerstoeren lassen. Nicht weniger als 44 Kirchen, darunter sehr praechtige, bestehen in Gondar, und die Zahl der darin angestellten Geistlichen betraegt 1200, mithin ist jeder sechste Mensch ein Priester. Nach aussen hin ist Gondar offen, nur die Freistaette und verschiedene Kirchen sind mit groesseren, halb verfallenen Mauern umgeben. An Trinkwasser ist grosser Mangel, sodass man in der trockenen Jahreszeit sich oft genoethigt sieht, aus dem Angrab- oder _Kachaflusse_ das noethige Wasser zu holen und das Vieh zur Traenke dahin zu fuehren. Ueber den letzteren Fluss fuehrt nicht weit vor der Stadt eine alte, sehr malerische Bruecke, die noch aus der Zeit der Portugiesen stammt, jetzt aber sehr im Verfalle begriffen ist. Am oestlichen Ufer des genannten Flusses liegt nordwestlich von der Stadt auf einer gruenen Wiesenflaeche die _Kirche Fasilides_ inmitten eines herrlichen Juniperuswaldes und umgeben von niedrigen Mauern mit runden Wartthuermen und Zinnen. Die viereckige steinerne Kirche ruht auf Schwebebogen in einem tiefen Bassin, ueber welches eine mit Eckthuermen befestigte Bruecke fuehrt. Eine grossartige steinerne Wasserleitung auf hochgesprengten Rundbogen an der Westseite des Haines versorgte den Platz mit Wasser, das wahrscheinlich in ein Reservoir im suedwestlichen Eckthurme geleitet wurde und dort Wasserwerke speisen musste. Seines Zweckes wegen ist ein dicht bei dieser Kirche gelegener Tempel mit runder Kuppel merkwuerdig. Es ist das Grabmal eines koeniglichen Streitrosses, man sagt von Negus Kaleb. Auch an Baedern mit Wasserleitungen und Nischen, sowie an anderen Zeugen einer ehemals regeren Baukunst und Baulust ist in der Nachbarschaft kein Mangel; doch die geringe Sorgfalt, die jetzt auf die verschiedenen Werke gewandt wird, droht sie dem gaenzlichen Ruin zuzufuehren. Geht man von der Kacha weiter westwaerts, so gelangt man in ein Seitenthal, in welchem an einem Bergabhange die malerischen _Ruinen von Koskam_ liegen. Ziemlich gut erhalten ist noch das dortige Lustschloss mit zwei Thuermen, deren einer ein Kuppeldach traegt, waehrend das des anderen einem niedrigen, umgelegten halben Cylinder gleicht. Zwischen beiden fuehrt ein hohes Bogenthor in eine lange steinerne Halle mit grossen Bogenfenstern und Thueren; das Dach fehlt; Balken zeigen noch die Spuren von Altanen oder Galerien. Das ganze Gebaeude besteht wie der Gemp aus ziemlich rohen Basaltsteinen, die Thuer- und Fensterpfeiler aber aus gut gearbeitetem rothen Sandstein. Zwischen reizenden Baumgruppen ragen die Reste eines anderen Prachtgebaeudes, in dem, wie es scheint, eine Halle mit schoen gearbeiteten Saeulen hinfuehrte, Alles ist aber verfallen und mit Gestruepp und Schlingpflanzen ueberwachsen. [Illustration: Bruecke ueber die Kacha. Originalzeichnung von Eduard Zander.] Noch weiter westlich, von hohen Mauern mit Zinnen und Thuermen umschlossen, ist die Kirche, eine Rotunde mit Strohdach und vielen Wandgemaelden, die namentlich Reiterfiguren darstellen. So ist das heutige Gondar und seine Umgebung beschaffen; ueberall auf Schritt und Tritt begegnet dem Reisenden Verfall, und doch koennte diese Stadt bei ihrer praechtigen Lage in der gesunden, fruchtbaren Gegend im Mittelpunkte Amhara's zu einer grossen Bluete gelangen - wenn nur ihre Bewohner anders beschaffen waeren. Man hatte mir viel von der kleinen Kirche _Towari_ erzaehlt, die eine Stunde von meinem Aufenthaltsorte entfernt liegt, in welcher man die abessinische Malerei am besten studiren koenne. Ich begab mich dorthin und fand auch dieses Gotteshaus, wie alle Landeskirchen, in einem dichten Hain von Juniperusbaeumen versteckt. Die Gemaelde, so beruehmt in Abessinien, machten auf mich, der ich sie mit europaeischen Augen ansah, im allgemeinen einen schauderhaften Eindruck. Indessen fesselte ein Bild des Abendmahls doch sehr meine Aufmerksamkeit, da auf demselben der Kuenstler hieratische Traditionen, byzantinische Malerei und Details des abessinischen Lebens merkwuerdig miteinander verschmolzen hatte. Christus, die Jungfrau und die Abendmahlsgenossen sind nach der Tradition gekleidet und mit grossem Kunstverstaendniss rings um einen Tisch gruppirt, der nach der feinsten abessinischen Art gedeckt ist. Vor jeder Person liegen Tiefbrote, die zugleich die Schuesseln vertreten, zur Seite derselben die Messer zum Zerschneiden des Brundo (rohes Fleisch). Ein Major Domus, offenbar aus guter Familie, bietet zu trinken an; ausserdem gehen Juenglinge mit Honigweinkruegen umher. Ein Theil der Juenger wendet die Gesichter gegen Christus, ein anderer gegen Maria. Die Zuege dieser Hauptpersonen aber sind verfehlt; namentlich die der Maria. Abgesehen hiervon verdient das Bild jedoch alles Lob. Als Begleiter auf meinen Ausfluegen in die Umgebung Gafats diente mir ein junger Priester, der einige Zeit in der Propaganda zu Rom gewesen, dort aber nicht allzuviel gelernt hatte. Heimgekehrt, wollte er sich die Stelle eines Aleka bei einer reichen Kirche unrechtmaessig anmassen; allein Koenig Theodor nahm die Sache krumm und verurtheilte Michael, so hiess der civilisirte Geistliche, zu drei Jahren Kettenstrafe. Mir gegenueber wollte er sich nun als Glaubensmaertyrer darstellen, was mir ziemlich einerlei war; dagegen war er mir unschaetzbar wegen seiner vortrefflichen Landeskenntniss. Als er jedoch einige Monate spaeter einen Salzdiebstahl beging, musste ich ihn vor die Thuere setzen; anfaenglich ging es ihm nun schlecht - dann begegnete er mir wohlgenaehrt und gut gekleidet wieder. Gott weiss, wie er zu Gelde gekommen sein mag; indessen dieser Art von Leuten geht es in Abessinien wie in Europa: sie fallen wie die Katzen stets wieder auf die Fuesse. Eine meiner Exkursionen fuehrte mich zur Fafatie oder dem _Wasserfall des Rebflusses_, der seine Quelle am Abhange des hohen Gunagebirges hat. Ich bestieg mein Maulthier, wandte mich nach Suedosten und liess zur Linken die grosse und fruchtbare Ebene von Gafat mit ihrem ausgetrockneten Strome liegen. Mit einiger Schwierigkeit wand ich mich durch das bewaldete Thal des Davezout und kam dann, einem schattigen Fusssteige folgend, zum Reb, der leise ueber ein mit dunkelblauen Steinen besaeetes Bett dahinfloss. Der Wasserfall war nur fuenf Schritt von mir entfernt: ich sah ihn nicht, aber ein schauderhafter Schlund und ein betaeubendes Bruellen zeigten mir seine Gegenwart zur Genuege an. Um ihn von vorne zu erblicken, musste ich auf einem Zickzackstege den Felsen hinabsteigen, der mit Buschwerk ueberzogen und von Affen belebt war. Unten angelangt, stand ich vor einem huebschen gruenen See, in den von steiler Felswand eine senkrechte Wassersaeule von 24 Fuss Hoehe herabfiel. Ringsum zeigen sich die entzueckendsten Landschaftsbilder, welche jeden Maler begeistern koennen. [Illustration: Wasserfall des Reb. Nach Lejean.] Vier Monate spaeter gewahrte ich dann den Wasserfall wieder zur Zeit seines hoechsten Glanzes, als die Fluten hoch geschwollen waren. Er uebertraf so die herrlichsten Kaskaden der Schweiz bedeutend. Die _dreitausend oder viertausend Wasserfaelle Abessiniens_ sind die schoensten, die man sich denken kann, und ihnen fehlt weiter nichts als der Ruf, den andere Kaskaden durch Kuenstler und Touristen sich erringen. Ich habe den zehnten Theil davon, etwa 300 oder 400 selbst gesehen und etwa zwanzig abgezeichnet - alle praechtige Naturerscheinungen, von denen eine einzige hinreichte, eine Gegend in Europa beruehmt und zum Ziele der Touristenschwaerme zu machen. Ich riss mich von den Wundern dieser Fafatie los, um meinen Fuss in oestlicher Richtung weiter zu setzen ueber eine Ebene, die ganz mit Mimosen bestanden war. Diese an und fuer sich langweiligen Baeume erhielten durch die reichlich von ihnen herabhaengenden Schlingpflanzen ein ungemein malerisches Ansehen; namentlich zeichnete sich ein Loranthus mit schoenen orangefarbenen und rothen Kelchblueten aus. Bald gelangte ich in das malerische Thal des Makar, eines Nebenflusses des Reb, in dem ich bis zu den _Atkanafelsen_ vordrang, deren trapezoidale Form man von allen hochliegenden Punkten des Distrikts Debra Tabor aus zu uebersehen vermag. Dieser Felsen ist eine wirkliche Amba, welche in Kriegszeiten oft genug als Zufluchtsort gedient hat. Am Fusse derselben fand ich zum ersten Male die Henset-Banane (vergl. S. 45) mit ihren kolossalen Blaettern und rothen Rippen. Samen der nuetzlichen Pflanze habe ich der Akklimatisations-Gesellschaft in Paris ueberbracht; die Schoesslinge, welche ich gleichfalls eingepackt hatte, wurden mir jedoch in Massaua kurz vor meiner Rueckkehr von den Huehnern vernichtet. Hinter dem Atkana traf ich in wundervoller Gegend auf das _Kloster Guref_, das mir durch seine romantische Lage deutlich sagte, wie die Moenche es in Abessinien gleichwie in Europa verstanden, die schoensten Orte zur Anlage ihrer Kloester auszuwaehlen. Nach der Regel des heiligen Tekla Haimanot leben in praechtiger Einsamkeit diese Moenche inmitten eines schoenen Haines, den der klare Waldbach durchfliesst. Freilich der Anblick einer europaeischen Abtei und derjenigen des abessinischen Klosters sind grundverschieden. Man stelle sich einen weiten Raum, von einer lebendigen Hecke umschlossen, vor, der wiederum durch Hecken in 12-15 kleinere Abtheilungen geschieden ist, deren jede eine Moenchshuette enthaelt und die durch ein Labyrinth von Strassen verbunden sind, welche schliesslich im Mittelpunkte nach der spitzdachigen runden Kirche fuehren - und das abessinische Kloster ist fertig. Dazwischen liegen gruene freundliche Gaertchen, ringsum ein lachender Hain. Ich fand sogleich den Abt - wenn ich so sagen darf -, einen ernsten, mageren Mann von 45 Jahren, der die weisse Tunica und darueber eine Art von gelbem Pallium, das Zeichen seiner Wuerde, trug. Gastfreundschaft wurde mir im vollsten Masse zu Theil, allein mein Maulthier musste ich ausserhalb des Klosters lassen - _weil es eine Stute war_, wobei ich mich der laecherlichen Sitte erinnerte, dass auch in die griechischen Kloester auf dem Berge Athos kein weibliches Thier hinein darf. Ich wohnte dann bei den guten Moenchen und ass mit ihnen die einfache, aus Huelsenfruechten bestehende Mahlzeit. In der Nacht erweckte mich Psalmengesang, jene Melodie, welche der alte Portugiese Alvarez "eine erbaermliche Harmonie" nennt; indessen muss ich gestehen, dass dieser abessinische Gesang mindestens so gut klang, wie das Singen in unseren Landkirchen. Im Gedem oder geheiligten Asyle stand ausserhalb des Klosters die Gemeindekirche, welche fuer beide Geschlechter zugaenglich war; ihr Gruender war Ras Ali, der sie jedoch nicht vollenden konnte, da er von Theodor II. gestuerzt wurde. Dieser that nichts weniger als Kirchen bauen; im Gegentheil er zerstoerte und beraubte noch ein- oder zweihundert und zeigte sich als der echte abessinische "Pfaffenfeind". Nach dem Besuche dieser Kirche kehrte ich nach Gafat zurueck. Um gute Samen der Henset-Banane zu erhalten, wollte ich einen Ausflug nach der Stadt _Korata_ machen, welche Rueppell faelschlich Kiratza nennt. Es ist eine kleine Stadt am suedoestlichen Ufer des Tanasees, die wegen ihres starken Handels und der zahlreichen Geistlichkeit beruehmt geworden ist. Da die Regen erst im Beginnen waren, so konnte ich darauf rechnen, dass der Fluss Gomara noch durch irgendeine Furt zu passiren sei, und ich beschloss deshalb in gerader Linie, an den heissen Quellen von Wanzagie vorbei, nach Korata vorzudringen. Debra Tabor blieb zur Linken liegen. Das niedrige Huegelland, durch das mein Weg ging, war im Jahre 1841 der Schauplatz einer Schlacht zwischen dem Detschas Ubie von Tigrie und dem Ras Ali. Letzterer wurde glaenzend geschlagen und einige seiner Offiziere begaben sich, um sich zu unterwerfen, zu dem Sieger Ubie, der, in seinem Zelte sitzend, ruhig sich in Honigwein betrank. Als Ubie die Feinde erblickte, wurde er aengstlich, da er keine seiner eigenen Soldaten bei sich hatte; erstere aber benutzten diesen Umstand, banden Ubie und machten ihn zum Gefangenen. Auf diese Nachricht kehrte der geschlagene Ras Ali zurueck; doch musste er Ubie, um der Volksstimme zu genuegen, wieder freigeben. Die Vegetation auf dem einst blutigen Schlachtfelde war eine praechtige; namentlich fielen mir weisse Lilien (_Amaryllis vittata_) von lieblicher Form auf, welche die daran gewoehnten Abessinier gar nicht beachteten, waehrend ich jede dieser Blumen bedauerte, welche mein Maulthier niedertrat. Am Ufer eines frischen Baches wurde Mittagsrast gemacht. Was mich hier am meisten ueberraschte, war eine lange, in Ruinen liegende Mauer von europaeischer Konstruktion. Ich folgte derselben und fand, dass sie einst als Einschliessung eines Parkes gedient hatte, welcher der Lieblingsaufenthalt verschiedener Kaiser gewesen sein soll. Man nannte den Ort _Arengo_. Seine Lage ist reizend - aber da, wo einst die Erben der Koenigin von Saba thronten, findet man nun Ruinen, zwischen denen laermende Affen hausen. Theodor II., welcher seine Vorgaenger im Kaiseramte gruendlich verachtet und sie "Schauspieler" nennt, behauptet, dass die jetzigen Gaeste in Arengo, eben jene Affen, mehr werth sind als die alten, die Kaiser! Vor 170 Jahren, zur Zeit des Reisenden Poncet, war das Schloss noch nicht zerstoert, ja nach dem Hoerensagen sollte es groesser als der Gemp in Gondar sein! Sicher hatten die Abessinier dem Franzosen gegenueber aufgeschnitten, denn sie verstehen dieses Geschaeft so gut wie die Yankees. Ein abessinischer Gesandter, welcher 1860 in Paris war und dort sich ueberall umgesehen hatte, antwortete seinen Landsleuten, die ihn nach jener Stadt fragten: "_Paris ist etwa so gross wie Gondar; vielleicht ein klein wenig groesser._" Im Dorfe Schumagina wurde meiner Reise ploetzlich ein Ziel gesetzt. Die reichen und stark bevoelkerten Distrikte Wanzagie, Fogara Dera, Korata bildeten das Land, welches ich zu durchreisen hatte. In einem dieser Distrikte hatten sich Rebellen aus Godscham zu verbergen gewusst, indem sie die Wachsamkeit der am Abai aufgestellten Leute Theodor's zu taeuschen wussten. Fuer dieses Vergehen, an dem doch die ganze Einwohnerschaft der vier Distrikte keineswegs schuld war, wurden dieselben von Theodor der Armee zur Pluenderung ueberwiesen, worauf die ruinirten Bauern mit ihrer Habe in die Berge und Waelder fluechteten. Als der Negus dies sah, verordnete er, dass nur die Schuldigen bestraft werden, die uebrigen aber frei ausgehen sollten. Kaum hatten die letzteren, den Worten vertrauend, sich wieder in ihre Quartiere begeben, als ein General hinterlistig ueber sie herfiel und ihnen Alles raubte. Die Nachricht von dieser That gelangte nach Schumagina, gerade als ich von dort aufbrechen wollte, um in die beraubten Gegenden vorzudringen. Unter so bewandten Umstaenden weigerten sich meine Leute ganz entschieden weiter vorzugehen, da auch sie fuerchteten, jenem braven General in die Haende zu fallen. So blieb mir nichts uebrig als umzukehren; doch hielt ich mich keineswegs fuer besiegt, und als nach einiger Zeit der Laerm verstummt war, brach ich in den ersten Tagen des Juli 1863 abermals nach Korata auf. Die Gomara, welche jetzt hoch angeschwollen war, musste hier an einer Stelle ueberschritten werden, wo sie sich in drei Arme trennt. An demselben Abend erreichte ich noch Madera Mariam, d. h. Ruheplatz der Maria, eine huebsche kleine Stadt, die aehnlich wie Emfras an einem Huegel liegt. Derselbe faellt nach drei Seiten hin senkrecht ab, ist aber von der vierten leicht zugaenglich. Das naechste Nachtquartier war das Dorf Wanzagie, welches seinen Namen von den hier stehenden schoenen Wanzabaeumen fuehrt; dann wurde die _Goanta_ erreicht. Diesen Fluss in einer Furt zu durchwaten, war ganz unmoeglich, und ich musste deshalb in einem abessinischen Mittel - ich sage nicht Fahrzeug - der _Hokumada_ uebersetzen. Dies ist eine an den Raendern in Nachenform aufwaerts gekruemmte steife Ochsenhaut; ein Mann durchschwimmt den Fluss mit einem Seile, dessen eines Ende an der Hokumada, dessen anderes am jenseitigen Ufer befestigt ist. Der Passagier setzt sich in den Lederschlauch, kauert sich zusammen und huetet sich wohl, nach der einen oder andern Seite sich ueberzubeugen. So wird er, waehrend noch ein Schwimmer die Hokumada schiebt, am Seile an das jenseitige Ufer hinuebergezogen. So kam auch ich ueber die Goanta, um bald an der geschwollenen _Gomara_ auf ein neues Hinderniss zu stossen, das dieses Mal mittels einer Tankoa ueberwunden wurde. [Illustration: Lejean passirt in der Hokumada die Goanta. Zeichnung nach Lejean.] Die _Tankoa_ ist ein rechteckiges Floss, welches sechs bis acht Personen tragen kann und aus einer Reihenfolge von dicht aufeinander gelegten Stroh- oder Binsenschichten besteht, die fest miteinander verbunden sind. Das Binsen- oder Rohrfloss taucht ziemlich tief unter und kann niemals untergehen, desto leichter jedoch umschlagen. Da aber die Abessinier fast alle sehr gute Schwimmer sind, so entstehen selten Ungluecksfaelle. Das Gepaeck, Kleider, Waffen, ein Ledersack, welcher Mehl enthaelt, liegen hinten; vorn sitzt der Lenker des Ganzen, welcher mit einem Ruderstock versehen ist, denn die Tiefe des Wassers gestattet nicht, das Floss mit einer Stange durch Stossen auf den Grund fortzubringen. Die Tankoa ist das sprechendste Zeichen, wie starr die Abessinier an ihren Gebraeuchen hangen. Dieses Volk mit offenem und hellem Verstande hat nach Verlauf von Jahrhunderten noch nicht einmal zu schliessen gelernt, dass, wenn ein simpler Stock, durch den Widerstand, welchen seine Oberflaeche dem Wasser darbietet, ein Floss fortzubewegen vermag, eine an das Stockende angebrachte Schaufel eine vermehrte, zehnfache Oberflaeche darbieten und also auch die Fortbewegungs-Geschwindigkeit verzehnfachen muss, denn der Abessinier besitzt nicht einmal die Ruderschaufel, welche den Wilden am Weissen Flusse wohlbekannt ist. Uebrigens ist nichts ermuedender als eine Reise per Tankoa. Die Maulthiere wurden ins Wasser gestossen und von einem Schwimmer durch die reissenden Fluten gelenkt. So kamen wir wohlbehalten zu einem kleinen, von Wanderhirten bewohnten Weiler, wo wir uebernachteten, um am naechsten Morgen, quer ueber die Huegel und das Fluesschen Izuri hinweg, unsere Reise nach Korata anzutreten, dessen herrlichen Anblick wir bald geniessen sollten. Es ist die huebscheste Stadt Abessiniens und war das aeusserste Ziel meiner Reise. _Korata_ liegt auf einem basaltischen Landruecken, welcher sich in den Tanasee vorschiebt. Die spitzdachigen Haeuser liegen zerstreut um die Kirche gruppirt, und bei jedem befindet sich ein baumreicher Garten, der von der Wohlhabenheit der Bewohner Zeugniss ablegt. Es war gerade Markt, welcher dicht bei der Stadt abgehalten wird. Besonders wird hier viel rohe oder zu Zeugen verarbeitete Baumwolle verkauft; letztere kommen saemmtlich aus der westabessinischen Provinz Koara, woher sie theils auf Eseln, theils auf dem See gebracht werden. Die rohe Baumwolle wird mit den Samenkoernern verkauft, meistens gegen das gleiche Gewicht Salz. Das Ausscheiden der Samenkoerner mittels eines eisernen Staebchens, welches auf einem flachen Steine mit den Haenden hin- und hergerollt wird, ist eine langsame und ermuedende Arbeit; zum Aufschlagen derselben bedient man sich eines elastischen Bogens und zum Spinnen der Handspindel. Eine fleissige Frau kann so viel Gespinnst fertigen, als fuer zwoelf vollstaendige Umhaengetuecher erforderlich ist. Auf dem Marktplatze selbst erregte meine Erscheinung keinerlei Aufmerksamkeit; etwas Anderes war es jedoch an einer nur 50 Schritte weiter entfernten Stelle. Ein grosser Baum breitete dort seine gigantischen Aeste ueber den Weg, unter dem in weissen Gewaendern, mit riesigen Turbanen auf dem Haupte, den heiligen Fliegenwedel in der Hand, die Geistlichkeit von Korata sass. Als ich mich ihnen naeherte, stiessen sie ein unwilliges Geschrei aus und verlangten, dass ich vom Maulthiere absteigen solle. Ich weigerte mich, und nun entstand auf dem Markte eine allgemeine, gegen meine Person gerichtete Bewegung, der ich durch Absteigen auszuweichen mich gemuessigt fand. Hierauf konnte ich ungehindert zu Fuss in die Stadt gehen. Spaeter erfuhr ich, dass die Pfaffenstadt Korata das Privilegium besitzt, Niemand zu Pferd oder zu Maulthier durch ihre Strassen reiten zu lassen. Nachdem ich mich in der unteren Stadt einquartiert und dem Ortsvorstand den ueblichen Besuch abgestattet, fing ich an, die Strassen oder vielmehr die Alleen zu durchwandern. Diese Strassen sind in der That nur von Hecken eingefasste Fusspfade, hinter denen sich huebsche Gaerten hinziehen. Blumen sieht man in diesen selten, dagegen praechtige Granatbaeume, Pfirsiche, Kaffeestraeucher, Bananen, Citronen, aus denen die Strohdaecher der Huetten hervorlugen. Von dem funkelnden Spiegel des Tanasees herueber wehte ein kuehlendes Lueftchen, das mir den Spaziergang in den Strassen zu einer wahren Erquickung machte. Wie schon der Markt zeigt, ist Korata ein bedeutendes Handelscentrum. Seine Kaufleute, lauter Christen, stehen mit Basso in Godscham, mit Gondar und Massaua in Verbindung. Ich habe Korata nur den Vorwurf zu machen, dass die Kueche dort schlecht bestellt ist, denn waehrend meines viertaegigen Aufenthaltes bekam ich nicht 1 Loth Fleisch zu Gesicht, obgleich in der Umgebung zahlreiche Herden weiden. Die Einwohner leben von Brot und rother Pfeffersauce, der sie zuweilen einen welsartigen Fisch aus dem Tanasee beigesellen. Die Aussicht auf dieses Binnengewaesser ist von Korata aus eine praechtige. Weit in der Ferne, im Norden sieht man die blauen Vorgebirge von Gorgora, die suedlich von Tschelga und Gondar liegen; rechts zieht sich der Bergabfall von Begemeder hin, waehrend mitten im Seespiegel die dunkle Masse der Inseln Dek und Daka auftaucht. Eine Eigenthuemlichkeit des Sees aber sind ein Dutzend winziger Eilande, wie Bet-Manso, Kibran, Metraha u. s. w., die, vom Festland aus betrachtet, gleich schwimmenden Blumenkoerbchen auf der Flut erscheinen. In der Naehe betrachtet, sind diese Blumenkoerbchen jedoch bewaldete Inseln, die in ihrem Innern eine Kirche oder ein Kloster bergen. Auch eine Flotte besitzt die Seestadt Korata, die aus einer grossen Anzahl von Tankoa besteht, welche am Ufer trocknen und die Verbindung zwischen der Stadt und den suedlichen und westlichen Ufern, namentlich mit Zegrie, unterhalten. Sie sind schmaeler als die oben beschriebene Tankoa, bis 15 Fuss lang und fuehren Mattensegel. Ich wollte ein solches Fahrzeug miethen, um nach Zegrie ueberzufahren, allein da dieses in der Gewalt der Rebellen von Godscham war, wurde mir die Erlaubniss verweigert. - Bei Korata wohnen viele Waito, jene eigenthuemlichen Menschen, die sich mit der Flusspferdjagd beschaeftigen (vergl. S. 90). Waehrend dieser Dickhaeuter sehr haeufig im See ist, fehlen darin Krokodile gaenzlich; dagegen verhaelt es sich mit dem Abai, dem Abfluss des Sees, umgekehrt. Das Flusspferd heisst im Amharaschen Gomari, und hiervon stammen wol auch die vielen aehnlich klingenden Flussnamen Gomara u. s. w. Nach viertaegigem Aufenthalte verliess ich Korata wieder und kehrte in mein altes Standquartier Gafat zurueck. Die letzte groessere Exkursion, welche ich in der Umgebung meines Aufenthaltsortes unternahm, war eine Besteigung der 13,000 Fuss hohen _Guna_. Ich folgte erst dem Reb, kam dann in das schoene Makarthal und stieg bis zu einem kleinen Dorfe empor, dessen Name lieblich in mein franzoesisches Ohr toente. Es heisst Maginta. Hier verbrachte ich die Nacht; als ich am naechsten Morgen weiter aufbrechen wollte, kamen zwei Reiter im vollsten Galopp zu mir, mit der Botschaft, dass der Negus mich in Gafat erwarte. Schon am Nachmittage langte ich wieder in meiner Wohnung an, wo ich Waldmeier fragte, was vorgefallen sei. Er antwortete ausweichend. Kurz darauf langte ein Brief in amharischer Sprache vom Koenige bei mir an, welchen mir Kinzle uebersetzte. Der Negus befand sich in seinem Lager zu Isti, drei Tagereisen von Gafat. Da ich bemerkt hatte, dass er guter Laune war, so wollte ich diese benutzen und bat um seine Erlaubniss zur Heimkehr nach Massaua. Bei Empfang meines Briefes gerieth er indessen in solche Wuth, dass zwei Tage lang Niemand mit ihm zu reden wagte. Sofort liess er mir einen heftigen Brief schreiben, aus dem ich Folgendes hervorhebe: "Als du hierher kamst, hast du dich mir als Freund vorgestellt; oder bist du etwa gekommen, um mit den Scheftas (Rebellen) gegen mich zu konspiriren? Sind deine Gefuehle aber loyal, so schreibe mir; bist du mein Feind, so schreibe mir auch, damit ich weiss woran ich bin." Sogleich antwortete ich in einem kurzen, aber respektvollen Schreiben, welches die gefaehrliche Korrespondenz zu einem guten Ende fuehrte, denn die schleunig darauf erfolgende Antwort lautete: "Habe nur einige Geduld und durch die Gnade der Dreieinigkeit wird Alles gut ablaufen. Ich habe dich aus wichtigen Gruenden zurueckbehalten muessen; allein wenn mein Agent wieder heimkehrt, will ich dich mit allen gebuehrenden Ehren entlassen." Ich folgte dem mir ertheilten weisen Rath, verhielt mich geduldig und nahm zunaechst meinen unterbrochenen Ausflug nach der Guna wieder auf. In Maginta war ich an die Familie des Irlaenders Bell empfohlen, der einst eine grosse Rolle bei Theodor II. gespielt und fuer diesen sein Leben gelassen hatte. Hier traf ich auf ein Beispiel der abessinischen Langlebigkeit, naemlich auf _fuenf Frauengenerationen_ beieinander: die abessinische Witwe Bell's, deren Mutter, Grossmutter, Tochter (die Frau Waldmeier's) und Enkelin! Die Urgrossmutter war die einzige, welche man als Greisin bezeichnen konnte; denn die Grossmutter, eine feine Frau von 55 Jahren war noch sehr lebhaft und thaetig in der Hauswirthschaft; die Mutter, Bell's Witwe, war 35 Jahre alt, zierlich und huebsch; deren Tochter war an den Missionaer Waldmeier verheirathet, welchen sie wieder mit einem Toechterchen beschenkt hatte. Maginta liegt bereits im Gebirge. Von da aus hatte ich, von Plateau zu Plateau ansteigend, nur vier Stunden bis zum Gipfel zurueckzulegen. [Illustration: Ein Binsenfloss oder Tankoa. Zeichnung von R. Kretschmer nach Lejean.] Der Weg fuehrte vorbei an Kosso- und Ericabaeumen, Hypericumstaemmen, praechtigen aloeartigen Lilien bis zur Region der seltsamen Dschibarra (_Rhynchopetalum_). Letztere gedeiht hier bis zu einer Hoehe von fuenfzehn Fuss. Der Gipfel der Guna, Ras-Guna genannt, besteht aus Trachyt. Von da aus umfasste mein Auge eine prachtvolle Rundsicht. Zur Rechten brach der Reb aus einem tiefen Thale hervor; vor mir lag das pittoreske Massiv des Zoramba und weiter hin die Kollo, das maechtigste abessinische Gebirge. Zur Linken endlich Plateau an Plateau, durchrieselt von Baechen, die sich zum Tanasee hinzogen, auf dem die Inseln gleich dunklen Punkten zu schwimmen schienen. Als ich wieder in Gafat angelangt war, fand ich eine Einladung des Negus vor, ihn in Gondar, wohin er sich begeben hatte, zu besuchen. Sofort brach ich auf. Dort angekommen, hatte ich noch einige Schwierigkeiten, empfing aber am 30. September 1863 den Befehl, Abessinien auf dem kuerzesten Wege zu verlassen. Mit mir ging Dr. Lagarde, der den Aufenthalt in Abessinien satt bekommen hatte. Nach der feierlichen Abschiedsaudienz bei Theodor nahmen wir ein Fruehstueck bei dem englischen Konsul _Cameron_ ein, das von dessen Koch, einem Elsaesser Kind, sehr gut zubereitet war. Dieser, frueher ein franzoesischer Kuerassier, hatte sich die Gunst des Koenigs zu erwerben gewusst. Als die Missionaere einst einen Wagen fuer Theodor hergestellt, fragte dieser den Elsaesser, wie ihm die Maschine gefiele. "Pfui! sagte der Rheinlaender, bei uns in Muehlhausen faehrt man in solchen Dingen den Mist aufs Feld!" (Den beruehmten blau angestrichenen Wagen erwaehnen auch Heuglin und Steudner.) Beim Fruehstueck war auch der Judenmissionaer Dr. _Stern_ zugegen, welcher zuerst Photographien in Abessinien aufnahm und in seinem Werke "Wanderungen unter den Falaschas" veroeffentlichte. Einst schenkte dieser dem Negus einen Stereoskopenkasten mit einer Ansicht Jerusalems. "Was ist das fuer ein Gebaeude?" fragte Theodor. "Die Moschee Omar's", antwortete Stern. - Sogleich warf der Koenig den Apparat auf die Erde, indem er wuethend ausrief: "Und dieses Europa, das vorgiebt christlich zu sein, duldet eine Moschee beim heiligen Grabe!" -------------- Als endlich die Stunde schlug, um Gondar den Ruecken zu kehren, kam Achmed, mein Diener, mit der Nachricht zu mir, dass alle meine Leute sich heimlich entfernt haetten, aus Furcht, von mir in Massaua als Sklaven verkauft zu werden! Mir blieb nichts anderes uebrig, als neue Diener und Lastthiere zu miethen, wobei sich Salmueller besonders gefaellig erwies. Ich ueberschritt den Angerab, wandte mich dem Magetsch zu, erstieg die Hochebene von Wogara, auf der Strasse, die vor mir Bruce, Lefebvre, Ferret und Galinier, Rueppell, Krapf, v. Heuglin u. a. gewandert waren, und gelangte in vier Tagemaerschen bis Dobarek. Am ersten Tage bivouakirten wir in _Kossogie_, einem Dorfe, welches von den hier haeufigen Kossobaeumen seinen Namen fuehrt; durch gut bebaute Ebenen gelangte ich am zweiten Tage nach Isak-Dews, dem Isakberge, welcher Ort 1420 vom Kaiser Isak zur Erinnerung an einen hier ueber die Juden (Falaschas) erfochtenen Sieg gegruendet wurde. Die dritte Station Dokoa war ein reizender Flecken auf einer Anhoehe mit einer dem Heiligen Kitane Machrit geweihten grossen steinernen Kirche, die vom Kaiser von Jasu im portugiesischen Stile erbaut ist. Hier theilt sich die Strasse; rechts, nach Osten zu, fuehrt sie ins Alpenland von Semien. Links, in noerdlicher Richtung ueber den Lamalmon-Pass, und die Kolla von Wogara nach Adoa. Am naechsten Morgen, als ich nach Dobarek aufbrach, zeigte man mir zur Rechten, schon in Semien gelegen, das Dorf _Debr-Eskie_, in dessen Naehe am 9. Februar 1855 das Schicksal Abessiniens entschieden und Theodor Sieger ueber Ubie wurde. Als ich den Abhang erstieg, an welchem _Dobarek_ erbaut ist, wurde meine Aufmerksamkeit durch eine traurige Erscheinung gefesselt; der Boden war ringsum mit gebleichten Menschenschaedeln besaet, die unter den Fuessen meines Maulthiers dahin rollten. Ein Schlachtfeld konnte hier nicht gewesen sein, denn andere Knochen als eben nur Schaedel waren nicht vorhanden. Aber was war hier geschehen? Eine entsetzliche Katastrophe. Vor gerade drei Jahren (1860) hatte Theodor ueber seinen rebellischen Neffen Garet bei Tschober einen Sieg erfochten und etwa 1700 Gefangene hierher abgefuehrt. Man enthauptete sie und warf ihre Schaedel aufs Feld. Am naechsten Tage begann ich den _Lamalmon_ hinabzusteigen. Sein suedlicher Abfall ist eine schoene, kaum wellenfoermige Ebene; sein noerdlicher dagegen eine steile, einige tausend Fuss hohe Lehne, von welcher ein steiler Zickzackfusspfad hinabfuehrt, den wir nicht ohne Lebensgefahr passirten. Auf einer kleinen Terrasse, die alle Karawanen als Ruhepunkt benutzen, machte auch ich Halt. Vor mir lag, wie auf einer Reliefkarte ausgebreitet, die Kolla bis zum Takazzie - eine Aussicht, die sich ueber dreissig Meilen erstreckte. Von allen Seiten sah ich die Fluesse durch die gruenen Waelder und gesaegten Berge brechen, um sich dem Takazzie zuzuwaelzen, hinter dem, eingehuellt in Nebeldaempfe, das Hochland von Schirie emporstieg. Ich nahm meinen Weg nach der _Zarima_, einem Nebenflusse des Takazzie, zu, nicht ohne von meinen Leuten vor dem Rebellen Terso Gobazye gewarnt zu sein, der diese Gegend unsicher machte. Wie ich spaeter erfuhr, war die Rebellion dieses Mannes mein Glueck, denn Theodor hatte ploetzlich drei Tage nach meiner Abreise aus Gondar eine Kavallerieabtheilung hinter mir hergeschickt, welche mich zurueckbringen sollte. Kurz nach meinem Aufbruche von Dobarek kam sie dort an, wagte sich aber aus Furcht vor dem Rebellen nicht weiter und kehrte, ohne ihren Auftrag erfuellt zu haben, zurueck. Der Negus wurde wuethend und rief aus: "_Welches Unglueck! Der erste Mensch, der von hier abreiste, ohne genau zu wissen, ob ich sein Freund oder Feind bin!_" Sire! Sie taeuschen sich. Ich bin unterrichtet! Aber, ohne Sie zu beleidigen, fuege ich hinzu, dass ich mich lieber Ihrer Gunst in Paris als in Gondar erfreue! Meine erste Station jenseit der Zarima war _Tschober_, wo Theodor gegen die Gebrueder Garet focht und sein Liebling, der Irlaender Bell, getoedtet wurde, worauf die Katastrophe folgte, die ich bei Dobarek schilderte. Ich befand mich nun so recht mitten im abessinischen Kirchenlande, in _Waldubba_, das foermlich von Moenchen strotzt. Auch die Menschen waren hier schon andere; die jungen Maedchen sangen in einer Sprache, welche ich noch nicht gehoert hatte und die weit gutturaler als das Amhara klang. Auch vernahm ich, dass ich mich schon im Gebiete des Volks von _Tigrie_ befand. Wie die Amharas ernst, schweigsam und wuerdig auftreten, so erscheinen im Gegensatz die Leute von Tigrie froehlich, lustig, mit einem Worte als "gute Kinder". Frankreich stand in den Buergerkriegen 1856-1860 auf Seiten der letzteren; England beguenstigte die Amharas, und ohne gesuchten Vergleich kann man sagen, dass diese Sympathien dem beiderseitigen Nationalcharakter entsprachen. Drei Tage spaeter gelangte ich an das Ufer des Takazzie, den ich bei niedrigem Wasserstande traf. Sein dunkles, vom abgefallenen Laube getruebtes Wasser rollte zwischen dicken Waeldern dahin, die an die Urwaelder Suedamerika's erinnerten. Hier war echte, tiefe Kollaregion. Am jenseitigen Ufer, wo das Land wieder bergig wurde, gelangte ich in die Deka der reichen und wohlbevoelkerten Provinz Schirie, die sich nach dem Mareb hin erstreckt. Ich verliess nun die noerdliche Richtung und wandte mich mehr nach Nordosten, einer schoenen sumpfigen Praerie zu, welche links von bizarren Bergen begrenzt wurde. Da, wo sie endigt, liegt _Axum_, die alte heilige Stadt Abessiniens, die jedoch bereits so oft von den verschiedensten Reisenden geschildert worden ist, dass ich die Leser mit Aufzaehlung ihrer Alterthuemer hier nicht ermueden will. (Vergl. oben S. 4.) In vier und einer halben Stunde gelangte ich weiter nach der gegenwaertigen Hauptstadt Tigrie's, _Adoa_. Die Stadt liegt zwischen dem suedlichen Fusse des Scholada am linken Ufer eines kleinen Baches, der sich mit dem Asam vereinigt. Die suedlichen, weniger zusammenhaengenden Quartiere sind ueber mehrere Anhoehen zerstreut und theilweise sehr im Verfall begriffen. Viele Kirchen, wie gewoehnlich in kleinen Hainen, erheben sich in und um Adoa, unter denen sich die von Metchimialem auszeichnet. Sie ist von Detschas Sabagadis erbaut, der eine grosse Glocke hierher stiftete. Die Strassen sind eng, krumm und schmuzig, die Haeuser meist aus Stein gebaut; viele haben Daecher von Thonschieferplatten, andere von Stroh; auch solche von zwei Stockwerken sind keine Seltenheit. Der Hofraum ist immer mit einer hohen Feldsteinmauer umgeben, in welcher sich Gaertchen hinziehen und Cordiabaeume stehen. An der nordoestlichen Ecke auf einer steinigen Ebene am Bach ist der Marktplatz, wo an mehreren Tagen der Woche Markt gehalten und geschlachtet wird. Seit Jahrhunderten und namentlich seit dem Verfall von Axum ist Adoa die Haupt- und erste Handelsstadt Tigrie's, deren Einwohnerzahl, fast lauter Christen, etwa 6000 Seelen betraegt. Die industriellen Produkte sind von geringer Bedeutung. Da meine in Gondar gemietheten Leute nicht weiter gehen wollten, musste ich hier frische Diener miethen. Dies hielt mich 14 Tage in Adoa auf, und diese Zeit benutzte ich zu Exkursionen in die Umgegend. Leider versaeumte ich, die Ruinen der _Jesuitenresidenz Fremona_ bei Mai Goga in der Naehe zu besuchen. Bruce, der sie gesehen hat, giebt an, dass zu seiner Zeit die Mauern noch 27 Fuss hoch gewesen seien, ein von Thuermen flankirtes Viereck, das als Festung gedient hatte. Doch das verhinderte die Vertreibung der Patres nicht, die vor zwei Jahrhunderten eine fuerchterliche Qual Abessiniens waren. Man erzaehlte mir, dass die Ruinen heute ein Gegenstand der Furcht bei den Landleuten seien, welche das alte Gemaeuer von boesen Geistern bevoelkert glauben. Am 29. Oktober 1863 verliess ich mit fuenf Lasttraegern, die ich bis Massaua zu dem billigen Preise von anderthalb Thaler pro Mann gemiethet hatte, Adoa. Am Abend kampirte ich schon in dem aeusserst ungesunden Hamedo-Tieflande am Mareb. Diese granitische Ebene bildet fuer den Botaniker und Zoologen ein wahres Paradies, sie ist aber, wenige Monate im Jahre ausgenommen, furchtbar ungesund, ja geradezu toedtlich. Hier musste auch mein Landsmann Dr. _Dillon_, der Freund Lefebvre's, nach der Regenzeit sein Leben lassen, als er, ungeachtet der Warnungen seiner Leute in die Kolla hinabstieg. "Vorwaerts, ihr Feiglinge", rief er ihnen unklugerweise zu. Die Abessinier zauderten, sagten aber dann: "Dieser Fremdling geht in den gewissen Tod und wir auch, wenn wir ihm folgen. Ist es aber recht, denjenigen zu verlassen, dessen Brot wir so lange gegessen? Vorwaerts denn mit Gott!" [Illustration: Bauer aus Antitscho. Nach Lejean.] Fuenf Tage darauf war Dillon todt und fuenf seiner Diener gleichfalls. Ich koennte noch viele aehnliche Thatsachen anfuehren. Habe ich nun recht, wenn ich die Abessinier ein edles Volk nenne? (Man sieht, wie sehr sich die Urtheile gegenueber stehen, allein dieser eine edelmuethige Zug moechte doch das lasterhafte Volk nicht rein waschen). Was man jedoch noch weniger verneinen kann, ist die aeussere Schoenheit der Abessinier, Beweis dessen ich hier auf gut Glueck das Portraet eines Landmanns aus dem Distrikt Antitscho in Tigrie hersetze. Die ungesunde Ebene von Hamedo lag nun hinter mir und ich passirte den _Mareb_ in einer Furth. Zu meinem Erstaunen fand ich ein sehr klares breites Wasser, das jedoch nur einen Fuss Tiefe hatte und zwischen belaubten Abhaengen, wie zwischen zwei Hecken hinfloss. Jenseit desselben stiegen wieder Berge an, auf denen der Marktflecken Gundet liegt und die gesunde Deka beginnt. Meine naechste Station war Asmara, die gegenwaertige Residenz des Baharnegasch oder Beherrscher der Meereskueste. Diesen stolzen Titel fuehrte ein einfacher Schum (Ortsvorstand), der vom Statthalter der Provinz Hamasien eingesetzt wird. Der Mann empfing mich mit vieler Freundlichkeit und schenkte meinen ausgehungerten Leuten einen Hammel, ohne etwas dagegen zu verlangen. Er war ein vollendeter Gentleman, welcher bei meiner Abreise mich merken liess, dass es ihm an Zuendhuetchen fehle. Da ich leider keine bei mir hatte, schickte ich ihm nach meiner Ankunft in Massaua eine groessere Partie. Asmara ist keineswegs die Hauptstadt von Hamasien; als solche galt in alter Zeit Debaroa und heute _Tzazega_, wo der Detschas Hailu, ein Liebling Theodor's II., residirte. Der Ort liegt malerisch zerstreut auf einem Huegel und zaehlt etwa 2000 Einwohner, die etwas Handel und namentlich Maulthierzucht treiben. Das Gebiet des Nils lag schon hinter mir und ich befand mich hier in demjenigen des _Anseba_, der durch den Barka seine Wasser dem Rothen Meere zusendet. Bald war auch die Grenze Abessiniens erreicht und die Terrassen lagen vor mir, die sich nach der kahlen, brennend heissen Samhara hinabsenken. Erst jetzt fuehlte mein Herz eine Erleichterung; das Damoklesschwert hing nicht mehr ueber meinem Haupte, ich war der Gewalt Theodor's gaenzlich entrueckt. Schnell war auch das Kuestenland durchzogen, und in Massaua begruessten mich nach langer Irrfahrt zuerst wieder die Spuren europaeischer Civilisation. [Illustration: Ansicht des Gemp in Gondar. Nach Rueppell.] [Illustration: Inneres einer Mensahuette. Originalzeichnung von Robert Kretschmer.] REISEN IN DEN NOeRDLICHEN UND NORDWESTLICHEN GRENZLAeNDERN ABESSINIENS. Das Land der Mensa und Bogos. - Reise des Herzogs Ernst. - Monkullo. - Labathal. - Plateau von Mensa. - Das Volk der Mensa. - Ausflug nach Keren. - Elephantenjagd. - Rueckkehr. - Munzinger ueber die Bogos. - Geschichtliches. - Ein aristokratisches Volk. - Rechtsverhaeltnisse. - Aberglauben. - Das Christenthum der Bogos. - Der Marebfluss. - Die demokratischen Bazen und Barea. 1. Reise des Herzogs von Koburg nach Mensa und Bogos. Da, wo die Terrassen des noerdlichsten Distrikts von Abessinien, der Provinz Hamasien, die natuerliche geographische und politische Grenze des Landes ausmachen, hoeren die vulkanischen Wackengebilde, die rothen Eisenthone und ebenen Basaltplateaux auf und die Urgebirge, die Granite, Gneise, Glimmerschiefer erhalten die Herrschaft. Sie bilden ein Gebirge, das, nach Osten hin zum Rothen Meere, nach Westen gegen das Tiefland des Barka abfallend, von zahllosen Wasserrinnen durchflossen ist, welche waehrend der heissen Jahreszeit vertrocknen. Der namhafteste dieser Gebirgsbaeche ist der Anseba, welcher sich mit dem Barka vereinigt. Noch vor zwanzig Jahren war dieses Gebiet den Geographen fast gaenzlich unbekannt - jetzt gehoert es zu einem derjenigen Theile Afrika's, dessen Kenntniss am meisten gefoerdert ist. Die Voelkerschaften, die dort wohnen, die Bogos mit den Mensa, die Bedschuk, Takul und Marea sind theilweise Christen, werden aber in nicht allzuferner Zeit dem Islam anheimfallen. Auch in ihrer Sprache unterscheiden sich die Bogos und Bedschuk von ihren Nachbarn; erstere ist ein Agau-(Agow)Dialekt, welcher aber mehr und mehr dem Tigre Platz macht. (Vergl. S. 92.) Vor Allem aber hat die Natur dies "Alpenland unter den Tropen" mit dem herrlichsten landschaftlichen Charakter gesegnet, mit vielfach gegliederten Hochebenen und kuehnen Felsgestalten. Zur Regenzeit entwickelt sich dort eine hoechst mannichfaltige und reiche Vegetation, und das Thierreich ist so ueberaus wohl vertreten, dass Bogos sammt Mensa dem Waidmann als ein Paradies erscheinen muessen. Die Berichte, welche die deutsche Expedition unter von Heuglin ueber diese gesegneten Landstriche in die Heimat sandte, das Interesse welches sie an und fuer sich erwecken mussten, endlich die vergleichsweise leichte Zugaenglichkeit, die nahe Lage an der Kueste - man kann von Triest aus, wenn Alles ineinander greift, jetzt in ungefaehr vierzehn Tagen nach Mensa gelangen - machten auch in einem deutschen Souveraen den Wunsch rege, jene Gegenden zu besuchen, um dort der edlen Jagd obzuliegen. In Schottlands Hochbergen hatte _Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg-Gotha_ schon den Edelhirsch gejagt, er hatte Gemsen am Fusse der Alpengletscher erlegt und nun entschied er sich auch dahin, auf Elephanten, Loewen, Leoparden, Gazellen und Antilopen in ihrer tropischen Heimat zu puerschen. Doch die Wissenschaft sollte bei diesem Unternehmen keineswegs leer ausgehen, und so versah sich der Herzog mit einem Stabe tuechtiger Maenner, die vollkommen geeignet waren, das Erlebte und Gesehene in Wort und Zeichnung aufzubewahren. Die Reisegesellschaft bestand aus dem Herzoge und seiner Gemahlin, dem Fuersten Hermann Hohenlohe und dem Prinzen Eduard Leiningen, dem Major von Reuter nebst Frau, dem Arzte Dr. Hassenstein, dem Maler Robert Kretschmer - dem wir einen Theil der praechtigen, naturwahren Illustrationen zu diesem Werke verdanken - dem Naturforscher Dr. Brehm, Friedrich Gerstaecker und einigen Anderen. Dr. Brehm, der Afrika aus eigener Anschauung bereits kannte, wurde als Pionier vorausgesandt, um die besten Wege ins Mensagebirge zu erforschen, und am 28. Februar 1862 verliess die Expedition selbst Triest. Nach sechstaegiger Fahrt wurde Alexandrien erreicht, Kairo besucht und den Nil stromaufwaerts bis zu den Ruinen von Luxor gedampft, endlich mit einem Extrazug durch die Wueste nach Suez gefahren, wo die hohen Herrschaften nebst ihrem Gefolge sich am 24. Maerz einschifften. Fuenf Tage dauerte die Fahrt durch das Rothe Meer, und am 29. warf der Dampfer bei _Massaua_ Anker, wo eine englische Fregatte bereit lag, um der herzoglichen Expedition waehrend ihres Aufenthalts an der entlegenen Kueste Schutz angedeihen zu lassen. Jener wichtige Hafenplatz wurde der Ausgangspunkt zur Reise in das Hochland, welche die Frau Herzogin jedoch nicht mitzumachen gedachte. Sie blieb vielmehr in dem westlich von Massaua gelegenen Dorfe _Monkullo_ (Umkullu, M'Kullu) zurueck, das man als eine Art Vorstadt von Massaua bezeichnen kann, weil viele Massauer Familien hier ihre Huetten und die meisten Geschaeftsleute eine Frau mit Kindern und Sklavinnen wohnen haben, von denen sie taeglich Milch und Holz sich bringen lassen. Ein besonderer Vorzug des Ortes sind seine Brunnen mit klarem suessen Wasser, das bis Massaua gefuehrt wird. Monkullo wird von mehreren Huegeln ueberragt, von deren Hochflaeche man einen Blick auf das Rothe Meer hat. Man sieht zwei lange Streifen, welche sich von dem blauen Gewaesser abheben; der laengere, zur Haelfte gelb, zur anderen gruen, ist die Insel Tan-el-hut, wo Hemprich begraben liegt; der andere Streifen ist Massaua. Die gelbe Farbe ruehrt von Korallen, die gruene von einem dichten Gebuesch her, dessen immergruene, fettglaenzende Blaetter denen des Kirschlorbers aehnlich sind; diese Pflanze, der _Schorawurzeltraeger_ (_Avicennia tomentosa_), heisst zu Massaua Sackerib und waechst nur an solchen Stellen, welche taeglich bei der Flut vom Meereswasser bespuelt werden. Aus der Ferne gesehen, gewaehren die Wurzeltraeger einen anmuthigen Eindruck; ihr sanftes Gruen thut dem Auge wohl; sie strecken ihre ziemlich duennen Aeste in das Meer, und das Ganze lockt fast unwiderstehlich an, weil es zu dem nackten gelben Strande einen angenehmen Gegensatz bildet. Aber die Atmosphaere ist hier feucht, man kann wohl sagen giftig, und die Hitze oft so arg, dass es gewissermassen als eine Erquickung erscheint, wenn man aus solch einem Avicenniengewirr heraustritt und wieder von den gluehenden Strahlen der aethiopischen Sonne beschienen wird. Schnell eilten die Mitglieder der Gesellschaft aus der ungesunden Kuestenlandschaft dem Innern zu. Im Anfang war die Gegend der Samhara, welche sie durchritten, sehr oede und arm; die sandigen, aus grobkoernigem Kies bestehenden Berge glichen ganz jenen der Wueste. Das thierische Leben der Samhara wird zuerst bei den Regenstroemen bemerklich, die nach kurzem Lauf hier dem Rothen Meere zueilen. Grossartig wird die Natur erst da, wo das _Labathal_ mit frisch sprudelndem Fluesschen aus dem Gebirge hervortritt. Im hellsten Gruen prangten die Gehaenge des Thals bis hoch zu den Bergen hinauf; alle Baeume standen im Blaetterschmuck, viele von ihnen waren gerade mit den koestlichsten Blueten bedeckt und leuchteten von den Felswaenden herunter. Gesicht, Gehoer, Geruch schwelgten zu gleicher Zeit. Der Farbenreichthum blendete das Auge, Wohlgeruch erfuellte das Thal und wie ein Gruss toente der Floetenruf des aethiopischen Wuergers den Fremdlingen ins Ohr. Auf den Zweigen wiegten sich Voegel aller Art von den kleinsten Honigsaugern (_Nectarinia_) bis zum riesigen Ohrengeier. Auch sah man Leoparden, Gazellen, Antilopen, Rudel von Affen, namentlich Hamadryaspaviane eilten mit lautem Geschrei die Abhaenge hinauf und muntere Klippschliefer belebten die Felsen, die sogar Spuren des riesigen Elephanten trugen, der bis in die hohen Berge hinaufsteigt. Ganz oben verwandelte sich das Thal in eine enge Felsschlucht, und unter unsagbaren Muehen wurde am 7. April die Hochebene erklommen, welche wiederum von riesigen Alpen umgeben die Huettengruppen des Hirtenvolkes der _Mensa_ traegt. Das Gebirge selbst besteht aus einem sehr grobkoernigen Granit, welcher jedoch nur an den hoechsten Spitzen durchbricht, und aus Thon- und Glimmerschiefer, der sich wie ein Mantel um den innern Granitkern gelegt hat. In den tiefern Thaelern finden sich steile Waende, welche jedoch fast ueberall zugaenglich sind und es noch viel leichter sein wuerden, wenn nicht die Pflanzenwelt dies verhinderte. Alle Felsen sind gruen bis oben hinauf, und wo nur ein geeignetes Plaetzchen sich findet, da hat die Pflanzenwelt sicher Fuss gefasst. Doch bestimmt die Armuth an Dammerde das Gepraege der Vegetation. Grosse gewaltige Baeume giebt es nur im Thale, und hier zeigen sich am Bache die charakteristischen Gewaechse der Kollaregion: schirmfoermige Mimosen, praechtige Tamarinden, Kigelien mit ihren grossen Fruechten, Adansonien, Akazien, Oelbaeume, die Kronleuchter-Euphorbie und eine niedrige Palme. Der stattliche Gebirgszug, in dessen Gipfel das Plateau von Mensa gleichsam eingekeilt liegt, mag sich in den Theilen, welche von der herzoglichen Expedition beruehrt wurden, zu einer Hoehe von 8000 bis 9000 Fuss erheben. Die Hochebene selbst soll gegen 6000 Fuss ueber der Meeresflaeche liegen und wird durch einen niedrigen Huegelruecken in zwei Theile geschieden. Der eine bildet eine wilde, mit Bueschen bewachsene, sandige Flaeche, die oft von Schluchten durchzogen ist. Der andere zeigt besseren Boden und wird bebaut. Das Dorf _Mensa_ bildet zwei Gruppen von Niederlassungen mit zusammen etwa 100 Huetten, die sich an die beiden Raender der Hochebene anlehnen. Dicht hinter denselben steigen die bewaldeten Felsgehaenge noch kuehn empor und tritt zwischen riesigen Granitbloecken ein klarer Quell hervor, und ringsum entfaltet das Gebirge seine ganze Pracht. Die Stelle war zu Ausfluegen gut gewaehlt, aber leider wurde die Freude theuer bezahlt, denn ein grosser Theil der Gesellschaft wurde vom Fieber gepackt. Die Gesunden liessen sich jedoch dadurch nicht abhalten, tuechtig der ergiebigen Jagd nachzuspueren und die Sitten der Eingeborenen zu studiren. Nirgends wol in Afrika trifft man auf so elende Behausungen als in Mensa. Die _Huetten_ bestehen aus Stangen oder Zweigen, ueber die man einfach Reisig wirft, das nicht einmal gegen den stroemenden Regen gedichtet wird. Eine kleine niedrige Thuer fuehrt in das Innere des hohlen Reiserhaufens. Dort gewahrt man dieselbe Unfertigkeit: einige aneinander gereihte Staebe, welche auf Querhoelzern ruhen und von gegabelten Pfaehlen getragen werden, bilden den Schlafplatz. Diese Bettstaette ist ausserdem mit einem laubenaehnlichen Bau ueberdacht, der immer noch den Regen durchlaesst. Ausser einigen irdenen Toepfen, dem unentbehrlichen Reibstein, auf dem das Getreide zerkleinert wird, einem Topfe, in dem man das Korn aufbewahrt, und einigen Schlaeuchen sieht man keine Geraethschaften im Innern. Eine Dornumzaeunung schliesst die Wohnung ein, und innerhalb derselben liegt der kleine Tabakgarten, denn das starke Kraut wird von den Maennern leidenschaftlich aus grossen Wasserpfeifen geraucht, deren Wasserbehaelter durch einen Kuerbiss gebildet wird. Die Mensa sind schoene, wohlgebaute Menschen von gelblicher bis dunkelbrauner Hautfarbe. Ihre Sprache ist das Tigre. Das Haar ist eigenthuemlich frisirt, wie es die Abbildungen zeigen, und mit einer Nadel versehen, welche die Ruhe unter den laestigen Insassen herzustellen hat. Kurze baumwollene Hosen und weite Umschlagmaentel machen die Kleidung der Maenner aus; eine lederne, in viele Streifen zerspaltene Schuerze bildet die einzige Bekleidung der unverheiratheten Maedchen, welche am Tage der Verheirathung mit einem Umschlagetuche vertauscht wird. Das Leben des Volkes haengt von den Herden ab; Getreidebau wird wenig betrieben. Die Erhaltung und Vermehrung der Herden macht die ganze Wissenschaft ihres Lebens aus. Der Mensa haelt sich um so verstaendiger, je besser er mit dem Vieh umzugehen versteht, und er achtet sich um so gluecklicher, je zahlreicher seine Herde von Buckelrindern ist. Manche von den Leuten, welche in einer der beschriebenen erbaermlichen Huetten leben, nennen 5000 bis 6000 Rinder ihr Eigenthum. Um ueberall die Weide gut ausnutzen zu koennen, wandern die Mensa zweimal im Jahre von der Hoehe ihres Gebirges zur Tiefe der Samhara hinab, wenn dort die Regenguesse ein frisches Gruen hervorgezaubert haben. Die Milch der Kuehe ist ihr vornehmstes Nahrungsmittel, und bei festlichen Gelegenheiten wird ein Ochse geschlachtet, dessen halbgeroestetes Fleisch gierig verschlungen wird. Als geistiges Getraenk dient der Honigwein. Ganz so schlimm wie die Abessinier sind die Mensa beim Einnehmen ihrer Nahrung nicht, allein auch nicht sehr verschieden von diesen. Das _Christenthum_ der Mensa ist genau so, wie wir es bei ihren Vettern, den Bogos, weiter unten schildern. Das haeusliche und eheliche Leben unterscheidet sich kaum von dem der Abessinier. Mit Sonnenuntergang sammeln sich die Maedchen auf den oeffentlichen Plaetzen und beginnen zu tanzen, wobei die Zuschauer laut bruellen. Dieses Vergnuegen waehrt bis tief in die Nacht, jedoch nur wenn der Mond scheint und die Raubthiere nicht zu fuerchten sind. An Festtagen hoert man noch eine andere Musik, dann geben die Floetenblaeser ihre Kuenste zum besten. Die abessinischen Floeten sind hohle Roehren mit verschiedenen kleinen Schalloechern, welche nach Art der Mundharmonika geblasen werden. Einzelne Kuenstler verstehen auch eine Art Geige zu spielen, d. h. eine Fiedel im Urzustande mit einer Saite von Pferdehaaren, die mit einem einfachen Bogen gestrichen wird. Eine Handtrommel mit Schellen unterstuetzt gewoehnlich dieses Konzert aufs wirksamste. Eigenthuemlich sind die _Grabhuegel_ der Mensa. In weitem Kreise um das Grab herum baut man eine senkrechte Ringmauer auf; den von ihr umschlossenen Raum fuellt man alsdann mit grossen und kleinen Steinen aus. Die Steine schichtet man in einem Haufen hoch auf und ueberlegt sie endlich mit blendenden Quarzstuecken, welche weit und breit zusammengetragen werden. Die tropische Erzeugungsfaehigkeit sorgt bald fuer gruene Umrankung und Umlaubung, und dann heben sich diese Graeber um so heller von dem dunklen Hintergrunde ab. Hier nun, unter diesem Volke, schlug man die Zelte auf und verweilte einige Zeit. Als die Gewitterregen nachgelassen, trat der Herzog, von seinen beiden Neffen begleitet, einen Ausflug nach _Keren_ im Bogoslande an. Am 12. April setzte sich der Zug in Bewegung, durcheilte in nordwestlicher Richtung die Mensa-Hochebenen und gelangte am naechsten Tage bereits in eine sehr veraenderte Gegend. Die reiche Vegetation des Mensathales war fast ganz verschwunden, die Bergruecken waren kahl und nur an den Abhaengen zeigten sich Mimosen und verkrueppelte Oelbaeume. In den tiefern Thaleinschnitten wuchsen riesige Adansonien und Euphorbien. Nach einem Ritt von mehreren Stunden wurde das Dorf Gabei Alabu auf einem felsigen Plateau erreicht, wo die Einwohner nach einigem Parlamentiren Milch und eine Kuh zum Geschenke brachten. "In keiner Weise konnten wir," erzaehlt Herzog Ernst, "auf der ganzen Reise zwischen diesen Voelkerschaften auch nur ueber die geringste Unbill klagen, und ich muss lobend erwaehnen, dass uns ueberall mit aufrichtiger Freundlichkeit und Gastfreundschaft begegnet wurde." Nachdem man zwei Stunden weiter geritten, gelangte man an das malerische Ufer des _Anseba_ (Ainsaba). Der Strom hielt noch dritthalb Fuss Wasser und floss silberhell und reissend dahin. In unendlichen Windungen sendet er seine klaren Fluten, die unfern von Tzazega in Hamasien entspringen, durch das Gebirgsland und erquickt mit seinen zweimal im Jahre austretenden Gewaessern die durstige Ebene. Soweit dies der Fall ist, zeigt auch der Boden die ganze Fuelle der Tropenvegetation; wunderbar geformte Baeume, dicht mit Lianen ueberzogen, wechseln malerisch mit haushohem Schilf. Tausende von Voegeln aller Art bevoelkern diesen schmalen Streifen Erde, der gleich einer Oase meilenweit den Strom begrenzt, welcher spaeter seine Wasser mit denen des Barka vereinigt, also nicht dem Gebiete des Nil, wol aber jenem des Rothen Meeres angehoert. Die gehoffte Jagd fand leider hier nicht statt, dafuer stattete man dem jenseit des Flusses liegenden Dorfe _Keren_, dem Hauptorte von Bogos, einen Besuch ab. Der Herzog schildert Keren als ein elendes, auf einer Hochebene gelegenes Dorf, das ausser den Huetten der Eingeborenen nur zwei groessere Gebaeude, die Wohnung des weit und breit bekannten Missionaers _Stella_, aufweist. "Stella ist ein kleiner untersetzter Mann mit stechenden klugen Augen, aber sonst wohlwollenden Zuegen. Er gehoert zum Orden der Lazaristen. Unstreitig ist er, nach Allem, was ich ueber ihn gehoert und gelesen, zu den wenigen intelligenten Europaeern zu rechnen, welche seit einer Reihe von Jahren das Innere Afrika's bewohnten. Durch seinen Charakter, seinen Muth und sein kluges Benehmen ist er zu einer bedeutenden Person geworden. Er ist nicht nur bei den Bogos hoechst angesehen, sondern steht auch in einer gewissen Verbindung mit dem Kaiser Theodor und den ganzen politischen Verhaeltnissen Abessiniens. Die Ausbreitung der katholischen Religion scheint ihm hier nicht allein am Herzen zu liegen. Er schien vorzugsweise Rathgeber und Vermittler zwischen obwaltenden Streitigkeiten der Staemme zu sein. Ein Gehalt, der ihm regelmaessig ausgezahlt wird, und eine ausgesuchte Herde machen ihm bei geringen Beduerfnissen ein angenehmes Leben moeglich." [Illustration: Eingeborene von Mensa vor ihren Huetten. Originalzeichnung von Robert Kretschmer.] Der Boden bei Keren, das 4469 Fuss ueber dem Meere liegt, ist fruchtbar, aber nur ab und zu mit Durrah, etwas Tabak und dem gewoehnlichen Seifenkraut bepflanzt. Nach Osten und Sueden steigen rauhe Gebirge in die Hoehe, waehrend sich die im Norden liegenden Ketten mehr und mehr abflachen. Nach Westen zu sieht man den Bergen deutlich an, dass sie aus einer Ebene emporsteigen, denn unmittelbar hinter ihnen beginnt die unabsehbare Barka-Steppe. Wasser enthaelt die Hochebene so gut wie gar nicht. Keren war der fernste Punkt, bis zu welchem der hohe Reisende gelangte. Er zog nach kurzem Aufenthalte von da nach Mensa zurueck, wo er am 16. April wieder anlangte. Schon am zweiten Tage darauf fand eine glueckliche Elephantenjagd statt, und mit nicht geringer Anstrengung gelang es, auf den 8000 Fuss hohen Felsenhoehen des Beit-Schakhan einen alten und einen jungen Elephanten zu erlegen. Mit folgenden Worten schildert der Herzog das Abenteuer selbst: "Es mochte wol zwischen 2 und 3 Uhr sein, als ein fuer uns kaum hoerbarer Ton das Ohr des uns begleitenden jungen Eingeborenen traf. Wie eine Schlange schnellte die schwarze nackte Gestalt aus dem Grase empor, und die heftigste sich in den wunderlichsten Gesten kundgebende Aufregung bewies uns, dass ein Zeichen von unten gegeben sei. Wie durch einen Zauberschlag beruehrt, sprangen wir jetzt auf die Fuesse und griffen zu unseren Buechsen. Die reizende Aussicht war, wie Muedigkeit fuer uns verschwunden, die Sonnenstrahlen erschienen nicht mehr heiss, und ohne weiter zu ueberlegen, was eigentlich das Zeichen bedeute, trabte die ganze Gesellschaft ueber Steinbloecke durch Dick und Duenn der Tiefe zu, aus der in abwechselnden Zwischenraeumen das schon vorher erwaehnte Zeichen wiederholt wurde. "Der junge Mensaner mit Schild und Speer an der Spitze, fuehrte den Zug, und da ihn weder Kleidung noch Korpulenz am Laufen hinderten, so fiel er in ein wahrhaft gefaehrliches Tempo, fuer das nur die juengsten Beine geschaffen schienen. Erst nach anderthalb Stunden trafen wir die beiden Elephantenjaeger. Nur einige hundert Schritt folgten wir ihnen und sahen schon zum allgemeinen Entzuecken, auf der gegenueberliegenden Bergwand, zwischen dem Gestruepp und alten Euphorbienbaeumen, Elephanten ruhig ihr Diner verspeisen. [Illustration: Herzog Ernst von Sachsen-Koburg-Gotha auf der Jagd in Mensa. _(Originalzeichnung von R. Kretschmer.)_] "Hier haette nun ein Kriegsrath gehalten werden muessen, um, wie vorher verabredet, die Jagd zu besprechen. Hierzu liessen uns die aufgeregten Eingeborenen aber keine Zeit. Sagudo ergriff mich beim Arm, schuettelte mich, als ob es gaelte, Aepfel von einem Baume zu schuetteln, wies mit grimmigen Geberden auf die unten aesenden Elephanten und riss mich mit sich fort. Vorwaerts ging es nun wieder in vollem Laufe durch Aloe, Cactus und Mimosen. Bald waren die ohnehin defekten Hemden und Beinkleider zerrissen, und die gluehende Sonnenhitze badete uns im Schweiss. Mit einem Male hielt der Jaeger an, schnitt mir ein wuethendes Gesicht und klopfte mit dem Laufe seiner riesigen Muskete auf meine Schuhe. Sein Wunsch war augenscheinlich der, dass ich von jetzt ab die Puersche barfuss - wie er ging - fortsetzen solle. Aus meinen ebenso grimmigen Mienen und bezeichnenden Gestikulationen mochte er jedoch wol entnehmen, dass die Sohlen unserer Fuesse nicht, wie die seinen, fuer Dornen und scharfe Steine geschaffen seien, und weiter ging es, eine Lehne hinab, durch einen ausgetrockneten Sturzbach hindurch und drueben einen steilen Graben hinauf. Wir folgten genau in dem sonst undurchdringlichen Dickicht den Windungen der kleinen Pfade, welche die Ungethueme, sich vor uns aesend, erst im Augenblicke getreten hatten. Noch eine Weile und wiederum ging es einen Strand hinab, und in langen Saetzen wollten wir eben die Felsen eines zweiten Sturzbaches ueberschreiten, als wir auf 50 Schritt vier Elephanten unter uns denselben Bach kreuzen sahen. "Athemlos hielt Alles still. Ich riss meine Buechse an den Backen und wollte eben den groessten Elephanten aufs Korn nehmen. Da fiel mir der Jaeger in den Arm und machte solche furchtbare Grimassen, dass ich nicht anders glauben konnte, als er halte es noch fuer zu weit. Die Elephanten, welche schlecht aeugen, gingen unter uns vorueber. Kaum waren sie aber auf der entgegengesetzten Wand verschwunden, als das Rennen unmittelbar auf ihrer Faehrte wieder begann. Hiernach schien es die Absicht des Jaegers zu sein, die Thiere einzuholen und mit den letztern auf wenige Schritte zusammen zu kommen. "Die Leidenschaft hatte uns alle erfasst und jeglicher Ueberlegung der drohenden Gefahr, in der wir uns befanden, beraubt. Kaum moegen acht Minuten vergangen gewesen sein, als wir, der vermeintlichen abwaerts fuehrenden Spur in langen Spruengen von Fels zu Fels folgend, mit dem vordersten der Elephanten auf drei Schritte zusammentrafen. Die Thiere hatten einen auf uns zurueckfuehrenden Pfad eingeschlagen. Noch einen Schritt weiter und wir waeren saemmtlich verloren und zu Brei getreten gewesen. "Mit kuehner Geistesgegenwart erfasste der Jaeger den Augenblick, und indem er einen gellenden Schrei ausstiess, stuerzte er sich - gleichwie der Schwimmer von einem Springbret in das Wasser - von dem erhoehten Standpunkte etwa zehn Fuss tief in ein wildes Cactusdickicht hinein. Zum Besinnen hatten wir auch keine Zeit und ahmten, fast instinktmaessig, den sicheren Tod vor Augen, das Manoever nach. Auf das furchtbarste zugerichtet, drueckten wir uns, wie ein Kitt Huehner unter eine Krautstaude, hinter einen Granitblock. Die Elephanten hatten, durch die wunderbare Erscheinung erschreckt, selber eine Bewegung halb rechts gemacht, dergestalt, dass sie uns schraeg abwaerts in einer Entfernung von vielleicht 10 bis 15 Schritt, jedoch ohne im geringsten fluechtig zu sein, die Flanken zeigten. "Der Augenblick zum Handeln war gekommen. Der Jaeger, Hermann (Fuerst Hohenlohe) und ich waren mit einem Sprunge beinahe zu gleicher Zeit auf dem Felsen, der uns gerettet, die Buechsen flogen in die Hoehe und vier Spitzkugeln bohrten sich hinter das riesige Gehoer des Ungethuems. Der Elephant war toedtlich getroffen. Er hielt an und stiess jenen durch Gordon Cumming so wohl beschriebenen Schmerzenston aus, und waere unsere Lage nicht so misslich gewesen, so haetten wir ruhig sein Verenden abwarten koennen. Hier galt es aber augenblickliche Vernichtung und mit Buechsen _a la_ Lefaucheux bewaffnet, ward es uns eine Leichtigkeit, in wenigen Minuten gegen vierzehn Kugeln dem schon wankenden Koloss hinter Blatt und Gehoer zu senden. Ein zweiter Elephant, durch das Schiessen beunruhigt, kreuzte den Verwundeten. Auch er erhielt von Hermann eine Kugel auf das Blatt, welche ihm jedenfalls jenen Schmerzensschrei entlockte, aber nur dazu zu dienen schien, seine Flucht zu beschleunigen. Unser erstes Opfer schwankte noch einige Male, indem es sich langsam umdrehte, hin und her. Da erhielt er aus der Muskete unsers Jaegers den letzten Gnadenschuss durchs Herz. Das Thier stuerzte mit einem furchtbaren Getoese und rollte, wie ein Hase auf einem gefrorenen Abhang, die Bergwand wol 500 Schritt hinunter, Baeume und Felsen vor sich her waelzend. Die Strasse, die sein Koerper beschrieben hatte, glich einem jener Lawinenstreifen, die man so oft im Hochgebirge auf der Gemsjagd antrifft. Mit einem Freudengeschrei jagten wir dem verendeten riesigen Thiere in den Abgrund nach, wo wir es tief unten, zwischen zwei Granitbloecken eingeklemmt, noch gewaltig mit seinen Fuessen arbeitend, liegen sahen." Noch ein zweiter junger Elephant, der gleichsam um die Mutter zu raechen, wuethend herbeigeschnaubt kam, wurde erlegt, die Jagd war vollendet, und beleuchtet von den Strahlen der gluehend untergehenden Sonne standen die Sieger auf den kolossalen Leichen ihrer Jagdbeute. Die Landschaft, in welcher die gefahrvolle Jagd stattfand, schildert der Herzog folgendermassen: "Ein Panorama lag vor uns, wie ich es nur an wenigen Orten Tyrols und der Schweiz getroffen habe. Ein unabsehbares Meer gruener und brauner Berge, hier in den schoensten und reichsten Formen gelagert, dort wieder scharfgezeichnete Felsspitzen in pittoresken Gestalten vorstreckend, bot sich unsern Blicken. In weiter Ferne bezeichnete ein goldener Streif die Fluten des Rothen Meeres, nach allen uebrigen Himmelsgegenden reihten sich Gebirge an Gebirge. Das schwierige Besteigen jener Alpen waere schon hinreichend durch die unbeschreibliche Aussicht belohnt gewesen, deren wir uns hier zu erfreuen hatten. Die Sonne war gluehend, dennoch erfrischte uns ein kuehler Luftzug und ausgestreckt im hohen Grase schwelgten wir in den Genuessen der Natur." Bald darauf brach, nach verschiedenen neuen Jagdabenteuern, die Gesellschaft auf und langte am 23. April in Monkullu, bei der Frau Herzogin wieder an. Ueber ihren Aufenthalt daselbst schrieb die hohe Dame folgende Worte in ihr Tagebuch: "Die Tage, welche wir hier verlebten, waren keine Idylle in der Weise der lieben Heimat, es war fuer uns verwoehnte Kulturkinder Manches recht schwer zu ueberwinden; aber es war doch ein Stilleben voll von grossen Eindruecken, und die Erinnerung daran moechte wohl keiner von uns missen. Wer einmal im Schein der tropischen Sonne auf Himmel, Land und Meer geblickt hat, der wird die Farbenpracht der Natur und die gehobene Stimmung, welche sie dem Menschen verleiht, nie mehr vergessen. Was Licht heisst und gluehende Farbenschoenheit, das erfaehrt man erst im Sueden. Und die Einwirkung dieser Fuelle von Licht und Farbe, die grossen Gegensaetze, welche ohne Daemmerung, ohne das Nebelgrau der Heimat, wie unvermittelt nebeneinander stehen und doch Bilder von der wundervollen Schoenheit geben, werden immer maechtiger, je laenger man weilt, und umgeben das Leben des Tages mit einer Poesie, die maerchenhaft und fast bewaeltigend ist. Und in diesem Zauberlichte glaenzt eine fremde Erdenwelt, denn Menschen, Thiere, Pflanzenformen, jeder Gegenstand, der an den Reisenden herantritt, traegt dazu bei, die Stimmung, welche die Landschaft hervorruft, zu erhoehen. Ungeachtet der Unsicherheit, welche der Europaeer in dieser Wildniss empfindet, ist die Grundstimmung, welche dieses tropische Leben verleiht, doch eine erhebende Ruhe. Alles sieht grossartiger und einfacher aus, und ohne Muehe kann man sich hier um Jahrtausende zurueckdenken, in denen dasselbe Hirten- und Wanderleben war, dasselbe Geschrei der Thiere, dieselben Pflanzen an derselben Stelle, dasselbe Leuchten der Farben, ebenso der Sand mit den Steintruemmern und dem weissen Gebein der gefallenen Thiere. Der Mensch vermag in der grossartigen Bestaendigkeit dieser Welt nur wenig." Am 26. April sagte endlich die Reisegesellschaft dem abessinischen Gestade Lebewohl und trat die Fahrt durch das Rothe Meer nach Suez an. Leider hielten gefaehrliche Fieber die Reisenden einige Zeit in Kairo zurueck, und erst am 30. Mai wurde in Triest wieder der europaeische Boden betreten. Die fuerstliche Reise war auch fuer die Wissenschaft nicht ohne Ergebnisse, denn abgesehen von dem Werke des Dr. Brehm, der die zoologischen Resultate verarbeitete, veroeffentlichte der Herzog selbst einen Reisebericht, der mit den herrlichsten Abbildungen in Farbendruck von Robert Kretschmer's Meisterhand geschmueckt wurde. -------------- Der Aufenthalt des Herzogs im Bogoslande war jedoch viel zu fluechtig gewesen, als dass derselbe unsere Kenntnisse von den Bewohnern desselben haette eingehend foerdern koennen. Diese aber, durch Sitten, Abkunft und Rechtsverhaeltnisse ein hoechst interessantes Volk, lernen wir am besten durch _Werner Munzinger_ kennen, der sich viele Jahre unter ihnen aufhielt und gleich Stella eine bedeutende Stellung einnahm. Ueber das Bogosland sind viele Stuerme hinweggebraust. Die ganze Nordgrenze Abessiniens von Massaua bis zum Mareb war, der Sage zufolge, in alten Tagen von den _Rom_ bewohnt, einem riesenhaften, uebermenschlichen Geschlechte. Der letzte desselben verfeindete sich mit Gott, schleuderte eine Lanze gen Himmel und zur Strafe zerfrass ihm ein von Gott gesandter Adler den Kopf. Die Rom werden noch in Liedern besungen und spitzige Steinhaufen fuer ihre Graeber ausgegeben. Nach den Rom kamen die Kelau, ein aethiopischer Stamm aus Abessinien, von dem nur wenig Reste blieben; dann wanderten die Barea von Hamasien her ein und schliesslich die Bogos. Ihr Stammvater _Gebre Terke_ ist vom Volke der Lasta-Agows (vgl. S. 90). Aus Furcht vor der Blutrache verliess er seine Heimat, stieg hinab in die Kolla und baute zu Mogarech im Bogoslande die Giorgiskirche; das mag 1530 gewesen sein, zur Zeit der muhamedanischen Kaempfe gegen das christliche Abessinien. Vor dem zu Aschra befindlichen Grabsteine des Stammvaters geht auch heute noch kein Bogos vorueber, ohne ihn zu kuessen. Bei den Bogos ist das Stammverhaeltniss stark ausgepraegt und die einzelnen Abtheilungen sind derart durch Heirathen verschwaegert, dass innere Fehden zur Unmoeglichkeit werden. Frueher standen sie direkt unter Abessinien und sandten alljaehrlich 60 Ochsen als Tribut an den Koenig in Gondar. Sie bildeten eine _Aristokratie_, die sich selbst nach eigenem Rechte regierte, eine gewisse Kultur besass, jedoch durch Kriege und Beruehrungen mit den Nachbarn allmaelig in Barbarei versank. Abessinier sowol als die Aegypter von Ostsudan aus machten Verheerungszuege in das Bogosland und es kam 1854 so weit, dass die Bogos endlich um Frieden flehten und den Aegyptern versprachen, den Islam anzunehmen. Da erschien bei ihnen der erwaehnte Missionaer Johannes _Stella_ und sammelte die Leute wieder, und der englische Konsul _Plowden_ erwirkte im Namen Grossbritanniens, dass das christliche Gebiet fuer unverletzlich erklaert wurde. Doch noch immer nicht hatten die Bogos Ruhe. Neue Raubzuege fanden gegen sie statt, man fuehrte viele in die Sklaverei. Wie wir aus Graf Krockow's Reise wissen, erschien im November 1864 Pater Stella, begleitet von Werner Munzinger, in Kassala, um beim aegyptischen Gouverneur darueber Klage zu fuehren, dass die Barea ausser vielem Vieh 104 Weiber und Kinder aus dem Bogoslande entfuehrt haetten. Noch immer zahlen die Bogos an Abessinien Tribut. Ihre Gesammtzahl betraegt etwa 8000 Koepfe, von welchen zwei Drittel Unterthanen, sogenannte _Tigres_ sind, und ein Drittel aus _Schmagillis_ oder wirklichen Bogos besteht. Das Gesammtvolk hat nach Munzinger 2100 Haeuser und etwa 10,000 Stueck Rindvieh. Von hoechstem Interesse sind die durch den genannten Forscher uns bekannt gewordenen _Rechtsverhaeltnisse_ des Voelkchens. Das Recht ist ein patriarchalisch-aristokratisches. Die Familie ist Staat, Souveraen und Gesetzgeber, hat Recht ueber Leben und Tod der einzelnen Glieder. Wer nicht Schmagilli, echter Bogos ist, waehlt sich einen Schutzherrn und wird nun dessen Dienstmann, Tigre. Eigentlich gilt jeder Fremde als Feind. Der Patriarch (_Sim_) ist geheiligt; er ist gleichsam Koenig ohne Koenigsgewalt. Stirbt der Sim, so folgt ihm der Erstgeborene, nachdem er sich den ganzen Leib mit dem Wasser gewaschen, in welchem die Leiche des Vaters gewaschen wurde. Mit verhuelltem Kopfe fastet er nun drei Tage; dann wird er, immer noch mit verbundenen Augen, vor die Huette gefuehrt und ihm Kuhduenger, Dornen und Sand vorgelegt. Greift er nach den Dornen, so bedeutet dies Krieg; Sand laesst auf gesegnete Ernten hoffen, Kuhduenger auf Gedeihen der Heerden. Fuer die kleinere Familie ist der Vater Richter; zweite Instanz bildet der oeffentlich versammelte Dorfrath (Mohaeber). Trotz des Christenthums herrscht unter den Bogos noch viel Barbarei. Niemand kann lesen und schreiben; ein uneheliches Kind wird erstickt, und die eigenen Kinder verkaufte man frueher oft fuer weniger als einen Thaler. Unter den vielen eigenthuemlichen Sitten und Braeuchen heben wir folgende hervor. Kein Weib wird melken oder Getreide schneiden. Kein Schwiegersohn sieht das Antlitz seiner Schwiegermutter an. Die Frau steht im Allgemeinen niedrig; sie kann jeden Tag fortgejagt werden und besitzt kein Klagerecht. Es kommt nicht gerade selten vor, dass ein Mann nach dem Ableben des Vaters die Stiefmutter heirathet, und Munzinger kennt ein Beispiel, dass ein Mann die Frau seines gestorbenen Sohnes zum Weibe nahm. Scheidungen sind haeufig, die Vielweiberei ist jedoch ziemlich selten, wenn auch erlaubt. [Illustration: Hirtenfrau auf der Wanderung. Zeichnung von R. Kretschmer.] Frueher bauten die Bogos Haeuser aus Stein - jetzt Zweighuetten wie die Mensa. Das Innere trennt man durch eine Matte in zwei Haelften. Auch in den haeuslichen Einrichtungen herrscht allerlei Aberglauben. So wird z. B. Feuer und Wasser nach Sonnenuntergang niemals aus dem Hause gegeben und um diese Zeit kein verliehenes Beil zurueckgenommen. So lange eine Leiche sich im Hause befindet, wird kein Feuer angezuendet, und frische Butter zu essen, gilt fuer eine Schande. Die Bogos haben schoene, regelmaessige Gesichtszuege und nicht das leiseste Negergepraege. Die Hautfarbe wechselt zwischen Gelb und Schwarz. Die Augen sind lebendig, schwarz und braun, der Haarwuchs weich und vollstaendig, doch grob. Die Bogos sind mehr Hirten als Ackerbauer. Die Herden ziehen fast das ganze Jahr hindurch im Freien umher, und wol ein Drittel der Bewohner wandelt nomadisch mit denselben. Weib und Kind, das noethige Gepaeck wird aufgeladen und der Weideplatz ausgesucht. Dann wohnt Alles unter Palmenmatten, die bei einer Platzveraenderung leicht abgebrochen und auf Ochsen geladen werden. Milch ist die beliebteste Nahrung, und jede Kuh hat ihren Namen. Der Hirt lenkt seine Herde mit guten Worten, ohne Hunde. Unter diesem Volke gilt, wie im eigentlichen Abessinien, das _Blutrecht_. Die Nachkommen eines Vaters bis auf sieben Grade bilden die Blutsverwandtschaft. Dieselbe wird des Bluts theilhaftig, wenn ein Familienmitglied einen Mord begangen hat, und ist solch ein Glied getoedtet worden, so hat jene gesammte Verwandtschaft das Recht und die Pflicht der Blutrache (_Merbat_). So lange die im Blut stehenden Familien sich eigenmaechtig untereinander der Rache hingeben, hat das Recht nichts zu sagen; der Zwist wird den Blutfeinden ueberlassen. Sobald dieselben aber zur Versoehnung bereit sind, wenden sie sich an einen Mittelsmann, welcher jeder ihr Recht giebt; die Parteien zaehlen ihre Todten, und der Ueberschuss wird mit dem Blutpreis gesuehnt. Munzinger schildert, wie es mit dem Christenthum stand, als er und der Lazarist Stella 1855 in das Land kamen. Die Bogos nannten sich _Kostan_, Christen; zum Beweise, dass sie es seien, beruehrten sie niemals Fleisch, das ein Muhamedaner geschlachtet hatte, und assen weder Elephanten, noch Hasen oder Strausse. Der Sonntag hiess grosser Sabbath, allein die Sabbathruhe wurde am Sonnabend beobachtet. Die Bogos haben zwei Kirchen; bei denselben sind eingeborene erbliche Priester angestellt. Ihr Amt besteht darin, an den Hauptfesten die Schiefersteine, welche die Glocken vorstellen, anzuschlagen. Von Priesterweihe oder irgend einer religioesen Kenntniss ist bei ihnen keine Rede. Munzinger kann nicht einmal dafuer einstehen, ob die 1858 lebenden Priester getauft waren. "Der alte Stammpriester von Keren ist ein vermoegender Mann, der sich nie niedersetzt, ohne die heilige Dreieinigkeit anzurufen, aber er kennt nicht einmal das Vaterunser." Von der Bedeutung der Festtage hat man keine Vorstellung. Gott, Petrus, Dreieinigkeit sind gleichbedeutende Ausdruecke fuer die Gottheit, aber ueber den besondern Sinn der Woerter ist man sich nicht klar. Die heilige Jungfrau geniesst die groesste Verehrung, aber dass sie Mutter des Heilandes sei, weiss Niemand. "Im Ganzen ist das Christenthum ein Name, erhalten durch die Anhaenglichkeit dieser Voelker an das Althergebrachte. Ueberhaupt ist den Landeskindern Religion die letzte Sorge, und der Aberglauben ueberwuchert." Dass Munzinger die Befuerchtung ausspricht, der Islam werde auch dieses Voelkchen erobern, wurde frueher schon hervorgehoben. Allein was ist an einem solchen Christenthum, das noch unter jenem Abessiniens steht, gelegen? 2. Werner Munzinger bei den Barea und Kunama. Es wurde frueher bei Erwaehnung der deutschen Expedition gesagt, dass W. Munzinger sich in Mai Scheka von Heuglin trennte und eine mehr westliche Route einschlug, waehrend Heuglin nach Sueden in das eigentliche Abessinien eindrang. Die Reise des ersteren, welche in die Tage vom 16. November bis 22. Dezember 1861 faellt, fuehrte ihn laengs des Marebflusses in Regionen und zu Voelkern, die bisher noch kein Europaeer kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Das in Rede stehende Gebiet liegt jenseit des Barkaflusses im Suedwesten des Bogoslandes an der abessinischen Grenze und wird vom Mareb durchstroemt. Dieser Strom ist vermoege seines Charakters einer der eigenthuemlichsten der ganzen Erde. Seine Quelle liegt oberhalb des Dorfes Ad Gebrai in Hamasien, dann bildet er, suedlich fliessend, eine Spirale, die von Gundet ab nach Westen sich wendet und in die Kolla von Serawie eintritt. Bis hierher gehoerte er zu Abessinien, jetzt aber, wo er sich dem Lande der Kunama naehert, veraendert er seinen Gebirgscharakter; er sucht das Niederland und heisst nun _Sona_. Hier ist er kein Waldstrom mehr und auch kein _Torrent_. Wo naemlich der Boden das Wasser nicht an der Oberflaeche halten kann, wo es durchsickernd erst spaeter auf einer festen Schicht Widerstand findet, da zeigt sich der Strom als Torrent, d. h. es erscheint ein Sandbett, welches nur zur Regenzeit ueberflutet wird und das ganze uebrige Jahr scheinbar trocken daliegt, weil der Wasserstrom _unterirdisch_ sich fortzieht. Der Mareb nun erscheint als Mittelding zwischen Fluss und Torrent und verliert diesen Charakter erst im Unterlauf. In der Regenzeit, Juli bis September, wird er regelmaessiger Fluss; in den uebrigen Monaten zeigt er sich als Torrent, aber so, dass sein Sandbett hier und da von Teichen unterbrochen wird, wo das Wasser fuer kurze Zeit an die Oberflaeche hervortritt. In der Ebene von Takka, bei der Stadt Kassala, heisst der Fluss _Gasch_ oder Chor el Gasch. Hier, im Gebiete der Hadendoa-Araber, wird er zur Bewaesserung des Landes benutzt und hat eine Menge kuenstlicher Stromwehren, vermittelst deren man ihn aufstaut und die Felder ueberschwemmt. So verliert er sich meistens, aber in Jahren, wo sehr viel Regen faellt, wird es ihm moeglich, sich bis zum Atbara Bahn zu brechen, den er dann bei Gasch-Da, d. h. Mund des Gasch, erreicht. Die Voelker nun, am unmittelbaren Lauf des Stromes, unterscheiden sich von den Bogos, einem aristokratischen Volke, durch ihr ganz _demokratisches_ Wesen. "Die Natur," sagt Munzinger, "ist hier einfoermig, kein Berg ragt empor, keine scharfe Form zeichnet sich aus, kein entschiedener Gebirgszug und keine grossartige Ebene giebt dem Ganzen Charakter und Einheit; selbst der Baumwuchs ist nur mittelmaessig; Gestraeuch ist vorherrschend - und so der Mensch und seine Verfassung; nichts strebt, nichts beherrscht; lose zusammengeworfene Gemeinden entbehren der staatlichen Einheit und der buergerlichen Verschiedenheiten." Die _Kunama_ oder _Bazen_ und die _Barea_, welche hier wohnen, sind sich ihrer Sprache und Tradition nach durchaus nicht verwandt und dennoch stimmen ihre Rechtsbegriffe miteinander ueberein. Die Bazen bewohnten frueher Tigrie, bis sie von den Geezvoelkern hinausgedraengt wurden. Die Barea entsinnen sich nicht ihres Ursprungs, doch ist das Land der Bogos voller Zeugnisse ihrer frueheren Anwesenheit. Die _Religion_ beider Voelker ist ein gleichgiltiger Deismus, eine Idee von Gott, aber ohne Kultus oder christliche Reminiscenz. Wochen und Tage verlaufen ohne Festtage; religioes ist die Sorgfalt, die man auf die Graeber wendet, die aus Hoehlen bestehen, in welche der Leichnam beigesetzt wird; religioes die unbegrenzte Ehrfurcht vor dem Alter, das allein regiert. Aberglauben hat das erbliche Amt des Regenmachers gestiftet, des Alfai, der allein wohnt, Regen bringt und, fehlt dieser, hingerichtet wird. Beschneidung war von jeher ueblich, und der Islam hat unter ihnen grosse Fortschritte gemacht. Beide Voelker charakterisirt die radikale _Gleichheit der Individuen_, die Abwesenheit des Staates; so leben die Doerfer zusammen friedlich und ruhig, Verbrechen sind selten. Dem Auslande gegenueber aber fehlt der staatliche Zusammenhang, die gegenseitige Huelfe. Beiden eigenthuemlich ist die Bevorzugung des Schwestersohnes, der Blut und Habe von seinem Onkel erbt mit Ausschluss der Kinder; _eine Familie in unserem Sinne existirt also nicht_, der Begriff von Vater und Sohn fehlt, dagegen haengen Neffe und muetterlicher Onkel eng zusammen. Recht sprechen die Aeltesten des Dorfes, und keine Aristokratie lehnt sich gegen die Beschluesse der Gemeinde auf. Selbst der Fremde wird nach kurzem Aufenthalt den alten Insassen gleich. Die Leute leben von heute auf morgen und dafuer genuegt der Ackerbau, den sie fleissig treiben. Grund und Boden kann bei der Ausdehnung des Landes nur wenig Werth haben, eine konsequente Viehzucht verbietet das Klima. _Blutrache_ ist natuerlich ueberall nothwendig, wo der Staat sie nicht besorgt, doch hat sie bei den Barea und Bazen nicht den ausgebildeten Charakter, wie bei den Abessiniern. Der Moerder muss sich dem Tode durch ein mehrjaehriges freiwilliges Exil entziehen, wonach er um ein geringes Blutgeld ausgesoehnt wird. Das Land der Bazen ist reich an wildem Honig, den sie stark geniessen, waehrend die Barea sich vorzugsweise von Bier naehren. Dieser Lebensweise schreibt Munzinger es zu, dass die Bazen volle muskuloese Gestalten haben, waehrend die Barea klein und hager sind. Die Wohnungen beider Voelker sind runde, glockenfoermige, bis zum Boden mit Stroh sehr zierlich bedeckte Huetten; ihre Kleidung ist der Lederschurz, der erst allmaelig den eingefuehrten Baumwollenzeugen Platz macht. Das Haupthaar tragen sie wie alle uns schon bekannten Voelker von Nordabessinien; der Bart ist meist sehr duenn. Die Nase haben sie selten sehr stumpf, oft aber, besonders bei den Barea, adlerartig gebogen. Der Mund ist gross, jedoch nicht aufgeworfen. Was die Farbe anbelangt, so findet man alle Abstufungen von Gelb bis Schwarz, doch herrscht die dunkle Farbe vor. Die Bazen und die Barea unterscheiden sich im Temperament; die ersteren sind ruhig, gesetzt und reden leise; die letzteren sind lebhaft laermend, schnell aufbrausend. Die Eheverhaeltnisse bei den Bazen scheinen sehr lose zu sein, waehrend die Bareafrauen wegen ihrer Treue auch im Auslande beruehmt sind. Beide Voelker sind zu Hause sehr friedfertig, waehrend mit dem Auslande ein ewiger Krieg gefuehrt wird. Barea und Bazen stehen nicht in voelkerrechtlicher Verbindung und heirathen selten untereinander. Die Bazen muessen ein sehr zahlreiches Volk sein. Ihre Hauptsitze ziehen sich den grossen Stroemen Mareb und Takazzie nach; ersterer heisst bei ihnen Sona, letzterer Dika. Alle treiben Ackerbau mit dem Pflug und nur theilweise Viehzucht. Ihre Waffe ist die Lanze. Als Typus kann der Zither spielende "Schangalla" vom Mareb nach Zander's Zeichnung angesehen werden (S. 89). Die Wohnsitze der Barea liegen im Norden der Bazen. Die Thaeler, welche sie bewohnen, gehoeren schon dem Hochlande des Barka an, wie ihre Wasser und ihre Vegetation; die sie begleitenden Berge sind die letzten Auslaeufer des Hochlandes der Bazen und werden zur Weide benutzt, Fieber sind haeufig und die Regen fallen dort meist in der Nacht. So sind die Voelker beschaffen, welche die noerdlichen Vorlande Abessiniens bewohnen. Aber auch im Sueden, zwischen Amhara und Schoa und wieder ueber Schoa hinaus, treffen wir auf ein eigenes hoechst interessantes Volk, das der _Galla_. Mit ihm werden wir uns im folgenden Abschnitte beschaeftigen, der uns das Koenigreich Schoa vorfuehrt, welches von Amhara sich seit langem unabhaengig zu machen wuenscht und nur zeitweilig mit ihm zusammenfiel; schon dass der Herrscher daselbst den Titel "Negus" fuehrt, deutet darauf hin, dass wir es hier mit einem besonderen Staate zu thun haben. [Illustration: Fettschwanzschaf] [Illustration: Dullul an der Bucht von Tadschurra. Nach M. Bernatz.] SCHOA UND DIE BRITISCHE GESANDTSCHAFT UNTER MAJOR HARRIS. Begrenzung. - Englische Gesandtschaft unter Harris. - Tadschurra. - Zug durch die Adalwueste. - Salzsee. - Mord im Thale Gungunte. - Versammlung der Eingeborenen. - Sklavenkarawane. - Myrrhen. - Der Hawasch. - Der Grenzdistrikt. - Alio Amba, ein Marktort. - Empfang beim Koenige Sahela Selassie. - Die Hauptstadt Ankober. - Debra Berhan, die Sommerresidenz. - Sklavendepot. - Truppenrevue. - Angollala. - Schlucht der Tschatscha. - Medoko, der Rebell. - Das Gallavolk. - Kriegszug gegen dasselbe. - Siegesfest. - Abschluss des Handelsvertrags. - Rueckkehr. Schoa im weiteren Sinne umfasst den Theil der abessinischen Hochlande, welcher im Osten von der Adalwueste, im Sueden vom Hawaschflusse und im Westen vom Abai oder Blauen Nil begrenzt wird. Die unbestimmte Nordgrenze machen muhamedanische Gallastaemme aus. Im engeren Sinne versteht man darunter jedoch nur den westlichen Theil dieser Hochlande, naemlich die Distrikte Tegulet, Schoa Meda, Morabietie, Mans und Gesche. Die oestliche, im allgemeinen als Ifat bezeichnete Abtheilung des Berglandes umfasst dagegen die Provinzen Bulga, Fatigar, Mentschar im Sueden, Argobba im Osten und Efra im Norden. Beide Theile sind infolge des fruchtbaren Bodens ziemlich stark bevoelkert, wozu noch das gesunde Klima und eine vergleichsweise politische Ruhe beigetragen haben. Krapf schaetzt die Bevoelkerung mit Einschluss der im Sueden unterjochten Galla auf eine Million Seelen. Quellen, Baeche, Fluesse und Seen sind zahlreich im Lande vorhanden, das in Bezug auf seine Bodenbeschaffenheit mit dem uebereinstimmt, was wir im allgemeinen ueber Abessinien bemerkten. In der Zeit, die wir in diesem Abschnitte schildern wollen, herrschte _Sahela Selassie_ als Negus ueber Schoa. Er hatte den protestantischen Missionaer Krapf wie dessen Mitarbeiter Isenberg freundlich aufgenommen und von Beiden viel ueber Englands Macht und Groesse gehoert, wodurch sich in ihm der Wunsch regte, zunaechst mit der Ostindischen Compagnie in ein Freundschaftsverhaeltniss zu treten, so dass er schon am 6. Juli 1840 einen Brief an den englischen Gouverneur in Aden sandte, in welchem er um die Absendung einer Gesandtschaft an seinen Hof bat. Infolge dessen entschloss sich die ostindische Regierung, seinem Wunsche zu willfahren und eine staendige Gesandtschaft an ihn zu schicken, an deren Spitze Kapitaen _W. Cornwallis Harris_ stand, ein vorzueglicher Offizier, der sich bereits durch seine Reisen in Suedafrika, wo er bis in das Reich des Mosilikatse vorgedrungen war, einen Namen gemacht hatte. Als erster Stellvertreter wurde ihm Kapitaen Graham, als Arzt Dr. Kirk, als Naturforscher Dr. Roth, als Maler der Deutsche Martin Bernatz, ausserdem fuenf andere Europaeer, zwei Apotheker, ein Zimmermann, ein Schmied, zwei Sergeanten und fuenfzehn freiwillige Soldaten beigegeben. Mit reichen Geschenken fuer Koenig Sahela Selassie versehen, worunter sich auch eine Kanone und 300 Flinten befanden, verliess die zahlreiche Gesandtschaft am 27. April 1841 Bombay, besuchte zunaechst Aden, das Gibraltar des Ostens, in Arabien, und schiffte dann nach der afrikanischen Kueste hinueber, um in der Bucht von _Tadschurra_ Anker zu werfen. Die Bucht, in welcher die Schiffe lagen, wurde ihrer Ruhe und Sicherheit wegen Bar el Banatin, der See der zwei Nymphen, genannt. Sie reicht tief ins Land hinein, ist ziemlich eng und von hohen Bergen umgeben, die ihr vulkanisches Gepraege deutlich zur Schau tragen. Zugleich hat diese Bucht ethnographische Bedeutung als Scheide der Danakil und Somalvoelkerschaften. Am 18. Mai landete die Gesandtschaft und empfing sofort den Besuch des Sultans der Stadt, des alten Muhamed Ibn Muhamed. Eine haesslichere Erscheinung als diesen alten, magern, schmuzigen Fuersten kann man sich kaum vorstellen; der Reihe nach bot er einem Jeden seine mit ekelhaften Klauen versehenen Haende und liess sich dann zum Gespraech nieder. Er war in einen groben Baumwollenmantel, der einmal blau gewesen war, eingehuellt, trug an einem Riemen den Koran um die Schulter gebunden und war ausserdem mit einem Saebel gegen seine leiblichen und mit Amuleten gegen seine ueberirdischen Feinde versehen. Sein braunes, durchfurchtes Gesicht zeigte eine Politur gleich Ebenholz und war von einem weissen Bart umrahmt. Von ihm wurde zunaechst die Erlaubniss erlangt, nach Schoa vordringen zu duerfen, eine Erlaubniss, die gegenueber den Kanonen der britischen Kriegsschiffe nicht gut verweigert werden konnte. Der elende Ort Tadschurra war einige Jahre lang in den Haenden der Tuerken, nachdem diese Massaua (1527) erobert hatten, und aus ihrer Zeit stammt auch noch eine zerfallene Moschee am Meeresstrande. Jetzt ist es eine selbstaendige Stadt unter einem Sultan, der zeitweilig von den Sultanen der gegenueberliegenden arabischen Kueste abhaengig ist. Fanatische Muhamedaner, meist Danakil, bewohnen den Platz, welcher nur als Sklavenmarkt einige Bedeutung hat. Ackerbau besteht nirgends in der Umgegend; jedermann ist Kraemer oder Haendler und wird mit der Zeit durch den Sklavenhandel wohlhabend. Der bedeutendste Handel findet mit Suedabessinien statt, wohin jahraus jahrein die Karawanen ziehen. Indische und arabische Manufakturen, Zink, Kupfer und Messingdraht, Perlen und namentlich viel Salz werden dort gegen Sklaven, Korn, Elfenbein und einige andere Erzeugnisse ausgetauscht; allein Menschen und Salz bilden die Hauptartikel. Als Werthmesser gilt auch hier der Maria-Theresia-Thaler vom Jahre 1780, als Scheidemuenze Lederstreifen, die zu Sandalen benutzt werden koennen. Ausserdem nimmt man im Handel Schnupf- und Rauchtabak, leere Flaschen, Spiegel, Knoepfe und Perlen als Scheidegeld an. Die gewoehnliche Klage der afrikanischen Reisenden, dass bei ihren Unternehmungen die Abreise das Schwierigste sei, sollte sich auch bei der britischen Expedition nach Schoa wieder als wahr zeigen. Das Verpacken der Geschenke fuer den Koenig, das Engagiren von Kameeltreibern, endlich aber die Hindernisse, welche der Sultan von Tadschurra in den Weg legte, waren schwer zu beseitigen und zeitraubend. Als dies jedoch Alles muehselig ueberwunden, war das Jahr so vorgeschritten, dass man die Wueste gerade durchreisen musste, als in den Monaten Juni und Juli der feurige und ungesunde Wind ueber die wasserlose Ebene von Suedwesten her den Reisenden entgegenblies. Unterdessen herrschte im Lager von _Dullul_, wo die Gesandtschaft ihre Zelte am sandigen Seegestade aufgeschlagen hatte, grosse Regsamkeit, um Alles vorzubereiten und das Gepaeck zu ordnen und zu vertheilen. Endlich waren 170 Kameele, welche die Karawane bildeten, beisammen; Wasserschlaeuche und Maulthiere wurden fuer die Europaeer gekauft, und mit den Gefuehlen, mit denen man eine Raeuberhoehle verlaesst, setzte sich der Zug in Bewegung, um Tadschurra den Ruecken zu kehren, dessen Bewohner Harris die abscheulichsten und niedertraechtigsten Menschen nennt, welche die Erde bewohnen. Als Ras el Kafila oder Karawanenfuehrer fungirte Isaak, ein Bruder des Sultans von Tadschurra, der sich aber keineswegs als zuverlaessiger und tuechtiger Mann bewies. Der Zug ging anfangs laengs dem Meere bei Dullul hin durch das schroffe, zerrissene und wilde Gebirge, welches die Bucht auf der Nordwestseite umgiebt. Der gaehnende _Pass der Isa_ war zunaechst zu durchschreiten, welcher seinen Namen von dem raeuberischen Somalstamme der Isa empfangen hat, die in seinen Tiefen manchen Mord ausfuehrten. Ein Zickzackriss, hervorgebracht durch die plutonischen Aeusserungen des Erdinnern, windet sich hier gleich einem mythologischen Drachenleib durch die Eingeweide der Erde. Ungeheure schwarze oder braune, vegetationslose Basaltklippen stehen senkrecht zu beiden Seiten wie Mauern in die Hoehe, bei deren Bau die Cyklopen thaetig waren, und durch diese wilde Scenerie eilte nun in wolkenloser heller Mondscheinnacht die Karawane hindurch. Kein Ton ausser den Zurufen der Kameeltreiber war zu hoeren; schauerliches Dunkel lag auf dem Abgrund und nur die Lanzenspitzen der Eingeborenen, die den Zug begleiteten, glitzerten hier und da im Scheine des fahlen Mondlichtes - geisterhaft bewegte sich die Karawane dahin; Schauder lag auf allen Gemuethern, und erst als die Fruehlichtstrahlen die gebrochenen Felsklippen vergoldeten, wich die Pein von den bangen Gemuethern. Weiter ging der Zug durch einsame Thaeler, deren Boden mit zertruemmertem basaltischen Gestein bedeckt war und die durch tiefe Schluchten und Spalten die Gewalt der vulkanischen Kraefte bezeugten, welche hier einst sich aeusserten. Dann kam man zum _Assalsee_, dessen Ufer eine taenzelnde Fata Morgana umgab. Der erste Blick auf dieses seltsame Phaenomen war keineswegs angenehm. Das elliptische Becken von etwa zwei deutschen Meilen Laenge war zur Haelfte mit ruhigem, tiefblauem Wasser, zur andern Haelfte mit einer blendendweissen, glitzernden Salzkruste bedeckt, die durch Verdampfung entstanden war. Von drei Seiten umguerteten hohe, brennendheisse Berge dieses Seebecken, waehrend auf der vierten Lavatruemmer und tiefe Schluende sich hinzogen. Alles Pflanzen- und Thierlebens beraubt, war die Erscheinung dieser Wildniss von Land und stagnirendem Wasser, ueber dem ein dumpfes Schweigen ruhte, ganz dazu geeignet, das Gemueth niederzudruecken. Nicht ein Laut toente an das Ohr, keine Welle spielte auf der Wasserflaeche, nur die brennendheisse Sonne setzte am wolkenlosen Himmel ihren Lauf fort und sandte gluehende Strahlen auf das todte vulkanische Land hernieder, ueber dem kein kuehlendes Lueftchen wehte. In diesem hoellischen Schlunde hatten Mensch und Thier in gleicher Weise zu leiden. Nicht ein Tropfen Trinkwasser war weit und breit zu entdecken, waehrend das Thermometer selbst im Schatten der Maentel und Schirme eine Temperatur von 126 Grad Fahrenheit, d. i. 52 Grad Celsius oder 42 Grad Reaumur zeigte! Fuenfhundert und siebzig Fuss liegt das Becken des Assalsees unter dem Spiegel des Meeres; kein Lueftchen weht dort, kein Obdach ist zu entdecken, nur der weisse Widerschein der Salzkruste blendet das Auge. Die lechzende Zunge haengt am Gaumen und empfaengt keinerlei Labung von dem warmen Wasser, das die Schlaeuche darbieten, jeder Schritt vorwaerts ermuedet Mensch und Thier noch mehr und zwoelf lange Stunden dauert die Reise durch das Seebecken - sie muessen zurueckgelegt werden, wenn nicht der Tod ueber den Wanderer kommen soll. In einer Bucht des Sees waren Salzgraeber damit beschaeftigt, ihre Kameele fuer die Maerkte in Aussa und Abessinien zu beladen, wo das Salz einen bedeutenden Tauschartikel ausmacht. Die Danakil betrachten die Ausbeutung dieses Salzlagers als ihr unbestrittenes Monopol und verwehren jedem andern Volke den Eingriff in dasselbe. In lange, schmale Saecke aus Dattelpalmblaettern verpackt, wird das Salz von hier nach Abessinien gebracht. Nachdem die traurige Einoede am Assal durchzogen war, ueberstieg man einen aus Gyps bestehenden Huegelzug und gelangte in ein Thal, in dem man sich in eine ganz andere Welt versetzt fuehlte. Allerdings fehlte hier noch Pflanzen- und Thierleben, aber ein kleiner Bach mit klarem Wasser liess diesen Ort wie ein Paradies erscheinen, und mit dankbarem Herzen ruhten die ermuedeten Wanderer unter ueberhaengenden Basaltklippen aus, die ihnen Schatten spendeten. Hier am Fluesschen _Gungunte_ endigte der erste Abschnitt der Wuestenreise. Der Zug durch die Einoede ist im Stande, die Gesundheit des kraeftigsten Europaeers zu untergraben; von der herrschenden Hitze bekommt man jedoch einen Begriff, wenn man hoert, dass 50 Pfund gut verpackte Stearinkerzen auf der kurzen Reise von Tadschurra bis Gungunte so vollstaendig aus der sie bergenden Buechse herausgeschmolzen waren, dass sich in derselben schliesslich nur noch Dochte vorfanden! Selbst die Danakil, welche doch von Jugend auf diese Gegenden kennen und an die brennendheisse Lava dieser Tehama-Wueste gewohnt sind, bezeichnen die Gegend am Assal-Salzsee nur als "Feuer". Jetzt nahten andere Gefahren, denn man war in dem Gebiete der ueber alle Begriffe nichtswuerdigen, moerderischen und raeuberischen Staemme der Isa und Mudaito, deren ganzes Sinnen nur auf Mord und Pluenderung geht. So vorsichtig man auch das Nachtlager im Thale Gungunte eingerichtet hatte, ein _Mord_ durch jene Scheusale in Menschengestalt konnte nicht verhindert werden. Eine Stunde vor Mitternacht stellte sich ploetzlich ein heftiger Wuestenwind ein, der Alles mit Sand und Staub ueberdeckte. Einige schwere Regentropfen fielen, dann aber war wieder Alles still. Diese Ruhe sollte jedoch nicht lange anhalten. Ein wilder Schrei ertoente vom aeussersten Ende des Lagers her, panischer Schrecken ergriff die gesammte Mannschaft und in wilder Flucht stuerzten die Maenner, die sonst keine Furcht kannten, durch das Thal nach der Stelle hin, wo die Gesandten schliefen. Nur mit Muehe gelang es, alle zu sammeln und dann nach der Ursache des Schreckens zu forschen. Ein trauriger Anblick bot sich nun den Suchenden dar. Ein Sergeant und ein Korporal von der indischen Armee, welche die Expedition begleiteten, waelzten sich in Todeszuckungen in ihrem Blute. Dem einen war die Halspulsader durchschnitten, dem anderen ein Stich in das Herz versetzt worden, waehrend nicht fern von ihnen ein Portugiese lag, der eine fuerchterliche Wunde quer ueber den Leib hatte, sodass die Eingeweide hervorquollen. Im Augenblick als der Alarm entstanden war, hatte man im hellen Mondlichte zwei dunkle Gestalten an den das Thal einschliessenden Bergen in die Hoehe klimmen und verschwinden sehen; trotz der Verfolgung konnte man ihrer nicht mehr habhaft werden. Wahrscheinlich waren dieses Isa-Somal, die das satanische Verbrechen aus reiner Mordlust begangen hatten. Denn jedes Schlachtopfer, das wachend oder schlafend in die Haende dieser Teufel in Menschengestalt faellt, giebt diesen das Recht, als Ehrenzeichen eine weisse Straussenfeder in den fettigen schwarzen Haaren, einen Kupferring am Arm und einen neuen Silberknopf am Heft des Saebelmessers zu tragen. Jeder Mord ruft nach dem Gesetze der Blutrache wieder einen Mord hervor, und so nimmt das Blutvergiessen unter den Staemmen der Danakil und Somal kein Ende. [Illustration: Schlucht von Gungunte. Nach M. Bernatz.] Am naechsten Morgen bestattete man unter Gebet und Flintensalven die Opfer dieses schaendlichen Mordes und zog dann auf der gefaehrlichen Strasse weiter. Drei Jahre lang war schon dieser Weg von Abessinien nach der Seekueste durch solche Schurken foermlich geschlossen, die jeden Durchziehenden kaltbluetig abschlachteten, bis der junge Haeuptling der Debeni die Banditen ausrottete und die Strasse wieder oeffnete; jedoch ist es nicht zu verhindern, dass einzelne Gegenden immer noch unsicher bleiben. Viele Leute, welche die Karawane begleiteten, zeigten an ihrem Koerper Spuren grosser, von den Wegelagerern empfangener Wunden. Von nun an befestigte man das Lager des Nachts und stellte zahlreiche Posten aus, die alle Herannahenden zurueckweisen mussten. Im Thale Alluli schien man den vorhergehenden Stationen gegenueber in ein Paradies gelangt zu sein, denn hier traf man Baeume, Gazellen, Tauben und Ziegenhirten. Die ersten menschlichen Wohnungen fand man jedoch erst weiter suedwestlich in Suggadera, das zum Lande der Debeni-Danakil gehoert. Diese Leute sind Hirtennomaden, die von Palmwein und der Milch ihrer zahlreichen Ziegen- und Schafherden leben oder Kameele zuechten und mit diesen Salz vom Assalsee nach Aussa, der Stadt der Mudaito, fuehren. Grosse Architekten sind sie freilich nicht, aber die auf einer Basis von unbehauenen Steinen aus Dattelpalmblaettern erbauten Huetten erfreuten dennoch das Auge der Wanderer als die ersten Wohnstaetten, die sie seit ihrer Abreise sahen. Wegen der grossen Hitze zog man in der Nacht weiter, immer ueber schwarze Lavafelder oder gelbe Sandflaechen - ein trauriger Anblick, der noch melancholischer durch die vielen zerstreuten Steinhuegel wird, die ueber den kaltbluetig ermordeten Opfern der Isa von den Vorueberziehenden aufgethuermt werden. Tamarisken, Kapperstraeuche und anderes mit Schmarotzerpflanzen ueberzogenes Gestruepp, in dem Voegel nisteten, unterbrach hier und da die Einoede; auch Strausse liessen sich sehen; dann kamen Grasflaechen, Wasserplaetze, Herden und Hirten, darauf Lavafelder, Bergzuege, ausgetrocknete Thaeler, Herden wilder Esel (_Equus Onager_), Schwefelquellen als Zeugen der vulkanischen Thaetigkeit des Bodens. Im Thale _Amadu_ machte die Karawane bei einem grossen Regenwassersumpfe Halt, dessen gruenes, von einer Legion Esel, Ziegen, Schafe und Rindvieh verunreinigtes Wasser nichtsdestoweniger recht trinkbar erschien. Hier hatten Leute vom Mudaitostamme ihr Lager aufgeschlagen - ganz nichtswuerdige Schurken. Mit finstern Blicken schauten sie die weissen Eindringlinge an und trieben ihre Fettschwanzschafe in die kuehlende Flut, in der die jungen Damen der Horde, nachdem sie sich selbst gewaschen, ihre alten Lederschlaeuche reinigten, waehrend eine alte magere Hexe ihrem Hunde den Pelz in der Flut wusch. Alle diese Hirten gingen mit Speer und Schild bewaffnet und kamen zum Zelte der Gesandtschaft heran, wo sie versuchten, dies oder jenes Ding sich zuzueignen. Durch ihre Ueberzahl kuehn gemacht, begannen sie, den Karawanenfuehrer Isaak zu fragen, mit welchem Rechte er die Fremdlinge durch dieses Land fuehre, wo sie "Herren des Bodens" seien - doch als sie sahen, wie auf 250 Ellen Entfernung ein Stein von einer Flintenkugel zersplittert wurde, fingen sie an, bescheiden zu werden. [Illustration: Versammlung der Somal-Krieger.] Ueber ein steiniges Tafelland, das mit nie enden wollenden Basaltbloecken ueberstreut und mit Rissen durchzogen war, die Wasserpfuetzen bargen, zog man weiter ins Land der Woema, eines Danakilstammes. Wo Wasserlaeufe die Einoede unterbrachen, zeigte sich der Klippschliefer (_Hyrax_) und ein Baum, in der Form der Casuarina aehnlich. Im Killulluthale war der halbe Weg von der Kueste bis nach Abessinien zurueckgelegt. Bewaffnete Eingeborene der verschiedensten Staemme waren hier versammelt, um Berathung darueber zu halten, ob man einer so grossen Anzahl fremder Leute gestatten duerfe, bis nach Abessinien vorzudringen, und die Mehrzahl war der Meinung, dass man sie entweder zurueckjagen oder umbringen muesse. Zugleich wurde die Gelegenheit ergriffen, um ueber alte Streitigkeiten und Fehden zu unterhandeln. Hunderte dieser Schurken sassen so von Sonnenaufgang bis zum Untergang und wieder die liebe lange Nacht hindurch in groesseren und kleineren Kreisen beisammen, um zu berathschlagen. Waehrend der langen Unterhandlungen hockten sie bewaffnet mit aufrecht gehaltenen Speeren da, senkten diese gemeinsam, wenn ein Entschluss gefasst war, und schlossen, nachdem ein Spruch aus dem Koran gebetet war, mit einem Amen die Versammlung. Noch lebhafter gestaltete sich das Bild durch die Ankunft einer _Sklavenkarawane_ aus Schoa. Es waren einige hundert Kinder von verschiedenem Alter, die unter den duennbelaubten Baeumen oder unter Felsvorspruengen Schutz vor den brennenden Strahlen der Sonne suchten. Jedes hatte eine thoenerne Wasserflasche bei sich und obgleich sie meist bei guter Laune waren, konnten doch die Europaeer, welche die heisse Wueste jetzt durchzogen hatten, sich eine Vorstellung von den Qualen machen, welche die armen Geschoepfe auf dem vor ihnen liegenden Wege auszustehen hatten. Da jedoch die Behandlung in ihrer eigenen Heimat eine keineswegs bessere war, so fanden die Sklaven ihre Lage ganz ertraeglich und begannen, nachdem sie sich etwas von der Reise erholt, zu tanzen und zu singen. Die meisten waren Christenkinder aus Gurague, von wo die so hoch gepriesenen "rothen Aethiopier" nach Arabien geliefert werden. Fast alle hatten bereits, wenigstens der Form nach, den muhamedanischen Glauben angenommen und schwuren beim Propheten. Waehrend der Zeit, dass die Expedition hier einen unfreiwilligen Aufenthalt hatte, stand das Thermometer auf 112 Grad Fahrenheit (351/2 deg. R.) und die zudringlichen, nach ranzigem Fett riechenden Eingeborenen draengten sich mit grosser Unverschaemtheit in das Zelt der Gesandten, um dort die Luft noch unertraeglicher zu machen. Muhamedaner von der bigottesten Sorte, verschmaehten sie jedoch weder den Zwieback, noch den Kaffee der "Christenhunde" und bettelten bald um diese, bald um jene Kleinigkeit. Unter den verschiedenen Staemmen, die an diesem vielbesuchten Wasserplatze versammelt waren, befanden sich die _Adal_ mit breitspitzigem Speer und uralten Schilden, die _Kuesten-Somal_ mit leichter Lanze und Buckelschild, nicht viel groesser als ein Schiffszwieback, ihre gefuerchteten Stammesbrueder, die moerderischen _Isa_, mit langem starken Bogen von antiker Form und versehen mit einem Koecher voll vergifteter Pfeile. Sie waren unter allen die malerischsten Gestalten; kuehn hatten sie den wallenden Mantel umgeworfen und lange rabenschwarze Locken wallten auf die Schulter herab. Sie koennen als ein Raeuber- und Jaegervolk bezeichnet werden. Viele unter ihnen besitzen gezaehmte Strausse, die mit den Herden zusammen weiden und des Nachts an den Lenden gefesselt werden. Diese gigantischen Voegel werden mit viel Erfolg bei der Jagd auf wilde Thiere benutzt; auch reiten die Isa auf Eseln, von denen der Jaeger seine mit Euphorbiasaft vergifteten Pfeile abschiesst. Die Schilde, welche die Danakil tragen, werden von den Isa aus dem Fell der Oryx-Antilope verfertigt; auch handeln sie mit Straussenfedern. Die Art und Weise, wie sie die erlegten Voegel zubereiten, ist sehr originell; sie schneiden dem Vogel die Fuesse ab, wickeln dann das ganze Thier sammt Eingeweiden und Federn in feuchten Thon und backen diesen in heissem Feuer; nachdem die Thondecke entfernt ist, bleibt der saftige Braten zurueck. Nicht ohne grosse Muehe und Gefahr konnte nach einwoechentlichem Aufenthalt die Gesandtschaft sich von den barbarischen Nomaden und dem traurigen Orte losmachen, um ihren Weg fortzusetzen. Ueber kahle, steinige, von Schluchten zerrissene Berge ging der Weg in suedwestlicher Richtung weiter. Lange Zuege von Kameelen, Hornvieh, Schafen und Ziegen begegneten ihnen. Alle Buerde trugen die Weiber und Kinder der herumziehenden Staemme, waehrend der faule Ehemann nur leicht mit Speer und Schild bewaffnet dahinschritt. Der _Myrrhenbaum_ (_Balsamodendron Myrrha_) kam in der Naehe der bienenkorbfoermigen Huetten, auf die man jetzt oefter traf, haeufig vor; seine aromatischen Zweige liefern den Eingeborenen Zahnbuersten, welche sie in der Saebelscheide tragen. Haeufige Regen traten in der Nacht ein und durchweichten die Reisenden bis auf die Haut; dann brausten wieder Wuestenwinde daher, waren wasserlose Flaechen oder mit vulkanischem, scharfem Gestein uebersaeete Ebenen zu durchziehen - mit einem Worte, der Weg war aufreibend, muehsam und beschwerlich im hoechsten Grade. Selten nur unterbrach eine Oase die Einoede, um dann gleich wieder vulkanischen Gebilden Platz zu machen. Bei Saltelli traf man auf ein Feld _erloschener Vulkane_, die, umgeben von Lavafeldern, in kegelfoermiger Gestalt hier aus den Eingeweiden der Erde hervorgebrochen waren. Einer dieser alten Vulkane, der ueber 3000 Fuss hohe Aiullo, gilt als die alte Landesgrenze des nun zerfallenen aethiopischen Reichs. Wuest und traurig war die todte Umgebung dieser Berge - aber eine freudige Ueberraschung wurde den Reisenden hier doch zu Theil, denn zum ersten Male erblickten sie an diesem Orte in weiter, nebelhafter Ferne die blauen Gebirgsketten Abessiniens. Ihren Weg verfolgend trafen die Gesandten immer mehr auf _Myrrhenbaeume_, und zwar auf zwei Arten. Diejenige, welche das beste Harz liefert, ist ein zwerghafter Strauch mit dunklen, krausen, saegefoermigen Blaettern, waehrend die andere, welche ein mehr balsamartiges Produkt liefert, zehn Fuss hoch wird und helle, glaenzende Blaetter hat. Nach der geringsten Verletzung fliesst der milchige Saft in reicher Menge heraus und erstarrt an der Oberflaeche; wenn die Masse oft vom Stamme entfernt wird, kann man im Januar und wieder im Maerz grosse Mengen von einer Pflanze gewinnen. Mehrere Loth der feinsten Myrrhe erhaelt man auf diese Art im Vorbeipassiren leicht; dieselbe wird von den Voruebergehenden in einer Hoehlung im Schilde aufbewahrt und an den ersten besten Sklavenhaendler gegen Tabak vertauscht. Die Danakil geben die Myrrhe auch als Arznei ihren Pferden ein, wenn diese infolge der Hitze an Erschoepfung leiden. In der europaeischen Medizin findet sie heutzutage nur noch geringe Anwendung; ihr Ruf aber ist gross und alt; befand sich doch die Myrrhe unter den Geschenken, welche die Weisen aus dem Morgenlande dem Christkinde brachten! Von dem Gipfel eines Huegels herab hatten die Reisenden endlich den freudigen Anblick des _Hawasch_, des abessinischen Grenzflusses, dessen Lauf durch einen dichten Baumguertel bezeichnet wurde. Jenseit desselben ragten kuehn die Hochgebirge von Schoa in die Luft, und nach langen Leiden winkte nun das Ziel. Das Schlimmste war ueberwunden. Der Hawasch ist der zweitgroesste Strom Abessiniens. Er entspringt im Herzen des Landes in einer Hoehe von 8000 Fuss, wird von einer grossen Anzahl kleiner Stroeme gespeist und fliesst gleich einer belebenden Ader gruen und laengs seiner Ufer bewaldet durch die brennend heissen Adal-Ebenen, bis er in den Lagunen von Aussa sein Ende findet und versandet. Je naeher man dem Strome kam, desto kraeftiger wurde die Vegetation. Gummiausschwitzende Akazien, Tamarisken zeigten sich und laut schreiende Perlhuehner stoben bei dem Heranziehen der Karawane auseinander; man musste sich schliesslich durch das Dickicht foermlich durchwinden und stand nun, nachdem man so lange durch wilde Einoeden gezogen, vor einem grossen, maechtig dahinrauschenden Strome, der seine vom Regen getruebten Wasser wild dahinwaelzte. Die Stelle, an welcher die Reisenden den Fluss zu ueberschreiten hatten, liegt mehr als 2000 Fuss ueber dem Ozean. Nach Art einer fliegenden Bruecke wurden zehn Floesse zusammengefuegt und auf diesen die Kameele, das grosse Gepaeck und die zahlreichen Menschen uebergesetzt. - Man war nun im Koenigreich Schoa, doch immer noch im Lande wilder Muhamedaner, da die christliche Bevoelkerung erst weiter westlich beginnt. Weil das Wasser des Stromes dick und schlammig aussah, begab man sich zur Traenke nach einem nahegelegenen Weiher, der von hohen Baeumen umgeben war. Inmitten desselben trieben Nilpferde ihr unheimliches Wesen; eins derselben steckte seinen ungeheuren Kopf aus dem Wasser, sperrte den maechtigen Rachen auf und bruellte, dass man es auf eine halbe Stunde Wegs hoeren konnte; zum Lohn wurde ihm eine vier Loth schwere Kugel in den Kopf gejagt, deren Einschlagen in den Schaedel man deutlich vernahm. Das Thier sank unter, wurde jedoch erst am naechsten Tage aufgefunden und von den benachbarten Nomaden zerstueckelt und verzehrt. Mit leichtem Herzen sagte man den trueben Fluten des Hawasch Lebewohl und zog der Hauptstadt entgegen. Diesseit des Flusses war das einzige vorkommende Schaf das fettschwaenzige, wolllose, nur mit Haaren bedeckte Thier gewesen. Statt dessen traten nun die grossen, fetten abessinischen Schafe auf. Ziegen mit langen gewundenen Hoernern zeigten sich, von kleinen fuchsartigen Hunden bewacht, in grossen Herden. Grosse Fluege von Heuschrecken, welche das Land kahl gefressen hatten, nahmen ihre Richtung gegen Abessinien zu. Sie verdunkelten foermlich den Himmel und zogen gleich einer finstern Wolke mit grosser Schnelligkeit durch die Luefte hin. In den Waeldern waren Perl- und Rebhuehner haeufig, zusammen mit der Zwergantilope, und die langentbehrte Jagd brachte in die Kueche und die Lebensweise der Europaeer einige Abwechselung. Am Abend des zweiten Tages, nachdem der Hawasch ueberschritten war, kam ein Reiter in das Lager der Gesandtschaft, sah sich ueberall genau um, sprach dabei kein Wort und verschwand wieder wie er gekommen. Es war ein Spion des Grenzhueters der Provinz Ifat, der seinem Herrn Nachricht ueber die Fremdlinge bringen sollte. Diese Erscheinung versetzte die begleitenden misstrauischen Danakil in Aufregung, denn sie argwoehnten sofort, der Herrscher von Schoa werde die Europaeer nicht empfangen. [Illustration: Rachen des Nilpferdes.] Ungeachtet ihres Abmahnens setzte man den Weg fort. Der _Mamrat_, "die Mutter der Gnade", mit seinem kuppelfoermigen maechtigen Berghaupte, das weit ueber die Wolken emporragte, erhob sich gleich einem gigantischen Schlosse aus der Ebene und galt als Ziel, auf das man lossteuerte. Man befand sich jetzt schon 3000 Fuss ueber dem Meere und stand am Eingange des hauptsaechlichsten, nach Suedabessinien fuehrenden Passes. Eine erfrischende Brise wehte den Englaendern entgegen, der Himmel war mit Wolken bedeckt und das Klima so beschaffen, dass sie sich eher in der Heimat als unter die Tropen versetzt glaubten. Berg ueber Berg, bedeckt mit herrlicher, ueppiger Vegetation erhob sich vor ihnen. Einer thuermte sich unordentlich ueber dem andern empor; bis schliesslich die letzten, mit einem glaenzend weissen Schneemantel bedeckten Spitzen sich in den azurblauen Lueften zu verlieren schienen. Doerfer und Weiler schauten aus den gruenen Baumgruppen hervor; reiche Saatfelder erglaenzten in der Sonne und zeugten von dem Fleisse eines Theils der Bewohner. Spaeter erfuhr man, dass der Negus angeordnet hatte, eine Ehrenwache von dreihundert Luntengewehrtraegern solle die Gaeste am westlichen Ufer des Hawasch empfangen, allein der _Wulasma Muhamed_, d. h. der hoechste dem Grenzdistrikte vorstehende muhamedanische Beamte, der sich so gut wie der Koenig selbst duenkte, hatte die Garde zurueckgeschickt, da ja die Ehre Unglaeubigen erwiesen werden sollte. Auch sonst legte dieser Beamte den Fremdlingen allerlei Schwierigkeiten in den Weg, um sie vom Vordringen abzuhalten, konnte schliesslich jedoch bei der Festigkeit, mit welcher man gegen ihn auftrat, nichts erreichen. Zum letzten Male waren die Kameele beladen, um am 16. Juli 1842 in _Farri_, der Grenzstadt der Provinz Ifat, einzuziehen. Haufen kegelfoermig gedeckter Haeuser, welche auf zwei Huegeln zerstreut lagen, zwischen denen die Zollgebuehren erhoben wurden, waren die ersten permanenten Wohnstaetten, welche die Wanderer seit ihrem Abmarsch von der Kueste als ein Zeichen des Fortschrittes begruessten, denn bisher waren sie nur auf Nomadenhuetten getroffen. Sowol wegen der nun beginnenden Hochlande, als wegen des kuehleren Klimas wird hier das "Schiff der Wueste", das fuer die brennendheissen wasserlosen Ebenen geschaffen ist, als Lastthier vollkommen unnuetz und muss zurueckgelassen werden. Damit lag aber auch die Wueste nun zugleich hinter den Reisenden, und als die Danakil, welche sie bisher begleitet, umgekehrt waren, waren auch die Leiden und Schrecken des durchzogenen Terrains verschwunden. Menschen, Klima, Boden, Thiere, Pflanzen - Alles war anders. Wie wenn ein Zauberer seine Ruthe ausgestreckt und die Landschaft mit einem Schlage veraendert haette, so sah man die Hochlande Abessiniens jetzt, ueberall nur Kultur bedeckte Flaechen statt der brennenden Wuesteneien. Jede fruchtbare Bodenerhebung war mit einem friedlichen Weiler gekroent, durch jedes Thal stroemte rauschend ein krystallheller Bach, schwaermten Herden. Die kuehlenden Bergwinde wehten den aromatischen Geruch von Jasminen und wilden Rosen herab, und im schwellenden Rasen bluehten Tausendschoenchen und Butterblumen. Das Gepaeck schleppten jetzt 600 kraeftige Muhamedaner, die auf koeniglichen Befehl von den benachbarten Doerfern gestellt worden waren. Der Koenig, so vernahm man, war vor Ungeduld ausser sich, die Gesandtschaft zu empfangen und die schoenen Geschenke zu besichtigen, welche sie mitbrachte. Am Morgen des 17. Juli begann der Marsch in den Hochlanden. Frischer, kuehlender Wind wehte von den Bergen herab, die, nur zehn Grade vom Aequator entfernt, dennoch eine Vegetation tragen, welche an nordische Klimate erinnert. Steil fuehrte der steinige Pfad bergan ueber Schluende, Thaeler und Gipfel, eingefasst von Farrnkraut, Hagebutten und Geisblatt; am Abhange der Berge zogen sich Terrassen hin, die mit gut bebauten Feldern bedeckt waren, und auf jedem Vorsprung stand ein Doerfchen, dessen Bewohner herbeigestuerzt kamen, um die neue Prozession, die Gaeste des Koenigs zu sehen, denen Freudenrufe entgegentoenten. Die Frauen waren hier in rothe Baumwollmaentel gehuellt, die einen angenehmen Gegensatz zu den ledernen Schurzfellen der Damen in der Wueste darboten. In der 3000 Fuss ueber dem Grenzorte Farri oder 5200 Fuss ueber dem Meeresspiegel gelegenen Marktstadt _Alio Amba_, die auf einem scharfen Bergruecken sich erhebt, musste wieder ein laengerer Halt gemacht werden. Der Ort besteht aus 250 Haeusern mit 1000 muhamedanischen Einwohnern, die sich aus sehr verschiedenen Voelkerschaften rekrutirt haben. Der Berg, auf welchem Alio Amba liegt, ist nur einer von den vielen tausend jaehen Erhebungen, in welche das ganze Gebirge nach der Seite der Ebene hin zerbrochen ist. Gleich schmalen Silberfaeden stroemen durch die Schluchten zwischen gruenen Gestraeuchen und Feldern die Baeche hin, und wo ein Fleckchen dem Pflug einzugreifen erlaubt, da stehen Weizen, Gerste, Mais, Bohnen, Erbsen, Baumwollen- und Oelpflanzen angebaut, ringsum liebliche Weiler, die hoch in die Berge hinaufragen und sich allmaelig am Mamrat, "der Mutter der Gnade", verlieren. Dieser die Gegend beherrschende Pik, der noch in Wolken verborgen war, als unten schon Alles in Sonnenschein lag, ist mit einem dichten Walde von Nutzholz bedeckt und erhebt sich bis gegen 13,000 Fuss ueber dem Meeresspiegel. Der interessanteste Punkt in dieser Landschaft ist jedoch ein kegelfoermiger Berg, der mit dunklen Wachholderbaeumen bestanden ist und ganz vereinsamt sich erhebt. Auf ihm steht die Feste _Gontscho_, die Residenz des Wulasma Muhamed, in welcher die drei juengern Brueder des christlichen Koenigs - Opfer eines barbarischen Gesetzes - zeitlebens gefangen gehalten wurden. Die Gesandten waren gezwungen, in Alio Amba einen laengeren Aufenthalt zu nehmen, da der Negus verreist war; doch kam ein sehr liebenswuerdiger Brief von demselben an, welcher verhiess, die Fremden bald zu empfangen. Unterdessen hatten die Europaeer Zeit, den Ort und sein reges Marktleben kennen zu lernen. An einem bestimmten Tage stroemten schon kurz vor Tagesanbruch scharenweise die Landleute in die Stadt, um Honig, Baumwolle, Korn und Lebensmittel der verschiedensten Art zum Verkauf oder Tausch zu bringen. Die Dankali-Kaufleute stellen Perlen, Metalle, gefaerbte Garne und Glaswaaren aus. Der wilde Galla kauert neben den Erzeugnissen seiner Herde, waehrend der muhamedanische Haendler aus dem Innern Straussenfedern oder andere Artikel bringt, die aus weit entfernten Gegenden stammen. Baumwollen- und Zeugballen, Kaffeesaecke von Kaffa und Enarea liegen ueberall umher. Zahlreiche Pferde und Maulthiere vermehren das Getuemmel der verschiedenen Voelkerschaften, die hier durcheinander wogen. Fettig und in ein schmuziges Baumwollengewand gleich einer aegyptischen Mumie eingehuellt schreitet der Bauer aus der Umgegend zu dem Marktbeamten hin und bezahlt sein Marktgeld, das in die koenigliche Kasse fliesst. Hier geht laessig ein Luntengewehrmann von der koeniglichen Garde umher; doch die Eifersucht des Monarchen verbietet ihm, die primitive Waffe mit sich zu fuehren und sie wo anders als in der koeniglichen Gegenwart zu tragen. Der Adal, der Raeuber aus den Kuestenstrichen, tritt in die niedrige Huette des Sklavenhaendlers aus dem Sudan, um dort die zum Verkaufe ausgebotenen Frauen und Maedchen anzusehen; im rabenschwarzen Haare wogt die weisse Straussenfeder, das Zeichen eines begangenen Mordes, und das Volk staunt das gekruemmte Saebelmesser des Mannes an, der so kuehn ist, keine sklavische Verehrung fuer den grossen Monarchen von Schoa zu zeigen. Mit Eiern und Gefluegel draengt sich ein Christenweib durch die Menge. Die Haesslichkeit ihres Antlitzes wird durch das Ausreissen der Augenbraunen und das fetttriefende Haar noch gehoben. Die freie, stattliche Miene der Orientalin, wie deren leichtes grazioeses Gewand fehlen ihr gaenzlich, denn die Natur scheint sie absichtlich vernachlaessigt zu haben. Die Maenner der abessinischen Grenzprovinzen Argobba und Ifat, Muhamedaner dem Glauben nach, unterscheiden sich durch verschiedene Sprache von den echten Abessiniern, denen sie im Aeussern sonst gleichen, waehrend ihre Frauen wie arabische Zigeunerinnen aussehen; sie sind schoener, schlanker als ihre christlichen Schwestern aus den Berggegenden und weniger fettig. Die Menge staeubt auseinander vor einem christlichen Gouverneur, der, umgeben von zahlreicher Dienerschaft, barfuss durch den dicken Strassenschmuz dahinschreitet. Der dicke Bauch und das silberbeschlagene Schwert zeigen zur Genuege seine Wuerde an, die durch den weissen, mit karminrothen Streifen eingefassten Baumwollenmantel ueberdies kenntlich ist. Die Anordnung seines Haares hat den ganzen Morgen in Anspruch genommen und der ueble Geruch der ranzigen Butter, welche aus all den kleinen Loeckchen hervorglitzert, verpestet ringsum die Luft. Bis ueber das Kinn verhuellt, sieht man nur seine Nase und die blutunterlaufenen, von naechtlichen Orgien zeugenden Augen, aus denen er einen verwunderten Blick auf die weissen Ankoemmlinge richtet. Im blauen Gewande, mit fliegenden Locken kommt endlich auf ziegenduerrem Klepper der wilde Galla zu Markte; er bringt Honig und Butter aus den grasreichen Ebenen seiner Heimat in die wild zerkluefteten Berge. Der Schrecken und der Abscheu, welchen die Abessinier vor den von Moerdern heimgesuchten Kuestenstrichen haben, sind die Ursache, dass fast der ganze Handel von Alio Amba in den Haenden der Danakil liegt, die vom Koenige mit aller moeglichen Nachsicht behandelt werden. In jedem Monate langen Karawanen von Aussa und Tadschurra an, die den Handel unterhalten und gute Geschaefte machen - namentlich auch in Menschenfleisch, denn auch hier im Sueden des christlichen Reiches blueht der Sklavenhandel so gut wie im Norden, und die Ausfuhr ueber Tadschurra ist noch bedeutender als jene ueber Massaua. Vierzehn Tage lang musste die Gesandtschaft in Alio Amba zubringen, dann war die Erscheinung des Oberkommandanten der koeniglichen Leibgarde das erste Zeichen, dass sie weiter vordringen durfte. Die Zusammenkunft mit dem Koenige sollte an einem der naechsten Tage stattfinden, wenn die Kusso- oder Bandwurmkur Seiner Majestaet vorueber sein wuerde. Denn da gleich allen Abessiniern auch der Koenig ein Liebhaber von rohem Fleisch war, so litt er infolge dessen stark an Eingeweidewuermern, von denen er sich durch regelmaessig wiederholte Kusso-Kuren zu befreien suchte. Nachdem das zahlreiche Gepaeck auf die Traeger vertheilt war, konnte man der Marktstadt den Ruecken wenden und die Reise im Hochlande fortsetzen. Die guetige Natur hatte in verschwenderischer Fuelle und Mannichfaltigkeit ihre Gaben ueber das Land zerstreut und dadurch den laessigen Bewohnern die meiste Arbeit abgenommen. Reiche Kornfelder laengs des Weges wechselten mit stillen Doerfern, blumigen Kleewiesen und krystallklaren, in Kaskaden herabschiessenden Baechen. Das suedliche Abessinien beginnt mit dem Distrikte Ifat am Fusse der ersten Huegelkette, welche allmaelig an Fruchtbarkeit und Hoehe zunimmt. Heftige Gewitterstuerme, welche in der Regenzeit daherbrausen, werden in diesen Gegenden oft zur Landplage; doch selbst unter den maechtigen Wasserfluten laechelt noch das Land, und so entschieden steht es im Gegensatz zu dem klimatischen und allgemeinen Charakter der heissen Zone, dass der entzueckte Wanderer sich in seine noerdliche Heimat versetzt fuehlen kann. Langsam zogen die Reisenden fuerbass, der koeniglichen Sommerresidenz _Matschal-wans_ zu, wo der Herrscher sie empfangen wollte. An einer Stelle, wo der Weg eine Biegung machte, schoss die begleitende Garde ploetzlich ihre Luntenflinten ab, deren Donner ein freudiges Echo in den Zurufen der erwartungsvoll zusammengeeilten, unten im Thale stehenden Menge fand. Als der Pulverdampf sich verzog, fiel der Blick der Reisenden auf die lieblich gelegene koenigliche Residenz, deren kegelfoermige weisse Daecher ihnen aus dunklen Cypressen und Wachholderbaeumen entgegenleuchteten. [Illustration: Sahela Selassie, Koenig von Schoa. Nach Harris.] Durch gruene, blumenbedeckte Auen rauschte ein angeschwollener Strom, waehrend die majestaetischen Bergriesen mit nebelumhuellten Gipfeln den Hintergrund des praechtigen Bildes ausmachten. Vereinzelte Bauernhaeuser waren ueber die gruene Landschaft zerstreut, reiche Felder glaenzten im reifen Korn und donnernd, kleine Wasserfaelle bildend, stuerzten die geschwollenen Wildbaeche von den Felsen herab. Nach Verlauf einer Stunde war Matschal-wans erreicht, wo eine zahlreiche Menschenmenge die Gaeste erwartete. Wild und ungestuem draengten sie sich heran, Alles war ihnen neu, und gleich Menageriethieren starrten sie die weissen Leute an, die weit ueber das Meer hergekommen waren, um dem grossen Koenige von Schoa Geschenke darzubringen. Nachdem noch einige Foermlichkeiten erledigt waren, konnte die Vorstellung stattfinden. Endlich stand die britische Gesandtschaft auf der Schwelle des koeniglichen Palastes und vor ihr oeffnete sich die Empfangshalle. Rund in der Form und ohne den gewoehnlichen abessinischen Pfeiler in der Mitte erhoben sich die hohen, massiven Lehmwaende des Gemaches, ueberdeckt mit Silberzierathen, Doppelgewehren, runden Schilden und Luntenflinten. Persische Teppiche von den verschiedensten Groessen, Farben und Mustern deckten die Flur und Scharen von Hoeflingen, Beamten und hohen Wuerdentraegern standen, bis zum Guertel entbloesst, in respektvoller Haltung und Feiertagskleidung ringsumher. In der Wand waren zwei Nischen angebracht: in der einen loderte ein Feuer, waehrend in der andern auf einer gebluemten Atlasottomane, umgeben von alten Eunuchen und jugendlichen Pagen, gestuetzt auf hellfarbige Sammetpolster, Seine christlich-aethiopische Majestaet Sahela Selassie hingelagert war. Der Thuerhueter (zugleich Zeremonienmeister) stand mit einem Bueschel Binsen in der Hand vor dem Koenige, um damit die genaue Entfernung anzudeuten, bis zu welcher man sich der Majestaet nahen durfte. Die Gesandtschaft trat ein, machte ihre Verbeugungen vor dem Throne und liess sich auf eben hereingebrachten Stuehlen nieder. Der Koenig war mit einer gruenseidenen arabischen Brokatweste bekleidet, die zum Theil von einem weiten, faltigen abessinischen Baumwollmantel mit karminrothen Streifen bedeckt war. Vierzig Jahre, von denen achtundzwanzig unter den Sorgen der Regierung verlebt waren, hatten seine dunkle Stirn leicht gefurcht und das in hohe Loeckchen frisirte reiche Haar etwas ergrauen gemacht. Obgleich durch den Verlust des einen Auges etwas entstellt, war der Ausdruck seiner maennlichen Gesichtszuege doch offen, angenehm und gebietend; aus dem ganzen Gesichte leuchtete jedoch jene weit und breit anerkannte Unparteilichkeit des Herrschers hervor, die ihm selbst unter den Danakil den Beinamen der "feinen Goldwage" eingebracht hatte. Der Gesandte ueberreichte nun, in Goldbrokat und Musselin eingewickelt, sein Beglaubigungsschreiben, worauf, nachdem dieses gelesen und anerkannt war, die reichen Geschenke der britischen Regierung eines nach dem anderen hereingetragen und vor dem Koenige und den erstaunten Blicken der Hoeflinge ausgebreitet wurden. Der schoene Bruesseler Teppich, der die ganze Empfangshalle deckte, die Kaschmirschals und buntfarbigen gestickten indischen Schaerpen erregten allgemeine Bewunderung und wurden von den Eunuchen dem Koenig zur naeheren Beschauung in den Alkoven gereicht. Allgemeine Heiterkeit entstand bei der Produzirung einer Gruppe tanzender chinesischer Figuren, und als dann die europaeische Eskorte in voller Uniform mit einem Sergeanten an der Spitze in der Halle aufmarschirte, sich vor den Thron stellte, dort ihre Handgriffe machte und die Musikdosen "_God save the Queen_" spielten, erreichte die Freude und das Erstaunen des Koenigs ihren Hoehepunkt und er erklaerte, nicht Worte finden zu koennen, um seine Dankbarkeit auszudruecken. Hell leuchtete dann sein Gesicht, als ihm dreihundert mit blitzenden Bajonneten versehene Flinten ueberreicht wurden. Vor Verwunderung ueberfliessend sagte er nur: "Euch wird Gott belohnen - ich kann es nicht." Noch waren die Ueberraschungen jedoch nicht zu Ende. Auf einem freien Platze am Fusse eines Huegels wurde eine grosse Scheibe aufgestellt und nach dieser eine der mitgebrachten kleinen Kanonen gerichtet. Das gruene Thal hallte von dem ungewohnten Artillerie-Kommandorufe wieder, und als nun der Donner erschallte, als Vollkugeln und Kartaetschen die Scheibe und die Felsen zersplitterten, da brach lauter Jubelruf aus dem Munde des Koenigs und tosendes Geschrei aus der Brust der gaffenden Menge hervor. Schoene Komplimente von Seiten des Koenigs, Beglueckwuenschungen durch die Hoeflinge und Beamten beschlossen an diesem Abend das ungewohnte Schauspiel. Eine riesige, starkgepfefferte Fleischpastete, begleitet von dem Wunsche, dass "des Koenigs Kinder es sich wohl sein lassen moechten", war der naechste Dank. Unerhoert grosse Ehre geschah der Gesandtschaft jedoch durch einen Besuch des koeniglichen Beichtvaters, eines Zwerges, so klein, dass er ohne Schwierigkeit in der Pastete sich haette verbergen koennen. In faltige Gewandung und einen Turban eingehuellt, mit dem silbernen Kreuze geschmueckt, liess sich der zwerghafte Priester, dessen ganzes Leben darin bestanden, seinen Naechsten Gutes zu erweisen, in einem Sessel nieder und hob an folgendermassen zu reden: "Vierzig Jahre sind verflossen, dass Asfa Wusen, der Grossvater unsres geliebten Monarchen - sein Andenken ruhe in Frieden - in einem Traume sah, wie rothe Maenner aus Laendern von jenseit der See gar merkwuerdige und schoene Dinge in dieses Koenigreich brachten. Die Astrologen, denen man befahl, diesen Traum zu deuten, erklaerten einstimmig, dass Fremdlinge aus dem Lande Aegypten waehrend der erhabenen Regierung Seiner Majestaet nach Abessinien kommen wuerden und dass noch maechtigere Fremdlinge zur Zeit der Regierung seines Enkels folgen wuerden. Gott sei Preis und Dank, die Traumdeutung ist in Erfuellung gegangen. Meine alten Augen haben nie solche Wunder als am heutigen Tage geschaut, und waehrend Schoa von sieben Koenigen regiert wurde, sind niemals solche Mirakel in das Land gebracht worden." Der Koenig verbrachte den groessten Theil der folgenden Nacht inmitten seiner Schaetze, die so unerwartet sich vor ihm aufgehaeuft hatten. Jeder neue Gegenstand wurde mit der Wissbegierde eines Kindes untersucht und die koeniglichen Schreiber hatten vollauf damit zu thun, auf Pergament ein Verzeichniss all der schoenen Dinge aufzunehmen, das dann im Staatsarchiv aufbewahrt wurde. Die Gewehre, Munition und Kanonen wurden in das grosse Arsenal geschafft, die Teppiche und Kuriositaeten mit Inschriften versehen, auf denen fuer kuenftige Geschlechter verzeichnet stand, dass diese Schaetze ein Geschenk rother Maenner seien, die man "Gyptzis" nannte und die "von ferne" gekommen seien. Am fruehen Morgen erschien ein Hofpage, um nachzufragen, wie die Gaeste geruht haetten. Die Etikette erforderte zu sagen, dass sie sehr gut geruht haetten; allein leider war das Gegentheil der Fall, denn der Regen war in Stroemen durch das Zeltdach gedrungen und hatte die Schlaefer arg belaestigt. Noch schlimmer hatten die 600 requirirten Lasttraeger geruht. Ohne Nahrung und Obdach war der nasse, durchweichte Boden ihre Lagerstaette gewesen. Als der Morgen graute, schrieen sie laut nach Speise und sofort wurden ihnen einige Ochsen ueberliefert. In wenigen Minuten waren die Thiere geschlachtet und abgeledert; die Messer der wilden Menge wuehlten in dem blutigen Fleische, das Streifen auf Streifen verschwand, um nach echt abessinischer Art roh verschlungen zu werden. Selbst die Eingeweide wurden nicht vergessen, und in einer Viertelstunde war ausser Hoernern, Hufen und Knochen von den Ochsen nichts mehr uebrig, sodass selbst die Geier nicht einmal mehr einen Bissen fanden. Hierauf brach die Gesandtschaft auf, um nach der nahen Hauptstadt Ankober zu reisen. Zuvor jedoch fand noch eine Audienz beim Koenige statt. "Meine Kinder", sagte Seine Majestaet, "alle meine Flintentraeger sollen euch begleiten, damit ihr in Sicherheit von dannen zieht. Was euer Herz nur wuenschen mag, sollt ihr erhalten; mich ausgenommen habt ihr keinen Freund in diesem weiten Lande und ihr seid meinetwegen weit gereist. Doch will ich euch geben, soviel ich kann. Aber auf mein Volk hoert nicht, denn das ist schlecht." Froh verliess man das feuchte Lager und zog, von den Soldaten begleitet, durch lachende Kulturlandschaften dem nur anderthalb Stunden entfernten Ankober zu. Auf die Felder und Wiesen folgte ein Wald von alten Baeumen, voller Wachholder, die schon Jahrhunderte gesehen und deren duestere, cedernartige Kronen mystisch im Winde rauschten. Wie in Europa, so verstanden es auch die Abessinier, die schoensten Plaetze zur Anlage von Kloestern auszuwaehlen, und so traf man denn auch hier auf ein dem heiligen Tekla Haimanot (13. Jahrh.) gewidmetes Kloster. Dreimal im Jahre, an seinem Geburts-, Sterbe- und Himmelfahrtstage werden hier grosse Festlichkeiten unterhalten. Nachdem der Wald durchschritten war, erblickte man, auf einem gruenen Huegel erbaut, die 8200 Fuss ueber dem Meere gelegene Hauptstadt Schoa's. Unregelmaessig, bald gross, bald klein, wie Heuschober oder wie Scheunen gestaltet, von gruenen Einfassungen oder Staketen umgeben, zogen sich die Haeuser auf dem Scheitel oder am Abhange und in den Spalten des Huegels hin. Diese Wohnungen beherbergten nach Harris' Schaetzung 12,000-15,000 Menschen. Auf dem hoechsten, abgesonderten Theile des Huegels liegt der unschoene, mit vielen thoenernen Schornsteinen versehene und von Palissaden umgebene Palast des Koenigs. An ihn schliessen sich zahlreiche Huetten fuer die Sklaven, Kuechen, Keller, Vorrathshaeuser und Kornmagazine. Baeume, Buesche und zerklueftete Felspartien bildeten den Hintergrund, aus dem unter Wachholderbaeumen das Bronzekreuz der Kirche "Unsrer lieben Frau" hervorleuchtete. _Anko_ war eine Koenigin des Gallavolkes, welche diese Berggegenden nach dem Einfall Granje's bevoelkerte und ihren Namen dem engen gewundenen Pfade hinterliess, welcher das "_Ber_" oder Thor zu den Vorstaedten bildet. Daher bedeutet _Ankober "Thor der Anko"_. Am Abgrunde hinziehend und kaum breit genug fuer den Fuss des Maulthiers, kann man diesen Pass nur mit dem Gefuehle der Unsicherheit passiren, und wenige Stunden wuerden genuegen, um ihn zu verrammeln und die Stadt fuer jeden Feind unzugaengig zu machen. Laute Jubelrufe des versammelten Volkes begruessten die Gaeste, denen nun ein sehr elendes Haus, das eher einem Heuschober als einer Wohnung fuer Europaeer glich, als Aufenthaltsort angewiesen wurde. Der Fussboden war so, wie ihn Mutter Natur geschaffen und vom Regen durchweicht, und es bedurfte erst vieler Arbeit, um die Huette, ueber der man stolz die Flagge Grossbritanniens aufzog, bewohnbar zu machen. Als man die Thuere mit einem Teppich verhangen hatte und die Nacht hereinbrach, regierte Finsterniss in dem Raume: die Lichter waren unterwegs zerschmolzen und so bildeten denn die sparsam aus den koeniglichen Vorraethen dargereichten, mit Wachs getraenkten Dochte das einzige Beleuchtungsmaterial der Gaeste. Und diese elenden Kerzen waren ein Handelsmonopol des Fuersten, gleich so vielen anderen guten Dingen. Um den Aufenthalt recht ungemuethlich zu machen, stuerzten Tausende von blutduerstigen Floehen ueber die Reisenden, die jetzt, nachdem sie die Schoenheit der Natur bewundert und vom Koenige freundlich empfangen worden waren, auch die Schattenseiten des Lebens in Schoa kennen lernen sollten. In der Nacht brach unter Donner, Blitz und stroemendem Regen ein gewaltiger Sturm ueber Ankober los, der die Erde mit einer wahren Suendflut ueberschuettete; jeder Fluss stieg, jede Gasse wurde zu einem rauschenden Bache und tausendfaeltig hallte der Donner von den nahen Bergen wieder. Als am naechsten Morgen die Sonne ihre Strahlen auf die Erde niedersandte, entwickelte sich ein seltsames Schauspiel vor den Augen der Europaeer. Tief unten lag, wie ein Schneeschleier, eine undurchdringliche Dampfwolke in den Thaelern. Man stand ueber diesen Wasserdaempfen, aus denen nur die Bergspitzen gleich schwimmenden Inseln hervorragten. Als diese Nebelbank in die Hoehe stieg, bedeckte sie Alles mit Feuchtigkeit und drang durch Kleider und Mauern hindurch. Abgesehen von den Unannehmlichkeiten, denen jeder sich aussetzen muss, der in afrikanischen Landen reist, trafen die Gesandtschaft noch manche speziell abessinische Uebelstaende. Die nothwendigsten Lebensmittel waren trotz der Fruchtbarkeit des Bodens nur schwierig zu erlangen; die gemietheten Dienstboten taugten nichts, da jeder, der nur irgend kann, sich Sklaven haelt; Maulthiere waren gleichfalls kaum gegen die hoechsten Preise zu miethen, und fuer das kleinste Geschaeft musste eine Menge kostbarer Zeit vergeudet werden, da diese selbst fuer die Abessinier keinerlei Werth hat. Mit der Zeit wurde den aus Indien mitgebrachten muhamedanischen Dienern der Aufenthalt zu langweilig; sie nahmen ihre Entlassung und kehrten durch das heisse Kuestenland nach Tadschurra zurueck, wobei die Haelfte von ihnen das Leben verlor. Die statt ihrer angenommenen Abessinier zeichneten sich nur dadurch aus, dass sie unermessliche Portionen rohen Fleisches (Brundo) verschlangen und alle Monate einen Tag frei verlangten, um mittels Kusso ihre Bandwurmkuren vollfuehren zu koennen. Ausserdem war ein besonderer Afero oder Janitschar ernannt worden, welcher alle Schritte und Tritte der Fremden ausspioniren und darueber an den Hof berichten musste. Am gefaehrlichsten wurde den Gaesten jedoch die Feindschaft der unduldsamen Geistlichkeit, die mit eiserner Hand das Volk knechtete und die Briten schlimmer als die Heiden ansah, zumal weil sie die langen und strengen Fasten nicht hielten. Der Bischof von Schoa zeigte diese Feindschaft ganz offen. Er sprengte das Geruecht aus, die Englaender seien als Spione einer grossen, jenseit des Meeres wohnenden Frau gekommen, welche ihre Soldaten nach Schoa schicken wolle, um das Koenigreich zu erobern und den abessinischen Glauben zu zerstoeren. Waehrend alle Klassen des Volks in Erinnerung an die Himmelfahrt der Jungfrau Maria die strengen Fasten hielten, blieb inzwischen der Koenig in seiner Residenz Matschal-wans. Dort verzehrte er rohe Fische, die mit Pflanzenoel und Pfeffer zubereitet waren, als Fastenspeise. Der Palast in Ankober dagegen wurde von ihm zur Regenzeit gemieden, weil wegen dessen hoher isolirter Lage die Blitze dort leicht einschlagen. Kamen die Englaender mit Sr. Majestaet zusammen, so pflegte er zu sagen: "Es giebt in meinem Lande sehr schoene Dinge, welche in dem eurigen nicht sind, und wieder umgekehrt habt ihr Dinge, welche wir nicht besitzen." Fortwaehrend waren die Fremden mit allerlei Auftraegen des Koenigs beschaeftigt: bald mussten sie Luntenflinten repariren, Spieldosen ausbessern, bald Kleidungsstuecke oder Staatsregenschirme wieder herstellen, und das Alles wurde zur Zufriedenheit des Hofes ausgefuehrt. Auch als der Koenig einmal unwohl war, wurden die Gesandten zu ihm berufen; er erhielt Medizin, doch musste diese zuvor in seiner Gegenwart gekostet werden, da er in bestaendiger Angst vor Vergiftung schwebte. Obgleich er sich niemals ohne Waffen zeigte und stets solche unter seinen Kleidern verborgen trug, fuerchtete er sich doch keineswegs vor seinen Gaesten, die selbst mit geladenen Flinten in seiner Naehe stehen durften, auch wenn keine Diener bei ihm waren; bei diesen Zusammenkuenften liess er Portraets zeichnen, Plaene zu Bauten entwerfen und Vorbereitungen zu Affenjagden machen. Magazine wurden mit Granatschuessen in die Luft gesprengt, siebenlaeufige Pistolen zuerst bei Hofe eingefuehrt und ihm ein grosser Respekt vor den Windbuechsen eingefloesst, deren Wirkung er fuer das Merkwuerdigste erklaerte, was er all sein Lebtag gesehen hatte. Wieder einmal waren die Englaender zum Koenig beschieden, der mit ihnen ueber einen Feldzug gegen die wilden Galla sprechen wollte. Schmiede und Silberarbeiter sassen unter der Veranda der Residenz, Kuenstler malten Miniaturen in die auf Pergament geschriebenen Psalmen, Saettel und allerlei Kriegsgeraeth wurden unter den Augen des Fuersten reparirt, Speere und Flinten gereinigt - doch alle diese Handwerker wurden vom Koenige schleunig entlassen, um mit Harris einen Kriegsplan verabreden zu koennen, der schliesslich nicht ausgefuehrt wurde. So schlich der traurige Winter hin. Unterdessen begannen die Haendler, welche sich durch die Ankunft der Englaender beeintraechtigt glaubten, gegen diese zu konspiriren. Allerlei abenteuerliche Geruechte gingen um. Die Gyptzis, so hiess es, verzehrten Schlangen, Maeuse, Spinnen und aehnliche Thiere, und waeren im Begriff, durch magische Mittel das Land zu erobern. Die astronomischen Instrumente erregten gleichfalls Argwohn; doch der Koenig hoerte nicht auf diese Verdaechtigungen, ja er drohte, den Verleumdern die Zungen ausreissen zu lassen, und kuemmerte sich auch nicht darum, als die Geistlichkeit ihn mit dem Banne bedrohte. Die Zauberer Schoa's glaubten dem gegenueber im vollsten Rechte zu sein, wenn sie verkuendigten, Sahela Selassie wuerde wegen seiner Freundschaft gegen die Fremden noch Thron und Leben verlieren. Als der Winter vorueber war, brach der Koenig nach _Debra Berhan_ auf, einer Sommerresidenz, die jenseit der Bergkette im Westen liegt. Dorthin folgte ihm auch die Gesandtschaft nach. Es war eine herrliche Gegend, die man wieder durchzog, voller Sturzbaeche, Klippen und schoener Baeume. An einem Fluesschen traf man das einzige Maschinenwerk des Koenigreichs - eine rohe Wassermuehle, die ein durchreisender Albanese erbaut hatte; doch die Priester erklaerten dieselbe fuer ein Werk des Teufels, und nachdem die Muehle drei Tage gegangen, wurde der Betrieb untersagt. So verfiel denn die Teufelsmuehle. (Vergl. S. 157.) Hinter derselben wurde der Weg rauher und steiler; man gelangte auf den Kamm der Tschakaberge, welche die Zufluesse des Nil von jenen des Hawasch, das Stromgebiet des Mittelmeers und des Indischen Ozeans trennen. Noch volle drei- bis viertausend Fuss ragte der hohe _Mamrat_ ueber diese Wasserscheide empor; doch Schnee lag auf seinem 13,000 Fuss hohen Gipfel nicht, wie denn ein Wort fuer denselben suedlich von den kalten Bergen Semiens in der Sprache der Eingeborenen fehlt. Wie verschieden ist doch das Schicksal der Gewaesser, die von dieser Bergkette nach Osten und nach Westen zu eilen! Der Regentropfen, welcher auf die nach Ankober zu gelegene Seite faellt, wendet sich nach kurzem Laufe dem Hawasch zu, um mit ihm durch die durstige Adalwueste der Aussalagune zuzurinnen. Ganz anders dagegen gestaltet sich die Pilgerschaft der Gewaesser im Westen. Dort finden viele kleine Baeche ihren Weg zur Dschumma, die sich in den Abai, den Blauen Nil, ergiesst, der, durch den Goldsand von Fazogl ziehend, bei Chartum sich mit dem Weissen Flusse vereinigt, bei Meroe, Theben und den stattlichen Pyramiden vorueberfliesst und seinen Beitrag zur Bewaesserung Aegyptens oder der blauen Fluten des Mittelmeers liefert! Wiesen, auf denen Vieh weidete, kleine Stroeme, ueber deren einen eine rohe Steinbruecke, das hochgepriesene Werk eines Armeniers fuehrte, folgten nun; dann kam man in eine unwirthliche Gegend, eine Hochebene, die einst von Galla bewohnt war. Nicht ein Baum oder Strauch, selten als Ausnahme ein Kusso, war zu erblicken; doch sind spaerliche christliche Ansiedelungen hier entstanden, die von Hirten bewohnt werden. Dann ging es bergab, die Gegend wurde wieder etwas freundlicher, und zwischen einigen gruenen Baeumen leuchteten die weissen Gebaeude von Debra Berhan hervor. "Willkommen meine Kinder, wie geht's euch? Habt ihr eine sichere Reise gehabt?" so lautete der Empfangsgruss, und am Abend erquickte Brot, Honigwasser und saures Bier die Gaeste. Beim Schein der Lichter fand Abends Gesang und Tanz statt, und mancher hohe Beamte legte sich berauscht zur Nachtruhe nieder. Keine andere fuerstliche Residenz kann in jaemmerlicherem Zustande sich befinden als Debra Berhan, "der Huegel des Ruhms". Es besteht aus elenden Gebaeuden, deren ohne Moertel zusammengefuegte Mauern einzustuerzen drohen. Palissaden umgeben das Ganze und schliessen den mit Rasen ueberzogenen Audienzraum ein, der jedoch auch zugleich einigem Vieh zum Aufenthalt dient. Hier hat der Koenig eins seiner bedeutendsten _Sklavendepots_, in welchem dem Besucher ein wahres Babel von verschiedenen Sprachen entgegenklingt; auch die Gesichtszuege deuten auf verschiedene Rassen, und nur die abessinische Kleidung ist allen gemeinsam. Da geht der riesige heidnische Neger mit aufgeworfenen Lippen und blutunterlaufenen Augen gleich einem schwarzen Herkules umher. Stark wie drei Gaeule, traegt er eine ungeheure Holzlast, welche zwei Abessinier nur mit Muehe bewaeltigen koennten. Fuenfzehn Maria-Theresia-Thaler hat der Koenig fuer dies ausgezeichnete Exemplar gezahlt, das fern vom Nil hierher verhandelt wurde. Er hat hier ein ganz gemaechliches Leben, vollauf zu essen und dient als Holzhauer im Walde; in seine Lage hat er sich stumpfsinnig gefunden. Anders der feurige Galla, der ihm folgt und in dessen Gemueth noch nicht der Geist der Unabhaengigkeit erloschen ist. Seine schlanke Figur und gekruemmten Beine verrathen den wilden Reiter der grasigen Ebene. Schwermuethig, mit gebeugtem Sinn, schleppt er seine Buerde und denkt an die Savannen am Hawasch, seine Heimat. Unter der Aufsicht eines alten Eunuchen nimmt eine Schar brauner Sklavinnen ihren Weg zum Flusse. Sie tragen schwere irdene Wasserkruege auf dem Ruecken und singen leise ein trauriges Lied, das wol von der Heimat erzaehlt, von Gurague. Es sind Christinnen, alles schoene, schlanke Maedchen, weit schoener als ihre Tyrannen, das rabenschwarze Haar ist mit gelben Blumen geschmueckt und in den langen Augenwimpern haengt eine Thraene der Wehmuth. - Hinter ihnen folgen einige bevorzugte Damen, in Staatsgewaendern mit rothem Rande - sie haben laengst das Andenken an ihr Land und ihre Verwandtschaft vergessen. Das sind die koeniglichen _Braugesellen_; silberne Knoepfe in den Ohren, zu ungeheurem Umfang auffrisirte Haare zeichnen sie aus; sie koennen plappern und schwatzen soviel sie wollen, aber ueber einen gewissen Raum duerfen sie nicht hinaus, das verbietet ihnen der begleitende Eunuch. Der eine traurig, der andere froh - so leben die Menschen im Sklavenraume des Koenigs. - Ein Monat war in dem kuehlen, aber angenehmen Klima zu Debra Berhan verflossen, als der Koenig beschloss, seine jaehrliche _Truppenmusterung_ abzuhalten, und zwar am Maskalfeste, dessen Bedeutung wir schon kennen lernten. (Siehe S. 124.) Viehherden, vor Kaelte sich schuettelnde Kameele, die in das ihnen ungewohnte Bergland versetzt waren, lange Sklavenzuege waren zusammengetrieben worden, um theils zur Nahrung, theils zur Bedienung verwendet zu werden. Am Vorabend rueckten mit Fackeln in den Haenden die koeniglichen Garden vor das Zelt Sr. Majestaet, um dort zu Ehren der Gesandtschaft einen Kriegstanz aufzufuehren. Praechtig nahmen sich die mit reichem silberbeschlagenen Reitzeug versehenen Rosse der Offiziere unter den dunklen wilden Kriegern aus, die den amharischen Kriegsgesang anstimmten und sich dann zur Ruhe begaben. Sehr unkoeniglich war das Aussehen des Palastes beim Tagesanbruch und hoechst unfuerstlich die bei Hofe herrschende Verwirrung. Unsauberkeit und knoecheltiefer Schmuz herrschte ringsum; der Thuerhueter zerschlug einen Stock nach dem andern auf den Koepfen des herbeidraengenden heftigen Volkes, das nicht einmal still wurde, als Seine Majestaet sich in der Thuer des Banketsaales niederliess. Vor dem Throne verrichtete ein Schmied seine Arbeit weiter, ohne darauf zu achten, dass ein Hagel von Staub und Kohlenasche auf den Koenig niederfiel. Zwanzig bleiche Eunuchen, die als Zeremonienmeister wirkten, fuehrten die Scharen der Vasallen, der Priester, Moenche, Weiber, Sklaven und Ackerbauer zum Fuersten, der von jedem ein Geschenk empfing, sodass Honig, Butter, Perlen u. s. w. bald in grosser Menge aufgestapelt waren. Die Scenen der Unordnung wichen der hoeher steigenden Sonne und vor dem Erscheinen der britischen Gesandtschaft, die in voller Uniform vor dem Koenige aufzog, der in Staatskleidung, von den Generalen der Reiterei, der Leibgarde und der hoeheren Geistlichkeit umgeben, auf einem beweglichen Thronsessel dasass. Zunaechst rueckten nun dreihundert Mann auf den Schauplatz, die hoch ueber ihrem Haupte Buendel abgeschaelter und mit Binsen zusammengebundener Ruthen trugen. Sie begruessten die Rueckkehr der Bluetenzeit, "wenn die Floehe wiederkommen und die Fliegen erscheinen", mit Gesang, der lauter und lauter zum Kriegsrufe anschwoll. Die Buendel wurden dann auf einen Haufen vor dem Throne niedergelegt, waehrend die in Thierfelle gekleideten Fuehrer dieser Truppe einen Kriegstanz begannen, ihre Leute zum Gefecht aufforderten und mit einem schrecklichen Geheul diese Exerzitien schlossen. [Illustration: Truppenmusterung des Koenigs von Schoa. Nach M. Bernatz.] Hierauf wurden die englischen Gaeste zu einem mit bunten Teppichen ausgekleideten Pavillon gefuehrt, von dem aus der Koenig mit seinen Wuerdentraegern der Revue beiwohnen wollte. Im Hintergrunde standen dichte Reitermassen, waehrend in einer Entfernung von etwa 100 Schritten ein grosser Scheiterhaufen blattloser Weidenruthen auf dem gruenen Rasen aufgestapelt lag. Um denselben hockten unter ihren Schilden, gleich Schildkroeten unter ihrer Schale, lange Reihen Krieger; je drei hatten grosse Feldschlangen von ungewoehnlichen Dimensionen mit Zuendkraut und Lunte zu bedienen. Nun begann die _Revue_ mit dem Aufmarsch der Leibgarde zu Fuss, von der drei Viertel mit den geschenkten englischen Musketen bewaffnet war. In vier Compagnien marschirte sie unter dem Gebruell des Kriegsgesanges auf, nicht wenig stolz auf die blitzenden, bisher in Abessinien unbekannten Bajonette. Nachdem sie das Feld durchmessen, kauerten die Krieger auf dem Grunde nieder, als waeren sie in Bereitschaft, anrueckende Reiterei zu empfangen, waehrend ein graukoepfiger Veteran tanzend vor der Front ein Geheul zum Besten gab, das aus einer Wolfsschlucht zu stammen schien und mit einer Salve beantwortet wurde. Nachdem diese Truppe abgetreten war, rueckte die glaenzende Schwadron der berittenen Lanzentraeger, die Bluete der schoanischen Kavallerie, heran. Kuehn sprengte an der Spitze, auf schoenem Ross, mit einem rothen Fell ueber der Schulter, der Fuehrer und hinter ihm, in einer Linie von fast einer Viertelstunde Breite, die Schwadron. Nachdem er eine Anrede gehalten, sprengten die stattlichen Reiter im Galopp vorueber nach dem Scheiterhaufen zu, wo die grossen Kesselpauken ertoenten und die Feldschlangen losgebrannt wurden. Jetzt aber wandte sich das Erstaunen der Versammlung den Englaendern zu, deren Artilleristen den bronzenen Dreipfuender, welcher von Ochsen hierhergeschleppt worden war, bedienten. Als der Donner desselben erschallte und weisse Rauchwolken in die Luft stiegen, wie man sie bisher nur von brennenden Doerfern gesehen - da kannte die Verwunderung der wilden, hier versammelten Galla keine Grenzen. Dreizehn in Loewen- oder Leopardenfelle gekleidete Gouverneure fuehrten nach und nach ihre Truppen vor. Dann war die Revue beendigt und die ausgehungerten Offiziere, Edlen, Hoeflinge und Geistlichen begannen mit wahrer Wuth ueber das rohe Ochsenfleisch herzufallen und es in unglaublichen Mengen zu vertilgen. Acht- bis zehntausend Reiter waren versammelt gewesen, und das Schauspiel, das von Morgens 9 Uhr bis Nachmittags 5 Uhr waehrte, hinterliess einen wilden und ungewoehnlichen Eindruck. Die Bewaffnung und das Reiten der Leute war vorzueglich und unter guter Fuehrung von ihnen Tuechtiges zu erwarten. Als dann die Nacht herniedersank, da wurde dem Koenige wie dem Volke von Seiten der Englaender noch ein Schauspiel geboten, von dem jene sich nichts traeumen liessen. Praechtige Raketen stiegen zum tiefschwarzen Himmel empor und zerplatzten, Leuchtkugeln entsendend, mit herrlichem Lichte. Menschen und Thiere, Alles wurde rebellisch, und die Achtung vor den Gaesten, welche Kometen an den Himmel zaubern konnten, wuchs mehr und mehr. Schliesslich wurde der Scheiterhaufen aus Weidenruthen angezuendet, und die Fackeltraeger fuehrten zu Ehren der Auffindung des heiligen Kreuzes einen Tanz auf. -------------- _Angollala_, an der Gallagrenze, wurde etwa im Jahre 1830 gegruendet und vom Koenige zur Hauptstadt des westlichen Theils von Schoa erhoben. Hierhin begab man sich, nachdem das Maskalfest vorbei war, und 3000 Reiter bildeten das Geleit des Negus, der auf einem reich gezaeumten Maulthiere ritt. Vier- bis fuenfhundert runde Huetten mit rohen Steinmauern und Strohdaechern bedecken die Abhaenge einer Anzahl flacher Huegel, die ein grosses Viereck einfassen. Auf der Spitze des hoechsten Huegels steht der von sechs Reihen Palissaden beschuetzte koenigliche Palast, aus dessen Mitte ein zweistoeckiges, finstres Gebaeude hervorragt, das ein Albanese erbaute und welches trotz seiner Mangelhaftigkeit in Bezug auf Architektur alle uebrigen Gebaeude Schoa's ueberragt. Doch hat es von Erdbeben gelitten, und "Erdbeben", so meinte Se. Majestaet, "sind ein uebles Ding, denn sie werfen Haeuser und Menschen um". Vor dem Palaste, zu welchem ein steiler Weg hinauffuehrte, begruesste eine dichtgedraengte Menschenmenge den Koenig und seine Gaeste mit lautem Jubelgeschrei. Kuechen, Vorrathshaeuser und Brauereien lagen rings um das Gebaeude, das mit dem langen Banketsaale, der Audienzhalle, den Frauengemaechern und einzelnen Zellen ein merkwuerdiges, aber keineswegs imponirendes Ganze ausmachte. Der Despot fuehrte seine Gaeste in den ersten Stock, zu welchem man auf einer Leiter gelangte. Auf dem Fussboden, der mit frischem Gras bestreut war, brannte in einem eisernen Ofen ein Feuer, an welchem sich behaglich mehrere Katzen waermten, die in keinem koeniglichen Palaste fehlen. Im Alkoven befand sich ein schmuziges Lager, und wenige Flinten machten den einzigen Schmuck der kahlen, weissgetuenchten Waende aus. "Ich habe euch", hub der Koenig an, "hierhergefuehrt, um euch zu zeigen, was mir fehlt. Diese Gemaecher muessen ausgeschmueckt werden, und ich wuensche, dass euer Maler (Herr Bernatz) sie mit Elephanten, Soldaten und sonderbaren Darstellungen aus eurem Lande verziere. Jetzt koennen meine Kinder sich entfernen." Die Naechte, welche die Gesandten hier verbrachten, waren keineswegs angenehm; sie froren ungemein und wussten sich kaum vor der Kaelte zu schuetzen; in der Fruehe hatte regelmaessig weisser Reif die Wiesen ueberzogen. Auch am Tage bot sich ihren Augen gerade kein liebliches Bild. Rings um den Palast lag Schmuz, Asche und Kehricht knoecheltief oder in grossen Haufen. Halbwilde Hunde fallen am Tage die Menschen an und lassen in der Nacht wegen ihres grauenhaften Gebells Niemand schlafen. Kurz vor Sonnenaufgang weckt das Gekraeh von tausend Haehnen die dennoch etwa sich im Schlummer Wiegenden, und wer trotzdem noch nicht erwacht sein sollte, wird durch das Gebruell des um alle moeglichen Dinge petitionirenden Volkes aufgestoert, welches unter dem Rufe "Abiet! Abiet! Meister! Meister!" mit dem Fruehgrauen sich zum Palaste draengt. Lernten Harris und seine Gefaehrten auch in Angollala manches Interessante kennen, so war der Aufenthalt daselbst doch keineswegs angenehm zu nennen. In der Umgebung Angollala's befindet sich das Naturwunder Schoa's, die _Schlucht der Tschatscha_, zu welcher der Koenig eines Tags seine Gaeste hinfuehrte, doch war der Monarch an diesem Tage gerade schlechter Laune, da sein Lieblingsross, das er in der Schlacht einem maechtigen Galla-Haeuptling abgenommen hatte und das seinen Stall in der koeniglichen Bettkammer hatte, durch die Unvorsichtigkeit eines Pagen umgekommen war. "Was denkt ihr von meinem Galla-Graben? Habt ihr etwas Aehnliches in eurem Lande?" so redete der Herrscher seine Gaeste an, als er sie an Ort und Stelle gefuehrt hatte, und in der That liess sich schwerlich eine grossartigere und schauerlichere Naturscenerie denken, als sie die Schlucht der Tschatscha zeigte. Die gruenen Wiesen des Distriktes Daggi sind hier auf eine seltsame Weise durch niedrige, kahle Huegelketten durchsetzt, zwischen denen kleine Baeche dem tief unten gaehnenden Erdriss zustroemen, welcher den Boden gleich einem gewaltigen Spalt durchzieht. Felsig, zerrissen und scharfkantig sinkt dieser Schlund ploetzlich 1000 bis 1500 Fuss tief und ueber eine Viertelstunde breit urploetzlich in der Ebene nieder. Seine aus felsigem Gestein bestehenden Seitenwaende sind duenn mit zartem Moose und suessduftendem Thymian ueberzogen, und nur wenige armselige Huetten sind auf einzelnen vorspringenden Terrassen der Waende angebracht, die sonst in ihren duestern Hoehlen den Woelfen und Hyaenen Schlupfwinkel darbieten, waehrend hoch oben ueber dem gaehnenden Abgrunde Geier und Adler ihre Kreise in weiten Bogen ziehen. Der Aberglaube des Volks bevoelkert aber den Spalt mit allerlei Unholden, waehrend der Koenig nicht mit Unrecht in ihm die beste Schutzwehr gegen die jenseit desselben wohnenden Galla sieht. Tief unten auf dem Boden, nur mit Schwindeln anzusehen, murmelt in tausend kleinen Wasserfaellen gleich einem Silberfaden die Tschatscha hin, um ihren Tribut dem maechtigen Nil darzubringen. Da, wo die Schlucht sich etwas erweitert, liegen die koeniglichen Eisenwerke von Gurejo. Hier wird auf rohe, echt afrikanische Art durch ein einfaches Ausschmelzen ein ziemlich gutes Eisen gewonnen. [Illustration: Empfang des Negus beim Einzuge in Angollala. Nach M. Bernatz.] In einen dunkelgruenen Wachholderhain eingehuellt, erhebt sich auf einem Huegel am jenseitigen Ufer das stille Staedtchen _Tscherkos_, dessen Einwohner einst alle, Mann, Weib und Kind, ueber tausend an der Zahl, in einer einzigen Nacht von den wilden heidnischen Galla unter Fuehrung des Rebellen _Medoko_ hingeschlachtet wurden, zur Rache fuer eine ihm am Hofe zu Ankober widerfahrene Beleidigung. Der stolze schoene Mann, auf den alle Frauen des Landes mit nicht geringer Bewunderung schauten, trat einst vor den Koenig hin, brachte ihm 10 herrliche Streitrosse, 500 Ochsen, 20 Sklaven und zwei grosse Koerbe voll Silberthaler, die gnaedig angenommen wurden. Aber die Hand der Prinzessin Worka Ferri, um die er darauf bat, wurde ihm abgeschlagen und er selbst schnoede misshandelt; der Beichtvater des Koenigs trat ihm in das Gesicht, dass das Blut herunterlief, und die Staatsfestung Gontscho nahm ihn auf. Wie durch ein Wunder entkam er wieder zu seinen Galla, die, seinem Rufe folgend, in hellen Haufen herbeieilten und Tscherkos nebst seinen Einwohnern verbrannten. Unter der Fuehrung ihres Koenigs rueckten nun die Schoaner aus, und bei Angollala kam es zur blutigen, lange schwankenden Schlacht. Medoko unterlag und floh in die geheiligten Asylraeume des Klosters Affaf Woira, wo er sich sicher waehnte. Da erschien dort eine feierliche Prozession, welche dem Rebellen die Verzeihung des Koenigs ueberbrachte und ihn wieder zu Hofe kommen hiess. Medoko folgte der Stimme zu seinem Unglueck. Neuer Verrath wurde gegen ihn gesponnen, und eines Nachts traten sechs Verschworene an sein Lager, um ihn mit ihren Schwertern zu durchbohren. Noch einmal sprang der verwundete, riesenkraeftige Loewe auf, ein Blutbad unter seinen Moerdern anrichtend, dann sank er zusammen. Seinem Volke, das um ihn lange Jahre trauerte, erschien er aber als Heros und Maertyrer, und die Fehden zwischen Abessiniern und Galla nahmen mit erneuter Wuth ihren Fortgang. Die Galla. Die Galla sind ein schoener Menschenschlag, dessen Physiognomie kaukasisch ist. Ihre Sprache weicht bedeutend von den echt semitischen Sprachen ab, aber in Konjugation, den Fuerwoertern und vielen anderen Woertern verraeth sie doch einen semitischen Charakter und bildet mit den Sprachen der Danakil und Somalen eine eigene Familie des semitischen Sprachstammes. Von ihren zahlreichen Unterabtheilungen haben Krapf und Isenberg ueber fuenfzig herausgefunden, welche fast alle voneinander unabhaengig sind, hier und da in Feindschaft miteinander leben, aber dieselbe Sprache reden und urspruenglich dieselbe heidnische Religion hatten. Ueber ihre Herkunft bestehen verschiedene Sagen. Die Muhamedaner aus Argobba, oestlich von Schoa, wollen sie aus Arabien herleiten; doch ist dies sehr unwahrscheinlich. Dagegen bemerkt eine abessinische Schrift, welche Krapf in Schoa zu sehen bekam, Folgendes: "Eine koenigliche Prinzessin von Abessinien heirathete zur Zeit Nebla Denjel's im 14. Jahrhundert, als die Koenigsfamilie noch auf dem Berge Endoto residirte, einen Sklaven, der ein Hirte war aus dem Sueden von Gurague, und gebar ihm sieben Soehne, die alle das Geschaeft ihres Vaters trieben und dessen Sprache redeten. Als sie erwachsen waren, sammelten sie viel Volks um sich und gaben sich der Raub- und Pluenderungssucht hin, sodass sie zuletzt die Abessinier beunruhigten." Von einer Schlacht, die sie den letzteren in Gurague am Flusse Galla lieferten, sollen sie den Namen erhalten haben, mit dem die Abessinier und andere umwohnende Voelker sie benennen. Sie selbst aber heissen sich Ilmorma, Menschenkinder. Spaeter, nachdem Granje mit seinen muhamedanischen Horden Abessinien verwuestet hatte, liessen sich mehrere Staemme von ihnen in Schoa nieder. Spaeterhin wiesen die neuen Koenige von Schoa den Wollo-Staemmen, die entweder damals schon den Muhamedanismus angenommen hatten oder dasselbe spaeter thaten, die Nordgrenze von Schoa an, wo sie bis 1856 eine Schranke bildeten, welche die Verbindung zwischen diesem Lande und Abessinien erschwerte, bis Koenig Theodoros II. Schoa und mit ihm die Wollo-Galla unterwarf. Diese noerdlichen Galla sind fanatische Muhamedaner geworden, waehrend es den christlichen Abessiniern nicht gelungen ist, unter ihnen viel Proselyten zu machen. Auch diesen heidnischen Galla gegenueber bewaehrt sich wieder die afrikanische Regel: Der Islam siegt ueber das Kreuz. Die urspruengliche Religion der Galla ist eine Naturreligion. Sie verehren ein hoechstes, unsichtbares Wesen, welches sie _Wak_ (Himmel) nennen. Ihn betrachten sie als den Urheber aller Dinge und Geber aller Gaben, daher richten sie ihre Gebete hauptsaechlich an ihn. Obgleich sie keine bestimmte Idee von ihm haben, so schreiben sie ihm doch Persoenlichkeit zu und glauben, dass er sich ihren Priestern im Traume offenbare, dass er zu ihnen rede im rollenden Donner, sich ihnen zeige im leuchtenden Blitze, dass er ueber Krieg und Frieden, Fruchtbarkeit und Theuerung entscheide. Jedoch steht Wak nicht allein, sondern hat zwei Untergottheiten zu Gehuelfen, deren eine _Oglia_, maennlich, deren andere _Atete_, weiblich ist. Letzteren beiden feiern sie gewisse Feste im Jahre, an welchen sie ihnen Opferthiere, Ziegen und Huehner schlachten, sich ihre Gunst erbitten und ihren Willen durch Besichtigung der Eingeweide der Opferthiere zu erfahren suchen. Die Feste des Oglia werden im Januar und April, das der Atete im September gefeiert. Dem Wak ist jeder Sonntag geweiht, den sie grossen Sabbat nennen, zum Unterschiede vom Sonnabend, welchen sie den kleinen Sabbat heissen. Gewisse Baeume sind den Galla heilig; unter diesen opfern sie und verehren ihre Goetter. In besonders grosser Achtung steht ein grosser Maulbeerfeigenbaum an den Ufern des Hawasch im suedlichen Schoa. Hier versammeln sich jaehrlich ihre Priester und Grossen von mehreren Staemmen, um Wak zu verehren und ihre Bitten an ihn zu richten. Dieser Baum heisst Wadanabe und ist Sammlungsort der Galla von den verschiedensten Staemmen; nur Weiber duerfen ihm nicht nahen. Ein anderer Baum, unter welchem dem Wak jaehrliche Opfer gebracht werden, heisst Riltu. Waehrend sie opfern beten sie: "O Wak, gieb uns Tabak, Schafe und Ochsen, hilf uns, unsere Feinde zu toedten. O Wak, fuehre uns zu dir, fuehre uns zum Paradiese und fuehre uns nicht zum Satan". Auch der Ahorn und der Wanzabaum werden fuer heilig gehalten. Die Besichtigung der Eingeweide der Opferthiere wird namentlich zur Entscheidung von Krieg und Frieden angewandt. Sie nehmen das Fett aus der Bauchhoehle, legen es auseinander und bestimmen die eine Seite fuer die Galla, die andere fuer ihre Feinde; die Seite nun, auf welcher das meiste Blut in den Adern sich befindet, erhaelt den Sieg. Die beiden Untergottheiten Oglia und Atete gebieten wieder ueber eine Menge unsichtbarer Wesen, die sie Zaren nennen und denen sie gute und boese Eigenschaften zuschreiben; daher werden auch diesen Verehrung und Opfer dargebracht. Zur Ausuebung des Dienstes haben sie Priester (Kalitscha) und Zauberer (Luba). Der Priester hat die Leitung der Gottesverehrung, die Wahrsagung, Segen und Fluch u. s. w. zu besorgen. Er trocknet die zum Wahrsagen gebrauchten Eingeweide, legt sich dieselben um den Hals und zieht damit im Lande herum. Merkwuerdig ist, dass ein ganzer Stamm der Galla fuer heilig gehalten wird, und zwar sind dieses die Watos, die ueberall frei umhergehen, segnen oder fluchen duerfen, ohne dass ihnen Jemand ein Hinderniss in den Weg legte. Dieser Stamm behauptet im Besitze urspruenglich reiner Galla-Natur zu sein, und seine Angehoerigen heirathen nur unter sich. Sie kennen kein anderes Geschaeft als Segnen und Fluchen, und weil Alles in dem Glauben steht, dass, was sie sagen, eintreffen muesse, so sind diese Leute sehr respektirt. Kein Galla laesst einen Wato zu sich ins Haus kommen, aber Lebensmittel in Menge werden ihnen, wo sie sich zeigen, vor die Haeuser gebracht, weil man im Unterlassungsfalle ihren Fluch fuerchtet. Sie lieben, wie die Waitos (vergl. S. 90), das Fleisch des Flusspferdes, welches in grosser Menge im Hawasch vorkommt. Ueber den Ursprung der Menschheit haben die Galla einen dunklen entstellten Begriff, jedoch scheinen sie nicht zu glauben, "dass alle von einem Blute herkommen". Sie sagen, ihr erster Stammvater habe Wolab geheissen; Wak habe ihn aus Thon gebildet, ihm dann eine lebende Seele gegeben und ihn am Hawasch angesiedelt. Ihre Eidschwuere verrichten die Galla auf eine sonderbare Weise. Eine tiefe, enge Grube wird in den Erdboden gegraben und in dieselbe steckt man einige Lanzen. Dann wird sie mit einer Thierhaut bedeckt, und die Betheiligten schwoeren nun, dass, falls sie ihr Versprechen nicht hielten, sie in eine solche Grube stuerzen, ihre Leiber mit Lanzen durchbohrt werden und ungeraecht und unbegraben liegen bleiben moegen. Einmal geschlossene Freundschaft soll heilig gehalten werden, wenn sie auch unter den verschiedenen Staemmen selten zu sein scheint, da diese sich stets untereinander befehden. Heirathet ein Galla, so bekommt die Frau ihre Mitgift vom Vater; scheidet sie sich aber von ihrem Manne, so behaelt der Mann das Heirathsgeschenk. Gewoehnlich heirathen sie drei Frauen. Stirbt der Mann, so ist sein Bruder verpflichtet, die Witwe oder Witwen zu heirathen. Die Sanktion der Heirathen erfolgt allemal durch den Abadula oder Vorgesetzten mehrerer Doerfer. Toedtet ein Galla einen Fremden, der nicht von seiner Nation ist, so erwirbt er sich dadurch viel Ruhm, toedtet er einen Stammverwandten, so hat er, ist der Getoedtete ein Mann, 100 Ochsen, ist es eine Frau, 50 Ochsen zu bezahlen. Da abessinische Christen nebst den sie umgebenden Muhamedanern keine Muehe, keine Schlechtigkeiten scheuen, Galla-Soehne und Toechter als profitable Menschenwaare in den abscheulichen Sklavenhandel zu ziehen, so ist's natuerlich, dass sie alle Fremden als Feinde betrachten. Abessinische Fuersten wollten ihnen das elende Christenthum, welches sie selbst hatten, mit dem Schwerte aufdringen; abessinische Moenche wagten ihr Leben selbst daran, ihnen den Genuss des Kaffees und Tabaks nebst anderen, von den Abessiniern fuer unrein gehaltenen Speisen und Getraenken, abzuschneiden, und dafuer nicht das Evangelium, sondern strenge Fastengesetze und andere Observanzen aufzubuerden; kein Wunder, dass sie sich gegen Beides mit aller Macht wehrten. Sie haben die Idee, dass sie sicher bald sterben muessen, wenn sie Christen werden, und daher sehen sie auch die ihnen vorgesetzten Christen mit Abscheu an. Tritt ein solcher Gouverneur seine Stellung an, dann ruft das Volk einstimmig: "Moege er bald sterben, moege er bald sterben." [Illustration: Eine Galla (die Frau Eduard Zander's). Originalzeichnung von E. Zander.] Die Kriege zwischen Abessiniern und Galla haben eigentlich nie recht aufgehoert. So oft auch letztere unterlagen, so erhoben sie sich doch immer wieder. Zu Tausenden verkaufen dann die biederen Christen die armen Heiden und fuellen sich die Taschen mit blanken Maria-Theresia-Thalern, welche sie fuer die Menschenwaare erhalten. Ein Hauptsklavenmarkt ist Metemme, die Hauptstadt des Gebietes Gallabat, an der Grenze zwischen Abessinien und dem aegyptischen Sudan. Baker besuchte dort 1862 die Sklavenhaendler. Sie wohnten in grossen Mattenzelten und besassen viele junge Maedchen von ausserordentlicher Schoenheit, deren Alter zwischen neun und siebzehn Jahren wechselte. Diese liebenswuerdigen Gefangenen mit einer schoenen braunen Farbe, zart geformten Zuegen und Gazellenaugen waren Gallamaedchen, welche aus ihrem Vaterlande an den abessinischen Grenzen von abessinischen Haendlern hierher gefuehrt wurden, um in die tuerkischen Harems verkauft zu werden. So schoen diese Maedchen sind, taugen sie zu keiner schweren Arbeit und kraenkeln und sterben bald, wenn man sie nicht freundlich behandelt. Man sieht mehr als eine Venus unter ihnen, und nicht genug, dass ihr Gesicht und ihr Wuchs vollendet schoen sind, beweisen sie denen, welche sie gut behandeln, die groesste Anhaenglichkeit und werden sehr brave und treue Frauen. Es liegt etwas eigenthuemlich Gewinnendes in der natuerlichen Anmuth und Milde dieser jungen Schoenheiten, deren Herz jenen tieferen Liebesgefuehlen, welche unter rohen und rauhen Staemmen selten bekannt sind, eine rasche Antwort geben. Ihre Formen sind auffallend elegant und anmuthig, die Haende und Fuesse namentlich ausserordentlich zart. Die Nase ist gewoehnlich leicht gebogen und mit grossen und schoengeformten Oeffnungen versehen. Das schwarze und glaenzende, aber ziemlich grobe Haar, reicht etwa bis zum halben Nacken hinunter. Obgleich diese Maedchen aus den Gallalaendern sind, bezeichnen sie sich stets als Abessinierinnen und sind unter diesem Namen allgemein bekannt. Sie sind ausserordentlich stolz und hochgesinnt und lernen merkwuerdig schnell. In Chartum haben sich mehrere der angesehensten Europaeer mit solchen reizenden Damen verheirathet, welche ihren Maennern ohne Ausnahme grosse Liebe und Ergebenheit bewahren. In Gallabat betrug der Preis fuer eine dieser Schoenheiten zwischen 25 und 40 Thalern. Einige Jahre nach Baker's Aufenthalt (Maerz 1865) scheint aber der Handel mit Gallamaedchen in Metemme fast erloschen zu sein und der schlechteren Waare vom Weissen Flusse Platz gemacht zu haben, denn Graf Krockow, welcher damals dort war, bemerkt: "Die in frueheren Zeiten massenhaft fuer die Harems der Reichen exportirten jungen, feurigen, abessinischen Maedchen kommen jetzt nur selten auf den Markt, denn in ihrer Heimat hat das abscheuliche Treiben fast ganz aufgehoert" (?). Jedenfalls stehen die Gallamaedchen weit ueber den lasterhaften Abessinierinnen und vermoegen nach Umstaenden wohl auch einen Europaeer zu begluecken. Lassen wir darueber einen Brief Eduard Zander's vom 27. Juni 1854 reden: "Seit einem Jahre und einem Monat bin ich auf Befehl des Regenten Ubie verheirathet, und vor zwei Monaten ist mir unter Gottes Beistand auch ein Toechterlein geboren worden. Es ist ganz deutschen Charakters, weiss und blond, sehr wohlgestaltet und schoen und erhielt in der Taufe nach abessinischem Ritus die Namen Maria Sophia. - Zwanzig Monate sind jetzt verflossen, da veranstaltete Ubie eine grossartige Schmauserei, zu der an einem Tage nicht weniger als 300 Kuehe abgeschlachtet wurden; Alles war guter Dinge und der Honigwein floss in Stroemen. Auch ich war besonders von Ubie eingeladen worden; bei ihm angelangt, befahl er sofort, dass ich mich neben ihn auf seine Alga setzen sollte. Das Weilen auf diesem Platze gilt fuer die groesste Auszeichnung bei Hofe, welche nur den Mitgliedern des hoechsten Adels zu Theil wird. Ubie hatte mich im Laufe der Zeit genau kennen gelernt und sehr lieb gewonnen, sodass ich schon vor zwei Jahren in den hohen Adel erhoben wurde und zu jeder Zeit ungehinderten Eintritt bei ihm hatte. An diesem Tage war er ganz besonders heiterer Laune, er sprach viel mit mir und fragte mich nach allen moeglichen Dingen, unter anderm, warum ich nicht verheirathet sei? Offen und rund heraus erklaerte ich ihm denn, dass die Toechter seines Landes mir keineswegs gefielen, da ihnen das, was wir an den Frauen vor Allem schaetzten, fehle, naemlich Ehrbarkeit und Tugend. Du hast Recht, entgegnete mir Ubie, sie taugen alle nicht fuer dich, denn du bist ein ordentlicher Mann. Ich werde selbst fuer dich sorgen und dir eine passende Frau aussuchen. Kaum waren fuenf Monate vergangen, so erfuellte Ubie bereits sein Wort. Waehrend dieser Zeit hatte er nach allen Richtungen des Landes Boten ausgesandt, die fuer mich eine geeignete Frau suchen sollten; keiner aber hatte eine schickliche gefunden. Da langten eines Tages muhamedanische Kaufleute hier an, unter denen sich ein Sklavenhaendler befand, welcher sieben schoene Sklavinnen feil hatte. Ubie liess sich die Maedchen vorfuehren und suchte unter allen sieben die schoenste aus, um sie mir zum Weibe zu schenken. Das Vaterland meiner Frau ist Lima; die Bewohner sind Galla, der Regent oder Oberhaeuptling des Landes heisst Ababokiwo. Meine Frau zaehlt jetzt 16 Jahre. Sie hat mich lieb gewonnen, ist mir treu ergeben und von Charakter sanft, ihr Verstand ist scharf und hell. Was sie aber besonders auszeichnet, ist Sittsamkeit und Tugend." In seiner Heimat, wo das Schwert des abessinischen Eroberers noch nicht eindrang, ist der Galla ein freier, unabhaengiger Mann, dem nur der Distriktsvorsteher oder Abadula und der oberste Haeuptling oder Heiu zu befehlen hat. Der Heiu regiert nur acht Jahre, alsdann tritt er ins Privatleben zurueck, weil dann ein anderer Heiu, ein Mann von kriegerischem Muthe und Talent, gewaehlt wird. Sein Geschaeft besteht darin, dass er durch den ganzen Stamm zieht, alle Hauptangelegenheiten seines Staates schlichtet und unterstuetzt und namentlich ueber Krieg und Frieden entscheidet. Dabei ist der Ort, in welchem er sich gerade aufhaelt, verpflichtet, ihn zu unterhalten. Stirbt ein Galla, so erhebt sich, wie fast im ganzen Oriente, allgemeine bittere Klage. Ist der Verstorbene ein Hausvater, so rasiren sich, zum Zeichen der Trauer, die Kinder am ganzen Leibe. Der Todte wird anstaendig begraben, das Grab mit schoenen Steinen bedeckt und eine Aloe darauf gepflanzt; dann wird eine Kuh geschlachtet und von den Verwandten verzehrt. Sobald die Aloe ausschlaegt, glauben sie, die Seele des Verstorbenen sei zu Wak ins Paradies gekommen. Jedoch meinen sie, dass auch in jener Welt alle Nationen und Religionen ebenso geschieden sein werden wie hier. Galla, Muhamedaner und Christen kommen jede Partei an ihren besonderen Ort, um die guten oder ueblen Folgen ihres Verhaltens in dieser Welt zu geniessen. Die Luege scheint bei ihnen verpoenter zu sein als bei ihren abessinischen Nachbarn. Wird ein Galla als Luegner ertappt, so verliert er Sitz und Stimme in den oeffentlichen Versammlungen und wird der Verachtung preisgegeben. Was im Vorstehenden ueber die Galla mitgetheilt wurde, ist vorzugsweise den Berichten Krapf's und Isenberg's entlehnt. Das Volk erscheint uns nach diesen Mittheilungen weit liebenswuerdiger und besser als seine abessinischen Bedruecker. Ueber die Art und Weise, wie die letzteren gegen die Galla verfahren, wie sie Land und Volk dieses Stammes auf das Schmaehlichste verwuesten, darueber koennen wir uns am besten unterrichten, wenn wir abermals der Erzaehlung des Major Harris folgen. Wie die meisten anderen afrikanischen Potentaten, unternahm auch Sahela Selassie keinen Krieg wegen des nationalen Ruhmes oder wegen der oeffentlichen Wohlfahrt; seine Kriege waren entweder Raubzuege oder auf die Unterdrueckung von Rebellen gerichtet, und das war auch jetzt wieder der Fall, als er gegen die Galla auszog, wobei er den dringenden Wunsch aussprach, von der Gesandtschaft begleitet zu werden; die Gegenwart derselben sollte ihm Kraft, seinen Voelkern neuen Muth verleihen. Nur fuer 20 Tage wurde die Armee mit Lebensmitteln versehen, woraus man schliessen wollte, dass das Ziel des Feldzuges kein allzufernes war. Angollala war in grosser Aufregung und alle Handwerker damit beschaeftigt, die Waffen in Stand zu richten, waehrend im koeniglichen Arsenale Tag und Nacht grosse Thaetigkeit herrschte. Bei dem aberglaeubischen Charakter der Abessinier war vorauszusehen, dass erst das Schicksal befragt und nach guten oder boesen Vorzeichen geforscht werden muesste. Priester und Moenche hatten in dieser Beziehung alle Haende voll zu thun. Das Herabfallen eines Schildes vom Sattelknopf, die Erscheinung eines weissen Falken sind unguenstige Zeichen, waehrend ein paar Raben Glueck verheissen. Auch das Heulen der Hunde waehrend der Nacht wurde beobachtet, um daraus Schluesse zu ziehen. Endlich brach man auf und zwar in der groessten Unordnung, um aber bald wieder Halt zu machen, damit die zahlreichen Nachzuegler sich sammeln konnten. Vor der Armee wurde unter einem Baldachin von Scharlachtuch die Bibel und die Bundeslade aus der Michael-Kathedrale in Ankober auf dem Ruecken eines Maulthieres vorangetragen, welche den sicheren Sieg gegen den heidnischen Feind verleihen sollten; dann folgte auf reich gezaeumtem Maulthiere der Koenig, umgeben von seinen Luntengewehrtraegern und den Musikanten mit Kesselpauken und Trompeten. An ihn schlossen sich an Gouverneure, Offiziere, Moenche, Priester und zuletzt - das Sonderbarste von allen: 40 Frauen und Fraeulein, welche die koenigliche Kueche zu versorgen hatten. Soweit das koenigliche Gefolge, dem sich unter einer ungeheuren Staubwolke, soweit das Auge reichte, Reiter, Krieger zu Fusse, Saumrosse, Esel, Maulthiere, mit Zelten und Lebensmitteln beladen, sowie grosse Scharen Weiber anschlossen, die maechtige Toepfe mit Bier und Honigwein auf dem Ruecken trugen. Alles in Unordnung malerisch durcheinander. Wenn diese Masse sich niederliess, nahm das Lager einen Raum von anderthalb Stunden im Durchmesser ein, in dessen Mitte das koenigliche Zelt und dabei die Kueche stand. Von Vorposten oder sonstigen Sicherheitsmassregeln war aber, selbst als man schon des Feindes Land betreten hatte, gar keine Rede. Nicht wenig Aufsehen erregten die Bajonnetflinten, die bei diesem Zuge zum ersten Male in praktischen Gebrauch kommen sollten, und die Raketen, welche auf des Koenigs Wunsch die Englaender allabendlich steigen liessen, um die Galla durch den Feuerregen derselben zu schrecken. Frueh am Morgen erschallten die _Nugarits_ oder Trommeln, um die Mannschaften in den Sattel zu rufen, und in einer halben Stunde war die Armee, die mittlerweile auf 15,000 Mann angeschwollen war, wieder auf den Beinen. Das militaerische System Schoa's ist ein rein feudales, da jeder Gouverneur des Reiches im Verhaeltniss zu dem ihm unterstehenden Lande ein Kontingent zu stellen gezwungen ist. Ausser den Pferden, Waffen und Lebensmitteln erhalten die Soldaten nichts und nur 400 Garden des Koenigs bekommen Zahlung, naemlich 8 Amolen (Salzstuecken) im Jahre, etwa 18 Groschen im Werthe, ausser der Bekoestigung, wie sie jeder koenigliche Sklave auch erhaelt. Dass in einer so zusammengesetzten Armee wenig Disziplin herrscht, laesst sich denken. Ohne Ruecksicht fuer die der Reife entgegengehende Ernte, die niedergetreten wurde, waelzte sich die Schar, einem Heuschreckenschwarme gleich, Alles vor sich aufzehrend, in suedwestlicher Richtung weiter, ohne dass die Einzelnen wussten, wohin der Raubzug eigentlich gehe, denn der Koenig bewahrte das Geheimniss seines Zieles so streng, dass nicht einmal seine hoeheren Offiziere davon unterrichtet waren. Nichts konnte einfoermiger sein als der Landstrich, den man zuerst durchzog. Weite, grasige, wellenfoermige, mit Feldern durchsetzte Ebenen, ohne einen einzigen Baum dehnten sich vor dem Heere aus. Verschiedene kleine Baeche und Fluesse, die dem Nile zustroemen, wurden ueberschritten, und Se. Maj., dem es zu viel wurde, immer zu reiten, wollte zur Abwechselung einmal gehen, stieg ab und liess sich ein paar Pantoffeln reichen, die aber bald im Kothe stecken blieben, sodass der Koenig schliesslich vorzog, gleich seinen Unterthanen barfuss einherzuschreiten. In der weiten, von Huegeln umschlossenen Ebene Abai Deggar wurde ploetzlich der Befehl ertheilt, das Lager aufzuschlagen und die Umgebung auszupluendern. Sogleich rueckten im vollen Galopp die Reiterbanden nach allen Richtungen aus, brannten die Doerfer nieder, zertraten das Getreide und trieben das Vieh ins Lager. Fortwaehrend herrschte die groesste Unordnung im Heere, das nur in losen Haufen, weit zerstreut marschirte, und so eher den Anblick einer geschlagenen als einer vordringenden Armee darbot. In ihren kurzen, weiten Beinkleidern, den Leib mit der langen Binde umwickelt, mit dem Leoparden- oder Loewenfell auf der Schulter, mit Speer und Schild bewaffnet, setzten die Reiter durch den schlammigen Boden, der auch des Nachts ihr einziges Lager war; viele blieben aber liegen und gingen an den Strapazen zu Grunde, da es in der Nacht gewoehnlich fror. An der 1200 Fuss hohen Gebirgskette _Garra Gorfu_ war endlich das Ziel erreicht. Langsam zog die Armee zum Ruecken der Berge hinauf, waehrend rechts und links Scharen abschwenkten, um den Feind zu umgehen. In einer Breite von vier bis fuenf und einer Laenge von etwa zwoelf Stunden bilden die mit Feldern bestandenen Garra-Gorfu-Berge eine Wasserscheide zwischen Nil und Hawasch; an ihnen wohnen die _Sertie-Galla_, die sich seit langer Zeit schon in offenem Aufstande gegen den Koenig befanden, d. h. sie hatten die verlangten Steuern nicht bezahlt und sogar eine zur Eintreibung derselben abgesandte Reiterschar von 800 Mann erschlagen. Jetzt nahte der Tag der Rache fuer den verweigerten Gehorsam. Gleich einem angeschwollenen Strome ergoss sich das Heer ueber die friedliche Landschaft, deren Bewohner nichts Boeses ahnten, und nun rueckten 15,000 blutgierige Barbaren gegen sie heran. Ruhig bestellte noch der friedliche Landmann sein Feld, die Weiber gingen ihrer Beschaeftigung nach und auf den blumigen Wiesen weidete das Vieh. "Moege der Gott, welcher der Gott meiner Vaeter ist, uns staerken und verzeihen!" sprach wuthfunkelnden Blickes der christliche Koenig und gab damit das Zeichen zur Verwuestung. Dorf auf Dorf wurde niedergebrannt, bis die Luft durch den Rauch verfinstert war, der Speer des Kriegers durchsuchte jeden Busch nach Fluechtigen. Weiber und Kinder wurden in hoffnungslose Sklaverei abgefuehrt; alte und junge Maenner erbarmungslos erschlagen und die Herden weggetrieben. Jeder Krieger wollte es dem andern an Blutdurst und Grausamkeit noch zuvorthun. Ganze Familien wurden umringt und niedergespeert; Unglueckliche, die auf die offene Ebene sich fluechteten, gleich einem Wild verfolgt und zusammengehauen; drei- oder vierjaehrige Kinder, welche auf Baeume geklettert waren, herabgeschossen, wie man Voegel vom Baume schiesst. Nach Verlauf von zwei Stunden verliess das Heer wieder, mit Beute beladen, das verwuestete Thal. Da, wo die Staette eines friedlichen Ackerbaus gewesen, wo glueckliche Menschen gewohnt, hoerte man nur das Knistern der zusammenbrechenden, niedergebrannten Balken und das Schreien der Geier, die, vom Leichengeruch angelockt, aus weiter Ferne herbeigezogen kamen. Das ist der abessinische Krieg, so war er einst, so war er bis heute unter Theodoros: Ueberfall, Mord, Raub, Schlaechterei - selten eine offene Feldschlacht kennzeichnen ihn. Das Nachtlager der siegreichen Armee bot einen teuflischen Anblick dar. Ueberall flammten die Feuer, bluteten die geschlachteten Schafe, wieherten laut die Rosse, bruellten siegestrunken die Krieger oder weinten leise die gefangenen Gallamaedchen. Die Speere und Schilde der grimmigen Krieger, welche ihre Haende in das Blut unschuldiger Kinder getaucht hatten, funkelten durch die Nacht; erst allmaelig erstarb der wueste Laerm, und die Nacht deckte ihren dunklen Schleier ueber die barbarischen Scenen des Tages. Nach dieser blutigen Fehde hielt der Koenig seinen triumphirenden Einzug erst in Angollala, dann spaeter in der Landeshauptstadt Ankober, welche er seit der Ankunft der britischen Gesandtschaft in Schoa nicht besucht hatte. Erwartet von der gesammten Priesterschaft und den Einwohnern, von den koeniglichen Pauken und den Staats-Sonnenschirmen, seinen Kriegern, Generalen und der britischen Gesandtschaft geleitet, zog er in die jubelnde Stadt ein, deren Daecher, Palissadenzaeune und Strassen mit einer dichten Menschenmasse erfuellt waren. Der Laerm und die Musik dauerten so lange an, bis der Koenig und sein Gefolge den steilen, gewundenen Pfad zum Palaste hinaufgestiegen, die neun Thorwege passirt und im innersten Hofraume Platz genommen hatte. Hier liess sich Se. Maj. in einem erhoehten Alkoven, seinem Throne, nieder; dann ertoente wieder die grosse Pauke und dreihundert im Hofe sitzende Kebsweiber begannen in die Haende zu klatschen, waehrend eine Taenzerin vor dem Herrscher ihre Spruenge machte und ein selbst gedichtetes Lied zu dessen Lobe sang. Wenn sie einen Vers geendigt und z. B. gesagt, dass der Fuerst, der stets ueber seine Feinde triumphirt hatte, niemals seine koenigliche Stirn mit einem schoeneren Siegeskranze geschmueckt haette als gerade jetzt, wandte sie sich nach der Menge um. Mit lautem Geschrei fiel diese als Chorus in ihren Vers ein. Die Krieger heulten dann laut vor Freuden, die Grossen des Reichs, die Haeuptlinge, Gouverneure und Generale klatschten in die Haende und die vor dem Palaste versammelte Menge erwiderte mit lautem Jubelgeschrei diesen Siegesjubel, waehrend, um die Freude voll zu machen, die britischen Artilleristen ihr Geschuetz abbrannten. [Illustration: Siegesfest in Ankober. Nach M. Bernatz.] Am Tage des Erzengels Michael, dessen Kirche unmittelbar neben dem Palaste steht, nahm um Mitternacht Sahela Selassie das heilige Abendmahl und stattete Gott ein Dankgebet fuer den errungenen Sieg ab. Die Bundeslade, die ihm im Kriege Glueck gebracht, wurde wieder in feierlicher Prozession an ihre alte Stelle in der Michaelskirche gesetzt und den Armen reichlich Almosen gespendet. So schloss das Siegesfest. Mit Erlaubniss des Koenigs unternahm die britische Gesandtschaft verschiedene Streifzuege durch das Land, namentlich in die noerdlichen Galladistrikte. Heimgekehrt nach Angollala kam sie ihrem Ziele, dem _Abschlusse eines Handelsvertrages_ mit Schoa, immer naeher, gegen den der Koenig sich anfangs sehr gestraeubt hatte. Die Artikel wurden sauber auf Pergament aufgesetzt und ein Tag zu dessen Unterzeichnung bestimmt. Zur bestimmten Stunde lagerte Se. Maj. im Alkoven, umgeben von den Wuerdentraegern seines Reiches. Das kuenstlerisch ausgestattete Dokument, auf dem die heilige Dreieinigkeit als Schoa's Wappen und das koeniglich englische Siegel angebracht waren, wurde vor Sahela Selassie in englischer und amharischer Sprache verlesen. Unter den 16 Artikeln befanden sich auch solche, welche eine foermliche Umwaelzung in vielen der bisher in Schoa geltenden Anschauungen hervorbrachten. So wurde das Recht der Krone, das Eigenthum fremder im Lande verstorbener Personen ohne Weiteres sich aneignen zu koennen, aufgehoben, viele Monopole beseitigt und den Fremden gestattet, wieder nach dem Besuche des Landes in ihre Heimat zurueckkehren zu duerfen, was vorher nicht der Fall war. Tekla Mariam, der koenigliche Notar, kniete mit dem aufgerollten Dokumente vor dem Lager Sahela Selassie's, dem er die Feder zum Unterschreiben der Stelle darreichte, welche lautet: "So geschehen und beschlossen zu Angollala, der Galla-Hauptstadt Schoa's, zum Zeichen dessen wir unsere Unterschrift und Siegel hier beisetzen, Sahela Selassie, Negus von Schoa, Ifat und der Galla." In Gegenwart hoher Beamten drueckte dann der Schreiber noch das koenigliche Siegel - ein Kreuz, um welches das Wort Jesus geschrieben ist - unter den Handelsvertrag, der dem Kapitaen Harris vom Koenige mit folgenden Worten eingehaendigt wurde: "Ihr habt mich mit koestlichen Geschenken erfreut. Das Gewand, welches ich trage, der Thron, auf dem ich sitze, die vielen Merkwuerdigkeiten in meinen Magazinen, die Flinten, welche in der grossen Halle haengen, sie stammen alle aus eurem Lande. Was kann ich euch dagegen bieten? Mein Koenigreich ist so viel wie Nichts." Kurze Zeit darauf wurde der Koenig, dessen Lebenswandel nicht der solideste war, wieder einmal sehr krank und liess die englischen Aerzte rufen, um ihn zu kuriren. Jammer und Elend mochten sein Herz erweichen und er fasste, gleichsam um die Vorsehung mit sich zu versoehnen, den Entschluss, alle seine maennlichen Verwandten, die er bisher im Staatsgefaengniss zu Gontscho bei Ankober gefangen hielt, zu befreien und auf diese Weise einen Damm zu durchbrechen, den eine barbarische Sitte seiner Vorfahren um den Thron errichtet hatte. Die Koenige von Schoa naemlich hatten, nach erlangter Unabhaengigkeit von den uebrigen Abessiniern, es zur Gewohnheit gemacht, dass Jeder von ihnen bei seiner Thronbesteigung alle seine Brueder in ein Staatsgefaengniss einsperrte, und nur die Schwestern, von denen keine Mitbewerbung um den Thron zu fuerchten war, behielten ihre Freiheit. Dass in einem despotischen Staate wie Schoa sich allerdings eine solche Massregel empfehlen konnte, geht aus der frueheren Regierungsgeschichte des Koenigs Sahela Selassie hervor, da einer seiner Brueder, der die Freiheit behalten und sich dem Klosterleben gewidmet hatte, selbst das Moenchsgewand dazu benutzte, um hier und da im Lande Revolutionen anzustiften. Die Koenige von Schoa nahmen bei jener barbarischen Sitte nur das Verfahren der sogenannten salomonischen Dynastie in Abessinien im Allgemeinen sich zum Muster, und erst im vorigen Jahrhundert wurde diese Sitte in Amhara und Tigrie abgeschafft. _Seitdem herrschte aber dort auch bestaendiger Buergerkrieg._ Das war das letzte bemerkenswerthe Ereigniss, welches die britische Gesandtschaft waehrend ihres Aufenthaltes in Schoa niederzuschreiben hatte, denn bald darauf erfolgte ihre Abberufung. Durch einen in England eingetretenen Ministerwechsel war die Gesandtschaft in Schoa unfreundlich beruehrt worden, indem die neue Tory-Regierung einer Fortsetzung der Verbindung mit Schoa unguenstig war und die Gesandtschaft zurueckberief. Kapitaen Harris hatte jedoch sich gegen die Zurueckberufung gestraeubt und sich angeboten, ohne seinen Gehalt als Gesandter mit seiner blossen Pension als Kapitaen der Artillerie in Ankober zu bleiben. Da keine Antwort hierauf eintraf und die Gesandtschaft an allen Mitteln Mangel litt, musste Kapitaen Harris sich endlich im Februar 1843, nachdem er 18 Monate in Schoa verweilt, zur Umkehr entschliessen. Erst in der Grenzstation Farri erhielt er von der Regierung in Bombay Gegenbefehl; allein es war nun zu spaet, da keiner ausser Harris selbst Lust zur Umkehr spuerte. In Erwiederung auf jene glaenzenden Gaben, die der Koenig von Schoa von England erhalten, schickte dieser nun der Koenigin Viktoria ein huebsches Maulthier, einige naturhistorische Merkwuerdigkeiten und einige Gold- und Silberarbeiten als Industrieerzeugnisse seines Landes zu Gegengeschenken. Auf Verlangen der Gesandtschaft hatte Sahela Selassie derselben auch zwei seiner Soldaten als Boten mitgegeben, um die freundschaftlichen Gesinnungen, die man von ihm erwartete, der britischen Regierung auszudruecken. Noch einige Jahre lebte Sahela Selassie, dessen Ruf durch verschiedene Reisende durch ganz Europa drang; dann segnete er das Zeitliche und erhielt in Hailu Melekot einen weit weniger energischen Nachfolger. Nicht allein, dass die Galla gegen diesen mit erneuerter Macht auftraten und seinen Thron erschuetterten - sondern die Selbstaendigkeit Schoa's ging unter ihm zeitweilig verloren, indem im Jahre 1856 die neu aufgegangene Sonne, Theodoros II., den Staat mit Gesammtabessinien vereinigte. Erst als dieser in den Krieg mit England verwickelt wurde, gelang es dem Enkel Sahela Selassie's, dem jungen Menilek, seine Krone wieder zu erlangen. Der folgende Abschnitt, welcher die so merkwuerdige neueste Geschichtsepoche Abessiniens behandelt, giebt darueber Auskunft. [Illustration: Suedwestfront des Gemp in Gondar. Nach einer Originalzeichnung von E. Zander.] THEODOROS II., NEGUS VON AETHIOPIEN. Bewegte Jugend. - Der Emporkoemmling. - Schlacht von Debela und Koenigskroenung. - Rebellenkriege. - Reformen. - Abessinische Heere und Kriegspraxis. - Verwicklungen mit den Missionaeren. - Gefangennahme Cameron's und Streitigkeiten mit England. - Magdala. - Beginn der englischen Invasion. - Erstuermung von Magdala und Tod Theodor's. - Rueckzug der Englaender. Im aeussersten Westen Abessiniens, angrenzend an das den Aegyptern unterthane Gebiet, liegt die Provinz _Koara_, bekannt durch die besondere Sprache, welche, abweichend von derjenigen des uebrigen Landes, ihre Bewohner reden. Dort sowol als in dem benachbarten Fuerstenthum Sana regierte seit alten Zeiten eine adlige Familie, die im Beginn dieses Jahrhunderts durch den Detschas Hailu Mariam repraesentirt wurde. Seine Frau, die sich ruehmen konnte, aus noch vornehmerem Geschlechte abzustammen, da sie mit der "salomonischen Dynastie" verwandt war, gebar ihm im Jahre 1820 einen Sohn, der _Kasa_ genannt wurde. Gewiss war es dem Knaben, der spaeter den Namen Theodor II. fuehrte, nicht an der Wiege gesungen, dass er einst ueber ganz Aethiopien als Negus herrschen und seine Widersacher niederwerfen werde; denn obgleich aus herzoglichem Geschlecht, bezeichneten seine fruehesten Jahre doch das Elend und die Noth. Beim Tode seines Vaters theilten die Verwandten das Erbtheil Kasa's unter sich und zwangen die aus koeniglichem Blute entsprossene Mutter, sich durch den Verkauf von Heiltraenkchen und Kusso (dem Mittel gegen den Bandwurm) zu ernaehren. Der Knabe aber fand im Kloster Tschankar am Tanasee, suedlich von Gondar, Aufnahme, um sich dort zum Debtera heranzubilden. Dass er dort den Studien fleissig obgelegen und erlernt hatte, was man in Abessinien erlernen kann, dafuer zeugt seine spaetere Laufbahn, in welche der arme Student der Gottesgelahrtheit durch einen Zufall hineingefuehrt wurde. Es war zu Anfang der vierziger Jahre, als wieder einmal ein Rebell die Provinz Dembea heimsuchte und sengend und brennend von Ort zu Ort zog. Auch das Kloster Tschankar wurde ueberfallen und dort ein Blutbad angerichtet, dem der junge Kasa nur mit Muehe entkam. Mit einem Haufen Abenteurer durch das Land ziehend, fuehrte er ein Raeuberleben und schwang sich bald zum Befehlshaber derselben empor. Durch glueckliche Erfolge kuehn gemacht, beschloss er, sich eine Provinz zu erobern, und fiel zunaechst ueber Dembea her, wo damals die kluge und grausame Fuerstin _Menene_, die Mutter des Ras Ali, herrschte. An der Spitze ihrer Truppen stellte sich die beherzte Frau dem jungen Rebellen entgegen; doch das Schicksal entschied gegen sie. Geschlagen wusste sie doch dem Unheil noch die beste Seite abzugewinnen und den Kasa an sich zu fesseln, indem sie ihm ihre Enkelin _Tsubedsche_, die Tochter des Ras Ali, zur Frau gab. Dem Muthigen hilft das Glueck! dachte Kasa, in dessen Kopf nun grossartige Plaene sich zu entwickeln begannen; die Aegypter hatten Galabat erobert und gegen die Hauptstadt dieser Provinz, Metemme, richtete er nun seinen ersten Angriff. Es war gerade Markttag, als er heranrueckte und mit seinen Gefaehrten den Ort ueberfiel, auspluenderte und mit grosser Beute sich zurueckzog. Indessen die Rache folgte auf dem Fusse. Kasa gerieth am Flusse Rahad zwischen zwei Compagnien regulaerer aegyptischer Infanterie und wurde gruendlich geschlagen. Seine Bande zerstreute sich und er selbst fluechtete mit einer Kugel in der Schulter in das Innere des Landes. Von Allen verlassen, huelflos und ohne die geringsten Mittel wandte er sich nun an die Fuerstin Menene; allein diese wies ihn spoettisch zurueck und ihr General, der Detschas Underad, wagte es sogar, ihn wegen seiner Herkunft als Sohn einer Kussoverkaeuferin zu verspotten. Da ergrimmte Kasa, sammelte Anhaenger und schlug Menene sammt ihrem General, die gefangen wurden. Als man sie vor ihn fuehrte, redete er sie folgendermassen an: "Liebe Leute! Wie ihr ganz richtig bemerkt habt, bin ich der Sohn einer Kussoverkaeuferin und ihr erinnert mich, dass meine Mutter heute noch Nichts abgesetzt hat. Macht diesen Fehler gut und trinkt gefaelligst diese Flasche aus." Und damit zwang er sie, das abscheulich schmeckende, kraeftig wirkende Abfuehrungsmittel zu verschlucken. Nun war Kasa Herr von Dembea und Gondar, wo sein Einfluss von Tag zu Tag wuchs. Als darauf, um ihn niederzuwerfen, sein eigener Schwiegervater, Ras Ali, gegen ihn auszog, wurde auch dieser besiegt und musste 1852 nach Debra Tabor, spaeter zu den Galla fliehen. Kaum war dieser aus dem Felde geschlagen, so rueckte der Detschasmatsch _Goschu_ aus Godscham gegen Kasa vor, um den Emporkoemmling zu zuechtigen. Wieder wandte sich das Geschick und Kasa, an den Ufern des Tanasees geschlagen, fluechtete in ein Maisfeld. Ihm nach sprengte Goschu, laut ausrufend: "Wer faengt mir diesen Vagabunden ein?" Kaum hatte er die Worte gesprochen, als ein wohlgezielter Schuss Kasa's ihn niederstreckte, der nun, aus seinem Verstecke hervorspringend, Goschu's Truppen zurief: "Schaut, euer Fuerst ist hin, und ihr seid Hunde, was wollt ihr machen?" Entmuthigt durch den Tod ihres Fuehrers streckten die meisten die Waffen und der Rest fiel unter dem Schwerte der wieder gesammelten Truppen Kasa's. Mit dem Falle dieses letzten Haeuptlings hatte Kasa das ganze centrale Abessinien sich unterworfen und nur noch Schoa und Tigrie waren unbesiegt. In ersterem Staate herrschte unabhaengig _Hailu Melekot_, der Sohn Sahela Selassie's, in letzterem der alte _Ubie_. Der naechste, welchen das Schicksal betreffen sollte, war Ubie, doch musste Kasa mit diesem alten schlauen Greise anders zu Werke gehen, als mit den uebrigen Gegnern. In Adoa, Ubie's Hauptstadt, spielten damals die katholischen Missionaere, namentlich de Jacobis, eine grosse Rolle, welche den alten Ubie ganz fuer sich eingenommen hatten und ihm Frankreichs Schutz zusagten, waehrend sie den Abuna Abba Salama zu verdraengen suchten. Hierauf baute Kasa seinen Plan. Um den Kirchenfuersten, der durch die Katholiken seine Macht immer mehr geschmaelert sah, auf seiner Seite zu haben, liess er ihn von Adoa nach Gondar kommen und versprach ihm, wenn er ihn zum Koenige kroenen wolle, die Katholiken zu vertreiben. Der Vertrag wurde geschlossen, die Katholiken zuerst aus Amhara verjagt und Ubie aufgefordert, sich zu unterwerfen und Tribut zu bezahlen. Allein dieser, der 25 Jahre lang im Schosse des Gluecks gesessen und an sein Ende nicht glauben mochte, liess es auf eine Entscheidung durch die Waffen ankommen. Gross und bedeutend waren die Vorbereitungen, die von beiden Seiten zum Feldzuge getroffen wurden, denn der Tag, welcher ueber Abessiniens Zukunft entscheiden sollte, war gekommen. Ueber die Hochebene von Woggara rueckte im Januar 1855 das Heer des Emporkoemmlings nach Semien vor; ihm entgegen zog von der Enderta her der alte Ubie. Immer hoeher winden sich die Truppen in die Alpenpaesse hinauf, immer schneidender wird die Luft dort oben und der Schnee laesst seine weissen Flocken auf die braunen, leichtgekleideten Krieger herniederfallen, die in gedeckter Stellung am Fusse des maechtigen Bachit sich treffen und zoegernd einander beobachten. Hier das Alter, die Erfahrung und eine erprobte Macht; dort die Jugend, die Thatkraft und die Siegesgewissheit, welche rasche Erfolge und Glueck verliehen haben. Schon zaudert man wochenlang - da bricht mit einem Male - es war am 9. Februar - Ubie mit seiner gesammten Streitmacht auf. Beim Dorfe _Debela_ kommt es zur entscheidenden Schlacht, in der Ubie's Heer vernichtet, er selbst gefangen, einer seiner Soehne getoedtet wurde. 7000 Flinten und zwei vom Koenige Ludwig Philipp geschenkte Kanonen nebst einem Schatz von 60,000 Thalern fielen mit der kurz darauf folgenden Einnahme der Festung Amba Hai in die Haende des gluecklichen Kasa, der nun am Ziele seiner Wuensche angelangt war. Nicht fern von der Wahlstatt steht die von unserm Landsmann Eduard Zander erbaute Kirche _Debr Eskie_. Dorthin begab sich schon zwei Tage nach der Schlacht, umringt von seinen Generalen und gefuehrt vom Abuna, der siegreiche Sohn der armen Kussohaendlerin. Sein Stern war glaenzend aufgegangen und dem gluecklichen Krieger fuhr der Gedanke durch die Seele, dass er berufen sei, das grosse aethiopische Reich wieder aufzurichten. Er glaubte sich zu hohen Dingen auserkoren. Ging doch unter den abessinischen Christen die alte Sage, es werde einst ein Kaiser _Tadros_ (Theodoros) erstehen, um den Glanz Aethiopiens wieder herzustellen, das Land gross, das Volk frei und gluecklich zu machen; er sei vom Himmel dazu bestimmt, die Muhamedaner zu ueberwaeltigen und Mekka sammt Medina zu zerstoeren. Daran anknuepfend, liess sich nun Kasa vom Abuna Salama in der Kirche zu Debr Eskie am 11. Februar 1855 zum Negus ueber Aethiopien kroenen, wobei er den Thronnamen Theodor II. annahm. De Jacobis und die Katholiken mussten nun unter Androhung der Todesstrafe schleunig das Land raeumen. Nachdem Theodor nothduerftig durch Einsetzung eines Statthalters sein Ansehen in dem noch keineswegs ganz unterworfenen Tigrie hergestellt, beschloss er, zunaechst Schoa zu unterjochen, wozu theologische Spitzfindigkeiten, naemlich die Frage von den zwei oder drei Geburten Christi (vergl. S. 112) den Vorwand hergeben mussten. Durch Wollo-Galla zog er auf Schoa zu, dessen schwacher Koenig, _Hailu Melekot_, an einem entscheidenden Tage die Krone verlor und bald darauf starb. Nachdem noch die Provinz Godscham von Rebellen gesaeubert war, hielt der siegreiche Fuerst im Mai 1856 seinen feierlichen Einzug in die alte Kaiserburg zu Gondar. Nominell reichte jetzt sein Land, das den Kern des alten aethiopischen Reichs umfasste, vom Hawaschflusse bis zur Samhara. Aber es haette nicht Abessinien heissen muessen, um Ruhe zu haben: von allen Seiten regte es sich, um den Koenig wieder niederzuwerfen, und der Buergerkrieg brach mit seiner ganzen Wuth von Neuem in Tigrie aus. Ein Neffe des entthronten Ubie, _Agau Negusi_, setzte sich im nordwestlichen Tigrie fest und vertrieb den Statthalter Theodor's. Negusi war ein gutmuethiger, loewenherziger Juengling, dem es nur an festem Willen fehlte. Fuenf Jahre lang war er Herrscher ueber Tigrie an der Spitze einer glaenzenden Armee, weil Theodor von Ahmed Beschir, der sich an die Spitze der raeuberischen Galla gestellt, nicht loskommen konnte. Unterdessen knuepfte Negusi mit Frankreich Verbindungen an, stand in naechster Beziehung zu den franzoesischen Agenten in Massaua und zu dem Bischof de Jacobis, welchem, wie wir gesehen haben, das Betreten des abessinischen Territoriums bei Todesstrafe verboten war. Ein Brief Negusi's an Herrn von Lesseps, in welchem er anbietet, sich Frankreich unterwerfen zu wollen, wurde in Massaua verfasst, und Negusi soll kaum soviel Kunde davon gehabt haben, als von der Abschickung einer Gesandtschaft nach Frankreich, durch welche den Franzosen unter der Bedingung, dass sie ihn beim Umsturz der jetzigen Dynastie beguenstigen wollten, die Bai von Adulis und die Insel Dessi geschenkt wurden. Ein Kapitaen Russel mit einigem Gefolge wurde sofort von Paris nach Massaua geschickt, um mit dem "Empereur Negousi" zu verhandeln, der stuendlich auf die versprochenen franzoesischen Huelfstruppen sammt Waffen wartete. Diese erschienen jedoch nicht. Nachdem Russel's Ankunft bekannt geworden, ging er nach Halai, dem Grenzorte zwischen Abessinien und dem Kuestenlande, wo Jacobis seit seiner Vertreibung wohnte. Allein die Anhaenger Theodor's setzten ihn, da mittlerweile Negusi geschlagen war, gefangen, und nur auf Jacobis' Garantie wurde er freigelassen, allein unter der Bedingung, dass er dessen Haus nicht verlasse. Doch Russel entfloh in der Nacht des 5. Februar 1860, wodurch Jacobis in grosse Verlegenheiten gerieth. Dieser blieb einen Monat in schmaehlicher Gefangenschaft, musste ein Loesegeld bezahlen und starb kurz nach seiner Rueckkehr nach Massaua infolge der Strapazen. Damit hatte die glaenzende franzoesische Intervention ihr Ende. Der Untergang und Fall Negusi's selbst war ein hoechst tragischer. Als Theodoros Zeit fand, nach Tigrie zurueckzukehren, entzog sich Anfangs Negusi durch eine kuehn ausgefuehrte Bewegung seiner Verfolgung; er nahm den Rueckzug, weil er wusste, dass seine Soldaten sich nie gegen Theodoros schlagen wuerden. Im folgenden Jahre, 1861, kam der Koenig abermals ueber den Takazzie und diesmal erwartete ihn Negusi mit einem an Tuechtigkeit ueberlegenen Heere; er erklaerte als ein guter Ritter auf seinem Rosse siegen oder sterben zu wollen. Aber sein Heer, das fuenf Jahre mit ihm gezecht hatte, liess ihn im Stich. Ein panischer Schrecken ging durch das Lager; Theodor erliess eine Proklamation, worin er jedem Soldaten Pardon anbot. Auf dieses hin zerstreute sich das Heer und Negusi wurde sammt seinem Bruder Tesama auf der Flucht gefangen genommen. Theodoros liess sie vorfuehren und beiden die linke Hand und den rechten Fuss abhauen, und um die Schmerzen noch qualvoller zu machen, verbot er, ihren brennenden Durst zu loeschen. Tesama starb noch an demselben Tage. Negusi lebte bis zum dritten Tage und man machte seinen Leiden durch einen Lanzenstich ein Ende. Die Kirchen stroemten vom Blute der Hingerichteten und als eine Deputation der Geistlichen in Axum vor Theodor erschien, aeusserte dieser: "Ich habe einen Bund mit Gott abgeschlossen, er hat versprochen mich auf Erden nicht zu schlagen; ich dagegen habe gelobt, nicht in den Himmel zu steigen und ihn zu bekaempfen!" Nachfolger Negusi's als Gegenkoenig und Rebell wurde ein gewisser _Marit_, der jedoch im Oktober 1861 durch den _alter ego_ des Kaisers Theodor, den Detschas Salu von Tigrie gefangen und in Ketten gelegt wurde. Die Waffen erhielten diese Rebellen durch einige Oesterreicher ueber Aegypten und Massaua. Doch diese ganze Empoerung ist ein gewoehnliches Stueck abessinischer Geschichte, wobei nur die dem Negusi zugeschriebene Bedeutung auffaellt, waehrend dieses doch nicht der Mann war, um einem Theodor, dessen Namen allein ein Heer in die Flucht jagte, gegenueber gestellt werden zu duerfen. Von grosser Wichtigkeit und erheblichen Folgen wurden jedoch einige Episoden dieses Empoerungskrieges, der Theodor seiner besten europaeischen Freunde beraubte. Kurz vor dem Emporkommen Theodor's errichtete die britische Regierung ein Konsulat in Massaua, und um den Verkehr mit Abessinien in regelrechten Gang zu bringen, knuepfte der Konsul _Walther Plowden_ freundschaftliche Beziehungen mit dem mittlerweile ans Ruder gelangten Theodoros an, wodurch er hoch in des neuen Herrschers Gunst stieg. Er begab sich an seinen Hof und trug dazu bei, Theodor's Vorliebe fuer europaeische Sitten und europaeisch aussehende Reformen zu naehren. Auf vielen seiner zahllosen Kriegszuege begleitete ihn der englische Konsul ebenso getreu, wie auf seinen Jagdzuegen und bewies sich, sehr verschieden von der reservirten Haltung britischer Diplomaten an anderen Hoefen, als der waermste und thaetigste Parteigaenger des Koenigs. Fuenf Jahre lang war er der intimste Freund Theodor's, bis ihn, zum Schmerze des Fuersten, im Beginne des Jahres 1860 die Kugel eines aufstaendischen Soldaten, der dem Rebellencorps der Gebrueder Garet angehoerte, niederstreckte. Noch naeher ging dem Koenige der Tod des Irlaenders _John Bell_, der ein Jaegerleben am Blauen Nil gefuehrt und eine schwaermerische Zuneigung zu Theodor gefasst hatte, sodass er gleich einem Hunde des Nachts vor dessen Zeltthuer schlief. Gern hoerte ihn der Fuerst ueber das Finanzwesen und die Regierungsform der verschiedenen europaeischen Staaten sprechen, um Lehren fuer sich daraus zu ziehen. Bell wurde zum Likamankuas, d. h. zum Traeger des koeniglichen Kleides in der Schlacht gemacht, eine Ehre, die nur vier Offizieren widerfaehrt, die sich ganz wie der Koenig kleiden muessen, damit der Feind den wirklichen Koenig nicht unterscheiden koenne. Bei der Verfolgung der Rebellen, welche Plowden ermordet hatten, befand sich auch Bell an der Seite Theodor's, der die feindlichen Gebrueder Garet in der Naehe von _Dobarek_, da, wo die Hochebenen von Wogara sich an Semien anschliessen, einholte. Garet, der sich auf keine andere Weise zu retten wusste, rief seinen Bruder und einige Begleiter zu sich und ritt in gestrecktem Galopp auf Theodor zu, der von Bell und einigen Offizieren umgeben, der Truppe vorausgeeilt war. Als Garet sich in Schussweite befand, hielt er an, zielte und feuerte. Der Negus wurde unbedeutend an der Schulter verwundet. In diesem Augenblick gab Bell Feuer und jagte dem verwegenen Garet eine Kugel durch den Kopf, erhielt aber gleichzeitig einen Lanzenstich durch die Lunge, infolge dessen er todt zusammenbrach. Nun gab auch Theodor Feuer und streckte den juengeren Garet nieder. Die Wuth und der Schmerz des Koenigs ueber den Verlust seines getreuen Dieners ueberstieg alle Grenzen und Garet's ganzes gegen 1700 Mann starkes Corps, das sofort die Waffen streckte, wurde enthauptet. Der Reisende, der heute ueber die Ebene von Wogara bei Dobarek zieht, sieht dort das Feld noch weit und breit mit Menschengebeinen uebersaet, den Zeugnissen der schauderhaften Rache, welche Theodor an den Moerdern seines Lieblings genommen (vergl. oben S. 203). Und doch war dieser Akt noch weit weniger grausam, als die frueher uebliche Bestrafung der Kriegsgefangenen, die man entmannte. Hochverraether wurden nach Isenberg's Zeugniss frueher oeffentlich bei lebendem Leibe geschunden, das Fleisch dann in kleine Stuecken zerhackt und den Hunden vorgeworfen; die Haut aber gerbte man und machte Trommelfelle daraus. Alle diese barbarischen Strafen schaffte Theodoros Anfangs ab, aber die fortwaehrenden Unruhen zwangen ihn, spaeter wieder darauf zurueckzukommen, und das Blut floss auch unter Theodor in Stroemen. Die inneren Feinde waren so allmaelig niedergeworfen, dafuer trat jedoch von aussen ein weit maechtigerer Widersacher, _England_, auf. Ehe wir jedoch hierzu uebergehen, ist es nothwendig, noch einen Blick auf Charakter und Persoenlichkeit, wie auf die reformatorischen Bestrebungen des Negus zu werfen, der jedenfalls _ein ganz bedeutender Mensch_ in seiner Weise war, eine seltene und grossartige Erscheinung in Abessinien, die allerdings mit europaeischem Massstabe nicht gemessen werden darf. "Theodoros", so schrieb 1862 Lejean, "mag etwa 46 Jahre alt sein. Er ist von mittlerem Wuchs und wohlgestaltet, hat einen offenen sympathischen Gesichtsausdruck, gut entwickelte Stirn, kleine, lebhafte Augen und eine fast schwarze Gesichtsfarbe. Nase und Kinn erinnern an den juedischen Typus. Er ist aus Koara gebuertig und ich halte ihn fuer einen Agow oder Gamanten; fuer einen Aethiopier von reinem Blute ist Theodoros zu dunkelfarbig. Seine aeussere Erscheinung imponirt, sie zeigt, dass er in der That ein Mann von grosser geistiger Regsamkeit und unermuedlicher Kraftentwicklung ist, und er bildet sich auch hierauf etwas ein. Er vertreibt sich gern die Zeit damit, an steilen Huegeln herab- und heraufzuklimmen und dann erfordert die Etikette, dass seine Umgebung ein Gleiches thue. Auf dem Pferde bewegt er sich wie ein argentinischer Gaucho und seine Rosse zittern buchstaeblich, wenn sie ihn kommen sehen. Sein Kriegsruf ist wie bei allen abessinischen Haeuptlingen: Abba Senghia, d. h. Vater der Pferde. Fuer gewoehnlich traegt er sich hoechst nachlaessig; als tuechtiger Soldat verachtet er ein geschniegeltes Wesen, kleidet sich wie ein gewoehnlicher Offizier, Kopf und Fuesse sind unbedeckt. Aber auf einen Schmuck der Krieger legt er Werth; er laesst das Haar in drei lange Flechten legen, welche auf die Schulter herabfallen, und traegt ein weisses Stirnband." Ausgenommen seine erste Frau, Tsubedsche, hat nie ein Weib Einfluss auf sein Leben gehabt. Diese aber, die Tochter seines Widersachers Ras Ali, liebte er leidenschaftlich, und als er sie im Jahre 1858 verlor, war er kaum zu troesten. Ganz anders ging es seiner zweiten Frau, _Toronesch_, einer Tochter Ubie's, die er geheirathet, um sich mit der Familie dieses einst maechtigen Fuersten auszusoehnen. Er verstiess sie einmal, und Bell, der interveniren wollte, um Skandal zu verhueten, erhielt eine gehoerige Ohrfeige. Der Fortbestand seiner Dynastie lag dem Koenig Theodoros nicht minder am Herzen als einem europaeischen Fuersten, und er behauptete, dass wenigstens einer seiner Soehne ans Ruder kommen muesse, "denn die Propheten haetten nicht gelogen". Sein aelterer Sohn, von der Tsubedsche, war ein durchaus verkommener, missrathener Mensch, den der Vater eines schoenen Tages in einen Eselstall sperren liess, damit er dort "_en famille_" sei. Der zweite jedoch, Detschas _Maschescha_, wurde 1862 zum Gouverneur von Dembea ernannt, wo er sich durch sein mildes Wesen so beliebt machte, dass Theodor es fuer gerathen hielt, ihn abzuberufen. "Was soll dies Buhlen um die Volksgunst? fragte er ihn. Willst du die Rolle des Absalon spielen und den Vater vom Throne verdraengen?" Das Auftreten Theodor's war meist theatralisch oder, wie die Abessinier sagen, fakerer, d. h. ruhmredig. Gesten und Stimme waren berechnet und Niemand wusste besser als er den Praesidentensitz bei einer Versammlung auszufuellen. Seine brillante Beredtsamkeit verfehlte selten ihr Ziel und seine Briefe sind Muster der amharischen Sprache. Die halb kloesterliche Erziehung, die er in Tschankar erhalten, hatte noch Spuren hinterlassen, und so galt der Koenig fuer einen sehr gebildeten Mann. Er war in der Nationalliteratur bewandert und kannte die europaeischen Zustaende. Als Probe seines Stils moege folgende von ihm eigenhaendig niedergeschriebene Proklamation gelten: "Von Menilek bis auf die juengste Zeit herab sind alle Negus dieses Landes nur Histrionen gewesen, welche Gott weder um Geist noch um Beistand baten, das Reich wieder aufzurichten. Als Gott mich, seinen Diener, zum Koenige erwaehlte, sagten meine Landsleute: Der Fluss ist ausgetrocknet, es giebt kein Wasser mehr in seinem Bett. Und sie beleidigten mich, weil meine Mutter arm war und nannten mich ein Bettlerkind. Aber den Ruhm meines Vaters, den kennen die Tuerken, da er sie von den Landesgrenzen bis in ihre Staedte zurueckgejagt. Mein Vater und meine Mutter stammen von David und Salomo, ja von Abraham, dem Knechte Gottes, ab. Diejenigen aber, welche mich Bettlerkind schimpften, sie betteln heute selbst um ihr taegliches Brot. Ohne den Willen Gottes koennen weder Kraft noch Weisheit vor dem Untergange schuetzen. Viele Grosse dieser Erde haben Bomben und Kanonen im Ueberflusse und sind doch unterlegen. Napoleon hatte tausende und er ist besiegt worden. Nikolaus, der Negus der Moskowiter, ist von Franzosen und Tuerken besiegt worden; er starb, ohne dass seines Herzens Wunsch in Erfuellung ging." Von der europaeischen Civilisation hatte Theodor eine hohe Meinung, von der Moral der Europaeer jedoch nur eine sehr geringe, was auch nicht gut anders der Fall sein konnte, da die meisten Europaeer, mit denen er zu verkehren hatte, verdorbenes, hochmuethiges Gesindel waren. So wild der Koenig auch im Kriege war, an sanfteren Regungen fehlte es ihm keineswegs. Er nahm sich der Waisen an, sorgte fuer sie durchs ganze Leben, verheirathete sie und liess sie niemals aus dem Auge. Er liebte die Kinder ausserordentlich und kehrte sich, wie er sagte, von den falschen Hoeflingen ab, um sich an der Unschuld jener zu weiden. Dabei war er freigebig im hoechsten Grade, grossmuethig und gerecht, aber auch unerbittlich streng, wo es darauf ankam. "Ich selbst war Zeuge," schreibt Krapf 1856, "wie schon Nachts 2 Uhr Scharen von Beschwerde fuehrenden Leuten aus allen Theilen Abessiniens das koenigliche Lager umstanden und Dschan hoi! (o Majestaet) riefen. Ich glaube kein Koenig in der Welt thut es ihm in dieser Beziehung gleich, und musste mich nur wundern, wenn er es bei einer solchen angestrengten Thaetigkeit bei Tag und Nacht, in Sachen des Kriegs sowol, wie des Friedens aushalten kann. Die Abessinier haben ihn aber auch bereits so lieb, dass sie ihn mit dem Koenig David im alten Bunde vergleichen, und sie glauben, dass die alte Weissagung, wonach ein Koenig Theodorus kommen und Abessinien gross und gluecklich machen, auch Mekka und Medina zerstoeren werde, sich zu erfuellen anfange." Obgleich der Negus sein eigenes Volk verachtete und dessen Fehler recht wohl kannte, so hat er nichtsdestoweniger redlich an der Verbesserung der Lage desselben zu arbeiten versucht und, soweit den eingewurzelten Missbraeuchen gegenueber seine Kraft reichte, eine reformatorische Thaetigkeit entwickelt, die allerdings durch die fortdauernden Rebellionen auf grosse Hindernisse stossen musste. Durch die lange Anarchie waren alle Gesetze nur todte Buchstaben geworden und die Kirche in die groessten Missbraeuche gerathen. Alle ueblen Folgen der todten Hand lasteten auf den Bauern und Besitzern der Kirchengueter. Gegen diese Missbraeuche trat nun Theodor mit eisernem Willen auf; er erklaerte die todte Hand als ein nationales Uebel und annektirte alle Kirchengueter der Krone, indem er der Geistlichkeit ein gewisses Einkommen und den Kloestern genug Land liess, um sich zu ernaehren. Auf die Einheit der Kirche hielt er dabei grosse Stuecke; doch war er Fanatiker und befahl allen Muhamedanern in seinem Reiche, binnen zwei Jahren Christen zu werden. Mit den Missionaeren, protestantischen wie katholischen, die sich doch in die politischen Verhaeltnisse mischten, wollte er nichts zu thun haben - er untersagte ihnen jegliche Thaetigkeit. Den Handel zu heben, hatte Theodor gleich nach seinem Regierungsantritte alle die unzaehligen Zollstaetten von Gondar bis nach Halai aufgehoben, zwei Plaetze ausgenommen. Auch der Sklavenhandel und die Vielweiberei wurden verboten, freilich ohne grossen praktischen Erfolg. Sein Hauptplan war aber immer, das grosse aethiopische Reich phoenixartig aus der modernden Asche wieder erstehen zu lassen. Hierzu brauchte er die Huelfe der Europaeer, und darum verlangte er nach jenen Handwerkern, die ihm auch durch Krapf's Vermittlung zugeschickt wurden. Jedenfalls war ueberall ein Fortschritt, auch in der Justiz zu erkennen, sodass 1862 Heuglin aus Abessinien in die Heimat schreiben konnte: "Die Zustaende in Abessinien im Allgemeinen lassen Manches zu wuenschen uebrig. Der Koenig stoesst auf tausend Schwierigkeiten bei Einfuehrung seiner Reformen und muss mit eiserner Strenge verfahren, um nur einigermassen Ordnung erhalten zu koennen, doch ist trotzdem, dass ihm seine Kriegszuege keine Zeit lassen, viel fuer Administration zu thun, auch manches sehr Erfreuliche hier geschehen. Namentlich ist fuer bessere Kommunikation wirklich mit Erfolg an Strassenbauten gearbeitet und dem Schreiber- und Pfaffenunwesen mit einer Kraft Einhalt gethan worden, an der sich mancher andere Herrscher ein Exempel nehmen duerfte." Soviel wie Theodor hatte vor ihm kein abessinischer Herrscher fuer Land und Volk gethan, keiner war aber auch mit so ausserordentlichen Gaben des Geistes ausgeruestet, wie dieser bedeutende Mann, an dem andererseits Jaehzorn und Trunksucht sehr zu beklagen sind, da beide ihn oft zu gewaltsamen, unueberlegten Handlungen hinrissen. Wild und grausam blieb er auch in seinem Lager- und Kriegsleben, das wir am besten kennen lernen, wenn wir mit dem deutschen Reisenden _Steudner_, dem Begleiter Heuglin's, einen Besuch im Lager des Koenigs abstatten, der sich auf einem Feldzuge gegen die Galla im Lande jenseit des hohen Kollogebirges befand. Spaet am Abend des 4. April 1862 erschien ein Bote bei Herrn von Heuglin, um diesen einzuladen, beim Koenige zu erscheinen. Der Geladene warf sich in eine grosse Uniform und wanderte, von Steudner begleitet, unter Fackelschein ueber Sturzaecker zu dem kaiserlichen Zelte. In dem mit Wachen umstellten engeren Lagerbezirke wurden die Reisenden aufgehalten, da im Zelte des Negus erst eine laengere Berathung darueber stattfand, ob Heuglin auch mit dem Saebel an der Seite eintreten duerfe. Nachdem dies bewilligt war, wurden die Fremden feierlich in das Zelt eingefuehrt, in welchem sie Seine schwaerzliche Majestaet mit halb untergeschlagenen Beinen auf einem alten auf der Erde ausgebreiteten Teppich sitzend fanden; neben ihm kauerte sein Beichtvater, der Etschege. Se. Majestaet trug ein weisses abessinisches Gewand, dem man die Spuren langen Lagerlebens deutlich ansah; er gruesste sehr artig, besonders Herrn von Heuglin, fand es jedoch nicht fuer noethig, sich zu erheben; dann lud er die Gaeste ein, neben ihm Platz zu nehmen. Das Zelt war von grossen Wuerdentraegern und Eunuchen ueberfuellt; zur Linken des Koenigs sass dessen Sohn Maschescha, und der Sohn des gestuerzten Koenigs von Schoa, der zugleich mit Maschescha erzogen wurde, der zweite Ras des Landes, Ras Engeda, und der Lagerkommandant Bascha Negusi. Vor ihnen stand ein mit rothem Tuch bedeckter Meseb oder Esskorb, aus welchem sie mit unvergleichlichem Appetite die Fastenspeise verzehrten. Se. Majestaet liess durch seinen Af sich erkundigen, was die Reisenden essen wollten, Brundo (rohes Fleisch), Teps (halbgeroestetes) oder Fastenspeise. Der Af, d. h. der Mund, ist eine vertraute Person des Koenigs, zu welcher dieser spricht, um die Worte den Fremden zu wiederholen, selbst wenn derjenige, an den sie gerichtet sind, sie vernimmt. Man stellte es der Weisheit Theodor's anheim, mit was er seine Gaeste bedienen wolle, und auf ein Zeichen erschien ein Meseb mit schoenem Tiefbrot gefuellt, um den die beiden Europaeer sich lagerten, waehrend zwei hohe Wuerdentraeger beordert wurden, sie zu fuettern, d. h. abgerissene Stuecke Tiefbrot in die rothe Pfeffersauce zu tauchen und ihnen diese in den Mund zu praktiziren. Die Leute entledigten sich dieser Pflicht in hoechst liebenswuerdiger Weise, indem sie moeglichst grosse Brotballen mit moeglichst viel brennender rother Pfeffersauce den Gaesten in den Mund steckten, welche das abessinische Gericht krampfhaft hinabwuergten. Nach der Mahlzeit bediente sich Se. Maj. nicht mehr des Af, sondern wandte sich unmittelbar an die Fremden und zwar in arabischer Sprache. Waehrend der Unterhaltung wurde Honigwein in schoenen Punschglaesern aus einer Bowle servirt, die vom Gouverneur von Indien geschenkt war. Theodor war damals sehr mit Regierungsgeschaeften ueberhaeuft und liess sich mehrmals entschuldigen, dass er die Reisenden nicht gleich offiziell empfangen koenne. Schon vor Sonnenaufgang begann vor dem koeniglichen Zelte das Dschan-hoi-Geschrei derjenigen, die Streitsachen vortragen und Gerechtigkeit erflehen wollten. Hierauf folgten von Sonnenaufgang an die Gerichtssitzungen, wobei das klatschende Geraeusch der grossen Knuten und Stoecke das Ergebniss verkuendigte, welches nicht selten in die frische Morgenluft hinein hallte. Mehre Tage hindurch war der Negus damit beschaeftigt, die im Lager mitgefuehrten Herden zu zaehlen. Nachdem dieses koenigliche Geschaeft, wobei 20,000 Rinder die Revue binnen zwei Tagen passirten, vollendet war, erhielten die beiden Reisenden eine feierliche Audienz zur Uebergabe der mitgebrachten Geschenke. Der Negus empfing sie am Abhange eines Huegels, welcher das Centrum des Lagers bildete. Er sass auf einer Alga, die mit einem prachtvollen, sehr grossen Kaschmir bedeckt war; darueber lag noch ein mit indischer Goldstickerei ueberladener Teppich ausgebreitet. Auf der Sonnenseite, sowie hinter dem Koenige standen zwei Schirmtraeger, welche beide ungeheuer grosse bunte Schirme auf 10 Fuss hohen Staeben ueber dem Haupte des Erlauchten hielten. Der Negus selbst war in einen sehr feinen Margef gehuellt und lehnte nachlaessig auf der Alga, vor welcher fuer die beiden Europaeer gute Teppiche zum Niedersitzen ausgebreitet waren. Diese befanden sich allein mit dem Fuersten und seinen schirmtragenden Kammerherren, waehrend im Umkreise von 30 Schritt Halbmesser andere dienstthuende Hofchargen standen, z. B. die Peitschentraeger mit langen Stoecken in der Hand, um das neugierige Publikum abzuhalten. Nachdem Se. Maj. sehr bereitwillig Erlaubniss zur Ueberreichung der Geschenke ertheilt, wurden die Diener der beiden Reisenden herangerufen, die mit gaenzlich entbloesstem Oberkoerper, die Gewaender um den Leib geguertet, mit den Gegenstaenden erschienen. Jedes einzelne Stueck musste dem Negus gezeigt und dann vor ihm auf den Boden niedergelegt werden. Die Geschenke bestanden aus mehreren Sammetteppichen, einem Revolvergewehr, einem sehr schoenen Revolver nach abessinischem Geschmack mit recht grossem Kaliber, zwei sehr guten langen gezogenen Pistolen, welche man mit angeschraubtem Kolben auch als Puerschbuechsen benutzen konnte, einem Hirschfaenger mit vergoldetem und einem andern mit silbernem Griffe, einigen schoen gearbeiteten Dolchen mit vergoldeten Scheiden u. s. w. Se. Maj. geruhten hierauf sich dankend ueber die Geschenke auszusprechen. Im Laufe der Unterhaltung sprach er seine Verwunderung darueber aus, dass die Tuerkei bisher noch nicht von den christlichen Maechten erobert sei, ja dass einige derselben sie sogar gegen eine andere christliche Macht geschuetzt haetten, wobei er bemerkte: "ein Reich, das sich nicht selbst regieren koenne, habe keinen Anspruch darauf, selbstaendig zu existiren". Uebrigens erschien der Koenig sehr ermuedet, war es doch der dritte Tag, an welchem er sich mit dem anstrengenden Rinderzaehlen beschaeftigt hatte, kein Wunder also, dass seine Nerven angegriffen waren. Abgesehen von dieser Mattigkeit erschien Koenig Theodor, ein Mann von etwa 40 Jahren, kraeftig, schlank, wenn auch nicht gross. Seine Gesichtszuege waren frei; in der Tracht unterschied er sich kaum von seinen Unterthanen; wie diese ging er barhaupt und barfuss in dieselbe Schama gekleidet. Das Haar trug er als Krieger in mehrere, dicht am Kopfe anliegende Zoepfe geflochten. So war der Mann beschaffen, der als Mittelpunkt des ganzen Lagers dastand, welches sehr leicht aufgeschlagen wird. Will der Negus, der stets an der Spitze seines Heeres marschirt, Halt machen, so laesst er an einem passenden Platze ein kleines scharlachrothes Zelt aufstellen, welches dann als Mittelpunkt fuer das ganze Lager dient. Dicht vor diesem, auf dem hoechsten Punkte wird das Kirchenzelt, welches niemals fehlen darf, errichtet. In einiger Entfernung von diesem und stets - angeblich aus Demuth - tiefer stehend, wird das sehr grosse, aus dickem dunkelbraunem Mack bestehende Zelt des Negus aufgebaut; zu beiden Seiten desselben standen zwei aehnliche fuer die beiden Koeniginnen; auf dem linken Fluegel dann ein sehr grosses Zelt fuer den koeniglichen Marstall und die vier zahmen Loewen, diesem entsprechend auf dem rechten Fluegel gleichfalls ein grosses Zelt fuer die koenigliche Kueche, dann das Zelt des Abuna Salama, durch eine stets vor der Zeltthuer errichtete Windwand kenntlich. Die Zelte der Anfuehrer sind aus weissem Baumwollenstoff in verschiedenen Formen gearbeitet; um diese herum bildet sich ein weiter Kreis kleiner Huetten, _Gotscho_, in welchen die Leute eng zusammengepresst liegen, um sich gegenseitig zu erwaermen. Eine bestimmte und sehr praktische Form haben die Zelte der Schoaner; sie sind aus starkem braunem Mack gefertigt, haben ein Rechteck zur Basis und zwei Zeltstangen halten das Ganze an den beiden schmalen Ecken, waehrend kurze Schlingen am unteren Rande des Zeltes dazu dienen, die Pfloecke einzuschlagen. Auf diese Weise halten sie sich sehr gut, ohne dass sie die wegen der vielen herumlaufenden Thiere hoechst unangenehmen Zeltstricke noethig haben; auch im Innern bieten sie vielen Raum. Ueberall vor den Zelten lodern Feuer, an denen die Frauen der Soldaten beschaeftigt sind, fuer diese Tiefbrote oder rothe Pfefferbruehe zu kochen; zu anderen Zeiten sieht man die Zeltstricke dicht mit grossen Mengen in lange duenne Streifen geschnittenen Fleisches behangen, welches an der Luft und der Sonne trocknen soll. Reihen von Maegden und Dienern durchziehen von der koeniglichen Kueche aus nach allen Richtungen das Lager, um grosse, mit rothem Tuch ueberdeckte Meseb oder Koerbe voller Tiefbrot und maechtige Kruege voll Honigwein nach den verschiedenen Zelten der Grossen zu bringen, die aus den koeniglichen Vorraethen mit Trank und Speise versehen werden. Noch bunter und lebendiger gestaltet sich das Bild, wenn das Lager aufbricht. Zunaechst werden die kleinen Gras- und Reisighuetten (Gotscho) niedergebrannt, und hoch zum Himmel auf strebt der Rauch, die Staette des abgebrochenen Lagers bezeichnend. In den meisten Faellen fuehrt der Negus, von Kavallerie umgeben, den Zug an, dem in mehreren Heersaeulen das Gros der Armee folgt. Lange Reihen von schwer beladenen Pferden, Maulthieren und Eseln, die in dem futterarmen Hochlande Tag und Nacht der Kaelte und Naesse ausgesetzt sind, ziehen, zu Skeletten abgemagert, dahin. Ohne die geringste Ordnung schreiten Leute einher, die vorsichtigerweise waehrend des Tagemarsches eine Last Holz mitschleppen, um sich damit am Abend ein waermendes Feuer machen zu koennen; ihnen folgen Krieger in der einst weissen, jetzt schmuzigen Schama mit rothem Randstreifen und umwickelt mit dem dicken abessinischen Leibgurt, in welchem der Schotel, d. h. der grosse krumme abessinische Saebel mit Nashorngriff in rother Scheide steckt; in der Hand fuehren sie die scharfgeschliffene Lanze oder ein Luntenflintengewehr mit viereckigem Kolben. Dann ziehen munter plaudernd, an dem Kochloeffel erkenntlich, mit dem flachen Gilgit oder Proviantkorbe auf dem Ruecken, die Koechinnen, echte Loeffelgarde, einher. Die koeniglichen Kuechendamen sind an dem Messingknopfe kenntlich, der auf dem Kopfwirbel in das Haar mit eingeflochten ist. Neben ihnen traben Esel, unter der Last von Grasbuendeln voellig begraben. An jedes der langen Ohren dieser philosophischen Geschoepfe ist eine Ziege oder ein Schaf vorgespannt, damit das interessante Kleeblatt beisammen bleibe. Von einer Anzahl Pfaffen mit grossen Turbanen umgeben, reitet auf schoenem Maulthiere im violetten Gewande der hoechste Kirchenfuerst, Abuna Abba Salama auch im Zuge mit. Neben ihm und seiner wohlgenaehrten in Gott vergnuegten Schar schleppt sich muehsam auf skelettartig abgemagertem Maulthiere ein frueherer Haeuptling hin, dem mit oder ohne Ursache eine Hand und ein Fuss abgehauen ist. Er hat den Stumpf seines Fusses in ein Trinkgefaess aus Horn gesteckt, den verstuemmelten unbrauchbaren Arm traegt er im faltigen Gewande verborgen. Dann folgen Gefangene in schweren Ketten, jeder mit seinem Fuehrer zusammengeschlossen, den der Unglueckliche noch fuer diese Gefaelligkeit ernaehren und bezahlen muss. Viele dieser Gefangenen tragen, um das Entweichen zu verhindern, den fuenf bis sieben Fuss langen Monkos am Halse, dessen dicke Gabel durch ein Querholz geschlossen ist und der dem Gefangenen selbst beim Schlafen nicht abgenommen wird. Kaum ein Lumpen deckt diese Ungluecklichen. Nicht weit von ihnen trifft der Blick wieder auf ein anderes Bild, und zwar auf ein heiliges, das mit allem Aufwande von abessinischem Prunk angezogen kommt. Es ist der Etschege, das Oberhaupt der Moenche, zugleich Beichtvater des Koenigs, dem er als steter Begleiter und Rathgeber allueberall hinfolgt. Er reitet ein prachtvolles Maulthier und schuetzt sein theures, mit einem ungeheuren weissen Turban umhuelltes Haupt durch einen grossen buntseidenen Regenschirm, dessen abwechselnd goldgelbe und violette Faecherfelder weithin sichtbar sind. Ihm folgt eine grosse Anzahl schmuziger Moenche in einstens weiss gewesene Gewaender gehuellt oder in gelbes Leder gekleidet; alle tragen das Zeichen ihres Standes, den Fliegenwedel oder Kuhschwanz. Unter ihren weissen oder gelben Kappen erblickt man die niedertraechtigsten Gaunerphysiognomien, sowie die ausdrucklosesten Gesichter, die Abessinien erzeugen kann. Ploetzlich scheut das Maulthier des Etschege und springt zur Seite: es ist ein aller Kleider beraubter Todter, der, auf der Strasse liegend, das Thier beunruhigt. Dem Etschege mit seinen frommen Begleitern folgt eine Reihe Tabots, fuer deren wunderthaetigsten ein mit rothen Lappen und Lumpen bedeckter Armsessel aus lackirtem, mit bunten Blumen bemaltem Holz bestimmt ist. Diese Tabots, deren oft zehn oder zwanzig aufeinander folgen, sind Holztafeln mit den zehn Geboten oder frommen Spruechen beschrieben. Jede dieser Platten ist sorgfaeltig mit rothem Baumwollstoff bedeckt und alle werden in einer langen Reihe hintereinander getragen. Dem ganzen kirchlichen Prachtzuge geht ein schmuziger Moench voran, welcher fortwaehrend eine Glocke schwingt, damit Jeder, der da sitzen sollte, vor den Heiligthuemern aufstehe und ihnen seine Ehrfurcht bezeuge. [Illustration: Im Lager des Negus. Priester und Krieger. Zeichnung von H. Leutemann.] Im vollen Galopp auf guten Maulthieren, die mit klingelnden Gloeckchen behaengt sind, kommt ein Trupp Schoaner angesprengt; es sind lauter kraeftige Gestalten, in dunkelbraunen Mack gekleidet, mit dem kurzen, stark gekruemmten Messer im dicken, die Brust bedeckenden Guertel und mit der schoen gearbeiteten Lanze auf der Schulter. Wieder andere Bilder! Hier Lastthiere, schwer bepackt mit Lederschlaeuchen; dort Weiber, die das Doppelte ihres eigenen Volumens an leeren oder gefuellten Kuerbisschalen (Gerra) schleppen, welche zum Transport von Butter, Honig, rothem Pfeffer u. s. w. dienen. Alle schreien und schwatzen, dazwischen klappern die vielen getrockneten Kuerbisschalen. Keiner dieser Schoenen fehlt indessen das noethige hoelzerne Kopfkissen in der Form eines fuenf bis sechs Zoll hohen Leuchters mit einem ausgehoehlten Holzbuegel zum Hineinlegen des Nackens beim Schlafen. Der Fuss dieses Instrumentes ist oft huebsch gedrechselt. Neben dieser bunten Gesellschaft reitet eine der zwei Koeniginnen, denn zu jener Zeit hatte der christliche Monarch zwei Damen zu Ehegemahlinnen. Die eine rechtmaessig mit dem Negus verbundene war die schon erwaehnte Tochter des entthronten Detschasmatsch Ubie von Tigrie; die zweite ein Fraeulein aus dem Jedschu-Galla-Lande. Beide jedoch sind gleich gekleidet in blaue Maentel, die mit Gold- und Silbergloeckchen behangen sind. Beide haben, wie alle grossen Damen, ihr Gesicht verhuellt, nur die schwarzen Augensterne funkeln und leuchten bei beiden gleichmaessig aus der weissen Umhuellung. Das einzige Unterscheidungszeichen zwischen beiden war nur stets ein in Silber gestickter tuerkischer Halbmond mit daranstehendem Venusgestirn, das auf dem Gewande der einen Koenigin auf dem untersten Theile ihres Rueckens erglaenzte. Diese jetzt die schlanken Formen zweier Koeniginnen umhuellenden Maentel waren wol einst Schabracken eines aegyptischen Marstalls gewesen. Beide Majestaeten sind von einigen Bewaffneten und Eunuchen begleitet und reiten stets in der Entfernung einer halben Stunde voneinander, um etwa moeglichen Konflikten vorzubeugen, sowie sie auch zwei gaenzlich getrennte Hofhaltungen in zwei verschiedenen Zelten zu beiden Seiten des koeniglichen Zeltes haben. Oft sitzt oder liegt mitten in dem durch die Hufe der zahlreichen Thiere aufgewuehlten Schmuze ein nur wenige Monate oder ein bis zwei Jahre altes Kind schreiend im Wege, jeden Augenblick in Gefahr, durch Reit- oder Lastthiere zertreten zu werden, die sich oft dicht zusammendraengen, um einer Leiche aus dem Wege zu gehen. Todte Thiere, halbverweste Pferde, Maulthiere, Esel, Schafe und Ziegen bezeichnen zu tausenden die Strasse, welche das Heer zieht. Dort wird ein Kranker getragen, es muss ein Vornehmer sein, denn man traegt ihn behutsam auf bequemer Tragbahre, ueber welcher aus weisser Schama ein leichtes Zelt errichtet ist; waere es nur ein armer Mann, so haette man ihn einfach auf zwei lange Holzstuecke gebunden. Nahe bei dem Kranken sehen wir einen anderen Zug: eine ganz weiss gekleidete Dame, die Frau eines Grossen, reitet dicht verhuellt dahin; ihr Maulthier wird sorglich von einem Diener gefuehrt. Gestern erst hat sie die Welt mit einem neuen Buerger beschenkt, der schreiend und quiekend in einem weiss bedeckten Brotkorbe von einem Diener auf dem Kopfe nachgetragen wird. Der kaum einige Tage aeltere Sproessling einer anderen Frau giebt ebenfalls durch Schreien Zeichen einer gesunden, kraeftigen Lunge, sein Lager aber ist nicht so sorgsam gegen Sonne und Kaelte geschuetzt. Mit Riemen ist er voellig nackt zwischen Koerbe und Kuerbisflaschen auf den Ruecken oder die Huefte seiner schwer tragenden Mutter geschnuert oder auf das Gepaeck eines magern Pferdes gebunden. Kleine Kinder von drei bis fuenf Jahren, voellig nackt oder nur mit einem Stueckchen Schaf- oder Ziegenfell ueber den Schultern, laufen neben ihren schwer bepackten Muettern, ja sie tragen selbst einen Theil von den Kuerbisflaschen, Eisenblechen zum Brotbacken, hoelzernen Schuesseln zum Anruehren des Brotteiges u. s. w. Andere Weiber rauchen gemuethlich aus einer grossen Tabakspfeife, deren Abguss aus einem kleinen wassergefuellten Kuerbis besteht; neben ihnen schleppen sich einige unbepackte Maulthiere hin, deren aufgedrueckter Ruecken eine einzige Wundflaeche bildet. Am Wege sitzt ein Kuenstler von Fach auf einem Bunde Stroh, aus welchem er sich am Abend einen Gotscho zu bauen gedenkt, und singt zu dem eintoenigen Geklimper seiner Kirra, der abessinischen Lyra, mit scharfer naeselnder Stimme, packt dann Stroh und Lyra auf den Kopf und wandelt als zweiter Apollo seinen kothigen Weg. Zwischen diesen Scharen bepackter Menschen und Thiere ziehen bruellend Herden schoener Rinder, Schafe und Ziegen; auch bricht, Geschrei und Unordnung verursachend, gelegentlich ein kraeftiger Stier durch die Massen. Die vier _zahmen Loewen_ des Negus (vergl. S. 187), schoene, grosse Thiere, laufen voellig frei mitten im Tross, ohne auch nur am Stricke gefuehrt zu werden. Steudner bemerkte zu seinem Erstaunen, dass in unmittelbarer Naehe der Loewen das Vieh, Kuehe, Schafe, Ziegen, Maulthiere, ruhig graste, ohne die geringste Furcht vor dem Koenige der Wildniss zu haben. Wie Hunde liefen sie mitten im Gewuehl und gehorchten der Stimme ihres Begleiters, hinter welchem sie oft in geschlossener Phalanx dicht auf den Fersen hermarschirten. Mitten zwischen dem Tross reitet ein Grosser des Landes stolz durch all das Gedraenge. Vor ihm her schreitet sein Speertraeger, ein Diener mit langer, haarscharfspitziger Lanze, deren von Schoanern gearbeitete Eisenspitze in rothledernem Futteral geborgen ist. Sein mit Gold und Silber beschlagenes Bueffelhautschild, sein Gewehr und seinen in rothlederner Scheide steckenden Saebel mit Rhinozerosgriff tragen andere Diener vor und neben ihm. Vor ihm fuehrt sein Lieblingsknappe ein Staatsmaulthier, auf welchem der gleich dem Schilde mit Gold- und Silberplatten und Filigranarbeit bedeckte Staatssattel liegt. Wie der Sattel ist auch das uebrige Geschirr und Zaumzeug des Maulthiers mit Gold und Silber ueberladen. All dieser Schmuck aber ist mit rothen Lumpen bedeckt. Unbekuemmert reitet der Haeuptling barhaupt durch das Trossgedraenge an den Leichen von Menschen und Thieren oder verwuesteten Saatfeldern vorueber. Seine Thiere sind gegen den "boesen Blick" durch Dutzende um den Hals haengender Amulete geschuetzt. Maenner mit aus Stroh geflochtenen Regendaechern aus Begemeder, Sklaven, die oft nur die Schultern mit einem kleinen ungegerbten Schaffell bedeckt haben, gehen ihm demuethig aus dem Wege, wenn er, mit dem Sonnenschirme das Haupt schuetzend, stolz dahinreitet. Nicht weit von ihm zieht eine andere Gruppe schwer bepackter Maenner. Landleute, zu diesem Frohndienste gepresst, tragen den in seine Theile zerlegten Erntewagen, welchen die Missionaere in Gafat gebaut - weil der Weg zum Fahren nicht geeignet ist. Andere schleppen die Laffeten schwerer Geschuetze und die dazu gehoerigen Vollkugeln - allein die Geschuetzrohre hat man in Magdala gelassen! Soldaten, mit den Saetteln ihrer gefallenen Pferde auf dem Kopfe, mit Speer und Sonnenschirm in der Hand, hoffen bei der naechsten Pluenderung eines Dorfes neue Thiere zu ihren Saetteln zu bekommen. Das Wiehern der Pferde, das Geschrei und Gebruell der uebrigen Thiere wird nur manchmal von der droehnenden, donneraehnlichen Bassstimme des einen oder andern Loewen unterbrochen. [Illustration: Ansicht von Gafat. Nach Lejean.] So wechseln die bunten Bilder, die ein abessinischer Heereszug dicht nebeneinander gedraengt erkennen laesst - Bilder zum Weinen und Bilder zum Lachen. Neben dem Kirraspieler, der lustige Weisen singt, sehen wir den Tod: zahlreiche Leichen, aufgedunsen und von Raubthieren angefressen, Sterbende und von Muettern verlassene Kinder - neben froehlich lachenden, aber gefuehllos vorueberziehenden Menschen. In jene Zeit, als Theodor so verwuestend, Tod und Verderben verbreitend mit seinem Heere durch das Land zog, faellt auch der Beginn jener Misshelligkeiten, die schliesslich zum Kriege mit England fuehrten. Wer sich auf einen vorurtheilsfreien Standpunkt stellt und nicht durch die truebe, befangene Brille anmassender Judenmissionaere schaut, dem wird in diesem Falle das Auftreten des Koenigs von Abessinien nicht so gar schrecklich erscheinen, zumal wenn man - was ungerecht waere - diesen nicht mit europaeischem Massstabe misst. Die deutschen Handwerker und Missionaere (vergl. S. 136) fingen an, im Lande Strassen zu bauen; sie besorgten die Reparaturen des koeniglichen Zeughausmaterials, fertigten Moerser und konstruirten einen Wagen. Letztere beiden Gegenstaende machten dem Koenige viel Spass, namentlich der blau angestrichene Wagen, der, in Stuecke zerlegt, auf den Schultern von Lasttraegern weiter transportirt werden musste, da es an einer fahrbaren Strasse fehlte. Reibereien und Zerwuerfnisse mit den Distriktsbeamten hatten zur Folge, dass die Handwerker 1861 in _Gafat_, drei Viertelstunden von Debra Tabor auf einem isolirten Huegel, unter Aufsicht eines Offiziers internirt wurden. Der Koenig berief einen oder den andern an sein Hoflager und behandelte sie nach wie vor gut. Sie erhielten Ackerland und vom Gouverneur in Debra Tabor Getreide, Vieh, Honig. "Diese Europaeer", schreibt v. Heuglin, "wollen sich in manchen Verhaeltnissen ueber gewisse Formen und Landessitten wegsetzen, was zu vielen Unannehmlichkeiten Anlass gegeben hat." Dass man aber dergleichen in Abessinien so wenig duldet, wie in Europa, ist vollkommen in der Ordnung. Noch mehr Anlass zur Unzufriedenheit gaben die beiden zum Protestantismus uebergetretenen Juden _Heinrich Stern_ und _Rosenthal_. Beide waren nur unter der Bedingung zugelassen worden, sich mit der Bekehrung der Falaschas abgeben zu wollen, allein sie begannen amharische Bibeln unter den Christen zu vertheilen und diese zum Abfall von der abessinischen Kirche aufzufordern. Wuethend hierueber liess der Negus Stern vor sich schleppen, der sich in ziemlich freier Weise vertheidigte und dabei nachdenklich in den Daumen biss. Diese unschuldige Geste bedeutet jedoch in Abessinien, dass man ewige Rache gegen die Person schwoert, in deren Gegenwart man sich befindet. Anfangs fiel dies dem Koenige nicht auf, als aber Stern, um sich ueber eine Misshandlung zu beklagen, aufs neue zum Negus kam, die Wachen mit einem Revolver bedrohend bei Seite schob und den Herrscher aus dem Schlafe stoerend, mit Reiterstiefeln und Hetzpeitsche zu diesem eindrang, erinnerte sich Theodor jener Geste und liess den Eindringling aufs grausamste in Ketten werfen und nur mit rohem Fleisch traktiren. Rosenthal hatte sich schon frueher durch das Geschenk eines Teppichs missliebig gemacht, auf dem der Loewenjaeger Jules Gerard, mit einem Fez auf dem Kopfe, dargestellt ist, wie er einen Loewen erschiesst. Theodor sah in dem feztragenden Jaeger einen Aegypter, in dem Loewen aber das Sinnbild Abessiniens und waehnte sich verspottet. Als man dann noch Papiere bei Rosenthal fand, in denen das Stueckchen von der Kussohaendlerin, der Mutter des Koenigs, wieder aufgetischt war, wurde auch Rosenthal in den Kerker geworfen und seine Frau, die ihn vertheidigen wollte, ihm beigesellt. Der Gerichtshof sprach ueber sie wegen Hochverraths das Todesurtheil, das von Theodor jedoch in lebenslaenglichen Kerker veraendert wurde. Die Hauptsache aber blieb, dass, gegen die ausdrueckliche Verabredung, jene Missionaere versucht hatten, Proselyten zu machen. Als diese aufregenden Scenen sich ereigneten, befand sich der englische Konsul _Cameron_ in Gondar beim Koenige; er war nur fuer Massaua beglaubigt, keineswegs aber fuer Abessinien, da seit Plowden's Tode kein Konsul dort anerkannt wurde. Cameron sollte sich in keiner Weise, wie Plowden, in die Landesfehden mit einlassen, sondern nur Handelsbeziehungen anbahnen und ueber die politische Lage Bericht erstatten. In Gondar angelangt, nahm ihn Theodor sehr freundlich und mit grossen Ehren auf. Der englischen Allianz glaubte sich Theodor gerade gegen den Feind, welchen er am meisten fuerchtete, gegen Aegypten, bedienen zu koennen. Denn dieses blieb seit dem Kampfe, den er am Rahadflusse - als er noch Kasa hiess - gekaempft, sein Schreckgespenst und ein Feldzug gegen Aegypten, sowie die Eroberung des Kuestenlandes bei Massaua seine Lebensaufgabe. Denn die Oberherrschaft, welche der Pascha sich ueber die Grenzlande, namentlich Galabat, anmasst, war der groesste Dorn in Theodor's Augen. Durch Plowden's warme Freundschaft verwoehnt, konnte der Koenig sich in Cameron's kalte Neutralitaet nicht finden und wurde um so misstrauischer gegen diesen, als er sich erlaubte, zu Gunsten Stern's und Rosenthal's auftreten zu wollen. Die nach europaeischem Muster begonnenen Reformen wurden nun eingestellt und in jedem Europaeer ein Spion gewittert. So haben wir gesehen, dass auch Lejean unter jenem Misstrauen zu leiden hatte. Als dieser endlich wieder entlassen wurde, ging er zu seinem Kollegen, dem Konsul Cameron, zum Fruehstueck. Unterwegs fanden die beiden Europaeer in einer der engen Gassen Gondar's einen todten Esel liegen. "Sehen Sie, da liegt ein krepirter Konsul", sagte Cameron und schritt ueber das todte Thier hinweg. Dieser starke Ausdruck, welcher Lejean Anfangs unverstaendlich schien, fand durch Folgendes seine Aufklaerung. Kaiser Theodor hatte vor einigen Tagen in sehr uebler Laune gesagt: "Ich weiss nicht, weshalb mir meine lieben Vettern Napoleon und Victoria solche Leute geschickt haben. Der Franzose ist ein Narr und der Englaender ein Esel." Ganz Unrecht hatte der Fuerst nicht und sein Grimm stieg. Entscheidend wurde jedoch erst ein anderer Umstand. Oft schon hatte Theodor sich geaeussert, dass ein Handelsvertrag mit England in Kraft treten muesse, und demgemaess schrieb er gegen Ende 1862 einen eigenhaendigen Brief an die Koenigin Victoria. Ein gleichzeitiges Schreiben an den Kaiser Napoleon, mit aehnlichen Antraegen, wurde hoeflich erwidert, jedoch der Abschluss eines Handelsvertrags abgelehnt. Von England aber, wo das Schreiben im Auswaertigen Amte verlegt wurde - man ist nie klar darueber geworden, was mit demselben geschah - kam keine Antwort. In ganz Abessinien machte der Vorfall grosses Aufsehen, da der Koenig sich der Hoffnung hingegeben hatte, die britische Regierung wuerde es sich angelegen sein lassen, die angeknuepften Beziehungen zu foerdern, angesichts seiner Freundschaft gegen Plowden, der guten Aufnahme, welche Krapf gefunden, und wegen der Abschaffung des Sklavenhandels. Doch keine Antwort kam. Sicherlich fuehlte sich der stolze Halbbarbar durch diese Nichtbeachtung verletzt; ein europaeischer Hof wuerde dasselbe gethan haben, und dann raechte er sich eben wie ein Barbar. Cameron musste zunaechst seinen Zorn fuehlen und wurde gefangen gesetzt. Hatte die Koenigin von England seinen hoeflichen Brief, in welchem er seinen Wunsch ausdrueckte, mit ihr und ihren Unterthanen in freundschaftlichem Verkehr zu stehen, unbeantwortet gelassen, so brauchte er auch, seiner Meinung nach, den Bevollmaechtigten einer so unhoeflichen europaeischen Monarchin nicht weiter zu respektiren. Er liess Cameron mit einem abessinischen Soldaten an einer und derselben Kette befestigen. Dabei glaubte er, dass die Englaender ihm in seinem Lande so leicht durch Waffengewalt nicht beikommen wuerden und liess sich deshalb nicht gern auf Unterhandlungen ein. Schliesslich sandte man am 15. Oktober 1865 den Konsularagenten _Rassam_, einen Armenier, von Massaua, reich mit Geschenken versehen, zum Koenig Theodoros. Im Januar des folgenden Jahres fand die Zusammenkunft statt und Rassam wurde freundlich aufgenommen, sodass der Koenig schon wenige Stunden nach der ersten Besprechung die Freilassung aller gefangenen Europaeer befahl; er schickte sofort einen Kammerherrn nach Magdala und liess ihnen die Ketten abnehmen. Unterdessen ging Rassam mit dem Koenig und dessen Heere von Daunt nach Korata. Dann wurde am 29. Januar der Befehl zur Freilassung ertheilt, aber nicht vor dem 24. Februar 1866 ausgefuehrt. Am 12. Maerz langten die Freigelassenen in Korata an, alle gesund, mit Ausnahme des Konsuls Cameron, der sich indessen auch bald erholte. Ihre Zahl betrug 18 Koepfe, und Rassam bekam Erlaubniss, sie nach Aegypten oder nach Aden fuehren zu duerfen. Theodor behandelte den Agenten mit grosser Aufmerksamkeit und wollte nicht einmal gestatten, dass Hofleute von demselben Geschenke annahmen. Die Diener des Negus mussten Rassam koenigliche Ehren erweisen, weil er Vertreter der englischen Koenigin sei; sie mussten vor ihm knieen und den Boden mit der Stirn beruehren. Als er in Korata ankam, wurde er von 60 Priestern empfangen, die in vollem Ornate dastanden und Psalmen sangen. Die Freigelassenen wurden noch einmal verhoert, gestanden ein, dass sie Unrecht gethan, und baten, dass der Koenig Theodor als Christ ihnen, den Christen, vergeben moege. Der Koenig hatte an Rassam geschrieben: "Wenn ich ihnen Unrecht gethan habe, so lasse es mich wissen, und ich will es wieder gut machen; findest du aber, dass sie im Unrechte sind, dann will ich ihnen verzeihen." Rassam, dem daran lag, den Koenig bei guter Laune zu erhalten, huetete sich wohl, dem maechtigen Manne Anlass zur Unzufriedenheit zu geben. Dieser liess dann das Schreiben verlesen, welches Koenigin Viktoria an ihn gerichtet hatte. Ein Gleiches geschah mit der Antwort. In dieser sagte er: "In meiner Niedrigkeit bin ich nicht wuerdig, Ew. Majestaet anzureden, aber erlauchte Fuersten und der tiefe Ozean koennen Alles vertragen. Ich, ein unwissender Aethiopier, hoffe, dass Ew. Majestaet mir meine Fehler nachsehen und meine Vergehen verzeihen werde." Der Schluss lautet: "Rathe mir, aber tadle mich nicht, o Koenigin, deren Majestaet Gott verherrlicht hat und der er Weisheit im Ueberfluss gegeben." Ploetzlich trat nun ein Umschlag in dem unberechenbaren Gemuethe des Herrschers ein. Rassam's Plan war, nach dem abessinischen Osterfeste mit den Freigelassenen abzureisen. Da fiel es dem Koenig auf einmal ein, sie alle, dieses Mal Rassam mit einbegriffen, wieder in das Gefaengniss zu werfen. Er war so grimmig, dass er sie ohne Ausnahme hinrichten wollte. Dieses geschah allerdings nicht, dagegen fuehrte man die Europaeer wieder nach der Bergfeste Magdala. Es ist ein Raethsel geblieben, was den Koenig Theodor bewog, die schon befreiten Gefangenen wieder einzusperren. In der veroeffentlichten amtlichen Korrespondenz betreffs der abessinischen Angelegenheiten findet sich die Andeutung, dass Theodor's boeser Geist ein Franzose Namens Bardel gewesen sei, der, frueher Sekretaer Cameron's, aus Rache gegen letzteren den misstrauischen Theodor gegen alle Europaeer einzunehmen wusste und ihm den Verdacht einfloesste: die englische Regierung stehe im Begriff mit Aegypten ein Buendniss abzuschliessen. Die Zahl der Gefangenen war nach und nach auf 18, darunter 10 Deutsche angewachsen. Die Beschuldigungen, welche Theodor gegen sie erhob, waren folgende: Cameron sei zu seinen Feinden, den Tuerken, gegangen und habe mit ihnen unterhandelt; ferner habe er auf den Brief an die Koenigin von England keine Antwort gebracht; Stern, Rosenthal und Cameron's Diener haetten sich durch Verspottung und Verlaeumdung der Majestaetsbeleidigung schuldig gemacht und die andern haetten mit ihnen konspirirt. Nochmals wurde von Seiten Englands ein guetlicher Versuch gemacht, um den Koenig zur Nachgiebigkeit zu veranlassen, dabei jedoch wieder in sehr ungeschickter Weise vorgegangen. Theodor hatte den Wunsch geaeussert, gewisse Maschinen und einige Arbeiter von England zu erhalten. Diese wurden mit andern Geschenken nach Massaua geschickt, um die angestrebte Befreiung der Gefangenen zu unterstuetzen. Unser Landsmann _Flad_, von dem frueher die Rede war (S. 136, 182), hatte die Unterhandlungen mit dem Koenige uebernommen. In einem eigenhaendigen Briefe, den er ueberbrachte, kuendigte die Koenigin Victoria an, dass die Arbeiter und die Geschenke dem Koenig zugeschickt werden wuerden. Dies geschah jedoch nicht. Lord Stanley, der englische Minister des Auswaertigen, hatte spaeter entschieden, dass die Geschenke sowol als die Arbeiter, obgleich die letzteren willig waren, sofort nach Abessinien weiter zu gehen, in Massaua zurueckgehalten und erst dann ausgeliefert werden sollten, wenn Theodor die Gefangenen durch eine Eskorte nach Massaua geleitet und zur Verfuegung des englischen Agenten, Oberst Merewether's, gestellt haben wuerde. Wie zum Hohn schickte dieser anstatt der erwarteten, von Theodor erbetenen und von der Koenigin versprochenen Geschenke, deren Anschaffung dem englischen Staatsschatz gegen 4000 Pfund Sterling gekostet, ein Teleskop durch Herrn Flad. Koenig Theodor, der Beherrscher eines Reiches und der Befehlshaber einer Armee von mindestens 60,000 Mann, der durch ein Fernrohr besaenftigt werden sollte, sagte: "Dieser Mann, welcher mir das Teleskop sendet, wuenscht mich nur zu verhoehnen. Er will mir sagen: Obgleich du ein Koenig bist und ich dir ein treffliches Teleskop schicke, so vermagst du doch nichts dadurch zu sehen." Das Ausbleiben der versprochenen Geschenke bestaerkte den misstrauischen Koenig von Abessinien in dem lange gehegten Verdacht, dass es die Englaender darauf abgesehen, ihn zu betruegen und zu verrathen. Nachdem Herr Flad Lord Stanley's Verfuegung in Betreff der Geschenke mitgetheilt, antwortete Theodor: "Ich bat sie um ein Zeichen der Freundschaft, welches mir verweigert wird. _Wenn sie kommen und fechten wollen, lasst sie kommen; bei dem allmaechtigen Gott, ich werde ihnen nicht ausweichen und nenne mich ein Weib, wenn ich sie nicht schlage!_" Und nach weiteren Eroerterungen des Herrn Flad: "Ich habe keine Furcht, ich vertraue auf Gott, der sagt, dass du Berge versetzen kannst, wenn du den Glauben eines Senfkornes hast. Ihr koennt nicht Alles. Ich weiss, dass, wenn ich Herrn Rassam nicht in Ketten geschlossen haette, die Arbeiter mir nie geschickt worden waeren. Nicht nur zur Zeit des Kapitaens Cameron, als sie keine Antwort auf meinen Brief gaben, in dem ich um ihre Freundschaft bat, fand ich heraus, dass sie nicht meine aufrichtigen Freunde sein, sondern ich sah es sogar schon zur Zeit von Plowden und Bell - diese waren meine Freunde - und aus Freundschaft fuer sie behandelte ich ihre Landsleute gut. Ich ueberlasse es dem Herrn und er soll unterscheiden zwischen uns, wenn wir uns auf dem Schlachtfelde gegenueberstehen." Es ist also klar, dass ein tiefes Misstrauen gegen die Plaene Englands, dessen Agenten er im Bunde mit seinen rebellischen Vasallen und mit seinen auswaertigen Feinden, namentlich den Aegyptern waehnte, die eigentliche Ursache war, weshalb Theodor alle Englaender und ihre Schutzbefohlenen, auf die er seine Hand legen konnte, einkerkern liess, und dass das Zurueckhalten der Geschenke ihn in diesem Misstrauen nur bestaerkte und die Krisis herbeifuehrte. Die vielgenannte Bergfeste _Magdala_ liegt an der Grenze von Wollo-Galla im Sueden des reissenden Beschlo-Flusses, der seine Wasser mit dem Blauen Nil vereinigt. Sie ist in neuer Zeit (1862) von Heuglin und Steudner auf ihrem Wege nach Etschebed ins Lager des Koenigs Theodor besucht und sehr gut geschildert worden. Von der Hochebene Talanta's her kommend und nach Sueden vorschreitend, gelangten die Reisenden an den steilen Absturz zum Beschlo. Die Aussicht von da auf die jenseitigen Galla-Laender ist grossartig. Zu ihren Fuessen schlaengelte sich das ueber 3000 Fuss tiefe Thal des Flusses, als natuerliche Grenze zwischen Abessinien und Galla. [Illustration: Vordringen der Englaender auf Magdala.] Zur Linken, nach Osten, muendete eine steile Schlucht, und darueber hinaus lagen die steilen Kuppen der Bergfeste Kahit, dahinter die beruehmte Festung Amba Geschen, die im November 1856 von Theodor erobert wurde. Im Sueden tritt, vom Hochlande Woro-Haimano und Amara Seint durch einen langen Felsgrat getrennt, die Bergfeste Magdala zwischen tiefen, aber anmuthig gruenen Thaelern weit nach Norden vor; links davon die Berge von Tenta, dahinter die kegelfoermigen Schwesterberge Dschifa und etwas mehr im Sueden steigt der majestaetische Kollo, ganz mit blendend weissem Firn bedeckt, hoch in den blauen Aether. Das Strombett des Beschlo ist an der Furt 150 Schritt breit und nimmt so ziemlich die ganze, mit vulkanischem Geschiebe erfuellte Sohle der tiefen Schlucht ein, die einen reichen Pflanzenwuchs zeigt. Dieses Thal verliessen die Reisenden nach anderthalbstuendigem Marsche und stiegen an einer ziemlich hohen und steilen Terrasse hinauf, die sich am nordwestlichen Fusse von Magdala ausbreitet. Kleine Doerfer mit niedlichen Gaertchen und Kaffeeplantagen lagen zerstreut umher. Ein ziemlich steiler Pfad fuehrt in 11/4 Stunde an buschigen Gehaengen und kahlen Felsen hinan zu dem schmalen Plateau, das die eigentliche Festung Magdala von einer weiter nach Norden vorspringenden, natuerlichen Bergfestung trennt, die etwas niedriger ist als erstere. Herden von Erdpavianen bewohnen die steilen Waende des Vorwerks. Das erwaehnte Plateau ist ganz kahl, Gruppen von Huetten befinden sich an der Suedostseite, die, wie der Platz selbst, _Islam Gie_ (Muhamedaner-Dorf) heissen. Hier ist zugleich der Marktplatz fuer die Festung. Die eigentliche Festung Magdala, einst im Besitze der Galla, kann als Hauptstadt der Provinz Woro-Haimano angesehen werden. Das Land suedwaerts bis Schoa war frueher von amharischen Christen bewohnt, kam aber nach und nach in Besitz der sich immer mehr nach Norden ausbreitenden muhamedanischen Galla, welche von hier aus bestaendige Einfaelle in Abessinien machten, bis Negus Theodor Land und Festung wieder eroberte. Magdala selbst nimmt einen Flaechenraum von 2 englischen Meilen ein, ragt 100-200 Fuss ueber das Plateau von Islam Gie hinaus, haengt im Sueden mit der nahen Hochebene zusammen durch einen niedrigen, langen und scharfen Felsgrat; im Osten und Westen fallen natuerliche, mauerartige, senkrechte Bastionen viele hundert Fuss tief in die Seitenthaeler ab, gegen Norden und Sueden fuehren Felsspalten als natuerliche Thore herab, die mit Ausfallthoren versehen sind. Auch Wasser findet sich auf der Amba und einiger Raum zum Feldbau. Der Negus, der die Wichtigkeit der Amba wegen seinen Beziehungen zu Schoa und weil die Galla von hier aus leicht im Zaum gehalten werden koennen, wohl erkannte, liess Magdala restauriren, einige Geschuetze hinaufschaffen, ein wohlversehenes Zeughaus errichten und weitlaeufige Getreidemagazine bauen. So war die Festung beschaffen, nach der Theodor die Gefangenen hatte schleppen lassen und auf der sich sein Schicksal erfuellen sollte. Als die letzten Friedensaussichten geschwunden waren, fing man in England an sich zum Kriege vorzubereiten, dessen offizieller Zweck die Befreiung der Gefangenen war. Das Parlament wurde zu einer Extrasitzung zusammenberufen und am 18. November 1867 von der Koenigin mit einer Thronrede eroeffnet, in welcher es heisst: "Der Herrscher Abessiniens faehrt fort, allen internationalen Rechten Hohn sprechend, mehrere Meiner Unterthanen in Gefangenschaft zu halten, von welchen einige von Mir besonders accreditirt waren, und seine hartnaeckige Missachtung guetlicher Vorstellungen hat Mir keine andere Wahl gelassen, als die Freilassung Meiner Unterthanen durch eine peremptorische Aufforderung zu verlangen, die zugleich durch eine entsprechende Truppenmacht unterstuetzt wird. Ich habe demgemaess die Absendung einer Expedition zu diesem ausschliesslichen Zweck angeordnet, und ich verlasse Mich voll Vertrauen auf die Unterstuetzung und Mitwirkung meines Parlaments in Meinem Bemuehen, unsere Landsleute aus einer ungerechten Gefangenschaft zu befreien und gleichzeitig die Ehre Meiner Krone zu wahren." [Illustration: Innerer Theil der Bergfeste Magdala. Suedliche Ansicht. Originalzeichnung von E. Zander.] Nach einigem Zoegern bewilligte das Parlament die noethigen Gelder, und die indische Armee erhielt den Auftrag, den Krieg zu beginnen. Am 4. Oktober war bereits ein Pioniercorps bei Zula in der Bay von Adulis (Annesley, S. 169) gelandet. Dieses schlug an der oeden, wasserlosen Kueste ein Lager auf und begann eine Strasse nach dem Innern zu bauen, ohne dabei belaestigt zu werden. Die Gesammtstaerke der aus Indien nach Abessinien beorderten Truppen betrug 12,000 Mann, darunter 4000 Europaeer. Die Infanterie war mit Hinterladern bewaffnet. Ausser diesem Armeecorps folgte ein Tross von 8000 Mann, 35,000 Lastthiere, worunter 24,000 Maulesel und 40 Elephanten, welche letztere zum Tragen der Armstrong-Geschuetze bestimmt waren. Zum Kommandanten der Armee wurde General _Robert Napier_ ernannt. Auch ein ganzer Stab von Gelehrten, Kuenstlern und Zeitungsberichterstattern schloss sich der Expedition an. Unter den ersteren sind zu nennen Werner Munzinger, Ludwig Krapf, der Nilquellentdecker Grant und - im Auftrage des Koenigs von Preussen - der beruehmte Afrikareisende Gerhard Rohlfs. Die beste Stuetze der Armee war jedoch eine ungeheure Summe von Maria-Theresia-Thalern, die man in Wien hatte praegen lassen. Ohne Schwierigkeiten war das Eindringen in das Innere keineswegs; namentlich verursachte der Wassermangel grosse Gefahren fuer Menschen und Thiere, und nur mit den bedeutendsten Kosten konnte man diesem durch destillirtes Wasser abhelfen. Die Truppe war gesund, verlor aber ziemlich viele Kameele und Maulthiere, minder durch die Ungunst des Klimas als durch die schlechte Pflege ihrer Waerter. Dieselben waren ein aus Persien, Arabien und Indien zusammengelaufenes Gesindel, das nicht arbeiten wollte, unterwegs nicht selten, um rascher fortzukommen, die Fracht wegwarf und auf der Strasse liegenliess, die Thiere nicht fuetterte und traenkte, sodass diese erhitzt und halb verdurstet zu den Traenkrinnen kamen, dann uebermaessig tranken und erkrankten. Faellt ein solches Thier, so verursacht die Wegschaffung des Aases, das man im heissen Klima aus Furcht vor Ansteckung nicht im Freien liegen lassen kann, neue Schwierigkeiten, und man konnte sich nur dadurch helfen, dass die Aeser mit duerrem Gestraeuche bedeckt und verbrannt wurden. Oberst Merewether war des langen Liegens an der Kueste, des destillirten Wassers und der Langeweile muede geworden und hatte die Truppe gegen die Hochplatte von Abessinien, wo er Nahrung und Wasser zu finden gegruendete Hoffnung hatte, vorgeschoben. Drei Wege standen ihm offen, alle drei durch die trockenen Bette von Bergstroemen gekennzeichnet, denn wie zur Zeit der Voelkerwanderung sind in diesem halbwilden Lande heute noch Baeche und Fluesse die Wegweiser fuer Wanderer und Voelkerschwaerme. Die kuerzeste der drei Routen war wol die mittlere, vom Flusse Hadasch gebildete, aber sie bot die meiste Schwierigkeit, daher wurde die mehr links liegende, durch den Fluss Kamoyle gebildete Strasse gewaehlt. Unter den Einwohnern wurde eine Proklamation des kommandirenden Generals verbreitet, des Inhalts: dass die Englaender nur gekommen seien, die widerrechtlich gefangen gehaltenen Landsleute zu befreien; Freiheit und Glaube des Volks werden ebenso wie Eigenthum und Vermoegen der Individuen geschuetzt und geachtet werden. Am 2. Dezember setzte sich die Kolonne in Bewegung. Anfangs ging es durch eine sandige, nur spaerlich von Akazien und Steppengewaechsen bedeckte Ebene, dann stieg der Weg langsam auf. Nirgends waren Menschen, nur hier und da das Gerippe verlassener Huetten zu sehen, bis man Kamoyle erreicht hatte, das im Bergkessel liegt, wo man sich wieder an dem Genusse frischen Quellwassers labte und einen Wegzeiger mit der Aufschrift: "Route nach Abessinien" aufstellte. Jetzt gelangte man ins Gebirge, wo Felsenmassen den Weg zu sperren schienen, aber stets oeffnete bei jeder Kruemmung sich ein Ausweg, oft unter ueberhangendem Gestein hinweg, oft an steiler Bergwand entlang; nur vom Regen herabgeschwemmtes Gestein hemmte den Pfad bis Ober-Suru, das, 2000 Fuss ueber der Meeresflaeche liegend, freundlich ins Thal hinabschaut. Hier wurde gerastet; Nacht und Morgen waren kuehl; gestaerkt von der frischen Luft stieg die Truppe das Plateau hinauf. Die Wirkungen der englischen Invasion waren zunaechst an der Bai von Adulis zu bemerken. Zwei Landungsbruecken, Docks und Magazine, eine mehrere Meilen lange Eisenbahn von der Bai nach dem Lager in Zula, ein fuer das schwerste Fuhrwerk fahrbarer Weg von Zula bis zum Fusse des Senafe-Berges, Stationen auf diesem Wege, um den Transportdienst durch Relais zu beschleunigen, Telegraphen erhoben sich sofort als Zeugen englischer Thatkraft. In Senafe, 7500 Fuss ueber dem Meere, wurde das erste groessere Lager aufgeschlagen und ein foermlicher Stationsplatz errichtet. Die gesammte Zufuhr, die durch fabelhafte Preise jedoch dorthin gelockt wurde, war nicht genuegend, ein einziges Regiment zu ernaehren. Daher musste Alles durch eine bedeutende Transportschiffflotte erst in die Annesleybai geschafft und dann durch Maulthiere und Kameele weiter gebracht werden. Taeglich verliessen 20,000 Rationen Zula, von denen aber nur die Haelfte nach Senafe gelangte, da der andere Theil von den Lasttraegern und Treibern verzehrt wurde. 30,000 bis 40,000 Gallonen Wasser wurden taeglich auf den Schiffen kondensirt und dieser Prozess kostete allein taeglich ueber 1000 Thaler. Ehe wir den staunenswerthen Marsch der Englaender in suedlicher Richtung weiter verfolgen, muessen wir uns nach ihrem Gegner und dessen Lage umsehen. Die drohende Invasion und der den Abessiniern innewohnende revolutionaere Trieb, die Eifersuechteleien der kleinen Haeuptlinge und die Sucht derselben, sich unabhaengig zu machen, war mit erneuter Staerke ausgebrochen, in je groessere Verlegenheiten Koenig Theodor gerieth. Ueberall, im Norden wie im Sueden, entbrannte die Revolution, und mit Schluss des Jahres 1867 befand sich Abessinien wieder in der Lage, in der es war, ehe Koenig Theodor seinen ehrgeizigen Traum traeumte, ehe er die zerstreuten Theile zusammenfassen konnte. Ihm blieb schliesslich nur der Landstrich vom Tanasee bis Magdala unterthan, ja zeitweilig nicht einmal dieser, und seine Macht beschraenkte sich nur auf sein Lager, das meistens in Debra Tabor sich befand. Magdala aber, seine fuer uneinnehmbar geltende Feste, huetete er wie seinen Augapfel. Die Gefangenen befanden sich dort ziemlich wohl und waren so wenig streng bewacht, dass sie mit der groessten Leichtigkeit mit den Englaendern korrespondiren und diese von allen Vorgaengen im Lager des Negus in Kenntniss setzen konnten. Das Reich, das Theodor gebildet hatte, war wieder in eine Anzahl unabhaengiger Fuerstenthuemer zerfallen, und nicht das ganze stolze Aethiopien - nein, nur ein einzelner Herzog, der sich noch immer Negus nannte - stand gegen England im Felde. Das grosse Reich Tigrie, das unter Ubie einst selbstaendig war, hatte unter dem Detschasmatsch Kassai, einem Sohne Ubie's, seine Unabhaengigkeit wieder erlangt, und dieser Fuerst, welcher fuerchtete, dass Theodor ihn doch einst vertreiben koenne, schloss sofort mit den Englaendern Freundschaft und empfing Gesandte in seiner Hauptstadt Adoa. In Lasta und den angrenzenden Distrikten hatte sich Gobazye, der Schum von Wag, kurzweg der Wagschum genannt, ein tapferer Krieger und einst einer der besten Generaele Theodor's, unabhaengig gemacht. Kassai und Gobazye befehdeten einander, doch nicht minder stark war die Feindschaft beider gegen Theodor, ihren gemeinschaftlichen Gegner. Mehr als der Abfall dieser Fuersten schmerzte Theodor aber der Verrath des jungen Menilek. Dieser, der Sohn des 1856 von Theodor besiegten Koenigs Hailu Melekot von Schoa, war Theodor's Schwiegersohn geworden; aber weder die junge Frau, noch die Gnade des Koenigs vermochten ihn zu fesseln; er trachtete nur danach, wieder in den Besitz seines Erbes zu gelangen. Unterstuetzt von der Gallafuerstin Workit entfloh er mit Zuruecklassung seiner Frau nach Ankober, wo ihn die Schoaner jubelnd als Negus anerkannten. Theodor selbst wurde durch diesen Abfall und das Misstrauen, welches er gegen die Europaeer hegte, zur schrecklichsten Wuth getrieben, die sich in blutigen Greueln aeusserte. Der Kerker zu Debra Tabor war, wie wir aus den Berichten eines Augenzeugen, des deutschen Naturaliensammlers Karl Schiller, selbst erfuhren, fortwaehrend mit Ungluecklichen ueberfuellt, die entweder zum Hungertode oder zur Hinrichtung durch Abschneiden der Haende und Fuesse verdammt waren. Dreihundert Soldaten, die im Verdachte standen, desertiren zu wollen, wurden zum Hungertode verurtheilt. Gefesselt und bewacht, mit langen Holzgabeln am Halse, sassen sie zusammengekauert ohne die geringste Bekleidung im Freien. Des Nachts fror fingerdickes Eis oder stroemte der Regen auf die Elenden hernieder, waehrend am Tage die brennenden Strahlen der tropischen Sonne die nackten Koerper trafen. Nach Verlauf von zwei Wochen starb der letzte; er hatte mit dem Regen, der seine verdorrenden Lippen netzte, mit dem Grase, auf dem er sass, sein jammervolles Dasein so lange gefristet. Solche Greuel aber ereigneten sich fast taeglich! Blitzschnell zog Theodor im Lande herum, und wehe der Gegend, in die sein raublustiges Heer einfiel. Das Volk der Waito wagte zuerst, dem Gewaltigen Widerstand zu leisten, ja es war so gluecklich, Anfangs einen Theil seines Heeres zu schlagen. Da beschloss Theodor, mit ihnen kehraus zu machen. Wie der Habicht vom hohen Thurme herniederfaehrt zwischen das scheue Gefluegel, so stuerzte er von Debra Tabor auf die Waito. Was nicht sogleich vor dem Schwerte der Krieger fiel, wurde in die Haeuser getrieben, und als diese mit Maennern, Weibern, Kindern gefuellt waren, da befahl Theodor, Feuer an die Strohdaecher zu legen, und Hunderte von Unschuldigen fanden ihren qualvollen Tod in den Flammen. In Gafat, spaeter in Debra Tabor, herrschte waehrenddem eine grosse industrielle Thaetigkeit. Dort hatte man Flammenoefen gebaut, dort haemmerte, schmiedete und formte man Tag und Nacht unter der Leitung der deutschen Handwerker, an deren Spitze jetzt Dr. Schimper und Eduard Zander standen. Mit geringen Mitteln war mitten in der abessinischen Wildniss ein ziemlich bedeutendes industrielles Etablissement entstanden, eine Oase in der Wueste, in welcher fast nur deutsche Laute wiederklangen. Die erste Kanone, welche 8 Fuss lang war und eine 6 Zoll weite Seele besass, wurde von dem ueber den Guss hocherfreuten Koenige "Theodor" getauft, waehrend ein 80 Centner schwerer Riesenmoerser mit anderthalbfussweiter Oeffnung den stolzen Namen "Sebastopol" erhielt. Als die Gegend um Debra Tabor im Spaetsommer vollstaendig ausgepluendert war und die Raubzuege in der Umgegend kein Vieh und Getreide mehr einbrachten, beschloss Theodor, nach Magdala aufzubrechen. Debra Tabor wurde, damit es keinem Feinde in die Haende fiel, in Brand gesteckt und dann der Marsch mit einem Heere von etwa 50,000 Menschen angetreten, worunter sich jedoch hoechstens 10,000 Krieger befanden, denn Hinrichtungen und Desertionen hatten die Armee stark reduzirt. Ueber Hochlande, die theilweise 11,000 Fuss ueber dem Meere liegen, durch zerrissene Tiefebenen und vom Regen angeschwollene Stroeme fuehrte der Marsch ueber Tschetscheho nach Woadla. Mitten im Zuge schritten gebunden die fuenf Deutschen: Steiger, Brandeis, Schiller, Essler, Makerer, waehrend Cameron, Rassam, Stern, Rosenthal u. s. w. bereits auf Magdala schmachteten. Am 31. Oktober 1867 stand das Heer bei dem Flecken Biedehor, der etwa 10,000 Fuss hoch ueber dem Meere liegt. Von dort hat man einen weiten Blick in das Land nach Sueden, nach Magdala und dem hohen, schneebedeckten Kollogebirge. Suedlich von Biedehor aber durchsetzt eine jener grausigen Thalschluchten das Land, an denen Abessinien so reich ist. Hier fliesst zwischen senkrechten, fast 3000 Fuss hohen Felsen die rauschende Dschidda hin. Nur einige Terrassen unterbrechen die jaehen mauerartigen Waende. In diesen Schlund musste die ganze Armee hinabsteigen und, nachdem sie das Flussbett ueberschritten, am jenseitigen Ufer wieder einen ebenso steilen Felsenwall ueber nacktes, vulkanisches Gestein nach der fruchtbaren Ebene von Talanta hinaufklimmen. Dorthinab mussten auch die Kanonen und der Riesenmoerser "Sebastopol" geschleppt werden. Der letztere wurde auf einem ungeheuren Wagen von Hunderten von Menschen fortgezogen, so wie die alten Aegypter einst ihre Kolosse fortbewegten. Aber auf den gewoehnlichen Maulthierpfaden konnte der Moerser unmoeglich durch die Dschiddaschlucht gelangen, und rasch entschlossen befahl Theodor den deutschen Arbeitern, die ihn begleiteten, eine Strasse zu bauen. Dieses geschah, waehrend die Englaender schon im Anmarsch waren, und mit Erstaunen vernahm Theodor, was er fuer unmoeglich gehalten, dass jene in Zula gelandet seien. Zwei Monate nahm der Bau der Strasse in Anspruch, denn erst am 15. Januar 1868 war die Dschidda gluecklich ueberschritten und die Talanta-Ebene erreicht. Wohlgefaelligen Auges schaute der Koenig auf die fruchtbare Ebene. Die Weizen- und Gerstenfelder standen in der ueppigsten Pracht, ueberall wimmelte es von fleissigen Menschen, die den Boden bestellten, von froehlich singenden Kindern, denn ein Owatsch (Herold) des Koenigs war umhergezogen und hatte in ganz Talanta verkuendigt: "Kehrt heim ihr Bauern zu eurer Arbeit, bestellt die Aecker und fluechtet euch nicht. Der Koenig bringt den Frieden, kein Haar wird euch gekruemmt, euer Eigenthum ist geachtet." Und friedlich kehrten die, welche schon auf der Flucht waren, in ihre Doerfer zur gewohnten Beschaeftigung zurueck. Aber Theodor hielt sein Wort nicht; er brauchte Proviant fuer seine Festung Magdala, fiel ueber die schmaehlich betrogenen Leute von Talanta her und zog dann ueber den Beschlo in seine Felsenburg ein. Unterdessen rueckten die Englaender mit grosser Geschwindigkeit nach Sueden vor. Ihr Marsch war kein leichter. Besonders muss man bedenken, dass eine Verbindungslinie von 400 englischen Meilen zwischen dem Meere und Magdala offen zu halten und durch eine Postenkette zum Schutze des Proviants und der Munition zu befestigen war. Letzteres war um so mehr erforderlich, als man auf freundschaftliche Gesinnung der Eingeborenen nur so lange mit Gewissheit rechnen konnte, als Gewalt und Glueck auf Seite der Europaeer stand. Dabei bewegte sich die Truppe mit ihrem riesigen Tross, ihren Elephanten und Kanonen auf Gebirgen, die unsere hoechsten Alpenpaesse bei Weitem ueberragen, wie aus der folgenden, in Petermann's Mittheilungen (1868, S. 180) angegebenen Hoehenlage der hauptsaechlichsten Stationen hervorgeht. Senafe, besetzt am 6. Dezember 1867, liegt 7464 Fuss ueber dem Meere; Adigerat (Ategerat), besetzt 31. Januar 1868, 8291 Fuss; Tschelikut 6279 Fuss; Antalo (besetzt 15. Februar) 7935 Fuss; Aladschin-Pass 9630 Fuss; Aschangi-See 7264 Fuss; Lat (besetzt 31. Maerz) 8478 Fuss; Dasat-Berg 9502 Fuss; Quelle des Takazzie 7700 Fuss; Abdikom 10,000 Fuss; Talanta (4. April) 10,700 Fuss; Magdala (erstuermt am 13. April) etwa 11,000 Fuss. In diesem Verzeichniss ist zugleich die Marschroute des Heeres kurz angegeben, ueber die wir hier noch Einiges nachtragen wollen. Von Senafe zog das Heer ueber ein hohes, offenes, grasbedecktes Plateau mit einer reizenden Aussicht auf Gebirgsmassen von allen nur denkbaren Formen, nach _Adigerat_ zu. Die zwischen den Bergen sich hinwindenden Schluchten, denen nur Baeche und Waelder zur Vollendung der Schoenheit mangeln, schienen sehr fruchtbar zu sein, sodass man die schwache Zufuhr an Getreide von Seite der Eingeborenen kaum begreifen konnte, und selbst die beschraenkten Zufuhren erschoepften die Gegend immer schnell, da keine Idee von Grosshandel herrschte und jeder nur das zu Markte brachte, was er von seinen eigenen Vorraethen eruebrigen konnte. Adigerat selbst, das man am 31. Januar 1868 besetzte, war allen bisher gesehenen abessinischen Staedten ueberlegen, da ausser den gewoehnlichen schmuzigen Huetten und einer huebschen Kirche noch ein Palast und ein befestigter Thurm sich dort befanden. Hinter diesem Hauptorte der Provinz Haramat fuehrt ein gangbarer Weg nach _Mai Wihis_, durch weite, offene, grasbewachsene Ebenen, die haeufig von Doerfern unterbrochen und ziemlich kultivirt waren. Fuer den kriegerischen Charakter der Bevoelkerung zeugten genugsam die vielen auf fast unerreichbaren Felsspitzen erbauten Festungen, die selbst europaeischer Artillerie zu trotzen vermoegen. So namentlich _Amba Zion_ (siehe Abbildung S. 41), das ehemalige Staatsgefaengniss Theodor's, welches jetzt leer stand, da bei dem Abfall Kassai's auch der mit der Beaufsichtigung dieser Festung betraute Haeuptling revoltirte und die Gefangenen in Freiheit setzte. _Ad Abagin_, 7849 Fuss ueber dem Meeresspiegel, war die naechste Station. Hier waren die Naechte so kalt, dass man kaum schlafen konnte, wozu sich die lieblichen Toene eines Schakal- und Hyaenen-Konzerts gesellten. Allein die Thiere waren weniger gefaehrlich, als man denken sollte, da sie sich genuegend an den todten Maulthieren saettigen konnten. Bei Agala, 6300 Fuss ueber dem Meere, zeigte sich eine merkliche Veraenderung der Vegetation. Duftende Kraeuter versuessten die Luft, die Strasse war wunderbar gut und nur auf eine kurze Strecke abschuessig. Hier in dieser Gegend erhielt man wieder Briefe von den Gefangenen in Magdala, woraus hervorging, dass sie sich Alle wohl befanden und dass Theodor im Januar Magdala noch nicht erreicht hatte, aber entschlossen sei, es mit den Englaendern aufzunehmen. Da man die Abessinier fuer keine zu verachtenden Feinde hielt, wurde die Strasse, die nach Magdala fuehrt, durch mehrere Positionen befestigt. So erhielt Adigerat Wall und Graben, die von 200 Mann und einigen Armstrongkanonen vertheidigt wurden. Die Fluesse, welche man auf dem ferneren Wege nach _Antalo_ zu traf, eilen der Geba, einem Nebenflusse des Takazzie, zu und senden durch diesen Kanal ihren Tribut zum Anschwellen des Nil. Die Armee hatte daher ueber eine Reihe von Wasserscheiden im rauhen Gebirgslande zu setzen. Hier traf man auch auf die Salzkarawanen, welche, von Taltal kommend, die Salzstuecke in das Innere des Landes verfuehren. Waehrend die Armee solchergestalt vordrang, suchte der Oberbefehlshaber sich mit den Haeuptlingen des Landes in freundschaftliches Einvernehmen zu setzen und begann mit einem Besuche Kassai's, des Fuersten von Tigrie. Als Ort der Zusammenkunft diente eine Stelle am Fluesschen Diab, unweit der herrlichen Amba Zion; als Tag war der 25. Februar bestimmt. Kassai erschien mit 4000 Mann am Ufer des Baches. Sir Robert Napier ritt auf einem Elephanten, gefolgt von seinem ganzen Stabe, ihm entgegen, verliess aber seinen hohen Sitz auf dem Ruesseltraeger, damit der Anblick des Thieres unter der Kavallerie der Abessinier keine Verwirrung anrichte. Nun oeffneten sich auch die Reihen der Abessinier und mitten durch sie kam der etwa 35 Jahre alte Kassai auf einem weissen Maulthiere angeritten. Die Briten empfingen ihn mit allen militaerischen Ehren, ihr Oberkommandant schuettelte ihm die Hand und fuehrte ihn ins Zelt, wo Kassai reich beschenkt wurde und ein Freundschaftsbuendniss mit England schloss. Er bewunderte vorzueglich die Waffen der Europaeer und lud hierauf Napier ein, seine eigenen Truppen zu inspiziren. Mit wenigen Ausnahmen trugen diese alle Feuerwaffen. Der groesste Theil von ihnen besass doppellaeufige Perkussionsgewehre englischen oder belgischen Fabrikats. Viele fuehrten Pistolen und kein einziger fand sich, der nicht das lange krumme Schwert an der rechten Seite getragen haette. Die wenigen, die ohne Gewehre erschienen, waren mit Speer, Schwert und Schild bewaffnet. Die Mannszucht schien gut, ihre Manoevrirfaehigkeit war nicht zu verachten. Gleichfalls beschenkt mit silbernen Armringen, einer Loewenhaut, dem Abzeichen tapferer Krieger, mit Speer und Schild, kehrte der englische Oberkommandant in sein Lager zurueck. Er hatte nun im Ruecken nichts mehr zu besorgen, und der Vormarsch auf Antalo begann auf schwierigen Wegen. Das Land zeigte ueberall Spuren der vielen Kaempfe, denen es durch seine unruhigen Haeuptlinge ausgesetzt war. Die Doerfer lagen verwuestet, die Unsicherheit der Zustaende hinderte eine geregelte Bodenkultur und statt den Englaendern fuer die Verbesserung der Strassen und Wegbarmachung der Paesse zu danken, grollten ihnen die Eingeborenen, weil hierdurch den Haeuptlingen der Nachbarlaender spaeter feindliche Einfaelle erleichtert wuerden. _Antalo_ unterschied sich nicht von Adigerat als Stadt, war aber bedeutend als Marktplatz. Brot, Mehl, Butter, Honig, Schlachtvieh wurden in reichem Masse zugefuehrt, doch stellte sich eine Schwierigkeit ein: Napier hatte einen Augenblick lang Ebbe in der Kasse, denn Gold nahmen die Eingeborenen nicht und Maria-Theresia-Thaler waren in ungenuegender Menge zugefuehrt worden. In ihren Thalern hatten die Englaender das beste Mittel, die Allianz der Einwohner zu erzielen; aber ihre Kopfzahl erschien diesen immer noch zu gering, um den fuerchterlichen Theodor anzugreifen, welcher sich, den angelangten Nachrichten zufolge, auf der Hochebene von Talanta, zwischen den Stroemen Dschidda und Beschlo befestigte. Der Zug der Englaender ging nunmehr durch Wodscherat und _Doba_ zum _Aschangi-See_, der oestlich liegen blieb, und durch Wofila nach dem 8478 Fuss hoch gelegenen _Lat_, wo das ganze Expeditionscorps in zwei Divisionen getheilt wurde, von denen die erste unter General Stavely, 4600 Mann und 600 Pioniere zaehlend, zum aktiven Vorgehen, die zweite unter General Malcolm zur Reserve und Besatzung der Zwischenstationen bestimmt war. Alles unnoethige Gepaeck blieb zurueck; fuer je 12 Offiziere wurde nur ein Zelt und fuer 20 Gemeine eins bewilligt, die ersteren durften nur 30 Pfund, die letzteren nur 25 Pfund Gepaeck mitfuehren. Nachdem der 10,662 Fuss hohe Emano-Amba-Pass durchschritten war, stieg die Armee hernieder zu den Quellen des Takazziestromes. Dann wurde die Ebene von Woadla (Wadela) durchschritten, und am 30. Maerz standen die Englaender in Biedehor am hoechsten Rande des _Dschidda-Thals_, 10,000 Fuss ueber dem Meere, auf der Kunststrasse, die Theodoros muehsam durch die Deutschen hatte herstellen lassen. Durch den Bau dieser Strasse hatte der Negus den Englaendern ein gutes Theil an Zeit und Muehe erspart, allein es blieben noch Hindernisse genug uebrig. Der Uebergang ueber die Dschidda, welcher am 4. April bewerkstelligt wurde, war nicht das geringste derselben. Die abschuessigen, felsigen Ufer hinab und wieder hinauf zu steigen, war kein leichtes Unternehmen; die Lastthiere rutschten die ganze Strecke hinunter und mehrere erlagen den Strapazen. Das Aufsteigen auf der anderen Seite war womoeglich noch schwieriger fuer Menschen und Thiere, die sich mit leerem Magen und unter schwerem Gepaeck hinaufzuwinden hatten. Hier wurde es allmaelig zur Gewissheit, dass Theodor sich auch von der Hochebene Talanta, die man jetzt betrat, zurueckgezogen und nach Magdala geworfen habe, dass man ihn daher hinter dem Beschlo aufsuchen muesse. Die vorausgeschickten Rekognoszirungstruppen hatten bereits die Nachhut von Theodor's Heer erblickt, und nun war es klar, dass in den naechsten Tagen ein Zusammenstoss stattfinden koenne. Was die Einwohner von Talanta betraf, so bezeigten sie sich den Englaendern freundlich, da sie kurz vorher von Theodor's Truppen nach Massgabe der altabessinischen Praxis ausgepluendert waren und nun in den Fremdlingen ihre Raecher erblickten. Gefaehrlich schien fuer die Englaender einen Augenblick das Auftreten des Rebellen Wolda Jesus in ihrem Ruecken, der die Transporte, welche durch Lasta gingen, zu stoeren versuchte, aber von dem ihnen verbuendeten Kassai von Tigrie zur Ruhe verwiesen wurde. Von den Gefangenen hatte man die Nachricht, dass sie sich wohl befaenden und milder als frueher behandelt wuerden. Ueber das Verhalten Theodor's kurz vor dem Zusammentreffen mit den Englaendern giebt ein Brief des gefangenen Gesandten Rassam interessante Auskunft. Hiernach hatte sich der Koenig schon am 18. Maerz ueber den Beschlo zurueckgezogen und an diesem Tage einen Brief an Rassam geschickt, in welchem er bedauerte, dass dieser in Fesseln gelegt worden sei, denn ohne sein Wissen haetten dieses die Behoerden gethan; gleichzeitig gab er den Befehl, Rassam die Ketten abzunehmen, was auch geschah. Am 27. Maerz zog Theodor mit seinen sehr zusammengeschmolzenen Getreuen in Magdala ein, wo die groesste Verwirrung herrschte. Ein hoher militaerischer Wuerdentraeger war desertirt und zwei andere Haeuptlinge wurden angeklagt, Menilek, den Koenig von Schoa, eingeladen zu haben, die Festung in Besitz zu nehmen. Dieses Alles setzte den stolzen Herrscher, der bisher nur die unbedingteste Unterwerfung unter seinen Willen gekannt, derart in Wuth, dass er zuerst beschloss, die alte Garnison aus der Festung zu entfernen und durch eine neue zu ersetzen; am naechsten Tage jedoch gab er Gegenbefehl, beschraenkte sich darauf, den Kommandanten abzusetzen und die Besatzung durch 1000 Mann zu verstaerken. Am 29. Maerz schickte Theodor zu Rassam, den er in einem seidenen Zelt empfing. Er theilte ihm hoeflich und in seiner unberechenbaren Weise mit, dass er ihn nur darum uebel behandelt habe, weil er wuenschte, die Englaender moechten gegen ihn zu Felde ziehen. Darauf drueckte er den Wunsch aus, er moege Rassam in der englischen Uniform sehen, was dieser natuerlich zugestehen musste. Umgeben von 400 Offizieren und den deutschen Handwerkern empfing er den ehemaligen Abgesandten der Koenigin Victoria, welcher die Ehre hatte, dem koeniglichen Prinzen vorgestellt zu werden. Alles schien dem Koenige daran gelegen, den Gefangenen moeglichst zu imponiren, und um diesen Zweck zu erreichen, wurde der beruehmte Riesenmoerser Theodor's herbeigeschleppt, den dieser "Sebastopol" getauft hatte. Freudenschuesse begleiteten die Ankunft des Ungethuems, das sich spaeter als sehr ungefaehrlich erwies. Theodor selbst beaufsichtigte die Befestigungs- und Wegarbeiten und war darueber, dass er Magdala vor den Englaendern erreicht, so erfreut, dass er saemmtlichen Gefangenen die Fesseln abnehmen liess. Nachdem alle Kanonen und Moerser an Ort und Stelle waren, erkundigte er sich bei Rassam aufs genaueste nach der Zahl der gegen ihn ausgesandten englischen Truppen. Letzterer erwiderte: man spreche von 10,000 Mann; er glaube aber nicht, dass mehr denn 6000 bis Magdala kommen wuerden. Darauf hin setzte der Negus auseinander: wenn er noch so maechtig waere, wie ehedem, haette er die Englaender bei ihrer Landung erwartet und sie gefragt, was sie denn eigentlich wollten; aber jetzt habe er mit Ausnahme Magdala's das ganze Land verloren und muesse sich damit begnuegen, sie hier zu erwarten. Dann befahl er, die Gefangenen in seiner unmittelbaren Naehe zu halten, waehrend er von seiner luftigen Burg unablaessig mit dem Fernrohr nach Norden hin schaute, von wo der Feind kommen musste. Endlich am 7. April sah Theodor die ersten Englaender am Beschlo anlangen. Am 10. April ueberschritt auch Sir Robert Napier diesen Fluss und hatte nun die Feste Magdala in ihrer ganzen Fuerchterlichkeit vor sich liegen. Kuehn ragten die steilen Felsen gen Himmel, und oben befand sich Theodor mit seinem Heere. Obgleich die Englaender keineswegs die Absicht hatten, sogleich zum Angriff ueberzugehen, sondern ausserhalb Schussweite von Fala, einer Vorburg Magdala's, kampiren wollten, so wurden die Truppen Theodor's doch durch die englischen leichten Reiter, welche nahe an die Festung heranritten, hervorgelockt. Theodor, der selbst in Fala bei seinen grossen Kanonen sich aufhielt, gab Befehl, diese dreisten Leute gefangen zu nehmen. Aber er hatte nicht gewusst, dass inzwischen die ganze Brigade unter Sir Stavely auf einem verdeckten Wege ebenso nahe war. Die leichten Reiter zogen sich, als etwa 1200 Fussgaenger von der Amba herunterkamen, so schnell sie konnten, zurueck. Statt ihrer rueckten nun ein Regiment Beludschen, ein englisches Infanterieregiment, eine Batterie Berggeschuetze und eine Raketenbatterie vor. Theodor that aus seinem schweren Geschuetze in Fala einige gutgezielte Schuesse und seine Leute liefen in Unordnung, aber tapfer vor, bis sie auf 150 Schritt an die Englaender herangekommen waren. Dann aber hatte es ein Ende: Die Wirkung der Geschuetze und das auf die Abessinier einstroemende Feuer der Raketen machte, dass an keinen Halt mehr zu denken war; Hunderte deckten, mit dem Anfuehrer (Fit Auri, S. 19) an der Spitze, die Wahlstatt; der Rest stob auseinander und fluechtete nach der Burg zurueck. Theodor, welcher seines Sieges sicher war, hatte unterdessen geschickt eine andere Abtheilung in den Ruecken der englischen Bagage gesandt; aber auch dieser ging es schlecht. Von einer Bergbatterie unterstuetzt, richtete die Bagagemannschaft ein entsetzliches Blutbad unter den Abessiniern an, die immer in dem Glauben gelebt hatten, wehrlose Leute vor sich zu haben. Von diesen 600 Mann kehrte keiner in die Amba heim; die Ueberlebenden konnten nicht in die Burg zurueck, da ihnen der Rueckzug abgeschnitten war, und, ins Land fliehend, wurden sie ein Opfer der erbitterten Bevoelkerung. Der Kampf dauerte bis 61/2 Uhr Abends, wo Dunkelheit und Regen die Englaender noethigten, die Verfolgung, die bis an die Felsenwaelle Magdala's selbst fuehrte, einzustellen. Waehrend des ganzen Gefechts, das die Englaender als "Schlacht von Arodsche" bezeichnen, fand ein furchtbares Gewitter statt, sodass Donner und Kanonengebruell sich miteinander mischten. Die Zahl der abessinischen Todten betrug viele hundert, die Englaender dagegen hatten keinen Todten und nur zwanzig Verwundete. [Illustration: Auffindung der Leiche des Koenigs Theodoros. Nach englischen Zeichnungen.] Theodor war ueber den Misserfolg seiner Waffen ausser sich. Zum ersten Male, seit er die Krone trug, war er ordentlich geschlagen worden, und zwar von den verachteten "rothen Barbaren". Seine Wuth kannte keine Grenzen, und das Damoklesschwert schwebte fortwaehrend ueber dem Haupte der europaeischen Gefangenen. Indessen kuehlte er seinen Zorn nur an den abessinischen Gefangenen, von denen er ueber 300 vor den Augen der Europaeer hinrichten und ueber die Felswaelle Magdala's hinabstuerzen liess. Aber soviel sah er ein, dass er auf die Dauer den Englaendern nicht zu widerstehen vermoege. Am naechsten Morgen sandte er daher den Missionaer Flad, von zwei abessinischen Haeuptlingen begleitet, in das englische Lager, um zu unterhandeln. Die einzige Antwort, die Sir Robert Napier durch diese dem Koenig geben konnte, war: bedingungslose Kapitulation. Noch einmal schickte Theodor die Parlamentaere ins Lager, doch Sir Robert Napier gab ihnen dieselbe Antwort, und traurig waren sie im Begriff, in die Gefangenschaft zurueckzukehren, als sie auf dem Wege die ploetzlich freigegebenen Europaeer Cameron, Rassam und einige der Handwerker antrafen. Am naechsten Morgen wurden alle uebrigen Gefangenen freigelassen, der Franzose Bardel, den man fuer den schlechten Rathgeber Theodor's hielt, ausgenommen. Bardel fanden die Truppen spaeter, bei der Einnahme von Islam-Gie, hinter einem Felsen liegend, krank vor Hunger und Fieber. Theodor hatte ihn aus Magdala hinausgejagt. Dieser selbst aber war entschlossen, sich nicht zu unterwerfen und bis zum letzten Augenblicke auszuhalten. Lieber wollte er muthig untergehen, als feige sich ergeben. So blieb denn den Englaendern nichts uebrig, als zum Sturm auf Magdala zu schreiten, welches immer noch von einigen tausend Mann besetzt war. Die Festung, von steilen Felsen beschuetzt, so erzaehlt ein englischer Bericht, bot nur zwei Zugaenge, an der Nord- und der Suedseite, die so enge waren, dass nur ein Maulthier sie jedesmal passiren konnte, und die jeder zu einem stark verrammelten Thore fuehrten. Das noerdliche Thor war es, durch welches der Eingang erzwungen wurde. Gegen halb drei Uhr Nachmittags am 13. April, dem Ostermontag, begann das Bombardement, und nach einer zweistuendigen Kanonade wurde der Befehl zum Sturm gegeben. Die Truppen erkletterten den zum Thore fuehrenden Pfad, fanden aber dieses, wie das umgebende Pfahlwerk, von den Kugeln nur wenig verletzt. Die Palissaden mussten daher mit Huelfe einer Strickleiter ueberstiegen werden, um das Festungsthor von beiden Seiten angreifen und die Vertheidiger zuruecktreiben zu koennen. Den Zugang bildeten zwei etwa zehn Fuss voneinander entfernte Thore; der Raum zwischen denselben war mit schweren Steinen angefuellt. Hatte die Kanonade auch keinen direkten Vortheil erzielt, so trieb sie doch die Vertheidiger zurueck. Nur sechs Offiziere stellten sich mit Todesverachtung den Angreifern entgegen, doch waren ihrer zu wenige, um die Position halten zu koennen. Als die Englaender ueber die Leichen dieser Tapferen vordrangen, fanden sie auf einer etwas entfernten Anhoehe den entseelten Koerper des Koenigs Theodoros liegen - er hatte die Schande nicht ueberstehen koennen und sich, um einer schmachvollen Gefangenschaft zu entgehen, durch den Mund erschossen, und zwar mit einem jener Revolver, welche ihm "die Koenigin Victoria zum Zeichen ihrer Dankbarkeit fuer die Guete geschenkt hatte, die er ihrem Diener Plowden erwiesen." So sagte die Inschrift des sechslaeufigen Revolvers. Theodor's Waffentraeger gab die Einzelheiten an ueber das Verhalten seines Herrn in den letzten Stunden waehrend des Angriffs der Englaender, gegen welchen der sonst so gefuerchtete Tyrann nur mit wenigen Getreuen Stand hielt. Zweimal brach unter den hervorragendsten Haeuptlingen und deren Gefolge Meuterei aus. Sie weigerten sich, an seiner Seite zu kaempfen, und beschlossen, ihn dem Feind auszuliefern, doch hatten sie noch immer nicht genug Muth, ihr Vorhaben auszufuehren. Als so Alles verloren war, erschoss sich Theodor selbst, gleichsam um seine Feinde dadurch zu beschaemen, dass er wie ein Koenig sterbe. Das Gesicht des Todten liess allerdings nicht auf seine frueheren Zuege schliessen, zumal da das Auge das Feuer und den Ausdruck verloren, die als sein Charakteristicum bezeichnet wurden. Die Stirn zeugte von Intelligenz, der Mund von Entschlossenheit und Grausamkeit. Eine Anzahl englischer Truppen hielt bei dem koeniglichen Leichnam Wache, bis er, am Abend des 14. April, in der Kirche von Magdala begraben wurde. [Illustration: Koenigskrone Theodor's.] Der englische Oberbefehlshaber bot das eroberte Magdala dem Gobazye, Schum von Waag, an; dieser lehnte jedoch das Geschenk ab, weil er es nicht gegen die Angriffe der Wollo-Galla vertheidigen koenne und es ueberdies noch jedem, der dort geherrscht, den Untergang bereitet habe. Deshalb beschloss Napier, Magdala zu zerstoeren. Am Nachmittag des 17. April wurde der Ort in Brand gesteckt, die hochaufwirbelnden Feuer- und Rauchsaeulen verkuendeten den erstaunten Eingeborenen, dass Theodor gefallen, seine Zwingburg zerstoert sei. Mit der Kirche, die man vor den Flammen nicht retten konnte, verbrannte auch der Leichnam des Koenigs. Damit war jedoch nur der Ort Magdala vernichtet, die natuerliche Felsenfeste aber war unzerstoerbar. Die Stadt an und fuer sich war uninteressant, sie bestand aus den gewoehnlichen Huetten mit kegelfoermigen Strohdaechern. Nur die keineswegs schoene Kirche und die Wohnung Theodor's stachen von den uebrigen Haeusern ab. Letztere bestand aus zwei Stockwerken und war mit einem flachen Dache gedeckt. In ihr fand sich eine Anzahl europaeischer Luxusartikel vor, Klaviere, Harmoniums, Spieldosen, Patronen fuer Hinterlader und ein Gemenge anderer Gegenstaende. Sonst fanden sich Zeichen der Civilisation nur in den Werkstaetten der von Theodor gefangen gehaltenen Handwerker. Einige Kronen, Becher, die Moerser Theodor's, Speere, Saebel, Kreuze, amharische Bibeln u. s. w. wurden als Trophaeen mit nach England genommen. Unter den Gefangenen befand sich auch ein Sohn Theodor's, welchen der Obergeneral mit nach England zu nehmen beschloss. Auch die beiden Koeniginnen fielen den Englaendern in die Haende. Die rechtmaessige Gattin Toronesch, die Tochter Ubie's, erschien als eine vornehm aussehende Frau von 26 Jahren, mit heller Hautfarbe, lebhaften Augen, huebscher Hand und wunderschoenem Haar, das in dichten Locken auf die Schultern herabfiel. Sie vermochte das Ende ihres Gemahles nicht zu ueberleben und starb auf dem Wege nach der Kueste. Sofort begannen die Englaender den Rueckmarsch; um den Besitz der kahlen Felsenwaende Magdala's, das zur Beruehmtheit geworden, stritten sich nun wieder die Galla - fuer die Abessinier war das Land am Kollogebirge, welches sie von ihren Stammesgenossen in Schoa trennt, verloren, und der muhamedanische Keil, den einst Theodor beseitigt, war wieder zwischen die christlichen Reiche eingeschoben. Auf der Talanta-Hochebene sammelte Sir R. Napier sein kleines tapferes Heer, hielt ueber dasselbe Revue und dankte ihm fuer die bewiesene Aufopferung. Dann wurde die Dschidda ueberschritten und auf demselben Wege, den man gekommen, die Heimkehr vollzogen. Die befreiten Gefangenen und die Beute brachten die Englaender triumphirend nach Zula, von wo sie nach England eingeschifft wurden. Auch die deutschen Handwerker kehrten heim und nur Schimper und Zander zogen es vor, sich nach Adoa in Tigrie zu begeben, wo sie ihre Tage beschliessen wollen. Die Expedition selbst war ein grosser Erfolg, fuer den England aber theuer bezahlen musste. Wenn der Brief, den Theodor Ende 1862 an die Koenigin Victoria schrieb, im Auswaertigen Amte nicht vergessen und nicht unbeantwortet geblieben waere, so wuerde kein Grund vorhanden gewesen sein, die Expedition ueberhaupt zu unternehmen, 6 Millionen Pfund Sterling zu opfern und einige Tausend schlecht bewaffneter Abessinier mit Armstrongkanonen und Hinterladern niederzuschiessen. -------------- Selten wurde wol ein Kriegszug mit solchem Widerstreben unternommen, mit solcher Genauigkeit entworfen und so rasch und vollstaendig ausgefuehrt, wie die englische Expedition gegen Abessinien. Sir Robert Napier konnte mit Caesar schreiben: _Veni, vidi, vici!_ Der Koenig todt, Magdala erstuermt, die Gefangenen frei! Das waren die naechsten Resultate. Die Schnelligkeit und Entschiedenheit des Erfolges, die vollstaendige Vernichtung Theodor's und seiner Macht kann uns kaum Wunder nehmen. Der Kampf zwischen einem englischen Heere mit englischen Waffen und einer Streitmacht wenig geschulter, wenn auch tapferer Abessinier war fuer letztere von vornherein ein hoffnungsloser. Das eigenthuemliche Verdienst der Englaender bestand aber nicht darin, dass sie die Abessinier, sondern dass sie das Land besiegten. Die Natur kaempfte gegen sie, aber die Wissenschaft und die Organisation ueberwanden diesen gefaehrlichsten der Gegner. Napier musste sich fast Zoll fuer Zoll erst den Weg bahnen, und dieser muehsame und gefahrvolle Marsch ging ueber jaeh abstuerzende Klippen und an schwindelnden Abgruenden vorbei; dazu gesellte sich die Kaelte auf den Alpenhoehen von 12,000 Fuss ueber der Meeresflaeche. Man begreift die aengstliche Spannung der englischen Armee, indem sie sich Magdala naeherte, Theodor moechte sich zurueckziehen und sie in endloser Verfolgung seiner Person und seiner Gefangenen zu ermueden suchen - aber der Negus hatte geschworen: "wenn auch alle seine Truppen floehen, allein den Briten Stand zu halten". Und er hat Wort gehalten, und in der That kann man im Hinblick auf die frueheren Grossthaten und die letzte Stunde sein Mitgefuehl dem Manne nicht versagen, der selbst die Englaender zwang, ihn zu zermalmen. Er war aus dem Stoffe vieler orientalischer Eroberer gemacht, ein willensstarker, bedeutender Mensch, aber ohne Selbstbeherrschung und unfaehig, die Kraft einer der seinigen ueberlegenen Civilisation zu begreifen. Selbst die Englaender liessen dem ueberwundenen Feinde schliesslich Gerechtigkeit widerfahren und eines ihrer Blaetter ruft aus: "Schade um den Mann! Der wahnsinnige Barbar, das feige Ungeheuer, als welchen ihn die schreibseligen Judenmissionaere in ihren Episteln aus der Gefangenschaft schilderten, war vielleicht der einzige wirkliche Held in diesem romantischen Drama. Schade um den Mann! Ein Mann von wilder Genialitaet, durchdringendem Scharfsinn und eiserner Willenskraft, mit all den Eigenschaften ausgeruestet, welche noethig sind, um Afrikanern zu imponiren und Barbaren fuer die Civilisation zu gewinnen, so erschien er unsern Kriegern und er hat ihr Urtheil durch sein Herzblut besiegelt." In Abessinien sind von Zeit zu Zeit grosse Maenner aufgetreten, welche ihr daniederliegendes Vaterland aus dem Staube zu heben suchten - der Abuna Tekla Haimanot stellte zu Ende des 13. Jahrhunderts das Reich unter der salomonischen Dynastie wieder her; Kaiser Fasilides verjagte die Jesuiten und unterwarf alle Rebellen - aber groesser und gewaltiger erscheint der Sohn der armen Kussohaendlerin aus Koara, Theodor II. - Und Abessinien? wird man fragen. Ohne kraeftige Regierung steht es wieder da, zerklueftet und zerfallen, als das Land, das es von je gewesen, "das Land der Verwirrung". [Illustration: Siegel des Koenigs Theodor. Nach Lejean.] _Ende._ [Illustration: Uebersichtskarte von Abessinien.] _Verlag von __Otto Spamer__ in Leipzig._ Das Buch der Reisen und Entdeckungen. _Neue illustrirte_ Bibliothek der Laender- und Voelkerkunde. Herausgegeben *unter Mitwirkung mehrerer Geographen und Schulmaenner.* Zum _Subscriptions-Preis_ von 5 Sgr. = 18 Kr. rhein. pro Heft zu beziehen. *6-10 Hefte bilden einen Band, welcher ein abgeschlossenes Werk enthaelt.* Jeder Band von 18-30 Bogen ist einzeln zu haben und kostet: _geheftet_ 1-1/3 Thlr. = 2 Fl. 24 Kr. rhein. bis 2 Thlr. = 3 Fl. 36 Kr. rhein. *In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. = 3 Fl. rhein. bis 2-1/3 Thlr. = 4 Fl. 12 Kr. rhein.* *A. Aeltere Reisen.* I. *Cook, der Weltumsegler.** Leben, Reisen und Ende des Kapitaen *_James Cook_*, insbesondere Schilderung seiner drei grossen Entdeckungsfahrten.* Nebst einem Blick auf die heutigen Zustaende der Suedsee-Inselwelt. Herausgegeben von Dr. Karl *Mueller*. Mit 120 Text-Abbildungen, fuenf Tonbildern etc. *Vollstaendig in 6 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. *B. Neuere Reisen.* _Amerika._ *Kane, der Nordpol-Fahrer.** Arktische Fahrten und Entdeckungen der zweiten Grinnell-Expedition zur Aufsuchung Sir John Franklin's in den Jahren 1853, 1854 und 1855 unter Dr. *_Elisha Kent Kane_*.* _Vierte_ durchgesehene Auflage. Mit 125 Text-Abbildungen nach Zeichnungen des Verfassers, sechs Tondrucktafeln und zwei Kaertchen. *Vollstaendig in 6 Heften.* Elegant gebunden 1-2/3 Thlr. *Die Franklin-Expeditionen und ihr Ausgang.** Entdeckung der nordwestlichen Durchfahrt durch *_Mac Clure_*, sowie Auffindung der Ueberreste von Franklin's Expedition durch Kapitaen Sir *_M'Clintock_*, R. N. L.* - _Zweite_, durchgesehene und vermehrte Auflage. Mit 110 Text-Abbildungen, 5 Tonbildern, mehreren Kartenumrissen, sowie einer Karte der noerdlichen Polarlaender etc. *Vollstaendig in 6 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. _Afrika._ *Livingstone, der Missionaer I.** Aeltere und neuere Erforschungsreisen im Innern Afrika's.* In Schilderungen der bekanntesten aelteren und neueren Reisen, insbesondere der grossen Entdeckungen im suedlichen Afrika waehrend der Jahre 1840 bis 1856 durch Dr. *David Livingstone*. _Dritte_ Auflage. Mit 90 Text-Abbildungen und 4 Tondrucktafeln. *Vollstaendig in 6 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. *Livingstone, der Missionaer II.** Neueste Erforschungsreisen im Sueden Afrika's und auf dem Eilande Madagascar.* In Schilderungen von *David Livingstone's* neuesten Forschungen waehrend der Jahre 1858-1864; der Universitaets-Mission und Livingstone's letzter Expedition von 1866. Ferner der Reisen von *Albert Roscher* und *Karl Mauch*, der portugiesischen Expedition in das Land des Muata-Kazembe, sowie der Reisen auf der Insel Madagascar waehrend des letzten Jahrzehnts. Mit 90 Text-Abbildungen, sechs Tondrucktafeln und einer Uebersichtskarte des suedlichen und mittleren Afrika sammt Madagascar, unter Angabe der Reiserouten von David Livingstone, du Chaillu, Andersson, Burton-Speke, Speke-Grant, A. Roscher u. s. w. *Vollstaendig in 8 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. Das Buch der Reisen und Entdeckungen. _Afrika._ *Die neuesten Entdeckungsreisen an der Westkueste Afrika's.* Mit besonderer Beruecksichtigung der Reisen und Abenteuer, Handels- und Jagdzuege von *Paul Belloni du Chaillu* im _aequatorialen Afrika_, sowie von *Ladislaus Magyar* _in Benguela und Bihe_, von *C. Joh. Anderson* am _Okavango-Flusse_. Bearbeitet von H. *Wagner*. Mit ueber 100 Text-Abbildungen, fuenf Tonbildern und zwei Karten etc. *Vollstaendig in 6 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. *Eduard Vogel, der Afrika-Reisende.** Schilderung der Reisen und Entdeckungen des Dr. Eduard Vogel in Central-Afrika:* in der grossen Wueste, in den Laendern des Sudan, am Tsad u. s. w. Nebst einem Lebensabriss des Reisenden. Nach den Originalquellen bearbeitet von *Hermann Wagner*. _Zweite_ durchgesehene Auflage. Mit 100 Text-Abbildungen, acht Tondrucktafeln und einer Karte von Vogel's Reiseroute. *Vollstaendig in 6 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. *Abessinien, das Alpenland unter den Tropen** und seine Grenzlaender.* Schilderungen von Land und Volk, vornehmlich unter Koenig Theodoros (1855-1868). Nach den Berichten aelterer und neuerer Reisender bearbeitet von Dr. *Richard Andree*. Mit 80 Text-Abbildungen, sechs Tonbildern sowie einer neuen Karte von Abessinien. *Vollstaendig in 6 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. *Die Erforschung des Nilquellen-Gebietes** und der angrenzenden Laender von Zanzibar bis Chartum.* Nach *Burton*, *Speke*, *Baker*, *Petherick*, *Heuglin*, *v. d. Decken* u. A. In 6-8 Heften. Mit 100 Text-Abbildungen, Tondrucktafeln, einer Karte etc. (_In Vorbereitung_.) _Asien._ *Die Nippon-Fahrer oder das wiedererschlossene Japan.* In Schilderungen der bekanntesten aelteren und neueren Reisen, insbesondere der amerikanischen Expedition in den Jahren 1852 bis 1854 und der preussischen Expedition nach Ostasien in den Jahren 1860 und 1861. Urspruenglich bearbeitet von *Friedrich Steger* und *Hermann Wagner*. In neuer Auflage herausgegeben von Dr. *Richard Andree*. _Zweite_ gaenzlich umgearbeitete, vermehrte Auflage. Mit etwa 150 Text-Abbildungen, sieben Tondrucktafeln, sowie einer Karte von Japan. *Vollstaendig in 10 Heften.* In elegantem Prachtband 2-1/3 Thlr. *Reisen in den Steppen und Hochgebirgen Sibiriens** und der angrenzenden Laender Central-Asiens.* Nach Aufzeichnungen von T. W. _Atkinson_ und Anderen. Bearbeitet von *A. v. Etzel* und *H. Wagner*. Mit 120 Text-Abbildungen und fuenf Tondrucktafeln. *Vollstaendig in 8 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. *Das Amur-Gebiet und seine Bedeutung.** Reisen in Theilen der Mongolei, in den angrenzenden Gegenden Ost-Sibiriens, am Amur und seinen Nebenfluessen.* Nach den neuesten Berichten, vornehmlich nach Aufzeichnungen von *A. Michie*, *G. Radde*, *R. Maack* und Anderen. Herausgegeben von Dr. *Richard Andree*. Mit 80 Text-Illustrationen, vier Tonbildern, sowie einer Karte des asiatischen Russlands und der angrenzenden Theile von Inner-Asien. *Vollstaendig in 6 Heften.* In eleg. Prachtband 1-2/3 Thlr. *Die ostasiatische Inselwelt I.** Land und Leute von Niederlaendisch-Indien: den Sunda-Inseln, den Molukken sowie Neu-Guinea.* Reise-Erinnerungen und Schilderungen, aufgezeichnet waehrend seines Aufenthaltes in Hollaendisch-Ostindien und herausgegeben von Dr. *S. Friedmann*. *Vollstaendig in 6 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. *Das Tropen-Eiland Java.* Mit 120 Text-Abbildungen, sechs Tonbildern und einer Karte von Java. *Die ostasiatische Inselwelt II.** Land und Leute von Niederlaendisch-Indien: den Sunda-Inseln, den Molukken sowie Neu-Guinea.* Reise-Erinnerungen und Schilderungen, aufgezeichnet waehrend seines Aufenthaltes in Hollaendisch-Ostindien und herausgegeben von Dr. *S. Friedmann*. *Vollstaendig in 6 Heften.* In elegantem Prachtband 1-2/3 Thlr. *Sumatra, Borneo, Celebes, die Molukken und Neu-Guinea.* Mit 100 Text-Illustrationen, sechs Tonbildern etc. *Neueste Kinderschriften, illustrirt durch F. Flinzer u. A.* *Die Kinderstube I.** Was man seinen Kindern erzaehlt, wenn sie 2 bis 5 Jahre alt sind.* Kleine Geschichtchen, Gedichtchen und Raethsel. Von *Ernst Lausch*, Lehrer an der Ersten Buergerschule zu Wittenberg. - In zwei Abtheilungen, mit 54 Text-Abbildungen und drei Buntbildern. Geheftet 15 Sgr. = 54 Kr. rhein. In praechtig ausgestattetem Umschlag gebunden 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. rhein. Die _erste_ Abtheilung enthaelt 50 Geschichtchen und Gedichtchen, die _zweite_ Abtheilung 50 Gedichtchen, Raethsel und Gebete zum Auswendiglernen. *Die Kinderstube II.** Hundert kleine Erzaehlungen, Gedichte und Verschen fuer Kinder von 4 bis 6 Jahren.* Der lieben Kinderwelt und deren Freunden gewidmet von *Fr. A. Glass*. Neu bearbeitet und herausgegeben von *Ernst Lausch*. _Zweite_ umgearbeitete Auflage. Mit 60 Text-Abbildungen und drei Buntbildern. Geheftet 15 Sgr. = 54 Kr. rhein. In praechtig ausgestattetem Umschlag gebunden 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. rhein. *Die Kinderstube III.** Erstes A-B-C-, Lese- und Denkbuch fuer brave Kinder, die leicht und rasch lesen lernen wollen.* Ein Fuehrer fuer Muetter und Erzieher beim ersten Unterricht durch Wort und Bild. Herausgegeben von *Ernst Lausch*. Mit 300 Text-Abbildungen und zwei Buntbildern. Geheftet 15 Sgr. = 54 Kr. rhein. In praechtig ausgestattetem Umschlag gebunden 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. rhein. *Inhalt:* I. Die kleinen Buchstaben. II. Die grossen Buchstaben und Ergaenzung der kleinen. III. Lesebuch. IV. A-B-C-Bilder-Reime. V. Kinderspiele. VI. Rechenbuch. VII. Gebetbuch. Ein namhafter Paedagog spricht sich ueber die vorstehenden Baendchen in folgender Weise aus: "Wir koennen nicht anders als mit Freuden anerkennen, dass es dem Autor gelungen ist, den rechten Stoff und fuer denselben die rechte Form, d. h. die rechte Sprache fuer die Kinder-Erzaehlungen getroffen zu haben. Die Geschichtchen sind hoechst einfach und natuerlich in der Sprechweise der Kinder gegeben, ohne jedoch etwa einen kindischen oder gar laeppischen Ton anzuschlagen. Man siehts diesen Buechelchen deutlich an, dass ein innig liebendes Vaterherz, geleitet von einem klaren paedagogischen Sinne, sie zunaechst fuer sein Theuerstes auf Erden, fuer seine eigenen Kinder erfunden und erzaehlt hat. Sie sind den Kleinen aus der Seele gelesen und darum echte Mosaikstuecke aus einem wahren und wirklichen Kindesleben. Mit vielem Glueck hat der Verfasser in diesen Erzaehlungen alles Gekuenstelte und Sentimentale, alles Ueberschwengliche und Unnatuerliche _a la_ Struwelpeter, sowie besonders auch trocknes und langathmiges Moralisiren fern gehalten." Noch sei bemerkt, dass diese Geschichtchen so einfach und kunstlos sind, um von jeder Mutter und Erzieherin jemalig nach dem Beduerfniss und der Anschauungsweise ihrer Pfleglinge leicht umgeaendert oder auch als Themata zu verschiedenen Variationen benutzt werden zu koennen. Wo und wann ein Lehrer von _Muettern_ oder von _Erzieherinnen_ nach lobenswerthen und zweckdienlichen Erzaehlungen fuer kleine Kinder befragt wird, da kann derselbe mit gutem Gewissen die Geschichtchen von *Ernst Lausch* ihnen aufs Waermste empfehlen. Gleiches Lob verdient das _neueste_ Baendchen desselben Verfassers unter dem Titel: Die Schule der Artigkeit. *Goldenes A-B-C der guten Sitten** in Lehr- und Beispiel, Mahnung und Warnung.* Auserwaehlte Fabeln, Sprueche und Spruechwoerter _fuer die Kinderstube_. Herausgegeben von *Ernst Lausch*. Mit einem Titelbilde, sowie 60 Text-Abbildungen von F. Flinzer, O. Rostosky und Fr. Waibler. Elegant geheftet 221/2 Sgr. = 1 Fl. 21 Kr. rhein. In praechtig ausgestattetem Umschlag gebunden 25 Sgr. = 1 Fl. 30 Kr. rhein. (Diesem Baendchen schliesst sich im naechsten Jahre eine Sammlung der vorzueglichsten deutschen *"Maerchen und Sagen"* an.) Die kleinen Tierfreunde. *Fuenfzig Unterhaltungen ueber die Thierwelt.* Ein lustiges Buechlein, fuer die liebe Jugend bearbeitet von Dr. *Karl Pilz*, Lehrer an der Dritten Buergerschule zu Leipzig. _Zweite_, gaenzlich umgearbeitete, vermehrte Auflage. Mit 60 Text-Abbildungen und einem Titelbilde. Geheftet 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. rhein. Elegant cartonnirt 25 Sgr. = 1 Fl. 30 Kr. rhein. *Kinderschriften von Hermann Wagner.* *Illustrirtes Spielbuch fuer Knaben.** 1001* unterhaltende und anregende Belustigungen, Spiele und Beschaeftigungen fuer Koerper und Geist, im Freien sowie im Zimmer. Herausgegeben von *Hermann Wagner*. _Zweite_ unveraenderte Auflage. Ein Band von 400 Seiten in buntem Umschlag, mit mehr als 500 in den Text gedruckten Abbildungen, sowie einem Titelbilde. Elegant geheftet Preis 1-1/3 Thlr. = 2 Fl. 24 Kr. rhein. In geschmackvollem Cartonnage-Einband 11/2 Thlr. = 2 Fl. 42 Kr. rh. *Der gelehrte Spielkamerad** oder der kleine Naturforscher, Thierfreund und Sammler.* Anleitung fuer kleine Physiker, Chemiker, Botaniker und Naturfreunde zum Experimentiren, zur Anlage von Pflanzen-, Stein-, Muschel-, Insekten-, Schmetterling-, Vogel-, Briefmarkensammlungen etc., sowie zur Pflege der Hausthiere und des Hausgartens. Ein Supplement zum "Spielbuch fuer Knaben". Herausgegeben von *Hermann Wagner*. Mit ueber 200 Text-Abbildungen, sechs Abtheilungs-Frontispicen sowie einem Titelbilde. Eleg. geheftet 1-1/3 Thlr. = 2 Fl. 24 Kr. rh. In geschmackvollem Cartonnage-Einband 11/2 Thlr. = 2 Fl. 42 Kr. rhein. _Bestens empfohlen.] __Fuer Knaben und Maedchen.__ [Zweite Auflage._ *Entdeckungsreisen in Haus und Hof.* Mit seinen jungen Freunden unternommen von *Hermann Wagner*. Mit 100 Abbildungen, Titel- und Tonbildern. Eleg. geh. 15 Sgr. = 54 Kr. rhein. Eleg. cartonnirt 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. rhein. *Entdeckungsreisen in der Wohnstube.* Mit seinen jungen Freunden unternommen von *Hermann Wagner*. Mit ueber 100 Abbildungen, Titel- und Tonbildern etc. Eleg. geh. 15 Sgr. = 54 Kr. rh. Eleg. cartonnirt 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. rh. *Entdeckungsreisen im Wald und auf der Heide.* Mit seinen jungen Freunden unternommen von *Hermann Wagner*. Mit 130 in den Text gedruckten Abbildungen, zwei Buntdruck- und drei Tonbildern und einer Extrabeilage von getrockneten Moosarten. Eleg. geh. 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. rhein. Eleg. cartonnirt 25 Sgr. = 1 Fl. 30 Kr. rhein. *Entdeckungsreisen in Feld und Flur.* Mit seinen jungen Freunden unternommen von *Hermann Wagner*. Mit 110 in den Text gedruckten Abbildungen, zwei Buntdruck- und drei Tonbildern, einem Titelbilde etc. Eleg. geh. 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. Eleg. cartonnirt 25 Sgr. = 1 Fl. 30 Kr. rhein. *Entdeckungsreisen in der Heimat.** I. Im Sueden.* Eine _Alpenreise_ mit seinen lieben jungen Freunden unternommen von *Hermann Wagner*. Mit 100 in den Text gedruckten Abbildungen, Tonbildern etc. Eleg. geh. 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. Eleg. cartonnirt 25 Sgr. = 1 Fl. 30 Kr. rhein. *Entdeckungsreisen in der Heimat.** II. Im Flachlande von Mitteldeutschland.* Streifereien mit seinen lieben jungen Freunden unternommen von *Hermann Wagner*. Mit 100 in den Text gedruckten Abbildungen, Tonbildern etc. Eleg. geheftet 20 Sgr. = 1 Fl. 12 Kr. Eleg. cartonnirt 25 Sgr. = 1 Fl. 30 Kr. rhein. *Im Gruenen oder die kleinen Pflanzenfreunde.* Erzaehlungen aus dem Pflanzenreich von *Hermann Wagner*. _Dritte vermehrte Auflage._ Mit 80 Abbildungen und kolor. Titelbilde. In prachtvollem Umschlage eleg. carton. 25 Sgr. _Verlag von Otto Spamer in Leipzig._ FUSSNOTEN 1 Adara Bille, der Peiniger Krapf's, liess sich 1863 in eine Verschwoerung gegen den Koenig Theodoros ein, die jedoch verrathen wurde, infolge dessen jener das Leben verlor. 2 Die beigefuegte Abbildung stellt einen pfluegenden Mensa dar. Zugochsen und Pflug, ebenso das Joch des Ochsen, sind ganz genau so wie im eigentlichen Abessinien gestaltet. BEMERKUNGEN ZUR TEXTGESTALT Die Fussnoten wurden an das Ende des Textes gesetzt. Die Werbeseiten wurden am Ende des Textes zusammengefasst. Die Originalausgabe ist in Fraktur gesetzt. In der elektronischen Fassung sind Antiqua (bis auf roemische Zahlen und den Titel "Dr.") und Sperrung durch Unterstriche markiert, Fettdruck durch Sternchen. "etc." ist im Original mit der Tironischen Note fuer _et_ geschrieben. Korrektur offensichtlicher Druckfehler: Seite 1: "Lefebvre" in "Lefebvre" geaendert Seite 16: "Sanglu" in "Saglu" geaendert Seite 19: "Indiko,pleustes" in "Indikopleustes" geaendert, "kopirte-" in "kopirte," Seite 26: "wuertembergischen" in "wuerttembergischen" geaendert Seite 51: "Allgemeine-n" in "Allgemeinen" geaendert Seite 57: "Mohamedaner" in "Muhamedaner" geaendert Seite 67: "lezteren" in "letzteren" geaendert Seite 95: zweites Anfuehrungszeichen hinter "vergeblich" ergaenzt Seite 136: "Metemme" in "Metemme" geaendert Seite 144: "brereitete" in "bereitete" geaendert Seite 146: "Waizen" in "Weizen" geaendert Seite 153: "Einwoher" in "Einwohner" geaendert Seite 172: "Rueppel" in "Rueppell" geaendert Seite 175: "Raum" in "Rauch" geaendert Seite 185: "Reb," in "Reb" geaendert Seite 199: "Woito" in "Waito" geaendert Seite 203: "Lalmalmon" in "Lamalmon" geaendert Seite 218: "Schutzherrrn" in "Schutzherrn" geaendert Seite 221: "Regeu" in "Regen" geaendert Seite 230: "Assasee" in "Assalsee" geaendert Seite 236: "Meeresspiel" in "Meeresspiegel" geaendert Seite 237: "vernachlaessigt" in "vernachlaessigt" Seite 246: "Banketsales" in "Banketsaales" geaendert Seite 250: "Agollala's" in "Angollala's" geaendert Seite 253: "Garague" in "Gurague" geaendert Seite 253: ueberfluessiges Anfuehrungszeichen vor "Satan" entfernt Seite 287: "Ungust" in "Ungunst" geaendert Nicht vereinheitlicht wurden (ausser in Faellen einzelner, als Druckfehler anzusehender Abweichungen) verschiedene Schreibvarianten wie "Augenbrauen" und "Augenbraunen", "Bajonnet" und "Bajonett", "danieder" und "darnieder", "erwidern" und "erwiedern", "Galla" und "Gala", "Kusso" und "Kosso", "male" und "Male", "Tanasee" und "Tana-See", "Victoria" und "Viktoria", "Wag" und "Waag", "wol" und "wohl" oder unterschiedliche Verwendung von Akzenten. Das Original verwendet durchgehend die Schreibungen "Schmuz", "schmuzig", "jenseit". ***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ABESSINIEN, DAS ALPENLAND UNTER DEN TROPEN UND SEINE GRENZLAeNDER*** CREDITS January 7, 2010 Project Gutenberg TEI edition 1 Produced by Mark C. Orton, Markus Brenner, Stefan Cramme and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net A WORD FROM PROJECT GUTENBERG This file should be named 30883.txt or 30883.zip. This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/dirs/3/0/8/8/30883/ Updated editions will replace the previous one -- the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE _Please read this before you distribute or use this work._ To protect the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} License (available with this file or online at http://www.gutenberg.org/license). Section 1. General Terms of Use & Redistributing Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. 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There are a lot of things you can do with Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is in the public domain in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. 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Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at http://www.pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director gbnewby@pglaf.org Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit http://www.gutenberg.org/fundraising/donate While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: http://www.gutenberg.org/fundraising/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works. Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Each eBook is in a subdirectory of the same number as the eBook's eBook number, often in several formats including plain vanilla ASCII, compressed (zipped), HTML and others. Corrected _editions_ of our eBooks replace the old file and take over the old filename and etext number. The replaced older file is renamed. _Versions_ based on separate sources are treated as new eBooks receiving new filenames and etext numbers. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks. ***FINIS***